“s 3% RN al BL In OR RR \4 8 RN 22 ; 'S r 23 5% »7 Ya RD: EV & ei RR De KL ar RM 16 S RS “ FORZ I \ ei RER IE x ehe RB 3% pr ER-As N OE ri r 2 = ES / Er 2 IR BR u FELRESI En RE EIER SS { 7 N N; BE x SER EM S ER RER EG ey Er BR N ; 19 , N Ya fi EOS EM: KEN ih Dr a [7 Ri “ RN OR N hr AR, EL ISLA u > j (a N RURa KEWESE RE E re Ss Mn REN y SEN iR nn \ N AUS, NR, I RAR Nur Re ZERO % ER Y T M e) AR REIN N) RE EN BROChR PER 3 3 N > er Km Öh ES WS EN N N EN nn SL Sa \ % y 07 RR SS ER RN, Br, N ' N N ; U 8 ir & Ri iR ERS DR Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Strassburg. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie, INT TTV NN NND Zwölfter Band. Mit 35 Tafeln und 13 Holzschnitten. Bonn, 1876. Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen). BIMOISILE rated? =. a Pi, N vaL ut ‚alas 9.19 zu 0% EA, N (anday, ol) ei BEE He BAR Hl Inhalt. Die Gattung Loxosoma. Von Oscar Schmidt. Hierzu Tafel I, II u. III. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Von Prof. L. Cien- kowski. Hierzu Tafel I’—VIN. ; - Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der eeansthieee, "Yon Dr. H. Simrotk zu Strassburg im Elsass. Hierzu Tafel IX. i Asymmetrie der grauen Substanz desRückenmarks. VonDr.P.Schgeffer- decker, Assistenten an dem physiologischen Institut A A sität Strassburg i. E. Hierzu sieben Holzschnitte. Ueber ein neues Mikrotom nebst Bemerkungen über einige neuere In- strumente dieser Art. Von Dr. P. Schiefferdecker, Assistenten an dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E. Hierzu vier Holzschnitte. . Das Gehörorgan der Heteropoden. Von C. Gla ausin Wien. Hierzu Tafel x. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Von Dr. Franz Leydig in Bonn. RE . ae Ueber den Ossificationsprocess bei Vögeln a die Kerkiduig von rothen Blutkörperchen an der Össificationsgrenze. Von Dr. L. Schöney in New-York. Hierzu Tafel XI. ! : Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der rer Eine Erwiderung an Herr» Prof. Stieda in Dorpat. Von Dr. Z. J. Strelzoff, Dozent der Embryologie an der kaiserlichen Univer- sität Charkow. EAREWEIPN ARE Pop u Zur Anatomie des Amphioxus N Von Prof. Dr. Paul Langer- hans in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XII—XV. RED 1% Eosin als Tinetionsmittel für mikroskopische Präparate. Von Dr. med. Ernst Fischer. (Aus dem anatomischen Institut zu Strassburg.) Ueber Sternzellen der Leber. Briefliche Mittheilung an Prof. Wal- deyer. Von C. Kupffer.. al ÄhI ER S Ueber einen eigenthümlichen Einschluss eines ana rn Dr. Joh. Latschenberger, Privatdocent und Assist. am physiol. Inst. in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XVI, Bo DR Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkarperähn. yih Ernst Fi- scher, stud. med. (Aus dem histiologischen Laboratorium der Ana- tomie in Prag.) Hierzu Tafel XVII. Seite 1 15 51 87 91 103 119 243 254 290 349 353 359 364 IV Inhalt. Seite Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. Von Dr. W. Flemming, a. o. Professor und Prosector. (Aus dem histiologi- schen Institut der Anatomie in Prag.) I. Vom Bau des lockeren Pr Hierzu Tafel RVTIE 0 une 2 le He 2 Re WE II. Beobachtungen über F ee ren Tafel XIX und XX 13 a > RN Nr |. III. Zur Anatomie der en Lymphgefie, ee Tafel XX Pig... 9-12...) 2. 200 . 507 Ueber die Schwanzflosse, Tauikorperehen aaa Kndore gane an I: erven en Batrachiern. Von Dr. F. Leydig in Bonn. Hierzu Tafel XXI . 513 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. Hierzu Tafel XXL. . ... . . 528 Bemerkungen über Farben der Hautdecken und Nerven der Drüsen bei Insecten. Von Dr. F. Leydig in Bonn. Hierzu Tafel XXIII. . . 536 Nochmals di@ Gastrula der Kalkschwämme. Von Oscar Schmidt. . 551 Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. Von Lud- wig Stieda. . 2.27%. E . EEE a Das acustische Organ im Ohre ir ARE Von Johannes Ranke in München. . .. . SEN. ne 015 re RE Flimmerepithel im Oesophagus asien a ea Von Prof. E. Neumann in Königsberg i. Pr. . . . . 5 . je CE Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. var eh er, ER docent an der Universität zu Graz. Hierzu Tafel XXIV. . . . . 575 Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. Von Dr. Alexander Goette, Privatdocent in Strassburg. Hierzu Tafel XXV—XXVÜL I, a N u ee 2 aiyae un De SEE Die Lymphgefässe der Gelenke. Von Dr. H. Tillmanns, Privatdocent für Chirurgie an der Universität Leipzig. Hierzu Tafel XXIX und XXX, sowie ein Holzschnitt. . . . - en . 649 Beiträge zur Histologie uud ke ohicnt u ERBEN Oberhaut und ihrer Anhangsgebilde. Von Dr. med. P. Unna. Hier- zu Tafel XXXI und XXL, 1. .08 0 Mn ee a Die Nervenendigung in der Retina. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Hierzu Tafel XXXIIH und ein Holzschnitt.. . . . . 742 Kurze Mittheilung, mein Mikrotom betreffend. Von Dr. P. Schieffer- decker, Assistent an dem anatomischen Institute zu Strassburg. . 791 Knochenmark und Blutkörperchen. Eine Berichtigung von Prof. E. Neumann in Königsberg in Pr.. . . . . 793 Ueber die Genese der Samenkörper. Von v. la Valette St. RE Vierte Mittheilung. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV.. . . . . 797 Die Gattung Loxosoma. Von Oscar Schmidt. (Hierzu Taf. I, II und III.) Keferstein hat das von ihm auf Capitella ‘rubicunda ge- fundene Loxosoma singulare in der Zeitschr. f. wiss. Zoologie XII. 1863 so weit beschrieben und abgebildet, dass man das Thier wieder erkennt. Der dicke scheiben- oder schildförmige Rumpf sitzt auf einem kurzen Stiel und hat eine mit zehn Tentakeln versehene Kopfscheibe. »In dieser liegen Mund und After, zwischen welchen der Darmcanal eine Schlinge bildet. Ueber dem Magen, nahe an seinem Ende, sieht man häufig sich Eier bilden, die eine beträcht- liche Grösse erreichen und dann die Körperwand etwas vortreiben. Bei einem 0,4 Mm. grossen Exemplare sah ich (K.) an der äusseren Haut einen ovalen Körper wie eine Knospe aufsitzen, und am selben Exemplare war ein 0,2 Mm. grosses auf der äusseren Haut mit seinem Stielfuss befestigt«. Keferstein bringt sein Thier in die Nähe von Pedicellina Van Ben. Uebrigens war nicht Keferstein, sondern Fee der eigentliche Entdecker, wie wir aus des Letzteren »Beobachtungen etc. 1873« erfahren, worin er auch verschiedene Zeichnungen, das Thier betreffend, mittheilt. Ist die Fussscheibe wirklich so kreisrund, wie Clapar£de sagt und abbildet, so würde die Species verschieden sein von derjenigen, welche ich unten als Loxosoma singulare be- schreibe. Einige Jahre später, in den M&m. del’Acad. imp. de St. Peters- burg VII. Serie. X. 1866, lenkte Kowalevsky die Aufmerksamkeit Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 1 2 Oscar Schmidt: wieder auf das merkwürdige Geschöpf durch seine »Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Loxosoma Neapolitanum«. ÖObschon er, nach meiner Meinung irrig, angiebt, die neue Art be- sitze nur ein und dasselbe Rohr als Oesophagus und Enddarm und habe eigenthümliche Haftorgane und Saugscheibchen am Fussende, will er doch keine neue Gattung dafür gründen. Er constatirt ausser der »Knospenbildung« eine Entwickelung mit freiem Schwärmzustande. Die Eier, aus welchen diese Larven hervorgehn, würden zwischen den Armen gehalten, auf welche Weise sie aber dahin gelangen, blieb Kowalevsky unbekannt. Er fand seine Species in Neapel zwischen den Röhren von Phyllochaetopterus, welches und an welcher Stelle des Golfes ist leider nicht gesagt. Es ist mir nicht gelungen, diese Art in Neapel aufzutreiben. Kowalevsky’s Abbildungen sind äusserst scizzenhaft; auch lag dem Beobachter so dürftiges Material vor, dass die Beschreibung viel zu wünschen übrig lässt und eine Reihe ganz offenbarer Irrthümer enthält, offenbar für mich, der ich ausser Kefersteins Art noch zwei neue Arten in Neapel während eines Winteraufenthaltes in Dohrns nicht genug zu rühmender zoologischer Station zu Tausenden untersuchen konnte. Meine beiden Vorgänger haben ihre Loxosomen immer nur einzeln gefunden. Ich entdeckte schon im November,- dass die Cs- näle der in Neapel sehr häufig vorkommenden Arten von Euspongia und Cacospongia, namentlich Eusp. nitens und Cacosp. scalaris und cavernosa fast ausnahmslos ungeheure Mengen zweier Loxosoma- arten beherbergen, während ich später das Loxosoma singulare ebenso unzählig auf der Oberfläche von Euspongia nitens!) fand. Diesem günstigen Umstand ist es zu verdanken, dass ich mit der Anatomie so ziemlich ins Reine gekommen, dass ich die vermeint- liche seitliche Knospenbildung als eine ganz reguläre und eben dess- halb höchst merkwürdige Eientwickelung verfolgen und endlich con- statiren konnte, dass ausserdem, wie Kowalevsky recht gesehn, eine zweite wahre Eientwickelung mit Hervortreten der Larven aus der Kopfscheibe stattfindet. 1) Euspongia nitens stellt sich in Neapel als eine Umwandlung von Euspongia equina dar. Es finden sich neben ächten grossen Exemplaren des Pferdeschwammes, der im adr. Meere nicht mehr vorkommt, alle Ueber- gänge bis zu den kleinen, fast verkümmernden Stücken der von mir einst Eusp. nitens genannten Varietät. Die Gattung Loxosoma. 3 Gattungs- und Art-Character. Der Körper von Loxo- soma besteht aus einem schildförmigen Rumpfe und einem Stiele. Der obere Theil des Schildes wird von einem Kranze von Ten- takeln eingenommen, innerhalb welches sich fast central die After- öffnung und wandständig, nach unten, die Mundöffnung befindet. Die Anheftung des Thieres geschieht durch den saugnapfartig erwei- terten und mit einem eigenthümlichen Drüsenapparat versehenen unteren Theil des Stieles. Beiderlei Geschlechtsorgane in allen In- dividuen. Zweierlei Eientwickelung, die eine mit seitlichem Hervor- treten der Embryone ohne Metamorphose, die andere mit Durch- bruch der Schwärmlarven durch die Tentakelscheibe. 1. Loxosoma singulare Keferstein. Länge des Rumpfes bis 0,4 Mm. Rumpf nicht scharf von dem kurzen und dicken Stiele ab- gesetzt. Stielende von der Seite gesehn von der Form des mensch- lichen Fusses (Fig. 2). Zehn Tentakeln. 2. Loxosoma Raja nov. sp. Länge des Rumpfes 0,12 Mm. Fuss schlank, scharf abgesetzt. Rumpfscheibe im unteren Theile sehr verbreitert (Fig 1). Zwölf Tentakeln. 3. Loxosoma cochlear. nov. sp. Eben so lang, aber schmal. Acht Tentakeln. Zu diesen leicht zu constatirenden äussern Unterscheidungs- zeichen kommen eine Reihe anatomischer Merkmale, welche eben so fest, wie jene sind. Unter den zahllosen, von mir durchmusterten Exemplaren sind gar keine Varietäten oder Uebergangsformen vor- gekommen. Ich bin der Ueberzeugung, dass Kowalevsky’s Art sich unmittelbar an die obigen anreiht, wie aus der Kritik der wich- tigeren seiner Angaben hervorgehn wird. Hautbedeckung, Musculatur. Das ausgebildete Loxosoma hat als oberste Körperschicht eine Cuticula, welche das Produkt einer körnigen mit zahlreichen Kernen versehenen Matrix ist. Diese Cuticula ist am Rumpfe so starr, wie bei vielen der sogenannten ge- panzerten Räderthiere, so dass der Rumpf nur geringer Biegungen fähig ist. Vorn an der Bauchseite, welche mehr flach und etwas concav verläuft, während der Rücken gewölbt ist, befindet sich je- doch ein Ausschnitt mit mehr oder weniger welligem Rande, aus welchem die Tentakeln hervorgestreckt und in welchen sie bei der leisesten Störung eingeschlagen werden. Man sieht die Thiere unter dem Mikroskop fast nie anders, als mit eingezogenen Tentakeln (Fig. 1), wobei eine Hautduplicatur, ein Ringkragen die Tentakeln 4 Osear Scehmidt: bedeckt und schützt. Derselbe kann durch seinen Sphincter (1. sph.) ganz geschlossen werden. In unmittelbarer Verbindung steht mit der Cutieularmatrix ein Netz unregelmässig verzweigter Zellen. Die Ausläufer verlieren sich gegen die Outicula; die dickeren Zweige enthalten zahlreiche Körnchen. Die Natur dieses Netzes ist mir nicht klar, und es mag einstweilen als »Bindegewebsschicht« be- zeichnet werden, da mit seiner Hülfe und derjenigen der zahlreichen Muskeln die Organe in ihrer Lage erhalten werden und durch dasselbe der Raum wenigstens schwammartig ausgefüllt ist, der sonst als Leibeshöhle zu bezeichnen wäre. Die Musculatur ist vor allem im Stiel entwickelt. An der Haut liegt eine dünne Mnskelschicht, deren Wirkung sich auf Runze- lung beschränkt. Auch wenn der Stiel abgerissen oder durchschnitten wird, vermag die Ringmuskelschicht den Rumpf nicht zu contra- hiren, was übrigens auch bei Verletzungen des Rumpfes gilt. Innen im Stiel verlaufen die Längsmuskelfasern, welche in den Rumpf treten und sich theils, wie einige Faserbündel der breiten sich kreuzenden und Fasern austauschenden Bänder, an den Darmcanal legen, theils, sich immer feiner gabelnd und verzweigend, mit den Hautbedeckungen verbinden. Sie treten vorzugsweise an die Bauchseite und bewirken eine Krümmung des Rumpfes gegen den Stiel oder eine mit Krüm- mung verbundene Seitwärts-Neigung. Sie haben dabei nur die Elasti- eität der Cuticula zu überwinden, ohne Antagonisten. Beim Er- schlaffen der Sphinctere des Tentakelkragens wirken aber Radial- muskeln. Das Ende des Stieles oder der Fuss dient zur Befestigung des Körpers. Sein Bau ist von Kowalevsky ziemlich vollständig geschildert. Er ist am klarsten bei Loxosoma singulare zu er- kennen (Fig. 2). Man findet die Loxosomen immer senkrecht ange- heftet, wobei der Fuss im rechten Winkel gegen den oberen Stiel- theil gebogen ist. Diese Stellung wird bei Loxosoma singulare auch nach dem Losreissen wenig verändert, wogegen bei meinen beiden anderen Arten der Fuss sich mehr streckt. Die anhaftende Seite ist flach mit seitlichen Lappen, der freie Theil gewölbt, 'so ‚dass bei Loxosoma singulare der Umriss sehr auffallend ‚dem ‚des mensch- lichen Fusses gleicht. Die Sohle wird zur Saugscheibe, indem mehrere Muskeln (2. m) die ganze mittlere Sohlenfläche heben. Eine zweite Muskelgruppe (m‘) zieht die Spitze des Fusses nach oben, dient also mit einer dritten Muskelgruppe (m‘), welche zwischen Die Gattung Loxosoma. 5 Ferse und Fussrücken verläuft, zum Ablösen der Sohle. Das wech- selnde Spiel aller dieser Muskeln macht ein langsames Fortrücken des Thieres begreiflich. Bei Loxosoma Raja (Fig. 3) und cochlear kann die Fussmusculatur nicht so im einzelnen verfolgt werden, ist aber sehr reichlich vorhanden. Ein sehr wesentlicher, weil sehr stark entwickelter Theil ist nun offenbar die Fussdrüse (2. 3. p). Sie besteht aus fünf bis zwölf grossen Zellen in einem feinkörnigen Plasma und zusammengehalten von einer äusseren structurlosen Haut. Eine schlauchförmige Tunica intima geht bei Loxosoma singulare in ein chitinöses Ausführungsrohr (ec) über. Letzteres öffnet sich in einen den ganzen Fuss durchziehenden und an der Fussspitze mündenden Ausführungsgang. Dieser ist von vier Reihen grosser Zellen besetzt. Die Oefinungen des Ganges, von welchen Kowa- levsky spricht, existiren bei den von mir beobachteten Arten nicht, eben so wenig als die beiden kleinen Saugscheibchen und die Haken- apparate an der Fussspitze. Das Secret des mächtigen Drüsen- apparates kann man oft beim Abnehmen des Thieres von seinem Standorte als eine zähe, sehr feinkörnige Masse bemerken. Bei Loxosoma singulare scheinen auch die Zellen, welche hinter der Drüse an der Ferse liegen, das Fusssecret zu liefern, doch ist mir ihre Verbindung mit dem Ausführungsgange verborgen geblieben. Zur Entleerung des Drüsensecrets tragen jedenfalls die Muskeln m“ bei, wenn diess nicht etwa ihre vornehmste Function ist. Ernährungsapparat. Derselbe beginnt mit dem Tentakel- kranze. Nach Kowalevsky bestehen die Tentakeln der Loxosoma neapolitanum aus drei Reihen Zellen. Meine Arten verhalten sich anders (Fig. 4. 5). Der Tentakel ist, wie Claparede richtig an- giebt eine Röhre, welche aussen und seitlich (vergl. den Durchschnitt Fig. 5) von einer mit den Hautbedeckungen übereinstimmenden Wand (w), nach innen, d. h. an der der Scheibe zugekehrten Seite durch zwei Reihen Zellen geschlossen ist. Diese beiden Zellenreihen tragen je eine Reihe ungemein langer Wimpern, von denen wier bis sechs auf eine Zelle kommen, und sind ausserdem zwischen diesen Geisseln mit einem kürzeren Wimperbesatz versehen. Auch an der Basis der Tentakeln ist Flimmerung in der bis zum Munde ver- laufenden Furche. Offenbar muss die Aufrichtung der Tentakeln durch Eintreiben einer Flüssigkeit in die Röhre geschehen, von welcher Glaparede sagt, dass sie mit der Leibeshöhle in Verbindung stände. Allein ich habe schon betont, dass man nicht eigentlich von einer 6 Oscar Schmidt: Leibeshöhle reden kann, da der hierfür anzusprechende Raum von einem schwammigen Parenchym erfüllt ist. Diess würde jedoch den Mechanismus des Aufrichtens nicht ändern. Die grossen steifen und willkürlich bewegten Wimpern umschliessen also die Rinnen, in welchen vermittelst der ununterbrochenen Thätigkeit der feinern Wimpern die Speise zur Scheibenfurche und schliesslich zum Munde geleitet wird. Die Lage des Mundes ist aus Fig. 60 klar, eine breite Spalte, die wie auch der, gleich dem ganzen Darımcanale leb- haft flimmernden Oesophagus sich trichterförmig nach dem Magen senkt. Die Cardia ist scharf umschrieben, so dass Magen und auf- steigendes Rohr einen deutlich von der Speiseröhre getrennten Theil bilden. Die Magenhöhle geht ohne einen besonderen Pylorus- sphineter in den Darm über (Fig. 7). Das Lumen des Darmes ist sehr veränderlich, doch ist er oft gegen das Ende hin eingeschnürt. In scharfer Biegung steigt der Enddarm zwischen den Tentakeln empor, so dass die Afteröffnung (6. 7.a) ziemlich weit in gerader Richtung oberhalb des Mundes liegt. Die Wandung des ganzen Darmcanals besteht aus einer Schicht Zellen, deren drüsige Natur besonders am Enddarm hervortritt, und als deren Modification sich auch die Leber ergiebt. Dieses Organ ist am meisten bei Loxosoma Raja und cochlear ausgebildet (Fig. 1. 7. h. r), wo es aus langen cylindrischen Zellen besteht, welche einen Theil der Wandung des Magens und des aufsteigenden Darmes bilden. Die ganze obere Partie ist grünlich gelb gefärbt und enthält grössere grüne oder gelbbraune Concremente. Dagegen sind die beiden unteren Seiten- lappen (r), welche den Magenblindsack begleiten, farblos und mehr oder weniger mit scharf lichtbrechenden weissen Körnern erfüllt, jedoch immer nur unterhalb des Kernes in dem dem Magen zugewandten Theile der Zellen. Wenn wir daher das Ganze Leber genannt haben, so ist es mit dem Vorbehalt, dass die Seitenlappen möglicher Weise eine andere, etwa eine excretorische Function haben. Es ist schon erwähnt, dass auch die Zellen der Wandung des Enddarmes eine solche ausscheidende Thätigkeit zu haben scheinen. Nach irgend welcher Spur eines Gefässsystems habe ich vergeblich gesucht. Da offenbar die Tentakeln mit einer Art von: Blutflüssigkeit geschwellt werden, ohne eigne Gefässwandungen zu zeigen und da auch die Zwischenräume des Balken- und Zellennetzes im Körper wasserklar sind, so versehen wahrscheinlich diese La- cunen die Stelle des Gefässsystemes. Die Gattung Loxosoma. a Höchst unsicher sind auch meine Beobachtungen über Organe, welche man für Theile des Nervensystems halten könnte. Ich finde bei Loxosoma singulare oberhalb der Hoden, aber auch zwischen Oesophagus und Enddarm quer gelagert eine Art von Nervenband oder Doppelganglion, dessen Bedeutung mir aber desshalb sehr fraglich, weil ich bei den anderen Arten nichts Entsprechendes ge- sehen. Nicht zu verwechseln ist damit das Organ, welches in Fig. 1 von Loxosoma Raja mit x bezeichnet ist, und das eine dem Mund- darm angehörige Drüse sein dürfte. Meine Vorgänger halten die Loxosomen für getrennten Geschlechtes. Indess sind sie Zwitter, wie man am besten und leichtesten an Loxosoma singulare beobachtet. Bei dieser Art besteht die Samen- drüse (Fig. 8. 9. t) jederseits aus zwei sackförmigen Theilen. Der obere liegt immer oberhalb der Leber. Die Spermatozoen (bei Fig. 8 sp) entwickeln sich aus Zellen, die gewöhnlich erst nach Be- handlung mit Reagentien deutlich werden. Im unreifen Zustande sind die Samenkörner unregelmässig S-förmig gekrümmte Cylinder, reif gestreckt spindelförmig mit schlängelnder oder schwach welliger Bewegung. So sammeln sie sich in der Samenblase (v), in welche von der Rückenseite aus die Hoden einmünden. Von der Samen- blase aus treten die Samenkörper durch ein Paar flimmernde Gänge (s) mit trichterförmiger Mündung direct in den Eierstock. Es ist sehr leicht, bei Loxosoma Raja und cochlear, wie man meint, neben und ausserhalb des Eierstocks die »züngelnden Flämmchen«, also die schwingenden Wimperläppchen zu sehen. Es gelang mir aber bei diesen Arten nicht, den wahren Sachverhalt zu erkennen. Dagegen gab Loxosoma singulare volle Klarheit. Die Spermatozoen bewegen sich durch den ganzen Eierstock (ov) zwischen den Ei- zellen umher, so dass über den Ort der Befruchtung kein Zweifel ist. Auch der Eierstock ist paarig, doch scheinen die beiden Hälften nicht, wie das mit dem Hoden der Fall ist, durch eine mittlere Com- missur, respective die Ausführungsgänge und die Samenblase- in Verbindung zu stehn. Entwickelung. Alle drei Beobachter, die einzigen, welche -Loxosoma bisher gesehen zu haben scheinen, stimmen darin überein, dass ausser der geschlechtlichen Fortpflanzung auch eine »Knospen- bildung« statt finde. Nichts ist leichter zu sehen und gewöhnlicher — ich konnte es vom November bis Ende März constatiren — als dass seitlich von der Lebergegend aus je eine »Knospe« senkrecht zur 8 Osear Schmidt: Längsaxe hervorwächst. Knospen scheinen es zu sein. Es ist mir geglückt, die Entwickelung dieser vermeintlichen Knospen mit ziem- licher Vollständigkeit zu verfolgen, und es hat sich ergeben, dass eine regelrechte Eientwickelung ohne Metamorphose vor- liegt. Bei Loxosoma cochlear ragt dieser Embryo, sobald er über die Leber hervortritt, auch hier über den Körperrand der Mutter hervor. Bei Loxosoma singulare aber und noch weit mehr bei Loxosoma Raja liegt der junge Embryo in einer Ausbuchtung des Rumpfschildes (Fig. 1. e). Man sieht, wie die Basis des Embryo sich oberhalb der Leber versteckt, und so ist es mir auch nicht ge- lungen, zu entscheiden, ob ein besonderer Ausführungsgang aus dem Eierstock vorhanden, oder ob der Austritt jedes einzelnen Ries mit einer Berstung des Eierstockes verbunden ist. Fig, 10. zeigt den Uebertritt eines Eies in eine Art von Kapsel, welche hart an der Leber liegt; in einem anderen Falle sah ich das Ei im Begriff, hinter der Leber zu verschwinden. Ich habe bei einem glücklich zerzupften Exemplare von Loxosoma Raja gefunden, dass die Bucht, in welcher der Embryo liegt, sich tief fast bis zur Axe des Körpers erstreckt, und in diesem Winkel, der Beobachtung entzogen, da man vom Rücken aus ebenfalls nichts sieht, scheinen die ersten Stadien der Furchung abzulaufen. Zwar Fig. 11 und 12 zeigen uns Furchungsstadien von Eiern vor dem Eintritt in die Rinne. Es ist also möglich, ja wahrscheinlich, dass nicht selten die Furchung noch im Eierstock beginnt; aber auch die andere Möglichkeit bleibt offen, dass die ab- gebildeten Stadien Eier betreffen, welche die weiter unten zu be- schreibende zweite Entwickelungsweise eingehen. Die zweite Mög- lichkeit ist mir für Loxosoma Raja, von dem die Eier sind, nicht wahrscheinlich, da ich bei dieser Art nie die Entwickelung der Flimmer- larven beobachtet. : Indem das Ei über den Rand der Leber, in der Furchung be- griffen, hervortritt, treibt es die Kapselhaut vor sich her, die sich, je mehr der Embryo wächst, desto praller an denselben anlegt und später in seine Hautbedeckung übergenommen zu werden scheint. Der Embryo ist längere Zeit eine aus einer einzigen Lage von Zellen bestehende Scheibe. Dieser höchst günstige Umstand erlaubt es, mit voller Sicherheit die Bildung dreier Keimblätter von einfachsten Verhältnissen zu verfolgen, und macht das Loxosoma zu einem der interessantesten und lehrreichsten Objecte. Schon auf der früheren Stufe (Fig. 13), wo der ganze Embryo Die Gattung Loxosoma. 9 aus zwei centralen Zellen, dem inneren Keimblatte, und einem Ringe von acht bis zehn äusseren Zellen, dem äusseren Keim- blatte besteht, ist die Rolle, welche diese Zellen bei der ganzen künftigen Entwickelung zu spielen haben, ‚definitiv vertheilt. Aus den beiden Centralzellen wird der Darmcanal, inclusive Leber und Tentakeln.. Aus den zwei untersten Zellen entsteht der Drüsen- apparat des Stieles. Alles Uebrige geht aus den übrigen Zellen des äusseren Keimblattes hervor. Streng genommen kann man also kaum von einer Furchung, als einem bloss indifferenten Process der Zellenvermehrung reden, da mit den Anfängen derselben schon die Keimanlage gegeben. Noch einen Moment verharrt der Embryo aufdem besprochenen Stadium der zwei primitiven Keimblätter, wobei aus den zwei centralen Zellen deren vier entstanden sind (Fig. 14). Auf der nächsten Stufe (15) hat die Bildung des mittleren Keimblattes (m) begonnen durch Einschiebung einer Zelle. Die Herkunft derselben könnte zweifelhaft sein, wenn nicht die weitere Entwicklung des Blattes die Sache verdeutlichte. Das Stadium Fig. 16 kann aus dem vorigen nur auf folgende Weise hervorge- gangen sein: durch eine raschere Theilung der vier Centralzellen ist der mittlere, aus zwei Zellenreihen bestehende Theil der Scheibe entstanden; die bisher indifferenten zwei untersten Zellen des äusseren Blattes haben sich vergrössert (f). Sie werden von jetzt an nach innen geschoben und, indem sie das Material zum Drüsenapparat des Fusses liefern, vom Hautblatt umwachsen. Statt der einen Zelle des mittleren Blattes sind jetzt deren zwei jederseits, wobei die erste weiter nach vorn zwischen äusseres und inneres Blatt ge- drängt werden. Der letzte Scrupel in der Deutung dieser Zellen wird durch Bilder wie Fig. 17 beseitigt. Wir haben eine Ein- wanderung aus dem äusseren Blatte vor uns, welche mechanisch dadurch geboten erscheint, dass die im Umkreise des äussern Blattes nicht Platz findenden Zellen nach innen einbiegen. Dies ist nun auch der Zeitpunkt, wo das Hautblatt sich nicht mehr auf einen, den Rand der Embryo-Scheibe bildenden Kranz von Zellen beschränkt, sondern zu einer wirklichen Hülle des Körpers zu werden beginnt. Das ist zunächst am Rücken der Fall. Da nun die Bauchseite des Embryo der Bauchseite der Mutter entspricht und man ihn am besten bei der Rückenlage der Mutter sieht, so wird die Beobachtung jetzt noch gar nicht gestört, und auch später dureh Ausbreitung der Hautschichte an der Bauchseite sehr wenig, 10 Oscar Schmidt: indem dieselbe immer sehr durchsichtig bleibt. Zeigt die Stufe Fig. 18 noch keinen anderen Fortschritt als eine Vermehrung der Zellen in allen drei Keimblättern, namentlich auch noch keine Sonderung des Tentakelcomplexes vom Darmcanal, so tritt nunmehr bei Fig. 19 diese Sonderung ein. Schon auf der Stufe 14 und 15, wo das innere Keimblatt nur aus vier Zellen besteht, ist mit dem Raume zwischen diesen Zellen die primitive Darmhöhle gegeben. Aus der Erweiterung dieses Raumes geht der von den Tentakeln begrenzte Vorraum mit der zum Munde führenden Flimmerfurche, der Munddarm und der Magen hervor. Ich glaube nämlich annehmen zu müssen, dass es der Munddarm ist, den man entstehen sieht (Fig. 21. oe) und nicht der Enddarm, worüber mir der specielle Nachweis fehlt. In Fig.19 sehen wir die Tentakelscheibe sich vom Magen absondern, welcher letztere bald darauf schon annähernd die bleibende Form annimmt (Fig. 20) durch Verlängerung und fächerförmige Gruppirung der einzigen, seine Wandung bildenden Zellenschicht. Die weitere Ent- wickelung und das ausgewachsene Thier zeigen, dass diese Zellen- schicht die bleibende ist. Sie differenzirt sich nur in die eigent- lichen Leberzellen und diejenigen, welche die Wandung des Magen- blindsackes bilden. Vollständig klar ist die allmälige Sonderung der Doppel-Reihe von Zellen, deren Vorfahrenpaar (f Fig. 16) wir sehr frühzeitig sich aus dem Hautblatte ausscheiden sahen. Es schnürt sich die obere Partie (gl Fig. 21. 22) etwas ab und wird zur Fussdrüse; die längere untere Partie (f Fig. 21. 22) giebt den Ausführungsgang sammt den denselben besetzenden vier Reihen von accessorischen Drüsenzellen. Dabei erscheint der Ausführungsgang als eine Aus- scheidung aller dieser Zellen. Dieselben bleiben immer sehr fest an jenem haften, jedoch ohne eigne Ausführungsgänge, wie es an manchen Präparaten scheinen möchte. Die Fussdrüse ist also nach Entstehung und Function eine colossal entwickelte Hautdrüse. Unterdessen hat sich auch die mittlere Keimschicht so weit ausgebreitet, dass die oberste Zelle derselben keilföürmig zwischen Haut und dem oberen Theile der Tentakelscheibe sitzt. Ich habe wiederholt das Stadium Fig. 19 genau in derselben Weise ge- sehn, dass nämlich jede Hälfte des Mittelblattes oberhalb der Fuss- drüse aus sieben grossen Zellen bestand. Mit ganzer Sicherheit kann ich nur angeben, dass aus diesem Blatte die Samendrüse Die Gattung Loxosoma. 11 (Fig. 21. 22 n) entsteht. Obschon auch die anderen Arten hierüber keinen Zweifel lassen, so ist doch besonders Loxosoma singulare hervorzuheben, indem bei diesem schon im Embryo, so wie die Form der Samendrüse sich erkennen lässt, auch schon die Bildung der Samenelemente beginnt. Sie hat das granulirte Aussehen wie beim ausgewachsenen Thiere, wenn der Samen unreif ist. Da die Eier erst beim erwachsenen Thiere zum Vorschein kommen und die Eierstockswand dünn und durchsichtig ist, so kann über das Her- kommen des Ovarium nicht völlig bestimmt entschieden werden. Aus dem eintönigen und einfachen Verhalten des Hautblattes so wie aus der lebhaften Zellenvermehrung im Mittelblatte scheint mir geschlossen werden zu müssen, dass sämmtliche Fortpflanzungs- organe auf das letztere zurückzuführen sind. Auch die Muskulatur ist aus ihm herzuleiten. Ich habe die Umbildung der noch in- differenten Zellen in die Muskelzellen nicht verfolgt; ich wüsste aber nicht, wozu die zwischen Fussdrüse und Haut liegenden, dem Mittelblatte angehörigen Zellen anders verwendet werden sollten, wenn nicht zu den Muskeln. Die Tentakeln erscheinen bis zu der Periode, wo Hoden und Fussdrüse schon zu sehen (Fig. 21), als je einzelne grosse Zellen. Ihre speciellere definitive Ausbildung kenne ich nicht. Noch wäh- rend der Embryo mit seinem Stielende an der Mutter auf eine mir ebenfalls nicht verständliche Weise haftet, öffnet sich die Tentakel- scheibe und das junge Thier, vollständig für sich functionirend, nimmt Nahrung auf, worauf es sich ablöst, seinen Platz wohl in unmittelbarer Nachbarschaft der Mutter nimmt und sehr schnell auswächst. Dies ist die Geschichte der sogenannten »Knospen« der Loxosomen, eine so directe und einfache Eientwicklung, wie sie kaum anderswo im Thierreich bekannt geworden ist. Nachdem ich dies gleich beim Beginn meiner Untersuchungen erkannt, erschien mir Kowalevsky’s Angabe, dass bei Loxosoma neapolitanum die eigentliche Eientwicklung an einem ganz anderen Orte, nämlich zwischen den Tentakeln statt finde, so ungereimt, dass ich an eine Verwechslung mit einem parasitischen Bewohner denken musste. Obschon Kowalevsky von den Knospen nur einen Um- riss giebt, kann ein Zweifel, dass die von ihm beobachtete Art in dieser Hinsicht mit den unserigen völlig übereinstimmt, nicht auf- kommen. Ich glaubte um so mehr an eine Täuschung meines Vor- gängers, als ich bei den sicher auf mehrere Tausende sich belaufen- 12 Oscar Schmidt: den Exemplaren von Loxosoma Raja und cochlear, welche ich unter dem Mikroskop gehabt vom November bis Ende März, auch nicht eine Spur solcher Schwärmlarven und ihrer Entstehung ent- deckt habe. Allein zu meinem grössten Erstaunen wurde ich durch Loxosoma singulare, das ich Anfang März bekam, eines anderen belehrt. Es existirt in der That eine zweite Art von Entwickelung aus Eiern und zwar aus befruchteten. Ich habe nämlich sehr oft bei Lox. Raja und cochlear bei der Entwickelung der Seiten-Em- bryonen die Samenblase erfüllt gefunden, noch häufiger bei Lox. sin- gulare, wo, wie ich oben erwähnte, der Uebertritt der Spermatozoen in den Eierstock so leicht zu sehen. Die Exemplare von Lox. sin- gulare, deren Eier befruchtet werden, zeigen nun bald nur die 'Seiten-Embryone, bald nur die gleich zu beschreibenden Schwärm- larven, bald beiderlei Nachkommenschaft zu gleicher Zeit. Da nun im Eierstock kein besonderes Fach vorhanden, wohin die Samen- körper nicht gelangen könnten, man vielmehr die letzteren zwischen die sesammte Eiermasse vertheilt sieht, so muss trotz der verschie- denartigen Entwickelung doch gleichmässig eine Befruchtung statt- finden. Kowalevsky theilt über die Entwickelung seiner Schwärm- larven folgendes mit: Die reifen Eier treten, nachdem sie die Lei- beshöhle verlassen, nach aussen und werden hier mittelst eines um- gebogenen Tentakels gehalten. Die hier vorgehende Furchung ist eine totale. Im Embryo hebt sich unter Bildung einer Leibeshöhle die Körperwandung von der Umgrenzung des Magens ab und es entstehen am Vorderende zwei Flimmerlappen. Nachdem zwischen diesen die Mundöfinung durchgebrochen, verlässt der Embryo die Eihülle und schwimmt vermittelst der Flimmerbewegung der Flim- merlappen. Ziemlich weit hinter dem Munde finden sich zwei stark lichtbrechende Körperchen, aber ohne Pigment. Auf einer etwas späteren Stufe hat sich die Gestalt derjenigen einer mit einem* grossen Flimmergürtel und Cilienbüscheln am Kopfe versehenen Annelidenlarve genähert, wobei die lichtbrechenden beiden Körper- chen nahe an den Mundrand getreten sind. Leider sind meine eignen Beobachtungen ebenfalls sehr un- vollständig. Ich fand die nach der Kopfscheibe gedrängten, in einer Aussackung des Eierstockes liegenden Eier in den verschiedensten Stadien der Furchung. Die Figuren 23 und 24 lassen auf eine Einstülpung der einfachen Keimblase schliessen. Die Uebergänge Die Gattung Loxosoma, 13 von hier bis zu dem Stadium Fig. 25 sind mir unklar geblieben, wie ich auch auf eine Deutung der Organe dieser Stufe verzichten muss. Klar ist nur der Darmcanal der Larve, i. Ob o proviso- rische Augen, bleibt dahin gestellt, ebenso, ob a die Anlagen von 2 Paar Tentakeln. Es scheint, dass jetzt, wo die Larve eine dick- zellige, vielfach wimpernde und mit einem Kranz grösserer Griffeln versehene Haut besitzt, das Ausschwärmen stattfindet; doch ist sie bisher nicht, wie Kowalevsky von seiner Art angiebt, von den Tentakeln der Mutter gehalten worden, sondern in der Kopfscheibe enthalten gewesen. Welches ist nun die systematische Stellung von Loxosoma? Ich finde gar keine Anhaltspunkte, aber auch nicht, da solche nicht vorhanden, das dringende Bedürfniss, dem Thiere bestimmte jetzt lebende Verwandte zuzuweisen, Die abgekürzte Entwickelung der Seitensprösslinge giebt keine Richtung an; die Schwärmlarven sind noch zu wenig gekannt, um daraus Schlüsse zu ziehen; die Ana- tomie weist ihm keine bestimmte Stelle an. Die Aehnlichkeit mit Pedicellina ist nach dem nunmehr vorliegenden Detail doch eine zu oberflächliche, um Loxosoma zu einer Bryozoe zu machen. Es fragt sich, was das Thier einst gewesen, ehe seine Organisation sich dem Halbparasitismus accommodirte; und das lässt sich nach dem vorhandenen Material nicht beantworten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I, II und II. j BafıT Fig. 1. Loxosoma Raja N. Rumpf und oberer Theil des Stiels. Tentakeln eingeschlagen. ph Sphincter oder Tentakelkragen. oe Oesophagus. x Speicheldrüsen? ov Eierstock. t Hoden. g Magen. h pigmen- tirter Theil der Leber. r pigmentloser Theil der Leber. e Seiten- sprösslinge. Fig. 2. Fuss von Loxosoma singulare K. p Drüse. ce chitinöses Ausfüh- rungsrohr. b Ausführungsgang, besetzt mit 4 Reihen accessorischer Drüsenzellen. d Mündung auf der Fussspitze. m m‘ m“ Musculatur, Fig. Fig. am Ma. 9. 23. Oscar Schmidt: Die Gattung Loxosoma. Fuss von Loxosoma Raja. Ein Tentakel. Derselbe im Querschnitt. Taf, I, Kopfscheibe von Loxosoma singulare. o Mund. a After. Zwischen beiden ein Ei (Flimmerlarve). Magen, Leber und Enddarm von Loxosoma Raja. c Cardia, & Ma- genhöhle. a After. Magen von Loxosoma singulare. oe Oesophagus. ce Cardia. g Ma- genhöhle. h die die Wandung bildenden Leberzellen. Fortpflanzungsorgane von Loxosoma singulare. t t‘ Hoden. v Sa- menblase. s Trichter, führt aus der Samenblase in ov, Ovarium. sp ausgebildete Spermatozoe. Die entleerten Hoden im Zusammenhange mit der Samenblase. 24. 25. Entwickelungsstadien der Schwärmlarve von Loxosoma sin- gulare. TER Alle Figuren dieser Tafel, 10 bis 22, gehören zur Entwickelung der Seitensprösslinge. Beobachtet vorzugsweise Loxosoma Raja, dann cochlear. m mittleres Keimblatt. f Fussdrüse. In den Fig. 21 und 22 ist gl die eigentliche Fussdrüse, f Ausführungsgang nebst access. Zellen. k Körper- wand. a Tentakeln. oe Oesophagus. h Leber. n Hoden. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Von Prof. L. Cienkowski. Hierzu Tafel I’— VIII. Seit M. Schultze’s und Häckel’s Arbeiten ist die Dujar- din’sche Ansicht vom protoplasmatischen Bau der Rhizopoden all- gemein angenommen worden. Bei den Heliozoen, Monotholamien, wo ein Zellkern vorhanden ist, hat der Rhizopodenleib den Werth einer Zelle. Das Vorkommen von mehreren Kernen bei Actino- spherium und Nuclearia zeigt jedoch, dass eine höhere Entwickelung, die bei den Radiolarien die höchste Stufe erreicht, angebahnt ist. Nach der anderen Richtung hin werden die Rhizopoden durch unmerk- liche Abstufungen, durch Vermittlung einer Reihe nackter protoplas- matischer Bildungen theils zu den Flagellaten, theils zu den Myxomy- ceten übergeführt.Diese nackten Sarkodewesen, die Rhizopoda nuda und Moneren stellen zur Zeit ein buntes Gemenge heterogenster Formen dar. — Ich versuchte in meinem Aufsatze »Beiträge zur Kenntniss der Monaden !)« den Entwickelungskreis einiger hier gehörender Wesen zu verfolgen und denselben in Parallele zum Entwicke- lungskreis der Myxomyceten zu stellen. Es zeigte sich, dass, mit Ausnahme der Fruchtbildung, beide Gruppen denselben Entwicke- lungsgang durchmachen, ausserdem viele Eigenthümlichkeiten im Bau und Verhalten des Schwärmers, in der Cystenbildung, in der Beschaffenheit der Amöben gemeinschaftlich besitzen. Die von mir untersuchten Wesen habe ich je nachdem sie Zoosporen besitzen oder derer ermangeln in 2 Gruppen getheilt, in die Monadinae zoo- 1) Dieses Archiv 1865. 16 L. Cienkowski: sporeae und Tetraplastae — beide enthielten Formen mit — und ohne Zellkern. In einer talentvollen Abhandlung über Moneren hat Häckel meine Angaben bestätigt, erweitert und durch eine Reihe höchst interessanter Bildungen unsere Kenntnisse dieser einfachsten Lebe- formen bedeutend gefördert. Die nahen Beziehungen der zoosporen- bildenden Monaden mit Myxomyceten erhielten durch Häckel’s Untersuchungen eine neue Stütze. Bei der Parallelisirung beider Gruppen konnte ich früher das Sporangium der Schleimpilze mit der zoosporenbildenden Monadenzelle hauptsächlich deswegen nicht identifieiren, weil bei dieser der Inhalt direkt in Zoosporen zerfällt, bei den Schleimpilzen dagegen vorher Sporen bildet, aus welchen erst nach einer gewissen Ruheperiode die Schwärmer aus- schlüpfen. Diese bei den Moneren fehlende Sporenbildung hat Häckel bei dem von ihm entdeckten Myxastrum radians !) ge- funden, Dieses protoplasmatische Wesen bildet nämlich eine Cyste, deren Inhalt durch radienartige Theilungen in viele spindelförmige Sporen zerfällt. Nach einer Ruheperiode tritt aus diesen der ganze Inhalt in Form eines actinophrysartigen Körpers hervor. Der Zu- stand des Schwärmers fällt hier ganz weg, ein Umstand, der die Parallele zwischen Moneren und Myxomyceten nicht im geringsten zu stören vermag, da wir bei Dichyostelium den Schwärmer ver- missen und durch eine Amöbe vertreten sehen. Diese Aehnlichkeit beider Entwickelungskreise scheint den Keim grosser Gefahr für die Autonomie vieler Moneren und nackten Rhizopoden zu bergen. Dass die meisten echten Amöben ihrer Selbstständigkeit beraubt sein werden, wird wohl Niemanden be- fremden. — In einem Falle ist dies schon bewiesen: Brefeld’s schöne Untersuchungen über Dietyostelium ?) haben gezeigt, dass in den Entwickelungskreis der letztern eine Amöbe gehört, die mit A. Limax identisch zu sein scheint. Ausser den echten Amöben giebt es noch viele Moneren und nackte Rhizopoden, die durch ihre Beschaffenheit, Bewegungsart, so lebhaft an Myxomycetenplasmodien erinnern, dass sie den Zweifel erwecken, ob sie denn wirklich als selbstständige Wesen zu be- trachten seien und nicht vielmehr nur abgerissene, herumirrende 1) Monographie der Moneren. 2) Ueber Dietyostelium mucoroides. m Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 17 Plasmodienstücke vorstellen. Um zu beurtheilen, in wie weit dieser Zweifel Berechtigung verdient, müssen wir die Frage in Erwägung ziehen, kann ein abgerissenes Plasmodiumstück auf eigene Hand sich ernähren, fortpflanzen, encystiren — mit einem Worte, kann es einen Entwickelungskreis, den wir z. B. von einer Vampyrella kennen, durchmachen? Diese Frage lässt sich nach den vorhandenen Thatsachen schon jetzt fast bejahend beantworten. Durch de Bary’s!) und meine Untersuchungen ?) ist bekannt, dass eilienlose Schwärmer der Myxomyceten und von ihnen stam- mende Plasmodien fremde Körper durch Umfliessen aufnehmen, ferner dass Carmintheilchen, nachdem sie in das Protoplasma der Schleimpilze gelangten, aufgelöst und entfärbt werden (de Bary). Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass die aufgenommenen Körper wirklich zur Nahrung dienen. Ich kann zu diesen Thatsachen noch eine weitere hinzufügen. Abgeworfene Zweige eines in Wasser lebenden Plasmodium legen sich mit ihren Spitzen an Algenzellen an und saugen, wie die Vam- pyrella spirogyrae, ihren Inhalt heraus. In das Plasmodium einge- zogene Chlorophyll- oder Phycochromkörnchen werden bald entfärbt, zertheilt und verdaut, Fig. 9, 10. Verfolgen wir nun weiter diese umherkriechenden Stücke des Myxomyceten-Leibes, so ist es nicht schwer zu beobachten, wie sie sich theilen, einkugeln und encystiren, Fig. 11, 12. Die Analogie zwischen den Myxomyceten-Öysten und -Ruhezuständen bei den Tetraplasten (z. B. Vampyrella) geht noch weiter. Bei Licea pannorum sah ich den Cysteninhalt in mehrere Partien, die sich wiederum encystirten, zerfallen ®). Aus diesen ge- trockneten Ruhezuständen, nachdem sie von neuem in Wasser ge- bracht wurden, traten kleine Plasmodien heraus. Es unterliegt also keinem Zweifel mehr, dass rhizopodenähn- liche Theile der 'Plasmodien selbstständig sich bewegen, ernähren, fremde Körper umhüllen oder aussaugen, sich ferner durch Theilung fortpflanzen, in Ruhezustand übergehen und zuletzt ihre Cysten wieder verlassen können. Wie viele von den nackten Rhizopoden und Moneren, von welchen wir meistens nicht einmal ein so dürf- tiges Bild der Entwickelung, wie das oben geschilderte entwerfen 1) Die Mycetozoen. 2) Das Plasmodium, Pringsheim’s Jahrbücher, 3. Band. 3) Pringsh. Jahrb. 3. Band. Taf. XXI. Fig. 1—10. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 12. 2 18 L. Cienkowski: können, wie viele mögen solche wandernde Plasmodientheile vor- stellen, wie viele andere wiederum sind vielleicht nichts mehr als befreite Theilstücke beschalter Rhizopoden? Im Voraus lassen sich diese Fragen freilich nicht beantworten; dass es jedoch mit der Autonomie der meisten nackten Rhizopoden und Moneren sehr schlecht bestellt sei, wird man mir wohl zugestehen müssen. Wenn ich trotzdem in dieser Untersuchung einige neue Genera und Species der nackten protoplasmatischen Wesen aufstelle, so ge- schieht es, um der Forderung Genüge zu thun, neue Bildungen, wenn auch von unbekannter Herkunft, in wissenschaftliche Cataloge einzutragen und sie mit Namen zu belegen. Ich kann natürlich diesen neuen Genera keine lange Lebensdauer versprechen. Bei dieser Heterogenität der hierher gehörenden Bildungen und bei der Unkenntniss ihrer Entwickelung ist es erklärlich, dass kein einziges Eintheilungsprineip durchgeführt werden konnte und jede Abgrenzung der Rhizopoden von den Moneren und Flagellaten als eine willkürliche sich herausstellte. Die Abgrenzung genannter Or- ganismen ist hauptsächlich noch deshalb erschwert, weil im Bereiche der einfachen Lebeformen die ersten Glieder verschiedener Ent- wickelungskreise aus nacktem undifferenzirtem Protoplasma zu be- stehen scheinen. So ist z. B. die von mir aufgestellte Gymnophrys nach der Beschaffenheit des Leibes ein echtes Moner, Fig. 25; be- trachtet man aber ihre Protoplasmastränge mit weit verbreiteten Pseudopodiennetzen und Körnchenströmungen, so wird man ge- zwungen, an ihr den Rhizopodentypus zu erkennen. So ist, um noch ein Beispiel anzuführen, das Myxastrum (Häckel) ein Moner, welches einerseits nach der Vertheilung der Scheinfüsse zu den Heliozoen gehört, anderseits aber einen Entwickelungscyelus durch- macht, der die nächste Verwandtschaft mit den Schleimpilzen verräth. Bei diesem Sachverhalt wird es noch am zweckmässigsten sein, wenn man einstweilen nackte Protoplasmawesen von unbekanntem Entwickelungsgange unter der alten Rubrik: Rhizopoda nuda be- handelt, um nachträglich aus dieser künstlichen Gruppe nach den noch aufzuklärenden genetischen Beziehungen die heterogenen Glieder auszusondern. Wenn wir jetzt zu den Formen übergehen, wo der Rhizopoden- typus schon deutlich ausgeprägt erscheint, so finden wir die drei be- kannten Gruppen: die Heliozoen, Monothalamien und Polythalamien, Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 19 deren Charakteristik genügend bekannt ist, um hier noch einmal gegeben zu werden. Zwischen den ersten zwei Gruppen sind von Barker!) und Archer ?) Verbindungsglieder in der Diplophrys und Amphitrema aufgefunden. Auch wurde der Zusammenhang der Süsswasser-Heliozoen mit Radiolarien von Greeff, Archer und anderen, wenn auch nicht streng bewiesen, doch in hohem Grade wahrscheinlich gemacht. In der Entwickelungsgeschichte der uns hier näher interessi- renden: Gruppen zu den Monothalamien und Heliozoen übergehend, wollen wir hier bloss die Hauptmomente bezeichnen. Aus meinen früheren Untersuchungen 3) war bekannt, dass die beschalten He- liozoen (Clathrulina elegans) einen Schwärmer- und einen Ruhezu- stand besitzen, den letzten fand ich ebenfalls bei nackten Formen, bei Actinophrys Sol. und Actinosphaerium Eichhornii *). Bei Cla- thrulina encystirt sich innerhalb der Schale der ganze Körper oder seine Theilstücke, bei Actinophryen entstehen mehrere Cysten, wozu nur ein Theil des Körpers verbraucht wird. Die beschalten und nackten Heliozoen verhalten sich verschieden auch beim Wieder- aufwachen aus dem Ruhezustande. Bei Clathrulina bildet sich aus dem ganzen Cysteninhalt ein Schwärmer, bei A. Sol. ein neues Sonnenthierchen. Diese Angaben waren von Greeff, Schneider, Hertwig und Lesser und anderen Forschern bestätigt und er- weitert. Ein erheblicher Fortschritt in der Entwickelungsgeschichte der Rhizopoden wurde neulich von Hertwig gethan. Es gelang diesem Forscher auch bei den Monothalamien 5), die man so lange erfolglos auf Entwickelungsgeschichte untersuchte, Zoosporen zu entdecken und dadurch die Verwandtschaft dieser Gruppe mit den Heliozoen und Flagellaten deutlicher als es bis jetzt möglich war, zu bezeichnen, ausserdem wurden von Hertwig und Lesser bei Monothalamien Ruhezustände aufgefunden ®). In vorliegender Arbeit habe ich einige nackte protoplasmatische Organismen und einige Monothalamien untersucht. Von den ersten 1) Dublin Club 1867, eitirt bei Hertwig und Lesser. 2) Quarterl. Journ. 1869, 1870. 3) Ueber Clathrulina. Dieses Archiv 3. Band. 4) Dieses Archiv 1865. p. 227. 5) Ueber Microgromia, dieses Archiv Bd. x. Supplementheft. 6) Ueber Rhizopoden etc. Dieses Arch. Bd. X, Supplementheft, 20 L. Cienkowski: sind die echten Amöben ausgeschlossen und sollen demnächst be- handelt werden !). Ehe ich auf die Einzelnschilderungen eingehe, will ich die Hauptresultate übersichtlich angeben. In der Ueberzeugung, dass die Myxomycetenplasmodien wichtige Aufschlüsse für die Kenntniss der Rhizopoden liefern werden, unter- suchte ich ein Süsswasserplasmodium, Fig. 1—4, welches, wie ich schon Eingangs mittheilte, die Fähigkeit besitzt, Algen auszusaugen und sich dann zu encystiren. Dieses Plasmodium ist mit dem von Lieberkühn ?) beschriebenen Rhizopoden höchst wahrscheinlich identisch. Die Vampyrella vorax unterzog ich einer neuen, Untersuchung, die ergab, dass die Färbung ihres Körpers von der Nahrung ab- hängt und dass die von Hertwig und Lesser aufgestellte Lepto- phrys cinerascens sehr wahrscheinlich mit V. vorax identisch ist (Fig. 14—17). Von den nackten Formen wurden ferner von mir zwei neue gefunden: Arachnula impatiens (Fig. 18—20), durch Anwesenheit der contractilen Vacuolen von Vampyrella verschieden und Gymno- phrys cometa (Fig. 25), durch netzebildende feine Pseudopodien, die mit wenigen Strängen aus dem Körper entspringen, charakterisirt. Beide Formen sind kernlos. Von den Heliozoen beschreibe ich eine nackte Form, die ich Ciliophrys infusionum nenne (Fig. 26—28). Ich fand an ihr eine Schwärmerbildung, die besonders deshalb unsere Aufmerksamkeit verdient, weil der ganze Körper ohne sich zu theilen in einen ovoiden Schwärmer verwandelt wird (Fig. 29—33). Meine Untersuchungen über Monothalamien ergaben folgende Resultate: Hertwig’s Entdeckung der Zoosporen bei Microgromia socialis habe ich in allen Hauptpunkten bestätigt gefunden (Fig. 50— 59). Die von diesem Forscher und Lesser beobachteten Ruhe- zustände bei einigen Monothalamien ?) gelang es mir bei Chlamydo- phrys, einem mit Lecythium hyalinum (H. u. L.) nahe. verwandten Genus zu verfolgen (Fig. 73, 82—89). Die zwei letztgenannten Monothalamien kommen oft in traubenförmige Haufen vereinigt 1) Ein Theil dieser Untersuchungen wurde in kurzem Auszuge auf der Naturforscherversammlung in Kasan mitgetheilt. 2) Ueber Bewegungserscheinungen der Zellen p. 376. Taf. IV. Fig. 38. 3) l. c. p. 127. Taf. II. Fig. 5. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 21 vor. Bei der ersten entstehen die Colonien durch Vermittelung der Pseudopodienplatte. Die letzte bildet Ausstülpungen, die zu neuen, mit dem Mutterthiere im Zusammenhange bleibenden, Individuen auswachsen, Fig. 78, 79. Bei Lecythium hyalinum werden die Co- lonien durch nacheinander folgende Theilungen der Individuen, wo- bei die Hülle mitgetheilt wird, gebildet !), Fig. 70—72. Zuletzt wurden von mir einige Amphistomen, Monothalamien (H. u. L.) untersucht. Ich fand eine neue Diplophrys durch linsenförmige Körper von D. Archer’s verschieden (Fig. 92—95), und ein neues Genus, Mierocometes paludosa, welches eine papierartige, an wenigen Stellen durchbohrte Schale und einen wie bei Clathrulina beschaffenen Körper besitzt (Fig. 101—108). Die M. paludosa hat lange ver- zweigte Pseudopodien, vermehrt sich durch Theilstücke die in Form von actinophrysartigen Körpern die Schale verlassen. Der Ent- wickelungseyclus wird mit einer in der Schale bleibenden Cyste ge- schlossen (Fig. 109, 110). I. Mit Rhizopoden verwandte Organismen. 1. Ein Süsswasserplasmodium. Versuche Schleimpilze in Wasser zu cultiviren, können für die Kenntniss der nackten Rhizopoden von grosser Bedeutung werden. Wie aus meinen !) und de Bary’s) Untersuchungen bekannt, kann man in Wasser Plasmodien aufziehen !). Am geeignetsten zu solchen Versychen scheint das so verbreitete Didymium Libertianum zu sein. Wirft man reife Sporangien dieses Schleimpilzes in Wasser, so erhält man nach 1—2 Wochen sehr schöne, schwimmende oder an der Wand des Gefässes ausgebreitete Protoplasmabäumchen, ob abgelöste Stücke derselben irgend welchen nackten Rhizopoden ent- sprechen, was ich Grund habe zu vermuthen, konnte bis jetzt nicht sichergestellt werden. Das Didymium Libertianum war der einzige Schleimpilz, den man in Wasser spontan auftreten sah. Ich habe neulich ein zweites Plasmodium in süssem Wasser, zwischen Algen, besonders Tetrasporen aufgefunden. Zuerst in kleinen verästelten Exemplaren oder in Haufen ineinander ver- 1) Das Plasmodium p. 418. 2) Mycetozoen 2. Aufl. p. 124, 2 I. Cionkownki:; schlungener Amöben mit spitzen Pseudopodien, dann in stattlichen Plaumanetzen (Wig. 1-7). Gewöhnlich kommt es in lang gezogenen Kormen vor, deren zugenpitzte Zweige in dünne Pseudopodien aus- strahlen, Der Körper dieses Plasmodium ist farblos und besteht wie eines jeden anderen aus einer Grundsubstanz und zahlreichen eingestreuten Körnchen, Die erste ist hier krystallhell, fast starr, wenig contraetil, Die sonst bei den meisten Myxomyceten in rascher fliossender Bewegung begrilfenen Körnchen zeigen hier ein kaum bemerkbares Hin- und Hergleiten, Die Grundsubstanz ist von vielen kleinen contractilen Vacuolen durchsetzt (Wig. 1-3. v e), ausserdem kommen auch gewöhnliche Vacuolen zum Vorschein, zeitweise 80 zahlreich, dass sie dem ganzen Körper eine schaumige Beschaffenheit verleihen, Besondere Aufmerksamkeit verdienen noch in der Sub- tanz «des Plasmodium zerstreute Bildungen, die ganz das Aussehen von Zellkernen besitzen, wahrscheinlicher jedoch als Vacuolen, welche kleine Plasmakörnchen oder Nahrungstheilchen einschliessen, zu deuten sind (ig. 1-3. n). Da man bis jetzt an den Myxomyceten- plasmodien keine Zellkerne auffinden konnte, 50 wäre in vorliegen- dem Falle ihre Anwesenheit von besonderem Interesse. Allein sie sind von s0 geringer Grösse, dass die Anwendung der üblichen Itengrentien zu keiner klaren Einsicht führt, Sie finden sich ver- einzelt bei den zu diesem Plasmodium sicher gehörenden Amöben, so wie auch in Ruhezuständen — trotzdem scheint die grosse Zahl, in welcher sie auftreten, ferner der Umstand, dass sie in Cysten, wolche längere Zeit im Wasser gelegen haben, verschwinden, eher für ihre vacuole Natur zu sprechen. Die Bewogungen unseres Plasmodium sind gewöhnlich 50 träge, dass man stundenlang keine Veränderungen der Umrisse an ihnen wahrnehmen kann. Bei anhaltender Betrachtung sieht man erst ein leises Gleiten der Körnchen im Inhalte, ein Zusammen- (allen und Auftauchen der contractilen Räume, man sieht ferner hier das Iintstehen neuer Zweige, dort das Verschwinden der alten oder Dünnerwerden und Zerreissen, Die Amöben wie «ie langge- zogenen Kormen sind ebenfalls fast unbeweglich, Nachdem wir mit dem Bau und der Bewegung unseres Wasserplasmodium bekannt wurden, versuchen wir zu ermitteln, wie die Nahrungsaufnahme vor sich geht, Schon der Umstand, dass erwähntes Plasmodium hin und wieder fremde Körper führt, lässt vermuthen, dass es von fester Nahrung lebt, Wie diese herbeigeschaflt wird, kann man ungestört Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 28 beobachten, weil das Plasmodium sowohl in hängenden Tropfen als auch auf dem Objeetträger unter Deckglas vortrefflich gedeiht, Bei ununterbrochener Beobachtung sieht man nun wie seine Aeste mit ihren Spitzen Algenzellen berühren, sich an diese anlegen und nach einer Pause langsam den ganzen Inhalt aussaugen (Fig. 9, 10). Die festen geformten Theile desselben, sobald sie in das Plasmodium gelangen, werden zerbröckelt und entfärbt (Fig. 10). Verschie- dene Algen unterliegen dem Angriffe. Mit besonderer Vorliebe jedoch scheint der Plünderer Diatomaceen zu verfolgen, die er sich oft mit grosser Mühe zu verschaffen weiss, So sah ich z. B. einen Zweig eines grossen Plasmodium in eine leere Vampyrellacyste hineinkriechen (Fig. 8) und die dort übriggebliebenen, zum Theil schon von der Vampyrella bearbeiteten Diatomaceen umschlingen und aussaugen, Bei diesem Geschäft war das Plasmodium zwei Tage betheiligt. Diese Plünderungsmethode scheint jedoch nicht die einzige zu sein, Ganze Diatomaceen und andere Algenzellen kommen in Vacuolen eingebettet nicht selten in diesem Plasmodium vor, was eine Umhüllung der Beute, wie solche von mir bei anderen Protoplasmamassen der Myxoımyceten beobachtet wurde, voraus- setzt (Fig. 4, 7). Ungeachtet vieler darauf verwandten Mühe gelang es mir nicht, dieses so leicht cultivirbare Plasmodium zur Fructification zu be- wegen, ich war bloss im Stande, die Bildung eines Ruhezustandes zu verfolgen. Dieser geht auf die für die Schleimpilze übliche Art vor sich. Das Plasmodium zerfällt nämlich durch Abschnürungen in Theile von verschiedenster Grösse, die sich abrunden und mit einer scharf contourirten Membran bedecken (Fig. 11, m). Weiter- hin erscheint noch eine zweite sehr zarte, abstehende Haut, welche augenscheinlich dieselbe Bildung vorstellt, die ich früher an den Ruheeysten der Vampyrellen und Monaden fand und Velum benannte (Fig. 11, 12 v)). Eis entstehen folglich aus einem Plasmodium viele Cysten, Ihr Inhalt schliesst dieselben zellkernartigen Körper wie das Plasmodium ein (Fig. 11, 12, n?), Aus solchen Oysten sah ich einigemal den ganzen unveränderten Inhalt wiederum heraustreten (lig. 13). Die hier beschriebenen Ruhezustände entsprechen den derbwandigen Cysten der Myxomyceten. Die Selerotien habe ich noch nicht auf- gefunden. Durchsuchen wir nun die vorhandene Rhizopodenliteratur, um 24 L. Cienkowsky: zu sehen, ob wir nicht vielleicht unter den bekannten Formen ähnliche mit dem oben geschilderten übereinstimmende Gebilde treffen, so stossen wir auf die von Lieberkühn !) beschriebene und abge- bildete Amöbe, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit unserem Plas- modium identisch sein dürfte. In der That haben beide Bildungen denselben Habitus, dieselbe Starrheit und Unbeweglichkeit, bei beiden sind zahlreiche contractile Vacuolen vorhanden. Nur vermisse ich bei meinem Plasmodium die zarten Kanälchen, die bei Lieber- kühn’s Amöbe in die contractilen Vacuolen mündeten, ein Kenn- zeichen, welches vielleicht nicht beständig auftritt und von der ver- änderlichen Consistenz des Protoplasma’s abhängig sein mag. Ausser- den unterscheidet sich die fragliche Amöbe durch den Mangel nu- cleusartiger Gebilde, die jedoch wegen ihrer Kleinheit leicht über- sehen sein könnten. 2. Vampyrella vorax, COnk. In meiner früheren Arbeit über Monaden habe ich bei Vam- pyrella zweierlei Cysten unterschieden. In die erste hüllt sich die mit fremden Körpern beladene Vampyrella ein, um die Nahrung zu verdauen und dann sich durch Theilung zu vermehren. Ich nannte diese COyste: Zelle; es wäre vielleicht geeigneter sie mit dem Namen Verdauungscyste zu belegen. Die zweite Cystenart baut sich die Vampyrella, wenn sie in Ruhezustand übergeht; dabei ent- ledigt sie sich zuerst der fremden Körper, worauf sie 2—3 Hüllen ausscheidet, von welchen die innere oft stachelige Oberfläche zeigt. Bei grossen Exemplaren werden innerhalb der Membranen mehrere Cysten angetroffen. Die Forscher, die sich seitdem mit Vampyrellen befassten, Häckel, Hertwig und Lesser fanden nur die Verdauungscysten. Die letztgenannten Beobachter bezweifeln selbst, ob ein prineipieller Unterschied zwischen dem Ruhe- und Zellenzustand existirt und neigen sich zu der Ansicht, dass beide Encystirungen regellos, bald mit, bald ohne Theilungen ihres Inhalts verlaufen 2). Die von mir angegebenen Unterschiede sind so leicht in hän- gendem Tropfen zu beobachten, kehren mit solcher Beständigkeit 1) Ueber Bewegungserscheinungen d. Zellen p. 376. Taf. IV. Fig. 38. 2) Dieses Arch. Bd. X. p. 64. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 25 und Regelmässigkeit wieder, dass ich nach wiederholter Untersuchung zu dem früher Gesagten nichts hinzuzufügen weiss. Ich erlaube mir nur darauf aufmerksam zu machen, dass der Unterschied zwischen der Verdauungs- und Ruhecyste in anderen Fällen noch viel schärfer als bei Vampyrella hervortritt. So ist z. B. bei Protomonas amyli (Häckel) die Wand der Verdauungseyste glatt, ihr Inhalt schliesst die Nahrung ein. Beim Uebergange in den Ruhezustand dagegen erscheinen an der Wand äussere Anhängsel und innere keilförmige Vorsprünge. Die eigentliche Cyste liegt erst in dieser Blase einge- schlossen, neben ihr das unverdaute Stärkekorn. Noch einige die V. vorax betreffende Bemerkungen mögen hier am geeignetesten Platz finden. Hertwig und Lesser haben neulich ein neues Genus, Lepto- phrys, für farblose oder schwach braun tingirte vampyrellenartige Gebilde aufgestellt und zwei Species: L. einerascens und L. elegans unterschieden 1). Durch Beschaffenheit des Körpers, durch die Art der Bewegung hält die Leptophrys die Mitte zwischen Vampyrella und Nuclearia. Mit der letzten hat sie die schaumartige Consistenz des Körpers, die Anwesenheit mehrerer Zellkerne gemeinschaftlich ; das Zerfliessen des Körpers in zahlreiche Lappen ist dagegen wie bei Vampyrella. Die Zellkerne waren von Hertwig und Lesser nur bei L. elegans einmal direkt beobachtet, bei L. cinerascens bloss wahrscheinlich gemacht. Ich werde hier nur die letzte besprechen, die L. elegans, die ich bis jetzt nicht auffinden konnte, ausser Acht lassend. Die Schilderung und Abbildung, die Hertwig und Lesser von der L. einerascens geben, rufen das Bild einer Vampyrella so lebhaft hervor, dass ich den Verdacht, den auch genannte Autoren aussprachen, beide Bildungen wären identisch, nicht von der Hand weisen konnte. Denn in der That, ihr Hauptcharakter ist das schau- mige Aussehen des Körpers, sonst hat sie alle Eigenschaften einer Vampyrella und zwar der V. vorax, von welcher sie sich bloss durch die grauröthliche Färbung unterscheidet. Um den von mir vermutheten Zusammenhang der L. cinera- scens mit V. vorax näher zu prüfen, unterwarf ich die letzte einer wiederholten Untersuchung in der Absicht über folgende zwei Punkte Aufschluss zu erhalten: erstens ist die Farbe der V. vorax beständig 1)1. c. p- 57. Taf. I. Fig. 3. 4. 26 L. Gienkowski: oder sind in dieser Hinsicht bedeutende Unterschiede zulässig, zwei- tens kann ihr Körper, welcher gewöhnlich keine Vacuolen enthält, eine schaumige Consistenz annehmen. Was die erste Frage betrifft, so lagen bekannte Thatsachen vor, die eine bejahende Antwort erwarten liessen. Untersucht man Verdauungscysten der V. vorax, zumal wenn sie sich zwischen Diato- maceen aufhält, so findet man nicht selten rothe, braune und weisse Cysten, die sich sonst durch gar nichts unterscheiden, nebeneinander. Bei allen stimmt die nach den Umrissen der Nahrungsballen sich modellirende Form der Verdauungscyste, ‘die Beschaffenheit ihres Inhaltes überein; aus allen brechen die 2—4 Theilstücke hervor. Die befreiten jungen Vampyrellen sind bis auf die Farbe in allen Stücken gleich: die von weissen Cysten stammenden sind farblos, die braunen geben graubräunliche, die rothen endlich ziegelfarbige Individuen. Fragen wir jetzt, sind diese Farbendifferenzen genügend, um die V. vorax in drei Species oder drei Varietäten zu spalten, oder ist es nicht richtiger, die Färbung des Inhalts von der Nahrung abzuleiten? Ich habe schon in meiner ersten Arbeit darauf hingewiesen, dass, wenn die V. vorax Desmidiaceen, Euglenen u. dgl. verschluckt, sie lebhafter gefärbte Amöben hervorbringt als die, die auf Diatomaceen angewiesen war !). Diese Thatsache beweist schon, dass die rothe Färbung der V. vorax keine beständige ist. Demnach kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass, wenn man die weisse V. vorax mit chlorophyllhaltigen Algen füttert, man rothe Individuen erzieht und wiederum aus den letzten, bei ausschliess-- licher Zufuhr von Diatomaceen die weisse erhält. Obwohl diese Voraussetzung bis jetzt noch nicht faktisch begründet wurde, so sind wir doch durch die oben angeführte direkte Beobachtung schon berechtigt, eine Abhängigkeit der Farbennuancen der V. vorax von der Nahrung anzunehmen. — Ich stehe daher nicht an, die weissen, braunen und rothen Cysten derselben V. vorax zuzuschreiben. Prüfen wir jetzt an derselben Vampyrella die zweite Eigen- schaft der Leptophrys cinerascens, den Vakuolenreichthum. Bei meiner früheren Uutersuchung habe ich diesen Punkt nicht berührt, weilich nur nach contractilen Räumen aufmerksam suchte, 1) Beitr. z. Kenntn. der Monad. Dieses Archiv; 1865. p. 224. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 27 die gewöhnlichen Vacuolen, wo sie nicht constant oder häufig auf- treten, ganz ausser Acht lassend. Die Erfahrung lehrt, dass der Körper der Vampyrella vorax mitunter durch und durch von Vacuolen durchzogen erscheint. Am sehönsten sieht man das schaumartige Aussehen im Zellenzustande. Unter einer starken Vergrösserung betrachtet, zeigen die Verdauungs- eysten einen an Vacuolen so reichen Inhalt, dass er fast ausschliesslich aus sich berührenden Räumen besteht, zwischen welchen man nur sehr wenig feinkörniges Protoplasma wahrnimmt (Fig. 16). Diese Be- schaffenheit behält selbst der getheilte Inhalt auch während des Austretens aus der Cyste bei (Fig. 17). Die jungen, aus ihrer Zelle hervorbrechenden Vampyrelien bestehen aus schaumigem Pro- toplasma; allein dieser Vacuolenreichthum ist keineswegs constant; die Hohlräume verschwinden und tauchen eine Zeitlang wechselnd auf, bis sie bei völlig befreiten ausgebildeten Individuen vollständig verschwinden und nur ausnahmsweise wieder entstehen. Nach dieser Erörterung scheint mir in hohem Grade wahr- scheinlich, dass die Leptophrys cinerascens (H. und L.) mit Vampy- rella vorax vereinigt werden muss. 3. Arachnula impatiens, nov. gen. et sp. nov. Mit diesem Namen bezeichne ich ein farbloses protoplasma- tisches Wesen, welches die Haupteigenschaften einer Vampyrella besitzt und sich bloss durch die Anwesenheit der contractilen Va- cuolen und durch wenig verzweigte anastomosirende Pseudopodien von ihr unterscheidet (Fig. 18—20). Der Körper der Arachnula stellt einen nackten Protoplasma- klumpen dar, von welchem nach verschiedenen Seiten Stränge ent- springen, die wiederum in zahlreiche Pseudopodien ausstrahlen. Eine der gewöhnlichsten Formen, welche sie annimmt, ist die eines lang gezogenen Stranges, der an den Enden in strahlende Lappen sich ausbreitet. Solche Lappen erscheinen auch an beliebigen Stellen des Stranges. (Fig. 18—20). | Der Körper der Arachnula besteht aus sehr flüssigem Proto- plasma, welches zerstreute stark lichtbrechende Partikelchen und wenige contractile Vacuolen einschliesst. (Fig. 19). Zellkerne habe ich nicht auffinden können. Sehr charakter- 98 L. Cienkowski: istisch sind ihre energischen Bewegungen. Zitternd und schwankend kriecht die Arachnula unruhig mit den Pseudopodien das Substrat betastend umher. An beliebiger Stelle des Körpers schiesst ein mächtiger Strang empor, den Hauptklumpen sammt den übrigen schwächeren Strängen und weit entfernten Pseudopodien energisch 'an sich ziehend. Kaum ist dies geschehen, so wiederholt sich das- selbe Spiel an einer anderen Stelle, wodurch der Hauptklumpen hin und her gezogen wird. Diesem rastlosen Treiben folgt mitunter ein ruhigeres Benehmen. Der ganze Körper zieht sich dann in einen langen an den Enden fächerartig sich ausbreitenden Strang aus; nur die, auch jetzt zitternden und unruhig sich krümmenden Pseu- dopodien verkünden eine bevorstehende neue ziellose Wanderung. An den wenig verzweigten auch hin und wieder Anastomosen bil- denden Pseudopodien ist Körnchenströmung leicht wahrzunehmen. Bei keinem Rhizopoden sah ich die Pseudopodien so energisch nach allen Seiten sich biegen, verschmelzen und wieder entstehen wie bei der Arachnula. Es war mir leider nicht gelungen, diesen interessanten Rhizopoden auf dem Objectglase längere Zeit zu cultiviren, um den Entwickelungs- kreis, wenigstens so weit wie er für Vampyrella bekannt ist, zu verfolgen. Ich konnte nur die Bilduug einer glashellen Verdauungs- cyste beobachten. Ihre Form war wie bei Vampyrella sehr ver- schieden (Fig. 21-24); der Inhalt farblos, flüssig, die Nahrungs- ballen in Vacuolen eingeschlossen. An der Peripherie entstehender Cysten sah ich eine oder mehrere contractile Vacuolen (Fig. 22—24). Bei meinen Culturen im hängenden Tropfen kam es nicht bis zur Theilung des Inhalts, dagegen trat dieser durch eine Oeffnung in der Cystenwand unverändert heraus. Ich habe die Arachnula in Deutschland und Russland in Tüm- peln, wie auch in Brackwasser des schwarzen Meeres in Odessa gefunden. Diagnose des Genus und der Species. Körper nackt, farblos, ohne Zellkern, mit einer oder mehreren contractilen Vakuolen, Pseudopodien wenig verzweigt, mitunter ana- stomosirend, an beliebigen Stellen des Körpers meist mit dicken Strängen entspringend. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 29 Il. Heliozoa. 4. Ciliophrys infusionum, nov. gen. et sp. Die Annäherung, die ich zwischen den Actinophryen und Mo- naden an anderem Orte!) versuchte, erhält eine neue Stütze in der Thatsache, dass ein protoplasmatisches Gebilde, welches unzweifel- haft zu den nackten Actinophrysen gehört, einen Schwärmzustand besitzt. Dieser Rhizopod, den ich Ciliophrys infusionum benenne, ist sehr gewöhnlich in den Häuten lange stehender Aufgüsse, auch kommt er vor auf untergetauchten Gegenständen zwischen weissen Öscilla- torien, Leptotrix-Arten u. d. gl. Er hat ganz den Habitus der Ac- tinophrys Sol, nur ist er viel kleiner (Fig. 26—29). Auch im Körperbau mit Ausnahme der contractilen Vacuole stimmen beide überein. Die gleichförmige Vertheilung der kernchenführenden Pseu- dopodien, ein centraler Nucleus mit Nucleolus, die oft auftretende schaumartige Consistenz des Protoplasma besonders an der Peripherie, die Art der Nahrungsaufnahme durch Umfliessen fremden Körper ist beiden gemeinsam. Der einzige Unterschied, abgesehen von der Grösse, betrifft die contractile Vacuole. Bei dem Sonnenthierchen ist sie gross, während der Diastole buckelig aufgetrieben; runzelig beim Zusammenfallen. Cyliophrys besitzt dagegen eine bis drei sehr kleine zeitweise contractile Vacuolen. Ob man auf diesem Unter- schiede eine neue Actinophrys-Species oder ein neues Genus gründen soll, ist bei Wesen, die im Körperbau im Ganzen nur ein paar histo- logische Merkmale aufweisen, zur Zeit höchst willkürlich. Nach dem herschenden Gebrauch, die contractilen Vacuolen bei den Helio- zoen als generische Charaktere zu verwerthen, werde ich für den in Rede stehenden Rhizopoden ein neues Genus: Ciliophrys aufstellen. Ciliophrys infusionum ist, so viel ich weiss, die einzige nackte He- liozoe, die einen Schwärmer besitzt. Beachtenswerth ist ausserdem der Umstand, dass der ganze Körper sich in den Schwärmer ver- wandelt. Man kann diesen Vorgang auf dem Öbjectträger Schritt für Schritt verfolgen, wenn man Cystophrys infusionum mit dem Deckgläschen belastet und dasselbe Exemplar längere Zeit nicht 1) Beitr. zur Kenntn. d. Monaden. p. 227. 30 L. Cienkowski: ausser Augen lässt. Nach Verlauf von zwanzig Minuten bis einer Stunde ist der Schwärmer ausgebildet und eilt davon (Fig. 31). Bei der allmähligen Umformung des Körpers bemerkt man zuerst eine Umwandlung des Inhalts; ursprünglich grobkörnig wird er allmählig schleimig-homogen, der Nucleus tritt deutlicher hervor. Unterdessen verschwinden die Pseudopodien, der Körper nimmt all- mählig eine ovoide Form an und der Zellkern rückt aus der cen- tralen Lage gegen das Ende hin. An diesen bemerkt man bald ein bis zwei Cilien; durch ihr Schwingen geräth der ganze Körper, der nun in den Schwärmer umgewandelt ist, zuerst in eine zitternde Bewegung, die immer lebhafter wird, um zuletzt in eine um die Längsaxe rotirende und fortschreitende überzugehen. Das weitere Schicksal des Schwärmers habe ich nicht ermitteln können, er ver- schwand immer in Detritusklumpen, Oscillarienhaufen u. d. gl. Der Schwärmer (Fig. 30—34) hat eine ovoide oft in einen dicken Fortsatz ausgezogene Form (Fig. 32). Am hinteren Ende an einigen Exemplaren sah ich deutlich einen kleinen contractilen Raum. Ausserdem kamen gewöhnlich mehrere nicht contractile Vacuolen vor. Die nahe Verwandtschaft unseres Rhizopoden mit der Actino- phrys Sol. wird noch dadurch bewiesen, dass beide durch Abschnü- rungen sich vermehren und durch Verschmelzen zweier oder mehrere Individuen in einen Körper zusammenfliessen. Es war interessant zu ermitteln, wie sich solche in Verschmelzung und Theilung be- griffene Individuen bei der Umformung in den Schwärmer verhalten werden. Die Beobachtung ergab: dass wenn man einen Haufen von copulirenden Individuen zur Untersuchung nahm, so erhielt man auf die oben geschilderte Art aus jedem Lappen einen Schwärmer, wobei mehrere gleichzeitig oder nacheinander aus dem Haufen sich bildeten und ihn verliessen (Fig. 42, 43). Dässelbe Verhalten zeigt die in Theilung begriffene Ciliophrys. Gleichzeitig mit der vorschrei- tenden Einschnürung wird aus jeder Hälfte ein Schwärmer (Fig. 35), Es sei noch erwähnt, dass nicht nur die Ciliophrys-Individuen sondern die Schwärmer mit einander verschmelzen können. Ich habe dies an einer sich theilenden Ciliophrys, die sich unter meinen Augen in zwei Schwärmer umbildete, beobachtet. Die Hälften hatten im Ver- lauf der Theilung schon die Pseudopodien eingezogen, und an den freien Enden Cilien entwickelt und standen nur noch durch eine ‚schmale lange Verbindungsbrücke im Zusammenhang (Fig. 35), als Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 31 sie plötzlich so stark gebogen wurden, dass die entgegengesetzten Enden einander genähert und in Berührung gebracht wurden (Fig, 36). Die aneinander gelegenen Hälften des Verbindungsstranges verschmolzen sofort; kurz darauf flossen die Schwärmer auch an der Basis zusammen, einen zweilappigen Körper bildend (Fig. 36, 37). Jeder Lappen enthielt seinen Kern und trug seine Wimper. Die Verschmelzung rückte nun immer weiter hinauf, die Lappen verschwanden, der Doppelschwärmer erhielt eine dreieckige Form (Fig. 38—40). An seinem abgeflachten Ende sah 'man noch deut- lich die Wimpern und die zwei Zellkerne, die obwohl sehr genähert, dennoch nicht verschmolzen. Die zu raschen Bewegungen des Schwärmers, die sich am Ende der Copulation einstellten, erlaubten nicht sein weiteres Verhalten zu ermitteln. Wenn ich somit über die Bedeutung der Copulation für die Ciliophrys keinen Aufschluss erhielt, so scheint doch, nach den im Bereiche der protoplasmatischen Wesen sehr verbreiteten Verschmelzungen zu urtheilen, kein Grund vorzuliegen, im gegebenen Falle einen Geschlechtsakt anzunehmen. Diagnose des Genus und der Species. Körper, wie bei Actinophrys Sol, statt des grossen contractilen Raumes ein bis drei kleine, zeitweise auftretende collabirende Va- euolen. ill. Rhizopoda nuda. 5. 6ymnophrys cometa, nov. gen. et sp. nov. Gymnophrys cometa ist ein Moner, welches anastomosirende Pseudopodien mit deutlicher Körnchenströmung besitzt und sich hauptsächlich dadurch charakterisirt, dass seine den Pseudopodien der Polythalamien ähnlichen Scheinfüsse nicht regelmässig über der Körperoberfläche vertheilt, sondern blos an einigen Punkten ent- springen (Fig. 25). Die Gymnophrys ist ein nackter, farbloser Protoplasmaklumpen ohne Zellkern, ohne contractile Vacuolen. Aus diesem Klumpen können an beliebigen Stellen mächtige Protoplasmastränge empor- -Schiessen; gewöhnlich sind deren nur einige vorhanden, welche dafür sich sehr verästeln, und weit verbreiten. Die Bewegung des Pseu- dopodiennetzes, wie auch der Körnchen, ist ziemlich rasch, dagegen 32 L. Cienkowski: behalten die grossen Stränge stundenlang dieselbe Lage. Je nach- dem nun die dicken Protoplasmastämme eingezogen werden und neue an anderen Stellen emporwachsen, ändert sich auch die Form des Körpers. Ingesta sind selten anzutreffen. Es glückte mir nicht, etwas Näheres über die Vehrmehrungs- art zu erfahren, da die auf dem Objectträger cultivirten Exemplare immer zu Grunde gingen. Die G. cometa scheint einen nackten Repräsentanten der amphistomen Monothalamien vorzustellen. Ich fand sie im Seemulder in Neapel, dann auch hier in Charkow in Moorsümpfen, zwischen Gallertalgen und zwar in viel mächtigeren Exemplaren, immer ver- einzelt. Diagnose des Genus und der Species. Körper nackt ohne Zellkern, ohne contractile Vacuolen. Die Pseudopodiennetze mit Kernchenströmung entspringen an wenigen, beliebigen Punkten der Körperoberfläche. IV. Monothalamia. 6. Gromia paludosa, nov. sp. Wenn wir uns an die vonMax Schultze gegebene Schilderung der Gromia halten!) so sind für dieses Genus folgende Merkmale charakteristisch. Ein protoplasmatischer Körper mit mehreren Zell- kernen, ein Pseudopodienstiel, eine weiche dicht anliegende bieg- same Schaale mit einer apikalen Oeffnung, durch welche der Pseudo- podienstiel tritt um, in zahlreiche anastomosirende Scheinfüsse mit Körnchenströmung auszustrahlen. Contractile Vacuolen sind nicht vorhanden. Die von mir in Sümpfen aufgefundene Gromie, die ich mit Speciesnamen paludosa bezeichne, weicht insofern von der Schultze- schen Beschreibung ab als sie kernlos ist. Ausserdem hat der lange Pseudopodienstiel nicht eine axilare, wie bei der Gromia, sondern eine seitliche Lage, wie bei Microgromia (Hertwig) Fig. 44. Trotzdem lasse ich meinen Rhizopoden vorläufig bei den Gromien stehen, theils weil mir die Anwesenheit vieler Kerne bei Seegromien, 1) Org. d. Polyth. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 33 die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, sehr zweifelhaft erscheint, theils weil die Lage ihres Halses einer neuen Untersuchung bedarf. Die Gromia paludosa ist durch die zarte farblose Hülle, durch den ebenfalls klaren Inhalt besonders geeignet, eine deutliche Vor- stellung vom Bau der Gromia zu geben. Sie ist eiförmig, hat einen an den Körper angedrückten Hals, der tief unter dem Scheitel ent- springt. Der Körper der Gromia paludosa ist also bilateral-symme- trisch, hat eine dorsale — wo der angelehnte Pseudopodienstiel liegt, und eine entgegengesetzte, ventrale Seite. Die weiche, allen Bie- gungen des Körpers folgende Hülle hat eine apikale oder etwas unter dem Scheitel gelegene Oeffnung, durch welche der Hals etwas hervorragt, sich lappenartig ausbreitet und ein prachtvolles Pseudo- podiennetz entsendet. Bei einer Seitenansicht zeigt unsere Gromia am Scheitel eine tiefe Bucht, in welcher der Pseudopodienstiel zwischen der Schale und dem Körper eingezwängt liegt (Fig. 44—46). Die Oeffnung ist oft von einem nach Auswärts umgebogenen Rande um- säumt (Fig. 46,a). Der röthliche oder farblose Inhalt dieser sel- tenen Rhizopoden ist in steter Rotation begriffen; er schliesst neben zahlreichen nicht contractilen Vacuolen, verschiedene verschluckte Körper ein — Zellenkerne waren nie zur Anschauung zu bringen. Die einzige Vermehrungsart, die ich bei G. paludosa beobachten konnte, war die durch Theilung. Das erste Zeichen der nahenden Fortpflanzung war das Er- scheinen eines neuen Pseudopodienstieles an der Basis des Thieres und die Durchbohrung der Hülle an dieser Stelle (Fig. 45). Die Theilung ist hier insofern beachtenswerth als die Hülle sammt dem Inhalte durch immer tiefer greifende Einschnürung mitgetheilt wird (Fig. 45, 46). Sonst nimmt der Vorgang den gewöhnlichen Lauf. Durch die aneinander rückenden Hälften wird die Einschnürung in einen langen Strang ausgezogen, der schliesslich zerreisst; die zwei neuen geschwänzten Individuen ziehen allmählig die Anhängsel ein. Als Sumpfbewohner muss die G. paludosa einen Ruhezustand besitzen. Darauf gerichtete Versuche führten indessen zu keinem befriedigenden Resultate. Bei langsamem Austrocknen nahm sie eine Kugelgestalt an, die Schalenöffnung und der Pseudopodienstiel blieben unverändert. Ich fand die G. paludosa in Sümpfen in Nord- und Süd-Russland (Jaroslaw, Charkow). Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 3 34 L. Cienkowski: Diagnose der Species. Schale weich, biegsam, farblos, Oefinung apical oder etwas seitlich. Körper bilateral-syınmetrisch. Pseudopodienstiel lang seiten- ständig dem Körper angedrückt. Zellkerne und contractile Va- cuolen nicht vorhanden. 7. Mierogromia soeialis, Hertwig. Die von Archer!) entdeckte Gromia socialis wurde von Hert- wig?) zu einem neuen Genus: Mierogromia erhoben. Sie kommt gewöhnlich heerdenweise mit zerstreuten, vermittelst der Pseudo- podien zusammenhängenden Individuen oder in traubenartigen Haufen vor. In diesem Falle nimmt Archer an, dass die ganze Colonie in eine Pseudopodien bildende Protoplasmamatrix eingebettet, und von ihr umhüllt sei. Solche Colonien hält der genannte Forscher für ein selbständiges Genus, Cystophrys. Es ist nicht schwer sich davon zu überzeugen, dass die traubenartigen Colonien, wie Hert- wig ganz richtig gegen Archer einwendet, mit einem Deckglase be- lastet auseinander gehen, ohne eine Spur einer sie umhüllender Sub- stanz zu hinterlassen. Archers C. Häckeliana ist eben nichts anderes als ein Haufen von Microgromia socialis. Archer giebt an, dass die Cistophrys-Individuen kleiner sind als die einzeln vorkommenden Exemplare. Das ist freilich nicht der Fall, allein insofern hat Archer Recht, dass bei Microgromia socialis bedeutende Schwankungen in der Grösse vorkommen. Man wäre vielleicht selbst berechtigt zwei Varietäten, major und minor zu unterscheiden. Die erste ist zweimal so gross als die kleinere (Fig. 48, 52). beide scheinen auf verschiedene Localitäten ange- wiesen zu sein; die grössere Varietät fand ich in umfangreichen Wasserbehältern an Conferven haften; die minor in Pfützen, in In- fusionshäuten. Bei beiden ist der Protoplasmakörper gleichgebaut. Er ist retortenförmig mit dem Hals (Pseudopodienstiel nach Hert- wig’s Benennung) nach der Schalenmündung gerichtet (Fig. 48, 49, 52); im hinteren Theil enthält er einen Nucleus mit Nucleolus, am vorderen, gewöhnlich schaumartigen, eine contractile, aber nicht 1) Quart. Journal of Micr. sc. 1869. 1870. 2) Ueber Microgromia, Dieses Archiv. Bd. X, Supplementheft. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organism?.. 35 plötzlich collabirende Vacuole (Fig. 48, a). Die zarte den Körper lose umhüllende Schale hat bei der Varietas minor einen deutlichen, wenn auch kurzen Hals (Fig. 53—56); bei alten Individuen ist sie braun gefärbt und dadurch leicht mit einem sehr verbreiteten be- schalten Flagellaten, der zu Dinobryoniden gehört, zu verwechseln. Beide Varietäten bilden traubenartige Verbände. An diesem zierlichen Rhizopoden hat Hertwig die für die Entwickelungsgeschiehte der Monotholamien wichtige Entdeckung gemacht, dass er sich vermittelst Zoosporen vermehrt. Mit grosser Freude kann ich diese interessante Thatsache in den Hauptpunkten bestätigen. Die Schwärmerbildung habe ich nur bei der kleinen Varietät verfolgen können. Bevor ich meine Beobachtungen mit- theile, will ich die von Hertwig erhaltenen Resultate kurz angeben. Nach Hertwig’s Untersuchungen wird der Schaleninhalt in zwei Hälften getheilt; die Theilungsebene fällt entweder mit der Längs- axe des Körpers zusammen, oder steht senkrecht zu derselben. Die Quertheilung findet dann statt wenn eine neue Colonie entstehen soll. Zu diesem Zwecke tritt nach Hertwigs Beobachtungen das hintere Theilstück durch die Schalenöffnung heraus, verwandelt sich in einen ovoiden Schwärmer, der nach einigem Herumirren wahr- scheinlich eine neue Colonie gründet!). Der Schwärmer hat voll- ständig die Form und Structur des Clathrulinaschwärmers: er ist ovoid, am vorderen Ende mit zwei Cilien und einem Nucleus ver- sehen, am hinteren Theil trägt er die contractile Vacuole?). Eine Abweichung von dem eben geschildertem Gange der Entwickelung besteht nach Hertwigs Angaben darin, dass die Bildung des Schwär- mers ausbleibt und durch einen actinophrysartigen Körper ersetzt wird®). Die Frage, in welcher Weise die Vermehrung der trauben- artig vereinigten Individuen erfolgt, sucht Hertwig dahin zu be- antworten, dass die neuen Glieder einer Colonie höchst wahrschein- lich nicht durch Quer- sondern durch Längstheilung angelegt werden. Darauf folgt das von Hertwig direkt beobachtete Austreten des neuen Sprösslings. Der Verband der Individuen wird dadurch be- dingt, dass die durch fortgesetzte Längstheilungen gebildeten Spröss- 1) 1. c. p. 21, Taf. 1. Fig. 6, a, b, c. ainrc. Tat. 1. Fig. &,.d,;e. 3) L. ce. Fig. 7, a, p, 28. 36 L. Cienkowski: linge, nachdem sie die Schale des Mutterthieres verlassen, doch mit ihm vermittelst der Pseudopodienstiele in Vereinigung bleiben '!). Um den Entwickelungsgang wo möglich lückenlos zu verfolgen, habe ich die Cultur in hängendem Tropfen, wo die Microgromia während einiger Wochen vortrefflich gedieh, vorgenommen. Die kleine Varietät bildete in diesen Verhältnissen keine Haufenkolonien, die Individuen waren zerstreut, jedoch mit einander durch das Pseudo- podiennetz in Zusammenhang gehalten. Nach einigen Tagen traten nun Längstheilungen auf, allein es kamen auch Halbirungen in einer zu der Hauptaxe senkrechten Richtung vor. In beiden Fällen ver- wandelte sich der aus der Schale befreite Sprössling in einen Schwär- mer. Da, wie ich schon erwähnte, in meiner leicht zu überwachenden Cultur keine traubenartigen Verbände auftraten, so muss ich an- nehmen, dass die Theilungsrichtung des Mutterthieres für das weitere Verhalten des Sprösslinges von keiner Bedeutung sei. Was die Theilung selbst betrifft, so wird sie durch das Er- scheinen eines zweiten Zellkernes eingeleitet; der letzte entsteht selbständig, nicht durch Theilung des Mutterkernes. Die halbirende Ebene sah ich als eine quere oder in der Längsaxe liegende Linie auftreten (Fig. 54). Um weiter das Hervorkriechen des Theilstückes zu beobachten, wollen wir zuerst den Fall, wo beide Hälften hinter- einander liegen, näher betrachten. Zuerst schiebt sich das untere Theilstück gegen den Scheitel hin, die obere Pseudopodien tragende Hälfte zur Seite drängend. Da diese Aenderung sehr langsam vor sich geht, so sieht man nach und nach die quere Berührungslinie beider Theile in eine schiefe (Fig. 55) und zuletzt in eine mit der Längsaxe zusammenfallende Linie übergeben (Fig. 56). Darauf beginnt nun das Heraustreten einer Hälfte des getheilten Leibes. Zuerst sieht man an der Schalenmündung zwischen den Pseudo- podien einen dickeren, zugespitzten Protoplasmafortsatz auftreten Dieser gehört dem auswandernden Theil der Microgromia, er schwillt immer mehr an, allmählig das Theilstück nachziehend (Fig. 57). Zu- letzt liegt in der Nähe der Schalenmündung zwischen den Pseudo- podien ein in spitze Scheinfüsse ausstrahlender Protoplasmaklumpen, der nach einigen Minuten seine Fortsätze einzieht, eine ovoide Ge- stalt annimmt und durch leises Zittern die Anwesenheit von Cilien verräth. Seine zitternden Bewegungen werden immer heftiger, bis er 1) Lo. P..27. Ta£ 1, Fig.8. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 37 zuletzt mit grosser Eile den Geburtsort verlässt, den Versuchs- tropfen in allen Richtungen durchwandernd. An dem Schwärmer sind die von Heriwig genau angegebenen Theile wahrzunehmen: Am vorderen Ende die zwei Cilien, unter ihnen der Zellkern, am entgegengesetzten die contractile Vacuole (Fig. 58, 59). In seiner mehrfach eitirten Arbeit giebt Hertwig an!), dass das untere Theilstück heraustritt, das obere, Pseudopodien tragende in der Schale zurückbleibt. Ich habe gerade das Gegentheil ge- funden. Obwohl mein Untersuchungsobject durch seine Kleinheit ein viel ungünstigeres war, als das, welches Hertwig zu Gebote stand, so glaube ich doch deutlich gesehen zu haben, dass die Pseudo- podien tragende Hälfte die Schale verlässt. An einer quergetheilten Microgromia, die einige Stunden ununterbrochen beobachtet wurde, sah ich das untere Theilstück (Fig. 54) an die linke Seite hervor- drängen (Fig. 55), allein nicht dieses trat heraus, sondern das rechts- liegende, welches den Pseudopodienstiel trug (Fig. 57), die andere Hälfte blieb in der Schale und zeigte einen Tag darauf eine normale Beschaffenheit. Der Hals wurde demgemäss neugebildet. Da Hert- wig nach seinen an der grösseren Varietät gewonnenen Resultaten, wo man diese Verhältnisse viel deutlicher beobachten kann, ganz bestimmt das Auswandern der unteren Hälfte angibt, so müssen wir annehmen, dass auch in diesem Falle keine Regel eingehalten wird und bald das untere, bald das obere Theilstück die Schale verlässt. Neben der Quertheilung trat, wie ich oben erwähnte, bei meinen Culturen viel häufiger die Längstheilung auf.- Da man aber hier wegen der ursprünglichen gleichen Lage der Theilstücke und Kleinheit des Objectes nicht sicher anzugeben weiss, welche von den Hälften den Pseudopodienstiel trägt, so kann man auch nicht ermitteln, ob die mit dem Halse versehene, oder die andere hervorbricht. Was die gehäuften Colonien anbetrifft, so habe ich diese an der grossen Varietät in Sommermonaten vielfach beobachtet, ohne jedoch eine klare Einsicht in die Art ihrer Entstehung zu gewinnen. Zuletzt sei noch bemerkt, dass die Schwärmerbildung bei Micro- gromia von den Jahreszeiten nicht abzuhängen scheint. Hertwig hat sie im Frühlinge, ich in Herbstmonaten im September und Oc- tober beobachtet. Dikge.p. 21, 22. Tat. I, Fig. 6. 38 L. Cienkowski: 8. Leeythium hyalinum, Hertwig und Lesser. Die Arcella hyalina (Ehrenberg) wurde neulich von Hertwig undfLesser zu einem selbstständigen Genus: Lecythium erhoben, dessen Merkmale nach der von genannten Autoren gegebenen Diag- nose in folgendem bestehen: Schale rundlich, vollkommen crystallhell, membranartig dünn, aber unbiegsam bilateral symmetrisch, mit einem kurzen, die Pseudopodienöffnung tragendem Hals. Protoplasma- körper die Schale vollkommen erfüllend, in einen vorderen körnigen und hinteren homogenen Abschnitt differenzirt. Im ersteren die nicht contractilen zahlreichen Vacuolen, im letzteren der stets ein- fache Kern. Pseudopodien homogen, zahlreich verästelt, dann und wann anastomosirend. Meine Untersuchungen stimmen mit dieser Diagnose in wenigen Punkten nicht überein. Ich fand die Schale nicht starr, vielmehr in hohem Grade biegsam. Man braucht nur in einem hängenden Tropfen einige Stunden dasselbe Individuum zu überwachen, um sich davon zu überzeugen. Wir sehen dann, wie die Kugelform in eine gelappte übergeht, diese eine Nieren- gestalt annimmt, um nachträglich zu der Kugelform zurückzukehren (Fig. 61, 62). Dieser Gestaltänderung des Körpers folgt die weiche, fest anliegende Schale. Die Biegsamkeit der letztern wird noch dadurch bewiesen, dass grosse verschluckte Körper, z. B. Diatoma- ceen, die Schale spitz hervorstülpen (Fig. 65). Der kurze Hals liegt bei ovoiden Exemplaren am Scheitel der Längsaxe (Fig. 63), bei nierenförmigen in der Einbuchtung. Die Bilateralität des Lecy- thium hyalinum kommt nur als Ausnahme vor. Den Inhalt betreffend stimmen meine Beobachtungen vollständig mit Hertwig und Lesser’s Angaben überein. Der grosse Nu- cleus mit Nucleolus ist in eine hintere, glashelle Abtheilung ein- gebettet, die vordere Vacuolenreihe zeigt eine dichtere Consistenz und dunklere Färbung (Fig. 61). Beide sind mitunter von einer dunkleren Querzone, die jedoch nicht so scharf markirt wie bei den Euglyphen auftritt. Der Kern zeigt die allen Rhizopoden gemein- schaftliche Beschaffenheit: er hat das Ausssehen einer grossen Va- cuole, welche ein stark lichtbrechendes Kügelchen einschliesst (Fig. 2) .1, 0. p: 117. Taf. IN. Fig. 8. Ueber einige Rhzizopoden und verwandte Organismen. 39 60-64). Alcohol ruft in diesem Nucleus einen feinkörnigen Nieder- schlag und eine schärfere Contourirung hervor. (Fig. 64). Lecythium hyalinum ist durch seine stark entwickelte Pseudo- podienplatte ausgezeichnet (Fig. 60, 65—67). Sie ergiesst sich aus der Schalenmündung, um in mächtige, selten anastomosirende Schein- füsse auszustrahlen. Dieses vacuolenreiche, sehr zarte Protoplasma bildet entweder einen unförmlichen Klumpen, oder überzieht den ganzen Körper mit einem Pseudopodienmantel (Fig. 66, 67). Fremde Einschlüsse sind in ihr ebenso häufig wie im Körperinhalte anzu- treffen. Das Lecythium hyalindum kommt selten vereinzelt vor, häu- figer bildet es traubenartige Verbände mit einer gemeinschaftlichen Pseudopodienplatte. Die Colonien entstehen, wie Fresenius richtig angibt, durch Längstheilungen der Individuen‘). Im hangenden Tropfen ist der Vorgang nicht schwer zu verfolgen. Er beginnt mit dem Auftreten einer Meridianfurche, die von der Basis zu der Schalenmündung sich hinzieht (Fig. 70). Durch diese immer tiefer greifende Abschnü- rung wird das Lecythium in zwei Hälften geschnitten (Fig. 71—72). Die eine erhält den alten Nucleus, in der anderen wird ein neuer gebildet. Der ganze Vorgang dauert ein bis zwei Stunden. Nach den Erfahrungen, die ich bei dem folgenden Rhizopod machte, ist die Betheiligung der Pseudopodienplatte bei der Ent- stehung der Traubenverbände höhst wahrscheinlich, jedoch direkt wurde sie von mir nicht beobachtet; die Pseudopodienplatte rundete sich zwar sehr oft an der Mündung ab, allein ich sah sie stets mit dem Auftreten zahlreicher Vacuolen absterben (Fig. 68, 69). Die Ruhezustände sind noch unbekannt. 9. Chlamydophrys stercorea, nov. gen. et nov. Sp. Bei mycologischen Untersuchungen der meist bewohnenden Pilze traf ich oft eine Monothalamie, die mitder von Schneider?) unter dem Namen Diffugia Encheiys beschriebenen identisch ist — und zu Lecythium hyalinum in nächster Beziehung steht. 1) Abhandl. d. Senkenberg. Ges. Bd. II. p. 211. T. XII, Fig. 1, 5, 13 etc. 2) Müller’s Archiv 1854. 40 L. Cienkowski: Der Körper dieses Rhizopoden ist so gebaut, wie bei Euglypha. Eine äquatoriale Zone theilt ihn in zwei fast gleiche Abschnitte: in einen vorderen kernigen, vacuolenreichen und hinteren glashellen, der einen Nucleus mit Nucleolus einschliesst (Fig. 73). Die äqua- toriale Zone hat einen geraden oder gebogenen Verlauf, sie besteht aus lauter kleinen dunkeln Körnchen. In der vorderen Körperhälfte wird die Verdauung vollzogen, hier liegen in Vacuolen eingeschlossen fremde, von den Pseudopodien gebrachte Gegenstände: Pilzsporen, Algen u. dgl. Bei reichlicher Nahrungszufuhr sieht man oft fremde Körper die Aequatorialzone passiren und in den glasigen Abschnitt bis zu dem Zellkern vordringen, was beweist, dass beide Körper- hälften durch keine Wand von einander geschieden sind. Ich muss indessen noch bemerken, dass der glasige Theil von dem vordern sich oft mehr oder weniger vollständig sondert. Er bildet dann einen kugeligen oder verschieden geformten Körper, der zwar keine Membran besitzt, jedoch eine deutliche Umgrenzung zeigt (Fig. 75, 76). Vielleicht hat diese Thatsache Schneider !) bewogen, den Difflugien eine Kapsel zuzuschreiben und dieselbe mit dem Repro- ductionsorgan der Radiolarien zu vergleichen. Diese Annahme könnte in der Thatsache, die ich unten anführe, eine Stütze erhalten, dass in dem individualisirten glasigen Körper mitunter mehrere Kerne auftreten, die möglicherweise den Beginn einer Vermehrungsart an- deutet. Andererseits darfich nicht unerwähnt lassen, dass bei vielen Flagellaten ein Theil des Körpers ebenfalls eine glasige Uonsistenz hat und wie bei unserem Rhizopoden häufig aus dem übrigen Inhalte in Kugelform ausgeschieden wird. Sollten künftige Beobachtungen zu Gunsten der Schneider’schen Ansicht sprechen, so ist vorläufig wenigstens so viel gewiss, dass die Individualisirung des glasigen Körperinhaltes bloss unter gewissen Bedingungen auftritt, dagegen bei den weitaus meisten Exemplaren der Diftlugien, Euglyphen, Fla- gellaten gehen beide Körperabschnitte ununterbrochen ineinander. Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu unserer Mo- nothalamie zurück. Der vordere Theil des Körpers endet mit einem kurzen Hals, der weiter in zahlreiche schwach verzweigte, kernchenlose Pseudo- podien ausstrahlt. In der äquatorialen Zone kommen 1—3 contrac-- tile Vacuolen zum Vorschein, die bei der Diastole buckelartig her- 1) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXI. p. 510. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 41 vorgetrieben werden, Fig. 73. Jedoch ist ihre Anwesenheit nicht beständig; oft selbst bei aufmerksamer Betrachtung sucht man ver- gebens darnach. Dieser nach dem Typus der Euglyphen gebaute Körper ist von einer loosen glashellen Schale, an der man die für Euglyphen charakteristische -Sculptur vermisst, umschlossen. Sie endet mit einer terminalen oder etwas seitlich vom Scheitel abgewichenen Oeffnung, die oft von einem kurzen Hals getragen wird; in der Mündung ist der dicke Pseudopodienstiel eingeklemmt. Die Form der Schale ist ovoid oder.nierenförmig, ziemlich starr, jedoch be- deutender Gestaltänderung fähig. Bei anhaltender Beobachtung sieht man sie wie auch den eingeschlossenen Körper verschiedenste Formen annehmen (Fig. 75). Aus dieser kurzen Beschreibung ist ersichtlich, dass unser Rhizopod eine Euglypha mit sculpturloser Schale darstellt; er würde also eine neue Species derselben bilden können. Will man indessen die Dujardin’sche Diagnose der Euglypha, die die Sculptur der Schale als Hauptmerkmal einschliesst, aufrecht erhalten, was aus practischen Gründen wünschenswerth erscheint, so müssen wir unsere Monothalamie zu einem neuen Genus erheben, sie mag den Namen Chlamydophrys stercorea führen. Um den Entwickelungsgang der Chlamydophrys bequem zu beobachten, cultivirte ich sie in hängendem Tropfen und führte ihr als Nahrung reichlich Pilzsporen, besonders Oidium lactis, Euglenen u. dgl. zu. Bei dieser üppigen Ernährung beginnt nach einigen Tagen die Vermehrung. Es treten zuerst untereinander verbundene Individuen auf, welche den Anschein der Copulation erwecken (Fig. 77). Bei aufmerksamer Beobachtung gewinnt man bald die Ueberzeugung, dass man hier im Gegentheil mit einer Vermehrung des Mutter- thieres zu thun hat. Diese wird auf eine eigenthümliche Art aus- geführt. Die Chlamydophrys treibt durch die Schalenöffnung eine protoplasmatische Ausbuchtung, in der man anfangs keinen Zell- kern wahrnimmt, der jedoch später unabhängig vom Mutternucleus sich entwickelt. An dieser Pseudopodienplatte erscheint bald eine scharfe Contour, welche die junge, aufliegende Schale des neuen In- dividuum bezeichet (Fig. 77). Kurz darauf oder noch vor der Scha- lenbildung treten aus der gemeinschaftlichen Protoplasmabrücke Pseudopodien strahlend auf. Zuletzt gehen beide Theile, das Mutter- thier mit loser Schale, das neugebildete mit eng anliegender, aus- 42 L. Cienkowski: einander. Der hier geschilderte Vorgang ist für Rhizopoden nicht neu, er wurde bei Arcellen von Cohn !) und Anderen beobachtet und als Copulation gedeutet. Bei reicher Nahrungszufuhr bildet die Chlamydophrys, wie das Lecythium und die Microgromia traubenartige Colonien mit nach dem Vereinigungspunkt gerichteten Schalenöffnungen, Fig. 80, 81. Durch ihre Grösse und Fähigkeit, in hängendem Tropfen zu ge- deihen, ist die Chlamydophrys besonders geeignet, über Colonienbil- dung Aufschluss zu geben. Soll eine Colonie entstehen, dann wird das erste aus dem Mutterthiere hervorsprossende Individuum nicht abgetrennt, sondern bleibt mit ihm im Zusammenhange. Aus der gemeinschaftlichen Pseudopodienplatte tritt eine neue Wölbung auf, die sich nachträg- lich ihre Hülle und ihren Nucleus neu bildet, und ebenfalls mit ihren ältern in Vereinigung bleibt u. s. w. (Fig. 78). Auf diese Weise entstehen Gruppen von einigen oder vielen Individuen, deren Leiber in eine gemeinschaftliche Pseudopodienplatte ausmünden. Diese centrale Protoplasmamasse erreicht mitunter eine bedeutende Grösse und Ausdehnung und bildet dicke, verzweigte Protoplasma- stränge, welche mit aufsitzenden Individuen überladen sind. Man erhält solche Bilder, wenn man durch leisen Druck des Deckglases die Glieder einer grossen Colonie auseinander schiebt (Fig. 79). Die so entblöste Pseudopodienplatte hat ein feinkörniges Gefüge, enthält in Vacuolen eingeschlossene Nahrungsballen. Zellkerne für künftige Individuen sind nicht vorhanden. Die hier in Kürze geschilderte Entwickelung der Chlamydo- phryscolonie unterscheidet sich also von der der Microgromia da- durch, dass bei der ersten die neuen Glieder durch nacheinander folgende Abschnürungen der Pseudopodienplatte, bei Microgromia unmittelbar aus dem Mutterthiere ihren Ursprung nehmen. Die Entwickelung der traubenartigen Verbände der Chlamy- dophrys wurde zuerst von Schneider gefunden und richtig beob- achtet. Schneider deutete den Entwickelungsmodus der Colonien als eine Knospung ?). Bevor ich zu dem Ruhezustande der Chlamydophrys übergehe, muss ich noch einer Thatsache gedenken, die auf eine andere Ver- 1) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. IV. S. 261. 2) Müller’s Archiv 1854. p. 205. Taf. IX. Fig. 20. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 43 mehrungsart hinzudeuten scheint und für die Frage von der Mehr- zelligkeit einiger Rhizopoden von Interesse sein könnte. In meinen Culturen fand ich sehr häufig Chlamydophrys-Indi- viduen mit zwei bis drei und mehreren Zellkernen (Fig. 74, 75). Ihre Entstehung schien unabhängig von dem Mutterkern zu erfolgen, wenigstens sah ich nie eine Theilung desselben. Wenn wir von der sehr zweifelhaften Vielkernigkeit der Seegromien absehen, so ist ausser Chlamydophrys noch Arcella, Actinosphärium und die Nuclea- ria (F. Schulzes Heterophrys), die diese Eigenschaft theilt, zu nennen. Welche Bedeutung hat das Erscheinen vieler Kerne bei Chlamydophrys, zeigt es den Anfang einer Zoosporenbildung, oder einer Theilung? Es glückte mir leider nicht, irgend eine Thatsache aufzufinden, die mir über diese Vielkernigkeit hätte Aufschluss geben können. Zu dem Entwickelungskreise der Chlamydophrys gehört noch ein Ruhezustand. Die Cystenbildung beginnt wie bei vielen anderen Protozoen bei allmähligem Austrocknen des Wohnortes. Beim Ueber- gange in den Ruhezustand tritt bei der Chlamydophrys der ganze Körper aus der Schale heraus, nimmt ausserhalb der Mündung oder noch in derselben eingeklemmt Kugelgestalt an und hüllt sich darauf in eine dicke Membran (Fig. 82—86). Der Inhalt dieser Cyste ist feinkernig und so dunkel, dass man in seine histologische Beschaffenheit keine Einsicht gewinnt. Die Cysten liegen gewöhn- lich in Haufen vereinigt und von einer Zone fremder Theilchen um- ringt (Fig. 85, 88). Da die Grösse der Chlamydophrys ausser- ordentlich schwankt, so sind auch ihre Cysten von verschiedensten Dimensionen, umsomehr, da die Pseudopodienplatte einer Colonie mit dem Inhalte an ihr haftender Glieder in einen Körper ver- schmilzt und eine grosse Cyste bildet (Fig. 89). Solche gemein- schaftlichen Ruhezustände schliessen folglich den Inhalt mehrerer Individuen ein, deren Zahl durch die der Cyste aufsitzenden leeren Schalen angegeben wird. Wir haben hier wieder einen Verschmelzungs- process vor uns, der gewiss, wie die meisten ähnlichen Fälle, in keiner Beziehung mit einem Geschlechtsacte steht. Die von Schneider beschriebenen Ruhezustände!) in welche über- gehend der Körper der Chlamydophrys innerhalb der Schale in vier Sporen zerfällt, habe ich keine Gelegenheit gehabt zu beobachten. 1) 1. c. p. 205, Taf. IX, Fig. 20. 44 L. Cienkowsky: 10. Diplophrys stercorea, s. n. An nass unter der Glasglocke gehaltenen frischen Pferde-Exere- menten erscheinen in Sommermonaten gelbe Tröpfchen von der Grösse und Aussehen eines Mucor-Sporangiums. Sie bestehen aus einer Unzahl von ovalen oder linsenförmigen (etwa 0,004—0,006 Mm. langen) Körperchen. Im Innern der letzteren ist ein gelbes Pigment- külgelchen, ein Nucleus und ein bis zwei contractile Vacuolen ein- geschlossen (Fig. 93—95). Die erwähnten gelben Tröpfchen sitzen auf den hervorragenden Enden von Mistpartikelchen, Strohsplittern, u. dgl.; durch Berührung mit fremden Gegenständen zerfliessen die Tropfen; legt man sie vorsichtig mit dem Substrat auf das Object- glas, so sieht man das Köpfchen zerfliessen und die Zellen, aus welchen es bestand, sich über das ganze Sehfeld zerstreuen. Dabei überzeugt man sich, dass eine den Tropfen zusammenhaltende Ma- trix oder denselben umhüllende Membran nicht vorhanden ist. Be- trachtet man jetzt längere Zeit die zerstreuten Individuen, so wird. man an einigen eine leise, ruckweise erfolgende Bewegung wahr- nehmen, gleichzeitig an beiden Enden eine oder zwei lange Pseudo- podien auftreten sehen (Fig. 93, 94). Die Bewegung dauert jedoch nicht lange, sie ist momentan; nach einer gewissen Pause erfolgt sie in entgegengesetzter Richtung. Auser diesen leisen Zuckungen werden viele Individuen von einer energischen Massenbewegung ergriffen, ohne dass man die Ursache näher angeben könnte. Bei dieser Wanderung geht eine Zelle mit vorgestreckter Pseudopodie voraus, den hinteren Scheinfuss nach sich ziehend. An diesen lehnt sich die Pseudopodie der folgenden Zelle an, welche wiederum eine Stütze für die nächstfolgende abgiebt (Fig. 95). Auf diese Weise entstehen Pseudopodienschnüre, an welche an- geheftet einzelne Zellen, wie auch Haufen von Individuen auf und ab rutschen. Diese Bewegung ist ziemlich rasch, so dass man sie direkt bei einer 760mal Vergr. wahrnimmt. Wahrscheinlich vermittelst solcher Wanderung erklimmt unser Rhizopod, das Substrat ver- lassend, hervorragende Splitter, um sich auf diesen in einen end- ständigen Tropfen zu vereinigen. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 45 Auf den ersten Blick erinnert die Form der hier beschriebenen Zellen, das Pigmentkügelchen, die Bewegungsart, die Pseudopodien- schnüre lebhaft an die Labyrinthula; allein der wesentliche Unter- schied zwischen beiden besteht darin, dass die Bahn, auf welcher die Zellen der Labyrinthula herumkriechen, aus starren, von den Zellen selbst secernirten Fäden gebildet wird, bei unserem Rhizopod dagegen ist sie aus Bündeln contractiler Pseudopodien zusammen- gesetzt und verschwindet, wenn die Zellen auseinandergehen. Die eben beschriebenen Gebilde scheinen mir am natürlichsten zu der Diplophrys gestellt zu werden. Es ist zwar nicht leicht, bei s6 kleinen Gegenständen zu entscheiden. ob sie beschalt oder nackt sind, da jedoch alle anderen für Diplophrys charakteristischen Kennzeichen, wie die fast entgegengesetzten Ursprungsorte der Pseudo- podien, der Nucleus, das Pigmentkügelchen, die contractilen Va- cuolen auf unseren Rhizopoden Anwendung finden, so glaube ich ihn als eine Species derselben, die ich Diplophrys stercorea benenne, betrachten zu müssen. Was die Vermehrungsart dieser neuen amphistomen Monotho- lamie betrifft, so ist mir nur die Theilung, die so wie bei Diplophrys Archeri vorgeht, bekannt. Besonders geeignet zu dieser Beobachtung sind grössere Exemplare, die am Rande des Versuchstropfen liegen und durch Abflachung sehr hell geworden sind (Fig. 96, 97). An solchen Individuen ist keine Schale wahrzunehmen. Bei der Thei- lung zerfällt der gelbe Körper, der oft seine Färbung verliert, in zwei Stücke (Fig. 98—100). Ruhezustände sind mir bis jetzt bei Diplophrys stercorea noch nicht zur Ansicht gekommen. Dafür gelang es die Diplophrys Ar- cheri durch Cultur in hängenden Tropfen in den Ruhezustand über- zuführen. Ihre Cyste ist ein von zwei Membranen eingehülltes farbloses Kügelchen. Die innere unmittelbar aufliegende Membran ist glatt, die äussere mit zahlreichen bläschenartigen Ausbuchtungen besetzt (Fig. 90, 91). Diagnose der Species. Körper linsen- oder spindelförmig, an beiden Enden wenige Pseudopodien tragend, schwach bilateral-symmetrisch. Im Inhalte ein Nucleus, ein bis zwei contractile Vacuolen und ein gelbes Pigment- körperchen. 46 L. Cienkowski: 11. Mierocometes paludosa, nov. gen. et nov. sp. Der protoplasmatische Körper der Microcometes ist lose von einer hautartigen Kapsel umschlossen, deren an einigen Stellen durch- bohrte Wand den überaus langen pseudopodienfreien Durchgang gestattet (Fig. 107. 108). Bei jungen Individuen ist die Kapsel farblos zart, kugelförmig, -bei ausgewachsenen braun, schwach facet- tirt oder beim Uebergange in den Ruhezustand mit kleinen Häckchen besetzt (Fig. 110). In der Kapselwand finden wir ein bis fünf um- säumte, regellos vertheilte Oeffinungen (Fig. 107,0). In dieser Schale liegt nun, wie bei Clathrulina, der protoplasmatische Leib des Rhizo- poden, frei, nicht an die Wand angeheftet, er nimmt etwa die Hälfte des Kapselraumes ein; seine Form ändert nach der Zahl der Proto- plasmastränge, die er durch die Schalenöffnungen entsendet: sie ist birnförmig, wenn nur ein Pseudopodienstiel vorhanden, gelappt, wenn mehrere emporschiessen. Die histologische Differenzirung des Leibes ist die der meisten Monothalamien und Heliozoen; ein excentrisch gelegener Zellkern mit Nucleolus und zwei bis drei contractile Va- cuolen in der peripheren Schicht (Fig. 107). Dieser protoplasma- tische Körper treibt, wie schon erwähnt, nach aussen, borstenartige Pseudopodien oder dicke Stränge,‘ die sich verzweigen, ohne Ana- stomosen zu bilden; Körnchenströmungen konnte ich nicht wahrnehmen. Die Pseudopodien erreichen eine bedeutende Länge, sehr oft wird nur eine hervorgestreckt, um aus weiter Ferne die Nahrung dem Körper zuzuführen (Fig. 107—108). Beobachtet man längere Zeit das an Algenzellen sich anschmiegende freie Ende eines Pseudopo- dium, so sieht man, wie es die fremden Gegenstände umfliesst und wie diese dann auf der protoplasmatischen Fadenbahn bis an die Schalenöffnung und weiter ins Innere heruntergleiten (Fig. 107, a, b, ce. 108). Während dieses Transportes liegt der Pseudopodienstrang unbeweglich — immer neue Nahrungsballen rutschen ihm entlang in die Kapsel hinunter. Ausser dieser Nahrungsaufnahme durch Umhüllung besitzen die Enden der Pseupodien die Eigenschaft die Algenzellen zu durchbohren, und sie auszusaugen. So sah ich den Inhalt einer Nostocaceenspore, nachdem sie lange mit der Pseudo- podie in Berührung blieb, in diese übergehen. Was die Vermehrung anbetrifft, so habe ich nur eine Zwei- theilung des Innenkörpers beobachtet. Die Theilstücke traten lang- Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 47 sam aus der Kapsel heraus, sich mit Mühe durch die enge Oeffnung durchpressend. Nachdem sie ihren Bildungsort verlassen hatten, nahmen sie eine sehr langgezogene Form an, an einem Ende liefen sie in wenige spitze Pseudopodien aus (Fig. 103—106). Der Zell- kern war sehr deutlich zu sehen; sie glitten langsam umher, bis sie sich in Algengeflecht verkrochen und der weiteren Beobachtung entzogen. Der Entwickelungskreis der Microcometes wird mit dem Ruhe- zustande geschlossen. Dabei nimmt der Körper, ohne aus der Schale zu treten, Kugelgestalt an und nachdem er die unverdaute Nahrung ausgeschlossen, hüllt er sich in eine derbe Membran ein. Die Kapsel erhält dabei hin und wieder eine mit Häckchen bedeckte Oberfläche. Die Grösse der Cyste beträgt im Durchschnitt 0,011 Mill,, der Kapsel 0,022 Mill. Die Microcometes paludosa fand ich in Nord- und Südrussland unter Gallertalgen, besonders schön zwischen Tetrasporen. Diagnose des Genus und der Species. Kapsel kugelförmig, an wenigen Stellen durchbohrte Proto- plasmakörper mit excentrischem Nucleus, 2—3 peripherischen con- tractilen Vacuolen. Pseudopodien sehr lang, wenig verzweigt, ohne Kernchenströmung. Erklärungen der Abbildungen auf Tafel IV—VIN. Die Figuren sind 760 Mal vergrössert dargestellt, mit Ausnahme der- jenigen, wo die Vergrösserung in Klammern angegeben ist. In allen Abbil- dungen bezeichnet s die Schale; n den Zellkern; k Nucleus; v. c. die con- tractile Vacuole; v gewöhnliche Vacuole; pl Pseudopodienplatte. Fig. 1. Ein in Süsswasser lebendes Plasmodium eines unbekannten Myxo- myceten; n die nucleusartigen Gebilde, Fig. 2. Die Plasmodiumplatte; n? die zellkernartigen Körper. 48 L. Cienkowski: Fig. 3. Langgezogene Formen desselben. Fig.5—7. Zu diesem Plasmodium gehörende Amöben. Fig.8—10. Das Plasmodium im Moment der Nahrungsaufnahme. Fig. 11.12. Seine derbwandige Cysten; vl das Velum; m die Membran der Fig. Fig. Fig. Fig. > Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Cyste; n? die zellkernartigen Körper. 13. Das aus der Cyste hervorbrechende Plasmodium. Vampyrella vorax. 14. (1:100) Ein üppiges, netzebildendes Exemplar der weissen Vampy- rella vorax. 15—16. Ihre Verdauungscyste. 17. Das Austreten des getheilten Inhalts. Arachnula impatiens, 18—20. (1:320) Verschiedene Formen der Arachnula impatiens, 21—24 (1:320) Ihre Verdauungscyste; a Nahrungsüberreste. Gymnophrys Cometa. 25. (1:400) Ein Exemplar mit hervorgestreckten Pseudopodien. Ciliophrys infasionum. 26—29, In unbeweglichem Zustande. 30—34. Dessen Schwärmer. 35—40. Copulation der Schwärmer. 41. Ein Schwärmer mit zwei Cilien. 42. Copulirende Ciliophrys. 43. Entstehung der Schwärmer aus copulirenden Exemplaren. Gromia paludosa. 44. (1:100) Ein Exemplar mit eingezogenen Pseudopodien; ps Pseudo- podienstiel. 45. (1:50) Anfang der Theilung. 46. (1:100) Ende der Theilung. 47. (1:100) Kleines Exemplar mit Schale. Microgromia socialis. 48—51. Die grosse Varietät. 52. Die kleinere Form. 53. Dieselbe mit eingekugeltem Körper ohne Pseudopodienstiel; h, Hals der Schale. 54—57. Theilung und Schwärmerbildung der kleinen Varietät. 58. 59. Der Schwärmer. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. 49 Leceythium hyalinum. . 60. Ein Exemplar mit Pseudopodienplatte. . 61.62. Gelappie und gekrümmte Formen. . 63. Leere Schale mit Zellkern und Nucleolus. . 64. Mit Alcohol behandeltes Individuum. Der Inhalt des, wie eine Ve- cuole aussehenden Nucleus wurde kernig; die Schale, s, trennte sich deutlich vom Inhalte. 65. Die Schale ist von der eingeschlossenen Diatomacee ein wenig hervorgestülpt. 66. Ausvier Individuen bestehende Colonie mit starker Pseudopodienplatte. 67. Zwei Individuen vermittelst der strangartigen Pseudopodienplatte vereinigt. 68. 69. Absterbende Pseudopodienplatte. 70. 72. Ein und dasselbe Exemplar während der Theilung. Chlamydophrys stercorea. 73. Ein Exemplar mit vorgestreckten Scheinfüssen, s die abstehende Schale; z die Aequatorialzone. 74. 75. Exemplar mit zwei und mehreren Zellkernen. 76. Der glasige Abschnitt, a, ist von dem vorderen abgegrenzt. 77. Das ausgewachsene Exemplar, c, hat aus seiner Pseudopodienplatte ein neues Individuum, b, mit dicht anliegender Schale hervorgebracht. 78. Eine aus zwei Individuen bestehende Colonie, in welcher das dritte Glied aus der Pseudopodienplatte sich heranbildet und noch keine Schale besitzt. 79. Aus der strangartigen Pseudopodienplatte entstehen durch Aus- stülpungen mehrere neue Mitglieder der Colonie. 80. 81. Colonien mit jungen Gliedern, c. 82. 83. In der Mündung der Mutterschale eingeklemmte Cyste, c, mit dicker, geschichteter Membran. 84. An der Schalenmündung gebildete Cyste. 85. 86. Cysten ohne Schalenüberreste. 87. Ausnahmsweise vorkommende zwei Cysten von einer gemeinschaft- lichen Membran umschlossen. 88. Oft vorkommende ÜOystenaggregate. 89. Eine gemeinschaftliche, aus dem Inhalte drei verschmolzener Indi- viduen entstandene Cyste. Diplophrys Archeri. 90. 91. Cyste der Diplophrys Archeri. Diplophrys stercorea. Fig. 92. Ein aus vielen Exemplaren bestehender Haufen. Fig. 93. 94. (1:1000) Zwei Individuen stärker vergrössert. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 12. 4 50 L,. Cienkowski: Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 95. In Wanderung begriffene Individuen. 96. 97. Unregelmässige Exemplare. 98—100. In Theilung begriffene Individuen. Microcometes paludosa. 101. 102. (1:1000) Zwei Exemplare mit hervorgestreckten Pseudopodien. 103—104. (1:1000) Der Körper zerfällt in zwei Theilstücke. 105. 106. (1: 1000) Die Theilstücke verlassen die Schale. 107. , Ein Individuum während der Nahrungsaufnahme; o die Schalen- öffnungen; a, b, c das die Nahrung aufnehmende Ende des Pseudo- podienstranges in drei nacheinander folgenden kurzen Zeitintervallen abgebildet. 108. Das vorige Individuum nach einer halben Stunde, p neue hervor- getriebena Pseudopodien ; die Nahrungsballen sind bis in den Körper heruntergerutscht. 109. (1:1000) Cyste innerhalb der Schale. 110. Cyste mit stacheliger Schale. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. Von Dr. H. Simroth zu Strassburg im Elsass. \ Hierzu Taf. IX. Der freundliche Rath des Herrn Prof. O. Schmidt veranlasste mich, für einige Zeit mit verschiedenen Species heterotricher Infu- sorien mich zu beschäftigen, und zwar in der besonderen Absicht, mit dem höchst interessanten Phänomene ihrer quergestreiften Mus- kulatur bekannt zu werden. Dem in das nähere Detail der Be- gründung Uneingeweihten offenbarte sich indessen ein dem inten- dierten diametral entgegengesetztes Bild: was ich als quergestreiften Muskel erkennen sollte, ward zu gefalteter Cuticula mit darunter gelegenem indifferenten Körperprotoplasma, wie Ehrenberg, Lieber- kühn und Greeff es wollten, während die nach gewöhnlicher von Schmidt, Kölliker u. a. ausgesprochener und von Stein im Einzelnen ausgeführter Ansicht die Muskeln trennenden Hautpartien die eigentlich contractilen Elemente in fest mit ihnen verschmolzenem Zustande enthielten. Greeff!) hat, im wesentlichen auf Lieber- kühn zurückgreifend, die von Stein in seinem »Organismus der Infusionsthiere« ausführlich begründete Lehre mit vielem Nachdrucke zurückgewiesen ; und Stein hat bis jetzt, meines Wissens, geschwiegen. Daher könnte es überflüssig erscheinen, die scheinbar schon ge- l) Wiegmanns Archiv für Naturgeschichte XXXVI. I. 1870. Unter- suchungen über die Naturgeschichte der Vorticellen. 52 H. Simroth: schlossenen Arten nochmals aufzustöbern, wenn mich nicht ein doppelter Entschuldigungsgrund in meinem Vorsatze bestärkte. Ein- mal wird die Greeff’sche Rectifieirung nicht anerkannt; im Gegen- theil bezeichnet Häckel die Stein’sche Theorie als ziemlich ge- sichert !); dazu kommt, dass in allerneuster Zeit von Fromentel in einem noch nicht vollendeten Werke?) noch eine weitere, so viel ich weiss, total neue Anschauung vorgetragen wird. Da der Ver- fasser, unsere allerwichtigste Infusorienarbeit, Steins Org. der Inf., nirgends erwähnend, von dem in Deutschland ausgefochtenen Strauss gar keine Kunde gehabt zu haben scheint, so wird den Urtheilen, die er sich gebildet, der Werth einer selbständigen Ursprünglich- keit zukommen; und wenn ich seine Auffassung nachher zu bekämpfen haben werde, so ist doch die Mühe, die er sich gegeben, um für die Contractionserscheinungen in dem Rindenparenchym der Infusions- thiere eine naturgemässe Deutung herauszuklauben, keineswegs eine verlorene; denn sie zeigt, wie man, den von Stein eingeschlagenen Weg betretend und consequent verfolgend, auf weitere Pfade ge- rathen muss, die allem dem in unserer Litteratur darüber bekannten durchaus fremd sind. Den zweiten Gesichtspunkt, welcher diese Arbeit rechtfertigen soll, liefert die Betrachtung der Wimperorgane der Infusorien, über die, wie mir scheint, noch immer wenig haltbare Annahmen circu- lieren. Die willkürliche Bewegung der einzelnen Cilien oder doch Ciliengruppen ist bekannt, wie es ebenso feststeht, dass die gleichen Gebilde höherer Thiere diesem Willensacte sich entziehen. Trotzdem aber werden die beiden Untersuchungen zusammen geworfen, und wie für die letzteren automatische Bewegungen vorgegeben werden, so dehnte man sie auf die ersteren aus, wobei der willkürlichen Hand- habung von Seiten des Thieres gar keine Rechnung getragen wurde. So im ersten Theile von Steins »Organismus der Infusionsthiere«. Diese Ansicht musste fallen, nach allen Begriffen, welche wir uns über Organisation mühsam herausgeschält haben. Denn wenn wir unter Leben eine Summe verschiedener, in eine Einheit zusammengedrängter Existenzbedingungen zu verstehen haben, die nur in diesem ein- heitlichen Zusammenhange ihren Schwerpunkt finden, sollen wir 1) Häckel, Zur Morphologie der Infusorien. Leipzig 1875. 2) Etudes sur les Microzoaires, par E. de Fromentel. Paris 1874. Fas- eieule 1. Zur Kenntniss des Bowegungsapparates der Infusionsthiere. 53 da den Sitz der freien Willensäusserung als eines der entschiedensten Merkmale thierischer Wesenheit, in jedem einzelnen Partikelchen für sich getrennt zugestehen? Oder ist es nicht vielmehr oberste Pflicht, die Beziehung zum gemeinsamen aufzusuchen und herzu- stellen ? Dazu die schon von Häckel (a. a. OÖ.) gerügte Hypothese, welche die Wimpern als Outiculargebilde hinstellt und folgerecht jedem Splitterchen structurloser, mehr weniger starrer Masse die willkürliche Bewegung zuertheilt (Stein, Org. I. Band). Die Un- wahrscheinlichkeit dieser Auffassung hat aber Stein schon bemerkt und im zweiten Theile seines Werkes das im ersten über die Wim- pern als Cuticulargebilde vorgetragene zurückgenommen !), ohne indess, da diessmal diesem Gegenstande kein besonderer Abschnitt gewidmet ist, die ausgeschiedene durch eine hinreichend ausführliche neue Ansicht zu ersetzen. Häckel kennt wohl diese Stelle nicht und stellt, jene alte Ansicht angreifend, ein neues Schema auf, welches den Knoten, wenn man eine neue Betrachtung einführt, mir nicht genügend zu lösen scheint. Von den Oilien höherer Thiere ist längst constatirt, dass sie keineswegs Fortsätze der Cuticula sind, sondern mit dem darunter liegenden Zellprotoplasma in Continuität stehen, wobei sie allerdings einen cuticularen Ueberzug erhalten können (vergl. schon Leydig’s Lehrbuch der Histologie). Und dass ihre Bewegungen nicht automatische sind, sondern, wie die Wimper selbst stofflich, so ihr Spiel auch ursächlich mit der Zelle zusammen- hange, dafür finde ich Beweise beim Kiemenepithel der Muscheln ; und es wird erlaubt sein, von dort rückwärts, die durch die Ver- schiedenheit der Function gesteckten Grenzen innehaltend, Schlüsse auf die Infusorien zu machen, die ich durch direkte Beobachtungen zu stützen suchen werde. Ich bin in der glücklichen Lage, meine Beobachtungen gerade an Stentoren angestellt zu haben, und »diese bieten unbedingt das bei weitem geeignetste Object, um die Natur der Streifen kennen zu lernen«. Dazu der nicht weniger günstige Umstand, dass ich in einem Tümpel hier bei Strassburg, mit den Stentoren vergesellschaftet, eine Menge jener zweiten Hauptform von Spirostomum ambiguum St. auffand, welche vielleicht noch einige weitere Aufschlüsse gestattet. Beide Thiergattungen zusammen dürften genügen, um in der Untersuchung 1) Stein Org. II. Band. Seite 32. 54 H. Simroth: sicher zu gehen, während eine allein leicht zu Fehlgriffen ver- anlasst. Das Thatsächliche besteht nun in folgendem: Theils bei der Contraction, theils ohne solche bietet der Körper der heterotrichen Infusorien ein auffallend längs- und spiralgestreiftes Ansehn dar. Die Streifen sind erhabene Rippen, mit entsprechenden Furchen dazwischen. Stein’s Beweise für die quergestreifte Muskulatur speciell der Stentoren gründen sich auf folgendes: Die chemischen Muskelreize Kühne’s wirkten auf Infusorien ein; ein Argument, welches für deren Muskulatur überhaupt spricht und daher von mir, der ich ein gleiches behaupte, nicht weiter be- nutzt werden soll. Sodann wird besprochen, dass die Richtung der Streifen immer mit der der Contractionen identisch ist; ein Factum, welches sich ebenso gut mit den Streifen, wie mit den sie trennenden Furchen verträgt. Nun wird die Brücke’sche Theorie von den Disdiaklasten benutzt, wie sie durch Anhäufung die Discs, Fibrillen und specieller die Sarcouselements zusammensetzen; es wird gezeigt, wie bei den | Stentoren sich Bilder finden, wo in den hügeligen Körperstreifen helle Querzeichnungen mit dunkeln abwechseln, und wie in den dunkeln ähnliche, stark lichtbrechende Körnchen sich finden. Daraus wird der Schluss der Analogie gezogen, und die Körperstreifen wer- den, wo nicht ganz auf die Höhe, so doch auf eine nahe Vorstufe der quergestreiften Muskulatur erhoben. Zunächst fällt es auf, dass diese quergestreifte Muskulatur nur im Zusammenhange mit einem hügligen Zerfall der Längs- streifen vorkommt, so zwar, dass jeder Hügel, jede papillenartige Erhebung einem dunklen Felde entspricht, während die hellen Quer- thälchen gewissermassen die Scheidewände herstellen, welche nach manchen neueren Ansichten die Muskelkästen trennen. Ein solches Bild findet sich nur bei den Stentoren, und es soll unten aus deren gesammter Körperdisposition erklärt werden. Den direkten Beweis gegen die Analogisirung mit der isotropen und anisotropen Muskel- substanz finde ich aber in folgendem: Erstens: Wenn man dem Wasser, in welchem ein Stentor sich schwimmend bewegt (womöglich ein Stentor coeruleus), etwas Essig- Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 55 säure zusetzt, so zieht er sich mit einer schnellenden Bewegung zu- sammen, und seine Körperstreifen treten in der schönsten Weise hervor; es sind die hügeligen Längsstreifen, wo die Hügel durch Protoplasma- und vor allem durch jene der Species eigenen, meer- grünen Pigmentkörner dunkel gefärbt erscheinen, während sowohl die Längsfurchen, wie auch die die Hügel trennenden Querthälchen blass sind. Legt man jetzt vorsichtig das Deckglas auf, (Joch so, dass eine eigentliche Zerquetschung durch nebenbei darunter befind- liche Körper vermieden wird,) so wird das Thier, besonders schön, wenn es seinen hinteren Leibespol, den Saugnapf, nach oben wendet, so weit zusammengedrückt (Fig. 2), dass die obere und untere, resp. vordere und hintere Leibeswand sich nähern, ohne dass die einzelnen Elemente, Nucleus etc., zerstört werden. Dabei wird eine gewisse Dehnung des contrahirten Rindenparenchyms gesetzt, welche jedoch nicht so weit geht, dass seine Streifen sich verlören. Diese bleiben im Gegentheil in gleich deutlicher Ausprägung bestehen, nur mit dem Unterschiede, dass in den Längsrippen die Abtheilung in dunkle und helle Abschnitte vollständig verschwindet; die dunkeln Körner, von dem Drucke der sie deckenden und vorher wellenförmig gefalteten, jetzt durch Dehnung ausgeglätteten Cuticula befreit, ver- theilen sich, der natürlichen Anordnung folgend, gleichmässig in der Grundsubstanz. Ich sehe keinen Grund, warum, wenn der Con- tractionszustand, wie hier augenscheinlich, sich erhält, das querge- streifte Ansehen der Muskelfaser schwinden sollte. /weitens: Noch charakteristischer ist das Verhalten gegen Hyperosmiumsäure. Sie ist von Flögel!) u. a. empfohlen worden, als ein die Erkenntniss der Muskelstructur sehr förderndes Reagens; ich glaube sie ebenfalls empfehlen zu können, aber zunächst im umgekehrten Sinne, denn sie scheint mir vor allem die Theorie von der quergestreiften Muskulatur der Infusorien unwahrscheinlich zu machen. Behandelt man den Stentor coer. miteiner sehr schwachen Lösung dieser Säure (der Concentrationsgrad lässt sich nicht an- geben, sondern muss ausprobirt werden, da die Säure der unbe- stimmbaren Quantität Wasser auf dem Objectträger zuzusetzen ist), so kann man Bilder erhalten, wo das Infusorium einen starken Con- tractionszustand zeigt, also ausgeprägte Längs-Rippen und -Thäler, 1) Flögel, Ueber die quergestreiften Muskeln der Milben. M, Schultze’s Archiv VIII. 1872. 56 H. Simroth: wo aber die Osmiumsäure die dunklen Theile jener, statt sie zu erhalten, auflöst. Die Rippe zeigt dann am Rande eine sehr deut- liche, gewölbte Cuticula und unter dieser in der ganzen Ausdehnung ein ganz helles Plasma, während die Längsthäler scharfe, grelle, doppeltcontourirte Linien bilden. Diese Gründe scheinen mir darzuthun, dass die Auffassung der Längsrippe als quergestreifter Muskelfaser schwerlich haltbar ist. Es fragt sich, ob wir sie überhaupt als Muskelfaser anerkennen sollen oder als solche nicht vielmehr die Thalstreifen anzusehen haben. Will man die erstere Auffassung aufrecht erhalten, so bedarf es einer besonderen Erklärung, woher die Faltung der Rippe zu einer Papillenreihe, wie wir sie bei den Stentoren kennen lernten, stammen soll. Die einzig mögliche Antwort findet sich, meines Er- achtens, in dem oben citirten Werke von Fromentel; und da das kaum in der ersten Lieferung erschienene Buch noch wenig zugäng- lich sein wird, so gestatte man mir, die ganze hierher bezügliche Stelle daraus anzuführen. Es heisst dort unter dem Abschnitte »Myose«: »Lorsque l’on examine avec un fort grossissement la surface d’un Stentor, le Stentor vert par exemple, on reconnait que le tegument est creus& de sillons longitudinaux tr&s-etroits, allant du sommet a la base de l’animal et separes par des bandes relativement assez larges et & peu pres Egales dans toute leur longueur. Quand le 'Stentor, accidentellement fix& par sa base, s’est developpe dans toute son &tendue, ces bandes apparaissent plates et les sillons qui les separent ressemblent & des lignes tres-fines. Dans cet £tat on peut apercevoir, en attirant le foyer du microscope un peu au-dessus de la surface, le milieu des bandes garni des cils fins, assez-longs et reguliere- ment espaces. Chaque cil est implant& sur une molecule arrondie, au peu brillante et qui semble place sous la cuticule. Le reste de la bande est rempli de granulations extremement fines, presque opaques et qui sont reliees entre elles par des fibres infinitement minces et hyalines. Mais si le Stentor vient a se contracter et a prendre une forme arrondie, la surface tegumen- taire change alors completement d’aspect. Les sillons qui separent les bandes se ereusent profondement ou du moins ont cette apparence, car cet aspect n’est que le resultat de la forme que prennent les bandes ciliees. Celles-ci, de plates qu’elles etaient, s’epaississent en s’arrondissant; les cils de la peri- pherie se rapprochent; la surface arrondie se mamelonne et presente & l’oeil une succession de petits monticules separes par des lignes transversales. Les granulations sous-cutanees se trouvent serr&es les unes contre les autres et la substance fibreuse hyaline, qui les unit n’est plus visible. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 57 Que s’est-il done passe au moment de la contraction du Stentor, qui a diminue sa longueur de pres de deux tiers? La euticule est restee inerte, mais a subi l’influence d'un corps eminemment contractile, qui agissant a la maniere des muscles des animaux superieurs, a determine, en se contractant, le froncement du tegument. Ce n’est pas celui-ci, qui n’est en realite qu’une pelliceule extremement mince, qui cause l’epaississement des bandes, mais bien une couche inferieure & la euticule, qui naturellement devient plus Epaisse en diminuant de longueur, et joue ici exactement le röle des muscies des ani- maux superieurs. Il est une famille d’animaux microscopiques bien connue des micro- graphes et qui attire forc&ment leur attention par leur admirable organisation, nous voulons parler des Systolides ou Rotateurs. Les petites merveilles de la ereation — ont aussi des appareils contracteurs bien developpes et d’un examen facile. Chez eux, ces petits museles sont aussi des bandes rubanees, hyalines, mais bien detachees de l’enveloppe exterieure et dont on apergoit facilement les deux points d’adherence. Ces muscles, si on ose leur donner ce nom, sont constitues par des fibres longitudinales extr&mement fines et transparents et qui, au moment de la contraction, s’epaississent et deviennent par suite plus visibles. On apercoit aussi, mais moins abondamment, des granulations punctiformes dissemindes dans ces fibres, et l’analogie est frap- pante entre ces organes contraeteurs et ceux des Infusoires. Mais chez les Systolides il existe des parties resistantes auxquelles ces organes peuvent s’attacher et par consequent, la liberte plus grande dont ils jouissent dans leurs mouvements les rend plus faciles & P’observation. Chez les Infusoires, les attaches du tissu contractile ne peuvent avoir lieu que sous la cuticule, et ces points d’attache, Etant forc&ment tres-rapproches, donnent, au moment de la contraction, cet aspect chagrine que nous venous de decrire ete. Wenn man nun den hierin enthaltenen Angaben mit einigem Misstrauen entgegentreten darf (wie denn z. B. die Lage der Wim- pern in den Furchen, und nicht auf den Rippen, in Deutschland schon seit Ehrenberg bekannt ist), so scheint mir doch diese Darstellung die einzige Möglichkeit darzuthun, wie man die Ver- legung der Muskeln in die erhabenen Streifen mit dem papillen- artigen Zerfall dieser letzteren während des Contractionsactes sich verbunden vorstellen kann, dadurch nämlich, dass man von Strecke zu Strecke, an jedem Anfang und jedem Ende einer solchen Papille einen besondern, minutiösen Muskel sich inseriren lässt. Gegen eine solche Auffassung spricht aber theils der Umstand, dass von jenen Partialmuskeln weder im frischen Zustande, noch durch Be- handlung mit Reagentien etwas wahrzunehmen ist, theils aber die vorzugsweise an Stentor Roeseli zu constatirende Thatsache, wonach die Länge und Zahl der einzelnen Hügel oder Papillen eine durch- 58 H. Simroth: wechselnde ist. Hat das Thier sich mit seinem Saugnapfe befestigt und zur Trompetenform ausgestreckt, so sieht man nur in der Nähe des vorderen Wimperkranzes die regelmässige Querstreifung ange- deutet, nach hinten zu schwindet nicht nur diese, sondern überhaupt meist auch die Längsstreifung mehr oder weniger (Fig. 3). Beim Beginne einer stärkeren Zusammenziehung sieht man zuerst nur einige wenige längere Wellen eine Längsrippe bilden, und wenn jene wächst, so nimmt die Länge dieser hügelartigen Wellen nicht nur absolut, sondern auch relativ ab, indem sie das Verkürzungs- verhältniss des Körpers überflügelt und die Anzahl steigt (vergl. unten). Somit glaube ich soweit zu sein, den erhabenen Längs- rippen speciell der Stentoren den Charakter einer quergestreiften Muskulatur absprechen zu können; für andere Infusorien ist er nicht in so exacter Weise behauptet worden, daher dieser Theil der Frage hiermit erledigt sein mag. Es handelt sich jetzt darum, die Vorstellung, als hätten sie ein Anrecht auf den Namen von Muskelfasern überhaupt, zu bannen. Die Beweise dafür finde ich in folgendem : Es frappirt zunächst, dass die Pigmente sich vorzugsweise, ja, was das Rindenparenchym anlangt, ausschliesslich an die erhabenen Längsstreifen halten. So haben wir es an Stentor coer. kennen gelernt, so gibt es Stein von dem rothen Farbstoff bei Blepha- risma lateritia an, so ist es zu noch grösserem Erstaunen von den Chlorophylikörnern bei Spirostomum !)- zu constatiren. Nun fallen aber bei anderen Thieren die Pigmente überall dem die Muskeln trennenden Bindegewebe, und keineswegs ihnen selbst zu. Sodann die Gestalt der Streifen. Wie ist das Hervortreten der contractilen Substanz zum erhabenen Relief bei der Contraction zu erklären? Wohl nur auf zweierlei Weise: entweder das Rinden- parenchym ist nach innen durch eine Membran oder irgend einen festen Widerstand abgeschlossen, so dass ein Zusammendrängen der Substanz auf bestimmte Streifen einen Volumsausgleich in der Weise bewirkt, dass die verdickte Masse rippenartig hervortritt, während 1) Der lange, rosenkranzförmige Kern mit 30—50 Gliedern (!), sowie die enorme Länge von 1—2'' liessen keinen Zweifel, dass ich es mit Stein’s zweiter Hauptform von Spirostomum ambiguum zu thun hatte. Es erschien durchweg chlorophylihaltig, welches Vorkommen von Stein in der Einleitung erwähnt wird. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 59 die an Masse ärmeren Zwischenräume einsinken, — oder es besitzt, wenn es der contractilen Substanz erlaubt ist, sich nach Belieben nach innen Raum zu schaffen, die die Streifen trennende Haut, resp. Cuticula, einen Elastieitätsgrad, eine Tendenz zur Verkürzung, welche noch die Muskelwirkung überbietet und so Einschnürungen bewirkt. Der erste Fall tritt beim Spirostomum ein, wo auch Stein einen innern Contour der Rinde erkannte. Wodurch er be- wirkt werde, sagt er nicht. In Wirklichkeit verdankt er die Existenz dem ausserordentlich energischen Zerfall des subeutanen Innen- parenchyms in einzelne Vacuolen, die am Vorderende z. B. den ganzen Innenraum auszufüllen pflegen, in ihrer Gestalt deutlich den Formänderungen des Thieres folgen und die deutlichsten Zell- grenzen vorspiegeln. Nun zeigen aber die Ausflussbilder beim Zer- drücken, dass gerade die chlorophyllhaltigen Theile des Rindenpa- renchyms zuerst losgespült werden. Das Sarcolemm weist Stein durch folgenden Ausspruch nach: »Es findet sich an deren (der Stentoren) Körperstreifen etwas dem Sarcolemm Analoges, indem die Cuticula um die Streifen einen innig anliegenden, wenn auch nur unvollständigen Mantel bildet. Die Streifen sind nach aussen und nach rechts und links von der Cuticula begrenzt, nach innen oder unten hängen sie aber unmittel- bar mit der inneren Körpersarcode zusammen, und sie grenzen sich hier nur dadurch von derselben ab, dass sie eine viel grössere Menge stark lichtbrechender Körnchen enthalten«. Dass letzteres keine Membran setzt, leuchtet ein !); die erstere Behauptung aber scheint mir nur für Stentor coer. Geltung zu haben. In Wahrheit sind die Streifen, wie man an dem bisweilen völlig glatten Fussende eines ausgestreckten, festgehefteten Stentor Roeseli bemerken kann, nur aussen von der Cuticula begrenzt, und das erlaubt eben wohl nur von dieser, nicht aber von einem Sarcolemm zu reden. Das eben erwähnte Verhalten zeigt aber zugleich, wie das Hervortreten der contractilen Substanz nicht der Rlastieität der Cuticula zu ver- danken, welche das Einsinken der Furchen gleichfalls bewirken könnte. Wenn dieses Argument nur vom Stentor Roeseli stammt, so finde ich einen gleichen Beweis beim Stentor coer. in dem ge- 1) Sehr schlagend ist dafür Stein’s gegen die Vergleichung mit den Coelenteraten gerichtete Augabe: »es lassen sich nicht einmal die genauen Grenzen der vorausgesetzten Leibeshöhle angeben« (Org. II. Seite 6). 60 H. Simroth: schlängelten Verlaufe der Furchen während der Ruhelage. (Vergl. unten.) Ferner wird das Verhalten der körnigen Masse durch die Theorie, welche die Rippen für Muskeln hält, durchaus nicht er- klärt. Wenn die Zusammenziehungen eines Stentor stattfinden, wo- bei die Körnchen sich zu jenen den Eindruck der Querstreifung bedingenden Gruppen sammeln sollen, so sehe ich mit Stein die Formirung anfangs unregelmässig vor sich gehn, und zwar stets so, dass die Mitte des Streifens dunkel, also körnchenhaltig bleibt, während die hellen Stellen nur allmählich vom Rande vordringen ; niemals zeigen sich die Helligkeiten zuerst in der Mitte Warum nicht? Wenn die Körnchen erst gleichmässig in der Faser, um den Ausdruck zu gebrauchen, vertheilt waren, so sieht man nicht ein, warum sie nicht ebenso gut am Rande hingleiten sollten, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Noch exacter wird dieser Schluss, wenn wir die Lagerungs- änderung der Körnchen beim Spirostomum verfolgen. Hier ist es noch deutlicher, dass diese einem mechanischen Hineindrängen in das Hautrelief der Rippen entspricht, und zwar einem Hineindrängen, welches nur von den sich contrahirenden Streifen in den Längs- oder vielmehr Spiral-’Thälern ausgehen kann. Damit trete ich aber in den Abschnitt ein, welcher den Sitz der Contractionsthätig- keit in den letzteren nachweisen soll. Ich finde die Gründe hierfür theils in dieser Bewegung der Körnchen während der Contraction, theils in der gesammten Physiognomie des Körpers bei.derselben, tneils endlich, und das vorzugsweise, in dem histologischen Ver- halten dieser Thalstreifen. Sind beim Spirostomum die Contractionen auf ein minimales Mass beschränkt, also die Rippen sehr flach, so erscheint die Rinde als eine gleichmässig helle Grundsubstanz, in welche die grünlichen, ziemlich stark lichtbrechenden Chlorophylikörnchen, von etwa 1,15 Mm. im Maximum, ohne erkennbare Anordnung von Streifen oder dergl. bunt durch einander eingebettet sind. Mit Mühe erkennt man dabei über dem Wassercanal !) in den Thälern (Fig. 4) höchst fein punk- 1) Stein gibt an, dass das Studium der Rinde über dem Längscanale der contractilen Vacuole besonders leicht sei, und das gilt in hohem Grade; denn da dieser Wassercanal sich unmittelbar zwischen Rinden- und Innen- parenchym einschiebt, da er sich am Hinterende links vom After zu einem Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 61 tirte Linien. Es lässt sich nicht entscheiden, ob die Punkte Wim- peröffnungen oder Sarcodekörnchen sind ; doch wird letzteres dadurch wahrscheinlicher, dass sie sehr constant bleiben und zu einer ein- fachen Reihe geordnet erscheinen. Schwellen die Rippen bei zu- nehmender Contraction auf, so erkennt man, auf die möglichst grosse Höhe einstellend, schon ein wenig regelmässige Chlorophyll- körnchenreihen; geht man mit dem Focus tiefer, bis unter die Thalsohle, so sieht man die Körnchen noch völlig unterschiedslos durch einander gewürfelt. Erreichen die Contractionen ihr Maxi- mum, so erhält man das in Fig. 5 dargestellte Bild, die Rippen werden von scharfen Streifen begrenzt, nur in ihnen liegen gehäufte Körnchen, von welchen die obersten ziemlich’ regelmässig in eine Reihe geordnet sind; die Thalfurchen erscheinen durchaus hell. Ja die Thäler können durch einen ausserordentlichen Grad der Streifen- verkürzung ganz verschwinden, indem sich die hervorquellenden Rippen gegenseitig berühren. Diese Stufenreihe macht nun aber ganz offenbar den Eindruck, als wären ganz oberflächlich in der Rinde, unter den Wimpern, die contractilen Elemente in Form heller Sarcodestreifen gelagert, während dazwischen und darunter das in- differente Plasma mit den Körnchen sichtbar ist. Bei der Contraction nähern sich die Streifen dem Innenkörper, bis sie diesen erreichen; dabei erhebt sich das indifferente Plasma mit den Körnchen zu Rippen; bei starkem Druck werden eine Anzahl Körnchen heftig grösseren, fast ständig gefüllten Reservoir erweitert, so findet man hier aus- gezeichnete Bedingungen, um den Veränderungen des Rindenparenchyms naehzuspüren. Beiläufig mag hier bemerkt werden, dass das Ende des Canals etwa in der hinteren Hälfte des erwähnten Reservoirs von einer zwar feinen, doch deutlichen, doppelt contourirten Membran ausgekleidet sich zeigt, welche sich nach vorn bald verliert. Es ergibt sich daraus wohl keine Collision mit den Beobachtungen, welche Wrz&sniowski (M. Schultze’s Archiv V. 1869. Ein Beitrag zur Anatomie der Iufusorien) über die vontractile Vacuole angestellt hat, wenn man bedenkt, dass bei der ausserordentlichen Länge derselben bei Spirostomum, wo sie rechts vorn mit einer kleineren, reservoir- artigen Erweiterung beginnt, um durch einen engeren Canal mit dem hin- teren Raume zu communieiren und dort endlich ihre Oeffnung zu finden, dieser letzte Abschnitt, der zuerst nach der Entleerung sich wieder füllt und daher relativ lange ausgedehnt bleibt, den übrigen Theilen gegenüber einen viel constanteren Charakter annimmt, daher dieser sehr wohl in der mem- branartigen Consolidirung der Wandung zum Ausdrucke kommen mag. 62 H. Simroth: gegen die Oberfläche der höchsten Erhabenheit gepresst, und diese gewähren den Eindruck einer einzeiligen, wenn auch noch immer ziemlich unregelmässigen Reihe. Bei dem steilen seitlichen Abfall der Rippen erscheint dem von oben darauf Blickenden das Thal scharf doppelt contourirt. Kann man sich eine einfachere und na- turgemässere Erklärung des Phänomens wünschen? Man nehme einen Ballon aus einer dehnbaren Substanz, etwa Guttapercha, man fülle ihn mit Gas bis zur Kugelgestalt und man umspanne ihn mit regelmässig meridional verlaufenden, eng anschliessenden Fäden; jetzt verkürze man diese: was wird erfolgen? Die Fäden werden dem Centrum näher rücken, während das gedrückte Gas die Gutta- percha in Rippen hervorpresst, gleichgiltig, ob man die Fäden aussen oder innen sich angebracht denkt. So, wie mir scheint, höchst ein- fach beim Spirostomum, mit seiner, von der Contractionsverkürzung und einem seltenen Hervorstrecken einer schwanzartigen Verlänge- rung abgesehen, sich unausgesetzt gleichbleibenden Körperform ; complieirter beim Stentor. Es gibt wohl kaum ein Infusionsthier, welches, bei relativ so hoher Differenzirung, solchen Schwankungen in der äusseren Gestalt unterliegt, wie dieser; die schlank gestreckte Trompetenform, wo Seitenwandung und Stirn oder Peristomfeld (oder nach dem ganzen Eindrucke besser »Kappe«) unter spitzem Winkel sich schneiden, wird zur Birne, die oft der Kugel nahe kommt, wobei jener spitze Winkel fast zum gestreckten sich er- weitert. Dabei zeigt sich die vordere Leibeshälfte als die ungleich constantere, zumal ihre Rindenschicht; alle Schwankungen kommen auf Kosten des stielartigen Hinterkörpers zu Stande. Der vorn gelegene Mund und Wimperkranz bedingen ein festes gegenseitiges Verhältniss der betreffenden Theile, der Sarcodestreifen ete. Letz- tere sind hier fast unausgesetzt in irgend welcher Thätigkeit. Wenn die Streifen der hinteren Hälfte sich zusammenziehen, so treiben sie das Innenparenchym nach vorn; das bedingt die Winkelveränderung der vorderen Wände im Wimperkranze als Charnier, ohne dass eine Aenderung in dem zu einer gewissen Solidität gelangten Gebilde innerhalb der Rinde ermöglicht würde 1). Geben die hinteren Theile 1) Alle diese Verhältnisse sind besonders dem St. Roeseli entnommen, bei welchem sie dadurch viel deutlicher wurden, dass er sich mit weit grösserer Vorliebe festzusetzen pflegte, als sein blaugrüner Gattungsgenosse. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 63 der Streifen wieder nach, so wird durch den Druck, den das festere Kopfende ausübt, die Innenmasse wieder zurückgedrängt, und das Thier dehnt sich aus. Dabei kommt eine völlige Glättung der Haut der hinteren Körperhälfte zu Stande, woraus folgt, dass diese einer viel weniger constanten Zusammenziehung anheimfällt, als die vordere, bedingt dadurch, dass die vorderen Theile der Streifen mehr Bezug haben zu dem ununterbrochenen Spiele der Nahrungsauf- nahme, des Betastens etc., während ihre hinteren Partien nur die zeitweiligen Gestaltsveränderungen, wie sie das festgeheftete Thier von dem schwimmenden unterscheiden, bewirken. Das dürfte ge- nügen, um die vorkommenden Bilder zu erklären, nämlich: findet in zwei benachbarten Streifen eine in einer Richtung fortschreitende Contraction statt, so wird das darunter gelegene Plasma, wie beim Ballon, nach Art einer Rippe sich hervordrängen; und zwar wird diese, dem Fortschreiten der Contraction gemäss, die Form einer Welle darstellen. Eine schwache Contraction bedingt offenbar nur ein leichtes Anschwellen in der Mitte zwischen beiden, wo ja der Gipfel der Erhabenheit. Das zeigt, warum die Körnchen nie am Rande zu wandern scheinen, sondern stets in der Mitte. Die vorn ununterbrochen sich folgenden Wellen und die festere Ausprägung, die sich an diesem Körperpole kund gibt, beweisen aber auch hier ihren Hang zu grösserer Constanz der Lageverhältnisse, dadurch dass die Wellen eine bestimmte Länge bekommen, Berg und Thal fixirt werden. Daher der. vorn sehr regelmässige Ausdruck der Querstreifung, ich möchte fast lieber sagen (weil bei der dem Stentor Roeseli fehlenden Begrenzung der Längsstreifen ein solches Bild mehr vorherrscht) des Korbgeflechtes !). In der hinteren Körper- Bemerkt sei hier schon, dass bei St. Roeseli die Streifen zu keiner so hohen Differenzirung gelangen, wie bei letzterem, daher sie in der Ruhe nicht doppelt eontourirt erscheinen, sondern beinahe verschwinden, während bei St. coer. der Ruhezustand stets auf jenes geschlängelte Aussehen der Streifen zu be- ziehen. 1) Wie sehr die Cuticula der Infusorien dazu neigt, oft wiederholte mechanische Eindrücke dauernd festzuhalten, das lehren jene sehr regelmässigen Wimperfurchen, die das Peristom zu begleiten pflegen und die eingeschlagenen Cilien aufnehmen, wobei jedoch der Druck der Wimpern das primäre und die Furchung der Cuticula das secundäre Moment sein dürfte. Ich habe ein solches Wimperfurchenfeld längs des Peristoms von Spirostomum, wo es meines Wissens bis jetzt noch nicht bekannt war, beobachtet und in Fig. 6 sein adorales Ende abgebildet. 64 H. Simroth: hälfte bestand keine so strenge Ordnung, die feste Vertheilung von Berg und Thal fehlt, ja in der Ruhe wird oft der Stiel vollkommen ausgeglättet; und wenn, wie beim Schwimmen, auch hier sämmt- liche Streifen zur Contraction kommen, so sieht man das Proto- plasma zwar auch in Wellen, aber in weit ungeordneteren Wellen hervortreten; die Thäler stehn weiter von einander ab, sie ändern auch ihre Lage. Was wird die Folge sein, wenn in der Ruhelage bei Körper- streckung, wo das Spiel der kleinen Wimpern ein sehr unregel- mässiges, langsames, localisirtes ist, sich, um die Wimpern zu be- wegen, nur hier und da, in weiterem Abstande, ein Streifen des Hinterkörpers zusammenzieht? Die Haut bietet keinen Widerstand, und so werden diese wenigen Streifen einen gleichen Effect hervor- rufen, wie ihre Gesammtheit; da sie aber nicht mehr benachbarten entsprechen, sondern viel weiter von einander entfernt sind, so werden sie auch das Parenchym zu ungleich grösseren und höheren Rippen hervortreiben, als zwei Nachbarn. Fig. 3 soll ein solches Bild zeigen. | Die Verhältnisse der Stirn oder Kappe bieten kaum mehr Schwierigkeiten, als der übrige Körper. Man überzeugt sich leicht, dass die spiraligen Streifen, welche von der Mundöffnung zum Wim- perkranze verlaufen, viel weniger die einfache, gleichmässige Her- vorwölbung oder Eindrückung des betreffenden Körpertheiles zum Zwecke haben, als dass sie, von einem Ende beginnend, in gleich- falls allmählichem Fortschreiten die mannigfachen Verbiegungen, partiellen Hervorwölbungen und Auskehlungen des Stirnfeldes her- vorrrufen. Es kann daher kaum Wunder nehmen, dass auch hier das Plasma zwischen den Streifen zu hügelig-welligen Formen die Cutieula emporpresst. Zu allen diesen Beweisen für die Verlegung der Contractilität in die Längs- und Spiralfurchen kommt noch als wichtigstes deren histologisches Verhalten hinzu. Lieberkühn hat die Entdeckung Weber’s geltend gemacht, dass Muskelfasern in der Erschlaffung ein geschlängeltes Aussehen annehmen. Diess gilt frappant für die Streifen des Stentor coer., aber ich glaube, wie gleich hier bemerkt sein mag, nur für diese, wie überhaupt nur hier die Streifen sich doppelt contourirt zeigen. Greeff macht ferner geltend, dass man die Streifen manchmal sehr deutlich einreissen sehe, wobei ihre Bruchenden etwas auseinander weichen sollen. Diess konnte von Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 65 mir nur äusserst selten und nicht mit genügender Schärfe zur Beob- achtung gebracht werden, und ich meine auch, dass diese Erschei- nung jedenfalls durch den Zusammenhang mit den Wimpern (s. u.) erschwert werde. Ich habe oben die Aufmerksamkeit auf das Verhalten der er- habenen Rippen gegen Hyperosmiumsäure zu lenken gesucht und glaube jetzt umgekehrt zeigen zu können, wie diese, die Rippen zerstörend, für die Furchenstreifen als Härtungs- und Conservirungs- mittel dient. Es gelang mir, mit ihrer Ililfe die Streifen, noch an der Cuticula hangend, auf ganze Strecken förmlich zu isoliren. (Fig. 1.)1) Die Säure hat eine Schrumpfung des Innenparenchyms veranlasst, es hat sich von der Cuticula links abgehoben und nach rechts, dem Schlunde zu, zusammengezogen; dabei hat es aber das weiche, unbeständige Plasma der Rippen mit sich gerissen, und die Streifen durch ihren Zusammenhang mit den Wimpern, die freilich selbst zusammengeschrumpft sind, an der Cuticula gehalten, treten sehr deutlich in ihrer Isolirung hervor. Sie waren anfangs blass, aber nachdem das sehr verdünnte Reagens vierundzwanzig Stunden eingewirkt, hatten sie eine stark bräunliche Färbung angenommen. Das möchte denn genügen, um ihre Bedeutung als gesonderte, faserartige Elemente festzustellen, Elemente, welche gegenüber den indifferenten Längszwischenschichten allein eine actuelle Basis be- sitzen und allein als Träger der Contractionsthätigkeit betrachtet werden können. Es wurde öfters das Wechselverhältniss berührt zwischen Streifen- wirkung und Ciliarbewegung und schon im Anfange versprochen, ihre Beziehungen auseinander zu setzen, was jetzt versucht werden soll. Stein leugnete einerseits jeden Ansatz von Fasern oder ähn- lichen Gebilden an den Wimpern, wodurch diese Bewegungen ver- mittelt werden könnten. Er behauptete andererseits die vollkommen euticulare Beschaffenheit der Cilien. Daraus entstand jene Theorie, welche nicht nur einer homogenen, festen, glasartigen Masse, dem Stoff- wechsel so gut wie entzogen und durch das ganze Thierreich nur als eine Art mechanischen Schutzes oder stützenden Skeletes auf- tretend, die freie Beweglichkeit an und für sich zuerkannte, sondern 1) Da natürliche Bilder von Stentoren in Steins Werke vorzüglich zu sehen sind, so suchte ich, wasich sah, möglichst so darzustellen, wie ich’s sah. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 5 66 H. Simroth: auch jedem Splitterchen von ihr die Fähigkeit einer freien Willens- äusserung ertheilte. Hiegegen wendet sich Häckel, wenn er seine »Wimperschicht« durch folgende Darstellung zu veranschaulichen sucht (a. a. O.): »DIe Wimperchicht, welche allen Ciliaten ohne Ausnahme zukömmt, liegt bei den mit einer wahren Cuticula versehenen Arten unter diesen letzteren, während sie bei der einer Cuticula entbehrenden die oberflächlichste Körper- schicht darstellt. Dieselbe besteht aus einer dünnen, homogenen, ziemlich festen, elastischen und contractilen Haut, als deren unmittelbare Fortsätze sämmtliche Wimpern (und die daraus differenzirten Haare, Borsten, Stacheln, Griffel, Haken etc.) anzusehen sind. Die meisten Autoren betrachten die letzteren als direkte Fortsätze der Cuticula. Indessen ist diese Anschauungs- weise nach dem, was wir vorher über den festen histolegischen Begriff der Cuticula bemerkt haben, vollkommen unzulässig. Die contractilen und be- weglichen Cilien und ebenso alle durch deren Differenzirung entstandenen Fortsätze können nur Fortsätze einer lebendigen, contractilen Parenchym- schicht, nicht aber einer todten, von dieser ausgeschiedenen Cuticula sein. Wo daher eine wirkliche, auf der Wimperschicht liegende Cuticula vorhanden ist, da müssen nothwendig die Cilien letztere durchbohren; bei den mit einem umfänglichen Schalengehäuse versehenen müssen sie aus einer Oeffnuug der letzteren hervortreten. Bei der Mehrzahl der Ciliaten aber, bei denen weder eine Cuticula noch ein Gehäuse den nackten Körper umschliesst, da wird die ganze Oberfläche des Körpers von der dünnen Wimperschicht gebildet, von der direkt die Cilien entspringen. « Wie soll aber die freie Contractilität der äussersten, feinen, homogenen, stark lichtbrechenden Schicht bewiesen werden? Sie hat das Aussehen der Cuticula, und sie mag daher naturgemäss als solche gelten. Warum bedeckt sie ferner gleichmässig den Körper, während die Wimpern in Reihen stehen? (Sehr deutlich besonders an Hyperosmiumpräparaten.) Dazu dürfte eine weitere Schwierigkeit aus folgender Erwägung sich ergeben: Wenn in der Myophanschicht den erhabenen Rippen der Charakter von Muskelfasern und der Sitz einer willkürlichen locomotorischen Thätigkeit zugeschrieben wird, so lernen wir in der unmittelbar angrenzenden Schicht ein Gebilde von ganz anderem histologischem Gepräge kennen, welchem aber dieselbe Funktion, zukommen soll — willkürliche, locomotorische Thätigkeit. Sehr frappante Häutungsbeobachtungen führt Stein an zum Beweise des Vorhandenseins der Cuticula (Organ. II. S. 32 u. 33), woraus das Wurzeln der Wimpern im Rindenparenchym und ihre protoplasmatische Beschaffenheit gefolgert wird, gegen die Theorie Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 67 des ersten Bandes. Der starke Glanz kräftiger Cilien aber, z. B. vom Peristom, ihre hohe Resistenz gegen Reagentien (an völlig zer- drückten Exemplaren erhalten sich die einzelnen Cilien in ihrer Ab- lösung vollkommen), so wie ihre Neigung zum Zersplittern scheinen mir mit Sicherheit ihre euticularen Eigenschaften darzuthun; dazu kommt der Umstand, dass es noch nicht gelingen wollte für diese grossen Wimpern die Oeffnungen zu finden, welche den Durchtritt durch die Cuticula gestatteten. Umgekehrt weist die leichte Zer- störbarkeit der feinen Körperwimpern, welche sie sehr leicht völlig unkenntlich macht, sodann Andeutungen von Oeffnungen in der Cuti- cula (s. Häckel, a. a. O.S. 19; dazu die von mir oben für Spiro- stomum angeführte Beobachtung) ziemlich sicher auf die protoplas- matische Consistenz dieser Cilien hin; und wenn es nicht in allen Fällen gelingt, die Durchtrittsöffnungen in der Cuticula zu demon- striren, so bedenke man die’ ausserordentliche Feinheit dieser Här- chen, die, der Wandung eines entsprechend engen Loches dicht an- geschmiegt, dieses allerdings leicht werden verdecken können. Mit Hilfe der Thatsache, dass sich die Wimpern höherer Thiere in solche theilen, die allein aus Protoplasma bestehen, und in andere, welche diess Protoplasma mit einer Cuticularhülle oder -scheide versehen und dass es nicht schwer ist, dabei Uebergänge sich vorzustellen, durch allmähliche Verfeinerung genannter Scheide, ergibt sich der Zusammenhang der für die Cilien der Infusorien erwähnten Beob- achtungen von selbst: die feinen Körperwimpern sind protoplas- matischer Natur, die starken Wimpern des Peristoms, dazu Haken, Griffel, Borsten etc. stülpen darüber eine Haube von der Cuticula heraus. Und dieses letztere glaube ich auch bei starker Vergrösse- rung direkt gesehen zu haben (Fig. 3a.) Wenn so eine direkte Beziehung der Wimpern zu dem unter der Cuticula gelegenen Rinden- parenchym folgt, so muss weiter ihr Verhältniss zu dessen ver- schiedenen Theilen, Rippen und Furchenstreifen discutirt werden: Um die Bedeutung der Rippen als Muskeln sicher zu stellen, ist von Stein der Versuch gemacht, Wimpern und Körperstreifen als zwei von einander völlig unabhängige Wesenheiten zu erweisen. Die Summe der Auseinandersetzungen wird in folgendem zusammen- gefasst (Organ. II. 31): »wie es Infusorien giebt, die bei nackter Körperoberfläche dennoch ein entwickeltes System von Körperstreifen besitzen, so gibt es andererseits auch auf der ganzen Oberfläche wimpernde Infusorien, an denen keine Spur von einem Streifensysteme 68 H. Simroth: zu unterscheiden ist. Als ein recht ausgezeichnetes Beispiel kann ich Trichodinopsis paradoxa Claparede und Lachmann anführen, auch bei Opalina planarıum scheinen die Streifen gänzlich zu fehlen; bei manchen anderen total bewimperten Infusorien, wie z. B. bei Balantidium duodenis St. sind sie kaum angedeutet. Körperstreifung und Bewimperung stehen also sicherlich in keinem Causalnexus.« Es seinur kurz berührt, wie ich zum entgegengesetzten Schlusse ge- langte. So lange das Rindenparenchym keine weitere Differenzirung eingeht, sondern in seiner Gesammtheit der Träger der höheren vi- talen Eigenschaften, die auf die Aussenwelt Bezug haben, bleibt, so lange übernimmt es auch in toto die wichtigste Funktion nach dieser Seite hin, die Bewegung der Wimpern, welche Locomotion und Nah- rungsaufnahme vermitteln. Findet dagegen, als ein offenbares Auf- steigen zur Vervollkommnung, in der Rinde eine Trennung statt in nach Streifen formirte Sarcode und indifferentes Protoplasma, wobei ersterer die erwähnten Lebensthätiekeiten zufallen, so wird es natür- lich, dass sie auch die Wimperbewegung, welche zu diesen gehört, mit in den Kauf nimmt. Macht die Körperdisposition das Vorhanden- sein der Wimpern an gewissen Stellen überflüssig, wobei nichts desto weniger eine energische Formänderung derselben Theile erforder- lich bleibt, so erscheint es hinreichend denkbar, dass dort die Arbeits- Theilung in der Rinde vor sich gehe, ohne dass die höheren Diffe- renzirungsprodukte, die contractilen Streifen, mit Wimpern in Zu- sammenhang zu stehen brauchen. Es kann also sehr wohl Wimpern geben, ohne Streifen, und ebenso contractile Streifen, ohne Wimpern ; wo aber Wimpern und Streifen an demselben Körpertheile zusammen auftreten, da scheint es mir a priori ein Postulat, dass die Organe der freien Willensäusserung nach aussen, die Wimpern, nicht mit den zu grösserer Indifferenz zurücksinkenden Theilen, sondern mit den die gleiche Function vertretenden Produkten der Arbeitstheilung in der Rinde in Beziehung treten. Der Beweis dafür aber ist schon zum Theil geführt worden, denn es steht seit Ehrenberg fest, dass die kleinen Körperwimpern in den Thalfurchen ihren Sitz haben. Die einzige Gegenangabe, die mir vorgekommen, findet sich in der eitirten Stelle aus Fromentels begonnenem Werke (s. o.), worin die Wimperinsertionen auf die Höhe der Papillen der erhabenen Längsrippen versetzt werden. Theils die Art seiner Beweisführung, (die unstät hin und her flottirende Spitze der Cilie und ein Protoplas- makörnchen in der Papille,) theils die leicht anzustellenden und viel- Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 69 fach ausgeführten Gegenbeobachtungen erlauben mir wohl, diese Be- hauptung ausser Acht zu lassen. Bis jetzt ist nun kein Grund vor- handen, zwischen Cuticula und den contractilen Streifen noch eine weitere Schicht anzunehmen; es sind mir nicht die entferntesten Andeutungen bekannt, und die Klarheit der Bilder über dem Wasser- reservoir von Spirostomum (Fig. 4) spricht ganz gegen eine solche Annahme. Ich stehe daher nicht an, den unmittelbaren stofflichen Zusammenhang zwischen contractilen Streifen und feinen Körper- wimpern als erwiesen anzusehen. Es handelt sich weiter darum, die so augenfällig scheinende Abhängigkeit der Wimperbewegung von der Thätigkeit des Streifens nicht nur anzunehmen, sondern zu beweisen, oder allgemeiner auf die Wimpern höherer Thiere überhaupt übertragen, zu zeigen, dass die Wimpern nicht nur eine Fortsetzung des Zellplasmas, sondern dass ihre Bewegung, anstatt dass wir sie, wie bisher oft, als eine der Wimper selbst zukommende automatische auffassen, eine Func- tion dieses Zellprotoplasmas ist. Es folgt das schon aus dem Factum, dass eine abgerissne oder abgebrochene Wimper in der Isolirung ihre Bewegung sofort einbüsst. Doch lässt sich noch einwenden, dass die Kräfte, die vorher die Wimper bewegten noch ebenso in ihr wirken; nur werden sie durch die Isolirung zu sogenannten inneren Kräften, welche niemals an einem Körper durch Locomotion sich documentiren können; ähnlich, wie ein Magnet, von elektrischen Strömen umkreist, zu freier Drehbarkeit aufgehängt, ruht, aber bei Ableitung der Ströme, etwa durch Quecksilber, seine Rotation beginnt. Sicherer glaube ich, ging ich, freilich durch ganz andere Gründe darauf geführt, bei den starken borstenförmigen Wimpern an den Kiemen der Muscheln, speciell von Cyclas. Hier wird durch eine, soviel ich weiss, einzig dastehende Form der Wimperbewegung eine ganz besondere Einrichtung in’s Werk gerufen, welche mich durch ihr höchst auf- fälliges Spiel lange beschäftigte. Die Kiemenblätter werden, wie man weiss, von regelmässig parallelen, engen Furchen, senkrecht zur Insertionslinie des Organs am Leibe, auf beiden Seiten durchzogen, wodurch die Berührungsfläche zwischen Kiemencapillaren und Wasser zum Behufe des Gasaustausches bei der Athmung sich wesentlich vergrössert. Um einen ununterbrochenen Wasserwechsel zu unter- halten, sind Boden und Seitenwände der Furchen mit einem ge- wöhnlichen Flimmerepithel ausgekleidet, dessen bekannte Strudel- oder Wellenbewegung den geforderten Dienst versieht. Ueber diesen 70 H. Simroth: Cilien aber findet sich jederseits am oberen Rande der Furche, seinem Partner direkt zugekehrt, ein einfacher Kamm jener zweiten Sorte von Wimpern, deren regelmässige, nach innen, d. h. dem Boden der Furche zu, einknickende Bewegungen Leydig sehr prägnant als »hakenförmige« aufführt. (Leydig Lehrb. der Hist.) Die Stellung der Wimpern ist eine solche, dass die beiderseitigen Kämme in der Ruhelage genau in eine Ebene fallen, parallel zur äusseren Be- srenzungsfläche der ganzen Kieme, wobei dann ihre Spitzen gegen- seitig in einander übergreifen. Niemals geht die Bewegung einer Wimper über diese Ebene nach aussen hinaus; sondern die Spitze biegt sich in regelmässigem Rhythmus nach innen ein, um, bis zu einem gewissen Grade der Bewegung fortgeschritten, wieder in die gestreckte Ruhelage zurückzuschnellen. Der Zweck mag wohl, ausser der Verhinderung des Eindringens fremder Körper, noch ein regu- latorischer sein, die Schwingungen der unteren Wimpern ordnend. Die Vermuthung Leydigs, es möchte je eine Cilie auf je eine Zelle fallen, bestätigte sich beim Zerzupfen nach längerer Einwirkung von Kali brichromicum. (Fig. 7 g u.h.) Andere Bilder zeigten, wie die Zellen unmittelbar dem feinen Chitinskelet der Kiemencanälchen aufsitzen. Betrachtet man den abgesprengten Theil eines Wimper- kammes (Fig. 7 a), so erkennt man einen ziemlich starken Plasma- streifen, der von dem Insertionspunkte der Wimper direkt nach innen geht, als Verlängerung der Wimper; es gelingt, die Wimpern mit diesen Fäden zu isoliren (Fig. 7b u. c) und aus der Combi- nation der verschiedenen Befunde ergibt sich, dass der Faden den flaschenförmigen Hals der zugehörigen Zelle darstellt. An Chrom- kalibildern (Fig. Te u. f) erkennt man ferner, dass dieser plasma- tische Hals sich in das Innere der Cilie fortsetzt, welche als cuti- culare Scheide oder Haube diesen umfasst. Diese cuticulare Scheide spaltet sich oft ganz wie beim Infusor, nach ihrer Beschaffenheit als spröde, glasartige Substanz, in einzelne feinere Splitter, doch’ so, dass diese auf eine bestimmte Zusammensetzung der Scheide hin- weisen. Richtet man nämlich sein Augenmerk auf die Anfangs- oder Insertionspunkte der ceuticularen Wimpern in der Outicula, so präsen- tiren sich diese bei mässiger Vergrösserung als einfache Kugelge- lenke, bei stärkerer jedoch (Fig. 7 d) löst sich jedes von ihnen in zwei helle Knöpfchen auf, welche die Anfangspunkte von kleinen, die Scheide in ganz bestimmter Weise constituirenden Outicularsplittern zu sein scheinen. Das Plasma zeigt, wohl als Quellungserscheinung, Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 71 zwei ähnliche, entsprechend blassere Knöpfchen, welche mir die Richtigkeit des gesehenen verstärkten. Durch diese Knöpfchen aber wird aus dem Kugelgelenke ein anderes, gewissermassen mit zwei Condylen, welches nicht mehr jede Bewegung verstattet, sondern nur noch eine ganz bestimmte, in unserem Falle zur Ebene des Papiers senkrecht gerichtete. Aus der Unbeweglichkeit einer abgerissenen Cilie nun, auch im Zusammenhange mit ihrem Plasmafaden, dem Zellenhalse, folgt die Abhängigkeit der Ciliarbewegung von mole- cularen Vorgängen, die von der Zelle ausgehen. Wenn also die- jenigen Kräfte, welche die schwingende Bewegung der gewöhnlichen Cilien hervorrufen, in der Zelle ihre Wirkung äussern und auf den in der Cuticularscheide steckenden Plasmafaden fortschreiten, um ihn zu ähnlichen Rotationen zu veranlassen, so fehlt nur ein Moment, und die rotirende Bewegung wird unter den jetzt bekannten Be- dingungen in die hakenförmige umschlagen; dieses Moment ist der Ansatzpunkt des Plasmafadens im innern der Cuticularscheide. Den habe ich freilich nicht verfolgen können, aber die vorgetragenen That- sachen scheinen zu verlangen, dass er an der äusseren, der Kieme abgewandten Seite liege. Setzen wir dies, so muss jede Art von Zug, der von der Zelle ausgeht, da das Gelenk ein Ausweichen nach der einen oder anderen Seite verbietet, in die Beugung der Cuti- cularscheide sich umsetzen, und zwar wegen der hypothetischen In- sertion des Plasmafadens an der äusseren Seite, in die Beugung nach der entgegengesetzten, inneren, dem Boden der Fursche zuge- wandten. Ist diese hakenförmige Einbiegung bis zu einem gewissen Maximum gediehen, so wird die Elasticität der cuticularen Scheide zur Geltung kommen, und die Cilie wird in die Ruhelage zurück- schnellen. Und so wiederholt sich das Spiel in regelmässigem Wechsel. Die hierbei eigentlich wirksamen Kräfte, die molecularen Actionen, welche überhaupt die Wimperbewegung hervorrufen, sind damit freilich nicht zu erklären versucht und werden vielleicht nie- mals erschlossen werden. Wenn wir aber einmal die Kraft, die Cilien in Schwingungen zu versetzen, als eine der elementarsten dem Protoplasma zukommenden Fähigkeiten erkannten, (ich ver- weise auf die Thatsache, dass Wimperung in der Entwickelung häufig als erste Lebensthätigkeit auftritt, z. B. bei dem rotirenden Molluskenembryo,) so dürfte es gelungen sein, eine anscheinend so complicierte und von den vagen Wimperfluctuationen durch Einseitig- keit und Ordnung lebhaft abstechende Bewegung mit dem einfachsten 72 H. Simroth: Mittel des splitterigen Zerfalls von cuticularer Substanz auf die gleiche Ursache zurückzuführen. Die einseitig hakenförmigen Bewegungen der beschriebenen Cilien erinnerten mich lebhaft an gewisse Bewegungsformen der grossen Wimpern des Peristoms unserer Infusorien, vorzugsweise der Sten- toren, und ich glaube den Schlüssel zu ihrem Verständnisse gefunden zu haben, freilich nur bis zu gewissem Grade. Doch ich habe ver- sucht, um nicht auf halb erstiegener Staffel schwankend zn hangen, die übrigen Stufen auf Grund des erkannten hinzu zu construiren. Möge der Zweck entschuldigen, was die Vervollständigung des Frag- ments erdachtes zum Gesehenen erheischte! Man kann, wie ich glaube, eine dreifache Schwingungsform für die Peristomwimpern der Stentoren annehmen, einmal die einseitige Pendelbewegung nach innen, zweitens den gleichen Schlag nach aussen gegen die seitliche Leibeswand und drittens, die eigentlichen, wirbelnden Ciliarbewe- gungen, die aber nur beim Schwimmen zur Anwendung zu kommen scheinen und eine schraubenförmige Drehung des Thieres um seine Längsaxe bewirken. Von den letzteren muss noch bemerkt werden, dass sie wohl nur von dem ganzen Wimperkranze gleichzeitig, niemals aber an einzelnen Punkten für sich ausgeführt werden. Indem ich nun Anhaltspunkte für eine analoge Erklärungsweise suchte, wie bei jenen Kiemenwimpern, fand ich folgendes. Zunächst die schon besprochene Fig. 8a (s. 0.). Sodann zeigten sich, von der Kappe aus gesehen, ähnliche kurze, bald verschwimmende Fadenansätze wie bei den Kiemencilien (Fig. 8 b); dazu kam der bemerkens- werthe Umstand, dass die weiterhin noch eben deutlichen Kappen- streifen an Zahl und Distanz mit den Cilien übereintrafen. Die Vermuthung lag nahe, es möchte ein Zusammenhang vorliegen; und die Hyperosmiumsäure, bei einem kleinen, wenig gefärbten St. coer. angewandt, gab den gewünschten Aufschluss. Da in den allermeisten Fällen, wenn man Reagentien auf einen Stentor einwirken lässt, zu- nächst die Kappe sich zusammenzieht, und zwar der Richtung der Streifen gemäss, nach dem Munde zu, da ebenso das schrumpfende Innenparenchym, wegen des gerade hier stattfindenden, innigen Zu- sammenhanges mit dem Schlunde, nach dem Munde sich zusammen- drängt, und da diese Umstände gewöhnlich den Erfolg haben, dass man fast nie die Verhältnisse des Mundes und seiner Umgebung mit Reagentien studiren kann, so sehe ich mich veranlasst, mich an das einzige, aber wohl hinlänglich beweiskräftige, mir gebotene Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 73 Bild zu halten und seine Analyse vorzunehmen. Es ergab sich also, dass zu jeder Peristomwimper (Fig. 9) eine besondere Faser hinzu- trat, was zumal an solchen Stellen mit äusserster Schärfe sich zeigte, wo die Wimpern, wie etwa rechts oben, weiter auseinander- gerückt waren. Jede hatte ihre Faser mitgenommen. Hier waren zugleich die Wimpern zersplittert und dadurch ihr Insertionspunct, welcher die Grenze zwischen Faser und Wimper angiebt, sehr deut- lich gemacht. Was den Charakter der Faser angeht, so war sie durchaus von derselben Beschaffenheit, wie die, welche ich, in Fig. 1, von der seitlichen Leibeswand des Stentor isoliren konnte und welche den in den Körperstreifen gelegenen Längsiurchen ent- sprechen; scharf begrenzt, stark lichtbrechend, mit der besonders bezeichnenden Eigenthümlichkeit, dass sie nach 24stündiger Ein- wirkung äusserst schwacher Osmiumsäure bedeutend schärfer sich zeigten, als anfangs. Die völlige Uebereinstimmung mit den Kör- perstreifen liess gar keinen Zweifel, dass ich es mit solchen zu thun hatte. Es kam jetzt darauf an, aus den Streifen der etwas verworrenen Figur die gleichen Gebilde eines intacten Thieres zu reconstruiren. Fig. 8b deutete darauf hin, dass eine Verbindung der Peristomwimpern mit den Streifen der Kappe vorhanden sein möchte, und so wird es auch wohl hier der Fall sein. Wir sehen zunächst, in Fig. 9, alle Streifen der Wimpern, so weit sie, deutlich sichtbar und nur durch hie und da eingetretene stärkere Zersplit- terung in dem Grade ihres lichtbrechenden Effects wechselnd, sich in weitem Bogen von links oben nach links unten herumziehen, un- gefähr nach einem Uentrum convergiren. Dieses Centrum fällt ein wenig höher als der Mittelpunct der ganzen Figur, und zwar liegt es innerhalb eines dunkelgefärbten und undurchsichtigen Plasma- klumpens. Wie ich erwähnte, pflegt sich die stärkste Schrumpfung des Innenparenchyms nach dem Schlunde zu zusammenzuzichen, und so nehme ich nicht Anstand, den Convergenzpunct der Streifen in den Grund der schlundförmigen Vertiefung. zu verlegen. Nun zeigt sich aber auf der Unterseite des kugeligen Körpers eine blindsackartige Ausstülpung nach oben, auf deren Oberfläche wie- derum Streifen zum Vorschein kommen, bei genauerer Einstellung ebenfalls doppelt contourirt, was in der Figur allerdings nicht wiederge- geben wurde. Die Streifen haben denselben Ausgangspunkt wie die vorher betrachteten, sie beginnen am Schlunde und steigen von da, an der äussersten linken Seite der Vorwölbung, zu deren oberem 74 H. Simroth: Gipfel empor, wo sie auf ihre abgewendete Hälfte umbiegen und sich der weiteren Verfolgung entziehen. Die nächsten, die sich nach rechts daran anschliessen, bleiben auf der oberen Hälfte der Vorwölbung, um spiralig nach reehts und unten sich zu verlängern, wo sie noch eine Strecke weit verfolgt werden können. Ich habe versucht, mit Hülfe dieses constatirten Verlaufs in Fig. 10 die An- ordnung der Streifen schematisch darzustellen, so zwar, dass es nur einer weiteren Ausstülpung der sie enthaltenden krummen Fläche bedarf, um auf eines der bekannten Bilder (etwa Stein. Organ, II Taf. V Fig. 2) zurückzukommen. Wenn man die Stein’sche Figur ansieht und, wie ich es eben gezeigt, jede Wimper mit einer Faser sich verbinden lässt, welche im Schlunde wurzelt, so ergibt sich für die Fasern ein solches Längenverhältniss, dass die, welche die Wimpern des Mundes versorgen, die kürzesten sein werden. Dann erfolgt ein allmähliches Wachsthum, das zu einem Maximum an- steigt; nach diesem wieder eine continuirliche Abnahme für alle bis zum Ende des Peristoms noch fehlenden Streifen, sodass diesen letzteren wieder eine relative Kürze eigen ist. Die ganz regel- mässige Lage des Mundes rechts und des aboralen Peristomendes links, so lange man die zwischen beiden liegende wimperfreie Strecke dem Beobachter zugekehrt nimmt, zwingt mich, die Lage des Mundes in Fig. 10 nach b oder doch nach der Nähe von b zu ver- legen. Hier sind denn auch die kürzesten Fasern für die Mund- wimpern; sie werden sodann immer länger, wenn wir durch f nach d und von dort auf die uns zugewandte Fläche der Vorwölbung weitergehen bis e.!) Weiter zeigte ich, dass die Continuität der sich folgenden Streifen noch nicht abbricht, sondern dass sich Streifen auf die abgewendete Seite des Bruchsackes hinüberschlagen. Die aber werden, wenn wir die Peristomeurve in entsprechender Weise verlängern, also bfde bis c sich fortsetzen lassen, wo dann, in c, das Ende des Peristoms zu setzen wäre, an Länge wieder regelmässig abnehmen, bis die letzte Faser, welche ich durch die punctirte Linie ac angedeutet habe, zu einem zweiten Minimum der Ausdehnung gelangt ist, gerade so, wie ich es von Steins Ab- bildung vorhin abstrahirte. Jetzt braucht man nur den Curven- punct d senkrecht oder etwas schräg nach rechts in die Höhe zu 1) d sollte genauer der äussersten Wimper in Fig. 9 links unten ent- sprechen. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 75 rücken, bis der concave Theil der krummen Fläche convex wird, man braucht die unnatürlich starke Vorwölbung des Bruchsackes ein wenig zu reduciren, wobei für den Ausgleich ein Theil der nach oben gewendeten Fläche desselben sich durch die Linie ad hindurch in den durch abfd begrenzten Flächentheil verschieben und eine correspondirende Krümmung der Streifen nach sich ziehen muss, — und das natürliche Peristomfeld mit seiner spiraligen Streifen- anordnung ist hergestellt. Hiermit aber ist nicht nur eine Be- ziehung zwischen Peristomwimpern und Streifen gegeben, sondern auch zwischen diesen :Wimpern und dem Munde, und dass diese bei der wesentlichen Bedeutung jener für die Nahrungszufuhr als eine sehr natürliche erscheinen muss, braucht kaum erörtert zu werden. Hunger wird als das hervorstechendste Gefühl eines so niedern Organismus angesehen werden müssen, und dass der Im- puls zu seiner Befriedigung dem Organe, welches der Nahrungs- aufnahme vorsteht, übertragen wird, ist anzunehmen. Es fragt sich, welche Bewegung der Cilien durch die Streifen der Kappe vollführt werden mag; für mich scheint das Einfachste, den Angriffspunct der Streifen an die Aussenseite der Cilien in deren Innerem zu verlegen, nach Analogie der Kiemenwimpern der Muscheln, so dass die Ein- biegung der Wimpern nach innen dadurch vermittelt wird, wie Ja auch eine solche besonders die Zuführung der Nahrungsstoffe zum Munde versehen muss. Es ist indess nicht ausgeschlossen, dass man auch umgekehrt den Wimperschlag nach aussen mit entgegengesetzter Insertion daraus folgern könnte; ungereimt aber scheint es mir aus mechanischen Gründen, die dritte, wirbelnde Bewegung den Streifen zu übertragen, da es weder mir, noch auch den ausführ- lichen Untersuchungen Steins gelingen wollte, irgend etwas ge- lenkartiges an der Wimperinsertion zu entdecken, wie solches von Stein im Gegentheil ausdrücklich in Abrede gestellt wird); dazu kommt, dass diese Bewegungsform wohl nie an einer einzelnen Wimper zur Beobachtung gelangt (s. 0.). Wenn so die spiraligen 1) Bei den Kiemenwimpern musste, um eine bestimmte Bewegung her- vorzubringen, die Insertion zum Gelenk sich ausbilden, da hier der Proto- plasmafaden der Zelle und der der Cilie in einer Geraden liegen; bei den Peristomwimpern wird die Bestimmung der Bewegungsrichtung auch ohne Gelenk dadurch gegeben sein, dass die Wimperrichtung für gewöhnlich nicht in die Ebene der ihr zugehörigen Streifen fällt. 76 H. Simroth: Streifen der Kappe die eine der beiden Wimperbewegungen aus- führen, welche in einer Ebene stattfinden, so liegt es nahe, die Längsstreifen der seitlichen Körperwand als ihre Antagonisten auf- zufassen und ihnen die andere Bewegung zuzuschreiben. Doch konnte ich nicht ermitteln, auf welchem Wege diess geschieht. Z/ählungen, die man an ausgestreckten Exemplaren anstellt, ergeben mit ziemlicher Gewissheit, dass die Numeri der Längsstreifen und Peristomwimpern sich keineswegs decken, sondern von letzteren viel mehr als von ersteren vorhanden sind. Die Streifen müssten sich also theilen, wenn der Mechanismus derselbe sein sollte, wie von Seiten der Stirnfasern. Wenn mir auch hie und da hierfür Andeu- tungen gegeben zu sein schienen, so waren sie doch so unbe- stimmter Art, dass ich mehr zu der Annahme eines anderen Ver- hältnisses hinneigen möchte. Stein nämlich lässt niemals seine Rippen oder seine Furchenstreifen bis zur Wimperinsertion vor- rücken, sondern es legt sich stets ein Cuticularring mit Wimper- furchen dazwischen; auch mir gelang es nicht, die Streifen so weit zu verfolgen; wenn aber der Streifen, wie von der Kappe her, bis zur Wimper direct heranträte, so müsste seine Action auch hier die Rinde zu Rippen hervortreiben und so die Ausbildung des gleichmässigen Ringes von Wimperfurchen illusorisch machen. Ver- lassen wir daher für einen Augenblick das Streifenende, und fassen wir die entgegengesetzte Insertion am hinteren Pole, dem Saug- napfe, in’s Auge. Die Rippen mit ihren dunkeln Körnchen (Fig. 2) laufen hier nicht scharf bis zum Rande des Saugnapfes, sondern enden schon kurz vorher mit allmählicher Auflösung, so dass eine Ver- schmelzung der contractilen Streifen zu Stande kommt. Ebenso aber lässt sich auch keine Grenze zwischen Streifen und der Sub- stanz des Saugnapfes auffinden, (ausser dass die Verschiedenheit ihrer Neigung einen sichtbaren Flächenwinkel hervorbringt,) und erstere erscheinen als unmittelbare Ausläufer des noch nicht differen- zivten Rindenparenchyms im Saugnapfe. Ich mache darauf auf- merksam, wie die energische Thätigkeit der Streifen, die Inaetivität der zum indifferenten Plasma zurückgesunkenen Rippen und die langsame Action der Saugnapfsarcode mit dieser Beobachtung vorzüg- lich im Einklang steht (s. u.). Es ist mir nun nichts weniger als unwahrscheinlich, da sich auch in dem äusserst deutlichen Bilde, welches Figur 9 darstellt, nirgends ein doppelter Fasernansatz an den Wimpern zeigt, auch am vorderen Ende eine solche Auflösung der Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 77 Streifen in einen, unter der in Wimperfurchen eingedrückten Cuti- cula gelegenen Sarcodering anzunehmen, in dem die Wimpern in bestimmter Weise wurzelten. Dadurch würde die Verkürzung eines Längsstreifens den Umschlag der zunächst über ihm befindlichen Cilien in einer der von den Kappenstreifen bewirkten entgegenge- setzten Richtung zur Folge haben. Noch aber beschäftigt uns die dritte Bewegung der Peristom- wimpern, die wirbelnde. Es wurde schon gesagt, dass sie von allen Wimpern in Gemeinschaft ausgeführt wird. Man kann sie nun ent- weder als eine Combination der Wirkungen beider Streifensysteme ansehen, oder aber man giebt sie, worauf besonders der letztere Umstand hinweist, der Action des undifferenzirten Sarcoderings anheim, da der Effect allerdings genau derselbe ist, wie bei der gewöhnlichen Ciliarbewegung höherer Thiere, der sie dann, abgesehn von der Willkürlichkeit, direkt an die Seite zu setzen wäre. Die Erklärung endlich für die Erregung der kleinen Körper- wimpern von den Streifen aus dürfte unschwer gelingen. Manchmal bringt es der glückliche Zufall mit sich, dass man einen birnen- förmigen Stentor in langsamen, oft wechselnden vor- und rückwärts gerichteten Schwimmbewegungen antrifft. Dabei alternirt die Rich- tung der jetzt sämmtlich agirenden kleinen Wimpern in der Weise, dass sie nach rückwarts schwingen, wenn das Thier sich nach vorn bewegt und umgekehrt, so dass diesen Schwingungsformen der Hauptantheil an der Locomotion und ihrer Richtung zufällt. Die Wimpernwurzeln, wie wir sahen, in den Körperstreifen. Wenn man nun bedenkt, dass die neuere Forschung sogar für den quer- gestreiften Muskel die freie Fluctuation der contractilen Substanz innerhalb der Faser, oder zum mindesten innerhalb eines einzelnen Muskelkästchens, noch vielmehr eine solche für die glatte Muskel- faser beansprucht, so wird ein gleiches für die Substanz der Körper- streifen der Infusorien gefordert werden können. Treten nun die Wimpern von dieser Substanz aus als unmittelbare Fortsätze durch fixirte Löcher der Cuticula, so braucht bei gewöhnlicher Wirbel- bewegung der Cilien nur eine geringe Fluctuation der contractilen Masse nach vorn stattzufinden, um jene in eine rückwärts gerichtete Schwingung umzusetzen, nach hinten, um die Cilien nach vorn schwingen zu lassen. Hier bin ich am Ende meiner Untersuchung. Andere passende Infusionsthiere, als Stentoren, stehen mir bei der Jahreszeit nicht 78 H. Simroth: mehr zu Gebote. Auch halte ich es für ein günstiges Schicksal, das mich von weiterer Arbeit in dieser Richtung zurückhält; denn ich habe allen Grund, zu vermuthen, dass die Mühe, die den meisten, vielleicht allen übrigen Infusorien, zugewendet würde, kein Resultat erzielen dürfte; und zwar deshalb, weil sie sich die Aufgabe setzte, Fasern nachzuweisen da, wo eine noch nicht genügend differenzirte Sarcode solche in scharfer Abgrenzung gar nicht formirt hat. Doch ich habe das Dietum, worauf dieses hinausläuft, nunmehr im Zu- sammenhange zu begründen, zu zeigen also, wie es kommt, dass die meisten Infusorien nur durch ihre gesammte Körperdisposition, und nur wenige, darunter die Stentoren, durch die Isolirbarkeit der betreffenden Elemente in ihre Bewegungsorgane uns einweihen. Ich muss auf die Sarcodetheorie zurückgreifen. Sieht man die Irri- tabilität, die Fähigkeit, die Empfindung äusserer Reize durch Be- wegung zu bekunden, als eine Eigenschaft des Protoplasmas an, so scheinen doch die stärkeren amöboiden Bewegungen, wie man sie früher als Charakteristicum der nicht in Zellen eingeschlossenen Sarcode auffasste, das ursprüngliche Wesen lebendigen Stoffes aus- zumachen, da sie besonders solchen Organismen, die ohne weitere Differenzirung ein selbständiges Dasein führen, eigen sind. Die sämmtlichen thierischen Verrichtungen fallen auf dieser Stufe in den umfassenden Bereich der Sarcodethätigkeit.e. Daraus die nächst höhere Stufe durch Arbeitstheilung. Die Functionen, welche die Beziehungen zur Aussenwelt herstellen, Empfindung und Bewegung, ziehen sich auf die oberflächlichen Schichten zurück, während der Innenraum die Verdauung und die übrigen zum Stoffwechsel nöthi- gen Dienste übernimmt. Das Innenparenchym der Infusorien hat sich ihrer Rinde gegenüber gestellt. Mit der Arbeitstheilung aber geht eine bestimmtere Ausprägung der Differenzirungsproducte nothwendig Hand in Hand, und es erscheint als naturgemässe Con- sequenz, dass die Rinde mehr und mehr ihr vages Ausfliessen in pseudopodienartige Fortsätze einbüsst und constanterem Formaus- drucke sich anbequemt, und dass ebenso der Ort der Nahrungs- aufnahme ein distincter, stetiger wird. Indem aber die Rinde so einer bestimmteren Form sich zuwendet, so erreicht sie die Be- thätigung der ihr in specie zufallenden Function, der Ortsbewegung, auf dem Wege, welcher als ein dem Protoplasma kaum weniger ursprünglich zukommender und elementarer bezeichnet wurde, und der meist da eingeschlagen sich findet, wo eine freie Bewegung mit Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 79 fester Constitution der Form zu verbinden ist, auf dem Wege der Wimperung, während die Pseudopodienaussendung vorzugsweise an solche Stellen, an denen die Rinde noch gar keine weitere Differen- zirung erkennen lässt, wie an dem jeder Sonderung ermangelnden Saugnapfe der Stentoren, deutlich genug die sehr nahe Beziehung zur ursprünglichen Sarcode ausdrückt. Auf den gegebenen Mo- menten fussend, schreitet die Differenzirung in der Rinde weiter; nicht nur die Cilien nehmen eine bestimmte Vertheilung und Aus- prägung an, sondern auch die die Wimper- und die Körperbewegung überhaupt vermittelnde Substanz der Rinde unterliegt einem ähn- - lichen Sonderungsgange, welcher sie von der einfachen Sarcode bis zu einer der höchsten Formen contractiler Materie im Thierreiche, der glatten Muskeltaser hinaufführt!); und das alles im Anschlusse an Bedingungen, welche lediglich der an jedem Orte geforderten Leistung entspriessen. Und so kann es kommen, dass wir an dem- selben Thiere alle Uebergänge vor uns haben. Die Differenzirung wird eingeleitet, dadurch dass sich die Contractilität der Rinden- substanz, den Wimpern folgend, mehr und mehr auf bestimmte Streifen zusammenzieht. Und wie bei jeder Differenzirung, so er- wächst auch hier ein doppeites Product, das eine von einer höheren, das andere von einer niederen Leistungsfähigkeit, so lange wir die Action in einer bestimmten Richtung, hier die Contractilität, zum Maassstabe nehmen. Ich möchte den nach Abspaltung der Streifen gebliebenen Rest der Rinde am ehesten nach physiologischer Ab- wägung dem Bindegewebe vergleichen, obwohl wir in besonderen Gattungen eine andere Function, die Erzeugung der Nesselorgane, von ihm vollführt sehen. Indem die Sonderung der Streifen immer weiter vor sich geht, bis sie zu jener scharfen, für Stentor coer. 1) Ich finde in den schnellenden, zuckenden Bewegungen vieler Infu- sionsthiere kein Hinderniss, von der quergestreiften Musculatur abzusehen und sie der glatten zu übertragen. Man bedenke nur die Muskelstructur im Molluskentypus. So viele und oft ausgeprägte Andeutungen von Querstrei- fung hier vorkommen, so wird doch niemand, der etwa den Muse. retractor oculi von einer Helix pomatia zerzupft, das gebotene Bild auch nur an- nähernd dem gleichen etwa von einem Frosch parallelisiren können, sondern es kostet immer besondere Mühe, hie und da eine Faser herauszufinden, an welche der Vergleich sich anklammert. Gleichwohl wird der Fühler bei leiser Berührung blitzschnell eingezogen. 80 H. Simroth: beschriebenen Form fortschreitet, so sehe ich keinen Grund, warum ich ihr, freilich unter einem zwiefachen Vorbehalt, die Bezeichnung als Muskelfaser versagen soll Wenn ich ein organisirtes, d. h. dem Stoffwechsel unterworfenes und nur von ihm erhaltenes, histo- logisches Gebilde habe, welches mit einem andern Gebilde aus einer fremden Thierelasse sowohl die stofflichen Eigenthümlichkeiten, hier Stärke der Lichtbrechung!), wellige Biegung in der Ruhe und dergl., wie auch die physiologische Wirksamkeit durchaus theilt, so finde ich kein Kriterium, das eine von dem anderen in der histologischen Nomenclatur zu trennen. Doch zunächst die zwiefache Reserve; sie betrifft erstens den Zusammenhang der Körperstreifen der Sten- toren mit den Wimpern; angesichts der von Stein bezeugten That- sache aber, dass es Infusorien giebt mit Körperstreifen ohne Wim- perung (s. 0.), kann es nur in der zufälligen Körperdisposition der Stentoren liegen, dass hier die Streifen überall Cilien tragen; und wenn dabei die übrigen Eigenschaften der Streifen mit denen von gewissen Muskelfasern coincidiren, so steht wohl der Ausbildung unbewimperter Streifen zu gleicher Höhe der Differenzirung von dieser Seite gar kein Hinderniss im Wege. Der zweite Unterschied zwischen Streifen und Muskelfasern gründet sich auf den Sitz des Willens in ersteren neben der Contractilität, während er bei letz- teren durch die Nervenfaser wirkt. Dabei sei angedeutet, dass wir die Idee des freien Willens, nach der hohen Auffassung, die uns ein so weit differenzirter Organismus, wie etwa ein Wirbel- thier, aufdrängt, bei einem Infusor sehr zu reduciren haben, und dass er z. B. mehr auf die von aussen durch Vermittlung der Cilien übertragenen Reize hinauslaufen wird?). Diese zwei Unterschiede also als durchaus nebensächliche ausschliessend, stehe ich nicht an, den Körperstreifen in der Ausbildung, wie ich sie für die Stentoren, specieller St. coer., beschrieben habe, auf Grund der angeführten 1) Es sei darauf aufmerksam gemacht, wie die lichtbrechenden Eigen- schaften dieser Körperstreifen mit denen der Schneckenmuskelfasern in hohem Grade übereinstimmen. 2) Hier sei bemerkt, auf wie unsicherer Unterlage dasKriterium für die Muskelfaser, von einem Nerven aus erregt zu werden, basirt sein dürfte. Denn die Histologie hat eine ganze Reihe contractiler Elemente, etwa bei Larven und niederen Würmern, wo ein Nervensystem noch nicht zur Aus- bildung gekommen, fortwährend als Muskelfasern im Munde geführt. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 81 stofflichen und physiologischen Uebereinstimmung den Namen »Muskelfaser« zu vindieiren. Dabei ist freilich ein Moment ganz weggelassen, welches gewöhnlich zur Entscheidung einer solchen Frage verlangt wird, das morphologische nämlich. Doch scheint mir dieses, gerade in dem vorliegenden Falle, seine Ansprüche nicht behaupten zu können. Haeckel und Leydig!) u. a. verlangen beide, um den betreffenden Streifen die Benennung »Muskelfaser» zuerkennen zu können, den Nachweis ihrer zelligen Natur. Es scheint mir die Einheit der histologischen Bezeichnung werthvoll, wenn uns Haeckel eine dualistische Auffassung giebt mit den Worten (a. a. O.): »Aus den Beobachtungen von O0.Schmidt, Stein und Anderen scheint mit ziemlicher Sicherheit hervorzugehen, dass die dunkleren, oft körnigen, bis- weilen wirklich »quergestreiften« Fasern, zu denen auch der charakteristische Stielmuskel der Vorticellen gehört, wirklich contractile Fasern sind, welche durch ihre Contraetion analog Muskeln wirken und Formveränderungen des Körpers bewirken. Vom physiologischen Standpuncte aus erscheint diese Vergleichung gerechtfertigt, und wird namentlich durch die bekannten Un- tersuchungen von Kühne bis zu einem gewissen Grade gesichert. Vom morphologischen Standpuncte aus können wir dieselbe aber nicht gelten lassen, sondern können diesen contractilen Streifen nur den Werth von differenzirten Sarcodezügen oder Protoplasmasträngen zugestehen. Für den morphologischen Begriff des Muskels ist seine Zellennatur unerlässlich. Muskeln im morphologischen Sinne können wir nur solche Zellen oder Zellen- complexe nennen, weiche ausschliesslich die Fähigkeit der Contraction, d. h. der selbständigen Verkürzung mit gleichzeitiger Dickenzunahme besitzen«. Dabei sei es mir erlaubt, daran zu erinnern, dass in sehr vielen Gewebselementen, welche nach der gegebenen Definition zu den Muskelzellen oder Muskelfasern gezählt werden müssen, nicht der ganze Zellinhalt in die Bildung der contractilen Substanz auf- geht, wie es in geringem Grade bei den Muskelfasern der Mollusken, in stärkerem bei denen vieler Würmer der Fall ist und wie es vielleicht bei den Ascariden sein Maximum erreicht. Wenn wir sehen, dass auch hier nur ein Theil der Wandung sich zu contrac- tiler Substanz differenzirt, so ist vielleicht die Frage gerechtfertigt: 1) Ich glaube aus der von Leydig (vom Bau des thier. Körpers. S. 17) gegebenen Beschreibung entnehmen zu müssen, dass auch er die er- habenen Rippen der Stentoren für Muskeln hält, was aber für die hier be- gonnene Erörterung nichts verschlägt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 6 83 H. Simroth: Ist das ganze Gebilde Muskelfaser oder nicht vielmehr nur der con- tractile Theil? denn Contractilität muss doch wohl als das Kri- terium!) der Muskelfaser gelten. Nennen wir das ganze Gebilde Muskelfaser oder Muskelzelle, so müssen wir wohl, die gegebene Unterscheidung weiterführend, auch das ganze Infusor folgerecht eine Muskelzelle heissen. Dagegen bleibt aber Leydigs Einwurf von dem »Einhalten gewisser Grössendifferenzen«, das von den Zellen im Thierreiche befolgt wird, bestehen; und dazu ist ein Sprung ersichtlich, wenn wir überall nur eine ganz bestimmte ein- heitliche Partie einer Zelle die Contractilität ergreifen sehen, in einer Weise, dass nur diese einseitige Leistung des Gewebselementes zum Charakteristicum desselben wird, und dann das sehr reiche und ausgebildete System der Körperstreifen im Zusammenhange mit einem mehrfach differenzirten Wimperapparat, an einem Organismus (nicht Gewebselement), welcher ausser dieser Thätigkeit noch eine Reihe complieirter anderer, davon ganz heterogener Functionen äussert, mit dieser homologisiren sollen. Nach solcher Erwägung scheint es mir naturgemässer, die einzelnen Streifen als histologische Elemente für sich zu betrachten. Auch Leydig verlangt für die Muskelfaser die Zellennatur. Nur geht er vom entgegengesetzten Ende aus. Da es ihm klar ist, 1) Es scheint mir angezeigt, hier auf das aufmerksam zu machen, was wir nach Stein’s Auffassung von einem wissenschaftlichen Kriterium zu er- warten haben, da dies auf die Entscheidung der Frage ein ganz besonderes Licht wirft. Es heisst dort in Bezug auf die Distinetion, ob die Einzellig- keit den Charakter eines Organismus, ob Thier oder Pfianze, bestimmen könne, (Stein, Organ. II. S. 18) wie folgt: »Gegen dieses neueKriterium zur Unterscheidung von Pflanze und Thier habe ich schon das einzuwenden, dass man mit ihm in der Praxis nicht viel anfangen kann, ja dass seine Anwen- dung fast immer illusorisch sein wird. — Um diese Frage mit absoluter Ge- wissheit beantworten zu können, muss ein solcher Organismus auf’s genaueste studirt worden sein, wir müssen nicht bloss seine Organisation, sondern auch seine Entwickelungsgeschichte kennen. Wenn wir aber erst mit einem Or- ganismus so weit gekommen sind, dann wird auch schwerlich noch ein Zweifel über seine Natur übrig bleiben, wir werden dann kein Kriterium mehr brauchen, um zu entscheiden, ob er in das Thier- oder Pflanzenreich ge- höre. Es liegt in dem Begriff eines Kriteriums, dass es uns sofort über die Natur eines vorliegenden zweifelhaften Organismus aufkläre, noch ehe wir denselben vollständig erforscht haben.« Gleiches könnte man wohl mit Recht auch hier geltend machen. \i Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. 83 dass in dem Stielfaden der Vorticellen, sowie in den Körperstreifen der Stentoren Muskelfasern vorliegen, so fordert er den Nachweis ihrer Zellennatur als ein aprioristisches Postulat von der Zukunft. Ebenso behandelt er die Nesselorgane!). Gegen das Vorhandensein der zelligen Elemente aber sprechen bis jetzt nicht nur die Beobach- tungen?), sondern auch, wie mir scheint, theoretische Gründe. Solche ergeben sich aus der ausserordentlichen, fast durchgängigen Ver- breitung der Körperstreifen in der Classe der Infusionsthiere, bis hinunter zu der Euglena viridis, wo sie von Stein mit Bestimmt- heit angegeben werden. Wird aber in Anknüpfung an den Zu- sammenhang der Muskelfasern höherer Thiere mit der Zelle, die einzelne Faser eines Stentor als Zellenderivat betrachtet, so kann ein consequentes Schlussverfahren hiermit kaum abbrechen, es muss vielmehr die gleiche Anschauung auf die nicht so vollkommen differenzirten Streifen der übrigen Infusorien, mit Einschluss derer der Euglena, ausdehnen. Für die letztere aber scheint mir die hohe Unwahrscheinlichkeit leicht zu folgen. Das Thier besitzt etwa die Ausdehnung einer Amoebe, also mittlere Zellengrösse, und den Un- terschied beider Genera wird man auf Abweichungen sehr elemen- tarer Natur zurückführen können. Die Locomotion durch die un- bestimmteste Art der Pseudopodien ist bei einer gewissen Constanz der Form durch die nicht viel weniger ursprüngliche Geisselbewe- gung ersetzt, eine contractile Vacuole hat sich eingestellt. Mit diesem Fortschritt verbindet sich aber eine energischere Orts- und Körperveränderung, und diese findet ihren natürlichen Ausdruck in der Sonderung der Rinde zu etwas contractilerer, in Streifen ge- ordneter Sarcode; verlangt man aber für solche die Zellennatur, so hat man für zwei in höchst untergeordneten und elementaren Be- ziehungen abweichende Thiergestalten einen durchaus verschiedenen und noch dazu, meines Wissens, ganz beispiellosen Bau anzunehmen; denn dafür, dass die Rinde eines so kleinen und einfachen Thiers, wie Euglena, eine immerhin complicirte Zellstructur besitzen soll, dagegen spricht wohl nicht nur die Erfahrung, sondern auch der von Leydig erwähnte, allerdings nach der andern Seite hin gel- tend gemachte Einwurf, »dass die den Thierkörper zusammen- 1) Vergl. Leydig, vom Baue des thierischen Körpers, S. 17. 2) Dabei ist wohl zu beachten, was Stein der Hoffnung auf einen künftigen Zellennachweis entgegensetzt. (Stein. Org. II. 8. 21.) 84 H. Simroth: setzenden Elemente innerhalb gewisser Abtheilungen des Thier- reiches bestimmte Grössendifferenzen einhalten«!). Die experimen- tellen Hindernisse, welche von dieser, und die Erschwerung der rein histologischen Bestimmung, welche von der oben berührten Seite vom morphologischen Standpunkte aus für die Körperstreifen der Infusorien erwachsen, scheinen mir aber darzuthun, dass die Morphologie hier ihr Anrecht verliert, die histologische Entschei- dung für sich zu verlangen, und das oben gesagte darf daher wohl aufrecht erhalten werden, wonach ich die Körperstreifen auf Grund der materiellen und physiologischen Uebereinstimmung als Muskel- fasern ansehe?). Kölliker’s Benennung als »Muskelfibrillen« möchte ich lieber vermeiden, denn ich habe schon auf die hervor- stechende Harmonie des Lichteffectes der Streifen mit den Muskel- fasern der Mollusken hingewiesen, und hier kann man sich von einer ähnlichen Verdünnung und Zuspitzung der gesammten Faser oft genug überzeugen. Noch muss aber Häckels Einwurf be- rücksichtigt werden, welcher wegen der Vereinigung von Nerven- und Muskelwirkung in den Streifen nach Kleinenberg’s Vor- gange für diese die Bezeichnung » Neuromuskeln« vorschlägt, freilich wieder nur »physiologisch, nicht morphologisch«. Ich habe indess schon darauf hingewiesen, wie hier eine direkte Reizübertragung etwa von den tastenden Cilien aus stattfinden möchte, ohne in den Streifen selbst ihren Sitz zu haben, wie es doch bei den Kleinen- berg’schen Neuromuskelzellen der Fall ist, und ich habe zudem zu zeigen versucht, wie eine fortlaufende Continuität zwischen der indifferenten Sarcode mit Pseudopodien, zwischen der Muskelsubstanz und zwischen den Wimpern stattfinde, eine dadurch sehr in- 1) Den Ausdruck »innerhalb gewisser Abtheilungen des Thierreichs« glaube ich nicht so deuten zu dürfen, dass die Zellen in verschiedenen Typen an Grösse beliebig variiren sollten, da er dann nicht benutzt werden würde, um gegen die Einzelligkeit der Infusorien zu gelten; denn dann könnte für diese Abtheilung ein ganz besonderes Grössenmaass herrschen. 2) Ich möchte hier noch erwähnen, dass ein gleicher Standpunkt von Stein, wenn nicht ausdrücklich betont, so doch implieite vertreten wird; denn er spricht direkt von den »Muskeln« der Infusorien; und dass er in dieser histologischen Bestimmung nur vom physiologischen Standpunkte aus- geht, folgt aus den Worten (Organ. II. S. 25): »Die Muskeln der Infusorien sind, wie ich zeigen werde, in morphologischer Beziehung nichts weiter, als zu Streifen formirte Sarcodemassen«. Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere, 85 teressante Continuität, dass sie sich nicht nur in ihrer allmählichen Entwickelung durch die ganze Infusorienreihe, sondern an einem und demselben ausgebildeten Individuum deutlich offenbart, und ich kann keinen recht einheitlichen Namen auffinden für einen Ap- parat, welcher bei demselben Thiere Sarcode, Pseudopodien, Muskel- fasern, Peristomwimpern und kleine Körpereilien zusammen umfasst. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Fig. 1. Stentor eoeruleus, mit schwacher Hyperosmiumsäure behandelt. Das Innenparenchym hat sich nach rechts und oben, dem Schlunde zu, zusammengezogen, es hat (links unten) das indifferente Plasma der erhabenen Rippen mit sich gerissen, und nur die Muskelfasern in den Furchen sind durch ihren Zusammenhang mit den kleinen Körperwimpern an der Cuticula zurückgehalten. Es wird aus- drücklich bemerkt, dass sie sich nach 24stündiger Einwirkung des Reagens stark gebräunt hatten. Fig. 2 Stentor coeruleus, unter Zusatz von schwacher Essigsäure, platt- gedrückt, den hinteren Körperpol oder Saugnapf gerade nach oben gekehrt. Die Körperstreifen verschmelzen am unteren Ende sowohl unter sich als mit der Substanz des Saugnapfes. Auch kommen Verschmelzungen im weiteren Verlaufe vor. Die erhabenen Rippen laufen allmählich aus, ohne die Substanz des Saugnapfes zu er- reichen. Fig. 3. Stentor Roeseli, mit seinem Saugnapfe, an welchem Pseudopodien sichtbar, festgeheftet. Nur einzelne der Körperstreifen sind in Action begriffen und haben die Rinde zu entsprechend hohen Rippen aufgetrieben. Fig. 4. Rechter Theil des Hinterendes von Spirostomum ambiguum; die Körperstreifen mit ihren Chlorophylikörnern besonders über dem Wasserreservoir sehr deutlich, wo zwischen ihnen zartpunktirte Streifen liegen, wahrscheinlich die Oeffnungen für die Wimpern. Schwache Contraction. Fig. 5. Ein Stück der seitlichen Leibeswand von Spirostomum ambig. in starker Contraction. 86 H. Simroth: Zur Kenntniss des Bewegungsapparates der Infusionsthiere. Fig. 6. Fig. 7. 239! Fig. 10. Das Ende des Peristoms und der Mund von Spirostomum; für die Peristomwimpern sind deutliche Wimperfurchen in die Cuticula ein- gegraben. Unter der Rinde tritt das zellige oder vacuolenartige Gefüge des Innenparenchyms hervor, worin die Chlorophylikörner zu grösserer Uebersichtlichkeit ausgelassen sind. Schwache Con- traction. Wimpern des Kiemenepithels vor Cyclas; a. ein abgerissener, frischer Wimperkamm. b und ce. isolirte Wimpern mit ihren Plasmafäden. d. Wimpern bei stärkerer Vergrösserung, eine bestimmte Gelenk- ausbildung der Scheideninsertion zeigend. e, f,g und h. Wimperzellen isolirt, nach mehrtägiger Behandlung mit Chromkali; e und f zeigen deutlich die Cuticularscheiden und die protoplasmatischen Axen und Cilien, Peristomwimpern von Stentor coeruleus, a. bei stärkerer Vergrösserung: Plasma und Cuticularscheide, b. die plasmatische Verlängerung und die Beziehung zu den Körper- streifen der Kappe, in frischem Zustande, wie hier, nur schwach und unsicher angedeutet. Ein kleiner Stentor coeruleus mit Hyperosmiumsäure behandelt, zeigt die Cilien im Zusammenhange mit den Körperstreifen der Kappe, die vom Schlunde ausgehen. Auch hier hatte das Bild am zweiten Tage bedeutend an Schärfe gewonnen. Schema, um das Streifensystem in Fig. 9 aufzulösen. Sämmtliche Figuren sind durch Gundlach’s Ocular I, Objectiv V, nur Fig. 7d und Fig. 8a durch das Objectiv VII gezeichnet. Asymmetrie der grauen Substanz des Rückenmarks. Von Dr. P. Schieflerdecker, Assistenten an dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E. Hierzu sieben Holzschnitte. Bei meinen Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks hatte ich vor Kurzem Gelegenheit, eine interessante Beobachtung zu machen, die ich hier kurz mittheilen will, da ich, mit anderen Ar- beiten beschäftigt, vorläufig nicht in der Lage bin, die Sache weiter verfolgen zu können. Fig. I. Ich fand nämlich, dass bei vollkommen TE ER gesundem Rückenmark, und ohne dass NZ \ man während desLebens irgend eine func- tionelle Störung wahrnehmen kann, eine nicht unbeträchtliche Asymmetrie der bei- den Hälften der grauen Substanz, sowohl Hund: Gegend desUrsprungs Was Form als Lage anlangt, verkommen des III. a a une kann. Den ersten derartigen Befund machte ich bei einem Hunde. Derselbe hatte als Versuchsthier gedient, keine Functions- störungen gezeigt, das Rückenmark er- schien, mit Ausnahme der Asymmetrie, durchaus normal. Sowohl im Bereiche SE N des zweiten Cervicalwirbels als in dem er ring des siebenten Dorsalwirbels hatte hier die rechte Hälfte der grauen Substanz auf dem Querschnitte eine andere Gestalt als die der normalen linken (Fig. Tu.II). In beiden Fällen war das Hinterhorn, wie man wohl 38 P. Schiefferdecker: am bezeichnendsten sagen kann, nach vorne gewandert. In dem Bereiche des zweiten Cervicalwirbels war dabei eine nicht unbedeu- tende Vergrösserung der Masse der grauen Substanz der rechten Seite vorhanden, im zweiten Falle war die Masse auf dieser Seite geringer. Das Rückenmark im Bereiche des nächst oberen und nächst unteren Wirbels war vollkommen normal und ging an den betreffenden Stellen in das asymmetrische allmählich über. Bald darauf hatte ich einen ähnlichen, nur noch interessanteren Befund bei einem menschlichen Rückenmarke. Dasselbe stammte allerdings von einem Patienten aus der Irrenanstalt Stephansfeld her, indessen war es mir seiner Zeit ausdrücklich als normal zuge- schickt worden, es waren also weder functionelle Störungen an dem Individuum beobachtet worden, welche auf eine Rückenmarksano- malie schliessen liessen, noch war bei der Section irgend etwas pa- thologisches an dem Rückenmark bemerkt worden. Da ich erst lange Zeit nach dem Empfange zur Untersuchung schreiten konnte, war es mir unmöglich zu erfahren, woran der betreffende Patient gelitten hatte. Das einzige, was mir als anormal bei diesem Rückenmark auffiel, war die bedeutende Dicke und Festigkeit der Pia, die indessen von oben bis unten ganz gleichmässig war. Der Centralkanal war durchgängig verwachsen, ein bei dem Rückenmark älterer Personen, wie es scheint, häufiges Vor- kommniss. Im Bereiche des zweiten Cervical- wirbels war wieder eine ähnliche Erschei- nung vorhanden (Fig. IID), wie bei dem Hunde: Vermehrung der grauen Substanz rechterseits, oberhalb und unterhalb nor- mal, Uebergang, wie immer, allmählich. Das Hinterhorn war hier indess nicht ver- ändert und auch in Betreff der grösseren Masse des Vorderhorns lag die Sache hier > re De Mensch; Querschnitt des Rücken- markes aus der Gegend des Ur- etwas anders. Vom ersten durch den zwei- sprunges des III. Cervicalnerven- paares. Vergr. 4. ten zum dritten Cervicalwirbel nimmt die Masse der grauen Substanz normal stetig zu; die Masse der grauen Substanz der linken Hälfte im Bereiche des zweiten Cervicalwirbels entsprach nun derjenigen im Bereiche des ersten, die der grauen Substanz rechterseits der Masse derjenigen im Bereiche des dritten Wirbels, es war also das Anwachsen auf der rechten Seite nur Asymmetrie der grauen Substanz des Rückenmarks. 89 Mensch; Gegend des IV. Cervical- nervenpaares. Vergr. 4. A_- \ Mensch; Gegend des IV. Dorsal- nerven. Vergr. 4. Mensch; Gegend des V. Dorsal- nerven. Vergr. 4. Fig. VII. Mensch; Gegend des VI. Dorsal- nerven. Vergr. 4, ein schnelleres als auf der linken. Bei dem Hunde dagegen war die Masse rechterseits bedeutender als die des nächst unteren Abschnitts, während die linke die normale ihr zukom- mende Grösse besass. Ein mit die- sem letzteren ganz übereinstimmen- der Befund war bei dem mensch- lichen Rückenmark im Bereiche des sechsten Cervicalwirbels vorhanden. (Fig. IV). Sodann war das Rücken- mark normal bis zum Beginne des vierten Dorsalwirbels. Im Bereiche dieses, des fünften und sechsten trat dann eine sehr sonderbare Asymmetrie der Gestalt und namentlich der Lage auf (Fig. V, VI, VI). Die Fissura anterior machte hier einen mehr oder weniger starken Bogen nach rechts, -im Bereiche des sechsten Dorsalwir- bels stand sie sogar senkrecht zur Fiss. posterior. Das linke Vorderhorn war stark nach vorne getreten (wie vorgezogen sah es aus) und zugleich in seiner Gestalt verändert. Die aus- tretenden Wurzeln liefen statt nach vorne nach hinten. Die Hinterstränge hatten eine kolossale Grösse sowohl absolut, als besonders im Verhältniss zu den Vordersträngen erlangt. Merk- würdiger Weise waren alle diese Ver- änderungen in einem viel geringeren Grade an dem mittelsten, im Bereiche des fünften Dorsalwirbels liegenden Stück ausgeprägt, das im Ganzen ziemlich normal aussah im Vergleiche mit der kolossalen Asymmetrie ober- halb und unterhalb. Dieses Stück hatte auffallenderweise auch einen 90 P.Schiefferdecker: Asymmetrie der grauen Substanz des Rückenmarks. geringeren Durchmesser. Unterhalb des sechsten Dorsalwirbels war das Rückenmark dann wieder normal, der Uebergang, wie sonst, ein allmählicher, und blieb normal bis zu Ende. Aus den eben mitgetheilten Beobachtungen folgt also: 1) Es können im normalen Rückenmark bedeutende Asym- metrieen der grauen Substanz beider Seiten sowohl nach Form, als Grösse, als Lage vorkommen. (Bei dem menschlichen Rückenmark ist die Beobachtung allerdings nicht ganz rein, da es möglich ist, dass hier eine Erkrankung der Meningen stattgefunden hat, welche auf die Ausbildung des Markes von Einfluss sein konnte.) 2) Solche Asymmetrieen scheinen sich meist auf einen Wirbel- abschnitt zu beschränken. 3) Trotz hochgradiger Asymmetrie braucht keine Functionsstö- rung vorhanden oder wenigstens der Beobachtung zugänglich zu sein Es fordern diese Thatsachen übrigens auch zur Vorsicht bei Deutung von Sectionsbefunden auf. Ich bin überzeugt, dass wenn in diesen Fällen Functionsstörungen vorhanden gewesen wären, die vielleicht auf ganz anderen, viel feineren pathologischen Ver- änderungen beruhten, wohl fast ein Jeder, der die Section gemacht hätte, die Asymmetrie für ein hinreichendes anatomisches Substrat angesehen haben würde. Es würde nun eine leichte und dankbare Arbeit sein, das Rücken- mark einer grösseren Anzahl von Menschen und Thieren auf diese Anomalie hin zu untersuchen, um zu bestimmen: 1) Die Häufigkeit des Vorkommens. (Verschiedene Alters- klassen?) 2) Ob eine der beiden Rückenmarkshälften vorzugsweise er- griffen wird. 3) Ob häufig ein wirkliches Ueberwiegen der Masse der grauen Substanz einer Seite vorkommt, und ob dieses vielleicht besonders die rechte Seite betrifft (wie in meinen Fällen). 4) Den ursächlichen Zusammenhang. (Beweglichkeit der Wir- bel, Biegungen der Wirbelsäule, Erkrankungen der Meningen etc.) Ueber ein neues Mikrotom nebst Bemerkungen über einige neuere Instrumente dieser Art. Von Dr. P. Schiefferdecker, Assistenten an dem physiologischen Institute zu Strassburg i. E. Hierzu vier Holzschnitte, Wenn sich früher Mikrotome hauptsächlich in den Händen von Präparateuren und Dilettanten befanden, während die Mikroskopiker von Fach sie grösstentheils verschmähten, so hat sich dieses Ver- hältniss jetzt schon bedeutend geändert, und ändert sich von Jahr zu Jahr mehr. Die bedeutende Ersparniss an Zeit und Arbeitskraft, die Herstellung von grossen Serien aufeinanderfolgender Schnitte, die Anfertigung sehr grosser gleichmässig durchsichtiger Flächen- schnitte sind in der That zu bedeutende Vortheile, als dass man sie leichthin verschmähen sollte. Selbstverständlich wird ein Mikro- skopiker von bestimmten Präparaten, auch wenn er sich im Besitze des vorzüglichsten Mikrotoms befindet, immer noch vorziehen Schnitte aus freier Hand zu machen, das hindert indessen nicht den grossen Nutzen der Maschine in anderen Fällen. Es sind nun in der letzten Zeit eine Menge von Mikrotomen construirt und beschrieben worden. Die besten derselben habe ich hier in Strassburg in den verschiedenen Instituten selbst zu sehen Gelegenheit gehabt. Ich muss indessen sagen, dass mir keines der- selben, mit einziger Ausnahme des ganz grossen Gudden ’’schen, wie ich später, noch näher erörtern werde, eigentlich zweckmässig erschienen ist. Ich habe daher nach einem schon früher von einem Engländer James Smith benutzten Principe ein neues Mikrotom construirt, welches mir das bis jetzt zweckmässigste zu sein scheint. 92 P. Schiefferdecker: Zunächst sei es mir gestattet, diejenigen Mikrotome, welche ich entweder in natura oder nach guten Abbildungen in letzter Zeit kennen gelernt habe, einer näheren Besprechung zu unterziehen. Wenn man sich a priori überlegt, auf welche Weise man ein Mikrotom construiren könne, so sieht man leicht, dass eine ziemliche Menge verschiedener Constructionen möglich sind. Erstens kann man das zu schneidende Präparat an dem schnei- denden Theile, am zweckmässigsten also wohl einem Messer hin- führen oder umgekehrt. Zweitens kann man die Höhenverschiebung, welche nöthig ist, um nacheinander Schnitte abzutrennen, entweder an dem Präparat oder dem Messer ausführen. Drittens kann man das Messer, d. h. den eigentlich schnei- denden Theil desselben, entweder frei in der Luft führen, oder auf einer Ebene hingleiten lassen. Endlich sind noch verschiedene Arten der Befestigung des Präparats, der Gestalt des Messers, verschiedene Vorrichtungen zur Verringerung der Reibung zwischen Messer und Präparat u. S. w. möglich. So klein diese Unterschiede zu sein scheinen, so bedeutsam sind dieselben doch für die ganze Form und Brauchbarkeit des Apparats. Von Mikrotomen, bei denen das Präparat an dem Messer vor- beibewegt wird, kenne ich nur eines, es ist zufällig das neueste, construirt von W. Krause in Göttingen, und von ihm beschrieben im 2. Hefte des XI. Bandes dieses Archivs. An einem Metallge- stell befinden sich zwei senkrecht zu einander stehende Schrauben, von denen eine die Vorbeibewegung des Präparats parallel der Klinge eines feststehenden Rasirmessers, die andere die Höhenverschiebung des Präparates bewirkt. Dieses letztere ist eingeschlossen in eine Messingklammer mit durch Schrauben veränderlichem Lumen. Die Verringerung der Reibung wird durch Aufträufeln von Flüssigkeit bewirkt. Nach dem zweiten Hauptprineip: Vorbeibewegung des Messers an dem ruhenden Präparate sind eine ganze Menge von Mikrotomen construirt worden. Wir wollen beginnen mit dem von Leyser in Leipzig ver- fertigten Instrumente. Bei diesem wird das Messer gegen das Prä- parat bewegt, das Präparat wird der Höhe nach verschoben, das Messer wird frei in der Luft geführt. Ich habe dieses Mikrotom Ueber ein neues Mikrotom. 95 bei den IIerren Proff. v. Recklinghausen und Leyden kennen zu lernen Gelegenheit gehabt. Die mechanische Vorrichtung, durch welche sowohl die Verschiebung des Messers als auch die Höhen- verschiebung des Präparates bewirkt wird, ist sehr hübsch ausgedacht. An einer auf horizontalem Grundbrette senkrecht stehenden Me- tallplatte laufen auf den beiden Seiten derselben zwei schmale, schiefe Ebenen bildende Metallplatten hin, in einem spitzen Winkel gegen die Mittelplatte geneigt. Diese schiefen Ebenen, welche nicht einander parallel laufen, sondern sich unter ziemlich spitzem Winkel schneiden, tragen je einen Metallschlitten, deren einer mit einer durch Schrauben im Lumen veränderlichen Metallklemme zur Auf- nahme des Präparats versehen ist, während der andere ein durch eine Schraube festklemmbares Rasirmesser trägt. Durch die ver- schiedene Stellung des ersten Schlittens gegen den zweiten, welche man an einer auf dem oberen Rande der Mittelplatte befindlichen Eintheilung ablesen kann, ist es nun möglich verschieden dicke Schnitte von dem eingeklemmien Präparate abzutrennen. Man schneidet entweder trocken oder benetzt das Messer mit Flüssigkeit. Sodann kommen wir zu einer Gruppe von vier Mikrotomen, welche alle nach demselben Prineipe gebaut sind, und sich nur in Kleinigkeiten von einander unterscheiden. Es sind das die Instru- mente von Oschatz, Welcker, Rutherford, Gudden. Das Mikrotom von Oschatz, welches ich nicht kenne, führe ich hier an auf Autorität des Buches von Dr. Benecke: Die Photo- sraphie als Hilfsmittel mikroskopischer Forschung. Braun- schweig 1868. Ebendaher ist mir durch Abbildung und Beschrei- bung das von Welcker bekannt geworden. Die Instrumente von Rutherford und Gudden waren die Herren Professoren Wal- deyer und Jolly so gütig mir zu zeigen. Bei allen diesen Instru- menten wird das Messer gegen das Präparat bewegt, das Präparat der Höhe nach verschoben, das Messer gleitet auf einer Fläche hin. Den Haupttheil des Apparats bildet ein senkrecht stehender hohler Metalleylinder, welcher an seiner oberen Oeffnung von einer mehr oder weniger breiten, verschieden gestalteten horizontalen Metallplatte umgeben ist, auf der das Messer hingleitet. Durch die Bodenplatte dieses Cylinders geht eine Schraube, welche eine in dem Cylinder befindliche Metallplatte auf und nieder bewegen kann; auf dieser Platte ruht das Präparat. Dasselbe wird bei dem In- strument von Welcker in eine besondere Metallröhre, über welche 94 P. Schiefferdecker: es nur wenig hervorragt, durch Kork ete. eingeklemmt, bei Ruther- ford muss man es in dem Cylinder einfrieren lassen, zu welchem Zwecke sich ein den Cylinder auf drei Seiten umgebender Blech- kasten zur Aufnahme der Kältemischung an dem Instrumente be- findet, bei Gudden muss man das Präparat vermittelst einer Ein- bettungsmasse in den Cylinder fest eingiessen. In Folge dessen schneidet man bei Rutherford trocken, während bei WelckerundGudden ein Teller den oberen Rand des Cylinders umgiebt, dessen Füllung mit Flüssigkeit ein Schneiden des Präparats unter derselben er- möglicht. Der ganze Apparat ruht bei Welcker und Gudden auf einem schweren Dreifusse, bei Rutherford wird er durch eine Schraubenklemme an dem Tische befestigt. Die Schraube trägt bei Rutherford und Welcker eine Gradeintheilung, bei Gudden nicht. Das Messer wird bei allen Instrumenten mit der Hand ge- führt, und besitzt bei den grossen Gudden’schen Instrumenten eine ziemlich bedeutende Länge und zwei Griffe. Wir wenden uns nun zu den beiden letzten Mikrotomen, welche wir hier besprechen wollen: dem von James Smith und dem von mir construirten, welches letztere eine Modification des ersteren ist, ebenso wie das Gudden’sche eine solche des Welckerschen. Bei diesen wird das Messer gegen das Präparat bewegt, das Messer wird der Höhe nach verschoben, das Messer gleitet auf einer Fläche hin. DasMikrotom von Smith kenne ich nur aus einer Abbildung und Beschreibung in dem schon oben eitirten Buche von Benecke. Als ich mich vor ungefähr zwei Jahren mit der Mikrotomfrage zu beschäftigen begann, schien mir dieses Instrument recht zweck- mässig zu sein. Es handelte sich damals nur um kleine Schnitte, und so nahm ich es mit wenigen Modificationen an. Nebenstehende Fig. IA,B zeigt dieses kleine von mir gebrauchte Instrument, wie es jetzt von dem Mechaniker Maier in Strassburg geliefert wird, und welches im Wesentlichen mit dem Smith’schen übereinstimmt, Die Abänderungen bestehen hier nur darin, dass ich dem alten In- strumente den hufeisenförmigen Fuss nahm und es zum Halten in der Hand einrichtete, was für kleinere Schnitte sehr angenehm ist, und dass ich die den oberen Rand umgebende, die Eintheilung tra- gende Platte in eine Schnittplatte und eine die Eintheilung tra- gende trennte, welche beide mit einander einen stumpfen Winkel bilden, um das Messer beim Schnitte nicht durch die Theilstriche zu hindern. Wie man sieht, besteht das Instrument aus einem Messing- Ueber ein neues Mikrotom. 55 Fig. I. A. INN \ Längsschnitt des Mikro- \ N R toms in natürlicher@rösse; \ Si N e F a äusserer, b innerer Cy- IN Wh U & Mh MN Ws linder, ce Schrauben, d be- N N f = wegliche Platte, e Einthei- N N N 8 ’ \ N f N . lungsplatte, e’ Schneide- \ N is platte, f Dorne, g Zeiger. RC N 2 N RR NN \ \ \ N N = ’ SEM . . \ N N N IB Si DS Ns Ansicht des Mikrotoms von oben, Die Buchstaben sind dieselben wie bei A. cylinder, der aus zwei übereinanderliegenden und zum grössten Theile mit einander durch Löthung verbundenen Messingröhren a undb zu- 96 P. Schiefferdecker: sammengesetzt ist. Im oberen Theile lassen dieselben einen Zwischen- raum,sind mit Schraubengängen versehen und nehmen eine dritte kurze, ebenfalls mit Schraubengängen versehene Röhre a’ auf, welche oben von einem Messingkragen e’ und e umgeben ist. Dieser 2 Ctm. (e —=1 Ctm. und e ebenfalls) breite kragenartige Rand ist ein- getheilt in 100 Theile. Da die Schraube so gewählt ist, dass bei einer vollständigen Umdrehung die Platte um 1 Mm. gehoben resp. gesenkt wird, so entspricht die Verschiebung um einen Theilstrich einer Höhenveränderung von Yıoo Mm. In dem! Cylinder befindet sich sodann eine schmale gekrümmte Messingplatte d, welche durch zwei Schrauben in dem Cylinder hin und her bewegt werden kann. Dieser Platte gegenüber sind an der Wand des Cylinders kleine Dorne f, f angebracht. In diesem Cylinder nun, der bei dem vor- liegenden Apparate 2,5 Cent. Durchmesser hat, wird das Präparat in Kork, Hollundermark, Paraffın etc. eingebettet, hineingebracht und vermittelst der Platte d festgeklemmt. Sodann werden mit einem gewöhnlichen Rasirmesser, welches mit einer gewählten Flüssig- keit befeuchtet wird, resp. trocken bleibt, das Präparat Schnitt für Schnitt unter allmählicher Herabdrehung der Kopfscheibe abge- tragen. Nachdem ich mich von der ausserordentlichen Brauchbarkeit dieses Apparats und der Zweckmässigkeit des angewandten Prineips überzeugt hatte, versuchte ich den Apparat in der Weise zu modi- ficiren, dass man ausser kleinen auch ziemlich grosse Flächensehnitte damit anfertigen konnte. Die Gestalt dieses Instruments, welche mir nach längeren Versuchen die zweckmässigste zu sein schien, zeigt nebenstehende Fig.II, a.b, welche auf den dritten Theil verkleinert ist. Die Grundiage des Mikrotoms bildet ein schwerer (12 Pfd. wiegender) mit Blei ausgegossener Messingteller a, mit ziemlich hohem Rande. (Durchmesser des Tellerbodens 21 Ctm., des Randes 24 Ctm., Höhe des Randes vom Tisch 5,5 Ctm.). Dicht am Rande läuft ein schmaler, oben abgeschliffener, über den Teller etwas erhabener Messingring c hin, auf dem eine unten abgeschliffene Glasglocke b aufruht. In der Mitte des Tellers befindet sich eine kreisförmige Vertiefung, in welche der den Mikrotomtopf d wasserdicht abschliessende, abschraub- bare und mit vorspringendem Rande versehene Boden e hineinpasst. Derselbe hat 8,5 Ctm. Durchmesser. Auf diesem erhebt sich nun der 9 Ctm. hohe Mikrotomtopf, von derselben Construction, wie das vorige Mikrotom. Derselbe hat 7,5 Ctm. Durchmesser. Die Kopf- Ueber ein neues Mikrotom. 97 Längendurch- schnitt des grossen Mikro- toms; a Mes- singteller, b Glasglocke, c abgeschlif- 5b fener Messing- ring, d Mikro- tomtopf, e abschraub- barer Boden desselben, f Schrauben, g die Einthei- lung tragender Rand, h beweg- liche Platte, i Dorn, k Zeiger, ! Klemme, m Stopfbüchse um die Schrau- ben f. N Ansicht des Mi- krotoms von oben, ohne Glocke, Buch- staben wie auf Fig. Da. Archiv f. mikrosk Anatomie. Rd. 12. I 98 P. Schiefferdecker: platte bildet bei diesem Mikrotom zuerst eine zum Cylinder senk- recht stehende glatte Schnittebene von 1,5 Ctm. Breite, an welche sich dann der schräg abfallende, die Eintheilung tragende Rand (0,5 Ctm. breit) anschliesst. Die im Innern des Cylinders bewegliche Platte bildet bei diesem Instrument einen Theil eines dem Durch- messer des Cylinders entsprechenden Kreisbogens, und hat eine Breite von !/a—!/; der Peripherie eines solchen. Die Schrauben sind mit Stopfbüchsen m, m versehen, um das Durchtreten von Flüssigkeit zu verhindern. Das Präparat wird nun wie bei dem vorigen auf beliebige Weise eingebettet, und durch die Platte h festgeklemmt. Darauf wird der Mikrotomtopf, falls man nicht trocken schneiden will, mit einer gewählten Flüssigkeit, Wasser, Alkohol, Nelkenöl etc. bis zum Rande gefüllt. Sodann stelle ich ein bis zwei Tropfröhren über dem Apparate auf, um einmal das Messer auch auf der oberen Seite stetig zu benetzen, und zweitens, um das Niveau con- stant zu erhalten. Will man eine noch stärkere Befeuchtung erzielen, so braucht man den ganzen Apparat nur in eine beliebige, grosse Wanne zu setzen, und diese mit Flüssigkeit zu füllen. Hat man eine genügende Anzahl von Schnitten angefertigt, wünscht aber das Präparat später noch weiter abzutragen, so setzt man einfach die Glasglocke darüber, und kann den Apparat so längere Zeit stehen lassen. Die Eintheilung der Kopfplatte ist dieslbe, wie bei dem vorigen Apparat. Ich habe mir zu diesem Instrument zwei Messer machen lassen, deren Klingen grade, etwa 27 Ctm. lang, auf der oberen Seite stark, auf der untern nur sehr schwach concav sind, und deren Rücken stark ist. Die Breite der Klinge des einen beträgt 3 Ctm., die des anderen 5 Ctm. An dem einen Ende befindet sich ein Griff, auf das Ende der Klinge legt man beim Schnei- den die andere Hand. Ich halte diese Art der Messerführung für sicherer, als wenn man zwei Griffe anwendet. Die Länge der Klinge ist hinreichend, um mit einem Zuge den grösstmöglichen Schnitt abzutragen. Noch möchte ich hier gleich hinzufügen, dass ich die Führung des Messers durch die menschliche Hand bei einem Mikrotom für be- deutend vortheilhafter und zweckmässiger erachte, als die von der Hand unabhängige Leitung durch Schlitten oder Schraube, obgleich dies von vorn herein wunderbar erscheinen könnte, da man sonst ja grade alle Maschinen so viel wie möglich von der menschlichen individuellen Geschicklichkeit unabhängig zu machen sucht, wie das Ueber ein neues Mikrotoni. 99 auch Krause hervorhebt. Der Grund dafür ist folgender: Die Präparate, welche man zu schneiden hat, sind, besonders, wenn sie eine gewisse Grösse erreichen, fast nie ganz gleichmässig gehärtet. Gelangt das Messer nun, nachdem es eine Strecke hin- durch durch gut gehärtete Masse hindurch gedrungen ist, an weichere, so reisst der Schnitt regelmässig entzwei. Diesen Uebelstand kann man indessen vermeiden, wenn man den Rücken des Messers in dem Augenblick, wo die Schneide die weiche Stelle berührt, was man nach einiger Uebung sofort merkt, ein wenig hebt. Ist die Stelle vorüber, so senkt man ihn wieder. Solche feine Modificationen der Messerführung kann aber nur die menschliche Hand ausführen. Fragen wir uns nun nach dem Werthe, welchen diese ver- schiedenen Mikrotome für den Mikroskopiker von Fach haben, so hängt dieser natürlich von den Leistungen des Instruments, von seiner Brauchbarkeit ab; welche Anforderungen müssen wir also an ein Mikrotom stellen? Es sind deren mehrere. 1. Das Mikrotom muss bei richtiger Handhabung ausreichend dünne, gleichmässige Schnitte von dem Präparat zu machen erlauben, und ausserdem die Anfertigung von Serien von Schnitten ermög- lichen. Diese Anforderung erfüllen wohl alle diese Mikrotome, denn sonst würden sie wohl niemals von ihren Erfindern der Oeffentlich- keit übergeben worden sein. 2. Die richtige Handhabung muss leicht zu erlernen sein. Auch hierin finden sich keine bedeutenderen Unterschiede. 3. Das Mikrotom muss ein möglichst grosses Appassungsver- mögen besitzen. a) Man muss mit demselben Mikrotom möglichst verschieden grosse Schnitte herstellen können. b) Man muss mit demselbem Mikrotom von möglichst ver- schiedenen Präparaten Schnitte herstellen können. Es ist dieses eine, meiner Meinung nach, ungemein wichtige Anforderung, welcher bis jetzt noch viel zu wenig, ja eigentlich fast gar nicht Rechnung getragen worden ist. Man hat bis jetzt die Leistungen eines Mikrotoms immer nur nach den beiden ersten Forderungen bestimmt, was hilft das aber dem Histologen, der sich mit den verschiedensten Organen und Geweben beschäftigt? Er kann sich doch unmöglich für jedes derselben ein besonderes In- strument halten. Und dieses war wohl auch der Hauptgrnnd, wess- 100 P. Schiefferdeeker: halb die Mikrotome von den eigentlichen Forschern bisher nicht ge- nügend gewürdigt wurden. Die Bedingung 3a ist für das Krause’sche und Leyser’sche Mikrotom bereits ein unüberwindlicher Stein des Anstosses, denn beide sind nur bei kleinen Objecten anwendbar. Es bleiben nun noch übrig das Rutherford’sche, Gudden’sche und das meinige, denn auch das ursprüngliche, von James Smith construirte Instrument und das kleine von mir modifieirte erreichen ihre Leistungsgrenze bei Objecten von 2,5—3 Ctm. Durchmesser. Stellen wir die Bedingung 3 b, so fallen auch das Gudden- sche und Rutherford’sche Mikrotom fort und nur das meinige bleibt übrig. Das Rutherford’sche Mikrotom hat den grossen Uebelstand, dass man es eben nur als Gefriermikrotom benutzen kann, weil dieses die einzige Art ist, um Präparate in ihm so zu befestigen, dass man dieselben zweckmässig schneiden kann. Erstens ist nun aber für die meisten Gewebe, wenigstens wenn es sich um den feineren Bau handelt, das Gefrieren durchaus nicht gleichgültig, und dieses ist schon ein grosser Nachtheil, zweitens aber sind die Umständlichkeiten bei dem Gebrauche sehr gross, denn es ist in der 'That gar nicht leicht, ein Object von mehreren Ctm. Durchmesser zum gleichmässigen Gefrieren zu bringen und dann beim Schneiden in diesem Zustande zu erhalten, namentlich im Sommer; jedenfalls kostet es immer stundenlange Vorbereitungen. An einem ähnlichen Fehler leidet auch das Gudden’sche Mikrotom, ein so brauchbares Instrument es sonst auch ist. Man muss bei demselben ein jedes Präparat eingiessen, um es zu be- festigen. Auch dieses geht nicht schnell, denn da die erste Masse beim Erkalten sich zusammenzieht, so muss man immer noch ein zweites oder gar drittes Mal von der Masse nachgiessen, bis das Präparat dem Cylinder anliegt. Auch hier geht also viel Zeit und Mühe verloren. Es ist aber auch sonst durchaus nicht immer ange- nehm, ein Präparat mit einer bestimmten Einbettungsmasse umgeben zu müssen, weil dasselbe darunter leiden kann. Da ferner die meisten Einbettungsmassen, wie Paraffın, Wachs und Oel, Flemmigsche Seife ete. sich in Alkohol lösen, die Anwendung von Leim und Gummi- lösungen aber sowohl wegen der Haftens dieser an dem Metallcylinder, als auch wegen ihrer in vielen Fällen unbequemen Consistenz sich verbietet, so ist man bei @Gudden stets genöthigt, den oberen Teller mit Wasser zu füllen und unter diesem zu schneiden, während Al- Ueber ein neues Mikrotom. 101 kohol, unter dem sich so viel besser schneidet, ausgeschlossen ist. In der That zeigen die käuflichen Gudden’schen Mikrotome (bei Hermann Katsch in München), dadurch, dass der Teller innen lackirt ist, an, dass der Erfinder nur auf den Gebrauch von Wasser gerechnet hat. Der einzige Fall, n dem ich ein Gudden’sches Mikrotom anwenden würde, würde der sein, um Schnitte aus mensch- lichen oder grossen Thierhirnen zu machen, weil hier eben nur ein specieller Fall vorliegt und jedes Anpassungsvermögen unnöthig wird. Doch auch bei dieser Art der Anwendung, bei der das In- strument, wie ich aus eigner Anschauung weiss, ausgezeichnetes leistet, ist esimmer unangenehm, den Alkohol entbehren zu müssen. Bei meinem Mikrotom dagegen kann man das Präparat, welches sehr verschiedene Grösse haben kann, auf die verschiedenste Weise befestigen; sei es mit Leber oder Kork, oder Hollundermark_ etc., oder dass man es in einer Form in eine beliebige Masse eingiesst, und dann festklemmt. Ebenso kann man die Flüssigkeit beliebig wählen, und kann unter einem Tropfglase oder unter einem Flüssigkeits- niveau schneiden. Einen Nachtheil hat dieses Mikrotom gegen das Guddensche: man ist genöthigt, sobald die Kopfplatte völlig bis zum Rande des inneren Cylinders herabgeschraubt ist, das Präparat zu lockern, höher einzuspannen, und die Kopfplatte wieder herauf- zuschrauben, doch kann ich aus vielfacher Erfahrung versichern, dass diese Unbequemlichkeit nur eine sehr unbedeutende ist, und auf die Anfertigung von Serienschnitten nur sehr unbedeutenden Einfluss ausübt. 4. Ein Mikrotom muss so billig als möglich sein. Der Kostenpunkt ist in der That von durchaus nicht unter- geordneter Wichtigkeit, falls die Mikrotome, wie ich es für wünschens- werth halte, an Universitäts-Instituten allgemein in Gebrauch ge- zogen werden. Ein solches Institut, an dem viele Practicanten ar- beiten, muss doch immer eine gewisse Anzahl Instrumente besitzen, und bei dem meist nicht sehr grossen Etat der Institute muss der Kostenpunkt wohl erwogen werden. Ich will hier nachfolgend eine Zusammenstellung der Preise der hier besprochenen Mikrotome geben. Es kostet nebst Messer ein Mikrotom von: Krause (geliefert von Mechanikus Apel in Göt- tingen mit 7 Ctm. langem Messer) . . . . 2. ..2.2...144 Mk. Pre EneIpzIe) ann N NRARN 5 102 P. Schiefferdecker: Ueber ein neues Mikrotom. Gudden(gelief.vonHermannKatschin München) grösster Apparat von 15,5 Ctm. Cylinder-Durchmesser 252 Mk. Mittlerer Apparat von 6,5 Ctm. Cylinder-Durchmesser 100 » Kleiner Apparat von 3,5 Ctm. Cylinder-Durchmesser 72 » Rutherford (geliefertvon Baker inHolborn(London) 52 » James Smith (von mir modifieirt, geliefert von Mechanikus Maier in Strassburg i. E., Krämergasse 9, ohne Messer, da jedes Rasirmesser dazu zu gebrauchen, Cylinderöffnung 2,5 Ctm.) . . . 18 » Schiefferdecker (ee von demselis Me- chanikus, Cylinderöffnung 7,5 Ctm. also entsprechend dem mittleren Gudden’schen, mit Messer von 27 na und 5 Ctm. Breite der Klinge, Wr Me 68 » Dazu, auf Wuusch, ein zweites kleineres een von 27 Ctm. Länge und 3 Ctm. Breite der Klinge... . 2» Dazu ferner verschiedene grosse Blechformen zum Eingiessen von Präparaten in Einbettungsmassen zu verschiedenen Preisen. Also auch in Bezug auf den Preis stellen sich die beiden letzten bei Weitem am besten. Nach dem bisher Gesagten glaube ich also berechtigt zu sein, meine Ansicht dahin anszusprechen, dass die für einen Histologen zweckmässigsten Instrumente die beiden letztgenannten sein dürften. Er wird mit denselben fast in allen Fällen ausreichen. Wünscht man speciell Schnitte von Menschenhirnen oder grossen Thierhirnen (Rind, Pferd etc.) zu machen, so halte ich für das beste Instrument das grösste Gudden’sche mit 15,5 Ctm. Cylinderdurchmesser, da ich mich von den ausgezeichneten Leistungen persönlich überzeugt habe, und nicht weiss, ob mein Instrument auch bei einer Vergrösserung bis zu diesem Cylinderdurchmesser noch gute Schnitte liefern wird. Zum Schlusse möchte ich noch erwähnen, dass in dem hiesigen anatomischen Institute von Prof. Waldeyer das kleine modificirte Instrument von James Smith und das meinige, und in der Irren- anstalt Stephansfeld bei Strassburg das letztere bei Hrn. Dr. Stark seit längerer Zeit mit günstigem Erfolge in Gebrauch sind. Das Gehörorgan der Heteropoden. Von €. Claus in Wien. (Hierzu Tafel X.) Während wir über die Endigungsweise der Gehörnerven an den Gehörblasen der Crustaceen durch V.Hensen’s eingehende Un- tersuchungen gut unterrichtet sind, liegen über den feineren Bau des Gehörorganes der Mollusken und insbesondere über das Ver- halten der letzten Nervenenden des Acustieus bislang nur relativ spärliche, keinesfalls ausreichende Angaben vor. Am besten und genauesten sind die grossen in Knorpelmasse eingebetteten Gehör- blasen der Cephalopoden durch Owsjannikowund Kowalevsky') untersucht. Durch jene Forscher wurden zwei mit cylindrischen Haar- zellen bedeckte, offenbar zum Endapparat des Acusticus gehörige Stellen als Gehörplatte und Gehörleiste eingehend beschrieben, und es ergab sich hiermit die Wahrscheinlichkeit, dass ähnliche, wenn auch redueirte Bildungen in den übrigen Molluskenklassen auftreten. In der That hat neuerdings Boll für die grossen Gehörblasen der Heteropoden Nervenzellen aufgefunden, indessen wie schon Hasse mit vollem Rechte aussprach, kein zutreffendes Bild von den hier obwaltenden Eigenthümlichkeiten gegeben. Noch bevor ich mit Boll’s Angaben bekannt war, wurde ich bei Untersuchung gut (in Pikrinsäure) conservirter Exemplare von Pterotrachea Fridericii auf die fraglichen Bildungen der Gehörblase aufmerksam, erkannte 1) Owsjannikow und Kowalevsky: Ueber das Centralnerven- system und das Gehörorgan der Cephalopoden. St. Petersbourg 1867. 104 C. Claus: aber bald, dass zur eingehenden und erschöpfenden Verfolgung der- selben die Zuhülfenahme frischen Materiales und besonderer Prä- parationsmethoden frischer Objekte nothwendig sei. Bevor ich die Resultate meiner eignen, während eines mehrwöchentlichen Aufent- halts in Neapel angestellten Untersuchungen vorlege, wird es er- forderlich sein, die wichtigsten Angaben aus der Literatur vor- auszuschicken. Leydig!) beschreibt das Ohr der Carinaria als runde Blase, welche an einem langen Hörnerven aufsitzt und einen kreisrunden Otolithen einschliesst. »Das Gerüste der Gehörblase bildet eine homo- gene, vollkommen durchsichtige Haut, welche der Einwirkung einer Kalilösung länger widersteht, als die innere Epithellage«. Derselbe Autor äussert sich weiter: »die innere Fläche der Ohrkapsel ist aus- gekleidet von einem Epithel, dessen Zellen etwa 0,0135 gross sind und Cilien tragen, die man wegen ihrer Länge, Stärke und steifen Aussehns durchaus den beweglichen Borsten mancher Infusions- thierchen vergleichen könnte; aber nicht jede Zelle hat Wimpern, sondern diese sitzen büschelweise nur auf einzelnen Zellen, die pa- pillenartig in das Lumen des ÖOhres vorspringen«. »Der Wimper- büschel tragenden Zellen sind nicht gar viele in einem Ohr, unge- fähr 12 bis 15, so dass sie demnach ziemlich weit von einander stehen und dem ganzen Organ ein eigenthümliches Aussehn geben«. »Der Otolith ist von Farbe gelblich und hat einen geschichteten Bau, wird er mit Säure behandelt, so bleibt eine helle geschichtete Substanz zurück, die die gleichen Umrisse hat, wie der unverletzte Hörstein«. »Der Hörnerv ist 0,0270‘ breit, hat eine homogene Scheide, die unmittelbar in die äussere Haut der Ohrblase übergeht; der Inhalt des Hörnerven sieht feinstreifig aus und stellt man bei pas- sender Lage des Objektes den Fokus gerade auf das innere Ende des Nerven innerhalb der Ohrblase ein, so sieht man nichts weiter. als dass er sich feinpulverig auflöst. Nach der Beschaffen- heit seiner Fibrillen liess sich auch kaum etwas Anderes erwarten«. Ueber das Gehörorgan von Firola coronat« finden wir die Bemerkung, »die Ohrblase, am Ende eines langen Hörnerven sitzend, besteht aus einer hellen homogenen Haut, die nach Innen von einer 1) Fr. Leydig, Anatomische Bemerkungen über Carinaria, Firola und Amphicora. Zeitschr. für wiss. Zoologie Tom. XIII. pag. 325. Das Gehörorgan der Heteropoden. 105 Epithellage bedeckt ist; einzelne Zellen — ich zähle hier zehn bis zwölf — ragen etwas papillenartig vor und diese tragen bis 0,0270‘ lange Wimperbüschel, deren einzelne Haare dasselbe steife, borsten- ähnliche Aussehn haben wie bei Carinaria. Der Hörstein hat eine feine radiäre Streifung. Gegenbaur!), der die Angaben Leydig’s im Wesentlichen bestätigt, war bezüglich der Nervenendigung an der Blase nicht glück- licher als Leydig. Nach jenem Autor tritt »der ziemlich starke Gehör- nervan die strukturlose Gehörblase, lässt seine Scheide an selbe über- gehn und hört dann plötzlich auf, indem er eine feinkörnige ins Lumen der Blase sehende Hervorragung bildet«. Auch Leuckartund Kefer- stein vermochten Leydig’s Angaben nicht wesentlich zu erweitern, doch unterschied Leuckart?) bereits zwischen der strukturlosen Membran und der innern Zellenschicht der Blase eine dünne Substanz- schicht von feinkörniger Beschaffenheit und bemerkt weiter, dass diese Schicht, obwohl sich in derselben weder eine Faserbildung, noch ein streifiges Aussehen, wie in dem Gehörnerven, beobachten lasse, doch als das eigentliche Substrat der Sinneswahrnehmung in Anspruch zu nehmen sei. Sie stehe zu dem markigen Inhalt des Gehörnerven in derselben Beziehung, wie die Gehörblase zu der Nervenscheide. Einen Schritt weiter gelangte Boll?°), in dessen Beiträgen zur Histologie der Mollusken wir neue ergänzende Beobachtungen, zu- gleich aber auch von den frühern Forschern abweichende Deu- tungen finden. Nach Boll haben die starren Borstenhaare, welche von Leydig an als Wimperhaare bezeichnet waren, mit Cilien nichts zu thun, sondern sind, da ihre eigenthümlichen Bewegungs- erscheinungen aufeine entschieden andere Bedeutung hinweisen und ferner ein Zusammenhang der grossen Zellen, denen sie aufsitzen, mit Nervenfibrillen des Hörnerven zu constatiren ist, nervöser Natur. Der Acusticus bildet an der Eintrittsstelle der Blasenwand eine Einschnürung und strahlt dann unterhalb des Epithels nach allen Richtungen über die ganze Wand der Gehörblase in seine letzten 1) C. Gegenbaur, Untersuchungen über Pteropoden und Hete- ropoden, Leipzig 1855. pag. 141. 2) R. Leuckart, Zoologische Untersuchungen III. Heft, Heteropoden, Giessen 1854. pag. 34. 3) Supplementband zum Archiv für mikrosk. Anatomie 1869. pag. 77. 106 C. Claus: und feinsten Fibrillen aus. Ferner wird einer besonderen Differen- zirung der Gehörblase Erwähnung gethan, die sich gerade gegen- über der Eintrittsstelle des Hörnerven ‚etwa über 1/, der Oberfläche ausgebreitet hat. Hier trete anstatt des niedrigen Plattenepithels mit den eingestreuten sternförmigen Polsterzellen ein leicht verän- derliches Cylinderepithel auf, das grössere steifere Haare auf der Oberfläche zu tragen scheine und eine zweite Form von Nerven- zellen mit Nervenendigung gewissermassen eine Crista oder Macula acustica repräsentire. Endlich spricht Hasse!) in seinen anatomi- schen Studien die Ueberzeugung aus, dass die zwischen den indiffe- renten Pflasterzellen vertheilten Polsterzellen mit ihren langen zeit- weilig schwingenden Haaren trotz des von Boll geführten Nach- weises herantretender Nervenfibrillen nicht aus der Kategorie der Wimperzellen heraustreten, dagegen das Cylinderepithel der Macula acustica, an dessen Zellen Boll hier und da steife aber nicht schwin- gende Haare gesehen habe, dem Endapparat des Gehörnerven zu- gehöre. Gerade die Unbeweglichkeit der zugehörigen Haare und dazu noch der Befund der leichten Veränderlichkeit dieses Epithels führe ihn zu der bestimmten Ueberzeugung, dass kommende For- schungen hier haartragende Hörzellen, möglicherweise unterbrochen durch Isolationszellen nachweisen würden; Hörzellen, zu denen die Endfasern des Acusticus treten, um gegen die Basis der nur durch Schallwellen erregbaren Haare zu verlaufen. Untersucht man die Gehörblase einer Pierotrachea oder Ca- rinaria im frischen Zustande ohne Zusatz von Reagentien unter mässig starker Vergrösserung, so gewahrt man an der Aussenseite der Blase gegenüber der Eintrittsstelle des Sehnerven eine überaus zierliche Bildung, welche zu den langen Büscheln der zeitweilig schwingenden Wimperborsten in scharfem Contraste steht. Der distale Pol, wie wir den der Eintrittsstelle des Sehnerven fast genau gegenüber liegenden Punkt der Blase bezeichnen wollen, ist durch eine grosse fein punktirte Scheibe bezeichnet, die in einem hellen Hof zu liegen scheint (Fig. 2,3 c). Dieser wird wieder umgeben von einer breiten Zone concentrisch gelagerter runder Pünktchenhaufen (S), die um so kleiner werden, je weiter siesich von dem hellen Hof ent- fernen, bis schliesslich dielangen, zeitweilig schwingenden Haarbüschel 1) C. Hasse, Anatomische Studien. Die vergl. Morphologie und Histo- logie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere. Leipzig 1873. pag. 8. Das Gehörorgan der Heteropoden. 107 an ihre Stelle treten. Beider kleinern Pt. Fridericüi sind es etwa vier, bei den grössern Pt. coronata sowie bei Carinaria sechs bis sieben Kreise von sphärisch umschriebenen Pünktchenhaufen, welche die eigenthümlich modificirte Zone an der Wand der Gehörblase zu- sammensetzen. Untersucht man mit stärkerer Vergrösserung (Hart- nak VII und VII. 3), so erkennt man sofort, dass die Pünktchen- haufen den Ursprung von feinen verhältnissmässig kurzen und un- beweglichen Haaren bezeichnen, die dem in den Blasenraum vor- springenden Ende von langen Cylinderzellen aufsitzen. Wir haben es hier also augenscheinlich mit den haartragenden Hörzellen zu thun, die schon Hasse mit vollem Rechte an dieser Stelle ver- muthet hatte. Die Anordnung derselben ist aber eine wesentlich andere, als die von Boll gegebene Darstellung hätte erwarten lassen. Zur eingehendern Verfolgung des fraglichen Epithels leistete mir 1°/, Osmiumsäure mit nachfolgender Carmintinktion, auch Hae- matoxylinfärbung vortreffliche Dienste und glaube ich mit Hülfe der angewandten Präparationsmethoden jeden Zweifel über die Endigung der Nervenfibrillen in der Substanz der haartragenden Zellen be- seitigen zu können. Ich erkannte alsbald, dass wir in der Gehör- blase der Heteropoden ein Objekt vor uns haben, welches durch die relativ einfache Beschaffenheit der Wand und durch das klar vor- liegende Verhältniss der Wimperzellen zu den haartragenden Zellen des Nervenepithels für die Verfolgung der Nervenfibrillen so günstig wie kein zweites mir bekanntes Gehörorgan erscheinen möchte. Ich habe daher weder Mühe noch Zeitaufwand gescheut, um mir an dem- selben Sicherheit über die Endigungsweise der Fibrillen zu verschaffen. Zunächst überzeugt man sich leicht und mit voller Sicherheit, dass eine ziemlich dicke strukturlose Membran das Gerüst der Ge- hörblase bildet und dass die Hülle des langen Hörnerven, wie die früheren Autoren bereits dargestellt haben, in dieselbe direkt über- geht. Auffallender Weise aber scheint das Verhältniss derselben zu dem umgebenden Muskelgewebe entweder übersehen oder unrichtig beurtheilt zu sein. Stets wird die Kapsel von bindegewebigen und muskulösen Elementen, die mit der Wand in fester Verbindung Verbindung stehn, in der Leibeshöhle getragen. Freilich sind die Bindegewebszellen und Netze bei den Arten der Gattung Ptero- trachea nur spärlich vorhanden, bilden sich aber um so reicher bei Carinaria aus, bei der auch die beiden nach oben und unten 108 C. Claus: kegelförmig convergirenden Muskelbündel in bedeutenderer Stärke hervortreten (Fig. 6 M.). Nur Leuckart erwähnt die an die Blase herantretenden Muskelfaden und lässt es dahin gestellt sein, ob die- selben auf den Spannungsgrad der Blase einzuwirken im Stande sind. Der lange Gehörnerv tritt stets an der Medianseite der Blase ein und erfährt kurz vorher eine merkliche Einschnürung (Fig. 1). Bei Pterotrachea steht der Hörnerv an Länge dem Opticus bedeutend nach, nicht aber bei Carinaria, wo die Gehörblase bis hinter das Auge zu liegen kommt. Merkwürdiger Weise gibt der Hörnerv während seines Verlaufes feine Zweige ab, welche jene Muskeln innerviren. Schon bei M. Edwards und Delle Chiaje finden sich Angaben über eine Verästelung des Gehörnerven, die theilweise trotz des Widerspruches von Seiten Gegenbaur’s in soweit begründet sind, als in der That der Hörnerv fremde Elemente enthält, die er in Form zweier schmaler Faserbündel während seines Verlaufes austreten lässt (Fig. 1, 6, N). Bei seinem Eintritt in die Gehörblase löst sich der Nerv, wie bereits Boll beschrieben hat, in seine Fibrillen auf, »welche wie an einem Globus vom Pole aus die Meridiane, alle in einer Richtung über die ganze Wand der Ge- hörblase ausstrahlen«. Dieser Vergleich trifft jedoch nicht genau zu, indem die Fibrillen (Fig. 4) anfangs in schmalen, durch ansehn- liche Intervalle getrennte Bündel zusammengedrängt verlaufen, um später allmählich auseinander zu weichen und in gleichmässigeren Distanzen nach dem entgegengesetzten Pole hinzustreben. Vorher treten hier und da Fibrillen in schrägem Verlaufe von einem zum andern Bündel über. Auch verdient besonders bemerkt zu werden, dass sich kleine ovale Kerne in den Verlauf derselben einschieben (Fig. 4°). Sämmtliche Beobachter seit Leydig kennen die epitheliale Auskleidung, auf deren Aussenseite die beschriebenen Nervenfibrillen verlaufen und haben das wunderbare Spiel der langen Wimper- büschel verfolgt, von deren merkwürdigen Bewegungserscheinungen vor Allen Boll eine ebenso eingehende als genaue Beschreibung geliefert hat. Zwischen grosskernigen Zellen eines Pflasterepithels finden sich die grossen unregelmässig sternförmigen Zellen, welche auf einer runden dunkelkörnigen Erhebung wie auf einem »Polster« die Büschel langer Wimperborsten tragen. Jene sind zwar kleiner als die wimpertragenden, aber durchaus nicht in dem Masse, als man nach Boll’s Fig. 48 glauben könnte. Das Grössenverhältniss Das Gehörorgan der Heteropoden. 109 derselben ist wenigstens bei den von mir untersuchten Pferotrachea- arten ein ganz anderes (Fig. 5). Bei Pf. Friderieü finde ich die indifferenten Plattenzellen 0,024 bis 0,03 Mm. gross, während ihre Kerne etwa 0,014 lang und 0,01 bis 0,012 breit sind. Die stern- förmigen wimpertragenden Zellen sind allerdings grösser und ent- halten einen in gleichem Verhältniss grösseren Kern, der wiederum von Boll viel zu klein dargestellt worden ist. Nach dem distalen Pole zu werden die Sternzellen übrigens merklich kleiner, ihre Wimper- büschel schmäler und kürzer. Auch ist die Zahl der Sternzellen viel bedeutender, als die Autoren von Leydig bis auf Boll ange- geben haben. Letzterer zählte in dem Gehörbläschen der kleinern Pierotrachea mutica (möchte doch wohl die häufige Pi. Fri- derici gewesen sein) 15, bei Pt. coronata und Carinaria bis auf 24 solcher Zellen. Ich kann bestimmt versichern, dass die Zahl derselben wohl um das 2- bis 3fache grösser ist. In der mehr schönen als naturgetreuen Abbildung, welche Boll vom Gehörorgan der Pt. coronata gegeben hat, sind die kleineren Zellen ganz übersehen, und dem Meridiane der Schnittebene 10 Polsterzellen mit Haarbüscheln zuertheilt worden, eine Zahl, die schon an und für sich auf eine beträchtlichere Gesammtzahl jener hinweisen würde. Auch muss ich der Auffassung desselben Autors entgegen treten, als repräsentirten die zwischen dem Plattenepithel eingestreuten sternförmigen Polsterzellen eine Art von Hörzellen und die auf dem Polster entspringenden Borstenhaare die »echten Hörhaare«. Viel- mehr stimme ich der frühern und auch von Hasse vertretenen Auffassung bei, nach welcher diese Haarbüschel in die Kategorie von Wimpern oder Cilien gehören. Sicher sind die merkwürdigen auf einem Wechsel von Schwingung und Ruhelage begründeten Be- wegungsphänomene nicht im Stande, die Natur dieser Gebilde als von den Wimpern oder Cilien durchaus verschieden darzuthun und selbst wenn es wahr sein sollte, dass ein Fortsatz jeder Sternzelle sich wie der Axencylinderfortsatz einer Ganglienzelle verhalte und eine äusserst feine Fibrille des Hörnerven aufnehme, so würde hiermit noch ‘ nicht die Natur der zeitweilig schwingenden Haare als Cilien wider- legt, die Bedeutung als Hörhaare noch nicht bewiesen sein. Lässt doch bereits, während seines Verlaufes der Hörnerv Fasern aus- treten, die wahrscheinlich motorischer Natur sind. So wäre es auch möglich, dass er Elemente, durch welche ein Reflexvorgang ver- mittelt wurde, in sich enthielte. Dann aber würde eine sehr inte- 110 C. Claus: ressante Beziehung von Wimperzellen zu Nervenfibrillen vorliegen und die alternirende Thätigkeit und Ruhe der Wimperhaare als vom Nervensystem abhängig betrachtet werden können. Uebrigens halte ich den von Boll urgirten Zusammenhang der Sternzellen mit Nervenfibrillen keineswegs über allen Zweifel dargethan. Boll bemerkt ausdrücklich, dass er den direkten Zusammenhang beider nicht etwa an Isolationspräparaten, sondern in situ zu demon- striren im Stande gewesen sei. Auch mir gelang der erste Nach- weis ebenso wenig, während ich allerdings nach den Bildern der Gehörblasenwand gar oft den gleichen Eindruck des Zusammen- hangs der Fibrillen und Sternzellen aufnahm. Indessen sieht man oft zwei und mehr Fortsätze derselben Nervenzelle in feine Fibrillen auslaufen. Zudem möchten die auf der Hinterseite des Plattenepithels bündelweise verlaufenden Fibrillen in einer so sub- tilen Frage leicht zu Täuschungen Veranlassung geben und ich bestreite diese Bedeutung der Sternzellen als Nervenzellen so lange, als nicht der Zusammenhang mit Fibrillen an Isolationspräparaten dargethan ist. Dahingegen ist es gar nicht schwer, was Boll nicht gelang, den Uebergang der nach dem distalen Pole hin strebenden Nerven- fbrillen mit den Härchenzellen zu demonstriren, die nach Form, Structur und Anordnung unser vollstes Interesse in Anspruch nehmen. Der äussere seitliche Pol, der ziemlich genau der Eintrittsstelle des Gehörnerven gegenüber liegt, bezeichnet den Mittelpunkt einer etwa 1/; der Kugel einnehmenden Fläche, welche anstatt des Platten- epithels hohe Cylinderzellen trägt und demgemäss einen starken Vorsprung in das Lumen der Blase bildet. In der Peripherie beginnt diese runde, bestimmt umschriebene Macula acustica in allmählig aufsteigender Erhebung und enthält hier noch kleinere Wimpern tragende Uebergangszellen zwischen verdickten aber ebenfalls kleineren Zellen des Plattenepithels (Fig. 1 und 2a). Wie bereits Boll be- merkt, sind die Cylinderzellen leicht veränderlich; nach Einwirkung von Ueberosmiumsäure (1 °/, Lösung) aber erhalten sie sich vor- treffich und lassen sich;sogar später nicht schwer isoliren. Setzt man dem frischen Object während der Beobachtung einen Tropfen Ueberosmiumsäure zu, so beobachtet man alsbald, dass die Trübung und Bräunung über das Epithel der Blasenwand nicht gleichmässig vorschreitet, sondern zuerst die Nervenfibrillen und das Cylinder- epithel der Macula acustica trifft. Diese verändert sich zuerst und lässt sich nun in ihrem Verhältniss zu dem umgebenden Platten- Das Gehörorgan der Hetoropoden. 111 epithel scharf bestimmen und begrenzen. Färbt man später nach hinreichender Erhärtung das Präparat mit Garmintinktur, so quillt dies Stratum der Nervenzellen zu bedeutenderer Dicke auf (Fig. 2). Die Cylinderzellen erscheinen bauchig angeschwollen, sämmtlich ge- krümmt und zwar mit dem Ausläufer ihres basalen Endes excentrisch gebogen (Fig. 7‘, 7°). Sie sind bei Pf. Frideriei 0,03 bis 0,04 Mm. lang, abgesehen von dem dichten 0,008 Mm. langen Härchenbüschel, welches sich an dem freien Ende der Zelle erhebt. An diesem er- scheint der Grenzsaum der Zelle merklich verdickt und in Form einer zierlichen 0,004 bis 0,008 breiten Scheibe abgegrenzt, welche offenbar von den zarten Härchen durchsetzt wird. Man überzeugt sich an isolirten Zellen mit Sicherheit, dass die Härchen, die übrigens an ihrem untern Dritttheil wie durch einen Kitt verklebt, fester zusammenhängen, aus punktförmigen Poren der cuticularen Scheibe hervortreten und hinter denselben tief herab in die Substanz der Zelle bis in die Nähe des Kernes verlaufen. Hinter dem nahe der Basis gelegenen (0,006—0,008 grossen) Kerne verjüngt sich die Zelle rasch und entsendet einen schmalen Fortsatz, in welchen die Nervenfibrillen übergehn. An gut erhärteten gefärbten Präparaten verfolgt man die Zusammengehörigkeit der Nervenfibrillen und Zellenausläufer über grössere Strecken der fest an der structurlosen Membran der Blasenwand anheftenden Zellen, aber erst an Zerzupfungspräparaten wird die Wahrschein- lichkeit des Zusammenhangs zur Gewissheit (Fig. 7). Somit dürfte es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass diese den distalen Pol wellförmig umlagernden Härchenzellen zum Nervenepithel gehören und als wahre Hörzellen die Endgebilde des Acusticus darstellen. Aber auch eine andere Zelle gehört in die gleiche Kategorie, nämlich die bereits erwähnte grosse Centralzelle, welche den der Eintrittsstelle des Acusticus gegenüberliegenden Pol einnimmt. Bei einer Höhe von 0,03 Mm. und etwa gleicher Breite veranlasst sie am distalen Pole eine kleine hügelartige Erhebung der äussern Blasenwand (Fig. 2). Ihre Härchen sind nicht länger als die der gekrümmten Cylinderzellen, jedoch in viel grösserer Zahl auf der fast 0,02 Mm. breiten terminalen Scheibe zu einem weit stärkeren Büschel zusammengedrängt. Auch diese grosse urnenförmige Cen- tralzelle gelingt es nicht schwer zu isoliren (Fig. 9‘), häufiger freilich erhält man sie in Verbindung mit einem Stück der structur- losen Membran der Blasenwand (Fig. 9) oder zugleich mit den vier dieselbe umlagernden Stütz- oder vielleicht besser Isolations- 112 C. Claus: Zellen (Fig. 8 und 8‘). Diese von ziemlich gleiche Breite, aber merklich flacher und desshalb eine wallartige Vertiefung um die Centralzelle bildend sind durch zahlreiche faserförmige Fortsätze und Ausläufer an der structurlosen Membran fast verbunden. Trotz- dem erhält man dieselben zuweilen isolirt. (Fig. 8°). Die Central- zelle, deren Härchenfortsätze innerhalb des Protoplasmasma sich genau so wie die der kleineren Cylinderzellen verhalten, verjüngt sich ihre breite Basis für Bildung eines Fortsatzes, der wiederum die gleiche Beziehung zu den Nervenfibrillen hat, wie die Ausläufer der Cylinderzellen. Stellt man.das isolirte Polstück auf die äussere Fläche ein, so beobachtet man fast regelmässig diesen langen Fort- satz, der sich auch an der isolirten Zelle (Fig. 9b) freilich nur ausnahmsweise in der dargestellten Länge erhält. Ein Vergleich mit dem Gehörorgan der Cephalopoden, welches Owsjannikow und Kowalevsky genau untersucht und be- schrieben haben, lässt wohl keinen Zweifel zurück, dass die äqui- valenten Zellen der Macula acustica in dem Epithel der Gehör- scheibe und der Crista acustica zu suchen sind. Hier führt noch ein gewundener Wimpercanal in jede der beiden von Knorpelmasse umlagerten Blasen, ein Canal, dessen Ausmündung merkwürdiger- weise bislang noch Niemand geglückt war nachzuweisen. Nimmt man eben ausgeschlüpfte Jugendformen oder ältere vorgeschrittene Embryona — mir standen Sepiola Rondeletii und Loligo in diesem Alter zu Gebote —, so ist es nicht schwer, die gesuchte Oeffnung des Knorpelganges, so ziemlich über dem äusseren Seitenrand der Gehörblase aufzufinden. (Fig. 10 P.) Wien im April 1875. C. Claus. Das Gehörorgan der Heteropoden. 113 Nachschrift. Noch bevor ich die Correctur des obigen, schon im April d. J. eingesandten Aufsatzes besorgen konnte, wurde ich durch eine in der Zeitschrift für wiss. Zoologie publicirte Arbeit von Joh.Ranke!) überrascht, in welcher ebenfalls das Gehörorgan und der Gehörvor- gang bei Pierotrachea zum Gegenstand einer näheren Unter- suchung gemacht worden ist. Da es nicht mehr möglich war, in dem bereits gesetzten Text meines Aufsatzes auf die Beobach- tungen des genannten Forschers Rücksicht zu nehmen, andererseits bei einigen nicht unwesentlichen Abweichungen der unabhängig von einander angestellten Beobachtungen eine Vergleichung der- selben wünschenswerth wird, so will ich mir in Form einer Nach- schrift einige Bemerkungen über Ranke’s Arbeit hinzuzufügen erlauben. Zunächst möchte ich auf die Punkte hinweisen, in denen un- sere Beobachtungen und Folgerungen zu wesentlich gleichen Ergeb- nissen geführt haben. In erster Linie ist die Zurückweisung der Boll’schen Auffassung hervorzuheben, nach welcher die Polster- zellen mit ihren schwingenden Cilienborsten eine directe Beziehung zu dem acustischen Endapparate gestatteten. Auch Ranke kommt zu dem Resultate, dass diese Zellen mit den langen Cilienbüscheln nicht etwa Nervenzellen mit den Enden der Acusticusfibrillen, son- dern Wimperzellen sind und dass, wenn wirklich Nervenfibrillen an dieselben herantreten, diese auf einen Reflexvorgang Bezug haben. Die scheinbar rhythmische Bewegung der Cilienbüschel, wie sie Boll an frisch ausgeschnittenen Gehörblasen beobachtete, wird als eine Erscheinung des Absterbens, als eine klonische Krampferscheinung des contractilen Gewebes betrachtet, die mit dem Vorgange der Gehörvermittlung nichts zu schaffen habe. Mit mir übereinstimmend findet Ranke, dass die Cilienlänge in weiterem Abstande von der Eintrittsstelle der Nerven beträchtlich abnimmt, ferner, dass die Gesammtzahl der Büschel eine weit grössere ist, als sie von den 1) Zeitsch,. für wiss. Zool. Supplementband XXV, 1. Heft, pag. 77, der Gehörvorgang und das Gehörorgan für Pterotrachea von Prof. Dr. Jo- hannes Ranke in München. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bad. 12, 8 114 C. Claus: bisherigen Beobachtern, welche die zartern derselben übersahen, an- gegeben wurde, und dass die zwischen den Cilien tragenden Zellen ge- legenen indifferenten Epithelzellen eine relativ viel bedeutendere - Grösse haben, als sie Boll beschrieben hat. Bezüglich des wahren acustischen Endapparates haben wir zuerst unabhängig von einander die grosse haartragende Mittelzelle oder Centralzelle beobachtet, die in der mehr schematischen Darstellung Boll’s vollkommen un- berücksichtigt geblieben ist. Wenn aber Ranke die Behandlung mit Osmiumsäure und doppelchromsaurem Kali, die zu so schätz- baren Aufschlüssen über die feinere Structur des Heteropoden-Ohres geführt haben, als die Ursache betrachtet, welche Boll gehindert hätte, die wahren letzten Endigungen des Acusticus aufzufinden, so irrt er entschieden, denn gerade diese Behandlungsweise gestattet den bessern Einblick in die feinsten Details, und ich glaube im Gegentheil behaupten zu können, dass Ranke!), wenn er sich nicht auf die Beobachtung des Präparats in vollkommen frischem Zu- stande beschränkt hätte, eine genauere und bessere Einsicht von dem wahren Sachverhalt der Zellen und Nerven der Macula acustica gewonnen haben würde, insbesondere aber vor dem Irrthum bewahrt worden wäre, die vier Isolationszellen in der Umgebung der Central- zelle für Stäbchen tragende Hörzellen auszugeben, dagegen die Härchen an den concentrisch gruppirten Kreisen von Nervenzellen vollkommen zu übersehen, und die letztern für Zellen eines Ring- ganglions zu halten. Allerdings hat Ranke seiner Untersuchungsmethode des Gehör- organs an der lebenden unverletzten Pterotrachea eine, wenn sie sich bestätigt, überaus interessante Beobachtung zu verdanken, über die ich nichts zu sagen vermag, da ich ausschliesslich ausgeschnittene Gehörblasen untersuchte, die Beobachtung nämlich, dass das Aufrichten der Cilien normal als Wirkung eines stär- keren Schalles erfolgt. »So lange das Thier nicht durch ein Geräusch erschreckt ist, liegen alle Cilienbüschel an der Innen- fläche der Ohrblase an. Bei jedem stärkeren Schall schnellen sie blitzschnell gegen den Otolithen auf, so dass dieser dann in relativ fester Stellung von den Cilien gehalten wird. Dabei verändert der Oto- 1) Ich verdanke, sagt derselbe, die folgenden Resultate allein der Be- obachtung des Präparates im vollkommen frischem Zustande etc. Das Gehörorgan der Heteropoden. 115 lith seinen Platz in dem Obre. Während der Ruhe der Cilien schwebt er in der Mitte der Ohrblase; richten sich die Cilien auf, so rückt er excentrisch, indem er in die Nähe der Innengrenze jener oben erwähnten verdickten Stelle in der Gehörblasenwand gestossen wird« und zwar im Zusammenhang mit der geringern Länge der Wimperbüschel in der Umgebung der verdickten, nervösen Kreis- fläche, die sich im Längsschnitt als Leiste darstellt (vergl. meine Fig. 1, 2,3). Die Beobachtung, dass bei einem stärkern Geräusch die bisher ruhenden Cilien aufschnellen und ein Vorstossen des Ötolithen gegen den acustischen Endapparat bewirken, gelangt Ranke zu der Vorstellung, dass das Aufschnellen der Cilien ein Reflexvorgang (vergleichbar der reflectorischen Bewegung der Iris- muskulatur) sei und dass die Cilienbüschel im Sinne einer Accomo- dationseinrichtung wirken. Bilden diese durch Beobachtungen am lebenden Thiere gestützten physiologischen Erörterungen Ranke’s, welche überaus plausibel scheinen, immerhin jedoch eine nochmalige Untersuchung und Bestätigung wünschenswerth erscheinen lassen, eine Ergänzung zu meiner obigen Darstellung, so glaube ich an- dererseits mit Sicherheit!) behaupten zu können, dass die letztere bezüglich der Structur der Macula acustica Ranke’s Darstellung we- sentlich berichtigt. An der verdickten der Eintrittsstelle des Acusticus gegenüber- liegenden Wandpartie der Ohrblase, die schon Boll als eine Art Cyste oder Macula acustica erwähnt, nach welcher bei der Ein- wirkung des Schalles der Gehörstein hingestossen werden soll, wurde von Ranke mit mir übereinstimmend die Boll unbekannt gebliebene Centralzelle von den umgebenden Zellen unterschieden. Aber sämmtliche übrigen Angaben Ranke’s über die feinere Structur dieses acustischen Apparates muss ich als unrichtig zurückweisen. Allerdings tritt bei seitlicher Einstellung, unter welcher die Wand- verdickung das Aussehen einer vorspringenden Leiste bietet, die mächtige Centralzelle am schärfsten und deutlichsten hervor, keines- wegs aber kann das optische Bild der Umgebung als unklar be- zeichnet werden, weil man etwa Zellen verschiedener Schichten und 1) Ich habe Anlass genommen, die zahlreichen Präparate nochmals ge- nau durchzusehen, um mich wiederholt von der Richtigkeit meiner Detail- angaben Ranke gegenüber zu überzeugen. 116 C. Claus: verschiedener Form vor sich sieht. Wenn mit Recht die Abbildung Boll’s schematisch genannt werden kann, so ist hingegen das de- taillirte von Ranke entworfene Bild geradezu als unrichtig zu be- zeichnen. Was dieser Beobachter als Mittelplatte beschreibt, ist nichts anders als der von den vier Stütz- oder Isolirzellen ge- bildete Wall in der Umgebung der Centralzelle.. Ferner existiren die 4 Aussenzellen als Stäbchen tragende Hörzellen überhaupt nicht, was als solche beschrieben worden ist, erklärt sich aus einer Confundirung peripherischer Theile der Stützzellen mit Härchen- gruppen benachbarter Hörzellenkreise. Dahingegen sind die als Ringganglion gedeuteten Zellenkreise nichts anders als die von mir beschriebenen haartragenden Hörzellen, deren Zahl sich bei den grösseren Arten mindestens auf 70 bis 80 erhebt. Am Grunde der Centralzellen hat auch Ranke die Auftreibung der Hörblasenwand beobachtet. An dieser Stelle lässt er die acustischen Nervenfibrillen von allen Seiten in die Centralzelle eintreten, dann zunächst hori- zontal verlaufen und schliesslich senkrecht aufsteigen, um in die als Hörstäbchen bezeichneten Haare der Krone einzutreten. Dem ge- genüber glaube ich behaupten zu können, dass nur wenige Fibrillen ausschliesslich an einer fadenförmig verlängerten Stelle in die Cen- tralzelle eintreten. Die auf der Flächenansicht (Vergl. Ranke’s Fig. 5) als Nervenfibrillen angesprochenen radiären Fasern über der Mittelplatte sind die Faserbündel der 4 elastischen Stütz- oder Isolationszellen (Fig. 8) und haben mit Nervenfibrillen nichts zu thun. Was Ranke als gelbliche dicke Strahlen bezeichnet, die von den 4 Ecken der Mittelplatte auslaufen und mit ihren Fäden je eine’ srössere fingerförmige Cylinderzelle mit der Hörstäbchenkrone um- fassen sollen, entspricht nur den Grenzen der vier aneinander- stossenden Stützzellen. (Vergl. Fig. 8.) Bezüglich der Krone von Hörstäbchen muss ich hervorheben, dass dieselben von Ranke im Verhältniss viel zu dick dargestellt worden sind. Mir haben sie den Eindruck von starren Härchen gemacht, die an ihrer Basis unmittelbar über der Cuticularscheibe (Ranke’s körniges Polster am oberen Zellenrande) durch eine zähe Substanz mit einander wie verpappt sind. Eine terminale Differenzirung, welche dem mir wohl bekannten glänzenden Knöpfchen der sog. Riechhärchen an der Antennenspitze der Daphnien vergleichbar sei, habe ich nicht beobachtet. Jedenfalls ist die Zahl der Härchen eine viel grössere als die der in der Zelle eintretenden Nervenfibrillen und wenn diese Das Gehörorgan der Heteropoden. 117 letztern im Innern der Zelle in die senkrechten Fibrillen übergehn, welche sich durch die cuticulare Saumscheibe in die Hörhaare ver- folgen lassen, so ist dies nur möglich, indem sich die in die Zelle eintretenden Fibrillen in zahlreiche feinere Fibrillen spalten. Die in ringförmigen Kreisen geordneten Cylinderzellen mit ihren Kleinern kreisförmig geordneten Haarkronen (Vergl. Fig. 7, 7° etc.) nehmen auch nur eine oder zwei Nervenfibrillen auf und verhalten sich im Wesentlichen wie die viel breiteren und grösseren Centralzellen. Diese Zellen hat nun Ranke vollkommen verkannt, indem er ihre Härchenkronen übersah und die punctirten Scheibenkreise, welche die Ursprungsstelle derselben bezeichnen, als die Umrisse vermeint- licher Krone verzeichnete (Vergl. Ranke’s Flächenansicht Fig. 5, und meine Fig. 2, 3. S.) Wien, im Juni 1875. C. Claus. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X. Fig. 1. Gehörblase von Pterotrachea Friederici circa 100fach ver- grössert, Ueberosmiumsäurepräparat. Der natürliche Querschnitt der Macula acustica etwas zu umfangreich eingetragen. a. Ueber- gangzellen mit kürzeren Wimperzellen, b. Hörzellen und c. Cen- tralzelle, d d’ der von vier Isolationszellen gebildete Wall in der Umgebung der letztern, N. a. Nervus acusticus, N Zweig desselben, A. Otolith. Fig. 2. Gehörblase derselben Form, circa 200fach vergrössert. Ueberos- miumpräparat mit Carmin tingirt; die Macula acustica stark auf- gequollen im natürlichen Querschnitt. Wz. Wimperzelle der Wandung. S. Körnchenhaufen oder Scheibenkreise, welche den Vorsprung der Härchen der Hörzellen bezeichnen. Fig. 3. Ein Stück der Gehörblase von Pieroträchea coronata unter derselben Vergrösserung. Ueberosmiumsäure-Präparat. Man sieht die Ausstrahlung der Nervenfibrillen des Acusticus an der Ober- fläche der Wand. Fig. Fig. Fig. Fig. . 4. C. Claus: Das Gehörorgan der Heteropoden. Gehörnerv an seiner Eintrittsstelle in die Blasenwand mit den aus- strahlenden Fibrillen. . Nervenfibrillen derBlasenwand mit kleinenKernen. Hartnack VIII 3: Plattenepithel der Wand mit einer Sternzelle, welche auf feinkör- nigem Polster ein Wimperbüschel trägt. Hartnack VIII 3. Gehirn G, Sehnerven NO, und dGehörorgan von Pierotrachea coronata unter starker Loupenvergrösserung. M und M’ die bei- den Kegel von und Muskelfasern, welche die Gehörblasen tragen. Cylinderzellen der Macula acustica von Pt. coronata isolirt mit den Nervenfibrillen im Zusammenhang. (Hartnack, VIII 3.) . Zwei solcher Zellen noch im Zusammenhang mit der strukturlosen Membran der Blase. . Hörzellen von Pt. Friderici isolirt. Ueberosmiumpräparate mit Carmin tingirt. Centralzelle vom Pole aus betrachtet mit den 4 Stützzellen der Um- gebung. b. Nervenfortsatz der Centralzelle. (Hartnack VI 3.) . Dieselben Gebilde ohne die Fasern, aber mit den Kernen der Iso- lationszelle. . Isolationszelle isolirt. Gentralzelle von Pt. Frideriei an einem Stückchen der struktur- losen Membran haftend, von der Seite betrachtet. (Hartn. VIII 3.) . Eine solche ganz isolirt. . Eine isolirte Centralzelle von der hinteren Fläche betrachtet. a. Scheibe mit den Härchen. b. Nervenfortsatz. Fig. 10. Wimpergang zur Gehörblase eines Loligoembryos mit Porus. P., me & AR SEM, RR f \ N‘ [Po De a KEN ERIE T TRRRR Ku KAT LEPRARENN Fa" rn RE BEER BR Ver N A 1 BE NIE BAT SR BIT ne 07 52 ak, Kr aa WEN BR ' | j DET KERLE N, $ TR BIP URL RRRDN BIER rer ER Ah SPAR zur f a %' in EN { En ir % N at { Ko Ay # [ht Rs \ N Dr REN t RN j a N | ER 1 Kr Anl FL a Bezhte e wi KR . aha n iA Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Von Dr. Franz Leydig in Bonn. Der Gegenstand, welcher in vorliegenden Blättern behandelt wird, hat Anatomen und Zoologen bereits oftmals beschäftigt und und ist trotzdem noch weit davon entfernt, zum Abschlusse gebracht worden zu sein. Denn bei dem Bemühen in den Bau thierischer Organismen immer weiter vorzudringen, eröffnen sich uns nicht nur da und dort Gesichtspunkte auf noch unbetretene Gebiete hin, sondern auch über das Altbekannte und scheinbar Fertige tauchen neue Fragen auf und verlangen ein wiederholtes Prüfen. Für mich lag eine bestimmtere Aufforderung, die Untersuchung der allgemeinen Decke der Amphibien im Anschluss an Früheres wieder aufzunehmen in dem Umstande, dass ich die Herausgabe einer synoptischen Schrift über die auf deutschem Boden einheimischen Reptilien und Amphibien schon einige Zeit her vorbereite. Doch selbst Derjenige, welcher sich auf den rein anatomisch- physiologischen Standpunkt stellt, wird kaum in Abrede bringen wollen, dass die Kenntniss vom Bau der allgemeinen Bedeckungen an Wich- tigkeit zugenommen hat, seitdem immer klarer hervortritt, wie auch dieses Organ um vieles zusammengesetzter ist, als es geschienen hatte, Dann gehört die äussere Haut zu den Systemen, welche beim Embryo in sehr früher Zeit angelegt werden; sie betheiligt sich ferner an der Bildung der höheren Sinnesorgane wie des Auges, des Ohres und Geruchsorganes in bedeutsamster Weise; endlich ist sie bleibender Sitz des Tastsinnes und vielleicht noch anderer Em- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 12. I 120 Franz Leydig: pfindungsarten; ganz abgesehen davon, dass in ihr Drüsenformen von grosser Mannichfaltigkeit verbreitet sind. Aber auch für die systematische Zoologie sind die histologischen Ergebnisse nicht ohne Werth. Denn es muss einleuchten, dass weil die allgemeine Bedeckung von Anfang ihrer Bildung an und die ganze Lebenszeit hindurch mit der Aussenwelt beständig in Be- rührung und Wechselverkehr steht, auch an und in ihr, durch die Besonderheiten im Leben des Thieres, der morphologische Charakter der Species zu deutlicher Ausprägung kommt. Und so erlaube ich mir eine Fortsetzung der Studien über das Integument oben genannter Thiere vorzulegen. Dass ich hierbei auch und zwar theilweise in Form von Beilagen über die Haut der Reptilien einige Nachträge zu Früherem liefere, wird man kaum missbilligen dürfen. Rückblicke und Bemerkungen allgemeiner Art bilden den Schluss der Abhandlung. I. Cuticula. 1. segenwart einer eutieularen Schicht. Will man sich überzeugen, dass Cuticularbildungen auch an der Epidermis vollkommener Amphibien und nicht bloss der Larven, zugegen seien, so wähle man für die Untersuchung zunächst die Höcker in der Handfläche eines Frosches, gleichgültig ob Rana pla- yrrhinus oder Rana esculenta. Dort erstrecken sich über die Kopf- enden der Zellen zusammenhängende Käppchen weg, welche, von gewölbter Form und homogener Natur, nichts anderes als cuticulare Auflagerungen auf der freien Fläche der Zellen sind und bei starker Vergrösserung wegen ihrer Dicke auch die Schichtungsstreifen wahr- nehmen lassen. Aehnliches oder Gleiches lässt sich an den verschiedensten Körperstellen wahrnehmen, z. B. auch an den Hauthöckern der Tritonen. Von Bedeutung für das weitere Verständniss ist es sodann, dass über die meisten Zellen der Epidermis die Cuticula keineswegs ‚in dieser verdickten Form weg geht, sondern nur als dünne homo- Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 12] gene Grenzschicht, man könnte sagen, als einseitig verdickte Mem- bran der Zelle. An Umschlagstellen erscheint desshalb die Cuticula nur wie ein feiner, homogener Saum und im Falle die Hautstelle sehr zart ist, ziehen sich die Abgrenzungslinien auch nur spur- weise hin. 2. Leistenbildung an der gegenseitigen Umgrenzung der Zelle. Betrachtet man mit einer guten Lupe!) die Haut von Dufo vulgaris, so zeigt sie sich nur glatt und glänzend an den Horn- höckern, welche die Warzen der Rückenseite und die grösseren Ballen der Hand- und Fussfläche besetzen; über die sonstige Körperfläche weg erscheint sie hingegen wie fein chagrinirt oder wie zart grubig gegittert. Unter dem Mikroskop klärt sich dies dahin auf, dass die Cuticularschicht der äussersten Zellen der Epi- dermis sich rings um die Zelle in Leisten erhebt, während der mittlere Theil der Zelle muldenartig einsinkt. Auf solche Weise entsteht ein Netzwerk von Leisten oder Kanten über die freie Fläche der Oberhaut hin, das sich im optischen und wirklichen Querschnitt der Epidermis als Zackenbildung zu erkennen gibt. Das Leistenwerk ist Ursache von dem matten Aussehen der Epidermis und das hin- wiederum glänzende Wesen der braunen Hornwarzen rührt davon her, dass allda die Leisten- und Zackenbildung auf den Zellen fehlt, somit ihre Oberfläche glatt und spiegelnd wird. Ganz dieselben Verhältnisse bietet auch die Epidermis von mehreren unserer Wassermolche dar, nachdem sie das Wasser ver- lassen und ihren Aufenthalt auf dem Lande genommen. Bei Triton taeniatus und Triton alpestris zeigt alsdann der umgeschlagene, freie Rand der Epidermis eine scharf hervortretende Zackenlinie, die weiter geprüft sich von zarten Leisten ableitet, welche an den zusammenstossenden Rändern der Zellen sich erheben. Die auf solche Weise bedingten Erhöhungen und Vertiefungen rufen wieder das matte Aussehen der Haut hervor. Dass wirklich die eben erwähnte Beschaffenheit der Haut mit den Leisten und Gruben zusammenhängt, ergab bestätigend die Untersuchung eines Thieres von Triton cristatus, ebenfalls während seines Landaufenthaltes aufgegriffen. Hier bot die Haut nur jene 1) Ich that es mit einer von Steinheil gefertigten. 122 Franz Leydig: grobe Höckerbildung dar, welche, was später zu erörtern sein wird, von den Drüsen herrührt; die Zwischenstellen, oder wenn man will die grösste Fläche der Haut, erschienen nicht matt, sondern glänzend und wie zu vermuthen war, der Grund der Erscheinung lag im Mangel des Leisten- und Zackenwesens. 3. Körnige Sculptur der feinsten Art. Unter diesen Namen bringe ich eine Bildung, die beinahe an der Grenze dessen steht, was wir mit unseren jetzigen optischen Hilfsmitteln zu erreichen im Stande sind und daher auch von mir früher anders gedeutet wurde. Vor Jahren gedenke ich!) von den Epidermiszellen der Schild- kröte und anderer Reptilien einer feinen dichten, eigenthümlichen Punktirung, welche auf der freien Fläche der Epidermiszellen erkennbar sei, und bemerke, dass »man den Gedanken an sichtbare Porenkanäle dabei aufkommen lassen könne«. Wenn ich aber jetzt mit stärkeren Linsen und geschärfter Aufmerksamkeit das punktirte Feld betrachte, so glaube ich zu sehen, dass die Punkte von feinen Höckerchen und Grübchen herrühren, welche über die cuticulare Verdickung der Einzelzelle weggehen. Ja selbst meine frühere Auffassung, als sei die anscheinend senkrechte Streifung in der hohen Cuticularschicht der Larven von Molchen als das Bild von Porencanälen zu deuten, ist mir durch die gegenwärtigen, an den Larven von Salamandra maculosa ange- stellten Studien verdächtig geworden. Bei der Untersuchung mit Tauchlinsen nämlich erscheint der freie Rand der Cuticula im op- tischen Schnitte fein gekerbt; ferner die von den Kerbungen aus- gehenden Linien enden keineswegs am unteren, gegen das Proto- plasma gerichteten Saum der Cuticula, wie es doch sein müsste, wenn die Streifen der Ausdruck von Porenkanälen wären, sondern, indem man den Tubus sanft hebt, ziehen die Linien leicht bogig gekrümmt über das Cuticularkäppchen der Zelle weg. Diese Wahrnehmungen sind kaum anders auszulegen, als dass man eine feinste Leistenbildung annimmt, die im Profil den gekerbten Rand gibt und nach der Fläche die zarten Linien. 1) Lehrbuch der Histologie, 1857, S. 13. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 123 Die feinkörnige Sculptur ist übrigens sehr verbreitet, ich sah sie z. B. bei Hyla arborea, Rana platyrrhinus, Rana esculenta, bei Bufo, bei Menopoma und anderen. 4. Höckrige und schrundige Seulptur der Gliedmassen. Vorgenannte Art von Reliefbildung entwickelt sich im Bereich von Hand und Fuss; sie scheint den Zweck zu haben die Haut- fläche dieser Theile rauher zu machen, um sie dadurch zum Klettern, Graben, Festhalten des Weibchens mehr zu befähigen. Von beson- derem Interesse ist hierbei, dass sich auch in diesen Sculpturen die Verschiedenheit der »Species« in bestimmtester Weise kundgeben kann, in welcher Beziehung die Tritonen vor Allem lehrreich sind. An der grössten einheimischen Art, Zriton ceristatus Laur., sehen wir, dass die Cuticula, welche die äussersten Zellen der Zehen- spitzen überzieht, zwar sich zu Verdickungen hervorwölbt, aber es bleiben die letzteren völlig glatt. Bei Triton alpestris Laur. hingegen ist die gleiche Cuticular- verdickung an der Unterfläche der Zehen nicht glatt, sondern ihre Wölbung zeigt sich von der Fläche gesehen grobschrundig, d.h. es zieht ein manchfach gewundenes Hügel- und Thalwesen darüber hin. Dabei erscheinen die Thäler als helle Züge, die Höhen dagegen sind von mattem, dünklerem Aussehen; im Profil springen die Höhen als grobe Höcker vor. Die zwei so oftmals verwechselten und zusammengeworfenen Arten: Triton taeniatus Schneid. und Zriton heWweticus Razoum. legen auch durch die Sculptur an gedachter Stelle Zeugniss von ihrer Verschiedenheit ab. Triton taeniatus besitzt auf den Zellen der Zehen und Schwimmhautlappen abermals die euticulare Wölbung, welche alsdann in einen oder mehrere Gipfel oder Kämme vorspringt, und selbst wieder durch kleine Höckerbildung feingekörnelt er- scheint. Bei Triton helveticus erhebt sich die Cutieularverdickung der Zelle in einen oder mehrere Vorsprünge, deren Ende mit groben, im Profil als rundliche Zähne vorspringenden Höckern abschliesst. Da die Cuticularschale hier von besonderer Dicke ist, so werden die von der Fläche gesehenen Zellen von drei bis vier scharf ge- zogenen Schichtungslinien umgeben. 124 Franz Leydie: Auch bei Bombinator lässt sich an den Zehenspitzen besagte Art von Sculptur nachweisen, sowohl an den vorderen wie hinteren Gliedmassen. Schon für das freie Auge haben bezeichnete Theile ein härtliches, wie rauhes Aussehen. Unter dem Mikroskop springen die einzelnen Zellen halbkugelig vor, haben ein deutliches, weil dickes, Cuticularkäppchen über sich, welches dann an der. Wölbung dicht mit Buckelchen besetzt erscheint. Nicht minder zeigen die Epidermiszellen der Ballen der Handfläche, z. B. des Daumens, die gleiche Bildung, jedoch springen die Köpfe der Zellen selber nicht so stark vor. Der Ballen der hinteren Füsse, welcher einer sechsten Zehe ähnelt, weist dieselbe Sculptur auf und zwar immer in der Vertheilung, dass die Buckelchen gewissermassen nur eine mittlere Höckerplatte vorstellen, während das Cuticularkäppchen im übrigen Umfang glatt bleibt. Bufo calamita ist bekanntlich ausgezeichnet durch bräunliche Zehenspitzen, was von der dicken und starken Verhornung der Epidermis herrührt. Die äussersten Zellen entwickeln dunkle Cuti- cularhöcker, durch welche die Zehenspitzen rauher und zum Klettern geeigneter werden. Nicht minder ist die braune Epidermis der am Rande der gekerbten Schwimmhaut vorstehenden Verdickungen mit dem gleichen Cuticularbesatz ausgestattet. Die Oberfläche ihrer äussersten Zellen wird rauh und zwar dadurch, dass der mittlere Theil der Zelle sich erhöht, braun wird und kleine Höcker, mit Vertiefungen dazwischen — letztere auch hier wieder als helle Flecken sich abhebend — ausbildet. Denkt man sich diese mittlere, euticular verdickte Partie mit ihren Erhöhungen oder Warzen in recht rie- sigem Massstabe, so könnte man sie z. B. der Kaufläche der Backen- zähne der Schweine vergleichen oder vielleicht noch besser den »a la rustica« zugehauenen Bausteinen. Bei Bufo variabilis haben zwar die Endglieder der Zehen nicht, das stark verhornte Wesen, sondern stellen sich heller und weicher dar, aber die eben gedachte Seulptur fehlt doch nicht und im Feineren besehen prägt sich in ihr auch wieder eine gewisse Speciesver- schiedenheit aus. In gleichem Grade als die Verdickungen des Randes der Schwimmhaut durch horngelbe Farbe von dem Dunkelbraun der gleichen Stellen bei Bufo calamita abweichen, steht auch die Sculptur an Schärfe etwas zurück. Die erwähnten Reliefbildungen sind an den Zehenspitzen so- wohl, wie an den verdickten Rändern der Schwimmhaut auf die Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 125 Gegenden beschränkt, denen das Horngelb oder Hornbraun zukommt; jenseits derselben verschwinden sie. Noch ist die Bemerkung anzu- fügen, dass man an jungen einjährigen Thieren — ich untersuchte bufo calamita auf diesen Punkt — die erörterte Beschaffenheit der Haut noch vermisst; sie muss sich somit erst im späteren Lebens- lauf entwickeln. Mehr noch als an den erwähnten Stellen macht sich die Speciesverschiedenheit ‚unserer Frosch- und Krötenarten an der Sculptur der Daumenschwiele geltend, weshalb sie eine beson- dere Erwähnung verdient, indem ich hiebei vorausschicke, dass die- selbe erst zur Laichzeit sich bildet und daher z. B. im Herbst noch nicht aufgesucht werden kann. Das brünstige Männchen von Rana platyrrhinus mit sehr ge- quollener, dunkler, fast schwarzer Daumenschwiele zeigt auf den bräunlichen Zellen!) eine mittlere, bei geringer Vergrösserung kör- nige Partie, an welcher sich unter starker Vergrösserung, sowohl von der Fläche wie im Profil, bestimmt erkennen lässt, dass die »Körner« lauter einzelne Hervorragungen sind. Bei den an der Spitze der Papille stehenden Zellen ziehen sich sogar die Höcker in Kegel aus, welche zwei bis dreimal länger als die nächsten Hügel sind. Bei Rana esculenta erscheint diese Sculptur, obschon in den Grundzügen mit Rana platyrrhinus übereinstimmend, doch in zwei Punkten verschieden. Die Zellen am Gipfel der Papillen tragen wieder ein ausgeprägtes Höckerwesen, aber die Einzelbuckelchen sind merklich grösser, als bei Rana platyrrhinus, zweitens reichen die mit Höcker besetzten Zellen auch nicht soweit herab, sondern, indem die Buckelchen niedriger und blasser werden, verlieren sie sich bald an den Abhängen der Papillen. Entsprechend dem an sich rauhen Aussehen von Dufo vulgaris geht an der Daumenwarze des Männchens die Einzelzelle der braunen, stark verhornten äusseren Lage, anstatt der kleinen Höcker- chen bei Rana, in einen mittleren dunkelhornbraunen Buckel aus, und gegen die Spitze der Papille hin verlängern sie sich in förm- 1) Noch im Monat Januar ist die Daumenschwiele, obschon bereits stark angeschwollen, doch noch von grauer Farbe; sie nimmt aber bereits im März die oben erwähnte sehr dunkele, fast schwarze Farbe an. 126 Franz Leydig: liche Stäbe oder Stümpfe, welche quer abgestutzt oder noch mit einigen Zacken versehen sind. Abwärts, nach den Seiten der Pa- pille, flachen sich die Buckel zu schuppigen Hervorragungen ab. Bei Bufo calamita stehen an gleichem Orte solche bräunliche Vorsprünge, aber von anderer Gestalt: sie sind niedriger und brei- ter; die freie, quer abgestutzte Fläche des Höckers ist abermals mit niedrigen stumpfen Zacken versehen; zwischen denselben zeigen sich, bei durchgehendem Licht, einer oder mehrere helle Flecken, welche nicht etwa als Kerne gedeutet werden können, sondern das optische Bild von Gruben oder Eintiefungen zwischen den Höckern sind. Es bekommen auf solche Weise die Papillen durch die Her- vorragungen der Zellen, im Profil gesehen, einen geradezu gezäh- nelten Rand. Der Höckerbesatz an den Papillen der in der Brunstzeit eben- falls dunkelbraunen Daumenschwiele bei Bufo variabilis nähert sich wieder mehr der Form von Dufo vulgaris, mdem auf der Einzel- zelle ein brauner glatter Aufsatz vorspringt, doch sind diese Höcker niedriger und wie mir scheint schärfer quer abgestutzt. Nicht unbemerkt ist zu lassen, dass bei allen drei Arten die Ausbildung der Höcker auf den Zellen mit der Grössenzunahme der Papillen einen gewissen Schritt hält. Voranstehende Angaben beziehen sich auf jene Papillen, welche als die grösseren anzu- sprechen sind, also mehr in der Mitte des warzigen Feldes stchen. Die Feuerkröte, Bombinator igneus, verhält sich bezüglich der »Dau- menschwiele« ganz eigenthümlich und steht unter den einheimischen Ba- trachiern für sich da. An den Vordergliedmassen zeigt das Männchen ausser der dornspitzi- gen braunen Schwiele des Daumenballens, des Daumens selber und der zwei nächstliegenden Finger einen auch von Andern bemerkten langgezogenen Fleck oder Insel an der Beugeseite des Vorderarmes, welcher die gleiche Natur besitzt, wie die Schwielen der Finger. Bei manchen Thieren erstreckt sich der Streifen ununterbrochen bis fest zum Ellenbug. Aber auch die hintere Extremität genannten Batrachiers besitzt eine »Daumenschwiele«, was bisher von Niemanden wahrgenommen wurde. Man betrachte die untere Seite des Fusses genauer und es wird sich an der zweiten und dritten Zehe ein schwärzlicher, dorniger Inselfleck darstellen, von durchaus gleicher Natur, auch was die histologischen Einzelheiten an- betrifft, wie die Schwielen der Hand. Die Insel kann in mehrere Stücke zer- fallen, und bei sehr starker Entwicklung habe ich auch an der vierten Zehe noch einen solchen schwarzbraunen stacheligen, scharf umgrenzten Fleck beobachtet. Ueber die allgemeinen Bedeekungen der Amphibien. 127 5. Höcker besonderer Art, verbreitet über einen grossen Theil des Körpers. Vor bereits sechs Jahren, als ich über die Cuticula der Ba- trachier Beobachtungen vorlegte, wurde gezeigt‘), dass alle unsere einheimischen Species von Triton eine Art Wärzchenbildung über die Fläche der Epidermis hin besitzen, in der Weise, dass eine einzige grössere Zelle als Grundlage zu dieser Outicularab- scheidung diene. Für die Besichtigung der Thiere mit der Lupe bedingen die Wärzchen eine feine Körnelung der Haut, während die dem freien Auge erkennbare Granulirung von Drüsen herrührt. An einem weiblichen Thier von Triton taeniatus, das während seines Landaufenthaltes gesammelt wurde, boten die Höcker eine interessante Umbildung dar: sie erschienen unter starker Ver- grösserung wie abgestumpfte Kegel, mit kantigen oder richtiger cannelirten Seiten. Jeder Kegel birgt noch in seinem Inneren eine Zelle, verschieden durch Grösse und körniges Protoplasma von deu gewöhnlichen Epidermiszellen der Umgebung. Die Zelle ist nicht etwa eine einzellige Drüse, denn sie öffnet sich keineswegs nach aussen; vielmehr ist ihre Thätigkeit einzig und allein -auf die Ab- scheidung des cuticularen Kegels, mit seinen nach oben zusammen- neigenden Leisten und Furchen dazwischen, gerichtet. Meist ist der letztere sechs-, ein andermal vieleckig; die Leisten verlaufen auch wohl etwas im Bogen, man könnte sagen rippenähnlich, wodurch der ganze Cuticularkegel an die Form eines Barettes erinnern kann. Ein Exemplar von Triton alpestris, welches zugleich mit dem T. taeniatus auf dem Lande getroffen wurde, besass dieselben kan- tigen Kegel. Auch bei der Gattung Bufo kommen gedachte Bildungen vor; ich sah sie an jungen, einjährigen Thieren von .Dufo vulgaris, Wo übrigens die sonst pyramidalen, mit Leisten versehenen Höcker da und dort zu ganz niedrigen Hügeln herabsanken. Ausserdem habe ich bei genannten Molchen noch eine Höck er- bildung kennen gelernt, die mir nicht völlig klar geworden ist: es sind einzelnstehende, rundliche (nicht kantige) Verdickungen der Cuticula, etwa von der Grösse, wie sich die Ausmündung kleinster 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 20, Tab. IV, Fig. 33. 128 Franz Leydig: Hautdrüsen darstellt. — Etwas Aehnliches begegnet mir bei der Untersuchung desBrillenmolches, Salamandrina perspicillate, dessen Haut, wie unten noch weiter ausgeführt werden soll, mehr mit der Haut der Gattung Triton als mit jener von Salamandra überein- stimmt. An der abgehobenen Epidermis nämlich machen sich an vielen Stellen gewisse Körper bemerklich, welche rundlich von Ge- stalt, durch gelbliche Farbe und glänzendes Wesen trotz ihrer ge- ringen Grösse auffallen müssen. In Kalilauge hellen sie sich etwas auf, quellen auch wohl ein bischen an, bleiben aber sonst im We- sentlichen unverändert und erscheinen als homogene halbkugelige Ver- diekungen der Cuticula nach unten. Trotzdem dass auch gar nichts von einer Oefinung wahrgenommen werden kann, erinnern sie mich doch an die später zu besprechenden Drüsenzellen der Epidermis, so dass ich beinahe die Vermuthung, als ob sie eine Abänderung oder Umbildung derseiben wären, hege. Einer beachtenswerthen Form von Cuticularbildung begegnet man ferner bei Bombinator igneus. Es ist eine Art kammartige Erhebung, die aus der Mitte der Zelle aufragt, ohne über die ganze Ausdehnung der Zelle sich weg zu erstrecken; der Kamm steht in der Längsrichtung des Körpers, etwa im Grossen den Kielen auf dem Rücken der Krokodile vergleichbar. Von der Seite ange- sehen erscheint die Leiste oder der Kamm als ein konischer Vor- sprung oder Dorn der Zelle. Ich finde diese Bildung an Lappen der Epidermis vom Rücken, vermisse sie aber an solchen der Bauch- fläche; gedachte Leisten scheinen überhaupt nur strichweise vorzu- kommen, ähnlich den grösseren Hornhöckern; an den Gliedmassen, z. B. in der Fussfläche, treffe ich dieselben da und dort; an der Schnauze, die überhaupt etwas Glattes hat, scheinen sie zu fehlen, es müssten denn — zur Untersuchung dienten Weingeistexemplare — die äussersten Epidermiszellen abgefallen gewesen sein. Bei den Wassermolchen (Triton) lässt sich nach dem oben Dargelegten in der Beschaffenheit der cuticularen Bildungen, je nachdem das Thier den Wasser- oder Landaufenthalt genommen hat, ein derartiger Unterschied wahrnehmen, dass beim Wasser- aufenthalt während der Laichzeit die Cuticularkäppchen niedriger, rundlich und glatttlächig sind, und die Leistenbildung auf der übri- gen freien Fläche der Oberhaut ganz fehlt. Zur Zeit des Land- Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 129 aufenthaltes hingegen, im Herbst und Winter, nehmen die Cuti- cularwarzen an Höhe zu und die früher glatten Flächen entwickeln nten mit Furchen dazwischen, sowie auch die ganze übrige Cu- ticula jetzt Leisten hervortreibt, welche im optischen Schnitt sich als feine Zackenbildung der Haut ankündigt. Die vergleichende Betrachtung solcher Thatsachen könnte uns zur Annahme führen, dass das kantige Wesen der Höcker, sowie die Leistehen der übrigen Hautfläche, einfach auf mechanischem Wege entstanden wären: in dem einen Fall durch Quellung wäh- rend das Thier im Wasser lebt, und in dem andern durch Ein- schrumpfen beim anhaltenden Verweilen in der Luft. Obschon nun als gewiss anzunehmen sein wird, dass die so entgegengesetzte Ein- wirkung von Wasser und Luft die nächste Veranlassung zur Um- bildung war, so darf man andererseits auch wohl sich denken, dass die besagte Veränderung nicht den rein mechanischen Vorgängen zuzuzählen sei; vielmehr steht wohl ausser Zweifel, dass die Lebensthätigkeit des Protoplasma bestimmend mitgewirkt habe. Ich bin der Ansicht, dass der Vorgang in ähnlicher Weise zusammen- hängt und verläuft, wie etwa Pflanzen der Wüste hart und holzig werden, sich mit Flaum überziehen, Stacheln treiben, oder ihre Blattgebilde in Dornen umsetzen. 6. Larvenzähne der ungeschwänzten Batrachier. Ein sehr ausgesprochenes Beispiel von Cuticularbildung sind die an der Grenze zwischen äusserer Haut und Mundschleimhaut stehenden, in Bogenreihen angeordneten Zähne der Frosch- und Krötenlarven. Ich habe sie gegenwärtig von Rana esculenta und Bombinator igneus untersucht, allwo sie zunächst den leistenartigen Verdickun-. gen des Epithels angehören. Die Zellen, welche die Zähne abson- dern, erscheinen längsreihig übereinander geordnet ; die unteren haben im frischen Thiere keine Membran, sondern stellen körnige Ballen dar, aus deren Innerem ein grösserer heller Kern mit Kernkörper hervorsieht. Nach Einwirkung von Reagentien, Müller’scher Flüssig- keit z. B., nimmt allerdings der bis dahin membranlos scheinende Zellenleib eine scharfe hautartige Begrenzung an, indem wahrschein- lich die Anfänge der späteren Cuticularabscheidung im weichsten Zustande schon begonnen haben und jetzt durch die härtende Flüs- 130 Franz Leydig: sigkeit zur Erscheinung gebracht wird. Weiter nach oben hin hat die Zelle ein derbhäutiges Käppchen abgesetzt, das flach und löffel- förmig gekrümmt, an den Rändern in Zacken ausgeht. Anfänglich farblos, wird diese Cuticula oder Zahnsubstanz später dunkel, z Theil tiefschwarz. In Glycerinpräparaten hebt sich der cuticulare Zahn als etwas Selbständiges in schärfster Umgrenzung vom Zel- lenleib ab. Beim Vergleichen einer grösseren Anzahl von Zähnen macht sich auch bemerklich, dass der Zellenleib jenseits des Kerns in die Höhe gewachsen und dabei streifig geworden ist und sich so tief in das cuticulare Käppchen hineinzieht. Man darf daraus schliessen, dass die Zelle zuerst in einen sich später verflachenden Zapfen nach oben wächst und dabei den Zahn abscheidet. Das Ganze entspricht durchaus dem, was über die Zellen mit Cutieula und Sculptur von anderen Körpergegenden vorgebracht wurde und insbesondere erblicke ich in den zackigen Vorsprüngen des euticularen Zahnkäppchens eine den sonstigen Sculpturhöckern und Leisten gleichwerthige Bildung. An den zwei gezacktrandigen Hornplatten, welche nach ein- wärts von den Zahnreihen bestehen und etwa jenen Zahnplatten ent- sprechen, welche bei Petromyzon eine Art Ober- und Unterkinnlade vorstellen, lässt sich der Uebergang von einer bleibend dünnen Cu- ticula zu einem dicken zahnartigen Käppchen gut verfolgen. An den dunklen »verhornten« Epithelzellen ihrer Seitenflächen könnte man die Cuticula, welche sich nur an Umschlagsrändern als feinster Saum kundgibt, in Abrede stellen, während durch Verdickung die Randzacken der Platte einen derben hohlen Cuticuiarkegel über sich haben. 7. Historische und kritische Bemerkungen. Die erste Beobachtung, dass bei Wirbelthieren, ähnlich wie bei Wirbellosen, nicht blos ceuticulare Abscheidungen vorkommen, son- dern letztere auch besondere Reliefbildungen entwickeln, rührt von mir her. Vor langer Zeit bereits hatte ich mitzutheilen, dass an den Ruthen von Lacerta'!) ein Epithel sich fände, welches durch knopfförmige Verdickungen mit Höckerbesatz ausgezeichnet wäre. 1) Lehrbuch d. Histologie, 1857, S. 505, Fig. 246; ergänzende Anga- ben in der Schrift: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 143. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 131 Darauf hatte ich zu berichten, dass cuticulare Abscheidungen der Epidermiszellen bei Schlangen bestimmte Höckerbildungen er- zeugen !). Weiterhin beschrieb Eilhard Schulze?) warzige Erhebungen auf den Epidermiszellen der Daumenschwiele von Ranaesculenta, sodann viel stärkere, theils rundlich-buckelförmige, theils kegelförmige Er- habenheiten auf Epidermisplatten bei Pipa dorsigera, endlich sehr merkwürdige, flammenförmige Bildungen auf den Epidermiszellen gewisser Fische (Hippocampus). Cartier?) hat in seinen Studien über den feineren Bau der Epidermis bei den Geckotiden eine ganze Reihe von Cuticularbil- dungen von der Hautfläche der genannten Thiere kennen gelehrt: kleine, glänzende Schüppchen auf der Rückenseite; feine, härchen- artige Bildungen; ferner Leisten, welche ein zierliches Maschenwerk herstellen; auch bezüglich der Haare der Haftlappen wies er nach, dass sie zu den cuticularen Abscheidungen gehören. Vor Kurzem gedachte ich der Cuticula der Schlangen und ihrer Sculptur in ausführlicher Weise *). Jüngst hat endlich Langer- hans?) von Petromyzon Cuticularfortsätze besprochen, welche in be- trächtlicher Dicke sich auf der Mitte von Epidermiszellen erheben. Die Angaben der beiden erstgenannten Beobachter weichen in einigen wesentlichen Zügen von meiner Auffassung ab. Nach Eil- hard Schulze habe man es bei den mit Höckern besetzten Zel- len an der Daumenschwiele des Frosches nicht mit einer cuticu- laren Ablagerung zu thun, sondern mit »verhornten Zellen«; ebenso sei es bei den von ihm dargelegten Verhältnissen der Pıpa. Hin- gegen betrachtet er die „Flammenkegel« auf der Haut von Hippo- campus als wirkliche Cutieularbildungen. 1) Organe eines sechsten Sinnes. 1868, z.B. 93. (Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV.) 2) Ueber Cutieularbildungen und Verhornungen von Epithelzellen bei den Wirbelthieren; Arch. f. mikrosk. Anat. 1869. Vergl. auch Fig. III auf Tab. I bei Ciaceio, Intorno alla minuta Fabbrica della pelle della Rana escu- lenta. Palermo 1867. 3) Verh. d. Würzburger phys. med. Gesellschaft, 1872. 4) Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. Er- ster Artikel: Die Haut einheimischer Ophidier, Arch. f. mikrosk. Anat. 1873. 5) Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Verh. d. naturf. Gesell- schaft zu Freiburg i. Br. 1873. 132 Franz Leydig: Cartier hebt hervor, dass die homogene Grenzschicht der Epidermis bei Geckotiden, obwohl sie sich auf keinerlei Weise in zellige Elemente zerlegen lasse, doch nicht als eine Cuticula anzu- sehen sei, sondern als hervorgegangen aus einem Verschmelzungs- process der Epidermiszellen. Diesen Einwürfen gegenüber ist es wohl nöthig den Stand- punkt, welchen ich in der obschwebenden Frage einnehme, genauer zu bezeichnen. Ich gehe auf Grund meiner Erfahrungen davon aus, dass die Zelle an sich keine Membran besitzt, sondern einen hüllenlosen Protoplasmaballen vorstelit. Eine Membran kann an der Zelle zu Wege kommen: 1) durch Erhärtung der Rindenschicht des Protoplasma, wie ich es z. B. an der Dotterhaut des Insecteneies!) beobachtet habe, 2) durch Ab- scheidung einer Substanz über die Grenze des Protoplasma hinaus. Alles was auf die letztere Weise entweder rings um die Zelle, oder nur an einem Theil des Zellenkörpers hautartig sich absetzt, fällt unter den Begriff der Cuticularbildung ?). Und so durfte ich bei Coecilia?) von einer Cuticula sprechen, in dem gleichen Sinn, als ich später*) bei andern Batrachiern die nämliche Bezeichnung für den homogenen Grenzsaum der äussersten Epidermiszellen in Anspruch nahm; eine unmittelbare Fortsetzung dieser Cuticularschicht bilden auch die von mir seiner Zeit bei Ooe- cilia und Rana abgebildeten Fortsätze, welche sich schlauchartig in die Drüsenöffnung hineinziehen. Ist die abscheidende Epidermiszelle hoch, cylinderförmig und ihr Protoplasma deutlich körnig, so hebt sich der Cuticularsaum so klar und scharf vom Zellenleib ab, dass wohl Niemand die dem- selben von mir beigelegte Bedeutung zu beanstanden Willens sein wird. Ich verweise z. B. auf meine Abbildung und Beschreibung 1) Eierstock und Samentasche d. Insecten. Nov. act. acad. Leop. Ca- rol. Vol. XXXII. 2) Bezüglich weiterer Nachweise erlaube ich mir an mein Buch: Vom Bau des thierischen Körpers, Tübingen 1864, z. B. S. 25, S. 34, zu erinnern. 3) Ueber d. Schleichenlurche, Ztschrft. f. wiss. Zoologie. Bd. XVII. 4) Organe e. sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 133 der Epidermiszellen von den Fussballen des Laubfrosches!); ein gleiches lässt sich an den Höckern der Handfläche von Rana wahr- nehmen. y Sind jedoch die äussersten Epidermiszellen sehr flach geworden, und ist ihr Protoplasma fast geschwunden, dann tritt der Fall ein, wo die Bezeichnung »ganz fiache Zelle mit Cuticularsaum«, von den Beobachtern, welche meine Auffassung nicht gelten lassen wollen, mit dem Namen »verhornte Zelle« vertauscht wird. Man wolle, um zunächst bei den früheren Darstellungen zu bleiben, auf meine Zeichnung über die Epidermis von Triton tae- niatus?) und auf den optischen Durchschnitt, weichen Eilhard Schulze von derselben Haut und demselben Thier 3) veröffentlicht hat, einen vergleichenden Blick werfen. In beiden Abbildungen, welche ganz unabhängig von einander entstanden sind, und wovon jede nach der individuellen Art des Autors behandelt sich zeigt, sieht man in übereinstimmender Weise eine helle homogene Grenz- lage, dicker da, wo grössere rundliche, höckerartige Zellen den Grund bilden, dünner dort, wo die gewöhnlichen Epidermiszellen sich darunter ausbreiten. Für mich nun ist dieser Saum eine durch Abscheidung verdickte Zellenmembran, mit anderem Ausdruck, eine Cuticula. Eilhard Schulze hingegen spricht von »verhornten Zellen«, was immerhin etwas auffallen darf, da er ja mit den »Flammenzellen« ebenfalls cuticulare Kappen oder Deckel in schöner und gewiss sehr richtiger Weise uns kennen gelehrt hat. — Auch die Larvenzähne der Frösche und Kröten sind nach ihm nicht Cu- ticularerzeugnisse, sondern verhornte Zellen, was abermals sehr gegen meine oben dargelegten Wahrnehmungen streitet). Nach meinen Auffassungen bestehen bezüglich der von mir 1) a. a. O. Taf. I, Fig. 6. 2) a. a. O. Taf. IV, Fig. 33. 5) a. a. O0. Taf. XVII, Fig. 3. 4) Man sehe auch van Bambeke’s Untersuchungen über die Struc- tur der Larvenzähne der Batrachier in den Bulletins d. l’acad. d. Belgique, T. XVI. Denn obschon der genannte Beobachter sich nicht um die obige Frage kümmert, so scheinen doch seine Worte auf Seite 12, welche sich auf die Entwicklung der Zähne aus der Zelle beziehen, mit meiner Auffassung übereinzustimmen. Und auch bei den Kieferleisten kommt er (8.16) zu dem Ausspruch, dass es sich nicht einfach um eine Zusammenpressung und um ein Uebereinanderlegen von Zellen handeln könne. 134 Franz Leydige: und Andern gegebenen Beobachtungen keine wirklichen das Wesen der Sache berührenden Unterschiede, sondern nur stufenweise Ver- schiedenheiten der Ausbildung: in den einen Fällen ist die Schicht zart und flach, in andern dick und in die Höhe steigend. Es will mir scheinen, als ob Eilhard Schulze sich durch zwei Vorkommnisse hat bestimmen lassen, das einemal den Saum für verhornte Zellen, ein andermal für cuticulare Abscheidungen zu erklären. Zuerst sah und zeichnete er »Kernreste«, welche der untern Seite der abgestossenen Epidermisplatte anhaften. Bedenkt man aber, dass die äussersten Zellen an sich sehr flach geworden und für die Häutung reif, also abgestorben waren, so mag ein sol- cher Kernrest als festerer Theil, während der Zellenleib schon zer- fallen war, an den Platten gar wohl sitzen bleiben, ohne dass damit die Entstehung und Bedeutung des homogenen Saumes anders her- zuleiten wäre; an den grossen sich nach aussen halbkugelig vorwöl- benden Zellen war nichts mehr von einem Kernrest, wohl aber Spuren des geschwundenen Zelleninhaltes zu sehen. Der andere Punct, welcher bestimmend eingewirkt haben mag, war die Anwesenheit von körnigem Pigment in der »gleichmässig lichtbrechenden und homogenen Substanz«, von welcher unser Be- obachter indessen selbst bemerken muss, dass »man sich zur Auf- fassung verleiten lassen könne, als ob hier cuticulare Bildungen vorlägen«. Ich kann aber unmöglich der Anwesenheit von Pigment- körnchen in der cuticularen Substanz ein Gewicht gegen meine Betrachtungsweise zuerkennen, wenn ich mir vergegenwärtige, dass nicht blos Pigmentkörner aus dem Protoplasma der abscheidenden Zelle, sondern sogar auch fremde Gebilde in die Lagen von Cuti- cularbildungen eingeschlossen werden können. Es mag im Augen- blicke von den Fällen ganz abgesehen werden, wo zwischen die homogene geschichtete Substanz dicker Cutieularabscheidungen Zellen mit hineingerathen sind), und will nur eine neuere von mir ermit- telte Thatsache in Folgendem reden lassen. Schon längere Zeit mit Studien über unsere Nacktschnecken abwechselnd beschäftigt, untersuchte ich den Lippensaum von Zi- max marginatus Drap., allwo über den hohen Epithelzellen eine deutliche Cuticularschicht von ziemlicher Dieke sich hinzieht. An einer Stelle traf ich bei einem Thier, mitten zwischen die homoge- 1) Vergl. mein Lehrbuch d. Histologie, 3. 334. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 135 nen Schichten der Cuticula eingebettet und von ihnen rings um- schlossen, einen kleinen Haufen, etwa sechs, fremder Körper, die auf den ersten Blick als Gebilde sich ausweisen, welche mit den histologischen Elementen des Schneckenleibes nichts zu schaffen haben. Es waren braune Körper von rundlicher Form und bestimm- tem Umriss, nach Allem zu urtheilen in den Kreis einzelliger Pflanzen gehörig; dieselben mochten wohl ursprünglich der noch weichen unfertigen Cuticula sich angeheftet haben, von den nachfolgenden Schichten überdeckt und so in die festgewordene Lage eingeschlossen worden sein. Eine ähnliche Bewandtniss hat es wahrscheinlich auch mit der im Magen der Muscheln vorkommenden und unter dem Namen »Krystallstiel«e bekannten Cuticularbildung. In Schmidt’s Hand- buch der vergleichenden Anatomie wird darüber geäussert: man sehe an feinen Querschnitten des Krystallstieles eine äusserst zarte, concentrische Schichtung, wie Jahresringe. Durchsetzt sei der Stiel von einem, oft bis zum Verschwinden feinen, an den Enden jedoch weiteren Canal mit Darmcontentis, Bacillarien, Räderthieren u. s. f., die auch zwischen den Schichten anzutreffen seien. Das ganze bisher räthselhafte Produot scheine nichts anderes zu sein, als ein zur Umhüllung des Gefressenen dienendes Darmsecret, wodurch die Contenten aufgelöst werden. Ich meine es sei im Zusammenhange mit Obigem richtiger anzunehmen, dass im Krystallstiel sich in grösserem Massstabe und häufiger das wiederholt, was vorhin von der Cuticula des Mundsaumes berichtet wurde. Die Aufstellungen Cartier’s zwischen dem, was Cuticular- bildung sei und was nicht, kann ich noch weniger gelten lassen, als die Einwürfe Schulze’s. Bei Letzterem werden, da er einmal nur »verhornte Zellen« annimmt, in folgerichtiger Weise die von ihm bei den Amphibien beobachteten Höcker, Stacheln und Anderes für Theile des Zellenkörpers erklärt. Cartier hingegen, obschon er die homogene äusserste Lage der Epidermis bei Geckotiden, welche auf keine Weise in zellige Elemente zu zerlegen war, aus einem Verschmelzungsprocess der Epidermiszellen hervorgehen lässt, hält dennoch die mancherlei Leisten, Zäpfchen, Schüppchen auf dieser Schicht für wirkliche Cuticularbildungen. Nach meiner bis- herigen Erfahrung in diesen Dingen wäre das etwa so, wie wenn man die Leisten, Höcker, Borsten im Inneren der Tracheen eines Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12, 10 136 Franz Leydig: Inseetes zwar für Cuticularbildungen ansprechen wollte, nicht aber die Lage, von der sie sich erheben und von der sie sich nicht durch ihre Substanz, sondern nur in der Form unterscheiden. Recht zu dieser Frage gehörig und sie gut beleuchtend sind die Zeichnungen bei Langerhans!). Auch sie betreffen die Epi- dermis eines Wirbelthieres und zeigen Zellen, deren Protoplasma und Kern noch in voller Thätigkeit sind, aber dünnere und dickere Guticularfortsätze über sich abgeschieden haben, welche schon in Form und Durchmesser an die in Rede stehenden Bildungen bei Amphibien erinnern. Wir haben schliesslich, um in dieser Angelegenheit zu einer Verständigung zu kommen, uns in bestimmterer Weise die Frage vorzulegen, was denn eigentlich eine »verhornte« Zelle sei? Und da geht meine Meinung dahin, dass die »Verhornung«, das heisst Erhärtung durch Lebensthätigkeit, nicht die eigentliche Zellsubstanz oder das Protoplasma betreffen kann, sondern nur die von letzterem nach aussen abgeschiedenen, also cuticularen Schichten. Wir können uns eine »verhornte« Zelle kaum anders vorstellen, denn als eine solche, deren eigentlicher Leib nach und mach einging, während die Membran- oder Capselschichten einem Erhärtungsprocess verfielen. Der Angelpunct in der obschwebenden Frage wird demnach der sein, ob die Zelle der äussersten Lage der Epidermis bei Am- phibien und Reptilien nur einen Deckel abscheidet, der, wenn mit der gleichen Ablagerung der nächstliegenden Zelle zusammenfliessend, eine hautartige »Cutieula« erzeugt — und dahin gehen meine Be- obachtungen —; oder ob eine Capsel auf der plattgewordenen Zelle, sowohl oben als auch unten, sich abscheidet und auf solche Weise die ganze Zelle, genauer gesagt eine ringsumgehende Capsel, zur homogenen für sich bleibenden Platte wird. Solche Zellen allein würden, wie ich dafür halte, die Bezeichnung »verhornte« in rech- tem Sinne verdienen. Eilhard Schulze, obschon er sich bezüglich der Amphibien wahrscheinlich zu letzterer Ansicht bekennen wird, hätte dann in dem von ihm gelieferten optischen Durchschnitt der Epidermis noch unterhalb der Kerne eine Linie sehen und anbringen müssen, welche aber in der Zeichnung fehlt, auch wohl in der Natur nicht vorhanden war. l) a. a. O. Taf. IV, Fig. 3. Fig. 4. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 137 Vielleicht wirkt auch die besondere Form der Sceulptur, in welche die freie Cuticularfläche sich umbilden soll, auf die beregten Unter- schiede zurück. Die oben besagte höckerige und schrundige Be- schaffenheit der Hautfläche der Batrachier hält sich immer genau an die einzelne Zelle und beschränkt sich auf deren Mitte; in solchem Fall kann ein Zusammenschmelzen des die Sculptur tra- genden Deckels ausbleiben. Ist die Mitte der Zelle hingegen ver- tieft und der Rand zur cuticularen Leiste erhoben, so hat sich eine zusammenhängende Haut erzeugt. Die streifige Sculptur der Schlan- gen, welche aus ineinander fliessenden Linien besteht, macht eben- falls einen völligen Verschmelzungsprocess nothwendig. Es lassen sich an Batrachiern auch Wahrnehmungen sammeln, aus denen hervorgeht, dass sich über der einzelnen Zelle eine ganze Anzahl von Platten abscheidet und aufschichtet, die glatt und ohne Sculptur bleiben; der Zellenleib schwindet, der Kern ist schatten- haft geworden, ohne dass die Platten seitlich mit einander zu einer Haut verwachsen wären. Man findet vielmehr schliesslich als »äusserste Zellen« der Epidermis eckige, homogene Tafeln, die, von der Seite angesehen, wegen ihrer Schichtungslinien etwa wie ein scharf zugeschnittener Papierstoss sich darstellen. Noch näher läge es, sie mit der polygonalen geschichteten Hornhaut aus dem facet- tirten Auge eines Arthropoden zu vergleichen; denn eine derartige Facette, isolirt gedacht und in der Seitenansicht, würde das Bild des Cuticularplättehens (Zelle) vollkommen wiederholen. Ich habe mir hiehergehörige Fälle angemerkt von mehreren einheimischen Thieren: z. B. von Hyla arborea, Triton eristatus, von aussereuro- päischen z. B. von Bufo japonicus. Aus- voranstehenden Mittheilungen lassen sich folgende Puncte als bemerkenswerthe Ergebnisse bezeichnen: 1. Die Cuticula auf der Epidermis ausgebildeter Batrachier kann so dünn sein, dass sie nur von der Zellenmembran vorge- stellt wird. | 2. In andern Fällen ist die Cuticula dick und geschichtet. . Ihre Oberfläche kann einfach und glatt sein. 4. Oder die freie Fläche zeigt Sculpturbildungen in feinerer oder sröberer Form. © 138 Franz Leydig: 5. Die Cuticularplatten oder Deckel der Zellen bleiben für sich und verwachsen nicht. Oder 6. durch Verschmelzen der Cuticularplatten entsteht ein zusam- menhängendes Häutchen über die Epidermis hin. II. Epidermis. 1. Scheidung in Horn- und Schleimschicht. Ich habe schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass man an der Epidermis aller Wirbelthiere, selbst an der weichen und schleimartig anzufühlenden Haut der Fische, eine Scheidung in zwei Hauptlagen: Horn- und Schleimschicht, wahrnehmen könne, Und so ist es denn auch bei allen unseren einheimischen Amphibien, mag die Epidermis dünn oder dick sein. Bei grabenden Arten, den ächten Kröten (Dufo) insbesondere, kommen verdickte und verhornte, alsdann diffus bräunlich gefärbte Partien der Epidermis an den Gliedmassen vor, so namentlich an den Zehenspitzen und den Fusshöckern (metacarpi et metatarsi calla). Es verdient Erwähnung, dass bei Bufo die Zellen dieser Hornlagen alle von höchst abgeplatteter Form sind, es erscheint gewissermassen die ganze Zelle zu selbstständig bleibenden Cuticular- plättchen umgewandelt; während bei Fröschen (Rana) an entspre- chendem Orte, z. B. an den Fusshöckern, andere Verhältnisse ein- treten. Hier sehen wir die äussersten Zellen von kugeliger Gestalt, mit rundem scharfem Kern und vollständig bleibendem körnigen Protoplasma. Das nach aussen gewölbte Ende der Zellen oder ihr Kopf hat ein deutliches Cuticularkäppchen abgeschieden. Auf der übrigen Fläche von Hand und Fuss, also abgesehen von den »Ballen«, ist die Epidermis wieder von gewöhnlicher Art, insofern Lagen platter Zellen nach aussen die Grenze bilden. Die obersten Zellen der Epidermis haben an den Fussballen, wie mir dies namentlich bei den verschiedenen Arten von Bufo, dann auch Ayla, aufgefallen ist, ein gewisses spiegelndes Wesen, man könnte sagen, einen Fettglanz an sich und er scheint keines- wegs bloss von der glatten Beschaffenheit der Flächen herzurühren, sondern wie auf einer Art Einölung zu beruhen. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 139 2. Hornhöcker. Mehr Beachtung, als es bisher geschehen, verdienen Höcker oder stachelartige Auswüchse, welche auf der Haut stehen und reine Erzeugnisse der Epidermis sind, aber in den Schriften der systema- tischen Zoologie gewöhnlich mit den »Hautwarzen« zusammengewor- fen werden. Die Haut des Bombinator igneus zeigt für die Lupe sowohl grössere, braune, von den Warzen zu unterscheidende Dornen, als auch auf den Warzen selber, so wie dazwischen eine Menge kleine- rer Spitzen; sie sind zum Theil nicht mehr braun, sondern farblos oder besitzen höchstens einen Anflug von Braun. Ueber die beson- dere Vertheilung und wie sich hierin die beiden Geschlechter ver- halten, wird an einem andern Ort Auskunft zu geben sein. Hier mag erwähnt werden, dass die grossen Hornstacheln an ihrem Gipfel, und, bestimmt abgesetzt von diesem, noch einen besonderen helleren Aufsatz haben, während die kleinen Dornen einfach sich zuspitzen. Die kleinsten Dornen gehen über in die oben erwähnte Leiste oder den Kamm der einzelnen Epidermiszelle. Bei Bufo vulgaris haben die Hornhöcker auf den Warzen einen solchen Umfang, dass sie längst bemerkt wurden. Die Dornen sind von Farbe braun, nur die Gipfelspitze ist hell und farblos. .Bufo variabilis besitzt mehr horngelbe Dornen, die besonders wieder gegen die Spitze hin ein durchscheinendes Wesen an sich haben. Ausser dem grossen Hornhöcker können auf den Warzen noch eine ganze Anzahl feinerer sitzen; hingegen fehlt der Epidermis im Uebrigen die Leisten- oder Zackenbildung. Bei Bufo calamita mangeln die Hornhöcker. Viele und eigentlich die Mehrzahl der Zoologen begnügen sich seit Linne von der Haut des Bombinator zu sagen, dass sie sehr warzig sei). Indessen haben doch schon Autoren des vorigen Jahrhunderts, vielleicht zuerst Bradley (1739) bemerkt, dass die Haut der krötenartigen Batrachier nicht blos »verrucosum« sei; es heisst z. B. bei Valisnieri?) von gegen- wärtigem Thier: »con la pelle scabrosa e bernocoluta«e. Auch die Angabe bei Laurenti°): »omnibus his (sc. verrucis) punctum nigricans veluti cen- 1) z. B. Merrem, Tentamen syst. amphib. 1820: »dorso dense verru- coso«; Wagler, natürl. System der Amphib. 1830: »corpus dense verrucis teetum«. 2) Saggio de storia naturale, T. III. 3) Synopsis reptilium, 1768; übergegangen z. B. in Sturm’s: Deutsch- 140 Franz Leydig: trum inscriptum est«, kann sich nur auf die grösseren Dornen beziehen. Am genauesten drücken sich bisher Bibron und Dumeril aus, indem sie sagen, dass dieWarzen der Haut rauh seien von kleinen Dornen!). Auch de Betta ist auf diese Bildungen aufmerksam gewesen; doch sollen sie nach ihm nur hie und da vorkommen; möglicherweise sind sie an den italienischen Thie- ren nicht so allgemein verbreitet, oder sie waren an Weingeistexemplaren abgefallen ?). Ich habe sie wenigstens bei keinem der mir bisher durch die Hände gegangenen deutschen Thiere vermisst. Im Hinblick auf Bufo vulgaris meine ich, dass bereits Linne mit dem Worte »exasperatum«, das er neben »tubercula« gebraucht, das »Dornspitzige« der Warzen ausdrücken wollte. Bibron und Dumeril gedenken ihrer aus- drücklich, während allerdings noch Manche, und zwar in sonst ausführlichen Beschreibungen, die Haut blos »verrucosus« nennen. An jüngeren Individuen von Dufo vulgaris ist hin und wie- der dieses System von Epidermisstacheln mehr entwickelt als spä- ter, ähnlich wie auch bei niederen Thieren, z. B. bei den Gaste- ropoden, Haare auf den jugendlichen Schalen sich erzeugen, die später eingehen. Menke?), indem er nachweist, dass Linne’s Rana rubeta nur eine junge Dufo vulgaris ist, bemerkt: »Ihre Haut ist beim Anfühlen rauh und rauscht, wenn man mit dem Finger darüber streicht.« Nach meiner Erfahrung erklärt sich diese Eigen- schaft aus der Zacken- und Stachelbildung der Epidermis und bei Thieren südlicheren Vorkommens tritt dies in der Jugend noch mehr hervor. Ich besitze ein etwa zweijähriges Exemplar, das bei Völs in Südtirol gefangen wurde und über und über rauh und stachelig im höchsten Grade ist. Solche Thiere gaben wohl Veranlassung zur Aufstellung des Dufo spinosus Daud.*). Ein Schnitt durch die Haut lehrt, dass hier dreierlei Formen von Dornhöckern zugegen seien: 1. die ganz feinen Cuticularleisten, welche im Profil gesehen eine Zackenbildung vorstellen; 2. mittlere, doch ebenfalls noch mi- kroskopische Hornhöcker; und 3. die grossen Stacheln, welche an lands Fauna III. Abth. Heft, 1797, »Die Warzen haben in der Mitte einen schwarzen Punct«. 1) Erpetologie generale T. VIU, 1841, »le dessus du corps entierement couvert, de verrues ... .. et parfois herrissees de petites Epines.« 2) Erpetologia delle provincie Venete e del Tirolo meridionale. 1857, »tutta la cute & sparsa di dense ed irregolari verruche e bernoculata, e qualche volta anche scabra di punte.« - 3) Zeitschrift Isis von Oken 1827, S. 172. 4) Nicht B. scaber, wie Manche schreiben, denn dieses Beiwort wird für eine aussereuropäische Art angewendet. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 141 den umfänglicheren Warzen des Seitenwulstes zu einem gezackten förmlichen Hornkamm werden. Die Epidermiszellen der mittleren und der grossen Hornhöcker sind glatt, ohne Cutieularsculptur, daher ausserdem. von glänzender Oberfläche. Auch bei erwachsenen Thieren von Bufo vulgaris ist die Ausbildung der Hornhöcker eine individuell verschiedene, worüber an einem andern Ort nähere Angaben folgen werden; hier nur noch die Bemerkung, dass die Jederhaut als solche es ist, welche die Form der Hornwarzen bestimmt :; sie ıst es, welche die Grundlinie zieht, und auf dem Gipfel dieser Warze der Lederhaut wiederholt erst die Epidermis den Zuschnitt der Warze durch die Hervorbringung des Hornhöckers. 3. Beschaffenheit der Zellen. a. Zellsubstanz. — Gestalt. Dass das Protoplasma gewisser Zellen der Epidermis eine eigenthümliche Sonderung in körnig-längsstreifige Züge erfah- ren könne, wurde seiner Zeit von mir nach Untersuchung der Zehenballen des Laubfrosches angezeigt. Auch im Verlauf gegen- wärtiger Arbeit kam mir die gleiche Erscheinung wiederholt zu Gesicht, ich nenne z. B. nur die Zehenspitzen eines weiblichen Thieres von BDombinator igneus. ‘“sedachte Beschaffenheit des Pro- toplasma tritt besonders bei jenen Zellen auf, welche ein dickes Cuticularkäppchen abgeschieden haben. Die Deutung dieses streifig gesonderten Protoplasma wird jüngst von Braun!) nach Studien über den Häutungsprocess des Flusskrebses in ganz anderm Sinne gegeben als ich es that: genannter Beobachter hält es für wahr- scheinlich, dass die Bildung auf eine beginnende Ausscheidung von Cuticularhärchen und somit auf ein Häutungsstadium zu beziehen sei. Die unterste Zellenlage, zunächst der Lederhaut, besteht immer aus mehr länglichen Elementen; sie sind niedriger an den gewöhn- lichen Hautflächen, höher z. B. unter den Höckern der Hand- und Fussfläche bei Rana und Bufo, allwo sie geradezu lange, schmale und nach unten zerfranzte Cylinder werden. Die darauf folgenden Lagen setzen sich aus mehr rundlichen Elementen -zusammen. Der Rand sämmtlicher Zellen, mit Ausnahme jener der obersten Schich- 1) Ueber die histolog. Vorgänge bei der Häutung von Astacus fluviatilis. (Aus Semper: Arbeiten a. d. zoolog. zootom. Institut in Würzburg, 1875. II. Band.) 142 Franz Leydig: ten, kann sich in feine Stacheln!) oder Riffe ausziehen, mit denen sie gegenseitig in einander greifen, was mir am ausgesprochensten da zu sein scheint, wo Verdickungen und Cutieularbildungen nach aussen sich entwickeln, so z. B. an der Daumenwarze (Dufo cala- mita, Bufo vulgaris). Eilhard Schulze hat sich zuletzt über diese Gestaltung der Zellen des Näheren ausgesprochen, und sie ebenso schön wie richtig veranschaulicht ?). b. Poren. In den obersten Lagen der Epidermis sieht man rundliche scharfrandige Lücken zwischen den Zellen, welche bei Salamandra etwa die Grösse rother Blutkörperchen des Menschen haben. Ein solches Loch greift auch wohl wie eine glatte ausgeschnittene Bucht in das anstossende Epithelplättchen hinein; es können sogar ein oder mehre Oeffinungen dieser Art die Zellen mitten durchbohren. Anstatt der grösseren Löcher treten da und dort gleich eine ganze Anzahl feiner Oeffnungen entweder um die einzelne Zelle auf oder auch wieder inmitten ihrer Substanz, wie ich es z. B. an der Epidermis der Rückenhaut von Rana platyrrhinus, an der Fussfläche von Rama agilis, und an der Daumenwarze desselben Thieres wahrgenommen habe. Die Oeffnungen können so fein und punktförmig werden, dass es mir wenigstens unmöglich scheint, sie mit Sicherheit von jener Punctirung der Oberfläche weg zu kennen, welche ich früher auf feinste Poren?) gedeutet, und gegenwärtig eher auf winzige Höckerchen und Grübchen der Cuticularschicht der Zelle beziehen möchte. Die besagten Oefinungen sind bereits in den Schriften von Eilbard Schulze?) und Eberth°) genau beschrieben und in Zeichnungen festgehalten worden. Als ich mit diesen grösseren und kleineren Löchern in und zwischen den Zellen zuerst bekannt wurde, war ich geneigt sie für 1) Die Stachelfortsätze der Epidermiszellen sind, wie ich wenigstens an erst zweibeinigen Larven sehe, um diese Zeit noch nicht vorhanden, sondern entwickeln sich etwas später. 2) Epithel- und Drüsenzellen, Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. 3. 3) Histologie S. 13. 4) Epithel- u. Drüsenzellen, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 3. 5) Untersuchungen der normalen u. patholog. Anat. d. Froschhaut. Leipzig 1869. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 143 gleichwerthig mit jenen Intercellularlücken anzusehen, welche ich von Weichthieren (Cyclas) und Würmern (Siylaria) aus der Ober- haut beschrieben habe, und nach meiner Meinung die Wege sind für die Wasseraufnahme in die Blut- oder Lymphräume, also auch Leibeshöhle niederer Thiere!). Da nämlich die einfache Beobach- tung darauf führt und durch die schon am Ende des vorigen Jahr- hunderts von Thomson angestellten Versuche es bestimmt nach- gewiesen ist, dass die Haut der Batrachier Wasser in bedeutender Menge aufsaugt, so läge es nahe, ausser den unsern Instrumenten nicht zugängigen feinsten Gewebsporen auch die obigen Löcher für Zugangscanäle in Anspruch zu nehmen. Doch bin ich von einer solchen Deutung zurückgekommen und möchte viel eher in den Lücken den Ausdruck eines rückgängigen Lebensactes erblicken, etwa dem ähnlich, durch welchen zur Win- terszeit an den farbigen Blutkörperchen vom Frosch und Salamander Lücken in der Substanz auftreten, bald eine einzige grössere, bald ein Trupp kleinerer. Letztgemeinte Lücken?) haben das gleiche glashelle, scharf umschriebene Aussehen, wie die Löcher in der Epi- dermis. Vielleicht darf auch an gewisse Veränderungen gedacht werden, welche die absterbende Epidermiszelle bei Fischen und noch mehr bei Reptilien?) durch Auftreten von Hohlräumen und Löchern erfährt. Dabei hat es aber auch den Anschein, als ob einzelne der Löcher bei den Amphibien in einem früheren Zustand der Epidermis 1) Vergl. z. B. meine Abhandlung über Phreoryctes im Archiv f. mikr. Anat. Bd. 1, S. 282. — Da diese Oeffnungen unterdessen nicht blos von einem in solchen Untersuchungen ganz unerfahrenen Anfänger geläugnet wurden (an Cyclas), sondern auch von Flemming in seiner Habilitations- schrift: Ueber Bindesubstanz und Gefässwandung bei Mollusken, Rostock 1871, angezweifelt werden, so bemerke ich, dass ich sie ferner bei einheimi- schen Schnecken (Limax, Helix u.a.) deutlich sehe, und besonders empfehle ich kleine helle Thiere als geeignet zur Nachprüfung. Man muss aber die Haut im frischesten Zustande untersuchen, denn die Ränder der fraglichen Lücken oder Spalten quellen bei ihrer Weichheit an diesen Thieren leicht auf oder verändern sich sonst, wodurch dann die Oeffnungen schnell unsicht- bar werden können, während die den Drüsen angehörigen, weil von beson- derer Membran begrenzt und durch Secret auseinander gehalten, sich länger noch erkennen lassen. 2) Vergl. m. Histologie S. 449. 3) Man sehe meine Schrift: Organe eines sechsten Sinnes. 144 Franz Leydig: dazu gedient hätten, den Halsabschnitt der nachfolgenden Zellen auf- zunehmen, somit vorgebildet wären und nicht erst nachträglich entstanden. c. Schleimzellen. — Schaltzellen. Ich habe zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass in der Öberhaut der ‚Larven vom Landsalamander eine besondere Art zelli- ger Elemente, welche ich Schleimzellen nannte, vorkomme. Sie haben die Form grosser Blasen, sind unterhalb der polygonalen Epidermiszellen gelagert, und über die ganze Haut zerstreut!). Langerhans?), welcher vor Kurzem diesen Gebilden an demselben Thier Beachtung geschenkt hat, hebt zunächst hervor, dass die Theile nicht über die ganze Haut hin vorhanden seien, sondern es blieben gewisse Gegenden davon frei. Bezüglich des Flossensaumes am Schwanz, dem sie nur in der mittleren Partie zukommen sollen, sehe ich indessen an meinen Thieren, dass die Zellen doch eine gute Strecke nach auf- und abwärts über die Flossen sich verbreiten, während allerdings im eigentlichen, ganz dünn gewordenen Rand sie in der That fehlen. Dann beschreibt unser Autor eine »äusserst zierliche, netzartige Zeichnung« der Membran gedachter Zellen, herrührend von kleinen regelmässigen Verdickungen, die auf dem optischen Querschnitt als dunkle Pünctchen erscheinen. Der Kern der Zellen zeige ein ein- geschnürtes, wie gelapptes Aussehen. Indem ich die Angaben nachuntersuche, erhalte ich schon bei mässiger Vergrösserung (System 7) den Eindruck, dass die Zeich- nung, welche an lebenden Thieren nicht vorhanden ist, durch eine Art regelmässiger Knitterung der Oberfläche nach Einwirkung von Reagentien zu Stande kommt. Der Gebrauch der Tauchlinsen be- stätigt durch Klarerwerden des Bildes diese Auffassung: man über- zeugt sich, dass es um Leisten mit dazwischen liegenden rundlichen Gruben sich handle. Aber es muss zugestanden werden, dass gar wohl das Ganze schon wie eine Reliefbildung der Membran in dem . Sinne des genannten Beobachters angelegt sein mag und durch 1) Anat. hist. Untersuchungen über Fische und Reptilien, Berlin 1853, 8. 107. 2) Ueber die Haut der Larven von Salamandra maculosa, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 9. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Ampbibien. 145 Reagentien nur stärker hervortrete. — Die Einschnürungen des Kerns, nach Ueberosmiumsäure, gehen sehr tief und ausser den seitlichen Buchten lässt sich auch auf der Oberfläche ein oder die andere hierhergehörige helle Thallinie unterscheiden. Es wurde seiner Zeit ausdrücklich angegeben, dass ich in der Haut des erwachsenen Salamanders und des Grasfrosches die Schleimzellen vermisse. Dies ist auch jetzt noch der Fall; aber es entsteht die Frage, ob nicht kleine flaschenförmige Zellen, die un- terdessen durch Eilhard Schulze und Eberth aus der Epi- dermis der Frösche als »Drüsenzellen« bekannt wurden, die stellvertretenden Elemente sein mögen. Fragliche Gebilde kommen den einheimischen Fröschen, Kröten und Molchen wohl allgemein zu. Ich selber habe sie bei Rana platyrrhinus, Bufo calamita, Alytes obstetricans, Bombinator igneus, Salamandra maculosa und $. atra, endlich bei Triton taeniatus wahrgenommen; sie sind nicht gleich- mässig über die ganze Haut verbreitet, sondern scheinen vielmehr eine bestimmte Vertheilung einzuhalten. Bei Salamandra besteht die Zelle aus einem bauchigen oder unteren Theil, von dem auch noch ein kurzer Stiel oder Fortsatz abwärts geht, und aus einem oberen halsartigen Abschnitt, der zwischen die Epidermisplättchen tritt. Eine eigentliche Oeffnung zu erblicken gelingt mir nicht, sondern das obere Ende hat das Aus- sehen eines pfropfartigen Gebildes, von einem gewissen glänzenden oder spiegelnden Wesen, unpigmentirt an den gelben Hautstellen, pigmentirt wie die umliegenden Epidermiszellen an den schwarzen Gegenden. Der Halsabschnitt der Zelle kann sogar über die Ebene der Haut als ein, wenn auch sehr niedriger kegeliger Körper her- vorragen, welcher stärker vergrössert den Eindruck macht, als ob die Zelle an diesem ihrem oberen Ende ein dornähnliches Cuticular- käppchen entwickelt hätte. Der letztere Umstand liess mich eine Zeit lang vermuthen, dass die in der Haut von Zriton vorkommenden, aber grösseren Zellen, welche dort die Grundlage von Cuticularhöckern abgeben !), den Elementen hier bei Salamandra entsprechen. Allein diese Zu- sammenstellung erwies sich als unstatthaft; denn an einem Triton 1) Man vergl. die Abbilde. in m. Abhandlg. über Organe e. sechsten Sinnes. 146 Franz Leydig: taeniatus, aus der Zeit des Wasseraufenthaltes stammend, stellten sich die Drüsenzellen gleichzeitig mit den Zellen der Cuticularhöcker dar und hoben sich auch an letzter Thierart durch ein gewisses glänzendes Aussehen ab. Bei Fröschen und Kröten sah ich nichts von dieser cuticularen Abscheidung der Drüsenzellen: im frischen Zustande erschien ihr oberes Ende gefüllt mit einem weichen fein- körnigen Stoff. Es wurden soeben die »Drüsenzellen« den Schleimzellen der Larven verglichen, doch nur fragweise; denn es sind weitere Ele- mente in der Haut der Larven unterdessen aufgefunden worden, denen die ersteren vielleicht noch mit mehr Recht an die Seite ge- setzt werden können. Ich denke an die von Langerhans be- schriebenen Schaltzellen, welche auch, wie wir aus der Schrift Bugnions!) ersehen können, in der Haut des Proieus vorkommen. Weiteren Untersuchungen muss es vorbehalten bleiben, die Verwandt- schaftslinien zwischen diesen verschiedenen Theilen in sicherer Weise als es bis jetzt geschehen konnte, zu ziehen. 4. Drüsenöffnungen. Je nachdem die Mündung zu einer der kleinen oder zu einer der grossen Drüsen gehört, sieht man bemerkenswerthe Unterschiede in dem Verhalten zur Epidermis. Im ersteren Fall scheint eine einzige Epidermiszelle zum Schlussstück des Ganzen umgebildet zu sein dadurch, dass sie nicht bloss durchbrochen ist, sondern einen schlauchförmigen, unten wie abgeschnittenen, Cuticularfortsatz in die Tiefe schickt; ich habe denselben von Rana temporaria?), sowie aus der Haut von Coecilia annulata?) früher schon abgebildet. Bei Bombinator igneus sehe ich hin und wieder oben am Rande der kreisrunden, von der Spaltöffnung durchbrochenen Membran den Rest eines Kerns, was es noch wahrscheinlicher macht, dass eine einzige Zelle die Grundlage für den Schlauch bildet. Letzterer er- schien unten, am erweiterten Theil, nicht einfach quer abgeschnitten, sondern mit einer Einbucht oder Ausschnitt versehen. 1) Recherches sur les organes sensitifs qui se trouvent dans l’epiderme de Prot&e et de l’Axolotl. 1873. 2) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. Taf. I, Fig. 8. 3) Ztschrft. f. wiss. Zool. Bd. XVII. Taf. XIX, Fig. 9. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 147 Gehört aber die Oefinung zu einer der grösseren Hautdrüsen, so besteht der Gang innerhalb der Epidermis deutlich aus vielen Oberhautzellen, welche abgeplattet und kreisförmig gestellt sind. Man sieht solches gut an dickeren Epidermisstellen, z. B. an der Schnauze von Bombinator igneus. Bei Salamandra maculosa, auf dem optischen Querschnitt, hebt sich auch als Auskleidung des Ganges eine homogene, helle Cuticula ab. 5. Pigment. In den Zellen der Epidermis!) kann Pigment abgelagert sein, obschon immer der grösste Theil des Hautpigmentes nicht in der Epidermis, sondern im Corium abgesetzt sich zeigt. Frei von Pigment sah ich die Epidermis der Bauchgegend bei Alytes, während am Rücken da und dort einiges sich findet: einem ähnlichen Verhalten begegnen wir z. B. bei BDufo variabilis, allwo am Rücken nur fleckenweise braunkörniges Pigment den Kern der Zellen umgibt. Ueberall pigmentlos scheint die Epidermis des Laub- frosches zu sein. Bei sehr dunkler Farbe, so an Salamandra und Triton eristatus schliessen hingegen auch die Epidermiszellen in reich- lichem Masse dunkelkörniges Pigment in sich; frei davon sind aber durchweg bei Salamandra maculosa jene Zellen, welche über den gelben Hautflecken hergehen. Bei Anwesenheit des dunkelkörnigen Pigmentes sind es immer die unteren Lagen der Epidermis, wo sich dasselbe am ehesten ver- dichtet; nach aussen tritt wieder Schwund ein, so dass selbst bei Salamandra atra die obersten, sehr abgeplatteten Zellen ohne Spur von Pigment sein können?). 1) Bezüglich des abreibbaren rothen Farbstoffes in der Rose des Auer- hahns, worüber in neuerer Zeit mehrere Mittheilungen vorliegen (Zeitschrift f. wiss. Zool. 1871, oder Würtemb. naturwiss. Jahreshefte, 1875) erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit ins Gedächtniss zurückzurufen, dass ich vor langen Jahren die Rose des Auerhahns im frischen Zustand geprüft und den eigent- lichen Sitz des rothen Farbstoffes bereits richtig angegeben habe. Es sei derselbe in den Zellen der Epidermis enthalten, Lehrb. d. Histol. 1857, S. 97. In diesem Fall kann natürlich das Pigment nur er$t durch Zerstörung der zelligen Elemente, welche die Farbkörner einschliessen, frei werden. — Das bei unsern Nacktschnecken abwischbare Roth, Gelb, Braun, etc. ist Secret von Hautdrüsen. 2) Für den, welcher frische Kreuzottern zu untersuchen Gelegenheit 148 Franz Leydig: Verschieden von den gewöhnlichen Elementen der Oberhaut, welche bei länglicher, rundlicher oder platter Gestalt Pigment ent- halten können, sind die verzweigten contractilen Chromatophoren. Dieselben wurden von mir zuerst!) angezeigt und auch später, insofern sie verbreiteter vorkamen besprochen. Bei gegenwärtiger Unter- suchung sind sie mir vielfach wieder aufgestossen, ohne dass ich etwas Neues darüber zu bemerken fände. Das Tiefbraun jener Zellenlagen, welche von stark verhornter Natur sind, wie z. B. an den Höckern der Hand- und Fussfläche von Bufo vulgaris, hat nichts mit obigem Pigment zu thun; ebenso wenig rührt die gelbliche Farbe der darunter liegenden Epidermis von Pigmentkörnern her. Ueber Flimmerung der Epidermis vergleiche man unten »Or- gane eines sechsten Sinnes bei den Salamandrinen«. III. Lederhaut. 1. Feinste Leisten der Oberfläche. Es gehört zu den durchgreifenden Bildungen, dass die an die untersten Zellenlagen der Epidermis anstossende Fläche der Leder- haut nicht glatt ist, sondern an Querschnitten wie fein gezackt, oder wie in Härchen vorgezogen sich ausnimmt. Ich habe solches bereits längst von der Daumenwarze des Frosches abgebildet), dann vom Corium der Säugethiere erwähnt), endlich zuletzt von der Leder- haut der Schlangen angezeigt und bildlich dargestellt®). Es wäre jetzt weiter anzuführen, dass ich diese Beschaffenheit der freien Fläche der Lederhaut später auch an Menopoma gigan- findet, mag bemerkt sein, dass nach Wagner (siehe Brandt und Ratze- burg, Medieinische Zoologie, Berlin 1829) die Grandfarbe am Rücken und den Seiten auch bei diesem Thier »zuweilen noch mit einer Art abstreich- barer Puderfarbe überzogen ist«. 1) Histologie, S. 97. 2) Histologie (1857), S. 81, Fig. 42. 3) Archiv f. Anat. u. Phys. 1859, S. 682. 4) Archiv für mikr. Anat. 1872, Taf. XV, Fig. 9. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 149 teum bemerkt habe, nicht minder bei Bufo vulgaris, Bufo calamita, Bufo variabilis, bei den Arten von Rana und Salamandra; wodurch eben feststeht, dass man es mit einer wesentlichen Eigenschaft des Coriums zu thun hat. Bei diesen neueren Studien bin ich über das eigentliche Ver- halten der Oberfläche um einen Schritt vorwärts gekommen. Indem man von »Zacken« spricht, begeht man einen ähnlichen durch ein- seitige Methode der Untersuchung herbeigeführten Fehler, wie wenn wir an den Zehenspitzen der Kröten und Molche kegelförmige Pa- pillen erblicken wollten. Denn gleichwie es sich in letzterem Falle um Leisten der Lederhaut handelt und nicht um Papillen, so wieder- holt sich dasselbe, obschon in ganz winzigem Massstab, an den scheinbaren Zäckchen und Härchen. In Wirklichkeit sehen wir, nachdem die Lederhaut von den anhängenden Elementen der Epi- dermis wohl gereinigt ist, dass feine Leistchen zugegen sind, welche dicht nebeneinander hinziehen und von Stelle zu Stelle zu- sammen fliessen. Eine Papille der Daumenschwiele, von Bufo ci- nereus 2. B., nimmt sich entblöst von der Epidermis wie pelzig aus, und auf dem optischen Querschnitt gewinnt die Papille durch die Leisten ihrer Oberfläche mit Furchen dazwischen, ein wie cannelirtes Aussehen. Zwischen die Leisten greifen die oben erwähnten Fort- sätze der Epidermiszellen ein, welche an den untersten Lagen sehr entwickelt sind und z. B. bei Salamandra maculosa wegen Grösse der Zellen wie lange Franzen sich ausnehmen. Bei den Säugethieren verhält sich die Oberfläche der Leder- haut auch wohl kaum anders, als bei den Amphibien und Reptilien erkannt wurde; doch ist in der letzten mir zu Gesicht gekommenen Arbeit von »feiner Bezahnung, feineren Riffen und selbst Stacheln« noch die Rede). 2. Grössere Leisten. Die Oberfläche der Lederhaut kann sich in ein zierliches Blatt- oder Leistenwerk erheben, welches den netzförmigen Leisten der Schleimhaut des Darmes, allwo sie anstatt der Zotten stehen, 1) Handbuch der Lehre von den Geweben d. Menschen u. d. Thiere Leipzig, Engelmann 1871. (Haut, Haare und Nägel.) \ 150 Franz Leydig: zu vergleichen wäre; es erstreckt sich dasselbe aber keineswegs über den ganzen Körper, sondern beschränkt sich auf gewisse Ge- genden. Die Zehenballen sind es vor Allem, welche sehr allgemein das Blätterwesen entwickeln, wie ich denn bereits von Dufo cinereus dieser Bildung an einem anderen Orte gedacht habe!). Sie kommt ferner vor an den Zehenspitzen von .Bufo variabılis, Dufo calamıta, Bombinator igneus, Pelobates fuscus, Alytes obstetricans, Salamandra maculosa und Salamandra atra. Nach Entfernung der Epidermis kann abermals die Haut zunächst den Eindruck hervorrufen, als ob die Fingerbeeren dicht mit langen Papillen besetzt seien. Erst schärferes Zusehen belehrt, dass man es mit einer Leistenbildung, deren Blätter sich netzartig verbinden, zu thun habe; dazwischen geschieht es allerdings, dass einzelne Leisten, indem sie sich vom Ganzen abgelöst, die Natur seitlich zusammengedrückter Papillen oder Zotten angenommen haben. Selbstverständlich wird man es finden, dass nach Gattungen uhd Arten kleine Unterschiede in Form und Ausbildung zum Vor- schein kommen: bei Salamandra atra z. B. sind die Leisten nie- driger als bei Salamandra maculosa; an der Gattung Triton, deren Zehen gestreckter, schmaler, ohne Endballen sind, vermisse ich das Leistenwerk ganz und gar an bezeichneter Stelle. Es gibt Körper- gegenden, allwo zugleich noch die nachher zu besprechenden Pa- pillen mit Tastkörperchen auftreten, welche alsdann auf den Leisten ihren Platz haben. Dies sehe ich z. B. über der Unterschenkel- drüse von Bufo calamita, allwo zunächst die Lederhaut sich deut- lich in das Leistenwerk erhebt, ganz wie an den Zehenspitzen und hiezu kommen jene, die Tastkörperchen einschliessenden Papillen, Die Netze der Blutgefässe bleiben gewöhnlich, ohne aufzu- steigen, in der oberen Schicht der Lederhaut, und nur in gewissen seltenen Fällen findet eine schlingenförmige Ausbiegung in die Lei- sten hinein statt. Freilich sind solche gefässlose Leisten oder viel- mehr Blätter, wenngleich von beträchtlicher Höhe, doch im Quer- schnitt so schmal, dass Blutcapillaren, welche die grossen Blutzellen der Amphibien führen, schon desshalb nicht in sie aufsteigen können. Bisher sah ich bloss in der Haut der Inguinalgegend von Bufo vul- 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 35. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 151 garis Leisten und Warzen von Blutcapillarschlingen im Innern und ferner an der »sechsten Zehe« von .Bufo calamıta. Wie es bei Wirbelthieren ein sehr häufiges Vorkommen ist, dass auf warzigen oder zottigen Erhebungen der Haut nochmals, in Wiederholung der Form, feinere papilläre Fortsetzungen sich finden, so erweist sich der zackige, mitunter wie mit Härchen besetzte Rand der in Rede stehenden Blätter, bei weiterer Prüfung, als op- tischer Durchschnitt des feinen Leistensystems, welches über die ge- sammte Oberfläche der Haut hinzieht und bereits oben besprochen wurde. Die Epidermis als Ganzes von einer Fingerbeere abgehoben. zeigt an der untern Seite die Hohlgänge, in welche das Blätternetz der Lederhaut eingefügt war, demnach gewissermassen einen Ab- guss der letzteren. Wer noch nicht die netzfaltige Beschaffenheit der Oberfläche der Lederhaut kennt, wird an der abgehobenen Epidermis z. B. eines Zehenballens von Salamandra maculosa die Furchenlinien zuerst vielleicht so deuten, als wären dieZellen zu Drüsen gruppirt, und ganz besonders täuschend gestaltet sich das Drüsen- bild an Präparaten, welche vom frischen Thier genommen wurden. In der Hand- und Fussfläche finden sich bei Batrachiern nach den einzelnen Gattungen und selbst Arten charakteristische Wülste, Höcker oder Ballen, welche, wie schon fürs freie Auge, so auch histologisch die gleiche Natur wie die Fingerbeeren aufzeigen. Ihre bindegewebige Grundlage oder Lederhaut kann ein ähnliches Leisten- oder Blätterwerk wie dort an der Oberfläche entwickeln; wesshalb dann ebenso die Epidermis von unten angesehen, die erwähnten Berg- und Thalzüge an sich hat. Ich habe mir solches z. B. von dem Daumenballen des männlichen Alytes obsietricans angemerkt. Nicht minder sehe ich die Leisten selbst auf dem unbedeutenden Höcker der Hinterbeine, welcher bei Dombinator die sechste Zehe vorstellt: die Leisten sind übrigens hier niedriger als an der Fin- gerbeere.e Am Ballen der »sechsten Zehe« von Bufo calamita haben die Leisten eine Breite, die ihnen gestattet Blutgefässe auf- zunehmen, was, wie bereits oben erwähnt, zu den seltenen Vor- kommnissen zu zählen ist. Zart sind die Leisten wieder und ohne Gefässe an gleicher Stelle bei Pelobates fuscus; auch bei der Gat- tung Rana gehen sie in der Grösse zurück und lassen sich nur spurweise erkennen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 11 152 Franz Leydig: 3. Papillen mit Tastkörperchen. Es ist jene Form von Hautpapillen gemeint, welche ich bereits früher von einigen Batrachiern und zuletzt von der Ringelnatter, Tropidonotus natrix, beschrieben habe!). Durch fortgesetzte Unter- suchungen wurde klar, dass die Gebilde eine ausgedehnte Verbreitung haben, aber immerhin gewissen Arten zu fehlen scheinen. So kenne ich sie aus eigener Erfahrung von einheimischen Arten der Gattung Rana, nicht minder an sämmtlichen Kröten: Bufo vulgaris, Dufo calamita und Bufo variabilis, ferner von Bombinator igneus, Pelobates fuscus und Alytes obstetricans, sowie endlich bei Hyla arborea?). Hingegen vermisse ich sie bei den Molchen, sowohl an Salamandra maculosa, wo die Haut des Kopfes und Rückens geprüft wurde, als auch bei Salamandra atra, an dessen Rücken und Bauch vergeblich darnach gesucht wurde; ebenso mangelten sie dem Triton cristatus und Triton alpestris. In Zahl und Ausbildung der Papillen sind die eben ge- nannten Arten keineswegs einander gleich. Die Papillen erheben sich bald etwas höher, bald bleiben sie niedriger; an gewissen Körper- stellen stehen sie dichter beisammen an anderen erscheinen sie sehr weit auseinander gerückt, so dass man oft lange zu suchen hat, wie es mir z. B. bei Alytes erging, bis eine einzige in Sicht kommt. Um ein Beispiel über die nähere Verbreitung zu geben, lasse ich eine Uebersicht dessen folgen, was man bei .Bombinator igneus wahrnimmt. Hier stehen die Papillen um den Mundrand und ebenso am Scheitel ziemlich dicht; sie fehlen auch nicht auf dem oberen Lid, an der Kehlgegend zeigen sie sich sehr vereinzelt und winzig. Grösser werden sie und verbreiten sich zahlreich wieder auf der Rückenfläche der Unterschenkel, während ich sie auf der Bauchfläche der Schenkel vermisse und statt ihrer auf feine fadige Fortsätze der Lederhaut stosse, von denen nachher die Rede sein soll. Ziemlich zahlreich erheben sich abermals echte Papillen um den After herum; sie zeigen sich ferner 1) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 8, 1872. S. 349. 2) Von ausländischen Arten habe ich die Papillen mit Tastkörperchen auch gesehen bei Bufo pantherinus, wo sie an der Haut des Rückens ziemlich dicht standen; über ihnen erhob sich die Epidermis in kleine Höcker. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 153 nicht selten in der Fussfläche und sind dort von ziemlicher Länge; auf der Bauchfläche stehen sie vereinzelt und sind klein. Die Weichengegend bei Bufo vulgaris ist reich an Papillen und zwar sitzen sie auf den früher erwähnten Leisten, welche Blut- capillarschlingen im Innern bergen; auch am Rücken trifft man auf Stellen, wo sie fast gedrängt stehen. Die von solchen Orten abgezogene Epidermis, indem wir sie von unten ansehen, weist daher in ihrer Schleimschicht, ähnlich dem Rete Malpighi der Säuger an dicht papillärer Hautoberfläche, zahlreiche helle Vertiefungen oder Lücken auf, in denen die Wärzchen steckten. Die Daumenschwiele männlicher Kröten und Frösche hat die gleiche Art von Papillen zur Grundlage. Sie sind an diesem Ort besonders entwickelt, übertreffen die der übrigen Hautfläche öfters (z. B. bei Bombinator) um das Doppelte in der Länge und stehen gehäuft. Ich habe wiederholt mich bemüht in den feineren Bau dieser Gebilde einzudringen. Sind die Papillen niedrig, wie z. B. vom Rücken des Bufo vulgaris, so liegt nur ein einziges Tastkörper- chen in der Papille, und im optischen Querschnitt zieht um eine kernartige Achse ein lichterer Saum. Haben die Papillen an Länge zugenommen, so treten mehrere solcher Körperchen im Innern auf, z. B. an der Daumenwarze. Im Stiel macht sich eine streifige Zeich- nung bemerklich, die fast in jeder Papille etwas anders aussieht, Es kommt vor, dass der Gipfel einer Papille beim Abheben der Epi- dermis einreisst und das »Tastkörperchen« herausfällt, wobei zweierlei sich kundgiebt: einmal dass die Bindesubstanz der Papille schalig das »Körperchen« umgiebt und daher in leerem Zustande gleich einem Becher sich ausnimmt; das andere ist, dass das herausgefallene Körperchen einem Zellenkern ähnelt, dem noch etwas von einer zartkörnigen Substanz anhaftet und desshalb drängt sich die Frage auf: sollte nicht am Ende dasjenige, was ich in meiner letzten Mit- theilung über diesen Gegenstand !) als »Endkolben« beschrieb, dennoch 1) Zur Kenntniss d. Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anat. 1872, S. 351. — Ueber den aus quer gelagerten Kernen bestehenden Achsenstrang in den Papillen, welche bei Frosch- und Krötenlarven den Mund umsäumen, habe ich schon anderwärts (Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 36) gehandelt und meine Ansicht dahin ausgesprochen, dass 154 Franz Leydig: vielleicht richtiger als Endganglienkugeln zu bezeichnen seien? Zu einer sicheren Ueberzeugung bin ich freilich nicht gekommen, denn mehr als einmal machte gerade bei Bombinator das Körperchen keineswegs den Eindruck eines »Nucleus«, sondern eines zusammen- gesetzten Gebildes. Auch aus der Daumenschwiele von Bufo cala- mita zeigen die Körper Querstriche und Punkte, die den optischen Querschnitten von Streifen zu entsprechen scheinen. Die verschiedene Form, in der die streifige Zeichnung im Stiel der Papille auftritt, lässt sich wahrscheinlich auf den wechselnden Zustand der Gerin- nung des Nervenmarkes zurückführen. Vergleicht man voranstehenden Befund über das Vorkommen der mit Tastkörperchen ausgestatteten Papillen, so will es scheinen, als ob ein gewisser Zusammenhang zwischen grosser Glätte der Haut, und Seltenheit ja selbst Mangel dieser Gebilde bestehe; sowie andrerseits warzige Haut und Entwicklung der Papillen sich bedingen mögen. Für die physiologische Betrachtung ergibt sich jedenfalls, dass der auf geringere Kenntniss der anatomischen Verhältnisse gegrün- dete Satz, das Tastgefühl sei bei den Batrachiern wenig entwickelt, keine allgemeine Geltung mehr haben könne!). 4. Papillen ohne Tastkörperchen. Von dieser Art Papillen, welche ich als Anfänge der übrigen papillären Hautfortsätze betrachten möchte, habe ich erst bei meinen gegenwärtigen Arbeiten Kenntniss bekommen, und zwar vor Allem an DBombinator igneus. Die Lederhaut eines frischen Thieres, das in sehr schwacher es sich um Kerne des Bindegewebes handelt. Es scheint mir auch jetzt noch, als ob die »Tastkörperchen« in den pilzförmigen Warzen und diese Elemente etwas verschiedenes wären, worauf schon die bisher über die Mundpapillen vorhandenen Abbildungen hinweisen. Um jeden einzelnen Kern, der auch noch Spuren von Kernkörperchen besitzt, geht eine Hülle blass- und fein- körnigen Protoplasmas, das sich strahlig auszieht. Das Ganze gemahnt durch- aus an die Bindegewebszellen, wie sie in gallertigen Hautpartien, so z. B. in der Schwanzflosse der Tritonen vorkommen. 1) Tactus igitur quoad generaliter sensus habetur, imperfectus est in batrachiis, lautet z. B. bei Altena (Commentatio ad questionem zoologicam ete. 1829) das Ergebniss seiner Studien über die Haut unserer Thiere, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 155 doppelt chromsaurer Kalilösung einige Zeit lag, wesshalb die Ober- haut sich sehr vollständig ablöste, bot mir die neue Erscheinung dar, dass von der freien Fläche der Lederhaut an der Kehle, sowie der Bauchfläche der Schenkel sich äusserst feine Fortsätze er- hoben. Sie waren so. zart, dass beim ersten Ansichtigwerden der Gedanke aufstieg, es möchten Nervenfasern sein, welche die Leder- haut hinter sich lassend, in die Epidermis eindrängen. Allein die weitere Prüfung bestätigte diese Ansicht nicht, sondern führte zur Annahme, dass man es mit unmittelbaren Ausläufern der über dem Pigment folgenden obersten homogenen Schicht der Lederhaut zu thun habe. Die Fortsätze beginnen mit breiter, etwas kegeliger Basis und gehen fadig dünn aus; die Grösse ist sehr wechselnd: manche haben nur die Länge der gewöhnlichen Wimperhaare der Wirbel- thiere, andere sind um das vier-, fünf- und sechsfache länger. Bei Rana oxyrhinus besitzen solche tastkörperchenlose Pa- pillen ein mehr kurz konisches, breitbasiges Aussehen, mit stark ausgefranztem Gipfel; ebenso verhalten sie sich bei Rana platyrhinus. Bei beiden Arten stehen sie recht vereinzelt, am zahlreichsten noch auf dem Fersenhöcker oder der sechsten Zehe. Bei Ayla, allwo wie oben bereits bemerkt die mit Tastkörperchen versehenen Papillen, z. B. auf der Haut des Rückens, sehr vereinzelt auftauchen, sind die tastkörperchenlosen Papillen über den Rücken weg, sowie am Kehlsack des Männchens, nach Abhub der Epidermis von mir gesehen worden; doch sind auch sie weit auseinander ge- rückt und am Gipfel stark franzig. In der Lederhaut von Salamandrina perspicillata habe ich Bildungen wahrgenommen, die ich an dieser Stelle anzeigen will, obschon sie wahrscheinlich nicht ganz hierher zu zählen sein mögen. Hat man den von der Epidermis rein entblössten Saum der Lederhaut im Umschlag, also im optischen Schnitt vor sich, so bietet er, wie bei allen Amphibien und Reptilien, zunächst eine helle homogene Randzone dar, hinter welcher erst das Pigment be- ginnt. Aber zweitens sieht man auch, dass dieser Saum sich von Stelle zu Stelle halbkugelig vorwölbt, wie zu einer Art be- sonderer Papillen. Eine solche Wölbung, mit starker Vergrösse- rung und gehöriger Aufmerksamkeit betrachtet, birgt im Inneren einen rundlichen Körper, dessen hinteres Ende, weil ins Pigment eingesenkt, nicht bestimmt werden kann, aber vielleicht sich zu- 156 Franz Leydig: spitzt, so dass der Körper im Ganzen die Birnform haben mag. Er ist nicht eigentlich homogen wie der erste Anschein gibt, sondern es lässt sich eine gewisse blassstreifige Beschaffenheit an ihm nicht ganz übersehen. Diese fernerer Untersuchung zu empfehlenden Körper, in denen ich Nervenenden vermuthen möchte, scheinen weithin über die Haut vorzukommen: ich gewahre sie am Rücken, am Bauch, an den Gliedmassen. Bei Betrachtung des ganzen Thieres mit einer sehr scharfen (Steinheil’schen) Lupe macht sich schon zwischen den Drüsenhöckern eine eigenartige, helle Punktirung bemerklich, die wohl durch die besagten Körper hervorgerufen wird; denn mustern wir die abgezogene Haut mikroskopisch von der Fläche, so heben sich die Gebilde auch wieder als helle kleine, zwischen dem Pigment stehende Flecken ab. Die dem Apennin angehörige Salamandrina perspieillata entfernt sich durch die Beschaffenheit ihrer Haut entschieden von der Gattung Salamandra und nähert sich der Gattung Triton!). Schon das freie Auge bemerkt, dass die Haut keineswegs das glatte und glänzende Wesen wie bei Salamandra hat, sondern grieselig oder körnig ist und zwar über den ganzen Körper weg. Das Mikroskop belehrt, dass die gröbere Körnelung derjenigen bei Triton entspricht, welche während des Landaufenthaltes durch die hervor- stehenden Drüsen zu Stande kommt: es enthält hier bei Salamandrina jeder der kegeligen Höcker eine Drüse, deren Mündung auf dem Gipfel des Hügels liegt. Ferner erkennt man an abgelösten Stücken der Epidermis, wie auch hier gleich den Tritonen die Cuticula an den Zellenrändern sich in Leisten erhebt, somit eine Zackenbildung in der Profilansicht sich darstellt. Ueber gewisse cuticulare Verdickungen in der Epidermis siehe oben Seite 128. Da man seit Laurenti den seitlich zusammengedrückten schwertför- migen Schwanz, cauda anceps, zu den besonderen Merkmalen des Genus Triton rechnet, hierin aber Salamandrina perspieillata durch rundlichen Schwanz abweicht, so sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Weibchen von Triton taeniatus, während des Landaufenthaltes, einen völlig drehrunden 1) Herr Marchese Giacomo Doria in Genua hatte die grosse Güte, mir eine Anzahl der Salamandrina perspieillata zu schenken. Dieses Thierchen scheint früher wenig in die zoologischen Sammlungen diesseits der Alpen gekommenjzu sein, denn Wagler bemerkt noch in seinem natürlichen System der Amphibien, München 1850, dass er es nur in Berlin gesehen habe. Es zeige den Habitus der Wassermolche, aber den rundlichen Schwanz der Salamander. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 157 Schwanz erhält, und sonach dieser Charakter keinen Einwurf gegen die systematische Stellung der Salamandrina bei Triton abgeben kann. Endlich mag auch noch angeführt werden, dass Salamandrina keineswegs die ganz schwarze Iris der Gattung Salamandra hat, sondern deutlich, am oberen Pu- pillenrand wenigstens, ein metallisch glänzendes Pigment besitzt und zwar in Form eines gelbrothen Streifens. 5. Papillen mit Düsenöffnungen. Eine Fortbildung der Hauthöcker mit Drüsenöffnung auf dem Gipfel bilden eigenartige Papillen, in und an der Kloake der Salamandrinen. An den Wärzchen der Daumenschwiele der Frösche und Kröten, die zwar nach Andern ebenfalls von den Drüsen- öffnungen durchbohrt sein sollen, mündet der Drüsensack niemals auf der Papille, sondern immer unten, zwischen den Papillen aus. Ueber die gesammte Innenfläche der Kloake weg geht beim brünstigen Männchen von Triton eine Höckerbildung; bloss die Oberfläche des Penis, der selbst nur eine grosse Warze vorstellt, erscheint glatt. An den Rändern der Kloakenspalte werden die Höcker zu längeren Papillen und gestalten sich am oberen oder hinteren Winkel allmählich und jederseits zu einem Büschel zarter, fadenförmiger Hervorragungen, während der vordere Winkel mit dickeren, kegelförmigen Papillen besetzt ist. Die ersteren hat be- reits Gravenhorst!) nach einem Weingeistexemplar von Triton taeniatus abbilden lassen und im Text heisst es, die Kloakenspalte sei hinten mit „appendiculis spinulaeformibus albidis“ besetzt. Ferner habe ich hereits anderwärts, als die gedachten Bildungen nach dem lebenden Thier unter Vergrösserung mit der Lupe dar- zustellen waren, aufmerksam gemacht?), dass in der Inaugural- abhandlung Finger’s3) von ‚„albis aculeis“ der Kloake die Rede sei; auf der von ihm gegebenen Figur: »Cloaca Tritonis ignei mas- culi aperta amplificata« ist aber keine Spur der Fäden wahrzunehmen, obschon sie bei der alldort eingehaltenen Vergrösserung zum min- desten die Länge eines halben Zolles hätten bekommen müssen. Keiner der genannten Autoren weiss, dass die Papillen einzig und allein den Ausführungsgängen der Kloakendrüsen angehören 1) Reptilia musei zoologiei vratislaviensis, Lipsiae 1829. 2) Molche der württemb. Fauna. Fig. 3 und Fig. 4. 3) De Tritonum genitalibus, 1841. 158 Franz Leydig: und durch sie hervorgerufen sind. Ich habe bereits früher über den Bau derselben gehandelt!) und ergänze die Mittheilungen durch Folgendes. An dem Büschel langer, zarter und haarförmiger, aus dem oberen Winkel der halbgeöffneten Kloakenspalte beim Männchen - hervorragender Papillen unterscheidet man deutlich eine Oeffnung am freien Ende; sie führt in einen hellen, die Papille durchziehenden Kanal, welcher weiter abwärts in einen Drüsenschlauch endigt. Wenn der Kanal mit der hellen, gallertigen Secretmasse prall an- gefüllt ist, so gewinnt der Faden für die Besichtigung mit freiem Auge, am lebenden Thier, ein gewisses steifes, rein borstenförmiges Aussehen. Zwischen dem äusseren, nicht flimmernden Epithel und der inneren den Kanal auskleidenden Zellenlage hebt sich eine bei Triton taenvatus ganz lichte Zone ab: es ist die bindegewebige Grundlage der Papille und in diese steigen Blutgefässschlingen auf, welche aber, was ich gegenwärtig ebenso wie früher sehe, keines- wegs bis zur Spitze der Papille sich erheben. Bei Triton helveticus, dessen Kloakenränder an und für sich stark dunkel und zum Theil tief indigoblau pigmentirt sind, erstreckt sich auch in die binde- gewebige Partie vieler, nicht aller, Papillen ein Theil des Pigmen- tes und färbt die »Haare« schwärzlich. Während die fadigen, zum Theil so langen Papillen immer nur Träger eines einzigen Ausführungsganges sind, nehmen die kegelförmigen Warzen, welche den Vorderrand oder Vorderwinkel der Kloake besetzen, eine ganze Anzahl von Gängen auf und das bewaffnete Auge sieht daher auf der Papille von neuem kleinere Höcker, wovon jeder die Oeffnung eines Drüsenganges birgt. Diese grösseren kegelförmigen Papillen gehen ebenso gut wie die haar- förmigen allmählig über in die feineren Höcker, welche sich über die ganze Innenfläche der Kloake verbreiten und als Drüsenmüh- dungen zu dienen haben. 6. Bluteapillaren in Form von Papillen. Der grosse nordamerikanische Molch Menopoma giganteum?) l) a. a. O. Separatausgabe S. 42, 2) Bekanntlich zuerst in Virginien im Alleghanigebirge von dem Bota- niker und Reisenden Michaux (1812) entdeckt, findet er sich im Ohio (Pitts- burg) in solcher Menge, dass Prinz Neuwied (Reisen in Nordamerika, Bd. 1. S. 141) in kurzer Zeit 50 Exemplare erhalten konnte, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 159 weicht, was die Bildung der Hautoberfläche anbelangt, gar sehr von allen einheimischen Geschlechtern der Amphibien ab. Fürs freie Auge fein grieselig erhebt sich die Haut bei An- wendung geringer Vergrösserung in dicht stehende, aufs mannig- faltigste ineinanderfliessende Leistehen oder besser Wülstchen, die da und dort, namentlich am Kopfe, unterhalb des Auges und in der Wangengegend, zu Papillen aufgelöst sind. Die dazwischen befindlichen Grübchen stellen die Drüsenöffnungen vor, um welche herum sich gerne die Leisten und Papillen gruppiren; dazwischen können sie sowohl wieder einzeln auftreten, als auch in Haufen. Es erstrecken sich die Leisten und Papillen über die ganze Haut weg und sind daher auch am Schwanz so gut vorhanden, wie an den flossenartigen Säumen der Gliedmassen und setzen sich fort bis auf die Fingerspitzen hinaus. Sie fehlen eigentlich nur den Umschlagstellen der Haut, man vermisst sie z. B. an der einwärts gewendeten Fläche des Hautsaumes, welcher am Mundwinkel wie eine abgelöste Unterlippe am Unterkiefer herzieht. Die Papillen bleiben auch von da an zurück, wo die Haut über den Augapfel wegzugehen sich anschickt. Am Ende der Schwanzflosse treten die Papillen zu Längsleisten derartig zusammen, dass sie annähernd strahlig zum Saume der Flossen stehen, gewissermassen wie in Nachbildung der Flossen- strahlen bei Fischen; in der Handfläche und Fusssohle vereinigen sich die Leisten netzartig. Der feinere Bau oder die eigentlich histologische Beschaffenheit dieser Papillen und Leisten ist merkwürdig genug. Es besteht je eine Leiste aus einem einzigen, wegen der grossen Blutkörperchen sehr geräumigen Capillargefäss, das aus der Haut aufsteigend ent- weder einen einzigen kurzen Bogen erzeugt oder mehrere Schlangen- krümmungen ausführt, bevor es wieder in die Tiefe geht. Wäh- rend somit sonst bei Wirbelthieren die Papillen der Haut oder die Darmzotten ein ganzes Netz von Blutcapillaren in sich schliessen, sehen wir hier in auffallendster Weise, wie ein einziges, ungetheiltes, hin und her sich biegendes Blutgefäss die ganze Leiste oder Papille hervorruft. Dabei ist die bindegewebige Grundlage, welche als Träger oder Begleiter des Capillargefässes zu dienen hat, nur spur- weise vorhanden, so dass man sich kaum einer Uebertreibung schuldig macht, wenn wir von freien auf der Oberfläche der Leder- 160 Franz Leydie: haut sich erhebenden Gefässen reden wollten. Die Wand des Ge- fässes besteht aus mehreren Schichten, denen grosse Kerne ange- hören; es scheint eine Art Intima und Adventitia vorhanden zu sein. Ich möchte dieses Heraustreten der Blutgefässe physiologisch mit der Hautrespiration in Beziehung bringen, welche Ansicht auch durch den Umstand unterstützt wird, dass dieCapillaren nach oben und aussen nur ganz dünn von der Epidermis überdeckt sind; man darf hierbei wohl an die Verhältnisse erinnern, wie sie von den Lungencapillaren bei Säugern bekannt sind, oder auch an die ath- mende Darmfläche bei Cobitis und ihr Epithel. Neben der feineren Leistenbildung der Hautoberfläche besteht ein gröberes Faltensystem von ganz anderer histologischer Be- schaffenheit. Es zieht bei unserem Thier ein flossenähnlicher Saum am Ober- und Vorderarm her, erstreckt sich in noch sehr ent- wickelter Form bis zum äussersten Finger, worauf er schwächer am nächstfolgenden geworden, endlich nur noch spurweise am dritten sich zeigt und am innersten Finger ganz aufgehört hat (‚„digiti alati“). In ähnlicher Weise geschieht die Abstufung an den hinteren Glied- massen. Eigentlich ist die flossenartige Falte am Ober- und Unter- schenkel doppelt vorhanden, wobei die äussere unmittelbar in den Flossensaum der kleinen Zehe übergeht, die innere an der Fuss- wurzel aufhört. An den Vorderbeinen ist die einwärts gewendete kürzer als an den Hinterbeinen. Eine andere hohe Hautfalte!) zieht zur Seite des Leibes her, indem sie am Halse, vor und über dem Kiemenloch, beginnt und sich bis zur Schwanzwurzel erstreckt. Nicht minder verläuft eine ähnliche, aber niedrigere Falte oben am Rücken, in dessen Mittel- linie, welche ihren Anfang in der zweiten Hälfte des Rückens nimmt und in die Schwanzflosse ausgeht. Neben den ganz grossen oder Hauptfalten lassen sich aber 1) Auf den schönen Tafeln zu Strauch’s Abhandlung: Revision der Salamandrinengattungen, Mem. de ’acad. imp. de. St. Petersbourg 1870, springt bei Ranodon Kessleri (Taf. II, Fig. 3b) auch eine starke geschlängelte Längs- falte vor. Ob sie aber der von Menopoma ohne weiteres zu vergleichen ist, wage ich nicht zu bestimmen, da die Haut des Ranodon sonst sich wie die von Triton oder noch mehr wie die von Salamandra zu verhalten scheint. Ueber die allgemeinen Bedecekungen der Amphibien. J6l noch andere unterscheiden, so z. B. zwei an der Wurzel und den Seiten des Schwanzes, wovon die eine Fortsetzung der Seitenfalte ist, die andere höher verläuft, zum Theil durch Querfalten mit ersterer verbunden. Wie ich aus den einschlägigen Schriften sehe, hat van der Hoeven diese Beschaffenheit der Haut unter die Merkmale des Thieres mit den Worten aufgenommen: „Cutis plicata, undulata, laxa ad latera corporis‘“. Alle die Falten fühlen sich quappig!) an und der Durchschnitt belehrt, dass im Inneren zwischen den beiden Hautblättern und zwar sehr reichlich ein graues gallertiges Bindegewebe liegt. Es besteht mikroskopisch aus einem Gerüste lockiger Faserzüge, da- zwischen Gallerte und in der Gallertsubstanz selber sind noch grössere Zellen mit fadigen Ausläufern zugegen. Würde nicht der histologische Bau widersprechen, so könnte man in dem groben Faltensystem eine Fortentwickelung der feinen Hautleistchen in grösserem Massstab erblicken. Denn die Art und Weise wie die grossen Falten fürs freie Auge verlaufen, sich gabeln, schlängeln, mit einander verbinden, sich von einander lösen, alles kommt in ähnlicher Weise unter dem Mikroskop an den kleinsten Leisten vor. Bei einem derartigen Zusammenstellen hätten wir uns aber fortwährend daran zu erinnern, dass nicht nur auf der Oberfläche der groben Falten auch die Capillar-Leisten sich ver- breiten, sondern dass eben beide näher geprüft im Bau starke Ver- schiedenheiten an den Tag legen. Der dem Menopoma so nahestehende Uryptobranchus japonicus, von dem ich ein junges, etwas über einen Fuss langes Thier vor mir habe, ist auch hinsichtlich der beschriebenen Hautbildung dem Meno- poma verwandt, zeigt aber das Falten- und Leistenwesen in geringerem Grade. Schon für die Besichtigung mit der Lupe erscheint die Haut pa- pillär, was besonders am Kopf hervortritt, allwo zum Theil die Pa- pillen vereinzelt stehen; am übrigen Körper fliessen sie zu Leisten zusammen und verleihen desshalb der Haut ein mehr gleichmässig granuläres Aussehen. In demselben Verhältniss aber, in welchem 1) Die schwartig verdiekte Schwanzflosse fühlt sich derb an, hier ist aber auch im Inneren ein sehr entwickelter Fettkörper vorhanden, welcher Festigkeit verleiht und in den obigen Falten durchaus fehlt. 162 Franz Leydig: die bei Menopoma auffallend grossen Falten an der Seite und an den Gliedmassen, hier bei Oryptobranchus so gering sind, dass man erst bei näherem Zusehen sich vom Vorhandensein dieser Organisation wenigstens in ihren Anfängen überzeugt, So sind auch die feinen Leistchen viel niedriger, kürzer und weniger zahlreich. Dass Hyrtl, auf dessen eigentlichstem Arbeitsfeld doch gerade die für Menopoma und Oryptobranchus so charakteristischen Ver- hältnisse der Blutgefässe liegen, nichts von allem dem gesehen hat, darf einigermassen Verwunderung erregen und noch mehr als er die Haut von Oryptobranchus injieirt und ein Stück „rete capillare cutis pedis“ hat abzeichnen lassen ! ‘. Hauthöcker, den Organen des sechsten Sinnes entsprechend. Auf den ersten Blick machen sich bei Menopoma eigenthüm- liche weissliche, weil unpigmentirte, Hügel am Kopf und der Seite des Leibes bemerklich, welche durchaus, schon durch ihre Stellung, an die Organe des sechsten Sinnes bei den Larven der Frösche, Kröten und Molche erinnern. Verschieden in der Grösse, stehen sie dichter oder dünner, auch wohl sehr vereinzelt. Am Kopfe ver- breiten sie sich von der Schnauze an über und unter das Auge in die Schläfengegend, und bis in die Seiten des Nackens; auch an der Unterseite der Unterkinnlade kommen sie vor; sie ziehen ferner an den Flanken des Körpers her und sind auch noch am Schwanz bis nahe an dessen Ende zu verfolgen. Es erhebt sich ein solcher Hügel entweder für sich oder es stehen gerne zwei so nahe bei- sammen, dass nur eine dazwischen befindliche Grube sie trennt. Die letztere, welche mit scharf umschriebener Oeffnung sich absetzt, hat mich längere Zeit beschäftigt, da sie durch die beiden seitlichen, sie theilweise überwölbenden Hügel fürs freie Auge, wie für die Lupe etwas eigenartiges an sich hat und auch wohl in frischem Zustande die Zellen bergen mag, welche sonst an den Sinneshügeln den Mittelpunkt bilden. Doch gelang es mir nicht bei dem mir zu Gebote stehenden Weingeistexemplar, an den die Vertiefung ganz nach Art einer Hautdrüse auskleidenden, allerdings halbzerstörten Zellen etwas wahrzunehmen, was sie von den Zellen gewöhnlicher Hautdrüsen unterschieden hätte. Wirkliche Drüsen stehen am Fusse oder Rande des Hügels herum, auf ihm selber mangeln sie; wohl aber erstrecken sich, wie Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 163 schon die Lupe, besser die gesteigerte Vergrösserung erkennen lässt, dieselben gefässtragenden Hautleisten, von denen oben die Rede war, über die Fläche des Hügels hin, natürlich in sehr ver- jüngtem Massstabe; auf senkrechten Schnitten können sie wie alle Leisten das Bild von schlanken Papillen geben. Selbstverständlich habe ich auch das Epithel der Hügel unter- sucht, aber entfernt nichts aufzufinden vermocht, was auf etwas Specifisches gedeutet hätte. Vielmehr hat der epitheliale Ueberzug der Hügel und ihrer Gefässleisten den Charakter des gewöhnlichen Epithels der Haut: Plattenzellen, deren Cuticularsaum die vielfach erwähnte feinste Punktirung aufzeigt. Das Epithel geht von den Hügeln in’s Thal bis genau dahin, wo die Oeffnung der zwischen beiden Hügeln befindlichen Höhle liegt, allwo dann die körnige Masse der die Höhlung selber auskleidenden Zellen beginnt. Bei Cryptobranchus japonicus sind die Hügel der Lederhaut ebenfalls zugegen und von noch stärkerer Entwickelung, denn sie sind drei- bis viermal grösser als an Menopoma und auch zahl- reicher. Ihre Anordnung und Vertheilung ist die gleiche wie bei letzterem Thier: sie stehen am Kopf längs der Seite des Körpers her, bis zum Schwanz. Am Kopf gehen sie von den Seitentheilen des Gesichtes soweit herauf, dass oben nur eine verhältnissmässig schmale Partie frei bleibt. Auch hier erstrecken sich auf die Hügel, bis nahe zu ihrem Gipfel, die feinen Hautleisten. Obschon an dem mir vorliegenden Exemplar die Epidermis besser erhalten ist, wie bei Menopoma, lassen mich doch meine Nachforschungen über vermuthungsweise vorhandene Sinnesbecher wieder ganz im Stich. Wohl aber gelingt es, was mir an Meno- poma zweifelhaft geblieben war, an Flächenschnitten der Hügel so viel zu ermitteln, dass eine Anzahl von Nervenfasern die Gegend der Hügel aufsucht. Ich habe die mir zugänglichen Arbeiten über Menopoma gi- ganteum und Uryptobranchus japonicus auf die im Voranstehenden abgehandelten Punkte verglichen, aber gefunden, dass von den feinen Hautleisten nirgends die Rede ist, sondern nur von den grossen Hautfalten. Die eigenthümlichen Höcker des Kopfes und der Seitenlinien werden zwar da und dort erwähnt, aber blos ein einziger Beobachter hat ihre Bedeutung erkannt. 164 Franz Leydig: Die Schrift Barton’s, des ersten Beschreibers von Menopoma giganteum, bin ich leider nicht im Stande einzusehen, sondern kenne nur das, was Si- gismund Leuckart auszieht, der glücklicherweise auch die von dem ame- rikanischen Entdecker gegebene Figur nachstechen liess!),. Wenn man auch dem Urtheil S. Leuckart’s dass die Abbildung »mittelmässig« sei, zustimmen muss, so giebt sie doch nicht blos die eigenthümliche Faltenbildung der Haut an, sondern man sieht auch an der Seite des Leibes die Höcker des »sechsten Sinnes« dargestellt und zwar richtig als runde Knöpfe, während am Kopfe nur eine Art Punktirung sie anzudeuten scheint. Neben dieses, wenn nicht nach dem Leben, doch nach einem in Weingeist aufbewahrten und gezeich- neten Thier hat S. Leuckart auch die Abbildung eines »ausgestopften, im Wiener Museum befindlichen Exemplars« gestellt, von dem er selber sagt »dass es wohl besser sein könnte«. Immerhin ist aus dem Exemplar zu ent- nehmen, dass es nicht einmal der ausstopfenden und den Balg unmässig ausspannenden Hand gelungen ist, die grossen Seitenfalten ganz verstreichen zu machen. Die an allen Zehen scharf sich abhebenden Nägel sind wohl dem Zeichner zur Last zu legen; wobei übrigens zu bemerken wäre, dass auch an der Copie nach Barton an drei Zehen des Vorderfusses Nägel an- gebracht sind. Eine Originalfigur ist offenbar auch die Abbildung bei Bibron und Dumö£ril?), aber obschon zierlicher in Zeichnung und Stich, stelle ich sie doch der alten Barton’schen Figur nach, da sie weder die Tracht des Thie- res getroffen hat, noch in den Einzelheiten mehr leistet; so fehlen die Höcker der Seite ganz, am Kopf sind nur spurweise einige angedeutet. Die feine Leisten- und Papillenbildung der Haut scheint veranlasst zu haben, dass um das Auge ein seltsamer Strahlenkranz gezogen wird. Im Text kommt dieses merkwürdige Thier sehr kurz weg: es wird blos der Seitenfalten gedacht ?), nicht aber des Leistensystems, auch nicht der Sinneshöcker. 1) Zeitschrift Isis, Jahrg. 1821. Oken hat die Figur später für seinen Atlas der Naturgeschichte (Taf. 58, Fig. 6) nachzeichnen lassen, wobei sie aber nicht gewonnen, sondern eingebüsst hat, indem jetzt am Kopf die Punktirung, welche die Sinneshöcker wenigstens ausdrücken soll, weggelassen wurde; auch ist das Colorit, welches Oken dem Thier geben liess, ein lichtes Schiefergrau. 2) Erpetologie generale, Atlas, 1854. Pl. 94, Fig. 1. — Das Colorit ist ähnlich gehalten, wie auf der Oken’schen Tafel, nur dunkler und auf das Schiefergrau sind dunkle Flecken gesetzt. 3) »Une saillie form&e par des lignes irreguliers sur les flancs«. — In Sonnini’s und Latreille’s Werk: Histoire naturelle des Reptiles, Paris 1826, sucht man ebenfalls vergeblich nach einer Erwähnung der Sinnes- höcker; die Figur, in sehr verkleinertem Massstab und obschon nach dem Titel des Buches zu schliessen (avec figures dessinees d’apres nature) eine Originalabbildung, ist völlig werthlos. ‘ Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 165 Waren die zwei vorgenannten Figuren im verkleinerten Massstabe an- gelegt und nicht nach dem frischen oder lebenden Thier gefertigt, so hat Prinz Wied die Lücke dadurch ausgefüllt, dass er eine in natürlicher Grösse eehaltene und nach dem Leben gemalte Abbildung veröffentlichen liess), Der Zeichner war der den Prinzen begleitende sehr geschickte Bodmer, und wenn man die herrlichen Blätter ansieht, welche derselbe Künstler zu dem Atlas des Reisewerkes geliefert, so darf man vermuthen, dass die Hand- zeichnung und Farbengebung um vieles besser waren, als sie im Stich und unter dem Pinsel des Coloristen geworden sind. Was ich desshalb ausdrück- lich bemerke, weil ich mich sonst nicht genug wundern kann, dass auf der lebensgrossen Abbildung auch jede Spur der doch so hervorstechenden Sinneshöcker, welche bereits Barton nicht übersehen hat, fehlt! Oder soll- ten vielleicht die Gebilde am lebenden Thier weniger hervortreten? Denn auch die Worte der Beschreibung sagen nichts von den Hügeln, wenn man nicht etwa darauf die Angabe bezieben wollte: »unter dem Kopf mit stark vortretenden Papillen besetzt, die am Bauche höchst zart und fein sind«. Der letztere Zusatz verbietet die »Papillen« auf die Sinneshöcker zu deuten, lässt vielmehr an die Leistechen denken. Dasselbe möchte man von den »zahlreichen kleinen gelben Drüsen« meinen, welche nach Mayer?) die Haut des Menopoma »trägt«. Allein in der »Nachschrift« zu dem unten angezo- genen Werke heisst es von einem jungen Thier derselben Art: »An der un- teren Seite des Unterkiefers zu beiden Seiten eine bogenförmige Reihe von 22 Drüschen. Ebensolche bogenförmige Reihe von Drüschen, 15 auf jeder Seite der Brust«. Dies kann sich nur auf die fraglichen Höcker beziehen, welche hier irrthümlich für Drüsen erklärt werden. Was den Oryptobranchus japonicus anbetrifft, so kann ich die präch- tige von Dr. Mulder gezeichnete Abbildung vergleichen, welche der v. Sie- bold’schen Fauna japonica, Saurii et Batrachii, bearbeitet von Temmink und Schlegel, beigegeben ist. Hier treten die Höcker ausnehmend stark hervor. Im Text des Werkes wird indessen bloss bemerkt: »La peau est parsemee de nombreuses inegalites, qui se presentent souvent, particuliöre- ment sur la tete, sous la forme de protubärances orbiculaires et dont un rangee se prolonge sur chaque eöt® du dose. Die Höcker und die Weise ihrer Vertheilung sind auch auf die Um- rissfigur mit eingezeichnetem Skelete übergetragen, welche in mehreren Schriften ®) uns begegnet und offenbar nach der Mulder’schen Abbildung entworfen ist. 1) Verzeichniss der Reptilien, welche auf einer Reise im nördlichen Amerika beobachtet wurden. Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXII, 1865. 2) Analekten für vergleichende Anatomie, Bonn 1835, 8. 71. 3) In Burmeister’s Geschichte der Schöpfung, sechste Auflage 1856. S. 460; ebenso in Heer’s Urwelt der Schweiz, 1865, Taf. XI, Fig. 2. 166 Franz Leydig: Auch einer der neuesten Untersucher des Thieres,Hyrt1?), äussert sich nicht weiter über die Bedeutung der Hügel, sondern spricht eben nur von „innumeris tuberculis rotundatis“, welche sich so stark erheben, dass sie „verrueis duriusculis“ ähnlich werden. Von Interesse ist aber die weitere Mittheilung: ‚in vivo animali haec tubercula mirum in modum tument, — in mortuo autem collabuntur et adeo subsident, ut elevationibus lentieularibus magis, quam tuberibus pedunculatis similia evadent“. Und es sei desshalb noch einmal zurückgewiesen, dass auch an der vonMulder nach dem Leben gezeichneten Abbildung dieHöcker ausnehmend gross erscheinen. Nach dem, was ich an dem Weingeistexemplar sehe, mag der wechselnde Zustand wohl mit der Füllung und Entleerung der so überaus weiten Blutcapillaren theil- weise zusammenhängen. Eilhard Schulze?) ist bisher der einzige Zoolog, der die Bedeutung der fraglichen „schon bei oberflächlicher Betrachtung sehr in die Augen fallenden, am Kopfe und an der Seite des Rumpfes bis auf den Schwanz ge- legenen Hügel‘‘ erkannt und den feineren Bau derselben untersucht hat. Nach ihm zeigt ein Schnitt durch einen derartigen „Hügel mit mittlerer Concavität“ im Grunde jener Aushöhlung eine knopfartige, mit Cylinder- epithel bedeckte Erhabenheit, in welche Nerven eintreten. Auch glaubt der Genannte, dass eigenthümliche, aus feinen, nebeneinander liegenden Fasern gebildete Büschel, welche von der Epithelialbekleidung frei in die umgebende Flüssigkeit hinaus ragten, als durch die Einwirkung des Spiritus geronnene und tkeilweise verklebte Sinneshaare gedeutet werden können. — Wegen der geringen Ergebnisse, welche ich an dem von mir untersuchten Stücke über das Histologische dieser Gebilde erhalten konnte, unterlasse ich es die letztere Angabe zu beurtheilen; dass sie nicht mit meinen oben vorgeführten Wahr- nehmungen stimmt, braucht kaum gesagt zu werden. 8. Die Organe des sechsten Sinnes der Salamandrinen. Eilhard Schulze lässt aus den vorgenannten Organen nicht blos lange Haarbüschel hervorstehen, sondern es seien auch die- selben von einer durchsichtigen Röhre umhüllt. Ich habe bei einer andern Gelegenheit bereits nicht unerwähnt gelassen, dass ich weder das eine noch das andere wahrzunehmen im Stande war°). Darauf hin hat Schulze in einer neuen Abhandlung seine Angaben 1) Oryptobranchus japonicus. Schediasma anatomicum, Vindobonae 1865. 2) E. Schulze, Ueber die Nervenendigung in den sogenannten Schleim- kanälen der Fische und über entsprechende Organe der durch Kiemen ath- menden Amphibien. Arch. f. Anat. u. Phys. 1861. 3) a.2.0. Ueber die allgemeinen Bedeekungen der Amphibien. 167 durchaus aufrecht erhalten'), und vor Kurzem erklärt Langer- hans?), dass er die »Existenz der homogenen äusseren Röhre« und der Sinneshaare einfach bestätigen könne. Dies Alles war wohl Aufforderung genug die Untersuchung von Neuem vorzunehmen, und zu diesem Behufe züchtete ich im verwichenen Frühjahr nicht blos die Larven von Triton helveticus im Zimmer, sondern holte mir auch die frischgeborenen Thierchen von Salamandra maculosa aus den Waldbächen. AnLarven des genannten Wassermolches von 3 bis 4° Länge, welche noch nicht aus der Eibülle geschlüpft sind und allwo das Herz bereits pulsirt und Anfänge des Kreislaufes sichtbar werden, übrigens alle Zellen des Körpers noch voll von Dotterkügelchen stecken, sind die Organe, um welche es sich handelt, nur spurweise zu erblicken. Deutlich machen sich hingegen, z. B. am Kopfe, Höcker bemerklich, welche entschieden über die Hautfläche vor- stehen und je einen Büschel langer Wimperhaare tragen. Man könnte zuerst auf den Gedanken kommen, ob diese Beu- len nicht die Vorläufer der Sinnesorgane seien, besonders auch desshalb, weil sie eine gewisse Abgrenzung gegen das übrige Epithel zeigen. Allein dem ist nicht so, denn sie stehen nicht blos am Kopf, an der Seite des Leibes und Schwanzes, sondern in gleicher Weise auch auf den Kiemen und sind eben die Träger langer Ci- lien, während das übrige Hautepithel nur kurze und äusserst feine Wimperhärchen besitzt. Ich habe auf dieses Verhältniss bereits in meiner Arbeit über die Molche der württembergischen Fauna auf- merksam gemacht). 1) Ueb. d. Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. VI. 2) Ueber d. Haut d. Larve von Salamandra maculosa. Arch. f. mikros- kop. Anat. Bd. IX. 3) Da Collin in seiner Abhandlung über die Frösche und Kröten Dänemarks (Danemarks Froer og Tudser, Naturhist. Tidsskrift, 1870) aus- drücklich bemerkt, dass er nie im Stande gewesen sei, Flimmerhaare oder Flimmerbewegung auf der äusseren Haut derKaulquappen wahrzunehmen, so setze ich noch bei, dass ich erst vor Kurzem wieder an Larven von Rana esculenta, deren Hinterbeine bereits hervorsprossten, die Wimperung gesehen habe, und zwar sowohl an der Bauch- als auch an der Rückepfläche. Die Archiy f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12. 12 168 Franz Leydig: An weiter entwickelten Larven, deren Kiemen bereits drei bis vier Franzen getrieben haben, während die Vorderbeine als Stum- meln hervorsprossen, auch am Auge schon Spuren des metallischen Pigmentes auftreten, sind jetzt die Sinnesorgane der Haut sehr kenntlich. Ihre Oeffnung ist von etwas Pigment umfasst, welches in den Deck- oder obersten Pflasterzellen liegt; aus dem Innern hebt sich ein Ballen oder Kegel von Zellen ab, die, von länglich birnförmiger Gestalt, schon in frischem Zustande sich durch körni- gen, an den der Schleimzellen erinnernden Inhalt von ihrer, eben- falls zelligen, Umgebung abgrenzen. Blickt man bei starker Ver- grösserung auf die Oefinung des Organs, also gewissermassen auf die Köpfe der erwähnten Zellen, so erscheint eine Reihe etwas glänzen- der Ringe, die bei anderer Einstellung sich in feine Spitzen ausziehen. — Jene auch jetzt noch von den übrigen Epithelzellen der Haut durch Grösse und lange Wimperbüschel ausgezeichneten Zellen, in deren Innerem sich neben den Dotterkugeln, im Protoplasma, Secret- blasen oder Vacuolen gebildet haben, bestehen fort und weisen somit jeden Gedanken an einen genetischen Zusammenhang mit besagten Sinnesorganen zurück. Noch ältere Larven mit wohl entwickelten Vorderbeinen wei- chen nicht ab, insbesondere ist auch bei ihnen keine Spur der Röhren und der eingeschlossenen langen Borsten vorhanden. An den Larven von Salamandra maculosa sind die Dinge nicht anders, mag man die Organe am lebenden Thier untersuchen oder nach Anwendung von doppelt ehromsaurer Kalilösung oder sehr ver- dünnter Ueberosmiumsäure. Die Organe bestehen immer: 1. zu oberst aus einer Lage platter Zellen (Deckzellen); 2. aus verlängerten Zellen, welche die Hauptmasse des eigent- lichen Hügels bilden (Stützzellen) und sich sowohl durch ihre Gestalt von den übrigen kleineren Epithelzellen, welche sich Cilien sind äusserst fein und die Büschel der langen Flimmerhaare standen sehr vereinzelt. — Die sonst sorgfältig gearbeitete Schrift Collin’s, welche ich bald an einem andern Orte des Weiteren zu berücksichtigen haben werde, konnte ich aus Mangel an Sprachkenntniss lange nicht geniessen, bis erst nach Abfassung von Gegenwärtigem Herr Dionys Burger aus Leewarden in Holland, welcher sich im Sommer 1874 an der Tübinger Universität mit der Anatomie der Insecten beschäftigte, die Güte hatte, mir eine vollständige Uebersetzung zu liefern. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 169 zwischen den Schleimzellen der Umgebung hin erstrecken, unterscheiden, als auch durch eine gewisse glänzende Be- schaffenheit. 3. Zu innerst befindet sich die Gruppe länglicher Zellen, welche als eine Umbildung der Stützzellen anzusehen sind, in frischem Zustande ein etwelches helles, wie homogenes Wesen an sich haben, nach Reagentien aber feinkörnig sich trüben. 4. Stellt man bei starker Vergrösserung auf die Oeffnung des Organs, also auf die Gipfelpunkte der Zellen den Focus ein, so erscheint eine regelmässige oder auch unregelmässige Reihe, selbst wohl nur eine Gruppe oder Haufen von 'hellen Ringel- chen, welche den optischen Durchschnitt, oder je nach der Einstellung,. auch das Ende von kurzen Hervorragungen bilden. Sie enden nicht eigentlich zugespitzt, sondern, wie unter der Tauchlinse ersichtlich wird, ihr Gipfel, welcher das Licht stärker bricht als die Basis, hat eine etwas geknöpfte Gestalt. Wenn die Theile einigermassen regelmässig stehen, können sie eine Art Kamm vorstellen, ein andermal, bei ihrer leicht ver- letzlichen Natur, sind sie zu nicht mehr glänzenden Kü- gelchen eingeschmolzen, welche als ein Häufchen aus der Mün- dung des becherförmigen Organs sich abheben. Es scheint, dass keineswegs immer je ein Stiftchen zu einer einzigen Zelle ‚gehört, sondern dass auf eine Zelle mehrere Stiftchen kommen ; denn ihre Zahl übertrifft mitunter ganz entschieden jene der feinkörnigen, den Kern des Organs bildenden Zellen (Sinnes- zellen der Autoren). Ich bin somit abermals ausser Stand gewesen bei Triton oder bei Salamandra etwas von der Röhre wahrzunehmen, welche nach den Angaben der oben genannten Beobachter vorhanden ist und ebensowenig habe ich die langen Borsten zu entdecken vermocht, sondern nur die winzigen Stifte. Wenn ich meine jetzigen Befunde und bildlichen Aufzeich- nungen mit denen vergleiche, welche ich vor acht Jahren veröffent- lichte, so finde ich bloss das eine zu verbessern, dass die Zellen, welche den Ballen oder Kegel des Organs erzeugen, nicht rundlich sind, sondern länglich birnförmig; dann wurden zweitens dazumal von mir die Stiftchen noch übersehen. Beides habe ich aber später an den gleichen Organen der Schlangen wahrgenommen und bereits 170 Franz Leydig: ausführlich besprochen, so dass die Gleichheit der Grundzüge im Bau dieser Organe bei Amphibien und Reptilien festgestellt er- scheint. 9. Historische und kritische Bemerkungen über die Organe des sechsten Sinnes. In den jüngst vergangenen zwei Jahren hat die Zahl derer, welche die so eigenthümlichen, unter obigen Namen gebrachten Bildungen zum Gegenstand ihrer Studien wählten, zugenommen; es mag passend und wohl auch nützlich sein, wenn an dieser Stelle auf das Uebereinstimmende in den Mittheilungen nicht minder hin- gewiesen wird, als auch auf die noch strittigen Punkte. In einer reichhaltigen Arbeit über die Tastorgane höherer und niederer Thiere hat Jobert!) auch die becherförmigen Organe der Fische nach Bau, Vorkommen und physiologischer Bedeutung ge- prüft. Den Untersuchungen desselben zufolge haben die Organe: 1. eine innere Höhle; diese ist ausgefüllt 2. mit einer feinkörnigen Substanz, welche dasLicht stark bricht und nervöser Natur ist, entstanden aus der Auflösung von ınehreren Axencylindern. . Die Wand des Organs besteht aus fadenförmig verlängerten Zellen von der Natur der Epidermiszellen. Jobert betrachtet nach seinen anatomischen Studien sowohl, wie auf Grund der Bewegungen und des Verhaltens lebender Fische in den Seeaquarien, die Organe als Tastwerkzeuge; doch muss er sich gestehen, dass auch etwas dazwischen spielt — besonders da ein Theil der Organe in der Mund- und Rachenhöhle den Enden des Nervus glossopharyngeus aufsitzt — was ihre Deutung als Ge- schmackswerkzeuge rechtfertigen lasse. Eine zweite uns berührende Schrift liess Todaro erscheinen ?), indem er nachwiess, dass bei Rochen, Haien und Chimären auf den (SS) 1) Etudes d’anatomie compar6e sur les organes du toucher ete., Ann. d. scienc. nat. 1872. 2) Gli organi del gusto e la mucosa bocco-branchiale deiSelaci, in den Ricerche fatte nel laboratorio di anatomia normale della R. Universitäa di Roma, nell’ anno 1872. Pubblicate dal Dott. Francesco Todaro, Roma 1873. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 171 Papillen der Mund- und Kiemenhöhle besondere epitheliale Bildungen vorkommen, welche ohne Zweifel in die Reihe der gedachten Organe gehören. Nach der Grösse und der histologischen Zusammensetzung unterscheidet unser Autor Glocken und Becher; beide aber bestehen aus Zellen verschiedener Beschaffenheit, von denen herausgehoben zu werden verdienen: 1. Stäbchenzellen, ‘2. Drüsenzellen, 3. Epithelzellen gewöhnlicher Art. Langerhans!) studirte den feineren Bau der Seitenorgane in der Haut der Larven von Salamandra maculosa und unterschei- det daran, ausser den gewöhnlichen oder deckenden Epithelzellen, noch Cylinderzellen in der äusseren Schicht; weiterhin Sinneszellen mit einem bandartig verdünnten Fortsatz nach oben. Zuletzt hat Bugnion?) dargethan, dass auch beim Proteus und Axolotl die in Rede stehenden Organe zugegen seien. Ihre Vertheilung am Kopf und den Seiten des Leibes bis über den Schwanz hin geschehe ähnlich wie bei den Larven von Triton und Salamandra. Am Proteus erhalten sie sich zeitlebens, beim Axolotl verschwinden sie im Lauf des zweiten Jahres. Die zelligen Ele- mente, welche das Organ zusammensetzen, zerfallen, die Deck- oder gewöhnlichen Epithelzellen (des cellules tectrices) abgerechnet, in Sinneszellen (des cellules & bätonnet und des cellules pyriformes), und in Stützzellen (des cellules fusiformes). Ueberblickt man Alles, was bisher von mir und Anderen über die eigenthümlichen Organen wie sie in der äussern Haut, dann in der Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugethieren vorkommen, ermittelt wurde, so wird wohl Niemand bestreiten können, dass sie alle verwandtschaftlich zusammengehören, etwa in der Sprache systematischer Aufstellungen als Familie einer Organgruppe; ebenso klar ist aber auch, dass sie untersich Verschiedenheiten aufzeigen, welche uns berechtigen können, sie wieder in Untergruppen zu zerlegen. 1) Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. 9, 1873. 2) Recherches sur les organes sensitifs que ce trouvent dans l’epiderme du Protee et de ’Axolotl. Lausanne 1873. 172 Franz Leydig: Als solche engere Abtheilungen fasse ich einstweilen zusammen: 1. Die von mir 1853 zuerst auf den schwammförmigen Papillen der Mundhöhle des Frosches!) erkannte, eigenartige Epithel- platte, indem ich hierzu die jüngst von Todaro 1873 auf den Papillen der Mund- und Kiemenhöhle der Selachier aufgefunde- nen Glocken (campane) und Becher (organi caliciformi) rechne. 2. Als Formen, welche wieder einen näheren Bezug aufeinander haben, sehe ich an: a) Die von mir (1850) aufgefundenen und mit der Bezeichnung »becherförmige Organe« eingeführten Bildungen bei Süss- wasserfischen, die ich dann auch am Stör beschrieb und welche gegenwärtig (1872) Jobert ferner an zahlreichen Teleostiern des Meeres nachgewiesen hat?). Weiterhin zählen hieher die von Eilhard Schulze aus der. Mundhöhle der Froschlarven (1870) beschriebenen Organe; ebenso die von mir (1872) angezeigten Organe aus der Mundhöhle der Eidechsen und Schlangen; endlich nicht minder die durch 1) Dieselben Bildungen kommen wohl allen einheimischen Anura und Urodela zu: ich habe sie mir z. B. von Bufo calamita, Bufo vulgaris, Pelobates fuscus und Triton alpestris angemerkt. Gar schön heben sie sich an sehr kleinen einjährigen Thieren des Bufo calamita und Pelobates fuscus ab, deren Zunge man ganz unter das Mikroskop gebracht hat. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir eine bei den verchiedensten Autoren, welche über den Bau der Zunge des Frosches geschrieben haben, wiederholte Angabe, wornach Billroth (1856) der erste Beobachter obiger Organe wäre, zu berichtigen. In meiner Schrift: Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Mit 4 Tafeln, Berlin, Georg Reimer 1853, ist von mir zum erstenmal gezeigt worden 1) dass nur die keulenförmigen Papillen der Zunge des Frosches Nerven erhalten, nie aber die Enden der fadenförmigen Papillen; 2) dass auf dem freien Ende der keulenförmigen Papillen in einer seichten Vertiefung Cylinderzellen sitzen von einer ganz anderen Natur als die übrigen Epithelzellen der Papillen; 3) dass sie wohl mit der Geschmacksempfindung in Beziehung zu bringen seien. 2) Das Journal de Zoologie, Tome III, Num. 6, Paris 1874 bringt eine Abhandlung über die blinden Fische der Mammouthhöhle, in welcher vom Kopf des Amblyopsis spelaeus papilläre Falten beschrieben und abgebildet werden, mit Aushöhlung am freien Ende und einem hervorstehenden Faden. Es mag sich wohl um Organe handeln, welche den oben aufgezählten nächst verwandt sind. Leider scheinen die Verfasser über das, was bisher über diese Bildungen ermittelt wurde, sich in völliger Unwissenheit zu befinden, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 175 Loven und Schwalbe (1867) zuerst bekannt gewordenen Bildungen auf den Zungenpapillen der Säuger. b) Die »Seitenorgane« und ihre Gruppen am Kopf, welche Eil- hard Schulze bei den Larven der Amphibien entdeckte (1861); die von Bugnion (1873) dargestellten Sinnesorgane aus der Epidermis von Proteus und des Axolotl. 3. Einen anderen Formenkreis scheinen die Organe in der Haut der Saurier und Schlangen darzustellen und zwar a) von der Gattung Lacerta und Angws (Leydig, 1868); b) der Geckotiden (Cartier 1875); c) der Krokodile; worüber, man meine Bensankanh in dem Auf- satz zur Benni der Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anatomie 1872, S. 329 vergleichen möge. d) der einheimischen Nattern. (Leydig 1868). 4. Die von mir jüngst (1873) aus der Haut der Schlangen be- schriebenen Organe, welche ich einstweilen als Abänderungen der Sinnesbecher ansehe!). 5. Weiterhin mag auch jetzt wieder der von mir (1859) aus der Epidermis der Wallfische und dem Flotzmaul des Rindes (1872) angezeigten Bildungen von neuem gedacht werden?). Und es ist mir im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die von Eimer?) in der Schnauze des Maulwurfs entdeckten epidermoidalen und mit Nerven ausgestatteten Organe, den von der Schnauze des Rindes und der Haut der Wallfische erwähnten Bildungen völlig gleichwerthig sind. Wenn ich aus den eigenen und fremden Beobachtungen über den feineren Bau der becherförmigen Organe das Ergebniss ziehe, so lassen sich als histologische Elemente, welche in deren Zusammen- setzung eingehen, unterscheiden: 1. Deckzellen oder Elemente, welche von den gewöhnlichen Plattenzellen des Epithels sich nicht unterscheiden. Bezüglich der 1) Ueber die äusseren Bedeckungen der Reptilien und Amphibien, Ar- chiv für mikrosk, Anatomie 1873. 2) Vergl. Ueber d. äusseren Bedeckungen der Säugethiere, Archiv f. Anat. u. Phys. 1859, S. 681. — Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen, Archiv f. mikroskop. Anat. 1872, S. 345. 3) Die Schnauze des Maulwurfs als Tastwerkzeug. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. VI. 174 Franz Leydig: Deutung dieser Gebilde besteht auch keine Meinungsverschiedenheit unter den Beobachtern. 2. Ebenso wird man sich einigen können über das Morphologische der Stützzellen. Sie bilden unterhalb der Deckzellen die Seiten- wand des Bechers und sind dadurch entstanden, dass gewöhnliche aber tiefer liegende Epithelzellen nahezu faserähnlich auswachsen. Ueber die physiologische Natur derselben weiche ich aber von den andern Beobachtern bis jetzt darin ab, dass ich besagte Elemente für contractil halte, weil ich schon längst auf Erscheinungen gestossen bin, welche ein Zusammenziehungsvermögen der becherförmigen Or- gane beurkunden und als den Sitz desselben spreche ich die »faser- ähnlich« ausgezogenen Stützzellen an. Indem auf diesen Punkt schon mehrmals von mir hingewiesen wurde!) möchte ich jetzt ganz be- sonders die Beachtung auf das lenken, was unten über die Muskeln der »Hautdrüsen« der Molche zu berichten sein wird, welche Bil- dungen im Vergleich zu gegenwärtigen Organen besondere Aufmerk- samkeit verdienen. Dort stellen sich die von der bindegewebigen Grenzhaut umschlossenen Zellen von zweierlei Art dar; nach ein- wärts liegen die eigentlichen Secretionszellen, nach auswärts die Muskelzellen, welche nach Abheben der Epidermis derartig als ein Büschel von Fasern hervorragen, dass man beinahe fragen könnte, ob nicht unter den »Stiftzellen« der Autoren ein oder das andere Bild hieher gehört. 3. Am meisten gehen die Ansichten über die Natur jener Zellen auseinander, welche den inneren Ballen oder Kegel des Or- gans bilden. Ich halte sie den Drüsen- oder Schleimzellen für verwandt. Engelmann?) unterschied sie als »Kelchzellen« aus den Epithelpolstern auf dem Gipfel der pilzförmigen Papillen der Froschzunge. Ich habe, indem ich sie aus den entsprechenden Organen der Mund- und Rachenhöhle der Reptilien darstellte, aus- drücklich die Eigenschaften bezeichnet, durch welche sich die Ge- bilde von den gewöhnlichen, im Epithel zerstreuten Schleimzellen unterscheiden. Aus den Seitenorganen des Proteus und Axolotl’s 1) Zuletzt noch in d. Act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, wo ich auf Tab. III, Fig. 20, eine Abbildung gegeben habe, welche die Oefinungen in verengertem und erweitertem Zustande darstellt. 2) Ueber die Endigung der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. Ztschrft. f. wiss. Zool. 1867. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 175 gehört wahrscheinlich ein Theil der von Bugnion als »cellules pyriformes« gekennzeichneten Zellen hierher. Nach meiner Auffassung können somit die gedachten Theile durch ihr Secret, welches mit dem Zellenkörper in Verbindung bleibt und einen bestimmten Zuschpitt annimmt zu dem werden was man Stab- und Stiftzellen nennt, den eigentlichen Sinneszellen in der Bezeichung der vorgenannten Anatomen. Ihr besonderer Character besteht darin, dass das Auszuscheidende die Form von Stiften oder Stäben oder auch haar- ähnlichen Bildungen angenommen hat. Und auf solche Weise erkläre ich mir auch, wie ich schon anderwärts hervorgehoben), das Veränder- liche in der Erscheinung der Stifte und Fäden. Insbesondere möchte ich es auch immer noch diesem Umstande zuschreiben, dass ich von den Röhren, welche Eilhard Schulze bei den Larven der Sala- mandrinen schildert, nichts wahrgenommen habe. Die haarähnlichen Fäden können sogar den Charakter von Cuticularbildungen annehmen, wobei an die von Cartier zuerst bei den Geckotiden frei hervorstehenden Borsten erinnert werden mag. Ich habe sie mir ebenfalls von Platydactylus aegyptiacus an- gesehen, sowie von G@ymnodactylus geckoides und Hemidactylus Qua- lensis und auch hier bemerkt, dass ein Wechsel im Vorkommen oder Fehlen und in der Zahl statt hat: bald ist nur ein einziges Haar zugegen, bald mehre, meist drei, auch häufig vier. Ausserdem sitzen sie zunächst auf einem hellen, kreisrunden Deckelchen, welches die Oeffnung des Organs verschliesst und die gleiche Widerstands- kraft wie die Borsten gegen Kalilauge an den Tag legt, also wohl auch Cuticularbildung ist. 10. Pigment. a. Verschiedene Arten. Obschon ich mich über die Arten des Pigmentes in der Leder- haut bereits anderwärts ausgesprochen, möchte ich doch noch einmal, ergänzend und zusammenfassend, hier darauf zurückkommen. Am allgemeinsten verbreitet ist: 1) Archıv f. mikrosk. Anat. Bd. VIII. S. 348. 176 Franz Leydig: 1. Das dunkelkörnige oder schwarze; es liegt in der Haut von sämmtlichen einheimischen Amphibien und Reptilien. Der eigent- liche Farbenton der Elemente ist ein Braun, seltner ein Dunkelblau). 2. Schon weniger allgemein zeigt sich ein Pigment von gelb- lichem oder orangefarbigem Ton, dessen Kügelchen nach der op- tischen Beschaffenheit fettiger Natur sind. Die von solchen Stoffen herrührenden Farbentöne verschwinden an Thieren, welche in Wein- geist aufbewahrt werden, so z. B. das schöne Gelb und Orange an der Bauchseite der Wassersalamander. Vielleicht gehört hierher auch das schöne brennend Roth, welches bei Salamandrina perspi- cillata?) die untere Fläche der Gliedmassen des Schwanzes und der Kloake färbt. Ob auch das zarte eigenthümliche Rosenroth, welches in den Hautwarzen, gegen die Spitze hin, bei Bufo varia- bilis auftritt, hierher gehört, getraue ich mir nicht mit Sicherheit zu sagen. An jungen, einjährigen Thieren von Bufo vulgaris ist die Spitze der Hautwarzen ebenfalls mit diesem rosenrothen Pigment geziert, selbst auf der Ohrdrüse sitzen Wärzchen von der gleichen Farbe. 3. Bei Reptilien wohl durchgängig vorhanden zeigt sich ein weisses, ebenfalls aus Körnchen gebildetes, nicht irisirendes, in Netzform sich ausbreitendes Pigment. Von der Blindschleiche und den Nattern längst von mir erwähnt, habe ich vor Kurzem desselben im Näheren gedacht?). Bei den Amphibien schien mir früher diese Art Pigment ein beschränkteres Vorkommen zu haben, ich nannte hierzu die »pruinä« oder die weissen Höckerchen bei Tritonen als Bildungen, welche diesem Stoffe die Farbe verdanken. Jetzt vermag 1) Ueber dieses »Blau«, welches ich z. B. an der Kloak&nwölbung von Triton helveticus, dann bei Triton taeniatus und auch bei Larven von Sala- mandra maculosa wahrgenommen habe, bin ich noch im Zweifel geblieben, ob es nicht überall durch Ueberlagerung eines weisslichen oder irisirenden Pigmentes auf ein dunkles entsteht; oder ob nicht doch da und dort die blaue “ Farbe, ähnlich wie bei gewissen Wirbellosen, dem echten körnigen Pigment angehört. 2) Vergl. die nach dem Leben gefertigte Abbildung in Bonaparte’s Fauna italica, oder die Figuren auf Tafel I der eben erschienenen Schrift von Wiedersheim: Salamandra perspieillata und Geotriton fuscus. Versuch einer vergleichenden Anatomie der Salamandrinen. Genua 1875. 3) Ueber d. äusseren Bedeckungen d. Reptilien und Amphibien, Archiv f. mikr. Anatomie, 1873. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien, 177 ich beizufügen, dass sich auch über den obersten Theil der Lederhaut bei der Gattung Bufo (B. variabilis, B. calamita und B. vulgaris) das gleiche Pigment verbreitet, zugleich neben dem schwarzkörnigen. Es fehlt ferner nicht bei der Gattung Rana; auch lässt es sich deutlich sehen bei Pelobates und Alytes. Obschon bei allen diesen Arten der Farbenton ein nur weisslicher ist, so mag doch das Satt- gelb der Flecken von Salamandra maculosa, in Weingeist bekannt- lich ausdauernd, ebenfalls hierher zu rechnen sein; früher hatte ich es!) dem Braunkörnigen für näher verwandt gehalten. Ich habe bereits an einem andern Orte geäussert, dass ge- dachtes weissliche Pigment eine gewisse Verwandtschaft mit einem eigenartigen, gelbweissen Farbstoff in der Haut der Arthropoden zu besitzen scheine, welch letzterer nach meiner Vermuthung auf einer Ablagerung harnsaurer Verbindungen beruht ?). Ist dies richtig, so mag das nicht irisirende Pigment doch schon nahe verwandt sein mit 4. dem metallisch glänzenden oder irisirenden®) Pigment, welches von gelbem, weissem, bläulichem oder auch wie bei Bom- binator igneus‘) erzfarbenem Schimmer ist. Die Elemente dieses Pigmentes erscheinen unter den gewöhnlichen stärkeren Vergrösse- rungen (300—500 mal) als Körnchen; doch mitunter schon mit kry- stallinischer Zuschärfung; hin und wieder auch von ausgesprochener krystallinischer Form. Da nun ohne Zweifel eine Fortbildung dieser Elemente ins Grosse die bekannten irisirenden Plättchen oder Flitterchen des Metallglanzes bei Fischen sind und diese krystallinischen Körper nach Barreswil aus Guanin bestehen, so dürfte meine Ansicht über die verwandtschaftliche Beziehung der beiderlei Pigmente einer weiteren Prüfung werth sein. Bei unseren Schlangen ist da und 1) Ueber d. Molche d. Württ. Fauna, Separatausg. S. 9. 2) Fettkörper der Arthropoden. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 192. 3) Ueber das Vorkommen des metallisch glänzenden Pigmentes an den Larven von Salamandra maculosa, während es beim fertigen Thier völlig fehlt, habe ich Näheres veröffentlicht in d. Abhandlung: Molche d. Württ. Fauna, Separatausg. $. 93. 4) An der Iris dieses Thieres erscheint dasselbe Bronzepigment wie in der Haut. 178 Franz Leydig: dort in Rede stehendes Pigment nicht eigentlich körnig, sondern nimmt sich wie eine flüssig gewesene und jetzt erstarrte Masse aus. b. Vertheilung. Wenn wir die Vertheilung des Pigmentes ins Auge fassen, so stellt sich zunächst, wie ich schon anderwärts vorgebracht, als bemerkenswerth heraus, dass der oberste Saum der Lederhaut alle- zeit von färbendem Stoffe frei bleibt und daher immer als ein heller, wenn auch mitunter sehr schmaler Streifen sich von der Pigmentzone abhebt. Auch, was ich jetzt noch beizufügen habe, die vom Boden dieses Saumes sich erhebenden Leisten, Blätter und Papillen haben ebenfalls nichts von Pigment aufgenommen. In der gefärbten Schicht der Lederhaut kaun das grauweisse, nicht irisirende Pigment, welches zusammenhängende Netzfiguren bildet, tiefer liegen, als das schwarze, so dass es unmittelbar über den derben wagerechten Lagen des Bindegewebes ruht. So hatte ich es mir 2. B. von Bufo vulgaris angemerkt und für die bleibende Lage genommen. Nun aber gewahre ich bei Pelobates fuscus, dass an der einen Hautstelie und bei dem einen Thier das grauweisse, in Netzform sich ausbreitende Pigment sich tiefer hält als das dunkle; hinwieder aber an anderer Stelle der Haut in gleicher Höhe mit dem schwarzen und selbst noch etwas höher als dieses liegt, wess- halb wohl anzunehmen sein wird, dass der Wechsel nur die jeweilige durch den Tod und den Weingeist festgehaltene Lage des im lebenden . Körper sich manchfach verschiebenden Farbstoffes ausdrückt!). Das dunkle, schwärzliche oder bräunliche Pigment kann sich beschränken auf die Grenzschicht der Lederhaut nach aussen, und selbst da nur eine dünne schwarze Zone bilden, so z. B. bei Triton taeniatus; oder, und dies ist der Fall bei allen einheimischen Krötenarten, es steigt in grösserer oder geringerer Menge zwischen den senkrechten Abtheilungen der Lederhaut in die Tiefe herab, um auch wohl noch schliesslich, wie zum zweitenmal,; eine untere zu- sammenhängende schwarze Zone entstehen zu lassen. Auch das weichere, die Drüsen umziehende Bindegewebe ist gerne pigmenthaltig. 1) An einem von mir untersuchten Exemplar des aussereuropäischen Bufo pantherinus erstreckte sich das weissliche Pigment als zusammenhängende Lage unterhalb des dunkeln hin. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 179 Die eben angegebene Vertheilungsweise des dunkeln Pigments erscheint am ausgesprochensten bei Bombinator igneus, allwo auf einem Durchschnitt der Haut nicht blos die obere und untere dunkel- braune Zone nebst den senkrechten, schwarzen Zügen sehr in die Augen fallen, sondern auch die Drüsen am meisten von braunem Pigment sich umzogen zeigen. In der Lederhaut der Bauchseite dringt bei Alytes, Pelobates kaum etwas von dem Pigment in die Tiefe, eher noch am Rücken da und dort. Die Hautwarzen von Bufo variabilis haben, worauf schon hingewiesen wurde, ein gewisses durchscheinendes Wesen, was bedingt ist einmal durch die Beschaffen- heit der aufsitzenden Epidermishöcker, dann auch durch den Mangel des dunkeln Pigmentes gegen die Spitze zu. Erwähnenswerth finde ich ferner, dass die dunkle obere Pigment- zone in der Lederhaut, wenn auch für die Besichtigung mit freiem Auge wie ununterbrochen sich darstellend, sich doch unter dem Mikroskop nur in der Netzform, also mit Lücken ausbreitet. Und wir haben daher anzunehmen, dass der gleichmässige Ton in der schwarzen Hautfarbe bei Salamandra maculosa und Sala- mandra atra vorzüglich dadurch zu Wege kommt, dass das dunkle in den Zellen der Epidermis enthaltene Pigment die im schwarzen Netz der Lederhaut bleibenden hellen Lücken zudeckt. Und fragen wir zuletzt nach dem eigentlichen Sitz des Pig- mentes insoweit es die Lederhaut betrifft, so ist esimmer der aus dem lockeren Bindegewebe gebildete Theil; demnach die obere und untere Grenzschicht des Coriums und ebenso jene die beiden Schichten verbindenden, senkrecht aufsteigenden Züge oder Bündel. ec. Farbenwechsel. Bei unseren einheimischen Amphibien ist man bekanntlich zuerst am Laubfrosch und der grünen Kröte, später am Grasfrosch auf- merksam geworden, dass der Farbenwechsel von beweglichen Farb- zellen oder Chromatophoren herrühre. Ich wies nach, dass auch unsre Wassersalamander (Triton) das Vermögen des Farbenwechsels besitzen !); später bei meinen Studien über die einheimischen Saurier beobachtete ich das Gleiche an Lacerta und Anguis?),; endlich zu- 1) Die Molche d. württemb. Fauna, Archiv f. Naturgeschichte. 1867. (Separatausgabe S. 10.) 2) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier 1872, S. 166. Auch am gemeinen Gecko habe ich unterdessen den Farbenwechsel zu beobachten 180 Franz Leydig: letzt habe ich auch die auf beweglichen Farbzellen beruhende Aen- derung der Farbe bei unsern Nattern beobachten können). Ich erlaube mir jetzt eine Reihe von Aufzeichnungen, welche ich über den Farbenwechsel einheimischer Frösche und Kröten gemacht und insbesondere die Umstände, unter denen die Erscheinung hervor- trat, zunächst hier folgen zu lassen. 1. Im Eisackthal am 6. Sept. 1869 war mir bemerkenswerth, dass bei einer grösseren Zahl von Hyla arborea, welche mir in der Nähe des Dorfes Elvan zu Gesicht kam, kein einziges Thier ein rein grünes Kleid hatte, sondern das Grün in’s Trübe ging. Die Erklärung lag in der Beschaffenheit der Luft: es herrschte Südwind und Gewittersclwüle. 2. Am 23. October 1869 brachte mir Dr. Euting, welcher die Insel Sardinien besucht hatte, von dort eine Anzahl lebender Laubfrösche mit, alte und junge. Keines dieser Thiere war bei der Ankunft grün, sondern alle schwärzlich, in verschiedenen Abstufungen nach den Individuen, einige entschieden schwarz; manche zeigten auf dunkler Grundfarbe noch Flecken- bildung. Als sie sich nach und nach von der durch den Transport verur- sachten Aufregung erholten, hatten sie sämmtlich bis zum 19. November ihre Hautfarbe in ein schönes Grün umgesetzt; nur einer, ein Männchen nicht, das bleibend auf bronzebraunem Grund dicht schwarz gefleckt blieb. Die grüne Farbe bewahrten sie, in ihrem Gefäss nicht weiter behelligt, bis zum- März 1870. Als dann in der zweiten Hälfte des genannten Monates die Witterung umschlug, nahmen sie ein sehr verändertes Aussehen an: der eine war fast ganz hell wie durchscheinend geworden und ohne Fleckenbildung; bei anderen war ein weisslicher Grund aufgetreten mit inselartigen Flecken; das erwähnte fleckige Männchen hatte eine weisse Grundirung angenommen, von dem Farbenton des Bufo variabilis. Anfang Mai wurde das von October bis jetzt fleckig gewesene Thier ganz plötzlich einfarbig grün und blieb so einige Wochen, worauf es wieder sein grünes Kleid auszog und von Neuem in seiner alten Tracht — dunkler Grund mit Fleckenbildung — erschien. Ohne über die weiteren Beobachtungen im Einzelnen mich auslassen zu wollen, Gelegenheit gehabt. Durch die Güte des Dr. Wiedersheim, gegenwärtig Prosecetor in Würzburg, erhielt ich eine Anzahl lebender Platydactylus mau- ritanicus von Genua. Die Thiere zeigten bei der Ankunft ein düsteres, ziemlich gleichmässiges Dunkelbraun; nach einigen Tagen aber, bei wieder beruhigtem Nervensystem, traten weissliche Flecken in bestimmter Verthei- lung auf und die ganze Hautfarbe war lichter geworden. Ausser den strahligen dunkeln Chromatophoren liegt auch hier noch ein gelbliches und ein weiss- liches Pigment in der Haut. 1) Ueber d. äuss. Bedeckungen d. Amphib. u. Rept. Archiv f. mikrosk. Anatomie, 1873. (Separatabdruck $. 25.) Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 181 sei nur berichtet, dass diese sardinischen Laubfrösche während des ganzen Sommers ihre Farbe um vieles lebhafter wechselten als Exemplare des ein- heimischen Thieres, welclie unter gleichen Umständen gehalten wurden. So oft eine nur geringe Veränderung in der Temperatur statt fand, stimmte sich der Farbenton um, wobei es an individuellen Verschiedenheiten nicht fehlte. Die gewöhnlichste Veränderung blieb übrigens die, dass die Haut von dem schön gleichmässigen Grün in einen weissgrauen Grund mit Flecken- bildung überging. 3. Beobachtungen im grossen Massstabe an frei lebenden Laub- fröschen hatte ich Gelegenheit im September 1871 bei Rothenburg a. d. Tauber zu machen. Dort ist Ayla arborea ungewöhnlich häufig und auf einem Gang zum Karrachsee (Wildweiher der Reymann’schen Karte), traf ich am Wachsenberg hinan und am See selbst den Laubfrosch in einer Menge, wie ich noch nie gesehen: fast jeder Schritt schreckte einige dieser Thiere auf. Es war ein sonniger warmer, windstiller Tag (+ 16° R. Nachmittags). Ich mochte noch so viele der meist jüngeren!) Thiere auf ihre Farbe besehen, sie waren alle entweder freudig grün, andere gelblich bis zum rein eitrongelben, wieder andere waren auf gelbem Grunde dicht schwarz ge- tüpfelt. Tags darauf mache ich denselben Ausflug, die Frösche sind wieder da, aber nicht blos das Wetter hatte sich geändert, sondern auch die Farbe der Hyla. Der Himmel war wolkig streifig bedeckt, die Temperatur herab- gegangen (+ 14° Nachm.), ein Wind hatte sich aufgemacht und keiner der vielen Laubfrösche, die mir wieder vor den Füssen hüpften, war »freudig grüne. Ich wiederholte den Gang einige Tage darauf bei hellem Himmel, (+14° R.) und Südwest. Diesmal waren die einen »anmuthig« grün, andere blassgrün, wieder andere hellgelb 2). 4. Eine mich in völliges Erstaunen versetzende Beobachtung war die folgende. Ich hatte im Herbst 1872 eine Anzahl jüngerer Laubfrösche von Würzburg mit nach Tübingen genommen und hielt sie in einem Gefäss 1) Gerade junge Laubfrösche zeigen sich gegen Witterungsveränderungen sehr empfindlich, in noch höherem Grade als die erwachsenen. Solche von mir im Zimmer aus Larven gezüchteten Thierchen änderten doch fortwährend, je nachdem trüber Himmel oder Regenwetter oder Sonnenschein herrschte, die Farbe vom Schmutziggrünen ins Schwärzliche und dann wieder ins schönste Hellgrün um. 2) Rudolphi erzählt in seinem Grundriss der Physiologie 1830, S. 46, dass er Gelegenheit gehabt habe einen »eitronengelben Frosche« lange lebend zu beobachten. In diesem Fall handelte es sich wohl um Bleichsucht (Albi- nismus), wie auch schon der Berliner Naturforscher die Sache auffasst. Eine gleiche Bewandtniss mag es ferner mit dem »zweifelhaften gelben Triton« haben, welcher in d. Verhandlungen d. kais. Leop. Carol. Akademie Band 32, 1865, beschrieben und abgebildet ist. 182 Franz Leydig: mit etwas abgestorbenem Moos, in dessen Mitte noch ein Glass mit Wasser gestellt war. Die Thiere bewahrten seit ihrer Uebersiedelung entweder ein dunkelgrünes oder schwärzliches Aussehen, oder zeigten sich graugrün mit einem Gewirre von Flecken, oder endlich sie erschienen auf grauem bronce- schillerigen Grunde marmorirt; niemals aber hatten sie seit ihrer Gefangen- schaft das reine oder »freudig Grün« angezogen. Da setze ich im Januar einen im Freien gefundenen, lebhaft grünenden und blühenden Stock von Veronica Buxbaumii in das Glas und siehe da! alle Frösche, indem sie mit sichtbarem Vergnügen sofort auf der Pflanze Platz nahmen, ziehen selber das reinste, schönste grüne Kleid an. Wie wenn die Gegenwart des frischen Pflanzengrünes umstimmend auf ihr Nervensystem und ihre Haut eingewirkt hätte! Und als die Veronica nach und nach abgewelkt war, ging auch dass reine Grün in der Haut der Frösche zurück und dunkelte wieder in das schmutzig Grün um. 5. Laubfrösche, welche ich von Genua, im Mai 1873, erhalten hatte, zeigten sich sehr empfindlich gegen die Luftbeschaffenheit und spiegelten dies in ihrer Hautfarbe fortwährend ab. Zunächst verlor sich an allen (ich besass ein Dutzend der Thiere) nach und nach in der feuchten und kühlen Luft Tübingens die Schönheit des Grüns, welches sie mitgebracht hatten. Es stieg die Temperatur im Mai meist höchstens Mittags auf + 10° und + 11° R., häufig nur auf +6° R., und so wurden einige Thiere olivenbraun mit vereinzelten schwarzen Flecken, andere setzten sich zeitweilig ganz in Schwarz um. Wie immer hatte Südwind und Gewitterluft starken Einfluss. Die ganze Gesellschaft änderte alsdann das Grün in Bräunlish oder Schwärzlich, jeden- falls in ein Schmutziggrün um. (Bei der olivenbraunen Färbung kam das Bronzegold der vorderen und hinteren Extremitäten besonders schön zur Ansicht.) 6. Wie schnell die Veränderung der Farbe vor sich gehen könne, davon habe ich ein anderes merkwürdiges Beispiel vor Augen gehabt. Ich sammelte im October an den Seen des Montikel bei Eppan eine Anzahl junger, einjähriger Thierchen von Rana esculenta, die zum Theil auf dem Rücken schön grün waren, anderntheils auch eine bräunliche Rückenfarbe darboten, welche mit der Lupe besehen, sich als schöne Bronzefarbe darstellte. Die Schenkel erschienen dunkel gefleckt oder marmorirt und diese Flecken waren es, welche mir Tags darauf interessant wurden. Denn als die während der Nacht in einer Blechkapsel gehaltenen Thierchen einzeln herausgenommen wurden, setzten sich die dunklen Flecken für die Besichtigung mit freiem Auge in eine so rasche Thätigkeit, dass man an das Farbenspiel eines Cephalopoden erinnert werden konnte: zuerst gross und von mattem blassen Aussehen zogen sie sich, sowie das Licht sie getroffen hatte, fast plötzlich zu satt dunkel- braunen, um die Hälfte und mehr sich verkleinernden Flecken zusammen und dieser Vorgang folgte genau so weit, als das grelle Licht die Farbzellen er- reichen konnte. 7. Zahlreiche Beobachtungen habe ich mir ferner über Rana platyrrhinus Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 183 angemerkt. Dem Linne’schen »Vere aquatica, aestate terrestris« entspricht auch ein gewisses Farbenkleid nach dem Jahresabschnitt. Das Thier im Wasser während der Laichzeit ist dunkel, die Männchen mehr als die Weibchen; später beim Landleben hellt sich die Farbe sehr auf, fällt aber bei gewissen Umständen schnell wieder in’s Dunkele zurück. So z. B. fing ich auf Berg- halden der Tübinger Gegend an echten Sommertagen (bei +20° R. und Ostluft) Exemplare, deren Grundfarbe auf dem Rücken ein auffallend lichtes Grau oder Gelb war. Bis auf den dunklen Ohrfleck ‚und den Spuren von Querbinden der Hinterbeine erschien fast alles dunkle Pigment zurückgetreten. Ueber Nacht im Käfig gehalten, waren sie am anderen Morgen ganz dunkel geworden. Dieselbe Erscheinung hatte ich mir bereits vor vielen Jahren von Thieren, welche ich bei Sonthofen (Allgäu) sammelte, angemerkt. Hingegen bei rauhem Nord-Ost trifft man die Rana platyrrhinus im Felde oder an Waldrändern von ganz dunkler Hautfarbe. Dabei kann es vorkommen, dass ältere Thiere, welchen man an einer geschützten mittägigen Lage begegnet, ein helles ledergelbes Aussehen darbieten. Sucht man die gleichen Plätze an durchaus kühlen Tagen ab, so war selbst bei den, wie ich mir denke wetterfesteren, alten Thieren die Farbe ins Dunkle umgesetzt '). 8. Veränderungen an Rana esculenta habe ich wie oft wahrgenommen: an kälteren windigen Tagen, besonders gegen den Herbst hin, waren, nament- lich jüngere Thiere, nicht grün, sondern schwärzlich, ja an trüben kalten Octobertagen konnte alles Grün und Gelb so geschwunden sein, dass man diese Frösche nach der einfach dunkeln Rückenfarbe kaum für Rana escu- lenta genommen hätte. Brachte man solche Thiere mit nach Haus, so hellten sie sich im geheizten Zimmer wenigstens bis ins Bronzefarbige auf. 9. Im Herbst 1868 fielen mir bei Christanzen auf der Höhe von Völs in Südtirol die in kühlen Quellwassern lebenden Thiere von Rana esculenta nicht bloss durch ihre geringe Grösse auf, obschon sie, wie die entwickelte Daumendrüse zeigte, geschlechtsreif waren, sondern auch, dass kein einziges Thier einen grünen Rücken hatte, sondern nur ein Bronzebraun, durch- setzt von dem mittleren gelblichen und den zwei hellen bronzenen Seiten- streifen. Mehre davon in eine Botanisirkapsel gesteckt erschienen am anderen Morgen beim Oeffnen der Kapsel mit grüner Rückenfarbe. 10. Alytes obstetricans ?) hellte im October und November bei hohem Barometerstand und indem die Sonne den Zwinger beschien, die Grundfarbe sehr merklich ins Gelblichgraue auf, die jüngeren Thiere mehr als die l) Ganz schwärzliche Thiere von Rana platyrrhinus, zur Winterzeit für die Abhaltung mikroskopischer Untersuchungen aus dem ungeheizten Raum in das geheizte Zimmer gebracht, werden innerhalb zweier Stunden zu ganz hellgelblichen. 2) Herr v. Mengershausen hatte die Güte mir nach Tübingen eine Anzahl lebender Thiere von seinem Landgute am Rhein zu schicken. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 13 184 Franz Leydig: älteren; daneben hoben sich am Rücken, den Seiten, Rückenfläche der Extre- mitäten zahlreiche schwarze Fleckchen ab. Ende December, im ungeheizten Zimmer, war ein Thier sehr dunkel geworden, nahezu schwarz; es starb einige Tage darauf. 11. Junge Thiere von Bufo calamita, im Monat September im Sonnen- schein gefangen, zeigten eine ziemlich helle, graubräunliche Grund- farbe .des Rückens; über Nacht in Gefangenschaft waren sie dunkelbraun geworden. — Exemplare, welche ich während des vorigen so überaus milden Winters (1873) zu Hause hielt, und bei guter Nahrung recht beleibt ge- worden waren, setzten in der Nacht vom 3. zum 4. Januar bei sehr dickem Nebel und —4°R. ihre Farbe ins stark Dunkle um, ja sie waren am Rücken fast schwarz geworden, so dass sie beim ersten Anblick kaum als Kreuz- kröten zu erkennen waren; selbst der gelbliche Rückenstreif erschien bis auf eine leise Spur verschwunden. Tags darauf hatten sie wieder die olivenbraune Grundfarbe angenommen, von der sich die röthlichen Warzen schön abhoben; auch der gelbe Rückenstreifen war wieder von seiner alten Helle und Breite. 12. Junge Thiere von Bufo variabilis auf dem warmen Sande des Mainthales getroffen, zeigten einen grauen Rücken mit Spuren der späteren grünen Inselflecken; die Warzen waren gelblich oder bräunlich. Des andern Tags, bei eingetretenem Regenwetter, war das Grün völlig geschwunden, die Farbe des Rückens ein einfaches Dunkelgrau, nur der gelbliche oder bräunliche Ton der Warzen war geblieben. Erwachsene Exemplare von Bufo variabilis, welche, bei Meran eingesammelt, auf hellem weissen Grunde die grasgrünen Flecken sehr schön besassen, waren, indem sie einen mehr- tägigen Transport in einer Botanisircapsel auszuhalten hatten, so dunkel ge- worden, dass alle Fleckenbildung des Rückens verschwunden und nach der Farbe die Art kaum mehr kenntlich war. Sie behielten diesseits der Alpen — es war October und es herrschte kaltes fast winterliches Wetter mehrere Wochen lang — dieses tief dunkele, man möchte sagen hässliche Kleid. Als aber plötzlich am 14. October Wärme sich einstellte, boten auch die Kröten wieder die helle weisse Grundfarbe und die frischen von etwas Schwarz um- säumten grasgrünen Flecken dar. — An allen diesen Thieren beobachtete ich denn auch wiederholt, dass wenn sie bei eingetretenem Regen und Wind sich von neuem verdunkelt hatten, sie bei wehendem Südwind !) sogleich 1) Dem Beobachter im Freien bleibt es immer eine merkwürdige Er-. scheinung, wie auch auf die niedere Thierwelt der Südwind mit bevorstehendem Regenwetter aufregend wirkt. Nicht blos die Rinder auf der Weide sind alsdann zu seltsamen Sprüngen geneigt und Hunde zum Spielen, sondern auch Phalangien und Käfer laufen eilig über den Weg, Heuschrecken, z. B. Locusta viridissima, fliegen so weit und hoch wie ein Schmetterling, Oedi- poda tuberculata kreiste hoch in der Luft unter starkem Geschnarre, am Planensee bei Reute, wie lange umher, ehe sie sich einmal niederliess; die Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 185 wieder hell (weiss) wurden. Dieses Spiel der Farbe hing in auffälligster Weise vom Wetter ab! Und die auf deutschem Boden lebenden Thiere stehen den südlichen in dieser Fähigkeit die Farbe, gleich einem Chamäleon, zu wechseln keineswegs nach'). Denn Thiere in der Umgebung von Rothenburg a. d. Tauber gesammelt, und andere, welche aus der Gegend von Winnenthal stammten, waren bei der Ankunft von sehr dunklem Aussehen, das Grün der Flecken fast schwarz, der sonst weissliche Grund stark grau schwärzlich, die grossen Warzen zur Seite des Leibes tief dunkelroth. Bald darauf, nachdem sie sich etwas ein- gewöhnt und ihre Gemüthsruhe wieder erlangt hatten, auch Nahrung ohne Scheu zu sich nahmen, änderte sich ihr Aussehen ganz wesentlich. Die Farbe hellte sich auf und sie konnten jetzt »schöne« Kröten heissen. Die grünen Inselflecken wurden lichter, obschon nicht mehr von dem Grasgrün wie im Frühjahr; ferner ging die Grundfarbe aus dem Grau immer mehr ins Weissliche über, endlich, was mir noch besonders stark auffiel, die früher tief dunkelrothen Warzen wurden weisslich und behielten nur gegen die Spitze zu Spuren eines zarten Mennigrothes. Ich lernte diese Kröte zuerst im Jahre 1842 bei Würzburg kennen und, betroffen von der Schönheit der Färbung, trug ich das Thier, da es im Augenblick nicht besser unterzubringen war, in der Hand nach Hause, musste aber auf dem Wege mit Verwunderung bemerken, dass die schön weisse Grundfarbe und das satte Grün der inselartigen Flecken, sowie das Roth der Warzen sich verlor, um einem schmutzig grauen und schwärzlichen Ton Platz zu machen! In den Hand- und Lehrbüchern der damaligen Zeit fand sich keine Andeutung über diesen Vorgang und die Beobachtungen Edler’s waren in völlige Vergessenheit gesunken. 13. An Bufo vulgaris treten ebenfalls Farbenveränderungen ein, wenn auch nicht in derselben Weise, wie bei der vorhergehenden Art. Ich erhielt in der Sommerzeit eine Anzahl von 15 Stücken etwa zweijähriger Thiere zu- geschickt. Die Thätigkeit der Chromatophoren erwies sich darin, dass die Thiere, welche in einem geräumigen Kistchen mit angefeuchtetem Moos wohl verpackt waren, an dem Tage der Ankunft (+22° R.) eine durchaus licht- graue und lichtröthliche Grundfarbe besassen. Dabei waren sie sämmt- lich in sehr erregtem, zappeligem Zustande. Am Morgen darauf waren die meisten dunkler d. h. schwärzlich geworden. Am nächsten Tag bei Ge- witterluft hatten sich die schwärzlich gewordenen Stücke in schmutzig Schnecken kriechen aus ihren Verstecken. Kurz, die Wirkung dieser Luft- beschaffenheit auf die Nervensubstanz ist eine allgemeine. 1) Brandt und Ratzeburg, welche in der medicinischen Zoologie, 1829, eine schöne farbige Abbildung dieser Kröte geben, müssen doch dem lebenden Thier wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben, da sie sagen: »Nach Edler soll sich bei ihr ein Farbenwechsel finden«. 186 Franz Leydig: Braunroth verfärbt, womit sie stark an die rothbraune Färbung, welche die- sen Thieren im ersten Jahre eigen ist, erinnerten. Abends desselben Tages war der Farbenwechsel noch auffallender; es wehte Südwind und regnete bei +20° R. Die Thiere hellten sich sämmtlich in merkwürdigster Weise auf, sie wurden förmlich schön: das lichteste Gelbbräunlich, vertheilt in Flecken- bildung, überzog die Haut und durch das Sichzurückziehen des dunkeln Pig- mentes konnte sich das röthliche und gelbliche um so mehr geltend machen. Früh Morgens am darauffolgenden Tag, bei +14° R. und Regen, waren alle wieder dunkel (schwärzlichbraun) geworden. — An andern einjährigen Exem- plaren derselben Art werden, wie ich ebenfalls wiederholt gesehen, bei starker Einwirkung von Wärme und Sonnenschein die an sich schwach röthlichen Hauthöcker ganz lebhaft roth!). Dies Alles durfte um so mehr berichtet werden, als gar; manche Zoologen von den »vielen Farbenvarietäten« des Bufo vulgaris sprechen, ohne, wie es scheint, eine Ahnung zu haben, dass es sich in den meisten Fällen nicht um feststehende, sondern veränderliche Zustände handelt. Wohl Keinem, welcher mit Interesse und! Aufmerksamkeit un- sere Amphibien im Freien und in der Gefangenschaft beobachtet hat, konnten die Veränderungen im Aussehen dieser Thiere ent- gehen, wie denn bekanntlich Rösel?) schon bezüglich der Laub- frösche meldet, dass sie »öfters graulicht und braun gefleckt, als- dann aber graulichweiss, und endlich, ehe sie noch ihre schöne grüne Farbe wieder erhalten, etwas bläulicht grün werden«. Ja, er be- merkt auch, dass die Thiere an einem und dem nämlichen Tage diese Verschiedenheiten zeigen können. Wie er selbst weiter sagt ist ihm die Erscheinung sehr merkwürdig vorgekommen und er leitet sie von der Häutung ab. So oft die Veränderung der Farbe vor sich gehe, lege der Frosch vein zartes und schleimiges Häut- chen ab«. Die von Rösel gegebene Erklärung ist oftmals nach- gesprochen worden’ und ' die Meisten begnügten sich damit. Doch- schon Schneider?®), ein auch sonst genau zusehender Natur- forscher, scheint noch andere Ursachen gesucht zu haben; denn er hebt nicht blos hervor, dass die Thiere zur Laichzeit, nach abge- legter Oberhaut, eine besonders“schöne und glänzende Färbung be- 1) Gleichwie bei manchen andern Thieren das Weibchen in seiner Fär- bung dem gemeinsamen Jugendzustand näher bleibt, so erhält sich auch ge- rade bei dem weiblichen Bufo vulgaris das Roth oft in grosser Menge. 2) Historia ranarum nostratium, 1750. p. 39. 3) Hist. amphibiorum, 1799. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 187 sässen, sondern er bringt das Farbenspiel in Beziehung mit der Feuchtigkeit oder der Trockenheit der Haut; ferner möge sie je nach ihrer Schwellung durch aufgenommenes Wasser oder aufge- trieben durch viele eingeathmete Luft die Farben” durchscheinen lassen !!) Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass unter den älteren Beobachtern bereits Pallas?), als er bei dem Apotheker Edler in Lübeck die Bufo viridis kennen lernte und von dem Ge- nannten über den am lebenden Thier beobachteten Farbenwechsel unterrichtet worden war, die ihm neue Kröte eben desshalb nicht blos Bufo variabilis nannte, sondern auch mit dem Chamäleon zu- sammenstellte, ein Vergleich, der hier zum erstenmal und zwar wohl begründet auftritt. Gloger, einer der Zoologen, welcher ebenfalls viel die Thier- welt im Freien beobachtete, scheint auch dem uns hier beschäfti- senden Gegenstand besondere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben, ohne freilich damit fertig werden zu können; er meint, die Färbung und Zeichnung unserer Amphibien nach Alter und Jahreszeit und nach allen wechselnden äusseren Verhältnissen könnte Jahre lang Stoff zu Untersuchungen liefern, deren Ergebnisse gewiss ebenso wichtig und einflussreich für die systematische Feststellung der Formen, wie für Physiologie und für die Lebensgeschichte dieser Geschöpfe ausfallen müssten 3). Nicht unerwähnt darf auch bleiben, dass bereits Vallisnieri das Bräunlichwerden der Rana esculenta von einer veränderten Stimmung des Nervensystems hergeleitet hat. Ich habe nicht ohne Absicht oben eine längere Reihe der von mir beobachteten Fälle mit den Nebenumständen angeführt, weil ein Forscher unserer Tage, Bruch, sehr entschieden die Ansicht ausgesprochen hat, dass bei Dufo viridis (variabilis) und anderen 1) A. a. O. p. 102. »Vero similius est colorem ranarum mirum in mo- dum in cute humida et effuso muco lubrica vel sicca variari; diversus etiam per cutem, humore absorpto tumidam, vel inspirato largiter aöre sufflatam, color transparere debet. Pulcherrimus vero corporis color per tempora coitus eiflorescere, idemque depositis exuviis enitescere solet.« 2) Spieilegia zool. 1769. 3) Schlesiens Wirbelthierfauna, 1833, 8. 70. 188 Franz Leydig: Kröten nie eine Farbenveränderung der äusseren Haut vorkomme, welche durch »Affecte und äussere Einflüsse momentan erzeugt worden wäre«. Nur beim Laubfrosch und der Rana esculenta käme derartiges vor!); der Name variabikis, den Pallas der Laurenti- schen Bufo viridis gegeben habe, sei ganz verwerflich. Die Ver- änderung bestehe vielmehr darin, dass die im Frühjahr sehr dunkle Hautfarbe später sich immer mehr aufhelle und der anfangs dunkel- graue Grundton allmählig in ein reines Schneeweiss übergehe. Auch das anfangs sehr dunkle Grün der Flecken gehe nach und nach in ein helles reines Grasgrün über, während das Rosenroth der Haut- papillen abbleiche. Die Farbenveränderung sei demnach wesentlich ein Aufhellen und schärferes Gesondertwerden der dem Thiere eigenthümlichen Farbentöne, unter dem Einflusse der atmosphä- rischen Luft und des Landaufenthaltes und diese Eigenthümlichkeit theile Dufo viridis mit allen einheimischen Batrachiern. Die Ansicht Bruch’s ist entschieden irrig und ich weiss mir dieselbe nur mit der Annahme zu erklären, dass der Genannte nicht ein und dasselbe Thier längere Zeit auf diese Frage beobachtet hat. Meine imEinzelnen dargelegten Wahrnehmungen an den Tritonen?), die Beobachtungen an den Schlangen und Eidechsen®), ganz beson- ders das bei Vallisnieri Gefundene, endlich was ich soeben über Frösche und Kröten mitgetheilt habe — Alles spricht deutlich aus, dass es bei Reptilien und Amphibien ausser den Verschiedenheiten der Färbung nach Alter, Geschlecht und Jahreszeit, sowie ausser dem lebhafteren Hervortreten der Farbentöne nach dem Abwerfen der Epidermis, noch einen Farbenwechsel gibt, welcher unter dem Einfluss des Nervensystems steht: insofern Aufregung, Angst, Schreck, höhere oder niedere Temperatur, stärkerer oder geringerer Licht- reiz die Stimmung desselben umändert und auf die beweglichen Farbzellen oder Chromatophoren wirkt#). 1) Beiträge zur Naturgeschichte und Classification der nackten Amphi- bien. Würzburger naturwiss. Zeitschrift Ill. Bd. (1864). 2) Molche d. württ. Fauna, 1867. 3) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 166. 4) Es sei auch bemerkt, dass am Laubfrosch nach Zerstörung des Rückenmarkes das schöne Grün erst ins Dunkelgrüne, dann ins Spangrüne zuletzt ins Fahlgelbe übergeht; ein Versuch, der leicht anzustellen ist und dessen Ergebniss an das Obige anschliesst. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 189 Nachdem man am Chamäleon durch Milne-Edwards und besonders durch die Arbeiten v. Wittich’s und Brücke’s erkannt hatte, dass die Bewegungen des dunkeln Pigmentes, das Aufsteigen aus der Tiefe der Haut und dann wieder das Zurücksinken in die Tiefe der Hauptgrund des Farbenwechsels sei, musste man sich die Frage vorlegen, was denn eigentlich sich bewege. Studiati!), den Bau der Haut des Chamäleons mit Rücksicht auf diesen Punkt untersuchend, kommt, wenn ich ihn richtig ver- stehe, zu. dem Schlusse, dass das Gewebe der Lederhaut, also Bindesubstanz, sich zusammenziehe und auf solche Weise den In- halt der Farbsäckchen bald gegen die Oberfläche der Haut und seitwärts in die Zwischenräume treibe, dann auch wieder nach unten treten lasse. Ich selber sprach mich nach meinen Erfahrungen an der Haut des Frosches dahin aus, dass es das Protoplasma der Farbzellen sei, welches durch seine Bewegungen die Formveränderungen der Chromatophoren hervorrufe ?). Ein anderer italienischer Naturforscher, de Filippi, welcher den Farbenwechsel und den Bau der Haut von Stellio caucasicus ins Auge gefasst hatte, kann zwar, da keine Muskeln in dem Ge- webe der Lederhaut nachzuweisen wären, sich nicht an die Erklä- rung seines Landsmannes Studiati anschliessen, jedoch, wenn ich den Sinn der Worte richtig fasse, auch nicht ganz an die von mir gegebene: es sei vielmehr eine ausserhalb der Zelle selbst liegende Ursache anzunehmen®). Als diese, in geweblichem Sinne, ausser- 1) Miscellanea di osservazioni zootomiche. I. Sulla causa di cangiamenti di eolore nella pelle del Chamaeleo africanus Kuhl. Memorie della RB. Acca- demia di Torino, Ser. II. Tom. XV. (1854) >». ... a me sembra dico che la supposizione piü simplice e naturale sia quella di considerare come causa ultima dei cangiamenti di colore la contrazione tonica del tessuto del "derma, la quale esercitando una compressione sugli otricoli cromatofori, spreme il co- lore dalle regioni profunde,ove si stava nascosto, verso quelle piü superficiali ove diventa palese«. 2) Histologie (1857), S. 105; Organe eines sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. (1868), S.32. Ueber die äusseren Bedeckun- gen der Reptilien und Amphibien. . Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 9. (1873). 3) Sulla struttura della cute dello Stellio caucasicus. Memorie della R. Accademia di Torino Ser. II. Tom. XXIII, 1365. »Senza negare assoluta- 190 Franz Leydig: halb der Chromatophoren liegende Ursache könnte ich aber nur die Hautnerven gelten lassen, welche, wie ich von Eidechsen gezeigt, mit feinsten Ausläufern an die Substanz der Chromatophoren sich verlieren. v. Siebold!), welcher zuerst die Wahrnehmung gemacht hat, dass auch bei unseren Süsswasserfischen ein Farbenwechsel, veran- lasst zum Theil durch innere Lebenszustände, zum Theil durch äussere Einflüsse im Zusammenhang mit der Contractionsfähigkeit der Chromatophoren stehe, hält es für höchst wahrscheinlich, dass das feinkörnige Pigment innerhalb einer contractilen Substanz suspendirt sei, durch deren Contractions- und Expansionsfähigkeit die verschiedenen Formen und Ausbreitungen der Chromatophoren der Fische bewirkt werden. Es theilt somit v. Siebold, wie er auch ausdrücklich sagt, meine Auffassung der Sache. Ich bin erst jetzt aufmerksam geworden, dass mein früherer College, der verstorbene Chemiker Schlossberger, dessen »Thier- chemie« fast gleichzeitig mit meiner »Histologie« erschien, in der uns berührenden Frage, obschon er offenbar selbst keine Unter- suchungen über die Chromatophoren angestellt hatte, doch die’ihm vorliegenden Beobachtungen Anderer sich schon sehr gut und ganz in dem Sinn zurecht gelegt hat, wie ich durch unmittelbares Stu- diunm der in Betracht kommenden Elemente es gethan habe. Er weist auf die Beobachtung von Harless, der übrigens Muskeln als Bewegungsapparate gefunden haben wollte, hin, dass die Pig- mentkörner »in einem klebrigen zähen Inhalt lägen«; wenn er dann mente una tale proprietä al contenuto delle cellule pigmentali dello Stellio, il genere stesso del fenomeno in questo animale, e le condizioni di struttura della sua cute lasciano supporre fondamente una causa estrinseca alle cellule stesse«. 1) v. Siebold, die Süsswasserfische von Mitteleuropa. 1860, S. 14. — Ich habe schon gelegentlich in Erinnerung gebracht (Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. 1868, S. 33, Anmerkung), dass aus einer Beobachtung Redi’s (1664) die Contractilität der dunkeln Pigmentzellen der Fische her- vorgeht. Nach einer Mittheilung in der Zeitschrift »Zoologischer Garten«, 1874, S. 95, wäre bei unserem Stichling, Gasterosteus aculeatus, die Thätig- keit der Chromatophoren eine sehr lebhafte. Es heisst dort von diesemFisch, dass jede innere Erregung, Zorn, Sieg bei Bewerbung um das Weibchen u. s. w. Einfluss auf die Farbe habe. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 191 weiter hervorhebt, dass die »Membran der Zelle« nicht contractil sei und ferner vergleichend auf die Sarcode blickt, so bewegt sich dies Alles auf der Bahn, welche zu dem obigen Ergebniss führt. Eine das Nachdenken immer in Anspruch nehmende Erschei- nung ist die Thatsache, dass durch die Thätigkeit der Chromato- phoren eine Verähnlichung der Hautfarbe des Thieres mit der Grundfarbe des Wohnortes zu Stande kommen kann. Gewisse Seefische (Pleuronectes) nehmen die Farbe des Grun- des an, auf dem sie leben und ändern sie darnach ab!); Zacerta agilis, auf Molassesandstein lebend, nimmt die lichtgraue Färbung dieses Bodens an?). Junge Thiere von Bufo calamita, welche ich auf und in dem durchwärmten Sande des Maithales bei Würzburg (1. Oct. 1873, +16° R.) einsammelte, hatten sich durch ganz hell- bräunliche Farbe dem Aussehen des Sandes angeähnlicht. Besonders merkwürdig zeigt sich die blauschwarze Eidechse eines Felsen bei der Insel Capri, welche Eimer?) entdeckt und als Anpassung an die blauschwarze Farbe des Gesteins gedeutet hat. Der letztere Fall reiht sich eigentlich schon an das an, was man _ über feststehende, mit der Umgebung bleibend übereinstimmende Farben bei verschiedenen Thieren kennt: im Wüstensand lebende Insecten tragen die Farbe des Sandes; auf Pflanzengrün ständig sich aufhaltende Käfer sind so grün, als das Blatt auf dem sie sitzen und dergleichen. 12. Ablagerung von Kalk. Bereits vor längerer Zeit habe ich das Eingelagertsein von Kalkconcrementen in der Haut von Bufo vulgaris ange- zeigt*), und später auf zwei ältere mir unterdessen bekannt ge- 1) Compt. rendus, 1871, p. 866 (Sur les rapides changements de co- lorations chez les poissons). — Vergl. hierzu auch die obige Beobachtung an Hyla, S. 180. 2) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 205. 3) Neue Eidechse (Lacerta muralis, var. coerulea) von Capri, Verhand- lungen d. phys.-med. Gesellschaft in Würzburg, 1872, und ausführlich in der eben erschienenen schönen Schrift: Zoologische Studien auf Capri, zweites Heft, Leipzig 1874. 4) Organe eines sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. (1868), p. 37. 192 Franz Leydig: wordene Beobachtungen von Heusinger und Davy hingewiesen, welche ebenfalls sich auf das Vorhandensein von Kalk in der Haut der Kröte beziehen !). Unter den einheimischen Batrachiern, geschwänzten wie unge- schwänzten, besitzt einzig und allein die Art Dufo vulgarıs die Kalkeoncremente; schon die nächststehenden Arten Dufo calamıta und Bufo variabilis haben keine Spur davon, und ebensowenig die übrigen Gattungen und Arten. Am meisten ist der Kalk abgesetzt in der Rückenfläche des Rumpfes und der Gliedmassen; er fehlt schon nach meinen früheren Beobachtungen der Gegend der Kehle, der Weichengegend, der Handfläche, und scheint überhaupt in der ganzen unteren Körper- fläche zu mangeln. Die Kalkmassen können am Rücken so dicht stehen und gross sein, dass man schon mit der Lupe sie als glitzernde Körperchen auf Hautschnitten gut unterscheidet; an manchen Stellen schliessen sie wie die Pflastersteine aneinander, wesshalb aber auch die für die mikroskopische Untersuchung be- stimmten Schnitte etwas schwierig zu behandeln sind. Der getrock- neten Haut verleihen sie, von innen angesehen, eine stark weisse Farbe. Sieht man auf die nähere Lage der Kalkkörper, so verbreiten sie sich nur nach den oberen Schichten der Lederhaut, ohne in die Tiefe hinab sich zu erstrecken, gehen daher auch nicht an den Bo- den der Hautdrüsen heran. Die Ablagerung des Kalkes geschieht in die Grundsubstanz des Bindegewebes und es bleiben deren Spältchen oder »Binde- gewebskörper« davon frei; in ähnlicher Weise, wie ich solches längst von Kalkconcrementen der Fische beschrieben und abgebildet habe. — Die Gestalt der einzelnen Kalkkörper ist sehr unregelmässig, meist eckig, auch dem Maulbeerförmigen sich nähernd, oder von drusiger Beschaffenheit. Auch die Grösse wechselt bedeutend: die kleinsten übertreffen nur wenig den Umfang eines Blutkörperchens desselben Thieres, während die grössten fürs freie Auge gut er- kennbare Kalkdrusen vorstellen. Ueber die Zeit, in welcher die Kalkbildung in der Haut un- 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 16, An- merkung 4. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 195 serer Kröte beginnt, habe ich wahrgenommen, dass einjährige Thiere noch keine Spur der Kalkklümpchen besitzen. An einem jüngeren Thier, Männchen, dessen Alter ich auf zwei Jahre schätze, zeigen sich die Kalkkörper; doch nur erst spurweise, da und dort, z. D. auf der Rückenseite der Oberschenkel. Ich habe auch einige aussereuropäische Arten von Dufo auf das Vorkommen des Kalkes untersucht, so Bufo pantherinus, Bufo agua, Bufo japonicus, Bufo spinulosus Wiegm. aus Chile, Bufo strumosus Daud. aus Surinam, Bufo musieus Bosc. aus Louisiana. Das Ergebniss der Prüfung war, dass mit einziger Ausnahme des .Bufo japonicus, welcher die Kalkklumpen in der Haut besitzt, alle andern genannten Arten keine kalkige Haut haben. Das mir zu Gebot stehende Exemplar von Bufo japonicus, obschon es ein sehr grosses Thier vorstellt, enthält übrigens etwas weniger Kalk- körper, als unser Dufo vulgaris im erwachsenen Zustande. Hätte Schlegel, der Beschreiber des Bufo japonicus, in Näherem ge- wusst, dass in so ausschliesslicher Weise unser Bufo vulgaris und diese japanische.,Kröte in der Haut die Kalkkörper "besitzen, so würde er wohl darin — und mit Recht — einen weiteren Grund erblickt haben den Dufo japonicus nur als Varietät des Dufo vul- garıs anzusprechen!?). Beilage. Ueber die Hautknochen bei Reptilien. Das Vorkommen von Kalkmassen"in der Haut eines Batra- chiers hat, worauf] ich,schon fin meiner} ersten Anzeige hinwies, Be- deutung rücksichtlich der Hautknochen überhaupt. Bei Ceratophrys dorsata entsteht eine grosse kreuzförmige.Knochenplatte am Rücken; bei anderen Arten ossifieirt am Schädel !die Lederhaut in geringer oder grosser Ausdehnung. Bei den Sauriern, selbst abgesehen von den Krokodilen, besitzt eine ganze Anzahl von Arten, wovon ich 1) In”v. Siebold’s Fauna japonica, Saurii et/Batrachii p. XIV, und aus- führlich p. 107. — Es gibt Zoologen, welche behaupten, die, Zusammenstel- lung unseres Bufo vulgaris mit dem Bufo Japonicus geschehe »gewiss mit Unrechte, unterlassen aber zu sagen, welche Eigenschaften die specifische Verschiedenheit der beiden Arten ausmachen. . 194 Franz Leydie: eine Uebersicht anderwärts gegeben habe), eine Bepanzerung der Haut mit Knochentafeln. Auch bei den einheimischen Eidechsen kommt eine grössere Zahl von Hautknochen am Schädel vor?). Zu den bis jetzt bekannten Sauriern mit Hautknochen gesellt sich, wie Cartier?) vor Kurzem entdeckt hat, auch die Gruppe der Geckotiden. Die Knochen seien unregelmässig rundliche Scheiben in den obersten Lagen des Bindegewebes der Haut, dicht unter der pigmentirten Zone, welche unmittelbar an die Cylinder- schicht der Epidermis anstösst. Ich habe auf diesen Punkt zunächst Platydactylus mauritanicus L. von der ligurischen Küste untersucht, wobei schon die erste Be- handlung der Haut mit Messer und Scheere fühlen liess, dass Kalk in dieselbe abgesetzt sein müsse, wie denn auch bei Zusatz von Essigsäure ein lebhaftes Aufbrausen erfolgt. Unter dem Mikroskop sieht man weiter, dass die ganze Haut förmlich mit Kalkschup- pen belegt ist. Sie lassen sich in Hautstücken des Rückens so gut, wie in jenen der Bauchfläche erkennen, ebenso am Scheitel und Ge- sicht, an den Gliedmassen bis zu den Zehenspitzen hinaus; selbst die Nickhaut ist an den Stellen, welche noch den Charakter schup- piger Haut haben, nicht frei davon. Dagegen vermisse ich sie in den Querfalten an der Unterseite der Zehen und in den Schildern der Oberlippe, während in die grossen Schilder der Unterlippe doch wieder einzelne Kalkschüppchen aus der Umgebung hereintreten. Der Umfang ist verschieden; die grössten liegen am Rücken, die kleinsten dort, wo sie anfangen sich zu verlieren, also z. B. seit- lich auf den Rändern der Rückenfläche der Zehen. Von Gestalt rundlich oder rundlich-eckig werden sie annähernd rhombisch, wie z. B. an den Seiten des Leibes, wo sie nach Art der Schuppen eines Fisches, des Polypterus etwa, in Schräglinien ziehen und dabei einen etwas hervorstehenden Hinterrand haben. Dort wo sie ihren Platz in den Hautwarzen finden, können sie kreisförmig um ein Mittelstück gestellt sein; wieder an anderen Orten schliessen sie ohne sonderliche Ordnung aneinander. 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 16. 2) Näheres a. a. O. 3) Cartier, Studien über den feineren Bau der Epidermis bei den Geckotiden. Verhandlungen der Würzburger phys.- med. Gesellschaft. N. F. Ill. Bd. (1872). Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 195 Indem wir auf den Bau Rücksicht nehmen, erblicken wir so- fort echte Knochenkörperchen in kreisförmiger Lagerung; ausser- dem eine concentrische Schichtung und radiäre Streifung, letztere wohl herrührend von der Menge und Richtung der feinsten Aus- läufer der Knochenzellen. Die Oberfläche der Schuppen ist, gewisser- massen in Wiederholung des ganzen Schuppenkleides, dachziegelig- höckerig. Wenn man genau zusieht, zeigt sich als etwas Durch- greifendes, dass nur die Mitte der Einzelschuppen Knochenkörper- chen besitzt, hingegen die Rinde diese Elemente nicht mehr auf- weist. Letztere geht in eine warzige Oberfläche aus, in ähnlicher Weise wie das am Zahnbein höherer und niederer Wirbelthiere vor- kommt!), und ebenso an den Kalkschuppen von Covecilia. Man könnte sich dies so erklären, dass der Kalk, jetzt nicht mehr unter der unmittelbaren Herrschaft der Zellen oder Knochenkörperchen stehend, nur den rein physikalisch-chemischen Gesetzen folgt und daher hier in der Haut des Reptils in der gleichen Weise die Ab- lagerungen erzeugt, wie draussen in einer Tropfsteinhöhle. Platydactylus aegyptiacus Cuv.?) verhält sich hinsichtlich des Vorkommens der Hautknochen, ihrer Grösse und Form wie die vor- hergehende Art. Es darf Wunder nehmen, dass die Zoologen früher an den von ihnen doch so oftmals untersuchten Geckotiden diese aus Haut- knochen bestehende Bepanzerung nicht oder wenigstens nicht mit Sicherheit wahrgenommen haben, obschon manche Schriftsteller, z. B. Wagler und Bonaparte, sich auf eine Erörterung des Baues der Haut einlassen. Nur bei Bibron undDum6ril?) findet sich eine Angabe, welche hieher zu gehören scheint. »Quant la peau est detachde du corps, et qu’on Yexamine ä& contre jour, on voit, quelle est r&egulierement garnie de petits &cussons minces, arrondis, enchässes dans l’Cpaisseur du derme«. Besonders bemerkenswerth erscheint mir aber noch der 1) Man vergl. z. B. Czermack’s Aufsatz über die menschlichen Zähne und meine Darstellung des Zahnes der Salamandrinen. 2) Ich verdanke eine Anzahl dieser Thiere dem verdienten Afrika-Rei- senden Herrn v. Heuglin. 3) Erpetologie generale, Tom. III. p. 263. 196 Franz Leydig: Wechsel im Vorkommen der Kalkschuppen nach den einzelnen Gattungen der Geckotiden. Gleichwie nämlich das Auftreten von Hautverknöcherungen in der ganzen Reihe der Wirbelthiere etwas Sprungweises, da und dort für bestimmte Lebenszwecke vielleicht Erworbenes oder Angepasstes hat, so besitzen auch keineswegs alle Geckotiden die Knochentäfelchen. Bereits Cartier erwähnt, dass er die Knochen bei Platydac- tilus mauritanicus und P. verus gefunden habe, »nicht aber bei einem grossen indischen Exemplar und anderen kleineren derselben Art«. Ich habe die in der Tübinger Sammlung aufgestellten Gecko- tiden wenigstens in der Weise geprüft, dass ich je ein kleines Hautstück abschnitt vom Rücken oder den Seiten des Leibes, der Lendengegend, oder der Stirn, welches ich dann aufhellte Das Ergebniss hiervon war, dass bei keinem der nachstehenden Thiere Hautverknöcherung zugegen ist. Die untersuchten Arten sind: der merkwürdig breitschwänzige Gymnodactylus phyllurus Bibr. Dum. von Neuholland, dann Gymnodactylus gekoides von der Insel Syra, Phyllodactylus Lesuerüw Bibr. Dum. und Phyllodactylus vittatus Gray. beide aus Neuholland, Platydactylus thecony& Bibr. Dum. von Surinam, DHemidactylus Qualensis Bibr. Dum. von den Vi- tiinseln. Nirgends zeigte sich bei genannten Thieren auch nur eine Spur von Kalkschuppen; überall war die Lederhaut in rein bindegewebiger Form geblieben. Und wie bei Platydac- tylus mauritanicus und P. aegyptiacus das Knirschen der Haut beim Durchschneiden schon die Kalkschuppen verräth, so liess hier ebenso die weiche Beschaffenheit der Haut den Mangel der Kalk- schuppen schon im Voraus vermuthen. Auch eines der interessantesten Glieder der europäischen Rep- tilien-Fauna, den von Gene auf der Insel Sardinien entdeckten Phyllodactylus europaeus Gen.!) habe ich noch schliesslich unter- suchen können, und wahrgenommen, dass auch in der Haut dieses Geckotiden keine Spur von Kalktafeln zugegen ist. 1) Ich verdanke die Exemplare dem Herrn Marchese Giacomo Doria in Genua, welcher auch, wie ich in der eben erschienenen »Fauna d’Italia, Parte quarta, Rettili ed Anfıbi per E. de Betta,« p. 57, ersehe, das bisher einzig und allein von der Insel Sardinien bekannte Thier auf einer kleinen Insel des Golfes von Spezzia (Isoletto di Tinetto) bereits im Jahr 1868 in den Ruinen eines alten Klosters entdeckt hat. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 197 13. Drüsen. Es gehört bekanntlich zu den wesentlichen Charakterzügen in der Organisation der Amphibien, dass ihre Haut überaus drüsen- reich ist, recht im Gegensatz zu den Reptilien, die sich durch fast vollständigen Mangel der Hautdrüsen auszeichnen — cutis sicca der Autoren. Der Reichthum an Drüsen und die weiche Beschaffenheit der Oberhaut sind es auch wohl gewesen, wesshalb man seit Langem die äussere Bedeckung dieser Thiere mit einer Schleimhaut ver- glichen hat. Leicht begreiflich wusste eine frühere Zeit nur von den ganz grossen und den mittelgrossen Drüsensäckchen und man brachte sich die letzteren zur Ansicht dadurch, dass die abgezogene Haut gegen das Licht gehalten wurde). Eine genauere Kenntnissnahme von diesen Organen hat immer deutlicher hervortreten lassen, dass die Hautdrüsen der Batrachier unter sich mancherlei morphologische Verschiedenheiten entwickeln, wesshalb man schliessen darf, dass auch ihre physiologischen Leist- ungen nicht allerorts die gleichen sein werden. Die Drüsen erscheinen ziemlich frühzeitig: ich sah sie schon an erst zweibeinigen Larven der Rana esculenta in der Haut des Rückens und der Gliedmassen. A. Die verschiedenen Arten: a. Kleine Drüsen von rundlicher Gestalt. Diese Art ist am zahlreichsten vorhanden. Die Säckchen er- strecken sich bei unseren sämmtlichen Fröschen, Kröten und Musa; glandulas minutissimas cuti subjectas oculis demum agno- scere licet, si detractam soli obtendas cutem. Schneider hist. amph. p- 99. Auch Cuvier (vergleichende Anatomie Thl. II) kennt nur die grossen Drüsen und lässt die Hautflüssigkeit willkührlich wie Thau aus allen Poren dringen. Die kleinen Hautdrüsen machten noch lange diesem und jenem Autor zu schaffen. Lambotte z. B. in der Schrift: Observations anato- miques sur les appareils sanguins et respiratoires, 1837, fragt, indem er die Haut der Batrachier mikroskopisch untersucht, was doch die »points ronds, translueides, assez semblables & ceux quwoffrent les feuilles du mille-pertuis« zu bedeuten haben? Und Alles, was er darüber ansLicht zu stellen vermag, ist endlich: »je regarde ces points comme des petites fossettes qui s’enfoncent entre les mailles du lacis vasculaire«, 198 Franz Leydig: Molchen !) fast über die ganze Fläche des Körpers weg, ohne aber überall gleich dicht zu stehen; sie verbreiten sich z. B. am Kopf von Salamandra maculosa, namentlich der Schnauze, in viel grösserer Menge als etwa an den Zehen, auf den gelben Hautstellen scheinen sie bei genanntem Thier spärlicher zu stehen als auf dem schwar- zen Grunde; bei Fröschen und Kröten fehlen die Drüsen auch nicht auf dem Trommelfell und besetzen selbst den durchsichtig gewor- denen Theil des unteren Lides oder die sogenannte Nickhaut. An Körpergegenden, wo scheinbar nur grosse Hautdrüsen in Häufung beisammenstehen, so z.B. an der Ohrdrüse, mangeln sie keineswegs, sondern um den Gang oder Hals jedes grossen Drüsensackes zieht sich wieder ein Kranz der kleinen Drüsen, wie ich es sehr deutlich an der sog. Parotis von Salamandra maculoss und Dufo vulgaris wahrnehme. Auch wo sonst diese kleinen kugeligen Hautdrüsen mit grossen vereinzelten zusammentreffen, reihen sie sich um die grösseren herum. Gegenden wo ich sie wirklich vermisst habe, sind die Rücken- fläche der Finger- und Zehenglieder bei Ayla arborea, ferner die Zehenballen der Salamandra maculosa und endlich die Kante der »sechsten Zehe« bei Pelobates fuscus. Ueber die Weise wie eigentlich diese kleinen Drüsen oben auf der Lederhaut ausmünden, habe ich an Salamandra maculosa Beobachtungen angestellt. Ist dort die Epidermis|von dem Corium abgefallen, so erscheint die Drüsenmündung bei sorgfältiger Behand- lung nicht als schlichtes Löch in der Ebene der Oberfläche, sondern 1) In der Inauguralabhandlung Bolau’s: Beiträge zur Kenntniss der Amphibienhaut, Göttingen, 1866, werden die Drüsen, welche ich oben die »kleinen« nenne, als die »grösseren« beschrieben und abgebildet (a. a. O, Fig. 1, c). Was es mit den Gebilden, welche der genannte Autor die »kleinen Drüsen« heisst, für eine Bewandtniss hat, getraue ich mir einstweilen nicht mit Sicherheit zu sagen. Sie sollen ganz in der Pigmentschicht liegen“ und keinen Ausführungsgang besitzen. Würde der Verfasser nicht ausdrücklich sagen, dass sie mit länglichen Epithelzellen und körniger Masse dicht erfüllt wären, und in der That auf der Abbildung einige kernartige Bildungen hineinzeichnet, so würde ich annehmen, dass es sich nur um hellbleibende rundliche Lücken in der Pigmentschicht handle, die mitunter sehr regel- mässig den Halstheil der grösseren Drüsen umstellen. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 199 wir haben eine rundliche Einsenkung vor uns; wir könnten auch sagen ein Ringthal, denn aus der Vertiefung erhebt sich wieder eine kraterförmige, kreisrund geöffnete Papille. Ringthal und Pa- pille sind noch in der unteren Hälfte pigmentirt, der mittlere 'Theil und die Spitze haben kein Pigment mehr. Das ebenfalls zusammen- gesetztere Verhalten der Oefinung der Hautdrüsen bei Coecilia habe ich schon früher beschrieben und abgebildet). b. Grössere Drüsen von rundlicher Gestalt. Unter dieser Form scheinen Drüsen von zweierlei Art sich zu verbergen, nämlich: 1) solche, welche eine unmittelbare Fortbildung der kleinen Drüsen vorstellen, und demgemäss zu letzteren Uebergangsformen aufzeigen können; 2) andere, welche nach ihrer Lage den Sinneshügeln der Larven entsprechen. Man. könnte so zur Annahme sich bereit fühlen, es seien die Drüsen jene für die Lungenathmung und den Landaufenthalt umgewandelten Sinneshöcker, welche sich bei den durch Kiemen athmenden Larven vorfinden. Und wie bei letzteren die Vertheilung der gedachten Organe am Kopfe und an der Seite des Leibes eine ähnliche oder gleiche ist, wie die Zertheilung des Seitenkanalsystems der Fische, so stellt sich auch in gleicher Weise das Vorkommen dieser Drüsen beim fertigen Thier dem Blick dar. Ganz besonders springen die Aehnlichkeiten in die Augen an weib- lichen Thieren von Triton taeniatus während des Landaufenthaltes. Man gewahrt glänzend braune, zerstreut stehende Höckerchen, welche von der übrigen Rückenfläche sich scharf abheben und von der Schnauze bis zur Schwanzspitze sich erstrecken, hingegen am Bauche fehlen. Bei den Fischmolchen, wenigstens bei Menopoma und Orypto- branchus, werden die Organe des sechsten Sinnes zeitlebens von 1) Zeitschrift für wiss. Zoologie, Bd. XVII. S. 284. In einer »Zooto- mie der Amphibien« ist die Rede von »geschlossenen« Drüsen der Haut. Wahr- scheinlich ist eben der Ausführungsgang übersehen worden, denn ich wüsste sonst nicht, was ich aus der Angabe machen sollte. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bad. 12. 14 200 Franz Leydig: Höckern der Haut vorgestellt, welche eigenartig sind und ver- schieden von den Drüsen, wie dies bereits oben besprochen wurde. ce. Ganz grosse Drüsen. Hieher gehören Drüsen von rundlicher oder beutelförmiger Ge- stalt, welche einestheils zerstreut und in einer Vertheilung über den Körper hin vorkommen, welche ebenfalls an die Organe des sechsten Sinnes bei den Fischen erinnert und wozu ich schon früher!) Bei- spiele namhaft gemacht habe; oder es sind andererseits Anhäu- fungen von Follikeln, welche an grössere zusammengesetzte Drüsen bereits gemahnen, so die sog. Ohrdrüsen der Gattung Salamandra und Bufo, die Drüsenmassen an den Vorder- und Hintergliedmassen von Bufo, Bombinator und Pelobates. d. Schlauchförmige Drüsen. Bezeichnete Art von Drüsen kommt nur an bestimmten Stellen der Hand- und Fussfläche vor. Ich habe sie zuerst aus den Zehen- ballen von Ayla arborea beschrieben und abgebildet?), und jetzt ihre allgemeinere Verbreitung bei Rana, Bufo, Triton, Salamandra kennen gelernt. Obschon sie in der entwickelten Form sich wie Drüsen eigener Art ausnehmen, kann man doch sich überzeugen, dass sie nur eine Abänderung der gewöhnlichen kleinen, kugeligen Säckchen sind, indem letztere in der Nähe der Schlauchdrüsen an- fangen sich zu strecken und sich dadurch in jene mit langem Hals- abschnitt hinüber zu bilden scheinen. Wir finden z. B. an den Zehenballen von Salamandra atra, dass die kleinen kugeligen Drü- sen in der Substanz der Haut selber liegen, die Schlauchdrüsen aber im Inneren des Ballens. Und so mag die Form der letzteren da- durch zu Stande gekommen sein, dass die kugeligen Drüsen in die Tiefe gerückt, wegen ihrer Lage unterhalb der Haut, sich strecken mussten. 1) In meiner Abhandlung in den Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 56. 2) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 201 Die Kloakendrüsen der Salamandrinen lassen sich, da die Wülste der Kloake als Hautverdoppelungen anzusehen sind, eben- falls hieher stellen. Man unterscheidet beim brünstigen Männchen von Triton das Paar sehr grosser aus dem Becken in die Bauchhöhle ragender Drüsen (Pelvis glandulae, Finger); zweitens die in der Wand der Kloake liegenden und deren Auftreibung bedingenden Massen, welche Rathke schon richtig einer Prostata verglichen hat!). Die gleiche Art von Drüsen liegt ferner auch in der als Penis zu deutenden Hervorragung. Die äussere Haut der Kloakenwülste besitzt, wovon man sich leicht überzeugen kann, die gewöhnlichen kugeligen Haut- drüsen, welche wie anderwärts nach ihren Inhaltszellen verschiedener Art sind. — Diesen letzteren Drüsen entsprechen, auf welchen Punkt ich schon bei einer anderen Gelegenheit hindeutete, jene rings um die Kloakenöffnung beim Frosch gestellten grösseren Hautsäckchen; nicht aber lassen sie sich den schlauchförmigen Drüsen vergleichen. Bei Salamandra maculosa, was ebenfalls von mir bereits näher auseinander gesetzt wurde ?), hebt sich die »Beckendrüse« schon fürs freie Auge und am frischen Thier durch die Farbe von der anderen Kloakendrüse ab. Und dass das Vorkommen von zwei Drüsen mit verschiedenem Secret etwas Allgemeineres ist und an die manch- fachen Sonderungen der Geschlechtsdrüsen bei Säugethieren erinnert, geht auch aus dem hervor, was ich über die Kloakendrüsen der Eidechsen in Erfahrung bringen konnte). Eine Abänderung der Schlauchdrüsen ins Grosse stellen auch die Schläuche der Daumendrüse vor. 1) Schöne Untersuchungen über diese Drüsen und begleitet von Figuren, welche der vor einigen Jahren verstorbene treffliche Künstler Lackerbauer geliefert hat, wurden auch von Duvernoy veröffentlicht. Dass hiebei dasjenige, was er über den feineren Bau mittheilt, hinter den mit der Lupe gewonnenen Ergebnissen etwas zurück bleibt, lag in der Methode und der Art des Verfassers. (Fragments sur les organs genito-urinaires des reptiles etleurs produits. M&m. presentes par divers savans etrangers, Tom. XI, 1848.) 2) Anat. histol. Untersuchungen über Fische. u. Reptilien, S. 92. 3) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, S. 141. 202 Franz Leydige: B. Histologischer Bau. a. Die bindegewebige Haut. An den kleinen kugeligen Drüsen, sowie an den Schlauch- drüsen der Zehenspitzen habe ich die Sonderung der bindegewebigen Haut oder der Tunica propria kaum ins Auge gefasst und nur ge- sehen, dass sie geschichtet ist und in den Schichtungslinien kern- artige Striche aufzeigt. An den Schläuchen der Kloakendrüse des Triton verhält sich die Tunica propria ähnlich wie die gleiche Haut etwa in den Nieren, indem sie sich als die Grenzschicht eines weichen Bindegewebes darstellt, was besonders an Querschnitten deutlich zu Tage tritt. Hingegen konnte an den grossen Drüsenbälgen, z. B. an der Ohrdrüse des Dufo vulgaris, gesehen werden, dass diese Haut, was bei der Natur der Drüse als Einstülpung des Coriums von vorne herein anzunehmen war, sich scheidet in einen homogenen Innen- saum, welcher die Fortsetzung der von Pigment freien Grenzlage des Coriums ist, und zweitens in eine lockere streifige Schicht, die im Zusammenhang mit der sogenannten Pigmentschicht der Lederhaut steht und aus zarteren und schmäleren Streifen gewebt ist. Und gleichwie diese neben dem Pigment die Ausbreitung der Blutcapillaren enthält, so wiederholt sich dasselbe bei den Drüsen. An der Ohrdrüse, allwo die Säcke äusserst dicht stehen und durch die ganze Dicke der Lederhaut hindurchragen, ist das Corium selber, wie namentlich Querschnitte durch die ganze Parotis gut lehren, zu einem blossen Fachwerk zurückgebildet; die einzelnen Blätter desselben zeigen, näher besehen, in der Mitte ihrer Substanz den Rest des gefässlosen, festen Grundstockes der Lederhaut, während sie nach den Seiten in das lockere Bindegewebe ausgehen, in welchem das Pigment und die Blutcapillaren liegen. Die Menge des dunkeln Pigments, welches die Drüsen- säckchen umgibt, ändert in charakteristischer Weise nach den Arten ab. Bei Bufo vulgarıs z. B. wird es meistens nur von inselartigen Flecken vertreten; viel zahlreicher erscheint es schon bei .Bufo calamita; noch dichter tritt es bei Bombinator igneus auf, wo nicht blos die grossen Drüsen, sondern auch die kleineren vollständig von Pigment um- sponnen werden, wie denn auch hier in der unteren lockeren Binde- Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 203 gewebsschicht der Lederhaut eine zusammenhängende Pigmentzone entstanden ist. Die zierliche Weise, in welcher bei Salamandra ma- culosa die Drüsen von dem Pigment umstrickt werden, habe ich schon früher dargestellt !); noch mehr gehäuft erscheint an gleicher Stelle das Pigment bei Salamandra atra. Auch will ich nicht un- bemerkt lassen, dass bei Salamandra maculosa selbst die grossen Drüsen, welche inmitten der hochgelben Flecken gelegen sind, immerhin eine von schwarzem Pigmente umsäumte Oeffnung haben. Es ist ein gesetzlicher Zug in der Organisation der Wirbel- thiere, dass das lockere Bindegewebe neben dem Pigment auch die Blutgefässe trägt, und diese letzteren sind hier an unseren Drüsen, wie man gerade an der Parotis wahrnehmen kann, recht zahlreich. Aber dasselbe gilt auch bezüglich der Nerven; nach Aufhellung mit Kalilauge kommen sehr viele Nervenfasern im binde- gewebigen Gerüste der Ohrdrüse zum Vorschein und mögen wohl srossentheils für deren musculöse Umhüllung bestimmt sein. b. Muskellage. Die Wahrnehmung, dass die Hautdrüsen sich zusammenzuziehen vermögen, ging dem Auffinden der Muskeln selber lange voraus. Ascherson sah schon im Jahre 1840 die Contractilität an den im lebenden Zustande beobachteten Drüsensäckchen in der Schwimm- haut des Frosches und Joh. Müller, indem er darüber berichtet, muss sofort gestehen, dass diese Angaben »ohnstreitig in Beziehung auf die physiologischen Eigenschaften des Drüsengewebes von grossem Interesse seien«. Erst mehr als zehn Jahre nachher kamen die Muskeln zur Kenntniss und in welcher Reihenfolge die Beobach- tungen über diese Elemente in der Wand der Hautdrüsen bekannt wurden, habe ich vor Kurzem zusammengestellt?). Studien, welche ich unterdessen gepflogen, haben mir jetzt noch Nachstehendes er- geben. 1) Molche d. Württ. Fauna. Taf. VI, Fig. 6. 2) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 9, (1873), S. 634. Wenn Bolau, welcher die Muskeln nicht wahrzunehmen vermag, sich (a. a. O.) auch auf mich beruft, so hatte ich zwar die Muskeln im Jahr 1853 noch nicht darzustellen ver- mocht, aber der Verfasser übersieht, dass ich sie bald darauf (1857) bereits vom Frosch kannte. 204 Franz Leydig: Ich bemerkte an Flächenschnitten der Haut von Salamandra maculosa eine mir anfänglich ganz unverständliche Bildung im Halse der Drüsen, welche etwa mit einer Fischreuse sich vergleichen liess; dann sah ich an Längsschnitten der Haut, deren Epidermis abge- fallen war, einen Büschel heller Cylinder aus der Drüsenmündung hervortreten. Ein weiteres Verfolgen klärte jedoch den Gegenstand bald auf. Die Muskeln des Drüsenbalges sind langgezogene Spindelzellen, deren Substanz sich in homogene Rinde und körnige Achse scheidet, in welch letzterer ein heller, länglich runder Kern mit Kernkörper- chen liegt. Auf das einzelne Drüsensäckchen mögen gegen zwanzig solcher Faserzellen kommen, welche wie die Meridiane am Globus oder wie Längsreife geordnet, unterhalb der Secretionszellen liegen. Die freien Enden oder Spitzen der Muskelzellen sind es nun, welche aus der Oeffnung der Drüse, nachdem die Epidermis abgefallen ist, frei herausragen, und dadurch an Flächenschnitten, indem ihre Spitzen strahlig zusammenneigen, das Bild einer Fischreuse oder noch mehr der bekannten Vorrichtung in der Puppenhülle des Nachtpfauen- auges (Saturnia carpini) hervorgerufen. Zur Untersuchung der angegebenen Verhältnisse eignen sich besonders gut Thiere, welche zuerst in doppelt chromsaurer Kali- lösung: gelegen, dann in schwachem Weingeist aufbewahrt worden waren. An Flächenschnitten durch die erhärtete Epidermis ist die Reihe dessen, was man sieht: zu innerst der von den Zellen abge- schiedene homogene Cutieularsaum, dahinter die Durchschnitte der Muskeln, dann die ringförmig gelagerten Epidermiszellen. Bei Salamandra atra lässt sich das Gleiche wie an Salaman- dra maculosa beobachten, ebenso bei Triton cristatus, nur standen hier die Muskelspitzen weniger lang aus den Drüsensäckchen hervor; bei Bombinator igneus habe ich solche herausragende Spitzen der Muskeln vermisst, mochte auch der Rand der Drüse völlig rein und vom Epithel entblösst sich darstellen. In den Hautdrüsen von Me- nopoma giganteum unterscheide ich die Muskeln so deutlich wie bei Salamandıa. Ascherson hatte ausser den Gestaltveränderungen der eigent- lichen Drüsensäckchen auch gesehen, dass die Mündungen in der Epidermis sich zusammenzuziehen und zu öffnen vermögen. Ich Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 205 glaube, dass die eben mitgetheilten anatomischen Befunde hierüber einige Aufklärung geben können. Vom Vorhandensein der Muskeln habe ich mich auch an den Säcken der Ohrdrüse von Bufo vulgaris überzeugt, allwo sie eben- falls eine zusammenhängende Lage bilden. An Drüsen, die vom lebenden Thier genommen und kurze Zeit in Müller’sche Flüssig- keit gelegt worden waren, kamen auch an den isolirten contractilen Fasern feine Querlinien zur Ansicht, die auf eine beginnende Sonderung der Rinde hinweisen. — Ganz verschieden von diesen Faserzellen sind natürlich die Bündel quergestreifter Muskeln, welche sich nach meiner Beobachtung an die untere Fläche der die Parotis einschlies- senden Hautpartie ansetzen. Sie lösen sich von der Muskulatur des Stammes ab und sind jenen Hautmuskeln zu vergleichen, welche vorne an der Brust und in der Lendengegend derselben Thiere vor- kommen. Die aus glatten Elementen bestehende Muskellage, welche im frischen Zustande einen hellen und verhältnissmässig breiten, sich scharf abhebenden Saum zwischen der bindegewebigen Umgrenzung und den Secretionszellen bildet, ist wohl auch durch die Anordnung der Faserzellen und indem ein bestimmter Grad ihrer Zusammen- ziehung festgehalten erscheint, der Grund, warum man sich versucht fühlen könnte neben den einfach gestalteten Drüsensäcken auch das Vorhandensein von gefächerten anzunehmen. Ich habe zuerst in der Haut des Bufo variabilis diese Form von Drüsen bemerkt, wobei das Ende des Sackes durch die regel- mässigen Hervorwölbungen, in der Zahl sechs, an gewisse Formen der Ampullen, wie sie bei den Gallertröhren der Selachier zugegen sind, nicht wenig erinnerte. Und die Aehnlichkeit steigert sich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Drüsen überhaupt eine retortenförmige Gestalt mit längerem oder kürzerem Halse besitzen. Dann sah ich die gleichen gebuchteten grossen Drüsen auch bei Bufo calamita; nicht minder erschienen, wenn auch in schwächerem Grade, die Einkerbungen an den grösseren Drüsen bei ‚Pelobates. Da aber bei genannten Arten nicht sämmtliche der grösseren Drüsen die besagte Form aufzeigen, sondern neben den gebuchteten auch einfach runde oder linsenförmige Säcke stehen, so darf man wohl die Ansicht aussprechen, dass es sich keineswegs um eine blei- bende Form des Drüsensackes, sondern um einen bestimmten Con- 206 | Franz Leydig: tractionszustand der Muskelfasern, im Verein mit einer gewissen An- ordnung dieser Elemente, handeln möge. Noch eine Erscheinung habe ich wiederholt bei manchen Ba- trachiern beobachtet, welche mit der Anwesenheit contractiler Ele- mente in der Lederhaut selber ohne Zweifel zusammenhängt. Bufo einereus hat bekanntlich eine sehr warzige, unebene Hautbeschaffen- heit, so dass ihr Rösel den Namen »blatterichte Landkröte« gegeben hat. Es war mir daher merkwürdig, dass an einem warmen Tage des September, als ich im unteren Innthal eine dieser Kröten aus dem Versteck zog, sie eine völlig glatte Haut darbot (Farbe olivenschwärzlich, grau). Wegen dieses abweichenden Aussehens mit naclı Hause genommen, weil ich eine locale Form vor mir zu sehen glaubte, zeigte sie am Morgen des anderen Tages die regelrechte, über und über warzige Beschaffenheit der Haut. Indem ich von da an auf diese Veränderung achtete, traf ich sie wieder in sehr aus- gesprochenem Maasse im Monat März an einem halb Dutzend männlicher Stücke des Bufo vulgaris, welche sich in dem kleinen Teich über der Alandsquelle bei Würzburg herumtrieben. Alle waren von mattem, traurigen Wesen, die Stimme ein klägliches Glucksen. Da mir beim ersten herausgefischten Thier die überaus glatte und weiche Haut auffallen musste, besah ich sie alle auf diesen Punkt und sie verhielten sich sämmtlich gleich. Da kein einziges Weibchen unter der Gesellschaft sich befand, auch in dem gut zu überblickenden Teich keine Spur von Laich oder Quappen sichtbar war, so konnte man annehmen, dass, weil den Thieren die Gelegenheit sich zu begatten mangelte, die Beschaffenheit ihrer Haut der Ausdruck einer davon abhängigen Stimmung des Nervensystems sei. Allein ich sah das Gleiche auch später bei Thieren, welche mit dem Weibchen vereinigt waren; überdies ist auch bei dem Männchen von Rana platyrrhinus unter gleichen Umständen die Haut von schwappigem, schleimigem Wesen, so dass es wohl richtiger ist, das Ganze von einer gewissen Stimmung des Nervensystems während der Laichzeit überhaupt abzuleiten). Auch die Temperatur hat grossen Einfluss auf die beregte Aenderung der Hautoberfläche, wie ich an einer Anzahl gefangen gehaltener Bufo cala- mita deutlich bemerken konnte. Der Mai des Jahres 1873 war ein sehr kühler, indem Wochen hindurch der Thermometer bei Tag höchstens auf +5 und +6° R.. Nachts auf 0° R. und selbst — 2° R. stand. Wenn an solchen Tagen eines der Thiere hervorkroch — ihr Kasten stand in einem ungeheizten Zimmer — so hatten sie gewissermassen »Gänsehaut«, das heisst die höckerige 1) An Krötenmännchen vermisste ich auch während der Zeit der Be- gattung im ersten Frühjahr die Hornhöcker des Rückens. Ob sie erst beim Landaufenthalt sich bilden? | | | Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 207 Beschaffenheit hatte sehr zugenommen gegenüber dem Zustande in den warmen Tagen des April. Im Juni hatten sich alle Thiere in die Erde gezogen und da keines mehr zum Vorschein kommen wollte, so musste ich sie für meinen Gebrauch ausgraben und siehe da, sie hatten jetzt alle in ihrem schlafsüch- tigen Zustande eine ganz glatte, schlaffe Haut; die Höckerbildung war völlig verschwunden! Dass bei diesen Veränderungen der Haut eine vom Nerven- system abhängige contractile Substanz im Spiele sei, wird wohl Niemand in Abrede stellen wollen. Mir selber waren bis zu der Zeit, in der ich die vorgelegten Beobachtungen über Cutis anserina machte, als contractile Theile in der Haut bloss die Substanz der Chromatophoren, dann die Muskeln der Drüsen und die Muskeln der Gefässe bekannt. Dass durch das Sichzusammenziehen und Er- schlaffen der Muskeln an den beiden letztgenannten Organen einer- seits die höckerige, derbe, andererseits glatte und weiche Beschaften- heit der Lederhaut entstehen solle, liess sich nicht einsehen und so ging ich von Neuem an die Untersuchung mit der bestimmten Frage, ob in der Substanz der Lederhaut seiber, ausser den Mus- keln in der Wand der Drüsen, noch weitere dergleichen Elemente sich dennoch vorfänden. Ich habe nun zwar abermals viele Schnitte durch die Haut von Rana platyrrhinus, dann insbesondere von Bufo vulgaris gemacht, ohne in denselben so wenig wie früher Muskelfasern erblicken zu können; aber einigemal und zwar am besten bei genannter Kröte, besonders zahlreich in der Inguinalgegend, gewahrte ich doch glatte Muskelfasern in dem lockeren Bindegewebe, namentlich in den säulenartig aufsteigenden Zügen. Es mögen solche Muskeln noch verbreiteter vorkommen als ich bei der von mir angewandten Me- thode der Untersuchung vor die Augen legen konnte; doch gehen sie gewiss nicht gleichmässig über die ganze Haut, sondern haben ihre bestimmten Linien der Verbreitung. Jedenfalls sind es diese Elemente, welche durch ihre Zusammenziehung die »Gänsehaut« der Frösche und Kröten bedingen. Nachträglich erst kam zu meiner Kenntniss, dass bereits Eberth vor mir diese Muskeln gefunden und dargestellt hat !). Eine sehr stark entwickelte glatte Musculatur findet sich in 1) Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie der Froschhaut. Leipzig, 1869. 208 Franz Leydig: der Schleimhautlage der Kloakenwülste bei den Salamandrinen. Vor Jahren habe ich schon angegeben), dass es mir vorkomme, als ob die Drüsenschläuche der Kloake, um die Secretmasse ausquellen zu machen, beim Landsalamander von glatten Ringmuskeln umstrickt wären. Ich vermag jetzt darüber nach Untersuchungen, die ich an unseren Tritonen angestellt, genauere Aufschlüsse zu geben. Mit Hülfe passender Reagentien, welche uns Schnitte durch die ganze Kloake zu legen ermöglichen, gewahrt man mit aller Sicherheit, dass eine zusammenhängende dicke Muskelschicht die ganze Schleimhaut durchzieht und zwar vorherrschend in der Längs- richtung, ohne dass auch sich dazwischen schiebende Ringzüge man- selten. Die Musculatur vereinigt sich in gewissem Sinne in der aus der Mitte der Kloake hervorragenden pilzförmigen Papille des Männchens, allwo die Bündel, unter geflechtartiger Entfaltung, in die Papille aufsteigen, und auf solche Weise, abgesehen von den Drüsen, den Hauptbestandtheil dieses Organs bilden. Aber nicht blos in die grosse penisartige Papille?) erheben sich die Muskeln, sondern auch in die kleineren Hervorragungen, welche die Fläche und vorzüglich den Rand der Kloake besetzen und als Sammelpunkte der Drüsen- ausführungsgänge dienen. Endlich lösen sich Bündel ab, welche in die Tiefe hinabtreten, zwischen die Schläuche der seitlichen Kloaken- drüsen, so dass diese ähnlich wie die Drüsenschläuche der Prostata der Säuger von Muskelzügen umgeben sind. Die Elemente dieser gesammten glatten Musculatur sind leicht isolirbare, schöne Faser- zellen, je mit einem grossen länglichen Kern. Zahlreiche Nerven- fasern, wohl hauptsächlich den Muskeln bestimmt, tauchen zwischen den Drüsenschläuchen auf. 1) Anat. hist. Untersuchungen über Fische und Reptilien, 1853. 2) Finger (a. a. O.) hat dieses Organ an Triton zuerst nach der Ge- stalt richtig beschrieben, und über den Bau gesagt: »e tela cellulosa, multis vasis et numerosis nervis pertexta constare videtur«. Es sei desshalb noch- mals bemerkt, dass das Hauptgewebe des Organs ein Flechtwerk glatter Muskeln ist; dass zweitens zahlreiche Schlauchdrüsen im Innern der Papille zugegen sind und an der Oberfläche ausmünden, wozu endlich nicht wenige ierven sich gesellen. Von Blutgefässen sah ich in frischem Zustande blos grös- sere Stämmchen in der Mitte und ein schönes Capillarnetz unmittelbar unter dem Epithel, zugleich mit schönen strahligen Tigmentzellen. Das Epithel wimpert gleich zahlreichen anderen Stellen der Kloakenfläche. Die Wimpe- rung scheint in gewissen Streifen vertheilt zu sein. u Du A u Ueber die allgemeinen Bedeckungeu der Amphibien. 209 Valentin hat vor mehr als dreissig Jahren!) auf »Fasern« hingedeutet, welche an den Gängen der Kloakendrüsen des Proteus anguwinus wie die Reife um ein Fass herumgehen, und ich glaubte seiner Zeit, diese Angabe auf Muskeln der Drüsen beziehen zu dürfen. Meine jetzigen Zergliederungen haben mich gelehrt, dass dies nicht der Fall ist und die »Reife« eine ganz andere Bedeutung haben. Bei, mässiger Vergrösserung erscheint an den Ausführungs- gängen der Drüsen eine Art etwas weit auseinander stehender Quer- streifung. Stärkere Vergrösserung und genaueres Zusehen belehren bald, dass die Striche nicht der Aussenfläche des Ganges angehören, sondern der Innenseite, und dass es sich nicht um wirkliche Fasern, sondern um Querspalten handelt, durch welche sich die Epithelzellen des Ganges von einander absetzen. In die Lücken oder Intercellu- largänge tritt Secret und dieses, durch Reagentien erhärtet, lässt die anscheinenden Reife sehr scharf hervortreten. Die Bildung ent- spricht somit dem Netzwerk, welches man aus den Speicheldrüsen der Säuger und Reptilien zwischen den Epithelzellen kennt. ce. Epithel Die Zellen, welche den Drüsenraum als Epithel auskleiden, sind verschiedener Art. Und auch dies unterstützt nicht wenig die An- sicht, dass die Drüsen nach verschiedenen Richtungen hin sich sondern. Man unterscheidet: a) gewöhnliche, niedrig eylindrische Zellen, die bald von mehr heller Beschaffenheit sind, bald auch einen körnigen Inhalt be- sitzen, was alsdann der ganzen Drüse ein trübes oder dunkles Aus- sehen verleiht. Die beiden Arten Epithelzellen — helle und kör- _ nige — finden sich in den kleinen kugeligen Drüsen und auch in den kleineren Schlauchdrüsen. b) Lange Cylinderzellen; sie kommen vor in den grösseren Formen der kugeligen und Schlauchdrüsen, und von besonderer Entwicklung in den grossen Schläuchen der Daumendrüse Im Halstheil der Schlauchdrüsen sind die langen Zellen des Endbeutels zu niedrigen Elementen geworden. In der Daumendrüse von .Bufo calamita waren die Cylinderzellen körnig gefüllt, daher dunkel; bei Dbufo viridis, wenigstens an dem hierauf untersuchten. Exemplar, 1) Ueber d. Samenthierbündel u, die Afterdrüse des Proteus anguinus. Repertorium f. Anat. u. Phys. 1841. 210 Franz Leydig: hatten sie ein mehr helles Aussehen. An einem frisch unter- suchten Männchen von Dufo calamita boten diese Cylinderzellen bei starker Vergrösserung, nachdem etwas Alkohol oder Essigsäure auf sie eingewirkt hatte, eine eigenthümliche Sonderung dar, indem man nicht blos eine Art Rinde und Marksubstanz unterscheiden konnte, sondern erstere auch wie in Querstücke sich zerlegt zeigte. Es verdienen wohl diese Theile noch einer weiteren Prüfung. Die Lichtung der Drüse ist deutlich und mit feinkörniger Substanz er- füllt. — Auch die langen gewundenen Schläuche des als »Becken- drüse« von der eigentlichen Kloakendrüse oder Prostata zu unter- scheidenden Organs bei Triton sind von hohen körnigen Oylinder- zellen ausgekleidet. c) Von sehr auffälliger Art sind die Elemente, welche ich schon früher als Riesenzellen zuerst aus Coeciliat), wo sie Rathke bereits bemerkt aber verkannt hatte ?), später von Salamandra ma- culosa®) beschrieben und abgebildet habe. Ich liess bereits damals nicht unerwähnt, dass die Bezeichnung »Zelle« für diese nach ein- wärts von den Muskeln liegende Gebilde wenig passe; es seien viel- mehr lange Cylinder oder Würste aus festweicher Substanz be- stehend und ohne Membran. Nahe ihrem hinteren Ende beherbergen sie einen Kern von dem Umfange des Keimbläschens jüngerer Eier desselben Thieres und diesem Umfange entsprechend zeigen die Kernkörperchen die Grösse der Blutzellen des Erdmolches. Im Verlauf meiner gegenwärtigen zunächst der Ohrdrüse der Salamandra maculosa gewidmeten Untersuchungen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass die Riesenzellen ein Zusammengesetztes sind, in der Weise, dass sie aus dem eigentlichen Zellenkörper und zweitens aus dem abgeschiedenen Secret bestehen. Indem das letztere längere Zeit mit, dem Zellenleib innig verbunden bleibt, kommen die cylindrischen Massen zur Ausbildung. Ihr vorderes Ende löst sich alsdann oder bildet sich um in helle, glänzende Kugeln, welche, wenn in grösserer Menge vorhanden, fürs freie Auge eine gallertige graue Masse oder einen Pfropf im Innern des Drüsensacks und damit das eigentliche milchige Hautsecret zu Wege bringen. 1) Histologie, S. 85, Fig. 40. 2) Vergl. m. Abhandlg.: Ueber die Schleichenlurche, Ztschrft. f. wiss. Zool. Band XVII. 3) Molche d. Württ. Fauna, Arch. f. Naturgesch. 1867. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 211 Auch in den grösseren Hautdrüsen der Gattung Triton begegnet man denselben auffälligen Bildungen; doch da immer der Umfang der Riesenzellen gleichen Schritt hält mit der Grösse der Drüsen- säcke, so stehen sie immerhin bei genannter Gattung denen von Salamandra nach. Ich habe sie besonders an einem weiblichen Thier von Triton taeniatus aus der Zeit des Landaufenthaltes unter- sucht, allwo diese Zellenmassen im Ganzen und herausgeschält, einem gefurchten Ei sehr ähnlich sich ausnehmen. Die einzelne Zelle, für sich abgelöst, zeigt im erhärteten Zustande eine gewölbte Fläche, welche der Drüsenwand zugekehrt war; nach der anderen Seite er- scheinen kantig sich zuschärfende Flächen, mit denen sie den Nachbar- zellen sich anlegen. Der Kern kann deutlich hervortreten, oder auch verdeckt sein durch die Körnermasse. Die eine Hälfte dieser grossen hüllelosen, das Epithel und Secret zugleich vorstellenden Körper ist gerne in der einen Hälfte hell und homogen, in der anderen körnig !). In der Mündung jener Drüsen, welche während des Land- aufenthaltes als dunkle, stark glänzende Höcker hervorstehen — dunkel von dem braunkörnigen Pigment in dem epidermoidalen Ueverzug des Hügels — hebt sich besonders deutlich ein pfropf- artiges Gebilde ab, wodurch man an gewisse Verhältnisse bei den Sinnesbechern der Schlangen und damit an die Verwandtschaft dieser Organe mit Hautdrüsen erinnert wird. Recht eigenartig stellt sich ferner das »Epithel« in den Säcken der Ohrdrüse bei der Gattung Bufo (B. vulgaris, B. calamita, D. variabilis) dar. Ein Epithel im gewöhnlichen Sinne ist hier so wenig wie bei Salamandra zugegen. Man sieht vielmehr, und hiezu bedarf es einiger Achtsamkeit, zunächst der Muskellage zahlreiche, runde zarte Kerne, etwa von Drittelsgrösse eines rothen Blutkörperchens, je mit einem punktförmigen Kernkörperchen. Diese Kerne sind zu 1) Bolau a. a. O. zeichnet die obigen Körper in seiner Figur 1 bei f und g als grosse körnige Massen. Im Text (S. 7) nennt er sie »Schläuche«, die vom Bindegewebe des Coriums umschlossen seien und erklärte sie für Drüsen ohne Epithel! Unser Autor gibt überhaupt über den Bau der grossen Drüsen des Salamanders etwas seltsame Ansichten zum Besten: in der Pa- rotis bilde die Lichtung des Drüsensackes nur den Behälter für das Secret. Letzteres werde erzeugt in grösseren und kleineren Höhlungen innerhalb der bindegewebigen Wand des Sackes, darauf werde es durchgeschwitzt, um sich am Rande des Sackes in kleineren Massen zusammenzuballen u. s. w. 212 Franz Leydig: hinterst von ganz wenig, weiter nach einwärts von etwas mehr feiner Punctmasse umgeben, welche offenbar das Protoplasma oder die Zellsubstanz vertritt, aber im zusammengeflossenen Zustande und ohne dass die Kerne ihre Umgebung als Ballen um sich gestaltet hätten. Weiter nach einwärts verbreiten sich und zwar massenhafte helle Kugeln; dazwischen erblickt man auch Ballen einer dunkelkörnigen Substanz mit mehreren hellen, kernartigen Flecken. Hat man frische Drüsen, welche in ihrem Inneren das zeigen, was eben erörtert wurde, einige Zeit in Müller’scher Flüssigkeit liegen lassen, so zieht sich alsdann in Folge von Erhärtungsvor- gängen, ein strahliges Streifensystem !) durch die Masse, etwa so, wie wenn der Gesammtinhalt in die »Riesenzellen« zerlegt werden sollte; dazu kommt es jedoch nie, wie mich auch die Untersuchung junger einjähriger Thiere von Bufo vulgaris lehrte, indem auch hier bleibend und ohne Unterbrechung das Protoplasma, welches die »Epithelkerne« umgibt, in die Kügelchenmasse des Inneren übergeht. Haben wir gewöhnliche, in Weingeist aufbewahrte Exemplare der Sammlung zur Untersuchung benützt, so zeigt sich der graue gallertige Inhalt der Ohrdrüse aus fast nichts anderem bestehend, als aus einer Punkt- und Krümelmasse zwischen welche sich spiessig blätterige Krystalle, wohl Cholestearin, abgeschieden haben. Eine besondere Besprechung erheischt das Epithel jener Kloa- kendrüsen, welche bei Zriton die Bedeutung einer Prostata haben. Die Zellen im Ausführungsgang sind stark verschieden von 1) An ebenso behandelten Stücken dieser Drüse erscheint auf feinen Flächenschnitten eine scharfe Linie der protoplasmatigen Substanz, wie wenn doch eine dünne Haut zwischen dem Muskelbeleg der Drüse und den Secre- tionselementen vorhanden wäre. Allein es lässt sich durch vergleichende Beobachtungen bald die Ueberzeugung gewinnen, dass man es mit einer Er- härtung des protoplasmatigen Stoffes an der Grenze zu thun habe; denn auch die grossen Ballen im Secret selber an denen im frischen Zustande keine eigentliche Membran zu unterscheiden war, zeigen jetzt unter den gleichen Umständen eine scharfe membranartige Abgrenzung. Es bleibt somit die von mir wiederholt hervorgehobene Angabe bestehen, dass die Muskelfasern und die Seretionselemente unmittelbar an einander liegen, ohne sondernde Membran dazwischen. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 213 jenen des verbreiterten Endschlauches. In ersteren sind sie niedrig, und nehmen sich im frischen Zustand wie eine zusammengeflossene helle Schicht aus, vou welcher die Kerne sich abheben und die (Seite 207) bereits näher erörterten Querlücken. Die Zellen in dem mit bestimmter Grenze sich vom Ausführungsgang abhebenden Drüsenschlauch, dessen Ende, wenn die Drüse sich länger auszieht, gekrümmt, auch wohl etwas beutelförmig angeschwollen ist, haben ein gewisses vacuoläres, man könnte sagen schaumiges Wesen; sonst ist ihre Gestalt polygonal und sie lassen durch die Art ihrer Anlagerung eine weite Lichtung im Drüsenschlauch bestehen. Nach Einwirkung passender Flüssigkeiten und Gebrauch starker Ver- grösserung klärt sich das anscheinend schaumige Wesen ziemlich auf. Es rührt her von einem Fach- oder Gitterwerk, welches das Innere der Zelle durchsetzt, und den Ursprung von einer den Kern umlagernden Substanz oder Protoplasma nimmt, so dass die grösseren Balken wie strahlig vom Kern ausgehen und die feineren an dem Umfang der Zellenwand liegen, indem sie derselben mit ihren An- satzstellen eine gewisse Punctirung verleihen. Diese besondere Structur der Zelle reiht sich an das an, was ich vor zehn Jahren!) über gewisse grosse Kerne desselben Thieres mitgetheilt, dann vor Kurzem?) über Becherzellen der Schlangen dargelegt habe. Und es sei ausdrücklich erwähnt, dass wohl diese Zellenstructur eine viel weiter verbreitetere sein mag; wenigstens kann ich an den rothen Blutkörperchen derselben Amphibiengattung, wenn sie von Müller’scher Flüssigkeit beeinflusst waren, ganz das Gleiche wahrnehmen: auch hier geht vom Kern weg in strahliger Vertheilung ein feines Fächerwerk zum Umfang der Zelle und stellt sich dem ersten Blick als blosse Körnelung dar°). Bei den Zellen aus den Kloakendrüsen sind die Räume zwischen den Balken (Va- 1) Vom Bau d. thierischen Körpers, S. 14. 2) Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Archiv f. mikrosk. Anatomie 1872, S. 340, Fig. 28. 3) In allen obigen Fällen, besonders aber in den Epithelzellen der Kloakendrüsen, gewinnt es öfter den Anschein, als ob die Substanz des Kernes selber es wäre, welche in das Balkennetz sich auszieht. Wenn in der That ein derartiges Zusammenschmelzen von Kern und Protoplasma statt- finden sollte, so könnte es doch wohl nur als ein nachträglicher Vorgang ange- sehen werden. 214 Franz Leydig: cuolen) vom hellen Secret eingenommen und gerade dies erhöht das schaumige Aussehen. d. Drüsenöffnungen in der Epidermis. Die Oeffnung der kleinen Hautdrüsen in der Epidermis, seien letztere von kugliger Form oder schlauchförmig ausgezogen, stellt be- kanntlich meist eine zusammengedrückt dreieckige Figur dar; es ist die Gestalt, welche die Oeffnung im geschlossenen durch Faltung erzeugten Zustande annimmt. Die zwei jene Oeffnung begrenzenden Linien beziehen sich auf die Cuticula, welche als Schlauch in die Tiefe geht, und so einen, nach unten frei abgeschnittenen Canal!) erzeugt; es wurde dies oben bereits erwähnt, sowie auch schon der um den Schlauch herumstehenden Spitzen der Muskelcylinder, welche dort vorkommen können, gedacht wurde. Legen wir Flächenschnitte durch den Drüsenhals von der soge- nannten Parotis bei Bufo vulgaris, so erblickt man eine vielbuchtige Figur, welche wir als eine Wiederholung im Grossen des dreiflüge- ligen Zustandes der kleinen Drüsen ansehen dürfen. Nach aussen von dem Cuticularsaume und der braunen Hornschicht der Epidermis ® folgt die dicke Lage der rundlichen und eylindrischen Zellen. Dass rings um den Gang, insofern bei der Länge desselben die Lederhaut mit getroffen wird, ein Kranz von den kleinsten Hautdrüsen steht und weiterhin auch die Kalkkörper, ist von vorneherein zu erwarten. Wegen der letzteren sei noch bemerkt, dass der Kalk zwar an der Parotis eine ununterbrochene Lage bildet, aber doch die allernächste Umgebung der grubigen Einsenkungen frei lässt, welchen Platz die kleinsten Hautdrüsen einzunehmen haben. e. Secret. Der milchige Stoff — Oleum bei Linne, weniger passend von Anderen Saliva genannt — quillt nach Umständen reichlich aus den Hautdrüsen hervor2), und ist obgleich eine Art Gift, doch schon morphologisch verschieden von dem Schlangengift. 1) Ueber eine schraubig herabgehende Leiste in diesem Canal bei Ooe- eilia siehe meine Mittheilungen in der Ztschrft. f. wiss. Zoologie. Band XVII. S. 284. 2) Wenn man in einer »Fauna marchica« liest, das Secret aus den Ohr- drüsen »fliesse beständig abe, so gehören derartige Angaben zu den vielen Unriechtigkeiten, wie sie sich in solchen Schriften zu vererben pflegen. Ueber die allgemeinen Bedeekungen der Amphibien. 215 Im Secret der Giftdrüse von Vipera ammodytes?), Weingeistexem- plar, sah ich nur zahlreiche Molecularkörnchen, dann grössere rundliche Körperchen von der Lichtbrechung zwischen Fett und Eiweiss; endlich zufällig abgelöste Epithelzellen der Drüsenwand. Da das Gift in frischem Zustande eine klare, etwas ins Gelbliche spielende Flüssig- keit darstellen soll, in dem von mir untersuchten Falle aber dieselbe weisslich getrübt war, so mögen vielleicht selbst die Molecular- körnchen und die grösseren Körperchen erst durch das Liegen des Thieres in Alkohol sich ausgeschieden haben. Anders sind die Dinge im Hautsecret der Batrachier, indem hier die weisse dickliche Materie der Hauptsache nach aus geformten Gebilden besteht, die, was bedeutsam ist, nach Gattungen und Arten Verschiedenheiten darbieten. Untersuchen wir von Dombinator igneus eines der Würstchen, wie sie zwischen den Warzen der Haut beim geängsteten Thier ausgetrieben werden, so ergibt schon die erste Prüfung, dass, abge- schen von einem homogenen Bindemittel, ein derartiger Strang aus dicht beisammenliegenden hellen eigenthümlichen Körperchen besteht. Dieselben sind von Gestalt eirund, und brechen das Licht stark; sie erscheinen zunächst ganz homogen, aber bei genauerem Betrachten taucht da und dort eine Art Querstreifung oder Quer- schichtung auf; ferner lässt sich öfters bemerken, dass sie noch von einer besonderen Substanz hüllenartig umgeben sein können, an der auch noch etwas von einer feinen Körnchenmasse haftet. In Gly- cerinpräparaten werden die Körperchen unregelmässig eckig, bleiben jedoch auch in dieser Flüssigkeit immer noch von einer besonderen homogenen weichen, sich strahlig ausziehenden Substanz umgeben. — Ganze Drüsen in Müller’scher Flüssigkeit aufbewahrt, zeigen, wohl in Folge von Erhärtungsvorgängen, faserähnliche Streifenzüge, welche auf jenes die Körperchen verbindende homogene Mittel zu- rückgeführt werden dürfen. In dem frischen, aus der Parotis stammenden Secret des Bufo vulgaris begegnen wir wieder den glänzenden Körpern, aber sie haben sich zu rundlichen Haufen verschiedener Grösse zusammengeballt. Die Einzelkörperchen brechen das Licht noch stärker als jene von DBombinator, etwa wie Fett oder Kalk. Nach Behandlung mit Rea- 1) Ueber d. Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Archiv f. mikrosk. Anat. Band 9. S. 628. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 15 216 - Franz Leydig: % gentien zeigen sich bemerkenswerthe Veränderungen. Bei Thieren, in einer Lösung von doppelt chromsaurem Kali gelegen, hebt sich ein inneres wie kernartiges Gebilde ab, während die Rinde sich in Stäbchen, welche wie feine Borsten den Innenkörper besetzen, um- gebildet hat. Vergleichende Beobachtung lässt finden, auf welche Weise die Sonderung des in frischem Zustande homogen aussehenden Körperchens vor sich geht. Zuerst hebt sich eine helle, oft zackig werdende Mitte ab, wobei die dunkle Beschattung und scharfe Be- grenzung des Körperchens sich verlieren. Hierauf oder zu gleicher Zeit zerlegt sich die Substanz erst in grössere, keilföürmige Stücke, dann nach und nach in feinste Stäbchen oder Fäserchen, so dass schliesslich aus dem früheren homogenen Gebilde eine von allen Seiten borstige Kugel geworden ist. Die Formen dieser Umwandlungen legen eine gewisse Manchfaltig- keit an den Tag. Dabei zeigt sich auch an ebensolchen Körper- chen aus den Seitendrüsen eine etwelche Aehnlichkeit mit amyloiden oder concentrisch schaligen, auch wohl krystallinischen Gebilden; man unterscheidet eine helle geschichtete Rinde, von welcher gegen den kernartigen Mittelkörper abermals strahlige Abtheilungen gehen. Ein gutes, obgleich selbstverständlich anders wirkendes Mittel die vorgenannten Körper zu untersuchen, ist auch die Kalilauge, welche man auf das frische und ausgebreitete Secret wirken lässt. Ueber die eigentliche Entstehung der Körper oder ihr Hervor- gehen aus den ein Epithel vertretenden Theilen bin ich nicht recht ins Klare gekommen. Zuerst glaubt man die Beobachtungen dahin auslegen zu können, dass die Secretkörper als Abkömmlinge der Kerne anzusprechen seien; davon kam ich aber wieder zurück, um schliesslich in diesen Elementen des Secrets, trotz aller Aehnlichkeit mit Zellen, doch nur durch Schichtung und krystallinische Aus- scheidung im Protoplasma entstandene Bildungen zu erblicken. Bei Bombinator igneus, zu dessen Untersuchung ich mehrmals zurück- kehrte, wiesen die Erscheinungen immer darauf hin, dass die ovalen Körperchen durch Umbildung der Zellsubstanz entstanden seien. Die Drüsenzellen stellen lange Cylinder vor und ihr vorderes, in den Raum des Drüsensackes reichendes Ende ist als die Ursprungsstätte der fraglichen Gebilde anzusehen. Nur in den grossen Drüsensäcken wird diese Art Secretkörper zubereitet, nicht in den kleinen; aus diesen quillt lediglich fein- körnige Masse hervor. Aber es will mir scheinen, als ob auch Ueber die allgemeinen Bedeekungen der Amphibien. 217 nach den Arten weitere Verschiedenheiten zugegen seien. Bei einem Bufo variabilis bedeckte sich die Haut durch Eintauchen in Wein- seist mit einer weisslichen, sehr zähen, hautartig zusammenhängenden Lage, welche mikroskopisch ausser feinen Körnchen und durch die Gerinnung entstandenen Streifen noch zahlreiche feine Stäbchen aufwies. Dasselbe kehrt unter gleichen Umständen bei Bufo cala- mita wieder. Weder bei dem einen, noch dem anderen Thier be- merke ich etwas von den glänzenden ovalen Einzelkörpern, wie sie im Safte des Bombinator igneus sich finden, noch jene Ballen, welche bei Dufo vulgaris aus den gleichwerthigen Körpern sich zusammensetzen. Auch im frischen, milchigen Safte von Salamandra maculosa, mit Wasser behandelt, sah ich nur ein fadigkörniges Gerinnsel. Man darf annehmen, dass das Hautsecret als Ganzes aus einem Gemisch verschiedener Stoffe besteht, wovon einem als Haupteigen- schaft die Klebrigkeit (»mucus glutinosus«) zukommt. Es lässt sich z. B. unschwer beobachten, dass Ayla arborea nicht bloss mit dem aus den Zehenballen schwitzenden Saft sich an glatten Flächen fest- zuheften weiss, sondern auch mittelst des Secrets der Bauchhaut und der Bauchseite der Oberschenkel. Das Thier sitzt am Glase z. B. blos mit dem Bauch angeheftet, während die Zehen von der Glasfläche abgewendet sind. Wer ganz junge Thiere von Dufo ca- lamita im Zimmer gehalten hat, dem konnte nicht entgehen, wie die Krötchen die hintere Bauch- oder Weichengegend beim Klettern benützen, um sich mittelst derselben an glatten Flächen festzuhalten. Die Flüssigkeit des Secretes, welcher die Eigenschaft besonderer Klebrigkeit zukommt, scheint beim Laubfrosch die ganze Haut, bei anderen Arten vielleicht nur gewisse Stellen, beständig etwas ein- zuölen oder wie mit einem Firniss zu überziehen. Es will scheinen, dass auf solche Weise dem während des Sommers ausser Wasser und immer frei in der Luft sich aufhaltenden Laubfrosch eine gegen allzugrosse Verdunstung schützende Hülle erwächst. Einen hohen Grad von Klebrigkeit muss das Hautsecret jenes surinamischen Frosches haben, von welchem Rolander in seinem »Diarium?!) Surinamicum, quod sub itinere exotico conscripsit« aus- 1) Ich kenne nur das Wenige, was Boie aus der Handschrift des Schülers von Linn& in der Isis 1827, S. 726, hat veröffentlichen lassen. Die uns hier berührende Stelle lautet: »Una serie octodecim earum numerabam, 218 Franz Leydig: führlich erzählt, wie das Thier sich plötzlich am ganzen Körper mit sehr weissem Schleim bedeckt, um mittelst desselben sich fest zu heften. Nach Linn& heisst der Frosch Rana typhonia. Das Hautsecret dieses Frosches ist aber auch dadurch merkwürdig, dass es im Dunkeln leuchtet, welche phosphoreseirende Eigenschaft nach Boie auch Frösche oder Kröten des Gaplandes an sich haben. Dann ist aber zweitens das Secret und wohl insbesondere durch .den stärkeren Zufluss aus den grossen Säcken ein Vertheidigungs- mittel. Der frisch ausquellende Saft ist scharf, ätzend, wirkt be- täubend und in den Magen gebracht kann er den Tod herbeiführen. Selbst die Haut unserer Handfläche röthet sich, unter Auftreten eines brennenden Gefühles, wenn wir längere Zeit uns mit einem lebenden Laubfrosch oder emem Molch zu schaffen machen. So oft ich ferner die Ohrdrüse der lebenden Kröte für meine Zwecke untersuchte, reizte der: Inhalt die Nasenschleimhaut zu fortwährendem heftigen Niesen, wie wenn ein starker Schnupfen im Anzuge wäre; was sich aber schnell verliert, sobald man die Untersuchung ein- gestellt hat. Die betäubende Wirkung des Saftes scheint besonders während der Fortpflanzungszeit erhöht zu sein. Ich besuchte gegen Ende April!) wiederholt in der Abenddämmerung einen Tümpel, in dem sich Bufo variabilis und Dufo calamıta zahlreich des Laichge- schäftes wegen eingefunden hatten. Die äusserst lebendigen und behend herumschwimmenden Thiere liessen, herausgefischt, ihren Saft reichlich abfliessen, von dessen flüchtigen Stoffen sich nicht nur die Schleimhaut des Auges, der Nase und des Rachens getroffen fühlte, sondern es meldete sich auch Betäubtheit und Eingenommen- heit des Kopfes, so dass ich die Jagd immer früher aufgab, als ım Plane lag. — Vielleicht ist es nur gerade die Abendzeit, in welcher bei gesteigerter Lebensthätigkeit überhaupt auch die Schärfe der Hautabsonderung zunimmt. Denn ich habe im Monat September, quae simul crepitabant. Ricetus earum crepitantes flavo micabant. Aures meas pappo Gossypii obturabam ob voces earum intolerabiles. Unam vel alteram capere volui, saltibus vero promptis me fugerunt. Baculo eas ex tecto in pavimentum praeeipitare conabar: levissimo vero attactu aut fugie- bant, aut ubi fugae locus non esset, momento eitius, tegmine albidissimo glutinoso per totum corpus obducebantur, ut non solum pedibus, verum et jam humore glutinoso tignis adhaerescerent.« 1) Bei Würzburg 1873. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 219 also ausser der Laichzeit, an dem auf Wegen bei Meran in der Abenddämmerung flink sich herumtreibenden Dufo variabils ganz ähnliche Erfahrungen machen müssen; während an solchen, welche bei hellem Tage gefangen wurden, der Hautsaft nicht entfernt jenen Grad von Schärfe kund gab. Bei Thieren, welche aus südlicheren Gegenden stammen, ist die Wirkung des Hautsaftes noch empfindlicher, als bei den gleichen einheimischen Arten. Unser Laubfrosch z. B. gibt schon, wie an- gedeutet, einen recht ätzenden Stoff!) von sich, aber die lebenden Laubfrösche, welche mir Dr. Euting von seiner Reise nach der Insel Sardinien aus Cagliari mitgebracht hatte, übertrafen hierin bedeutend unsere Hyla arborea. Ein beunruhigtes und mit der Hand ergriffenes Thier, riecht so scharf wie ein Dbombinator vtgneus und ätzt die Haut in sehr entschiedener Weise. Und was gewiss be- achtenswerth ist, nachdem die Thiere etwa vier Monate in der Tü- binger Luft zugebracht, hatte sich die ätzende, scharf riechende Beschaffenheit des Secrets völlig verloren; zum neuen Beweis der so vielfachen Erfahrung, dass Boden und Luft auf pflanzliche und thierische Abscheidungen sehr bestimmend einzuwirken vermögen. Da die Kloakendrüsen der Salamandrinen im Obigen als eine Art umgewandelter Hautdrüsen betrachtet wurden, so sei auch bezüglich des Secretes erwähnt, dass, wie im Bau und Farbe, so auch in der Beschaffenheit des Secretes »die Beckendrüse« sich von jener, welche man der Prostata vergleichen darf, unterscheidet. Das Secret der ersteren ist eine feinkörnige Masse, jenes der Prostata eine helle Gallertsubstanz, welche hervorgequollen sich in Klumpen und tafelförmige Stücke sondert, ähnlich wie dieses aus der Prostata der Säugethiere bekannt ist. — Die Drüsen des Haut- überzugs der Kloakenwölbung scheiden sich in solche mit Cylinder- zellen und in andere, deren Inneres von den riesigen eigenartigen »Zellen« eingenommen wird. Beilage. Ueber das Hautseeret und die Fussblätter der Geckotiden. Linne sagt in der letzten (12.) Ausgabe des Systema naturae vom Gecko: Pedibus exhalat venenum in esculentis (an urina?®); 1) Derselbe macht sich auch dem Geruch sehr bemerklich, wenn wir das verlängerte Mark des lebenden Thieres durchschneiden. 220 Franz Leydig: und der Herausgeber der 13. Ausgabe, & melin, der wie Cuvier (Mem. d. Museum 1815) urtheilt, »der geschickteste Mensch von der Welt war, um Irrthümer und Widersprüche zu häufen«, weiss es noch besser: »inter pedum lamellas inferiores succum vırosum emittens, quem corporibus, supra quae decurrit, cibis etiam effricat; hinc periculosa et colicam lethalem exeitando funesta.« Die erste Angabe bei Linne rührt von seinem Schüler, dem Palästinafahrer Hasselquist her, der sie wahrscheinlich dem Munde des Volkes entnommen hatte. Merkwürdig und mir unver- ständlich bleibt es aber doch, dass ein Mann wie Prinz Bonaparte, der als Italiener das Thier leicht genug beobachten konnte und Herpetolog von Fach war, ebenfalls erklärt: »come le Salamandre, molestati che sieno, stillano un umor glutinoso caustico«. Dem gegen- über darf ich erwähnen, dass lebende Thiere, Platydactylus mauri- tanicus von Genua, von dieser Eigenschaft gar nichts zeigten; be- unruhigt liessen sie zwar einen quäckenden Ton hören, bissen auch wohl lebhaft um sich, aber von einem Hautsecret kam nichts zum Vorschein. Soweit ich bis jetzt mich in der Literatur umsehen konnte, sagt auch Keiner der Früheren, welche den Bau der Zehen dieser Thiere untersuchten, etwas von Drüsen oder Drüsensecret, sondern sowohl Homel), der vielleicht zuerst darüber handelte, als auch Wagler?) sprechen nur von feinen Hautplättchen und von An- heftung durch Luftdruck. Beide Schriftsteller kommen auch darin überein, dass sie den Bau der Haftlappen der Geckotiden vergleichen mit den Haftballen am Fusse der Fliegen : es sei hier wie dort »ein feiner Flaum« an der Unterfläche zugegen. Die genaueste Untersuchung über diesen Gegenstand hat in neuester Zeit Cartier?) angestellt. Er erklärt, dass er an zahl- reichen Durchschnitten der Haftlappen weder eine Drüse, noch den Ausführungsgang einer solchen gesehen habe. Dies und was er weiter über den feineren Bau der Hautlappen mitteilt, z. B. dass an ihrem Rande Büschel von Härchen in regelmässigen Reihen stehen, kann ich ebenfalls bestätigen, mit Ausnahme dessen, was bereits oben gegen die Auffassungen über Cuticularbildungen vorgebracht wurde. 1) Ich kenne bloss den Auszug in der Isis 1817, S. 824. 2) Natürliches System der Amphibien. S. 234. 3) Studien über den feineren Bau der Epidermis bei den Geckotiden, Verhandlungen d. Würzburger phys. med. Gesellschaft 1872. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 221 Das Ganze des Haarbesatzes gewährt fürs freie Auge, besser mit der Lupe, das Aussehen eines Streifen von Atlasglanz. Diese Fussblätter sind, wie die einfache vergleichende Beob- achtung lehrt, als umgewandelte Hautwarzen anzusehen. Noch be- merke ich, dass auch die böckerige Seulptur an den Zehen mit einem äusserst feinen Leistenwerk überzogen ist, was sich deutlicher abhebt, wenn eine Luftschicht zufällig darüber sich gebreitet hat. Auf den Höckern der Hand- und Fussfläche hat die Cuticula einen dichten, feinen Härchenbesatz. Bei Phyllodactylus europaeus bieten die zwei, die Kralle zwi- schen sich nehmenden Lappen der Zehen für die Lupe ein spiegel- glattes Aussehen dar und sind dem entsprechend auch unter dem Mikroskop ohne Sculpturen; die weiter zurückstehenden Warzen aber, welche gewöhnlicher Art und von mattem Aussehen sind, zeigen sich bei genügender Vergrösserung mit feinen Cuticularhär- chen auf’s dichteste besetzt. Das Bild erinnert lebhaft an die Stäbchenschicht der Retina der Säugethiere. Dieser Härchenbesatz erstreckt sich über alle Höcker der Hand- und Fussfläche hin; zu- letzt sinken die Härchen zu feinen Körnchen herab. Es wird mancher Art von Gecko Phosphorescenz zugeschrieben. Sollte dieselbe nach Analogie mit phosphoreseirenden Batrachiern von einem Secret herrühren, so wäre nach meiner Meinung an die »Sinnesorgane« der Haut zu denken, welche ich mir z. B. von Phyllodactylus europaeus und Platydactylus mauritanicus ebenfalls angesehen habe. Sie finden sich am Rücken bald sehr vereinzelt, dann aber auch wieder zu 5 und 7 beisammen; selbst auf den Höckern der Hand- und Fussfläche stehen sie zahlreich. Auf ihren Deckelchen können ein und zwei Borsten sich erheben. In grösserer Menge zeigen sie sich bei Gymnodactylus geckoides, wo fast auf jeder Warze ein oder mehre vorhanden sind; auch aus ihnen ragt eine einzige Borste oder mehre zugleich hervor. Wenn ich an- nehme, dass gedachte Organe es sein können, welche neben ihrer Sinnesleistung auch einen Stoff absondern, der bei Nacht zu leuchten vermag, so erlaube ich mir an das zu erinnern, was ich früher!) über einen besonderen Geruch der Eidechsen und Blindschleichen anmerkte, der ebenfalls aus den »Sinnesbechern« herzustammen scheint. 1) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. $. 101. 222 Franz Leydig: 14. Das Bindegewebe der Haut im Allgemeinen. Obschon ich bereits bei mehreren Gelegenheiten !) darauf hin- gewiesen habe, dass in die Zusammensetzung der Lederhaut zwei verschiedene Formen des Bindegewebes eingehen, so gestatte ich mir doch an dieser Stelle darauf zurückkommen, da ich unterdessen den Gegenstand immer im Auge behalten habe. a. Das weichere, lockere. Diese Art des Bindegewebes bildet die Grenzschichten der Lederhaut nach aussen und nach innen, und beide Lagen ver- binden sich durch senkrecht aufsteigende Züge. Dasselbe steht in näherer Beziehung zu den Blut- und Lymphgefässen, trägt auch die Nerven und enthält das Pigment der Lederhaut. Auch die Drüsen, welche als Einsackungen dieser Schicht zu gelten haben, sind von ihm umzogen. Gleich allen andern Geweben unter Betheiligung von Zellen hervorgegangen, ist es ein charakteristischer Zug dieser Bindesubstanz- schicht, dass die Zellenkerne und selbst die Zellenräume neben der in geringerem Grade entwickelten Intercellularsubstanz sich da und dort sehr deutlich erhalten haben. So z. B. in der Haut der Schwanzflosse bei Tritonen, wo die freie Fläche das Bild eines Epi- thels geben kann. In gewissem Sinne verschieden und recht eigenartig stellt sich der zellige Bau dieses Gewebes bei dem zarten Geckotiden Phyllo- dactylus europaeus (von der Insel Sardinien) dar, was gleich hier angeschlossen sein mag, da ja auch in manchem Anderen die Geckos den Batrachiern sich verwandt zeigen. Ein Stückchen der abge- zogenen Haut von der Fläche betrachtet, bietet in den Hautwarzen ein ungewöhnliches und zuerst auch unverständliches Bild dar: wir erblicken blasige Abgrenzungen oder regelmässig gestellte Räume im Bindegewebe; zugleich aber rundliche Kerne, welche zu den Räumen Bezug zu haben scheinen. Unter Anwendung verschiedener 1) Organe eines sechsten Sinnes, Nov. act. acad. Leop. Carol. 1868, S. 28. — Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, S. 5. — Ueber die äusseren Bedeckungen d. Reptil. und Amphib. Arch. f. mikrosk. Anat. 1873, Heft 4, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 223 Untersuchungsmethoden überzeugen wir uns alsdann, dass dieses Bindegewebe eigentlich den Charakter von Fettzellgewebe hat, aber ohne Fettkugeln. Die blasigen Abgrenzungen sind grosse Zellen, wozu immer einer der runden Kerne gehört; es kommt da und dort vor, dass in der weitenZelle ausser dem hellen eiweissartigen Inhalt noch ein oder das andere Fettklämpchen zugegen ist. b. Die derben, wagrechten Lagen. Den Stock der Lederhaut bilden derbe, anscheinend homogene Lagen, die ihrer Entstehung nach auf abgesonderte Intercellular- oder Cutieularsubstanz zurückzuführen sind. Unter Umständen kommt auch wohl zur Ansicht, dass z. B. bei Bufo vulgaris die Lagen (Bündel) in feinste Fäserchen aussplittern können. Der Grad der Dicke und der Derbheit dieses Grundstockes der Lederhaut richtet sich nach der Beschaffenheit der äusseren Be- deckung im Grossen und Ganzen. Bei Bufo agua z. B., wovon ich stattliche Thiere vor mir habe, sind auch die wagerechten Lagen merklich dicker als bei unserem Bufo vulgaris. Umgekehrt ist bei dem weichhäutigen Phyllodactylus europaeus dieser Theil der Leder- haut sehr zurückgewichen, während das weiche, blasig zellige Bindegewebe in weit grösserer Menge sich entwickelt hat. An der zarten Haut, welche die Schwanzflosse zur Laichzeit bei Tritonen umsäumt, ist ebenfalls der Stock der wagrechten festen Lagen ganz gering geworden. Dadie Blutgefässe nur innerhalb des lockeren Bindegewebes ihren Weg nehmen, so.unterscheidet man, entsprechend den beiden Hauptausbreitungen des letzteren, ein an der Innen- oder Unterseite der Haut befindliches weitmaschiges Netz, und zweitens ein die Oberfläche der Lederhaut durchziehendes und die Oeffnungen der Drüsen bald regeimässig, bald mehr unregelmässig umspinnendes, engmaschigeres Capillarnetz. Bemerkenswerth und auch schon An- deren aufgefallen ist die Thatsache, dass an den gelben Flecken des Landsalamanders die Blutcapillaren weniger zahlreich sind als es sonst über die schwarze Haut hinweg der Fall ist. Beide Capil- larnetze stehen in Verbindung durch Gefässe, welche in den säulen- artigen Zügen des lockeren Bindegewebes aufsteigen. — In gleicher Weise gestalten sich die Grundzüge der Verbreitung für die Nerven, 224 Franz Leydig: Ich habe anlässlich der histologischen Beschreibung der Gift- drüse von Vipera berus!) erwähnt, dass die Lücken in der derben Hülle der Drüse, die sogenannten Bindegewebskörperchen, da und dort ein kernähnliches Gebilde zeigen?). Aber es liess sich be- merken, dass ein solcher »Kern« eigentlich nur den Querschnitt eines die Spalträume der derben Lagen durchziehenden Strängchens von lockerem Bindegewebe vorstelle. Ganz auf die gleiche Erscheinung und Täuschung stosse ich in der Haut der Batrachier. Man glaubt beim ersten Blick echte Nuclei in den Bindegewebskörperchen vor sich zu haben: Heben und Senken des Mikroskoprohres bei geschärftem Zusehen überzeugen aber, dass der »Kern« der optische Durchschnitt eines Gewebs- bündels ist, welcher auch diese kleinen Lücken der derben Binde- substanz durchsetzt. Und da die grösseren Durchgänge in dem Grundstock der Haut von dem vorhin erwähnten lockeren eigen- artigen, die Gefässbahnen, sowie die Nerven und das Pigment tragenden Bindegewebe eingenommen werden, so können es nur die zarten Fortsetzungen dieses Gewebes sein, welche als letzte Ver- breitungen in die feineren Spalträume des Grundstockes der Leder- haut eingetreten sind. Auch die Lymphräume unter der Haut liegen, gleich den Blutgefässen, in dem lockeren Bindegewebe. Die Verbreitung grosser Lymphhöhlen oder Säcke an genann- tem Orte bedingt die Eigenschaft, welche als »laxitas cutis mira« von den Aelteren beschrieben wurde. Man dachte sich die Räume betheiligt bei dem Athmungsvorgang, insbesondere bei der Fähig- keit der Frösche, noch mehr der Kröten, sich aufzublasen; doch musste man sich hiebei gestehen, dass der Weg nicht aufgefunden werden könne, den die Luft aus den Lungen in diese Säcke zu nehmen hätte. Selbst Wagler3) folgt in dieser Ansicht noch der 1) Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Archiv für mikrosk. Anat. 1873. Bd. 9. Heft 3. 2) Erscheint a. a. O., auf Taf. XXI, Fig. 12 und der Zone a, aller- dings undeutlich genug wiedergegeben. Der Stich dieser Tafeln ist eben ge- wöhnliche „fa presto“ Arbeit. 3) Natürliches System der Amphibien, 1830. 5. 298. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 225 Schneider’schen Darstellung !), indem er meint: »dies (nämlich der geringe Zusammenhang der Lederhaut mit dem Körper) gibt ihnen das Vermögen sich wie die Igelfische (die bekanntlich Luft in einen vom Schlund abgehenden Sack aufnehmen) aufzublähen, und eine gewisse Leichtigkeit im Körper, die ihnen im Wasser von wesentlichem Nutzen ist.« Einer richtigen Auffassung war Towson?) sehr nahe bei den von ihm angestellten Versuchen über Athmung und Aufsaugung der Amphibien. Er weist nach, dass Frösche und Salamander das ihnen nöthige Wasser, da sie niemals trinken, durch die Haut aufsaugen, und denkt sich zur Erklärung der von ihm mit der Wage genau durchgeführten Beobachtungen, dass das Wasser, durch die schwammige Beschaffenheit der Haut aufgenommen, auf unbekannten Wegen in die Harnblase gelange. Dabei sucht er auch nach Lymphgefässen, die er jedoch nicht findet, da er, könnte man beinahe sagen, den Wald vor Bäumen nicht sieht. Denn es geht ihm kein Licht auf, dass die Räume unter der Haut, in welche das aufgenommene Wasser gelangt, grosse Lymphsäcke seien. Wir können jetzt behaupten, dass sich die Batrachier, im Hin- blick der Aufnahme von Wasser durch die äussere Haut, auf einer Linie befinden mit Muscheln, Schnecken und vielen anderen Wasser- thieren: sie nehmen grosse Mengen von Wasser durch die Haut auf, welches unmittelbar in die Blut- und Lymphräume gelangt; das Ver- brauchte geht durch das Harnsystem ab. Die Lymphräume unter der Haut zeigen eine verschiedene Entwickelung nach den Körpergegenden und nach den Thierarten. 1) Hist. amphibiorum natur. et lit. 1799, p. 98. 2) Observationes physiologicae de amphibiis. Goettingae, 1794. — Wie schr auch Reptilien das Bedürfniss haben, Wasser durch die Haut aufzu- nehmen, ergibt sich mir, ausser schon anderwärts mitgetheilten Beobachtungen, noch an Lacerta muralis, var. coerulew Eimer, welche ich seit October 1873 im Zimmer halte. Die Thiere legen sich nicht bloss an heissen Tagen des Sommers mit dem ausgesprochensten Behagen auf einige Zeit ins Wasser- gefäss, sondern mitten im Winter und wahrscheinlich wegen der trockenen Luft des geheizten Zimmers wiederholen sie dies fast alle paar Tage, wobei sie bemüht sind besonders Mund- und Afteröffnung unter Wasser zu halten, wahrscheinlich weil die Schleimhäute zur Aufnahme des Wassers geeigneter sind, als die äussere Bedeckung. 226 Franz Leydig: Schon Blainville!), ohne freilich über die morphologische Bedeutung etwas zu wissen, macht aufmerksam, dass bei der einen Familie der nackten Reptilien die Haut fast ganz von dem unter- liegenden Gewebe abgelöst sei, bei der andern aber vollkommen angewachsen, was denn auch in der Schrift Oppel’s?) gut und richtig für die systematische Aufstellung verwerthet erscheint: Fa- milia, Caudata, cutis musculis infixa; Familia, Ecaudata, ceu- tis plicatilis, sejuncta, sacculiformis. Warum alle neueren Systema- tiker von diesem Charakter Umgang nehmen, ist nicht wohl ein- zusehen. Bei Fröschen und Kröten sinkt der Umfang dieser subeutanen Lymphräume besonders im Bereich von Hand und Fuss zu kleinen, theilweise nur mikroskopisch erkennbaren Höhlen herab; doch kann man sie selbst noch unter der Daumenschwiele, z.B. von Rana escu- lenta, zwischen der die Drüsen tragenden Haut und der Museu- latur des Stammes erkennen. Die durch weite Lymphsäcke am Rücken der Frösche und Kröten tretenden Nerven besitzen nach einwärts von dem die Blutgefässe und das etwa vorhandene dunkle Pigment tragenden Neurilemm, noch eine lichte, das Bündel der Nervenfasern umschliessende Zone — sog. inneres Neurilemm —, welches ebenfalls einen Lymphraum begrenzt. Ich habe das Gleiche auch an den Nerven der Lippendrüsen der Schlangen beobachtet ®) und hege die Vermuthung, dass dieser Bau ein dem peripherischen Nervensystem allgemein zukommender sein möge, denn ich finde auch an den Nerven in dem Brusthautmuskel des Frosches die 1) De l’organisation des animaux, 1822, p. 141. Noch lange ist den Anatomen unbekannt geblieben, was diese Räume unter der Haut eigentlich bedeuten sollen, wie man z. B. bei Carus (Zootomie, 1834, Th. 2, 8. 527) aus der Weise sieht, wie er die »merkwürdige« Bildung bespricht. Soviel ich finde, ist Joh. Müller der erste gewesen, welcher beobachtete, dass die in den fraglichen Räumen enthaltene Flüssigkeit Lymphe sei. Er theilt diese seine Entdeckung mit einem gewissen Bebagen mit in dem von ihm heraus- gegebenen Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz 1838, 3. 257. — Aus der Erörterung Cuviers ist zu entnehmen, dass er noch nichts über die Bedeutung dieser Räume gewusst hat. 2) Die Ordnungen, Familien und Gattungen der Reptilien. München, 1811. 3) Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier. Archiv für mikrosk. Anat. 1873, S. 613. Pe m Ueber die allgemeinen Bedeekungen der Amphibien. 227 gleiche Iymphatische Umhüllung und theilweise selbst noch von mehr oder weniger zahlreichen Lymphkügelchen erfüllt. Zum feineren Bau der Lymphräume unter der Haut sei noch bemerkt, dass sie keineswegs von einem Epithel ausgekleidet sind. Wohl aber lassen sich an der Wand vereinzelte grössere Zellen wahrnehmen, welche von körniger Natur und vielgestaltig sind, — Wanderzellen der Autoren. Sie sind es, welche bei Umwandlung des Inhaltes der Lymphräume in Gallerte ein faseriges Fachwerk durch ihre Ausläufer erzeugen !). Rückblicke und Allgemeines. 1. Gewisse Umwandlungen des Protoplasma, durch Auftreten zahlreicher Hohlräume, können der Zelle ein Aussehen verleihen, welches man in so lange »schaumig« oder »körnig« nennen wird, als man nicht über das wahre Verhalten sich unterrichtet hat. Denn der Anschein beruht auf den optischen Durchschnitten und den Ansätzen eines Balken- oder Schwammwerkes, welches als Rest des ursprünglichen Protoplasma sich an die Membran der Zelle an- legt. Die ersten derartigen Beobachtungen habe ich an gewissen grossen Kernen von Triton gemacht?), alsdann an Schleimzellen aus der Mundhöhle bei Angus fragilis?), endlich jetzt in. besonderer Ausdehnung in den der Prostata zu vergleichenden Kloakendrüsen von Triton. Nach meiner Meinung gehören auch die jüngst von Langerhanst) erwähnten und gezeichneten Netze aus den Epithel- zellen der Cowper’schen Drüsen des Menschen hieher. Blicken wir auf tiefer stehende Thiergruppen, so erscheint uns besagte Bildung als eine Steigerung dessen, was sich in Zellen, 1) Vergl. m. Abhandlg. üb. Organe e. sechsten Sinnes, S. 43. 2) Vom Bau d. thierisch. Körpers, S. 14. 3) Zur Kenntniss d. Sinnesorgane der Schlangen, Archiv für mikrosk. Anat. 1872, $. 340. 4) Ueber die accessorischen Drüsen der Geschlechtsorgane, Archiv für pathol. Anat. Bd. 61, Tafel IX, Fig. 24. 228 Franz Leydig: namentlich des blasigen Bindegewebes bei Arthropoden, Mollusken und Zoophyten vorfindet. Selbst das Protoplasma des Infusorien- leibes zeigt schon diese Auflösung in ein Trabekelwerk durch Ent- stehung von zahlreichen Vacuolen. Man vergleiche hierzu z. B. die Darstellung, welche Wrzesniowsky!) von Lozxodes rostrum gegeben hat. Es ist von Interesse sich zu überzeugen, dass, was hier in riesigem Bilde vorliegt, im kleinsten Massstabe, z. B. an den Blutkörperchen des Triton sich wiederholt. 2. Das Protoplasma cylindrisch ausgewachsener Zellen der Epidermis kann eine löngsstreifige Beschaffenheit darbieten, wie ich sie schon früher?) an Ayla erörtert und auch gegenwärtig wieder wahrgenommen habe. Man wird hierdurch an die streifige Zerle- sung der Leibessubstanz mancher Infusorien erinnert und fühlt sich versucht sie wie dort auf die Anfänge von Abgrenzungen contrac- tiler Faserzüge zu deuten. 3. Eine eigenthümliche Sonderung des Protoplasma in regel- mässige Stücke, wodurch die Zellen in Drüsen der Daumenschwiele wie quergestreift sich ausnehmen, erinnert an die Stäbchenbildung, wie sie in neuerer Zeit in den Zellen der Niere von Anderen be- obachtet worden ist. (Deutlich ausgebildet begegnet mir dieses Stäbchenwesen in den Zellen der Malpighi’schen Gefässe der Insee- ten, besonders der Schmetterlinge: die Zellen sehen wie fein längs- sestrichelt aus.) Auch die regelmässige, in Querreihen stehende Körnelung?), wie ich sie aus den Secretionszellen der Öberlippen- drüse der Schlangen erwähnte, scheint hieher zu gehören. 4. Die Substanz alternder Zellen der Epidermis scheint eine Metamorphose in sofern erfahren zu können, dass in ihr scharf- randige Lücken in verschiedener Zahl und Grösse, vermuthlich durch Schwund der Substanz, auftreten. Man darf hiebei vielleicht an die von mir angezeisten Fälle denken, wo in der Epidermis der Reptilien die Zellen löcherig und lufthaltig werden. Verschieden davon sind aber wohl die Oeffnungen, welche den Hals der Drüsen- zellen durchlassen. — Bei Weichthieren, Würmern finden sich ka- 1) Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. XX. 2) Organe eines sechsten Sinnes. 3) Ueber die Kopfdrüsen einheimischer Ophidier, Archiv für mikrosk. Anat. 1873, Tafel XXIII, Fig. 23d. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 229 nalartige Lücken zwischen den Epithelzellen, durch welche die Auf- nahme von Wasser in die Blut- und Lymphräume geschehen mag. 5. Eine auffallend lappige kaum auf Theilungsvorgänge zu beziehende Form des Kerns findet sich in den Schleimzellen der Haut von Salamanderlarven; auch mag die Membran dieser Zellen die Anlage zu einer Art Reliefbildung besitzen, obschon die Zellen nicht an die Oberfläche treten, sondern bedeckt bleiben. 6. Was sich als »Kern« der sog. Bindegewebskörperchen dar- stellt, ist sehr verschiedener Natur. Das Gebilde kann der wirkliche Nucleus eines in der Lücke (Bindegewebskörper) liegenden Ballens von Protoplasma, also einer Zelle sein, so z. B. bei dem Chroma- tophor. In anderen Fällen aber ist der »Kern« der optische Durch- schnitt eines Bündels lockerer Faserzüge, welche das Lückensystem ‘ durchziehen. 7. Unter den Elementen des Epithels in den Drüsen nehmen die Gebilde, welche ich als »Riesenzellen« seiner Zeit bekannt machte, eine ganz besondere Stellung ein: sie smd wohl als ein aus dem Zellenkörper und dem Secret Zusammengesetztes anzusehen. 8. Man zieht und gewiss mit vollem Recht eine scharfe Grenze zwischen epithelialem Gewebe und dem Bindegewebe. Doch habe ich schon anderwärts darauf hingewiesen, dass bei Arthropoden diese Scheidungslinie keineswegs sich überall erhält, indem die Ma- trix des Hautpanzers sowohl dem Epithel als auch der darunter liegenden Bindegewebsschicht bei Wirbelthieren entspreche. Und es ist daher bedeutungsvoll, dass das Bindegewebe des Flossen- saumes der Wassermolche gerade unterhalb der Epidermis, und entblösst von dieser, durch die Lagerung der zahlreichen Kerne und das zu jedem derselben gehörige Protoplasma nahezu das Aus- sehen und die Beschaffenheit vom Epithel annimmt. Dass ein sol- ches dem Epithef im Bau und wahrscheinlich auch in der Natur nahestehendes Bindegewebe auf der Oberfläche der Lederhaut von Fischen und Amphibien sehr verbreitet vorkomme, ergibt sich auch aus den schönen Studien, welche Sirena'!), Heinke?) und ©. 1) Ueber d. Bau u. d. Entwicklg. d. Zähne bei d. Amphib. u. Reptilien. Verhandlen. d. phys.-med. Gesellschaft in Würzburg. Neue Folge, II. Ba. 2) Untersuchungen über d. Zähne niederer Wirbelthiere. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. XXI. Bd. 230 Franz Leydig: Hertwig!) über die Entwickelung der Zähne niederer Wirbelthiere gepflogen haben. 9. Von den verschiedenen Lagen, welche das Integument in den Reihen niederer und höherer Thiere zusammensetzen, ist es die homogene Cuticula, welche, zuerst auftretend, einzig und allein die äussere Bedeckung vorstellt. In dieser Weise verhalten sich jene am tiefsten stehenden Organismen, deren Leib nur einer ein- zigen Zelle entspricht. 10. Schon bei manchen Infusorien ist aber die Cuticula nicht mehr Abscheidung des Protoplasma schlechthin, sondern die Rinden- schicht des Leibes besteht aus einer hellen, festweichen Substanz, in welcher Nuclei in einer gewissen Regelmässigkeit eingelagert sind, so dass zu jedem Kern ein Bezirk der gleichmässigen Substanz als künftiges Zellenterritorium gehört?). Es ist gedachte Hautlage als Vorläufer des zelligen Ektoderms von Thieren, deren Körper sich zu weiterer histologischer Sonderung erhoben hat, anzusehen. 11. Bei dem Stamm der Zoophyten hat sich unterhalb der Zellen des Ektoderms eine anders geartete Lage entwickelt, in der ich das erste Auftreten der Lederhaut, vergleichbar dem Mesoderm, erblicke, so dass von jetzt an die für alle übrigen Thiere gemein- samen Grundzüge im Baue der Hautdecke gegeben sind. Ich habe seit Jahren in den Vorlesungen über vergleichende Anatomie die von mir bei Hydra unter dem Ektoderm zuerst nachgewiesene hyaline Lage für den Vertreter des Coriums erklärt und freue mich zu sehen, dass Eilhard Schulze?) jüngsthin ebenfalls in dieser Stützlamelle das Homologon der bindegewebigen Schichten aner- kennt und in trefllicher Weise weiter ausführt. 12. Die drei wesentlichen Lagen: Cuticula, Epidermis oder Ektoderm, Lederhaut oder Mesoderm bilden sich nicht blos nach den grösseren Abtheilungen der Thierwelt in mannichfaltigster Weise aus, sondern bis in die Species herab prägt sich Eigenartiges in diesen Lagen aus und zumeist an den nach aussen gelegenen Theilen 1) Ueber Bau u. Entwickelung d. Placoidschuppen u. d. Zähne d. Se- lachier. Jenaische Zeitschrift, Bd. VIII und: Ueber d. Zahnsystem d. Amphibien. Archiv f. mikrosk. Anat. 1875. 2) Vergl. Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers, Tübingen 1864, Ss. 7 wE£ 3) Ueber d. Bau von Syncoryne Sarsii, Leipzig 1873. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 231 13. Die Cuticula gewinnt bei vielen Wirbellosen, man denke z.B. an die Arthropoden, durch Zunahme der Schichten ein solches Uebergewicht, dass sie, bei flüchtigem Blick, die ganze Haut allein zu vertreten scheint. Andererseits weicht gerade bei den Wirbel- thieren besagter Theil derart zurück, dass Fälle nicht selten sind, welche uns zweifelhaft lassen können, ob man überhaupt von einer Cutieula zu reden berechtigt sei. 14. Die freie Fläche der Cuticula kann glatt bleiben; sehr häufig ist sie hingegen und zwar in wunderbar grosser Abwechselung mit Reliefpildungen oder Sceulpturen versehen, wie sie an niederen Thieren längst gekannt und gewürdigt worden sind. Dass sie aber auch bei höheren verbreitet vorkommen, ergeben meine hierauf be- züglichen ‘Mittheilungen. Bei Amphibien und Reptilien beginnen die Seulpturen mit Höcker- und Leistenbildungen der feinsten Art, um zu grösseren Hügeln und Kämmen fortzuschreiten, welche als- dann in verschiedenster aber immer typischer Weise gebogen und verknüpft sein können, so dass ein buntes Hügel- und Thalwesen entsteht. Die Mannichfaltigkeit der Sculpturen könnte man sich als durch Anpassung an äussere Verhältnisse entstanden vorstellen, obschon mit dieser Erklärung im Grunde wenig gewonnen ist; jedenfalls hätten wir immer die besondere Lebensthätigkeit der Zelle, welche Sculpturen entwickelt, sowie ihren Einfluss auf die Form der Reliefbildungen nicht ausser Acht zu lassen. 15. Von den niedersten Thieren an, durch die Zoophyten, Würmer, Mollusken hindurch, können auf der Cuticula sich bewe- sende Wimperhaare stehen. Auf der Haut der Arthropoden wird daraus ein gewöhnlicher feiner Haarbesatz, indem die Cilien wohl in ähnlicher Weise mehr erhärtet und chitinisirt sind, wie es die Cuticula selber ist und so die Beweglichkeit einbüssen. Eine An- sicht welche ich längst ausgesprochen!) und auch noch jetzt für richtig halte. 16. An der Haut der Wirbelthiere tritt die Flimmerung zu- rück. Die Zerlegung der Flimmerbekleidung in zweierlei - Haare: in äusserst feine und in Büschel langer, auf Hügeln stehender, wie wir es an den Larven der Batrachier finden, erinnert an Verhält- nisse bei Weichthieren (Paludina vivipara). 1) Archiv f. Anat. u. Phys. 1869, S. 268, Anmerkung 1. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 16 232 Franz Leydig: 17. Das Ektoderm oder die Epidermis, in dem ersten Auf- treten aus fein granulärer Substanz (Protoplasma) mit eingebetteten Kernen bestehend, gewinnt bei der Mehrzahl der Wirbellosen einen deutlich zelligen oder epithelialen Charakter, indem um die Kerne herum das Protoplasma zu Ballen sich abgrenzt. Aber der ur- sprüngliche Zustand bleibt doch auch nicht selten z. B. bei Arthro- poden, Nematoden fortbestehen, worüber man das von mir ander- wärts Vorgelegte!) vergleichen möge. 18. Das deutlich zellig gewordene Ektoderm, welches anfäng- lich aus einer einzigen Lage besteht, hat bald nicht bloss seine Zellenschichten vermehrt, sondern gewisse Zellen wandeln sich in sehr bemerkenswerther Weise zu Elementen um, welche einerseits der Abscheidung von flüssigen oder festweichen Stoffen dienen, alsc Secrete liefern, andererseits mit Enden sensibler Nerven in Bezie- hung sich setzen, demnach zur Bildung von Sinnesorganen beitragen. In gar manchen Fällen scheinen die beiden Leistungen zu Einem Ziele zusammen zu wirken. — Durch eine andere Umbildung der Elemente des Ektoderms entstehen contractile Zellen. 19. Wenn wir so von den stabförmigen Körpern bei Proto- zoen, den Nesselorganen und tannenzapfenähnlichen Körpern bei Zoophyten, den mancherlei einzelligen Drüsen bei Arthropoden ab- sehen und dem näherliegenden Zwecke gemäss uns blos an. die Wirbelthiere halten, so besteht die Epidermis: a) aus gewöhnlichen die Hauptmasse vorstellenden und in der Gestalt sehr wechseluden Oberhautzellen, welche entweder einfach kugelig oder länglich, eckig, buchtig, platt?), auch wohl gezacktrandig sind; sie können schon Pigmente enthalten. b) Spärlicher ist die Zellenform ent- wickelt, welche oben als Schaltzellen erwähnt wurden. c) Häufig sind Drüsenzellen bei Fischen, Amphibien und Reptilien, zum Theil ohne Verbindung nach aussen, zum Theil an der Oberfläche sich 1) Vom Bau d. thierisch. Körpers, Tübingen 1864, S. 21. 2) Im Lehrbuch der Histologie S. 39 habe ich bereits aufmerksam ge- macht und bilde es vergleichend ab, dass Zellen aus den unteren Epidermis- schichten bei Triton, welche in einen langen Faden auszulaufen scheinen, eigentlich nur nach unten sehr zusammengedrückt sind, so dass der schein- bare Faden den optischen Längsschnitt oder die Kante eines Längsblaties vorstellt; was ich in Erinnerung bringen möchte, da sich Andere später auf diese Beobachtung etwas zu gut thun wollen. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 233 öffnend. Zu ihnen stehen in nächster Verwandtschaft: d) die sog. Sinneszellen. Endlich e) erscheinen contractile Elemente unter der Form von Chromatophoren und als Faserzellen hinter dem Epithel der Drüsen. 20. Der weiteren Forschung empfohlen bleiben die£ Sinnes- organe, welche durch Umbildung gewisser Partieen der Epidermis entstehen und gegenwärtig unter der Bezeichnung Tastorgane, Ge- schmacksknospen oder Organe eines sechsten Sinnes aufgeführt werden, da es einstweilen unmöglich ist, die nähere Form der Em- pfindung, welcher sie dienen, festzustellen. Sie erstrecken sich, wenn wir von den Vögeln, bei denen sie vorläufig noch nicht be- kannt sind, absehen, durch alle übrigen Classen der Wirbelthiere. Und ähnlich wie andere Bildungen von der allgemeinen Hautdecke sich in die Auskleidung der Mund- und Rachenhöhle fortsetzen, so sind sie bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugern von der äusseren Haut herein bis in den Munddarm verbreitet. Und be- züglich der Säugethiere mag inBesonderem noch darauf hingewiesen werden, dass das haarlose Integument, wie jenes der Walfische es ist, die Organe besitzt und ebenso das nackte Nasenfeld des Rindes, des Maulwurfes und wohl allgemeiner die haarlose Partie der Schnauze sie aufzeigt. — In gewissen von mir erörterten Fällen nähern sich diese Sinnesorgane den einfacheren Drüsen in einer Weise, dass eine Grenze zwischen den beiden Bildungen kaum zu ziehen ist. 21. Die Epidermis der Amphibien kann auf der freien Fläche durch örtliche Verdickung und Erhärtung Hornhöcker erzeugen, in denen man aber keineswegs den etwaigen Beginn des Haarkleides der Säugethiere erblicken darf, selbst wenn wir uns vielleicht auch sonst nicht abgeneigt fühlen, die Amphibien als Vorläufer der Säuge- thiere uns vorzustellen. Die Hautdecke der Batrachier besitzt über- haupt mehr den Charakter einer Schleimhaut und so entsprechen denn auch die Hornhöcker ihrer äusseren Bedeckung mehr den Hornzähnen und Schwielen, wie sie auf der Schleimhaut der Rachen- höhle der höheren Wirbelthiere vorkommen. Jene Form der Horn- bildung, welche wir als Haar bei den Säugethieren bezeichnen und auch von den »Haaren« der Wirbellosen im Bau so verschieden ist, bleibt etwas diese Classe von Thieren in hohem Grade Auszeich- nendes. Es hat daher der Name »Haarthiere«, welchen frühere Systematiker auch wohl anstatt Säugethiere in Anwendung gebracht 234 Franz Leydig: haben, immer als ein zutreffend gewählter zu gelten und wenn einer der ältesten wissenschaftlichen Zoologen, Ray, die Amphibien als quadrupeda depilata zusammenfasst, so werden wir auch jetzt noch diese Benennung billigen müssen. 22. Die Lederhaut, die Grenzschicht des ursprünglichen Me- soderms, von bindegewebiger Natur, hat sich bei Wirbellosen eigent- lich nirgends vom übrigen, die Muskulatur des Stammes in sich schliessenden, Mesoderm abgesondert, sondern bildet mit letzterem, wie besonders Querschnitte durch ganze Thiere lehren können, blei- bend ein Ganzes. Es wird durchbrochen von Lücken, welche Ge- fässräume vorstellen, und zwar zumeist Lymphräume, auch im Zu- sammenhang mit der Leibeshöhle stehen, die selbst nur der Ent- stehung und morphologischen Bedeutung nach ein weiter Lymph- raum ist. Ich habe schon vor zehn Jahren !) auf Grund vergleichend anatomischer Thatsachen diesen genetischen, auf Eine Wurzel zurück- führenden Zusammenhang zwischen der Leibeshöhle und den Blut- räumen ausgesprochen. 23. Bei den Wirbelthieren löst sich durch das Auftreten zahlreichster, zu einem ganzen System verbundener Lymphräume, die Lederhaut nach aussen von der Muskulatur des Stammes mehr oder weniger ab und gestaltet sich so zu einer als selbst- ständige Decke abziehbaren Lage. Das die Abhebung bewirkende System von Lymphräumen ist unter dem Namen »lockeres Unter- hautbindegewebe« bekannt. Den Höhepunkt dieser Bildung be- zeichnet das System weiter Lymphräume, wie wir es bei den unge- schwänzten Batrachiern unter der Haut erblicken. Zum deutlichen Beweis, dass man es bezüglich des subceutanen Bindegewebes mit Lymphräumen zu thun habe, lässt sich an Amphibien und Reptilien die Wahrnehmung machen, dass das subcutane Bindegewebe zu Iymphdrüsenartiger Substanz werden kann. 24. Das lockere Bindegewebe der Haut, in seinen Räumen mit dem Lymphsystem im Zusammenhang, in seiner Substanz Trä- ger der Blutgefässe und Nerven, verbreitet sich in die derben Schichten oder den Grundstock der Lederhaut bei Fischen, Amphi- 1) Man sehe: Vom Bau d. thier. Körpers, 1864, S. 106, und meine- noch älteren Angaben gelegentlich der Circulationsverhältnisse bei Arthropoden im Archiv f. Anat. u. Phys. 1855, S. 455. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 235 bien und Reptilien in nahezu regelmässig aufsteigenden Zügen, bei Vögeln und Säugern in mehr durchflochtener Art. 25. Bewegliche Farbzellen oder Chromatophoren erweisen sich nach und nach als eine höchst verbreitete Erscheinung. Man kennt sie a) bei verschiedenen Weichthieren: Tintenfischen und Schnecken; b) bei Arthropoden: Krebsen und Insecten; c) bei Fischen, Amphi- bien und Reptilien. Die Farbenveränderungen gewisser Theile bei Vögeln und Säugethieren, wie z. B. das Erröthen und Erblassen der Kopflappen hühnerartiger Vögel, rührt her von den verschie- denen Füllungszuständen der Blutgefässe. Doch darf man als wahr- scheinlich annehmen, dass auch bei den zwei höheren Classen der Wirbelthiere die beweglichen Farbzellen der Lederhaut noch nach- gewiesen werden können. Im Hinblick auf eine jüngst erschienene Schrift!), welche die An- sicht durchzuführen sucht, dass die dunkeln Farben der Eidechsen durch unmittelbare und ausschliessliche Luftwirkung entstanden seien, indem das Pigment durch den Lichtreiz aus der Tiefe der Haut in die Höhe gestiegen und dort sich bleibend auf das weissliche Pigment ge- lagert habe, mögen einige Bemerkungen hier angeschlossen sein. Von jeher ist erkannt worden, dass das Auftreten der Farben von der Einwirkung des Lichtes abhängt. Darum zeigen die Thiere der Sonnenländer die sattesten und buntesten Farbentöne, während umgekehrt die Glieder der Fauna spelaea, wie Proteus anguinus in den Höhlen des Karstes, oder in tiefen Brunnen lebende Krustenthiere, ein Asellus cavaticus, ein Gammarus puteanus, hell und ungefärbt bleiben. Aus gleichem Grunde, wie in neuerer Zeit beobachtet wurde, entwickeln auch die in der Tiefe der Seer sich aufhaltenden Arten von Gammarus, dann Planarien und Schnecken kein Pigment in den Augen’). Nicht im Wasser lebende Käfer der Höhlenfauna, wie z. B. die Arten von Leptodirus und Anophthalmus zeigen zwar eine blasse rostbraune Hautfarba, aber diese ist Folge der Erbärtung (Chitinisirung) der Cu- ticula. Allbekannt ist auch, dass die Rückenseite als die Lichtseite bei den meisten Thieren lebhafter gefärbt ist, als die gern heller blei- bende Bauch- oder Erdseite. Bei den Schollen (Pleuronectes) vertheilt sich dieser Unterschied in greller Weise auf die rechte und linke Hälfte 1) v. Bedriaga, über die Entstehung der Farben bei den Eidechsen. Jena, 1874. 2) Vergl. die interessanten Mittheilungen von Dubowsky über solche Thiere, welche bei 1000 Meter Tiefe aus dem Baikalsee geholt wurden. Zool.- bot. Verein in Wien, 1873, $. 483. 236 Franz Leydig: des Thiers. Doch kommen bemerkenswerthe Ausnahmen vor. Der Hamster z. B. ist auf der Rückenseite licht-gelbbraun, am Bauch aber schwarz. Der männliche Silberfasan ist oben weiss und an der Bauch- fläche schwarz. Sagen wollen, wie es nun geschehen ist, dass gewisse Färbungen, wie die blaue Kehle männlicher Eidechsen von der Gewohnheit her- rühre, den Kopf in die Höhe zu richten und so dem Lichteinfluss mehr auszusetzen, ist ganz ungereimt, da wir ja allerwärts sehen, dass die Kehlgegend, weil in sympatkischem Bezug zu den Fortpflanzungswerk- zeugen stehend, beim Männchen der verschiedensten Säuger, Vögel, Reptilien, und Amphibien, zur Zeit der Liebe oder auch bleibend durch Haar- oder Federbildung oder durch die Farbe ausgezeichnet erscheint. Das Blau der Kehlgegend gehört zum Hochzeitschmuck ebenso, wie die mancherlei anderen oft so schönen Farben, welche mit diesem ge- steigerten Lebensprocess zusammenhängen und sicher in denselben tiefer liegenden Ursachen begründet sind, welche auch in den Blüthen- theilen einer Pflanze — Sponsalia plantarum! — die Farben hervor- rufen. Weiterhin wolle man beachten, dass die Streifenbildung, oder »Bänder« in der Sprache der Systematik, durch die verwandten Gruppen in ganz bestimmt eingehaltenen Linien sich erhalten, trotz oft sehr verschiedener Lebensweise und demgemäss wechselnder Beziehung zum Licht. Ich verweise z. B. auf die dunkeln Querbinden der Hinter- beine unserer verschiedenen Batrachia eeaudata, oder auf den dunkeln Strich, der bei den Amphibien von der Nasenöffnung quer durch die Augen und über die Ohrgegend weg sich erstreckt, auch noch weiter nach hinten an den Seiten herziehen kann, und selbst bei Reptilien und Schlangen noch vorhanden ist. Man hat keinen Anhaltspunkt zur Behauptung, dass dieses Band und noch viele andere Streifen und Flecken einfach durch das Licht gerade an dieser Stelle hervorgerufen werden, sondern muss annehmen, dass man es mit einer Zeichnung zu thun habe, welche dem innersten Wesen des Thieres angehörend, in gewissem Sinne vorgeschrieben wird, und dass alsdann erst die Licht- thätigkeit auf diese Vorzeichnung die Farben »malt«. Wie eigenartig ist nicht die dunkle Querbinde, welche auf dem Scheitel von Auge zu Auge zieht bei Rana so gut wie bei Bombinator, und bei Discoglossus sardus die stärkste Ausprägung hat! Auch erinnere man sich, wie gerade einwärts gelegene Theile des Körpers z. B. die Beinhaut fast des ganzen Skeletes gewisser Thiere, oder das Bauchfell eine schwarze Färbung haben, Partien, welche doch dem Lichte ganz entzogen bleiben. Und schon an dem in seiner Eihülle geborgenen und noch oben- drein in der Erde vergrabenen oder versteckten Embryo verräth die Färbung beim ersten Auftreten Zeichnung! Ich fand z. B. Anfangs August 1874 vier Eier von Lacerta agilis, deren Früchte schon sehr u Ta Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 237 entwickelt waren. Es begann das dunkle Pigment der Haut sich zu zeigen als leicht graulicher Anflug auf den Schüppchen und was ich mir damals schon als beachtenswerth anmerkte, die weisslichen Flecken- reihen der Argusforın hoben sich bereits gut ab. Sodann möchte auch aufmerksam zu machen sein, dass die zahl- reichen Beobachtungen, welche ich bezüglich des Hell- und Dunkel- werdens an Reptilien (Eidechsen, Blindschleiche), Schlangen (Ringel- natter, glatte Natter) und Amphibien (Frösche, Kröten und Tritonen) augestellt habe, das gerade Gegentheil von dem beweisen, was obiges Schriftehen behauptet. Alle genannten Thiere werden im Sonnenlicht und Wärme und bei Wohlbehagen hell, indem die Chromatophoren in die Tiefe der Haut sich zurückziehen und umgekehrt die Thiere werden dunkel (schwarz) bei Entziehung des Lichtes und Herunterstimmung des Nervensystems z. B. durch Schreck oder niedere Temperatur. Endlich habe ich eine Anzahl von Fällen bekannt gemacht, welche deutlich zeigen, dass die bleibende schwarze Farbe bei Rep- tilien in einem Zusammenhang mit feuchten Aufenthaltsorten steht. Lacerta vivipara wird auf solche Weise Lacerta nigra, Anguis fra- gilis kann auf nassem torfigen Boden sich ganz schwarz färben, Vipera berus wird zur schwarzen Vipera prester; der Salamander der höheren Alpengegenden, Salamandra atra ist ganz schwarz; bunt- und lebhaft farbige Käfer werden, was bekanntlich zuerst Heer erwiesen hat, an gleichen Orten schwärzlich und schwarz. Auch an Weichthieren be- gegnet mir ein Aehnliches. Ich habe im Hinblick auf Arion empiricorum!) eine ganze Reihe von Beobachtungen an verschiedenen Standorten ge- sammelt, aus denen hervorgeht, dass die Farbe des Thieres in mehr trockenen, wenn auch hohen Lagen sattgelb sich darstellt, ja zum reinsten, leuchtenden Rothgelb werden kann; dann dass in feuchteren Gegenden das Reingelb, durch bräunliche Beimischungen in allen zuerst am Rücken auftretenden Abstufungen, sich verliert. Endlich kann unser Thier ganz schwarz werden; wobei das dunkle Pigment sich so ausgebreitet haben kann, dass selbst der sonst rothe Seitenstrich über dem Fussrande fast oder ganz überdunkelt erscheint, und auch die Sohle nicht mehr wie sonst hell, sondern vom Grauschwärzlichen sich ins wirklich Schwarze verfärbt hat. Hierher gehört auch, dass ich in der feuchten Luft des ersten Frühlings (April) an gewissen Plätzen die Jugendformen des Arion empiricorum von schön schwarzer Farbe mit deutlich rothem Fusssaum beobachte, wo später die erwachsenen Thiere sich ins Kaffeebraune aufgehellt haben. Die gleichen Wand- !) Ich möchte selbst erwähnen, dass in denselben Gegenden, wo ich den Arion empiricorum nur von schwarzer Farbe antraf, so z. B. in den Alpen, auch das Eichhörnchen (Seiurus vulgaris) mir ebenfalls bloss in der schwarzen Abänderung zu Gesicht kam! 238 Franz Leydig: lungeu bieten sich mir an den Thieren von Helix arbustorum, Helix circinata und anderen dar, worüber ich sowie bezüglich des Arion em- piricorum das Einzelne bei nächster Gelegenheit vorlegen werde. Eine Erklärung vorgenannter Erscheinung zu geben bin ich allerdings ausser Stand; doch möchte daran zu erinnern sein, dass nach Angabe der Physiker die Feuchtigkeit unterstützend und beför- dernd auf die chemische Lichtthätigkeit einwirke. Die Angriffe welche unser Verfasser auf die Lacerta muralis var. coerulea bringt, hat Eimer in der Nachschrift zu seinen »Zoolo- gischen Studien auf Capri, viertes Heft«, bereits beantwortet. 26. Auch die Haut der Batrachier enthält, wenn auch nicht in so allgemeiner Verbreitung wie bei Vögeln und Säugern, ihr eigens angehörige Muskeln, durch deren Thätigkeit auch hier eine Art Gänsehaut zu Wege kommt. — In grösster Zahl durchziehen glatte Muskeln die als Schleimhaut der Kloakenhöhle dienende Ein- stülpung der Lederhaut bei den Salamandrinen. 27. Die Erhärtung der Haut durch Kalkconcremente bei einigen Kröten erinnert an die Verkalkung der Haut bei niederen Thieren, z. B. der Echinodermen; doch liegt es näher die Kalkconcremente an der Unterfläche der Schuppen der Knochenfische und der Haut- stacheln der Selachier zum Vergleiche heranzuzichen. Wir dürfen in dieser Ablagerung von Kalkkörpern das Vorspiel der wahren - Verknöcherung der Haut erblicken, wozu aber von den einheimischen Batrachier nur Pelobates fuscus ein Beispiel liefert. Zu den bisher gekannten Amphibien und Reptilien, welche echte Knochen in der Lederhaut entwickeln, gesellen sich jetzt noch einige Species von Gecko. 28. Eine für sich wie einzig dastehende Erscheinung bilden die frei über die Oberfläche der Lederhaut sich erhebenden Blut- capillaren bei Menopoma und Oryptobranchus. Doch wird man sich an vergleichbare Verhältnisse, wie sie in der Lungenschleimhaut zugegen sind, erinnern dürfen; auch mögen an beiden Orten die gleichen physiologischen Bedürfnisse den Grund zur Gestaltung gegeben haben. 29. Die Hautdrüsen sind in der Grundform rundliche, mit dem Ausführungsgang retortenförmige Säckchen; ar den Enden der Extremitäten ziehen sie sich ins Schlauchförmige aus. Einfach im Innern, können sie wenn auch nur vorübergehend eine Art von Fächerung durch Muskelwirkung erlangen und damit an gewisse Ampullenformen der Gallertröhren der Selachier erinnern. — Ein Theil der Hautdrüsen mag den Schweissdrüsen der Säugethiere entsprechen und gleichwie dort der Ausführungsgang nicht in ein- na. ı sr ne er ii Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 239 fachster Weise verläuft — in der Epidermis wenigstens schrauben- förmig — so erscheint auch die Oeffnung der Drüsen bei Batrachiern, und zwar hier schon an der Oberfläche der bindegewebigen Leder- haut von zusammengesetzterer Form. Beachtenswertk ist auch die fischreusenähnliche Lagerung der contraetilen Elemente an dieser Stelle. 30. Die physiologische Bedeutung der Hautdrüsen ist eine verschiedene. Die einen besorgen eine Art Einölung der obersten Hautlagen, wie zum Schutz gegen zu starke Verdunstung und Ein- trocknung; andere dienen dem Geschlechtsleben, wie die Daumen- drüse; die Drüsen in der Seitenwand der Kloake bei Salamandrinen sind der Prostata der Säuger zu vergleichen; endlich können andere ein ätzendes Secret liefern, welches als Waffe benützt wird, ähnlich dem brennenden Nesselsaft gewisser Zoophyten. 31. Die Fälle, wo Papillen als besondere Leistung zukommt, Träger von Drüsenmündungen zu sein, sind nicht allzu zahlreich. Es gehört hieher, um bei näher Verwandtem zu bleiben, z. B. die Papille, durch welche bei Eidechsen die Leber und das Pancreas im Dünndarm ausmünden. Am häufigsten treten sie im Gebiete der Fortpflanzungswerkzeuge auf. Ein auffallendes Beispiel von Häufung solcher und zwar theilweise sehr langer Papillen bietet die Kloakendrüse der Tritonen mit ihren Ausführungswegen dar. 32. In den Gängen der zuletzt genannten Drüsen sind Inter- cellularräume zugegen, welche mit Secret gefüllt anscheinend »reif- artige Bildungen« erzeugen und früher irrthümlich auf Muskeln be- zogen wurden. 33. Die freie, der Epidermis zugewendete Fläche der Leder- haut, erhebt sich zunächst in ein System feinster Leistchen, welche im optischen Schnitt die Lederhaut feinzackig oder kurzhaarig er- scheinen lassen. Verbreitet sind alsdann und besonders an den Finger- und Zehenspitzen, sowie in den Höckern der Hand- und Fussfläche blattartige Erhebungen der verschiedensten Form und Grösse, welche jedoch immer gefäss- und nervenlos sind. Eine für sich dastehende Abtheilung von Erhebungen bilden jene Papillen, welche Tastkörperchen einschliessen ; sie sind bis jetzt bei Amphibien: Fröschen, Kröten, so wie bei Reptilien: Schlangen, beobachtet worden. 34. Man kann wie bei jedem andern Organsystem, so auch bezüglich der Hautdecke sich die Frage vorlegen, welches ist der tieferstehende, welches der höher entwickelte Zustand und wie ver- 240 Franz Leydig: hält sich darnach die Bangordnung der Amphibien. Es scheint mir schwer, wenn nicht unmöglich, die Frage in bestimmterem Sinne zu beantworten, da uns keine mit Sicherheit leitenden Grundsätze zu Gebote stehen; selbst nicht einmal, wenn wir derartige Fragen im Grossen und Ganzen aufwerfen, wesshalb denn auch die Betrachtungs- weisen so verschieden ausfallen. Linne!) z. B., ein Mann von so höchst ausgebreiteter Kenntniss des Einzelnen, erklärt sich dahin: »Etenim perfectius judicandum, quod paucioribus instrumentis multa efficere possit, quam quod majori apparatu vix tandundem pera- gere valeat.« Beinahe entgegengesetzt lautet die Ansicht der Neueren: »Am höchsten organisirt nennt man diejenigen Thiere, bei denen für jede besondere Lebensverrichtung auch eines oder mehrere Or- sane bestehen, und die Organisationsstufe ist eine um so niedrigere, je mehr Functionen einer kleineren Anzahl von Organen aufgetragen sind.« Ich habe an einem anderen Orte darauf hingewiesen, wie wenig stichhaltig dies Kriterium ist?) und mich dahin geäussert, dass der Grad der Vollkommenheit sich vielleicht am ehesten dar- nach bemessen lasse, ob das Organ näher oder ferner den embryo- nischen Zuständen steht. Von diesem Gesichtspunkt aus, indem wir so eine gewisse Manchfaltigkeit in der Zusammensetzung der Schichten und ihrer Einzelnheiten für Fortschritt ansehen, liesse sich die Gattung bufo') oben an stellen, besonders da die Epidermisbildungen zunehmen und wir ja gerade für Vögel und Säuger der Ausbildung der Epidermis zu Federn und Haaren den Werth eines charakteristischen Merk- males beizulegen pflegen. Pelobates, Alytes kämen alsdann ans Ende der Reihe. Doch die Kalkablagerungen in der Lederhaut von .bufo 1) Fauna sueeica, Stockholmiae 1746, Praefatio. 2) Vom Bau des thierischen Körpers. Tübingen 1864, S. 112. 3) Für die Auffassung, die Gattung Bufo als die vollkommenste der Batrachier anzusehen, spricht auch das entschieden intelligentere Wesen dieser Thiere ; dagegen kann ich nicht, wie Andere wollen, in der Erscheinung, dass die Entwicklungszeit sehr rasch bei Bufo verläuft, einen unterstützenden Grund für die höhere Stellung finden. Unter den Säugethieren ist die Ent- wieklungsdauer der Nager bekanntlich viel kürzer als bei Fleischfressern, am längsten beim Elephanten, wo das Fileben ungefähr zwei Jahre währt, bei Nagern hingegen drei bis fünf Wochen. Schwerlich wird es aber einem Sy- stematiker einfallen, die bestehende Rangordnung der Säugethiere darnach abändern zu wollen. Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 241 könnten sofort uns wieder stören, denn obschon auch sie zu den weiter gediehenen Sonderungen der Haut zu stellen wären, so ist doch Verkalkung der Haut eine Eigenschaft; die den niederen Wirbel- thieren, den Fischen, allgemeiner zukommt, als den höheren, wo sie bekanntlich bei Vögeln ganz schwindet und bei Säugern nur sehr vereinzelt auftritt. Wagler'), ein erfahrener Herpetolog und eifrigst mit dem Abmessen, in welcher Reihenfolge die Thiere zu stehen hätten, beschäftigt, sucht darzuthun, dass die Kröten an das Ende der Batrachia ecaudata zu stellen und zunächst den Sala- mandern anzuschliessen seien. Unter den geschwänzten Batrachiern würde, wenn wir die Sonde- rung und Ausbildung der die Hautdecke zusammensetzenden Schichten wieder als massgebend für die höhere oder niedere Stellung annehmen wollten, die Gattung Triton und Salamandrina der Gattung Sala- mandra vorangehen. Haben wir aber Bufo für die entwickeltste Form der Batrachia ecaudata erklärt, so müssen wir auch Sala- mandra an die Spitze der Batrachia caudata bringen, denn es wieder- holt sich in der Gattung Salamandra die Gattung Bufo in ähnlicher Weise, wie Triton in Rana. Man mag erfahren wie man will, etwas Willkührliches fliesst immer in derartige Zusammenstellungen ein: in der Wirklichkeit haben wir es lediglich mit einem Anders- sein zu thun und ob das Letztere zugleich eine Fortbildung in sich schliesst, unterliegt eben verschiedener Beurtheilung. 1) Natürliches System der Amphibien. München, 1830. Inhalt. Seite 2154,81: 1a nal I EBERLE 2, AUSIERIBBRIGET. „00 7 DIR 1. Gegenwart einer eutieularen Schicht 32% 19 EURO 2. Leistenbildung an der gegenseitigen Umgrenzung der Zelle. ... 191 3. Körnige Sculptur der feinsten Art . . “VE 4. Höckerige und schrundige Sculptur der Gliedmassen AR 123 5. Höcker besonderer Art, verbreitet über einen grossen Theil des Körpers 127 6. Larvenzähne der ungeschwänzten Batrachier . . . .. . . 129 7. Historische und kritische Bemerkungen . . . 2 2.2.2..2.2...180 INEpidermis on); land. er 1. Scheidung in Horn- und Schleimehicht. ne ne 2. Hornhöcker . ? MN ed 3, Beschaffenheit der Zellen 2.7), an N &."Zellsubstanz.— "Gestalt 171, ER EENNERDE 0 NREEE b. Poren |, .. »tuerpiefttugg ee atr: ee 6, Nohleimzellen . . . wen aan ER a NUN Ve 4. Drüsenöffnungen 1 11, 1 own ib Mh Tas PR an 5,-Pigment. :, suuhe a0 sul teiennnlenee Brenn Ara N fee Ha Il: ledearhamtn „ser sfr Yankee En 1. Feinste Leisten der Oberfläche a ee Ve 2. Grössere Leisten . . Pa a haar re ee 3. Papillen mit Tastkörperchen hear ya male 4. .Papillen ‚ohne. Tastkörperchen . . . uam n Sa, 0, 0, gu) Br 5. Päpillen mit Drüsenöfnungen "MW HN, N FU Ar 6. Bluteapillaren in Form von Papillen . . . ‚HuraB 7. Hauthöcker, den Organen des sechsten Sinnes entsprechend . N 8. Die Organe des sechsten Sinnes der Salamandrinen . . 166 9. Historische und kritische Bemerkungen über die Organe des sechsten DINO ee A 2 er ae EA 10. Pigment . . BUS, WDR ba PR &.. Verschiedene ‚Arten. sth shifan:Mleeenen di Kl eek b. Vertheillung |...» 0... wma ara Bern a 2) ec. Farbenwechsel . 1... 2 We rn RO EEE 12. Ablagerung von Kalk . er 1 Beilage. Ueber die Hautknochen bei Reptilien 2.2 2 18, Drüsen . . ne, U A. Die Fernehiehendk a a. Kleine Drüsen von rundlicher Gestalt . . » » „2... ...197 b. Grössere Drüsen von rundlicher Gestalt . . . . 2. ...19 c. Ganz grosse Drüsen’, . wm none... 8m 2 d. Schlauchförmige Drüsen . wı. „sn Ws Ve Re B. Histologischer Bau. a. Die DE DIE Haut. ur ee N —— b. NNEnolbee Su SRH BR ne. a a Eee en 0. Bipithel, ... . ee . Drüsenöffnungeu i in der Epidermis NN .‚ Sekret . Te Beilage. Ueber das Hautseeret und die Fussblätter der Geckotiden . . . . len 0 en 14. Das Bindegewebe der Haut im en en a e.Das, weichero, lockere .. ..... een en. a b. die derben, wagrechten Lagen . 2. 2 20 el wu a eat KRuckplicke und AlletmeinBen. 2.7... 2 eo y u re ee Ueber den ÖOssificationsprocess bei Vögeln und die Neubildung von rothen Blutkörperchen an der Ossificationsgrenze. Von Dr. L. Schöney in New-York. Hierzu Tafel XI. _ Gegenüber der Behauptung Virchow’s, Heinr. Müller’s und neuerer Forscher, dass aus Knorpel direkt Markgewebe hervor- gehe, sind in letzterer Zeit Anschauungen aufgetaucht, nach welchen die Elemente des Markes entweder aus den Blutgefässen oder von dem Perioste her eingewandert sein sollen. Desgleichen blieb die Frage über ‘die Entstehungsweise des Knochens trotz der bahn- brechenden Studien Heinr. Müller’s bis heute eine strittige. So schien es mir wünschenswerth, die Frage an Objecten zu studiren, welche meines Wissens bisher auf diesen Punkt hin nicht unter- sucht wurden, nämlich Knorpel und Knochen bei Vögeln. Die folgenden Angaben beziehen sich auf eine Anzahl von Hühnern und Tauben verschiedenen Alters. Unmittelbar nach dem Tode der Thiere legte ich die im Hüftgelenke exarticulirten Beine, nachdem ich dieselben von den Muskeln rasch befreit hatte, in wein- gelbe Chromsäurelösung, welcher wenige Tropfen Salzsäure zuge- setzt wurden. Nach einigen Tagen fertigte ich Knorpel und Knochen- schnitte, hauptsächlich aus dem Kniegelenke — sagittal und hori- zontal — an. Eine Anzahl dieser Schnitte wurden mit Glycerin aufgehellt und darin aufbewahrt, — eine Methode, welche der Alcohol- 244 L. Schöney: Terpentinbehandlung und Aufbewahrung in Balsamen bei weitem vorzuziehen ist, indem in letzteren die Aufhellung sehr bald einen Grad erreicht, welcher dem Studium feinerer Structurverhältnisse völlig im Wege steht. Meine Beobachtungen und Zeichnungen sind mit Verick’s Ob- jectiv 5, 9 und 10 (Immersion) gemacht worden. Die Zeichnungen sind nicht schematisch, sondern mit grösstmöglichster Treue je eineın Präparate nachgebildet. Zur bessern Uebersicht werde ich meine Resultate in 2 Abschnitten mittheilen, der eine handelt über die Ossification, der zweite über die Blutbildung Mz von ‚rothen Blutkörpern). I. Ueber den Ossifieationsprocess. Heinrich Müller!) war bekanntlich der Erste, der die dırecte Umwandlung von Knorpel in Knochengewebe läugnete, viel- mehr für die Neubildung des Knochens stets das Zwischenstadium der Markbildung aufstellte. Diese Angabe wurde seither vielfach bestätigt. Insbesondere war es C. Heitzmann?), der die Umwand- lung des Knorpelgewebes nach vorausgegangener Verkalkung und Lösung der Grundsubstanz in Markgewebe aufrecht erhielt, und überdies einen Modus der Knochenbildung feststellte, welcher mit seiner Anschauung über die Struktur des Knorpels und Knochens im innigsten Zusammenhange steht. Er hat innerhalb der Grund- substanz des Hyalinknorpels ein reiches Netz lebender Materie nachgewiesen, und gezeigt, dass sämmtliche Knorpelkörperchen (Knorpelzellen) durch eben dieses Netzwerk zu einer ununterbroche- nen Colonie vereinigt werden. Die Lösung der Grundsubstanz wäre nach ihm das einzige Postulat, um das früher mit Chondrin infil- trirte Protoplasma wieder sichtbar, respective frei zu machen, wor- auf dasselbe in neue Elemente, die wir als „Markzellen“ kennen, zerfiele. Diese Elemente selbst stehen aber untereinander wieder in directem, durch lebende Materie vermittelten Zusammenhange, auch da, wo eine anscheinend structurlose, weiche Grundsubstanz (Mucin?) gebildet wird. Sagittalschnitte durch das Kniegelenk von Vögeln verschiede- 1) Zeitschrift für wissensch. Zoologie 7. Band. 2) Wiener med. Jahrb. 1872. Ueber den Ossificationsprocess bei Vögeln etc. ‘ 245 nen Alters lehren zunächst im Einklange mit C. Heitzmann’s Beobachtungen an Hunden, Katzen und Kaninchen, dass mit zu- nehmendem Alter die Knorpelmasse an Umfang abnimmt, dass fer- ner die Umwandlung des Knorpels direct in Markelemente und indirect in Knochen nur bei jugendlichen Thieren stattfindet, wäh- rend bei älteren Thieren der fertige Knochen unmittelbar an den Knorpel stösst, und zumal bei älteren Tauben die Markräume des Knochens Verlängerungen bilden, welche bis zu einer gewissen Höhe in den Knorpel hinaufreichen. Studirt man Sagittalschnitte von jungen Thieren bei schwacher Vergrösserung, so sieht man folgendes: Fig. 1. Am freien, die Kniegelenkfläche bildenden Theile des Knorpels, desgleichen nahe dem Perichondrium, sieht man spindel- förmige langgestreckte Knorpelkörperchen (a) allmälig in runde, deutliche Kerne haltige Knorpelkörper übergehen. Die letzteren bilden ein mächtiges Lager (b), welches von gefässhaltigen Knorpel- markräumen (c) von sehr verschiedenen Formen durchsetzt erscheint. An das Lager der runden, kernhaltigen Knorpelkörperchen legt sich eine schmale Schicht, gebildet won platten kleinen Knorpelkörpern an (d), welche constant gelbroth gefärbt ist, und unmittelbar an die Verkalkungsgrenze stösst. Die Verkalkung der Grundsubstanz (e) erzeugt ein zierliches Gerüste, welches in die erstgebildeten Bälkchen des Knochengewebes übergeht (f). Die letzteren begränzen die Markräume (g) des Epiphysenknochens. Bei stärkerer Vergrösserung (Fig. 2) erkennt man, dass das Kalkgerüste (e) mit seinen obersten Gerüstbälkchen wie mit zuge- spitzten Enden in die Schicht d hinaufreicht. Innerhalb des Kalk- - gerüstes (e) sind die Knorpelkörperchen deutlich sichtbar. An ver- schiedenen Stellen stossen die Knochenbälkchen (f) direct an das Kalkgerüst, ohne dass zwischen beiden eine scharf gezeichnete Grenze zu erkennen wäre; jedoch ist der Knochen durch die in denselben eingelagerten Knochenkörperchen hinlänglich gekennzeich- net. Die Markräume (g) sind erfüllt mit runden, oblongen oder spindelförmigen Markelementen, überdies begegnet man häufig ver- schieden grossen, vielkernigen oder kernlosen, gleichmässig gekörn- ten Protoplasmalagern, sogenannten »Myeloplaxen« Robin’s. Spindelförmige Elemente findet man am öftersten im Centrum eines Markraumes, woselbst sie, wie ich später zeigen werde, mit Blut- gefässen im Zusammenhange stehen. 246 L. Schöney: Die Markbildung ist am besten an Horizontalschnitten (Fig. 3) zu verfolgen. Wir sehen zunächst, dass in gewissen Räumen Aus- schmelzung der verkalkten Knorpelgrundsubstanz (e) stattfindet. Die unmittelbare Umwandlung des Knorpels in freies Protoplasma mit Bildung glänzender Klümpchen (%k), welche die Markräume ausfüllen, ist allerdings nicht direct zu beobachten, allein wir müssen auf diese Umwandlung schliessen, indem ja die Markräume aller- seits von verkalktem Knorpelgewebe umgeben sind, und das Kalk- gerüst wie aufgebrochen in die Markräume hineinragt. Man kann: sich überzeugen, dass zunächst eine Knorpelgewebseinheit (Territo- rium) von ihren Kalksalzen beraubt erscheint, und unmittelbar daran, augenscheinlich durch directe Umwandlung der Knorpel- körperchen, Markelemente auftauchen, während für Einwanderung aus dem Periost in solcher Entfernung von letzterem wohl keine Rede sein kann, überdies gar keine erklärenden Bilder sichtbar waren. Ebensowenig ist an eine Einwanderung von den Blutge- fässen her, wie sie unter Anderen Al. Rollet angenommen hat, zu denken, indem in den erst gebildeten Markräumen Blutgefässe überhaupt noch nicht vorhanden sind; dort aber, wo sie zuerst ge- bildet werden, mit den älteren Blutgefässen noch in keinem Zu- sammenhange stehen. Der Uebergang von Knorpel in Markelemente ist in Fig. 4 ersichtlich. Die entkalkte Zone des Knorpels (a) wird plötzlich von einem Protoplasma ersetzt, in welches zahlreiche, glänzende Klümp- chen eingelagert sind. Die letzteren erscheinen in der Regel von einem schmalen hellen Saume umgrenzt, durch welchen man hie und da bei genauer Einstellung Fädchen durchziehen sieht, und erinnern durch ihren Glanz und durch ihre homogene Structur an die als »Hämatoblasten« geschilderten Bildungen bei Säugethieren. Stellen, wie die in der Abbildung gegebene, zwingen so zu sagen zu der Annahme, dass nicht allein die Knorpelkörperchen, sondern das gesammte lebende Material, welches innerhalb der Knorpel- srundsubstanz angehäuft ist, an der Markbildung Theil nehmen. Der jähe Uebergang von anscheinend structurloser Grundsubstanz in ein freies Protoplasmalager ohne die geringste Andeutung von Theilung der Knorpelkörperchen dürfte eine andere-Deutung nicht zulassen. Man begegnet nicht selten am Auflösungsrande der Knorpel- srundsubstanz Knorpelkörpern, welche zum Theil noch in der letz- tern stecken, zum Theil schon frei in den erstgebildeten Markraum 2 5 le ie Ueber den Össificationsprocess bei Vögeln ete. 247 hineinragen, und niemals sah ich an derlei Körpern Theilungs- bilder. Wenn man trotzdem heute noch viel von Theilung der »Knorpelzellen« spricht, indem man zwei nahe beisammen liegende Elemente, oder Elemente mit 2 oder mehr Kernen sofort für die Theilungstheorie in Anspruch nimmt, so vergisst man, dass die harte Grundsubstanz eine Vergrösserung der Elemente, welche doch der einfachen Theilung vorausgehen müsste, nicht zulässt. Die letztere muss sicherlich früher ausgeschmolzen werden, bevor das Protoplasma seine Lebensäusserungen in vollem Umfange aufzu- weisen vermag, und es scheint mir die Annahme dem Sachverhalte entsprechender, dass in dem frei gewordenen Protoplasma in ge- wissen Centren Neubildung lebender Materie stattfindet, welche eben zur Bildung der compacten, glänzenden Klümpchen führt, als das durch die Thatsachen keineswegs gerechtfertigte Festhalten an der schematischen Zellen-Theilungs-Theorie. Die so häufig sichtbaren multinuclearen Protoplasmakörper (Myeloplaxen) werden nach dieser Anschauung einfach als frei gewordene Knorpelgewebs-Einheiten (Teritorrien) aufzufassen sein, und wir begreifen ganz leicht, dass bisweilen eine Anzahl solcher Einheiten zu einem mächtigen ge- meinsamen Protoplasmalager verschmilzt, bevor eine weitere Diffe- renzirung in dem letzteren stattfindet. Soviel scheint mir ausser Frage zu sein, dass aus dem Knor- pelgewebe direct Markgewebe wird, bei Vögeln ebensogut, wie bei Säugethieren. Die nächste Frage ist selbstverständlich: Wie bildet sich aus dem Markgewebe Knochengewebe? Auch diese Frage hat mannigfaltige Beantwortungen erfahren. Der Fortschritt in der Er- kenntniss der Histogenese ist indessen hier nicht minder ersichtlich wie in anderen Gewebsgebieten. Zuerst war es Gegenbaur, der die »Osteoblasten« als Abkömmlinge der Markelemente, und als die eigentlichen knochenbildenden Elemente aufgefasst hat. Freilich hing er noch an der Secretionstheorie fest, weil diese als die einfachste gelten dürfte. Dann sprach Waldeyer sich für die directe Umwandlung eines Theiles der Osteoblasten in Knochen- grundsubstanz im Sinne Max Schultze’s aus. Und zuletzt wurde von C. Heitzmann beobachtet, dass bei der Umwandlung der Osteoblasten in osteogene Grundsubstanz die lebende Materie innerhalb derselben erhalten bleibe, während nur die Protoplasma- flüssigkeit eine eigentlich leimgebende geworden ist. Fig. 5 illustrirt den Vorgang in einer fast schematischen Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 17 248 L. Schöney: Klarheit. Diese Figur ist einer Stelle entnommen, wo an verkalk- ten Knorpel direct neugebildeter Knochen stösst, und dass derlei Bilder an der Ossificationsgränze regelmässig wiederkehren, habe ich schon oben erwähnt. Wir sehen verkalkten Knorpel (a), hierauf eine hyaline Zone 5, wie dieselbe dem im Ausschmelzen begriffenen Knorpel zukömmt. An diese Zone stösst Knochengrundsubstanz ce mit den eingestreuten characteristischen Knochenkörperchen, und endlich sehen wir eine Lage von Osteoblasten d. An der Grenze zwischen ce und d sieht man alle Uebergänge von freien (nicht in- filtrirten) Osteoblasten in solche, welche in Grundsubstanz unter- gehen. Jedoch spricht die zarte Körnung der neugebildeten osteoge- nen Substanz dafür, dass die Structur der Osteoblasten beim Bil- dungsprocesse der Knochen zum mindesten nicht völlig unterge- gangen ist. Ich kann demnach bestätigen, dass die platten Protoplasma- körper, welche Gegenbaur »Osteoblasten« genannt hat, wirkliche Knochenbildner sind; auch habe ich gesehen, dass die Osteoblasten untereinander durch zarte Fädchen (Gegenbaur’s Stacheln) ver- bunden sind. Ebenso muss ich die Umwandlung eines Theiles der Osteoblasten zu Knochengrundsubstanz im Sinne Waldeyer’s auf- recht erhalten. Hingegen bin ich nicht in der Lage zu behaupten, dass am Vogelknochen die osteogene Grundsubstanz lebende Materie führe. Nur muss ich bemerken, dass der Knochen bei Vögeln genau so gebaut ist wie bei Säugethieren, wie mich Längs- und Quer- schnitte durch Femur und Tibia gelehrt haben. Auch hier finden wir Lamellensysteme um Gefässkanäle, auch hier begegnen wir in den Höhlen der Grundsubstanz Protoplasma- körpern, welche man als Knochenzellen beschreibt. Auch hier zeigen diese die bekannten sternförmigen Ausläufer. In wie ferne der Kno- chen auch in seinem Gehalte an lebender Materie mit jenen der Säugethiere übereinstimmt, müssen erst weitere Untersuchungen lehren. II. Neubildung von Blut- und Blutgefässen. Mit besonderer Sorgfalt habe ich die Neubildung von Blut und Blutgefässen studir. E. Neumann!) hat die Annahme der 1) Heitzmann’s Hämatoblasten. Archiv für mikr. Anatomie Nov. 1874. Ueber den Ossificationsprocess bei Vögeln etc. 249 Blutbildung respective einer Neubildung von rothen Blutkörperchen an der Ossificationsgrenze des Knorpels bestritten. Gleichzeitig wies er auf Aeby hin, als jenen Forscher, der zuerst diese Blut- bildung behauptet habe. Aeby hat jedoch in seiner citirten Schrift: »Ueber die Symphysis oss. pub. des Menschen nebst Beiträgen zur Lehre vom hyalinen Knorpel und seiner Verknöcherung, Zeitschr. f. rat. Med. 3 Reihe 4ten Bd. 1858, wie ich zeigen werde, die Blutbildung an der Ossificationsgrenze nur vermuthungsweise hin- gestellt. “ Er sagt pag. 54 ]. c.: »Auffallend bleibt die Menge der Blut- körperchen, welche sich zuweilen in den Markräumen noch lange vor der Bildung von Gefässen vorfindet, und wenn es auch möglich, ja sogar wahrscheinlich ist, dass dieselben bloss von anderwärts eingedrungen sind, so wird doch durch den Umstand, dass neben den Zellen oft sehr zahlreiche, ihren Kernen durchaus an Grösse und Gestalt analoge, kernartige Gebilde vorkommen, von denen die allmählichsten Uebergänge, namentlich in Beziehung auf die Abplat- tung, bis zum fertigen Blutkörperchen sich vorfinden, die Frage gerechtfertigt, ob nicht vielleicht zwischen Beiden ein genetischer Zusammenhang stattfinde. Meine in dieser Richtung angestellten Forschungen haben zu keinem Resultate geführt.« Aus dem Angeführten geht hervor, dass Aeby die Neubil- dung von rothen Blutkörperchen an der ÖOssificationsgrenze nur vermuthete, und ausdrücklich erklärt, dass seine Forschungen be- züglich der Neubildung rother Blutkörper zu keinem Resultate ge- führt haben, während Heitzmann diese Neubildung als Thatsache hinstellte. Die von E. Neumann gegen Heitzmann’s Darstellung vorgebrachten Gründe vermag ich nicht als stichhaltig anzuerken- nen. So z. B. findet er es unbegreiflich, dass die Hämatoblasten sich mit Carmin färben, während fertige rothe Blutkörperchen dieses bekanntlich nicht thun. Heitzmann sagt aber ausdrücklich, dass die Hämatoblasten, homogene, gelbliche, glänzende Klümpchen, den Jugendzustand des Protoplasmas darstellen, und aus ihnen erst in weiterer Folge, nach- dem sie gewisse Veränderungen erlitten haben, wirkliche rothe Blut- körperchen hervorgehen; Körper in ihrem Jugend- und Alterszu- stande können aber verschiedene Reactionen auch gegen Färbemittel darbieten. 250 L. Schöney: E. Neumann vermisst ferner in den Hämatoblasten die Kerne, und weil er der gebräuchlichen Annahme huldigt, dass die Blut- körperchen in ihrem Jugendzustande Kerne besitzen, später hin- gegen kernlos sind, vermag er in den Hämatoblasten überhaupt nicht den Jugendzustand der rothen Blutkörperchen zu sehen. Meine Untersuchungen sind geeignet, gerade über diesen Punkt Aufschlüsse zu geben. El. Metschnikow!) fand im bebrüteten Hühnerkeime früher kernhaltige, weniger gefärbte und erst später kernhaltige, deutlich gefärbte Blutkörperchen, und schliesst daraus, dass letztere aus ersteren hervorgegangen seien. Dieser Schluss ist nicht ganz ge- rechtfertigt, denn es können ja aus einer und derselben Quelle an- fangs wenig, später stark gefärbte Blutkörperchen entstehen, und von dieser Qüelle in den Kreislauf gelangen, ohne dass man gerade einen unmittelbaren Uebergang der einen in die anderen anzu- nehmen brauchte. Derselbe Einwand gilt wohl auch für die Blut- körperchen der Säugethiere. Wenn anfangs kernhaltige, später kern- lose Blutkörperchen sichtbar sind, wer sagt uns denn, dass die letzteren aus den ersteren entstanden, und wer sagt uns denn, dass jedes rothe Blutkörperchen ein Stadium gehabt haben muss, in welchem es mit einem Kerne versehen war ’? Betrachten wir Fig. 6 aus einem Schiefschnitte von der Ossifi- cationsgrenze eines wachsenden Huhnes. Wir sehen m der Mitte eines Ausschmelzungsraumes a homogene, glänzende Klümpchen in kolbigen Räumen liegend, welche von spindelförmigen Elementen ab- geschlossen werden. Davon kann man sich mit Hülfe der Stell- schraube überzeugen. Man überzeugt sich ferner, dass die Kölbchen mindestens nach einer Richtung hin spitz zulaufen, und mit einem fertigen Blutgefässe in keiner Verbindung stehen. Diese Kölbchen sind von den Autoren in übereinstimmender Weise als die ersten Gefässanlagen angesprochen worden, welche ja auch bei Säuge- thieren zuerst im Centrum je eines Markraumes auftauchen, wo das Blutgefäss in fertigen Markräumen gleichfalls zu verlaufen pflegt. Es wird nicht angezweifelt, dass die schmalen Spindeln im optischen Durchschnitte Gefäss-Endothelien angehören. Was sind nun die glänzenden Körper in Mitten der Gefässräume ? Körper, welche in 1) Virchow’s Archiv 41. Bd. 1867. Zur Entwicklungsgeschichte der rothen Blutkörperchen. Ueber den Ossificationsprocess bei Vögeln ete. 251 Lichtungen unfertiger oder fertiger Blutgefässe liegen, darf "man wohl als Blutkörperchen bezeichnen; die Körper aber, welche vor uns liegen, sind keine Blutkörperchen, sondern vorerst nur Häma- toblasten. Sie zeichnen sich wie erwähnt durch homogene Structur und einen eigenthümlichen, gelblich grünlichen Glanz aus. Auf die Farbe selbst kann ich keinen allzugrossen Werth legen, da auch das Kalkgerüste einen gelblichen Glanz besitzt, die fertigen Blut- körper aber in meinen Präparaten häufig die gelbe Farbe vermissen lassen. Das Auffallende ist allerdings, dass an diesen Körpern keine Kerne sichtbar sind, und noch auffallender, dass tiefer unten gegen den fertigen Knochen zu liegende Blutgefässe, deren Zusammenhang mit älteren Blutbahnen noch nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden kann, strotzend mit Blutkörperchen erfüllt sind, welche keine Kerne zeigen. Erst in tiefern Gefässbahnen tauchen die cha- racteristischen oblongen, mit je einem deutlichen Kerne versehenen Körperchen des Vogelblutes auf. Wenn nun zugegeben werden muss, dass die jüngsten Markbildungen hart an der Ossifications- grenze des Knorpels zu suchen sind, die älteren dagegen tiefer un- ten, wenn man ferner an einem so kleinen Felde, wie es relativ das Feld einiger Markräume ist, so verschiedene Bildungen antrifit, welche man als Blutkörperchen ansprechen muss, dann wird man sich mit dem Gedanken vertraut machen können, dass der Kern keineswegs eine frühzeitige, vielmehr eine ziemlich späte Bildung im Blutkörperchen sei, wie ja schon E. Brücke von Protoplasma- körpern anderer Art ausgesprochen hat. Ich kann die Bilder, deren eines in Fig. 6 wiedergegeben ist, unmöglich anders deuten, als so, dass ich sage: die zuerst gebil- deten Blutkörperchen, die Hämatoblasten, sind kernlos, und erst die fertigen Blutkörperchen haben Kerne. Man wird den Quellen der Blutbildnng bei Säugethieren nachforschen müssen, ohne gerade den Kern als ein Postulat des Jugendzustandes anzusehen. Während ich die Neubildung rother Blutkörperchen aus Hä- matoblasten an der Össificationsgrenze des Hyalinknorpels wachsen- der Vögel als sicher betrachte, muss ich andererseits bemerken, dass im ausgewachsenen Thiere eine solche Neubildung sicherlich nicht mehr stattfindet. Schon bei einer 9 Monate alten Taube stösst an eine Schicht runder Knorpelkörperchen, die keine Knorpelmarkräume zeigt, unmittelbar fertiges Knochengewebe mit fettgewebehaltigen 252 L. Schöney: Markräumen. Die Blutgefässe dieser Markräume bilden an dem oberen dem Knorpel zugekehrten Ende der Räume Schlingen. Hier fehlt die Zwischenstufe der Verkalkung der Grundsubstanz und Bilder, welche als Neuformation von Blutgefässen und Hämato- blasten gedeutet werden könnten. In noch älteren Thieren, wo die Schicht des Hyalinknorpels noch mehr reducirt erschien, waren die obern Enden der Markräume vermittelst concentrischer Lamellen- lagen von Knochengewebe gegen den Knorpel hin abgeschlossen. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Erklärung .der Figuren auf Tafel XI. Sagittalschnitt durch den Gelenkknorpel eines jungen Huhnes. Ver- grösserung 250. a. Zone platter, spindelförmiger Knorpelkörperchen, unmittelbar an der Kniegelenkfläche. b. Zone der runden kernhaltigen Knorpelkörperchen, mit blutgefäss- führenden Markräumen c. d. Gelbrothe Zone kleiner dichtgedrängter platter Knorpelkör- perchen. Zone der verkalkten Grundsubstanz des Knorpels, an welche die fertigen Knochenbälkchen f stossen. Zwischen diesen be- finden sich die erstgebildeten Markräume des Knochens g. Sagittalschnitt ebendaher. Vergr. 450. Die Bezeichnung wie in Fig. 1. In den Markräumen des Knochens verschieden geformte Markelemente und zwischen diesen multinucleare Protoplasmakörper. © Horizontalschnitt durch den Kniegelenkknorpel eines jungen Huhnes dicht an der Ossificationsgrenze. Vergr. 450. e Gitterförmiges Kalk- gerüst des Knorpels, welches durch eingestreute Auflösungsräume der Knorpelgrundsubstanz %%k unterbrochen erscheint. Abschnitt aus demselben Präparate. Vergr. 700. An den mit dem Kalkgerüste versehenen Knorpel stösst eine Zone a, in welcher die Kalksalze ausgelöst sind. Scharf begrenzt von dieser Zone ist ein neugebildeter Markraum b sichtbar. In dem Protoplasma des letz- teren sind homogene glänzende Klümpchen von verschiedener Ge- stalt eingestreut. Fig. 5. Fig. 6. Ueber den ÖOssificationsprocess bei Vögeln etc. 253 Abschnitt aus einem in Bildung begriffenen Knochenbälkchen. Vergr. 700. « Knorpel mit gitterförmigem Kalkgerüste. b Knorpel mit hyaliner Grandsubstanz. c Zone des neugebildeten Erstlings- knochens mit eingestreuten sternförmigen Knochenkörperchen. d Zone der Osteoblasten, welche im Uebergange in osteogene Sub- stanz begriffen sind. Schiefschnitt durch die Ossificationsgrenze eines jungen Huhnes. Vergr. 700. Der Markraum a ist umgeben von Hyalinknorpel mit Kalkgerüste. In dem Markraum sind mehrere Kölbchen mit zuge- spitzten Enden sichtbar, innerhalb welcher homogene glänzende Klümpchen, Hämatoblaster, liegen. Im untersten Gefässraume haben die rothen Blutkörperchen noch keine Kerne. Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. Eine Erwiderung an Herrn Prof. Stieda in Dorpart. Von Dr. Z. 3. Strelzoff, Docent der Embryologie an der kaiserlichen Universität Charkow. In der neuesten Zeit sind die in Wachsthum begrifienen Kno- chen zum Gegenstand allseitiger und eingehender Untersuchungen geworden. Die von verschiedenen Forschern und nach verschiedenen Untersuchungsmethoden angestellten Beobachtungen haben aber zu Resultaten geführt, welche in Betreff des Wachthumsmodus der Knochen in einem directen Widerspruch mit einander stehen. Jede Bestrebung, neue Thatsachen vorzubringen oder für die alten eine passende Erklärung zu finden darf also als wünschenswerth be- trachtet werden. Vor drei Jahren hat Stieda eine Arbeit über »die Bildung des Knochengewebes« (Leipzig, Engelmann. 1872) publieirt und neuerdings fortgesetzte Studien geliefert !), welche er über denselben Gegenstand und mit »besonderer Rücksicht« auf einige mit seiner Abhandlung ziemlich gleichzeitig erschienenen Arbeiten unternom- men hat. Aus dieser Arbeit Stieda’s ergibt sich, dass die von ihm mitgetheilten Untersuchungen speciell zu dem Zweck angestellt worden sind, um die Ergebnisse meiner Arbeit »Ueber die Histo- genese der Knochen« ?) einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Da 1) Dieses Arch. 1875. Bd. XI. Studien über die Entwickelung der Kno- chen und des Knochengewebes. 2) Untersuchungen aus dem pathologischen Institut zu Zürich, Her- ausgeg. v. Eberth. 1873. 1. Heft. Z.J. Strelzoff: Ungleichm. Wachsthum als formbild. Prineip d. Knochen. 255 eine eingehende wissenschaftliche Discussion nur zur Aufklärung - der discutirten Frage beitragen kann, so betrachte ich die Stieda’- sche Mittheilung als willkommen. Aus den Untersuchungen Stieda’s geht Folgendes, als Ge- sammtresultat, hervor: Alles, was man in meiner Arbeit für gültig, richtig, oder brauchbar halten kann, und was den grössten Theil meiner Schrift ausmacht, ist schon früher von anderen Forschern und nämlich von Lov&n und Uranossow geleistet worden; das Uebrige aber, was als irrthümlich oder unrichtig sich erweist, ge- hört mir an. Diese letztere Partie meiner Untersuchungen betrifft: 1. Die primitive Anlage des Unterkiefers, | 2. Das Schicksal des Meckel’schen Knorpels, 3. Das Vorkommen (des metaplastischen Ossificationstypus, 4. Den Wachsthumsmodus der Knochen. Bei der Diseussion der aufgestellten Fragen will ich es ver- suchen möglichst kurz zu sein und nur das Wichtigste zu berühren. I. Primitive Anlage des Unterkiefers. Meine Untersuchungen über die primitive Anlage des Unterkiefers haben mich zu dem Resultate geführt, dass der Angulus Maxillae, der ganze Processus condyloideus, eine Partie des Proc. coronoideus, die Ineisura semilunaris und bei einigen Thieren (Mensch, Kaninchen) das vordere Ende des Proc. alveolaris knorpelig vorgebildet sind. Was aber die mittlere Partie des Proc. alveolaris betrifft, so war es mir unmöglich mit voller Sicher- heit zu ermitteln, ob die primitive Anlage der betreffenden Kno- chenpartie aus Knorpel oder bindegewebiger Membran bestehe. Aus den in meiner Arbeit angeführten Gründen musste ich mich posi- tiver Angaben enthalten und meine Meinung nur als Vermuthung aussprechen. Ich habe als höchst wahrscheinlich angenommen, dass der ganze Unterkiefer knorpelig präformirt ist. Im Gegentheil zu meiner Vermuthung behauptet Stieda, dass der Unterkiefer von Säugethieren aus bindegewebiger Grundlage entstehe und dass die knorpeligen Bestandtheile des Unterkiefers, welche er »accessorische Knorpelkerne« nennt, erst später, im Verlauf der Bildung des knöchernen Unterkiefers, auf- treten. Aus den Beobachtungen Stieda’s, welche seine Meinung beweisen sollen, kann man Folgendes ersehen: 256 2. J. Strelzoff: A, Was die Kaninchen- und Schweinembryonen be- trifft, an welchen ich hauptsächlich meine Untersuchungen angestellt habe, so hat er an den genannten Embryonen nur »ein einziges« Entwickelungsstadium beobachtet und folglich kaum ein Recht die von ihm erhaltenen Resultate zur Widerlegung meiner Angaben anzuführen. Ausserdem war der von ihm untersuchte Kaninchen- embryo zu alt (S Cm.), um für die Ermittelung der primitiven An- lage des Unterkiefers brauchbar zu sein. — Bei dem 5 Cm. langen Schweinembryo war der Unterkiefer »fast in allen seinen Theilen« schon knöchern angelegt und zeigte keine Spur von Knorpel- kernen. Diesen Befund betrachtet Stieda als »sehr wichtig«, da derselbe mit meinen Angaben über die primitive Anlage des Unter- kiefers, sowie mit dem, was ich bei einem ungefähr gleich alten Schweinembryo (5,5 Cm.) beobachtet und abgebildet habe (l. c. Taf. II Fig. 14) in thatsächlichem Widerspruch steht. Es wäre also wünschenswerth, eine detailirte Beschreibung des von Stieda untersuchten Präparats zu haben; es wäre von Interesse, über die Verhältnisse, in welchen diese »fast alle« knöchernen Theile des Unterkiefers zu dem umgebenden Gewebe stehen, das Nähere zu wissen, sowie sich ein klares Bild von dem am Ossifi- cationsgebiet vor sich gehenden Össificationsprocess zu verschaffen. Alle diese Desiderata fehlen ganz und gar. Stieda hält sogar für überflüssig in’s Klare zu bringen, was er unter den »fast allen Theilen« des Unterkiefers versteht. Da Stieda mit dieser Beob- achtung meine Ergebnisse widerlegen will und die von ihm bei der Untersuchung des betreffenden Unterkiefers erzielten Resulate für sich als wichtig betrachtet, so hätte er doppelte Veranlassung ge- habt, eine genaue Schilderung seiner Präparate zu geben und die Art und Weise genau zu beschreiben, wie die schon vorhandenen Knochenbalken entstanden sind. B. Aus einer Reihe von Untersuchungen, welche Stieda an Katzenembryonen angestellt hat, ist Folgendes zu ersehen: An dem jüngsten Embryo (2 Cm. Länge) erschien die knöcherne An- lage des Unterkiefers als eine dünne Knochenlamelle (S. 245). — An einem älteren Embryo (4,5 Cm.) fand Stieda zwei Knochen- lamellen, eine »mediale« und eine »laterale«. An diesem Präparat kann man bereits die erste bindegewebige Anlage des Proc. condyloideus und des Angulus Maxillae erkennen (S. 246). — Bei einem nun etwas älteren Embryo (5,5 Cm.) erscheinen zwei deut- Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 257 liche Knorpelkerne (S. 246). „Der eine Knorpelkern entspricht dem Winkel, der andere dem Gelenkfortsatz des Unterkiefers.“ Beide sind „zum Theil durch Bindegewebe, zum Theil durch Knochen- gewebe von einander getrennt (S. 248)“. — Bei den Embryonen des ältesten Entwickelungsstadiums (8 Cm.) sind die Knorpelkerne im Angulus und im Proc. condyloideus bedeutend gewachsen. „Sie zeigen wie im früheren Stadium nach der einen Richtung die Zei- chen des Wachsthums, nach der anderen die Zeichen der Atrophie in Folge des nachrückenden Knochengewebes (S. 249).“ Die Beobachtungen an Katzenembryonen scheinen also, nach Stieda, zu Gunsten der bindegewebigen Anlage des Unter- kiefers zu sprechen. Solche Bilder habe auch ich gesehen, aber als Trugbilder erkannt. Die Untersuchung des Unterkiefers von -sehr kleinen Embryonen bietet ungemeine technische Schwierigkeiten, welche man besonders bei der Schnittführung erfährt. Die den Un- terkiefer zusammensetzende Theile sind dünn und etwas gebogen, so dass ein mit der Längsaxe des Alveolarfortsatzes zusammen- fallender Schnitt fast unmöglich ist. Ausserdem sind die knorpeligen Bestandtheile des Unterkiefers nicht in ihrer ganzen Ausdehnung gleich dick: die beiden Knorpel sind an ihren freien Enden knopf- förmig verdickt. Führt man einen Längsschnitt durch einen so kleinen Alveolarfortsatz, so fällt der Schnitt fast nie der Kno- chenaxe parallel und kann nicht alle den Unterkiefer zusammen- setzenden Theile treffen. Man kann möglicherweise die Präparate zu Gesicht bekommen, an welchen nur Knochen und Bindegewebe, aber kein Knorpel vorhanden ist. In anderen Fällen sieht man ein scheibenförmiges Stück Knorpel (knopfförmige Verdickung), welches von dem knöchernen Theil des Unterkiefers durch eine Schicht Bindegewebe getrennt ist. Zufällig kann man auch Prä- parate erhalten, an welchen Knorpel und Knochen nebeneinander liegen und ohne scharfe Grenze in einander übergehen. C. Was die Mäuseembryonen betrifft, so standen Stieda drei verschiedene Entwickelungsstadien zu Gebote. An dem jüngsten Embryo (1 Cm. Länge) „war von einer knöchernen Anlage des Unterkiefers keine Spur; dagegen war der Meckel’sche Knorpel schon unzweifelhaft zu unterscheiden (S. 249).“ Was aber an Stelle des zukünftigen Unterkiefers vorhanden war, darüber gibt Stieda keinen Aufschluss. Er hat gerade denjenigen Punct mit Stillschwei- gen übergangen, welcher am meisten interessant und für die Be- 258 27. J. Strelzoff: stätigung seiner Behauptung am wichtigsten ist. — Bei den Em- bryonen der folgenden Stufe (1,3 Cm.) besitzt der Unterkiefer so- wohl im Winkel, als im Gelenkfortsatz „einen verhältnissmässig nicht kleinen Knorpelkern*, die beiden sind durch Knochenge- webe getrennt (S. 250). — Bei den Embryonen des dritten und ältesten Stadiums (1,8 Cm.) sind „die schon früher erwähnten Knor- pelkerne deutlich wahrzunehmen (8. 251).“ — Damit sind die Un- tersuchungen Stieda’s über die erste Anlage des Unterkiefers ge- schlossen. Nun entsteht die Frage, ob wir aus den angeführten Angaben Stieda’s mit Nothwendigkeit den Schluss ziehen müssen, dass der Unterkiefer aus bindegewebiger Grundlage entsteht? Das glaube ich nicht. Die ganze Geschichte von den „accessorischen Knorpelkernen“ war mir schoen bei Beginn meiner Untersuchungen recht gut be- kannt. Kölliker hat dieselbe in ein paar Zeilen zusammengefasst: „Bemerkenswerth ist auch,“ sagt Kölliker, „dass obschon der Unterkiefer nicht knorpelig vorgebildet ist, doch später am vorderen Ende, sowie am Gelenkkopfe, beim Kalbe auch am Winkel, Knor- pelbelege sich entwickeln und wie bei einem Röhrenknochen das Längenwachsthum besorgen (Entwickelungsgeschichte, 1861. 8. 217)“ Bei meinen Untersuchungen habe ich die Angaben Kölliker’s wohl in’s Auge gefasst, jedoch schienen die von mir gesehenen und beschriebenen Bilder für meine Annahme so günstig, dass ich mir dieselbe (und nur als Vermuthung!) auszusprechen erlaubt habe. Ich kann mich möglicherweise geirrt haben und kin bereit meine Meinung zu ändern, sobald bestimmte Thatsachen vorliegen, welche das Gegentheil beweisen. Da Stieda die von mir angeführten Schwierigkeiten und Fehlerquellen bei seinen Untersuchungen nicht in Betracht gezogen oder wenigstens nicht erwähnt, die feineren Ossificationsvorgänge nicht genau beschrieben und eine klare Darstellung der gröberen Verhältnisse vernachlässigt hat, so verlieren seine Schlussfolgerun- gen an Werth, so dass ich. seine Angaben nicht für überzeugend halte. Er wird mir also verzeihen, wenn ich bei der von mir früher ausgesprochenen Meinung so lange verharre, bis weitere und ge- nauere Untersuchungen dieses dunkle Gebiet der Entwickelungsge- schichte des Unterkiefers aufklären. Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 259 II. Schicksal des Meckel’schen Knorpels. Aus meinen Untersuchungen hat sich ergeben, dass der Meckel’sche Knorpel an der Bildung des Unterkiefers keinen Theil nimmt und während des embryonalen Lebens spurlos ver- schwindet. Was aber den elementaren Process betrifft, welcher den Schwund dieses Gebildes begleitet, so konnte ich denselben nicht mit Sicherheit ermitteln. Es schien mir aber sehr wahrscheinlich, dass der Meckel’sche Knorpel durch eine successive Auflösung seiner peripheren Knorpelzellen in das umgebende Bindegewebe verloren geht. Durch seine Untersuchungen ist Stieda im Gegen- theil zu dem Schlusse gekommen, dass dieser knorpelige Fortsatz sich an der Bildung des Unterkiefers bethei- ligt und in den Bestand dieses Knochens eintritt. Der ganze Entwickelungsprocess des Meckel’schen Knorpels, nach dessen Ablauf dieses Gebilde zum Bestandtheile des Unterkiefers wird, bezeichnet Stieda mit dem Namen der „Atrophie“ des Meckel’schen Knorpels. Die Betheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers geschieht, nach Stieda, folgendermassen: „Der Meckel’sche Knorpel beginnt zu atrophiren (S. 246).“ „Die dicker werdende mediale Lamelle (die dem Meckel’schen Knorpel am nächsten liegende Knochenlamelle des Alveolarfortsatzes. Verf.) tritt dabei direet an den Meckel’schen Knorpel heran und da derselbe der weiteren Ausbreitung des Knochengewebes im Wege ist, so wird er zur Atrophie gebracht (8. 247).* Der „Schwund“ des Meckel’schen Knorpels erfolgt nicht auf ein Mal in der ganzen Länge desselben, sondern nur an der Stelle des „Zusammenstosses“ des Knorpels mit der medialen Knochenlamelle, d. h. in der Mitte des Alveolarfortsatzes. Später schreitet der Process von der Mitte aus nach vorn und hinten fort, je nachdem die mediale Knochen- lamelle mächtiger wird, den im Wege stehenden Knorpel zum Schwunde bringt und an seine Stelle tritt. Die Art und Weise, wie der Meckel’sche Knorpel unter dem Drucke der wachsenden me- dialen Lamelle schwindet, ist folgende: „Dort, wo wirkliches (?) Knochengewebe dem Knorpelgewebe anliegt, beginnt vor Allem eine Ablagerung von Kalkkrümeln in der Grundsubstanz des Knorpels (S. 247).“ Die aufgeblähten Knorpelzellen verfallen endlich der Re- sorption und verschwinden somit. Der durch die Auflösung des 2360 Z. J. Strelzoff: Knorpels freigewordene Raum wird durch das hineingewucherte Bildungsgewebe eingenommen (nicht mehr durch die heranrückende Lamelle? Verf... »Durch Vermittelung des jungen Bildungs- und Markgewebes entsteht dann an der Stelle des früheren Meckel’- schen Knorpels Knochengewebe, welches anfangs wegen der hie und da noch stehenden Knorpelgrundsubstanz ein anderes Aussehen hat, als das umgebende Knochengewebe (S. 248).« Diese Schilderung der Entwickelungsgeschichte des Meckel’schen Knorpels bezieht sich auf einen 5,5 Cm. langen Katzenembryo. Bei einem älteren Katzenembryo (8 Cm.) hat der Meckel’sche Knorpel an Grösse zugenommen. Der vordere und hintere Theil derselben ist noch unverändert. »In der Mitte ist er breit (?), völlig geschwunden (?) und neugebildetes Knochengewebe (nicht die me- diale Knochenlamelle? Verf.) ist an seine Stelle getreten, wie be- reits oben bemerkt. Durch seine charakteristische Anordnung kennt- lich, lässt das Knochengewebe leicht den früheren Platz des Meckel’schen Knorpels auffinden (S. 249).« Bei einem 1,8 Cm. langen Mäuseembryo hat Stieda Folgen- des gefunden: »Eine kleine Strecke nach hinten (von seinem vor- deren, unpaarigen Mittelstück. Verf.) beginnt der Meckel’sche Knorpel zu atrophiren; dann ist er eine kurze Strecke ganz ver- schwunden (ganz und gar? Verf.).« An den successiven Quer- schnitten des übrig gebliebenen Knorpels sieht man Folgendes: »Die mediale Lamelle, welche bereits bei den Embryonen der vor- angehenden Stufe dem Meckel’schen Knorpel in einer gewissen Ausdehnung direct anlag, bringt ihn hier zum Theil zum Schwunde, zum Theil ist sie (nicht mehr das hineingewucherte Bildungsge- webe? Verf.) schon an die Stelle des resorbirten Knorpels getreten (S. 250).« »Man findet hier bei Durchmusterung einer Schnittserie von vorn nach hinten alle Stadien der Atrophie des Meckel’schen Knorpels, bis sich endlich statt des Knorpels ausgebildetes Knochen- gewebe zeigt (nicht mehr die mediale Lamelle? Verf. S. 250).« Bei einem 8 Cm. langen Kaninchenembryo ist der Meckel’- sche Knorpel in seinem mittleren Abschnitt zum Theil im Zustande der Atrophie, zum Theil ist er bereits durch Knochengewebe ersetzt (durch neugebildetes oder durch die mediale Lamelle? Verf.). Bei der Zusammenfassung der Resultate seiner Beobachtungen hebt Stieda besonders den Umstand hervor, dass die mediale Knochen- lamelle es ist, »welche das Gewebe des Meckel’schen Knorpels £ . 4 Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 261 zum Schwunde bringt (S. 258)« und »dass der Meckel’sche Knor- pel bei seinem Schwund sich gerade so verhält, wie der Verkal- kungsrand eines knorpelig präformirten Skelettheils (? S. 257).« Ich habe mich bemüht, die von Stieda am Meckel’schen Knorpel beobachteten Entwickelungsvorgänge so klar darzustellen, als es mir möglich war; ich weiss aber nicht gewiss, ob dies mir gelungen sei, da eine zusammenhängende Beschreibung dieser Vor- gänge in der Stieda’schen Schrift nicht existirt. Um ein Gesammt- bild der von ihm beobachteten Erscheinungen dem Leser zu ver- schaffen, musste ich also die in seiner Mittheilung zerstreuten Sätze zusammenbringen und wo möglich, der Genauigkeit wegen, mit sei- nen eigenen Worten wiedergeben. Wie ist nun der von Stieda am Meckel’schen Knorpel be- schriebene Vorgang zu verstehen? Ich muss offenherzig gestehen, dass mir ein genaues Verständniss desselben ganz und gar fehlt und nämlich aus folgenden Gründen: A. Es handelt sich, nach Stieda, um eine Theilnahme des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers. Der Knorpel muss also nach irgend einem Modus ossificiren und zum Bestandtheil des Unterkiefers werden. Stieda lässt aber eine Ver- knöcherung dieses Knorpels nicht zu; von einer Össification dieses Gebildes ist keine Rede. Er spricht von einem »Schwund«, von einer »Atrophie« des Meckel’schen Knorpels, aber diese Atrophie ist der Art, dass nach dem Ablauf des atrophischen Processes Knochen erscheint. Die elementaren Vorgänge dieser sonderbaren Atrophie sind nicht beschrieben und die einzige Erklärung, welche Stieda über diesen Gegenstand gibt, ist sehr allegorisch; er sagt nämlich: »Dass die Autoren von einer Verknöcherung der später erscheinenden Knorpelmassen reden, während ich von einer Atro- phie derselben gesprochen habe, bedeutet keinen Gegensatz; es ist das ein Ausdruck, welcher sich auf die damaligen Anschauungen über die Bildung des Knochengewebes aus dem Knorpel gründet (5. 254).«e Da die feineren Vorgänge des ganzen Entwickelungs- ganges, durch welchen der Meckel’sche Knorpel zum Unterkiefer wird, von Stieda nicht geschildert sind, so bleibt nichts übrig, als zu versuchen, nach den von ihm skizzirten groben Erscheinungen sich ein möglichst klares Bild des Prozesses darzustellen. B. Nach Stieda wird der Meckel’sche Knorpel durch die an Dicke zunehmende mediale Knochenlamelle zum »Schwunde« 262 Z. J. Strelzoff: gebracht. Diese Lamelle tritt also, nach ihm, an die Stelle » des geschwundenen Knorpels. Wir wissen ja aus der Physik, dass zwei Körper nicht zu gleicher Zeit einen und denselben Raum einneh- men können, so muss der Meckel’sche Knorpel entweichen oder schwinden, um der heranrückenden Knochenlamelle Platz zu machen. Nach dem Ablauf des ganzen Processes muss also die betreffende Knochenlamelle an der Stelle des früher da vorhanden gewesenen und schon geschwundenen Knorpels liegen. Bis jetzt sind die Ver- hältnisse klar. Eine Schwierigkeit besteht nur darin, dass bei einer solchen Lage der Dinge der Meckel’sche Knorpel unmöglich zu einem Bestandtheil des Unterkiefers werden kann; und wenn Stieda das Gegentheil behauptet und von einer Betheiligung spricht, so kann man diese Schwierigkeit etwa nur dadurch be- seitigen, wenn man seine Allegorie über die »Atrophie« desMeckel’- schen Knorpels in’s Auge fasst. In solchem Falle muss der Satz über die Betheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers folgender Weise formulirt werden: »Dass die Autoren von einer Nichtbetheiligung des Meckel’schen Knor- pels an der Bildung des Unterkiefers reden, während Stieda von einer Betheiligung desselben spricht, bedeutet keinen Gegen- satz; es ist das ein Ausdruck, welcher sich auf die damaligen An- schauungen über die Nichtbetheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers gründet.« Ich habe den Gedanken Stieda’s folgender Weise verstanden: Wenn ich an der Thüre meines Zimmers stehe und meinem Freunde den Zutritt in mein Zimmer wehre, so muss ich von der Thüre entweichen oder schwin- den, um meinen Freund hineinspazieren zu lassen; durch mein Entweichen oder Schwinden habe ich also an dem Hineingehen meines Freundes Theil genommen. Der Meckel’sche Knorpel be- theiligt sich also an der Bildung des Unterkiefers durch seinen Schwund. C. So wahrscheinlich diese meine Erklärung zu sein scheint, so schwierig ist dieselbe mit den anderen Angaben Stieda’s in Einklang zu bringen. Obwohl Stieda hervorhebt, dass die me- diale Lamelle es ist, welche den Meckel’schen Knorpel zum Schwunde bringt und an seine Stelle tritt, doch findet man nach dem Ablauf dieses Processes an der betreffenden Stelle Knochengewebe, welches durch »Vermittelung« des hinein- gewucherten Bildungsgewebes entstanden ist und »hie und da« Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen. 263 zerstreute Knorpelreste enthält. Da eine genaue Schilderung der Ossificationsvorgänge in der Mittheilung Stieda’s gänzlich fehlt, so lasse ich diese Frage unerörtert und will nur darauf aufmerk- sam machen, dass Stieda auf zweierlei Weise die Betheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers be- schrieben hat: 1) Der Meckel’sche Knorpel »schwindet«, an seine Stelle tritt das intramembranär gebildete Stück des Alveolarfort- satzes. 2) Der Meckel’sche Knorpel »atrophirt« und bringt durch »Vermittelung« des Bildungsgewebes Knochengewebe zu Stande. Man kann aber noch eine dritte Möglichkeit zulassen, dass die eine Partie dieses Fortsatzes vielleicht auf die erste und die andere auf die zweite Weise an der Bildung des Unterkiefers Theil nimmt. Ein solcher Schluss wäre aber willkürlich, da Stieda den ganzen Pro- cess der Betheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers unter dem gemeinschaftlichen Namen der »Atro- phie« zusammenfasst. Es wäre aus manchen Gründen sehr inter- essant, das Nähere über diesen Vorgang zu wissen, um so mehr, als der Schwund des Meckel’schen Knorpels immer an der Stelle des »Zusammenstosses« desselben mit der medialen Knochenlamelle beginnt und der Knorpel bei seinem Schwund sich »gerade so« verhält, wie der Verkalkungsrand eines knorpelig vorgebildeten Knochens. Es wäre also wünschenswerth, die Art und Weise zu wissen, wie durch den »Zusammenstoss« der beiden Gebilde ein Verkalkungsrand entsteht. D. Ferner beruft sich Stieda auf seine Abbildungen, indem er sagt, dass ich der Entwickelung des Unterkiefers keineswegs die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt habe, sonst könnten mir die von ihm gezeichneten Bilder nicht entgehen. Die von Stieda abgebil- deten Präparate sind den Katzen- und Mäuseembryonen, also sol- chen Thieren entnommen, an welchen ich keine Gelegenheit gehabt habe, die Entwickelung des Unterkiefers zu studiren. Nichtsdesto- weniger erlaube ich mir mein Urtheil dahin auszusprechen, dass ich an den Stieda’schen Abbildungen nicht das Geringste von dem finde, was Stieda bei der Auseinandersetzung seiner Untersuchun- gen gesagt hat. a) Betheiligt sich der Meckel’sche Knorpel an der Bildung des Unterkiefers durch seinen Schwund, soll die mediale Lamelle an seine Stelle treten, so würden wir eine solche Stelle finden, an welcher, anstatt des früher da gewesenen und schon verschwundenen Stück Knorpels, das intramembranär entstandene Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 18 964 2. J. Strelzoff: Stück Knochen liegt; — eine solche Stelle finden wir aber an den Abbildungen nicht, dieselbe wird sogar in der Erklärung der Ab- bildungen nicht bezeichnet. — b) Soll der Meckel’sche Knorpel bei der Bildung des Unterkiefers durch »Vermittlung« des Bildungs- gewebes in Knochen übergehen, so würden wir an der Stelle des früheren Knorpels auf irgend einen Modus gebildetes Knochenge- webe mit »hie und da« zerstreuten Knorpelresten finden. An den Abbildungen finden wir aber eine solche Stelle gar nicht und die Bezeichnung derselben fehlt in der Erklärung der Abbildungen. — c) Soll der Meckel’sche Knorpel bei seinem Schwund sich »genau so«, wie der Verkalkungsrand eines knorpelig vorgebildeten Knochens verhalten, so würden wir an den Stieda’schen Präparaten den Verkalkungsrand finden, — das ist aber auch nicht der Fall. Ich sehe an den Abbildungen nicht so etwas, was dem von mir beschriebenen und abgebildeten Verkalkungsrand ähnlich wäre, und die Stelle, an welcher der Verkalkungsrand sich finden soll, wird von Stieda nicht bezeichnet. Man darf aber nicht glauben, dass Stieda unter dem Verkalkungsrande etwas Anderes, als ich, ver- stehe; — an einer Stelle seiner Schrift sagt er ausdrücklich, dass’ die knorpeligen Bestandtheile des Unterkiefers »genau so« ossifi- eiren, wie ich an anderen knorpelig ausgebildeten Knochen be- schrieben habe; er ist also über die feineren Vorgänge der endo- chondralen Ossification mit mir einverstanden. Bei der Beschreibung seiner Beobachtungen sagt Stieda, dass seine Untersuchungen eine wesentliche Lücke ausfüllen, »in- dem sie den Nachweis liefern, dass die Zellen des Meckel’schen Knorpels genau so verschwinden, wie die Zellen in anderen (?) atrophirenden (?) Knorpeln« und dass er die Angaben »Aller« (?) zu bestätigen vermochte, »nur mit den Mittheilungen Str.s« weiss er seine Resultate nicht zu vereinigen. — Für die Betheiligung des Meckel’schen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers ver- misse ich in der Schrift Stieda’s die zusammenhängende und ver- ständliche Beschreibung sowie den thatsächlichen Beweis. III. Vorkommen der metaplastischen Ossifieation. So überraschend auch die Angaben Stieda’s über das Schick- sal des Meckel’schen Knorpels sind, so bieten dieselben nicht ge- rade dasjenige, was am meisten in die Augen fällt. Nachdem — Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 265 Stieda seine Beobachtungen über die primitive Anlage des Unter- kiefers und das Schicksal des Meckel’schen Knorpels in der oben angeführten Weise niedergelegt hatte, zog er folgenden merkwür- digen Schluss: »Ein direeter Uebergang des Knorpelge- webes in Knochengewebe, eine Umwandlung der Knor- pelzellen in Knochenkörperchen findet hier am Un- terkiefer ebensowenig wie anderswo unter normalen Verhältnissen statt (S. 253).« Geht man aber auf das be- treffende Kapitel zurück, in welchem Stieda die in Rede stehen- den Beobachtungen auseinandersetzt, so kann man sich überzeugen, ‘dass die Frage über metaplastische OÖssification bisher noch gar nicht discutirt wurde. Dem betreffenden Kapitel schickt Stieda folgenden Satz voraus: »Auf den nachfolgenden Blättern theile ich die Resultate meiner Untersuchungen und Beobachtungen mit; ich werde daraus, wie ich gleich im Voraus bemerke, den Schluss ziehen, dass ein metaplastischer Ossificationstypus im Sinne Str.s, eine directe Umwandlung des Knorpels in Knochen nicht existirt« und dass der Össificationsprocess im Unter- kiefer wie in der Spina Scapulae der Säugethiere »eben so« vor sich geht, wie in »anderen Skelettheilen (?).« Und wirklich hat Stieda auf einem der nachfolgenden Blätter den ausgesprochenen Schluss gezogen, ohne über die elementaren Ossificationsvorgänge, welche man am Gelenkfortsatz und Angulus Maxillae beobachtete, ein einziges Wort verloren zu haben. Was aber die Scapula be- trifft, so war davon ja noch gar keine Rede. Nachdem Stieda das Vorkommen des metaplastischen Ossifi- cationstypus in der eben beschriebenen Weise niedergelegt hat, sucht er dem von ihm gezogenen Schiusse möglichst mehr Beweis- kraft zu geben, indem er sagt: »Str. beschreibt auf pag. 46—48 (l. ec, Taf. IT Fig. 11. — Taf. II Fig. 14. — Taf. IV Fig. 20. Vrf.) seiner Abhandlung in ausführlicher Weise seine Ansichten und Beobachtungen an den zelligen Elementen des Knorpels und des Knochens, aus welchen er den Schluss eines directen Ueber- gangs der Knorpelzellen in Knochenkörperchen zieht. Ich halte eine Wiedergabe für unnöthig. Ich muss gestehen, dass ich nach häu- figem Durchlesen dieses Passus und vielfachen Vergleichen meiner eigenen Präparate auch nicht das Geringste gefunden habe, was mich von der Richtigkeit der Str.’schen Angabe überzeugt hätte (8. 256).« Ohne irgend einen Beweis anzuführen, leugnet Stieda 266 Z. J. Strelzoff: die »Richtigkeit« der Angaben und stellt damit das Gewissen des Beobachters in Frage. Das ist keine Allegorie mehr! Bei der Untersuchung des Unterkieferss von Menschen-, Kaninchen-, Schaf- und Schweinembryonen habe ich gefunden, dass das Gesammtbild eines durch den Gelenkfortsatz geführten Längsschnittes im höchsten Grade von dem Bilde, welches ich an Röhrenknochen beobachtete, abweicht. Der Unterschied besteht darin, dass die Gebilde, welche ich an knorpelig präformirten Kno- chen unter dem Namen der endochondralen Ossifications- und Grenzlinie, des Verkalkungsrandes und der Granu- lationsräume beschrieben habe, im Gelenkfortsatz des Unterkie- fers fehlen. Durch diesen Befund wurden meine Anschauungen über endochondrale Ossification sehr gestört. Alle meine Bestrebungen, das beobachtete Bild richtig zu deuten, liessen mich anfangs im Stich. Das Fehlen der genannten Gebilde in einem wachsenden Knochen berechtigt uns aber noch gar nicht über den Ossifications- modus des betreffenden Knochens ein bestimmtes Urtheil zu äussern. In knorpelig präformirten Vogelknochen geht die endochondrale Össification unzweifelhaft neoplastisch vor sich, doch fehlen hier manche von den Gebilden, welche der neoplastischen endochondra- len Ossificationsform der Säugethierknochen eigenthümlich sind. Es lag mir der Gedanke nahe, dass es bei der Verknöcherung der knorpeligen Bestandtheile des Unterkiefers sich nur um eine be- sondere Anordnung der Architecturelemente des werdenden Kno- chens handele und dass die elementaren Ossificationsvorgänge hier auch in solcher Weise, wie in anderen knorpelig vorgebildeten Kno- chen ablaufen. Nach einem genauen Studium der feineren Ossifi- cationsvorgänge am Proc. condyloideus und Angulus Maxillae musste ich bald diese Meinung aufgeben. Ich habe meine Aufmerksamkeit auf die Interzellularsubstanz und die zelligen Elemente des in Verknöcherung begriffenen Knorpels gelenkt und Eigenthüm- lichkeiten gefunden, welche ich an anderen knorpelig präformirten Knochen nicht beobachtet habe. Die von mir benutzte Tinctions- methode (mit Karmin und Hämatoxylin) gibt ein sicheres Mittel ab, die Knochen- von der verkalkten Knorpelgrundsubstanz zu un- terscheiden, indem die erstere roth, die letztere blau gefärbt wird. Ferner habe ich gefunden, dass die zwischen den Knorpelzellen und ihren Kapseln befindliche Substanz — Perizellularsubstanz — durch Hämatoxylio blau tingirt wird und dass in Knochenhöhlen keine Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen. 267 solche Perizellularsubstanz existirt. Es war mir also möglich, in zweifelhaften Fällen die Knochen- von den Knorpelhöhlen zu unter- scheiden. Untersucht man das Ossificationsgebiet des Proc. condyloideus des embryonalen Unterkiefers an doppelttingirten Präparaten, so findet man, dass zwischen der rothen Knochen- und der blauen Knorpelgrundsubstanz keine scharfe Grenze existirt; man findet nämlich eine neutrale Zone, welche entweder gar nicht oder ge- mischt und hell gefärbt wird. Man kann hier nicht bestimmen, wo der Knochen beginnt und der Knorpel aufhört. Diese Zone be- trachte ich als Uebergangsstelle, wo die Knorpelgrundsubstanz in Knochengrundsubstanz sich umwandelt. Untersucht man das Kno- chengewebe in der Nähe dieser neutralen Zone (Ossificationsgebiet), nämlich an der Stelle, wo die Zwischensubstanz intensiv roth ge- färbt ist und für Knochengrundsubstanz gehalten werden muss, so beobachtet man, dass einige Zellen blau gefärbte Perizellularsubstanz besitzen und als Knorpelzellen, oder als Uebergangsformen zwischen Knorpel- und Knochenzellen zu betrachten sind. An älteren Partieen der Knochenbalken findet man diese blaue Perizellularsubstanz nicht mehr. Aus dieser kurzen Beschreibung kann man die thatsächliche Seite meiner Beobachtungen, sowie die Gründe ersehen, welche mich zur Annahme einer directen Knorpelverknöcherung geführt haben. Jetzt wie früher kann ich nicht die von mir beobachteten Erschei- nungen besser erklären. Um die von mir gefundenen Eigenthüm- lichkeiten der wissenschaftlichen Kritik meiner Fachgenossen zu unterziehen, habe ich mich bemüht, das von mir Beobachtete genau zu beschreiben und durch zwei Abbildungen zu erläutern, von de- nen die eine ein Gesammtbild (I. c. Taf. I Fig. 11) und die andere das von mir beschriebene Detail (l. c. Taf. IV Fig. 20) des am Proc. condyloideus zu beobachtenden Ossificationsvorganges dar- stellt. — Besser wusste ich nicht zu verfahren. Nun haben diese meine Beobachtungen in Stieda einen Geg- ner gefunden. Erlaubt sich Stieda mit solcher Schroffheit meinen Beobachtungen entgegenzutreten und die factische Seite derselben zu läugnen, ohne seine Behauptung durch irgend einen Beweis ge- stützt zu haben, so erlaube ich mir mein Urtheil dahin auszuspre- chen, dass wenn Stieda das von mir Beschriebene und Abgebildete an seinen Präparaten nicht gesehen hat, so hätte er Grund genug 268 Z. J. Strelzoff: gehabt, dasjenige genau auseinanderzusetzen, was er an seinen Präparaten gesehen hat; — das ist aber nicht geschehen! Findet Stieda die Schilderung meiner Beobachtungen, welche er zu wiederlegen sucht, »ausführlich‘, so müsste er noch eine ausführlichere liefern, das Beobachtete allseitig beschreiben, auf die feineren Ossificationsvorgänge anderer Skelettheile einen ‘vergleichenden Blick werfen, eine zusammenhängende Reihe von Bildern an den Augen des Lesers vorüberführen und seine Behaup- tungen durch Präparate (Abbildungen) beweisen, — was aber auch nicht der Fall ist. Anstatt die Wiedergabe der von mir beobachte- ten Thatsachen für »unnöthig« zu halten, wäre es ganz zweck- mässig, alle meine Angaben, welche er für unrichtig findet, vor den Augen des Lesers darzulegen, dieselben eingehender wissenschaft- licher Kritik zu unterwerfen, womöglich Fehlerquellen in helles Licht zu stellen und dadurch den Leser in die Lage zu versetzen, sich in jeder Hinsicht eine befriedigende Darstellung von den beob- achteten Thatsachen zu machen, die Bedeutung derselben gehörig zu erwägen, das Detail einer kritischen Prüfung zu unterziehen und über die Haltbarkeit der von dem Beobachter gezogenen Schluss- folgerungen sein Urtheil auszusprechen. Stieda ist einer anderen Meinung: durch Leugnen sucht er zu widerlegen, durch Behaupten nachzuweisen. Da Stieda die Frage „über die Entwickelung der Knochen und des Knochengewebes“ ohne jede Rücksicht auf feinere Ossifi- cationsvorgänge behandelt, so kann hier von der Discussion der betreffenden Frage keine Rede mehr sein. Nichtsdestoweniger. finde ich für nothwendig, noch dasjenige kurz zu berühren, was Stieda in groben Zügen gezeichnet hat. Ich habe noch deshalb kein Recht, die Betrachtungen Stieda’s mit Stillschweigen zu übergehen, weil er auf dieselben ein so grosses Gewicht legt. Stieda findet, dass die Frage über die Knochenbildung in genetischer Beziehung sehr wichtig ist (S. 242) und dass der Gegensatz zwischen der bisher geläufigen Ansicht und der meinigen »in Betreff der Bildung des Unterkiefers gross ist (S. 245).“ „Hierin lag für mich ein Grund,“ sagt Stieda, „die Entwickelung des knöchernen Unterkiefers und der Sca- pula einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen (S. 243).* Hat sich Stieda zur Prüfung meiner Beobachtungen so viel Mühe gegeben, leugnet er die „Richtigkeit“ meiner Angaben, so kann man ihm mit Recht die Frage stellen: wie erfolgt nun die Knochen- ie Se ee ei Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 269 bildung in den knorpeligen Bestandtheilen des Unterkiefers? Darauf gibt er nur eine Antwort: „genau so, wie in knorpelig gebildeten Röhrenknochen (S. 256).“ Fragt man: wie erfolgt die Ossification in den knorpelig gebildeten Röhrenknochen, so antwortet er: „ge- nau so, wie Str. es selbst am Röhrenknochen beschrieben hat (S. 256).* In einem directen Gegensatz zu dieser letzteren Behauptung gibt Stieda eine kurze Schilderung des Ossificationsvorganges, welche an die „Atrophie“ des Meckel’schen Knorpels erinnert; er sagt nämlich, dass die knorpeligen Theile des Unterkiefers unter- gehen, „indem das neu sich bildende Knochengewebe sie zur Atro- phie bringt (S. 258).“ An einer anderen Stelle: „Das sich am Proc. condyloideus (es handelt sich um einen 5,5 Cm. langen Katzen- embryo. Verf.) hier, wie auf späteren Stufen der Entwickelung dar- bietende Bild gleicht genau dem bekannten Bild des sogenannten Verknöcherungsrandes an der Diaphyse eines Röhrenknochens. Dies Bild hat die Autoren zu der Ueberzeugung geführt, hier wachse der Unterkiefer durch Össifieirung des Knorpels. Ich deute das Bild so, dass der fortwachsende Knorpel immerfort durch das nach- rückende Knochengewebe zum Schwund gebracht wird (S. 248).“ Obwohl Stieds sich auf mich beruft, habe ich doch nie so etwas „am Röhrenknochen“ beschrieben, noch beobachtet. Ich habe Verknöcherungsrand und Verkalkungsrand als zwei ver- schiedene Gebilde beschrieben und abgebildet (l. c. Taf. III Fig. 12. — Ueber Knochenwachsthum. Dieses Archiv. 1874. Bd. XI Taf. IV Fig. 9). Nach meinen Beobachtungen wird der Verknöcherungsrand von dem Verkalkungsrande durch eine Reihe von Granulations- räumen getrennt. „Das nachrückende Knochengewebe“ kann kei- neswegs den verkalkten Knorpel zum Schwund bringen, weil das- selbe von dem Verkalkungsrand, d. h. von der Stelle, wo die ver- kalkte Knorpelzone zu Grunde geht, verhältnissmässig entfernt liegt. Es wäre also von Interesse über den von Stieda beobach- teten Ossificationsvorgang und über die Art und Weise, wie er meine Schilderung der Ossificationsvorgänge versteht, das Detail zu wissen, sowie den Umstand in’s Klare zu bringen, warum ein ge- nau gleiches Bild, welches man immer am Verknöcherungsrande beobachtet, die Autoren zu der Ueberzeugung geführt hat, dass der Verknöcherungsprocess in den knorpeligen Theilen des Unter- kiefers ganz anders, als in irgend einem anderen knorpeligen prä- formirten Knochen vor sich geht. Was Stieda am Verknöcherungs- 270 Z. J. Strelzoff: rand des Proc. condyloideus gesehen hat und warum er zu einem so sonderbaren Schlusse gekommen ist, darüber fehlt jede weitere Erklärung. Damit sind die Beobachtungen Stieda’s über den Össificationsmodus des Unterkiefers geschlossen. Die Erscheinungen, welche, meiner Meinung nach, zu Gunsten der metaplastischen Knorpelverknöcherung sprechen und denjenigen, welche ich an den knorpeligen Bestandtheilen des Unterkiefers be- obachtet habe, ähnlich sind, habe ich auch an der Spina Sca- pulae von Schaf- und Rindsembryonen gesehen. Zur Prüfung der von mir gewonnenen Resultate hat Stieda die Bildung des Schul- terblattes bei Mäuse-, Katzen-, Kaninchen-, Schaf- und Schwein- embryonen und „an verschiedenen Entwickelungsstadien“ derselben untersucht. Eine solche allseitige Untersuchung ist mehr als in einer Beziehung wichtig. Die von mir an Scapulis beobachteten Bilder hat Kölliker ganz anders als ich verstanden und erklärt. Mit dieser Erklärung hängt aber die Beantwortung der ganzen Frage von dem Wachsthumsmodus der Knochen am innigsten zu- sammen. Es ist also wünschenswerth zu erfahren, was Stieda aus seinen Untersuchungen herausgebracht hat. „Ich kann“, sagt Stieda, „meine Beobachtungen in wenig Worte zusammenfassen: Der histologische Vorgang, durch welchen das ursprünglich knorpelig präformirte Schulterblatt (Corpus und Spina) in ein knö- chernes übergeführt wird, ist genau derselbe (!), wie man ihn bei Röhrenknochen beschreibt (S. 258).* Für dieses Mal willStieda auch nicht die von ihm beobachteten Ossificationsvorgänge schildern. Er beruft sich jetzt darauf, was „man“ beschreibt; aber „man“ beschreibt die Ossificationsvorgänge auf verschiedene Weise! Soll nun der Ossificationsvorgang in den knorpeligen Theilen des Unter- kiefers und in der Spina Scapulae „genau so“ verlaufen, wie „man“ beschreibt, oder etwa „genau so“, wie Str. es selbst am Röhren- knochen beschrieben hat, oder vielleicht „eben so“, wie Stieda es bei der Besprechung der „Atrophie“ des Meckel’schen Knorpels beschreibt ?? — Anstatt diese Verlegenheit zu beseitigen und die Natur der beobachteten Vorgänge in’s Klare zu bringen, sagt Stieda: „Eine eingehende Beschreibung oder Schilderung der Ent- wickelung des Schulterblattes kann ich füglich hier übergehen, da dieselbe nichts besonders Interessantes darbietet (?!!).“ Das ist schon un peu trop fort! Wenn man die Beobachtungen von Anderen zu vernichten sucht und seine eigenen gelten lassen will, Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 271 so ist eine solche Schilderung obligatorisch. Ja Stieda selbst hat »einigen Autoren« den völlig begründeten Vorwurf gemacht, sie hätten von einer Atrophie des Meckel’schen Knorpels gesprochen, »ohne jedoch den Vorgang der Atrophie auch nur im Entferntesten zu beschreiben. Das ist mir ein Beweis«, sagt Stieda, »dass/sie von dem Wesen der Atrophie des Knorpelgewebes auch nicht die geringste Ahnung gehabt haben (S. 254)«. Niemand wird die unbe- streitbare Richtigkeit und die grosse Tragweite dieses Satzes be- zweifeln. Seine Betrachtungen über den Ossificationsprocess des Unter- kiefers und der Spina Scapulae schliesst Stieda folgendermassen : »Ich hoffe, in den mitgetheilten Zeilen den Beweis(?) geliefert zu haben, dass es gar keinen metaplastischen Ossificationstypus im Sinne Str. gibt (S. 258)«. Ich bedauere sehr, dass mein Kri- tiker bei dem Studium der Knochenentwickelung »nichts besonders Interessantes« gefunden hat, sonst würde er in die Histogenese der Knochen einen tieferen Einblick gethan und die Gründe ersehen haben, welche mich zur Annahme des metaplastischen Ossifications- typus führten. Ich darf glauben, dass andere Beobachter, welche den von mir behandelten Gegenstand von Interesse finden, meine Beobachtungen einer vorurtheilsfreien Prüfung unterwerfen und die- selben in manchen Beziehungen vervollständigen werden. IV. Wachsthumsmodus der Knochen. Meine Untersuchungen »Ueber die Histogenese der Knochen« wurden zur Zeit angestellt, wo die allgemein acceptirte Meinung in voller Geltung war, dass der Tubus medullaris durch Auflösung der neugebildeten intracartilaginösen Knochensubstanz und bald der aus dem Periost auf dieselbe aufgelagerten Knochenschichten gebildet und erweitert wird; dass an Stelle des zerstörten Knochen- gewebes ein neues Gewebe auftreten soll, welches wieder zu Grunde geht und wieder ersetzt wird u. s. w., dass der Humerus des Er- wachsenen kein Atom der Knochensubstanz desjenigen des Neu- geborenen und dieser nichts von dem des dreimonatlichen Embryo enthält. Die zu gleicher Zeit erschienene vorläufige Mittheilung K öllikers lautete: »Die Entwickelung der Knochen und die typische Gestaltung derselben ist wesentlich das Produkt einer nach be- 2372 2. J. Strelzoff: stimmten Gesetzen vor sich gehenden Bildung von Knochengewebe durch die Osteoblasten und einer Auflösung desselben durch die Ostoklasten«. Bei meinen Studien der Knochenentwickelung hat es zwar lange gedauert, ehe ich mich auf dem schwierigen Wege meiner Beobachtungen zurechtzufinden vermochte, doch habe ich That- sachen beobachtet, welche mit der existirenden Lehre nicht über- einstimmen, oder mit derselben in Widerspruch stehen. Da die Verhältnisse in wachsenden Knochen zu mannigfaltig sind, als dass sie in einem einzigen Satze zusammengefasst werden könnten, so werde ich die von mir beobachteten Thatsachen in den nachfolgenden Punkten niederlegen, das Wesentliche scharf ins Auge fassen und vom Detail absehen. Eine kurze Darstellung der von mir gewon- nenen Resultate finde ich in dieser Schrift aus vielen Gründen noth- wendig. Es ist für mich wichtig, die von mir entwickelte und von Stieda bis zur Unkenntlichkeit veränderte Lehre herzustellen, einem und demselben Kreise von Lesern die Möglichkeit zu geben, meine Beobachtungen sowie die Angriffe Stieda’s allseitiger Kritik zu unterziehen und zu entscheiden, ob der von Stieda gezogene all- gemeine Schluss über meine Arbeit wohl begründet sei. 1. Bei dem Studium des endochondralen Knochens von verschieden alten Embryonen habe ich beobachtet, dass dieser Knochen sehr lange sein charakteristisches Aussehen bewahrt und durch eine ziemlich scharfe Linie (endochondrale Grenzlinie. Verf.) von dem pe- riostalen Knochen abgegrenzt wird. Untersucht man einen Röhren- knochen in beliebiger Höhe, so findet man immer, dass alle Knochen- balken, welche innerhalb dieser Linie liegen, unzweifelhafte Merk- male ihres endochondralen Ursprungs besitzen. Das war mir ein genügender Beweis dafür, dass wenn das endochondrale Knochen- gewebe wirklich zu Grunde geht, dasselbe nicht wiederersetzt wird. 2. Da ich in den Röhren- und kurzen Knochen von ziemlich alten Embryonen (d. h. in den Knochen, in welchen nach der accep- tirten Meinung nicht nur das endochondrale Knochengewebe, sondern auch eine grosse Partie der periostalen Rinde zerstört sein muss) das endochondrale Knochengewebe immer in guter Entwickelung fand, so lag mir der Gedanke nahe, dass der Zerstörungsprocess höchst wahrscheinlich sehr beschränkt sein müsse. Bei genauer Vergleichung der endochondralen Knochenbalken in verschiedenen Höhen des nämlichen Röhrenknochens von verschieden alten Em- bryonen, habe ichgefunden, dassdie endochondralen Knochen- DE RENNER. ENGER. RR WW Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 273 balken desto mächtiger werden, je näher sie der mitt- leren Partie der Diaphyse liegen, d.h. je älter sie sind. An längsgeschnittenen cylindrischen Knochen beobachtet man, dass die endochondralen Balken in der Mitte der Diaphyse die grösste Dicke haben, sich gegen die Ossificationslinie verjüngen und mit den Längssepta der Granulationsräume in continuirlicher Verbindung stehen. Diese Erscheinung legte mir natürlich die Frage nahe, ob der grosse Triumph, welchen die Resorptionsthiere wegen der Ent- deckung der Ostoklasten zu feiern beginnt, wohl begründet sei. 3. Ferner habe ich meine Aufmerksamkeit auf die periosta- len Knochenbahnen gerichtet und gefunden, dass die Anzahl und Dicke derselben desto bedeutender, je älter der embryonale Knochen ist. Der auffallendste Befund war der, dass der älteste, tiefste Knochenbalken zu gleicher Zeit derlängste und dickste ist (perichondrale Grundschicht. Verf.). An den Röhren- knochen, in welchen ihres Alters wegen die inneren periostalen Schichten durch die Erweiterung des Tubus medullaris aufgelöst sein müssten, habe ich die periostale Grundschicht ganz intact gefunden, derselbe lag dem endochondralen Knochen an. Bisher konnte ich nur eine vollkommene Integrität gerade derjenigen Knochenschichten constatiren, welche die neue Resorptionstheorie in erster Linie den Ostoklasten zum Opfer bringt. 4. Bei der Untersuchung der Markräume hat sich ergeben, dass die periostalen Markräume (Havers’sche Kanäle) desto enger werden, jeälter der Knochen ist. Die endochon- dralen Markräume, im Gegentheil, sind um so breiter, je näher sie der Mitte der Diaphyse liegen, d. h. je älter die endochondralen Knochenbalken sind. In der Höhe der Ossificationslinie sind die endochondralen Markräume in allen embryonalen Knochen ungefähr gleich breit. Trotz der vellkom- menen Integrität und Verdickung der Knochenbalken erweitern sich die endochondralen Markräume und. fliessen endlich in eine gemein- schaftliche Markröhre (Tub. med.) zusammen. Nun tritt uns die Frage entgegen, wie kommt der ganze Process zu Stande? Bei der Untersuchung der Querschnitte verschieden alter embryonaler Röhren- knochen habe ich gefunden, dass der durch die endochon- drale Grenzlinie gebildete Kreis einen desto grösseren Durchmesser besitzt, je älter der Knochen ist. Dieser Befund hat mir die Augen geöffnet: das war mir also ein grober 274 2. J. Strelzoff:; Beweis dafür, dass die periostale Röhre, sowie die durch die endo- chondrale .Grenzlinie von der periostalen Röhre abgegrenzte endo- chondrale Knochensubstanz expandirt. 5. Als ich zur Ueberzeugung kam, dass die Knochenbalken bleibende Gebilde sind, deren Expansion in schlagender Weise nachgewiesen werden kann, suchte ich die feineren im Knochen- gewebe stattfindenden Wachsthumsvorgänge zu erforschen. Ich habe gefunden, dass, abgesehen von der Vermehrung der Knochen- körperchen, die Knochengrundsubstanz bei der fortwährenden Knochenentwickelung bedeutend zunimmt. Aus der Bestimmung der Entfernungen zwischen den Knochenkörperchen an verschiedenen Stellen der Knochenbalken ergab sich, dass diese Abstände an dem perichondralen Grundbalken der Länge nach bedeutender, als der Dicke nach, und in der Richtung des Kreises des quergeschnittenen Knochens intensiver, als in der des Radius zunehmen. An den endochondralen Knochenbalken sind diese Distanzen desto bedeu- tender, je näher die Balken der Mitte der Diaphyse liegen. Es tritt also klar zu Tage, dass die Erweiterung der periostalen Röhre und der endochondralen Markräume durch das interstitielle Wachsthum des Knochengewebes bedingt wird. 6. Fasst man die elementaren Wachsthumsvorgänge im epi- physären Knorpel ins Auge, so findet man, dass seine succes- sive Verdickung bei der fortwährenden Knochenentwickelung durch Vermehrung der Knorpelzellen und Zunahme der Intercellularsub- stanz bedingt wird. Diese langbekannte, aber unbeachtete That- sache spielt bei der Erweiterung der endochondralen Markräume eine sehr wichtige Rolle. Abgesehen von den Vorgängen, welche man bei interstitiellem Wachsthum anderer Organe beobachtet, findet man am epiphysären Knorpel noch die Eigenthümlichkeit, dass die Knorpelzellen parallel der Längsaxe des Knorpels säulen- artig geordnet und zwischen die schon vorhandenen Knor- pelzellensäulen eingeschoben werden, wodurch die Granu- lationsräume und die mit diesen letzteren in Continuum stehenden endochondralen Markräume erweitert werden. In der Längsaxe des Knorpels ist dieser Einschiebungsprocess mehr ausgesprochen, als gegen die Peripherie desselben; die Erweiterung der in der Längsaxe des Knorpels liegenden Markräume muss also bedeutender sein. Die Expansionder periostalenRinde und derendo- chondralen Knochenbalken, sowie die im epiphysären Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 275 Knorpel vorsichgehenden Wachsthumsvorgänge dürfen also als Ursache betrachtet werden, welche das Zu- standekommen des Tubus medullaris bedingen. 7. Da die’ successiv an Dicke zunehmenden endochondralen Knochenbalken durch die eben beschriebenen Wachsthumsvorgänge bedeutender in der Längsaxe des Knochens, als gegen seinen Um- kreis expandiren, so werden dieselben nach und nach dem periosta- len Grundbalken genähert,. Diese Erscheinung muss natür- licherweise auf Rechnung mechanischer Einwirkung der in den Punkten 5 und 6 beschriebenen Vorgänge gesetzt werden. Die peri- pheren endochondralen Balken kommen bald an die perichondrale Grundschicht zu liegen, wodurch die endochondrale Grund- schicht gebildet wird, welche zuerst ziemlich dünn ist und in jüngeren Abschnitten des Knochens, d. h. in der Höhe der Ossi- ficationslinie noch ganz und gar fehlt. Die übrigen endochondralen Knochenbalken bleiben jetzt als Uebergangs- und secundäre endochondrale Balken stehen. Während des fortschreitenden Wachs- thums des Knochens werden diese letzteren immer mehr und mehr dem schon abgelagerten dünnen endochordralen Grundbalken ge- nähert und fliessen zuletzt mit demselben in einen ge- meinschaftlichen endochondralen Grundbalken zu- sammen, welcher den Tubus medullaris umgibt und am Quer- schnitte als ein ziemlich dicker Ring erscheint. Fasst man nun den Durchmesser des Tubus med., sowie die Integrität der beiden Grund- schichten ins Auge, so kann man nicht mehr in Zweifel darüber sein, dass der Tubus medullaris nicht anders, als durch Expansion und Verschiebung der Knochenbalken ent- standen sein kann. 8. Etwas anders sind die Verhältnisse in kurzen Knochen und Epiphysen. Hier ist der endochondrale Knochenkern von allen Seiten mit Knorpel umgeben. Bei fortwährendem Wachsthum des Knorpels werden neue Granulationsräume eröffnet und neue endochondrale Balken rings um den schon vorhandenen Knochen- kern gebildet. Die mechanische Einwirkung, welche in Röhren- knochen durch die interstitiellen Wachsthumsvorgänge der periosta- len Röhre und des an den beiden Enden derselben befindlichen Gelenkknorpels hervorgerufen wird, fehlt in kurzen Knochen ganz und gar. Die endochondralen Knochenbalken wurden also hier nicht verschoben, sie bleiben stationär. Bei dem fortschreitenden Knochen- 276 2. J. Strelzoff: wachsthum erweitern sich zwar die endochondralen Markräume, was ohne Verschiebung der Knochenbalken nicht denkbar ist, doch werden hier die Knochenbalken nicht gegen die Peripherie des Knochens verschoben und bleiben als Bälkchen der Substantia spongiosa stehen. 9, In Röhrenknochen bleibt die endochondrale Grundschicht so lange von der periostalen durch die endochondrale Grenz- linie abgegrenzt, bis diese letztere durch eine innige Verwach- sung der beiden Grundschichten unsichtbar wird. Bald darauf schwinden die in der endochondralen Grundschicht enthaltenen ver- kalkten Knorpelreste, indem dieselben dünner werden, in Form feiner, unterbrochener knotiger Linien erscheinen, später in Gestalt zerstreuter Knötchen sich darstellen, welche weniger und weniger zahlreich werden und endlich gänzlich verschwinden. In diesem Falle ist an der betreffenden Stelle keine Spur von endochondralen Knochen zu entdecken. Untersucht man die Längsschnitte solcher embryonaler Röhrenknochen, welche in der Mitte der Diaphyse keinen endochondralen Knochen mehr zeigen, so kann man beob- achten, dass die endochondrale Grenzlinie, welche an oberen und unteren Abschnitten des Knochens sehr genau zu verfolgen ist, gegen die Mitte der Diaphyse in die Dicke der periostalen Rinde verloren geht. Denken wir uns die Linie bis in die Mitte der Diaphyse ver- längert, so würden wir durch diese abstracte Linie das schon ver- schwundene Segment der endochondralen Grenzlinie herstellen. Das Knochenstück, welches zwischen dieser abstracten Linie und dem Tubus medullaris liegt, ist endochondral entstanden, obwohl dasselbe keine Spur mehr von Knorpelresten besitzt. 10. Bei der Beurtheilung der Vorgänge, welche die Knochen gestatten, ist es nothwendig, die Ablagerungsweise des neu entstandenen Knochengewebes (Apposition) und das interstitielle Wachsthum desselben in Betracht zu ziehen. Fassen wir zuerst den ersten Wachsthumsmodus ins Auge, so beobachten wir, dass das appositionelle Knochenwachsthum nicht an allen Stellen des Knochens gleichzeitig und gleichmässig erfolgt. Es kommt öfters vor, dass an einigen Knocherflächen die Knochenablagerung ganz und gar fehlt (aplastische Flächen), während sie an den anderen mehr weniger intensiv vor sich zu gehen pflegt (Ossificationsflächen). An gewissen Stellen der Knochenflächen finden wir, dass die vergrös- serten Bildungszellen des Periost zu Zellensträngen sich gruppiren und zu Knochengewebe sclerosiren. Dadurch entstehen neue Ar- Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen. 277 chitekturelemente des Knochens, welche je nach dem Ort ihrer Ent- stehung typisch verlaufen. An anderen Stellen der Knochenflächen werden keine Zellenstränge und keine neuen Architekturelemente gebildet; die schon vorhandenen Knochenbalken werden durch die Selerosirung der wandständigen Zellen verdickt. Was den zweiten Wachsthumsmodus betrifft, so kann man sich aus der Bestimmung der Entfernungen zwischen den Knochenkörperchen überzeugen, dass die Knochenbalken nach verschiedenen Richtungen verschieden intensiv interstitiell wachsen. Mit der Intensität des appositionellen und interstitiellen Wachs- thums steht die Wachsthumsrichtung der Knochenbalken und somit die typische Gestaltung der Knochen im innigsten Zusammen- hange. Denken wir uns ein präformirtes Knorpelstück, dessen mitt- lere Partie in ihrer ganzen Dicke durch präparatorische Ossifications- vorgänge zerstört wird und verfolgen wir seinen Entwickelungsprocess weiter, so sehen wir nämlich, dass die beiden von der Zerstörung verschonten Theile des Knorpels durch eine periostal entstandene Knochenlamelle mit einander verbunden werden. Diese Lamelle wächst sehr intensiv der Länge nach, wobei die knorpeligen Enden sich von einander entfernen. An der Anordnung der Knorpelzellen kann man erkennen, dass der Knorpel selbst hauptsächlich der Länge nach wächst, indem die Quersepta seiner unteren verkalkten Schicht (Verkalkungsrand) beständig zu Grunde gehen und nur die Längssepta übrig bieiben und als Gerüst zur Ablagerung des neugebildeten endochondralen Knochengewebes dienen. Nach dem Ablauf des Wachsthumsprocesses entsteht ein langer Knochen, welcher seine Form der Ablagerungsweise und Wachsthumsrichtung der denselben constituirenden Architekturelemente zu verdanken hat. Wird der präformirte Knorpel durch die präparatorischen Össificationsvorgänge nicht bis an seine Oberfläche, sondern nur in seiner mittleren Partie zerstört und der neugebildete endochon- drale Kern von allen Seiten mit Knorpel umgeben, so sind die Wachs- thumsresultate ganz andere. Die periostale Hülle, sowie die Epi- physen sind hier nicht vorhanden, die Richtung der unzerstört ge- bliebenen verkalkten Knorpelsepta ist radiär; die Ablagerung des endochondralen Knochens erfolgt nach allen Richtungen ungefähr gleichmässig; wir haben jetzt einen sogenannten kurzen Knochen vor uns. Von allergrösster Bedeutung für die Gestaltung der Knochen muss noch der Umstand sein, dass die das Knochenindividuum 978 2. J. Strelzoff: zusammensetzenden Theile sich zu verschiedenen Zeiträumen ganz selbständig entwickeln und unabhängig von einander wachsen. Fasst man nun die Leistungen des präformirten Knorpels sowie die Ungleichmässigkeit des appositionellen und inter- stitiellen Wachsthums ins Auge, so kann man leicht die Verhältnisse begreifen, unter denen alle möglichen Knochenformen zur Ausbildung kommen. / Nachdem ich die ganze Reihe der von mir beschriebenen Thatsachen beobachtet und ihr regelmässiges zeitliches und räum- liches Vorkommen festgestellt hatte, lag es mir vollkommen klar vor Augen, dass der Wachsthumsmodus der Knochen in vollem Sinne des Wortes ganz und gar unbekannt ist und dass die im Gebiet der graualten Lehre neu aufgedeckten Osto- klasten nichts Anderes als auf ein altes Kleid gesetzte neue Flecke sind. Ich habe mit den allgemein gangbaren Ansichten gebrochen, und, mich an die Thatsachen haltend, aus meinen Beobachtungen folgende Schlüsse gezogen: 1) Es findet an wachsenden Knochen keine Resorption statt. 2) Die Knochenbalken sind bleibende Gebilde, deren Anordnung für jeden einzelnen Knochen typisch und jedem Entwickelungsstadium eigenthümlich ist. 3) Die ty- pische Gestaltung der Knochen wird durch die selbständige Ent- wickelung und das ungleichmässige Wachsthum der das Knochenindividuum constituirenden Theile bedingt. 4) Die Erweite- rung der Markräume hängt von der Wucherung des Knorpels, Ex- pansion und Verschiebung der Knochenbalken ab. 5) Dieser letztere Vorgang ist als Theilerscheinung des ungleichmässigen Wachsthums der Knochen zu betrachten. In seiner Mittheilung sucht Stieda meine Beobachtungen über den Wachsthumsmodus der Knochen zu widerlegen und die Unfehlbarkeit der Resorptionstheorie nachzuweisen. Er sagt: »Will man aber, so urtheile ich, Str. von der wirklichen Bedeutung der Ostoklasten überzeugen, so muss man nachweisen, dass die von ihm gegebene Beschreibung des Wachsthums der Knochen und die daran sich knüpfende Auseinandersetzuug der Vorgänge unrichtig ist (S. 260).« Betrachten wir die Discussionsmethode von dem Ge- sichtspunkte Stieda’s aus und finden wir den angeführten Satz richtig, so stellt sich natürlicherweise die Frage heraus, was muss man thun, um nachzuweisen, dass die von mir gegebene Beschreibung Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen. 279 und folglich die ganze Lehre unrichtig ist? Ich glaube nicht auf Widerspruch zu stossen, wenn ich sage: um diese Lehre zu wider- legen, muss man erst dieselbe recht gut verstanden haben, ferner sich genau an zahlreichen und geeigneten Präparaten orientiren, für die von mir beschriebenen Erscheinungen eine bessere, d. h. richtige Erklärung finden, oder vielleicht noch neue Thatsachen aufdecken, welche mit den von mir abgeleiteten Schlussfolgerungen nicht übereinstimmen, oder dieselben direkt widerlegen. Ob eine solche Widerlegung zu gleicher Zeit die »wirkliche Bedeutung« der Ostoklasten nachweisen könnte, wie Stieda glaubt, das ist wieder eine andere Frage, mit welcher wir hier Nichts zu schaffen haben. Nachdem Stieda in wenig Worten auf die herrschenden An- sichten über das Knochenwachsthum aufmerksam gemacht hat, sagt er: vor Kurzem ist auch Str. gegen die Lehre vom appositionellen Wachsthum aufgetreten... .. so ergreife ich die Gelegenheit, die Lehre vom Knochenwachsthum durch Apposition gegen die Angriffe Str. zu vertheidigen (S. 259)«. Weiter auch versichert Stieda, dass ich »gegen den Knochenwachsthum durch Apposition Protest eingelegt habe« (S. 260). Liest man aber meine Schrift durch, so findet man, dass ich nicht nur von Knochenapposition, sondern auch von einer ungleichmässigen Knochenapposition spreche. An verschiedenen Stellen meiner Arbeit habe ich mich gegen die Ansicht J. Wolff’s ausgesprochen, welcher kein appositionelles Wachsthum zulässt. Die folgenden Sätze, welche ich ihrer Kürze wegen citire, sind so klar, dass dieselben kaum missverstanden werden können. Auf S. 51: »Hier will ich noch besonders betonen, dass, so lange der Össificationsprocess noch nicht abgelaufen ist, an jungen Knochen Stellen vorkommen, welche ich Ossificationsgebiet nenne, wo der Ablagerungs- oder Appositionsprocess noch thätig ist und sehr genau studirt werden kann.« Auf S.78: Die »characteristische Knochenarchitectur wird also, abgesehen von anderen Ursachen, durch die regelmässige, an gewissen Stellen und in gewissen Zeit- räumen erfolgende Ablagerung der für den architectonischen Aufbau der Knochen nothwendigen Elemente ausgebildet.« So sonderbar und überraschend die Ansicht Stieda’s über die wesentlichen Punkte meiner Arbeit ist, so wäre es wünschens- werth zu erfahren, wie Stieda die von mir »angegriffene« Appo- sitionslehre »vertheidigen« und noch diese Lücke ausfüllen wird. Das ist um so interessanter, als die discutirten aplastischen Flächen, Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 12. 19 280 Zul. Strelzoff: welche Kölliker für Resorptionsflächen hält, mit dem appositionellen Knochenwachsthum im innigsten Zusammenhang stehen. Das ange- regte Interesse wird aber nicht befriedigt: Stieda ist bei seiner Versprechung stehen geblieben und hat von dem appositionellen Knochenwachsthum nicht mehr gesprochen! Ich brauche also hier Nichts weiter darüber zu sagen. Ferner behauptet Stieda, dass die »Anhänger der Resorptions- theorie« den Schwund des endochondralen Knochens, sowie der endochondralen Grenzlinie durch Zerstörung des endochon- dralen Knochens erklärt haben. »Dieser Annahme der Zerstörung des endochondralen Knochengewebes«, sagt Stieda, »tritt nun Str. schroff entgegen (S. 261)«. Ich kann Stieda versichern, dass die von ihm nicht genannten »Anhänger der Resorptionstheorie« vor der Erscheinung meiner Arbeit über die Verbreitung des endochon- ‘dralen Knochengewebes nicht viel Genaues wussten und von der Existenz der endochondralen Grenzlinie keine Ahnung hatten. Diese »Anhänger« konnten also nicht eine Zerstörung der ihnen unbe- kannten Gebilde nachweisen ; was aber mich betrifft, so konnte ich auch nicht der noch nicht existirenden Ansicht entgegentreten. Bei der Besprechung der endochondralen Grenzlinie hat Stieda gefunden, dass diese Bezeichnung unrichtig sei. Die endochondrale Grenzlinie soll nach ihm »Grenzlamelle« heissen (S. 261). Ich kann aber Stieda nochmals versichern, dass meine endochondrale Grenz- linie keine Lamelle ist und wenn er eine »Grenziamelle gefunden hat, so ist es zu bedauern, dass er das von ihm aufgedeckte neue Architecturelement der Knochen nicht beschrieben hat. Dies wäre noch deshalb nothwendig, weil diese »Grenzlamelle«, nach ihrem Entdecker, »zwischen dem perichondralen und endochondralen Kno- chen« liegt und folglich weder perichondralen noch endochondralen Ursprungs sein muss. Zu Gunsten der Knochenresorption werden von Stieda fol- gende Beweise geführt: »Ich habe im Laufe der letzten Zeit speciell bei Untersuchung des sich bildenden Unterkiefers vielfach Ver- anlassung gehabt, die Angaben Kölliker’s in Betreff der Osto- klasten zu prüfen und muss dieselben durchaus bestätigen (8. 259)«. Weiter: »Da ich den ausführlichen und nach allen Richtungen zum Abschlusse gelangten Mittheilungen Kölliker’s keine neuen That- sachen hinzuzufügen vermag, so begnüge ich mich mit der Aner- kennung und Bestätigung (S. 260)j«. Diese Angabe Stieda’s ent- ne Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 281 zieht sich der kritischen Prüfung ganz und gar. Anstatt die beob- achteten Thatsachen genau zu beschreiben, ihre Bedeutung gehörig zu erwägen und die factische Seite der Frage ins helie Licht zu stellen, hat sich Stieda darauf beschränkt, aus den von ihm nicht beschriebenen und uns ganz unbekannten Erscheinungen einen ganz bestimmten Schluss zu ziehen. Bei der Besprechung der »Atro- phie« des Meckel’schen Knorpels hat er zwar folgenden Satz aus- gesprochen: »An der den Zahnkeimen zugekehrten Fläche des knö- chernen Halbkanals (des Unterkiefers, Verf.) zeigen sich zahlreiche Ostoklasten (im Sinne Kölliker’s), als Beweis der hier stetig stattfindenden Resorption des alten Knochengewebes (S. 247)«. Nach dem, was ich in meiner Abhandlung und in dieser Schrift über die Wachsthumsvorgänge der Knochen gesagt habe, finde ich hier ganz überflüssig, Streitigkeiten über die leere Frage nach der »wirklichen Bedeutung« der Ostoklasten zu führen, ich will nur darauf auf- merksam machen, dass Kölliker!) unter dem Namen »Östoklasten« Elementarorganismen beschrieben hat, welche von 0 bis 60 Kerne haben und deren Gestalt »so ungemein wechselnd ist, dass sich kaum eine specielle Beschreibung derselben geben lässt«. Man kann also mit Recht die Frage stellen: was Stieda am Unterkiefer eigentlich gesehen hat? Sagt Stieda, dass er an demselben Osto- klasten gesehen hat, so sagt er damit so viel wie Nichts. Das ist Alles, was Stieda geliefert hat, um die »wirkliche Bedeutung« der Ostoklasten, sowie die Unrichtigkeit der von mir »gegebenen Beschreibung des Knochenwachsthums und der daran sich knüpfenden Auseinandersetzung der Vorgänge« nachzuweisen. Ferner eitirt Stieda einige Sätze aus meiner Arbeit, welche aber von ihm nicht discutirt werden. Ja, der Leser soll selbst er- rathen, dass alle diese abgerissenen Sätze zusammengenommen keinen besonderen Sinn haben. Aus diesen Citaten kann man ersehen, dass Stieda in einer ganz eigenthümlichen Weise meine ganze Arbeit aufgefasst hat. Er glaubt z. B., dass der Hauptgrund der Verwerfung der Ostoklasten für mich die Möglichkeit ist, »das Knochenwachsthum durch eine andere Erklärung — Verschiebung oder Wanderung der Knochenbalken — zu deuten (S. 263)«. Er erklärt aber diese »Hypothese« für unbegründet, indem er ausruft: »Ich behaupte im Gegentheil, es findet beim Knochen- 1) Die normale Resorption des Knochengewebes 1873. Leipzig, S. 21. 982 2. J. Strelzoff: wachsthum keine Verschiebung und keine Wanderung der endochondralen Knochenbalken statt! ($. 262).« Weiter: »Wie soll, frage ich, das vollständige Verschwinden (des endochondralen Knochens, Verf.) durch eine Verschiebung oder Wanderung erklärt werden? Die Resorption erklärt die erörterten Thatsachen bequem und leicht (S. 263).« Ich verweise Stieda auf meine Arbeit, welche ihn orientirt haben wird, dass keineswegs der endochondrale Knochen, sondern die in demselben enthaltenen Knorpelreste schwinden. Da Stieda alle die Wachsthumsvorgänge, welche ich an den in Entwickelung begriffenen Knochen beobachtet habe, ausser Acht gelassen und nur die »Hypothese« über die Verschiebung der Knochenbalken in’s Auge gefasst hat, so muss die Discussion der sanzen Frage natürlicherweise auf die Verschiebung der Knochen- balken beschränkt werden. Es handelt sich also um die thatsäch- liche Seite dieses Vorgangs. Meine Aufgabe in dieser Beziehung ist deshalb schwierig, weil Stieda die Ergebnisse meiner Beob- achtungen durch einfaches Leugnen zu widerlegen sucht, ohne irgend einen Nachweis zu liefern, dass er mit der neuen Untersuchungs- methode vertraut ist und die von mir beschriebenen Wachsthums- vorgänge studirt hat. Ich werde also hier nicht auf das Detail ein- gehen und mich nur darauf beschränken, ein Untersuchungsobject vorzulegen, an welchem man die Verschiebung der Knochenbalken ohne Mikroskop und ohne etwaige Kunstgriffe beobachten kann. Dieses Untersuchungsobject ist ein Vogelknochen, nämlich der Tarsometatarsus von Tauben. Bei sehr jungen Tauben besteht der Tarsometatarsus aus drei parallel mit einander in frontaler Richtung angeordneten Röhren- knochen, welche durch eine Schicht Bindegewebe von einander ge- trennt sind. Bei der fortwährenden Entwickelung dieser Vögel ver- wachsen die drei Röhrenknochen mit einander, so dass dieselben nur einen einzigen Knochen bilden. An den beiden Gelenkenden dieses Knochens kann man’ noch eine Spur von den früher dage- wesenen drei Knochenindividuen entdecken. Wie dieser Verwach- sungsprocess vor sich geht, davon werde ich nicht sprechen. Sägt man in diesem Entwickelungsstadium den Tarsometatarsus in der Mitte der Diaphyse der Quere nach durch, so sieht man, dass dieser Knochen drei Knochenmarkröhren (Tub. med.) besitzt, welche durch zwei knöcherne Längssepta von einander getrennt sind. Diese drei a2 Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 283 Markröhren sind nichts Anderes, als die Markröhren der drei früheren Röhrenknochen und die Längssepta sind die Wände, welche durch die Verwachsung der drei Knochen gebildet sind. Führt man aber einen Querschnitt durch die Diaphyse dieses Knochens zu der Zeit, wo die Tauben ausgewachsen sind, so findet man keine Längssepta mehr, die drei Knochenmarkröhren sind in einen ge- meinschaftlichen Tubus medullaris zusammengeflossen; die Knö- chernen Scheidewände sind spurlos verschwunden. Wie ist dieser Vorgang zu erklären? Von dem Standpunkte der Resorptionstheorie aus ist die Erklärung so „bequem und leicht“, dass man den Kno- chen nicht zu untersuchen, ja gar nicht zu sehen braucht, um mit Bestimmtheit zu entscheiden, dass die in Rede stehenden Knochen- balken durch Resorption zu Grunde gegangen sind. Will man aber den Knochen in verschiedenen Entwickelungsstadien an frontalen Längsschnitten untersuchen, so kann man sich überzeugen, dass bei dem fortwährenden Knochenwachsthum die Längssepta sich nach und nach den äusseren Knochenwänden nähern, wobei der mittlere Tubus medullaris breiter und die zwei seitlichen enger werden, so dass endlich die beiden Septa (das eine rechts, das andere links) an den correspondirenden Knochenwänden zu liegen kommen und zuletzt mit diesen letzteren verwachsen. An frontalen Längsschnit- ten findet man in diesem Stadium, dass die beiden Längssepta in der Mitte der Diaphyse mit den Knochenwänden schon verwachsen sind, am oberen und unteren Abschnitte des Knochens (welche viel dicker, äls die Mitte des Knochens sind) dieselben von den latera- len Knochenwänden entfernt liegen und diese Knochenabschnitte in drei Markhöhlen theilen. Die Längssepta können also während des ganzen Verschiebungsvorganges in ihrer ganzen Integrität und Con- tinuität verfolgt werden. Es liegt jetzt nicht in meiner Absicht, die elementaren Vor- gänge, welche die Verschiebung der besprochenen Längssepta be- dingen, zu beschreiben; ich will nur eine nackte und grobe Thatsache vor Augen stellen, um nachzuweisen, dass meine Angabe über die Verschiebung der Knochenbalken keineswegs von mir aus- gedacht, sondern durch empirische Forschung herausgebracht wor- den ist. Im Vorbeigehen will ich noch darauf hinweisen, dass die Entwickelungsgeschichte des besprochenen Knochens auch für Ma- thematiker interessant, ja vielleicht lehrreich sein könnte. Stieda hat seiner Mittheilung einen Auszug von der Ab- 284 2.J. Strelzoff: handlung Lov&n’s und der Uranossow’s vorausgeschickt, um dem Leser zu zeigen und ferner zu sagen, dass die Resultate der grössten Partie meiner Untersuchungen mit denjenigen der ge- nannten Autoren übereinstimmen. Die Ergebnisse meiner Beobach- tungen können unmöglich mit denjenigen dieser zwei Arbeiten über- einstimmen, aus dem einfachen Grund, dass Uranossow (die Genese der Markzellen ausgenommen) die von mir behandelten Gegenstände gar nicht verfolgt und gar nicht beschrieben hat, und was die Beobachtungen Lov&n’s betrifft, so bin ich mit ihm über Knochenentwickelung nicht im Geringsten einverstanden. Die Resultate meiner Beobachtungen können schon deshalb nicht mit denjenigen Lov&n’s übereinstimmen, weil ich den ganzen Gegen- stand nach einer neuen Methode und nach neuer Richtung studirt und folglich die Thatsachen beobachtet habe, welche Loven nicht gesehen hat und nicht sehen konnte. Obwohl mir die schwedische Literatur nicht zugänglich ist, doch habe ich Data genug, um mein Urtheil darüber auszusprechen. Fasst man das Gesammtresultat meiner Beobachtungen in’s Auge, d. h Wachsthumsmodus der Knochen, so kann man sich überzeugen, dass im Auszuge, welchen Stieda von der Lov&n’schen Abhandlung gibt, nicht das Entfernteste von dem zu finden ist, was ich in meiner Arbeit ausführlich und in der vorliegenden Schrift in 10 Puncten kurz auseinandergesetzt habe. Aus der Mittheilung Lov&n’s, welche in die deutsche Sprache übersetzt ist und die Resultate seiner Beob- achtungen zusammenfasst, kann man ersehen, dass die Ergebnisse seiner Untersuchungen mit den meinigen in einem directen Wider- spruch stehen!. Was nun das Detail und die elementaren Ossificationsvorgänge betrifft, so ist. meine Auffassung und Schilderung derselben von dem, was Lov&n beschrieben hat, ganz verschieden. Stieda hebt besonders den Umstand hervor, dass einige von mir angewendete Bezeichnungen und Ausdrücke auch schon von Lov&n gebraucht worden sind. Das soll, nach Stieda, heissen, dass Lov&n ganz dasselbe wie ich beschrieben hat. Diese Bezeichnungen sind: »formbildende Rolle des Knorpels«, »inter- membranöse (intra ?)«, »periostale« »intracartilaginöse« Ossification, »primäre Periostlamelle (periostale Grundschicht, Verf.)«. Alle diese 1) Ueber die physiologische Knochenresorption. Verhandl. der Würz- burger phys.-med. Gesellsch. N. F. IV. Bd. Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen 285 Bezeichnungen sind so wenig von mir, wie von Lov&n in die Wis- senschaft eingeführt worden. Dieselben werden bei der Besprechung der Ossification auf jedem Schritt angewendet und sind schon seit langer Zeit bekannt. Von der formbildenden Rolle des Knorpels hat schon Howship (1815—19), von der intramembranösen Ossi- fication — Nesbitt (1736), von der periostalen —Havers (1692) und Du Hamel (1739-43) gesprochen ; über die intracartiloginöse Knochenbildung hat H. Müller das Bedeutendste geliefert. Es kommt also nicht auf die Bezeichnungen, sondern darauf an, was unter denselben beschrieben und wie aufgefasst wird. Lov6n hat z. B. in dem periostalen Knochen glomeruli ossei beschrie- ben. Das ist schon genügend, um zu zeigen, dass er über die Ab- lagerungsweise und Lagerungsverhältnisse des periostalen und en- dochondralen Knochengewebes mit mir gar nicht übereinstimmt. Ferner führt Stieda in seinem Auszug die Methode an, nach wel- cher Lov&n nachgewiesen hätte, dass eine directe Knorpelverknö- cherung nicht vorkommt. »Zum Beweis« für die genetische Un- abhängigkeit des Knochengewebes vom Knorpelgewebe,« sagt Stieda, »führt Loven die Leichtigkeit an, mit welcher beide Gewebe von einander getrennt werden können. An einem mit Chromsäure oder Salzsäure behandelten Röhrenknochen kann man nämlich durch vorsichtiges Ziehen — am besten unter Wasser — den Knorpel leicht von dem hineinwachsenden Knochen trennen (8. 239).« Ich bitte den unbefangenen Leser zu entscheiden, ob ich bei meinen Untersuchungen die Natur der Ossificationsvorgänge »durch vor- sichtiges Ziehen unter Wasser« zu erklären suchte. Ich habe mich einer ganz anderen Methode bedient und bin zu einer ganz anderen Auffassung der Ossificationsvorgänge gekommen. Kein Wunder also, dass die Resultate unserer Untersuchungen nicht übereinstimmen, obwohl einige Bezeichnungen ähnlich sein können. Es bleibt nun die »primäre Periostlamelle« übrig. Fragt man nach Inhalt und Umfang des Begriffes, der sich an diese Bezeichnung knüpft, so ist die Antwort darauf nichtssagend: aus der Darstellung Stieda’s kann man nur so viel verstehen, dass bevor die Ablagerung der zweiten und dritten Periostlamelle erfolgt, nothwendiger Weise die erste, d. h. die »primäre« abgelagert werden muss. Das ist ja selbstverständlich! Der Grundgedanke sowie das Detail meiner gan- zen Arbeit haben mit den Beobachtungen Loven’s Nichts gemein. Ich habe in meinen Untersuchungen den ersten Versuch gewagt, 2386 Z. J. Strelzoff: eine Topographie der wachsenden Knochen zu entwerfen und eine genaue Verfolgung der die Knochenform bedingenden Bau- elemente möglich zu machen. Nur unter diesen Bedingungen können wir über den Wachsthumsmodus der Knochen einen be- stimmten Aufschluss gewinnen und durch ein vergleichendes Stu- dium der Entwickelung anderer Organe unsere Anschauungen ver- allgemeinern. Bei dem Studium des Wachsthumsmodus der Knochen handelt es sich um das formbildende Princip der. Organe; aus den Organen werden aber die höheren Organismen zusammengesetzt; e8 kommt hier also das allgemeine morphogenetische Ge- setz in Frage, welches höchst wahrscheinlich für alle Organe ge- meinschaftlich ist. Schon Hunter suchte ein allgemeines Princip festzusteilen, welches bei der Gestaltung der Organismen thätig ist. Er hat die Metamorphose der Insecten durch Ansatz und Wegnahme erklärt und seine Ansichten über die Gestaltung der Weich- und Hartge- bilde aller organisirten Naturkörper verallgemeinert. Absorption und Anbildung — das war für Hunter ein allgemeines morphogenetisches Gesetz der Organismen. Die Nachfolger Hunter’s, haben den Gedanken ihres unsterblichen Meisters nicht verstanden: sie sagen der Knochen sei todt, unnachgiebig, er müsse sich anders als andere lebensfähige Organe gestalten. Sie pro- faniren den Namen des grossen Mannes, indem sie sich auf seine Autorität berufen. Seitdem Darwin die Lehre Lamark’s in’s Leben gerufen und durch seine umfangreichen und bahnbrechenden Untersuchungen die Morphogenie der Organismen zur Wissenschaft erhoben hat, suchten Naturforscher die physiologischen Functionen der Entwicke- lung und Gestaltung der Organismen zu erforschen und festzu- stellen. In der neuesten Zeit hat Haeckel die Formenlehre als physiologische Wissenschaft in geistreicher Weise entwickelt und in überzeugender Weise den Beweis geführt, dass die Vererbung und Anpassung einerseits und der Ernährungs- und Wachs- thumsprocess andererseits die organisirten Naturkörper zu ihrer Entwickelung und Ausbildung bringen. Unsere weiteren Beobach- tungen über die Gestaltung der Organismen müssen also nach ver- schiedenen Richtungen und nach verschiedenen Untersuchungsmetho- den durchgeführt werden. Wir haben das formbildende Prineip der Organismen phylogenetisch und ontogenetisch zu verfolgen. Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen. 287 In der ontogenetischen Beziehung hat His die ersten Ent- wickelungserscheinungen an Hühnerembryonen studirt und alle Formveränderungen des sich entwickelnden Embryo auf ein allge- meines Princip zurückzuführen gesucht. Aus seinen Untersuchungen ergibt sich, dass die ununterbrochene Reihe von Formveränderungen, welche der werdende Organismus durchläuft, von »ungleichem Wachs- thum« seiner Theile abhängt. Durch das ungleiche Wachsthum wer- den Verschiebungen und Wanderungen der ganzen Organe, wie z. B. des Herzens, der Wolff’schen Gänge u. a. m. bedingt. Das allgemeine Gesetz, nach welchem der Thierkörper zur Aus- bildung kommt und die ihm eigenthümliche Gestalt erhält, formu- lirt His folgendermassen: »Es ist bei gegebener Anfangs- form des Keimes die Form des aus demselben hervor- gehenden Körpers eine abgeleitete Folge der räum- lichen und zeitlichen Vertheilung des Keimwachs- thums.« (Unsere Körperform und das physiologische Problem ihrer Entstehung. Leipzig 1875.) Die von mir über die Entwickelung der Hartgebilde aftesteil: ten Untersuchungen und die Beobachtungen von His sind ganz unabhängig von einander ausgeführt worden und stimmen vollstän- dig mit einander in allen Puncten überein. Diese Beobachtungen gestatten uns die Einzelerfahrungen zu verallgemeinern, indem sie uns auf den Gedanken führen, dass das ungleichmässige Wachsthum die Organe gestaltet und als formbilden- des Prineip der Organismen zu betrachten ist. Wie sehr aber das tiefere Verständniss der Knochenentwickelung und der daraus hervorgehenden allgemeinen Resultate noch vermisst wird, wüsste ich kein besseres Beispiel anzuführen, als den Umstand, dass der Hauptgedanke, der der ganzen Arbeit »Ueber die Histo- genese der Knochen« zu Grunde liegt, meinem verehrten Kritiker verborgen geblieben ist. Die Frage nach dem Wachsthumsmodus der Knochen hat eine viel grössere Tragweite, als man gewöhnlich glaubt und greift tief in die Ontogenie ein. Um die Bahn zum Verständniss derselben zu eröffnen, muss: man die für den architeetonischen Aufbau der Kno- chen dienenden Elemente Schritt für Schritt auf dem Wege ihrer Entstehung verfolgen, ihre weitere Entwickelung und Lagerungs- verhältnisse in verschiedenen Wachsthumsstadien in den Kreis sei- ner Untersuchungen ziehen und aus zahlreichen Einzelerfahrungen 288 2. J. Strelzoff: sich ein möglichst vollständiges Gesammtbild des ganzen Vorgangs entwerfen. Von diesem Gesichtspuncte ausgehend, habe ich den Wachsthumsprocess der Knochen zu erforschen gesucht, meine Be- obachtungen auf fast alle Wachsthumsstadien junger und erwach- sener Thiere ausgedehnt !) und obwohl ich selbst anerkenne, dass meine Unternehmung die Leistungen einzelnen Forschens übertrifft und dass meine Beobachtungen in manchen Beziehungen noch lücken- haft sind, darf ich doch glauben, dass wenn Stieda dieselben ver- vollständigen oder vielleicht widerlegen will, so hat er, bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft, nichts weiter zu thun, als den von mir vorgezeigten Weg zu betreten und nicht durch schrof- fes Leugnen des von ihm nicht Gesehenen, nicht durch grundlose Behauptung des nicht Nachgewiesenen, sondern durch eine gründ- liche Durchforschung des ganzen Gebietes und durch ausführliche monographische Bearbeitung des gesammten Gegenstandes meine Beobachtungsfehler zu enthüllen und seine Ansichten über die Art und Weise des Knochenwachsthums zu voller Geltung zu bringen. Was hat nun Stieda durch seine »eingehenden Untersuchun- gen« geliefert? Leugnet er die »Richtigkeit« meiner Angaben, findet er meine »Beschreibung« der Wachsthumsvorgänge »unrichtig«, zieht er die thatsächliche Seite meiner Untersuchungen in Zweifel, so erlaube ich mir am Schlusse dieser Mittheilung nach den That- sachen zu fragen, welche die so auffallenden Behauptungen Stieda’s beweisen. Ziehen wir dieelementaren OÖssificationsvorgänge in Betracht, so finden wir darüber in Stieda’s Schrift so viel wie gar Nichts. Der von ihm grob skizzirte und bis jetzt unbe- kannte, im präformirten Knorpel vor sich gehende atrophische Pro- cess ist in tiefes Dunkel gehüllt. Diese Knorpelatrophie, welche durch den Zusammenstoss der heranrückenden, an die Stelle des schwindenden Knorpels tretenden Knochenlamelle zu Stande kommt und durch Vermitte- lung des Bildungsgewebes den zum Schwunde gebrach- ten Knorpel in Knochen überführt, bedarf einer wei- teren Erklärung. Was den Wachsthumsmodus der Knochen betrifft, so vermisse ich darüber die eigene Erfahrung Stieda’s ww. ETTAN 1) Genetische und topographische Studien des Knochenwachsthums. -Unters. aus d. pathol. Institut zu Zürich. Herausg. von Eberth. 1874. 2. Heft. a a Ze Km Ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Princip der Knochen. 289 ganz und gar. Er beruft sich auf Kölliker, der seiner Meinung nach den grössten Theil meiner Annahmen für irrig und nicht stichhaltig erklärt hat. Dieser Umstand scheint meinem Kritiker sehr schwer zu wiegen und jede weitere Beobachtung auszuschlies- sen: der von mir beschriebene Wachsthumsmodus der Knochen sei schon widerlegt, aus der Welt geschafft, »mort et enterre«; es bleibt also nichts weiter übrig, als ein kurzes Requiem zu sprechen, welches ja den Inhalt des letzten Kapitels der Stieda’schen Mit- theilung ausmacht. Am Schlusse seiner Schrift sagt Stieda, dass meine Unter- suchungen nur dazu dienen werden, die Lehre von der Knochen- resorption zu befestigen. »Und dass erneute Studien auf diesem Gebiet auch Str. zur Ueberzeugung der Existenz einer normalen Knochenresorption führen werden, das hoffe ich (S. 263).« Anstatt auf die Zukunft zu hoffen, wäre es ganz zweckmässig noch gegen- wärtig überzeugende Beweise für seine Behauptungen anzuführen; das Hoffen ist aber manchmal ein böses Ding: »chi vive di spe- ranza morra di fama,« sagen die Italiener. — Ich werde also so lange das ungleichmässige Wachsthum als formbilden- des Princip der Knochen betrachten, bis die Hoffnungen Stieda’s ihre Realisirung gefunden haben. Charkow, im Mai 1875. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. Von Prof. Dr. Paul Langerhans in Freiburg i. B. (Hierzu Tafel XII—XV.) Während eines längeren Aufenthaltes in Neapel habe ich ver- sucht, in der zoologischen Station des Herrn Dr. Dohrn den Am- phioxus in ähnlicher Weise anatomisch zu bearbeiten, wie vor einigen Jahren das kleine Neunauge. Auch diese Untersuchung, deren Ergebnisse ich hier vorlege, konnte sich nicht auf alle Organ- systeme erstrecken. Ich habe vielmehr von der Bearbeitung des in letzter Zeit gerade am Meisten discutirten Skeletsystemes ganz Ab- stand genommen. Denn ich kam bald zu der Ueberzeugung, dass der Bau des ausgebildeten Skeletes, namentlich die Natur der Platten, die dasselbe überall in ähnlicher Weise zusammensetzen, ohne genaue Kenntniss der Entwickelung sich nicht würden er- klären lassen. Und die Entwickelung derselben konnte ich nicht mehr bearbeiten. Die übrigen Systeme wurden genauer untersucht, und wenn ich in einigen Puncten weiter gekommen bin, als meine Vorgänger, so liegt das vor Allem daran, dass ich während der ganzen Arbeit fortwährend über frisches Material in genügender Menge disponirte. Natürlich finden sich trotzdem überall grosse Lücken in der Unter- suchung, deren Ausfüllung bei dem regen Interesse, das heut für den Amphioxus herrscht, hoffentlich bald von anderen Kräften über- nommen werden wird, Paul Langerhans: Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 291 Muskelsystem. Die quergestreiften Muskeln des Amphioxus sind: die Seiten- muskeln, der Bauchmuskel, die Muskeln des Mundes und der Mus- kel des Mundsegels. Die Seitenmuskeln sind von den ersten Autoren schon be- schrieben worden; von Joh. Müller!) ist ihre Querstreifung ent- deckt. Grenacher?) und Stieda°) haben den Mangel eines Sar- kolemma hervorgehoben. Kerne vermisst Grenacher, Stieda findet sie, aber nur selten. Merkwürdigerweise haben aber die neue- ren Autoren die Gestalt der einzelnen, die Seitenmuskeln zusammen- setzenden Elemente gar nicht berücksichtigt, obwohl Grenacher an Alcoholexemplaren des Amphioxus kurze, ganz platte Muskel- stückchen isolirt hat und ausdrücklich bemerkt, das die »ganze Muskelmasse eines Myocomma in sehr dünne Lamellen zerspalten ist, die vielfach gebogen von der Chorda und der Leibeshöhle aus nach der Haut hinziehen. Die Lamellen sind wieder aus flachen, der Axe des Thieres parallel verlaufenden Fäserchen zusammenge- setzt.« Isolationsversuche, die ich früher an Alcoholexemplaren ge- macht habe, hatten mir keine wesentlich besseren Ergebnisse ge- liefert, als Grenacher. Durch Behandlung des frischen Thieres mit Salpetersäure von 20°/,, oder noch besser nach mehrtägiger Mace- ration in Müller’schen Flüssigkeit durch mechanische Zerkleinerung gelingt es aber leicht, die Seitenmuskeln in Platten von ansehn- licher Grösse zu zerlegen, welche der Beschreibung von Grenacher entsprechen und auf’s Vollkommenste mit den Stannius’schen Mus- kelplatten der Cyclostomen übereinstimmen. Diese Platten sind von rhombischer Gestalt, am Körper höher als gegen den Bauchmuskel hin. Ihre Höhe überwiegt am Rücken die Länge. Beide betrugen bei einem mittelgrossen Thiere 1,0 Mm. und 0,7. Am vorderen und hinteren Ende ist die Länge dagegen bedeutender, als die Höhe (z. B. 0,4:0,2). In Fig. 1 ist bei schwacher Vergrösserung eine grosse Platte vom Rücken und eine Platte vom Kopfende eines kleineren Thieres dargestellt. In den einzelnen Platten findet man 1) Ueber den Bau und die Lebenserscheinungen des Amphioxus lan- ceolatus. Berlin 1844. 2) Zeitschr. für Zoologie XVII, 577. 1867. 3) M&moires de l’Acadömie de St. Petersbourg. VII serie, Tome XIX, M0.27..1878. 292 Paul Langerhans: längslaufende Spalten, genau wie bei den Cyclostomen. Die Quer- streifung ist stets sehr deutlich über die ganze Platte verbreitet; auch der Krause’sche Streifen immer sehr stark ausgeprägt; ein Sarcolemma fehlt und Kerne sind, wie Stieda bemerkt, nur selten zu finden, während sie beim kleinen Neunauge stets in grosser Menge vorhanden sind. Der Bauchmuskel besteht aus zwei, in der Mittellinie voll- ständig durch eine Raphe getrennten, Muskeln, deren Elemente sich jederseits vom Ende der Seitenmuskeln bis zur Raphe erstrecken. Der Muskel reicht von der Mundöffnung bis zum Porus abdominalis, wie Rathke!) und Joh. Müller angeben, nicht bis zum After, wie Stieda will. Er zerfällt, wie Joh. Müller bemerkt hat, je- derseits in eine Reihe von aufeinander folgenden Abschnitten, in- dem von der Raphe bindegewebige Septa zum ventralen Ende der Seitenmuskeln hinziehen. Oben und unten wird der Muskel von einer Fascie bedeckt. Zwischen beiden Fascien, je zwei aufeinander- folgenden Quersepta und Raphe und Seitenmuskeln entstehen so Kästchen von beispielsweise 1,20 Mm. Breite, 0,25 Mm. Länge und 0,05 bis 0,1 Mm. Höhe, welche von den Elementen des Muskels gefüllt sind. Diese sind nun ebenfalls Muskelplatten ?), welche in Höhe und Breite mit den Maassen des Kästchens übereinstimmen und in grosser Zahl hintereinander stehend den Raum des Käst- chens füllen, etwa wie Spielkarten, die man auf ihre lange Seite stellt. (Fig. 2.) Jede Platte inserirt sich nicht nur an der Raphe und an der lateralen Grenze des Muskel-Kästchens, sondern auch oben und unten entwickelt sie eine Anzahl von kleinen Zacken, um sich mit den sie deckenden Fascien zu verbinden. Nur unterein- ander und mit den Querscheidewänden stehen die Platten in keiner Verbindung. Die Querstreifung des Bauchmuskels ist von Markusen?) zuerst beobachtet. Sie ist in der That bei der Betrachtung von oben stets leicht zu erkennen. An isolirten Platten ist aber die Substanz oft so zart, dass man, wie Grenacher bemerkt, gute Beleuchtung 1) Bemerkungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. Königs- berg 1841. 2) Grenacher |. c. p. 587 nennt sie »flache, bandförmige Fibrillen, die nicht zu Primitivbündeln vereinigt sind.« 3) Comptes rendus LVIII No. 10 und LIX No. 2. 1864. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 293 und sehr starke Systeme braucht, um sie zu sehen; an dem zar- teren Rande einer Platte kann sie auch ganz fehlen. Die Quer- streifen laufen in der Richtung der Höhenaxe; die Längsachse der einzelnen Platte liegt also transversal. Kerne in den Platten lassen sich nicht immer auffinden; mehr als einen in jeder habe ich nicht gesehen. Ein Sarcolemm fehlt. Ausser diesem Quermuskel haben die älteren Autoren noch einen Längsmuskel am Bauch beschrieben. Stieda hat diesen Irr- thum durch die Längsfalten der äusseren Haut erklärt und ich kann dieser Erklärung nur beistimmen. Die Muskeln des Mundes bestehen aus einem äusseren und einem inneren (Fig. 3 m.e und m.i.). Der äussere Muskel beginnt. in der Medianebene mit einem Kleinen Bündel vom Unterhautge- webe, nimmt dann Muskelbündel vom Velummuskel (Fig. 3 c. v.) auf, unter denen er hinwegläuft (bei f in der Figur), und inserirt sich zum Theil jederseits an der der Mittellinie näheren Hälfte des Mundringes, zum Theil aber läuft er im Bogen zu den einzelnen Cirren nahe ihrer Basis und zu der Basis selbst. Seine Wirkung ist offenbar ein Einschlagen der Cirren und ein Zurückziehen des ganzen Mundskeletes. Der innere Muskel (Fig. 3 m. i.) ist kein zusammenhängender Muskel, sondern besteht aus einzelnen diskontinuirlichen Abschnitten, welche sich in dem Raum zwischen je zwei Cirren und dem Mundringe befinden und weiter nach vorn reichen, als die Bündel des äusseren Muskels. Seine Bündel ent- springen an der vorderen Grenze je eines Gliedes des Mundringes und an denı Anfang des zugehörigen Cirrus und befestigen sich convergirend an dem der Mittellinie näheren Cirrus. Mir scheint der Muskel ein Antagonist des vorigen zu sein; denn er kann of- fenbar je den der Mittellinie näheren Cirrus aufrichten, wenn der entferntere fixirt ist. Eng mit dem äusseren Mundmuskel hängt der M. constrietor veli zusammen: ein einfacher Ring von eirculär verlaufenden Bün- deln, der dem äuseren Mundmuskel zwei sich kreuzende Bündel abgibt (Fig. 3 c.v.). Er lehnt sich nicht an die Chorda oder die skeletogene Schicht an, sondern bleibt vielmehr durch einen weiten, rein häutigen Abschnitt des Velum von ihnen getrennt (cf. Fig. 22 c.v.). Von diesen Muskeln sind Theile schon von den älteren Autoren beschrieben worden. Die in Bogen verlaufenden Fasern des äusseren 294 Paul Langerhans: Mundmuskels hat Joh. Müller abgebildet, die Bündel, die vom M. constrietor veli zu ihm treten als Muskel des gefranzten Ringes (velum) bezeichnet. Es sind wohl dieselben Bündel, welche Rathke vom Längsmuskel des Bauches zum Mundring treten lässt. Seine Beschreibung der anderen Muskeln des Mundes bezieht sich wohl auf den inneren Mundmuskel. Die Beschreibung von Goodsir, welche Joh. Müller erwähnt, war mir nicht zuügängig. Die Elemente, welche diese drei Muskeln zusammensetzen, sind nun ebenfalls Muskelplatten, die im Grossen und Ganzen eine den Bauchmuskelplatten ähnliche Lagerung zeigen. Jede Platte aber stellt hier nur eine einfache Zeile dar, deren Substanz zum weit- überwiegenden Theile, aber doch wohl nie vollständig quergestreift ist. Die Querstreifung zeigt auch hier stets sehr deutlich den Krause’schen Streifen (Fig. 4 b). In jeder Faser findet sich ein Kern. Sarcolemma fehlt. Die Höhe ist im ganzen keine bedeutende, immer geringer, als die der Bauchmuskeln. Die Länge ist sehr verschieden: sie be- trägt bei den sehr kurzen Platten (Fig. 4 b) des inneren Mund- muskels nur 0,004; bei denen des äusseren dagegen 0,25 bis 0,3 und mehr. Diese Platten steilen also sehr ansehnliche Zellen dar (Fig. 4 a). Die Querstreifung dieser Muskeln ist nur von Mar- kusen beobachtet worden; er bezeichnet ihre Elemente treffend als rubans stries. Andere quergestreifte Muskeln habe ich beim Amphioxus nicht gefunden. Die glatten Muskeln des Kiemenapparates und des Darms, der Gefässe und der Geschlechtsorgane werde ich bei den betreffen- den Abschnitten beschreiben. Die gesammte quergestreifte Muskulatur des Amphioxus er- scheint also unter der Form zarter sarkolemmloser Platten. Um diese eigene Form der Muskulatur vollkonımen verstehen zu können, müssten wir allerdings ihre Histogenese kennen. Aber auch ohne dies ist es wohl an sich klar, dass sich wenigstens die Platten der Mundmuskeln ganz direct an die glatten Muskeln anschliessen und andererseits vollkommen mit den Zellen des Herzmuskels der ande- ren Kaltblüter, wie sie von Weismann beschrieben sind, überein- stimmen. Es scheint mir nicht ohne Interesse, dass sich diese Form des Muskelgewebes, die beim Amphioxus die allein vorhandene ist, bei den Oyclostomen im ganzen Gebiete der Seitenmuskeln noch findet; die übrigen Muskeln der Cyclostomen zeigen dagegen schon zwei andere Formen, von denen die eine, rundliche Primitivbündel mit Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 295 körnigem Axenstrang, im Wesentlichen auf die Gruppe der Fische beschränkt erscheint, die anderen der gewöhnlichen Primitivbündel im ganzen Vertebratenreich die herrschende ist. Nervensystem. Owsjannikow!) hat sich zur Untersuchung des Central- nervensystemes mit grossem Vortheil einer Macerationsmethode be- dient, die es ihm gestattete, auch von Alcoholexemplaren noch das ganze Rückenmark mit allen abgehenden Nerven zu isoliren. Von frischen Thieren gelingt es leicht, solche Macerationen zu erhalten, und zwar mit der von Reichert für Isolirung von quergestreiften Muskeln empfohlenen zwanzigprocentigen Salpetersäure, deren ich mich schon früher beim Neunauge mit gutem Erfolg bedient habe. Für den Amphioxus leistet diese Methode wirklich viel. Legt man ein Thier auf drei Tage in die Säure und wässert es dann wenig- stens 24 St. aus, so kann man durch kräftiges Schütteln Isolationen des Centralnervensystems erhalten, an denen jeder abgehende Spi- nalnerv bis in seine feinsten Verzweigungen hin, wie wir später sehen werden, fast bis an sein Ende erhalten ist. Der asymmetri- sche Ursprung der Spinalnerven, wie er von Owsjannikow und Stieda beschrieben ist, lässt sich leicht übersehen. Aber an kei- nem Spinalnerven findet sich ein Ganglion — abgesehen von den peripheren Ganglien-Zellen im Gebiete des 1. und 2. Paares, auf die ich unten zurückkomme. Dieser negative Befund ist mit Rücksicht auf die Sicherheit, mit der durch die angewandte Me- thode Ganglien in Verbindung mit ihren Nerven erhalten werden, ein nicht unwichtiger. Er stimmt vollkommen mit der Angabe von Owsjannikow überein, und das was Stieda für ein Ganglion hält, muss also wohl etwas anderes sein; die eine Ganglienzelle, die Markusen?) an der Abgangsstelle eines Spinalnerven sah, stellt jedenfalls ein sehr vereinzeltes Verhalten dar. Stieda fasst ferner je zwei auf einer Seite aufeinander folgende Spinalnerven, einen oberen und einen unteren, als Homologon eines zweiwurzeligen Spinalnerven anderer Vertebraten auf. Auch dieser Auffassung sind die Macerationspräparate nicht günstig; denn es findet sich zwischen 1) Melanges biologiques VII, 427. 1867. 2) l. c. Sep.-Abdruck pag. 3. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 20 296 Paul Langerhans: zwei aufeinanderfolgenden Spinalnerven nie ein verbindender Ast und nie ein Faseraustausch. Jeder Nerv verzweigt sich vollkommen selbstständig, ohne sich seinem Nachbar zu verbinden. Auch abgesehen davon lässt sich gegen Stieda’s Auffassung geltend machen, dass jeder einfach entspringende Spinalnerv des Amphioxus ein ganzes Segment des Thieres versorgt: und es kön- nen doch nicht die Nerven zweier Segmente des Amphioxus ent- sprechen dem Nerven eines Segmentes anderer Vertebraten. Mit Hülfe der Macerationsmethode gelang es mir ferner, einen bulbus olfactorius nachzuweisen. Im vordern Ende des Centralner- vensystemes befindet sich bekanntlich (Fig. 5) der von Leuckart und Pagenstecher!) entdeckte Ventrikel, eine kleine Erweiterung des Centralcanales. Vor ihm liegt in der Wand des Nervensystemes das Auge, und jederseits neben demselben entspringt an der unteren Peripherie des Hirns der erste Nerv, und eine Strecke hinter dem Ventrikel der zweite (Fig. 5, 6 I, II). Ueber beide Nerven gehen die Angaben der Autoren merk- würdig auseinander. Der erste Nerv ist, wie es nach dem Referat in Froriep’s Neuen Notizen ?) scheint, von Goodsir zuerst ge- sehen worden. Joh. Müller und Quatrefages?) haben ihn dann über- sehen, und erst Owsjannikow hat an Macerationspräparaten das erste Paar wieder aufgefunden und als Trigeminus bezeichnet. Stieda erwähnt das erste Paar ebenfalls; aber merkwürdiger Weise hat Wilh. Müller) es wieder vollkommen übersehen; er bezeichnet ausdrücklich das zweite Paar als erstes und verwerthet die Lagerung des Vorderendes des Centralnervensystemes vor dem Ursprunge des ersten Nervenpaares zu Schlüssen, denen also diese Basis sicher fehlt. Das zweite, stärkere Nervenpaar wird von allen Autoren er- wähnt, aber sehr verschieden bezeichnet. Goodsir nennt es Quin- tus, Joh. Müller sagt, es entspreche einem Theil des Quintus, Owsjannikow nennt es Facialis. 1) Müller’s Archiv 1858. p. 561. 2) Band XIX p. 72. 1841. 3) Annales des sciences naturelles. Serie II, Tome 4. 1845. 4) Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe an Carl Lud- wig. II. Heft pag. VI. Taf. X. Fig. 3 ff. 1875. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 297 Diese beiden Nervenpaare werden von Stieda und Ows- jannikow als die einzigen Hirunerven betrachtet. Sie sind in der That, wie wir unten sehen werden, durch den Besitz peripherer Ganglienzellen und durch ihren Ursprung vor allen anderen ausge- zeichnet. Quatrefages fasst dagegen einen nicht existirenden Op- ticus als erstes Paar und unser zweites Paar nebst dreien seiner kleineren Aeste als zweites bis fünftes Hirnnervenpaar, während er das wirklich erste Paar wie bemerkt übersehen hat. Ausser diesen beiden Nervenpaaren sieht man nun links und über dem Auge einen sehr kurzen Nerven seinen Ursprung nehmen, dessen Spitze bei der Dorsalansicht nur wenig über den Contour des Hirnes prominirt deutlicher, ist der Nerv in der Profillage zu erkennen, wenn die linke Seite oben liegt (Fig. 7 b. o). In der Ventralansicht (Fig. 5) ist er dagegen vollkommen verdeckt. Der Nerv, der nach Lage und Länge der Olfactorius sein muss, entspringt nun aber in ganz eigenthümlicher Weise, indem der Hirn- ventrikel nicht, wie man allgemein angab, abgerundet endet, son- dern sich (Fig. 6) mit einem feinen Zipfel in die Basis des kleinen Nerven hineinerstreckt. Der beschriebene Nerv ist also ein wahrer bulbus olfactorius, mit einer Höhle, die direct mit der des Hirnes in Verbindung steht. Er ist somit als Hirntheil aufzufassen, und erst die feinen Aeste, die von ihm aus zu den Riechzellen sich be- geben, können als Nervi olfactorii bezeichnet werden. Auf feinen Schnitten durch in Osmium gehärtete Thiere kann man den bulbus olfactorius leicht in ihm erkennen (Fig. 52 b. o.), ja schon an gan- zen Köpfen, die nach kurzer Osmiumhärtung in Balsam gelegt wur- den, kann man ihn leicht auffinden und bis zum Boden der Riech- grube verfolgen. Der Olfactorius ist bis jetzt nicht gesehen worden; nur R. Owen!) hat aus der Kölliker’schen Entdeckung des Riechgrübchens " auf seine Existenz geschlossen und ihn in die schematische Zeich- nung eingetragen, nur unglücklicher Weise auf der rechten Seite statt auf der linken. Die Beschreibung und Abbildung, die Wilh. Müller?) vom Riechorgan und seinem Verhalten zum Nerven- system giebt, erwähnt den bulbus olfactorius ebenfalls nicht. Ueber 1) Comparative Anatomy and physiology of vertebrates I, 269 und 270. 1866. r 2) Beiträge zur Anatomie und Physiologie ete. Taf. X. 298 Paul Langerhans: die Bedeutung des vorderen Abschnittes des Centralnervensystemes gehen die Ansichten ganz ausserordentlich auseinander. Die Einen beginnen so zu sagen vom Rückenmark her: Owsjannikow nennt die Höhle homolog dem vierten Ventrikel, Huxley unge- fähr dem Zwischenhirn. Beides wird durch die Existenz des bulbus olfactorius widerlegt. W. Müller beginnt von vorn und nimmt die ganze Hirnblase als Vorderhirnblase; das wird einfach widerlegt durch den Ursprung des wie schon bemerkt von W. Müller übersehenen 1. Nervenpaares. Die heut bekannten Thatsachen ge- statten wohl nur den vorderen mit Ventrikel versehenen Abschnitt des Centralnervensystemes als Homologon des ganzen Hirns bis zum Anfang der medulla oblongata incl. aufzufassen. Wo dann die hin- tere Grenze der medulla oblongata gegen das Rückenmark liegt, vermag ich ebenso wenig anzugeben, wie meine Vorgänger. Den eingehenden Beschreibungen des feineren Baues des Cen- tral - Nervensystemes von Owsjannikow und namentlich von Stieda!) habe ich nichts hinzuzufügen. Ueber das periphere Nervensystem giebt dagegen die bespro- chene Macerationsmethode Aufschlüsse, welche durch andere Me- thoden leicht ergänzt und bestätigt werden können. Sie zeigt uns zunächst, dass alle Nerven sich einfach baumförmig verästeln und nirgends untereinander Verbindungen eingehen. Nervengeflechte fehlen am ganzen Körper vollkommen; nur an den Lippen kommt ein Nervenplexus zu Stande, an dessen Bildung sich das 3. bis 7. Nervenpaar betheiligen ?). Aber dieser Plexus ist, wie wir unten sehen werden, ein Geflecht gröberer Nerven. Von einem feinen s. g. Endplexus, wie ihn nur Markusen erwähnt, ist keine Spur vor- handen; der Autor ist ofienbar durch Fibrillen des Bindegewebes getäuscht worden. Auf Nerven von Eingeweiden, welche ich leider keine Gelegenheit hatte zu beobachten, bezieht sich das natürlich nicht, sondern nur auf die Nerven der Körperwand. All’ diese ziehen also in einfach dendritischer Verzweigung ihren Organen zu; dabei haben alle peripheren Nerven eine kernhaltige Scheide 1) Mit Stieda’s Beschreibung des Vorderendes des Centralnerven- systemes stimmt die von W. Müller fast vollkommen überein. 2) Die Zeichnung von Quatrefages (l. c. Tafel XI) giebt im Ganzen ein gutes Bild der Nervenverästelung, obwohl diesem Autor der Mundplexus (Taf. 10) vollkommen entgangen ist. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 299 (Fig. 9 und 10), deren Kerne oft so dicht nebeneinander stehen, dass sie einander berühren. Nur an den feinsten Aesten fehlen die Scheide und ihre Kerne. Die Nerven, welche zu den Muskeln gehen, weichen in ihrem feineren Verhalten ab von denen, die sich zur Haut begeben. Die ersteren treten als dicke Stämmchen (Fig. 1, a) an eine kleine Seite eines Haufens von Muskelplatten, und lösen sich da in Büschel auf, die sich zum Theil noch auf den Platten und zwischen ihnen verfolgen lassen, deren Ende ich aber nicht wahrgenommen habe. Die Hautnerven dagegen geben schon von ihren gröberen Stämmen aus während ihres ganzen Verlaufes in der Haut Aestchen ab, die nach ziemlich kurzem Verlauf eine kleine Anschwellung zeigen und jenseits derselben in einen kurzen feinen Faden aus- laufen, in sehr seltenen Fällen auch wohl in zwei solche Fädchen sich fortsetzen (Fig. 8). Die Stämmchen selbst lösen sich allmäh- lich in eben solche gedrungene Aestchen auf, die ebenfalls in feine Endfäden auslaufen. Nur an der Lippe, d. h. an den Rändern des Mundes, an der Wurzel der Cirren findet sich ein kleines Nervengeflecht, ohne Ein- lagerung von Ganglienzellen, von dem kleine, langgestreckte Ner- vengefiechte in die einzelnen Cirren eintreten. Sowohl von dem gröberen Plexus in den Lippen als von den feinen in den Cirren gehen kleine Aeste ab, die denen der Fig. 8. vollkommen gleichen. Im feineren Verhalten findet sich also an diesen Stellen keine Abweichung von dem für den übrigen Körper gültigen. Diesen Plexus am Munde sieht man gut an frisch abge- zogener Haut des Kopfes. Isolirt habe ich ihn nicht. Nur im Bereiche von zwei Nervenpaaren finden wir periphere Ganglienzellen: nämlich im Bereiche des 1. und 2. Hirnnerven. Es sind die peripheren Ganglien entweder einem Stämmchen ange- lagert (Fig. 9), oder sie stehen mit einem solchen durch einen fei- nen Nerven in Verbindung (Fig. 10), bald liegen mehrere Zellen zusammen, meist jede für sich, und immer sind sie mit einer deut- lichen, kernhaltigen Kapsel umgeben, wie sie in ganz gleicher Weise bei den peripheren Ganglienzellen der Neunaugen sich findet. Allen anderen Nerven fehlen solche Ganglienzellen vollkommen. Diese peripheren Ganglienzellen sind von Quatrefages!) 1) 1. ec. p. 228. Es ist das eigentlich die einzige neue Beobachtung 300 Paul Langerhans: zuerst gesehen und gut beschrieben worden: ces filets nerveux aboutissent ä& de petits organes vesiculaires & parois proportionelle- ment 6paisses etc. Quatrefages hat also auch die Kapsel ge- sehen: aber er erklärt die ganzen Gebilde für »des eryptes muci- pares«, und vergleicht sie in einer Anmerkung am Schlusse seiner ‘ Arbeit mit den Pacini’schen Körperchen. Leuckart und Pagenstecher!) haben dann in den oberen Zweigen des ersten Nerven die Ganglienzellen zuerst als solche erkannt. Owsjannikow findet die Ganglienzellen auch nur im Bereiche des ersten Nervenpaares, das er trigeminus nennt; er be- zeichnet aber als Verästelungsgebiet desselben die Lippen, giebt also der Spitze des Thieres diesen Namen. Denn die Lippen, d. h. Mundränder, werden, wie oben bemerkt, nicht vom 1., sondern vom 3. bis 7. Nervenpaar innervirt. Diese Ganglienzellen nun erklärt Owsjannikow wieder für Nervenendigungen, »Endorgane des Tri- geminus« eine Erklärung, die mit seinen eigenen Abbildungen in Widerspruch steht (ef. 1. c. Fig. 4). Reichert spricht ihnen eben- falls »mit Sicherheit« ?2) die Kriterien der Nervenkörper ab, findet sie auch am Schwanze, wo ich sie nicht finden konnte, und ver- gleicht sie den Krause’schen Endkolben. Stieda endlich erklärt sie für Ganglienzellen und findet sie, wie ich, nur am Kopftheil des Thieres. Den Verlauf des zweiten Hirnnerven finde ich übrigens voll- kommen so, wie iın Johannes Müller abbildet (Taf. I Fig. 1, 1). Von einem Bilde, das der Zeichnung vonR. Owen entspräche (l. c. p. 270), von einem N. lateralis und dergl. habe ich nie auch nur eine Andeutung sehen können. Ebenso fehlt in der Haut jede An- deutung von Organen der Seitenlinie. Ueber die Innervirung der Eingeweide steht mir leider kein Urtheil zu, da ich nicht über Thiere von genügender Kleinheit dis- ponirte. Bei Exemplaren von 11/,—3‘‘ beobachteten Leuckart und Pagenstecher Nerven, die zu den Kiemen gehen. Meine klein- sten Thiere waren 10 Mm. gross und gestatteten leider keinen so tiefen Einblick mehr. in Quatrefages’ Arbeit, die nur falsch gedeutet ist. Alle anderen neues bie- tenden Angaben beruhen auch auf falscher Beobachtung. 1) l.c. p. 561 ff. 2) Archiv für Anatomie 1870. p. 756. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 301 Haut. Man unterscheidet an der Haut des Amphioxus wie bei jedem anderen Vertebraten einen epithelialen und einen bindegewebigen Theil !), und in letzterem die eigentliche Lederhaut vom Unterhaut- bindegewebe. Dieses ist an den verschiedenen Stellen des Leibes in sehr verschiedenem Maasse vorhanden; wir finden darin neben Fi- brillen und Bindegewebskörperchen das eigenthümliche Canalsystem der Unterhaut, welches zuerst von Markusen eingehend beschrie- ben wurde. Markusen hielt diese Canäle aber für Capillaren. Reichert hat kürzlich darauf hingewiesen, dass ein Zusammen- hang zwischen dem Canalsystem und den Blutgefässen nirgends existire, und Stieda dann eine erschöpfende Beschreibung des Unterhautkanalsystemes gegeben, der ich vollkommen beipflichten muss. Eine erneute Beschreibung meinerseits wäre eine Wieder- holung seiner Schilderung. Blutcapillaren habe ich in der Haut ebenso wenig gesehen, wie Stieda und Reichert. Die eigentliche Lederhaut besteht aus einer mit Fibrillen und Bindegewebskörperchen versehenen Lage von Bindegewebe und be- grenzt sich durch eine feinstreifige, homogene Lamelle gegen das Epithel hin. Die spärlichen Bindegewebskörper sind reich verästelt und ähneln, wie Owsjannikow bemerkt, denen der Hornhaut. Zwischen den Zellen verlaufen im Corium feine geschlängelte Fi- brillen, und die feineren Stämmchen der Hautnerven mit ihren kur- zen gedrungenen Endästchen (Fig. 8). Diese Beschreibung der Lagen der Haut stimmt mit der von Owsjannikow überein. Stieda fasst nur die Grenzlamelle als cutis, rechnet die eigentliche Lederhaut dagegen schon zum Unter- hautgewebe, das er an einzelnen Stellen, z. B. über den Seiten- muskeln, vollkommen fehlen lässt. Das ist irrthümlich ; das corium, wie ich es hier beschrieben, ist überall vorhanden. Die Bindegewebs- körperchen konnten Reichert und Stieda nicht finden. Das Unterhautgewebe schliesst sich meist direct an die Mus- kelfascie an; nur an einigen Stellen existiren zwischen beiden Hohl- räume: die Seitenkanäle von Rathke (Fig. 32 und 33) und die 1) Reichert fasst (l. c.) die cutis als fascia superficialis auf und spricht dem Amphioxus eine Lederhaut ab. Das Willkührliche dieser Auffassung liegt auf der Hand. 302 Paul Langerhans: Bauchkanäle von Stieda. Diese Hohlräume communiciren nirgends mit der Mund- und Bauchhöhle, wie Stieda richtig den älteren Angaben gegenüber hervorhebt. Die Bauchkanäle sind aber nicht, wie Stieda angiebt, nur jederseits einer, sondern mehrere, wie W. Müller!) beobachtete. Ich finde meist drei bis fünf. W. Müller hat die Entwickelung dieser Kanäle genau beschrieben, und sieht ihre Bedeutung darin, dass die Bildung all’ dieser Hohlräume unter der Haut zur Ausbildung eines unten offenen Canales führt, der die Geschlechtsproducte vom porus abdominalis nach vorn leiten kann. Stieda liess dagegen die Canäle zur Zeit der Geschlechtsreife schwinden. Huxley?) hat kürzlich behauptet, dass die Seitenkanäle nicht existiren, offenbar indem er diese mit dem Halbkanal ver- wechselt, den die durch den Seitenkanal aufgetriebene Haut mit der Bauchwand bildet. Die Längsfalten der Haut des Bauches, welche mit der Entwickelung der Bauchkanäle entstehen, sieht Huxley merkwürdiger Weise für Homologa des Wolff’schen Gan- ges an. Der epitheliale Theil der Haut besteht aus einer einfachen Lage von Cylinderepithelien, die oben von einer dicken, porentragen- den Cuticula bedeckt sind. Die letztere ist von Leuckart?) zuerst beschrieben worden (Fig. 11 a). Die Cylinderzellen sind nicht über- all gleich hoch; an einzelnen Stellen, z. B. an der inneren Seite der Bauchfalten (W. Müller) sind sie mehr kubisch. Ihr Kern ist klein und liegt im dem der Lederhaut zugekehrten Theil der Zelle. Pigment findet sich oft in ihnen. Bei jungen Larven ist von Leuckart und Pagenstecher Wimperung an einzelnen Stellen der äusseren Haut beobachtet worden und Kowalevsky*) hat dann schon die Gastrula des Amphioxus mit Wimpern bedeckt gefunden, und die Wimperung 1) Jen. Zschr. IX, 100 ff. 1875. 2) Quarterly Journal LVII 1875. p. 55. 3) 1. c. p. 562 Anm. 2. 4) Memoires de l’Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg VII. Serie Tome XI No. 4. 1867 p. 7. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 303 auch in späteren Stadien des Larvenlebens überall constatirt. Aber er gibt an, dass im Gastrula-Stadium jede Zelle des äusseren Keim- blattes mit mehreren Cilien versehen sei, und erst später diese schwinden, um je einer grossen Cilie auf jeder Zelle Platz zu ma- chen. Ich fand dem entgegen schon bei der Gastrula jede Zelle nur mit einer grossen Geissel versehen. Diese Wimperung der äusseren Haut scheint sich beim erwachsenen Thiere nicht zu erhalten. Ich konnte hier zwar in der Mundhöhle ihr Persistiren nachweisen (s. unten), aber auf der äusseren Haut im engeren Sinne fand ich keine Geisseln, nicht einmal, wie beim Neunauge, als todte Haare. Es ist indess möglich, dass ich bei der grossen Zartheit des Objectes ein- zelne Geisseln übersehen habe. Zwischen den Cylinderepithelien der Haut finden sich nun kleinere Zellen in unregelmässiger Vertheilung, besonders zahlreich am Kopf. In Fig. 12 ist ihre Anordnung am Rücken, einer Stelle, an der sie im Ganzen sparsam vorhanden sind, dargestellt. Diese Zellen (Fig. 11 b und c) besitzen einen nur schmalen Leib; ihr Kern ist oblong und grösser als bei den anderen Epithelzellen. Es fehlt ihnen die Cuticula; an der unteren Seite besitzen sie oft einen kleinen fadenförmigen Fortsatz (Fig. 11 b); an ihrem oberen Ende aber ein langes starres Haar, das entweder einem zarten Saume aufsitzt oder an seiner Basis eine starke oblonge Anschwellung be- sitzt (Fig. 11 ce). Man kann an allen Theilen der Haut beim lebenden Thiere mit starker Vergrösserung diese starren Haare beobachten: nie fin- det man an ihnen Bewegung. Für die Darstellung der isolirten Zellen leistet die Osmiumsäure die besten Dienste; nach kurzem, vielleicht !/s- bis 2stündigem Einlegen in Osmium von 1!/3°/o welches in seiner Wirkung auf marine Thiere ungefähr der Yıo bis 1/5%/, Säure für Süsswasserbewohner entspricht, neutralisirt man den Osmiumüberschuss in verdünntem Glycerin. Nach ein- bis zwei- tägigem Aufenthalt in diesem kann man die Haut in continuo ab- ziehen, zum WUeberfluss die Kerne mit Haematoxylin färben und dann das Präparat in Balsam oder Glycerin aufheben. In solchem Präparat bekommt man stets eine grosse Anzahl isolirter Epithelien von beiden Arten, und man erhält zugleich Bilder, welche eine sehr exacte Deutung der haartragenden Elemente gestatten. Wir hatten oben die Verästelungsart der Hautnerven bespro- chen. Man kann dieselbe an Präparaten, die nach der eben ange- 304 Paul Langerhans: führten Methode gemacht sind, leicht in situ wiederfinden. Die gröberen Stämme liegen im lockeren Gewebe der Unterhaut; die feineren im corium, und an diesen erkennt man überall (Fig. 13) dieselben kurzen gedrungenen Endäste, die wir schon oben mit, Salpetersäure isolirt hatten (Fig. 8). Aber diese Aeste scheinen hier mit ihrer Anschwellung aufzuhören; von dem feinen Fädchen, das sich jenseit derselben fortsetzt, ist meist nichts zu sehen. Man be- merkt indess bald, dass das scheinbare Ende eines kurzen Nerven- ästchens immer an dem Kreuzungspuncte zweier heller Spalten liegt 1), welche in der oberen Grenzlamelle der Haut sich befinden. Und an geeigneten Stellen des Objectes findet man den feineren Faden, dessen nervöse Natur wir an den Isolationspräparaten fest- gestellt hatten, wieder. Er durchsetzt die Grenzlamelle in einem feinen Canälchen, das in der Kreuzung der beiden hellen Spalten gelegen ist, und verbindet sich dann nach kurzem subepithelialen Verlaufe mit einer haartragenden Zelle (Fig. 14). Solche Bilder wie das der Fig. 14, in der ganz direct und zweifellos der Nerven- verlauf von einem gröberen Stämmchen bis in die Sinneszelle hin- ein verfolgt werden kann, finden sich wohl in jedem, auf die ange- führte Weise hergestellten Präparate mehrere, und die Endigung der Hautnerven beim Amphioxus gehört wirklich zu den Objecten, die relativ leicht festzustellen sind. Diese Bilder beweisen aber zu- gleich die Vorzüglichkeit der Salpetersäure-Maceration; dieselbe liess uns in der That die Verästelung der Hautnerven bis kurz vor ihrem Ende verfolgen. Wir können uns also über die Bedeutung der haartragenden Zellen dahin aussprechen, dass dieselben die Endigung der Haut- nerven darstellen. Dem entsprechend correspondirt auch die Ver- theilung der Endäste der Nerven in der Haut mit der der Sinnes- zellen. Eine Beziehung der Nerven zu den anderen Epithelzellen habe ich nie beobachtet; es giebt gar nicht genug Nervenästchen, um mit allen Epithelien in Verbindung zu treten. Die Sinneszellen der Haut sind vielleicht von Reichert beob- achtet worden; er erwähnt wenigstens Stachelzellen am Kopf und Schwanz des Amphioxus, deren Stachel ziemlich resistent gegen chemische Reagentien sei und die in ihrer Vertheilung mit den von 1) Diese Spalten mussten als dunkle Striche gezeichnet werden, was natürlich das Bild wesentlich alterirt, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 305 ihm als Endkolben bezeichneten Ganglienzellen correspondiren sollen. Einen Zusammenhang mit Nerven hat er nicht beobachtet. In dieser Notiz beruht die Resistenz gegen chemische Agentien auf einem Irrthum; ferner hat die Vertheilung der Sinneszellen nichts mit den auf die beiden ersten Hirnnerven beschränkten Ganglienzellen zu thun. Endlich ist die Verbindung mit den Nerven leicht zu er- kennen. | Bestimmte Angaben über Nervenendigung im Epithel liegen vor von Kowalevsky. Er beschrieb bei jungen Larven eine En- digung der Nerven in allen Epithelzellen. Owsjannikow schloss sich seinen Angaben an. Er sah »Cylinderzellen mit ihrem unteren zugespitzten Ende in eine Faser, die alle Charaktere einer Nerven- faser an sich trug, übergehen.« Beide Forscher machen also keinen Unterschied zwischen den beiden Arten von Zellen, die wir im Hautepithel vor uns haben. Ihre Beobachtungen sind zweifellos richtig, nur müssen sie nach dem Ergebniss meiner Untersuchung auf die eine Art von Zellen beschränkt werden. Diese Sinneszellen in der Haut des Amphioxus erinnern ebenso wie die Art der Nervenverästelung an die Verhältnisse beim kleinen Neunauge. Der Unterschied liegt darin, dass dieselben beim letz- teren mit einem Büschel von starren Sinneshaaren besetzt sind, beim Amphioxus nur eines besitzen. Indess dieser Unterschied ist einmal nach unseren jetzigen Kenntnissen kein fundamentaler und sodann bezieht er sich in gleicher Weise auch auf alle ähnlichen Zellfortsätze beider Thierklassen: alle Wimperzellen des Neunauges tragen Flimmerhaarbüschel (mit Ausnahme der Ecker’schen im Ohr) alle des Amphioxus — und wir werden deren noch sehr viele an- treffen — tragen nur ein Wimperhaar, sind also Geisselzellen. Keinesfalls hindert dieser Unterschied die vollkommene Homologi- sirung beider Arten von Elementen. Aber auch vom andern Ende der langen Wirbelthierreihe kennen wir einfache Sinneszellen in der Oberhaut, deren Existenz nach ihrem ersten Nachweis in Ober- haut und Haarbalg von einigen Beobachtern auch in der Einstül- pung des äusseren Keimblattes der Mundschleimhaut aufgefunden wurde und neuerdings nach vielen vergeblichen Bemühungen eine andere Art von Nervenendigung hier aufzufinden auch in den Tast- haaren der Säugethiere entdeckt worden ist (Sertoli)!). Ich kann 1) Gazetta Medico-Veterinaria. Mailand 1872. 306 Paul Langerhans: die Angaben dieses Forschers nach genauer Prüfung nur bestätigen, allerdings mit dem Bemerken, dass ich keinen anderen Unterschied zwischen den Sinneszellen des Tasthaarbalges und denen der ge- wöhnlichen Haare auffinden kann, als ihre grössere Menge im Hals des Tasthaares. Bei der vollkommenen Homologie all’ dieser einfachen Sinnes- zellen der äusseren Haut, ist es vielleicht gestattet, den so leicht erkennbaren Zusammenhang derselben mit den Nerven des Am- phioxus mit als Stütze für meine Auffassung ihrer Natur beim Men- schen zu benutzen, wo der Zusammenhang in der gewünschten Weise immer noch nicht sicher erwiesen ist. Ich schlage vor, all’ diese einfachen Sinneszellen des oberen Keimblattes als »Fühlzellen« zu bezeichnen, analog den ebenso weit verbreiteten »Riechzellen« ete. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, dass im Laufe der Zeit ähn- liche Elemente überall bei den Vertebraten im äusseren Keimblatt aufgefunden werden, wenn sie auch vielleicht in einzelnen Gruppen im Laufe der individuellen Entwickelung sich zu einfachen Nerven- fäden redueciren, wie das wohl auch in unserer Cornea der Fall ist. Vielleicht ist es auch für die Auffassung der Nervenendigun- gen bei den höheren Vertebraten von Wichtigkeit, dass wir beim Amphioxus, wie oben bemerkt, mit Ausnahme des Mundes nirgends einem grösseren Nervengeflecht begegnen und feinere Plexus über- haupt nicht vorhanden sind. Es ist ja heut kaum mehr nöthig, die Existenz grösserer Endgeflechte anzufechten: alle Beobachter, die mit den verbesserten Methoden unserer Tage arbeiten, haben dem terminalen Charakter derselben widersprochen. Aber für die feinsten Nervengeflechte wird neuerdings gelegentlich wieder ein terminaler Charakter vertheidigt und man geht da wohl in der Annahme der Existenz von Geflechten !) ein wenig zu schnell vor. Ich meine, dass die Sicherheit mit der sich jede Art solcher Plexusbildung beim Amphioxus ausschliessen lässt, zu grosser Vorsicht in der Annahme derselben auch bei höher organisirten Vertebraten mahne. Geruchsorgan. Im Anschluss an die Haut möchte ich mit wenigen Worten den Bau des Geruchsorganes besprechen. Dasselbe ist bekanntlich 1) Z. B. im Corneaepithel (Klein), im rete der Zunge (Sertoli) etc. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 307 von Kölliker!) entdeckt werden. Es ist eine Einbuchtung der äusseren Haut, von trichter-, oder becherförmiger Gestalt, die auf der linken Seite dem Anfange des Centralnervensystemes fast un- mittelbar aufsitzt. Die Haut verdünnt sich an dieser Stelle stark und ihre Grenzlamelle verdickt sich etwas (Fig. 52), behält aber ihr helles feinstreifiges Aussehen bei. An feinen Schnitten, die genau die vordere Wand des Centralnervensystems getroffen haben, kann man von diesem aus den bulbus olfactorius bis fast an die Grenz- lamelle der Haut herantreten sehen (Fig. 52). Das Epithel des Riechgrübchens ist nach Kölliker ein Wimperepithel. Es geht direct in das Epithel der äusseren Haut über, ist nur ein modificirter Theil desselben. Der Wall, durch den sich das Riechgrübchen von der Haut absetzt, besteht aus Epithelzellen, die sich von ihren Nachbarn in der Haut nur durch Schmalheit und Höhe unterscheiden und noch keine Wimpern tragen. Sie gleichen den Zellen der Fig. 53, nur haben sie keine Cilien. Auf diesen Wall folgt nach Innen die wimpernde Stelle der Grube. Sie besteht aus Zellen, die ich in Fig. 53 abge- bildet habe: hohen schmalen Cylindern, deren jede eine lange Wimper trägt, und die eine eng neben der anderen stehen. Ausser diesen Zellen konnte ich noch schmalere Elemente iso- liren (Fig. 54), die ebenfalls mit einem Haare versehen waren, sich aber sonst durch Kleinheit des Leibes und Grösse des Kernes von den Wimperzellen unterscheiden. Auch diese Elemente isolirten sich leicht in kleinen Haufen; sie liegen also wohl nicht zwischen den anderen Zellen verstreut. Ich möchte dieselben für die eigentlichen Riechzellen, ihre Haare für starre Sinneshaare halten, und glaube, dass sie den Grund der Riechgrube ausfüllen, um so mehr als es mir schien, als ob an frischen, lebenden Objecten der Grund der Grube nicht wimpere. Ich kann das allerdings nur mit einer ge- wissen Reserve als sehr wahrscheinlich hinstellen, da es mir nicht gelang Härtungen herzustellen, an denen genügend feine Schnitte eine Unterscheidung der Wimpercylinder und der Riechzellen mit Sicherheit erlaubt hätten. Mundhöhle. Die äussere Mundöffnung wird bekanntlich von einer Anzahl feiner Cirren umgeben, welche dem Amphioxus einst den Namen 1) Müllers Archiv 1843 p. 32. 308 Paul Langerhans: des Branchiostoma verschafft haben. Das Skelet dieser Cirren und ihre Verbindung mit dem Mundring sind von Johannes Müller beschrieben worden. Ihre Muskeln haben wir oben besprochen. Ueber den Muskeln liegt unmittelbar unter der Haut am Mundringe ein reiches Nervengeflecht ohne eingelagerte Ganglienzellen, und von diesem Plexus aus begeben sich kleine Geflechte in die einzelnen Cirren, die bei der verschiedensten Behandlung leicht zu erkennen sind. Es sind Geflechte von fünf bis sechs Nervenfasern mit lang- gestreckten Maschen, die in der homogenen, das Skelet des Cirrus umgebenden Substanz verlaufen. Diese ist überall von gleicher Dicke. Die Papillen, welche sich an den Cirren befinden, kommen desshalb allein auf Rechnung des Epithels. Letzteres stimmt auf der äusseren Oberfläche der Cirren vollkommen mit dem der Cutis überein, nur sind die Quticularräume der einzelnen Epithelzellen etwas feiner. An den einander zugekehrten Seitenflächen der Cirren erhebt es sich dagegen von Strecke zu Strecke zu kleinen, wie be- ' merkt rein epithelialen Papillen, welche ebenfalls überall ein ein- schichtiges Epithel besitzen und daher nur durch Vergrösserung der Zellen in ihrem Höhendurchmesser zu Stande kommen. Die Epithel- zellen unterscheiden sich hier von dem der äusseren Fläche der Cirren und denen der Epidermis des Körpers dadurch, dass sie in der Mehrzahl je mit einem feinen Wimperhaar besetzt sind (Fig. 15a)}). Man kann beim frischen Object deutlich die Bewegung dieses Haares erkennen, und bei der isolirten Zelle sehen, dass es die feine Quti- cula durchsetzt und tief in das Protoplasma der Zelle hineinreicht, sich also sehr prägnant von den todten Resten der ursprünglichen Wimperbekleidung unterscheidet, die sich beim Neunauge finden. Aber nicht alle Zellen tragen ein Wimperhaar, namentlich die höheren Elemente, welche die Papillen selbst zusammensetzen helfen (Fig. 15b), entbehren desselben oft. Zwischen den geisseltragenden Epi- thelien kommen nun Elemente vor, welche vollkommen mit den Fühl- zellen der Haut übereinstimmen, und sich sowohl zwischen den nie- deren Epithelien, welche zwischen den Papillen resp. an der Spitze des Cirrus sitzen, erkennen lassen, als auch namentlich in reicher Anzahl an der Spitze der Epithelpapillen selbst vorhanden und hier 1) Dass hier Wimperbewegung vorkommt, ist, wie aus einer hand- schriftlichen Notiz in dem der zoologischen Station gehörigen Exemplare seines Handbuches der Zoologie hervorgeht, bereits von Claus beobachtet worden. Zur Anatomie der Amphioxus lanceolatus. 309 natürlich etwas höher (Fig. 15c) sind, als sonst in der Haut. Man kann gerade an den Mundeirren den prägnanten Unterschied zwischen dem starren Sinneshaar und der schwingenden Geissel leicht beobachten. Gelegentlich findet sich schon im Epithel an der Innenseite der Cirren, wenigstens nahe der Basis derselben, eine starke Pig- mentirung. Diese setzt sich dann fort auf das Mundhöhlenepithel und kann hier in sehr verschiedenem Grade entwickelt sein, auch ganz fehlen. Sonst stimmt das Epithel mit dem der Cirren überein: es sind Cylinder mit feiner Cuticula, von denen viele eine lebhaft schwingende Geissel besitzen, und zwischen denen einzelne Fühl- zellen sich finden. In keinem Präparat fand ich auf allen Epithe- lien die Geissel; immer kamen neben Geisselzellen auch solche vor, welche nicht wimperten (Fig. 16a u. b), und obwohl es leicht ge- schehen kann, dass die Geissel abbricht, oder ungünstig liegt und se verdeckt wird, so war doch der erwähnte Befund ein so re- gelmässiger, dass wohl keine continuirliche Flimmerbekleidung der Mundhöhle existirt. Besondere Papillen, eigene Sinnesorgane finden sich hier nicht vor. Gegen die Kiemenhöhle wird die Mundhöhle abgeschlossen durch die von Joh. Müller sogenannte gefranzte Falte, welche kürzlich von Huxley!) mit dem Velum des Ammocoetes in Ver- bindung gebracht worden ist. Der Vergleich ist ein so naheliegender, dass ich den Namen des Velum für dieses Organ beibehalte — ohne damit irgendwie in eine Diskussion der Frage eingehen zu wollen, die Huxley daran geknüpft hat. Huxley versucht näm- lich nach der Lage des Velum die Ausdehnung des »Kopfes« des Amphioxus zu bestimmen. Es scheint mir eine so fundamentale Frage nicht nach einem so unwesentlichen und in seinem Vorkommen so beschränkten Organ entscheidbar zu sein. Vor dem Velum nun zeigt das Epithel der Mundhöhle in einem bestimmten Bezirk, der nach vorn durch eine stark gebogene Linie begrenzt wird, einen vollkommen differenten Character. Es besteht hier (Fig. 16c) aus sehr schmalen hohen Zellen, die in einfacher Schicht vorhanden sind, aber leicht mehrfach geschichtet erscheinen können, da ihre Kerne in verschie- dener Höhe liegen. Jede Zelle trägt eine lange Geissel, und da die Oberfläche derselben eine sehr kleine ist, so stehen die Geisseln dicht nebeneinander und es entsteht dadurch schon für die Be- 1) Proceedings of the royal society. vol. 23, Nr. 157. 17. Dec. 1874. 310 Paul Langerhans: trachtung mit schwachen Vergrösserungen der bekannte Eindruck der Flimmerbewegung, den die auf breiter Oberfläche sitzenden Geissein der Cirren des Mundepithels nie hervorrufen können. Dem entsprechend ist die Flimmerbewegung hier schon von den ersten Untersuchern des Amphioxus erkannt worden und Joh. Müller hat den ganzen schmalzelligen Bezirk als Räderorgan bezeichnet. Auf Frontalschnitten durch die Mundhöhle heben sich die Zonen höherer Geisselzellen sehr schön ab von dem anderen Epithel der Mund- höhle (Fig. 23). So sehr das Epithel dieses Bezirkes mit dem Kiemenepithel übereinstimmt, so besteht doch keine Continuität zwischen beiden. Mundhökle und Kiemenhöhle werden vielmehr durch das Velum von einander getrennt, das sich unmittelbar hinter dem Räderorgan erhebt. Das Velum besteht aus einer ringförmigen Schleimhautfalte, in der der M. constrietor veli liegt. Vom freien Rand der Falte erhebt sich die Schleimhaut in einer Anzahl gröberer Franzen oder Papillen, welche von Rathke zuerst gesehen wurden. Zwischen je zwei grossen Papillen finden sich meist je vier kleinere. Die grösseren Papillen sind nun nicht, wie die meisten Autoren angeben, einfache Hautduplikaturen, sondern sie besitzen ein festes Skelet, einen Axenfaden, der an der Basis in einen Conus von Fasern sich auflöst und mit diesem in den Ringmuskel des Velum eingesenkt ist. Eigene Muskeln habe ich an diesen Papillen nicht gefunden, den kleinen Papillen fehlt auch ein Skelet vollständig. Das einschichtige Cylinderepithel, welches das Velum überzieht, gleicht im ganzen dem der Mundhöhle. Nur sind die Zellen immer und ausnahmslos je mit einer lebhaft wimpernden Geissel versehen (Fig. 18a), ohne dass jedoch bei der Breite der Zellen dadurch der Eindruck der Wimperbewegung hier hervorgebracht würde. An der Spitze der kleinen Papillen findet man nun je eine geringe Ver- dickung des Epithels, wiederum wie bei den Papillen der Cirren nur entstanden durch Erhöhung der Epithelzellen, aber im Ver- hältniss zu diesen nur sehr unbedeutend. An den grossen Papillen sind solche Anschwellungen in grosser Zahl vorhanden (Fig. 17). Auf der Höhe einer jeden Anschwellung erkennt man leicht einen kleinen Kranz starrer feiner Haare und nimmt dann auch ihm ent- sprechend eine Gruppirung der Epithelzellen zu Organen wahr, welche an die becherförmigen Sinnesorgane in der Haut der Fische wie in der Zunge der Säuger erinnern. Der feinere Bau derselben Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 311 ist ein einfacher. Die wimpernden Epithelien nehmen an jedem Becher etwas an Höhe zu (Fig 18b), ohne sich sonst von ihren Nachbarn zu unterscheiden, und umgeben einen Raum, der von ein- fachen haartragenden Sinneszellen ausgefüllt ist, die auf Fig. 18 sowohl isolirt als in ihrer Anordnung dargestellt sind. Diese Becherorgane des Velum erinnern in ihrem ganzen Bau so sehr an die eben erwähnten Sinnesorgane, dass ich nicht anstehe, sie denselben anzureihen, obwohl ich allerdings ausdrücklich hervor- heben muss, dass ich nicht einmal in den Papillen selbst einen Nervenstamm zu entdecken im Stande war. Es müsste ein Ast des achten Nervenpaares sein, der sie versorgt. — Johannes Müller hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass die Franzen des Velum, welche in der Ruhe nach hinten gerichtet sind, von Zeit zu Zeit in unregelmässigen Intervallen nach Innen schlagen. Wir können wohl annehmen, dass diese Bewegung ausgelöst wird durch eine Reizung der Becherorgane, oder, wenn man will, der Schmeckbecher. Nach alledem unterscheidet sich das Velum des Amphioxus doch sehr wesentlich von dem des Ammocoetes. Bei dem letzteren findet sich von Sinnesorganen keine Spur; wir haben ein einfaches zweischichtiges Plattenepithel, das an den einander zugekehrten Flächen beider Vela eigene Cuticularbildungen besitzt, welche es geeignet machen, bei der Zerkleinerung der Nahrung zu helfen, welche also Analoga der Zähne darstellen; und die so ausgerüsteten beiden Vela bewegen sich bei jeder Athembewegung. Der Amphioxus hat eine ringförmige Falte mit Papillen, die entsprechend dem con- tinuirlichen Wasserstrom, welcher die Kiemenhöhle dieses Thieres durchströmt, keine regelmässige Bewegung zeigt, auch keine Zahn- Analoga besitzt, sondern in unregelmässigen Intervallen den Strom des Wassers unterbricht, eine Bewegung, die von eigenen Sinnes- organen (Geschmacksorganen) ausgelöst wird. Kiemen. Die auf das Velum folgende Kiemenhöhle hängt mit Ausnahme des mit der Leibeswand verwachsenen vordersten kleinen Theiles frei in der Bauchhöhle, nur oben an die skeletogene Schicht unter der Chorda sich anlehnend. Der Bau ihrer Wand ist von Joh. Müller fast erschöpfend beschrieben. Ich wiederhole hier seine Beschrei- Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 12. 51 312 Paul Langerhans: bung; nur auf die Anordnung an dem unteren Längsbande muss ich noch etwas genauer eingehen. Die Wand der Kiemenhöhle be- steht aus einem oberen, nach unten concaven, und einem unteren, nach oben concaven, elastischen Bande, die in der Mittellinie ver- laufen, und durch eine grosse Zahl schräg verlaufender, hohler, dreieckiger Stäbe, die Kiemenstäbe, mit einander verbunden sind. W. Müller!), hat das untere Band mit seiner Schleimhaut »Hypo- branchialrinne« benannt; ich behalte diesen Namen bei und nenne das obere Band »Hyperbranchialrinne.« An der Hyperbranchialrinne sehen die Kiemenstäbe bogenförmig in einander über; aber sie gehen zugleich so allmählich in die Substanz der Rinne selbst über, dass die Bögen nur als Verdickungen des unteren Randes der Rinne er- scheinen, woraus es sich erklärt, warum sie von Rathke nicht er- wähnt worden sind. Unten ist das Verhalten des Bandes wie der Stäbe ein complicirtes. Die geraden (der 2., 4.) Stäbe jederseits theilen sich in zwei divergirende Aeste, und die dadurch entstehenden Spitzbögen zwischen je zwei ungeraden Kiemenstäben werden durch die ungetheilt verlaufenden ungeraden Stäbe (den 3., 5., 7.) in der Mitte getheilt (Fig. 19). Die Hypobranchialrinne springt in Zacken vor!), welche sich an der Theilungsstelle der geraden Kiemenstäbe innen befestigen (Fig. 19a‘). Zwischen je zwei Zacken ragt das Band frei in die Kiemenhöhle hinein und kehrt derselben eine seitlich resp. aussen gelegene Facette zu, die durch eine Bogenlinie nach unten begrenzt wird (Fig. 19f). In der Mitte dieser Bogenlinie be- festigen sich die ungetheilt verlaufenden Stäbe (Fig. 19 b, b‘), während die Aeste der getheilten Kiemenstäbe sich unterhalb der Facette, also an dem nicht mehr in die Kiemenhöhle hineinsehenden Theile der Aussenfläche des Bandes befestigen, ohne mit seiner Substanz zu verschmelzen. Die Spalten zwischen den Kiemenstäben reichen somit oben bis zu dem Rande der Hyperbranchialrinne oder den Bögen der Stäbe, unten dagegen bis zur unteren Grenze der seit- lichen Facette der Hypobranchialrinne, welche zwischen ihren Zacken frei in die Kiemenhöhle hineinragt; die Spitzen der Spitzbögen aber betheiligen sich nicht mehr an der Begrenzung der Kiemenspalten. Je zwei gerade Stäbchen sind durch mehrere Querstäbe mit einander 1) Jen. Zeitschr. VII, 329. 2) W. Müller unterscheidet zwei Chitinstreifen als Grundlage der ganzen Rinne; ich habe diese nicht von der Substanz sondern können. ET Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 313 verbunden, die scheinbar den dazwischen liegenden Stab überbrücken, in Wahrheit aber an demselben durch eine kleine Lücke in zwei Hälften getheilt werden. Der Kiemenschlauch lehnt sich oben an die skeletogene Schicht unter der Chordascheide. Er ist ausserdem durch ein Band mit der Leibeswand verbunden, das Joh. Müller als lig. denticulatum bezeichnet. Aber dieses lig. denticulatum ist ein doppeltes. Das eine (lig. dent. sup., Fig. 20), geht jederseits neben der Aorta von der oberen Wand der Leibeshöhle ab und befestigt sich an jeden zweiten Kiemenstab mit einer Zacke, indem es in freiem Bogen den zwischenliegenden Stab überbrückt. An derselben Stelle wie dies Band inserirt ein zweites (lig. dent. inf.), das von der seitlichen Leibeswand herkommt und das ebenfalls wie das obere einen continuirlichen Ursprung hat. Diese beiden lig. denticulata, von denen Joh. Müller wohl nur das letztere erwähnt, bilden an keiner Stelle einen vollkommenen Verschluss der Kiemenspalten, und der Theil der Bauchhöhle, der sich zwischen ihnen befindet, wird ebenfalls wohl nur unvollständig durch sie abgeschlossen. Aber sie sind im Stande auf Schnitten einen solchen Verschluss vorzu- täuschen, indem sie die verschiedensten Bilder geben können je nach der Richtung der Schnitte. Ich glaube, dass sie es sind, die Stieda zur Annahme einer den Kiemenapparat aussen abschliessenden Mem- bran bewogen haben. Von einem auch nur scheinbaren Abschluss des Kiemenkorbes unterhalb des Ansatzes des lig. denticulatum la- terale zwischen diesem und der Hypobranchialrinne habe ich nie etwas sehen können. Es stimmt somit der anatomische Befund völlig mit dem Er- gebnisse des physiologischen Experiments von Joh. Müller, das neuerdings von W. Müller wiederholt wurde. Beide sahen Farb- stoffkörnchen in vollkommen freier Bewegung durch die Kiemen- spalten hindurch in die Bauchhöhle treten. Ich habe das Experiment oft mit dem gleichen Erfolge ohne Farbstoff wiederholt. Man sieht nämlich bei jedem lebenden Thiere Infusorien oder andere im Meerwasser suspendirte Körperchen in dem continuirlichen Wasserstrom durch Mundhöhle, Kiemen, Kiemen- spalte und porus abdominalis hindurchziehen. Nach alledem kann an einer offenen Communikation zwischen Bauchhöhle und Kiemen- höhle kein Zweifel sein. Diese Communikation zwischen den beiden Höhlen ist auch in 314 Paul Langerhans: einer kürzlich erschienenen Arbeit von Rolph!) bestätigt. Derselbe fasst aber den ganzen hier als Leibeshöhle bezeichneten Abschnitt als Athemhöhle auf und lässt die Leibeshöhle auf den aussen von den Ligamenta denticulata gelegenen Theil beschränkt sein, sowie aufden Raum, in dem die Geschlechtsorgane liegen und den, in dem das Kiemenherz verläuft. Am Enddarm bildet die Athemhöhle eine rechts gelegene Ausstülpung (s. unten), während links nur die Leibes- höhle sich befindet. Diese Auffassung unsrer Leibeshöhle als Athem- höhle stützt Rolph wesentlich auf die Kowalevsky’sche Ent- wickelungsgeschichte, und es ist nicht zu leugnen, dass dieselbe die Ergebnisse der Kowalevsky’schen Arbeit sehr schön mit dem Befunde beim erwachsenen Thier in Uebereinstimmung bringt. Wenn ich diese Ansicht nicht unbedingt acceptire und die Terminologie annehme, die aus ihr folgt, so geschieht dies, weil mir erst eine Prüfung der Rolph’schen Speculation in einer genaueren Bear- beitung der Entwickelungsgeschichte nöthig erscheint. Denn die Folgerungen die sich daraus ergeben, namentlich über Abstammung der Nieren und Geschlechtsdrüsen, sind zu wichtig, als dass eine theoretische Speculation sie genügend stützte. Jedenfalls wird sich wohl die Leibeshöhle nicht in die Hautduplikatur hinein erstrecken, die von den Seiten des Thieres her über die Kiemenspalten hinüber- wächst und sich dann ventral bis zum Porus schliesst; und der Raum, in dem die Geschlechtsorgane liegen, wird also wohl nichts mit der Leibeshöhle zu thun haben; ich sehe wenigstens nicht ein, was Rolph zu der Annahme bewegt, dass das der Fall sein solle. Das complicirte elastische Skelet des Kiemenkorbes wird an verschiedenen Stellen von glatten Muskeln bewegt. So zunächst am oberen elastischen Bande, wo jedesmal an der Stelle, an der ein Kiemenstab in die Substanz des Bandes übergeht, ein kleines Bündel von longitudinal verlaufenden glatten Muskeln aussen dem Bande aufliegt. An der Hypobranchialrinne begiebt sich zu jedem hinteren Ast eines Spitzbogenfensters eine Anzahl glatter Muskeln, die radiär zum Ende des Stabes angeordnet, aussen der Rinne auf- liegen (Fig. 19m). Endlich verlaufen in der Substanz dieser Rinne Längsfasern und Querfasern. Die letzteren werden von W. Müller erwähnt; die andern drei Muskeln sind bisher nicht beschrieben. 1) Die ich erst nach der Heimkehr zu Gesicht bekommen. Leipziger naturf. Gesellschaft 1875. 29. I. pg. 9. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 315 Dagegen vermuthet Joh. Müller einen Zug longitudinaler Muskeln an jedem Kiemenstäbchen, von denen ich nichts wahrgenommen habe. Die spärliche Mucosa, welche das Kiemenskelet und die Muskeln umgiebt, ist nur an einer Stelle reicher entwickelt; nämlich an den Kiemenstäbcehen. Hier springt sie, wie das von Stieda beobachtet ist, in Gestalt einer dünnen und zarten Falte nach Innen vor und giebt so dem ganzen Kiemenblatt eine relativ bedeutende Oberfläche (Fig. 24 m.) Die Epithelien, welche den Kiemenkorb überziehen, zeigen einen sehr grossen Reichthum verschiedener und oft sehr eigenthümlicher Formen, die nur in zwei Punkten übereinstimmen: einmal darin, dass jede Zelle nur mit Einem Wimperhaar versehen d. h. also eine Geisselzelle, und dann darin, dass das Epithel überall ein ein- schichtigesist. Stieda undWilhelm Müller geben,der erstere vom Epithel der Kiemenstäbchen, der letztere von dem medianen Epithel- streifen der Hypobranchialrinne an, dass sie mehrschichtig seien. Beides beruht auf einem Irrthum, hervorgebracht durch die Lagerung der Kiemen in verschiedener Höhe in den Zellen; diese selbst reichen stets von der bindegewebigen Grundlage bis zur freien Oberfläche, das ganze Epithel ist also im strengsten Sinne des Wortes ein ein- schichtiges. Der vorderste Abschnitt der Kiemenhöhle zwischen Velum und Kiemenspalten trägt ein mässig hohes Cylinderepithel, dessen Zellen im obern über dem Kerne gelegenen Abschnitte meist einen körnigen Inhalt besitzen, unterhalb des Kernes dagegen hell erscheinen, und hier sehr leicht aufquellen (Fig. 26a). Dasselbe Epithel setzt sich in die Hyperbranchialrinne fort und kleidet dieselbe aus. Dies Epithel hört in der Hyperbranchialrinne wie im vorderen Theile der Kiemenhöhle mit scharfer Grenze auf, um dem eigent- lichen Kiemenepithel, d. h. dem der Kiemenspalten Platz zu machen. Es ist das ein sehr schmalzelliges Epithel, mit sehr starken Geisseln, die wegen der geringen Dicke der Zellen einander fast berühren, und stimmt somit mit dem Epithel des Räderorgans (Fig. 16c) fast voll- kommen überein: es ist nur etwas niedriger. Die Höhe der Zellen beträgt an verschiedenen Stellen 0,012 bis 0,018, die Länge ihrer Geissel 0,01. Die Kerne liegen in verschiedener Höhe in den schmalen Zellen, und dadurch kann leicht, wie oben bemerkt, der Eindruck einer Mehrschichtigkeit entstehen (Fig. 26b). 316 Paul Langerhans: Dieses Epithel überzieht die Innenfläche und beide Seitenflächen der Kiemenblättchen bis auf den hintersten Theil derselben. Hier tritt plötzlich eine nur drei oder vier Zellen breite Lage niedriger, fast kubischer Epithelien an seine Stelle (Fig. 26c. Fig. 24p. c.), welche ebenfalls jede mit einer Geissel versehen sind. Aber bei der bedeutend grösseren Breite dieser Elemente treten die Geisseln so sehr in den Hintergrund, dass dieser Epithelstreifen bei Betrachtung mit kleinen Vergrösserungen nicht den Eindruck macht, als ob er überhaupt Cilien besässe. Dieses schmalen Streifens Zellen sind die einzigen Epithelien des Kiemenkorbes, welche das von allen Autoren erwähnte Pigment enthalten, und zwar eine recht verschiedene Menge rother bis dunkelbrauner Körnchen. An diesen Streifen von Pigmentepithel schliesst sich nach hinten ein wieder etwas höheres Epithel, welches auf Schnitten leicht den Eindruck eines einfachen Cylinderepithels macht und auch von Stieda so bezeichnet wurde. Dieses Epithel, welches die ganze Aussenfläche der Kiemenstäbchen überzieht, besitzt indess einen eigenthümlich complieirten Bau. Es besteht nämlich (Fig. 27) aus zwei Arten von Zellen: sehr grossen, hellen Elementen, deren kleiner Kern am un- teren Ende liegt, von einer spärlichen Protoplasmamenge umgeben, und deren sonst ganz heller Leib oft, aber nicht immer, einige grössere Concremente enthält!) — und aus kleinen Zellen mit stark körnigem Inhalt, deren Kern auf verschiedener Höhe gelegen ist. Die kleineren Elemente sind zwischen die grösseren vertheilt, und indem sie an der Oberfläche des Epithels pilzähnlich sich ausbreiten, decken sie einen Theil des Leibes der zwischen ihnen liegenden grösseren Ele- mente. An den kleinen Zellen ist die Geissel ausnahmslos sehr deutlich wahrzunehmen; an den grösseren am besten im optischen Querschnitt bei der Betrachtung von oben. Bei isolirten Zellen ist sie sehr oft nicht zu sehen, in einzelnen Fällen bei günstiger Lage aber auch da deutlich (278). Die Querstäbchen der Kiemen verbinden bekanntlich nicht den mit eigentlichem Kiemenepithel bekleideten Theil der Blättchen, sondern den hinteren Abschnitt derselben unmittelbar aussen vom 1) Der Unterschied zwischen dem körnigen Protoplasma und dem hellen Theile der Zelle stimmt mit dem vollkommen überein, was Kupffer kürzlich an Leberzellen beschrieben hat: »Ueber Differenzirung des Protoplasma an den Zellen thierischer Gewebe.« Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 317 Pigmentepithel. Dem entsprechend tragen sie ein Epithel, das sich von dem Pigmentepithel nur durch den Mangel des Pigmentes unter- scheidet. An der obern Seite der Hypobranchialrinne ist schon von Joh. Müller eine Anzahl von Längsstreifen der Schleimhaut erwähnt worden. W.Müller hat eine eingehende Beschreibung ihrer Epithelien gegeben'). Die äussere Fläche der Rinne, d. h. unsere äussere Facette (Fig. 19f), besitzt nach ihm „ein schmales, ziemlich kurzes Cylinder- epithel“ (Fig. 25f). Ich füge hinzu, dass auch hier auf jeder Zelle eine Cilie sitzt. „An der Kante verlängert sich dasselbe und geht längs der medialen zugleich nach oben gerichteten Fläche in ein schmales verhältnissmässig kurzes Flimmerepithel über“ (Fig. 25e). „Zu beiden Seiten der Mittellinie ändert sich die Beschaffenheit dieses Epithels plötzlich, indem die Zellen viel breiter werden und deren Protoplasma stärkeren Glanz annimmt; diese breiten Zellen sind zugleich zu einer flachen Halbrinne angeordnet, welche rechts und links von der Mittellinie längs des ganzen Bodens der Kiemen- höhle sich verfolgen lässt.“ Dieser Streifen breiter Zellen zerfällt nach meiner Beobachtung jederseits in zwei getrennte Streifen, die aus breiteren, ebenfalls mit einer Geissel versehenen Zellen bestehen (Fig. 25b und d). Die Zellen des medialen Streifens (Fig. 26d) sind meist ein wenig breiter, die des lateralen (Fig. 26f) enthalten öfters dunkle Körnchen. Beide Streifen jeder Seite werden getrennt durch einen schmalen Zug hoher und schmaler Geisselzellen mit längerer Geissel (Fig. 25c und 26e) und eben solche Zellen setzen den von W. Müller er- wähnten Streifen zusammen, welcher in der Mitte der Hypobranchial- rinne verläuft (Fig. 25a). Alle diese Elemente sind sehr hoch, sie messen 0,054 Mm. Die Differenz zwischen meiner Beschreibung und der von W. Müller liegt also im Wesentlichen darin, dass M üller jedenfalls einen, ich zwei Streifen breiterer Zellen unterscheidet. Das würde durchaus nicht gegen eine Vergleichung der Hypobranchialrinne mit dem gleichbenannten Organ der Tunikaten sprechen. Im Gegentheil, Fo1?) Jässt bei diesen ganz allgemein die breiten Zellen in je zwei 1) Jen. Ztschr. VII, 329. 2) Etudes sur les Appendieulaires du detroit de Messine. Genf 1872. pg- 7, Taf. 4,,Fig.’2. 318 Paul Langerhans: Streifen angeordnet sein; und Kupffer') giebt dasselbe an. Die Frage nach der Homologie beider Organe mit der 'Thyreoidea zu diskutiren liegt nicht im Plane meiner Arbeit. — In der oben erwähnten Arbeit erwähnt Rolph, dass erin dem Epithel der Hypobranchialrinne becherförmige Sinnesorgane gesehen habe, und deshalb die Flimmerrinne als Geschmacksorgan ansehe. Ich-habe nie solche Dinge hier gesehen, und ich glaube nicht, dass mir dieselben entgangen wären; auch finde ich an meinen Präparaten keine Spur davon. Vermuthlich ist Rolph durch die Querschnitte der beiden Streifen breiterer Zellen (Fig. 25b und d) getäuscht worden. Uebrigens finden wir sonst überall Geschmacksorgane nur an Theilen, die noch der Wirkung willkürlicher Muskeln unter- liegen; wozu hier in der Hypobranchialrinne Geschmacksorgane, da das Thier den continuirlichen Wasserstrom doch nicht mehr unter- brechen könnte? Die Kiemenspalten reichen an der Aussenseite der Hypo- branchialrinne soweit nach abwärts, dass die laterale Facette noch in die Kiemenhöhle hineinsieht. Sie begrenzen sich nach unten durch die Bogenlinie, welche die Grenze der Facette darstellt. Zwischen ihr und der Spitze des Spitzbogens bleibt dadurch ein Raum übrig, in dem, wie oben bemerkt, ein glatter Muskel liegt. (Fig. 19m.) Ueber dem Muskel nach oben wird dieser Raum ein- genommen von einem Lager sehr langer Epithelzellen, welche bis zu 0,072 lang den ganzen Raum füllen und nur zum kleinen Theil vom Muskel nicht bedeckt die untere Grenze der Kiemenspalte bil- den. Diese Zellen (268g) sind mit einer Geissel versehen und er- scheinen im übrigen als fadenförmige Gebilde, die nur da wo der Kern liegt ein wenig dicker sind. Sie sind äusserst geneigt, auf- zuquellen und selbst an Präparaten, an denen alle andern Elemente keine Spur von Quellung zeigen, begegnet man hier eigenthümlich sequollenen Formen, wie sie in 26h dargestellt sind. Die Aussenseite des erwähnten Muskels zeigt, wie der ganze nicht in die Kiemenhöhle sehende Theil der Hypobranchialrinne, ein einfaches Pflasterepithel, dessen Zellen ebenfalls wohl immer je mit einer Geissel versehen sind, obwohl ich dieselbe allerdings nur oft, nicht immer habe wahrnehmen können. 1) Jahresbericht der Commission zu wissensch. Untersuchung der deut- schen Meere. Kiel 1875. pg. 202. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 319 Darm. Der Kiemenschlauch geht hinten direct in den Darm über, in- dem er sich etwas verengert. Dies enge Anfangsstück wird von allen Autoren als Oesophagus bezeichnet. Darauf folgt eine Er- weiterung, der Magen, in die ein an der rechten Seite des Kiemen- schlauches gelegener und ‚an einigen Knorpelstücken desselben durch kleine Bänder befestigter‘“ (Joh. Müller) Blindsack mündet. Blind- sack und Magen sind durch grüne Färbung ausgezeichnet. Dann verengert sich der Darm allmählig, zeigt keine grüne Färbung mehr und mündet an der linken Seite des Körpers im Anus aus. Der letzte verengerte Abschnitt, der Enddarm, ist nicht mehr, wie die vorderen Theile, am grösseren Theil seines Umfanges vom Peri- toneum umgeben (Fig. 21). Er liegt vielmehr extraperitoneal in der linken Körperhälfte, und die Bauchhöhle stellt in diesem Theile des Körpers nur eine blinde, rechts gelegene Ausstülpung dar (Fig. 21p. h). Auf der anderen, linken Seite liegt zwischen Darm und Bauchwand ein heller nie Gerinnsel enthaltender Raum, der nach vorn zu in einen ventralen Fortsatz ausläuft und unmittelbar hinter dem Porus abdominalis endet (Fig. 211). Diese Lage des Darmes ist bis jetzt übersehen worden!). Man kann, besonders wenn, was nicht selten, das Peritonealepithel stark pigmentirt ist, leicht diese extraperitoneale Lagerung feststellen. Vom Epithel des Darmkanales wissen wir durch Joh. Müller, dass es, wie das Kiemenepithel, überall wimpert; auch hat Joh. Müller auf die verschiedene Dicke der Wand des Kanales aufmerk- sam gemacht und Stieda weist mit Recht darauf hin, dass diese Unterschiede ihren Grund in verschiedener Dicke des Epithels haben. Dasselbe ist in der That in der Leber und im Magen meist (Fig. 28a, b) 0,09 Mm. dick, im Enddarm nur 0,054 Mm. mächtig (Fig. 28c). Aber diese ganze Epithelschicht wird von einer einfachen Lage sehr schmaler und hoher Cylinder gebildet, von denen jeder nur eine Cilie trägt, also auch in dieser Beziehung mit den anderen bisher beschriebenen Epithelformen übereinstimmt. Man kann in jeder 1) Nur Rolph hat sie ebenso beschrieben; er fasst die Ausstülpung der Leibeshöhle natürlich als Athemhöhlenausstülpung und den Raum auf der iinken Seite des Darmes als Leibeshöhle. 320 Paul Langerhans: dieser hohen Zellen mehre Zonen unterscheiden, die bei mancher Differenz im Einzelnen, im Grossen und Ganzen überall wiederkehren (Fig 28). Die Geissel entspringt wie an den Kiemenepithelien von einem oben leicht glänzenden Theile (Fig. 28b, c), der, wenn viele Zellen nebeneinander liegen, als homogener Saum erscheint. Dieser Theil quillt leicht etwas auf (Fig. 21a); er geht in einen kurzen, homogenen Abschnitt über, dem ein streifiger oder feinkörniger Theil des Zellleibes folgt. Bis hierhin erstreckt sich in Leber und Magen die grüne Färbung der Zellen. Nach aussen folgt ein langer homogener Abschnitt, durch den Kern in zwei Hälften getheilt; und in dem unter dem Kern gelegenen Abschnitt finden sich einige gröbere Granula entweder unmittelbar an der Propria (28a) oder etwas von ihr entfernt (28c). Einzelne Zellen in den oberen Abschnitten des Darmkanals, Leber und Magen, zeigen sich in sehr verschiedener Weise mit grösseren Körnchen gefüllt, bald nur im untern Abschnitt (Fig. 28b), bald nur im oberen; bisweilen erstreckt sich diese Füllung auf alle Zellen z. B. der Leber oder des Magens. Das sind offenbar Ver- dauungszustände; diese Zellen unterscheiden sich sonst in Nichts von den andern Zellen, genau wie ähnliche Elemente im Darme des Ammocoetes. Von Becherzellen ist nichts zu finden. Die verschiedenen Zonen haben offenbar Stieda zur Annahme einer Mehrschichtigkeit des Darmepithels geführt. Diese ist indess nicht vorhanden, und der Amphioxus hat somit, wie alle anderen Vertebraten, nur ein einschichtiges Darm-Epithel. Drüsen fehlen vollkommen. „Die Wand des Darmkanales excel. Epithel besteht aus einer dünnen bindegewebigen Membran, welcher hie und da Kerne einge- fügt sind“ (Stieda). Muskeln wurden von allen Autoren vermisst. Ich finde nun in dieser dünnen bindegewebigen Membran, die nach Stieda aussen auf das Epithel folgt, ein reiches Capillarnetz, gebildet von Gefässen, welche im Ganzen circulär um den Darm verlaufen und vielfach mit einander anastomosiren. Auf ihre An- ordnung komme ich bei Besprechung des Gefässsystems zurück. Nach Aussen von der gefässhaltigen Mucosa liegt nun eine Lage von Zellen, die oft ein sehr eigenthümliches Bild darbieten. Es sind Zellen, die bald ganz rundliche Form besitzen, bald mit mehren Ausläufern versehen sind (Fig. 29b), bald endlich langge- streckt erscheinen (Fig. 29a). Sie liegen in einfacher Lage neben- Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 321 einander, zeigen einen kleinen Kern und um ihn herum eine Zone, die an guten Osmiumpräparaten fast schwammig aussieht (Fig. 29b). Sonst ist ihr Leib homogen, oft schwach glänzend, oft voller Körn- chen. So sehr die rundlichen Formen von den Elementen abweichen, die man sonst als glatte Muskeln bezeichnet, so glaube ich doch, dass die ganze Schicht als Tunica muscularis aufzufassen ist. Ihre Anordnung ist im Ganzen in der Leber mehr eine der Längsachse parallele, im Darme mehr der Querachse, obwohl eine bestimmte Richtung nicht überall hervortritt. Aussen folgt auf diese Tunica muscularis das Peritoneum: eine feine Bindegewebshaut, längsstreifig, mit ihrem Epithel. Peritoneum und Nieren. Ich behalte die Bezeichnung des Peritoneum für die die Bauch- höhle auskleidende Membran bei, obwohl es ja zweifelhaft, wie weit ihre Anwendung eine berechtigte ist. Denn es stehen sich bekannt- lich die Beobachtungen von Max Schultze!), welcher die ersten ent- stehenden Kiemenspalten von der äusseren Haut bedeckt fand und die von KowalevskyundLeuckartundPagenstecher, welchedieselben als wahre Kiemen wie bei den Fischen sich bilden lassen, unvermittelt gegenüber. Für die letzten Kiemenspalten aber wissen wir durch Joh. Müller genau, dass sie nur in der Darmwand, nicht auch in der Leibeswand entstehen: denn bei Thieren von eirca 13 Mm. Länge fand Joh. Müller je 50 Kiemenspalten, bei solchen von 26 Mm. aber deren 80 bis 100, während die Bauchwandungen bei beiden in ganz gleicher Weise wie beim erwachsenen Thiere ausgebildet sind. Wenn die Kowalevsky’schen Angaben richtig sind, wird man, wie Rolph ausgeführt hat, das Epithel der Leibeshöhle nicht Peritoneum nennen können. Es werden darüber, wie oben bemerkt, erneute Bearbeitungen der Embryologie die Entscheidung bringen. Das Peritoneum kleidet also die ganze Bauchhöhle aus und bildet ebenso als viscerales Blatt die Bekleidung des Darmkanales. Am Enddarm beschränkt es sich allerdings auf eine von vorn nach hinten schnell abnehmende Ausstülpung, welche nur einen Theil des Darmes über- zieht. Das Epithel, welches die Aussenfläche des Kiemenschlauches überzieht, habe ich oben schon besprochen. Das ganze übrige Peri- 1) Zeitschr. für Zoologie III, 416. 1851. 322 h Paul Langerhans: tonealepithel stimmt darin mit der Mehrzahl der beschriebenen Epi- thelzellen des Amphioxus überein, dass alle Zellen je eine Wimper- cilie tragen. Im Uebrigen aber zeigen sie beträchtliche Differenzen, wie ein Blick auf die Fig. 30 zeigt. Sie sind am höchsten auf dem sog. Magen, auf der Leber und dem Darme etwas niedriger und auf dem parietalen Blatte ganz platt. In sehr wechselnder Weise kommen Pigmentirungen hier vor. Am häufigsten sind sie im Ge- biet der Geschlechtsorgane, wo sie schon von den ersten Beobachtern erwähnt werden; indess oft ist selbst hier die Pigmentirung, wie das zu der Figur 30d gewählte Beispiel zeigt, eine sehr geringe. Andrerseits kann sie an anderen Stellen eine sehr bedeutende sein, namentlich oft am Enddarm (Fig. 30c). „Am hintersten Theil der respiratorischen Bauchhöhle sieht man bei allen lebenden Individuen unter dem Mikroskop mehrere von einander getrennte drüsige Körperchen, ganz in der Nähe des Porus abdominalis. Ausführungsgänge wurden nicht wahrgenommen. Vielleicht sind es die Nieren; aber ich muss bemerken, dass ich diese Körperchen bei der Zergliederung nicht wieder auffinden konnte.“ Mit diesen Worten beschreibt Johannes Müller eine Anzahl von Epithelwülsten, welche im hinteren Abschnitt der respiratorischen Bauchhöhle an der ventralen Bauchwand zwischen und hinter den Geschlechtsdrüsen gelegen sind. Die Untersuchungen von Joh. Müller sind bekanntlich an kaum 20 Exemplaren von Amphioxus angestellt worden. Verfügt man über ein grösseres Material, so gelangt man leicht dazu, diese Wülste auch bei der Präparation aufzufinden. Trägt man die untere Bauchwand durch zwei oberhalb der Ge- schlechtsdrüsen geführte Längsschnitte ab, und breitet das frische Präpärat so auf dem Objectträger aus, dass die Innenseite nach oben sieht, so zeigt eine schwache Vergrösserung das Bild der Fig. 31. Zwischen den letzten Geschlechtsdrüsen und zwischen ihnen und dem Rande des Porus abdominalis (Fig. 31p. a) hebt sich eine reiche Zahl von leicht granulirten Körpern ab, die nach vorn zu schnell sehr spärlich werden, aber doch in vereinzelten Wülsten (Fig. 31i) bis zur Mitte der Reihe der Geschlechtsdrüsen reichen. Diese Wülste sind deutlich in Längs- wie in Querrichtung von einander getrennt. Sie sind bei jedem Individuum in Zahl und Anordnung verschieden, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 323 nie symmetrisch, in der Regel bei kleinen Individuen selbst spärlicher und kleiner, und besitzen keine Spur einer segmentalen Anordnung. Entsprechend der grossen Mannigfaltigkeit in Zahl und Anordnung geben Querschnitte die wechselndsten Bilder. Bald findet sich nur auf einer Seite ein Wulst, bald jederseits einer (Fig. 32), bald viele (Fig. 33). Die Betrachtung von Schnitten sowohl als von frischen Präparaten zeigt, dass diese Wülste in der That einfache Ver- diekungen des Peritonealepithels sind. Die platten Zellen desselben zeigen an den Stellen, die sich als Wülste abheben, eine Vergrösse- rung, sie präsentiren sich als Oylinder. Aber zwischen den ver- änderten Stellen des Epithels und dem unveränderten Peritoneal- epithel findet ein continuirlicher Uebergang statt, der namentlich am oberen und unteren Ende der Wülste bei Betrachtung frischer Objecte sich oft sehr schön beobachten lässt. Fig. 34 stellt einen solchen dar; in den noch lebenden Zellen erkennt man nirgends Kerne; es zeigen sich in den Zellen des Wulstes nur stark licht- brechende Concremente, welche dem ganzen Wulste das oben er- wähnte granulirte Ansehen verleihen. Man erkennt am frischen Object auch bald, dass die ganze Oberfläche des Wulstes mit lebhaft schwingenden Cilien bedeckt ist. Nach Behandlung mit ‘Agentien, namentlich Osmiumsäure, er- kennt man schon von der Fläche her, dass ein solcher Wulst aus zwei verschiedenen Zellarten zusammengesetzt ist (Fig. 35). Kleinere ‘Elemente mit sternförmiger Oberfläche trennen grosse, bauchige Zellen von einander. Isolirt erscheinen die kleinen Zellen als dunkle, sranulirte Elemente, die mit stark verdünnter Basis dem Binde- gewebe aufsitzen, ihren Kern aber in einem oberen Theile des Zell- leibes führen, welcher sich nach den Seiten oft plötzlich ausbreitet und einen Theil der Oberfläche der andern Zellen deckt. Diese sind grosse blasige Elemente mit kleinem meist unten gelegenen Kerne und mehreren, frisch hell glänzenden, mit Osmium sich leicht schwär- zenden Concrementen, die von oft ganz geraden Flächen begrenzt sind. An den kleinen Zellen kann man fast immer sehr deutlich eine lange Geissel wahrnehmen — an den grossen gelingt das nicht immer, am besten noch im optischen Querschnitt bei der Ansicht von oben (Fig. 35). An frischen Präparaten findet man in diesen Wülsten N lich kleine Löcher, vielleicht entstanden durch den Ausfall einer Zelle, vielleicht Quellungsproducte. — 324 Paul Langerhans: Die Aehnlichkeit dieses Epithels mit dem, welches die Kiemen- stäbe aussen überzieht, liegt auf der Hand. Der einzige Unterschied ist, dass letzteres selten einzelne Coneremente enthält, das Epithel der Wülste immer. Ueber die Bedeutung dieser Zellenwülste wird sich nur schwer ein Urtheil gewinnen lassen. Wenn ich, im Anschluss von Joh. Müller dieselben als Nieren auffasse, so ist meine erste Stütze dabei die Existenz der Concremente in den grossen, drüsigen Zellen. Solche Concremente finden wir ja bei niederen Thieren in weiter: Verbreitung in den Nierenzellen, und sie bilden auch da oft die einzige Legitimirung der betreffenden Organe. Eine Struktur ähnlich der unserer Nierenzellen mit Heidenhain’schen Stäbchen hat sich nicht nachweisen lassen. — Dagegen stimmt die Anordnung des spärlichen körnigen Protoplasma mit den von Kupffer beschriebenen Verhältnissen überein (s. oben). Diese einfachen Nieren des Amphioxus kann man nur schwer mit den gleichen Organen höherer Vertebraten vergleichen, zumal da die Herkunft des Peritonealepithels wie oben bemerkt noch eine durchaus unaufgeklärte ist. Wenn das Epithel, dessen metamorpho- sirter Theil unsere Nieren darstellt, wirklich ein Peritonealepithel ist, dann dürfte eine Homologie wenigstens mit den Urnieren der höheren Vertebraten vorhanden sein. — Ueber keinen Punkt in der Anatomie des Amphioxus gehen bekanntlich die Angaben der Autoren so auseinander, wie über die Nieren. Haeckel sieht im Seitenkanal die Niere. Huxley neuer- dings in den Falten der äusseren Haut des Bauches. R. Owen in einem sonst von Niemand gefundenen drüsigen Organ unter der Chorda. Quatrefages referirt nur Müller’s Angabe, ohne eigene Meinungsäusserung, und andere, wie Reichert und Stieda, betonen das Fehlen der Niere. Nur Rolph schliesst sich im Ganzen an J. Müller an; aber seine Beschreibung ist nicht ganz klar, da er nur an Alkoholexemplaren gearbeitet hat. Die meisten Beobachter konnten die Joh. Müller’schen Epithelwülste nicht wiederfinden, und Wilh. Müller!) erklärte sie neuerdings sogar für einzelligePara- siten. Obwohl Wilh. Müller sich der Angabe von Joh. Müller gegenüber so negativ verhält, so kann doch zu seiner eigenen irr- thümlichen Angabe, dass die Nieren aus je drei Längsstreifen ver- 1) Jen. Ztschr. IX, 98. 1875. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 325 diekten Epithels an der unteren Bauchwand beständen, kaum etwas anderes die Veranlassung gewesen sein, als die Beobachtung eines Falles, in dem die Johannes Müller’schen Wülste besonders regelmässig angeordnet waren. Auch Stieda, der sich »kaum erklären kann, wodurch Joh. Müller getäuscht wurde«, hat diese Gebilde gesehen, denn er erwähnt eine Seite vorher: »In der nächsten Nähe des Porus abdominalis fand ich bei einigen Individuen, dass an bestimmten, die Längsrichtung einhaltenden Streifen die Zellschicht an der Bauchwand ein anderes Aussehen hat, als an den übrigen Gegenden. Die Zellen hatten hier wenigstens eine doppelt so grosse Höhe als daneben; diese so ausgezeichneten Zellen schlossen sich durch allmähliche Uebergangsformen an das übrige Epithel an«. Aber Stieda hält diese Zellen für »Keimepithel.« Geschlechtsorgane. Meine Untersuchungen über die Geschlechtsorgane erstrecken sich leider nicht auf die erste Anlage derselben. Ich habe dieselben in den Monaten März, April und Mai angestellt; und die kleinsten Exemplare von 10 und 11 Mm. besassen bereits vollständig ange- legte Keimdrüsen. Dieselben bestanden aus einem rundlichen Zell- haufen (Fig. 36), der deutlich vom Peritoneum (Fig. 36p) getrennt war und 0,012 bis 0,024 Mm. Durchmesser besass. An dem Zellen- haufen konnte man eine periphere Lage mehr platter Zellen mit länglichem Kerne und einen centralen Haufen rundlicher Elemente "unterscheiden. In den rundlichen Zellen in der Mitte war das Kernkörperchen relativ gross und deutlich; neben dem grossen Kern enthielten sie mehrere glänzende Körperchen, die grösser waren als die kleinen Pigmentkörnchen in den peripheren Zellen. Diese Keimdrüsen lagen in genau segmentaler Anordnung am hinteren Ende je eines Abschnittes der Seitenmuskulatur, genau unter dem ventralen Ende derselben, und wurden zum Theil von einem Gefäss bedeckt, das an dieser Stelle subperitoneal verläuft und in jedem Segment (Fig. 37r) einen Ast abgiebt, der nach kurzem Verlauf nach oben nicht weiter zu verfolgen ist. Diesem Gefässast schliesst sich je ein platter, zarter Nerv an (37n). Nicht alle Drüsen zeigten die gleiche Grösse; sie waren vielmehr in der Mitte des Thieres am grössten und nahmen nach vorn wie nach 326 Paul Langerhans: hinten schnell in ihrem Durchmesser ab. Vollkommen der gleiche Befund fand sich bei zwei Thieren von 15 Mm. Bei 8 Thieren von 17 Mm. zeigten die Keimdrüsen ungefähr die doppelte Grösse (0,036 : 0,054); in ihrem Inneren war deutlich ein spaltförmiges Lumen zu erkennen, um das die rundlichen Zellen in bald einfacher bald doppelter Lage sich gruppirten. Diese Drüse war umschlossen von einer dreifachen Hülle: einer ganz eng an- liegenden (die sich bleibend ebenso verhält), einer zweiten stellen- weise weiter entfernten und locker anliegenden (die sich bei grösseren Thieren als tunica muscularis zeigt), und endlich unvollkommen vom Peritoneum. Die einzelnen Zellen, aus denen die Hüllen bestanden, zeigten keine Körnchen und hatten längliche Kerne; die Keimdrüsen- zellen selbst bestanden (Fig. 38) aus rundlichen Elementen, die oft gegeneinander abgeplattet waren und einen grossen Kern mit sehr deutlichem Kernkörperchen enthielten, sowie daneben einige glän- zende Körperchen. Auch hier waren die vorderen und hinteren Drüsen kleiner, als die in der Mitte liegenden. Die Keimdrüsen der 8 Exemplare von 17 Mm. stimmen also im Wesentlichen noch mit denen der Thiere von 10 bis 15 Mm. überein: es lässt sich an ihnen nicht entscheiden, ob das Individuum männlichen oder weiblichen Geschlechtes ist. Die Drüsen repräsen- tiren vielmehr einen Zustand, den man als indifferenten bezeichnen kann }). | Ein Thier zeigte an einigen Drüsen einzelne grössere periphere Zellen, deren grösserer nucleus und nucleolus auffielen, und war so- mit, wie wir später sehen werden, ein 2, während ein anderes von 17,5 Mm. männliche Drüsen von sehr vorgeschrittener Entwickelung besass. Bei allen Thieren über 19 Mm. (bis zu 26) dagegen liess sich bestimmt ein deutlicher Unterschied zwischen den Keimdrüsen beider Geschlechter beobachten. Aber während derselbe bei manchen Thieren von 22 und 23 Mm. Länge kaum erkennbar war, und die ganzen Drüsen nur als kleine Säckchen von 0,07 :0,032 Mm. bis zu 6,086 : 6,048 Mm. erschienen, waren sie beiandern von 20 und 21 Mm., ja selbst, wie bemerkt, bei einem Exemplar von 17 Mm. Länge bereits mit schwachen Vergrösserungen deutlich als Hoden oder Ovarien 1) Zwei Exemplare von 17 Mm, Länge hatten allerdings den indifferenten Zustand bereits verlassen. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 327 erkennbar und enthielten schon fast reife Spermatozoen resp. Eier mit grobkörnigem Dotter. Die Ditferenzirung der indifferenten Ge- schlechtsdrüsen und ihre Entwickelung bis zu einem der Reife sehr nahen Zustande findet also Statt bei Thieren von 17 bis zu 26 Mm. Grösse, ohne dass jedoch die Grösse des Thieres und die Ausbildung der Geschlechtsdrüsen genau correspondirte. Dabei unterscheiden sich beide Geschlechter zunächst in der gröberen Form der Drüsen nicht von einander. Bei beiden finden wir auf dem ersten, genau als 4‘ oder Q erkennbaren Stadium nur einfache, längliche Säckchen von der oben angegebenen Grösse, mit deutlichem Lumen. Bei weiter entwickelten Thieren sehen wir dann hufeisenförmig gekrümmte Säckchen von 0,09:0,1 bis 0,16:0,16 Grösse. Und endlich .finden wir eine mehrfach gelappte Blase von eirca 0,16 ::0,20 Grösse, bei der aber das Lumen bei den Testikeln stets ansehnlicher entwickelt ist, als bei den Ovarien. In diesem Stadium sind Länge und Breite der Organe ungefähr einander gleich ; im weiteren Wachsthum überwiegt der Querdurchmesser bedeutend; die Drüsen berühren einander und platten sich im Längendurch- messer gegeneinander ab. Im Laufe der weiteren Entwickelung füllt sich die gelappte Blase der Testikel mit Sperma, während beim 2 die wachsenden Eier solide Ausstülpungen der Blasenwand hervor- bringen und schliesslich das Lumen derselben so sehr zusammen- drängen, dass es bei reifen Thieren kaum zu erkennen und vielleicht ganz geschwunden ist. Wenn die Keimdrüsen eine gelappte Blase darstellen, zeigt sich bei 2 wie bei Z' an einer Stelle der Blasenwand eine auffallende Verdünnung der anfangs gleichmässigen Schicht der Keimdrüsen- epithelien (cf. Fig. 41). Dieselben werden hier sogar discontinuirlich und die Blase bekommt so factisch ein Loch, das aber noch bedeckt ist von den Hüllen der Drüse und sich nie in die Bauchhöhle öffnet. Das Peritoneum zeigt dieser Stelle entsprechend eine strahlige An- ordnung seiner Epithelien, die oft bei starker Pigmentirung des übrigen Peritonealepithels selbst pigmentfrei bleiben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Stelle einer ursprünglichen Peritoneal- einstülpung entspricht. Dieselbe liegt stets in dem jetzt schon deutlich entwickelten Hilus der Drüse. Dieser stellt eine oblonge, quergestellte Einbuch- tung an der inneren Fläche dar. Das Blutgefäss, das wir schon früher kennen lernten (Fig. 37 v), läuft jetzt ganz an der Innenseite Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12, 22 328 Paul Langerhans: der Geschlechtsdrüsen entlang, unter dem Peritoneum, und giebt am Hilus jeder Drüse meist zwei Gefässe ab, die unter die Tunica muscularis treten und sich in den Furchen zwischen den Lappen der Drüse verästeln. Sie lassen sich bequem bis zur Peripherie der- selben verfolgen. Während so beide Geschlechter im gröberen Verhalten der Drüsen längere Zeit völlig übereinstimmen, und erst von dem Sta- dium der gelappten Blase an divergiren, zeigt sich im ferneren Ver- halten schon früh eine Differenz, die es uns ermöglicht, die Ge- schlechter zu erkennen. Wir sehen nämlich bei den Männchen bei Drüsen von der Gestalt des einfachen Säckchens und der Grösse von ungefähr 0,07 :0,032 aus den einfach oder doppelt geschichteten Keimdrüsenzellen eine Anzahl feiner, aber, deutlich erkennbarer Fädchen ins Lumen hineinragen, die sich bei frischen Präparaten lebhaft bewegen (Fig. 39). Die Drüsenzellen selbst zeigen denselben grossen Kern wie früher mit deutlichem Keimbläschen und eine Anzahl glänzender Körperchen, wie wir das schon bei der indiffe- renten Drüse der Thiere von 17 Mm. Länge fanden. Isolirt man sie (Fig. 42), so erkennt man neben Zellen, die vollkommen mit den Elementen der indifferenten Drüse (cf. Fig. 35) übereinstimmen, solche, aus denen ein oder mehre feine Fäden heraussehen, die mit den besprochenen glänzenden Körperchen in den Zellen in Ver- bindung stehen. Diese Differenzirung der indifferenten Keimdrüsen tritt nicht gleichzeitig an allen auf, sondern sie beginnt an den stets grösseren mittleren Drüsen, während die vorderen und die dem Porus abdomi- nalis nahe gelegenen hinteren Drüsen noch völlig die indifferente Form zeigen. Mit dem Auftreten der ersten Spermatozoenschwänze, oder mit der Metamorphose einzelner indifferenter Keimdrüsensellen in Sperma- toblasten ist das Geschlecht des Thieres entschieden und alle ferneren Veränderungen im Hoden sind merkwürdig geringfügig. Wir sehen bei weiter entwickelten Drüsen zunächst eine einfache Vermehrung der Dicke der Wand, die sich dann nicht aus zwei, sondern aus vielen, 8 bis 10 Lagen vollkommen übereinstimmender Epithelien bildet (Fig. 41), welche alle viele glänzende Körperchen enthalten und wohl alle Spermatozoenfäden ausstrecken (cf. Fig. 42b). Gleich- zeitig und gelegentlich wohl auch schon früher verdünnt sich an einer Stelle die Wand der Drüse in der oben beschriebenen Weise, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 329 ohne dass dadurch eine wirkliche Oeffnung entstände (Fig. 41). Einzelne Spermatoblasten haben dann immer schon weitere Ent- wickelungen durchgemacht, und wenige scheinbar reife Spermatozoen ins Lumen der Drüse hinein geliefert, wie sie. von Kölliker be- schrieben wurden. Von diesem einfachen Bau unterscheidet 'sich der vollkommen geschlechtsreife Hoden nur dadurch, dass seine Höhle ganz mit Sperma gefüllt und sehr dadurch ausgedehnt ist. Dadurch tritt die epitheliale Wand mehr und mehr zurück, ohne sich im mindesten von der in Fig. 41 zu unterscheiden. Sie besteht aus vielen Schichten von Zellen, die sämmtlich Spermatoblasten sind. Andere Zellformen, die dem Verständniss der Hoden höherer Vertebraten so viele Schwierigkeiten bereiten, habe ich in dem ein- fach gebauten Hoden des Amphioxus nicht beobachtet. — Die weiteren Metamorphosen der Spermatoblasten lassen sich leicht übersehen. Man findet in jedem Testikel, der scheinbar reife Spermatozoen enthält, zunächst viele Spermatoblasten, die genau wie die Zellen der Drüse gestaltet sind, welche zuerst als Hoden kennt- lich war. Also Rundzellen mit grossem Kerne mit deutlichem Nu- cleolus mit vielen glänzenden Körperchen und von diesen ausgehenden Spermatozoenschwänzen (Fig. 43a). Ich habe deren bis zu 7 an einer Zelle beobachtet. Dann finden sich Zellen, in denen an Stelle des einfachen Kernes eben so viel kleine Kerne vorhanden sind, als glänzende Körperchen und mit ihnen Spermatozoenfäden existiren (Fig. 43b); und endlich findet man kleine rundliche Zellen mit kleinem Kerne, wenig Leib, glänzendem Körper und Spermatozoen- schwanz, welche theils einzeln umherschwimmen, theils noch zu mehreren lose zusammenhängen (Fig. 43c). Es legen sich also wohl in einem Spermatoblast mehre Spermatozoen an, in Gestalt der glänzenden Körper, die wir schon in dem indifferenten Keimdrüsen- epithel vorfanden. Dann entstehen die ersten Anfänge des Fadens; darauf theilt sich erst der Kern in ebensoviel Kerne, als Sperma- tozoen entwickelt werden, und dann die Zelle in ebensoviel Zellen, als Kerne vorhanden sind. Diese Zellen mit Kern und unreifem Samenfaden füllen dann in grossen Mengen das Lumen des Hodens aus und werden durch ihre Schwänze zum Theil schon lebhaft be- wegt. Im April und Mai waren weiter entwickelte Formen über- haupt nicht aufzufinden. Es sind also die von Kölliker!) aus 1) Müllers Archiv 1843, pg. 35, Taf. II Fig. 5B. 330 Paul Langerhans: im April gefangenen Thieren beschriebenen Spermatozoen wohl diese kleinen Zellen (Fig. 43c). Im Laufe des Mai vergrösserte sich der Spermatozoenkopf allmählich, und Mitte Mai war er deutlich herz- förmig und ebenso gross, wie der reducirte Kern der kleinen Zelle (Fig. 44a). Damit hat der Samen des Amphioxus, wie es scheint, seine volle Entwickelung fast erreicht; denn auch an ejaculirtem Sperma (19. Mai) fand sich noch der Rest des Zellkernes als ein rundlicher Körper vor, der an Grösse dem Spermatozoenkopf fast gleich kommt (Fig. 44b). Die Hülle des Testikels ist, wie bereits bemerkt, eine dreifache. Eine sich eng an alle Unebenheiten und Lappen anschliessende, mit welcher die Gefässe verlaufen und die wohl wesentlich einen binde- gewebigen Charakter hat. Dann eine die Drüse nur locker um- gebende Hülle, die bald weit von ihr entfernt liegt, bald eng an- gelagert erscheint und aus einer einfachen Lage äusserer Quermuskeln besteht, die sich im rechten Winkel mit einer Lage innerer Längs- muskeln kreuzt. Beide bestehen aus ziemlich weit von einander entfernt liegenden glatten Fasern, die bis zu 0,16 Mm. lang sind. Aussen folgt darauf die lockere Peritonealhülle, die den Hoden nur unvollkommen überzieht. Bei anderen Thieren von derselben Grösse wie die jüngsten Männchen, finden wir nun bei Drüsen, die ebenfalls längliche Säck- chen sind von ungefähr 0,07 :0,032, dass einzelne Drüsenzellen da, wo eine doppelte Lage das Lumen umgiebt, sich durch Grösse vor ihren Nachbarn auszeichnen und zugleich ein grösseres Kernkörperchen und einen grösseren Kern besitzen (Fig. 40). Diese Elemente sind die ersten als solche erkennbaren Eier. Sie enthalten noch die glänzenden Körperchen, in denen wir eben beim 4‘ die Anlagen der Spermatozoenköpfe erkannt haben, und sie treten, in völliger Ueber- einstimmung mit der Entwickelung der Testikel, zuerst in den grösseren mittleren Drüsen auf, während die anderen noch den Cha- rakter indifferenter Drüsen bewahren, und für sich nicht gestatten würden das Geschlecht des Thieres zu bestimmen. In weiter ent- wickelten Ovarien treten zunächst in allen Zellen diese glänzenden Körperchen gegen das sich vergrössernde Keimbläschen zurück, so dass man dann selbst solche Zellen, welche sich an Grösse kaum Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 331 von den indifferenten unterscheiden (Fig. 45a), doch am Prävaliren des Keimbläschens als junge Eier erkennen kann. Ganz allmählich verschwinden dann diese Körperchen vollständig, indem sie in den kleinen Eizellen sehr lange erhalten bleiben. Mehr in die Augen fallend ist, dass schnell mehr und mehr Zellen in der peripheren Schicht der Blase wachsen und bald Ausstülpungen an denselben bilden (Fig. 46, 47), die nur noch zum Theil ein Lumen besitzen, zum Theil als solide Zellenzüge erscheinen. Diese sich vergrössern- den Zellen werden dann schnell vollkommen klar. Die besprochenen Körperchen schwinden und ihr ganzer Inhalt erscheint homogen. Keimbläschen und Keimfleck sind immer gross und deutlich. Die einfache Blase der indifferenten Drüse bei Thieren von 17 Mm. Grösse wurde, wie wir oben sahen, zunächst von einer eng anliegenden Hülle (Fig. 40f) umgeben, auf die dann nach Aussen die Muscularis folgt (Fig. 40 m). Die innere Hülle überzieht beim Ovarium wie beim Testikel alle Lappen vollständig. Sie wird daher durch jede periphere sich vergrössernde Zelle, durch jedes wachsende Ei, ausgestülpt (Fig. 46) und stellt dann das Follikelepithel dieses Eies dar. Vorher, ehe es bedeutend über seine Nachbarn prominirte, besass kein Ei einen eigenen Follikel, und die jungen inneren Eizellen (cf. Fig. 46) kommen an keiner Stelle ihrer Wan- dung mit dem Follikelepithel in Berührung. Selbst fast ganz reife Eier besitzen an der Stelle, wo sie der Wand der ursprünglichen Blase ansitzen, kein Follikelepithel; immer bleibt dasselbe ein ganz einfaches Plattenepithel. Die weitere Ent- wickelung der Eier ist eine einfache. Haben sie eine gewisse Grösse (eirca 0,03 Mm.) erreicht, so erscheint schon bei Thieren von 22—23 Mm. die erste Anlage des Dotters, indem (Fig. 45c) gleich- zeitig eine dünne Schale peripherer Körnchen und ein oft weit zer- streuter s. g. Dotterkern sich anlegen. Beide vermehren sich wohl ziemlich schnell; denn man trifft schon bei Thieren von der ange- gebenen Grösse Eier, die sich nur im Grössendurchmesser von ganz reifen unterscheiden und im Aussehen des körnigen Dotters voll- kommen mit ihnen übereinstimmen. Sie messen ungefähr 0,05 Mm., die reifen Eier 0,17 bis 0,2 Mm. Eine deutlich erkennbare Membran konnte ich erst an den reifen Eiern (Fig. 45d) wahrnehmen; auch hier ist sie sehr zart, und wie es scheint ohne feinere Struktur. Die erste Anlage des Dotters zeigt eine bemerkenswerthe Differenz in der Reaction gegen Osmiumsäure. 332 Paul Langerhans: Während nämlich die peripheren Körnchen durch '!/30/, Osmium aufgequellt werden, färben sich die Körnchen des Dotterkernes dunkel und bleiben in der Form gut erhalten. Diese quellende Wir- kung der Osmiumsäure findet sich auch noch bei reifen Eiern, so dass eine periphere helle Zone, eine »Randschicht« entsteht, von der im frischen Zustand nichts wahrzunehmen ist (Fig. 45d). Wir haben da vielmehr einen gleichmässig grobgekörnten Dotter vor uns, dessen Körner in der Peripherie des Eies eine radiäre Anordnung zeigen. Das Keimbläschen befindet sich nicht mehr in der Mitte des Eies, sondern liegt excentrisch; es erscheint nicht mehr so regelmässig und scharf contourirt wie bei jüngeren Formen. Bei Isolations- versuchen findet man, dass der Keimfleck in einer mit zähem Fluidum gefüllten Höhle liegt, und dass somit eine eigene Wand des Keim- bläschens aufgehört hat zu exıstiren. Ungefähr in diesem Zustand werden die Eier entleert und zwar mit ihrem ganzen Follikelepithel. Man findet sie (Fig. 48) umgeben von der zarten Zona, die erst allmählich durch einen deutlichen Zwischenraum gegen den Dotter hin ganz klar hervortritt und. von einer äusseren, faltigen Hülle, in der man allerdings nach längerem Quellen in Meerwasser nur selten noch Kerne mit Haematoxylin darstellen kann, die aber offenbar das Follikelepithel ist. Mit dieser eigenthümlichen Erscheinung hängt es wohl zusammen, dass die Embyronen des Amphioxus schon so schnell, nach 24 Stunden, ihre Eihüllen verlassen. In einzelnen Fällen fand ich in jüngeren Eiern, in denen noch keinerlei körniger Dotter angelegt war, bei Individuen von 20—24 Mm. Grösse ein Schwinden des Keimfleckes in dem voll- kommen wohlerhaltenen und scharf contourirten Keimbläschen. Es ist das aber jedenfalls eine seltene Ausnahme. Vergleichen wir die hier mitgetheilten Beobachtungen über die Geschlechtsorgane des Amphioxus mit dem, was wir von den höheren Vertebraten wissen, so stimmt zunächst die Entwickelung der Sper- matozoen im Wesentlichen mit den Angaben von v. Ebner und Neu- mann überein. Aus Einer Zelle, einem Spermatoblasten, ent- wickeln sich mehrere Spermatozoen; es entspricht also das Ei nicht einem Samenfädchen, sondern einer Vielheit von diesen. Und die Anlage der Spermatozoenköpfe entsteht unabhängig vom Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 333 Kerne des Spermatoblasten. Aber während bei den höheren Ver- tebraten die angelegten Spermatozoen mit dem sie umgebenden Theile des Spermatoblasten sich einfach loslösen, ohne dass der Kern des letzteren irgendwie bei ihrer Weiterentwickelung betheiligt ist, theilt sich beim Amphioxus der Kern und dann der ganze Sperma- toblast in eine der Zahl der angelegten Fäden entsprechende Zahl von Zellen, und es kommt somit hier im Laufe der Entwickelung der Samenfäden ein Stadium vor, in dem eine kleine Rundzelle auf einen Samenfaden kommt. Bilder, die diesem Stadium ent- sprechen, sind bekanntlich von den verschiedensten Thieren nament- lich von la Valette gegeben worden. Der ejaculirte und zum Be- fruchten fähige Samenfaden des Amphioxus endlich ist noch mit einem starken Rest der kleinen Rundzelle beladen, und stellt somit einen Zustand dar, der bei allen höheren Vertebraten noch nicht der vollen Reife entspricht. Bei den einfachen Verhältnissen des Ovarium kann man, wie mir scheint, eine Mitwirkung anderer Zellen an dem Wachsthum des Eies verneinen; dasselbe ist vielmehr zu allen Zeiten nur eine einfache Zelle. Weisse Blutkörperchen sind bekanntlich beim Am- phioxus noch nicht beobachtet worden, und von einem Wachsthums- modus, wie ihn His für die höheren Vertebraten versteht, kann darum hier einstweilen keine Rede sein. Aber auch ein Follikelepithel bekommt das einzelne Ei so spät, und dies Epithel behält so con- stant die Eigenschaften eines ganz platten Pflasterepithels, dass eine active Betheiligung seiner Elemente am Wachsthum der Eizelle höchst unwahrscheinlich ist. Von einer Verschmelzung mehrerer Zellen zu einem Ei, wie sie von Götte!) für die Batrachier angegeben wird, ist in den von mir beobachteten Stadien der Entwickelung nichts zu sehen. Endlich glaube ich, dass man aus dem Mitgetheilten berechtigt ist, die absolute Homologie von Spermatoblast und Ei zu folgern. Allerdings ist es zur vollen Sicherstellung dieses Schlusses noth- wendig, auch die erste Anlage der Geschlechtsdrüsen zu kennen. Aber bei dem vollkommen übereinstimmenden Bild, das uns das s. g. indifferente Stadium der zwölf Thiere von 10 bis 17 Mm. Grösse gegeben hat, ist es wohl mehr als wahrscheinlich, dass auch die 1) Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 334 Paul Langerhans: erste Anlage bei beiden Geschlechtern übereinstimmen wird; und nach Allem, was wir sonst darüber kennen, lässt es sich erwarten, dass sie eine einfache Peritonealeinstülpung sei. Natürlich muss, entsprechend der sogenannten Anordnung der Drüsen, auf jedes Segment eine solche Einstülpung kommen, und diese wäre dann vielleicht als Homelogon der viel gesuchten Seg- mentalorgane aufzufassen. Für die Homologie von Ei und Spermatoblast ist noch eine Beobachtung von Interesse, die ich allerdings leider erst kurz vor dem Abschluss meiner Arbeit machte, so dass ich sie nicht weiter verfolgen konnte. Bei einem Weibchen von 22 Mm. Länge, in dem die Ovarien gelappte Blasen darstellten mit vielen grösseren Eiern, die aber noch keinen körnigen Dotter enthielten, fand ich in der inneren Schicht der Ovarialzellen an vielen Stellen einzelne kleine Zellen mit deutlichen aber starren Spermatozoenschwänzen. Das war am deutlichsten an dem Loch im Keimdrüsenepithel (Fig. 47), aber auch in den grösseren Lappen der Drüse zu erkennen; und es fand sich an allen Ovarien des betreffenden Thieres. Wie weit nun eine solche Entwickelung eine regelmässige ist, konnte ich wie be- merkt nicht mehr feststellen; auch habe ich das Umgekehrte, Eier im Hoden, nie beobachtet. Wäre aber das Beobachtete nur eine seltene Abnormität, so würde sie doch zeigen, dass von dem Epithel einer Geschlechtsdrüse nicht alle Zellen zu Eiern zu werden brauchen, sondern einzelne auch Spermatoblasten werden können, wenn auch die Samenfäden nicht zur völligen Entwickelung kommen. Und das würde die Homologie von Ei und Spermatoblast in hohem Maasse zu unterstützen geeignet sein. Beobachtungen, die der eben mitgetheilten entsprechen, exi- stiren bekanntlich auch von höheren Vertebraten. Das Vorkommen von Eiern im Batrachierhoden ist lange bekannt und neuerdings’ von Götte eingehend besprochen worden. Und Semper!) theilte kürz- lich mit, dass beim weiblichen Hexanchus »neben den entschiedenen Bierstocksfollikeln auch grosse Hodenfollikel sich finden, welche sich von den Hoden der Männchen nur dadurch unterscheiden, dass sie keine Samenkörperchen bilden«. Beide Autoren, Götte und Semper, kommen, der erstere für die Batrachier, der letztere für die Haie zu demselben Schluss, 1) Centralblatt 1875. No. 12. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 335 zu dem ich für den Amphioxus gekommen bin: der Homologie der Keimdrüsen beider Geschlechter, und dies übereinstimmende Resultat steht natürlich im direeten Widerspruch zu Waldeyer’s Lehre vom Hermaphroditismus der Keimdrüsenanlage. Vieles von dem, was ich hier über die Geschlechtsdrüsen aus- gesagt habe, ist von W. Müller!) schon gesehen worden. Bei einem Thiere von 10 Mm. Länge fand er noch keine Geschlechtsdrüsen; bei einem von 17 Mm. dagegen »war die Anlage des Geschlechts- apparates nachweisbar in Form einer Anzahl getrennter Zellhaufen, welche auf beiden Seiten alternirend gerade vor der Vereinigungs- stelle der Rumpf- und Bauchmuskulatur unter dem Peritoneum lagen. Das Bauchfell ging continuirlich über diese Körper hinweg; sie waren von einem dünnen bindegewebigen Ueberzug umkleidet und von kubischen und cylindrischen Zellen erfüllt, welche theils in einfacher, theils in mehrfacher Schicht um ein schmales spaltförmiges Lumen gruppirt waren.« Mit dieser Beschreibung stimmt die meine fast vollkommen überein. Bei zwei im November gefangenen Thieren von 20 Mm. hatte W. Müller einen ganz ähnlichen Befund; ein drittes vom März dagegen hatte Ovarien von 0,2:0,1. Die Eier lagen in der Peripherie; im Innern kleine Zellen mit grossem Kern und Nucleolus. Das ventrale Gefäss (Fig. 370) hat W. Müller gleichfalls bereits beschrieben. Auch die Zeichnung, die er von einem Hoden eines Thieres von circa 20 Mm. giebt, differirt nicht sehr von meiner Fig. 41 (ef. 1. c. Taf. V, Fig. 7). Um so mehr weichen dagegen die Angaben über die späteren Stadien von den meinen ab. Die Eier lässt W. Müller bis 0,9 Mm. gross werden: ich sah sie nur von 0,2 Mm., und im Hoden eines Thieres von 25 Mm. wie der reifen Thiere beschreibt er eine Rinden- und Marksubstanz mit complieirten Kanälen mit Bindege- websmembranen und Spermatoblasten, nebst einem rundlichen frei mündenden Vas deferens sowie Faserzellen in der Marksubstanz (cf. l. c. Taf. V, Fig. 8). Von alledem habe ich nichts gesehen, und ich erkläre mir den Irrthum Müllers durch die Anordnung der sich entwickelnden Spermatozoen in Längszügen, welche leicht die Exi- stenz von Kanälen vortäuschen können. Die Faserzellen sind offen- bar isolirte Elemente der von W. Müller übersehenen Tunica mus- ceularis. 1) Jen. Ztschr. IX, 94 ff. 1875. 336 Paul Langerhans: Derselben Täuschung durch die radiär angeordneten Sperma- tozoen ist auch Stieda verfallen; auch er beschreibt Ganäle im Hoden, denen jedoch eine bindegewebige Hülle fehlt und welche bei reifen Thieren schwinden. Diese Beschreibung stimmt also viel eher mit der meinen überein. Gefässsystem. Das Gefässsystem besteht nach Joh. Müller aus einer dorsal unter der Chorda und über dem Kiemen-Darm-Schlauch laufenden Aorta, einer an der ventralen Darmseite liegenden Darmvene, die sich längs der Leber als V. portae fortsetzt und in Capillaren auf- löst, und einer Hohlvene, die an der Leber der vorigen parallel, aber von vorn nach hinten verläuft, dann nach vorn umbiegt, und sich in eine Kiemenarterie fortsetzt; letztere hat seitliche Bulbilli für die Kiemenbögen und theilt sich vorn, um jederseits im Bogen vor dem Mundsegel nach oben zu ziehen. Beide Bögen vereinen sich dann zur Aorta. _ Ausserdem erwähnen Rathke und Owen Gefässe an den Lippen; und Stieda hat die Angabe Joh. Müllers dahin berich- tigt, dass die Aorten über dem Kiemenschlauch in der Zweizahl vorhanden sind, und sich erst über dem Darme vereinigen, eine Angabe, der ich mich ebenfalls anschliesse (Fig. 20a und as, Fig. 21a). Ich kann dieser Beschreibung des Gefässsystemes noch hinzu- fügen, dass das ventrale Kiemengefäss, die Kiemenarterie, vorn un- mittelbar vor der ersten Kiemenspalte sich sehr stark erweitert (Fig. 49c) und hier ein grosses, sinuöses, aber plattes Gefäss oder Herz bildet von c. 0,45 Mm. Breite und Länge, den weitesten Ab- schnitt des ganzes Gefässsystemes. Auch dieses Herz contrahirt sich, wie es Joh. Müller und Retzius von allen anderen Ge- fässen beschrieben haben. Von diesem vorderen grossen Herzen gehen nun einmal zwei Gefässe aus, welche unter dem M. constrietor veli zu dem Munde verlaufen (Fig. 49 v. ]). Es sind das wohl die von Rathke und Owen erwähnten Lippengefässel). Dann aber 1) Obwohl sonst der Verlauf der Gefässe im vorderen Theil ‚des Am- phioxus durchaus von der Owen’schen Schilderung abweicht (ef.1. & pg. 470). Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 337 setzt sich dies Herz fort in einen sehr weiten, rechts verlaufenden (Fig. 49. a. d.) Aortenbogen, während es links keinen ähnlichen ent- wickelt, sondern geschlossen ist. Dieser rechte Aorten-Bogen zieht hinter dem M. constrietor veli nach oben, liegt in seinem oberen Theil mit dem Muskel z. Theil in derselben Querebene (Fig. 22a. d), und verbindet sich mit der rechten Aorta, während die linke (Fig. 22a.s) anscheinend in keine Beziehung zu ihm tritt. Der Theil der Aorten unmittelbar hinter der Einmündung des Aortenbogens in die rechte Aorta ist bei beiden gleich weit (Fig. 20 aundas). Nach vorn aber setzt sich die linke Aorta bis zur Mitte der Mund- höhle als schmales Gefäss fort (Fig. 23as). Rechts dagegen biegt der grosse, sinuöse Aortenbogen, nachdem er sich mit der rechten Aorta verbunden, nach vorn um, und erstreckt sich etwas unterhalb und seitlich von der Chorda gleichfalls bis zur Mitte der Mund- höhle nach vorn (Fig. 23a.d) um hier abgerundet zu enden?). Ausserdem bemerke ich, dass die Darmvene sich aus mehreren Gefässen zusammensetzt, die neben einander verlaufen und sich erst am vorderen Abschnitt des Darmes vereinen (Fig. 21v). Der Gestalt nach sind alle diese Gefässe entweder einfache Röhren, oder sinuöse, ausgebuchtete Schläuche. Das erstere gilt zunächst für die Kiemenarterie: sie ist eine Röhre, an die sich alternirend die kleinen Bulbi anschliessen, welche den Raum zwischen den beiden Aesten eines geraden Kiemenstabes ausfüllen. Aehnlich ist die Pfortader gebaut. Auch sie ist eine Röhre, an der dicht nebeneinander an beiden Seiten kurze bauchige Gefässe entspringen, die nach sehr kurzem Verlauf (ihre Länge kommt ungefähr der Breite des Gefässes selbst gleich 0,08) offen aufzuhören scheinen. Auch die Darmvenen scheinen, wenigstens in ihrem oberen Theile, ähnlich gebaut zu sein. Bei den grossen sinuösen Gefässen erkennt man keine abgehenden kurzen Gefässe, wie bei Kiemenarterie und Pfortader; sondern dieselben erscheinen als geschlossene, aber vielfach ausgebuchtete Säcke. Zu ihnen gehört die Lebervene, dann das vordere grosse Herz nebst den Stämmen der Lippengefässe, end- lich der Aortenbogen und seine Fortsetzung nach vorn. Alle diese Gefässe besitzen eine einfache Lage glatter Mus- keln (Fig. 50), welche bald dicht an einander schliessend, bald 1) Es ist wohl dies Gefäss, das Rolph (l. c. pg. 24) als Drüse beschreibt, die er allerdings links liegen lässt. 338 Paul Langerhans: durch schmale Zwischenräume von einander getrennt, die Wand in querer Richtung umgreifen. Diese Muscularis findet sich an den Stämmen mit ihren Ausbuchtungen, wie an den kurzen abgehenden Gefässen, den Bulben der Kiemenarterie, den Aesten der Pfortader und der Darmvene. Innen von der Muscularis liegt eine helle In- tima, an der man, namentlich in den sinuösen Gefässen, hie und da sternförmige ins Lumen prominirende Zellen erkennen kann. Kleinere, namentlich capillare Gefässe sind bisher nicht mit Sicherheit beobachtet; Reichert und Stieda haben das jüngst mit besonderm Nachdruck betont. Meine Bemühungen, das Gefäss- system des Amphioxus durch Selbstinjection zu füllen, waren re- sultatlos. Eine Einstichsinjection von dem vorderen grossen Herzen aus musste möglich sein; mir fehlten die Instrumente dazu. Aber an zwei Stellen fand ich bei einigen Thieren eine natürliche Injection: auf dem Darm und namentlich der Leber, und dann auf dem Testikel von Männchen, welche den grössten Theil des Sperma entleert hatten. Auf beiden hielt sich die Injection in Osmiumsäure und eine längere Maceration in Glycerin gestattete dann die nöthige Ent- fernung des Epithels. Ich fand dann in der oben beschriebenen Mucosa ein (Fig. 51) ziemlich engmaschiges Netz relativ weiter Ge- fässe — sie waren circa 0,007 Mm. weit. Auf der einen Seite konnte ich sie in die kurzen Seitenäste der Pfortader verfolgen; ihren Ueber- gang in die Lebervene habe ich nicht sicher feststellen können. Die unregelmässig construirte Wand bestand anscheinend nur aus einer structurlosen Haut. Aussen lagen derselben, namentlich im Darm, gelegentlich kleine verästelte Bindegewebskörper an, die viel- leicht zum Theil als adventitial aufzufassen sind. Das Netz der Capillaren schien ein geschlossenes zu sein. Allerdings war der Contour der Gefässe kein ganz glatter, sondern erinnerte vielmehr an Lymphgefässe, und stellenweise sah man Aeste abgehen, die frei aufzuhören schienen (Fig. 5le). Solche Bilder sind indess wohl auf Unvollständigkeit der Injection zu beziehen. Während in vielen Fällen von diesem ganzen Gefässnetz nichts zu erkennen war wegen fehlender Füllung desselben, war in anderen diese eine noch prallere, als ich es in Fig. 57 dargestellt habe; und namentlich am Darme im engeren Sinne, besonders dessen letztem Abschnitt, schienen mir die Capillaren immer erheblich weiter zu sein. Während wir so am Darme ein Gefässnetz finden, das offenbar Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 339 einfach zwischen zwei grossen Gefässen sich ausbreitet, ist der Be- fund am Testikel ein ganz anderer. Ich erwähnte oben wiederholt das von W. Müller zuerst beschriebene Gefäss, welches an der Innenseite über sämmtliche Geschlechtsdrüsen fortzieht, einem jeden Muskelsegment einen Ast abgiebt (Fig. 37) und am Hilus jeder Ge- schlechtsdrüse diese mit Gefässen versieht. Diese Gefässe treten unter die Muscularis in die Intima ein und sind am Testikel leicht bis zum Rande des Organes in ihrer dendritischen Verästelung zu verfolgen. Am besten gelingt das wie bemerkt an Testikeln von Thieren, welche den grössten Theil ihres Sperma abgelegt haben. Isolirt man solche Testikel, so sieht man die Gefässe den Rand des Organes umgreifen und auf der Aussenseite leicht geschlängelt und im Ganzen in radiärer Richtung laufend der Mitte der Aussenfläche zu ziehen. Diese Gefässe nun verbinden sich untereinander durch Anastomosen, aber von einer Vereinigung zu abführenden Gefässen ist nichts zu sehen. Man kann die gröberen Stämme, wie die fei- neren Aeste nur eine Strecke weit verfolgen; dann scheinen sie im Gewebe sich zu verlieren. Ob dem in der That so ist, sowie in welcher Richtung überhaupt eine Circulation hier vor sich geht, darüber können wohl erst Injectionen Aufschluss geben. In den Durchmessern wie im Bau der Wand stimmen die Capillaren des Hodens mit denen der Leber überein. An anderen Stellen des Körpers habe ich keine Capillaren beobachtet. In jüngster Zeit hat Sempeer einen Versuch gemacht, den Am- phioxus von seiner Stellung bei den Wirbelthieren zu entfernen, gestützt namentlich darauf, dass ihm die Segmentalorgane, das Urnierensystem, vollständig fehle. Ich glaube, dass meine Unter- suchungen, so weit sie überhaupt in dieser Richtung Neues ergeben, zwar überall sehr einfache Verhältnisse kennen gelehrt haben, aber doch nur geeignet sind, die Wirbelthiernatur des Amphioxus zu unterstützen. Dahin möchte ich vor allem rechnen die Existenz des Bulbus olfactorius, also eines besonderen Hirntheiles, wie wir ihn 1) Arbeiten aus dem zool. Institut in Würzburg. 11, 1. 1874. pg. 59. ff. 340 Paul Langerhans: nur bei den Vertebraten kennen. Daran schliesst sich die Ueber- einstimmung im Bau der Riechgrube mit den höheren Vertebraten. Allerdings besitzt der Amphioxus ja, wie nur Einen Bulbus olfactorius, so nur eine Riechgrube. Aber in dieser finden wir die specifischen Riechzellen umgeben von Flimmerepithel wie bei den Cyclostomen und Selachiern. Nur die Beziehung der Riechgrube zur äusseren Haut, wie sie bei allen Wirbelthieren während der Entwickelung sich findet, erhält sich beim Amphioxus während des ganzen Lebens. Ferner stimmt die Entwickelung der Geschlechtsdrüsen in ihrem feineren Verhalten gut überein mit der der höheren Wirbel- thiere, wenn auch die Verhältnisse beim Amphioxus wesentlich ein- fachere, ich möchte fast sagen schematisch einfache sind. Und was endlich die Segmentalorgane anlangt, so wird sich, wenn die erste Anlage der Geschlechtsdrüsen in der That sich so macht, wie ich es oben besprochen, eine Homologisirung derselben mit jenen nicht vermeiden lassen. Dass die Function eine so diffe- rente ist, kann die morphologische Uebereinstimmung nicht beein- trächtigen. Indess diese Frage wird erst nach erneuter Bearbeitung der Entwickelungsgeschichte weiter discutirbar sein. Wichtig scheint es mir hier zum Schluss noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir im histologischen Bau an einzelnen Punkten eine Uebereinstimmung mit den Cyelostomen gefunden haben, welche weiter hinauf in der Wirbelthierreihe fehlt. So zunächst in dem feineren Bau der Muskulatur, in dem Bau der peripheren Ganglien- zellen. Dazu kommt die oben erwähnte Uebereinstimmung im Bau der Riechgrube; ferner in der Wimperbekleidung des Darmcanales wie des Peritoneums, die allerdings beide beim Amphioxus continuir- liche, beim Neunauge discontinuirliche sind. Dass alle wimpernden Zellen beim Amphioxus einfache Geissel- zellen sind, habe ich oben schon hervorgehoben. Ihnen entspre- chende Formen kenne ich unter den Vertebraten nur in dem be- kannten Ecker’schen Epithel im Ohr der Neunauge; vielleicht finden sich in frühen Embryonalstadien auch anderer Vertebraten wenigstens vorübergehend ähnliche Formen. Denn das geht, glaube ich, aus diesen Betrachtungen hervor, dass die Beziehungen der verschiedenen Thierformen zu einander in den rein mikroskopischen Verhältnissen eben so zur Geltung kommen, wie in denen des grö- beren Baues, und dass für das Verständniss der s. g. histologischen Form Entwickelung und Vergleichung von derselben Bedeutung Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 341 sind, wie für das anatomische Verständniss überhaupt. Und auf diesem Gebiete hat die vergleichende Anatomie noch ein weites Feld vor sich! Nachtrag. Aus dem, was ich oben über das Centralnervensystem und die Haut bemerkt habe, folgt, dass ich leider nicht im Stande bin, mich den kürzlich in Gegenbaur’s morph. Jahrbuch I veröffentlichten Angaben von Hasse über das Auge des Amphioxus anzuschliessen. Dieselben gehen dahin, dass am Kopfende des Thieres im Bereiche des als N. opticus bezeichneten zweiten Nervenpaares jederseits eine oder mehrere flache Epithelgruben sich finden, welche namentlich bei Exemplaren aus der Südsee durch stärkere Pigmentirung aus- gezeichnet sind. In diesen Gruben sollen zwischen gewöhnlichen event. pigmenthaltigen Hautepithelien andere Zellen vorkommen, die durch den Besitz eines lichtbrechenden Körpers ausgezeichnet sind, und in denen Hasse die Endapparate des Opticus vermuthet. Demgegenüber muss ich ausdrücklich hervorheben, dass an frischen sowie frisch in Osmium etc. untersuchten Exemplaren in Neapel keine Spur von diesen Dingen zu sehen war, und dass die Epidermis an den Seiten des Kopfes sich ganz so verhielt, wie ich es oben allgemein geschildert habe. Das von Kowalevsky beobachtete Sinnesorgan, das Hasse mit seinen Augen in Verbindung bringt, ist doch wohl die Riechgrube. — Es ist wohl der mangelhafte Conser- virungszustand der von Hasse untersuchten Exemplare, dem das Irrthümliche jener Angaben zur Last fällt; derselbe zeigt sich deut- lich in Hasse’s Fig. 6, in der eine stark gequollene Epithelzelle, umgeben von gewöhnlichen Epithelien, als den Reichert’schen Stachelzellen entsprechend abgebildet ist, während wir oben sahen, dass gerade diese Zellen einen viel kleineren Leib besitzen, als die anderen Epithelien. Eine von diesen aufgebauchten Zellen hat Hasse »in Verbindung mit einem feinen Nervenfädchen ge- sehen«. Ueber die Bedeutung dieser Elemente habe ich mich oben 342 Paul Langerhans: ausgesprochen. Das Auge anlangend kann ich mich nur vollkommen der Ansicht von W. Müller anschliessen: Während sich bei den höheren Vertebraten das Pigment in Ausstülpungen der (embryonalen) vorderen Hirnwand ablagert und diese sich zu den Netzhäuten ent- wickeln, kommen beim Amphioxus solche Ausstülpungen nicht zu Stande und das Pigment lagert in der Vorderwand des Hirnes ab, um hier ein einfaches Auge zu bilden. Amphioxus schliesst sich darin also näher an die Aseidien an und die Kluft, die ihn von den höheren Vertebraten trennt, ist, wenn auch gross genug, So doch keine so tiefe, wie Hasse will. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI—XV. Fig. 1. Zwei Muskelplatten der Seitenmuskulatur; schwache Vergrösserung. a. vom Rücken eines grossen Thieres mit Salpetersäure isolirt; bei n der Nerv. — b. vom Kopfende eines kleineren Thieres, Osmium- glycerinmaceration. Fig. 2. Muskelplatte des Bauchmuskels. Schwache Vergr. Fig. 3. Muskeln des Mundes und Mundsegels. c.v. M. constrictor veli. m.e. Ausserer Cirrenmuskel. m.s. Innerer Cirrenmuskel. f. Faseraustausch zwischen den beiden ersteren. Fig. 4. Platte Muskelzellen der Mundmuskeln. a. vom M. externus 600:1. b. vom M. internus 750:1. Fig. 5. Ventralansicht vom Hirn. Schwache Vergr. ce.c. canalis centralis. v. Ventrikel. 0. Auge. I. erstes RN, | Nervenpaar. - Fig. 6. Dorsalansicht desselben. Bezeielmungen wie in Fig. 5, ferner b.o. bulbus olfactorius. v.o. ventrieulus bulbi olfactorii. Fig. 7. Fig. 8. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 343 Profilansicht desselben von der linken Seite. Bezeichnungen wie in Fig. 5 und 6. Theil eines mit Salpetersäure isolirten Hautnerven mit zwei End- ästen und deren Fädchen, 750:1. Fig. 9 und 10. Ganglienzellen aus dem Gebiete des 2. Hirnnerven in Ver- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1; 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. bindung mit Nerven, 600:1. N. Nerv. S. Nervenscheide. K. Kerne desselben. G. Ganglienzelle. C. Kapsel derselben. K. Kerne der Kapsel. Isolirte Zellen der Haut. a. Cylinderepithelien, 600: 1. bh. und ce. Fühlzellen, 750:1. Ansicht der Rückenhaut von oben, 600:1. f. Fühlzellen zwischen den gewöhnlichen Epithelien. Hautnervenstamm 600: 1. s. Die sich kreuzenden Spalten in der Grenzlamelle. Endigung der Hautnerven, circa 600:1. n. Nervenstamm mit Scheide und Kernen. e. Endast. s. Spalten in der Grenzlamelle. f. Endfädchen (cf. Fig. 8). f.z. Fühlzelle. Zellen von den Mundeirren 750:1: a. wimpernde Fpithelien. b. nicht wimpernde Epithelien von den Papillen des Cirrus. c. Fühlzellen ebendaher. Epithelien der Mundhöhle. a. und b. der Mundhöhle selbst, 600:1. c. des Räderorganes, 750:1. Obere Hälfte einer grossen Papille des Velum mit Becherorganen 750:1, frisch in Meerwasser. Die Gruppirung der Zellen des Epi- thels ist dem entsprechend nur angedeutet. a. Axenfaden. Isolirte Epithelien des Velum, 750:1. a. gewöhnliche Epithelzelle. b. Theil eines Becherorganes mit seinen Sinneszellen. c. Isolirte Sinneszelle. Fig. 19. Schematische Darstellung der Hypobranchialrinne und der Befesti- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12, 23 344 Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22, Fig. 20. Paul Langerhans: gung der Kiemenstäbe an ihr. Mit Benutzung von Joh. Müller’s Fig. 4, Taf. IV. a. Die geraden sich theilenden Kiemenstäbe. a’ ein solcher von Innen gesehen. b. Die ungeraden, ungetheilten Stäbe. b‘. Ihre Befestigung. f. Aussere Facette der Hypobranchialrinne, welche in die Kiemen- höhle hineinsieht. m. Feld zwischen der unteren Grenze der Kiemenspalten und den Spitzbogen, in dem ein Muskel liegt. Querschnitt durch den Amphioxus im vorderen Abschnitt der Kiemenhöhle. f. Flossenstrahl. m. Muskeln. r. Rückenmarkskanal. ch. Chorda. a. und a‘ beide Aorten. h. Hyperbranchialrinne. h‘. Hypobranchialrinne. l.d.s. ligamentum dentieulatum superius. l.d.i. lig. dentie. inferius. c. Raum für das Kiemenherz. Unterer Theil eines Querschnittes zwischen Porus abdominalis und Anus. c. Chorda, m. Muskeln. a. Aorta. d. Darm. v. Darmvenen. p. peritoneum. p-h. Bauchhöhle. 1. Lymphraum. f’. Flossenstrahlen. Querschnitt durch den Amphioxus am Mundsegel. r,c,m wie in 20. v. Velum. e.v. M. constrietor veli. p. Velumpapillen. a.s. linke Aorta. a.d. Aortenbogen, rechts. Querschnitt durch den Amphioxus vor dem Velum in der hinteren Hälfte der Mundhöhle. m,r,c. wie oben. a.s. Aorta sinistra, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 345 a.d. sinuöse Aorta dextra. e. Epitbelverdickungen, Querschnitte durch die Theile des Räder- organes. k. Mundknorpel. Fig. 24. Querschnitt durch ein Kiemenstäbchen, 600: 1. m. Schleimhaut. k. Kerne des eigentlichen Kiemenepithels. p. e. Pigmentepithel. h. hinteres Epithel. s. hohler Kiemenstab. Fig. 25. Halber Querschnitt durch die Hyperbranchialrinne Erklärung im Text. 600:1. Fig. 26. Kiemenepithelien, 750:1. a. Hyperbranchialrinne und Raum davor. b. Kiemenstäbchen. ec. Pigmentepithel. d. mediale breite Zelle. e. Mittelstreifen. f. laterale breite Zelle. g. Abschlussepithel der Kiemenspalten, h. Dasselbe leicht gequollen. Fig. 27. Ausseres Kiemenstabepithel, 750:1. a. von oben. b. und d. im Profil. c. kleine Zelle isolırt. Fig. 28. Darmepithel, 750:1. a. und b. Leber. c. Enddarm. Fig. 29. Darmmuskelzellen, 750: 1. a. mit Kali bichrom. b. mit Osmium. Fig. 30. Peritonealepithel, 750:1. ® \ von der Leber. c. vom Enddarm. d. vom Ovarium. e. von der Bauchwand. f. vom Magen. Fig. 31. Innere Oberfläche der unteren Bauchwand unmittelbar über dem Porus abdominalis (p. a.) Man sieht die Joh. Müller’schen Nieren am Porus in Menge, weiter nach oben nur spärlich (i). g. die letzten Geschlechtsdrüsen. Schwache Vergr. 346 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Paul Langerhans: 32 und 33. Querschnitte durch die untere Bauchwaud. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. Al: . 42. . 43. g. Geschlechtsdrüsen. s. Seitenmuskeln. t.a. M. transversus abdom. c.1. Seitenkanal. c.v. Bauchkanäle. r. Nieren auf dem Querschnitt. Uebergang des Epithels eines Wulstes in das Peritonealepithel. Fisches Präparat, 750:1. Man sieht keine Kerne, sondern nur die Concremente in den Nierenzellen. Zellen der Epithelwülste. Osmium. 750.1. a. von oben gesehen. b. im Profil. c. Isolirte Elemente. Geschlechtsdrüse von einem Individuum von 10 Mm. Länge. 750:1. p- Peritoneum. e. äussere Zellalge. i. innere Zellen. Geschlechtsdrüsen eines 5" von 21 Mm. Länge. g. Geschlechtsdrüsen. v. Längsverlaufendes Blutgefäss. r. Muskeläste desselben. n. Nerv. S. Segment der Seitenmuskeln. Schwache Vergrösserung. Isolirte Keimdrüsenzellen eines Individuums von 17 Mm. Länge. Osmium. 750:1. Hoden eines Thieres von 20 Mm. Länge, 750:1. 5 Personen nicht ausgeführt in der Zeichnung. m. Muscularis i. innere Hülle. Ovarium eines Thieres von 22 Mm. Länge, 750:1. Br I guanr | nur angedeutet. p. Peritoneum f. Follikelepithel, innere Hülle. o. Die ersten erkennbaren Eier. Schnitt durch den Testikel eines Thieres von 22 Mm. Länge. Schwache Vergrösserung. h. Höhle des Hodens. Isolirte Zellen eines Hodens von einem Thiere von 21 Mm. Länge, 750:1. a. noch ohne Spermatozoenschwänze. b. mit solchen. Elemente eines Hodens eines erwachsenen Thieres aus dem April, 750 :1. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Fig. 47. Fig. 48, Fig. 49. Fig. 50. Fig. 51. Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 347 a. Spermatoblasten. b. solche mit getheiltem Kern. c. isolirte Zelle mit unreifem Samenfaden. Spermatozoen aus dem Mai 750: 1. a. aus dem Hoden genommen. b. selbst ejaculirt. Eier. a. kleine Zellen aus dem Ovarium eines erwachsenen Thieres von 22 Mm, 750:1. Osmium. b. kleine Eier aus dem Ovarium eines erwachsenen Thieres, 750:1. Osmium. c. Ei aus einem reifen Ovarium mit Dotteranlage und Follikelepithel. Frisch. 750:1. d. reifes frisches Ovarialei, 600:1. z. Zona, etwas zu stark gezeichnet. f. Follikelepithel. Ausstülpung des Ovariums, Eierschlauch eines Thieres von 23 Mm. 750 :1. c. Höhle. f. Follikelepithel. Theil des Ovariums eines Thieres von 22 Mm. Man sieht die Höhle von oben und zwei Ausstülpungen derselben. In sie ragen überall steife Spermatozoenschwänze hinein. Die stark gezogene Linie stellt das Follikelepithel vor. Frisch, daher nur in den grösseren Eiern die Kerne erkennbar. Gelegtes Ei. 500:1. z. Zona, nur an beschränktem Theil des Eiumfanges deutlich. f. Aeussere faltige Hülle, Follikelepithel. Ventrale Wand des unteren Theiles der Kiemenhöhle und hinteren Theiles der Mundhöhle. Frisches Object. k. Kiemenstäbe. h. Kiemenherz. b. Bulbilli. ce. grosses vorderes sinuöses Herz. v.l. Lippengefässe. a.d. Aortenbogen. c.v. M. constrictor veli. Stück der Kiemenarterie mit einem Bulbillus, 600:1, um die Mus- kulatur zu zeigen. Capillarnetz von der Leber. b. Aussen liegende Muskelzellen. e. scheinbar offene Aeste. 348 Paul Langerhans: Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. a. aus einem anderen Präparate (vom Magen) eingezeichnete Binde- gewebskörperchen. Fig. 52. Querschnitt durch den Amphioxus, welcher die vordere Wand des Centralnervensystemes getroffen hat. Osmiumhärtung. c. Centralnervensystem. 0. Auge. b.o. Bulbus olfactorius. R. Riechgrübchen. G.1l. Grenzlamelle E. Epithel W. Epithelwall am Eingang der Riechgrube. f. Flossenstrahl. NII. zweites Nervenpaar. can. Unterhautkanäle. ch. Chorda. Fig. 53. Wimpernde Cylinderzellen aus der Riechgrube, 750:1. Fig. 54. Riechzellen, 750:1. Osmium-Glycerin. | der Haut. Eosin als Tinctionsmittel für mikroskopische Präparate. Von Dr. med. Ernst Fischer. (Aus dem anatomischen Institute zu Strassburg.) Wenn ich das Eosin neben den vielen anderen in der Mikros- kopie verwendeten Färbungsmitteln für weitere Versuche empfehle, so geschieht das vorzugsweise aus dem Grunde, weil sowohl die Herrichtung einer geeigneten Tinctionsflüssigkeit, als auch deren Hand- habung zur Erzielung einer dauerhaften, deutlichen und schönen Färbung mir beim Eosin bei weitem einfacher und bequemer er- scheint, als bei irgend einem anderen Farbstoffe. Hierzu kommt noch ein weiteres wichtigeres Moment: Bei den meisten der bisher in Gebrauch befindlichen Tinctions- mittel geschieht nämlich die Färbung in wässeriger Lösung, so dass zum nachherigen Einschluss in Lack die so zeitraubende Ent- wässerung der Präparate in absolutem Alcohol nöthig wird. Das Eosin kann sowohlin wässeriger als in alcoholischer Lösung zum Färben mikroskopischer Präparate gebraucht werden und der freie Eosinfarbstoff färbt sogar am Besten in weingeistiger Lösung von ziemlich beträchtlicher Concentration, die man gar nicht einmal genau abzumessen braucht. Das Eosin ist das Kalisalz des Tetrabromfluorescein. Es ist ein in neuester Zeit von Baeyer und Caro entdeckter und von 350 Ernst Fischer: der badischen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen in den Handel gebrachter Farbstoff, der sich mit prachtvoll rother Farbe, mit bei auffallendem Licht höchst intensiver grüner Fluorescenz, löst (das Nähere siehe in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft. Berlin 1875. Seite 62 A. W. Hofmann, sowie S. 146 Baeyer). Das im Handel käufliche und in der Wolle- und Seide- fabrikation bereits vielfach versuchte Produkt enthält geringe Mengen Verunreinigungen, die jedoch beim Färben mikroskopischer Präparate durchaus keinen störenden Einfluss ausüben. Die Färbekraft des Eosin übertrifft bei weitem die vieler bisher bekannter Farbstoffe, so dass es sich in dieser Beziehung dem Carmin und Anilin würdig zur Seite stellt. Bei der Tincetion mikroskopischer Präparate kann man sich einer wässerigen Lösung von 1:10—20 Wasser bedienen, von welcher man einige Tropfen einem Uhr- schälchen Flüssigkeit (Wasser, Alconol etc.) zusetzt, in welcher man färben will. Bereits nach einigen Stunden kann man die Präparate heraus- nehmen, am Besten nach 10--12 Stunden. Man wäscht mit Wasser oder Alcohol aus. Versetzt man die Eosinlösung mit Säuren, so fällt der freie Eosinfarbstoff aus. Man kann sich denselben aus obiger Lösung selbst ausfällen, abfiltriren und sich zum Färben einer Lösung dieses Farbstoffes von 1:20—30 Alcohol, am Besten absoluten, bedienen. Der freie Eosinfarbstoff ist in Wasser sehr wenig, in Alcohol (Aether, Chloroform etc. unter Zusatz von etwas Alcohol) ziemlich gut löslich und können alle diese verschiedenen Lösungen zum Färben benutzt werden. Einige Tropfen obiger alcoholischer Lösung genügen als Zusatz zu einem Uhrschälchen Flüssigkeit (Alcohol). Präparate, welche in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet sind, werden am Besten mit dem freien Eosinfarbstoff, den ich überhaupt am meisten empfehlen möchte, gefärbt, da beim Färben mit dem Kalisalz die Chromsäure des Kali bichromicum in Form eines rothen Niederschlages die Bildung des freien Farbstoffes veranlasst, welcher nur in concentrirter alcoholischer Lösung gelöst bleibt. Will man mit dem Kalisalz färben, so ist es nöthig, die Säure vorher durch Zusatz von Alcalien zu neutralisiren. Das Eosin sowohl wie der freie Eosinfarbstoff zersetzen sich in den Lösungen nie, ebensowenig in den Präparaten. Der Farb- Eosin als Tinetionsmittel für mikroskopische Präparte. 351 stoff ist ein echter, der nur bei langdauernder Einwirkung sehr starker alcalischer Lösungen allmählich schwach abfärbt. Sollten sich in den Lösungen des Kalisalzes durch zufällige Beimengungen von Säuren während des Gebrauchs Niederschläge bilden, so führt Zusatz alcalischer Flüssigkeiten dieselben sofort wieder in Lö- sung. Schimmelbildung habe ich bisher in den Lösungen richt beobachtet. Was die verschiedenen Farbennuancirungen anlangt, welche die animalischen Gewebe in Eosinlösungen annehmen, so färben sich die Epithelien viel dunkler roth, als das sie umgebende Binde- gewebe, sie treten dadurch sehr deutlich hervor. Die Muskelfasern, besonders quergestreifte, werden sehr intensiv gefärbt und dadurch gut kenntlich. In markhaltigen Nervenfasern färbt sich der Axencylinder intensiv rosaroth, während die Markscheide fast gar keine Farbe annimmt. Die Ganglienzellen und ihre Fortsätze nehmen verhältniss- mässig wenig Farbe an, setzen sich jedoch gegen die stärker ge- färbte Umgebung deutlich ab durch den mehr hellgelben Farbenton der körnigen Theile des Protoplasmas. Blutgefässe und Capillaren werden in den meisten Geweben sehr deutlich. Die Blutkörperchen nehmen dunkelbraune Farbe an. In amyloid degenerirten Organen färbt sich die amyloide Sub- stanz hellroth. Frische Präparate nehmen in wässeriger Eosinlösung schlecht die Farbe an, legt man sie jedoch sofort in die alcoholische, so sind sie gerade so rasch und intensiv gefärbt, wie vorher gehärtete Präparate. So zeigte ein frisch exstirpirtes und in absolutem Al- cohol mit freiem Eosinfarbstoff gefärbtes Froschauge nach 24 Stunden ‘die Schichten der retina sehr schön gefärbt, und mit grosser Deut- lichkeit und vortrefflichster Conservirung aller Elemente. Gerade hierin möchte ich einen bedeutenden Vortheil des Eosinfarbstoffes vor allen anderen Tinctionsmitteln sehen, dass der- selbe die Härtung und Färbung der Gewebe in einem Act ermög- licht, ohne dass man eine zu intensive Färbung zu befürchten braucht. Sollte eine solche dennoch eingetreten sein, so kann man dem Uebelstande durch Auswaschen in Alcohol leicht abhelfen. Vergleichende Versuche mit dem neuerdings von Ranvier, Trait6 technique d’histologie p. 280, 430 und 456, mit Recht so warn 352 Ernst Fischer: Eosin als Tinctionsmittel für mikroskopische Präparate. empfohlenen Purpurin — ich erhielt das letztere aus dem Labora- torium von Prof. Baeyer — zeigten, dass die alcoholische Lösung des Eosinfarbstoffes ganz dasselbe zu leisten im Stande ist, wie die von Ranvier empfohlene Purpurinlösung, deren Bereitung dagegen viel zeitraubender ausfällt, abgesehen davon, dass man zur Zeit reines Purpurin sich nur sehr schwer beschaffen kann. Das Eosin lässt sich (in alcoholischer Lösung) auch mit Alaun versetzen, z. B. 200 Alcohol. absol. 1 freies Eosin, 1 Alaun; doch bietet diese Mischung vor der einfachen alcoholischen Lösung des freien Eosin’s, deren Intensität für die verschiedenen zu färbenden Gewebe man beliebig abstufen kann, keine Vortheile. Ueber Sternzellen der Leber. Briefliche Mittheilung an Prof. Waldeyer. Von ©. Kupffer. Im Verlaufe von andauernden, aber leider noch immer vergeb- lichen Bemühungen, die Nerven der Leberläppchen nachzuweisen, bin ich auf ein bisher nicht bekanntes, oder jedenfalls nicht genü- gend beachtetes Strukturverhältniss an der gesunden Leber von Säugethieren und des Menschen gestossen, von dem ich Ihnen Kenntniss geben möchte. Ich kenne bis jetzt nur eine Methode, durch die in klarer überzeugender Weise der Nachweis des mitzu- theilenden Verhältnisses geführt werden kann, und diese Methode besteht in Folgendem: Aus der frischen Leber mittelst des Doppelmessers angefertigte Schnitte werden in 0,6 °o Kochsalzlösung abgespült oder aber, und das empfiehlt sich mehr, eine viertel Stunde lang mit verdünnter Chromsäurelösung (0,05 °,) behandelt, hierauf in eine stark ver- dünnte Goldchloridlösung nach Gerlachs Vorschrift (1 Thl. Gold- chlorid, 1 Theil Salzsäure und 10,000 Theile Wasser) übertragen und verbleiben in der Lösung, unter Ausschluss des Lichtes, bis sie sich roth oder rothviolett gefärbt haben. Ist diese Färbung in 48 oder mehr Stunden erreicht, so sind die Schnitte unmittelbar zur Beobachtung zu verwenden. Starke Lösungen des Goldsalzes von 1/,—!/; .°%/, und dem entsprechend kürzere Behandlung der Schnitte mit der Lösung sind für den vorliegenden Zweck nicht geeignet. Das vorgängige 354 C. Kupffer: Abspülen der Schnitte mit verdünnter Chromsäure ist keineswegs conditio sine qua non des Gelingens, trägt aber wesentlich dazu bei, die Grenzen aller Elemente schärfer auszuprägen und dem Bilde grössere Deutlichkeit zu verleihen. Zur Untersuchung bringt man die Schnitte unter angesäuertes Glycerin auf den Objectträger. Hat nun der Schnitt die erwünschte Einwirkung erfahren, und das giebt sich ‘durch die erwähnte Färbung kund, so erhält man folgendes Bild: Die Leberzellen erscheinen roth oder roth violett, die Kerne der- selben kaum intensiver gefärbt, als der Zellkörper, die Blutcapillaren er- blickt man als hellere Lücken, die Contouren ihrer Wände als intensiver gefärbte rothe oder violette feine Linien. Dieses gleichmässig rothe Ge- sichtsfeld ist in recht regelmässiger Weise von tief schwarzen Sternen durchsetzt. Es sind zackige Protoplasmakörper mit Kernen, deren Gesammtgrösse sich schwer angeben lässt, die aber nach ungefäh- rer Schätzung die grössten Leberzellenkerne an Masse erreichen’mögen, hinter der durchschnittlichen Grösse der Leberzellen aber stets merklich zurückstehen. Ihr Protoplasma reducirt das Gold bei der erwähnten Behandlungsweise intensiver als irgend eine andere Sub- stanz der Leber und scheidet es in Gestalt feiner schwarzer Körn- chen aus. Die einfach oder doppelt vorhandenen Kerne dieser Zellen nehmen an der Reduktion keinen oder nur sehr mässigen Antheil sind daher als hellere Körper in dem schwarzen Protoplasma leicht zu erblicken. Das Vorkommen dieser Sternzellen, und hierauf möchte ich Sie besonders aufmerksam machen, beschränkt sich durchaus nur auf den Bezirk des secernirenden Gewebes, also die Leber- läppchen. Weder im Bindegewebe des Verästelungsgebietes der Pfortader, noch in der Scheide der Lebervene, noch auch im sub- peritonealen Gewebe findet sich eine Spur solcher sich schwärzenden Zellen. Innerhalb der Leberläppchen ist die Vertheilung eine sehr regelmässige. Man trifft in gesunden Lebern keine Nester, höchstens rücken zwei derselben nahe an einander. Der durchschnittliche Abstand der Sternzellen beträgt etwa den Durchmesser von 1—3 Leberzellen. Die Form ist äusserst mannichfaltig. Einige sind nach zwei Enden lang ausgezogen, andere drei- und mehrzackig, wenige laufen nur einseitig in eine Spitze aus und enthalten den Kern dann am entgegengesetzten Ende. Die Lagerung ist insofern auch eine constante, als'diese Elemente stets mit einem Capillargefäss Ueber Sternzellen der Leber. 355 in Contakt sind; aber dabei kommen verschiedene Weisen der Be- rührung vor, die Sternzelle umfasst das Capillargefäss ringförmig mit ihren Ausläufern, oder schmiegt sich der Längsrichtung nach an dasselbe, oder aber sie tangirt das Gefäss nur mit einem Fort- satz, während der Körper sich an die nächsten Leberzellen anlehnt. Ueberhaupt tritt andererseits auch eine enge Beziehung zu den Leberzellen hervor, nicht allein ein Anschmiegen der Zellen oder ihrer Fortsätze an die dem Capillargefäss zugekehrte Fläche der Leberzellen, sondern auch ein Vordringen der durch die schwarzen Körnchen gekennzeichneten Fortsätze zwischen die Leberzellen, derart, dass diese Fortsätze das Lumen der intercellulären Gallenröhrchen erreichen. Alle diese Verhältnisse habe ich übereinstimmend bei der Ratte und Maus, beim Kaninchen, Rind, Schwein, Hund und beim Menschen angetroffen. Von letzterem stand mir unter andern die gesunde Leber eines plötzlich auf gewaltsame Weise Getödteten wenige Stunden nach dem Tode zu Gebote. Die Sternzellen der menschlichen Leber sind etwas grösser, als die der übrigen aufgezählten Thiere. Ohne Zweifel gehören diejenigen Elemente, die von einigen Autoren (E. Wagner, Engel-Reimers, Kölliker) als »Binde- gewebskörperchen« der Leberläppchen aufgeführt werden, zu diesen Sternzellen, gleicherweise ein Theil der »Zinnoberzellen« von Ponfick, aber der Zinnober wird nach übereinstimmenden Angaben keines- wegs nur von kleinen Zellen der Leberläppchen, sondern ganz be- sonders auch von Zellen des interstitiellen Bindegewebes aufgenommen, und von diesen unterscheiden sich die Sternzellen nach ihrem Ver- halten zur verdünnten Goldchlorialösung ganz scharf. Deshalb nehme ich auch Anstand, die Sternzellen zu den Bindegewebszellen oder Bindegewebskörperchen sensu strietiori zu rechnen. In Ihrem kürzlich veröffentlichten Aufsatze über Bindegewebs- zellen, den ich mit lebhaftem Interesse gelesen habe, machen sie den Versuch, die verschiedenen Formen, die bisher unter diesen dehnbaren Begriff gestellt wurden, einer rationellen Sichtung zu unterziehen und unterscheiden zuletzt eine Gruppe als »perivasculäre Zellen«. Nach Allem, was ich Ihnen hier über die Sternzellen mit- getheilt habe, werden Sie ersehn, dass dieselben am ehesten in diese Gruppe zu rubrieiren wären. Indessen muss ich mir ein abschlies- sendes Urtheil über die systematische Stellung der fraglichen Ele- mente so lange vorbehalten, bis ich namentlich nach zwei Seiten 356 C. Kupffer: hin meine Kenntniss derselben erweitert habe. Einmal muss ihre Lage in Beziehung zu den vom Lymphsystem aus injieirbaren perivasculären Räumen ermittelt werden — und das ist, so viel kann ich jetzt schon sehen, eine sehr schwierige Aufgabe — und dann müssen die Untersuchungen auf die embryonale Leber aus- gedehnt werden, denn Neumann’s detailirte Angaben über blutbe- reitende Zellen der Leber des Embryo (Arch. d. Heilkunde. 1874) legen es nahe, sie mit den Sternzellen in Zusammenhang zu bringen. Jedenfalls besteht ein viel konstanteres und engeres Verhält- niss der Sternzellen zu den Blutcapillaren, als zu dem bindegewebigen Fasergerüste der Leberläppchen, und über dieses Faserwerk möchte ich Ihnen noch einiges sagen. Ich kann durchaus sowohl die älteren Angaben von Henle (Splanchnologie), die sich vorzugsweise auf die menschliche Leber beziehn, als auch namentlich die neuesten von Ludwig’s Schüler Fleischl in diesem Punkte bestätigen. Die Leberläppchen werden in ihrer ganzen Ausdehnung von einem komplicirt gestalteten Ge- rüste kernloser Bindegewebsfasern durchsetzt, die sich bis zu äus- serster Feinheit spalten und zu gröbern und feinsten Netzen sich verbinden. Man kann zwei Typen in der Anordnung dieser in- tralobulären Fasern unterscheiden. Bei der einen Gruppe, und zu der gehört auch der Mensch, folgt der Zug der Fasern wesentlich dem Blutgefässsystem, umspinnt die Capillaren mit feinen Netzen, durchsetzt aber auch mit gröbern und feinern Bälkchen die von den Leberzellen eingenommenen Räume, von Capillargefäss zu Capillar- gefäss sich hinüberspannend. Henle’s Abbildungen in den Figg. 142 und 143 der Sylanchnologie 1. Aufi. sind sehr getreu. Bei einer zweiten Gruppe, Ratte, Maus, auch der Hund gehören hierher, sind die den Gefässen folgenden Fasern weniger ausgeprägt, daneben finden sich aber andere, deren Verlauf unabhängig vom Gefäss- system stattfindet. Sie gehen der Hauptsache nach von der Scheide der vena centralis aus, schliessen sich den Capillaren an, aber um sie eben so oft zu verlassen, und gestreckten Weges zwischen die Leberzellen hindurch zur Peripherie der Läppchen zu streben. Sie gabeln sich spitzwinklig, verbinden sich zu Schlingen verschie- dener Grade und endigen in feine Fäserchen gespalten, die sich den Capillaren anlegen und die Leberzellen umfassen. Auch zum Studium dieser Fasern eignen sich Schnitte, die nach der Eingangs erwähnten Methode vergoldet sind, ganz vortrefflich. Sie haben dann häufig eine dunkelrothe oder dunkel violette Tinktion. Mit Rücksicht auf Ueber Sternzellen der Leber. 357 den vorherrschenden Verlauf derselben, von der Axe der Läppchen divergirend gegen die Peripherie, könnte man sie Radiärfasern der Leberläppchen nennen. Fleischl giebt an (Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 9. Jahrg. 1874. pag. 35), dass es ihm bisher nicht gelungen sei, die Capillaren und das Bindegewebsnetz zugleich darzustellen. Das erreicht man ganz leicht und sicher durch Behandlung der vergol- deten Schnitte mit Nickeloxyd-Ammoniak. Die Lösung, die ich hierzu angewandt habe, ist dargestellt durch Sättigen von käuflichem Am- moniak, das etwa mit der gleichen Menge Wasser verdünnt wurde, mit frisch gefälltem ausgewaschenem Nickeloxyd. Ein durch die Goldbehandlung befriedigend gefärbter Schnitt wird in angesäuertem Wasser abgespült, darauf in einem gut zuge- stöpselten Probirgläschen ein Paar Stunden lang der Einwirkung einer geringen Quantität dieser Lösung ausgesetzt. In 11/;—3 Stunden, je nach der Dicke des Schnittes und der Quantität der Lösung, sind die Leberzellen zum grössten Theil oder vollständig gelöst, während das Bindegewebsgerüste und die Capillaren durchaus in situ normali und in voller Ausdehnung vorliegen. Man muss aber die Schnitte in derselben Lösung unter das Deckgläschen bringen und in dem Maasse, als sich durch Verdunstung von Ammo- niak Nickeloxyd ausscheidet, ersteres ergänzend hinzufügen. Die schwarzen Sternzellen widerstehen der Lösung viel länger, als die Leberzellen, daher man sie denn auch an so hergestellten Präparaten in ihrem Verhältniss zu den Bindegewebsfasern klarer als an dem intakten Schnitte untersuchen kann. Es bestätigt sich darnach, was ich bereits hervorhob: die Anlagerung dieser Zellen an die Capillargefässe ist eine konstante und so treten sie natürlich auch durch ihre Ausläufer in Contakt mit den längs den Capillar- gefässen verlaufenden Bindegewebsfasern, nie aber trifft man sie an Bindegewebsfasern, die nicht Capillargefässe tangiren, nie in den Verlauf eines Bindegewebsbündels eingeschaltet. So vereinigt sich Manches, was darauf deutet, dass man es hierbei nicht mit Zellen des bindegewebigen Fasergerüstes, sondern mit Elementen sui generis zu thun hat, die einerseits zum Blutcapillarsystem, andererseits zu den secernirenden Zellen enge Beziehungen unterhalten. Unter solchen Umständen muss natürlich auch die Frage nach dem Verhältniss dieser Zellen zum Nervensystem aufgeworfen werden. Sie könnten ja einen terminalen Nervenzellenapparat dar- 358 C. Kupffer: Ueber Sternzellen der Leber. stellen. In dieser Hinsicht muss ich Ihnen das Bekenntniss ablegen, dass ich eine geraume Zeit hindurch die von mir eben als Radiär- fasern bezeichneten, von der Umgebung der Centralvene ausstrah- lenden Fasern an der Leber der Ratte für Nerven gehalten habe. Langestreckter Verlauf, spitzwinkelige Theilungen, grossmaschige Plexus zunächst, dann bei fortschreitender Theilung feine Plexus- bildung und namentlich das Eindringen der feinsten Enden zwischen die Leberzellen, das Alles im Verein mit dem Umstande, dass diese Fasern bei der Goldbehandlung die intensivste Färbung annahmen, legte die erwünschte Deutung sehr nahe. Manches war dabei aller- dings verdächtig, so das vollständige Fehlen von Kernen und der Umstand, dass die Ursprungsstätte vorherrschend die Umgebung der Centralvene war. Erst die Untersuchnng der Leber anderer Thiere machte mich stutzig und die Anwendung: des Nickeloxyd- Ammoniak gab die Entscheidung zu Gunsten des Bindegewebes. Es zeigte sich hierbei, dass von stärkern Bündeln des subperitonealen Bindegewebes sich ganz ähnliche Faserzüge abzweigten, um centri- petal in die anstossenden Läppchen einzudringen. Ganz derselben Täuschung ist, nach meiner Ueberzeugung, Nesterowsky unterlegen (Virch. Arch. ‚63. Bd. pag. 412). Ich habe die von ihm angewandte Methode mit grosser Sorgfalt wieder- holt und nichts Anderes gefunden, als was ich Ihnen eben geschil- dert habe, mit dem Unterschiede nur, dass bei seinem Verfahren die Sternzellen entweder gar nicht, oder nur sehr undeutlich zu Ge- sichte kommen. Er erwähnt denn auch derselben mit keinem Worte. So bleibt es also hierbei ganz beim Alten. Das Problem, die Nerven der Leberläppchen und ihren Zusammenhang mit den Leber- zellen ad aculos zu demonstriren, ist noch nicht gelöst, und so würde denn auch eine Deutung der Sternzellen als Nervenzellen völlig in der Luft schweben. Ueber einen eigenthümlichen Einschluss eines Hühnereies. Von Dr. Joh. Latschenberger, Privatdoc. und Assist. am physiol. Inst. in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XVI. Bei dem Aufschlagen eines Hühnereies fand sich vollkommen eingebettet in dem Eiweiss desselben ein eigenthümlicher Körper. Alle Bestandtheile des Eies waren vollständig normal: die Schale, das Eiweiss, der Kidotter, es war noch keine Spur einer Embryonal- anlage vorhanden. Der Körper adhärirte nicht an der Schale, sondern er war vollständig frei und allseitig von Eiweiss umschlossen ; nur ging von ihm ein feiner Faden zur Dotterhaut, mit welcher der- selbe fest verbunden war. — Der Körper selbst hat die Grösse einer grossen Haselnuss. Er hat ungefähr die Form einer Bohne und an dem Orte, welcher dem Nabel der Bohne entspricht, besitzt er einen kurzen, dicken, sich rasch verjüngenden Stiel (Fig. I, St.). Er ist 20 Mm. lang und 10 Mm. dick. Die Oberfläche ist höckerig, glatt. Man sieht hier und da kleine Bläschen auf derselben (Bl.); ein Theil derselben ist offenbar geplatzt und an ihre Stelle sind kleine Grüb- chen getreten (Gr.). Die Farbe ist sehr lichtgelblichweiss. Der Körper fühlt sich knorpelig hart an. Er wurde in der Längsachse durchschnitten und dabei zeigte sich, dass derselbe aus zwei Sub- stanzen bestand: aus einer dünnen Rindensubstanz und einer den inneren Raum vollständig ausfüllenden Marksubstanz. Die Rinden- schicht hat an der Durchschnittsfläche dieselbe Farbe wie die Ober- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 12, 24 360 Joh. Latschenberger: fläche und besitzt eine faserige Structur. Der Stiel besteht zum grössten Theil aus derselben Substanz; er verjüngt sich nicht all- mälig zu einer Spitze, sondern er ist durch eine verhältnissmässig breite Fläche abgestumpft (F.). Auf dieser Fläche zeigen sich die (Juerschnitte der die Rinde und den Stiel konstituirenden Fasern, welche dieselbe fast vollständig einnehmen und nur in der Mitte dem (Querschnitt eines engen Kanals Raum lassen, welcher mit der Marksubstanz erfüllt ist. Die Fasern sind an dieser Fläche so fest, und zähe wie in der übrigen Rinde und es zeigt sich keine Spur von Brüchigkeit. Von der Peripherie dieses Querschnittes des Stieles ging der feine Faden aus, welsher zur Dotterhaut führte. — Die Marksubstanz ist lichtrostbraun gefärbt und besteht aus einer mor- schen, zerreiblichen, pulpösen Masse. Der Körper wurde in Alkohol gehärtet und dann wurde er mikroskopisch untersucht. Die Schnitte wurden mit Karmin gefärbt und schliesslich im verharzten Terpentin aufgehellt. Der Bau ist folgender (Fig. I): Die Rindenschicht ist deutlich von der Markschicht abgegrenzt (durch die Linie AB), sie besteht aus sehr dichtem, faserigem Binde- gewebe. Die Bündel desselben Kreuzen sich in den verschiedensten Richtungen. In demselben befinden sich mit Blutkörperchen stark gefüllte Gefässe (Gef.). Die Markschichte besitzt als Grundgewebe ein sehr lockeres Bindegewebe, welches stellenweise in dichteren Strängen auftritt (Str.), die allmälig in jenes lockere Gewebe über- gehen (Uebg.), das dem Gewebe der Wharton’schen Sulze sehr ähnlich ist (G.G.). In diesem Gewebe findet sich eine grosse Menge von Gefässen der verschiedensten Grösse. Diese Gefässe sind stellen- weise so dicht (G.Gef.), dass das Grundgewebe vollständig verdrängt ist und man eben noch die Umrisse der einzelnen Gefässe unter- scheiden kann; sie haben sich augenscheinlich bei ihrer starken Ueberfüllung mit Blut gegenseitig abgeplattet. Sämmtliche Gefässe sind mit rothen Blutkörperchen vollgepfropft. In den Gefässen von kleinerem und mittlerem Durchmesser sind dieselben in ihren Um- rissen vollständig erhalten. In den grossen Gefässen jedoch sind sie bereits zu einer körnigen Masse zerfallen, die Umrisse der ein- zelnen Körperchen sind schon verschwunden (Kr.I.). Diese grossen Gefässe werden immer grösser, je mehr man sich der Mitte der Geschwulst nähert und die Zwischensubstanz tritt immer mehr zu- rück. Die Wände sind sehr dünn und die Gefässe gleichen voll- Ueber einen eigenthümlichen Einschluss eines Hühnereies. 361 ständig den Venen. Um die Gefässe herum, ausserhalb derselben und mitten zwischen den Gewebselementen selbst sind in grosser Menge rothe Blutkörperchen angehäuft. Bald sind sie dicht ge- drängt (G.Bl.), bald wieder dünner gesäet (2. Bl.), ja sie durchsetzen nahezu das ganze Gewebe, so dass nur wenige Stellen davon frei sind, an welchen sich das Gewebe in seinem ursprünglichen Baue darstellt (Fr.St.). Es haben also hier aus den überfüllten Gefässen zahlreiche Blutaustritte stattgefunden. Der Stiel ist aus demselben dichten Bindegewebe gebaut wie die Rindenschicht und die Bindegewebsfasern sehen hier so aus auf der Abstumpfungsfläche, wie an allen Stellen der Rindenschicht und sie zeigen keine Spur von Zerfall. Woher stammt diese Geschwulst und auf welche Weise ge- langte sie in das Ei? Die Fragen glaube ich im Folgenden in be- friedigender Weise beantworten zu können. Die Geschwulst zeigt vollständig ausgebildete Gewebselemente und da noch nicht einmal eine Embryonalanlage vorhanden war, so kann natürlich nicht daran gedacht werden, dass sie im Ei selbst entstanden ist, sondern sie muss von dem mütterlichen Organismus abstammen. Der Ariadnefaden, welcher zum ursprünglichen Sitz der Geschwulst führt, ist jener feine Faden, welcher von dem Stielende zur Dotter- haut führte; er zeigt, dass die Geschwulst und der Eidotter dicht nebeneinander auf gemeinsamem Boden, auf dem — Eistock des mütterlichen Organismus gewachsen sind. Die Geschwulst ist also eine gestielte Eierstocksgeschwulst. Da die Gewebselemente an der Abstumpfungsfläche des Stieles nicht morsch, sondern so fest und zähe sind wie die übrigen Fasern der Hülle der Geschwulst, so kann man nicht an ein selbstständiges Abfallen der Geschwulst in Folge des Zerfalles der Gewebsele- mente des Stieles denken, sondern man muss auch nach der Gestalt und dem Aussehen der Abstumpfungsfläche des Stieles an ein ge- waltsames Abreissen desselben denken. Alles dieses eben Angeführte lässt sich im folgenden hypothetischen Vorgange har- monisch vereinigen. Eine der gestielten Geschwulst benachbarte Dotterkugel ent. wickelte sich zur vollständigen Reife; während der Eidotter von der Tuba gefasst wurde, gerieth die mit einem dünnen Stiel aufsitzende Geschwulst vielleicht in Folge ihrer anatomischen Lage vorher in die Tubarmündung; sie wurde dann von dem vorrückenden Eidotter 362 Joh. Latschenberger: tiefer hineingeschoben; die Tuba kontrahirte sich rings um den Dotter und die Geschwulst. Letztere konnte nun zwischen Dotter und Tubarwand seines kopfförmigen Endes wegen nicht mehr zurück. Durch die sich um die Dotterkugel kontrahirende Tubarwand wurde der eingeklemmte Stiel der Geschwulst immer mehr komprimirt, andererseits wurde er durch den fortrückenden Dotter immer mehr gedehnt. Dadurch wurden die im Stiel verlaufenden Gefässe mehr und mehr komprimirt, so dass es zur Blutstauung im Kopfe der (eschwulst kam. Daher rührt wahrscheinlich die enorme Ueber- füllung der Gefässe mit Blutkörperchen und die Blutaustritte in das Gewebe; solche Blutaustritte fanden auch hie und da an der Ober- fläche statt und es wurde die oberste Schichte in Form der be- schriebenen Bläschen abgehoben (Bl., Fig. I); in Folge der über- grossen Spannung ist hie und da eines geplatzt und es sind auf diese Weise die auf der Oberfläche beschriebenen Grübchen mit scharfen Rändern entstanden (Gr., Fig. D. Durch diese Ueberfüllung der Gefässe und Gewebslücken mit Blut kam es zu einer enormen Vergrösserung des Kopfes der Geschwulst und daher mag das Miss- verhältniss zwischen dem grossen Kopf und dem dünnen Stielende der Geschwulst herrühren. In Folge der immer stärkeren Dehnung durch den fortrückenden Dotter riss endlich der Stiel. Die Ge- schwulst blieb nur durch einen dünnen Faden mit der Membran des Dotters in Verbindung zum Zeichen ihrer gemeinsamen Geburts- stätte. Es muss vorher schon zu einem vollständigen Verschluss der Gefässe des Stieles gekommen sein, da man im Eiweiss in der Nähe des Stieles keine Spur von Blut oder dessen Reste finden . konnte. Von nun an haben Geschwulst und Eidotter vollkommen gleiches Schicksal; sie werden beide mit Eiweiss umhüllt, dann in eine gemeinsame Schale eingeschlossen und zusammen in einem Ei vereint ausgestossen. Die Henne, von der das Ei stammte, konnte ich mir nicht verschaffen. Mein Suchen in der Literatur’nach einem ähnlichen Falle war vergebens, ebenso mein allseitiges Nachfragen, auch bei Hausfrauen, die da offenbar die meiste Erfahrung haben. Nach alledem muss ich schliessen, dass es sehr selten der Fall ist, dass der Organismus auf diesem eigenthümlichen Wege im Ei eine Geschwulst in ähnlicher Weise wie die physiologischen Geschwülste des Eistockes — die Eidotter ausstösst. Fig. II. Ueber einen eigenthümlichen Einschluss eines Hühnereies. 363 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV1. mal vergrössert. Abbildung der ganzen Geschwulst. St. = Stiel der Geschwulst. Bl. = Bläschen. Gr. = Grübchen. F. = Abstumpfungs fläche. Vergrösserung 110. Schnitt durch einen Theil der Rinden- und Marksubstanz; mit Car- min tingirt und in verharztem Terpentin aufgehellt. AB = Grenzlinie zwischen Rindensubstanz und Marksubstanz. Gef. = Gefässe. Str. = Bindegewebsstränge. Uebg. = Uebergang der dichteren Bindegewebsstränge in lockeres Bindegewebe. GG. = Grundgewebe. GGef. — Gedrängte Gefässe. KrI. = Körniger Inhalt. GBl. = Gedrängte Blutkörperchen. ZBl. = Zerstreute Blutkörperchen. Fr.St. = Von Blutkörperchen freie Stellen. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. Von ‘ Ernst Fischer, stud. med. (Aus dem histologischen Laboratorium der Anatomie in Prag). (Hierzu Tafel XVII.) Ueber die Tastkörperchen hat vor einiger Zeit Langerhans!) eine Arbeit veröffentlicht, in welcher er, auf neue Thatsachen ge- stützt, für die Richtigkeit der von Meissner?) und Wagner?) aufgestellten Ansicht eintritt, dass die sogenannten Querstreifen dieser Organe nervöser Natur seien. Meissner und Wagner, denen sich später Krause‘®) voll- kommen anschloss, haben bekanntlich die Querstreifen der Tast- körper als freiendende, blasse Nervenfasern (Terminalfasern) be- schrieben, welche aus den zutretenden Nervenfasern durch Theilung hervorgehen. Langerhans erklärt einen Theil der Querstreifen, diejenigen nämlich, von denen er gefunden, dass sie durch Osmium- säure geschwärzt werden, für markhaltige Nervenfasern, welche, indem sie einerseits verdickt enden, andererseits in feinere Fortsätze ausgehen, die Gestalt grösserer und kleinerer Knospen zeigen. Diese 1) M. Schultze’s Archiv. Bd. IX, pag. 730. 2) Beitr. z. Anat. u. Physiol. d. Haut. Leipzig 1853. 3) Müller’s Archiv. 1852. pag. 493. 4) Die term. Körperchen d. einf. sens. Nerven. Hannov. 1860. pag. 67. Ernst Fischer: Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 365 Knospen nimmt er, im Anschluss an Meissner und Krause, alle als freie Endigungen der Nervenfasern in Anspruch und bezeichnet, sie demnach als Endknospen. Mit den zutretenden Nervenfasern sollen diese durch ihre feinen Fortsätze zusammenhängen; in der That hat Langerhans auch einzelne Knospen mit den gewunden verlaufenden Nervenfasern, die er als Fortsetzung der zutretenden Fasern im Inneren der Tastkörper beobachtete, sich verbinden ge- sehen, von den meisten derselben jedoch vermochte er einen solchen Zusammenhang nicht nachzuweisen. Die in die Tastkörper ein- tretenden Nervenfasern zeigen also nach Langerhans innerhalb derselben viele freie Endigungen und behalten bis zu diesen ihre Markscheide bei. Zu einer ganz anderen Auffassung des Bau’s der Tastkörper- chen und der Endigungsweise der zutretenden Nervenfasern kommt eine jüngere Arbeit, welche vor Kurzem Thin!) geliefert hat. Dieser Autor beschreibt die Querstreifen als zellige Gebilde und tritt somit wieder für die Anschauung ein, welche früker haupt- sächlich Kölliker?), dann Nuhn?), Eckert), Gerlach?’) und andere Forscher verfochten haben. Von diesen Zellen gibt Thin nach Karmin-Essigsäure-Präparaten der Haut’ an, dass sie der Grund- substanz der Tastkörper angehören, eine längliche Form und häufig Ausläufer zeigen und die Rolle der elastischen Fasern, elastischen Bänder und »der diesen Elementen zu Grunde liegenden Zellen« spielen. Ferner hat Thin auch mit Osmiumsäure und Goldchlorid die Haut untersucht, in den Tastkörpern aber hiedurch keine ner- vösen Querstreifen darstellen können; die zutretenden, markhaltigen Nervenfasern lässt er innerhalb der Substanz der Tastkörper gerade oder hakenförmig gekrümmt mit scharfen Umrissen enden, bestreitet jedoch hiebei nicht die Möglichkeit, dass aus diesen Enden noch feine marklose Fasern ausstrahlen könnten. Da somit Thin die Angabe von Langerhans, dass Quer- 1) Wien. Sitzgsber. Bd. 67. Abth. III. 1873. pag. 130. und Journ. of Anat. and Phys. Vol. VIII. 1874. pag. 30. 2) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. IV. pag. 43. Lehrb. d. Histol. 2. Aufl. 1855. pag. 104. 3) Ill. med. Ztg. 1852. Bd. H. H. II. pag. 82. 4) Icones physiol. Erltg. z. Taf. XVII. Fig. 6—8. 5) Mikr. Studien a. d. Geb. d. menschl. Morphol. Erlangen 1858. pag. 40. 366 Ernst Fischer: streifen nervöser Natur in den Tastkörpern sich finden, nicht hatte bestätigen können, hielt ich es, nachdem ich bei der Untersuchung dieser Organe die erwähnte Angabe von Langerhans vollkommen richtig gefunden hatte, für vielleicht nicht unwichtig, derselben durch Veröffentlichung neuer Befunde der jüngeren Arbeit von Thin gegenüber eine weitere Stütze zu verleihen; da aber andererseits die Beschreibung von Thin, dass in den Tastkörpern bei gewissen Me- thoden zellige Elemente als Querstreifen sich darstellen, ebenfalls ihre Richtigkeit hat, glaubte ich auch für diese eintreten und damit zugleich eine Erklärung des eigenthümlichen Verhaltens versuchen zu sollen, dass die Querstreifen der Tastkörper von den verschiedenen Autoren in einer so ganz entgegengesetzten Weise aufgefasst worden sind, und aus diesen beiden Gründen entschloss ich mich, die Re- sultate einer in Prof. Flemming’s Laboratorium vorgenommenen Untersuchung der Tastkörperchen in der vorliegenden Arbeit zu- sammenzufassen. Die Entscheidung, dass die Querstreifen der Tastkörper, we- nigstens zum Theil, nervöse Gebilde sind und wie dieselben mit den zutretenden Nervenfasern zusammenhängen, verdanke ich allein einer Modification der Chlorgoldmethode, welche von Hrn. stud. med. Löwit erfunden und in einer Arbeit über die Nerven der glatten Muskulatur!) beschrieben worden ist. In dieser Arbeit gibt Löwit die Vorschrift von seiner Methode, wie er sie für die Harnblase des Frosches vorzüglich in Anwendung gebracht hat; für die mensch- liche Haut habe ich dieselbe nach seiner freundlichen Mittheilung in folgender Weise angewandt: Haut von der Volarfläche der Finger wurde noch lebenswarm, nachdem sie durch flache Scheerenschnitte vom subcutanen Gewebe. befreit und hierauf in 2—3 Mm. dicke Stückehen zerschnitten worden war, in eine mit Wasser verdünnte Ameisensäure (von 1,12 spec. Gew.) und zwar ein Theil Säure zu einem Theil Wasser gebracht und darin so lange gelassen, bis die Epidermis sich abhob; diese so ihres Epithels beraubten Hautstück- chen wurden dann auf eine Viertelstunde in eine Chlorgoldlösung von 1!/. %% oder auch von 1°/, gegeben und endlich behufs der Reduktion des Goldsalzes erst einer verdünnten Ameisensäure (1 Theil Säure zu 1—3 Theilen Wasser) 24 St. und dann der unverdünnten Säure weitere 24 St. im Dunkeln ausgesetzt. Bei vollständigem Erfolge 1) Wien. Sitzgsber. LXXI. Bd. II. Abth. 1875. pag. 1. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 367 dieses Verfahrens ist durch die Ameisensäure das Chlorgold, mit welchem das ganze Gewebe der Hautstückchen sich imprägnirt hatte, aus diesem wieder ausgezogen und hat sich allein in den Nervenfasern ein Gold- niederschlag gebildet, durch welchen dieselben, markhaltige wie mark- lose, dunkelbraun bis tiefschwarz gefärbt in dem farblosen Gewebe her- vortreten. Leider ist aber auch bei dieser Methode es nicht möglich, stets gute und annähernd gleiche Resultate zu erhalten, sondern häufig wird das ganze Gewebe der Hautstückchen, indem das Chlor- gold aus demselben nicht ausgezogen wird, in verschiedenem Grade dunkel gefärbt oder es bildet sich, und zwar vorzugsweise in der Mitte der Stücke, ein diffuser Niederschlag von metallischem Gold, wobei ausserdem und namentlich im ersten Falle oft keine Färbung der Nervenfasern oder nur eine sehr ungenügende erzielt wird. Immer aber stellt sich bei dieser Methode das Procentverhältniss gelungener Präparate gegenüber den misslungenen bedeutend höher, als bei den anderen versuchten Goldmethoden, dem Cohnheim’- schen und Henocque'’schen Verfahren, durch welche es mir über- haupt nicht gelang, bei der menschlichen Haut- irgend welche Re- sultate, die Darstellung der Nervenfasern betreffend, zu erzielen. Nach der Behandlung mit Ameisensäure zum Behufe der Ent- fernung des überschüssigen Goldchlorids und der Reduktion des von den Nervenfasern aufgenommenen wurden die Hautstückchen in absolutem Alcohol gehärtet und in feine senkrechte oder horizon- tale Schnitte zerlegt; diese Schnitte wurden entweder mit Nelkenöl aufgehellt und in Damarlack eingeschlossen oder nach vorausge- gangener Abspülung mit Wasser in Glycerin aufbewahrt. Die Tastkörperchen nun, an solchen Schnitten gut vergoldeter Haut betrachtet, zeigen im Inneren einer gleichartigen und farblos gebliebenen Grundsubstanz intensiv dunkel gefärbte Fasern ver- schiedener Länge und Dicke, welche, indem sie schr häufig quer verlaufen, als dunkle Querstreifen derselben erscheinen. Diese gleichen, wie Fig. 2 zeigt, nach Gestalt und Anordnung oft vollkommen den Terminalfasern von Meissner und Krause, sowie den End- knospen von Langerhans, sind jedoch bei den meisten meiner Goldpräparate (wie in den Figuren 3—7) bedeutend zahlreicher und mehr untereinander zusammenhängend, als nach den Darstellungen der genannten Autoren. Da nun die erwähnten Fasern mit Be- stimmtheit Nervenfasern sind, weil sie erstens durch die Behandlung mit Chlorgold dunkel gefärbt wurden und zweitens mit den von 368 Ernst Fischer: Aussen in die Tastkörper eintretenden Nervenfasern, wie ich gleich nachweisen werde, im Zusammenhange stehen, so erhellt, dass (JQuerstreifen nervöser Natur in den Tastkörpern vorhanden sind und sonach die Angaben von Meissner, Wagner, Krause und Langerhans richtig sich verhalten. Gehe ich also auf (den Zusammenhang dieser nervösen Ge- bilde in den Tastkörpern mit den zutretenden Nervenfasern, respec- tive die Schilderung des Verlaufs und der Endigungsweise der letz- teren innerhalb der Körperchen ein, so ist vorerst noch als wichtig zu bemerken, dass die Nervenfasern, in der unmittelbaren Nähe ‘der Tastkörperchen angekommen, meistens eine Aenderung ihres Durchmessers erfahren, indem sie sich plötzlich zuspitzen (Fig. le, Fig. 4a, Fig.5b,c) und dann bedeutend verfeinern. Diese Ver- feinerung der zutretenden Fasern, auf welche schon Meissner), Rouget?) und Langerhans?) aufmerksam gemacht haben, findet sich in allen Fällen, in welchen der Eintritt der Nervenfasern in die Tastkörper gut wahrzunehmen ist, so dass man dieselbe ge- radezu als die Regel bezeichnen könnte. Die verdünnte Nervenfaser tritt nun über die Grenze der Sub- stanz der Tastkörper in deren Inneres ein (Fig. 5) und setzt sich, wie aus den Fig. 3, 4, 5 und 7 erhellt, in die daselbst gelegenen Fasern direkt fort, indem sie meistens ihren Verlauf durch Um- biegung ändert. Da nun diese Fasern, wie es von einer grösseren Zahl derselben in den Fig. 3—7 und 9—11 deutlich hervortritt, bogenförmig in einander übergehen, stellen sich die Nervenfasern als in zusammenhängenden Windungen innerhalb der Tastkörper verlaufend dar. Dieses Verhalten der Nervenfasern ist schon von Gerlach‘®) angegeben worden, welcher die Tastkörper als aus aufgerollten Nervenfasern bestehende Nervenplexus aufgefasst hat, eine Ansicht, die von ihm aber später?) wieder aufgegeben wurde. Ferner erwähnt. Rouget‘) Windungen der Nervenfasern, welche jedoch nur auf die Rindenschichte der Körperchen beschränkt sein sollen, während der 2) 1..c. par; 4. 2) Comptes rend. Tom. 66. pag. 828. SL c. pag: 193. 4) Ill. med. Ztg. 1852. Bd. II. H. II. pag. 91. 5) Mikr. Studien. pag. 39. 6) 1. c. pag. 827. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 369 centrale Theil derselben eine den motorischen und elektrischen End- platten ähnliche Ausbreitung von Axencylindersubstanz darstellen soll, in welche die Nervenfasern übergehen; endlich beschreibt Langerhans!) einzelne gewunden verlaufende Nervenfasern inner- halb der Tastkörper. Ihre Windungen führen die Nervenfasern schon manchmal vor dem Eintritt in die Tastkörper aus, indem sie bei starker Schlängelung einander spiralig umwinden (Fig. 14) oder um die Tastkörperchen von Aussen ein- oder mehrfach sich herumwickeln und so die bekannten äusseren Spiraltouren um dieselben be- schreiben. Die innerhalb der Tastkörper gelegenen Windungen der Nerven- fasern sind, wie Querschnitte der vergoldeten Organe lehren (s. Fig. 8), durch die ganze Dicke der Körperchen angeordnet und verfolgen in denselben sehr verschiedene Verlaufsrichtungen. Bei der Mehr- zahl der Tastkörper finde ich die Nervenfasern sich in vorzüglich querverlaufenden Spiraltouren aufwinden (Fig. 5, 6, 10), bei vielen anderen hingegen halten sie in ihren Windungen die verschiedensten Richtungen ein, wie in der Fig. 4 bei e und in Fig. 7, und durch- ziehen die Körperchen also, unregelmässig sich durcheinander schlingend. Während der Aufwindung schieben sich die Fasern auch zwischen und übereinander (s. d. Fig. 4, 5, 6) und tritt dieses Ver- hältniss um so mehr hervor, je dichter die Windungen liegen. Die Menge derselben nämlich stellt sich nach der angegebenen Ver- goldungsmethode bei der weitaus grössten Anzahl der Tastkörper als eine sehr grosse heraus und kommen häufig mit noch viel zahl- reicheren und dichter gelagerten Windungen versehene Körperchen vor, als die Objekte der für dieses Verhalten als Beispiele gezeich- neten Figuren 6 und 7. Zu bemerken ist ferner, dass auch inner- halb der Tastkörper die Nervenfasern Theilungen eingehen, wie dies von Gerlach?) schon angegeben ‘worden ist.& Die von mir beobachteten Fälle solcher Theilungen, wie sie auch in den Fig. 4 bei k und i, 5 bei d, 6 bei a, und 7 bei a vorkommen, waren alle dichotom, fanden an gewundenen Fasern Statt und die Aeste gingen auch in Windungen weiter. i Was nun die Beschaffenheit der Nervenfasern in den Tast- 1)1.e. p. 731. 2) Il. med. Ztg. Bd. IL. H. U. pag. 91. 370 Ernst Fischer: körpern anbelangt, so tritt an denselben bei Goldpräparaten nament- lich der Umstand hervor, dass sie in ihren Windungen nicht stets die gleiche Dicke behalten, sondern ähnlich, wie es schon an den zutretenden Fasern vorkommt (Fig. 1), sich verdünnen und ver- dicken. Während aber dieses Verhältniss an den letzteren sich nicht häufig findet, ist es für die im Innern der Tastkörper ver- laufenden Nervenfasern geradezu typisch zu nennen, indem ich niemals Tastkörper fand, in welchen die Fasern in ihren Windungen stets die gleiche Dicke behielten. Die verdickten Stellen der Nerven- fasern in den Tastkörperchen haben eine äusserst verschiedene Ge- stalt, bald sind sie rundlich (Fig. 3 a, 4f, 9a, 10a), bald haben sie die Gestalt von verschieden langen und dicken Knospen (Fig. 4g,5e, 6b, Ib, 10b), oder zeigen, indem sie, wie sehr häufig, einen grösseren Theil querverlaufender Fasern einnehmen, spindel- oder kolbenähnliche Formen (Fig. 3b,c, 4h, 5f, 6c, 9c, 10c) oder sind verschiedenartig gebogen, wenn, wie in den Figuren 4 bei e, 5 bei g, 7 bei b, die Fasern während einiger Biegungen verdickt bleiben. In Bezug auf ihre Vertheilung befinden sich diese Ver- diekungen theils an den Enden gewundener Fasern (Fig. 3a,c, 41’, 8‘, de, 6b‘, d, 10 b,d), theils aber auch in der Continuität derselben eingelagert, wie aus den Figuren 3—7 und 9—11 hervorgeht. Die dünneren Theile der Nervenfasern zeigen in ihrem Durchmesser bedeutende Verschiedenheiten, wie die Figuren lehren, und verbinden die verdickten Stellen untereinander. Den erwähnten Verdickungen der Nervenfasern entsprechen nach Gestalt und Vertheilung die in vergoldeten Tastkörpern manch- mal isolirt vorkommenden kurzen Fasern (s. Fig. 2), welche, wie schon angegeben, den Terminalfasern von Meissner und Krause sowie den Endknospen von Langerhans vollkommen analog sind. Da nun der letzgenannte Autor nachgewiesen hat, dass die Knospen durch Osmiumsäure geschwärzt werden, ein Verhalten, welches auch ich bestätigen kann (Fig. 17), so stellen die Verdickungen der ver- goldeten Nervenfasern markhaltige Strecken dar, was — und hierauf hat schon Langerhans aufmerksam gemacht — ganz den Be- funden von Meissner und Krause entspricht, da Natronlauge ebenfalls das Nervenmark erhält. Was die feineren Fasertheile an- belangt, so sind dieselben einestheils, da Langerhans ähnliche feine Fasern, die Fortsätze der Knospen nämlich und die verdünnt eintretende Nervenfaser, mit Osmiumsäure darstellen konnte, als ‘ Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 371 Theile der Nervenfasern mit bedeutend verdünnter Myelinscheide anzusehen, anderntheils aber scheinen sie mir auch nackte Axen- cylinder zu sein, weil dieselben in den Darstellungen von Meissner und Krause, indem Natronlauge blasse Nerven zerstört, fehlen und auch von Langerhans nicht die einzelnen Knospen unter einander in Verbindung setzend wahrgenommen wurden, während sie durch die Behandlung mit Chlorgold, welches die Axencylinder ebenso wie das Mark färbt, meistens deutlich hervortreten. Dieses Vorkommen nackter Axencylinder in den Tastkörpern wurde schon von Grandry') beschrieben. In manchen der vergoldeten Tastkörper nun, wie denjenigen, welchen die Figuren 2, 12, 13 und 14 entnommen sind, fehlen die feinen Fasern, welche die den markhaltigen Stellen entsprechenden gefärbten Gebilde in Verbindung setzten, und in Folge dessen er- scheinen die letzteren, von welchen schon nach ihrem ganzen Lagerungsverhältniss zu einander und zu den eintretenden Nerven- fasern (s. Fig. 2) angenommen werden muss, dass sie aus einem gewundenen Verlauf derselben hervorgegangen sind, als frei endende Fasern. Dieses Fehlen der feinen Verbindungsfasern ist aber nur daraus zu erklären, dass dieselben als Axencylinder, welche sich schwerer mit Gold färben, als die markhaltigen Stellen, durch die Behandlung mit diesem Reagens nicht sichtbar gemacht worden sind, eine Annahme, welche ich darauf stütze, dass, wo im Stratum papil- lare die bekannten marklosen Fasern, die gegen das Rete Malpighii hinaufziehen, sich gefärbt vorfanden, in den Tastkörpern ebenfalls in der Regel die feinen Fasern und somit die Windungen in ihrer Continuität erhalten waren. Aus der oben durchgeführten Combination der Befunde von Meissner, Krause und Langerhans mit den durch die Löwit’- sche Vergoldungsmethode erhaltenen Resultaten folgt nun, dass die in den Tastkörpern sich aufwindenden Primitiv-Fibrillenbündel nur eine stellenweise Markbekleidung zeigen und ferner, dass diese mark- haltigen Stellen der Nervenfaserwindungen die Querstreifen der Tastkörper, im Sinne von Meissner und Langerhans, darstellen. Dieses Verhältniss einer bloss streckenweisen Umhüllung mit Myelin tritt schon, aber selten, an den zutretenden Nervenfasern auf, indem dieselben an Goldpräparaten manchmal stark verdünnte Stellen 1) Journ. de Tanat. et de la phys. Tom. 6, pag. 397. 372 Ernst Fischer: zeigen, wie ich oben erwähnt habe. Gewöhnlich aber behält die Nervenfaser bis zum Tastkörper ihre Markscheide gleichmässig bei und verliert dieselbe erst in der Nähe desselben an der früher er- wähnten zugespitzten Stelle, von welcher ab der Axencylinder ent- weder nackt oder mit bedeutend verdünnter Myelinscheide in den Tastkörper eintritt. Die stellenweise Markbekleidung nun, mit welcher die aufgewundenen Primitiv-Fibrillenbündel im Innern der Tastkörper versehen sind, zeigt ein von der Markscheide der zutretenden Nerven- fasern abweichendes Verhalten, indem bei gewöhnlicher Behandlung der Haut mit Osmiumsäure in den Tastkörpern häufig keine Fär- bung der markhaltigen Stellen erzielt wird und ferner bei Präpa- raten von Haut, die ich vor der Einlegung in die Osmiumsäure mit verdünnter Essigsäure behandelt hatte, dieselben niemals gefärbt hervortreten (Fig. 21), während die zutretenden Nervenfasern bis zu ihrem Eintritt in die Tastkörper, namentlich im zweiten Falle, meistens ziemlich intensiv geschwärzt sich darstellen. Ein differentes Verhalten der Markhülle an den Nervenfasern in- und ausserhalb der Tastkörper beweisen auch die Angaben von Meissner und Krause, welche die Terminalfasern nach ihrem Ansehen von den zutretenden Nervenfasern unterschieden und als blasse Fasern bezeichneten. Eine merkwürdige, vielleicht auf die Eigenschaften des Myelins zurückzuführende Erscheinung ist es ferner, dass die Nerven- fasern in den Tastkörpern nach Behandlung frischer oder in Alkohol gehärteter Haut mit verdünnter Essigsäure unsichtbar werden, während dieses Reagens sonst doch die markhaltigen Nervenfasern deutlicher hervortreten lässt. Auf welcher Ursache diese Verschie- denheit des Myelins der innerhalb der Körperchen verlaufenden Nervenfasern beruht, ob dieselbe nur in einer grossen Dünne oder vielleicht in einer anderen chemischen Beschaffenheit des Nerven- marks ihren Grund hat, darüber vermag ich nichts Näheres an- zugeben. | Darin, dass die Nervenfasern innerhalb der Tastkörper nur stellenweise mit Myelin versehen sind, stimmen sie mit den Termi- nalfasern der Pacini’schen Körper überein, von welchen mehrere Autoren, wie Axel Key und Retzius!) und Jüngt Schäfer?) das gleiche Verhalten beschrieben haben. 1) M. Schultze’s Archiv. Bd. IX, pag. 370. 2) Quarterly Journ. New Series No. LVIII 1875. pag. 136. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 373 Was nun die Endigungweise der Nervenfasern in den Tastkörpern anbelangt, so folgt aus dem oben beschriebenen Befunde, wonach die den Querstreifen der Tastkörperchen entsprechenden Gebilde auch dem Verlaufe der Fasern sich angehörig erweisen, mit Noth- wendigkeit, dass dieselben nicht, wie Meissner, Wagner, Krause und Langerhans annehmen, insgesammt als Endigungen der Nervenfasern aufgefasst werden können. Nach den Resultaten der Goldbehandlung liessen sich nur einzelne Verdickungen, welche an den scheinbaren Enden der Nervenfasern nach einem, verschieden- artige Anschwellungen zeigenden, gewundenen Verlauf derselben sich befinden (s. die Fig. 3a,c,d. 4f‘,g‘,h,1l. 5e. 6b‘, d. 10d. 11a.), als die wirklichen Endigungen der Nervenfasern betrachten und diese würden somit in den Tastkörpern nach Ausführung verschieden zahlreicher Windungen knopf- oder kolbenförmig angeschwoilen endigen. Hiegegen lässt sich aber einwenden, dass auch diese an Goldpräparaten sich zeigenden freien Enden der Nervenfasern keine wahren Endigungen darstellen, sondern in den Verlauf der Fasern eingeschalteten Verdickungen entsprechen, welche, indem die dieselben mit anderen verbindenden feinen Fasern durch die Behandlung mit Gold nicht gefärbt worden waren, als frei endend erscheinen. Gegen diesen Einwurf lässt sich aber vielleicht geltend machen, dass in manchen der gezeichneten Fälle wenigstens die Continuität der Nervenfasern ziemlich gut erhalten scheint. Ferner wird durch die Vergoldungsmethode überhaupt keine andere Art der Endigung der Nervenfasern wahrscheinlicher gemacht, als die erwähnte und es widerspricht auch dieser letzteren kein durch Anwendung anderer Methoden erhaltener Befund. Von anderen Endigungsweisen der Nervenfasern in den Tastkörpern finden sich in der Literatur mehrere verzeichnet: 1. Schlingenförmige Endigung, wie sie Gerlach!) und Nuhn?) annehmen. 2. Endigung in Zellen. Eine solche wurde von Tomsa) beschrieben, nach dessen Darstellung die Axencylinder der Nervenfasern mit den Ausläufern platter, die Tastkörper auf- bauender Zellen zusammenhängen. 3. Endigung der Nervenfasern in einer nervösen Substanz, wie eine solche von Rouget‘) angegeben 1) Ill. med. Ztg., Bd. II, H.II, pag. 91 u. mikr. St pae. 42 u. 43. 2) Ill. med. Ztg. Bd. II. H II. p. 8. 3) Wien. med. Wochenschr. 1865. No. 52. 4) l. c. pag. 829. 374 Ernst Fischer: wurde, der den centralen Theil der Tastkörper als aus einer, den motorischen und elektrischen Endplatten ähnlichen, Ausbreitung von Axencylindersubstanz gebildet beschreibt. Was nun die ersterwähnte Endigungsweise betrifit, so lässt sich dieselbe nach Goldpräparaten zwar nicht direkt in Abrede stellen, da man an denselben sehr häufig schlingenförmige Umbiegungen der Nervenfasern in den Tast- körpern wahrnimmt; von diesen Schlingen lässt sich aber nicht be- weisen, dass sie Endigungen darstellen, es können dieselben viel- mehr Jeichter und natürlicher auf den Verlauf der Nervenfasern in Windungen zurückgeführt werden. Die Angaben von Tomsa habe ich nicht mit Hilfe der von ihm angewandten Isolationsmethode nachuntersucht; durch die Goldbehandlung aber habe ich nie an Tastkörpern Bilder erhalten, welche für einen Zusammenhang der Nervenfasern mit den in den Tastkörpern vorhandenen zelligen Elementen gesprochen hätten. An tingirten Goldpräparaten näm- lich gelang es mir nie, in den Verlauf der Nervenfasern einge- lagerte Kerne zu sehen, diese befanden sich vielmehr in vielen Fällen in solcher Lage und Entfernung von den Nervenfasern, dass man nicht leicht an einen Zusammenhang der letzteren mit den zu den Kernen gehörigen Zellen annehmen konnte. Das letzterwähnte, von Rouget angenommene Verhalten der Nerven- fasern in den Tastkörpern ferner, lässt sich nach den Resultaten der Goldbehandlung durchaus nicht bestätigen, wie daraus folgt, dass erstens der centrale Theil der Körperchen durch Gold nie dunkel gefärbt wird und dass zweitens, ‘wie erwähnt, auch im Cen- trum der Körperchen Nervenfaserwindungen sich vorfinden. Nachdem also diese abweichenden Angaben über die Endigung der Nerven- fasern in den Tastkörpern durch Anwendung der Goldmethode theils nicht bestätigt werden konnten, theils doch als weniger wahrschein- lich sich herausstellten, als die erwähnte, an den Goldpräparaten wahrnehmbare Endigungsweise der Nervenfasern, glaubte ich diese letztere als die wahrscheinlichste annehmen zu dürfen, um so mehr als für dieselbe, ausser einem positiven Befund, auch das analoge Verhalten der übrigen Terminalkörper spricht, in denen ja die Nervenfasern ebenfalls angeschwollen endigen. Ferner konnte auch das noch als denkbar erscheinende Verhältniss, dass nämlich die Nervenfasern aus den Tastkörpern austreten, nicht nachgewiesen werden und war es in den einzelnen Fällen, in welchen ein solches Verhalten sich darzubieten schien, möglich, dasselbe auf eine Täu- Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 375 schung zurückzuführen, welche darauf beruhte, dass die bekannten, zum Rete Malpighii ziehenden marklosen Nervenfasern sehr nahe an den Tastkörpern vorbeiliefen. Die Endigungen der Nervenfasern nun, wie sie in vergoldeten Tastkörpern, in welchen der Zusammenhang der Nervenfaserwindun- gen sich gut erhalten zeigt, wahrgenommen werden, befinden sich an verschiedenen Stellen und häufig zu mehreren in den Tastkörpern. In dieser letzteren Beziehung darf vielleicht angenommen werden, dass stets ebenso viele freie Endigungen in einem Körperchen sich finden, als in dasselbe Nervenfasern eintreten und aus diesen während ihres Verlaufs durch Theilung noch Aeste entstehen. Eine der angenommenen ähnliche Endigungsweise der Nerven- fasern in den Tastkörpern hat schon Grandry!) beschrieben, indem er dieselben nach Verlust ihrer Markscheide in rundlichen An- schwellungen endigen lässt. Da nun aber Grandry alle die rund- lichen Körper, die er im Inneren der Tastkörper mit Nervenfasern in Verbindung stehen sah, als Endanschwellungen auffasst, während dieselben jedenfalls zum Theil dem Verlaufe der Fasern angehören, so können die von dem genannten Autor beschriebenen Endigungen nicht als mit Sicherheit den wahren Enden der Nervenfasern ent- sprechend angesehen werden. Fasse ich nun das Gesammtverhalten der Nervenfasern in den Meissner’schen Tastkörpern zusammen, so ergibt sich, dass die zu den letzteren tretenden Nervenfasern, nachdem sie meist ihre ur- sprüngliche Markscheide unmittelbar vor den Körperchen verloren haben, als Terminalfasern in die Substanz derselben eintreten und hier in verschiedenartigen, häufig sehr dicht gelagerten Windungen verlaufen, wobei sie nur stellenweise mit Mark bekleidet sind. Wäh- rend ihrer Aufwindung theilen sie sich noch und enden zuletzt, wie auch ihre Aeste, wahrscheinlich angeschwollen an verschiedenen Stellen innerhalb der Tastkörper, welche somit häufig eine grössere Zahl von Endigungspunkten der Nervenfasern enthalten. Mit den anderen Terminalkörperchen nach diesem Verhalten verglichen, unterscheiden sich die Tastkörper hauptsächlich dadurch, dass in ihnen die Terminalfasern in zahlreiche Windungen gelegt sind, wodurch also eine bedeutende Vermehrung der Oberfläche der Nervenfasern auf kleinem Raume erzielt wird, während dieselben in 1) 1. c. pag. 397. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 25 376 ö Ernst Fischer: den Krause’schen Endkolben und den Pacini’schen Körpern ge- rade gestreckt verlaufen. Für die Endkolben nun hat schon Rouget!), später Ciaccio?) nachgewiesen, dass sie auch häufig Windungen der Nervenfasern erkennen lassen; hiernach also ver- halten sich vielleicht viele Formen derselben den Tastkörpern gleich, welche, wie Rouget?) sich ausdrückt, gewissermassen nur eine weiterentwickelte Modification der Endkolben darstellen. Indem ich nun auf den Ausgangspunkt meiner Betrachtungen, die Controverse nämlich, welche in Bezug auf die Existenz nervöser Querstreifen in den Tastkörperchen zwischen den Angaben von Langerhans und Thin besteht, zurückkomme, so ergibt sich in Betreff derselben aus den geschilderten Verhältnissen, dass, wie der erstgenannte Autor angibt, wirklich Querstreifen nervöser Natur in den fraglichen Organen sich finden. Dass nun Langerhans die Querstreifen sämmtlich als freie Endigungen beschrieben hat, liegt darin begründet, dass durch die Behandlung mit Osmiumsäure die markhaltigen Theile der Nervenfaserwindungen hervortreten, während die dieselben verbindenden marklosen Stellen unsichtbar bleiben ; dass er ferner die sogenannten Endknospen ziemlich selten und stets in sehr geringer Zahl mit den eingetretenen Nervenfasern im Zu- sammenhange stehen sah, folgt mit Nothwendigkeit aus dem Ver- halten, dass dieselben in erster Linie unter einander und erst in zweiter mit den Nervenfasern sich verbinden. Die Fälle ferner, in denen Langerhans gewunden verlaufende Nervenfasern im Innern der Tastkörper gesehen hat, lassen sich leicht darauf zurückführen, dass die Nervenfasern während ihres Verlaufs in den Körperchen auf grösseren Strecken ihre Myelinscheide behalten können, was auch aus der Dicke mancher Fasern an Goldpräparaten, z. B. der Fasern von d—e und b—f in Fig. 10 hervorgeht. Die Befunde von Meissner, Wagner und Krause, welche mit den Angaben von Langer- hans sich vollständig vereinigen lassen, erklären sich auch auf eine ähnliche Weise, wie die letzteren, indem bei Anwendung von Natron- lauge die marklosen Stellen der gewundenen Fasern zerstört wer- den und die markhaltigen also allein erhalten bleiben. Da aber die DENE DRP.NB20: 2) Memor. dell’ Academ. delle seience dell’ Instituto di Bologna. Ser. IM. Tom. IV. i 3) 1. c. pag. 827. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 377 Nervenfasern innerhalb der Körperchen während eines längeren Ver- laufs ihre Markscheide gleichmässig beibehalten können, so haben schon Meissner und Krause den gewundenen Verlauf der Nerven- fasern in den Tastkörpern wahrgenommen, von welchem Meissner in seiner Monographie Taf. I, Fig. 6 einen sehr deutlichen Fall ab- bildet. Was die von Thin gegebene Darstellung betrifft, so ist der Umstand, dass derselbe durch Osmiumsäure keine nervösen Quer- streifen in den Tastkörpern hat auffinden können, vielleicht daraus zu erklären, dass er nur schon längere Zeit abgestorbene Haut zur Untersuchung verwendet hat, an welcher durch das erwähnte Rea- gens, wie es mir auch oft vorkam, käufig keine Färbung des Nerven- marks in den Körperchen erzielt werden kann. Die kleinen rund- lichen oder knospenförmigen Gebilde jedoch, welche derselbe Forscher in den nach Osmiumpräparaten gezeichneten Figuren 3 und 6—11 seiner Arbeit abbildet und welche er für Kerne gehalten zu haben scheint, sind, wie ich überzeugt bin, keine solche gewesen, da sie, nach den Zeichnungen zu urtheilen, durch die Osmiumsäure dunkel gefärbt waren, ferner auch bedeutend kleiner sind, als die Kerne der Tastkörper gewöhnlich zu sein pflegen, und endlich manchmal sogar die charakteristische Gestalt von Knospen zeigen, sondern stellen die von Langerhans beschriebenen Knospen selbst dar. Das gleiche scheinen mir die durch Gold dunkel gefärbten Gebilde in den Fig. 2 und 5 zu sein, welche Thin mit den Kernen, die er an mit Karmin tingirten und dann mit Essigsäure behandelten Tast- körpern wahrnahm, wegen ihrer ähnlichen Grösse verwechselt und in Folge dessen ebenfalls als Kerne betrachtet hat. Gegen diese Annahme von Thin spricht aber, dass diese Gebilde erstens mit Goldehlorid sich dunkel gefärbt hatten und dass sie zweitens eine für Kerne zu unregelmässige Gestalt besitzen. Die Kerne der Tast- körper selbst scheint Thin an Osmium-Präparaten als die zu den erwähnten kleinen kernähnlichen Gebilden gehörenden Zellen an- gesehen zu haben. Was ferner die von demselben Autor angegebene Endigungsweise der zutretenden Nervenfasern anbelangt, so lässt sich dieselbe, wie ich glaube darauf zurückführen, dass die letzteren in den von ihm nach Osmium-Präparaten beschriebenen Fällen erst nach dem Eintritt in die Tastkörper plötzlich ihr Myelin verloren und somit innerhalb der Körperchen frei endend sich darstellten, während in den nach Goldpräparaten gezeichneten Figuren 1, 2, 4 und 5 ein gewundener Verlauf der Nervenfasern ziemlich deutlich 378 Ernst Fischer; hervortritt. — Thin gibt ferner an, dass je eine der markhaltigen Nervenfasern, welche zu den Tastkörpern treten, in einem rund- lichen Körperchen endige, das entweder einzeln bleibe (einfaches Tastkörperchen), oder mit ‚mehreren anderen zu den Tastkörpern länglicher Form zusammentrete (zusammengesetzte Tastkörper). Diese letzteren nennt Thin nach der Zahl ihrer sogenannten »Glieder«, welche von den bekannten, durch Einschnürungen von einander getrennten Abtheilungen der Körperchen vorgestellt sein sollen, Zwillinge und Drillinge und sollen bei denselben stets eben so viele Nervenfasern eintreten, als solche Glieder vorhanden sind und um- gekehrt. Diese Angabe des genannten Forschers habe ich nach Gold- wie Osmium-Präparaten nicht bestätigt finden können, indem erstens bei weitem nicht alle länglichen Tastkörper, selbst wenn sie eine sehr bedeutende Grösse zeigen, in mehrere Theile zerfallen (s. Fig. 4, 15 und 17) und dieselben auch häufig nur von einer einzigen Nervenfaser versorgt werden (s. Fig. 4 und 5), zweitens häufig Tastkörper vorkommen, in welche, ohne dass sie eine Spur einer Trennung zeigen, zwei oder mehrere Nervenfasern eintreten, um die Organe mitsammen in Windungen zu durchlaufen (Fig. 3), oder bei denen, wenn Abtheilungen ausgesprochen sind, die Zahl der zutretenden Fasern mit der der abgetrennten Stücke nicht über- einstimmt (Fig. 13). Drittens gelangen auch zu den abgeschnürten Theilen der Körperchen nicht stets eigene Nervenfasern; ich beob- achtete nämlich, dass, wie Fig. 11 zeigt, eine Nervenfaser, nachdem sie in dem einen Teil eines Tastkörpers sich aufgewunden, auch in den anderen übertrat, um hier ihre Windungen fortzusetzen, so dass sie beide Stücke zugleich versorgte, und ferner, dass 2 Abschnitte eines Kör- perchens dadurch von einer Nervenfaser abhängig waren, dass sie für jedes Stück einen Theilungsast abgab, wie in Fig. 14 die Faser c die Aeste d und e für die Theile f und g. Diese Befunde scheinen mir nun wohl dafür zu sprechen, dass das von, Thin aufgestellte Schema discreter Endorgane als Gesetz für die Tastkörper, wie er es aufstellen zu wollen scheint, sich nicht aufrecht erhalten lässt und ist deshalb, wie ich glaube, die Angabe von Thin dahin zu modificiren, dass erstens die bekannten, abgeschnürten Theile der Tastkörper oft vielleicht von besonderen Nervenfasern versorgt werden und dass zweitens zu den kleinen rundlichen Körperchen häufig nur eine einzige Nervenfaser treten kann. Die abgeschnürten Theile der Tastkörper ferner sah ich in einer Anzahl von Fällen Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 379 dadurch zu Stande kommen, dass, wie Fig. 22 zeigt, die Substanz der Körperchen in eine mehr oder minder grosse Menge von ver- schieden dicht gelagerten Windungen gelegt war. Ob aber die durch die bekannten Einschnürungen abgetrennten Stücke der Tastkörper stets nur durch solche Windungen bedingt sind, vermag ich nicht anzugeben. Die auf die Methode von Löwit angefertigten Goldpräparate haben den grossen Vorzug, dass sie, was meines Wissens bei keiner der anderen Goldmethoden möglich ist, noch mit Farbstoffen tingirt werden können. Von diesen leisteten Karmin und Haematoxylin mir keine so guten Dienste, wie Anilin, welches die Eigenschaft hat, bei gewisser Anwendungsweise !) stets allein die Kerne und zwar un- gemein stark zu färben. Durch solche Tinktion von Goldpräparaten mit Anilin erhielt ich die ungemein klaren und instruktiven Bilder, deren eines Fig. 12 zeigt. Es kommen nämlich dann in der hellen Grundsubstanz der Tastkörper zwischen den mit Gold gefärbten Querstreifen zahlreiche Kerne hervor, welche oft längliche Formen zeigen und häufig quergestellt sind. Diese neben den Nervenfaser- windungen sich findenden Kerne sind es, welche jüngst von Thin und früher schon von Kölliker und anderen Forschern als Quer- streifen der Tastkörper beschrieben wurden. Von all’ diesen Autoren jedoch sind dieselben mit den nervösen Querstreifen verwechselt worden, welcher Umstand sich daraus erklärt, dass die genannten Autoren bei der Behandlung der Haut mit Essigsäure mit oder ohne vorausgegangene Tinktion durch Karmin, in den Tastkörpern allein die von den verlängerten Zellkernen vorgestellten Querstreifen fanden, während die anderen als Querstreifen erscheinenden Gebilde, zu denen die Nervenfasern gehören, wie ich es von den letzteren auch schon er- wähnt, durch die Essigsäure zum Verschwinden gebracht worden waren. Es zeigen nämlich die Tastkörper,, welche bei Anwendung der gewöhn- lichen Methoden, der Härtung in absolutem Alkohol z. B., bekannter- massen querstreifig erscheinen, an Hautschnitten, die mit Essigsäure behandelt und in derselben angesehen werden, ein gleichartiges Ansehen und treten in ihnen allein die Kerne hervor (s. Fig. 16 im Gegen- 1) Die angewandte Methode verdanke ich der Mittheilung meines ver- ehrten Lehrers, Hrn. Dr.E. Hermann in München, welcher dieselbe im Tage- blatt der 48. Versammlung deutscher Naturforscher in Graz 1875. Nr. 4, pag. 105. beschrieben hat, 380 Ernst Fischer: satz zu den Fig. 15 und 22). In der obigen Erklärung nun befinde ich mich im Gegensatz zu Langerhans, der in seiner eitirten Abhandlung angibt !), dass die markhaltigen Knospen von den Autoren deswegen mit den Kernen verwechselt wurden, weil sie durch die Essigsäure zu kernähnlichen Dingen coagulirt werden. In diesem Falle müsste aber ein Theil der coagulirten Gebilde, wie sie in den Tastkörpern an mit Essigsäure behandelten Hautschnitten hervor- treten, nach der Tinktion derselben mit Anilin, welches bei der an- gewandten Methode sicher nie das Nervenmark tingirt, ungefärbt bleiben, was nie der Fall ist. Hellte ich aber in Alcohol gehärtete und mit Essigsäure behandelte Hautschnitte mit Glycerin auf, so traten allerdings zwar Spuren der markhaltigen Stellen in Form von kurzen, schmalen Streifen neben den Kernen auf, dieselben zeigten jedoch keine grosse Aehnlichkeit mit den letzteren und waren auch ziemlich undeutlich wahrzunehmen. Bei den früheren Untersuchungs- methoden wurden übrigens meistens die Schnitte gleich in der Essig- säure angesehen. Indem nun die, wie erwähnt, allein hervortretenden Kerne häufig die charakteristische Gestalt von Querstreifen hatten und als solche auch noch ähnliche Grössenverhältnisse zeigen konnten, wie die nervösen Querstreifen, welche von Meissner, Wagner und Krause beschrieben worden waren (s. auch Fig. 12) und dieselben ferner in ihrer Vertheilung sich ähnlich verhalten konnten, haben die früher erwähnten Autoren angenommen, dass sie es mit den- selben Gebilden zu thun hätten und haben somit die Querstreifen der Tastkörper als allein zelligen Elementen entsprechend angegeben. Es erklärt sich also die nun schon seit der Entdeckung der Tast- körperchen in der Histologie sich fortspinnende Controverse über die Natur der Querstreifen dieser Organe daraus, dass bei be- stimmten Methoden, welche gewisse Gewebsbestandtheile besonders hervortreten lassen, während sie die anderen unsichtbar machen (Natronlauge im Gegensatz zu Essigsäure), in den Tastkörperchen bald die nervösen bald die zelligen Elemente allein als Querstreifen erscheinen und als solche ferner ähnliche Formen zeigen und in ähnlichen Abständen liegen können. Frägt man nun nach der Natur der Querstreifen bei Tast- körpern, welche mit Reagentien behandelt wurden, die sämmtliche 1) l. ce. pag. 738, Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 381 Gewebsbestandtheile in möglichst gleicher Weise erhalten, wie es z. B. Chromsäure, chromsaures Kali, Alcohol und auch Osmiumsäure thun, so ist klar, dass dieselben nicht von den zelligen Elementen, d. h. den Kernen, bedingt sind, indem sie in ihrer weitaus grössten Zahl nach der Tinktion mit Anilin ungefärbt bleiben (Fig. 15 u. 22, s. auch Fig. 17), und die Kerne ferner auch sehr häufig nicht in der queren Richtung verlängert sich darstellen. Dieselben können also entweder allein von den Nervenfasern oder ausser diesen auch von Fasern des Bindegewebes vorgestellt sein oder müssen andere Ur- sachen haben. Ehe ich nun auf diese Frage näher eingehe, habe ich zuvor noch über die Grundsubstanz der Tastkörper Einiges zu bemerken. Ueber diese geben Meissner und Krause an, dass die Körperchen aus einem feingranulirten Innenkolben, als Träger der Terminalfasern, und einer dünnen, bläschenförmigen Bindegewebs- hülle mit Kernen bestehen. Diesen Angaben sind die späteren Autoren mit geringen Unterschieden der Auffassung gefolgt, eine vollkommen abweichende Ansicht aber vertritt Langerhans!), ın- dem er eine eigene Hülle der Körperchen leugnet und angibt, dass dieselben stets ohne eine solche direkt an das umgebende Binde- gewebe der Papillen grenzen. Ich glaube mich dieser Annahme an- schliessen zu dürfen, indem es mir ebensowenig gelang, von der Egistenz einer abgesetzten Hülle bei den Tastkörperchen mit Be- stimmtheit mich zu überzeugen. An Längschnitten von Tastkörpern nämlich findet sich nie eine Andeutung des Vorhandenseins einer Hülle vor, sondern die Körperehen grenzen unmittelbar an die längs- verlaufenden, von den weiter nach Aussen gelegenen nicht unter- schiedenen Bindegewebszüge der Papillen (s. Fig. 15); an Quer- schnitten ferner zeigt sich ebenfalls meistens keine, auf eine Hülle zu beziehende, differente Beschaffenheit des peripherischen Theils, sondern die mehr gleichartige oder feinkörnige Substanz, welche auf Querschnitten die Körperchen, an Osmiumpräparaten betrachtet, bildet, grenzt ohne Absetzung an das Bindegewebe der Papillen (Fig. 13—20). Manchmal jedoch erschien der Grenzcontour der Tastkörper als eine verschieden feine Linie von abweichendem Aussehen; diese Fälle waren aber nie recht überzeugend und traten gegen diejenigen, in weichen die ganze Substanz der Tastkörper bis zum Rande gleich- 1) 1. ce. pag. 735 u. 736, 332 Ernst Fischer: artig erschien, der Zahl nach sehr zurück. Wegen dieses Vorkomm- nisses aber, das ich aus der Beschaffenheit der hüllenlos gedachten Körper allein nicht erklären kann, bin ich nicht im Stande, mit vollständiger Sicherheit die Nichtexistenz einer abgesetzten Hülle für die Tastkörper zu behaupten, um so mehr, als bei den Körperchen, wo keine abweichende Beschaffenheit der Peripherie sich darbietet, das Vorhandensein einer bläschenförmigen Hülle nicht absolut zu verneinen ist, da eine solche sehr fein und von so geringem Unter- schiede im Lichtbrechungsvermögen sein könnte, dass sie sich der Beobachtung entzieht. Nach den angegebenen Befunden an Längs- und Querschnitten jedoch muss ich es als sehr wahrscheinlich be- zeichnen, dass die Tastkörper keine eigentliche Hülle besitzen. Ueber die Grundsubstanz der Tastkörper gibt Langerhans!) ferner an, dass dieselben ganz und gar aus Zellen mit grossen Kernen und geringem Protoplasma bestehen, zwischen welchen die nervösen Endknospen vertheilt liegen, und dass nie eine Ansammlung fein molekulärer Masse im Innern der Körperchen vorkomme. Diese Angabe von Langerhans kann ich nun nicht bestätigt finden, indem erstens die Querschnitte von Tastkörpern nach Präparaten der Haut, die ich mit Osmiumsäure oder chromsaurem Kali be- handelt hatte, meistens nur wenige Zellen zeigen und ihrer gan- zen Ausdehnung nach entweder nur fein granulirt oder mehr ho- mogen erscheinen (Fig. 18 und 19) oder an denselben in der fein molekulären Masse eine verschieden grosse Zahl von Fasern her- vortreten (Fig. 20). Ein solches fein granulirtes oder gleich- artiges Aussehen beschreiben, allerdings nur von einem inneren Theil von Körperchen, die meisten Autoren, wie Meissner, Wagner, Krause, Kölliker, Rouget und Grandry. Zweitens nehme ich an Längsschnitten der Haut an den Körperchen meistens ein fein-querstreifiges Ansehen wahr, welches nicht allein von den Nerven- fasern bedingt sein kann, indem für diese die Faserung zu dicht ist (s. Fig. 17), sondern welches auf eine Grundsubstanz bezogen werden muss, durch die Zusammensetzung derselben aus Zellen allein jedoch nicht erklärt werden kann. Andere Tastkörperchen zeigten auch am Längsschnitt ein eben solches fein granulirtes An- sehen, wie am Querschnitt (in Fig. 15 die Spitze des Körperchens). Was nun meine Deutung der Grundsubstanz der Tastkörperchen I) 1. c. pag. 735. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 383 anbelangt, so schien mir vor Allem der Umstand von Wichtigkeit zu sein, dass man, namentlich an Tastkörpern, bei denen die zu- tretende Nervenfaser an das untere Ende des Organs tritt, die Scheide der Nervenfaser, wie aus Fig. 21 erhellt, ‘direkt in das Körperchen sich fortsetzen sieht. Da nämlich die Tastkörper keine sicher nach- weisbare Hülle besitzen, scheint mir auch nicht das der Fall sein zu können, dass, wie die meisten Autoren annahmen, die Scheide der Nervenfasern in eine Hülle der Körperchen übergeht, son- dern die ganze Grundsubstanz der Tastkörperchen stellt vielleicht eine Fortsetzung der Scheide der Nervenfasern dar. In Betreff dieser Scheide vermochte ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob sie Fibrillenscheide im Sinne von Axel Key und Retzius!) ist oder nicht; als bindegewebig darf sie aber wie ich glaube, jeden- falls betrachtet werden. Bei den Tastkörpern würde demnach viel- leicht ein ähnliches Verhältniss vorhanden sein, wie bei den Paci- ni’schen Körpern, deren Innenkolben Axel Key und Retzius?) als Fortsetzung der Fibrillenscheide der Nervenfasern beschreiben. Die Substanz dieses Innenkolbens wird von den eben genannten Autoren als feinkörnig oder längsstreifig beschrieben; mit dem ersterwähnten Verhältniss stimmt das Querschnittsbild der Tast- körper vollkommen überein, das Längsschnittsbild aber scheint, ausser in einigen Fällen, nicht damit vereinigt werden zu können, ein Verhalten, auf welches ich später zurückkomme. Ich ver- muthe somit, dass die Grundsubstanz der Tastkörper als Fort- setzung der Bindegewebsscheide der Nervenfasern bindegewebiger Natur ist, nachdem sich die, ausser von Rouget?), auch von Grandry*) gemachte Angabe, dass dieselbe nervös sei, aus einem schon früher erwähnten Grunde als unhaltbar sich herausgestellt hat und ich auch die Beschreibung von Langerhans, dass nur Zellen und Nervenfasern die Körperchen aufbauen, nicht be- stätigt finden konnte. Die Substanz der Tastkörperchen könnte übrigens auch eine mehr selbstständige oder vom Gewebe der Papillen ausgegangene Bildung sein, welche erst später mit der Scheide der Nervenfasern sich in Verbindung gesetzt hat. 1) M. Schultze’s Archiv Bd. IX. pag. 354 ff. 2) 1. c. pag. 368. 3) 1. c. pag. 827 u. 829, 4) 1. c. pag. 396. 384 Ernst Fischer: Ich komme nun auf die oben aufgeworfene Frage über die Natur der Querstreifen der Tastkörperchen bei möglichst indifferent wirkenden Methoden zurück. Diese Querstreifen verlaufen übrigens häufig nicht streng quer, sondern auch schief gerichtet, als feine Linien von einem Rande des Organs zum andern (s. d. Fig. 15, 17 und 22) und stellen sich verschieden dicht gelagert bei den einzelnen Körperchen dar. Am dichtesten und am schärfsten aus- geprägt war diese feine Streifung der Tastkörper im Allgemeinen bei Präparaten der Haut, die ich mit einer Lösung von krystalli- sirter Ueberosmiumsäure in einer 3/,proc. Kochsalzlösung im Ver- hältniss von 1:100 behandelte, da dieselbe mir häufig die Formen, der Gewebsbestandtheile noch besser erhalten hatte, als die Lösung der Säure in Wasser. Eine ähnliche, aber nicht so deutlich ausge- sprochene Streifung zeigten auch manchmal Goldpräparate, welche ich mit verdünntem Ammoniak zum Behufe der Neutralisation der Ameisensäure behandelte (in Fig. 19 die Spitze des Tastkörperchens). Eine ebenso dichte und feine Streifung hat ferner schon Biesia- decky!) beschrieben und abgebildet; auch Thin zeichnet eine ähn- liche in Fig. 5 seiner Abhandlung. Die Querstreifen nun können wie erwähnt, ausser von den Nervenfaserwindungen, welche nach den Goldpräparaten bestimmt einen grossen Theil derselben bedin- gen, auch von Fasern des Bindegewebes vorgestellt sein. Elastische Fasern nun können sie nicht sein, da keine Streifen nach Zusatz von Essigsäure erhalten bleiben; für das Vorhandensein von Binde- gewebsfibrillen scheint der Umstand zu sprechen, dass die Quer- streifen nach Zusatz von Essigsäure verschwinden; da aber die Nervenfasern sicher einen Theil der Streifen bedingen und nach Behandlung der Haut mit Essigsäure ebenfalls unsichtbar werden, kann das erwähnte Verhalten nicht mit Sicherheit auf die Existenz von Bindegewebsfibrillen bezogen werden. Gegen eine solche scheint mir ferner das Fehlen einer Streifung am Querschnitt zu sprechen und gelang es mir auch nicht durch Zerzupfen von Tastkörpern, die mit einer 2proc. Lösung von Kali bichrom. behandelt worden waren, Fibrillen zu isoliren. Nachdem also das Vorkommen von elastischen Fasern ausgeschlossen ist, die Existenz von Bindegewebs- fibrillen ferner sich nicht bestimmt beweisen lässt, andrerseits aber auch die erwähnte Streifung für die Windungen der Nervenfasern 1) Stricker’s Handb, d. Gewebelehre pag. 594. Fig, 199. \ Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 385 - allein zu dicht ist, muss ich, um die Querstreifen der Tastkörper zu erklären, noch andere Möglichkeiten in’s Auge fassen. Von die- sen ist die eine, dass die Streifung der Körperchen ausser von den Nervenfasern von durch Schrumpfung entstandenen Faltungen der Grundsubstanz bedingt sei, die andere, dass die Substanz der Tast- körper, ähnlich, wie Axel Key und Retzius!) vom Innenkolben der Pacini’schen Körper eine feine Längsstreifung beschreiben, eine feine Querstreifung zeigt, entsprechend der transversalen Anordnung der Nervenfasern. Damit wäre auch der Umstand zu vereinen, dass die Tastkörper manchmal quergerichtete Spalten verschiedener Grösse zeigen, wie solche längsgestellte von den letzt- genannten Autoren im Innenkolben der Pacini’schen Körper be- schrieben werden. Das eigenthümliche Verhalten, dass die Tastkörper an Längs- schnitten streifig, an Querschnitten mehr gleichartig oder feinkörnig erscheinen, muss ich unerklärt lassen, indem es mir trotz wieder- holter Versuche nicht gelang, den Grund desselben aufzudecken. Zu bemerken habe ich nur noch, dass die erwähnte Streifung auch an Querschnitten auftritt, wenn der Schnitt in mehr schiefer Rich- tung die Körperchen getroffen hat und ferner, dass dieselbe durch die ganze Dicke der Organe sich hindurchziehen, respective in jeder Tiefe derselben am Längsschnitt aufzutreten scheint und nicht, wie man annehmen könnte, allein auf einen peripherischen Theil der Körperchen beschränkt ist. Die Streifung zeigt sich nämlich bei derselben Fokusstellung, wie die sicher im Innern der Körperchen gelegenen Nervenfasern (Fig. 17) und die Streifen treten beim Wechsel der Einstellung stets dicht auf einander folgend zu Ge- sicht, ausserdem wird ein differentes Verhalten der Peripherie der Körperchen durch das Querschnittsbild in Abrede gestellt. Definitiv aber zu entscheider, ob die Faserung durchgängig, was durch Anlegung von Serien sehr feiner Längsschnitte zu erreichen gewesen wäre, gelang mir nicht, indem ich nicht im Stande war, Tastkörper in mehrere auf einander folgende Schnitte zu zerlegen. Die Frage über die Natur der Querstreifen der Tastkörper lässt sich nach den angeführten Befunden somit nicht mit vollkom- mener Bestimmtheit beantworten und kann ich'nur angeben, dass die Querstreifen ausser von den Windungen der Nervenfasern wahr- 1) 1. c. pag. 369. 386 Ernst Fischer: scheinlich auch von einem streifigen Ansehen der Grundsubstanz bedingt sind. Was die Kerne der Tastkörper anbelangt, welche an Osmium- Präparaten (Fig. 17) auf die Zellsubstanz zu beziehende, schmale, helle Zonen zeigen und somit, wie auch Langerhans!) angibt, von geringem Protoplasma umgeben sind, so wären dieselben, da sie, wie früher erwähnt, mit Nervenfasern nicht sicher in Zusammenhang stehen, vielleicht eher zur Grundsubstanz zu rechnen. Bei der An- nahme, dass diese eine Fortsetzung der Scheide der Nervenfasern vor- stellt, wären die Kerne als zur umgewandelten Bindegewebsscheide gehörig anzusehen und also zu Zellen des Bindegewebes zu rech- nen, wie schon Langerhans?) und Kölliker?) es zuthun rathen. ‘Die Annahme eines bindegewebigen Charakters dieser Zellen darf auch dann gemacht werden, wenn man die Körperchen als mehr unabhängige oder vom Gewebe der Papillen ausgegangene Bildungen betrachten will. Dagegen scheint mir die Angabe von Thin‘) einer Begründung zu entbehren, dass diese Zellen einer Bildung von ela- stischem Gewebe zu Grunde liegen; es hat nämlich Thin den Nach- weis für die Annahme nicht geliefert und konnte auch ich von dem Vorkommen elastischen Gewebes in den Tastkörpern mich nicht überzeugen. Ob aber nicht doch manche der Kerne, wie Rouget?) annimmt, zu den Nervenfasern selbst gehören, darüber kann ich keine Angaben machen. Ueber das Vorkommen einer Schwann’- schen Scheide an den Terminalfasern der Tastkörper, mit welcher Thin die eingetretenen, markhaltigen Fasern versehen annimmt, konnte ich zu keinem sicheren Resultate gelangen und mache nur darauf aufmerksam, dass an Osmium-Präparaten die Langerhans’- schen Knospen manchmal von einem hellen Contour umsäumt sich darstellen, welcher auf eine Schwann’sche Scheide bezogen werden könnte. Zum Schlusse habe ich die Pflicht vor Allem meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Flemming, für das hohe Interesse an meiner Arbeit und die freundliche Unterstützung, die er bei derselben durch Rath und That mir stets zu Theil werden liess, meinen wärmsten Dank 1) 1. ce. pag. 735. 2) l. c. pag. 737. 3) Lehrb. d. Histol. 5. Aufl. pag. 106, 4) l. c. pag. 133. 5) 1. c. pag. 829, Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 387 auszusprechen. Grossen Dank schulde ich ferner Hrn. Prof. Heine und dessen Assistenten, Hern Dr. Weil wegen der Ueberlassung von frischem Material aus der chirurgischen Klinik und Hrn. Prof. Klebs und dessen Assistenten, dem Hrn. Doktor Soyka und dem Hrn. cand. med. Schmid, für die Mittheilung von Material aus dem pathologischen Institut. Prag, im Juli 1875. Während des Druckes vorliegender Arbeit ist in diesem Ar- chiv, Bd. 11. H.4 ein Aufsatz von Merckel »über Tastzellen und Tastkörperchen« erschienen, in dem die Zellen der menschlichen Tastkörper als nervös und als Endapparate der Nervenfasern be- trachtet werden. Ich muss die Möglichkeit dieser Anschauungsweise zugeben, da es mir nicht gelang, die Fragen über die Endigung der Nervenfasern und die Natur der in diesen Organen sich vorfindenden Zellen endgültig zu entscheiden und ich meine Annahmen vielfach sogar nur mit Wahrscheinlichkeitsgründen zu stützen vermochte. Nur darauf möchte ich noch hinweisen, dass ich bei den angestellten Untersuchungen niemals eine Färbung der bewussten Elemente mit Gold und ferner auch nie eine Andeutung des Zusammenhangs der- selben mit Nervenfasern finden konnte. Erklärung der Figuren auf Tafel XVII. (Die Objekte sämmtlicher Figuren sind der Haut der Volarfläche der Finger entnommen.) Fig. 1. Zutritt der Nervenfasern zu einem Tastkörper. Goldpräparat. Hart- nack VII/,. a. verdünnte Stellen der Nervenfasern. b. Verdickungen derselben. c. Zuspitzung der Nervenfaser vor ihrem Eintritt. 388 Fig. 2. Ernst Fischer: Tastkörper mit nicht untereinander zusammenhängenden Nervenfasern. Goldpräparat. Seibert Immers VIj,. Fig. 3. Tastkörper mit deutlichen Windungen der Nervenfasern. Goldprä- Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Kir. 7. Fig. 8. parat, gl. Vergr. a. rundl. Verdickung, zugleich vielleicht Endanschwellung. b. Kolbenförmige Verdickung der Continuität. ce. Kolbenförmige Verdickung und vielleicht Endanschwellung. d. Knospenförmige Verdickung und vielleicht Endanschwellung. Tastkörper mit Windungen. Goldpräparat, gl. Vergr. . Zuspitzung der zutretenden Nervenfaser. . Eintretende, verdünnte Nervenfaser. . Markhaltige Verdickung. . Davon ausgehende verdünnte Nervenfasern. Verschlungene Nervenfaser, gebogene Verdickungen darstellend. Kuglige Verdiekungen. f‘ vielleicht Endanschwellung. . Knospenförmige Verdickungen. g’ vielleicht Endanschwellung. EN mo za = 8 . Langgestreckte, spindelförmige Verdickungen. i, k. Theilungsstellen. 1. Kolbenförmige Verdickung und vielleicht Endanschwellung. Unteres Stück eines Tastkörpers mit Windungen (oberer Theil wegen unregelmässiger Goldniederschläge in der Zeichnung weggelassen), Goldpräparat, gl. Vergr. a. Zuspitzung der zutretenden Faser vor ihrer Theilung. b,c. Zuspitzungen derselben vor dem Eintritt. d. Theilung im Innern des Tastkörpers. e. Knospenförmige Verdickungen und wahrscheinlich Endanschwel- lungen. f. Kolbenförmige Verdickungen. g. Gebogene Verdickung. Untere Hälfte eines Tastkörperchens mit ziemlich dicht gelagerten Windungen. Goldpräparat, gl. Vergr. a. Kuglige Verdickung, dabei eine Theilung der Nervenfaser. b. Knospenförmige Verdickungen. b‘ vielleicht Endanschwellung. c. Kolbenförmige Verdickung. d. Spindelförmige Verdiekung und vielleicht Endanschwellung. Tastkörper mit ziemlich dicht gelagerten und unregelmässig ange- ordneten Windungen. In dem durch die Linie ce d abgetrennten oberen Theil die Windungen schematisch eingezeichnet, da derselbe durch Niederschläge verdeckt war. Goldpräparat, gl. Vergr. a. Theilung im Innern des Tastkörpers. b. gebogene Verdickungen. Querschnitte eines Tastkörperchens. Goldpräparat, gl. Vergr. Fig. Fig. Fig. Fig: Fig. 9. 10. 11% „22, 1, . 14. 15. 16. ol ig. 18. Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 389 Nervenfaserwindungen aus dem Inneren von Tastkörpern, um die Verbindung derselben durch feine Fasern zu zeigen. Goldpräparat. gl. Vergr. a. Rundliche Verdickungen. b. Knospenförmige Verdickungen. c. Spindelförmige Verdickungen. Unteres Stück eines Tastkörperchens, um die Verdickungen der Continuität und deren Verbindung zu demonstriren. Goldpräparat, gl. Vergr. a. Kuglige, b. Knospenförmige, Verdiekungen. c. Kolbenförmige d. Gebogene Verdickung und vielleicht Endanschwellung. Tastkörper in zwei durch eine Furche getrennte Stücke zerfallen, deren Nervenfaserwindungen durch eine zwischen ihnen aufsteigende Nervenfaser in Verbindung gesetzt werden. Goldpräparat. Hart- nack VIIj;. a. Rundliche Verdickung und vielleicht Endanschwellung. Tastkörper mit nervösen und zelligen Querstreifen. Goldpräparat. Anilintinktion. Seibert Immers. VIIj,. Tastkörper mit streifigem Ansehen der Grundsubstanz im oberen Theil. Zugleich keine im Verhältniss zur Zahl der eintretenden Nervenfasern stehende Abgliederung in besondere Theile vorhanden. Goldpräparat, gl. Vergr. Tastkörper mit Windungen der zutretenden Nervenfasern uud ab- getrennten Stücken. In den Abtheilungen a und b, die nur diffuse Niederschläge zeigten, die Fasern, wie sie in anderen vergoldeten Tastkörpern häufig vorkommen, schematisch eingezeichnet. Die Theile f und & des Körperchens werden von einer Faser ce durch die Aeste d und e versorgt. Goldpräparat. Hartnack VIII},. Tastkörperchen mit Querstreifen. Alcoholpräparat. Anilintinktion. Seibert Immers. VII/,. Tastkörper, bei dem die Querstreifen durch Essigsäure-Wirkung verschwunden sind und die Kerne allein hervortreten. Alcohol- präparat. Essigsäure. Hartnack VII/,. Tastkörper mit Querstreifung und Langerhans’schen Knospen- Osmiumsäure-Kochsalzlösung. Seibert Imm. VII/,. Querschnitt eines Tastkörperchens. Osmiumsäure - Kochsalzlösung. Gl. Vergr. a. Myelinkugel. b. Feinkörnige Substanz des Tastkörpers. 390 Fig. Fig. Fig. Fig. Ernst Fischer: Ueber den Bau der Meissner’schen Tastkörperchen. 19. 20. 21. 22. ce. Querschnitt der Bindegewebsbündel der Papille. d. Grenze des Rete Malpighii. Querschnitt eines Tastkörpers. Osmiumsäure-Kochsalzlösung. Hart- nack VIII),.. Querschnitt eines Tastkörpers mit einigen Fasern im Inneren. Os- miumsäure-Kochsalzlösung. Seibert Immers. VII/,. Tastkörperchen, sich als Fortsetzung der Scheide der Nerven- fasern darstellend. Essigsäure. Osmiumsäure. Anilintinktion. Sei- bert Immers. VII/,.' Tastkörperchen mit Windungen der ganzen Substanz. Die Win- dung, welche die beiden getrennt gezeichneten Stücke verbindet, durch Punktirung angedeutet. Alcoholpräparat. Anilintinktion. Hartnack Kl. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. Von Dr. W. Flemming, a. 0. Professor und Prosector. (Aus dem histiologischen Institut der Anatomie in Prag.) Hierzu Tafel XVII. I. Vom Bau des lockeren Interstitialgewebes }). Beschäftigt mit allmähligem Sammeln von Beobachtungen über Fettgewebe in normalem und atrophischem Zustand, fand ich es nicht nur bequem an der Hand liegend, sondern bei der Untrenn- barkeit beider Gewebeformen auch nothwendig, mein Augenmerk zugleich auf das Gefüge des Bindegewebes, besonders des lockeren 1) Man wird wohl in Zukunft dazu gelangen, den Namen Bindegewebe mindestens für diejenigen Theile der Formation, wo er absolut keinen Sinn hat, aufzugeben und durch Interstitiaigewebe zu ersetzen; so vor Allem für die lockeren Massen des subcutanen, intermuscularen und überhaupt inter- organalen Gewebes, bei denen bei ihrer grossen Weichheit und Dehnbarkeit von einer verbindenden Function nicht wohl die Rede sein kann. Will man sie vom physiologischen Gesichtspunkt benennen, so würde ihre Eigenschaft als Träger der Blutgefässe und der Safteirculation und als Stätten des Fett- ansatzes und Umsatzes den Vorrang verdienen; anatomisch sind sie eben aus- füllende Massen. Fängt ja doch auch die neuere Entwicklungsgeschichte (Götte) an, die Anlage des gesammten Bindegewebes »interstitielles Bildungs- gewebe« zu nennen. — Ich habe aber nicht für nöthig gehalten, mich von der Bezeichnung Bindegewebe hier schon ganz zu emancipiren. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Ba. 12. 26 392 W. Flemming: gerichtet zu halten und so auch Material für die jetzt so stark dis- eutirte Frage nach dessen Structur zu suchen. Obwohl die Resul- tate sich im Ganzen recht wohl dem anpassen, was ich vorläufig am anderen Orte (7) als meine Anschauung aussprach, so kann ich doch jetzt einige wesentlich damals gelassene Lücken füllen, habe ausserdem präciser zu schildern und vor Allem auch die Befunde. mit der reichhaltigen Literatur über die Histiologie des Bindegewebes in Beziehung zu setzen, welche in den letzten Jahren angewachsen ist. Wenn man nach Zahl und Umfang der vielen Arbeiten, welche der seit Ranvier datirenden neuen Aera der Bindegewebshistiologie angehören, glauben möchte, dass wir in der letzteren nahezu bis zu einem befriedigenden Verständniss vorgedrungen sind, so zeigt sich statt dessen, dass das Wort »Bindegewebsfrage« jetzt häufiger sich hervordrängt, als zu der vergangenen Zeit, in der von einer solchen weit eher die Rede sein konnte. Dass noch fortwährend Fragen bezüglich der Structur des Bindegewebes bestehen, ist unverkennbar; aber ich komme nicht über den Eindruck hinweg, dass eine Anzahl der neueren Arbeiten sich weniger bestrebt, das Uebereinstimmende in den Befunden, als die Abweichungen in derselben hervorzuheben, Abweichungen, die noch dazu theilweise mehr in den Klang der ge- wählten Namen, als in dem Wesen der Sache beruhen. Ueber die hie und da ja schon früher beschriebenen, abge- platteten Formen der fixen zelligen Elemente im Bindegewebe ist man seit Ranvier’s Arbeiten im ganzen einig geworden, — wenn ich für jetzt absehe von den feinern Formceomplicationen dieser Zellenplatten, die neuerdings von Grünhagen (9), Waldeyer (11), und jetzt‘ auch von Ranvier (14) beschrieben wurden, und von den Angaben Klein’s (10) und Thin’s (13), die neben den abge- platteten noch verästelte Elemente fanden. — Vor allem hat die Discussion sich letzthin gedreht um die Anordnung der platten Zellen im Verhältniss zu den übrigen Gewebstheilen. Ranvier hatte, wenn schon nur auf Wahrscheinlichkeit hin, eine belagartige Fixirung der Zellen an den Bündeln des lockeren Bindegewebes durchweg angenommen und damit, sachlich wie aus- drücklich, den Grund zu der Anschauung gelegt, welche die Spalt- räume des Gewebes als gleichbedeutend mit den Wurzeln der Lymph- wege, und die platten Zellen als gleichwerthig mit einem Endothel jener Saftspalten auffasst. Ueber die Frage nach Continuität oder Discontiunität der Zellenbeläge auf den Bündeln hat R. sich nicht Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 393 verbreitet; es scheint mir, dass er die erstere als selbstverständlich angenommen hat. Eins aber hat Ranvier, auch in seinen sämmt- lichen späteren Arbeiten, unberücksichtigt gelassen: dass ausser den Zellen und Fibrillen, wie man sie durch Oedem isolirt und durch Tinetion in situ darstellen kann, noch anderweitige Substanz vor- handen ist. Er beschreibt das lockere Bindegewebe ausdrücklich als nur zusammengesetzt aus jenen zwei Bestandtheilen, und erklärt desshalb die Namen tissu lamineux, tissu cribleux für falsch (1. ec. 1). Bei meinen ersten Untersuchungen über das Fettgewebe fand ich mich in der Lage, den Angaben Ranvier’s über die zelligen Elemente beizutreten (3); allerdings habe ich mich damals auch durch die Bilder, welche Oedempräparate gewähren können, ver- leiten lassen, den fixen Zellen zum Theil eine grössere locale Selbst- ständigkeit, und längere freilaufende Ausläufer zuzuschreiben, als es der Natur entspricht, — ein später erkannter Irrthum, der in einer kurzgefassten Beschreibung an anderem Orte (7) seitdem richtig gestellt wurde. — Von Anfang an aber befand ich mich im Gegensatz zu R. in dem Punct, dass ich eine Substanz im Binde- gewebe constatiren musste, welche auch an Oedempräparaten sich nach aussen den Fibrillen und den »Zellplatten« darstellt, welche mit dem zusammen zu fallen schien, was Kühne (Protoplasma und Contractilität) als Grundsubstanz verzeichnet hat, und welche ich an jenem Orte kurz als »Kittsubstanz« aufführte!). Ich habe aber schon am ersten Orte Bilder mitgetheilt (3, Taf. L.), an denen die Substanz der Zellen mit dieser Substanz wie in Continuität sich ergab; und mit Rücksicht auf die Histiogenese, nach welcher Zellen, Fibrillen und Kittsubstanz wohl entschieden als ein genetisch Zu- sammengehöriges aufgefasst werden müssen, mir die a. a. O. mit- getheilte Anschauung über den Bau des Gewebes gebildet, wonach den Fibrillenbündeln, die mit Kittsubstanz in ungleichmässiger, oft minimaler Vertheilung umgeben (und vermuthlich zugleich durchsetzt) sind, die Ranvier’schen Zellen als besonders differenzirte kernhal- tige Lamellen auflagern. Für eine Continuität dieser Beläge hatte ich damals keine Anhaltspunkte und habe deswegen, nach der wech- selnden Vertheilung der Kerne urtheilend, die Anordnung der Zell- platten an den Bündeln eine ungleichmässige genannt. 1) Boll (5) wollte diese Massen darauf lediglich als »Gerinnsel aus der Gewebsflüssigkeit« interpretiren. 394 W. Flemming: Die nächsten Arbeiten, die in die Histiologie des Bindegewebes eingriffen, zeigen sich vor Allem darauf gerichtet, eine continuir- liche zellige Bedeckung der Fibrillenbündel nachzuweisen, und zwar in der Form einer Einfügung der ersteren in zusammenhängende oder cribrirte, endotheliale Membranen. Wegzeigend für diese Rich- tung war es wohl, dass die Untersucher von Objecten ausgingen, bei denen dieser Typus sehr ausgesprochen vorliegt: dem Grenz- gewebe wahrer grösserer Lymphräume. Schon früher hatten Schwal- be’s (2) Arbeiten gezeigt, dass Wände und Balken des Perichorioideal- raums mit zusammenhängenden Zellenhäutchen bedeckt sind, dass ähnliche, die Fibrillen einschliessende Membranen das Gewebe der Suprachorioiden ausmachen und dass die Balken der Sehnerven- Iymphräume, des Fontana ’schen Raumes einen entsprechenden flachzelligen Beleg tragen; ohne dass übrigens der Verfasser daran schon allgemeine Schlüsse über den Bau des Bindegewebes im Ganzen knüpfte. Dann haben Axel Key und Retzius (8), deren Aus- gangspunkt die an typischen Membranbildungen reichen Hüll- und Stützgewebe der Centralorgane und der Nerven bildeten, es unter- nommen, das Schema eines membranösen Baues auch in das übrige lockere Bindegewebe des Körpers hineinzutragen; wenn auch vor- läufig!) nur in Form einer Anmerkung, deren Wortlaut es nicht direct ausspricht, aber doch nicht zweifelhaft lässt?), dass die Verff. dem Bindegewebe durchweg eine solche Structur zuschreiben wollen. Für das Folgende will ich hier bemerken, dass die Verfasser einer Zwischensubstanz, welche ausser den membranösen Zellenbelegen und den Fibrillen noch vorhanden sein könnte, nicht Erwähnung thun; sie sprechen nur von »Häutchen oder Zellenhäutchen«, welche aus 1) Da die grössere Arbeit von Key und Retzius, in welcher dieselben Näheres auch über das subeutane Bindegewebe mitzutheilen versprechen, meines Wissens bisher nicht erschienen ist, so habe ich mich hier an das zu halten, was die Verff. in der Anmerkung p. 359 l. ce. aussprechen. 2) Denn da die Verff. a. a. O. alles dasjenige, was Ranvier und ich aus dem lockern Subcutangewebe durch Oedem als »Zellenplatten« isolirt haben, ohne Weiteres als »fast unerkennbare Zellenhäutchenreste« reclamiren, so müssen sie — wenn man vollends ihre eigenen 3 Figuren aus dem locke- ren Bindegewebe hinzu nimmt, wohl der Meinung sein, dass auch an diesem Orte überall zusammenhängende flächenhatte Membranen vorkommen; ob- wohl sie wörtlich nur von einer sehr grossen Verbreitung solcher »Häutchen« reden. ” Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 395 platten »Häutchenzellen« gebaut seien und die elastischen Fasernetze und die Bindegewebsbündel je zwei zwischeneinander einschliessen. Zugleich erwähne ich schon hier, dass K. und R. eine Zusammen- setzung ihrer Häutchen aus individuell abgeschiedenen, durch Silber abgrenzbaren Zellplatten für einige ihrer Objecte (z. B. Arachnoiden, Nervenscheiden, wo sie ja unbestreitbar ist) beschreiben, die Frage aber, ob ein solches Verhalten allen Zellenhäutchen im Bindegewebe zu- komme, soviel ich finde überhaupt nicht aufwerfen. Mehrere inzwischen erschienene Arbeiten aus Schwalbe’s Schule, so die Untersuchungen v. Mihalkovics’ und Michel’s, waren für den hier besprochenen Gegenstand insofern von Bedeu- tung, als sie in verschiedenen darauf noch nicht untersuchten Binde- gewebsformationen (Interstitialgewebe des Hodens, Sklera) abge- plattete Formen der fixen Zellen und (v. Mihalkovics am Hoden) Anordnung derselben zu Membranen nachwiesen. Ein näheres Ein- gehen auf ihren Inhalt unterlasse ich an diesem Ort, da sie sich speciell an die betreffenden Objeete halten oder doch keine That- sachen verzeichnen, auf welche sichere Schlüsse über die Structur des übrigen Bindegewebes zu basiren wären. Während A. Key und Retzius ihre Ansicht über die Structur des gesammten Interstitialgewebes, wie gesagt, nur anmerkungsweise und mit nicht zu verkennender Vorsicht vorgetragen haben, verfolgt eine letzthin erschienene Abhandlung Löwe’s (12) ausgesprochener- maassen den »Zweck, die von K. und R. über das Perineurium ge- wonnenen Anschauungen auf das Bindegewebe einiger anderer Or- gane!) auszudehnen«, und verschärft die Abweichungen der schwe- dischen Histiologen gegenüber den früheren Forschern zu einem Gegensatz, indem sie vielfach mit Worten wie »Häutchenprincip«, »Deckmembranen des lockeren Bindegewebes« operirt und indem die Anschauung des Verfassers sich sogar in dem Satze concentrirt: »Der Typus des Bindegewebes sei nicht durch die Faser, sondern durch die Membran repräsentirt«. Auf diesen Satz und die Art, wie L. ihn zu begründen versucht hat, komme ich weiter unten zurück. 1) Dieser Wortlaut besagt jedoch zu wenig; denn mit dem oben citirten Satze wird jene Anschauung wohl vielmehr auf das gesammte Bindegewebe, ja sogar noch auf das :adenoide G., das Löwe zum Bindegewebe rechnet, ausgedehnt, 396 W. Flemming: Jedenfalls lässt sich also sagen, dass die Verfasser der letz- genannten Arbeiten bestrebt sind, den Begriffi und Namen »tissu lamineux« gegenüber Ranvier’s Verwerfung wieder zu einigen Ehren zu bringen. Und darin ist gewiss, wie mir scheint, ein wesent- licher Fortschritt in der Bindegewebshistiologie zu begrüssen, wenn schon hier, wie so oft, der Schritt weiter gesetzt sein dürfte, wie der sichere Grund dafür reicht. — Ich selbst hatte Anlass, die Mittheilungen von Key und Retzius über den Bau des lockeren Bindegewebes mit besonderem Interesse aufzufassen, weil ja eine Erfahrung in ihnen bestätigt, freilich auch erheblich erweitert und modificirt erschien, die ich selbst Ranvier gegenüber bereits hatte hervorheben müssen: das Vorkommen nämlich von Substanztheilen, welche noch ausser den durch Oedem isolirbaren kernhaltigen Platten und den Bindegewebsbündeln vorhanden, als ein Bindeglied zwischen beiden erschienen, und vielfach sich sogar in Continuität mit den Zellplatten darstellten; Theilen, die ich kurzweg als Kitt- substanz bezeichnet hatte. So verlockend aber die Annahme schien, dass diese Dinge durchweg mit Bruchstücken der Zellenhäutchen von K. und R. identisch sein und dass demnach ein laminöser Bau jedem Bindegewebe zukomme, so konnte ich doch die Angaben der schwedischen Forscher, soweit sie das Interstitialgewebe betrafen, nicht mit unbedingtem Glauben aufnehmen. Denn zunächst bezogen sie sich — mit Ausnahme der einen Figur, die ein Bild aus frischem Öedem zeigt, — auf Osmium-Anilinpräparate. Ich habe seit langem viel mit dieser Combination gearbeitet und dabei die wohl auch Andern bekannte Erfahrung gemacht, dass man nicht alles, was sie darstellt, für gegebene Structur halten darf. Bekanntlich be- wirkt die Osmiumsäure, wie auch andere Härtungsmittel, Gerin- nungen der eiweisshaltigen Körperfluida, des Blutserums und der Lymphe !) und die Gerinnsel tingiren sich nachher gerade in Anilin- farben recht intensiv. Auch ohne vorherige Osmiumbehandlung kann man derartige Gerinnsel schon durch die Lösungen der letz- teren Farbstoffe erhalten, am stärksten natürlich durch spirituöse, aber auch schon durch wässerige Anilinlösung. Ich würde niemals 1) Wovon man sich z. B. an Gefässen unverbluteter Thiere, oder be- sonders schön an Embryen überzeugen kann: die Parietalhöhle und die Ge- fässe der letzteren sind nach Osmiumbehandlung fast immer mit Gerinnsel- massen gefüllt, die sich auch tingiren. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 397 die Verantwortung dafür übernehmen, dass membranartige Dinge, wie sie mir solche Behandlung am lockeren Bindegewebe zeigt, auch wirklich Membranen und nicht Gerinnsel sind. Man kann Bilder des Interstitialgewebes, wie sie von Key und Retzius als Typen eines Häutchenbaues beschrieben sind, auch an gewöhnlichen Spirituspräparaten durch Anılin- oder Häma- toxylinfärbung zur Ansicht bringen. Es empfiehlt sich dazu, unter Andern, das Bindegewebe der Darmsubmucosa, der Falten an den Beckeneingeweiden, auch das intermusculäre. Ein etwas dicker tin- girter Schnitt zeigt darin vielfach schwammartig zusammenhängende Systeme von kernhaltigen zarten Lamellen, in welche die Fibrillen gebettet liegen. Vom Subeutangewebe lassen sich Präparate, die Aehnliches zeigen, ebenfalls ohne Osmiumanwendung, durch Härtung in Kali bichrom. und Färbung mit Hämatoxylin gewinnen. Ich schneide dazu aus dem frischgetödteten Thier mit einem scharfen Messer — um jede unnatürliche Zerrung vor der Härtung zu vermeiden — ein Stück Haut nebst unterliegendem Subcutangewebe und Muskel heraus und bringe es sofort auf etwa acht Tage in eine starke Lösung des Chromsalzes. Dann wird nach der Auswässerung des Stückes mit einer scharfen Hohlscheere die Haut, oder noch besser der Muskel abgetragen, bis man an das Interstitialgewebe gelangt, dann ebenso feine Lamellen dem Letztern entnommen und in Häma- toxylin gefärbt. Man überzeugt sich sehr leicht bei der Manipulation dieser Schnittchen unter dem Mikroskop, dass das Gewebe hiermit eine hinreichende Härtung erfahren hat, um das Herausschneiden und selbst leichtes Ausbreiten mindestens streckenweise ohne Zer- reissung zu ertragen. — In solchen Präparaten finden sich nun genug Stellen von solcher Dünne, dass sich gut controliren lässt, was neben und zwischen den Fibrillenbündeln noch da ist, und mit einer An- ordnung und Verzweigung der Letzteren, welche andeutet, dass der Situs im Wesentlichen erhalten ist. Und an solchen Stellen zeigt sich nun meistens nirgends eine Lücke, selten einmal (wie in Fig. 4 dargestellt) kleinere Löcher von niemals scharfer Begrenzung, meist auch noch von unregelmässig geformten rauhen Bälkchen durchzogen, Lücken die man versucht ist, schon auf kleine Zerrei- sungen zu beziehen. Der übrige Raum aber zwischen den Fibrillen- bündeln und, wo solche vorhanden sind, elastischen Fasern, ist überall ausgefüllt mit einer sehr fein granulirten, sehr schwach tingirten, 398 W. Flemming: und mit dunklen Hämatoxylinniederschlägen (in der Fig. schwarz gez.) durchsetzten Masse, welche in Continuität mit den Kernen und der diesen meist adnexen, stärker gefärbten und gleichmässig körnigen Zellsubstanz fortläuft. Sind diese ganzen Massen nun aber natürliche Membranen? Wenn Boll — der sogar die viel blassere, von Kühne und von mir am frischen Gewebe beschriebene Zwischensubstanz für Niederschläge aus der Gewebeflüssigkeit erklärt hat (5) — oder wenn irgend ein Anderer diesen Ergebnissen der Osmium-, Alkohol- oder Chromkalibehandlung eine gleiche Deutung seuen wollte, was würde man ihm einwenden können ? Es bleibt nun freilich das eine Präparat vonKey und Retzius, das einem frischen Oedem entnommen ist; ferner das Präparat aus dem Intermusculargewebe des Frosches, das Löwe’s Fig. IX. ce. wiedergiebt: beide stellen unzweifelhafte Häutchen vor. — Aber, dass feinere Fascien einen solchen membranösen Bau haben, dass ferner von solchen noch feinere Blätter in die Massen des Inter- stitialgewebes hier oder dort hineinreichen können, und dass man also auch am frischen Gewebe auf solche Bilder zu treffen vermag, bezweifle ich gar nicht. Die Frage, ob das ganze Gewebe oder auch nur seine Hauptmasse aus solchen Blättehen gebaut ist, wird durch diese einzelnen Präparate nicht beantwortet, der »Typus des Gewebes« durch ihre Demonstration nicht demonstrirt. Noch weniger können für die Entscheidung über den feineren Bau des Interstitialgewebes Untersuchungen entschieden laminös ge- bauter Theile, wie der Arachnoides und des Nervenbindegewebes, noch können dafür Arbeiten an den fest gefügten Bindegewebs- formen, wie den Sehnen, direct maassgebend sein: alle Analogien sind bei einer so formenreichen Gewebsgruppe unsicher, man muss die fragliche Structur an dem Object selbst aufsuchen wo man sie beurtheilen will. Dass dies beim lockeren Bindegewebe Schwierigkeiten hat und dass Zupf- und Ausbreitungspräparate nichts Sicheres darüber lehren können, ist bekannt. — Um das Gewebe am Präparat möglichst in situ zu erhalten, habe ich, neben der eben schon besprochenen Härtung in Alkohol und Chromkali, es mit dem als besonders un- schuldig beleumdeten Reagens, der Osmiumsäure versucht. Frisch gefrorne Theile des eben getödteten Thieres, welche Haut, Muskeln und Subeutangewebe enthielten, wurden mit kaltem Messer nahezu ‘ Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 399 der Hautfläche parallel so geschnitten, dass eine mögliest breite Platte von Subcutangewebe in das Präparat fiel, mit Osmiumsäure auf dem Messer behandelt und heruntergewaschen und auf dem Objectglas mit Rosanilin oder Pikrocarmin gefärbt. Aber wenn es auch so gelingt, auf erhebliche Strecken das im Osmium erstarrte Gewebe unzerrissen und in ziemlich dünner Schicht vor Augen zu bekommen, so bleibt dasselbe Hinderniss, das ich wenige Seiten zuvor besprach: es erscheinen zwar blassgefärbte Massen, welche die Fi- brillenbündel einbetten und in die Zellen überzugehen scheinen, aber es lässt sich nicht entscheiden, ob sie präformirte Lamellen oder ob sie Gerinnsel sind. Wenn daher auch meine vielen so gefertigten Präparate einige Stellen aufzuweisen hatten, in die sich ein solcher Bau recht gut hineindenken liesse, so finde ich sie doch nicht be- weiskräftig und habe deshalb ihre Abbildung erspart. Weiter richtete ich meine Hoffnung besonders auf die Möglich- keit, durch künstliche Füllung der Bindegewebsspalten mit farbloser Leimmasse dieselben etwas ausgeweitet, aber ohne Zerreissung wenig- stens streckenweise darstellen und dann durch Tinction den Bau ihrer Wände studiren zu können. Nachdem die Arbeiten Lud- wig’sund Schweigger-Seidel’st), sowie Genersich’s?) an den Sehnen und Fascien gezeigt hatten, dass der von Ranvier so glücklich hingeworfene Gedanke an eine Continuität der Bindege- websiacune mit dem Lymphgefässsystem mehr als eine Hypothese ist, liess sich wenigstens daran denken, dass auch im lockeren Ge- webe eine Injection der Spalträume und vielleicht eine Verfolgung ihres Zusammenhanges mit Lymphgefässen auf diesem Wege thunlich sein möchte. — Es ging mir hiermit wie es oft geht: die zielmässige consequente Arbeit liess im Stich, und die wenigen aufzuweisenden Resultate verdanke ich dem Zufall. — Ich suchte zunächst durch Einstich in die Cutis urd Einspritzung unter schwachem Druck von den Haut-Lymphgefässnetzen aus dem subcutanen |Gewebe beizu- kommen, ferner in die eben sichtbaren Lymphröhren neben den subeutanen Blutgefässstämmchen einzustechen : stets vergeblich, denn entweder blieb die Füllung partiell und betraf nur die Lymphgefässe; oder wo sich die Masse ausbreitete, geschah es dann in Form der 1) Ludwig undSchweigger-Seidel, die Lymphgefässe der Fascien und Sehnen. 1872. 2) Genersich, Arbeiten des Leipz. physiol. Instituts. 1871. 400 W. Flemming: ‘ bekannten Ranvier’schen Tumoren, in denen, wie das Mikroskop zeigte, eine Ueberdehnung’und Zerreissung des Gewebes stattgefunden hatte. — Ich versuchte dann zunächst die künstlichen Oedeme, die mir nebenbei zur Untersuchung des Fettgewebes zu dienen fort- fuhren, in schonenderer und gleichmässigerer Weise anzulegen, um womöglich eine Zerreissung ganz zu vermeiden; ich setzte dazu an die Stelle des partiellen Einstichoedems ein totales von den Blut- gefässen aus, ein Verfahren, wie es im Grossen Henke benutzt hat um die Ausbreitung des Bindegewebes topographisch zu studiren. Bei eonstantem Druck von 10—20 Cm. Quecksilber (oder ohne an- dere Resultate auch stärkerem) wurde in die Carotis oder Jugularis externa eines eben durch Verblutung gedödteten Thiers verdünnte Gelatinelösung, mit oder ohne Silberzusatz, 6—12 Stunden lang im Wärmekasten eingetrieben. Die Oedeme fallen so äusserst schön und gleichmässig aus, die nachfolgenden Tinctionen (Pikrocarmin) der Schnitte, welche vom auf Eis gekühlten Stück entnommen wer- den, gerathen nach Anwendung von silberversetztem Leim besonders prächtig und intensiv, und für die Beobachtung der isolirten Elemente des Fettgewebes, der Blutgefässe, auch der quergestreiften Muskeln lassen sich kaum bessere Präparate denken wie die so erhaltenen. Aber für den hier verfolgten Zweck gab auch dies Verfahren keinen Ausschlag. Je grösser an einer Stelle die Masse lockeren Inter- stitialgewebes, desto stärker wird auch bei solcher schonenden Oedem- bildung die Dilatation; und man bekommt so doch nur ähnliche Bilder gestörten Zusammenhanges, wie von einem Ranvier’schen Leimtumor. Aber selbst wo die oedematöse Ausdehnung sehr gering- fügig ist, findet man mit Sicherheit keine anderen Bilder. Die Fig. 6 zeigt in natürlicher Grösse den Querschnitt eines Meer- schweinchenmuskels, durch Gefässinjection mit Leim oedematös ge- macht, an welchem die adunkeln Striche naturgetreu die Vertheilung und Masse des leimdurchtränkten Intermusculärgewebes angeben: man sieht, es ist ein so geringfügiges Oedem, dass man wohl glauben sollte, es möchte ein solches, wenn intra vitam zu Stande gekommen, ohne Zerreissung und, bleibende Störung des Gewebes überstanden werden. Dennoch zeigt ein tingirter Längsschnitt durch den gefrornen Muskel (vgl. Fig. 7) in der Leimmasse zwischen den Muskelfasern die Zellplatten und Fibrillenbündel des Interstitialgewebes grossentheils von einander, wie von den Capillargefässen und Muskelfasern isolirt, nur mit Ausläufern hier und da zusammenhängend, die Zellplatten Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 401 oft mit scharfgeschnittenen Rändern — jedenfalls keinen Ausdruck von zusammenhängenden Membranen. Dies an Schnitten, welche nur eine Lage Muskelfasern enthielten, und in welchen dieselben sogar noch weniger weit, wie an der gezeichneten Stelle (Fig. 7), von einander isolirt waren. Wenn auch hier nur »Membranen« vor- handen gewesen sind, so sind sie entweder so zart, dass schon der Leim sie unsichtbar macht, oder es muss schon dieses leichte Oedem zu ihrer Zerreissung genügt haben. Die vergebliche Arbeit in den erwähnten Richtungen habe ich nur verzeichnet, um vielleicht künftige Bemühungen dieser Art zu ersparen; doch mögen Andere auch auf solchen Wegen mehr Glück finden. — Die bisher noch spärlichen Fälle, in denen es mir gelang, Theile des lockeren Bindegewebes in sicher unzerrissener Form durch Injection auseinanderzupräpariren, wurden durch Ranvier’sche Einstichinjectionen !) absichtslos und zufällig erzielt. Sie betrafen 1) Die Technik des Verfahrens habe ich im Wesentlichen ebenso be- lassen, wie ich sie früher (6, am Schluss) beschrieb; auf eine genauere Con- centration der Leimmischung und auf die Stärke des Silberzusatzes (welcher, wie ausdrücklich zu bemerken, nur den Zweck hat die nachfolgende Pikro- carmintinction zu erleichtern) kommt es nicht sehr an; Glycerinzusatz habe ich jetzt meistens vermieden, um die zarten Gewebstheile schärfer hervortreten zu lassen, und ebendeshalb meist in Wasser statt in Glycerin eingeschlossen, was sorgfältiges Einkitten nötbig macht; auch solche Präparate sind dann oft Jahre lang haltbar. Für die Erzielung der hier beschriebenen Präparate, wie überhaupt für eine übersichtliche Darstellung grosser Partien von Gefässverzweigungen aus den Leimtumoren, ist es am Besten einen recht geringen Leimzusatz zur Injectionsmasse zu nehmen und die ziemlich dicken, dem Tumor entnommenen und gefärbten Schnitte, welche die Gefässnetze enthalten, nach sorgfältiger Waschung mehrere Tage bei Sommertemperatur oder im geheizten Zimmer in Aq. destillata am Licht (um das Silber zu reduciren) stehen zu lassen. Der Leim wird dann so weich, dass er beim Aufdrücken des Deckglases auf den Schnitt aus diesem ausweicht, wo sich ein Ausweg bietet, und so kann man auch diekere Stückchen, welche ganze zusammenhängende Gefässbäumchen enthalten, etwas flachgedrückt für Hartn. 7 oder 8 untersuchbar machen, ohne dass immer Zerreissung der Capillaren oder der leimgefüllten Bindegewebs- lacunen erfolgt. Ob Letzteres der Fall ist — manchmal geschieht es natürlich bei zu starkem Anquetschen — kann man direct controliren, wenn man das Aufdrücken des Deckglases bei gleichzeitiger Beobachtung mit Hartn. 4 oder ‚5 vornimmt. ; Wo es nur auf Beobachtung der Blutgefässe, Lymphgefässe und Nerven, 402 W. Flemming: stets die Partien des lockeren, gegenüber dem gefässlosen aber etwas dichteren kern- und fibrillenreicheren Gewebes, das die schräg zur Haut ziehenden Gefäss- und Nervenstämme umgiebt; welche ersteren, wie im nächsten Abschnitt dieser Beiträge zu besprechen sein wird, theils direct sich in die Fettläppchen verzweigen, theils ohne stärkere Capillarverästelung, bald fettlos, bald von einzelnen Fettzellenreihen begleitet sind (Fettstränge, s. ebendort); und in wenigen Fällen dehnte sich das Bild des injieirten Gewebes, das ich jetzt zu be- schreiben habe, auch noch in die Fettläppchen hinein aus. Am schönsten gelangen diese Präparate bei einem durch lange Carenz (2 Monate) sehr atrophischen Kaninchen, minder gut bei fettreicheren Thieren. Uebrigens habe ich Grund zu glauben, dass die Erfolge dieser Art viel zahlreicher ausgefallen wären, wenn ich nicht bisher meistens der Zeitersparniss wegen die Schnitte nach der Tinction und Waschung sofort in Essigsäurewasser geworfen hätte: die An- säuerung verwischt das Bild der Lacune bis fast zur Unkenntlichkeit. Dass die unzerrissen-injieirten Stellen gerade in der Umgebung der Gefässe liegen, erscheint leicht verständlich: es werden diese dem zwischeneingeflochtenen Bindegewebsfachwerk eher den nöthigen Halt bieten, um dem Injectionsdruck zu widerstehen. Doch auf die Frage, warum man solche Resultate denn nicht öfter erhält, weiss ich zunächst nur die Antwort, dass es wahrscheinlich auch auf den Ort, den die Canülenspitze gerade erreicht hat, und auf die Stärke des dann wirkenden Druckes dafür ankommen wird, ob die Masse streckenweise in die natürlichen Wege der Gewebeflüssigkeit läuft, oder sich künstliche bahnt. Die gelungenen Präparate wurden stets bei solchen Injectionen erzielt, wo die Canülenlanze vom Subcutan- gewebe aus bis in die Cutis vorgeschoben, und ihr Ort mehrfach geändert wurde; das geschah häufig bei Anlage dieser Oedeme, um zugleich eine Füllung der von den Hautnetzen nach einwärts laufen- den grösseren Lymphröhren zu bekommen, welche dabei sehr oft erfolgt. Diese Lymphröhren (für Näheres darüber verweise ich auf den nachfolgenden 3. Abschnitt) scheinen mit dem subeutanen Ge- webe selbst absolut nicht in Verbindung zu stehen; ihre Communi- sowie isolirter Bindegewebs- und Fettzellen ankommt, sind die Schnitte am Besten gleich in angesäuertem Wasser (etwa 2 pCt. Essigsäure) hinzustellen; für das Studium des in situ erhaltenen Bindegewebes ist jeder Säurezusatz zu vermeiden. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 403 cation kann ich bis jetzt nur suchen einmal nach den Cutisnetzen zu — von denen aus sie offenbar bei dieser Art des Einstichs ge- füllt werden — andererseits nach der Tiefe in den Muskelfascien und (bei Thieren) Subeutanmuskeln, welche eigene Lymphgefässnetze besitzen, die auch auf diesem Wege füllbar sind. Ich stelle mir die Ursache der fraglichen Injectionserfolge hiernach so vor, dass die Canüle sich in der Cutis gerade kurze Zeit an der Stelle des Haut- lymphgefässnetzes befunden haben muss, deren Wurzelgebiet in dem Bindegewebe um die betreffenden Blutgefässverzweigungen her liegt, und dass die Canüle zeitig genug von jenem Ort entfernt wurde, um nicht durch längere Eintreibung die Ausdehnung der Lacune in eine Sprengung zu verwandeln. Ich gehe zur Beschreibung der Präparate über. — Während man an den Stellen, wo das Oedem unzweifelhaft Zerreissungen be- dingt hat, nur durcheinandergespannte, freie oder mit halbabgeris- senen Zellen bedeckte Fibrillenbündel und lose Zellplatten, also das von Ranvier und mir beschriebene Verhalten findet, ist das Bild solcher in natürlichem Situs injieirten Stellen ein durchaus anderes und eigenthümliches (Fig. 1)!). Auf den ersten Anblick mancher Stellen, namentlich dicht um die Adventitia grösserer Gefässe, könnte man an eine wahre Lymphscheide der letzteren denken. Solche sind ja in neuerer Zeit für viele Orte constatirt worden (Morano, Klein, Riedel u. A.), wo man sie noch nicht kannte; daran könnte sich ja auch das Subcutangewebe reihen. Aber ich muss das hier beschriebene Bild von vorn herein dagegen verwahren, dass man es in einem solchen Sinn auffasst: obschon ich, wie das Folgende zeigen kann, gewiss geneigt bin, die hier vorliegenden Räume für einen Theil der Lymphbahn zu halten. Die wahren Lymphscheiden, welche die neueren Autoren constatirt haben, werden von ihnen zwar nicht überall als glattwandige Röhren, sondern (Klein) zuweilen als nach Aussen communicirende, und im Innern hie und da von Gewebsbrücken durchsetzte Räume beschrieben; aber ein so unregel- mässig geformtes Lacunenwerk, wie es an meinen Objecten vorliegt 1) Diese Figur soll nur eine mehr skizzenhafte Uebersicht der Verhält- nisse geben; die Einzelheiten sind zwar treu nach der Natur hineingetragen, es sind aber, um die Complication nicht zu gross zu machen, die Fibrillen und Fettzellen fortgelassen, und nicht alle kleinen Nebenausbauchungen der Lacune mit angegeben worden. Vergl. Fig. 2 und 3. 404 W. Flemming: und wie es Fig. 1 zu veranschaulichen sucht, ein Höhlensystem, das sich am Bequemsten mit den Lückenräumen eines Badeschwammes vergleichen liesse und dessen Fortsetzungen sich vielfach auch an Stellen, wo keine Blutgefässe sind, verfolgen lassen — kann gewiss nicht mit jenem Befunde identifieirt werden. Noch mehr verbietet sich dies aus einem anderen Grunde. Den »perivasculären« Lymphscheiden wird von ihren Beschreibern, als characteristisch und selbstverständlich, ein in Zellenplatten ab- gegrenztes Endothei zugeschrieben. Ein solches fehlt den hier beschriebenen Räumen. Diese Räume, die sich in der verschiedenartigsten Form, Grösse und Communicationsweise um die Gefässe her und von ihnen abseits erstrecken, sind, wo nicht hie und da eine abgelöste Zelle in sie hineinragt, nur von der blassgefärbten Leimmasse gefüllt. An grösseren Blutgefässen (a, v) grenzt ihr Lumen deutlich an eine besondere Gefässadventitia (adv. Fig. 2), und stellenweise bildet es (wie in Fig. 2) auf eine Strecke weit einen ziemlich regelmässigen Hohl- schlauch um das Gefäss her, der jedoch auch hier von kleineren Brücken (Fig. 2b) durchspannt wird. Solche reine Invagination des Gefässes ist aber nicht die Regel, und nur auf kleine Strecken be- schränkt; meistens sind die an das Gefäss stossenden Lacunen kleiner, von rundlich-buchtiger Form und werden durch engergeordnete Scheidewände und Balken von einander abgesetzt (Fig. 1 an ver- schiedenen Stellen). Diese Balken und Septa sind zum Theil Be- gleitscheiden der abtretenden Gefässäste und Capiliaren !) oder auch solcher, die sich mit den grösseren Stämmen blos kreuzen (Fig. 1); zum Theil aber sind sie gefässlos, und namentlich die kleineren (wie an vielen Orten in Fig. 1) keineswegs immer die Hülsen abtreten- der Capillaren. Die feinsten derartigen Balken haben nur ein Fibrillen- bündel von wenigen Mikren Dicke zur Grundlage (mehrere Stellen in Fig. 1 zwischen Arterie und Vene). Durch genaue Einstellung bei gutem Licht entscheidet man ferner sehr leicht, dass die Wandflächen dieser Lacunen nicht überall 1) Man kann sich an Oedempräparaten dieser Art vollkommen über- zeugen, dass Uebergangsgefässe vom entschiedenen Habitus der Capillaren nicht bloss die Endverzweigungen der Arterien und Venen sind, sondern hier und da auch aus grösseren Stämmen entspringen. (Vergl. Küttner’s Arbeit üb. d. Froschlunge, Virch. Arch. 1874.) Beiträge zur Anatomie und Physioldgie des Bindegewebes. 405 eine eleichmässige Ausrundung haben, sondern dass sie selbst wieder in verschieden grosse Gruben, Taschen, Kufen ausgetieft sind oder auch in weitergehende buchtige Gänge sich fortsetzen (die kleineren dieser Austiefungen sind in Fig. 1 vielfach nicht mitgezeichnet; vergl. Fig. 2), welche wieder mit anderen der Räume communiciren; ein Verhalten, das nur mit der Schraube constatirbar, durch die Zeich- nungen nicht durchweg dargestellt, nur hier und da angedeutet wer- den konnte, indem die Figuren, wie selbstverständlich, aus verschie- denen Einstellungen combinirt sind. — Die Profilränder dieser Aus- buchtungen und Verbindungsgänge stellen sich nicht scharf eckig, sondern in geschwungenem, Kreis- oder Spiral-Verlauf dar. Dies correspondirt mit den Verlaufsverhältnissen der Fibrillen- bündel, die in dem Fachwerk hinziehen. Jeder aufmerksame Untersucher fibrillären Bindegewebes weiss, dass die Bindegewebs- bündel in situ vielfache Theilungen in Fibrillenportionen erfahren, welche sich wieder andern bald benachbarten, bald weiterab gelegenen Bündeln anschliessen ; eben diese Verästelungen bedingen ja den an vielen Orten augenfälligen (z. B. Omentum, Cutis), an andren ver- deckteren, immer aber vorhandenen netzartigen oder richtiger ge- flechtartigen Bau, nach dem das gesammte Bindegewebe des Körpers als ein eontinuirliches Gerüst sich aufiassen lässt, und dessen Er- kenntniss die Aeusserung Hyrtl’s: »man würde wohl nie ermitteln können, wo Anfang und Ende einer einzelnen Bindegewebsfaser im Körper sei«, ebensosehr rechtfertigt, als sie auf der andern Seite diese Ermittlung überflüssig erscheinen lässt !). — Diese Gerüste der 1) Löwe (l. c. p. 9, 10) imputirt anderen Untersuchern des fibril- lären Bindegewebes die Ansicht, als sei dasselbe aus »ganz willkürlich gekreuzten und geschlängelten Fasernbündeln« zusammengesetzt. Unter den neueren Forschern wenigstens wird daran gewiss Niemand gedacht haben. Bei Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte der Bündel (vergl. besonders die Darstellungen von Boll 1. ce.) ergiebt sich deren netzgerüstartige An- ordnung als ganz naturnothwendig: wo eine Bildungszelle 3 Fortsätze hatte, da werden später drei Bündel in einander übergehen und zwar, wie das er- wachsene Gewebe lehrt, so, dass eins derselben sich in die beiden andern spaltet. Dass dieser Bau, der z. B. am ausgebreiteten Mesenterium ja in situ vor Augen liegt, am lockeren Gewebe schwer erkennbar ist, rührt daher, dass hier die Ausläufer der fibrillenbildenden Zellen zu relativ grosser Länge aus- wachsen, und zugleich von ihrer sehr losen Spannung und demnach starken Schlängelung. Bilder aber, welche auch hier den reticulären Typus demon- striren, liefert jedes Oedem, und ich habe früher (7, Fig. le) ein getheiltes 406 W. Flemming: Fibrillenbündel sind also auch hier im Interstitialgewebe so zu sagen das Skelett, um das sich die übrigen Theile gruppirt denken lassen. Indem die Theilverzweigungen der Bündel von diesen in geschwungenem, zuweilen auch geschlängeltem Verlauf abgehen, umgrenzen sie die Ränder jener rundlichen Buchten. Doch sind auch die gewölbten Flächen der Letzteren nicht ohne Fibrillen, vielfach ziehen Gruppen von solchen, meist feineren, geradlinig oder leicht gewellt und auch wieder unter Theilungen in den Wänden der Höhlen hin, um oft erst weit entfernt in andere Bündel wieder einzubiegen. (Vergl. für alles dies Fig. 2, 3). — Die elastischen Fasern sind an den Wasser- präparaten nicht gesondert wahrzunehmen; an vielen Stellen scheint es überhaupt keine zu geben. Man wird bei dieser Beschreibung jedoch auch berücksichtigen müssen, dass das Gewebe nicht ganz wie im lebenden Zustand vor- liegt, sondern die Lacune durch die Leimfüllung bedeutend : über das gewöhnliche Maass ausgedehnt ist. Man wird sich also die buchtigen Räume etwas mehr spaltenförmig, die Fibrillen vielfach Bündel abgebildet, ohne den Hinweis für nöthig zu halten dass dies ein selbstverständlicher Befund ist. Hinsichtlich der Schlängelung der Bündel, von der ich eben sprach, schulde ich ebenfalls noch Rechenschaft an Löwe, welcher (l. c. p. 12) be- hauptet, dass der geradlinige Verlauf der Bindegewebsbündel, welchen man an ausgebreiteten Stücken beobachtet, das »typische Bild« repräsentire. Es ist mir aber unbegreiflich, wie man in einem Athem sagen kann: »die lockige Beschaffenheit des fibr. Bindegewebes resultire aus einem bereits ge- schrumpften Zustande« (l. e.), und (2 Reihen weiter): »allerdings befinde sich das Gewebe während des grössten Theils des Lebens in dieser Verkürzunge, und »entspreche somit das gebräuchliche Bild der Bindegewebskräuselung immerhin einem natürlichen Zustand«. Dass die Fibrillenbündel intra vitam an vielen Orten wirklich geschlängelt laufen, kann man z. B. sehr leicht an einem ungezerrten Mesenterium sehen. An straffer gefaserten Stellen ist der Verlauf wieder ein regelmässig geschwungener oder geradliniger. — Auch die Beschreibung Löwe’s (auf ders. Seite oben), nach welcher »die Bündel sich unter spitzen Winkeln schneiden und dabei zahlreiche rechtwinklige Verbindungsäste abgeben, durch die sie miteinander zusammenhängen«, ent- spricht nicht der Natur: die Bündel schneiden sich nicht bloss, sondern theilen und verzweigen sich in den allerverschiedensten, meist aber spitzen Winkeln (vergl. z. B. Fig. 2 hier; Löwe selbst zeichnet in Fig. 9 1. e. solche spitzwinklige Theilungen); man hat also nicht bloss von recht- winkligen Verbindungsästen zu reden. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 407 mehr geschlängelt vorstellen können, als sie sich bei dieser künst- lichen Ausdehnung zeigen. — Ich wende mich nun zu den übrigen Bestandtheilen der La- cunenwand. Dass Zellen, oder doch kernhaltige Residuen von solchen, an ihrem Aufbau theilnehmen, lehren die an ihr vertheilten Kerne, die sich verhalten wie die Kerne isolirter »Bindegewebszell- platten« nach Pikrocarminbehandlung. Sie sind zum Theil, doch keineswegs alle, umgeben von einem Hofe leicht gerötheter, manchmal körnchenhaltiger Masse, prominiren. stets, oft stark in die Hohlräume hinein, wie man an Profilstellen wahrnimmt, und liegen srossentheils den Kreuzungs- und Theilungsstellen von Fibrillen- bündeln entsprechend, zum Theil aber auch an fibrillenlosen Orten der Wand. Stellenweise findet sich bei atrophischen Thieren eine Anzahl Kerne dicht zusammengehäuft, und besonders an den dünnen Bälkchen, die sich von den Adventitien grösserer Gefässe durch die Lacunen spannen, ist dies eine häufige Erscheinung (s. Fig. 2, beide Balken tragen sehr dichte Kerne). Ich lasse dahingestellt, ob man es hier vielleicht mit Producten localer Wucherung zu thun hat, indem ich an meine früheren Erfahrungen über die atrophische Fettzelle erinnere. Die bei weiten meisten der Kerne jedoch liegen einzeln und in so grossen Abständen, dass, wenn man die Wand- fläche der Lacune ihnen entsprechend in Zellenterritorien abgrenzen wollte, ein sehr erhebliches Flächenausmaass dieser Zellplatten herauskommen müsste. Aber solche Abgrenzung kann nur eine willkürliche sein: denn es sind keine Grenzen der Zellen zu erkennen und nach der Art, wie die Präparate gefertigt wurden, liegt auch die Annahme am nächsten, dass es hier keine scharfen Grenzen giebt. Die Leimlösung, welche bei den gezeichneten Präparaten die Lacune füllt, enthielt etwa 0,3 pCt. Silbernitrat; und dass dieses bei der Reduction am Licht zur vollen Wirkung gelangt ist, zeigen die Blutgefässe, welche vor Anlage des Einstichoedems mit blassem Berlinerblau-Leim ge- füllt waren. Durch die Adventitia und Media der Arterie und Vene ist der Silberleim von Aussen eingedrungen und hat an den meisten Stellen das Endothel (s. d. Fig. 1, nur rechts gezeichnet, und 2) scharf und deutlich, an anderen wenigstens in Form von Punktreihen dargestellt; ein Erfolg, den man bei solcher Präparation fast immer erzielt. An den meisten Capillaren und kleineren Arterien- und Venenästen ist nur deshalb keine deutliche Endothelzeichnung Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd. 12. Im 408 W. Flemming: zu sehen (in der Fig. überhaupt nicht angegeben), weil die vorherige blaue Injection diese nicht vollständig gefüllt hat und sie deswegen meist in etwas collabirtem Zustand von der Silbermasse durchtränkt wurden. — Wollte man vielleicht annehmen, dass die Berlinerblau- masse in den Gefässen dem Zustandekommen der Silberniederschläge chemisch irgend einen Vorschub leistete, und daraus zu erklären versuchen, dass hier, aber nicht an den Lacunenwänden Endothel dargestelit ist, so würde ein solcher Ausweg abgeschnitten durch die Betrachtung der Nerven (n).. Auch das Endothel ihrer Lymph- scheide ist an vielen Stellen, wenn auch weniger regelmässig als das der Gefässe, unverkennbar dargestellt, wie man es eben bei dieser Präparation gewöhnlich erhält. (Vergl. meine kurze Notiz 6, am Schluss, die bald darauf in den ausführlichen Untersuchungen von Key und Retzius |. c. Bestätigung fand.) — Die Silbermasse ist mit den Wänden der Lacune in einem mindestens eben so engen Contact gewesen, wie mit der Innenwand der Nervenscheide und der Intima der Gefässe; dennoch hat sie an den letzteren Orten Zellen- grenzen dargestellt, und an den ersteren keine Spur davon. — Sehr instructiv sind die Lageverhältnisse der atrophischen Fett- zellen, welche sich vielfach zwischen den Capillarverzweigungen und auch neben grösseren Gefässen finden‘). Durch den Hunger ent- leert, sehr verkleinert, aber noch mit erhaltener Membran, und ausser den meist mehrfachen Kernen (Fig. 3) eine Anzahl kleinerer Fetttröpfchen enthaltend, liegen sie aufs Deutlichste befestigt in der Lacunenwand selbst, vielfach durch die Leimmasse in etwas unregelmässige Formen gedrückt (wie in der Abbildung), häufig aber ' auch noch rund und voll, kuglig in die Lacune hineinprominirend. Wo sie hie und da sich abgelöst haben, und frei in dem Leim schweben, hängen sie oft durch Substanzbrücken noch mit der Wand zusammen. Besonders oft haben auch die ihnen zunächst gelegenen Kerne der Wand um sich her eine Anzahl Fetttröpfchen (Fig. 3x); hin und wieder ist dies auch bei Kernen der Fall, die nicht in der Nachbarschaft von Fettzellen liegen. Vergeblich habe ich gesucht, ob ausser den beschriebenen platten, unabgrenzbaren Zellen und den zwischen sie eingelagerten Fettzellen 1) In Fig. 1 sind sie nicht mit angegeben. Sie haben hier, wie bei langer Carenz sehr häufig, meistens 2, 3 bis 4 Kerne, worüber Näheres im 2. Abschnitt. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 409 noch andere zellige Elemente von irgend einer andern Beschaffenheit oder Form in diesem Bindegewebe vorkommen. Im Innern der fibrillenhaltigen Balken sieht man nichts von solchen. — Jeder Blut- gefässast, auch dieCapillaren, besitzt ein specielles adventitielles Gewebe, das bei den Letzteren allerdings sehr spärlich und oft kaum wahrnehmbar sein kann (Fig. 3). In diesen Adventitien finden sich, wie zu erwarten, längliche Kerne, anscheinend Spindelzellen ange- hörig, die aber natürlich auch als die optischen Längsschnitte flacher Zellen angesprochen werden können. Dass diese Lacunen nicht bloss als wahre Lymphscheiden der Blutgefässe zu- betrachten sind, geht, wie schon berührt ist, einmal aus der Vielgestaltigkeit ihrer Disposition, sodann aus der Abwesen- heit eines Endothels hervor. — Man wird aber vielleicht fragen, weshalb ich das Bild so genau beschrieben habe, da es seinem Wesen nach sich ganz gut in das Bindegewebsschema von A. Key und Retzius einpassen lässt: denn man kann ja auch hier gewiss von »Zellenhäutchen« reden, welche die Wand der Lacune begrenzen und die Fibrillen bedecken. Und dass diese Bedeckung der Fibrillen, hier wenigstens, eine continuirliche ist, stellen die Bilder wohl ausser Zweifel. Dabei ist aber erstens zu constatiren, dass wir es hier nicht einfach mit flächenhaft ausgebreiteten und mehr oder weniger durchlöcherten Membranen zu thun haben, wie jene Autoren sie als Typus hinstellen, sondern mit einem Fachwerk von sehr viel- gestaltigen Balken, die allerdings vorwiegend nach einer Richtung abgeplattet sind, aus deren vielseitigen Zusammenhängen aber schon folgt, dass diese Abplattung keine regelmässig flächenhafte sein kann. — Zweitens betone ich die Abwesenheit eines Endothels. Behaupten lässt sich freilich nicht, dass Etwas nicht da sei, weil das Silber es nicht darstellen will. Aber da die Zellengrenzen dicht daneben, in den Blutgefässen und an der Nervenscheide, unter viel ungünstigeren Bedingungen doch dargestellt wurden, so bin ich jeden- falls berechtigt, einen aus gesonderten Zellen bestehenden Belag der Wand hier nicht anzuerkennen, bis er mir etwa demonstrirt wird). 1) Ich erinnere hier auch daran, dass Schwalbe an den Blättern zwischen den Opticusscheiden (l. c. p. 52), v. Mihalkovics an der Binde- substanz des Hodens keine Zellenabgrenzungen darzustellen vermochten. 410 W. Flemming: Ferner, wenn man die zelligen Ueberzüge der Fibrillen »Häutchen« nennen will, so besteht das Gewebe nicht bloss aus den Theilen, die Key und Retzius erwähnen!, aus diesen Membranen, den Fi- brillen und elastischen Fasern, sondern es muss zwischen beiden noch anderweitige Substanz, eine Kittsubstanz da sein‘). Das ergiebt sich erstens schon aus der ganzen Configuration der Lücken- räume. Sie würde in der Form, wie sie die Schraube hier zeigt, gar nicht vorliegen können, wenn das Gewebe aus weiter Nichts bestärde wıe aus durchlöcherten Blättern von je zwei »Deckmem- branen« (Löwe) und dazwischen eingefügten Fibrillen; man würde dann überall scharfe Ränder der Lücken, und nicht, wie es vielfach der Fall ist, gewölbte mit wechselnden Profileontouren sehen. Es muss noch Substanz da sein, wenn auch in sehr wechselnder Ver- theilung und stellenweis in sehr geringer Masse, welche die Fasern einschliesst und zwischen die Zellenhäute eingebettet ist. Diese Ausdrucksweise brauche ich allerdings nur mit Reserve und nur als Concession für das leichtere Verständniss: denn es scheint mir nicht ersichtlich und nicht erweisbar, dass irgend eine scharfe materielle Ab- grenzung dieser Substanz von der kernhaltigen Deckhaut besteht, wenn schon die Letztere gewiss eine fester geformte Wandschicht vorstellt. Die Existenz einer Kittsubstanz im lockeren Bindegewebe finde ich aber auch noch aus einem anderen Grunde?) postulirt. Es war vor Allem das- fortgesetzte Studium der Säurewirkung auf isolirte und gefärbte Fibrillenbündel, das mich von ihr überzeugte, schon ehe ich die hier beschriebenen Präparate erhielt. Den betreffenden Er- scheinungen mag hier ein besonderer Kleiner Excurs gewidmet sein. Ueber die Quellungserscheinungen der Bindegewebsbündel. (Fig. 8—14.) Bei ihrer Besprechung sehe ich ab von einer besonderen Be- rücksichtigung ihrer massenhaften Literatur ?). Dass fast Alle 1) Eine solche hat auch Schwalbe an seinen Objecten angenommen, und Löwe gedenkt ihrer gleichfalls. 2) Abgesehen von der Analogie mit andern Bindesubstanzen (z. B. Sehne, Cornea), an welchen ja andere Forscher (vgl. Waldeyer) eine Kittsubstanz als selbstversändlich annehmen. 3) Eine ausführliche kritische Zusammenstellung derselben findet sich bei Boll (5), erster Abschnitt, p. 305—8310. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 411 Untersucher der »Spiralfasern« oder »umspinnenden Fasern«, oder der Quellungsreifen, wie man diese Dinge wohl am Einfachsten zu- sammenfassend benennt, von Henle, Reichert, Rollet bis auf Schwalbe, Boll u. A., richtig beobachtet und beschrieben haben, ‚davon habe ich mich zum Ueberfluss durch vergleichende Unter- suchung der sonst benutzten Objecte (Arachnoides, Cutisbündel u. A.) überzeugt: die von den Autoren beschriebenen Bilder können insgesammt vorkommen, und dass dieselben statt zur Erkenntniss der Sachlage zu so langwierigen Controversen führten, daran ist wesentlich der Umstand Schuld, dass die Untersucher sich meist eng an das gewählte einzelne Object hielten, und dass sie meistens nicht in der Lage waren, die Tinction gebührend zu Rathe zu ziehen. Ich befinde mich hier also ganz in derselben Situation wie Boll, der (l. ec. p. 310—311) Jedem seiner Vorgänger Exactheit der Beobachtung zugesteht und nur das allzuviele Generalisiren rügt; der aber dann ebenfalls durch consequentes Verweilen bei der Arachnoides zu einer Ansicht gelangt ist, welche bei diesem Object Berechtigung hat, das Wesen der Sache aber nicht erfasst. Für das, was ich hier demonstriren will, komme jedoch auch ich mit der speciellen Beschreibung eines Objectes aus, der Fibrillen- bündel im Subcutangewebe des Säugethiers, deren Quellungser- scheinungen ich vor einigen Jahren (7) schon kurz erörterte, um damit zu zeigen, dass die von Boll versuchte Erklärung (Bedingung :der Reifen durch Balken in den Zellenplatten einer Endothelscheide) nicht ausreichend ist. Es sind Bilder ganz ähnlicher Art wie die damals beschriebenen (l. c. Fig. 1), die ich bei fortgesetzter Arbeit erhalten habe; aber sie haben mich in der Deutung jetzt sicher ge- macht und fordern hier eine genauere Schilderung. Die Präparation der Objecte bestand, wie früher (l. c. p. 5), theils im Herausschneiden eines frischen Bindegewebsstückchens, Pikrocarminfärbung auf dem Objectträger und Ansäuerung unter dem Deckglas; theils in der Anlage eines Leimoedems mit oder ohne Silberzusatz und Färbung und Behandlung in der mehrerwähnten Weise. Um auf letzterem Wege gute Präparate zu erhalten, ist Bedingung, dass man den Leimgehalt der Masse recht gering nimmt und die Schnittchen nach der Tinction längere Zeit, am Besten einige Tage lang in Ag. destillata stehen lässt, um den Leim bis fast zur Verflüssigung zu erweichen, und sie dann noch vor dem Eindecken mit verdünnter Säure übergiesst; unter dem Deckglas 412 W. Flemming: bietet die Leimmasse, besonders wenn sie fester ist, den aufschwel- lenden Bündeln oft zu viel Widerstand, um das Quellungsphänomen zum vollen Ausdruck kommen zu lassen. Die Durchmusterung eines solchen Präparates und vollends die Beobachtung des Quellens selbst (dies am Besten unter Anwen- dung sehr verdünnter Säure) zeigt zunächst, was ich a. a. O. her- vorhob: dass eine Betheiligung der kernhaltigen Zellplatten an der Erzeugung der Einschnürungsreifen jedenfalls auszuschliessen ist. Allerdings, an den Balken der Arachnoides, wie auch z.B. an denen des Omentum (Hund), welche ein wahres enganliegendes Endothel besitzen, bleiben die Zellen grossentheils während des Quellens an den Bündeln haften und diese gewähren dann ganz die von Boll beschriebenen Bilder. Wären sie aber, wie Boll meinte, dort und überhaupt das Bedingende bei dem Vorgang, so müsste ja dann jedes einzelne Bündel von einer Zellenscheide ringsum bedeckt sein; und wenn sich das damals noch für denkbar halten liess, so wird man es jetzt, nach den Arbeiten von Key und Retzius, auch für die Hirnhäute abweisen müssen, vollends aber nach dem hier Mitgetheilten für das lockere Interstitialgewebe. Hier kann man an Bündeln, von denen jede zellige Bedeckung durch die Prä- paration entfernt ist, und denen zum Beweis dafür oft noch halb abgerissene Zellenfetzen anhaften, die dichtesten Einschnürungen sehen, und findet feine Bündelchen von nur 2—3 wu. Durchmesser, von denen gewiss Niemand glauben wird, dass sie mit einer eigenen Zellenscheide umhüllt waren, mit den engsten und zierlichsten Reifen besetzt. — Dass auch an den Balken der Sehnervenscheide die Ein- schnürungen unabhängig von den Endothelbelägen auftreten, hat bereits Schwalbe (2,p.52) vor meinen Mittheilungen 1. c. erkannt. Ebensowenig aber, wie die zelligen Scheiden, lässt sich für die Erklärung der Bilder hier die Annahme eines die Bündel umspin- nenden Balkennetzes (Rollet) verwerthen. Denn abgesehen da- von, dass man an den noch nicht gequollenen Faserbündeln keine Spur von einem solchen findet, entscheidet dagegen auch die Art, in der man unter seinen Augen die Einschnürungen zu Stande kommen sieht. Sie entstehen nicht plötzlich in der Schmalheit, die sie später haben, sondern repräsentiren, wenn nur die Säure hin- länglich verdünnt war um langsam zu wirken, vielfach anfangs noch breite, weit sich erstreckende Stellen, an denen das Bündel seinen früheren Umfang bewahrt, und die erst bei fortschreitender Quellung Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 413 eingeengt und damit auch immer intensiver roth werden. Ich ver- weise für das Nähere auf die Beschreibung und Fig. 1b I. ec. (7), und auf die hier gegebene Abbildung (Fig. Sb). Die Bilder der tingirten und endgültig gequollenen Bündel sind ebenso mannichfaltig wie zierlich. Bald ist Eines in grösseren Abständen eingeengt von einem breiten, glänzend scharlachrothen, ganz in sich zurücklaufenden Ring, der oft aus zwei dicht neben- einanderliegenden besteht (Fig. 9); seine gefärbte Substanz ver- schwimmt allmählig (s. ebenda u. d. and. Figg.) in die blasse Substanz der gequollenen Nachbartheile. Bald sind ähnliche, aber viel schmalere und blassere Ringe, bald ganz zarte vorhanden, an denen kaum noch Färbung wahrzunehmen ist. — Oder es gehen feinere Einschnürungreifen in geschlängelten Richtungen (Fig. 9, 11) um das Bündel herum; oder es ziehen zwischen den einzelnen Spiral- touren dieser noch andere, oft symmetrisch entgegengesetzt geordnet, in verschiedenen Richtungen, so dass die Oberfläche des Bündels facettenartig in eine Anzahl verschiedengestalteter hervorgebauchter Felder abgetheilt wird (Fig. 10, 12, Sb). Ueberall ist auch an diesen Einschnürungen, wo sie nicht gar zu zart sind, die rothe Farbe deutlich und klingt allmählich ab in die blasse der Quellungsbäuche. Spiralige oder verästelte Reifen der letzteren Art können mit jenen dicken rothen Ringer in Zusammenhang sein (Fig. 10, 11). Endlich sieht man vielfach, theils ausgehend von einer oder der anderen Art dieser Bildungen (Fig. 11x), theils isolirt (Fig. 9 bei xx), blosse Bruchstücke von Reifen oder Ansätze zu solchen, welche nur theil- weise um das Bündel berumgreifen oder nach etwas längerem Spiral- verlauf spurlos aufhören (Fig. 11xx). — Alle solche Formen können am selben Bündel, in geringen Abständen von einander zur Beob- achtung kommen; wie denn die nach der Natur gezeichneten Figuren dies ohne Weiteres zeigen. Die Substanz der Quellungsbäuche ist, wo recht stark hervor- gewölbt, meist gleichmässig granulirt, die Körnung noch viel feiner wie es die Abbildungen andeuten. Weniger stark gequollene Stellen dagegen zeigen eine deutliche, doch oft nicht genau parallele Längsstreifung (Fig. 8, 12), offenbar ein restirender Ausdruck der Fibrillenstructur. Niemals liegen an dem Interstitialgewebe Zellen oder Kerne in den Bündeln, auch nicht in den dicksten derselben. (An den grossen Balken des Omentum kommt dies vor. An der Arachnoides bekommt man oft scheinbare derartige Bilder, indem ‚414 W. Flemming: mehrere nebeneinander laufende mit Zellen bedeckte Bündel in eins verquellen.) Ausser und neben den beschriebenen Reifen kommen nun aber, doch sehr vereinzelt, auch andere vor, welche nach ihrer Anordnung sanz typische Henle’sche »Spiralfasern«, und nach ihrer Beschaffen- heit von jenen verschieden sind (Fig. 12). Es sind glänzende Fasern von völlig gleichem Verhalten wie die elastischen, die man abgerissen und aufgerollt verschiedentlich isolirt zwischen den Fi- brillen sieht, und lassen sich auch bei genügender Verfolgung viel- fach mit solchen in Continuität finden. Ihre Windungen um die Bündel, die dann nebenbei noch Einschnürungen der erstgenannten Art aufweisen können (wie in Fig. 12), sind stets spiralig und un- verästelt; ihre Natur als elastische Fasern zeigt sich schon durch den Mangel jeder Tinction ihrer Substanz — bekanntlich färbt sich eine wahre elastische Faser nicht mit Carmin oder Pikrocarmin!). — Andererseits verlaufen häufig elastische Fasern auf lange Strecken geradlinig, einem gequollenen Bündel dicht anlagernd. Ich habe auf frühere Eriahrungen hin a. a. O. die Ansicht ausgesprochen, dass zur Erklärung der Erscheinungen die Annahme einer besonderen Rindenschicht oder »Scheide« der Bündel die nächst- liegende sei, was der von Reichert etablirten Anschauung am nächsten kommt. Es musste dazu nur postulirt werden, dass diese Rinde nicht an allen Orten gleich mächtig oder doch gleich resistent sei; und ich liess ferner offen, ob die Quellungserscheinungen viel- leicht ausser durch diese Vertheilung, auch noch durch partielles Einreissen der Rindensubstanz bedingt werden möchten. Ausdrücklich habe ich mir aber ein Urtheil darüber vorbehalten, ob unter dieser Rinde noch Kittsubstanz liege, und in wie weit beide Dinge zusammenfallen. Die Ergänzung zu diesen Punkten glaube ich jetzt geben zu können. Nach den besprochenen Erscheinungen ist so viel klar, dass das Bündel aus zwei Substanzen besteht, von denen die eine in Essigsäure quillt, die andere nicht. Erstere fällt zusammen mit 1) Zur Entscheidung dieses Punktes bedarf man aber eines mindestens mittelstarken Systems; denn die Stellen des Bündels, welche durch die el. Faser eingeschnürt werden, sind deshalb röther wie die gequollenen, und bei schwacher Vergr. könnte man ihre Färbung auf die Faser selbst beziehen. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 415 den Fibrillen; ich will also von fibrillärer und von Kittsubstanz reden. Beide sind tingirbar, denn vor der Säurewirkung erscheint das Bündel durch und durch gleichmässig roth. Es lässt sich aber keinerlei Beleg dafür finden, dass die Kitt- substanz in Form einer wirklich membranösen, die Fibrillen als Hohleylinder einschliessenden Scheide vorhanden sei; vielmehr spricht dagegen: erstens die gleichmässige durch und durch gehende Färbung des ganzen Bündels, ferner, dass am gequollenen Bündel die verschwim- mende Färbung an den Endflächen der rothen Reifen nicht blos an der Oberfläche liegt, sondern gleichmässig durch das Bündel hindurch- geht; vor Allem aber auch hier wieder das Verhalten während der Quellung selbst. Sehr zahlreich finden sich am noch ungesäuerten Object Stellen der Bündel, welche wie in ihre einzelnen Fasern auf- gelockert aussehen (Fig. 8a) — obschon, bei der Feinheit der Fi- brillen, die sich z. B. durch Behandlung mit Osmiumsäure isoliren lassen, wohl anzunehmen ist, dass auch diese Fäserchen noch nicht einfach sind. — Oft sieht man solche feine Fasern einzeln abgelöst über den Umfang des Bündels prominiren. Die Räume zwischen diesen Fibrillen erscheinen dann fast wie leer, was in ihnen liegt, kaum gefärbt, und selbst an Stellen, wo einzelne Fäserchen sich herauskräusein, sieht man keine Spur von dem Profilcontour einer Hülle, die etwa das ganze Bündel einschlösse. Und doch, wenn nun die Säure wirkt, werden Bündel, die auf eine lange Verlaufs- strecke hin solche Beschaffenheit haben, durch die Quellung wieder in ein Ganzes zusammenbezogen und mit dichten Reifen besetzt. Doch kommt es hie und da auch vor, dass, wo eine Spal- tung stellenweise sehr bedeutend war, die beiden von einander ge- trennten Theile des Bündels bei der Säurewirkung nicht mehr ver- einigt werden, sondern jeder seine eigenen Einschnürungen bekommt, so dass das Bündel dann nach der Quellung eine langgestreckte Masche hat. Dies Alles scheint mir zu zeigen, was ich früher nur vermuthet hatte: dass nicht eine wahre Scheide, sondern die Kittsubstanz selbst das einschnürende Moment abgiebt; und dass diese Kittsub- stanz nicht in Form einer abgesetzten Membran das Bündel umgiebt, sondern sich auch in sein Inneres zwischen die Fibrillen vertheilt; wobei nicht ausgeschlossen ist, dass ihre Anhäufung in der Peri- pherie für gewöhnlich am dichtesten ist. Gehen wir unter dieser Voraussetzung von dem Bild des unzerrissenen Gewebes aus, so ergiebt sich ein Verständniss der Quellungserscheinungen sehr einfach. 416 W. Flemming: Denken wir uns die Bündel in situ von den Zellenhäuten und der darunter vertheilten Kittsubstanz noch bedeckt; so lange die ersteren, stärker tingirten darüber liegen, ist die letztere un- sichtbar und auch nach Abtragung der Zellenhäute nur blass gefärbt, und wenn man hinzunimmt, dass bei der Präparation durch Aus- breiten oder Einspritzung diese weichen Massen noch grösstentheils von den Bündeln entfernt werden, so kann es nicht Wunder nehmen, dass an diesen nachher meist keine deutlichen Reste davon sich vorfinden, ausser denen, welche in ihnen conservirt sind. Solche Reste finden sich nun übrigens doch hie und da: Substanzflöckchen von wechselnder Grösse und ganz unregelmässiger Form, bald an den Bündeln haftend, bald isolirt, mehr oder weniger tingirt, aber schwächer wie die kernhaltigen Zellenplatten. Es wird freilich schwer zu entscheiden sein, ob eine beliebige derartige Flocke zu den Zellen- membranen oder zur Kittsubstanz gehört — da man meiner Ansicht nach überhaupt nicht sagen kann, wo von diesen beiden Dingen das eine aufhört und das andere anfängt. Es lässt sich annehmen, dass diese Kittmassen, wie wir es von andern derartigen Substanzen wissen, muecinhaltig sind und also durch Säurewirkung Gerinnung, und damit Festigung erfahren werden; jedenfalls quellen sie nicht in der Säure, wie es die Fibrillen thun. Je mehr Kittsubstanz demnach an irgend einer Stelle eines Bündels vorhanden ist, desto mehr Widerstand wird hier der Quellung der Fibrillen geboten. Die Disposition dieser resistenten Stellen und damit die Lage, Zahl, und Form der bevorstehenden Reifen ist nun aber nicht bloss abhängig von der natürlichen Vertheilung der Kittsubstanz am und im Bündel, sondern auch von der unnatür- lichen Anordnung derselben, welche durch die Präparation be- dingt wird. Bei dieser legen sich, wie bekannt, eine grosse Anzahl Bündel in viel stärkere wellige Schlängelungen, als sie in situ vorhanden waren. Wo zwei Schenkel einer solchen Windung einander, senkrecht gegen die Längsaxe des Bündels, gegenüberliegen, berühren sich die peripheren Lagen von Kittsubstanz beider Schenkel, oder werden doch, wenn die Quellung erfolgt, gegeneinander gedrängt werden und durch die in ihnen erfolgende Gerinnung eine feste Scheibe bilden, innerhalb deren keine weitere Ausdehnung Statt findet. Die Quellung wird hier also nur weiterschreiten an den nebenliegenden Gipfeln der Windungsschenkel, während sie gegen die entstandene Scheibe Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 417 zu nur die tingirte Kittsubstanz immer mehr zusammendrängt und so ihre Farbe gesättigter macht. Auf diese Weise kommen eine Menge der oben erwähnten, partiellen Einschnürungsreifen zu Stande (vgl. Fig. Sa und Fig. Sb oben). — Erwägt man nun weiter, dass die sämmtlichen Windungsschenkel nicht etwa stets in einer Ebene, sondern meist abwechselnd in verschiedenen Ebenen gegen die Längsaxe des gewundenen Bündels gerichtet sind (vergl. das Schema in Fig. 14), und auf diese Weise die Windungen beim Quellen schief gegeneinander gedrückt werden, dass ferner die Bündel oft ganz regelrecht lockenartig gewickelt liegen, so gewinnt man ein Verständniss für das Entstehen der spiraligen und spiralig gekreuzten Reifen. Nimmt man endlich hinzu, dass nun noch die Vertheilung der Kittsubstanz nicht ganz gleichmässig, dass die Schlängelungen der Bündel sehr verschiedentlich sein können; dass, wo im Centrum des Bündels wenig oder keine Kittsubstanz war, auch keine Scheibe, sondern ein Ring oder Reif entstehen wird; und dass eine Anzahl von anfänglich angelegten Reifen und Scheiben bei zunehmender Hervorwölbung der Bäuche wieder gesprengt, oder mit andern zu- ‘sammengedrängt werden kann, so ergiebt sich schon eine Erklärung für die Mannichfaltigkeit der Bilder. — Man kann an den gewellten Bündeln bei langsamer Quellung direct verfolgen, dass die Sache wirklich dieser Auffassung entsprechend vor sich geht; und es fällt für dieselbe besonders ins Gewicht, dass, wo Bündel vor dem Säure- zutritt geradlinig gespannt lagen, meist keine, oder nur isolirte ringförmige Reifen auftreten. — Um diese Erklärungen zu vervollständigen, muss man sich aber noch etwas tiefer in die Sache hineindenken. An dem inneren Um- fang eines Knickungswinkels (Fig. 6i) ist die Kittsubstanz an und zwischen den Fibrillen überhaupt auf einen engeren Raum zusammen- gedrängt wie an seinem äusseren Umfang (a); demnach wird dort auch durch die Säure ein resistenteres Gerinnsel gesetzt werden als hier; und so ist es für das Entstehen von theilweisen, spiralen und doppel- oder dreifach-spiralen Reifen gar nicht einmal überall nöthig, dass die Knickungsschenkel in ihrer ganzen Länge quer gegenein- ander gepresst werden, was auch in der That vielfach nicht vor- kommt. — Ich finde hier die Frage nahegelegt, worauf überhaupt die Ten- denz der Bündel zur gewickelten und welligen Anordnung rührt, einer Anordnung, die zwar vielfach ohne Zweifel intra vitam schon 418 W. Flemming: vorhanden ist (s. 0.), aber mit nachlassender natürlicher Spannung jedenfalls noch zunimmt. Wenn dabei, wie gewöhnlich gesagt wird, nur die Elasticität der Fasern im Spiel wäre, warum rollt sich das Bündel dann nicht ebenso regelmässig geschwungen auf wie es die elastischen Fasern thun? Mir scheint die Annahme unumgänglich, dass in dem Bündel eine streckenweis differente Beschaffenheit vor- handen ist, welche entweder darauf beruht, dass die Kittsubstanz abwechselnd stärker und schwächer angehäuft ist, oder allenfalls erklärt werden könnte, indem man streckenweis abwechselnde Diffe- renzen in der Dicke, oder Festigkeit der Fibrillenbündel selbst an- nimmt. — Solche Voraussetzung, in Verbindung mit der unzweifel- haften Elastieität der Fibrillen, kann für die Schlängelungen eine Erklärung abgeben und zugleich, wie ich wohl nicht weiter aus- einanderzusetzen brauche, die Verständlichkeit des eben über die Quellungserscheinungen Gesagten noch vermehren. Die wahren elastischen Fasern hingegen, welche man viel seltener streckenweis um die Bündel gewickelt sieht (Fig. 12), sind offenbar vor der Säurewirkung in einer derartigen spiraligen Lage an den Bündeln gewesen, dass sie in seine Windungen eingeordnet werden mussten und dann natürlich auch ihrerseits es zusammen- hielten. Es ist mir ziemlich schwer denkbar, dass diese regelmässige Einordnung und Befestigung der Faser in den Reifen, wie sie an dem Präparat vorliegt und mir immerhin oft genug vorgekommen ist, auf einer ganz zufälligen durch die Präparation bedingten Herum- lagerung der Faser um das Bündel beruhen sollte. Haben wir es mit einem natürlichen Situs zu thun, so würde der Grund dafür, dass man diese Bilder nur selten trifft, darin zu suchen sein, dass die Glieder der elastischen Fasernetze in situ nur theilweise den Fibrillenbündeln correspondirend, und auch dann meist ihnen parallel, selten spiralig um sie her gelagert sind!). 1) Nach Löwe verlaufen die elastischen Fasernetze stets getrennt von den Fibrillen in den »Deckmembranen«, die nach L. überall aus zwei Schichten, kernlosem Endothel und kernhaltigem Subendothel bestehen sollen, zwischen diesen beiden Lagen. Hiernach wäre es freilich nicht begreiflich, wie die elastischen Fasern mit den Fibrillenbündeln in situ in so enger Verlaufs- berührung sein könnten. Ich finde aber in Löwe’s Abhandlung nicht dar- gethan, dass sein Bindegewegsschema auch für das interstitielle Gewebe ver- wendbar ist (vergl. unten). Das Einzige, was der Autor zum Beweis einer oberflächlichen Lage der elast. Fasern im Interstitialgewebe anführt, ist die Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 419 Zugleich gedenke ich hier einer anderen sehr eigenthümlichen, wenn auch für das Verständniss der Structur unwesentlichen Quellungs- erscheinung der Biudegewebsbündel, die schon vor langer Zeit von Henle (Allg. Anat. p. 350) entdeckt und beschrieben, von Heiden- hain (Ueber das Auftreten einer regelmässigen Querstreifung an Bindegewebsbündeln. Studien des physiol. Inst. z. Breslau 1861. 1. Heft p. 196) näher besprochen wurde: einer Querzeichnung, welche nicht selten, besonders an diekeren Bündeln, bei der Säure- wirkung auftritt und am besten während des Anfanges der letzteren sichtbar ist, nur selten sich längere Zeit erhält. Ich kann Heiden- hain nicht zustimmen, wenn er die Streifen nur auf die Oberfläche verlegt und annimmt, dass sie der Ausdruck querverlaufender feiner Fältchen einer besonderen Scheide der Bündel seien. Denn in der srossen Zahl von Fällen, wo mir die Erscheinung an Fasern des Subeutangewebes vorlag, lehrte das Einstellen, dass sie durch das ganze Bündel hindurchging (oberflächliche Einst. Fig. 13a, tiefe auf der Profileontour Fig. 13b), so dass ich mit bestem Erfolg die Probe gemacht habe, die Objecte von Anderen für etwas veränderte quer- gestreifte Muskelfasern erklären zu lassen. Wie kommt nun diese Behauptung, dass man an einem herausgeschnittenen Stückchen Intermusculär- gewebe, das ohne sorgfältige Ausbreitung in Jodserum auf den Objeetträger gebracht sei, die elastischen Fasern bei derjenigen Einstellung wahrnehme, bei welcher man die Fibrillen noch nicht deutlich sehe (Anm. ]. c. p. 11). Wie man an einem solchen Präparat, das sich bekanntermaassen schon beim Herausschneiden zusammenrollt, »ohne sorgfältige Ausbreitung« entscheiden will, was in situ oberflächlicher oder tiefer gelegen hat, ist mir durchaus un- verständlich. Ich sehe an solchem Object elastische Fasernetze bei jeder Einstellung, aber natürlich bei tieferer minder leicht und klar, weil sie da durch die Fibrillenmassen verhüllt liegen. Doch halte ich es gern für möglich, dass die elastischen Netze am Interstitialgewebe eine flächenhafte Localisation gegenüber den Fibrillen haben können. Damit wäre immer noch nicht ausgeschlossen, dass sie Letzteren nahe und selbst bis zur Berührung genähert verlaufen könnten, denn ein »Subendothel«, das sie von diesen trennen sollte, ist weder von Löwe noch von sonst Jemandem bisher in diesem Gewebe nachgewiesen. Schwalbe, Key und Retzius, auf die Löwe sich beruft, haben nachgewiesen, dass die Fasernetze der Chorioides und die elastischen Fasern der Arachnoides und des Nervenbindegewebes dicht unter dem Eindothel laufen, haben aber nicht behauptet, dass es zwischen ihnen und den Bindegewebsbündeln noch eine Zellenlage gäbe. 420 W. Flemming: seltsame Zeichnung zu Stande? Vielfach habe ich sie im Entstehen beobachtet und für diese Fälle ergiebt sich die Erklärung ganz leicht. Sie trat nämlich nie an gespannten, immer nur an solchen Bündeln auf, die in starke Schlängelungen gelegt waren; diese quollen so, dass die einzelnen Windungen sich der Quere nach gegeneinander pressten und als Ausdruck ihrer Berührungsgrenzen in der aufquel- lenden Masse eine zarte Querscheibe zurückliessen. Wie Heiden- hain richtig angiebt, tritt an den Bündeln beim Aufquellen, sofern sie nicht straff gespannt liegen, mit der Verdickung auch eine Ver- kürzung ein, und Dank der Letzteren rücken dann die Querscheiben enger zusammen als sie im Anfang lagen. — Oder es fällt auch wohl vor, dass ein etwas weniger stark geschlängeltes Bündel Quer- zeichnung bekommt, die aber dann unregelmässiger und meist schwächer ausgesprochen ist: hier kann ich nur vermuthen, dass derselbe, was im ersteren Fall im Grossen an dem ganzen Bündel auftritt, im Einzelnen an seinen im Innern gelegenen Fibrillen er- folgt: dergestalt, dass deren kleine Knickungen, weiche bei allen correspondirend in einer und derselben queren oder schiefen Ebene zu liegen pflegen, und die zwischen ihnen gelegene, gerinnende Kitt- substanz es zu Wege bringen, dass einzelne Schichten im Innern stärker zusammengehalten werden wie andere und dadurch die optische Differenz im Innern herauskommt. — Ich lasse es dahin- gestellt, ob sich ausser den angegebenen noch andere Erklärungs- wege für die Erscheinung finden mögen; für die im Entstehen be- obachteten Fälle habe ich jedenfalls Sicherheit, und die Annahme einer gefältelten Scheide der Bündel muss, wegen des Durchgehens der Zeichnung, ausgeschlossen werden. Ich bemerke hier noch, dass, wie Hr. E. Fischer hier fand, auch an Chlorgoldpräparaten z. B. der Cutis, welche vor der Vergoldung gesäuert waren, die Querzeich- nung der Bündel oft auffallend scharf hervortritt. Die Anschauung, die ich mir nach diesen Beobachtungen über die Quellungserscheinungen bilden konnte, lässt sich kurz in folgende Sätze fassen: l. Die tingirbaren ringförmigen, feinen spiraligen und par- tiellen Quellungsreifen der Bindegewebsbündel im subcutanen und intermusculären Gewebe werden bedingt durch Gerinnungen in der Kittsubstanz, welche im und am Bündel vertheilt liegt, und zwar a) auf Grund der ungleichmässigen Vertheilung dieser Substanz Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 421 am Bündel und damit der ungleichmässigen Anordnung der Stellen, an denen die Quellung gehindert wird; b) zugleich: durch die gewellte und geknickte Lage, in welcher die Bündel von der Säure betroffen werden, indem dadurch die Vertheilung der Kittsubstanz noch complieirt wird. . Die (seltenen) dickeren, spiraligen Umschnürungsfasern, ‘ welehe nicht tingirbar sind, entsprechen wahren elastischen Fasern. Ob sie in situ so um das Bündel geordnet gelegen haben, dass dieses sie bei der Quellung in die Reifen der erstgenannten Art aufnahm, oder ob sie erst durch die Prä- paration in eine derartige Lage gekommen sind, soll hier offen bleiben. Für die Quellung der Bündel an der Arachnoides halte ich die Erklärung Boll’s (Einschnürung durch Zellenrippen) für berechtigt, aber nicht für erschöpfend: denn man sieht auch hier Bündel eingeschnürt werden, die ihrer Zellenscheiden be- raubt sind, es wird also auch hier die Kittsubstanz nicht ohne Betheiligung sein. 3. Die von Henle und Heidenhain gefundene Querzeich- . nung gequollener Bindegewebsbündel betrifft im Subcutan- gewebe nicht bloss deren Oberfläche, sondern ihre ganze Dicke, und ist in den Fällen, wo ich ihr Entstehen beobachten konnte, lediglich auf die geschlängelte Lage der Fibrillen beim Zutritt der Säure zurückzuführen. [&6) Wäre es erlaubt, schon nach den Ergebnissen der hier ange- führten Literatur und den eigenen, hier mitgetheilten Befunden ein Urtheil über den Bau des gesammten interstitiellen Bindegewebes zu bilden: so würde ich sagen, dass dies Gewebe aus sehr unregel- mässig gestalteten, zusammenhängenden Gerüsten von der Form bald platter, bald mehr gerundeter Lamellen oder Balken besteht, innerhalb deren sich, wo vorhanden, die Verzweigungen der Nerven und Blutgefässe halten und zwischen denen die Gewebslacune sich als ein System spaltförmiger, im Leben sehr flüssigkeitsarmer Räume ausdehnt; dass. die Substanz jener Balken und Lamellen besteht aus einer Lage continuirlich zusammenhangender Zellen, deren individuelle Abgrenzung bis jetzt nicht zu demonstriren ist, 422 W. Flemming: und einem von diesen bedeckten Gerüst von Fibrillenbündeln und elastischen Fasern, deren jedes netzförmig, oder genauer ausgedrückt schwammgerüstartig überall .in sich zusammenhängt, und dessen Zwischenräume bis unter die Zellendecke ausgefüllt sind von einer weichen, ohne Structur erscheinenden, ungleichmässig vertheilten und stellenweise minimalen Kittsubstanz. Es würde dabei zu be- rücksichtigen sein, dass dieser Bau an vielen Stellen, wo die Lücken geringfügig, die Gerüstbalken sämmtlich in einer und derselben Richtung abgeplattet und zu Häuten zusammengeordnet sind, ent- schieden ein lamint öser, membranöser genannt werden kann, wo- mit der Anschauung von Key und Retzius ihr Recht gewahrt wird; dass aber an vielen anderen Orten — und wie ich ver- muthen möchte, gerade in den lockersten gefässlosen Innenpartien der interstitiellen Massen, — jedenfalls aber an den hier von mir beschriebenen Gegenden (eircumvasculäres Gewebe der Unterhaut), wo eigentliche hautartige Ausbreitungen wegfallen und die Beleg- masse den Bündeln enger anlagert, viel passender von einem spon- giösen, als von einem laminösen Bau zu reden ist. Ich würde hinzusetzen, dass die im Obigen enthaltene Trennung der drei Gewebsfactoren — Fibrillen, Kittsubstanz, Zellenbelag — nur eine grob-morphologische Geltung haben kann und nur dem anatomischen Verständniss zu Liebe hier gemacht wurde: — dass eine scharfe gewebliche Abgrenzung der Zellenplatte gegenüber der Kittsubstanz sich bis jetzt ebensowenig stützen lässt, wie eine scharfe Scheidung der letzteren von den Fibrillenbündeln, in deren Fügung sie überall mit eindringt, und dass sich das Ganze wohl treffender ein Synceytium nennen liesse, wie ein von einer Zellenhaut bedecktes Gerüst. Es würde sich damit zwar nicht eine strenge Abgrenzung — die entwicklungsgeschichtlich ganz unberechtigt ist — aber ein mor- phologischer Charakterunterschied ergeben zwischen den Spalten und Lacunen des Gewebes, dem Lymphwurzeigebiete einerseits, und den wahren Theilen des Gefässsystemes, den Lymphspalten, -Räumen und serösen Höhlen, den Lymph- und Blutröhren andererseits: indem die Letzteren sich durch eine in Zellen abgegrenzte »Intima«, d. i. ein wahres Endothel von Jenen unterscheiden. — Ich brauche kaum darauf hinzuweisen, dass eine solche Differenz bei dem heutigen Stande der pathologischen Histiologie auch für diese nicht unwichtig ist. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 423 Ich bin bei der Untersuchung des lockeren Säugethierbinde- gewebes vielfach an die Bindesubstanz der lamellibranchiaten Mol- lusken erinnert worden, deren scheinbar sehr eigenthümlicher Bau mich früher (4) beschäftigt hat. Auch da ist eine Gewebslacune, allerdings identisch mit der Blutbahn; ihre hier der Fibrillen ent- behrenden Wandlamellen bestehen aus Zellenplatten, oder richtiger Syneytien, in denen das Silber keine Endothelgrenzen darstellt, in denen nur die verdickten kernhaltigen Plasmatheile der Bildungs- zellen und die Muskeln hinziehen. Einen Theil des Molluskenkörpers, der bisher der genauen histiologischen Erforschung entgangen war, die Kieme, hat in neuester Zeit Posner durch eine vortreffliche Untersuchung (15) klar gelegt: auch hier musste er auf die Ab- wesenheit eines zellig abgegrenzten Endothels der Gewebslücken schliessen, und hat deswegen für das cytogene Gerüst, in das die- selbe eingegraben liegt, sehr trefiend den Ausdruck Syncytium angewendet, den ich auch hier eben in Gebrauch zog. Posner hat die Betrachtungen, zu welchen ihm das Gewebe der Kieme An- lass gab, in einem vergleichenden Excurs (l. c. p. 18 ff.) auf das Bindegewebe der Säugethiere ausgedehnt und dabei denselben Ge- danken aufgenommen, den ich bei der Besprechung der Molluskenbinde- substanz a. a. ©. (p. 36) in die kurzen Worte gefasst hatte: »die Wandung der Gewebslacunen sei das Bindegewebe selbst«. Ich theile Posner’s Standpunkt hierin vollkommen; aber ich kann nicht finden, dass die hier entwickelte Anschauung mit der von Ranvier begründeten Bindegewebstheorie, oder auch mit den Er- gebnissen von Schwalbe, Key und Retzius in einem so erheb- lichen und sachlichen Gegensatz steht, wie es ihm erscheint. Schwalbe selbst hat in seiner grundieglichen Monographie der Augenlymph- räume, soviel ich wenigstens finde, nirgends unternommen, die zweifel- losen Endothelbeläge, die an den dort vorfindlichen Membranen vor- kommen, streng in dieser Form als allgemeines Constituens in das ganze Bindegewebe hineinzutragen; und wenn ein solches Bestreben seitdem aufgetreten ist, wenn Key und Retzius ihre »Häutchen«, die sie im perineuralen und pericentralen Gewebe fanden, als einen wesentlichen Bestandtheil auch der übrigen Bindegewebsmassen be- zeichnen, so ist dabei doch die Frage, ob nothwendig Zellenab- grenzungen in diesen Häuten, und scharfe Trennungen derselben von den vorhandenen Kittmassen existiren müssen, von den Autoren gar nicht in die Erörterung gezogen worden; wie sich unter Anderem Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 28 424 W. Flemming: daraus zeigt, dass auch an Orten, wo die Darstellung von Silber- grenzen nicht gelang, die Verfasser dennoch wie im anderen Falle von Endothel- oder Zellenhäuten sprechen. Es wäre ihnen also höchstens vorzuhalten, dass sie diese Frage nicht berührt, nicht aber dass sie sie unrichtig beantwortet haben. — Es handelt sich, wie mir scheint, hauptsächlich einmal wieder um den Namen: um das Wort Endothel, das auch von englischen Histiologen in neuester Zeit mit so grossem Abscheu behandelt wird. Was sich gegen den Namen Endothel geltend machen lässt — und die etymologischen Bedenken liegen ja auf der Hand — und was mir als einfachste Ab- änderung der Bezeichnungen erscheinen würde, habe ich schon vor längerer Zeit an einer Stelle (7, pag. 7 Anm.) ausgesprochen, auf die ich hier verweisen will. Aber es kommt weniger auf neue Namen an, als auf genaue und allgemeine Erkenntniss der Sachlage; und so lange diese, wie zur Zeit, noch im Werden ist, würde ich es selbst bedauern, wenn man aus irgend einem Grunde den schon so geläufigen Namen Endothel aufgeben wollte: vertritt er doch immer- hin zugleich ein Stück der Remak’’schen Keimblattlehre, welches auch von den Angriffen, die sich neuerdings gegen diese richten, in seinem Wesen doch wohl unerschüttert bleiben dürfte. — Es ist nur das Zugeständniss zu verlangen, dass ein Endothelhäutchen nicht immer aus von einander und von der Unterlage streng abgegrenzten Zellen zu bestehen braucht und dass es genetisch mit dieser Unter- lage (Fasern, Kittsubstanz) zusammengehört. — Wenn aber der hier geschilderte Bau vielen Partien des Körper- bindegewebes zukommt, so darf nicht übersehen werden, dass er keineswegs für alle gesichert ist; und ich habe mir deshalb im Eingange dieses Schlussabschnittes die Erlaubniss zu seiner Skizzirung auch nur hypothetisch genommen. Wir sollten uns in der That von der Geschichte Vorsicht dietiren lassen und daran denken, wie viel- fach gerade die Bindegewebslehre durch das Aufstellen verallge- meinernder Theorien von einzelnen Objecten aus verschoben und verwirrt worden ist. Wie es nicht bewiesen, und nicht einmal durch die Analogie bedingt ist, dass überall im Bindegewebe flächenhafte Membranen vorkommen: so lässt sich auch nicht behaupten, dass das lockere Bindegewebe an gefässlosen Stellen überall genau eben- so beschaffen ist, wie z. B. das eircumvasculäre Gewebe. Der Befund einzelner in dasselbe sich erstreckender Membranen kann, wie schon bemerkt, ebenso wenig für das Erstere entscheiden, als der Umstand, Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 425 dass an meinen Präparaten die Lacunen sich auch bis an gefäss- lose Stellen erstrecken, für das Letztere. Es ist z. B. denkbar, dass an vielen, etwa gerade an den lockersten gefässlosen Stellen die Kerne in viel grösseren Abständen vertheilt, die Substanz um die- selben mehr zusammengehäuft und zu einem Zellenkörper individua- lisirt sein, eine durch feste Membranen hergestellte Continuität dieser Zellen fehlen, und somit ein Bau vorliegen kann, welcher mit dem Häutchenschema sehr wenig übereinkommt'!). Ich will solche An- nahme hier nicht verfechten, aber darauf hinweisen, dass sie nach den bisher vorliegenden Untersuchungen durch nichts ausgeschlossen ist. Wenn also heute die Parole ausgegeben wird: »Alles Binde- gewebe besteht aus Membranen«, so sehe ich darin eine generalisirende Hypothese, deren Bestätigung durchaus abzuwarten bleibt; abgesehen davon, dass ihre Nomenclatur für Partien des Gewebes, wie die hier beschriebenen, wenig passend gewählt ist?). — Wenn aber 1) Dass die zelligen Elemente sich nicht überall im Interstitialgewebe gleich verhalten, ist bei einigem Suchen und Vergleichen leicht zu sehen. Während z. B. die Zellenterritorien der Lacunenwände an den gezeichneten Objecten (Fig. 2, 3) nur selten und wenig körnige Masse führen, meist hya- line gleichmässig tingirte Platten bilden, bekommt man gerade aus dem ge- fässlosen lockeren Gewebe durch Oedem vielfach auf grosse Strecken hin nur Zellplatten isolirt, welche bis zum Rand gleichmässig und dicht granu- lirt, ebenmässig abgeflacht sind (Fig. 15). Wo man lediglich derartige — um den misslichen Ausdruck zu brauchen — »mehr protoplasmatische« Elemente findet, da könnte auch wohl auf eine etwas abweichende Structur des ganzen Gewebes zu schliessen sein. Ich erinnere hier zugleich an die neuen Untersuchungen von Exner und Fr. Buckel über die Lymphwege des Ovarium (Wiener Sitzungsb. 1874). Nach E.’s Ansicht vertheilt sich dort die Injectionsmasse zwischen den Fi- brillen »wie das Oel im Docht der Lampe« und wäre von membranösen Bil- dungen dort nicht zu reden. 2) Ohne das Verdienstliche der Mittheilungen zu verkennen, die Löwe über den Bau der Sehne insgesammt und der Deckmembranen ihrer Bündel bringt, darf man doch behaupten dass seine weitgehenden Schlüsse in seiner Arbeit durchaus keine genügende Begründung finden. Ich greife seine po- sitiven Angaben über die Sehnen nicht an, obwohl ien mich noch nicht über- zeugt finde, dass die Safteanalfiguren unter dem Endothel gleich Zellenkörpern eines besonderen »Subendothels« sind: man wird sich dabei wohl erinnern, dass an verschiedenen Häuten (z. B. Cornea, Centrum tendineum) unter dieser oberflächlichen noch mehrere tiefe Schichten von Saftcanalsystemen übereinander im Negativ sich darstellen lassen, welche ganz ähnlich wie jene 426 W. Flemming: Löwe sich sogar zu der Aeusserung versteigt: »der Typus des Bindegewebes sei nicht durch die Faser, sondern durch die Membran aussehen, aber nicht blos Zellenleibern zu entsprechen brauchen. Zugegeben aber, dass es sich mit der Oberfläche der Sehnenbündel verhält wie Löwe meint, und dass ein ähnlicher Bau, wie es nach Tourneux’s Untersuchungen an- nehmbar ist, der oberflächlichen Schicht von wahren serösen Membranen zukommt, so liefert doch der Verfasser keinen Beweis, dass zunächst auch nur das lockere intratendinöse Gewebe (tertiäre Scheide L., e Holzsch. 1. ce.) ebenso gebaut sei, geschweige denn das übrige Interstitialgewebe des Körpers. Ueber dies finde ich an positiven Angaben nur die Anm. p. 11, die Fig. 9 mit ihrer Erklärung — über die ich schon oben meine Ansicht aussprach — und endlich Fig. 8 und ihre Beschreibung (p. 28. Anm. u. p. 32). Ohne aber an deren Sachlichkeit zweifeln zu wollen, was lehrt sie? L. beschreibt hier ein förmliches Fascienblättchen, wie es zwischen Galea aponnurotica und Cutis ausgespannt und nach Abreissen der Haut gewonnen war, und wie es an vielen Orten vorkommen kann. Wenn ein solches aus zwei doppelten Deckmeınbranen und elastischen Fasernetzen (die zu meiner Verwunderung durch Carmin nach L. roth gefärbt werden sollen) gebaut ist, wie beweist dies, dass alles Bindegewebe aus derartigen Membranen besteht? Man könnte mit fast ebenso vielem Recht sagen, dass jede feinste mikroskopische Binde- gewebslamelle die Structur des Bauchfells habe; für die Behauptung, dass jedes »Kühne’sche Plättchen« (es ist mir nicht bekannt, woher der Aus- druck stammt; in seinem »Protoplasma und Contractilität« spricht Kühne von Grundsubstanz, nicht von Plättchen) aus zwei zusammentretenden doppel- zelligen Deckmembranen, zum Theil noch mit elastischen Fasern und zwischen- liegenden Fibrillen mit Kittsubstanz bestehe, hat L. den Nachweis weder mit jener Beschreibung, noch auch sonst angetreten und er dürfte auch wohl schwer zu liefern sein. — Ich will bei dieser Gelegenheit kurz bemerken, dass man an manchen isolirten Zellplatten in der That die zierlichsten Fasernetze der Platte dicht untergelagert finden kann (vgl. z. B. meine Fig.5), während bei anderen, und zwar gerade wo die Präparation eine Abreissung der letzteren wenig wahrscheinlich macht, nichts davon zu sehen ist. Es kommen eben verschieden beschaffene Stellen vor. Ueber den Muskel theilt L. mit, »es sei längst bekannt, dass auf der Oberfläche des Sarcolemma durch Silber Endothelzeichnungen hervorgerufen werden können«, dass »das Plasma und die Kerne des Sarcolemms auf dessen Innenfläche gelegen« und dass es selbst eine seröse Bildung sei (also auch aus zwei Zellenschichten gebaut?). — Mir ist bisher nichts von sicheren Endothelbildern des Sarcolemma bekannt geworden, und ich habe sehr oft vergeblich versucht, solche sowohl an fri- schen isolirten Fasern, wie in situ an dünnen Muskelhäuten durch Versilbe- rung darzustellen. Man kann allerdings auf letzterem Wege anderweitige eigenthümliche, manchmal endothelähnliche Zeichnungen bekommen, die ich dem intramusculären Bindegewebe zurechne und die noch weiterer Unter- Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 427 repräsentirt«, so bleibt es ja glücklicherweise Geschmackssache, ob man einen derartigen Satz annehmen und in ihm einen Fortschritt suchung bedürfen. Die einzige mir bekannte Angabe, auf welche Löwe sich für seine Auffassung des Sarcolemms berufen könnte, sofern er dies wünscht, enthält die kürzlich erschienene Arbeit von Thin (13), welcher (Taf. 10 Fig. 6) Silberfelder auf der Fläche einer Muskelfaser als »Perimysium« darstellt (in Fig. 5 reicht dasselbe Perimysium dagegen über zwei Muskelfasern zu- gleich hinweg). Ich halte es zunächst aber nicht für geboten, die Resultate einer Arbeit für irgend etwas zur Stütze zu nehmen, welche wie die letzt- genannte, augenscheinliche Epithelzellen der Cornea und Cutis als isolirte Bindesubstanzzellen des unterliegenden Gewebes demonstrirt (Thin l. c. Taf. 8, Taf. 10) und deren Verfasser den neueren Anschauungen über die Goldwirkung so wenig Rechnung trägt, dass er die Goldbilder der Cutis ohne Weiteres als »branched cells« interpretirt (l. c. p. 520) und es Ranvier noch als Irrthum vorwirft, dass er dieselben nicht gesehen habe. — Was die »auf der Innenfläche des Sarcolemms gelegenen Kerne mit Plasma« angeht, so darf man den Nachweis verlangen, dass sie nicht mit den peripheren Kernen der Muskelfaser zusammenfallen: ich habe noch nie einen unzweifelhaften »Sarco- lemmkern« gesehen, der sich durch Form, Lage oder sonst Etwas sicher als der Membran und nicht der Muskelfaser zugehörig erwiesen hätte. — Um zu demonstriren, dass auch das intramusculäre Gewebe in sein Schema passt, begnügt Löwe sich mit einem Muskelquerschnitt, ohne weitere Angabe, wie derselbe behandelt war; man sieht, wie selbstverständlich bei jedem solchen Schnitt aus einem Härtungspräparat, den Querschnitt des Interstitialgewebes als geschrumpftes Netz von den Mnskelfasern durch Spältchen getrennt, und kann sich, wenn man über die nöthige Phantasie verfügt, denken, dass dies regelmässig geschichtete Membranen aus zwei Lagen Endothel und Subendo- thel, Kittsubstanz und Fibrillen sind. Ich gebe gern zu, dass das Intra- musculärgewebe aus zusammenhängenden Lamellen gebaut sein kann: das Bild meiner Fig. 7, das anscheinend nicht dafür spricht, lässt noch immer die Deutung zu, dass der membranöse Zusammenhang, welcher hier zwischen den beiden Zellen und dem Fibrillenbündel zu fehlen scheint, entweder sehr zart und in der Leimmasse nicht sichtbar, oder wirklich schon durch das leichte Oedem zerrissen ist. Aber Niemand kann mich glauben machen, dass diese Lamelle, von der lier in der gezeichneten Strecke nur zwei Zellplatten und ein Bündel zu sehen sind, aus all den Bestandtheilen bestehe, die Löwe seinen Deckmembranen zuerkennt. — Auf pag. 8—9 beschreibt der Verf. einen nach Abhebung des Epithels durch Maceration dargestellten Zellenbelag der Darmzotten (Fig. 5), giebt an, dass derselbe in die Membrana propria der Drüsen (»Glandilemma« L.) übergehe und ebenso wie das »Tendilemma« gebaut sei, und verspricht den Nachweis hierfür; von diesem finde ich im Folgenden nichts. Nur auf p. 31 wird kurz dieselbe Figur erwähnt, die Zellendecke ohne Weiteres als »Subendothel bezeichnet und citirt, dass De- 428 W. Flemming: erblicken will, oder nicht. Nach meinem Glauben werden denkende Histiologen schwerlich geneigt sein, ein chemisch wie morphologisch charakteristisches Merkmal, die leimgebende oder chondringebende Bindesubstanzfibrille, aufzugeben, um dafür einen neuen Ausdruck einzutauschen. Gegenüber dem Satz: »alles Bindegewebe besteht aus Mem- branen« würde es für das Allgemeinverständniss der Gewebeform vielleicht besser sein, sich die entwicklungsgeschichtlichen Gedanken und den Satz vor Augen zu halten, der mir jetzt fester wie je zu stehen scheint: »Alles Bindegewebe entsteht aus Zellen von Stern-, Korb- oder Spindelform, die mit ihren Ausläufern zusamınenhängen, und die Lacunen und Saftbahnen des Gewebes entstehen aus den Interstitien dieser Zellennetze; — ein Satz der in M. Schultze’s Theorie veranlagt, durch viele und bekannte Arbeiten (Kusnet- zoff, Obersteiner, Henle und Merkel, Breslauer) gestützt, besonders aber von Boll neu begründet, jetzt in Götte’s bedeu- tendem Werk wieder eine Bestätigung erfahren hat. Gerade Götte (Entwickl. der Unke, 1875) zeigt wohl auch, dass an vielen Orten diese Zellennetze sich nach Flächenschichten ordnen und zu bald continuirlichen, bald cribrirten Membranen umformen; aber selbst diese Membranen zeigen vielfach (so bei G. Taf. 21, Fig. 366, ob- wohl er hier dafür ausdrücklich das Wort »Membran« hat) weit mehr den Ausdruck eines spongiösen Balken- und Lamellengerüstes, als den flach ausgedehnter Häutchen; und für die Anschauung, dass die Belegzellenmasse, die Kittsubstanz und die Fibrillen genetisch und damit auch geweblich Eins sind, würde sich kaum eine bessere Illustration denken lassen, wie etwa Götte’s Fig. 367 derselben Tafel. — Was aber das spätere Auftreten von abgegrenzten Endo- thelzellen an der Oberfläche solcher Balken angeht, so kann ich meinen eigenen Gedanken darüber nicht besser Ausdruck geben, als indem ich Götte’s Worte (p. 521) hier folgen lasse: »Wenn innerhalb des Bindegewebes, z. B. an den Wänden der inter- bove an den Drüsenmembranen eine Endothel- und Saftcanalzeichnung dar- gestellt habe. — Der Verfasser möge entschuldigen, dass ich auf die gütige Zusendung seiner Arbeit mit diesen kritischen Bemerkungen antworte, die ich mit Rücksicht auf die hier mitgetheilten Ergebnisse nicht umgehen konnte; und möge verzeihen, dass ich seine Namen »Tendilemma, Glandilemma« dabei nicht als berechtigt angenommen habe, weil ich nicht einsehe, weshalb wir uns durchaus mit den Philologen in Conflict bringen sollen. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 429 stitiellen Lymphräume, später epithelartige Auskleidungen gefunden werden, so sind meiner Ansicht nach nur zwei Vorstellungen über die Entwicklung jener Zellenschichten möglich: entweder fügten sich die allmählig sich an- sammelnden Bildungszellen an der Wandfläche unmittelbar zu einer continuir- lichen Epithelschicht an einander, oder sie bildeten längs der Wand ein flaches Netzwerk, und daraus eine continuirliche kernhaltige Membran, in welcher das zellige Gefüge erst secundär entstand. Für die erstere Möglich- keit spricht weder irgend eine direkte Beobachtung noch eine Analogie; da- gegen ...... glaube ich die secundäre Zellenbildung ...... auch für das interstitielle Bildungsgewebe als sehr wahrscheinlich bezeichnen zu können.« Danach wäre das unabgegrenzte Syncytium das Primäre, die Endotheltapete, wo sie überhaupt auftritt, das Secundäre. — Es ist nun ferner vollkommen denkbar, dass an Oberflächen com- pacter Bindegewebshäute und -Lager wie an den Serosen, den Sehnen etc., diese Zellenbedeckungen noch complicirtere Formen annehmen können (Löwe, Tourneux), ohne dass natürlich diese Formen oder die wohlcharakterisirten lächenhaften Häutchen, die an anderen Orten vorkommen, darum als typische, allgemeingültige Charaktere des Gewebes angesehen werden müssen. Dass die Detailforschung innerhalb des Bindegewebes noch viel zu finden hat und wirklich findet, zeigen die neueren Arbeiten. Die Mittheilungen von Grünhagen (9), Waldeyer (11) und Ran- vier (14) haben complicirte Formen der Bindegewebs-Zellplatten kennen gelehrt, die für die Kenntniss namentlich der festeren Binde- gewebsformen von grossem Interesse zu werden versprechen, In Erwartung der in Aussicht gestellten näheren Mittheilungen Wal- deyer’s — welcher auch für das lockere Bindegewebe die reguläre Zellenform alsmit mehreren Plattenfortsätzen versehen beschreibt — habe ich einstweilen unterlassen, auf diesen Punkt einzugehen, um so mehr, als er für das, was hier besprochen wurde, weniger wesent- lich erscheint. Denn eine »Hauptplatte«, die nach einer Seite ganz eben ist, erkennt Waldeyer ja den Zellen im Ganzen als gemein- sames Merkmal zu; für die von mir hier beschriebenen Bilder würde diese der Fläche correspondiren, welche je ein kernhaltiges Terri- torium dem Spaltraum zukehrt. Ob von seiner entgegengesetzten Fläche noch andere, winklig angesetzte Fortsatzplatten zwischen Fi- brillen- uud Kittsubstanz hineinreichen, ist an den Präparaten in situ nicht wahrzunehmen, und isolirte Zellplatten haben mir in dieser Hinsicht nichts Ueberzeugendes dargethan; ‚doch lässt sich auch dies denken, ohne dass an der Gesammtauffassung etwas ge- 430 W. Flemming: ändert würde. In erfreulicher Uebereinstimmung finde ich mich mit Waldeyer in dem Punkt, dass auch er die Existenz einer Kitt- substanz besonders betont, welche nach seiner Schilderung stets die Zellensubstanz von der der Fibrillenbündel trennt. Nur würde ich — selbstverständlich an dem hier beschriebenen Object — nicht den Schluss ziehen können, dass etwaige in die Balken und Lamellen einstrahlende Nebenplatten der Zellen hier auch noch von besonderen Saftcanälchen begleitet seien. Die Berücksichtigung einiger anderer, in Waldeyer’s Ab- handlung mitgetheilter Ergebnisse und sonstiger Publicationen der jüngsten Zeit, so der Arbeiten von Klein (10) und Thin (13), be- halte ich für den nächsten, bereits abgeschlossenen Abschnitt dieser Beiträge vor. Ich finde mich am Schluss dieses kleinen Aufsatzes in der erfreu- lichen Lage, dass ich allen den Arbeitern, welche in letzter Zeit auf dem gleichen Felde thätig waren, in der Hauptsache keine Opposition zu machen habe, wenn ich schon genöthigt war Manchen unter ihnen in einzelnen Punkten entgegenzutreten. In der Haupt- sache, — in der Zurückführung. des gesammten Bindegewebes auf ein Spaltensystem, das von der Gewebsflüssigkeit durchsickert wird und wahrscheinlich überall die Lymphgefässwurzeln darstellt, dürften wir meistens einig sein, und es wäre zu wünschen, dass diese Ueber- einstimmung möglichst anerkannt und die Meinungsdifferenzen be- züglich des näheren Formdetails auf die secundäre Bedeutung be- schränkt werden mögen, die sie beanspruchen können. Dann liesse sich hoffen, dass der verwirrende Ausdruck »Bindegewebsfrage« recht bald aus der Literatur verschwinden wird. Prag, im Juli 1875. (Das folgende Verzeichniss bezieht sich nur auf Arbeiten, die das lockere Bindegewebe betreffen, und macht auch hier selbstverständlich keinen An- spruch auf Vollständigkeit, sondern sollte nur das Citiren im Text erleichtern.) 13. 14. 15. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 431 Citirte Literatur, auf deren Nummern im Text verwiesen ist. L. Ranvier, El&ments cellulaires da tissu conjonctif. Arch. de physio- logie 1869 p. 471. G. Schwalbe, Untersuchungen über die Lymphbahnen des Auges und ihre Begrenzungen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 6, p. 1 und p. 261. 1870. W. Flemming, Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe, und Bemerkungen über die Structur des Letzteren. Ebenda Bd. 7, p. 32. 1870. Derselbe, Ueber Bindesubstanzen und Gefässwandungen bei Mollusken. Habilitationsschrift, Rostock 1871. F. Boll, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Ge- webe. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 7, p. 276, 1671 und Bd. 8, p. 28, 1872. W. Flemming, Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. Ebenda Bd. 7, p. 327. 1871. Derselbe, Ueber das subcutane Bindegewebe und sein Verhalten an Ent- zündungsheerden. Virchow’s Archiv Bd. 56, 1872. Axel Key och Gustaf Retzius, Studier i nerfsystemets anatomi. Nordisk med. Arkiv Bd. 4, Nr. 21 u. 25, deutsch im Arch. f. ng: Anatomie Bd. 9, p. 309, 1872. Grünhagen, Notiz über die Ranvier’schen Sehnenkörper. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 9. 1873. Klein, The anatomy of the lymphatie System. London 1873. W. Waldeyer, Ueber Bindegewebszellen. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 11, p. 176. 1874. L. Löwe, Zur Histologie des Bindegewebes. Wiener med. Jahrbücher 1874, 3. Heft. G. Thin, A contribution to the anatomy of connective tissue, nerve and muscle, with special reference to their connection with the Iympha- tie system. Proceedings of the Roy. soc. Nr. 155, 1874. L. Ranvier, Nouvelles recherches sur la structure et le developpement des tendons. Travaux du laboratoire d’histologie du College de France, Paris. 1874. p. 56. C. Posner, Ueber den Bau der Najadenkieme. Inang.-Diss. Leipzig. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 11, 1875. 452 Fig. 1. Fig. I) (61 1 W. Flemming: Erklärung der Tafel XVIH. Stück eines Subcutangefässnetzes, altes Kaninchen, 2 Monate bei sehr geringer Nahrung gehalten. a Arterie, v Vene, n Nerv, b Binde- gewebslamellen und Balken, 1 Lacunen durch Leiminjection aufge- weitet. Um das Bild, das mehr zur Uebersicht dienen soll, nicht zu sehr zu compliciren, sind in den Lamellen die Fibrillen weggelassen, und eine grosse Anzahl von kleineren Nebeneintiefungen der Lacunen- wände (wie man sie in Fig. 2 u. 3 sieht) ebenfalls nicht: gezeichnet, so dass die Balken des Bindegewebsgerüstes hier (in Fig. 1) ge- rundeter erscheinen als es der Natur entspricht. — Die Blutgefässe vorher mit Berlinerblauleim injieirt, dann Injection von verdünnter Gelatine mit 0,5 p.Ct. Arg. nitr. durch Einstich von innen in die Cutis und zugleich ins Subeutangewebe. Färbung mit Pikrocarmin; in Wasser eingeschlossen. Während das Endothel der Gefässe und der Nervenscheide durch das von aussen herangedrungene Silbersalz dargestellt ist, zeigt die Lacunenwand kein solches. Hartn. 5, 3, e. Tub. — Die Kerne der Lacunenwand sind in Fig. 1, um Unklar- heiten zu vermeiden, an einigen Stellen nicht sämmtlich mitge- zeichnet. Stelle aus einem gleichen Präparat, wo eine Vene auf eine Strecke weit in einer Lacune invaginirt läuft (wie auch an mehreren Stellen der Fig. 1), stärker vergr. (Hartn. 7. 3, e. Tub.). Genauere Dar- stellung der Lacunenwand mit ihren Fibrillen und Kernen. Zwei Brücken zur Venenadventitia, hier sehr kernreich. Keine Spur von Endothel an der Lacunenwand. Aus einem Präparat von demselben Thier, eine von den grossen Gefässen entferntere Stelle. C Capillargefäss mit Adventitia, mit dieser in Zusammenhang die Balken des Bindegewebes. Ausser den hier wie überall unabgegrenzten Zellplatten (von denen eine, bei x, fetttröpfehenhaltig) sitzen in der Lacunenwand zwei doppelkernige atrophische Fettzellen. Subeutangewebe der Ratte, in situ in Kali bichrom. gehärtet, Hä- matoxylinfärbung, vergl. Text. Abgerissene Zellplatte (Präparation durch Ausbreiten), Subeutan- gewebe, Ratte, frisch mit Pikrocarmin gefärbt, verd. Glycerin. Zahl- reiche z. Th. sehr feine elastische Fasernetze unter der Zelle haftend. Aus einem Totaloedem durch Injection von Leim in die Blutgefässe bei constantem Druck, Meerschwein; Querschnitt durch einen Muskel in natürl. Grösse, um die geringe Ausdehnung der gefüllten Spalten zu zeigen. Fig. 2 Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 433 Aus demselben Muskel, Längsschnitt: Raum zwischen zwei Muskel- fasern, darin ein Fibrillenbündel und zwei Zellplatten, anscheinend ganz lose im Leim suspendirt. Pikrocarmin. 7. 1. (Fig. 15.) Von demselben Thier, im Oedem isolirte Zellplatte des Halsbinde- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 8. 10. 11. 12. 13. 14 gewebes von einer gefässlosen Stelle, durch und durch körnig, ohne Nebenplatten. Pikrocarmin. Die umliegenden Zellen dieser Stelle waren alle von ähnlicher Beschaffenheit (vergl. Text). 7. 3. a. Gekräuseltes Bindegewebsbündel des Subceutangewebes, Pikro- . earmin, vor dem Säurezusatz. 7. 3. b. Solches während der Säurewirkung. Namentlich das obere Ende zeigt den Einfluss, welchen die Schlängelungen auf die Entstehung partieller Schnürreifen haben. 7. 3. Die folgenden Abbildungen zeigen die verschiedenen Formen der durch die Kittsubstanz bedingten Einschnürungsreifen an gequollenen Bündeln (Pikrocarmin-Essigsäure). Die dunkle Schattirung entspricht überali der Pikrocarmintinction. Bündel stark gequollen (feinkörnig) mit drei breiten, ringförmigen, mehreren partiellen und (unten) Ansatz zu einem spiraligen Reif. 7.3. Stelle eines Bündels zwischen zwei Ringen, durch regelmässig ent- gegenkommende Spiralreifen facettirt (Ober- und Unterfläche ange- geben). 7. 3. Bündel mit Ring, in diesem und von ihm ausgehend Spiralreifen, bei x und xx auf der Oberfläche verschwimmend, sämmtlich geröthet. (Es ist jede Verwechselung dieser sämmtlichen Reifen mit elastischen Fasern auszuschliessen.) Bündel mit sehr unregelmässigen Reifen und Ringen, an dem oben und unten die Fibrillenstructur noch erkennbar ist. Zugleich ist das Bündel von einer wahren elastischen Faser umwickelt. Die Henle-Heidenhain’sche Querzeichnung an einem gequollenen Bündel des Subeutangewebes kurz nach der Säureeinwirkung. a Ein- stellung auf die Oberfläche, b auf den Profilcontour, zur Demon- stration, dass die Zeichnung durchgeht. 9. 3. (s. Text.) soll als Schema zum Verständniss dienen, wie durch geschlängelte Lage der Bündel und Abbiegen der Windungen in verschiedener Richtung viele der complicirten, namentlich der gekreuzt-spiraligen Quellungsbilder erklärbar werden. Man denke sich die Windungen der Quere nach gegeneinander gepresst und zugleich die Fibrillen dorthin vorquellend, wo am wenigsten gerinnende Kittsubstanz sie zusammenhält. Der Uebersichtlichkeit wegen ist das Bündel dünner und die Windungsschenkel länger gezeichnet, wie es für gewöhnlich vorkommt. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. Von Dr. W. Flemming, a. 0. Professor und Prosector. (Aus dem histiologischen Institut der Anatomie in Prag.) Abschnitt II. Beobachtungen über Fettgewebe. (Hierzu Taf. XIX und XX. Fig. 1—8). A. Anatomisches. In der Morphologie der fetthaltigen Theile des Bindegewebes, der Fettlager, oder um die gebräuchliche Bezeichnung zu benutzen, des Fettgewebes, giebt es einige Punkte, die von Seiten der Anatomie und Histiologie noch so gut wie ganz unbeachtet gelassen sind. Dahin gehört erstens die Frage nach der besonderen topo- graphischen Verbreitung der Fettlagerstellen; zweitens die andere nach ihrer räumlichen Abgrenzung oder Nicht-Abgrenzung gegen das anlagernde Gewebe; endlich drittens verträgt auch die Histio- logie der Fettlager selbst noch eine Vervollständigung. Das Grob-Anatomische über dieVerbreitung der Fettlager, we- nigstens beim Menschen, kann im Ganzen als bekannt gelten, obwohl man zusammenhängende Beschreibungen darüber nirgends für nöthig ge- halten und Vieles, was in dieser Beziehung noch in die makroskopische Anatomie fällt, keine Erwähnung gefunden hat. — Toldt hat wohl zu- erst und allein den Versuch gemacht, die Anordnung des Fettes im Kör- per unter bestimmte anatomische Gesichtspunkte zu nehmen (3); indem er die Stellen, an denen sich bei Säugethierembryen zuerst Fettge- W. Flemming: Beiträge zur Anatomie u. Physiol. des Bindegewebes. 435 webe zeigt, als Entwicklungspunkte desselben ansah und danach einen jeden solchen Entwicklungsheerd als ein bestimmtes Fett- organ bezeichnete Es ist mir aus Toldt’s Beschreibung nicht durchaus ersichtlich, ob er sich wirklich vorstellte, dass alles beim Geborenen und Erwachsenen vorfindliche normale Fettgewebe sich continuirlich von jenen Organen aus entwickele (wie es nach p. 452—453 ]. c. fast scheinen kann). War dies der Fall, so würde solche Annahme allerdings nicht zu halten sein, wie sich aus dem Folgenden mehrfach ergeben wird. Die Aufstellung bestimmter solcher Fettorgane hat ausserdem schon darum etwas Missliches, weil sich eine bestimmte Zahl derselben gar nicht abstecken lässt, und weil selbst die- jenigen, bei welchen die Localisation noch am klarsten sich ergiebt, doch in der Thierreihe, weder in ihrer Zahl, noch auch nur in ihrer Lage genau wiederkehren !). Man braucht aber überhaupt den Fund- 1) Toldt, von den Verhältnissen bei Kaninchen und Katze ausgehend, gibt hier nach durchaus richtiger Beobachtung als die Orte, an denen beim Embryon zuerst die lappigen Fettanlagen auftreten, die Beugeseiten der Hüft- und Schultergelenke, dann Hals- und Nackengegend, und in der Bauch- höhle die Umgebung der Niere an, wozu post partum noch das Mesenterium kommt; und stellt sich vor, das »von diesen Heerden der ursprünglichen Ent- wicklung, die man als Fettkeimlager bezeichnen könnte und die allen höheren Wirbelthieren gemeinsam seien, das Fettgewebe in der Continuität nach allen Seiten hin auswachse; wenn später mehr weniger isolirte Fett- gewebsläppchen gefunden werden, so sei das blos die Folge einer Tren- nung der ursprünglichen Continuität durch Einschiebung anderer Gewebe (Binde- gewebe)«. — Zu den genannten 6 oder 10 Fettkeimlagern (je nachdem Hals- und Nackenlager getrennt oder mit dem Achsellager zusammengezogen werden sollen) würden aber zunächst, wenn wir auch nur das Grob-Makroskopische berücksichtigen wollen, noch eine ganze Menge anderer kommen müssen, weil sie von jenen isolirt entstehen: nämlich die später in der Brusthöhle auftretenden (Mediastina), ferner die der Kniekekle, Planta, Palma. Denn es ist absolut unmöglich, diese Lager in Continuität mit und aus jenen erstge- nannten entstehen zu lassen: wenn das nicht schon die directe Beob- achtung lehrte, würde es sich aus der Erwägung ergeben, dass die Blut- gefässnetze der Fettläppchen sich im engsten Verein mit diesen zugleich von den nächstbenachbarten Stämmen entwickeln; und dass nun die Fettlager der Extremitäten, des Thorax ja ihre Gefässe aus den Blutbahnen dieser Gegenden, nicht etwa aus der Inguinal- und Achselgegend beziehen. Dasselbe ist aber wieder im Kleinen mit den einzelnen subcutanen Fettläppchen der Fall. Unter diesen Umständen wird aber der Versuch, eine Homologie der 436 W. Flemming: orten des Fettgewebes beim Säugethier nur etwas mehr im Detail nachzugehen, so zeigen sich Dinge, welche an sich schon eine Ab- grenzung jenes Gewebes in Einzelorgane als unnatürlich erscheinen lassen, welche seine Zusammengehörigkeit mit dem Bindegewebe in das klarste Licht stellen, und deren Nichtbeachtung wohl grossen- theils Ursache war, dass man von verschiedenen Seiten hat versuchen können, an dieser Zusammengehörigkeit zu rütteln. Dass die Fettzellenlager sich in ihrer Verbreitung fast ganz an diejenige Form des Bindegewebes halten, welche man als lockeres Bindegewebe (Interstitialgewebe) bezeichnet, dürfte bekannt sein. Auch wo in fester geformten Theilen, wie in den Ligamenten, Fas- cien, Häuten, Fettzellen vorkommen und anscheinend mitten in die straffe Faserung eingeschaltet liegen, zeigt genauere Untersuchung, dass sie sich meistens doch in zarten Septen von lockerem Binde- gewebe befinden, welche in jenes festere hineindringen. Als absolut allgemeingültig lässt sich dies freilich nicht hinstellen, ebensowenig, wie ja eine absolute Trennung des lockeren Bindegewebes vom festen morphologisch und genetisch zulässig ist. Eine Ausnahme ferner macht von dem eben erwähnten Verhalten die feste Cutis bei einigen Säugethieren (Mensch, Schwein und wohl noch vielen andern), wo das ganze feste Stratum reticulare der Haut an’den meisten Körper- »Fettorgane« in der Wirbelthierreihe aufzustellen, immer nur sehr gezwungen ausfallen können. Für einen solchen hat Toldt nur die Batrachier heran- gezogen, bezüglich deren er sagt »es sei bei ihnen (beim ausgewachsenen Frosch) die Verbreitung des Fettgewebes im Wesentlichen dieselbe, wie bei Katzen- und Kaninchenembryen«e. Beim Frosch kommt nun, ausser im Fett- körper, nur noch an einer Stelle eine ganz winzige Ansammlung von Fett- gewebe vor, nämlich in der Kreuzgegend, wo sie von Toldt und mir über- einstimmend constatirt wurde. Den Fettkörper kann man, trotz seiner grossen Eigenthümlichkeiten, dem Nierenfett parallel stellen; das Fettheerdchen der Schwanzgegend könnte man allenfalls dem obersten Zipfel des Inguinalfett- lagers gleichwerthig setzen, obwohl dies hypothetisch bleiben muss, so lange nicht untersucht ist, ob seine Gefässe auch aus der Inguinalgegend stammen. Fehlen alle übrigen Fettorgane des Säugethiers. Auf jene beiden Punkte hin aber die Fettausbreitung in beiden Fällen im Wesentlichern dieselbe zu nennen, dazu würde ich mich nicht entschliessen. Wollen wir uns unter den Wirbel- thieren noch etwas weiter umsehen, so würde sich z.B. fragen, was man mit dem Fettlager in der Schädelhöhle anfangen sollte, das bei Fischen vor- kommt, relativ viel ansehnlicher ist wie jenes in der Schwanzgegend der Am- phibien und bei diesen, den Säugethieren u. a. gar kein Homologon findet. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 437 stellen von Fettzellen durchsetzt wird; während bei anderen, wohl den meisten Mammalien (Carnivoren und Nagethiere sind die von mir untersuchten) dasselbe nur stellenweis und in viel geringerem Grade der Fall ist. Beim Menschen und vollends beim Schwein ist überhaupt der Fettreichthum der Haut und Unterhaut, gegenüber jenen anderen, ein excessiver und es ist ja deshalb anatomisch her- gebracht, hier von einem Panniculus adiposus zu reden, ein Name, welcher für das Subceutangewebe anderer Thiere schlecht genug passen würde. An vielen Hautstellen beim Menschen und Schwein haben auch die beiden Lagerstätten — Haut und Unterhaut — eben wegen des Fettreichthums gar keine sichtbare Abgrenzung gegen einander, welche erst durch die Atrophie stellenweise zum Ausdruck gebracht werden kann. Deshalb ist die menschliche Haut und Unter- haut kein geeignetes Object, um die Verbreitungsweise des Fettes zu studiren, da man hier Alles damit durchsetzt findet; viel besser gelingt dies bei Hund und Katze, Kaninchen und Meerschwein. Toldt sowohl wie ich haben uns überzeugt, dass das Fettge- webe genetisch wie anatomisch an die Blutgefässe gebunden ist. Gewisse Ausnahmen von diesem Satze werden alsbald zu besprechen sein; als Regel kann er durchaus gelten. Untersucht man nun‘ aber bei den genannten Thieren, zunächst im Subeutangewebe, welche Blutbahnen das Fett versorgen oder angelagert tragen, so sind es: Erstens, und zwar vorwiegend, Aeste vieler der schräg zur Cutis auf- resp. absteigenden Arterien und Venen. Wir wollen die letzteren Gefässstracte nennen, denn, wie ja auch bei den grösseren Stämmen, findet man eine Arterie begleitet von 1—2, manchmal 3 Venen, und zugleich in vielen Fällen, aber keineswegs immer, von Lymphgefässen und stärkeren Nerven. Von den Blut- gefässstämmen dieser Tracte zweigen die Aeste für das Fettgewebe ab und lösen sich ganz in dessen Capillarnetze auf; welche jedoch, wie auch Toldt angab, mit benachbarten Gefässsystemen Anasto- mosen unterhalten können. Die so versorgten Fettlager oder Läpp- chen haben nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, rundliche, sondern abgeflachte Gestalt mit meist scharfen Rändern, und meist convex-concaven, zuweilen ebenen Flächen; im Groben wären sie un- regelmässig gestalteten Pilzdächern zu vergleichen, in welche die Gefässe, doch nicht immer central, von der Unterfläche hineintreten. Ein solcher grösserer, pilzförmiger Lappen ist durch Septen von lockerem, fettlosem Bindegewebe wieder in eine Anzahl kleinere von 438 W. Flemming: ähnlichen Formen zerlegt, welche in situ mit ihren platten oder schwach gekrümmten Flächen sich aneinander lagern. — Alles Verhältnisse, die man sehr bequem mit dem blossen Auge und der Lupe an den Durchschnitten von Leimoedemen wahrnimmt. — Das so angeord- nete Fettgewebe, das seine eigenen dichten Capillarnetze hat, ver- stehe ich hier unter dem Ausdruck: eigentliche Fettläppchen. Zweitens finden sich Lager von Fettzellen auch in Begleitung von solchen Hautgefässtracten, welche im Subcutangewebe ganz ohne Verzweigungen, speciell ohne seitliche Fettäste sind und ihr Verzweigungsgebiet nur in der Cutis finden. Ihnen sind bald hier bald dort einfache bis vielfache Reihen von Fettzellen angelagert, bald dem ganzen Verlauf nach bis zur Cutis, bald unterbrochen. Zuweilen, besonders wo die Menge solcher Fettzellen recht gross ist, finden sich, zwischen diese eindringend, von den Hauptgefässen ausgehende Gefässverzweigungen, mit sehr kurzen, kleinen, rasch in Capillaren aufgelösten Ursprungsstämmen; diese Capillarnetze sind relativ sehr spärlich, ihre Maschen langgestreckt, nie durchweg so eng und rund, wie in den eigentlichen Fettläppchen. Oft aber liegen auch die Fettzellenreihen ganz ohne Capillargefässe neben den grossen Blutröhren. — Eine ähnliche, reihenartige Anordnung und stellenweise Gefässlosigkeit der Fettzellen kommt übrigens zuweilen auch in den Läppchen vor (s. u.). — Diese Form des Fettgewebes will ich hier als Fettstränge unterscheiden und hinzusetzen, dass sie nicht bloss dem Subcutangewebe eigen sind, sondern auch anderweitig in der Tiefe des Körpers im interstitiellen Bindegewebe vorkommen, auch hier an Gefässen, die mit ihren Verzweigungen nicht für Fett, sondern für andere Gewebe bestimmt sind. Drittens finden sich bei den genannten Thieren verstreute Fettzellengruppen, vielfach völlig insulär, nicht (wie meist beim Menschen) zusammenhangende Lager bildend, im Stratum reticulare der Cutis, an den Arterien, Venen und Capillargefässen, welche die Haarbalggründe, die Schweissdrüsenknäuel versorgen, oder auch isolirt von den Letzteren, tiefer am Verlauf der Gefässe. Man kann sie als Fettinseln bezeichnen. Ebenso in den Muskeln. Sehr bequem beobachtet man z. B. im Musculus subeutaneus der Nagethiere, einer dünnen, stellenweise nur eine Schicht Fasern führenden Fleischplatte, wie an den eigenen Gefässen des Muskels, Arterien, Venen wie Capillaren hie und da ganz inselhaft verstreute Fettzellengruppen zwischen den Muskel- Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 439 fasern liegen, meist nur wenige, bis zu einem Dutzend Zellen zäh- lend, die sich gewöhnlich wieder in Längsreihen den Gefässadven- titien anordnen. Gleiches kann man auch in verschiedenen Skelett- muskeln, besonders beim Schwein, seltener beim Menschen antreffen ; während auch beim Letzteren die Subcutanmuskeln, besonders die des Gesichts, ja bekanntlich die Fettdurchwachsung ebenfalls und zwar oft in einem äusserst hohen Grade aufweisen. Das Interstitial- gewebe der Skelettmuskeln zeigt im Ganzen nur bei starker Mästung Neigung zur Aufnahme grösserer Fettmengen, und bei Nagern und Carnivoren scheint solche hier überhaupt nicht einzutreten. Den eben verzeichneten Stellen, wo Fettgewebe ausser Zu- sammenhang mit den Hauptfettlagern vorkommt, lassen sich nun noch eine Menge anderer anreihen. Es wird Vielen längst bekannt sein, dass in der Submucosa des Nahrungsschlauches an verschie- denen Stellen Fettzellen sich finden, fast immer übrigens, ohne zu- sammenhängende grössere Lager zu bilden. Und vollends in dem Interstitialgewebe in der Tiefe der Körpermasse giebt es zahlreiche Stellen — ich nenne das Gewebe um die Beckeneingeweide, in den Mediastinen, in den Intermuscularsepten, auch selbst das in die drüsigen Organe mit den Gefässen eindringende Bindegewebe — an welchen sich bald grössere Massen, bald kleine Inseln von Fett- gewebe finden, ohne jeden anatomischen Zusammenhang mit den continuirlichen Fettlagern der Unterhaut, des Mesenteriums oder der Nierengegend, an Gefässen von durchaus anderem Ursprung und anderer Bestimmung gelegen, als sie die »eigenen« Gefässe der Letz- teren haben. Es wäre ein sehr umfangreiches, aber auch wohl wenig dankbares Geschäft, mit genauer Erforschung aller solcher Stellen eine vergleichende topographische Anatomie des Fettgewebes zu schreiben und damit die Unzahl von einzelnen, von einander isolirten Fettorganen zu bestimmen, welche man, wenn man Toldt’s Anschauung folgen wollte, anzunehmen genöthigt wäre. Ich begnüge mich daher mit diesen Andeutungen und fasse zusammen, was sie lehren. — Das normale'), verstreut-insuläre Vor- 1) Ich merke hier ausdrücklich an, dass es sich bei diesen Angaben über das insuläre Vorkommen von Fettgewebe nicht um einzelne Befunde, sondern um das Gesammtergebniss allmähliger Untersuchung bei jetzt mehr als 80 Säugethieren handelt; und zwar sowohl bei Thieren, die normal und gut genährt oder gemästet, als bei solchen die mittelmässig genährt, oder atrophisch waren. Ersteres schliesst aus, dass das isolirte Fett in den Mus- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 29 440 W. Flemming: kommen von Fettzellenhaufen und -Strängen an Gefässen, welche unzweifelhaft ihre Function nicht blos in der Anlage und Ver- waltung dieses Fettes, sondern hauptsächlich in der Ernährung von epithelialen oder drüsigen Organen und Muskeln haben, — ferner an den grösseren Blutbahnen, welche nur Zuleitungsröhren zu den Organen der Haut oder zu anderen sind — bewährt, wie mir scheinen will, auf das Anschaulichste, dass zum morphologischen Begriff des Fettgewebes nicht »eigene« Blutgefässnetze gehören, dass Fettzellen bald an diesem, bald an jenem Gefässe anderer Bestimmung ent- stehen und leben können, wo die uns noch unbekannten Bedingungen zu ihrer Entwickelung gegeben sind. — Denn dass das » Fettgewebe« in den Strängen und Inseln ein anatomisch oder physiologisch anderes sei, als das in den Läppchen der Unterhaut oder der Nierenlager oder auch im Mesenterium, wird Niemand behaupten oder doch ver- treten können. Die Fettzellen sind an beiden Orten völlig gleich be- schaffen; die Fettstränge und, wo sie grösser sind, auch die Fettinseln haben, wie gesagt, zum Theil zwar keine eigenen Capillarschlingen, zum Theil aber besitzen sie solche, und der einzige Unterschied dieser in beiden Fälle bliebe, dass sie hier langestreckt und weitmaschig, in den Fettläppchen mehr eng- und rundmaschig sind: doch kommt, wie schon bemerkt, die erstere Form der Verzweigung stellenweise auch in den Läppchen vor. Ja es giebt auch Läppchen, in denen auf grosse Strecken nicht die einzelnen Fettzellen von runden Ca- pillarmaschen umgeben sind, sondern in Reihen geordnet liegen, welche zu je 4—5 nur einer langen Capillarröhre, oder selbst gar keiner solchen angeordnet sind (vergl. Fig. 1, Taf. XIX, aus dem menschlichen Subeutanfett des Gesässes. Solche Stellen finden sich nicht etwa blos bei atrophischen Individuen, wie in dem gezeich- neten Fall, sondern auch bei gesunden). keln, an den Haarbälgen etc. etwa nur locales Ueberbleibsel von continuir- lichen, mit dem Subcutanfett zusammenhängenden Lagern sein könnte, welche durch Atrophie gelichtet wären; Letzteres macht die Annahme unmöglich, dass man es umgekehrt mit Resultaten einer Uebermästung zu thun habe, eine Annahme, welche Toldt (l. c. p. 451) verwerthen wollte, um gegenüber den sicheren Fällen, in denen man Bindesubstanzzellen in Fettzellen sich umwandeln sieht, doch die Besonderheit des Fettgewebes aufrecht zu halten. — Ich darf behaupten, dass das hier beschriebene Verhalten sowohl »unter streng physiologischen Bedingungen«, als auch ausserdem unter abnormen zu beobachten ist. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 441 Zu jenen Bedingungen für die Entwicklung von Fettzellen an irgend einem Orte des Körpers gehört nun aber nicht einmal durchaus die unmittelbare Nachbarschaft von Blutgefässen. In diesem Punkt habe ich meine früheren Angaben (2, 4.) zu corrigiren, in welchen ich, ebenso wie Toldt (l. c. p. 451) die Entwicklung von Fettzellen absolut an die Blutgefässe binden zu müssen glaubte. Ein solches Verhalten ist, wie gesagt, durchaus als Regel zu be- trachten; ich fand aber folgende Abweichungen von demselben: Erstens kommt es bei dem sehr starken und raschen Fett- ansatz, der im Unterhautgewebe bei Säuglingen und bei Em- bryen älteren Datums stattfindet, häufig, bei älteren gemästeten Thieren seltener vor, dass neben den jungen Fettläppchen, in denen die Gefässsprossung gleichzeitig mit der Fettablagerung in den Zellen fortschreitet, einzelne Gruppen von jungen meist längsgereihten Fett- zellen auftreten, ohne irgend welche Blutgefässe neben oder zwischen sich), und ohne eine Gefässverbindung mit den nächst benach- barten Fettläppchen zu haben; dabei oft so weit von dem letzteren entlegen, dass sich am ÖOedempräparat 3—5 Reihen von fettlosen Bindegewebszellen mit den zugehörigen Fibrillen zwischen beiden befinden (Fig. 3, vergl. deren Erklärung). Da solche Beobachtungen mit Genauigkeit nur an Oedempräparaten (Leiminjection und Schnitte) gemacht werden können, so könnte der Verdacht entstehen, dass eine Gefässverbindung mit dem nächstliegenden Fettläppchen doch bestanden habe, aber nicht mit in den betreffenden Schnitt gefallen sei. Dieser Verdacht lässt sich aber ausschliessen: in vielen meiner bezüglichen Präparate, so wie auch in dem gezeichneten, waren die Schnitte absichtlich so dick gemacht, dass bei höherer resp. tieferer Einstellung sowohl über, als unter dem gefässlosen jungen Neben- läppchen (bei b) noch fettlose Bindegewebszellen zu erkennen sind, ein Beweis, dass dasselbe ganz und gar im Schnitt liegt. Besonders häufig ist derartiger Ansatz gefässloser Fettheerd- chen bei säugenden Nagethieren, namentlich Kaninchen; seltener fand ich ihn bei Carnivoren?). Da man aber im Subcutangewebe des Er- 1) In Fig. 3, Taf. XIX, die dies Verhalten zeigt, ist zur weiteren De- monstration ein Häufchen gewählt, von welchem schon eine Capillarsprosse auswächst. Es kommen aber viele zur Beobachtung, die noch keine Spur von solchen zeigen. 2) In denselben Fällen kommt auch eine entsprechende Abweichung von dem sonst gültigen Gesetz vor, dass die Fettfüliung der Zellen immer 449 W. Flemming: wachsenen, auch bei jenen Thieren, niemals auch nur entfernt ın solcher Verbreitung gefässloses Fett antrifft, wie beim Säugling oder Fötus, so ist es schon deshalb selbstverständlich, dass jene gefäss- losen Fettinseln später zum bei weitem grössten Theil doch vasculari- sirt werden. Diese Vaseularisation lässt sich ausserdem hier und da noch in ihrem Beginne beobachten: sie geht, wenn nicht immer so doch jedenfalls häufig, von dem isolirten Läppchen selbst aus. Vielfach sieht man, wie in dem Object der Fig. 3, jüngste Capillar- sprossen von diesem ausgehen, ohne noch in Verbindung mit den Gefässen der nebenliegenden Läppchen zu sein. Wir haben hier also eine insuläre Gefässbildung, wie im embryonalen Gewebe; dass solche auch an den Gefässen des Mesenterium beim geborenen Thier vorkommt, hat kürzlich Ranvier (s.u.) mitgetheilt. Ob der Ausgangspunkt der Capillarsprossung in diesem Fall in den, zwischen den jungen Fettzellen gelegenen Bindegewebszellen zu suchen ist, muss ich dahingestellt lassen. Es kommen nun aber, zweitens, auch beim Erwachsenen in seltenen Fällen theils einzelne Fettzellen, theils Gruppen von 2—6 solchen vor, von den vascularisirten Läppchen entlegen und ohne alle zugehörigen Blutgefässe. Am Leichtesten und Unzweifel- haftesten lassen sich solche Befunde am Omentum machen, an dem sie mir bis jetzt bei der Katze und beim Kaninchen, in sehr einzelnen Fällen auch beim Menschen, aufgestossen sind. Fig. 5 und 6 stammt von dem gitterförmig durchbrochenen Omentum der Katze: hier wo am tingirten Object jede Zelle und vollends jedes, wenn auch collabirte erst neben bereits gebildeten, oder eben in Bildung begritfenen Blutgefässen beginnt. An vielen jungen, wachsenden Fettläppchen liegen hier nämlich junge Fettzellenformen nicht nur an den Gefässen, sondern,. im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verhalten (s. No. 4, pag. 48 ff.), auch in dem noch nicht vascularisirten Umfang des Läppchens, oft in mehreren Reihen nebeneinander. Hierauf ist es ohne Zweifel zu beziehen, dass Czajewicz (l), welcher vor- wiegend neugeborene oder säugende Kätzchen und Kaninchen untersuchte, die Fettfüllung der Bindegewebszellen stets centrifugal von dem schon fertigen Fettgewebe ausgehen liess, und damit die richtig beobachtete Aus- nahme zur Regel erhob. Denn in der letzteren erfolgt die Fettzellenbildung auch hier meistens an den Gefässen im Inneren derLäppchen, dann allerdings auch örtlich sehr rege an solchen Stellen, wo Gefässsprossen über den Um- fang desselben hinauswachsen. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 445 Capillargefäss aufs deutlichste erkennbar ist, kann kein Zweifel sein, dass die Fettzellen wirklich ohne Gefässnachbarschaft, die um- gebenden Balken ohne alle zuführende Capillargefässe sind. Aber auch im subeutanen und cutanen Gewebe kommen solche Befunde einzeln sicher zur Beobachtung. Endlich will ich, als ganz ungewöhnlich, zwei Fälle verzeichnen, in denen im erwachsenen Körper eine grössere Anzahl von zusammen- gehäuft liegenden Fettzellen, einmal 20—25, das andere Mal 15, isolirt vom übrigen Fett im Subcutangewebe ohne alle Blutgefässe gefunden wurden. Der erstere Fall (Kaninchen) betraf ein Thier, welches sehr lange durch schlechte Ernährung atrophirt und dessen Fettzellen schon fast entleert, serös waren, aber durch Form und Inhalt an Fetttröpfchen wohl kennbar waren; der zweite eine mensch- liche Leiche (Tuberculose) mit atrophischen, aber noch ziemlich fett- gefüllten Zellen. Verhältnissmässig selten und ausnahmsweise, wie die letzter- wähnten Befunde genannt werden müssen, zeigen doch auch sie neben den vorher angeführten, dass Fettzellen und Haufen von solchen im Bindegewebe vorkommen können, ohne das Attribut eines Gefässnetzes, das man dem Fettgewebe als unerlässlich hat zutheilen wollen. Die eventuelle Behauptung, dass »sie unter streng physio- logischen Bedingungen nicht vorkommen, sondern unter den Begriff der Mästung fallen« (Toldt), würde sich freilich weder stützen noch entkräften lassen; ich halte mich nur daran, dass die Fettzellen selbst in diesen Fällen gerade so aussehen und sich bei der Atrophie so verhalten, wie diejenigen in den vascularisirten Läppchen, und jeden- falls also nicht als eine besondere Sorte von Fettzellen registrirt werden können. Die zweite, im Eingang erwähnte Frage, die nach einer mor- phologischen Abgrenzung des Fettgewebes gegen seine Umgebung, ist erklärlicherweise von denjenigen Forschern, die dies Gewebe als integrirenden Bestandtheil des Bindegewebes ansahen, meistens über- haupt nicht aufgeworfen worden. Näher hätte sie denen gelegen, welche ‚dasselbe als etwas anatomisch und physiologisch Besonderes auffassen ; doch auch von diesen Seiten findet sie sich nicht in Betracht gezogen. Die einzige Angabe, die meines Wissens in dieser Hinsicht vorliegt, stammt von Dursy (Henle’s und Pfeufer’s Zeitsch. f. rat. Med. N. F., VI, p. 339), welcher den Fettläppchen der Planta eine 444 W. Flemming: membranöse Umhüllung und dieser eine epitheliale Bekleidung zuschreibt. Er fand, nachdem er hier die Fettläppchen aus ihren Fascientaschen herausgeschält und die letzteren mit dem Scalpell ausgeschabt hatte, in den so erhaltenen Gewebsfetzen Zellen, die er als Epithelien ansah. Eine derartige Präparationsweise, in der da- maligen Periode der Histiologie wohl entschuldbar, kann jetzt gewiss auf Beweiskräftigkeit keinen Anspruch machen: es können einfach Bindegewebszellplatten, oder vielleicht atrophische Fettzellen gewesen sein, was auf solchem grobmechanischem Wege erhalten wurde. Immerhin schien mir, besonders mit Rücksicht auf die neueren Angaben Klein’s (7), eine nähere Prüfung der Sache von Interesse. Es wurden von möglichst frischen menschlichen Leichen (7 und 9 Stunden p. m.), Stücke des Sohlenfettes mit der Haut mit einer scharfen Scheere, um nichts zu verzerren, ausgeschnitten und sofort zum Gefrieren gebracht; dann Serien von etwas dicken Schnitten, parallel der Oberfläche oder etwas schief, durch das Plantarfett ge- legt und im Dunkeln mit theils halb- theils Iprocentiger Silberlösung verschieden lange Zeit durch imbibirt, dann am Licht reducirt. In vielen derselben lag natürlich die Oberfläche von Fettlappen auf Strecken weit flächenhaft oder schief im Schnitt; man konnte, wenn diese Oberfläche, oder wenn die Fläche der einkapselnden Bindege- webstasche ein Endothel trug, erwarten, ein solches dargestellt zu sehen, und um so mehr, als hie und da in Lymphgefässen, welche gerade in den Schnitten lagen, das Endothel gut und kenntlich ab- gegrenzt war. Es zeigte sich aber nirgends etwas von einer en- dothelialen Umhüllung der Fettläppchen, und ich nehme noch vielen derartigen, stets negativ ausgefallenen Versuchen ruhig an, dass eine solche nicht existirt. Ebenso waren die Resultate an anderem Fett (Nierengegend, Subcutanfett beim Kaninchen und Hund, wo unmittelbar post mortem versilbert wurde). Ueber den Bau und die histiologischen Bestandtheile des Fett- gewebes sind die vorhandenen Angaben spärlich und kurz. Gewöhn- lich pflegt man nur des Gefässnetzes und der »in seine Maschen eingelagerten« Fettzellen Erwähnung zu thun. Von Toldt (l. c.) werden ausserdem Lymphgefässe notirt (vergl. unten). Virchow (Cellularpathologie 1871, p. 406) gedenkt einer ausserdem darin vorhande nen »meist geringen Menge von Intercellularsubstanz«, welche Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 445 namentlich in der Atrophie in faserig-schleimiger Form zum Vorschein komme. Frey hat offenbar erkannt, dass diese Substanz fibrillärem Bindegewebe gleichwerthig ist, wie aus seiner kurzen An- gabe (Handb. 1874, p. 204) hervorgeht: »das Bindegewebe zwischen den Fettzellen eines Häufchens trete oft sehr zurück«. So weit es nicht in der letzteren Aeusserung enthalten ist, finde ich nirgends von anderer Seite erwähnt, dass intralobulare Bindegewebszellen in grosser Zahl einen ständigen Bestandtheil der Fettläppchen aus- machen; ich selbst habe früher zwar verschiedentlich von diesem Befund, wie überhaupt von dem Bindegewebe der Fettläppchen ge- sprochen, aber versäumt ihn hervorzuheben und zu präcisiren. Heute, wo die description Histiologie, insbesondere die der Binde- substanzen, an anderen Geweben so sehr in’s Detail zu gehen be- ginnt, ist es wohl an der Zeit auch der Bindesubstanz in den Fett- lagern eine nähere Beschreibung zu gönnen. Sie gehört entschieden zum leimgebenden fibrillären Bindege- webe. An frisch entnommenem, nicht-atrophischem Fettgewebe oder an Schnitten von Härtungspräparaten, wo die Fettzellen enganeinandergedrängt liegen, gelingt es fast nie von diesen Bestandtheilen etwas zu sehen: sind doch bei solchem Verfahren meist nicht einmal die Capillarnetze zu unterscheiden. Schon bei atrophischem Fett jedoch — welches übrigens an sich schon gewöhn- lich mehr oder weniger ödematös ist) — und noch bequemer bei stärkerem natürlichem oder künstlichem Oedem, sind Fibrillenbündel und Zellen in den Läppchen, zwischen den Fettzellen, leicht zu beobachten (Fig. 2, s. deren Erklärung, und 15). Die ersteren sind jedoch stets spärlich, fehlen in manchen Läppchen, namentlich grösseren und älteren ganz, und sind in der Peripherie im Ganzen zahlreicher wie in der Mitte; nur wo die grösseren Gefässstämme des Läppchens liegen, constituiren sie zunächst deren specielle Ad- ventitia und dann noch einen mehr lockeren Mantel um diese her. Mit diesen eircumvasculären Fibrillenbündeln sowohl, als auch mit denen des Bindegewebes welches das Läppchen umgibt, stehen die intralobularen Fibrillen in oft leicht verfolgbarem Zusammenhang, 1) Dieses, an Fettschwund begleitende Oedem ist die Ursache, dass atro- phisches Fett für das blosse Auge ein gallertiges Ansehen hat; darauf be- zieht sich die Aeusserung Virchow’s (Cellularpathologie a. a. O.) »das atro- phirende Fettgewebe wandele sich im Schleimgewebe um.« 446 W. Flemming: und verhalten sich gegen Säure, wie sie, Wo Fibrillen sind, werden wir natürlich auch die Kittsubstanz des übrigen Bindegewebes er- warten können; doch wird sie in den eigentlichen Fettläppchen sehr spärlich sein, da hier wenig Platz für sie bleibt. Elastische Fasern habe ich mit Sicherheit nur in der Nähe der Läppchengefässe ge- funden. Die intralobularen Bindegewebszellen sind dagegen ganz constante und wesentliche Bestandtheile des Fettgewebes, doch ist ihre Menge sehr variabel: oft, und zwar auch bei wohlgenährten Individuen, mit vollen Fettzellen, selbst sehr bedeutend grösser als die Menge der letzteren, und schwerlich jemals geringer. Sie zeigen sich im Allgemeinen so geordnet, dass ihre Kerne ziemlich gleichmässig zwischen den Fettzellen vertheilt liegen. Ihre Formen, und ihre feinere Topographie den anderweitigen Elementen des Läpp- chens gegenüber können natürlich an Oedempräparaten so wenig sichergestellt werden, wie dies für die Zellen des fettlosen Binde- gewebes möglich ist: sie erscheinen, wie diese, als spindel- oder sternförmige Körper oder als aus dem Zusammenhang gerissene, geknitterte und in Ausläufer ausgezogene Platten (Fig. 2, 12, 15). Nur eine Eigenschaft dieser Zellen ergiebt sich schon an Oedem- präparaten aufs Sicherste: ihr substantieller Zusammen- hang mit den Fettzellen. Ebenso nämlich, wie man die Zellenplatten im fettlosen Gewebe vielfach durch Ausläufer zusammenhängen sieht (vergl. 4, pag. 41 u.a.), so kann man an jedem gutgefärbten Leimoedempräparat constatiren, dass die intralobularen Zellplatten bald mit einem, bald mit mehreren der Fortsätze, in welche ihre Substanz durch die Einspritzung aus- gezerrt ist, in das Plasma einer oder mehrerer Fettzellen auf das Unzweifelhafteste übergehen (Fig. 1, 10, 11, 12, ab). Die ersten Beobachtungen dieser Art habe ich bereits früher (6 pag. 9) mitge- theilt; seitdem wurden sie hundertfach wiederholt und sind in der That ohne alle Schwierigkeit zu machen, am leichtesten aber natür- lich an atrophischem Gewebe, wo die Fettzellen verkleinert und deren Plasma zusammengedrängt ist (Fig. 10, 11, 16). — Anderer- seits findet man aber auch die unzweideutigsten Zusammenhänge der intralobularen Zellen mit den Aussenwänden der Capillargefässe im Läppchen. Es versteht sich nun von selbst, dass die eben besprochenen Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 447 Zusammenhänge !) und die Bilder der beigegebenen Figuren nicht den natürlichen Situs, sondern einem durch das Oedem halbwegs zerrissenen Zustand des Gewebes entsprechen. Auch so können sie zunächst immerhin lehren, dass Fettzellen, intralobulare Bindege- webszellen und Capillaren in irgend einer Continuität mit einander sind, und dass also jedenfalls nicht daran zu denken ist, es seien die Fettzellen etwa ganz frei in Lücken eines Stützgerüstes hineingelagert. Fragt man aber nach dem genaueren, natürlichen Situs dieser Theile, so lässt er sich sehr ein- fach verstehen unter Heranziehung der Bilder, welche ich im ersten Abschnitt dieser Beiträge (Siehe den vor. Artikel) mitgetheilt habe und welche unzerrissen -injieirte Partien der Bindegewebslacune darstellen. Wo in den Präparaten, welche diesen Bildern zu Grunde liegen, atrophische Fettzellen sich befinden, da ist das Verhalten ohne Weiteres klar (hier Fig.7. 8, Taf. XIX): die Fettzellen sind eben einfach Glieder der zelligen Lacunenwand, kernhaltige Territorien derselben, welche durch Fettansammlung aufgebläht waren, es ist also natürlich, dass sie mit den übrigen, fettlosen Territorien in der natürlichen Lage ein Continuum bilden und, wenn der Zusammen- hang durch Oedem zerrissen wurde, hie und da durch stehenge- bliebene und ausgezerrte Brücken mit denselben in Verbindung bleiben (Fig. 16, S u. a.). Es stimmt das vollkommen zu der Auf- fassung, welche ich nach der Entwicklungsgeschichte der Fettzellen (4) für berechtigt halten muss: die letzteren sind fetthaltig gewordene Bindegewebszellplatten, zwischen ihnen befinden sich, als intralobulare Zellen, diejenigen in welchen keine Fettbildungerfolgt ist, aber je nach dem Ernährungszustand noch-erfolgen kann; und aus letz- terem Grund ist eben die Menge der fettlosen intralo- bularen Zellen eine wechselnde. Bilder also von leichten Oedemen, wie sie die Fig. 2 (und 15 an mehreren Stellen) zeigt, in welchen es aussieht, als ob die intra- lobularen Zellen als spindel- oder sternförmige verästelte Körper die Fettzellen umlagerten und umkränzten, sind für gewöhnlich 1) Da Anastomose bekanntlich Mündungsaustausch heisst, so sollte dies Wort nur für Gefässzusammenhänge, nicht für Verbindungen von Nerven, Zellen etc. angewandt werden und ich vermeide es hier darum gänzlich. 448 W. Flemming: nur darauf zu beziehen, dass der gerade gesehene, optische Durch- schnitt einer halbwegs losgerissenen, aber ihren Situs gegenüber den benachbarten noch im Ganzen bewahrenden Zellplatte eine der- artige, spindel- oder sternartige Scheinform besitzen muss. Damit erklären sich zugleich auch die sehr häufigen, auf den ersten Blick überraschenden Befunde, in denen ganze, oft sehr lange und vielgliedrige Reihen von Fettzellen vorliegen (Fig. 1, 2, 17a Taf. XIX). Eine Zelle hängt fest an der andern; manchmal findet sich statt einer Fettzelle auch eine fettlose Intralobularzelle eingeschaltet (Fig. 1, 11). Es sind hier auf eine Strecke weit alle Bindegewebs- zellplatten der Lacunenwand in Fettzellen umgewandelt worden und durch die Fettfüllung so weit ausgedehnt, dass zwischen je zweien keine fettlose Substanz der Lacunenwand mehr übrig geblieben ist. Denken wir uns in Fig. 7 in den drei atrophischen Fettzellen, und in der zwischenliegenden fetthaltigen Zellplatte rechts oben die Fett- füllung so stark, wie sie im normal genährten Körper sein könnte, so dass auch die zwischenliegenden Theile der Zellplattendecke über den Fibrillen mit durch Fett aufgebläht wären, so würden wir eine viergliedrige Reihe der Art erhalten. Merkwürdig ist es, dass in solchen Reihen die Kerne der Fettzellen denjenigen Polen genähert zu sein pflegen, welche an anderen Zellen haften (s. Fig. 1). Es kommen jedoch bei atrophischem Fettgewebe, besonders nach langem Hunger, wie auch bei solchem, welches längere Zeit sich unter dem Einfluss künstlicher Entzündungsreize befunden hat, intralobulare Zellen vor, welche wirklich stern- oder spindel- förmig, nicht abgeplattet sind, und zwar oft in ziemlicher Menge. Ich stelle eine solche in Fig. 14d dar, auch mehrere der gelbge- füllten Zellen in Fig. 16 gehören hieher. Bei gutem Licht und genauer Beobachtung mit Hartn. S oder 9 bleibt kein Zweifel, dass ihre Körper wirklich nirgends Reste von abgerissenen plattenartigen Fortsätzen aufweisen, dass sie drehrund oder von eckigem Querschnitt, jeden- falls nicht in einer Dimension erheblich minder dick wie in den anderen sind. Sie sind oft, wie die anderen Interstitialzellen, durch- lagert mit den secundären Fetttröpfchen, von denen dieser Abschnitt noch zu handeln hat. Ihre Ausläufer stehen vielfach deutlich mit der Substanz von entschieden abgeplatteten Intralobularzellen, sowie andererseits mit Fettzellen oder Capillarenwänden in Verbindung. Für die Deutung dieser Gebilde, die in normalem Fettgewebe wohlgenährter Thiere nicht, oder doch nur recht vereinzelt Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 449 zur Beobachtung kommen, scheinen mir zwei Möglichkeiten vorzu- liegen. Entweder sind es Fettzellen, die langsam, auf dem Wege der »einfachen Atrophie« (s. 11) ihr Fett wieder eingebüsst haben, so dass das Plasma, ohne eine Aushöhlung und Füllung mit Flüssig- keit, eine Umwandlung zur »serösen Fettzelle« zu erleiden, dem all- mählichen Schwund des Inhalts gefolgt ist; dabei aber nicht überall in Continuität mit den angrenzenden Zellterritorien blieb, sondern sich strangartig von ihnen abhob. In den eben erwähnten, seltenen Fällen, wo solche Elemente auch einmal im nicht-atrophischen Gewebe vorkommen, können sie immerhin ZResiduen einer früher vor sich gegangenen einfachen Atrophie sein. — Es ist aber auch denkbar, -. dass diese Gebilde ursprünglich fettlose, intralobulare Zellplatten gewesen sind, welche sich unter den — unbekannten — histiochemischen Einflüssen, die Atrophie oder Ent- zündung in den Läppchen setzt, zu jenen Formen umgestaltet haben. Wem dies etwas abenteuerlich klingen sollte, den erinnere ich daran dass, wie Ranvier und ich nachwiesen, bei Entzündungs- processen im Bindegewebe an Orten, wo sonst nur Zellplatten vor- kommen, die Elemente oft die Formen exquisiter drehrunder Spin- deln, oder verästelter Körper annehmen (Nr. 6, pag. 15, 16, Fig. 5 Taf. XX). Die oftmalige Fetthaltigkeit solcher Stern- und Spindel- zellen würde auch bei dieser letzteren Annahme nichts besonders Merkwürdiges haben, da, wie unten gezeigt werden soll, im stark atrophischen Fettgewebe oft sämmtliche intralobulare Zellplatten mit Fetttröpfchen imprägnirt sind. — Ich bin für jetzt nicht in der Lage, zwischen den beiden Möglichkeiten eine Entscheidung zu treffen. Jedenfalls können intralobulare Zellen vonsolchen reinen Stern- und Spindelformen nicht als ein normaler Befund angesehen werden. Ehe ich die interstitiellen Bindesubstanztheile der Fettläppchen verlasse, will ich noch darauf hinweisen, dass gerade ihre Beschaffen- heit geeignet ist den von anderer Seite versuchten Vergleich des Fett- gewebes mit Drüsengewebe in morphologischer Hinsicht ebenso bedenklich zu machen, wie er es in entwicklungsgeschichtlicher ist. Es giebt meines Wissens keine Drüse, in welcher das intra- lobulare Stützgewebe der Läppchen letzter Ordnung leimgebendes Gewebe wäre, in welchen collagene Fibrillen bis an und zwischen die Drüsenzellen selbst hinreichten; stets finden wir hier in den wahren Drüsen spongiöse Bindesubstanz 1). 1) Als fraglich könnte hier höchstens die Bindesubstanz erscheinen, 450 W. Flemming: Grössere Nervenstämme, wo man sie mit Gefässen durch Fettläppchen oder zwischen solchen verlaufend findet (vergl. Toldt l. e. Fig. 1, und meine Fig. 1, Abschn. I dies. Beitr.), gehören nicht den Letzteren selbst an, sondern ziehen wie jene grösseren Blutgefässe zur Haut oder zu anderen Organen. Die Nervenzweige, welche von ihnen abzweigend in die Fettläppchen oder Fettstränge selbst treten, sind stets schwach und spärlich. Ich halte sie alle lediglich für Vasomotoren. An gutgefärbten Oedempräparaten lassen sich vielfach ihre feinsten Ver- zweigungen (wie ich deren mehrere in früheren Arbeiten 1. c. gezeichnet habe) so scharf wie nach Vergoldung wahrnehmen und bis an die Wände kleinerer. Gefässe, auch Capillaren, verfolgen. Nie sah ich dagegen, bei vielem Suchen, solche Aestchen sich an Fettzellen anlagern. Durch Goldimprägnation des Fettes in situ, wo Alles eng aneinandergedrängt liegt, lässt sich selbstverständlich über diesen Punkt nichts ermitteln; Vergoldungen von Oedemen sind mir bisher nicht gelungen. Es ist mir schon nach der geringen Zahl der in die Läppchen tretenden Nerven durchaus unwahrscheinlich, mindestens wird es durch nichts befürwortet, dass die Fettzellen oder die intra- lobularen Bindegewebszellen in irgend einem Zusammenhang mit Nerver stehen sollten. Ich gelange schliesslich zu der Frage, ob dem Fettgewebe eigene Lymphgefässe zukommen, und muss mich mit ihr, nament- lich im Hinblick auf die Arbeiten Klein’s (8) etwas eingehender beschäftigen. Erwähnt ist der Gegenstand sonst meines Wissens nur bei Toldt (l. ce. p. 452), welcher kurz angiebt, dass »das Fettgewebe auch Lymphgefässe besitze«, welche er namentlich bei Fischen im Mesenterium injieirt gesehen hat; genauere Kenntniss über dieselben konnte er sich nach eigener Angabe nicht verschaffen. Andere Au- toren und die Handbücher haben bisher über Lymphgefässe des Fettes geschwiegen. Darum konnte es wohl Wunder nehmen, dass vor zwei Jahren Klein (l. ce.) mit der Ansicht auftrat, das Fettgewebe selbst gehöre zum Lymphgefässsystem und sei umgewandeltes lym- phatisches Gewebe (lymphangial tissue). Zu dieser eigenthümlichen Anschauung ist Klein, soviel mir deren Existenz in der neuesten Zeit (Asp, Fleischl) in den Leberläppchen wahrscheinlich gemacht worden ist. Sollte sie aber auch einen faserigen Bau haben, so bleibt es doch vorerst ungewiss, ob sie leimgebend ist. wo A I u ae Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 451 scheint, nur dadurch gelangt, dass er sich bei seinen Studien fast allein auf das Omentum und Mesenterium beschränkt hat. In seine schöne und anschauliche Beschreibung dieser Theile und speeiell ihrer Lymph- bahnen setze ich keinerlei sachlichen Zweifel und würde, — auch wenn ich mich davon nicht durch eigene Untersuchung überzeugt hätte — ohne Weiteres anerkennen, dass im Omentalfett und Mesen- terialfett zahlreiche Lymphröhren, K lein’s Beschreibung entsprechend, verlaufen, welche wohl gewiss zum Theil ihr Wurzelgebiet in diesem Fettgewebe selbst haben werden. Nur wünschte ich, dass Klein mit derselben Sorgfalt, die er dem Mesenterium zugewendet hat, und mit den geeigneten Methoden auch einmal etwas subcutanes, eircumvenales oder überhaupt interstitiales Fett in Betracht gezogen hätte: er würde sich dabei überzeugt haben, dass die Läppchen und Stränge dieser Fettlager, welche doch dem Mesenterialfett gegenüber die ungeheure Hauptmasse im Körper ausmachen, zum weitaus grössten Theil überhaupt keine eigenen.Lymphgefässe be- sitzen — ein Umstand, der für Klein’s Anschauung wohl mehr als bedenklich ist. Dass überhaupt bei dem subeutanen und interstitialen Körper- fett die histiologischen und histiogenetischen Verhältnisse anders liegen wie am Omentum und Mesenterium, dass am letzteren die Fettentwicklung Eigenthümlichkeiten besitzt, habe ich schon in meiner ersten bezüglichen Abhandlung (4 pag. 63 ff., Fig. 10, Taf. XVII) hervorgehoben, und dort auch schon dieselben Dinge, die Klein jetzt unter dem Namen »Iymphangial patches tracts and nodules«, Ranvier (9) nach ihm als »täches laiteuses« als etwas Neues be- schreibt, kurz geschildert und abgebildet; nur dass ich dafür bloss die Bezeichnung »zellenreiche Adventitien der Blutgefässe« und Zellen- anhäufungen brauchte. Ebenso theilte ich dort (p. 63) bereits mit, dass in diesen Strängen und Haufen zwei Formen von Zellen, stern- und spindelförmige (fixe) und rundliche vorkommen; endlich, dass in den Anhäufungen und zwar hauptsächlich auf Grundlage der ver- ästelten Zellen, Fettgewebe sich bildet. In dem Allen befinde ich mich in der erfreulichsten Uebereinstimmung !) mit Klein, welcher, wie es scheint, ohne von jenen Angaben Kenntniss genommen zu haben, 1) Nur will ich bemerken, dass auch in den anderen runden Zellen der Traets und Nodules Fettfüllung vorkommt, wenn schon nicht im gleichen Maassstab, wie in den verästelten. 452 W. Flemming: eine viel speciellere und sorgfältigere Untersuchung der betreffenden Gebilde vornahm. Aber keineswegs kann ich Klein zustimmen, wenn er auf seine fernere Beobachtung hin, dass die Tracts und Nodules grossentheils Lymphgefässen anliegen, dass ihre Spalträume mit diesen communieiren, und dass andere derselben sogar in Lymph- bahnen sich entwickeln — nicht nur das Fettgewebe, welches aus den Tracts entsteht, sondern sogar das Fettgewebe überhaupt zum Lymphgefässsystem rechnen will. Ein solcher Schluss von der Pars auf das Totum, von der Ausnahme auf die Regel kann um so mehr Wunder nehmen, da das anscheinend einzige Object, an welchem Klein sonst noch die Fettgewebsentwicklung studirt hat, das in- fraorbitale Gallertgewebe der Nagethiere, gar keine Aehnlichkeit mit den Zellenhaufen und Knoten des Omentum zeigt und demnach ge- rade vom Generalisiren hätte abmahnen können. Dies Gewebe ist, wie Kleins eigne vortreffliehe Beschreibung (p. 21 fi.) bewährt und wie er selbst (p. 24) ausdrücklich bemerkt, ganz so beschaffen wie alles junge Fibrillärgewebe des Embryon, — es ist gewisser- maassen ein local bis über die Geburt ausdauerndes Ueberbleibsel foetalen Bindegewebes. Es hat dieselben Bestandtheile: Zellplatten, Fibrillenbündel, einzelne freie Zellen und mucinhaltige Zwischen- flüssigkeit; dass Lymphgefässe überhaupt darin vorkommen, erwähnt Klein nicht; mit einem Tract oder Nodule lässt sich dasselbe, schon wegen seines viel geringeren Zellenreichthums, durchaus nicht vergleichen; die Fettzellenbildung geht in ihm ganz in derselben Weise vor sich, wie überhaupt im embryonalen Bindegewebe (vergl. 4), in welchem an der grossen Mehrzahl der jungen Fettanlagen nicht einmal die Anfangsspuren von Lymphgefässen zu finden sind. — Aber auch beim Säugling oder beim erwachsenen gemästeten Thier findet man, wo man im Subcutan- oder Interstitialgewebe die Fett- läppchenbildung untersuchen mag, nirgends Dinge, welche mit den Verhältnissen am Omentum, wie sie Klein beschreibt, identisch wären. Man findet keine so massige Zellenanhäufungen wie in den Strängen und Knoten der letzteren, man findet vor Allem an den jungen Fettanlagen meistens nichts von Lymphgefässen, und, wie gesagt, es kann für das Säugethier als Regel gelten — wofür Ausnahmen zuzulassen sind — dass das subcutane und interstitiale Fett gar keine eigenen wirklichen Lymphgefässe besitzt. Die subcutan gelegenen Lymphröhren verlaufen grösstentheils mit den Blutgefässstämmen, welche schräg zur Cutis aufsteigen, und Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 453 da letztere von den Fettsträngen begleitet werden und die Aeste für die Fettläppchen abgeben, und an fettreichen Stellen oft selbst zwischen den Läppchen eingebettet liegen, so kommen da allerdings auch die Lymphgefässe mit diesen in Berührung; aber sie gehören nicht zu ihnen. Niemals habe ich bei allem Suchen Aeste dieser Lymphbahnen gefunden, die sich in das Fettgewebe selbst auflösten. Dabei muss nun noch betont werden, dass die subeutanen Lymph- röhren viel spärlicher sind, wie die Blutgefässe, so dass im Grossen und Ganzen auf je 5—6 Arterien- und Venentracte nur je einer kommt, der von einem oder mehreren Lymphröhren begleitet wird. Das Fett, welches die übrigen versorgen, bleibt an sich sogar ohne directe topographische Beziehung zu Lymphbahnen. Ausserdem verlaufen vereinzelte Lymphgefässe auch ganz getrennt von den Blutbahnen durch das Subeutangewebe; aber auch sie ohne Ver- zweigungen im Fettgewebe. Ebensowenig ziehen sie Aeste direct aus dem fettlosen lockeren Subcutangewebe. Für ihr sonstiges Ver- halten, ihre wahrscheinlichen Wurzelgebiete und die angewandte Art der Präparation verweise ich auf den dritten, hier folgenden Abschnitt. Dass die injieirten, unregelmässigen Lacunen, welche ich an Fettsträngen der Unterhaut darstellen konnte und im ersten Abschnitt dieser Beiträge beschrieb, nicht für Lymphgefässe gehalten werden können, habe ich schon dort ausgeführt. Was aber würde nun Klein vollends mit den isolirten Fett- zellen und -Zellenhäufchen der Cutis, der Muskeln etc. machen wollen, von denen im Eingang dieses Abschnittes gehandelt wurde? Dass sie inselartig mitten im Bindegewebe liegen und in ihm entstanden sind, ohne dass irgend ein Iymphatischer Knoten oder Tract im Spiel gewesen, ohne dass ein Lymphgefäss ihnen benachbart ist, wird Niemand leugnen können. Wenn also für den überwiegend grössten Theil des Körper- fettes keine Beziehung seiner Anlagen zu Lymphgefässen, und nicht einmal das Vorhandensein der letzteren im fertigen Gewebe nach- gewiesen oder nachzuweisen ist, so kann man gewiss Niemandem zumuthen, ‚dasselbe im Allgemeinen als eine Dependenz des Lymph- gefässsystems anzusehen. Es müsste denn Klein seine Anschauung dahin ausdehnen wollen, dass er überhaupt das gesammte Bindege- webe als Spaltensystem mit zum lymphatischen System rechnen wollte; wogegen ich, in allgemeinem Sinne, nichts einzuwenden wüsste, | 454 W. Flemming: Was die Patches, Tracts und Nodules des Omentum angeht, so muss ich sie durchaus für dieser Localität eigene und eigenartige Bildungen halten, die ihres Gleichen im übrigen Säugethierkörper nicht haben und von denen aus sich also auch keine Schlüsse auf andere Gewebe ziehen lassen. Nachdem Klein gezeigt hat, dass ihre Interstitialräume mit dem Lumen von Lymphgefässen communi- ciren, so würde es freilich am nächsten liegen, sie den Iymphatischen Knoten und Follikelbildungen anzureihen!); aber dies scheint aus dem einen Grunde unzulässig, weil die Tracts und Patches sich eben später vielfach zu Fettgewebe umbilden, was ein Lymphknoten, ein Follikel des Darms oder der Mundschleimhaut bekanntlich niemals thut. — Ich bemerke hier übrigens aus eigener Erfahrung, dass es derartige Omentalknoten giebt, in welchen Fettgewebe auftritt, ohne dass sie zuvor mit dem Lymphgefässsystem in irgend einer engeren Beziehung gestanden haben. Die einfachsten und eclatantesten Bei- spiele dafür finde ich zahlreich am Omentum junger Katzen. Hier zeigen sich an rein gitterförmig gebauten Stellen, ganz isolirt von den Gefässen und Tracts, nur umgeben von dünnen Gitterbalken, welche ausser dem Endothel nicht einmal Zellen, geschweige denn Lymphbahnen besitzen, — kleine Verdickungen, bestehend aus wenigen Zellen, welche zum Theil (wie in Fig. 5 hier) doch schon eine grosse fertige Fettzelle einschliessen; andere, ebenfalls noch ganz isolirte, finden sich (Fig. 6), in welchen um die Fettzelle her die übrigen Zellen schon stärker gewuchert sind und das Ganze sich knopfartig über die Membranfläche vordrängt; und endlich weiter abgeschnürte, gestielte Knospen der Art mit einer oder mehreren grossen Fett- zellen. Weder Blutgefässe noch Lymphgefässe haben hier an die wuchernde und fettbildende Stelle herangereicht. — Ich gestehe, dass die Knotenbildungen des Omentum überhaupt noch manches Fragwürdige für mich haben und ich den Verdacht nicht ganz ab- weisen kann, dass — zwar nicht ihre Existenz überhaupt, aber ihre Mengenzunahme auf pathologischen Ursachen beruhen möchte. Daran kann vor Allem die grosse Verschiedenheit in ihrer Menge und Ver- 1) Obwohl der Zusammenhang mit Lymphbahnen allein nach der heu- tigen Bezeichnungsweise noch keinen Grund abgiebt, irgend einen Gewebstheil dem Lymphgefässsystem direet zuzurechnen. Es ist nicht gebräuchlich z. B. das ganze Centrum tendineum oder die Fascien als Iymphatische Organe zu bezeichnen, obwohl ihre Saftwege mit Lymphgefässen communieiren. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 455 theilung bei verschiedenen Individuen und verschiedenen Thierarten denken lassen). Klein führt (p. 28) an, dass beim Frosch und der Katze häufig eine chronische Entzündung am Mesenterium durch Parasiten veranlasst wird. Es wundert mich fast, dass er hier nicht auch der Kaninchen gedenkt, welche, besonders wenn ältere Thiere, bekanntlich meistens mit Distomen behaftet sind und bei denen, wo man die Parasiten in der Bauchhöhle antrifft, der Gedanke an chronisch - peritonitische Affectionen doch sehr nahe liegen muss. Gerade bei älteren Thieren aber (ganz übereinstimmend mit Klein) und gerade bei solchen wo Parasiten in der Bauchhöhle sind, finde ich auch die Patches meistens besonders ausgedehnt und zellenreich. Es ergiebt sich aus dem Gesagten von selbst, dass ich Klein nicht beistimme, wenn derselbe mit Toldt das Fettgewebe deshalb »für eine besondere Art von Drüsengewebe« halten will (l. c. p. 28), weil es sich »from a special tissue, i. e. Iymphangial nodules« ent- wickele. Denn erstens kann dieser Entwicklungsmodus eben höchstens für das Mesenterialfett geltend gemacht werden, das übrige Fett- gewebe entwickelt sich, wie oben besprochen wurde, nicht so; und zweitens, wenn man selbst davon absehen wollte, so sehe ich noch einen gewaltigen Unterschied zwischen einem Lymphknoten und einer Drüse. Die Fettzelle kann man bildlich immerhin eine Drüsen- zelle nennen, denn sie hat eine wesentlich histiochemische Function; obwohl das nicht hindern kann, sie wie die fixe Pigmentzelle, die eben solche Thätigkeit entwickelt, zu den Bindesubstanzelementen zu rechnen. Von den Zellenelementen der sogenannten Lymphdrüsen aber und lymphoiden Follikel ist eine derartige Function noch nie erwiesen worden — denn die Zellenvermehrung allein wird man doch wohl nicht unter die secretorischen Processe rechnen wollen. Während Klein hinsichtlich der Fettzellenentwickelung mit mir einig ist (p. 27), erklärt er, meiner Angabe (4), »dass Fettge- webe sich in der Adventitia von Arterien entwickele«, nicht beistimmen zu können. Der Wortlaut seines Citats bedarf der Berichtigung; ich habe nicht, wie es danach klingt, den Vorgang auf die Adventitia 1) Während z. B. bei der Katze stets Nodules, wenn auch in sehr wechselnder Menge zu finden sind, habe ich bei 3 Hunden, deren ganze Omenta darauf untersucht wurden (einer von !/, Jahr, 2 von etwa 1 Jahr Alter), keine einzige derartige Bildung gefunden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 30 456 W. Flemming: der Arterien beschränkt, sondern wörtlich (4. p. 48, 49) auf die Adventitia der Blutgefässe und dann weiter auch auf die Nähe der von diesen aus sprossenden Capillaren (s. ebendort u. weiter unten, Fig. 17 Taf. 7 l.,c.); wobei ausdrücklich bemerkt wurde, dass unter Adventitia der ganze Mantel dichteren Bindegewebes ver- standen sei, der die Blutbahn umgiebt ), — und, wie ich hier beifüge, parallel dem Gefäss gefasert ist. Gegen diese Definition einer Ad- ventitia kann man Einwürfe machen und es liegt mir auch gar nicht daran, sie aufrecht zu erhalten; ich weiss wohl, dass bei allen grösseren Gefässen dicht um die Media her noch eine specielle, festere Adventitia vorhanden ist. Aber um solche grosse Gefässe handelt es sich bei den jungen Fettsprossen im lockeren Gewebe eben meistens gar nicht, sondern um arterielle und venöse Blut- röhren, welche eben erst eine geschlossene Media um das Endothel- rohr her aufweisen und als adventitielles Gewebe erst einzelne locker vertheilte Zellplatten und Fibrillenzüge besitzen (vergl. Fig. 4 hier). Gerade an solchen nun finden sich Fettzellen, die offenbar in dem letztgenannten Gewebe entstanden sind und der Media des Gefässes so eng anlagern, dass sie deren Wand einbuchten (vergl. die Ab- bildung); ich weiss nicht, wo dieselben sonst liegen sollen, wenn nicht in der Adventitia. Das sind aber keine ausnahmsweisen Befunde, sondern Klein würde sie massenhaft haben antreffen können, wenn er ausser dem Mesenterium auch dem Interstitialgewebe seine Studien gewidmet hätte. Am Schlusse dieses anatomischen Theils finde ich es kaum nöthig anzumerken, dass sich mir der früher ausgesprochene Satz: »das Fettgewebe ist eine physiologische Form des Bindegewebes« durch meine seitherigen Untersuchungen nur immer mehr befestigt hat; die Belege dafür stehen für den, der ihnen Aufmerksamkeit schenken will, fast auf jeder Seite der hier gegebenen Beiträge zu lesen. Wenn also in neuester Zeit wieder die Behauptung auftaucht: »das Fettgewebe habe eine weit selbständigere Stellung zu beanspruchen, als sieihm bisher eingeräumt werde« 1) Die dort beigefügte Anmerkung (l. ec. p. 49) hat nach den neueren Forschungen der Entwicklungsgeschichte selbsverständlich keine Geltung mehr. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 457 (Löwe, Nr. 11), so sehe ich nicht ohne Neugier der dafür zu er- wartenden Begründung entgegen. Es mag beiläufig erwähnt sein, dass ich während der letzten drei Jahre, um doch vielleicht auf etwas Neues zu stossen, conse- quent fortgefahren habe über die Entwicklung der Fettzellen an Embryen, Säuglingen und gemästeten erwachsenen Thieren Material zu sammeln; es hat sich bei etwa zwei Dutzenden von Individuen immer nur wieder dasselbe ergeben, was ich schon als erstes Re- sultat mittheilte: dass die Fettzellen sich entschieden zum weitaus grössten Theil, vielleicht allein, aus fixen Elementen des Bindege- webes und deren Vermehrungsproducten entwickeln, eine Thatsache, für die ich mich ja ausserdem jetzt auch auf die Bestätigung Klein ’s (l. c.) berufen kann. Ob nebenbei — jedenfalls aber dann in viel geringerem Maasse — auch Iymphoide Zellen der Fettinfiltration unterliegen und sich als Fettzellen localisiren können, bleibt bis jetzt unentscheidbar; es scheint mir durch Nichts zu stützen, aber nicht unmöglich. Wie a. a. O. beschrieben, geht an den fettansetzenden Stellen meistens, bei Embryen und jungen Thieren wohl immer, zugleich eine Proliferation der fixen Zellen vor sich, deren Producte sich ebenfalls an der Fettaufnahme resp. Fettzellenbildung betheiligen. Diese Producte können zum Theil durch ihre verästelte Form und ihre Zusammenhänge mit andern oder mit fixen Zellen als Abkömm- linge solcher erkannt werden — bei Embryen sind vielfach auf grosse Strecken nur so geformte junge Elemente vorhanden, wie in Fig. 9 —; zum anderen Theil, wenn sie rundlich geformt, und durch das für die Untersuchung nöthige Oedem etwa losgeschwemmt sind, ist solche Erkenntniss natürlich nicht möglich. Ausserdem kommen ja aber an Orten der Fettzellenbildung auch Wanderzellen vor, und zwar oft sehr zahlreich (vgl. 1. c.); wo man also einer runden, kleinen, freiliegenden Zelle mit Fettfüllung begegnet, und das kommt, wenn auch nicht häufig, vor, da wird nicht zu entscheiden sein, ob sie das Vermehrungsproduct einer fixen, oder ob sie eine Wander- zelle war. — Das ist Alles, was ich bis jetzt über diese Frage aus- sagen kann. Waldeyer (10) bekennt sich zu dem Glauben, dass sowohl freie als fixe Zellen zu Fettzellen würden. Da ich keinen Aufschluss finde, worauf dieser Glaube sich gründen mag, so will ich ihn vor der Hand lieber nicht theilen, sondern mich an die That- sachen halten. Noch eine andere Aeusserung, die Waldeyer am gleichen 458 W. Flemming: Ort fallen lässt, empfiehlt sich hier zur Besprechung. Er hebt her- vor, dass die von ihm beschriebenen grossen runden Zellen der Bindesubstanzen, die Plasmazellen »es seien, die besonders gern Fett aufnähmen«, und zwar theils in Form von zahlreichen feineren Tröpfchen (wie z. B. beim Xanthelasma), theils aber auch in grösseren Tropfen, »indem sie sich dabei in echte Fettzellen um- wandelten«. Dass das letztere unter Umständen und vielleicht oft geschieht, gedenke ich nicht in Abrede zu stellen; aber ich will, um möglichen Missdeutungen vorzubeugen, betonen, dass in diesen Zellen irgend ein erheblicher Factor für die Fettgewebs- bildung keineswegs erblickt werden darf. Und zwar des- halb nicht, weil eben in all den Partien des lockeren Bindegewebes, welche die Hauptbildungs- und Hauptlagerstellen des Fettgewebes sind, in specie in der Unterhaut, wo sie fettreich wird, die Wal- deyer’schen Zellen überhaupt nicht vorkommen, oder doch höchstens so vereinzelt, dass sie für die Fettzellengenese gar nicht in Betracht stehen können. Waldeyer scheint allerdings nach den Worten: »es ist ja bekannt, dass die in der Fettzellenbildung begriffenen Zellen protoplasmareicher sind als die übrigen Binde- gewebszellen«, und nach dem dann folgenden Hinweis auf die Fett- körperelemente der Amphibien fast geneigt zu sein, die Fettbildungs- zellen des Bindegewebes an seine Plasmazellen zu annectiren. Das könnte ich aber dann nicht zulässig finden. Zunächst ist ja den Waldeyer’schen Zellen gerade die runde oder compact-polyedrische Form, und meistens der Mangel an Ausläufern und Zusammenhängen mit anderen characteristisch, alles Merkmale, die den jungen Fett- zellen nicht zukommen. Diese verhalten sich ganz wie die fixen Bindegewebszellplatten, Sterne und Spindeln beim Erwachsenen resp. Embryon; nur dass sie zum Theil — nicht einmal alle!) — in der 1) Die mittlere Zelle in Fig. 18, Taf. XIX (jüngste Fettzellenform) ist nicht protoplasmareicher wie die über ihr liegende und viele andere Binde- gewebszellen; ihre Körnchen sind deutliches, glänzendes Fett. So findet man aber die jüngsten Fettzellen vielfach beschaffen, wenn man sie nur sucht, und nicht schon stärker fettgefüllte Formen fälschlich für die jüngsten nimmt. Zellen, wie die mittlere in der Fig. 18, sind sicher junge Fettzellen und nicht etwa vorübergehend mit Fett imprägnirte Bindegewebszellen, wie sie auch ausserhalb der Läppchen bei starkem Nahrungszufluss vorkommen; denn die letzteren zeigen keine so dichte und localisirte Fettfüllung wie die ge- zeichnete. — Stärker gefüllte Elemente — wie die untere Zelle — zeigen Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 459 That protoplasmareicher sind wie die Zellen nicht fettbildender Orte!). Aber dieser Plasmareichthum ist keine ständige, sondern eine temporäre Eigenschaft, augenscheinlich zusammenhängend mit der Fettbildung, die in ihnen beginnt oder beginnen will; denn wenn man am selben Gefäss, an dem sie liegen, weiter entlang geht zu einer noch nicht fettbildenden Stelle, so findet man hier die Zellen wieder so protoplasmaarm, wie im umliegenden fettlosen und ge- fässlosen Gewebe. — Was den Fettkörper der Amphibien anlangt, so halte ich es nicht für berechtigt, von diesem höchst eigenthümlich modifieirten Organ, das nach den neueren entwicklungsgeschichtlichen Forschungen eigentlich genetisch zum Urogenitalsystem gehört, Ver- gleichsschlüsse auf das ganz anders beschaffene Fettgewebe des Säugethiers zu ziehen. Die Waldeyer’schen Zellen oder doch solche, die man ihnen anreihen kann, fehlen, wie eben zugegeben, nicht ganz im subeu- tanen und cutanen Gewebe. Bei der Katze finde ich ziemlich frequent fast in jedem Thier im Reticularstratum der Cutis, seltener im Sub- cutangewebe, Haufen von 2—8 runden, walzigen oder polyedrischen Zellen, manchmal auch einzelne solche von 12 bis selbst über 25 u. Durchmesser und nur durch diese ihre oftmalige Grösse von Wander- zellen verschieden, denen sie namentlich durch ihre intensive Färb- barkeit ähnlich sind. Fett habe ich nie in ihnen gesehen. Nächst häufig, doch schon viel spärlicher traf ich sie beim Meerschwein; selten, fast bis zum Fehlen beim Kaninchen, Hund und Menschen. Ihre Lage ist nicht an Gefässe gebunden. Man könnte sie, eben 4 dann freilich fast immer eine gewisse Mässenzunahme des Plasma, die aber demnach erst Folge ihrer neuen Lebensbedingungen ist. Der Glaube, dass die Jungen Fettzellen plasmareicher sind wie andere, dürfte sich zwar nicht ganz, aber grossentheils darauf gründen, dass man entweder solche, schon vor- geschrittene Formen für die anfänglichen angesehen, oder auch dass man, wie so oft, Zustände der einfachen Atrophie (Fig. 16) mit solehen des Fettan- satzes verwechselt hat. — Ich bemerke noch zu der Fig. 18, dass Zellen wie die oberste derselben — sie entspricht natürlich nur dem kernhaltigen Mittel- stück einer Zellplatte, nach Essigsäurewirkung — keineswegs unter die Kate- gorie der Waldeyer’schen Plasmazellen gerechnet werden können; sie ist ebenso blass, von ganz demselben Aussehen und nicht grösser, wie überhaupt die Mehrzahl der Bindegewebszellen des Präparates — man erwäge, dass mit IX a imm. 3 gezeichnet ist. l) Vergl. 4, p. 58, 460 W. Flemming: wegen ihres gruppenweisen Vorkommens, für Producte einer localen Wucherung halten; doch lasse ich dahingestellt, ob sie nicht unter die Rubrik der W.’schen Plasmazellen zu bringen sind. Indem ich, abgesehen hiervon, die Existenz der letzteren im fettführenden Bindegewebe, zum Wenigsten im Subcutangewebe leugne, oder doch auf ein unbedeutendes Minimum einschränke !), erlaube man mir noch eine Bemerkung als Sicherungsmaassregel. Weit atro- phische Fettzellen in dem Zustand, wo sie ihren ganzen Fettinhalt und ihre Membran eingebüsst haben (vergl. 4, Taf. 3, F. 26, 27), können frappant aussehen wie die Elemente, mit welchen uns Wal- deyer jetzt näher bekannt gemacht hat, sehr ähnlich z. B. wie die Zellen seiner Fig. 1 aus der Dura mater, und natürlich auch gerade so an Gefässen vertheilt sein. Und es würde mich nicht wundern, wenn demnächst, auf Grund von Waldeyer’s Aufsatz, von irgend welcher Seite Angaben über massenhafte Plasmazellen an Gefäss- netzen der Unterhaut oder des Mesenteriums hervortreten sollten — weil mir dann a priori klar sein würde, dass es sich um atro- phische Fettzellen handele. Es scheint mir nicht undenkbar, dass solche Objecte in der That Manchen von den Autoren vor- gelegen haben, welche Waldeyer im Eingang seiner Arbeit eitirt?). Will also Jemand den Gegenstand meiner negativen Behauptung prüfen, so kann es nur an einem sicher normal oder gut genährten . Individuum geschehen. B. Biologisches. Ueber die Bestandtheile und den Bau der Fettzelle selbst und ihr Verhalten in der Atrophie habe ich zunächst einige Bezeich- nungen zu präeisiren und ferner verschiedene Thatsachen mitzutheilen, welche auch ein physiologisches Interesse beanspruchen können. Was man gewöhnlich an der Fettzelle die Membran nennt, ist, wie es aus Toldt’s und meinen früheren Arbeiten erhellt und wohl jetzt von keiner Seite bestritten sein dürfte, nichts anderes 1) Bezieht sich natürlich nur auf normales Gewebe, und nicht auf die einzelnen Orte, wo Waldeyer sie nachgewiesen hat (I. c.). 2) Wie ja andererseits mehrfach (Frey, Handb. d. Histol., Czajewicz) atrophische Fettzellen zur Grundlage von Beschreibungen der Fettzellenent- wicklung genommen worden sind. Wer diese Fragen untersucht, der muss vor Allem auf das Sorgfältigste den Ernährungszustand des Thieres sichergestellt haben, dessen Gewebe er beobachten will. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 461 als das hohlkugelartig ausgedehnte Plasma der ursprünglichen fett- ‘bildenden Zelle. Es zeigt sich auch bei geeigneter Behandlung !) an der vollen sowohl, wie noch schlagender an der serös-atrophischen Fettzelle durch seine histiochemischen Eigenschaften, namentlich durch seine Tinctionsfähigkeit als eine Substanz, die von derjenigen der fixen Bindegewebszellplatte durch nichts augenfällig verschieden ist; es lässt sich nichts dafür geltend machen, dass diese Substanz an der fertigen vollen Fettzelle irgend eine chemische Umwandlung erlitten hätte, die sie etwa den cuticularen oder den hyalinen Mem- branbildungzn annäherte; und ich will daher für sie den Namen »Membran« ganz fallen lassen und sie einfach als das Plasma oder die Zellsubstanz der Fettzelle bezeichnen. Ich habe nun (5. p. 352) früher mitgetheilt, dass sich ausser diesem Plasma und um dasselbe her noch eine weitere, zarte Hülle wahrnehmen lässt, die ich dort als eine Membran im vollen Sinne des Wortes ansprach. Ich habe aber aufgehört, dieses Verhalten als ein allgemein wichtiges zu betrachten, seit sich bei fortgesetzter Beobachtung zeigte, dass dies Gebilde bei weitem nicht überall wahrnehmbar, vielfach so zart ist, dass es sich nur mühsam erkennen lässt, und nur bei einer geringeren Zahl von Zellen recht augenfällig vorliegt. Wenn auch in diesen Fällen sich nichts dagegen einwenden lässt, es als eine wahre, secundär angebildete Membran des Fett- zellenplasma’s zu betrachten, so lässt sich also doch nicht sagen, dass eine solche ein nothwendiges Attribut einer jeden Fettzelle sei; mindestens wäre sie dann in den meisten Fällen so zart, dass sie nicht demonstrirt werden kann. — Diese secundäre Membran ist, wo vorhanden, gar nicht oder kaum merklich tingirbar. Dagegen habe ich einen Irrthum in meinen Angaben am eben ecitirten Orte (p. 351) zu berichtigen, in denen der Plasmahohlkugel serös-atro- phischer Fettzellen — die ich dort noch Membran nannte — die Tinetionsfähigkeit abgesprochen wurde. Etwas von dieser Eigen- schaft restirt in ihr und kommt, wenn man nur lange genug tingirt, 1) Bei guter Tinetion in Carmin, wässrigem Anilin (mit Balsam-Ein- schluss) oder, am besten, Pikrocarmin mit nachfolgender Säure-Glycerin- behandlung wird der Fetttropfen auch in der vollen Zelle so durchsichtig, dass man um ihn her bei wechselnder Einstellung vollkommen klar die Aus- breitung des gefärbten Plasma verfolgen und den Kern, mag er auch oben oder unten liegen, deutlich wahrnehmen kann. 462 W. Flemming: zum deutlichen Ausdruck; bei Fettzellen jüngerer Thiere ist ihre Färbbarkeit geradezu ebenso gross wie die der fixen Bindegewebs- zellen, an älteren, und besonders bei grossen Fettzellen, Kann sie allerdings vermindert sein, was aber zum Theil auf die starke Aus- spannung, und damit Verdünnung hinausläuft, die das Plasma in diesen Fällen erlitten hat. Man hält bisher allgemein den stark lichtbrechenden, im Leben flüssigen Inhalt der Fettzelle für einen nicht organisirten Tropfen reinen Fettes. In diesem Glauben kann man schwankend werden auf Grund folgender Beobachtung: Wenn man frisches Fettgewebe in Pikrocarmin färbt und das Präparat, ohne den Farbstoff durch Auswaschen ganz abgespült zu haben, in Glycerin aufbewahrt, so erhält man in einzelnen Fällen innerhalb der geronnenen Fetttropfen roth-tingirte Stellen. Wo dies geschieht, sind fast immer zugleich die bekannten nadel- förmigen Krystalle im Fetttropfen vorhanden). Diese Krystalle selbst sind ohne alle Tinction, aber die gefärbten Partien im Fett pflegen zwischen oder an ihnen localisirt zu sein; sie bilden ver- waschene, nicht scharf gegen das ungefärbte Fett abgesetzte rosen- rothe Flecken, in welchen stärker rothe körnige Massen vertheilt liegen (Fig. 13a, b). Je nachdem die Krystalle in der Mitte, oder excentrisch im Tropfen liegen, vertheilen sich auch die gefärbten Stellen (vergl. a und b). Es scheint dem Zufall oder unbestimm- baren Bedingungen anheim zu stehen, ob diese Erscheinung über- haupt und in wie vielen Zellen sie auftritt; in einem meiner Prä- parate (Kaninchenomentum) ist fast die Hälfte der Fettzellen so beschaffen und sind die betreffenden gruppenweise vertheilt. Diese merkwürdige Erscheinung kann wohl auf den Gedanken bringen, dass der sogenannte Fetttropfen, wie er in der Zelle liegt, nicht aus chemisch reinem Fett besteht, sondern zugleich andere Substanz beigemischt enthält, welche in der abgestorbenen Zelle beim Gerinnen des Tropfens meistens in dieser Vertheilung verbleibt, unter gewissen Umständen aber dabei von dem Fett getrennt und localisirt werden kann — obgleich ich mich nicht versucht fühle, über die eventuelle Natur dieser Substanz und die Art ihrer Bindung an das Fett schon Hypothesen zu machen. Nur daran will ich erinnern, dass reines 1) Daraus muss nicht umgekehrt geschlossen werden, dass, wo Krystalle in tingirten Zellen, auch immer das betreffende Phänomen zu finden sei. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 463 Fett durch Carmin (wie auch Pikrocarmin) absolut untingirbar ist), und dass eine derartige Tingirbarkeit bisher im Ganzen nur für Eiweisskörper und Albuminoide feststeht. Dass die gefärbten Stellen innerhalb des Fetttropfens und nicht etwa an seiner Ober- fläche liegen, ist, wie ich zum Ueberfluss versichere, durch die Schraube vollkommen zu entscheiden. Damit man endlich nicht versucht sein mag, an irgend eine abnorme Wirkung des Silbers zu denken, wie man sie in neuerer Zeit so gern zu wittern pflegt, setze ich noch hinzu, dass die betreffenden Präparate überhaupt ohne Silberbehandlung angefertigt sind; wo diese angewandt war, habe ich die Erscheinung noch nicht beobachtet. Ein anderes, viel häufiger eintretendes Phänomen bei der Ge- rinnung des Fetttropfens, das nahe hierher gehört, ist die Bildung von Vacuolen sehr verschiedener Grösse und Zahl, welche in dem- selben, welche bald centrisch, bald excentrisch gelegen, und nach ihrer Lichtbrechung zu urtheilen flüssigkeitshaltig sind (Fig. 2, 13c). Sie finden sich sowohl an Fettzellen, die ohne differente Be- handlung abgestorben sind, als nach Einwirkung verschiedener Rea- gentien; unter meinen conservirten Oedempräparaten (Leim mit oder ohne Silber, Pikrocarmin) zeigt die Mehrzahl der Fettzellen diese Beschaffenheit. — Es ist nicht leicht abzusehen, wie und warum bei der Gerinnung des Tropfens wässrige Flüssigkeit von aussen in denselben hineindringen sollte; das bequemste Verständniss ergiebt sich auch hier durch die Annahme, dass der Tropfen intra vitam ausser von dem Fett noch von anderweitiger Substanz zusammen- gesetzt ist. Vielleicht kann man hierfür einen Anhalt finden in den neuen Untersuchungen Hofmann’s (12), welche gezeigt haben, dass alle Fette Beimischungen von Fettsäuren enthalten. — Ob, namentlich mit Hinblick auf die ersterwähnte Erscheinung, auch noch andere Beimischungen möglich, und in welcher Weise ihre Combination mit dem Fette denkbar wäre, darüber stelle ich das Urtheil der Chemie anheim und will hier nur die Beobachtungen ver- zeichnet haben. Ich wende mich nun zur Besprechung dessen, was ich über das Verhalten des Fettgewebes und speciell der Fettzelle in der 1) Dagegen färbt sich Fett, wenn auch relativ schwach, in spirituösen Anilinlösungen oder auch in wässrigen nach vorhergängiger Alkoholbehand- lung; ferner, wie wohl bekannt, durch Goldimprägnation, 464 W. Flemming: Atrophie, im Anschluss an frühere Untersuchungen, ermitteln konnte. Schon der Uebersichtlichkeit wegen will ich für die verschiedenen Hauptformen, welche der Fettschwund zeigt, die früher (5) ge- wählten Ausdrücke beibehalten. Danach nenne ich einfache Atrophie diejenige, bei langsamer Abzehrung eintretende Form, bei welcher die Fettzelle im Ganzen sich verkleinert, das Plasma dem Schwunde des Tropfens folgt, ohne dass ein Binnenraum in der Zelle frei wird. Bei der zweiten Form, der serösen Atrophie, entsteht ein solcher Raum und füllt sich mit klarer Flüssigkeit, so dass anfangs die Plasmahülle ihren alten Umfang behält und nur der Fetttropfen im Innern abnimmt; später verengert sich dann aber auch die Hülle. Endlich ais Wucher-Atrophie bezeichnete ist die Proliferation, i. e. Kernvermehrung und nachträglich oft (nicht immer) Zellenabgrenzung, welche bei einzelnen Fettzellen (niemals bei allen zugleich) im atrophirenden Fettgewebe zur Be- obachtung kommt. Zunächst Einiges über Vorkommen und Verbreitung dieser Formen, und über ihre pathologisch - anatomischen Beziehungen. Für seine Ermittelung ist mir die Untersuchung einer grösseren An- zahl pathologischer menschlicher Leichen von vielem Nutzen gewesen. Die einfache Atrophie ist ein viel häufigerer Process, als man nach den gewöhnlichen Erfahrungen annehmen möchte: sie kann leicht übersehen oder verkannt werden, erstens weil bei ge- ringeren Graden derselben an den meisten Körperstellen zunächst nur eine ziemlich gleichmässige Verkleinerung sämmitlicher Fettzellen vorliegt, dann, weil die vorgeschrittneren Grade derselben oft täu- schend die Bilder des Fettansatzes vorspiegeln können). Un- umgängliches Kriterium für die Diagnose einfacher Atrophie ist daher die Kenntniss des Ernährungs- resp. Krankheitszustandes. Man wird sie meistens finden, wo lange mangelhafte, aber nicht geradezu schlechte Ernährung vorlag, ferner recht häufig bei alten Thieren 1) Bilder z. B., wie ich sie hier in Fig. 16a, b von einem an Tuber- culose Verstorbenen gebe, ähneln ganz denen, welche Frey (Handb. d. Hist.) zur Demonstration der Fettzellenbildung darstellt. Natürlich ist nicht daran zu denken, dass solche bei einem chronisch Lungenkranken kurz ante mortem vorgekommen ist; auch thun in diesem Fall schon die nebenbei vorkommen- den serösen Fettzellen die Atrophie dar. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 465 (z. B. sonst gesunden alten Kaninchen), endlich, hier wohl am sichersten als das, was sie ist, zu constatiren bei Individuen, die an sehr allmählich consumirenden chronischen Leiden gestorben sind. So habe ich bei mehreren Tuberculösen mit langsamem und ver- hältnissmässig mildem Krankheitsverlauf an den verschiedensten unter- suchten Körperstellen (Bein, Inguinalfalte, Brust, Hals, Achsel) das Subcutanfett grösstentheils im Zustand einfacher Atrophie gefunden. Ganz rein ist dieselbe jedoch fast nie und es erleichtert eben ihre Diagnose als Atrophie ausserordentlich, dass man sie fast immer, mehr oder weniger mit seröser Atrophie mässigen Grades unter- mischt, findet. Bald liegen beide Formen an verschiedenen Körper- stellen oder an verschiedenen Läppchen getrennt vor, bald sogar beisammen in den gleichen Läppchen. Aber auch wo diese Bei- mischung fehlt oder gering ist, bietet die gleichmässige bedeutende Verkleinerung sämmtlicher voller Fettzellen, verglichen mit denen eines Gesunden einen so guten Anhalt, dass man sich fast getrauen könnte schon aus ihr allein die Diagnose auf ein langsam abzehrendes chronisches Leiden zu stellen. — Auch im entzündeten Gewebe ist einfache Atrophie der Fettzellen keine Seltenheit (Fig. 15), aber auch hier meistens mit seröser gemischt. Bei jeder stärkeren, rascher eingreifenden Carenz, wie auch bei den meisten acuten Krankheiten und wohl auch bei Exacerbationen, angreifenden Complicationen der chronischen tritt dagegen die seröse Atrophie hervor und wird vielfach die allein herrschende Form. Trotzdem darf man bei menschlichen, nach solchen Vorkomm- nissen verstorbenen Leichen nicht erwarten, stets solche zu finden. Denn das menschliche Fett, namentlich das subcutane, wird im Ver- gleich zu anderen Thieren äusserst langsam consumirt. Bei rasch gestorbenen Opfern des Typhus z. B. oder der Pneumonie, überhaupt acuter fieberhafter Krankheiten, aber auch selbst z. B. nach längerdauernder Septicämie, ja bei Careinösen fand ich mehr- fach zu eigener Ueberraschung das Subcutanfett bald durchweg, bald doch zum grössten Theil ganz intact und beschaffen wie bei Gesunden; die Anlegung von Leimödemen an verschiedenen Körper- stellen und histiologische Untersuchung zeigte, dass nicht etwa die einen Läppchen atrophirt, die anderen intact geblieben waren, sondern dass alle sich normal verhielten und weder einfache, noch seröse Atrophie aufwiesen. Oder, man findet auch bei solchen Zuständen blos einfache Atrophie. Es bleibt da nichts übrig als das Zuge- 466 W. Flemming: ständniss, dass auch schwer consumirende Krankheiten beim Menschen wenigstens eine gewisse Zeit lang dauern können, ohne dass die Hauptlager von Fettgewebe in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Diagnose »Marasmus«, welche man auch bei solchen Leichen oft gestellt sieht, und, nach dem makroskopischen Augenschein, auch oftmals gerechtfertigt finden muss, kann demnach für das Fett- gewebe keine allgemeine Tragweite beanspruchen; in den erwähnten Fällen betrifft die Abmagerung oft wohl allein die Muskulatur und mag ausserdem auch zum Theil in einer allgemeinen Abnahme der Gewebs - Turgescenz, verursacht durch den Säfteverlust, zu suchen sein. Hier ist auch der Ort, kurz bei den Färbungen zu verweilen, die das Fettgewebe dem blossen Auge darbietet, und die ja zur Diagose von »Marasmus« benutzt zu werden pflegen. Für gewöhnlich gilt das menschliche Fett für um so marastischer, je intensiver gelb oder orangenfarben es ist. Das ist ein sehr unzuverlässiger Leit- faden. Erstens ist die Menge des gelben Pigments, welches in den Fetttropfen gelöst ist und welches, wie bekannt, bei ihrer Ver- kleinerung zurückbleibend ihnen eine immer stärkere Färbung giebt, individuell und auch local sehr wechselnd und oft fast gleich Null. Denn wenn man serös-atrophische Fettzellen verschiedener Indivi- duen, oder selbst verschiedener Körperstellen vergleicht, in welchen die Fetttropfen bis zu gleicher Grösse geschwunden sind, so kann man sie im einen Fall dunkel-orange, im andern, selbst bei hoch- gradigem Schwund, ganz farblos finden. Zweitens ist es nicht auszuschliessen, dass unter pathologischen Verhältnissen des Ge- sammtkörpers auch der gelbe Farbstoff in den Fettzellen, seiner Menge oder Zusammensetzung nach, Veränderungen erleiden könnte. Endlich aber, es beruht die makroskopische Färbung des Fettgewebes nicht blos auf diesem Farbstoff. Auch wo er ganz oder fast ganz fehlt, bekommt gewöhnlich das atrophirende Fett eine Gelbfärbung in sehr verschiedenen Nuancen und oft sehr hochgradig: sie beruht einfach darauf, dass eben das weissglänzende, undurchsichtige Fett zurücktritt und die Blutgefässnetze und das Plasma der Fett- und Intralobularzellen mit ihrer Farbe zur Geltung kommen. Auch ein- fach atrophisches Fett, mit blos verkleinerten, aber vollen Zellen, kann dunkelgelb sein. Ausserdem kann die secundäreFettinfilteration der Intralobularzellen (diese oft gelb, vergl. weiter unten und Fig. 16) noch besonders zur Erhöhung der Färbung beitragen. So Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 467 sah beispielsweise das Fett des Tuberculösen, von dem Fig. 16 stammt (nicht hochgradige einfache Atrophie mit meist ganz vollen, aber verkleinerten Zellen, geringer Beimischung seröser Atrophie, fett- haltigen Intralobularzellen) fast orangeroth aus, auch an Orten wo die einfache Atrophie lange nicht so bedeutend war wie an dem gezeichneten, und wo die gelbe Füllung der Interstitialzellen fast ganz fehlt; —- dagegen hatte z. B. bei einem an schwerer Pneumonie verstorbenen Greis, bei einer Frau mit hochgradigem Carcinoma hepatis, einem im höchsten Maass abgemagerten Kind (Krankheit unbekannt) u. a. m., bei welchen allen hohe Grade allgemeiner, seröser Atrophie, stellenweis selbst bis zu völligem Schwund des Fettes vorlagen, das Fettgewebe trotzdem eine viel hellere Farbe wie in jenem Fall: schmutzig weissgelb oder hell canariengelb, nicht dunkler wie es oft bei Gesunden gefunden wird. Aehnliche Beispiele könnte ich auch von experimentell atrophirten Thieren beibringen. Hiernach bleibt also, was den diagnostischen Belang der Fett- farbe betrifft, nur soviel gültig, dass man aus einer makros- kopischen Gelbfärbung desFettes im Ganzen wohl auf Atrophie, nicht aber aus der Farbennuance auf den Grad derselben schliessen kann. Noch weniger darf man natürlich einen Schluss der letzteren Art auf eine Abschätzung der Menge des Fettes, etwa der Dicke des Panniculus begründen wollen; denn bekanntlich variirt die Menge des Fettes individuell sehr be- deutend und es hat mancher »Marantiker« noch viel mehr davon wie mancher Gesunde. | Die dritte, oben aufgeführte Erscheinung der Atrophie in Fett- zellen, die Wucher-Atrophie, kann nicht eigentlich als eine den beiden andern gleichwerthige Form unterschieden werden, denn sie kommt niemals ausschliesslich oder auch nur stellenweise allein, sondern immer nur als eine Begleiterscheinung der serösen oder einfachen Atrophie vor und betrifft zwar oft viele, aber fast stets verstreut liegende Fettzellen; sie ist ferner durchaus nicht noth- wendig mit jeder serösen Atrophie verknüpft, sondern tritt, wo letztere allmählig anwuchs, sogar nicht gerade häufig und stets in schwachem Grade auf, dagegen allerdings häufig bei rapidem Ver- lauf derselben. Ich wiederhole dies hier, weil meine früheren An- gaben mehrfach dahin ausgelegt worden sind, als ob ich jeden Fett- schwund mit Proliferation verlaufen lasse, was mir (vergl. 5) nicht 468 W. Flemming: in den Sinn gekommen ist. Nach dem recht grossen, mir jetzt vor- liegenden Material kann ich über die Bedingungen für den Eintritt dieses merkwürdigen Vorganges Folgendes aussagen: bei starkem allgemeinem Fettschwund (starke andauernde Nahrungsent- ziehung, starke acute Krankheitsattaquen) kommt es oft und bald — bei Thieren nach wenigen Tagen — zur Proliferation einzelner Fettzellen (deren Zahl mit dem Andauern der Carenz oder Krankheit gewinnt), und zwar unter diesen Umständen zu hoch- gradiger Wucherung, d. h. zur Entstehung vieler, oft massen- hafter Kerne resp. Tochterzellen. Die wuchernden Zellen liegen be- sonders häufig in der Peripherie der Läppchen oder Stränge, an vorragenden Sprossen, oder in der Nähe der grösseren Gefäss- stämmchen derselben, seltener mitten zwischen den blos von Ca- pillarnetzen durchzogenen inneren Theilen derselben. — Bei lang- samerem Schwund, der stark genug ist, um allmählich zu seröser Atrophie zu führen (allmähliche Verminderung der Nahrung, chronische Affectionen) wird diese acute Form der Wucherung selten beobachtet, dagegen finde ich hier, oft auf weite Strecken hin, einen grossen oder selbst den grössten Theil der Fettzellen 2— 3 — 4- kernig!), ohne dass hier, es sei denn als ganz ausnahmsweise, eine wirkliche Abgrenzung des Plasma in Tochterzellenkörper eintritt (Fig. 11, 10a, 17). Es ist also, kurz ausgedrückt bei solchem allmählichen Schwund die Proliferation verbreiteter, aber geringgradiger wie bei acutem. Endlich, wo sehr allmählicher Fettverbrauch erfolgt und vollends, wo dieser mehr zur einfachen, als zur serösen Atrophie führt, da vermisst man die Wucherungsprocesse oft vollständig. Bei dem Hund, von welchem Fig. 15 entnommen ist, lag allerdings am betref- fenden Ort reine einfache Atrophie mit stark beigemischter Wucheruug vor; es war jedoch hier auch das Gewebe künstlich gereizt (Faden- durchnähung) und in der Nachbarschaft leichte Atrophie zu finden. Wo keine Entzündung vorlag, habe ich sonst im rein einfach-atro- phischen Fettgewebe bis jetzt nur stellenweise Wucherungen gesehen, welche zu einer 2—Ö5fachen Kernvermehrung, nicht aber zur Ab- grenzung von Tochterzellenkörpern geführt hatten. — Hierin liegt auch der Grund, dass man im menschlichen Fett, wenigstens dem 1) Die erste Beobachtung der Art habe ich unter 5, p. 356, und 357 Anm., mitgetheilt; ich kann dem jetzt den Befund bei 5 anderen Versuchs- thieren zur Seite stellen. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 469 der Unterhaut, auch bei an Krankheit Verstorbenen gewöhnlich ver- gebens nach Wucherungen sucht; denn wie gesagt, schwindet das Fett beim Menschen viel langsamer wie es bei Thieren geschieht. Dass die Fettzellenwucherung übrigens beim Menschen ebenfalls vor- kommt, ist seither schon von Waldeyer!) verzeichnet worden. Hier mag auch einiger Zweifel Erwähnung geschehen, welche sich gegen die atrophische Proliferation geregt haben. Frey, in der letzten Ausgabe seines Handbuchs (1874, p. 206, Anm. 4) äussert in freilich reservirter Weise den Verdacht, als könnten eingewan- derte Lymphoidzellen den Bildern der Wucherung zu Grunde liegen; und ähnliche Conjecturen sind mir von verschiedenen Seiten münd- lich erwähnt worden. Wer viele atrophisch wuchernde Zellen ge- sehen hat, der wird allerdings auf solchen Gedanken ohnehin nicht gerathen. Dieser ist schon deshalb höchst barock, weil er involvirt, dass die Wanderzellen wie auf Commando zur Zeit immer in eine und dieselbe Fettzelle hineinmarschiren müssten; denn an dieselben Gefässe, aus denen sie etwa ausgewandert sein könnten, grenzen ja auch andere Fettzellen, die sich ebenfalls in der Fettverarmung befinden, ‚und doch sind es, wie gesagt, immer zuerst einzelne Zellen, nicht Gruppen von solchen, die dem Process anheim fallen. — Ausser- dem wird aber jene Meinung völlig widerlegt durch die Anfangs- formen der Wucherung, welche man ja in hinreichender Menge neben den vorgeschrittneren finden kann, und durch die Formen geringgradiger Wucheratrophie bei langsamem Fettschwund, von denen ich im letzten Absatz sprach. Man sieht hier eben, dass es nicht Zellen sind, sondern Kerne, was zuerst entsteht; 2, 3 und dann mehr Kerne, in der Plasmahülle des Fetttropfens gelegen, gleichwie es der alte Kern ist (Fig. 17a, 7a). Und weiter, wenn sich Tochterzellen abgrenzen, bekommen dieselben allerdings in den einen Fällen Formen, die sie von Leukocyten nicht unterscheiden lassen (Fig. 12), in andern Fällen aber sind sie von vornherein platte oder verästigte Körper, die sich von dem Hüllplasma in den Binnenraum abheben, aber mit ihm und untereinander durch Brücken und Ausläufer in Zusammenhang stehen bleiben (Fig. 12, 13 1. c,, Fig. 15 hier). Bei den Zuständen allmählicher Atrophie aber kommt es vollends auf Monate lang vielfach gar nicht zur Entstehung von Zellen, sondern nur zur Bildung mehrerer platter Kerne, die in der 1) Jahresb. über d. Leistungen und Fortschritte der ges. Medicin, 1872. 470 W. Flemming: Plasmawand verharren (Fig. 11, 8). — Einiges Weitere über die Wucherprocesse theile ich unten mit. Von besonderem Interesse für die Biologie der Fettzellen sind die massenhaften kleinen Fetttropfen, die man als constante Er- gebnisse der Atrophie in ihr, sowie als fast constante bei jedem stärkeren Schwund in den intralobularen Bindegewebszellen antrifft. Ich will sie mit dem früher (5) gebrauchten Namen Neben- tropfen, oder, ihrer wahrscheinlichsten Entstehung entsprechend, als secundär gebidetes Fett bezeichnen. Diese Erscheinung war auch von früheren Beobachtern kurz erwähnt, aber in ihrer physiologischen Bedeutung nicht gewürdigt worden. Frey spricht noch in der letzten Ausgabe seines Hand- buchs davon, dass »die abnehmende Fettkugel in einzelne Tröpfchen von wechselnder und oft geringer Grösse zerfalle«. Ich habe be- reits darauf hingewiesen (l. c. p. 338), dass und weshalb ein solches mechanisches Zerfallen des alten Fetttropfens nicht annehmbar er- scheint. Alle meine seitherigen Erfahrungen zusammennehmend, kann ich dem jetzt Folgendes hinzufügen: 1) Die Nebentropfen kommen sowohl in einfach atrophischen Zellen (und zwar ganz ge- wöhnlich), als in serös-atrophischen, als endlich in wuchernden vor. 2) Sie liegen, wie man besonders im ersteren Fall und in den Anfangsstadien der serösen Atrophie, ferner besonders leicht an den plasmareichen Fettzellen junger Thiere feststellen kann, zunächst im Plasma der Fettzelle, ebenso bei Wucher-Atrophie in den Tochterzellen; erst bei stärkerer Entleerung der letzteren kommt es dann allerdings oft dazu, dass sie freiin der angesammelten serösen Flüssigkeit schwimmen. 3) Sie wachsen vielfach ganz unverkennbar an Grösse und Zahl, in dem Maass wie der Haupttropfen einschwindet. 4) Sie sind, wie sich für viele Fälle wenigstens sicher annehmen lässt, von anderer Beschaffenheit wie der Haupttropfen; das ergiebt sich aus den Farbenverhältnissen. Bestimmte Gesetze über diese lassen sich allerdings nicht aufstellen, denn in manchen (wie es scheint den meisten) Fällen sind die Nebentropfen im An- fange der Atrophie heller weiss, und schwerer gerinnbar wie der Haupttropfen, der an Tinctionspräparaten der hier meist benutzten Art rasch eine feinkörnige, brüchige Beschaffenheit und einen Färbungs- stich in’s Graugelbe erhält, während die Nebentropfen hellweiss, und, wie das Zerdrücken zeigt, lange flüssig bleiben. In anderen Fällen haben beide Tropfenarten gleiche Farbe, in noch anderen sind die Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 471 Nebentropfen von vorn herein dunkler gelb, wie der Haupttropfen; und dieses Farbenverhältniss tritt dann überhaupt sehr oft in späte- ren Stadien der Atrophie ein, wo der Haupttropfen schon sehr stark verkleinert, oder ganz geschwunden ist. Sind-nun auch die letzteren Verhältnisse noch so variabel, so lehren sie doch gleich dem übrigen Angeführten, dass die Neben- tropfen nicht Zerfallsprodukte, grobmechanisch abgesprengte Por- tionen des Haupttropfens sein können. Wären sie dies, so müssten sie von Anfang an frei und nicht im Plasma liegen (vergl. dagegen oben 2.), sie müssten ferner stets heller sein wie der Haupttropfen !) (vergl. 4.), sie müssten in einfach atrophischen Zellen, in denen gar kein freier Raum für eine Absprengung ist, fehlen (vergl. 1.) und »endlich müsste man erwarten, sie von der allerverschiedensten Grösse zu finden; statt dessen findet man sie immer viel kleiner als den Haupttropfen 2). Hiernach bleibt als nächstliegende Annahme wohl die: dass die Nebentropfen Fett sind, welches secundär im Plasma der atrophirenden Fettzelle gebildet wurde; es ergiebt sich schon hieraus, dass die biologischen Processe in der Fettzelle des hungernden Körpers, und wohl im Fettgewebe überhaupt, compli- eirter sein mögen, wie man es gewöhnlich anzunehmen pflegt. Sollte Jemand auch Schwierigkeit in der Annahme finden, dass ein Vorgang, welcher offenbar dahin zielt, den Fettvorrath der Zelle andern Körpergeweben zuzuführen, zunächst nebenbei am Orte selbst zu einer erneuten Bildung von Fett führt: so würde er zu dieser Annahme trotzdem gedrängt werden, wenn er ausserdem das 1) Die zunehmende Gelbfärbung des einschwindenden Haupttropfens beruht bekanntlich darauf, dass ein in ihm enthaltenes Pigment nicht mit dem Fett die Zelle verlässt, sondern in dem Tropfen gelöst bleibt und ihn also um so intensiver gelb macht, je kleiner er wird. Denkt man sich von solchem Tropfen einen kleineren mechanisch abgesprengt, so muss dieser na- türlich dieselben Farbstoffproeente haben wie jener und kann also niemals dunkler gelb sein; was jedoch, wie gesagt, bei den Nebentropfen vorkommt. 2) Ausser bei solchen Fettzellen, wo nicht ein einziger, sondern meh- rere nicht confluirte Tropfen im Plasma eingeschlossen sind, sogenannte maulbeerförmige Fettzellen (Vögel, Nierenfett der Nagethiere u. A. vergl. Nr. 4). Hier schwindet jeder Tropfen bei der Atrophie für sich ein, und man kann also mehrere gleich grosse finden. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12, : 31 472 W. Flemming: Verhalten der Intralobularzellen in atrophischen Fettläppchen in Betracht zieht. Diese nämlich zeigen sich sowohl bei der einfachen, wie be- der serösen Atrophie äusserst häufig mit Fetttröpfehen im- prägnirt. Diese erreichen selten den Umfang der grösseren Neben- tropfen in den Fettzellen, bleiben meist weit unter 6 «. Durchmesser, können aber oft so zahlreich sein, dass man auf den ersten Blick glauben würde, Fettzellenneubildung vor sich zu haben — die ja ganz ebenso aussehen kann — wenn man nicht weiss, dass man mit hungernden oder kranken Individuen zu thun hat (Fig. 16, 17, 7). Am häufigsten und stärksten ausgesprochen fand ich diese Zustände bei einfacher und in den Anfangs- und mittleren Stadien der serösen Atrophie, sowohl bei hungernden, wie bei kranken Individuen; gegen die Endstadien des Schwundes, bei vollständiger Ausleerung der Fettzellen pflegen sie sich zu verlieren. Zuweilen zeigt sich die überraschende Erscheinung, dass dieses Fett in vielen Intralobularzellen durch seine Färbung abweicht. In Fig. 16 (Mann, Tuberculose, Inguinalfett, einfache Atrophie, stellen- weis mit geringer seröser; das Glutäalfett verhielt sich ebenso) habe ich ein eclatantes Beispiel hiervon dargestellt; das Fett einer grossen Anzahl von Intralobularzellen (y) ist dunkel ockergelb, in manchen findet sich solches und daneben weisses Fett, (so in der Zelle x), in anderen nur weisses; in den Fettzellen selbst nur weisses Fett. Es wäre hier zunächst die Frage, ob die gelbimprägnirten Elemente nicht vielleicht regressive Fettzellen sind. Das scheint da- durch ausgeschlossen, dass man in keiner der atrophischen Fett- zellen (am Präp. alle einfach-atrophisch), auch in solchen nicht, die nur noch die Grösse von Intralobularzellen haben und sich nur dutch einen grösseren Fetttropfen kennzeichnen, auch nur eine Spur von gelbem Fett findet; wo dies dagegen in den interstitiellen Binde- gewebszellen vorliegt, finden sich keine Uebergänge von der dunkel gelben Färbung zu blasseren Nuancen. Danach können die letzteren Zellen jedenfalls nicht regressive Fettzellen aus dem letzten Fett- schwund her sein. Möglich bliebe es dagegen, dass sie als solche von einer früheren Atrophie herstammten, welcher dann wieder eine Periode guter Ernährung und erneuten Fettansatzes gefolgt ist; woran bei einem Tuberculösen mit sehr langsamem Krankheitsverlauf immerhin zu denken ist. — Derartige Fälle von Gelbfärbung des Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 473 Fettes in Intralobularzellen atrophischer Läppchen sind mir auch bei Thieren, die bloss gehungert hatten, einzeln vorgekommen !). Ausserdem finden sich in vielen Fällen auch freie kleine Fett- tröpfchen in atrophischen Läppchen; endlich habe ich solche ganz ausnahmsweise (einige Male in pathologischen Fällen beim Menschen, einmal bei künstlicher localer Entzündung) in den Wandzellen der Capillargefässe des Fettes angetroffen. Ueber beides wird unten noch die Rede sein. Gegenüber der obigen Beschreibung, welche bei der Atrophie secundär gebildetes Fett in Intralobularzellen auftreten lässt, sind nun zwei Einwürfe möglich, die sich aber beide entkräften lassen. Man könnte erstens behaupten, dass alle derartigen, fetthaltig gefunaene Zellen nicht secundär gefüllt, sondern alte, völlig atro- phirte Fettzellen seien; denn allerdings ist es nach meinen früheren Er- fahrungen (5), wie nach dem Inhalt dieses Aufsatzes (s. u.) wahrschein- lich, dass die Fettzelle vollständig zur Form einer fixen Bindegewebs- zelle zurückkehren kann. — Diese Deutung wird aber schon dadurch ausgeschlossen, dass man nicht selten alle intralobularen Binde- gewebszellen eines Läppchens fetthaltig findet, und dass es doch kein Fettläppchen giebt, welches ohne fettlos gebliebene intralobu- lare Zellen wäre: die Zahl der Letzteren wird immer mindestens als eben so gross, meistens grösser zu schätzen sein, wie die der Fettzellen. — Wäre nicht dieser Punkt schon entscheidend, so liesse sich noch anführen, dass man unter der obigen Voraussetzung doch Uebergangsstadien in Form und Fettmenge zwischen fetthaltigen Intralobularzellen und Fettzellen erwarten sollte; statt dessen sind die ersteren Zellen alle platt, oder verästelt oder spindelförmig, und ihre Fetttröpfchen klein, nicht über das Maass einer rothen Blutscheibe hinausgehend, meistens von viel minderer Grösse. Zweitens kann man vielleicht, besonders von pathologisch-ana- tomischer Seite, zu glauben versucht sein, dass es sich um krank- hafte Vorgänge, um fettige Degenerationen in den Zellen handeln möchte, nicht, wie ich den Vorgang aufgefasst habe, um eine Fettfüllung auf Kosten des umgesetzten Vorrathes der benach- 1) Der erste beobachtete Fall der Art (5 p. 348) lässt allerdings wie- derum die Möglichkeit offen, dass die gelbgefällten Elemente atrophische Fettzellen waren (vergl. 1. c.). 474 W. Flemming: barten Fettzellen. Allerdings kommt die Fetthaltigkeit der Intralo- bularzellen nicht bloss bei kranken Individuen, sondern auch bei sonst gesunden Thieren vor, die bloss gehungert hatten (Fig. 17); doch es könnte ja auch der Hunger derartige Bedingungen setzen, dass verschiedene Körperelemente einer krankhaften Verfettung ver- fielen. — Dass nun aber im vorliegenden Fall von einer solchen nicht die Rede sein kann, dass vielmehr das Fett der Intralobular- zellen in engster Beziehung steht zu dem localen Fettumsatz im atrophischen Läppchen selbst, das geht einfach schon daraus hervor, dass die Erscheinung in den bei weitem meisten Fällen — auch den pathologischen — auf die Fettlager und auf deren nächste Umgebung localisirt ist. Ich habe, um das fest- zustellen, fettlose Partien des umliegenden Bindegewebes und die benachbarten Stellen der Haut und der Muskeln untersucht: nicht nur bei den hungernden Thieren, sondern z. B. auch bei dem Tuber- culösen, von dem das Objekt der Fig. 16 entnommen ist, u. A. ım., waren an den letztgenannten Orten fetthaltige Bindegewebszellen und vollends solche mit gelbem Fett so gut wie gar nicht zu finden; ihr reichliches Vorkommen beschränkte sich immer auf das Fett- gewebe und dessen nächsten Umkreis. Nach alle dem lässt sich wohl keine näher liegende Deutung der Nebentropfen und des Fettes der Intralobularzellen gewinnen, als durch die folgende Auffassung: der Inhalt der Fettzellen wird bei der Atrophie in loco nicht sofort verbrannt, sondern umgesetzt, sei es dass er zum Aufbau von Eiweisskörpern verwandt, sei es dass er in andere Verbindungen wässerig-löslicher Natur umgewandelt wird. Diese Umsetzungsprodukte werden aber nicht sofort sämmt- lich durch den Lymph- oder Blutstrom entführt, sondern erfahren zum Theil innerhalb des Fettgewebes selbst, in seinen Fett- und Interstitialzellen, zunächst weitere Verarbeitungen und Umsetzungen, deren Produkte eben jene Tröpfchen sind. Daher brauchte ich für diese den Namen: secundär gebildetes Fett. Weitere Rechenschaft über diese Auffassung werde ich unten noch zu geben suchen. Es kann sogar sein, dass auch diese secundären Tropfen im weiteren Verlauf des Schwundes noch weitere Umsetzungen und Wiederansetzungen erfahren. Darüber lässt sich vor der Hand nicht entscheiden. Soviel ist sicher, dass in den Endstadien der Atrophie, in welchen die Haupttropfen bereits ganz aufgebraucht sind, auch jene consumirt werden und, vorausgesetzt dass der Hunger oder die Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 475 Ernährungsstörung lange genug anhält und ertragen wird, völlig verschwinden können. Ueber solehe Endformen des Fettzellenschwundes habe ich ausser den früher (5) mitgetheilten jetzt an einer grösseren Reihe von Individuen!) Beobachtungen gesammelt. Sie finden sich auch bei Thieren, die nur eine oder einige Wochen stärkeren Hunger ge- litten haben, immer schon hier und da, wenn auch ihre allgemeine Verbreitung eine längerdauernde Atrophie fordert. Zunächst interessiren die Formen, welche die seröse Fettzelle kurz vor oder mit ihrer völligen Fettentleerung annimmt; Formen wie ich sie 1. c. bereits einzeln dargestellt (Fig. 5, » Taf. 28 1. c.), aber kürzer als sie es verdienen beschrieben habe. Nach den Be- schreibungen der Handbücher (Frey, Kölliker, Gerlach u. A.) bestände eine seröse Fettzelle, ausser dem Fett, aus Membran, Kern und serösem Inhalt; der erstgenannte Autor (Handb. d. Hist. p. 205, Fig. 192), nennt freilich schon diesen Inhalt ein »reichlicheres und vielleicht verwässertes Protoplasma«, giebt aber doch an, dass in den späteren Stadien des Schwundes nur »eine homogene Flüssigkeit den ganzen Hohlraum erfülle«. — Diese Beschreibungen entsprechen den thatsächlichen Verhältnissen nicht; die seröse Fettzelle enthält ausser den genannten noch einen anderen, und zwar wichtigsten Be- standtheil: eine ansehnliche Portion granulirten Plasma’s, das nicht etwa in der serösen Flüssigkeit aufgeschwemmt und aufge- quollen, sondern localisirt ist, und das fast überall hauptsächlich die Reste des primären Fettes sowohl als die secundären Tropfen einschliesst. Es liegt entweder an einer Seite der Hüllplasmaschicht 1) 1 altes Kaninchen, 3 Wochen Hunger (d. h. täglich etwa 20—30 Grms. Pflanzennahrung), erwachsenes Meerschwein, 5 Wochen Hunger, 1 dito, fast 7 Wochen Hunger; 1 altes Kaninchen, 8!/, Wochen Hunger; 1 Igel, etwa 3 Wochen Hurger, mehrere hungernde Ratten (bei denen die seröse Atrophie bis zur völligen Ausleerung der Fettzellen oft verhältnissmässig wenig Zeit braucht); ausserdem eine grössere Zahl Versuchsthiere, die weniger als 3 Wochen gehungert hatten, endlich eine Anzahl kranker Thiere und Menschen. Eine nähere Angabe der Futtermengen unterlasse ich als unnöthig; es sei zugleich bemerkt, dass bei den betreffenden früheren Angaben (l. c. 5) einige leicht als solche ersichtliche Versehen sich eingeschlichen haben. Auf eine genaue Normirung der Futtermengen kommt es überhaupt nicht an, und ich habe bei längerer Erfahrung namentlich unnöthig gefunden, dieselben so gering zu nehmen, wie es früher verschiedentlich geschehen war, 476 W. Flemming: an (Fig. 8), oder haftet nur durch eine oder mehrere schwache Brücken an ihr (14 c), oder befindet sich endlich ganz frei im Innern (Fig. 14b). Dass dieser Umstand so lange übersehen wurde, ist kein Wunder, denn die Autoren werden meist ungefärbte Objecte untersucht haben, an welchen das Erkennen dieser Plasmamassen in den Zellen zwar gelingt, aber oft schon grosse Aufmerksamkeit und gutes Licht fordert; an Tinctionspräparaten von Oedemen sieht man sie dagegen auf den ersten Blick. — Man kann also an einer solchen Zelle Hüllplasma und Binnenplasma unterscheiden. Die Herkunft des Letzteren kann aus zwei Quellen abgeleitet werden: erstens kann ein Theil des Hüllplasma der Fettzelle — der soge- nannten Membran — sich zu ihm zurückgebildet haben; zweitens könnte, nach dem oben Mitgetheilten, vermuthet werden, dass der Fetttropfen selbst Eiweissbestandtheile enthält, welche selbst bleiben, während das Fett vermöge ihrer Thätigkeit aufgebraucht wird. Der Kern solcher serösen Fettzellen liegt, wenn das Plasma von der Hülle ganz oder nahezu ganz abgetrennt ist, stets in dem Ersteren. Wenn es übrigens als das wesentliche und Primäre anzusehen ist, dass das Fett der serös atrophischen Zelle von den Plasma- bestandtheilen, die es verarbeiten, eingeschlossen liegt, so kann es andererseits nicht Wunder nehmen, wenn wir in anderm Falle auch einmal sowohl den verkleinerten Haupttropfen, als die Nebentropfen frei im Serum schwimmend antreffen. Denn einmal kann mecha- nischer Druck, dem das Fettgewebe intra vitam ausgesetzt ist, deren Verdrängung aus dem Plasma bewirken, andererseits mag auch dieses Letztere ebenso gut, wie das anderer Zellen, Contractilität besitzen und mag dadurch activ Fettpartikel aus sich entfernen können. Die Kapsel nun (Fig. 14), welche die seröse Zelle umschliesst und mit jenen Plasmamassen bald noch in Zusammenhang, bald von ihnen gelöst ist, mag man in diesem Zustand wohl eine Mem- bran der Fettzelle nennen, sofern man dabei nicht vergisst, dass sie ursprünglich ebenfalls Plasma war. Denn diese Kapsel hat nichts gemein mit jener zarten secundären Membran, welche, wie früher erwähnt, an der Fettzelle unter Umständen noch zu erkennen und die, wie gesagt, nicht constant ist. Die viel stärkere Kapsel der serös-atrophirten Zelle geht, wie sich durch die verschiedenen Sta- dien verfolgen lässt, hervor aus dem Hüllplasma der Fettzelle. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 477 Aber an weit atrophirten Elementen hat sie in der That eine ver- änderte Beschaffenheit erhalten und ist ein hinfälliger Theil der Zelle geworden, deren weiter noch lebendige Substanz vielmehr durch das abgelöste Plasma dargestellt wird. Die Hülle ist in diesem Zu- stand auch schwächer, wie anfangs, durch Carmin färbbar ; sie zeigt sich, je stärker der Fettschwund vorgeschritten ist, um so dünner, und sie geht endlich vielfach in den Endstadien der Atrophie zu Grunde. Dieser ihr Untergang erfolgt entweder in der Art eines förmlichen körnigen Zerfalles, wie dies früher (4, p. 69, Fig. 27) beschrieben wurde und wie es besonders bei Krankheiten vorzu- kommen scheint; oder auch so, dass die Hülle sich immer mehr, bis zum Verschwinden verdünnt. An vielen Zellen findet man sie dann dehiscirend, wie aufgeplatzt oder aufgerissen, ohne natürlich entscheiden zu können, ob dieser Zustand im Leben zu Stande ge- kommen, oder durch Druck bei der Präparation (Herausschneiden, Oedem) erzielt war. Aus den gleich zu besprechenden Folgeformen kann man aber soviel abnehmen, dass sie nebst dem serösen Inhalt jedenfalls schliesslich völlig verschwinden kann — man kann sagen, resorbirt wird — und dass das freigewordene Plasma mit dem Kern jetzt den allein fortlebenden Theil der Zelle repräsentirt. Mit dem Ausdruck »freigeworden« ist nun freilich nicht dietirt, dass das consolidirte Binnenplasma stets ausser materiellen Zu- sammenhang mit den benachbarten Gewebselementen treten müsse. Es liegt zwar manchmal schon innerhalb der serösen Zelle ganz von der Wand isolirt; aber auch das könnte auf einer durch die Präparation bedingten Ablösung beruhen. In den meisten Fällen bleibt das Plasma durch Brücken bald hier bald da mit der Hülle in Verband. Denken wir uns in den natürlichen Situs der Fett- zellen und intralobularen Bindegewebszellen hinein, wie er durch Fig. 7 hier, und durch Abbildungen im ersten Abschnitt dieser Bei- träge veranschaulicht wird, so bleibt es ganz verständlich, dass die Hülle der Fettzelle zum grössten Theil zerfallen, ihr seröser Inhalt durch Resorption oder directen Erguss verschwinden, und dabei doch das Plasma an seiner Haftstelle in Continuität mit den benach- barten Gliedern der Zellentapete bleiben kann, deren Glied die Fettzelle selbst war. So ist es denn auch erklärlich, dass man an Präparaten von prall-angelesten Oedemen, an denen die fixen Zellen grösstentheils von dem Fibrillengerüst lospräparirt sind, die noch 478 W. Flemming: blasenförmigen Fettzellen sowohl als auch solche mit schon ge- schwundenen Hüllen (Fig. 10, Fig. 11) mit fettlosen Intralobular- zellen durch Substanzbrücken in Zusammenhang sieht; Substanz- brücken, die natürlich zu betrachten sind als zerrissene, gefaltete, ausgezerrte Portionen der Zellentapete. Der Untergang des Hüllplasma’s braucht jedoch auch bei der serösen Zelle nicht immer zu erfolgen. Nicht selten trifft man auch in solchem Fettgewebe, das meistens die ausgesprochenste seröse Atrophie zeigt, auf Stellen, wo die entleerten Fettzellen besonders klein, flüssigkeitsarm sind und dabei die Hülle dem Plasma enger anliegt (Fig. 11 a), und findet nun daneben zahlreiche noch kleinere und serumlose Formen, die ganz ähnlich den einfach-atrophischen Fettzellen aussehen: es ist keine abgesetzte Hüllschicht wahrzu- nehmen (11b, 12). Obwohl es möglich wäre, dass die letztere auch hier zerfallen oder aufgelöst ist, so lassen sich solche Bilder doch wohl am Ungezwungensten dahin deuten, dass, bei einer temporären oder localen Milderung des atrophischen Zustandes, die seröse Atrophie in die einfache hinüberschlagen, und das Hüllplasma sich ganz in weiteres Plasma zurückbilden kann. Als wesentlichste Schlussfrage drängt sich immer die nach dem endgültigen Schicksal der atrophischen Fettzellen auf. Erneute Ver- suche, sie zu lösen, ergaben stets Bestärkungen in dem Wahrschein- lichkeitsschluss, zu dem ich früher gelangt bin : dass die ausgehungerte Fettzelle wieder zu einer fixen Bindegewebszellplatte werden kann, wenn auch nicht muss. Bei den Versuchsthieren (vergl. oben Anm.) welche am längsten, bis 2 Monate und darüber, Hunger gelitten hatten, und welche zum Theil gar keine Zellen mit grösseren Fetttropfen mehr besassen, fanden sich an vielen Stellen Fettläppchen, in denen zwischen den Capillargefässnetzen überhaupt keine Zellen mit Fettinhalt mehr vorhanden waren: die hier befindlichen zeigten keine Hüllen, kein grobgranulirtes Plasma, wie das der serösen Fettzellen (Fig. 14, 10), hingen untereinander zusammen und waren der Form nach nicht zu unterscheiden von Bindegewebszellen, wie solche sich bei der gleichen Behandlungsweise darstellen (vergl. 1. c. 5, Taf. 28 Fig. 10) ). Daneben aber bieten sich Bilder (l. c. Fig. 11), welche einen Theil der vorhandenen Zellen noch stark mit Fetttröpfchen 1) Ich habe eine neue Figur dieser Art erspart, da sie nichts anderes zeigen würde wie jene, Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 479 durchsetzt zeigten. Compact-geformte oder rundliche Zellen, die man etwa als specielle Rückgangsformen der Fettzellen ansehen könnte, fanden sich in solchen Läppchen meistens gar nicht oder doch in so geringer.Menge, dass man ihnen eine solche Deutung nicht geben kann, vielmehr berechtigt ist, sie als Wanderzellen zu betrachten, die ja einzeln überall im Bindegewebe vorkommen. — Solche Bilder gibt es nun ferner nicht bloss bei sehr lang dauern- dem Schwund, sondern auch nach kürzerem Hunger (8&—14 Tage) und bei kranken Individuen, nur muss man hier viel mehr danach suchen, weil sie vereinzelter sind; sie betreffen nämlich stets die isolirten, am weitesten in das gefässlose Gewebe vorgeschickten, also jüngsten Läppchen, an denen überhaupt — eine Erscheinung die einstweilen nicht zu erklären, aber ganz augenfällig ist — der Fettschwund am frühesten beginnt und am raschesten fortschreitet. Auf diese Weise habe ich nach und nach eine solche Zahl derartiger Stellen zur Beobachtung erhalten, dass ich sicher bin es hier nicht mit Ausnahmezuständen, sondern mit constanten Producten der Atrophie zu thun zu haben. Es können demnach die Läppchen alle als Fettzellen characterisirten Elemente verlieren und nur solche behalten, welche von Rindegewebszellen morphologisch nicht unter- schieden sind; und es kann sich nun nur noch fragen, ob die Fett- zellen untergegangen, oder in Zellen von jenen Formen verwandelt sind — denn dass diese oft fetthaltig sind, bewiese noch nicht, dass sie Fettzellen waren, weil ja auch Intralobularzellen im Hunger fett- haltig werden können. Ich halte für glaublich, dass Beides neben- einander vorkommt; dass aber nicht das Erstere allein der Fall sein kann, ergibt sich beim Vergleich vieler solcher Stellen aus der Ab- schätzung der vorhandenen Zellenzahl. In völlig fettentleerten Läppchen, in denen die Elemente von Bindegewebselementen nicht zu unterscheiden sind, ist diese Zahl oftmals durchschnittlich nicht geringer, wie in solchen, wo noch sichere Rückgangsformen von Fettzellen zu finden sind, man wird also nicht wohl annehmen können, dass alle an den ersteren Orten (l. c. Fig. 10) vorhandenen Elemente frühere Intralobularzellen, und dass die Fettzellen ganz verschwunden seien. Diesen Abschätzungsschluss, den ich früher zur Vorsicht noch nicht ziehen wollte (1. c.), kann ich nunmehr nach einer grösseren Erfahrung unbesorgt wagen. Dass aber auch ein solches ganz fettlos gewordenes Läppchen, wenn die Atrophie noch länger anhält, in seinem Schwund noch 480 W. Flemming: weiter zurückgehen kann, dafür sprechen die unten mitzutheilenden Erfahrungen über das Verhalten der Capillargefässe. Wie diese, so mögen dann auch die fettlos gewordenen Zellen alle oder theilweise dem Untergang verfallen. Ueber die Bilder der atrophischen Fettzellen-Wucherung und ihrer Folgen habe ich dem früher Mitgetheilten nicht viel hinzuzufügen. Hauptsächlich interessirte mich hier die Frage, ob die Vermehrung der Kerne durch Theilung, oder durch freie Kernneubildung (Palin- genese Auerbach) vor sich gehen mag; denn wäre das Letztere der Fall, so würde man hier sehr günstige Objecte für die Unter- suchung des Vorganges am tingirten Präparat hoffen können. Aber es scheint das Erstere der Fall zu seiv. Man würde nämlich im Fall einer freien Kernneubildung auf dem Wege, wie ihn nach Fol's, meinen und Auerbach’s Ermittlungen die Kernvermehrung in der Eizelle nimmt!), hier doch irgend einmal gerade auf den Zu- stand treffen müssen, in welchem der Kern einer Fettzelle unterge- gangen und die beiden neuen noch nicht aufgetreten, die Zelle also kern- los wäre. Nach solchen Bildern habe ich nun an Orten, wo viele Anfangsstadien atrophischer Wucherung, insbesondere viele zwei- kernige Zellen vorliegen, nach Möglichkeit gesucht, aber bis jetzt immer vergebens. Wenn also nicht etwa eine äusserst rasch verlaufende palingenetische Kernvermehrung vorliegt, welche etwa noch im überlebenden Gewebe die Ausbildung eines Kernes er- möglicht, so wird eher eine wahre Kerntheilung anzunehmen sein. Letztere Annahme verträgt sich auch gut mit den häufig vorkom- menden Bildern, in welchen die zwei ersten Kerne einer wuchernden Zelle eng aneinanderliegend gefunden werden (Fig. 17 a,b); obwohl solche an sich natürlich nichts beweisen können. Die seltsame Form der Fettzelleproliferation, in welcher die Tochterzellen zu verästelten Formen auswachsen und Körbe oder Kränze von Sternzellen an Stelle je einer Fettzelle resultiren, habe ich nunmehr in sehr zahlreichen Fällen, und übereinstimmend mit den früheren Erfahrungen ?) vorzüglich dort gefunden, wo die Atro- phie nicht sehr rasch und intensiv verläuft; abgesehen vom ent- 1) Ueber die Literatur s. Auerbach, Organologische Studien 2., und in meinem Aufsatz: Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden, IV. Anhang, Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1875, Februarheft. 2) L. c. 5 Fig. 2, p. 332 ff., 1. c. 6, p: 17 Fig. 10—13. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 481 3 zündeten Gewebe, wo sie ebenfalls häufig sind. Am meisten empfiehlt sich für ihre Darstellung das Fettgewebe des Hundes, we man sie schon nach kurzdauernder schlechter Ernährung, sowie nach künst- licher Entzündung fast stets antreffen kann. Dass die Producte dieser wuchernden Zellen wirklich allmählich verschwinden, dafür liegen mir eine Anzahl ganz überzeugender Bilder vor, von denen die Fig. 15 eines skizzirt: man sieht neben solchen Kränzen, die aus 6—12 Sternzellen bestehen, andere von nur 5, 4—2 Zellen, die dann mehr auseinandergerückt erscheinen (bei xx), endlich hie und da liegt an der Stelle, die nach der Configuration des Gefässnetzes früher von einer Fettzelle eingenommen war, nur eine einzige, oft noch fetthaltige verästelte Zelle. Für den Verbleib der übrigen sehe ich zwei Möglichkeiten: sie sind entweder geradewegs durch Zerfall oder Resorption untergegangen, oder zu Wanderzellen verwandelt und fortgerückt. Da man an solchen Stellen nicht mehr Wander- zellen, als sonst im Fettgewebe anzutreffen pflegt, so ist mir das Erstere wahrscheinlicher. Im Anhang erwähne ich noch gewisse, wahrhaft monströs zu nennende Formen der Fettzellenwucherung, die in nicht gerade sel- tenen Fällen bei stärkerem Hunger!) gefunden werden. Während für ge- wöhnlich der Raum, den die Tochterzellen einer wuchernden Fett- zelle einnehmen, die normale Grösse einer solchen nicht überschreitet und meistens noch darunter bleibt (s. Fig. 15), wird in diesen Fällen die Zellenvermehrung excessiv und es entstehen runde oder unregel- mässig geformte Haufen von kleinen, hier immer rundlichen Zellen von 200 w. bis selbst 1 Mm. und mehr Durchmesser, dem blossen Auge als dunkle Flecken imponirend. Anfangs sind sie scharf be- grenzt, und Reste von Fett, oder nach dessen Aufzehrung die zu- rückbleibenden Krystalle, welche in dem Fett wuchernder Zellen mit Vorliebe auftreten, demonstriren noch in ihnen die Herkunft aus Fettzellen; später rücken ihre Elemente auseinander und es kann dann aussehen, als seien die betreffenden Fettläppchen dicht mit Heerden von Wanderzellen durchsetzt. Da man daneben aber an vielen Fettzellen noch die Anfangsstadien der Wucherung, und alle Uebergänge bis zu diesen Riesenformen — Riesenzellen im vollsten Wortsinn — findet, so ist eine anderweitige Herkunft jener runden Zellen nicht anzunehmen. 1) Ein Kaninchen, etwas über 8 Tage; ein Meerschwein, 14 Tage; mehrere Ratten, 5—8 Tage; einzeln auch in andern Fällen gefunden, 482 W. Flemming: Eine eigenthümliche Erscheinung ist es, dass in der nächsten Nähe wuchernder Fettzellen, meist um so reichlicher, je zahlreicher die Letzteren gerade am Ort sind, Bilder gefunden werden, die wie Fettzellbildung aussehen, wie die beiden Zellen am Gefäss in Fig. 12, von einem Hund, der mehrere Tage Hunger gelitten hatte). Es könnte dies auch einfache Atrophie sein; aber das ist schwer denk- bar, weil oft Uebergangsformen von den grossen Fettzellen her fehlen, weil die betreffenden Formen auch bei sonst durchaus seröser Atrophie vorkommen (wie in dem Fall Fig. 12), und weil sie sich in benachbarten Läppchen, wo keine wuchernden Zellen sind, nicht finden und sich auffallend an die Nähe der letzteren halten. Es ist wohl denkbar, dass der besonders rege Umsatz des Fettes aus den wuchernden Zellen benachbärten Elementen rein local den Stoff liefert, um, auch in der allgemeinen Atrophie, sich mit Fett zu füllen. Endlich möchte ich über einen, physiologisch wichtigen Punct hier etwas nähere Rechenschaft geben: über das Vorkommen frei vertheilter kleiner und feinster Fetttröpfchen im Fettgewebe. . Ihre Anwesenheit, sowohl beim Fettansatz (}. c. 4) als beim Fettschwund (5) habe ich früher erwähnt und den ersteren Umstand für den Schluss verwerthet, dass es nicht allein eine besondere Befähigung des Fettzellenplasma ist, durch welche Fett im Körper gebildet werden kann. — Zunächst Einiges über die Sicherstellung solcher freien Fetttröpfchen. Um allem Zweifel zu entgehen, hat man sie natürlich’ zunächst am frischen und nicht künstlich-oedematösen Gewebe zu suchen. Beim vorsichtigen Aufheben und Abschneiden eines Stückchens fett- haltigen Bindegewebes vom eben getödteten Thier mit scharfer Scheere, das man dann unter gestütztem Deckglas montirt, erhält man natürlich häufig die Ober- und Unterfläche mit Fetttropfen übersprengt, die aus etwa angeschnittenen Fettläppchen stammen. Diese sind leicht kenntlich an ihrer grossen Menge, ungleichen Ver- theilung und vor Allem an ihrer sehr verschiedenen Grösse. Stellt man auf tiefere Schichten des Präparates ein, so wird man nie der- artige Artefacte finden; auch ist es gar nicht denkbar, dass von der Oberfläche her Fetttropfen in das Gewebe eindringen könnten, sofern der Schnitt nur eine gewisse Dicke hat und Zerrungen bei seiner Ausbreitung vermieden sind. Immer findet man hier im Inneren, wenn sie überhaupt vorhanden sind, nur freie » Tröpfchen Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 483 feinsten Calibers, d. h. von etw& 0,5 w. oder weniger, nur selten von etwas grösserem Durchmesser. Die grösste Vorsicht ist aber auf die Entscheidung zu verwenden, ob das feintropfige Fett in den verdicktern Theilen von Bindegewebszellplatten — was oft vor- kommt, — oder nicht in solchen liegt. Nur an nicht zu dicken, und nicht zu fibrillenreichen Geweben, resp. Stellen des Präparats und bei gutem Licht ist natürlich eine solche Entscheidung möglich, und am besten eignen sich dafür Gewebe, die schon etwas natürlich oedematös sind: Bindegewebe des Embryon, das gallertige Gewebe der Orbita (das von Klein empfohlene Object), und serös- oder überhaupt stark-atrophisches Fettgewebe; — keineswegs das Omen- tum, das sonst sehr bequem erscheinen würde, aber schon zu opak ist, um für die Erkenntniss solcher feinen Partikelchen brauchbar zu sein. — Sieht man nun an solchen Objecten Fetttröpfehen, die an- scheinend frei, nicht in Zellen gelegen sind, so ist damit allerdings noch nichts entschieden; denn nach dem Bilde, das wir uns vom Bau des Bindegewebes im Ganzen entwerfen müssen (vergl. oben und im I. Abschnitt), können sie ja immerhin, wenn auch nicht den kern- haltigen Mitteltheilen der Zellen, so doch den weitern continuirlichen Ausbreitungen derselben eingelagert sein. Hiergegen sprechen nun zwar die Bilder stärkerer natürlicher und künstlicher Oedeme. Wer sich mit der letzteren Methode nur etwas bekannt gemacht hat, wird nicht daran denken, dass alle freiliegenden Tröpfchen, die man hier in der Flüssigkeit, resp. Leimmasse zwischen den Elementen des Fett- oder Bindegewebes liegen sieht, erst durch die Einspritzung von anderswoher an ihren Ort geschwemmt sein könnten. Oeltröpf- chen, die vom unvollständig entfetteten Spritzenstempel stammen, sowie solche Tropfen, die aus zufällig angestochenem Fettgewebe versprengt sind, lassen sich durch ihre meist bedeutende, sehr un- gleichmässige Grösse und ihre ebenso ungleiche Vertheilung nicht nur leicht von jenen, feinsten, gleichmässig vertheilten Tröpfchen diagnostieiren; sondern sie sind auch im Inneren der Fettläppchen, soweit man solche nicht etwa selbst angestochen hat, gar nicht zu finden und es ist überhaupt nicht denkbar, dass in das aufgespritzte Gewebe solche Dinge durch die Injection gleichmässig hineingetragen oder andererseits sämmtlich daraus entfernt werden könnten: denn das Gewebe bietet ja auch in diesem Zustand ein so eng-schwamm- artiges Gerüst von losgestreiften und halbwegs zerrissenen Zellen- platten, Fibrillen, Fettzellen und Gefässen, dass nicht viele Tröpfchen 484 W. Flemming: in dasselbe eindringen und viele, wenn darin vorhanden, zurückbleiben müssten. Finde ich nun aber das Innere eines solchen Läppchens reich an Tröpfchen, das umgebende Bindegewebe arm daran oder ohne solche, so ist der Schluss berechtigt, dass die ersteren von vorn herein am Orte vorhanden waren. Um solches Fett in Leimoedemen gut zu constatiren, ist er- forderlich, dass der Leim wenig oder gar kein Glycerin enthält, das Präparat nicht in reinem Glycerin, am Besten in Wasser eingedeckt wird, und dass man es nicht längere Zeit nach der Anfertigung untersucht; weil ja durch alle diese Umstände das Fett in seinem Glanz beeinträchtigt wird. Wenn die Tröpfchen nun hier freiliegend gefunden werden, so ist noch immer möglich, dass sie vorher in der Substanz der Zellen- häutchen lagen, und erst bei deren Zerreissung und durch das An- strömen der injieirten Flüssigkeit mechanisch daraus entfernt worden sind; oder dass sie theilweise selbst noch in zartesten Resten dieser Platten liegen, welche so blass sind, dass sie der Wahrnehmung entgehen. Und diese Möglichkeit willich auch überall offen gelassen haben, wenn ich der Einfachheit wegen vonfrei . vorkommendem Fett rede; ich würde sie mir sogar sehr gern ge- fallen lassen. Es soll damit nur gesagt sein, dass diese Tröpfchen nicht in den verdickten Kernportionen der Bindegewebszellen, in den Fettzellen oder den Gefässwänden gelegen sind: auf jene andere an sich freilich wichtige Unterscheidung kommt es mir für das Folgende nicht an. Auf diese Weisen habe ich nun vielfach wachsendes, atrophisches und stabiles Fettgewebe untersucht, und dabei gefunden, dass in den ersteren beiden Fällen freivertheilte Tröpfchen im Fett- gewebe selbst oft, aber keineswegs immer vorkommen. Ihre Menge ist dabei sehr wechselnd, aber niemals etwa so gross, dass man — wohin meine frühere Angabe missverstanden worden ist — sich das Fettgewebe in diesen Zuständen von einer Art Emulsion oder Milch durchsetzt zu denken hätte: die Tröpfchen sind viel spärlicher. Wo es viel solche anscheinend freie giebt, sind auch immer Tröpfchen in den Mitteltheilen von intralobularen Binde- gewebszellen vorhanden. Meist finden sich dann auch einzelne in der nächsten Umgebung der Läppchen; aber nur bei stärkeren Mästungszuständen und bei Säuglingen auch weiterab, im fettzellen- losen Bindegewebe. — Bei normal genährten Thieren da- Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 485 gegen fand ich freies Fett und solches in Bindegewebszellen relativ viel seltener, und in viel geringerer Menge. Es ist nun freilich der Begriff: „normale Ernährung“ aus Präparaten des Fettgewebes nicht absolut bestimmbar: er soll hier nur Befunde bezeichnen, welche keine Neubildung von Fettzellen, und keine Zeichen von Atrophie aufwiesen und darin dem vorgängigen Ernährungszustand der Thiere entsprechen. Es kann in solchem Fall natürlich doch ein geringer Ueberschuss oder Mangel der Ernährung, und an anderen Orten doch Fettansatz oder auch leichter Fettschwund vor- handen gewesen sein: und es können sich hierauf die selteneren Befunde beziehen, in denen man auch bei so genährten Thieren freie Tröpfchen findet. Ich habe mich bei diesem, nicht an die Plasmaleiber von Zellen gebundenen Fett etwas länger aufgehalten, weil sein Vorkommen ‚sowohl, als andererseits die Inconstanz dieses Vorkommens, für die nachfolgenden Betrachtungen von Bedeutung ist. Die zusammengestellten Beobachtungen, einzeln und in sich selbst noch räthselhaft, wie sie zum Theil sind, können uns doch in ihrer Gesammtheit und in Verbindung mit dem früher bekannt Gewordenen unterstützen, wenn wir nach einem Verständniss der Vorgänge des Fettansatzes und Fettschwundes suchen. Die Art und Weise, in der beim Ersteren das Fett in die Ge- webszellen gelangt, hat man sich bekanntlich früherhin rein mecha- nisch, als ein Hineindringen bereits gebildeten feinvertheilten Fettes in Substanz in die Zellen vorgestellt, für welches die früher gültigen, mit den Gewebszellen identificirten Vircho w’schen Saftröhrennetze bequeme Wege darzubieten schienen; und welches man durch den Namen „Fettinfiltration“ streng unterschied von der patholo- gischen Fettbildung in Gewebselementen, die auf Kosten von deren Substanz erfolgt und als „fettige Entartung“ bezeichnet wird. Auch heute scheint dieser Glaube noch sehr grosse Verbreitung zu haben. Freilich, jene cellularen Saftwege haben aus der neuern Histiologie verschwinden müssen, an ihre Stelle ist die Gewebslücke getreten. Diejenigen Untersucher, die sich näher histiologisch mit dem Fettgewebe beschäftigten (3, 4) haben sich von einer mecha- nischen Auffassung des Fettansatzes und -Absatzes übereinstimmend abgekehrt und einer chemischen zugewandt: Toldt sowohl wie ich kamen trotz vieler anderweiten Differenzen zu der Annahme, dass 486 W. Flemming: das Fett innerhalb des Fettzellenkörpers entstehe !). Der Satz des erstgenannten Forschers: »das Fett als Bestandtheil der Fettgewebszelle ist ein Product ihres Stoffwechsels, seine Anhäufung in und sein Verschwinden aus derselben ist Resultat der lebendigen Thätigkeit ihres Proto- plasmas«, ist zwar nicht zwingend bewiesen, und ich werde dazu auch durch diese Beiträge nicht im Stande sein; dennoch schliesse ich mich ihm wie schon früher an, mit dem Recht, mit welchem man stets die beste vorhandene Hypothese acceptirt, da er mir die bei weitem nächstliegende Deutung der bekannten Thatsachen zu ent- halten scheint. Nachdem die mikroskopische Forschung zu solchen Annahmen gelangt war, kann es ein wenig befremden, dass man von anderen Seiten noch immer das Fett so geruhig in die Zellen hinein »infil- triren« lässt, als sei von einer anderen Möglichkeit noch nie etwas gehört worden. Namentlich die Chemiker scheinen die Thatsache, dass Nahrungsfette im Körper abgelagert werden (vgl. Hofmann l. ec. 7) nicht von der Vorstellung trennen zu können, dass diese Fette nun auch in Substanz, in fein vertheiltem Zustand in die Körperzellen transportirt werden müssten. Hofmann, obwohl er vollkonımen würdigt, dass neben dem Nahrungsfette auch aus Eiweiss abgespaltenes Fett eine Quelle der Fettlager im Körper sei, und demnach auch wohl zulassen wird, dass diese Bildung des Fettes innerhalb der Zellen des Körpers vor sich gehen könnte, spricht 1) Um Missverständnissen zu begegnen, wie sie mir in dieser Hinsicht vorgekommen sind, erlaube ich mir unter Hinweis auf die citirten Titel die Bemerkung, dass ich über diesen Punct stets derselben Ansicht war wie Toldt. Ich habe nur bestritten, dass man den obigen Satz irgendwie verwerthen könne um die Fettzellen als eine specifische Art von Gewebszellen zu con- stituiren. Ausserdem schienen und scheinen mir einige Aeusserungen Toldt’s zu kühn und zu wenig gestützt, um sie nebst dem Obigen ohne Weiteres zu acceptiren. So dürfte der Ausspruch: »das Fett werde durch den Oxydations- process der Fettzelle bei der Atrophie wieder verbrannt«, weiter in die Cel- lularchemie greifen, als es nach den vorliegenden Kenntnissen berechtigt ist. Denn wenn das Fett auch schliesslich verbrannt wird, so wissen wir doch nicht, ob dies schon in den Fettzellen selbst geschieht, ob es hier nicht viel- mehr ganz andere, vorläufige Zersetzungen und Umsetzungen durchzumachen hat. Bei einer einfachen Verbrennung in der Fettzelle selbst wäre auch das Auftreten der Nebentropfen, und der Tröpfchen in den Interstitialzellen nicht ohne Weiteres verständlich. 1 Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 48 doch andererseits, hinsichtlich der Aufnahme von Nahrungsfetten, über das »Eintreten von Fetttröpfchen in die Zellen« in einer Weise, welche so viel mir scheint eine mechanische Vorstellung dieses Processes involvirt). Auch in der pathologischen Anatomie wird die Unterscheidung zwischen Fettinfiltration und Fettdegeneration heute noch für so loyal gehalten wie je zuvor. So scheint Rindfleisch in der letzten Ausgabe seines Handb. d. pathol. Gewebelehre (1875) nach dem Wortlaut seiner Darstellung auf p. 47—48 ganz ausser Betracht zu lassen, dass es sich bei den sogenannten Infiltrations- zuständen um etwas Anderes handeln könne, wie um eine direete Aufnahme feinvertheilten Fettes in die Zellen. Nach den bisher vorliegenden Kenntnissen kann die physio- logische Chemie sich wohl noch ebensowenig ein absprechendes Ur- theil über die cellularen Vorgänge bei der Fettablagerung erlauben, als der Histiolog dieselben allein aus seinen Präparaten zu erklären vermag. Der Nachweis z. B., dass Fett aus eingeführtem Eiweiss im Körper gebildet und abgelagert werden kann, involvirt noch nicht einmal, dass diese seine Bildung in den Gewebszellen vor sich geht; obwohl ich diese Möglichkeit gewiss anerkenne. Der Nachweis andererseits, dass auch Nahrungsfett aufgenommen und abgelagert wird, zwingt noch keineswegs zu der Annahme, dass es dabei un- zersetzt: aus dem Darm bis in die Fettzelle passiren müsse. Rad- ziejewski vertrat bekanntlich die Ansicht, dass das Nahrungsfett im Darm verseift, und aus den resorbirten Seifen in den Cylinder- zellen, und weiter im Blut, oder auch erst in den Fettzellen selbst, unter Zutritt von Glycerin wieder Fett gebildet werde?). Die nach- folgenden physio-chemischen Arbeiten haben gezeigt, dass seine Ver- suche in dieser Hinsicht nicht beweisend sind; dass seine Ansicht absolut widerlegt sei, ist mir nicht ersichtlich ?). Und angenommen, 1) 1. c. p- 181: „das Eintreten. von Fetttröpfchen in die Zellen ist vielmehr ein normaler Vorgang, ähnlich wie das schwer diffundirbare Eiweiss stets mit der grössten Leichtigkeit durch die Wandungen der Blutgefässe und die Zellenmembranen dringt“, sowie an anderen Stellen 1. c. 2) Eine Verseifung des Fettes bei der Atrophie vermuthete früher schon Hyrtl. (Lehrb. d. Anat. 1859 p. 67). 3) Die Resorption des Darmfettes inSubstanz durch das Darmepithel, wie sie gewöhnlich angenommen wird, erscheint auch durch die vielen dar- über vorliegenden mikroskopischen Untersuchungen, selbst durch die Arbeiten Eimer’s nicht zwingend erwiesen. Mit ihren Resultaten bleibt noch immer die Möglichkeit vereinbar, dass chemische De- und Recompositionen des fein- vertheilten Darmfettes bei seiner Aufsaugung und in der Substanz der Cylinder- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12. 32 488 W. Flemming: es wäre auch erwiesen, dass eine Verseifung der Nahrungsfette im Körper überhaupt nicht vorkommt, so bliebe zu fragen, ob es nicht lösliche Verbindnngen anderer Art sein können, in welche das Fett umgesetzt wird. Abgesehen aber von seiner Resorption im Darm, so ist das Fett auf seinem weiteren Weg von den Lymphgefässen bis in die Fettzellen noch nicht zu verfolgen und über die chemische Form, in der es diesen Weg nimmt, keinerlei sichere Rechenschaft, zu geben. Hinsichtlich seiner Ablagerung aber in den Zellen kann nun doch die Histiologie, wie mir scheint, jetzt wenigstens Eines sehr wahrscheinlich machen, wenn auch nicht striet beweisen: dass nämlich der Stoff, welcher als Bildungsmaterial für das anzusetzende Fett aus dem Blut in das Gewebe und in die Fettzelle gelangt, eine wässerig-lösliche oder diffundible Beschaffenheit hat, ebenso der Stoff, welcher bei der Atrophie aus den Zellen auf Kosten ihres Fettinhalts entfernt wird, um für den Körper nutzbar zu werden; und dass die Bildung des Fettes im ersteren, seine Umsetzung im letzteren Fall innerhalb des Fettzellenplasma’s erfolgt — eine Anschauung, die ich im Obigen schon mehrfach antieipirt habe. — Ich lasse aus- drücklich zu, dass der andere Weg einer mechanischen Filtration nicht ausser dem Bereich der Möglichkeit liegt: es kann ja fein ver- theiltes Fett unter gewissen Bedingungen (Benetzung mit Seife, Galle) durch wässerig-durchtränkte Membranen gelangen; solche Bedingungen könnten vielleicht auch an der Wand der Fettzelle und des Gefässes vorliegen. Eine derartige Annahme bedingt aber ihrerseits wieder neue Hypothesen und lässt immer noch bedeutende Widersprüche mit den histologischen Befunden bestehen !); ehe man sich also zu zellen mitspielen mögen. Durch eine solche Annahme würde es namentlich verständlich werden, dass das Fett sich so äusserst ungern im Cuticularsaum antreffen lässt. — Die jüngsten Ergebnisse v. Thanhoffer’s (Wien. Sitzungsb. 1873), die freilich auf eine höchst mechanische Auffassung des Vorganges hinauslaufen und ganz an den früheren Ausspruch Vircho w’s: »wahrscheinlich fressen die Cylinderzellen das Fett« anklingen, vermag ich schon deshalb nicht für erledigend zu halten, weil ich ihre anatomische Prämisse, den von Th. behaupteten ringartigen Bau des Cutieularsaumes, nicht bestätigen kann. 1) Es dürfte am Platz sein, diesen Consequenzen der Annahme einer reinen »Fettinfiltration« einmal etwas näher nachzugehen. — Construiren wir uns nach ihr zunächst den Tettansatz. Das Fett soll also in feiner Verthei- lung aus dem Darm in die Circulation gelangt sein, und in feinsten Tröpfehen Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 489 ihr entschliesst, wird man zu prüfen haben, ob nicht jene chemische Auffassung des Vorganges leichter verständlich, besser zu stützen im Blut eireuliren — denn dass es auf dem Wege der Blutgefässe in die Fettzellen kommt, kann der Histiolog nach seinen Erfahrungen jetzt verlangen. (Die einzelnen im Anfang erwähnten Fälle, in welchen Fettzellen sich auch abseits von Gefässen bilden, können daran im Prineip nichts ändern: denn auch hier wird man auf weitergedrungene Transsudate aus dem Blut, als Quelle des Fettes, recurriren können.) — Um dasselbe nun mechanisch in die Fettzellen zu bringen, muss erstens angenommen werden, dass an den Stellen, wo gerade Fettzellen gebildet oder stärker gefüllt werden, eine Durchtränkung der Gefässwand und des Fettzellenplasma mit einer Substanz — Seife, Galle oder was es nun sei — vorliegen muss, welche dieselben für die Fettemulsion permeabel macht. (Ich schalte hier die Frage ein: wenn ich mir überhaupt eine solche locale Anwesenheit z. B. von Seife im Gewebe soll vorstellen können, warum dann nicht auch, dass local Seife aus Fett gebildet werde?) Zweitens, ist ein mechanisches Moment zu postuliren, welches die Fettpartikeln durch die Gefässwand und in die Zellen treibt; entweder müsste das der Blutdruck sein, oder eine Art magnetischer Anziehungskraft zwischen Fett und Zellenplasma — Beides schwer verständlich und Beides gleich schlecht vereinbar mit der oben erwähnten Erfahrung, dass niemals, ausser in ganz vereinzelten pathologischen Fällen, Fetttröpfchen in den Capillarwänden gefunden werden. Warum ferner nicht auch die intralobularen Bindegewebs- zellen alle zu Fettzellen werden, insonderheit diejenigen, die nahe an den Gefässen liegen und mit ihnen in engerem und ausgedehnterem Contact sind wie die Fettzellen, bliebe unerklärt; — dass dieselben überhaupt zur Fett- aufnahme befähigt sind, zeigt ja ihr oftmaliger Fettgehalt. Nebenbei müssten doch, wenn nicht jene »magnetische Anziehung« angenommen werden soll, auch stets Fetttröpfchen frei in die Gewebsinterstitien gelangen; und doch können solche an Stellen entschiedener Fettzellenbildung, wie oben gesagt, bald fehlen, bald vorhanden sein. — Für die Entfernung des Fettes aus den Zellen in der Atrophie ist zunächst wieder die Annahme jener localen Durch- tränkungen des Gewebes nöthig. Dann fragt es sich auch hier nach der Kraft, die das Fett hinaustreibt. Es könnte eine Contraction der Plasma- hohlkugel der Fettzelle im Spiel sein — allerdings wunderbar, dass sie eine solche schon in der vollen Fettzelle, im allerverdünntesten Zustand beginnen müsste, und dass sie dabei nicht gleich die Fetttröpfchen durch sich hinaus fltrirte, sondern sie zunächst in sich ansammelte, um Nebentropfen daraus zu bilden. — Andererseits könnte es der Blutdruck, die Spannung der Haut und überhaupt der Körpergewebe, und die Action der Muskeln sein, was die Fettzellen mechanisch entleerte. Aber wohin gelangt denn in diesen beiden Fällen das herausgedrückte Fett? Es kann doch nicht Alles in die Blutge- fässe wieder hineingedrückt werden: es wird jedenfalls zunächst grösstentheils in die Gewebsinterstitien des Fettgewebes gerathen, und wir müssten diese 490 W. Flemming: ist und mehr für die Erklärung der Erscheinungen leistet. Und da müssen nun doch die Thatsachen in ihr Recht treten, welche durch das Mikroskop gewonnen, und im Obigen des Näheren beschrieben sind. Obenan stelle ich die alte Erfahrung, welche schon Toldt mit Recht zur Illustration der Fettzellen-Physiologie heranzog: dass der gelbe, im Fett gelöste Farbstoff bei der Atrophie in dem ver- kleinerten Tropfen zurückbleibt und denselben immer mtensiver gelb werden lässt. Dazu nehme man das Verhalten der Nebentropfen, ihr Auftreten im Plasma der Zeile, ihre geringfügige Grösse, ihre oftmals dem Haupttropfen gegenüber abweichende Färbung; die Thatsache, dass sich weiches, körnerhaltiges Plasma im Lauf der Atrophie aus der glatten, flachgespannten Plasmahülle der Fettzelle zurückbildet, dass andererseits die Plasmamenge der jungen wach- senden Fettzelle mit der Fettfüllung zunimmt; die andere, dass in also auch bei der Atrophie dieht und eonstant mit Fetttröpfehen gefüllt finden, wie beim Fettansatz; und doch sind solche auch in diesem Falle weder dicht noch constant vorhanden (s. oben). Oder werden sie etwa gleich nach dem Verlassen der Fettzelle zersetzt oder verbrannt? Kann man sich denn nicht ebensogut oder besser vorstellen, dass eins oder das Andere schon in der Fettzelle selbst geschieht ? Es ist auch die Vorstellung möglich, dass jene Durchtränkung und Passirbarmachung der Gefässwände für Fett nicht blos local und zeitweise, sondern immer und überall dort, wo überhaupt Fettablagerung vorkommen kann, im Körper gegeben sei. Das erfordert dann die Annahme, dass fort- während Fett aus den Zellen filtrirt, aber auch stets, ausser bei stärkerer Atrophie, wieder hineinfiltrirt; dass beim Fettansatz der erstere Process durch den letzteren überwogen wird, in der Norm sich beide die Wage halten, bei der Atrophie der erstere vorherrscht. Dies wäre insofern noch die beste Auffassung, weil wir dann die mechanische Bedingung der Filtration (Druck) als stets gleichbleibend annehmen könnten und nur die Fettzufuhr wechseln zu lassen brauchten. Es wäre freilich dann zu fragen, warum Fettansatz wie Fettschwund heerdweise, und nicht überall zugleich auftreten; die Ursachen dafür könnte man aber in einem local-differenten Verhalten der Blutgefässe suchen (eine Annahme, die mir auch bei einer chemischen Auffassung der Fettbildung und des Fettschwundes schwer zu umgehen scheint). — Aber als wesentlichstes Hinderniss tritt hier wieder die Thatsache auf, dass sich vergl. oben) bei gerade gutem oder mittleren Ernährungzustand für gewöhnlich kein freies feinvertheiltes Fett im Fettgewebe und dessen Umgebung finden lässt, und wenn ja solches vorhanden ist, doch viel weniger als beim Fettansatz oder -Schwund; während man es unter der gedachten Annahme doch allezeit: in gleichem Maass erwarten sollte. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 491 der Atrophie wie bei der Ablagerung vielfach auch in den intra- lobularen Bindegewebszellen der Fettläppchen Fett auftritt, und zwar auch ohne dass solches nebenbei frei gefunden würde!); endlich die Abwesenheit von Fetttröpfchen in den Capillarwänden: — sieht das Alles nach einer Infiltration und Efiltration von fertigem Fett aus, und nicht viel mehr nach chemischen Umsetzungen von Fett in lösliche Verbindungen und Wiederbildungen aus solchen Verbin- dungen, welche im Körper der Zelle erfolgen ? Die Pigmentimprägnation und die Verkalkung von Zellen und Gewebstheilen führen, wie die Fettablagerung, zur Durchsetzung dieser Theile mit Stoffen, welche in der Durchtränkungsflüssigkeit des Theiles nicht direct löslich sind. In diesen beiden Fällen hat Niemand — obschon man auch hier von In filtrationszuständen spricht — etwas gegen die Annahme, dass Pigment wie Kalk im Zellenkörper aus resorbirten wässrigen Lösungen ausgefällt werden, und dass damit, wie bei jeder Ausfällang, auch chemische Um- setzungen einhergehen ; niemand wird behaupten, dass der Kalk in Substanz in die Gewebselemente käme Es ist nicht abzusehen warum das, was dem Kalk und Pigment recht ist, nicht auch dem Fett billig sein so!l. Gegen die Annahme seiner chemischen Ent- stehung im Zellenkörper spricht bis jetzt, so viel ich sehe, keine Erfahrung; diese Annahme bedingt nur das Zugeständniss, dass sich über die Art des Vorganges noch keine sichere chemische Formu- 1) Ich würde, wie oben schon angedeutet, überhaupt gern zulassen, dass jene anscheinend freien Fetttröpfehen nicht wirklieh frei, sondern überall in den zarten Ausbreitungen der Zellentapete liegen oder doch in Contact mit ihnen gebildet werden; obschon sich darüber einstweilen nicht entscheiden lässt. Wir würden in solchem Falle nicht blos den am Kern gelegenen , oft verdickten, wie man zu sagen pflegt »protoplasmatischen« Theilen der Binde- gewebszellen die Fähigkeit zur Fettproduction zuzuschreiben haben, sondern auch ihren zarteren Fortsetzungsplatten. Es würde das ein Grund mehr sein, die letzteren nicht, wie es jetzt sehr gebräuchlich ist, als hyaline, dem Plasma ganz wnähnlich gewordene Lamellen anzusehen, sondern als lebens- und gunetionsfähig gebliebene, nur sehr zarte Ausbreitungen des Plasma selbst, obschon sie darum immerhin etwas anders, wie dieses, constituirt sein können. Die hier geäusserte Vermuthung gewinnt eine Stütze in dem Verhalten der Jüngsten Fettzellenformen (vergl. z. B. Fig. 9). Das Fett tritt in ihnen keineswegs immer bloss, oder immer zuerst, in der Nähe des Kerns auf, sondern oft in sehr zarten Ausläuferbrücken der embryonalen Sternzellen (wie in der Figur), oder in den Platten abwärts vom Kern beim älteren Thier. 492 W. Flemming: lirung machen lässt; und zu solchem Geständniss sind wir auch bei hundert anderen Punkten der Histiochemie genöthigt. Wenn aber somit ein Transport des Fettes in Substanz in die Zellen nicht bewiesen, und Niemand genöthigt ist an einen solchen zu glauben, so erscheint auch die Bezeichnung » Fettinfiltration« nicht motivirt und sogar vermeidenswerth, da sie im Stande ist un- begründete Vorurtheile über das Wesen des Vorganges zu erwecken. Dieses Wesen wäre, wenn die hier als wahrscheinlich angesehene Ansicht richtig ist, ganz ebenso wie bei der Fettdegeneration zu suchen in einer Umsetzung von Substanzen in Zellen oder Gewebstheilen; der Unterschied ist nur, dass das daraus resultirende Fett im einen Fall auf Kosten zugeführter Substanz gebildet wird, im anderen auf Kosten der Gewebstheile selbst. Ich würde also mindestens vorschlagen, den Namen »Fettinfiltration« einfach durch Fettfüllung oder Fettansatz, Fettimpletion, Steatemplese zu ersetzen; diese Bezeichnung schliesst noch nicht einmal die Möglichkeit einer wirklichen Infiltration aus, aber sie präjudicirt wenigstens nichts zu ihren Gunsten. Rückbildung der tefässnetze in atrophischem Fettgewebe. (Taf. XX, Fig. 1-8). Die Frage nach den Schicksalen der Blutgefässe in solchen Fettläppchen, die bei andauernder Abnahme der Ernährung ihres Fettinhalts und schliesslich selbst der charakterisirten Fettzellen ver- lustig gehen, hatte ich früher (l. c.) unentschieden lassen müssen. Ich habe ihr bei den oben verzeichneten Versuchsthieren, welche langdauernden Hunger ertragen hatten, besondere Aufmerksamkeit zugewandt und gefunden, dass auch ‚die Gefässnetze des Fettes bei Nagethieren schon nach. 1—2-monatlichem Hunger dem Untergang anheimfallen können. Zur Untersuchung dieses Gegenstandes wird es natürlich zu- nächst erfordert, dass man sich möglichst grosse Bezirke atrophischen Fettgewebes in möglichst ausgebreitetem Zustand zum Ueberblick vor Augen bringt. Ich wandte dazu die gewöhnlichen Leimoedeme an, doch mit der Maassregel, den Gelatinezusatz sehr schwach zu wählen, so dass bei nachträglicher, 1—2-tägiger Maceration der ge- färbten Schnitte bei nicht zu kühler Temperatur, die Masse weich Beiträge zur Anatomie und Yhysiologie des Bindegewebes. 495 genug ist, um auch einen diekeren Schnitt durch allmählichen Deck- glasdruck etwas abplatten zu können, ohne dass ein Auseinander- bröckeln der Leimmasse, und damit störende Zersprengungen der eingeschlossenen Gewebe, speciell der Gefässnetze vorkommen. Um aber letztere auszuschliessen, ist ausserdem die Injection der Blut- vefässe mit concentrirterer (blauer oder farbloser) Leimmasse sehr empfehlenswerth, die an allen betreffenden Objecten längere Zeit vor der Anlegung des Oedems ausgeführt wurde. Man erkennt in dem angeschnittenen Leimtumor dann leicht mit blossem Auge die Gefässtracte mit den seitlich abzweigenden Netzen der Fettläppchen, und kann leicht, mit Scheere oder Messer, einen solchen Tract nebst einer Anzahl der Letzteren herauspräpariren, färben, maceriren und unter dem Deckglas ohne Zerreissung so weit flach drücken, dass das Objeet für die Untersuchung mit Hartnack V, VII, und je nach- dem man die Stücke kleiner nimmt, auch bis IX a imm. geeignet ist. An Läppchen, in denen nur noch sehr wenig oder gar kein Fett mehr in den Zellen vorhanden, und diese sehr verkleinert sind, zeigt sich zunächst, dass die Capillarnetze sich viel weniger weit von den Gefässtracten oder deren Hauptästen ausdehnen (Fig. 1 Taf. XX), als dies am nichtatrophischen Gewebe der Fall ist. Dies ist an sich verständlich, weil ja die vollen Fettzellen, die früher das Capillarnetz ausdehnten, sehr verkleinert oder selbst geschwunden sind. Man braucht aber nicht lange zu suchen, so wird man auf Stellen treffen, wo überhaupt das Capillarnetz einen anderen Habitus besitzt wie am intacten Fettgewebe. Es zeigen sich hier viel mehr langgestreckte und weitausgedehnte Maschen, als sie sich in normalen Läppchen finden; überhaupt ist das ganze Gefässnetz lockerer und spärlicher (Fig. 2), als es überhaupt bei normalen oder ıninder atrophischen Läppchen vorkommt. Man findet endlich Stellen, wo selbst einer der Hauptgefässstämme der Läppchen fehlt, wie z. B. in Fig. 2 die Vene nur ein Stück weit peripherisch erhalten, von da ab durch Röhren von capillarem Bau und Caliber ersetzt ist. Dass diese Zustände der Gefässnetze aus einer Rückbildung resultiren und dass dieselben nicht etwa von vornherein so beschaffen waren, kann man bei hinreichender Erfahrung schon daraus ab- nehmen, dass solche Bilder an nicht atrophischem oder schwächer atrophischem Fettgewebe eben nicht vorkommen'), und um so häu_ 1) Abgesehen von jenen Fällen, welche im Eingang dieses Aufsatzes Erwähnung fanden und auf diesich Fig. 1 Taf. XIX bezieht: wo stellenweis in 494 W. Flemming: figer gefunden werden, mit je stärkeren Hungerzuständen man es zu thun hat. Um sich aber noch sicherer zu überzeugen, hat man nur ihrer Histiologie etwas näher nachzugehen. Es sind zwei Formen, unter denen das Schwinden der Blut-- sefässe verläuft. Die eine, bei Weitem vorwiegende und namentlich bei langdauerndem Hunger und in ganz fettleeren Läppchen herr- schende, kann der Capillarenneubildung täuschend ähnlich sehen; sie mag als atretischer Schwuna bezeichnet werden, denn sie beruht in einer localen Atresie, Verdünnung und endlich Continuitäts- trennung einzelner Capillarröhren. Sie findet sich nicht stellenweis gehäuft, sondern bald hier bald dort im Gefässnetz. — Beim ‚Suchen mit einem stärkeren System stösst man zunächst vielfach auf spitz ausgezogene, blind endende Gapillarenzweige, die ganz wie wachsende Gefässsprossen aussehen (Fig. 7b), dann auf Bilder, wie sie die Figuren 3 und 4 darstellen, m welchen durchgängige, mit Injections- masse gefüllte Capillaren durch eine bald kürzere, bald längere, bald noch zum Theil permeable, bald ganz atretische Brücke ver- bunden sind; endlich auf andere, in denen eine solche Brücke auf eine Strecke weit oder auch in ganzer Länge aufs Aeusserste ver- dünnt ist (Fig. 5, 6, Ta), und auf solche, in denen zwei spitz endi- gende zarte Ausläufer, von je einer Capillare ausgehend, einander gegenüberstehen. Zuweilen, aber selten, hat man den merkwürdigen Befund, dass an einer Stelle einer solchen noch zusammenhangenden, atretischen Verbindungsbrücke, oder am freien Ende einer Spitze, eine Ausbreitung des Plasma mit mehreren Kernen sich zeigt, von welcher wieder eine freie Spitze ausgehen kann (wie z.B. in Fig. 6). Wenn man all diesen Bildern anderswo begegnete, würde man sie wohl ohne Weiteres auf Gefässsprossung deuten. Dass wir es mit atrophischem Gewebe zu thun haben, würde an sich auch noch nicht eine solche Annahme ausschliessen; denn wenn unter solchen Ver- hältnissen die Fettzellen proliferiren können, warum nicht auch die Blutgefässe. Aber diese Deutung wird dadurch ausgeschlossen, dass je stärker die Atrophie vorgeschritten war, desto mehr Stellen zu finden sind, wo die Capillarnetze lockerer, spärlicher und lang- den Läppchen sehr lockere Gefässmaschen und mehrere Fettzellenreihen ohne Capillaren vorkommen. Sie halten aber weder an Ausdehnung der lockeren Stellen, noch an Häufigkeit ihres Vorkommens einen Vergleich mit dem bei der Atrophie zu Findenden aus. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 495 maschiger geworden, und dass nun eben diese Stellen es sind, wo man hauptsächlich auf die hier beschriebenen Bilder stösst. Wie die Stellen zu deuten sind, deren eine Fig. 6 zeigt, darüber will ich mir noch kein Urtheil erlauben ; es ist keineswegs undenkbar, dass diese. Processe hie und da von einer localen Proliferation begleitet sein mögen, die immerhin nicht merkwürdiger und schwerer erklärlich wäre als die Wucherung der atrophischen Fettzelle). Ich will hier noch gleich von vornherein den etwaigen Einwurf abveisen, dass die gezeichneten atretischen Brücken und Spitzen nur uninjieirte, collabirte und durch die Präparation ausgezerrte, resp. abgerissene Capillaren, die ganzen Bilder also Artefacte seien ?). Das wird im Allgemeinen schon zurückgewiesen durch die zahlreich vorlommenden einzelnen, wirklich frei auslaufenden Spitzen (Fig. 7b), denm keine andern mehr von den Wänden benachbarter Capillaren aus gegenüberstehen, die also keine durchgerissenen Capillaren sein könten. Wer übrigens solche Objecte sieht und mit stärkeren Systmen prüft, wird überhaupt gar nicht auf jenen Verdacht komnen. Die atretischen Stellen zeigen sich durchaus compact, aus !iner blassen, schwach tingirbaren, feingranulirten Substanz ge- bilde, die an den Stellen des Zusammenhanges mit der Capillar- wandin einer solchen Weise in diese übergeht, dass sich an ein Kunsproduct der genannten Art gar nicht denken lässt — Ver- hältnsse, die ich in den Abbildungen (Fig. 3b, letztere mit Im. IX) möglihst naturgetreu wiederzugeben suche. Dass die Verdünnung und Aresie der betreffenden Stellen nicht auf blosse Auszerrung ) Es ist aber auch möglich, dass die Plasmaausbreitung mit den 8 Kernei in Fig. 6 den Rest eines hier untergegangenen Stückes Blutbahn re- präsenirt, das auf eine Strecke weit nicht atretisch geworden war und dessen Wandlemente hier zusammengerückt sind. ) Es könnte ein solcher Verdacht vielleicht gerade durch die Fig. 5 und 4erweckt werden, in welchen beiderseits neben den atretischen Stellen rothe 3lutscheiben liegen. Man könnte zu glauben versucht sein, dass diese der Irectionsmasse den Weg versperrt haben und dann die nicht injieirte Stelledurch die Präparation strangartig ausgezerrt sei. Dies wird erstens schonlurch die Schlängelung der atretischen Stelle in Fig. 4, dann durch die fmere Beschaffenheit derselben (Fig. 3a) und endlich dadurch ausge- schlosen, dass ganz collabirte, injectionslose und straff gespannte Capillaren imme noch von viel stärkerem Durchmesser, viel schärfer contourirt und tingis und überhaupt von ganz anderem Anssehen sind, wie diese zarten, blassa Plasmastränge. 496 W. Flemming: eines collabirten Gefässes zurückzuführen ist, lehren ausserdem Bilder wie das in Fig. 4 gezeichnete, wo das Gefäss gerade an der atre- tischen Stelle nicht straff gespannt, sondern gewunden liegt. Vor Allem aber, man hat ja oft an andern Stellen der Präparate, wo die Injection gerade nicht vollständig ist, Gelegenheit, wirklich colla- birte und durch die Präparation in gleichem Grade gezerrte Uapil- laren zu vergleichen; und wird dabei finden, dass diese durchaus anders aussehen wie die atretischen Stellen, dass sie stärker tingirt, niemals so verfeinert sind, niemals aus so zarter, blasser, fein- granulirter Substanz bestehen wie jene (vergl. besonders Fig. 3b), und dass sie auch im collabirten Zustand immer noch eine Spur des Lumens erkennen lassen. Dass nun nicht bloss Capillaren, sondern auch Gefässe &was stärkeren Calibers in dieser Art schwinden können, lehren Stellen ‚wie die in Fig.2 gezeichnete. Es kommt im nicht-atrophischeı und auch im mittelgradig-atrophischen Fettgewebe nicht vor, das ein Läppchen ohne abführende Vene wäre, wie es hier der Fall ist!). Als Andentung der Vene findet sich nur ein aus den Capilaren zusammenfliessendes Gefässstück (v) von etwas stärkerem @liber wie jene, reicher an Adventitialzellen, also gleich einer Vene etzter Ordnung, das aber gegen die Hauptstämme verfolgt nicht ineinen solchen zurückläuft, sondern sich (bei x) wieder in Capillara auf- löst. Dem gegenüber bleibt nur die Annahme, dass das emtrale Stück der rückführenden kleinen Vene, und ihre Terminalverkndung mit der Arterie (deren Ende und Capillarenauflösung nicht nit ge- zeichnet ist) hier bereits Unterbrechungen erlitten hat. Durchgängig findet sich diese Gefässrückbildung im Junger am Frühsten, und auch später vorherrschend, an den äusersten Sprossen der fettversorgenden Gefässbäume, d. h. an den üngst- gebildeten Fettläppchen. Es steht dies damit in Uebereinstinmung, dass überhaupt auch die Atrophie der Fettzellen — auch ie ein- fache — zunächst an diesen Stellen zu beginnen pflegt und a ihnen 1) Dass der betreffende Gefässbezirk in der Fig. 1 u. 2 einecı Fett- läppehen angehört, ist unzweifelhaft nach den hier noch überall vorhadenen, fetthaltigen Zellen (Fig. 7); in den meisten Figg. sind die Zellen fortglassen. — Uebrigens kommen im ganzen Subeutangewebe des geborenen Säuethiers gar keine so ausgedehnten und so geformten Gefässnetze vor, ausser »lchen, die zu Fettläppchen gehören oder gehörten. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 497 also schon am Längsten gedauert hat, wenn in den späteren Stadien des Hungerzustandes die Gefässrückbildung beginnt (8. 1. c. 5, p. 344). Aus diesem Grunde kann man auch schon bei Nagethieren, die erst wenige Wochen gehungert haben, Gefässrückbildung finden, wenn man die Untersuchung eben auf diese jüngsten, am Weitesten in’s gefässlose Bindegewebe ragenden Fettläppchen richtet, während man gleichzeitig in den Mitteltheilen der Fettlager noch wenig oder gar nichts der Art, und auch den Fettschwund hier noch weniger vor- geschritten findet. Doch kommt es auch bei geringeren Graden der Abzehrung, auch in früheren Zeitperioden derselben, sowohl an einfach- wie an serös-atrophischen Stellen bald hier bald dort zu verstreuter Capillarenrückbildung der beschriebenen Form; Bilder, auf die ich erst durch die Kenntniss der Folgen längeren Hungers aufmerksam wurde, und die auch erst durch sie ihre sichere Deutung finden. Die andere Form des Gefässschwundes, die sehr merkwürdige Erscheinungen darbieten kann, lässt sich als Maschenverenge- rıng bezeichnen. Ich finde sie bei langsamer und langdauernder Atrophie viel seltener und vereinzelter wie die Atresie; besonders bei kurzdauernden, aber stärkeren Nahrungsentziehungen, auch nicht selten im künstlich entzündeten Gewebe — also wo auch Wucher- Atrophie der Fettzellen vorzukommen pflegt, und es ist denkbar, dass gerade diese sie verursacht, indem die wuchernde Zelle einschwindet und ihrer Gefässmasche Raum zur Contraction giebt. Sie war die einzige, die ich bei meiner letzten Mittheilung kannte (]. c. 6, pag. 18, Fig. 10). Aus den Bildern, die man nebeneinander sieht (Fig. 8a b), lässt sich kaum eine andere Auffassung des Vorganges gewinnen als die, dass eine Masche des Netzes mit dem Schwinden ihres In- halts — der Fettzelle — sich selbst immer mehr bis zu einem kleinen Loch verengert, dann auch dieses verstreicht, indem die Gefässwandzellen mit ihrem Plasma ineinanderfliessen; und so ein anfangs noch verbreiterter Knotenpunct resultirt, der sich dann nach und nach zu dem Caliber eines gewöhnlichen Capillarrohres verschmächtigt. Dieser Vorgang betrifft nicht bloss Capillaren, sondern auch Venen und Arterien geringerer Ordnung, die schon deutliche Anfänge einer Media zeigen. — Meine Auffassung dieser Bilder scheint mir dadurch gestützt, dass ich an den Gefässnetzen des nicht-atrophischen Gewebes diese engen Maschen und die eigenthüm- lichen Löcher (s. d. Figuren) vergeblich suche. 498 W. Flemming: Nach den hiermit erreichten Resultaten ist es mir wahrschein- lich, dass bei langertragener Ernährungsverschlechterung die ge- sammten Capillarnetze von Fettläppchen zu Grunde gehen werden, vielleicht auch die grösseren Gefässstämme derselben. Nachdem ich aber einmal den Anfang dieses Rückbildungsprocesses verfolgt und damit die Möglichkeit seines Fortganges festgestellt hatte, habe ich sehr gern von einer Fortsetzung dieser grausamen und langwierigen Versuche abgesehen; es ist jedenfalls soviel dargetban, dass Blutge- fässe eines Fettgewebsbezirkes anfangen unterzugehen, wenn die zu- gehörigen Fettzellen kein Fett mehr umzusetzen haben. Es hat wohl etwas Schwerverständliches, dass ein Blutrohr zu Grunde geht, weil die Theile, die bis dahin sein Transsudat aufge- nommen und verbraucht haben, selber schwinden oder zu einem solchen Verbrauch nicht mehr im Stande sind. — Aber was wissen wir denn von den biologischen Wechselbeziehungen, die mög- licherweise zwischen einem Blutgefäss und den von ihm ernährten Elementen hier wie anderswo bestehen, und die zugleich mechanischer und chemischer Natur sein können? — Soviel ist schon an sich klar, dass die Blutgefässe des Fettes bei der Atrophie unter veränderte Lebensbedingungen gerathen, weil sie im gesunden Fettgewebe in situ eng zwischen die Fettzellen gedrängt liegen, im weitatrophirten mit solchen meistens ausser Contact treten und dafür von der Flüssig- keit umspült werden, die das Gewebe in diesem Zustand durch- tränkt. Wie solche und vielleicht noch andere Bedingungen ein- wirken, können wir nicht einmal vermuthen; dass sie aber einwirken können, wird nicht geläugnet werden. Für die allgemeine, organologische Auffassung der Fettlager könnten diese Thatsachen abermals einen Hinweis geben, dass die- selben kein stabiles Gewebe sind; in sofern der Bestandtheil, den man in ihnen besonders charakteristich fand, das „drüsenähn- liche“ Gefässnetz, ein labiler ist. Freilich die Folgen des langan- haltenden Hungers können in dieser Hinsicht nicht maassgebend sein, denn es ist möglich, dass auch das Gefässuetz einer Drüse atrophiren würde, wenn man dieselbe sehr lange ausser Function setzte: — aber wohl sprechen in diesem Sinne die Untergangsformen von Ge- fässen, die man, wie gesagt, auch schon in den Anfangsstadien des Hungers findet, also unter Verhältnissen, die im normalen Leben oft genug vorübergehend vorkommen. — Doch eine solche Verwer- thung der Gefässatrophie ist nicht nöthig, denn was sie im nega- Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 499 tiven Bild zeigt, davon haben wir das positive im fettansetzenden Thierkörper weit bequemer‘ und vielfältiger vor Augen: wie in jenem Fall das Fettgewebe untergehen kann, wo es war, so sieht man es in diesem an hundert und tausend Stellen in isolirten Heerden entstehen, wo es nicht war — und zwar allezeit im Bindegewebe. Der Leser mag schliesslich um Entschuldigung dafür ersucht sein, dass ich veranlasst war, so oft ceitirend auf eigene frühere An- gaben und deren Abbildungen zurückzugreifen, ein Verfahren, das er hoffentlich nicht missdeuten wird. Diese Beiträge sind die con- tinuirliche Fortsetzung jener Arbeiten; Manches hier erscheint als Wiederholung, und rechtfertigt seine Mittheilung nur, indem es die alten Ergebnisse auf Grund dreijähriger weiterer Erfahrung bestätigt oder berichtigt, ergänzt und ordnet. Damit war die Anknüpfung an das Frühere nothwendig, und lag ausserdem im Interesse einer Ersparniss an Tafeln. — Herrn Prof. Klebs, sowie den Herren Prof. Eppinger und Dr. Sojka bin ich für die Freundlichkeit, mit der sie mir Material aus derhiesigen pathologisch-anatomischen Anstalt zugänglich machten, zu bestem Dank verbunden. Der Uebersichtlichkeit wegen will ich in eine kurze Reihe von Sätzen die wesentlichsten Puncte zusammenfassen, die sich mir bezüg- lich der Histiologie der Fettlager und des Lebens der Fettzelle bis heute ergeben haben. 1. Morphologisch sind die grösseren Fettlager der Säugethiere stark vaseularisirtes fibrilläres Bindegewebe mit fettgefüllten Zellen. Abgesehen von den Complicationen der Anordnung, die durch die beiden letzten Umstände bedingt werden, haben sie denselben Bau wie das lockere Interstitialgewebe und dieselben Bestandtheile, Fi- brillen, Kittsubstanz und Zellen. Irgend eine Art specifischer Zellen existirt in ihnen nicht. — Mit stärkster Vascularisation ist eine lappige Anordnung verbunden (eigentliche Fettläppchen, Hauptmasse des Fettes); daneben kommen minder gefässreiche Gruppen von Fettzellen (Fettstränge), und endlich Fettinseln im Bindegewebe vor, welche ganz gefässlos sein können. 500 W. Flemming: 2. Eine Abgrenzung der Fettlager gegen das umgebende Ge- webe ist bis jetzt nicht nachweisbar. 3. Nerven, welche zu anderen Gewebstheilen der Fettlager als zu ihren Gefässen in Beziehung ständen, sind bisher nicht nach- weisbar. 4. Lymphgefässe, welche ihre Wurzeln im Fettgewebe fänden und aus diesem direct Lymphe ausführten, konnte ich im Intersti- tialgewebe, speciell im Subcutangewebe nicht finden. Die Lymph- gefässe des Unterhautgewebes passiren dasselbe allem Anschein nach bloss, ohne in ihm selbst zu wurzen, und seine Lymphabfuhr geht am Wahrscheinlichsten durch die Gewebsinterstitien nach der Haut resp. nach der Tiefe. — Die Verhältnisse des Mesenterialfettes scheinen sowohl in diesem Punct, wie hinsichtlich Anlage und Wachs- thum des dortigen Fettgewebes, etwas abweichende zu sein und sind keineswegs auf die übrigen Fettlager des Körpers zu über- tragen. Das Letztere gilt auch für den Fettkörper der Amphi- bien. — Einen genetischen oder sonstigen engeren Zusammenhang des Fettgewebes mit dem Lymphgefässsystem (Klein) kann ich demnach nicht zugeben. 5. Die Fettzellen der unter 1. besprochenen Lager entstehen durch Fettimpletion der platten Elemente, welche die Zellentapete des Bindegewebes bilden, und ihrer verästelten Vorgänger beim Embryon; sowie aus den Producten einer Proliferation dieser Ele- mente, die vielfach zugleich an den fettansetzenden Orten erfolgt. Eine Entstehung von Fettzellen aus anderweitigen Zellen (in specie Wanderzellen) ist möglich, aber nicht nachgewiesen ; — abgesehen von der Fettfüllung der Waldeyer’schen Plasmazellen, welche für die Bildung und Vergrösserung der normalen Fettlager im Inter- stitialgewebe nicht in Betracht kommen kann. 6. Das Wachsthum der Fettlager erfolgt a) durch successive Fettfüllung auch derjenigen intralobularen Bindegewebszellen, welche anfangs fettlos geblieben waren; doch scheint auch bei bester Ernährung immer noch eine bedeutende Anzahl derselben fettlos zu bleiben; b) durch Theilungen voller Fettzellen (vergl. 1. c. 4) — scheint auch bei der Mast nicht überall vorzukommen —; €) durch Sprossung der Gefässnetze der Fettlager und Annexion weiterer Theile des umgebenden Bindegewebes, d. i. Bildung neuer Läppchen. Solche können sich unter Umständen (Säugling) auch insulär bilden und erst später mit andern in Gefässzusammenhang treten. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 501 7. Eine Membran gehört nieht zu den gewöhnlichen Attri- buten einer vollen Fettzelle, doch ist unter Umständen eine zarte Bedeckungsschicht vorhanden. In der Atrophie bildet sich aus dem flach ausgedehnten Hüllplasma — (vielleicht auch auf Kosten der Fetttropfen?) — granulirtes Plasma zurück. In serös-atrophi- schen Zellen grenzt dieses Binnenplasma sich mehr oder weniger von dem Hüllplasma ab, welches als festere Schale aussen bleibt. Die letztere Hülle, die »Membran« der serösen Zelle, kann im wei- teren Verlaufe der Atrophie sich ebenfalls zu weichem Plasma zu- rückbilden, oder auch untergehen. Das Binnenplasma kann bestehen bleiben und sich, wo die Continuität erhalten ist, wieder als Glied in die Lage der Bindegewebszellen einordnen; oder es kann ebenfalls untergehen. 8. Die Ausleerung der Fettlager in Carenz und Krankheit verläuft entweder als einfache Atrophie (gleichmässige Verkleinerung der Fettzelle mit dem Schwinden des Inhalts ohne Höhlenbildung) oder als seröse Atrophie (Bildung einer grossen serösen Höhle im Plasma). Beide Formen können nebeneinander vorkommen. (Ueber die Bedingungen ihres Eintrittes verweise ich auf den Text.) Beide können von Kernvermehrungen und Wucherungen der Fettzellen begleitet sein. 9. Die Producte der letzterwähnten Wucherungen verschwin- den allmählich von ihrem Ort. 10. Die Gefässnetze des Fettgewebes beginnen bei länger- dauernder Atrophie zu schwinden; hauptsächlich in der Form, dass Aeste undurchgängig werden, dann verkümmern und ausfallen (atretischer Schwund); zum Theil indem die Maschen sich verengern und confiuiren. 11. Im geronnenen Fetttropfen der abgestorbenen Zelle kommen sehr häufig flüssigkeitshaltige Vacuolen vor. Unter Umständen ist in demselben auch tingirbare Substanz zu beobachten. 12. Die Annahme, dass bei der Fettzellenbildung und -Ent- leerung das Fett in Substanz, in feinvertheiltem Zustand in die Zelle und aus derselben filtrire, ist zur Zeit durch Nichts postulirt, im Widerspruch mit manchen und schwer vereinbar mit vielen histio- logischen Befunden. Mit den letzteren vereinigt sich dagegen sehr gut die von Toldt und mir früher schon vertretene Annahme, dass das Fett im Körper der Zelle chemisch gebildet resp. umgesetzt werde, Es ist aus diesem Grunde hier der Ausdruck »Fettinfiltra- 502 W. Flemming: tion« vermieden und durch Fettimpletion (Steatemplese) ersetzt worden. Der Verbrauch des Fettes bei der Atrophie lässt sich schwer- lich in der Art denken, dass der Fetttropfen sofort in der Fettzelle selbst einfach nach und nach verbrannt würde; weil dann das Auf- treten der Nebentropfen und der secundären Fetttropfen in den In- tralobularzellen unerklärt bleiben würde. Mit Rücksicht auf diese Erscheinungen ist an anderweite vorläufige Umsetzungen des Fettes zu denken. Citirte Literatur. 1. F. Czajewiez, Mikroskopische Untersuchungen über die Textur, Ent- wicklung, Rückbildung und Lebensfähigkeit des Fettgewebes. Arch. f. Anat., Physiol. und wiss. Mediein 1866, p. 289. Deutsch von H. Hoyer. W. Flemming, Centralbl. f. d. med. Wissensch., 16. Juli 1870. 3. €. Toldt, Beiträge zur Histologie und Physiologie des Fettgewebes. Sitzungsb. d. Wien. Acad. Bd. 62, Abth. 2. Juliheft 1870. 4. W. Flemming, Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bin- degewebe, und Bemerkungen über die Structur des Letzteren. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 7 H. 1. p. 32. 1870. Derselbe, Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. Ebenda. p. 327, 1871. 6. Derselbe, Ueber das subeutane Bindegewebe und sein Verhalten an Ent- zündungsheerden. Virchow’s Arch. Bd. 56, 1872. F. Hofmann, der Uebergang von Nahrungsfett in die Zellen des Thier- körpers. Zeitschr. f. Biologie 1872. Bd. 8, p. 158. 8. E. Klein, The Anatomy of the Iymphatie System. P. I. The serous membranes. London 1873. ©) oO 1 9. L. Ranvier, Du developpement et de l’aceroissement des vaisseaux san- guins. Travaux du laboratoire d’histologie, Paris 1874, p. 148 und Archives de physiologie. 10. W. Waldeyer, Ueber Bindegewebszellen. Arch. f. mikr. Anat. 1874, H.1.:p.\176: 11. L. Löwe, Zur Histologie des Bindegewebes. Wiener Med. Jahrbücher II. Heft 1874. 12. J. Hofmann, Ueber die Reaction der Fette und die Bestimmung von Fettsäuren in Fetten. Beiträge zur Anatomie und Physiologie, als Festgabe für Carl Ludwig. 1. Heft. Leipzig 1875. Beiträge zur Anatomie und Plıysiologie des Bindegewebes. 503 Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Fetttröpfcehen feinsten Calibers, wo sie in Zellen vorhanden waren, sind ausser in Fig. 18 nicht mit dargestellt. Wo nichts über die Anfertigung bemerkt, sind die gezeichneten Prä- parate tingirte Schnitte aus Leimoedemen, welche unter den im Text ange- gebenen Modificationen bereitet und untersucht wurden. Die erste Nummer giebt das System, die zweite das Ocular von Hartnack an. Fig. 1. In Reihen geordnete und zusammenhängende Fettzellen aus einem Fettläppchen der Unterhaut der Regio glutaea. Sie sind nirgends einem Capillar- oder überhaupt Blutgefäss benachbart, über- haupt befinden sich in dem nächst angrenzenden Theile des Läpp- chens nur einige langgestreckt-maschige Capillaren. Leichtes Oedem. Mann, 40 J. Tuberculose. Leichte einfache Atrophie: Fettzellen alle voll, aber auf grosse Strecken hin sämmtlich gegen die Norm verkleinert. — 4. 3. Fig. 2. Erwachsenes gut genährtes Meerschwein, Unterhautfett der Nacken- gegend, leichtes Oedem mit Leim (ohne Silber) durch Totalinjection in die Carotis unter constantem Druck im Wärmekasten. Zeigt die intralobularen Fibrillen und Zellen. Der Schnitt, in Glycerin durch- sichtig gemacht, war absichtlich dick gemacht, über wie unter den gezeichneten 6 Fettzellen liegen darin noch 1—2 Lagen anderer, ein Beweis, dass die Fibrillen nicht auf, sondern in dem Läppchen selbst gelegen sind. Vacuolen in den Fetttropfen. ce. Capillargefäss. 7. 3. Fig. 3. Kaninchen, Säugling, Inguinalfalte. Bei a Rand eines grösseren Fett- läppchens mit Capillargefässen. Bei b eine Gruppe junger Fettzellen ganz von jenem isolirt (s. Text im Anfang der Abhandlung), in welchem insuläre Gefässbildung beginnt und aus welchem eine freie Capillarsprosse herauswächst. 4. 3. Fig. 4. Von demselben Meerschwein wie Nro. 2, aus dem fetthaltigen Hals- bindegewebe. a kleine Arterie, v. Vene, Adventitia nur aus einer Reihe lose vertheilter Zellen bestehend. Zeigt, gegen Klein, dass Fettzellenbildung in der Adventitia von Arterien und Venen vor sich geht. Die Zellen liegen der Media an und drücken sie sogar ein (bei a). 7. 3. Fig. 5. Junge Katze, Omentum; links Blutgefäss, rechts isolirte Fettzelle. Jede Zelle an den Balken ist durch Tinction deutlich, und sicher Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 35 504 Fig. 6. Bie. 7. Fig. 13. Fig. 14. W. Flemmine: weder Capillaren noch gar Lympheefässe im rechten Theil des Prä- parats; in den Balken befinden sich überhaupt nirgends Kerne. Nach rechts ist die Fettzelle noch weiter vom nächsten Blutgefäss entfernt. Zeigt, dass Fettzellen isolirt von Blut- wie Lymphgefässen entstehen können. 4. 3. Silber, Pikrocarmin. Vom selben Omentum. Junger Knoten (Nodule Klein) mit fertiger Fettzelle, wie in 5 völlig isolirt von Blut- wie lymphgefässen. 7. 3. Erwachsenes Kaninchen, 2 Monate Hunger, Fettgewebe; ohne Zer- reissung der Lacunenwände injieirte Stelle. Etwa ein Drittel der sichtbaren Fibrillen ist, um das Bild nicht zu sehr zu complieiren, fortgelassen. Drei weit atrophische Fettzellen (serös), deutlich der Lacunenwand eingefügt, eine zweikernig, wie sehr viele bei dem Thier; zwei andere Zellen, eine mit Fetttröpfchen. Andere Zellen im linken Theil des Präparates nicht mit gezeichnet. Illustrirt den Situs der Theile im Fettgewebe. (Capillargefäss lief nahe unter den Fettzellen r chts, weggelassen.) 7. 3. Andere Stelle von demselben Präparat, wo das Gewebe etwas zer- sprengt ist. Zeigt noch deutlicher die Fixirung der Fettzellen auf den Fibrillen. 7. 3. 9. Menschliches Embryon, Fettzellenentwicklung, wie sie überall in der Unterhaut vorlag. An der gezeichneten Stelle und in deren Um- gebung keine runde oder unverästelte Zelle zu finden. 7. 3. (Die Zu- sammenhänge der Zellen sind zur Sicherheit mit 9 a imm. con- trolirt.) . Kaninchen, 3 Wochen Hunger, Inguinalfalte; Fettzellen des Läpp- chens durch ausgezerrte Substanzbrücken (starkes künstl. Oedem) in Zusammenhang mit einander und Bindegewebszellen. Membran meistens nicht mehr deutliclı vorhanden. Kernwucherung. 5-kernige Fettzelle von demseiben Präparat. 7. 3. Meerschwein. 5 Wochen Hunger, Inguinalfalte, Reihen von atro- phischen Fettzellen. Zeigen zugleich Kernwucherung, Zusammen- hänge untereinander and mit Bindegewebszellen, und Schwinden des Hüllplasma (Membran) der Fettzellen. 7. 3. . Erwachsene Hündin, wenige Tage schlecht gefüttert; vielfache seröse Atrophie, einzelne atrophische Wucherung. Grosse Fettzelle, serös atrophisch (Hüllplasma etwas gefaltet); unten wuchernde Zelle; 2 kleine prall gefüllte Zellen am Capillargefäss, ob neugefüllt oder einfach atrophisch ? (Aehnliches sieht manbei y Fig. 15.) Zusammen- hänge von Fettzellen mit Intralobularzellen. 7. 3. a b. Fettzellen,: Kaninchen, Omentum, Pikrocarmin-Glycerin: Tingirte Partien an den Krystallen im Fetttropfen. 7. 3. ce Meerschwein, Fettzelle mit Vacuole 7. 3. e. T. a und b, weit serös-atrophische Fettzellen von einem sehr abge- magerten Igel, Inguinalfalte. Binnen-Plasma nebst Kern von der Fig. 15. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 505 verhärteten Schicht des Hüllplasma abgelöst, letztere ist in a schon sehr zart und in anderen Zellen des Präparats kaum noch wahr- nehmbar. (Ein Theil der kleinen, dunkel gezeichneten Körner im Plasma beider Zellen repräsentirt noch- deutliche Fetttröpfchen gleich den grösseren in b, ihr grössester Theil aber sieht aus wie gröbere Plasmakörnungen.) 7. 3. — l4c, d von einem lange hungernden Meerschwein; e seröse Zelle mit abgegrenztem, aber noch deutlich mit der Hüllenschicht zusammenhangendem Binnenplasma. d eine intralobulare Bindegewebszelle, deren viele hier, wie es bei der Ent- zündung und auch öfter in atrophischem Fett vorkommt, aus der platten Form in eine compacte, verästelte übergegangen sind. 9. 1. Junger Hund, Schnitt durch Rand eines Fettläppchens, in dessen Nähe Entzündungszustand durch Fremdkörper erzeugt war. Fett- zellen an dieser Stelle grösstentheils durch einfache Atrophie gegen die Norm verkleinert (an anderen Orten war leichte seröse Atrophie), daneben sehr vielfache Wucherungen von Fettzellen in den ver- schiedensten Stadien nebeneinander. Die beiden Maschen bei b sind von einer anderen Stelle herangezeichnet. Zeigt, bei xx, das all- mähliche Gelichtetwerden und Verschwinden der Zellenhäufchen, welche aus einer wuchernden Fettzelle entstanden sind. — Kerne des Gefässnetzes nicht mitgezeichnet. Im linken Zipfel des Gefäss- netzes von b eine im Einschwinden begriffene Capillarmasche (vergl. Taf. I Fig. 8). 4. 3 eing. Tubus. . Mann, 36 J., an Tubereulose gestorben, Schnitt durch Inguinalfett- läppchen. Ueberall wo untersucht wurde (Inguinalfett , Glutaealfett u. a, Stellen der Unterhaut) augenfällige, starke einfache Atrophhie (Verkleinerung der Fettzellen ohne seröse Füllung derselben), an wenig Orten gemischt mit geringgradiger seröser Atrophie. (Bei- spielsweise fand sich in dem Schnitt, aus dem gezeichnet wurde und der mehrere hundert Fettzellen enthielt, keine solche von mehr als 50 u. Durchmesser, aber die grosse Mehrzahl war viel kleiner: die srössten vollen Zellen in der Zeichnung 30 «.; die beiden kleinen Zellen rechts in 16a: grösste Durchm. 15 resp. 21 u. Ebenso ver- hielt es sich in den von anderen Stellen her entnommenen Schnitten. — Normale Fettzellen des gesunden erwachsenen Menschen oder überhaupt Säugethieres, haben aber durchschnittlich weit mehr, als 50 «. Durchmesser: vergl. z. B. Fig. 2, bei derselben Vergrösserung gez. wie Fig, 16). Die in 16a gezeichnete Zellengruppe — Zusam- menhänge sehr deutlich — kann täuschend das Bild von Fettzellen- neubildung vorspiegeln. — Nebentropfen in dem Plasma der Fett- zellen, wie sie gewöhnlich auftreten. — Zugleich Fettfüllung der Intralobularzellen: in den einen bloss weisses (z), in anderen dunkel- gelbes (y), in einzelnen beide Arten von Fett (x). 7. 3. 506 W. Flemming: Fig. 17. Kaninchen, etwas über eine Woche schlecht genährt. Ebenfalls ein- Fig. 18. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 4. fache Atrophie, und daneben leichte Grade von Wucherungen (zwei- kernige bis höchstens fünfkernige). Die Art, wie die vermehrten Kerne anfänglich im Hüllplasma liegen (17a), zeigt ohne Weiteres, dass hier an eine Einwanderung von Leucocyten nicht zu denken ist. 7.3. Kaninchen, Säugling; sehr massenhafte Fettzellenneubildung. Von einer solchen Stelle, frisch mit Essigsäure. Rechts dicht neben den Zellen lag ein Gefäss, unten reifere Fettzellen. Die mittlere Zelle a bezeichnet die Form, die ich hier die jüngste erkennbare Form der Fettzelle genannt habe. Die Tröpfehen in ihr, möglichst genau in der Grösse gehalten und der Einfachheit halber dunkel dargestellt, sind ihrem Glanz nach unzweifelhaftes Fett ; solche dichtere Tröpfchen- anhäufungen, meistens, aber nicht immer in der Nähe des Kerns gelegen, characterisiren die künftige Fettzelle: einzelue Fetttröpfchen finden sich sonst auch in vielen Bindegewebszellen, aber nie so dicht angesammelt. b enthält keine Spur von Fett. Die Figur zeigt zu- gleich, dass junge Fettzellen nicht plasmareicher zu sein brauchen wie andere: a ist nicht grösser wie b und wie die »Bindegewebs- körper«, d. h. Zellenmitteltheile, im Präparat überhaupt sind, und ihr Plasma sieht ganz so aus wie bei diesen. Die wahren Fett- tröpfehen in ihr dürfen natürlich nicht mit Plasmakörnungen ver- wechselt werden. — 9 a imm. 3. Taf. XX. Fig. 1—8. Erwachsenes Meerschwein, fast 7 Wochen Hunger. Gefässnetz eines Fettläppchens aus einem grösseren Lager der Inguinalfalte, retrahirt, aber mit noch geringfügigem Gefässschwund; in der Peripherie schon sehr weite Maschen. 2, 1 e. Tub. Gefässnetz aus demselben Fettlager, oben eine prominirende Sprosse desselben, welche nur noch eine Arterie a, als Andeutung der Vene ein etwas stärkeres Gefässchen v enthält, das sich central wieder in Capillaren auflöst (x). Hier vielfache Atresie, weite Maschen. 2, 1e. Tub. In beiden Präparaten waren in den Maschen noch reichliche fett- haltige Zellen, die nicht mit gezeichnet sind. Atretische Stelle des Capillarnetzes, vom selben Thier, a schwächer vergr.,b mit 9 & imm. 3. Die atretische Brücke ist ein zarter, sehr schwach gefärbter (Pikrocarminbehandlung) Plasmastrang von sehr feiner Granulirung, in dem das Lumen in 1 scharf spitz aufhört. Ebenso, von demselben Thier. 7.3. 5, 6. Ebenso, von einem anderen lange hungernden Meerschwein. In Fig. 6 mitten in der einen atretischen Brücke eine Kernanhäufung, Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 507 deren Deutung fraglich. Bei b die Brücke schon auf eine Strecke weit atretisch, bei a noch eine Spur von Lumen. 7. 3. Fig. 7. Ebenso, altes Kaninchen, 8'/, Wochen Hunger. b ein frei aus- laufender Rest eines atretischen Capillarrohres, welchem keine mehr von der anderen Seite gegenüberstand. 7. 3. Alle diese Zeichnungen von tingirten Injeetionspräparaten, Masse dunkel dargestellt, Kerne noch dunkler. (Bei allen diesen Figuren ist nicht an coliabirte Capillaren zu denken, welche ganz anders, lange nicht so zart aussehen, und nie so verdünnt sind; ebensowenig an ausgezerrte Gefässe, was schon durch die Schlängelungen der atretischen Stellen in Fig. 3 u. 4 widerlegt wird.) Fig. 8. a b Schwund von Capillarmaschen durch Verengerung, von dem- selben Hund, von dem Fig. 15 Taf. XIX, wo die Erscheinung besonders häufig war. Der Strich oben bei a giebt das Maass einer mittel- grossen vollen Fettzelle gegenüber den verengten Maschen. In der einen liegt eine Bindegewebszelle (ob frühere Fettzelle oder Rest einer wuchernden?) und zwei freie Zellen. — c. Atretische Stelle, vom gleichen Object. 7. 3. Abschnitt III Zur Anatomie der kleineren Lymphgefässe. (Taf. XX, Fig. 9—12.) Bei der Beobachtung der subeutanen Lymphröhren, die sich an Präparaten aus künstlichen Oedemen sehr schön und wohlerhalten darstellen, stiess ich auf Verhältnisse ihres Baues, die bisher nicht beschrieben sind und die vielleicht für die Frage nach der Entwick- lung der glatten Museulatur verwerthbar werden können. Für das Studium dieser Lymphgefässe richtet man die Präpa- ration am Besten so ein, wie ich sie behufs der Darstellung fettleerer Blutgefässnetze (vergl. im letzten Theil des vorhergehenden Ab- schnittes) gewählt hatte; mit der Modification, dass man bei der An- legung des Oedems die Canüle (welche hierzu ein möglichst langes Rohr und eine kurze aber spitze Lanze haben soll) von innen her bis in die Cutis schiebt, so dass die Haut emporgespannt wird, während des Injieirens mehrfach die Spitze aus der Cutis wieder 508 W, Flemming: herauszieht und an anderen Stellen einstösst. Auf diese Weise ge- lingt es in vielen Fällen, an den verschiedensten Körperstellen, einen Theil der cutanen Lymphgefässnetze und, wohl offenbar von ihnen aus, subeutane grössere Lymphröhren mit der farblosen Leimmasse schön und prall zu füllen; wie auch hin und wieder die Perineural- scheiden der kleinen Hautnerven soweit zu injieiren, dass sie deutlich von den Nerven selbst abgehoben sind. Bei einem Silberzusatz von 0,2—0,4 pCt. zum Leim bekommt man dann ausserdem oftmals, wenn man die Schnitte vor der Färbung dem Licht aussetzt, deut- liche und in vielen Fällen äusserst regelmässige Endothelzeichnungen. Die Lymphröhren findet man theils den mit blossem Auge sichtbaren Blutgefässtracten und Nerven zugesellt (s. Abschnitt II), theils, wo sie isolirt verlaufen, muss man sie in dem angeschnittenen Leim- tumor mit der Lupe, oder, die kleinsten, aufs Gerathewohl in den Schnitten suchen. Von den Verlaufs- und Verzweigungsverhältnissen der subeu- tanen Lymphgefässe war schon im II. Abschnitt kurz die Rede. Wenn man auch zuweilen Gabelungen derselben findet, namentlich an solchen welche mit Blutröhren verlaufen, so habe ich doch nie- mals innerhalb des Subceutangewebes weitere Auftheilungen gesehen, welche annehmbar machen könnten, dass auch nur ein Theil dieser Lymphbahnen in diesem Gewebe direct wurzelt, sei es in seinem Fett, sei es in den fett- und gefässlosen Theilen. Nie- mals findet sich auch an der Aussenwand solcher, prall injieirter Lymphgefässe irgend ein Anhang, der sich als ein feinerer colla- birter Wurzelast deuten liesse; ebensowenig kann man annehmen, dass solche Aeste durch die Präparation abgerissen seien, weil dann doch erstens die Masse extravasirt und das Gefäss collabirt sein Sollte!), und zweitens mit einem starken System, welches jede Zelle der Wand deutlich zu controliren erlaubt, doch die Spuren von solchen Zerreissungen und die abgerissenen Aeste zu finden sein müssten. Die Lymphgefässe ziehen also ohne Verzweigungen aus den Hautnetzen in den Hautmuskel, resp. in die unterliegende Musku- 1) Das umgebende Leimoedem würde dies nicht verhindern; denn das- selbe bleibt niemals so prali wie unmittelbar nach der Anlegung, sondern breitet sich immer noch weiter ins Gewebe aus, ehe esin der Tiefe erstarrt. — Wo die Injeetion der Cutislymphgefässnetze nicht geglückt ist, sieht man die kleineren Lymphgefässe strangartig collabirt und gefaltet. Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 509 latur und ihr Interstitialgewebe; und es wird danach glaublich, dass der Gewebssaft des Subeutanstratums seinen Abfluss nicht direct in Lymphgefässe, sondern zunächst in die Gewebslücken entweder der Cutis, oder der Muskeln und ihrer Fascien, oder auch nach beiden diesen Seiten zugleich findet, um erst dann in die Lymphcapillar- netze dieser Theile aufgenommen zu werden. Der Zusammenhang zwischen Cutisnetzen und subcutanen Lymphröhren ergiebt sich ja schen aus der Füllung der Letzteren bei dem hier beschriebenen Verfahren. Jene unverästelten subeutanen Lymphröhren sind ihrem Bau nach zum geringen Theil noch Capillaren, nur aus einem Endothel- rohr gebildet; zum grösseren besitzen sie weitere Wandbestandtheile. Die grössesten, mit kräftiger Ringmuskellage und schwacher Adven- titia versehen, unterscheiden sich in nichts von den anderweitig bekannten. Ein höchst eigenthümliches Ansehen aber gewähren die- jenigen kleineren Gefässe, welche eben die Anfänge einer Musecularis zeigen. (Fig. 9, 10 und 11 Taf. XX.) In den Beschreibungen der Handbücher wird allgemein an- gegeben, dass die Muscularis bei Lymphgefässen sich im Wesent- lichen verhalte wie bei Venen, d. h. aus längs- und querverlaufenden Fasern (letztere hier vorwiegend) zusammengesetzt sei. Bei den erwälnten kleinen Röhren dagegen zeigen sich die spärlichen Muskelspindeln bald einzeln, bald zu 2 oder 3 gruppirt, in allen möglichen schiefen, queren und gewundenen Richtungen um das Endothelrohr herumgeschlungen, so dass dies von einem äusserst zierlichen Korbwerk umflochten wird. Die Figuren werden dies ohne weitere Beschreibung veranschaulichen. — Viele der Fasern sind (wie dieselben ebenfalls zeigen) ohne Weiteres durch ihre Form überhaupt, ihre scharfe Contourirung, ihren Glanz und ihre Tingir- barkeit als Muskelspindeln erkennbar, nur meist um so schlanker, je kleiner das Gefäss ist. Manche aber haben sehr fragwürdige Eigenschaften: es finden sich nämlich dreifach (z. B. Fig. 11 und 10 bei x) oder selbst vierfach verästelte, welche im Uebrigen ganz die gleiche Beschaffenkeit, Tingirbarkeit und scharfe Contourirung zeigen, ‘wie die Spindeln. Dass es glatte Muskelfasern mit getheilten Enden giebt, ist bekannt, obwohl sie erst an einzelnen Steilen (Uterus) beobachtet wurden. Aber Muskelfasern, welche gleich vom Kern an in drei Ausläufer ausgehen, sind bisher nicht beschrieben worden. Zunächst 510 W. Flemmine: wird man also zweifeln müssen, ob wir es hier mit solchen zu thun haben, und nach den übrigen Elementen der Wand fragen. Diese ist zwar sehr dünn, lässt aber über dem Endothel und im gleichen Niveau mit den Muskeln noch verästelte Zellen von sehr vielfältiger Form erkennen. Die meisten derselben sind sehr blass, nur bei gutem Licht und am Besten an solchen Präparaten oder Stellen zu erkennen, wo die Enthothelgrenzen nur zart oder gar nicht dargestellt sind. Mit ihren zarten Ausläufern bilden diese Zellen zusammenhängende Netze. — Die Muskeln schliessen sich bald hier bald da in ihrem Verlauf der Substanz und den Ausläufern dieser Zellen an. Die letzteren wird man mit vollem Recht als Bindesubstanz- zellen der Wand ansehen. Solche bilden ja auch in grösseren Lymph- und Blutgefässen Bestandtheile der Media und der Inter- media (Goldbehandlung), sind aber dort so blass, dass man durch Carmin höchstens ihre Kerne darstellen kann. — Gehören nun aber jene muskelähnlichen, verästelten Elemente (Fig. 11x) mit zu diesen und sind sie demnach auch nur Bindesubstanzzellen? Nach einem Umstand könnte man es vermuthen: es finden sich in der Tinctions- fähigkeit und dem Lichtbrechungsvermögen der Bindesubstanzzellen Uebergänge, welche einzelne darunter jenen verästelten Körpern annähern (Fig. 11y z. B). Andererseits sind aber die letzteren doch so scharf begrenzt und starklichtbrechend, streckenweise so ganz ohne Ausläufer und plattenförmige Ausbreitungen, so ganz und gar ähnlich den Muskeln, dass sie diesen immer noch mehr gleichen wie dem Gros der Bindesubstanzzellen und dass man sich schwer entschliessen kann, sie von den ersteren zu trennen. Ich will nun eine Vermuthung äussern, welche dies Dilemma lösen, und, wenn richtig, noch ein weiterreichendes Interesse haben könnte. Die bei weitem meisten derartigen Bilder habe ich von jungen Thieren erhalten. Auch bei älteren, von denen ich ebenfalls mehrere Objecte der Art besitze, ist es ja nicht ausgeschlossen, dass kleine Lymphgefässe sich neubilden, oder dass doch solche kleinsten Calibers sich vergrössern und an Wandbestandtheilen zunehmen können. — Es liesse sich nun denken, dass wir es in den beschrie- benen Bildern erst mit der Entwicklung einer Tunica muscularis zu thun haben; und dass dieselbe vor sich geht aufjGrundlage der verästelten Bindesubstanzzellen, die das Endothelrohr umgeben- Unter dieser Annahme würden sich die Bilder vortrefflich erklären: Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Bindegewebes. 511 die anfängliche, korbartig-verästelte Anordnung der Muskelfasern und -Fasergruppen wäre dann eben ein Resultat der verästelten Form des Zellennetzes, in dessen Substanz sich einzelne Zellen- körper und Theile ihrer Ausläufer zu contractilen Fasern zu diffe- renziren anfingen. Es würde sich damit zugleich ohne Weiteres er- klären, warum die Muskelfaserzüge so vielfach sich in ihrem Verlauf an die Ausläuferbrücken der Bindesubstanzzellen halten. Für die mehrfach verästelten Fasern aber ergäbe sich die Deutung, dass die Seitenausläufer solcher jungen Muskelzellen entweder später sich als selbstständige Fasern ablösen, oder dass sie vielleicht untergehen — denn an den grösseren Gefässen (Fig. 12) kommen nur noch spindel- förmige Fasern vor. Ueber die Entwicklung der Muskeln in der Media der peripheren Blut- und Lymphgefässe ist meines Wissens über- haupt nichts Sicheres ermittelt; aber bei der sichergestellten, insu- lären Entstehung dieser Gefässe selbst wird wohl Niemand daran denken wollen, dass die Muskeln sich etwa centrifugal von einer bestimmten, localisirten Anlage her bildeten; es wird auch für sie eine isolirte Entwicklung anzunehmen sein, und als Grundlage für eine solche bleibt doch nichts übrig, als das im Interstitialgewebe überall vorliegende Zellenmaterial. Dennoch soll das Gesagte nichts weiter sein als eine Vermu- thung; denn zu seinen Gunsten lässt sich einstweilen nichts Anderes anführen, als dass die Bilder den Eindruck machen, als ob es so wäre, und dass sie sich unter dieser Annahme zwanglos erklären würden. An etwas grösseren und dickwandigeren Lymphgefässen lassen sich sehr gut die Uebergänge von dieser lockeren Form der Mus- cularis zu der gewöhnlichen verfolgen. Die Fasern liegen auch hier noch stellenweis korbartig angeordnet (Fig. 12), aber schon dichter gruppirt und gehen an immer zahlreicheren Stellen, je stärker das Gefäss und seine Wand wird, in einen queren Verlauf über. Das- selbe in Fig. 12 gezeichnete Gefäss zeigte weiterhin Stellen, wo eine fast ununterbrochene Ringfaserschicht vorlag, wie sie fast allen grösseren Lymphröhren&zukommt. Die beschriebenen Verhältnisse wurden zuerst beim Kaninchen, dann beim Meerschwein ganz ebenso gefunden. Bei anderen Säuge- thieren habe ich noch nicht danach gesucht, da bei der sonstigen Uebereinstimmung aller Theile des Interstitialgewebes, insbesondere seiner Gefässe, kaum zu bezweifeln ist, dass sie auch hier vorliegen werden. 512 W. Flemming: Beiträge z. Anatomie u. Physiologie des Bindegewebes. Ich versuchte ausserdem, Aehnliches an den Lymphgefässen des Mesenteriums festzustellen; sie sind aber zu ungünstige Objecte, weil man sie auch im injieirten Zustand nicht ohne störende Zer- rungen und Faltungen so ganz rein, wie man sie in den Oedemen hat, aus dem umlagernden Bindegewebe und Fett herauspräpariren kann; dieses letztere aber verdunkelt, namentlich nach der Tinction, die Gefässwand selbst so sehr, dass es oft nicht einmal die Kerne derselben deutlich wahrnehmen lässt. — Dass man Lymphgefässe meistens an diesen Orten, und wohl selten mit blasser Injection und Tinetion untersucht hat, ist vielleicht der Grund, dass die beschrie- benen Dinge noch nicht gesehen worden sind. Prag, 22. September 1875. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XX, Fig. 9—12). . Fig. 9, 10, 11. Verschiedene kleine subeutane Lymphgefässe, Meerschwein, mit den ersten korbartigen Anfängen einer Tunica media. Diese besteht aus zarten verästelten Zeilplatten und Muskelspindeln, welche sich im Verlauf vielfach an die Ausläufer jener Zellen halten. Bei x in Fig. 10, 11 Zellen vom Habitns einer Muskeltaser, aber verästelt. K. in Fig. 9: Klappe. — Könnte die Deutung zulassen, dass die Muskel- fasern sich auf Grundlage der verästelten Zellen entwickeln. — 12 etwas grösseres Lymphrohr, bei a schräg angeschnitten. Muscu- laris ebenfalls noch netzartig, zeigt oben schon Uebergang zu rein ringförmiger Anordnung, welche weiterhin vorhanden ist. — In den drei ersten Figuren sind nur die oberen Hohlflächen der Gefässe gezeichnet. Fig. 9: 5. 3 e. Tub., Fig. 10 (oben Endothel angegeben) und 11: 7..3, Eig.'12:'5. 3 e. Tub. Ueber die Schwanzflosse, Tastkörperchen und End- organe der Nerven bei Batrachiern. Von Dr. F. Leydig ın Bonn. (Hierzu Tafel XXI.) Im Fortgange von Studien, welche ich über den Bau der Am- phibien pflege, wurde auch die Schwanzflosse fertiger Molche, sowie der Larven nach mehren Seiten hin untersucht, wobei sich Einiges über die Chorda dorsalis und das Rückenmark ergab, was der Mittheilung vielleicht nicht unwerth ist. Daran schliesse ich Be- merkungen über die Zusammensetzung der Tastkörperchen, und endlich bin ich in der Lage auf besondere neue Gebilde am Ende der Nerven hinzuweisen. 1. Das Rückenmark und die Chorda dorsalis. Schon an einem anderen Ort habe ich bezüglich des so auffallenden End- fadens am Schwanz von Triton helveticus Raz. berichtet, dass er keine Wirbel, sondern das Endstück einer bleibenden Chorda dor- salis in sich birgt. Dieses Verhalten wiederholt sich bei Triton taenvatus und wahrscheinlich auch den beiden anderen einheimischen Arten, die ich einstweilen nicht auf diesen Punkt näher untersucht habe). 1) Es scheint, dass im Schwanz auch bei manchen Gruppen der Rep- tilien, anstatt einer Wirbelsäule, ein blosses Knorpelrohr zugegen ist. Ich verweise auf meine Beobachtungen an Eidechsen (Die in Deutschland leben- 514 F. Leydig: An Larven der Salamandra maculosa, welche bereits geboren waren, biegt oftmals das Endstück der Chorda dorsalis etwas nach aufwärts, was an das Verhalten erinnert, welches man bei den Fischen kennt. Aus den anfangs eng sich zusammenschiebenden Knorpelzellen entstehen die späteren grossblasigen Elemente da- durch, dass mit heller Substanz gefüllte Vaeuolen auftreten, die dann zu einer grossen »Secretblase« zusammenschmelzen. An den gleichen Larven sieht man wegen ihrer Helligkeit und an dem nicht weiter zerschnittenen Schwanz, dass das Rückenmark, welches vor der erwähnten Endkrümmung der Chorda aufhört, eine gute Strecke lang einzig und allein aus einem epithelialen Rohr mit weiter Lichtung besteht, unter völligem Ausschluss von Ganglien- kugeln und Nervenfasern. Es scheint mir nun aller Beachtung werth, dass an den fer- tigen Thieren von Triton — ich sah es an helveticus und taeniatus — das Endstück des Rückenmarkes auf gleicher tief embryonaler Stufe stehen bleibt !). Man zerlege den in Osmiumsäure crhärteten Schwanzfaden von T. helveticus in feine Scheiben und es zeigt sich zunächst, dass der Faden keineswegs, wie es dem freien Auge vorkommt, cylindrisch ist; er wiederholt vielmehr das Bild der Schwanzflosse im Kleinen, indem sowohl nach oben wie nach unten ein feiner Flossensaum sich erhebt, in welchem selbst die Hautdrüsen nicht fehlen. Den Mittel- punkt des Organs nimmt die kreisrunde Scheibe der knorpeligen Chorda ein, umgeben von ihrer Scheide, welch letztere sich nach oben zur Herstellung eines Canals fortsetzt und schliesst. Dieser enge Canal ist nun lediglich von demselben Epithelialrohr einge- nommen, welches sonst den Centralcanal des Rückenmarkes bildet. den Arten der Saurier, Tübing. 1872. S. 68), und kann jetzt auch Aehnliches über einige Geckos aussagen. So findet sich bei Platydactylus mauritanicus ein längeres Knorpelrohr, das übrigens innen und aussen als Begrenzungs- schicht eine dünne, verkalkte Lage aufzeigt. Bei Phyllodactylus europaeus besitzt nur der Anfang des Schwanzes Wirbelkörper in einer Ausdehnung von einigen Linien hinter der Kloakenspalte; durch den ganzen übrigen Schwanz zieht ein reines Knorpelrohr und der Schwanz löst sich äusserst leicht an der Stelle ab, wo die Wirbelsäule aufhört und das Knorpelrohr beginnt. 1) Fig. 1, c. Fig. 2, b. ; Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 515 Dass sich unterhalb der Chorda, im Durchschnitt, die Stämme der Blutgefässe zeigen, ist selbstverständlich. Noch sei bemerkt, dass man aus dickeren Scheiben des Schwanzfadens dieses epitheliale Rohr zu isoliren vermag; wobei es sich alsdann ausnimmt wie etwa die zellige Auskleidung einer Schlauchdrüse, welche, ebenfalls durch ein passendes Reagenz gehärtet, als Ganzes aus dem Schlauch der Tunica propria herausgefallen ist. Da wo um die Chorda die Wirbelstücke sich entwickelt haben, zeigt der Querschnitt des Rückenmarkes weisse oder Rindensubstanz, aus Nervenfasern gebildet; im Inneren die graue oder gangliöse Marksubstanz. Zu innerst erscheint wieder das epitheliale Rohr, welches alsdann wie erwähnt den Endfaden des Rückenmarkes, unter Zurückbleiben der eigentlich nervösen Elemente, der Ganglien- kugeln und Nervenfasern, einzig und allein zusammensetzt. An dem mit Glycerin aufgehellten Schwanze von Triton tae- niatus glaube ich auch zu sehen, dass das schon seinem Ende zu- gehende Rückenmark, bevor es sich in den eigentlichen Endfaden verjüngt, eine Reihe hintereinanderliegender, wenn auch schwacher Anschwellungen erzeugt, und damit an gewisse Formen des Bauch- markes der Gliederthiere erinnert. 2. Der Flossensaum. Um das Gefüge dieses Theiles klar zu machen, sind abermals Querschnitte unentbehrlich. Nur auf solche Weise lässt sich z. B. an Triton helveticus feststellen, dass die Haut der Flosse, wenn auch sehr fein geworden, doch dieselbe Zusammensetzung, wie am übrigen Körper beibehält. Man unter- scheidet: 1) zunächst unter dem Epithel einen hellen homogenen Grenz- saum; darauf das weiche Gewebe, welches die Pigmente und Ge- fässe birgt. Bei Betrachtung dieser bindegewebigen Lage von der Fläche sieht man beinahe mit grösserer Deutlichkeit als sonst, viel- leicht weil die Schicht hier so auffallend dünn ist, dass sie eine fast zellige Natur an sich hat und flüchtig betrachtet für ein Epithel genommen werden könnte!). Ovale grosse Kerne liegen nämlich so dicht und regelmässig beisammen, dass nur eine geringe Zwischen- substanz als Bezirk (Protoplasma) zu je einem Kern gehört. Ge- dachter Bau erscheint zwar bei 7. helveticus besonders ausgespro- 1) Man vergleiche Fig. 3. 516 F. Leydig: chen, fehlt aber auch nicht bei den anderen Arten, z. B. Triton taenvatus. 9) Die derberen queren Hautlagen, welche man als Grund- stock der Lederhaut bezeichnen darf, sind ebenfalls zugegen; nur werden sie gegen den Saum der Flosse allmählig so zart, dass sie beinahe verschwinden. 3) Bedeutsam in manchem Betracht ist uns die Gallertsubstanz, welche zwischen den beiden Hautblättern der Flosse deren Inneres erfüllt. Die Gallerte wird durchsetzt von queren, stärkeren Balken, deren Vorläufer in jenen bekannten schönen, grossen Strahlenzellen zu suchen sind, weiche bei den Larven aus der Schwanzflosse sich abheben. Sie behalten auch jetzt noch ihre Kerne und theilweise den zelligen Charakter und gehen deutlich, die Querlagen der Leder- haut senkrecht durchsetzend, über in die erwähnte weichere oder obere, die Blutgefässausbreitung und das Pigment tragende Schicht der Lederhaut. Auf dieses massigere, in Querzügen verlaufende Balkenwerk erscheint ein zarteres senkrecht aufgesetzt, das eben- falls seiner Beschaffenheit und den Kernen nach zu schliessen, aus ursprünglichen Strahlenzellen entstanden sein mag. Die Weitungen, welche auf solche Weise zwischen den beiden Hautblättern der Flosse liegen, sind morphologisch den Lymph- räumen unter der Haut gleich zu stellen; und selbst in physiolo- gischem Sinne reihe ich sie an dieselben, trotzdem dass nicht eine Flüssigkeit, sondern Gallerte sie erfüllt. Denn ich habe seiner Zeit von dem brünstigen Männchen der Rana platyrrhinus!) gezeigt, dass sich in den unbestrittenen Lymphräumen unter der Haut die gleiche Gallerte entwickeln kann. Bei einer solchen Auffassung wird auch verständlicher, warum der Flossensaum so rasch zunehmen, auswachsen, sich verdicken, dann wieder sich verdünnen und verschwinden kann. Dass in der Haut der Flosse die Drüsen nicht fehlen, wurde schon vorgebracht. Eine beachtenswerthe Abänderung tritt im Bau der Schwanz- flosse von Menopoma giganteum ein, welche sich auf dem senk- rechten Schnitt schon fürs freie Auge sehr bemerklich macht?). 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. nat. curios. Vol. XXXIV, p. 43. 2) Fig. 4. Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 517 Man sieht, dass die Hauptmasse der dicken schwartenartig aufge- triebenen Flosse ein Fettkörper ist, welcher sich an dem mir zu Gebote stehenden Weingeistexemplar, durch dunkelbraune Farbe scharf von der Umgebung absetzt. Es durchziehen drei solcher Fettkörper oder Fettstränge!) die Flosse: ein oberer, mittlerer und unterer. Der obere ist weitaus der grösste, schon der untere ist um vieles kleiner und der mittlere, ganz von der Schwanzmuscula- tur eingeschlossen, ist der kleinste. Das Fett nimmt die Stelle ein, wo bei Triton das mit Gallerte durchsetzte bindegewebige Fachwerk den Raum füllt. Letzteres fehlt aber auch hier bei Menopoma keineswegs gänzlich, sondern gegen den zugeschärften Rand des oberen Flossensaumes, wohin der Fettkörper sich nicht mehr erstreckt, tritt es ebenfalls als Aus- füllungsmasse zwischen den beiden Hautblättern auf, und gewinnt hier überdies den Charakter von Iymphoidem Gewebe. Diese Be- schaffenheit dient zur weiteren Bestätigung der vorhin ausgesproche- nen Ansicht, wornach die Lymphräume und die von Gallerte erfüll- ten Weitungen verwandtschaftlich zusammengehören. Da Menopoma, wie in seiner ganzen Gestalt durch plumpes und derbes Wesen, sich auch in Manchem der inneren Organisation von den zarten Tritonen entfernt, so wird man es nur in der Ord- nung finden müssen, dass die queren Züge des Fachwerkes zwischen den zwei Hautblättern der Flossen hier die Beschaffenheit von dicken, festen, brückenförmige Verbindungen herstellenden Lagen ha- ben. Aufihnen stehen alsdann in senkrechter Richtung die Züge des feineren Fachwerkes, dessen Inneres von feinkörniger Substanz er- füllt sich zeigt. In den Zellen der Fettkörper hebt sich immer aus dem fetti- gen Inhalt noch eine oder die andere Kugel ab, die von dem übri- gen Fett etwas verschieden sein muss, da sie sich bei Anwendung der verschiedensten Reagentien gesondert erhält ?). Die Haut des Schwanzes besitzt auf der Aussenfläche Blut- capillaren, welehe in charakteristischer Weise als Papillen und Leisten frei hervortreten, und worüber ich demnächst an einem an- dern Orte das Nähere vorlegen werde. In der graulichen Substanz der Haut heben sich auf dem Querschnitt fürs freie Auge mit gelb- 1) Fig. 4, a, b, e. 2) Fig. 5. 518 F. Leydig: licher Farbe die runden Drüsensäckchen ab. Zu innerst wird die Lederhaut begrenzt durch eine feste Schicht von weisslicher Farbe, von welcher die ebenfalls weisslichen derben Blätter abgehen, welche in der Querrichtung den Fettkörper durchziehen. Die Fettkörper des Schwanzes sind bereits von Hyrtl!) nach Lage und Form beschrieben worden. Genanntem Autor zufolge kommen sie in ähnlicher Weise auch bei Siren, Amphiuma und Oryptobranchus vor; unser Beobachter theilt mit, dass, als er sie zuerst bei Siren ansichtig wurde, dieselben für eleetrische Organe halten wollte (!) und es scheint, dass er durch die Hilfe eines in histologischen Dingen etwas mehr erfahrenen Collegen nachher auf die richtige Bahn gelenkt wurde. Hyrtl führt auch die Gattung Zriton auf, bei welcher gleich- falls eine Spur?) von den Organen vorhanden sein soll. Für Triton helveticus und T. taeniatus kann ich das nicht bestätigen, sondern sehe nur um die Wirbel dort etwas Fett, wo der Schwanz am dicksten ist. Das Vorkommen von Fett an dieser Stelle erinnert zunächst an jenes, welches bei Zacerta und Angus?) um die Wir- belsäule reichlich sich herumlegt und sie derart umhüllt, dass nur die Spitzen der oberen und unteren Bogen hervorstehen. Es gewinnt diese Fettlage für uns an morphologischem Interesse, wenn wir sehen, dass der bei manchen Geckotiden so breite Schwanz durch die Entwicklung der gleichen Fettumhüllung der Schwanzwirbelsäule die merkwürdige, mitunter wie blattförmige Gestalt erhält. Ich habe dies bei Phyllodactylus europaeus kennen gelernt, allwo auf dem Querschnitte des Schwanzes eine dicke Umhüllung von Fett- gewebe zwischen dem Skelettheil und der Schwanzmuseulatur herum- zieht und die letztere auf diese Weise weit nach aussen gedrängt erscheint. 3. Tastkörperchen. Zur Zeit, als noch die Ansicht herrschte, dass die Nerven in der Haut der höheren Thiere Endschlingen bil- den, habe ich zuerst nachgewiesen, dass bei wirbellosen Thieren die 1) Cryptobranchus japonieus. Vindobonae, 1865, p. 117. 2) »oculos minus ferite. 3) Siehe meine Schrift: Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, Tübingen, 1872. S. 33. Fig. 84. Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 519 Nerven der Haut mit Ganglienkugeln aufhören, entweder so, dass eine einzelne Ganglienzelle oder eine Gruppe von solchen das eigentliche Ende der Nervenfasern vorstellt. Es wurden die Beob- achtungen zunächst an verschiedenen Krebsen, Rotätorien und In- secten gemacht, welche durchsichtig genug waren, um im lebenden Zustand untersucht werden zu können. Und zwar waren es die Hautnerven von .Branchipus !), Notommata, Polyarthra, Puchlanis?), von Corethra®), ferner die Lappen der Tarsusglieder von Telephorus, Oarabus, Lamia, Locusta, der Rüssel von Musca, Sarcophaga, Ta- banus, Zunge von bombus‘*); endlich die Haut von Daphniden’). Auf Grund dieser Erfahrungen, deren Richtigkeit auch von Andern vielfach bestätigt wurde, hegte ich fortan die Vermuthung®), dass auch bei Wirbelthieren die Hautnerven, wenigstens ein Theil, mit Ganglienkugeln enden mögen, und nur die Schwierigkeit der Untersuchung lasse uns nicht dazu kommen, den Sachverhalt auch wirklich zu sehen. Mir wenigstens wollte es nicht gelingen, im Bereich des bindegewebigen Theiles der Hautdecke solche Terminal- sanglienzellen aufzufinden. Wohl aber sah ich schon vor langer Zeit die Endungen von Nervenfasern mit Ganglienkugeln jenseits der bindegewebigen Grenze, im Epithel, und zwar in den Schleim- kanälen des Kaulbarsches, wie ich denn auch dieses im Lehrbuche der Histologie”) abgebildet habe. 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. III. Bd. 1851, S. 292 (Taf. VII. Fie. 7). 2) Zeitschrift f. wiss. Zool. VI. Bd. 1854 (S. 23, Taf. IV, Fig. 36; S. 31, S. 27, Taf. II, Fig. 12, 16, 17; S. 42, S. 84, S. 59, Taf. III, Fig. 32). 3) Zeitschrift f. wiss. Zool. III. Bd. 1851, Taf. XVI, Fig. 1. 4) Archiv f. Anat. u. Phys. 1859, S. 61, Taf. IV, Fig. 37; Fig. 35, Fig. 36. 5) Naturgeschichte der Daphniden (Sida, S. 93, Taf. V, Fig. 44a, Daphnia z. B. S. 124, Fig. 1, Fig. 14, Fig. 19, Fig. 13, Fig. 27, e, f; Pasi- thea S. 205, Fig. 57. 6) In der Abhandlung: Zur Anatomie der Insecten, Archiv f. Anat. u. Phys. 1859, S. 86 sage ich wörtlich: »Dieses bei genannten Thieren so klar vorliegende Verhalten (Ganglienzelle als peripherisches Ende von Nerven) kann uns auffordern, die Endigung von Hautnerven bei Wirbeithieren, wo sie be- kanntlich noch nichts weniger als sicher gestellt, freilich aber auch ungleich schwerer zu verfolgen ist, einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Es ist doch gar nicht so unwahrscheinlich, dass auch bei Wirbelthieren ein Auf- hören der Hautnerven in zellige Elemente, wie solches bei Wirbellosen ganz zweifellos gesehen wird, noch nachweisbar wird.« 7) Seite 57, Fig. 31. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12. 34 520 F. Leydig: Wichtig wurden mir dann späterhin die Wurzelscheiden der Tasthaare von Säugethieren, indem ich dort, in der äusseren Wur- zelscheide, auf eigenartige birnförmige Körper stiess, deren Stiel sich fadig verlängerte und mit den Nervenfasern zusammen zu hän- gen schien. Da meine Beobachtungen in Vergessenheit gerathen sind, so erlaube ich mir sie an dieser Stelle durch wörtliche An- führung ins Gedächtniss zurückzurufen. In meiner Arbeit über die äusseren Bedeckungen der Säugethiere!), nachdem ich die Zusam- mensetzung aus zwei Schichten angegeben, sowie die verschiedene Form der Zellen, theilte ich mit, dass mir in der äusseren Wurzel- scheide des Hundes noch etwas aufgefallen sei, was vielleicht ein weiteres. Nachforschen verdiene. Man sehe nämlich ausser den ge- wöhnlichen zelligen Elementen dieser Haut noch Körper von speci- fischer Natur. Es seien Gebilde, welche einzeln oder gern zu mehren zwischen den Zellen ständen und auf den ersten Blick etwas Eigen- artiges erkennen lassen. Sie zeichneten sich aus durch einen ge- wissen, wenn auch ganz schwachen Glanz, der den umgebenden Zellen völlig abgehe; sie seien auch heller als diese und was ihre Gestalt anbelange, so sei diese an sich kuglig, aber bei vielen lasse sich durch wechselnde Focaleinstellung ermitteln, dass sie einen längeren oder kürzeren Stiel besässen, der mitunter fadig auslaufe. Dann gehe ich noch näher auf die feinere Beschaffenheit der Kör- per ein: im optischen Querschnitt unterscheide man im Innern ein kernartiges Gebilde von solider Natur und als sehr bemerkenswerth erscheine, dass dieser »Kern« in den Stiel hinab sich als entspre- chend feiner Cylinder ausziehe, wesshalb man das ganze Gebilde auch so auffassen könne, dass man sage, ein blasser solider Faden schwelle zwischen den Zellen der äusseren Wurzelscheide zuletzt kolbig an, umgeben von einer besondern Hülle. Auch unterschieden sich die Körper von den umgebenden Zellen dadurch, dass sie nach Essigsäurezusatz weichere Contouren annehmen. Und so bemerke ich alsdann: »Die Gegenwart solcher Gebilde in der Wurzelscheide darf den Gedanken anregen, dass die Nervenfasern mit besagten Elementen zusammenhängen.« Für diese Beziehung zu Nerven- fasern spreche, dass die Körper nicht in der ganzen äusseren Wur- zelscheide sich finden, sondern bloss da, wo um letztere Haut herum der Kranz der Nervenfaserenden sich schlinge; ferner, weil 1) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1859, S. 728, Taf. XIX, Fig. 5, b, d. Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 521 ich die fein und blass gewordenen Ausläufer der Nervenfasern bis an die homogene Grenzschicht, welche die äussere Wurzelscheide und das dahinter liegende Bindegewebe trennt, heran treten sah; endlich seien die gestielten Körper nur in der Wurzelscheide der Tasthaare vorhanden und fehlten in der Wurzelscheide der gewöhn- lichen, nicht nervenhaltigen Haarbälge. Trotz alle dem musste ich aber doch gestehen, »dass ich kein einzigesmal einen direceten Zu- sammenhang zwischen Nervenfaserenden und den gestielten Körpern in der Wurzelscheide wahrgenommen habe.« Gegenwärtig melden Andre mit Hülfe besserer Untersuchungsmethoden, als ich vor sechszehn Jahren benutzte, dass sie in der That diesen Zusammen- hang gesehen haben. Bei einer späteren Gelegenheit, als die Frage nach der Endi- sung der Nervenfasern in allgemeinerem Sinne zu erörtern war!) und ich mich daher über die Terminalganglienzellen und deren Umbildung verbreitete, äussere ich mich bezüglich der Endkolben dahin, dass die fein granulirte Substanz derselben, in der sich Nuclei finden können »nach meiner Meinung der fein granulären Zellsubstanz der Wirbellosen, welche durch Zusammenschmelzen der terminalen Ganglienkugeln entstanden ist, entspricht.« Bezüglich der Tastkörperchen nun, wenn ich jetzt die An- gaben überschaue, welche ich zu verschiedenen Zeiten über den feineren Bau derselben veröffentlichte, ist es mir nach und nach immer wahrscheinlicher geworden, um nicht zu sagen gewiss, dass Termi- nalganglienkugeln ebenfalls den wesentlichsten Theil des Tastkör- perchens ausmachen. ' Es ist mir jüngst die Aeusserung zu Gesicht gekommen, dass »man nicht einmal wisse, ob die Tastkörperchen bei irgend welchen Geschöpfen ausser dem Menschen und den Affen existirten«. Dem gegenüber mag bemerkt sein, dass ich gedachte Gebilde längst?) aus der Haut des Frosches beschrieben habe, später?) von der ge- meinen Kröte und der Feuerkröte, dann abermals von den einhei- 1) Vom Bau d. thierischen Körpers, Tübingen 1864, Seite 97. 2) Ueber Tastkörperchen u. Muskelstructur. Archiv f. Anat. u. Phys. 1856, S. 154. 3; Ueb. Organe e. sechsten Sinnes. Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 33. 522 F. Leydie: mischen Nattern!). Endlich jüngst?) habe ich folgende Arten von Batrachiern aufgezählt, bei denen ich die Tastkörperchen gefunden habe: Rana esculenta, R. platyrrhinus, R. oxyrrkinus; BDufo vulga- ris, B. calamita, B. variabilis; Bombinator igneus; Pelobates fuscus ; Alytes obstetricans; Hyla arborea. Hingegen ist es mir bei unsern Tritonen und Salamandern bis jetzt nicht geglückt, Papillen mit Tastkörperchen wahrzunehmen. Wie sich mir der eigentliche Bau im Näheren darstellte, wurde in den zwei letzten Veröffentlichungen berichtet und die gegenwärtig beigegebenen Abbildungen können zur Ergänzung des Früheren dienen. Das Ergebniss der Studien über den Bau der Tastkörper- chen bei Nattern lautete dahin, dass ein solches Gebilde aus zweier- lei Geweben bestehe, nämlich: 1) aus Nervensubstanz, welche zu innerst liegt und als ein blasses, feinkörniges Protoplasma erscheint, 2) aus Bindegewebe, genauer elastischen Faserzügen, mit kern- ähnlichen Verdickungen und in schrägen Richtungen verlaufend. Die Protoplasmaballen sammt bindegewebiger Schale verglich ich alsdann den kleinen Endkolben der Nerven, indem ich noch aus- drücklich die Verwandtschaft der letzteren mit den Terminalganglien- kugeln an den Hautnerven der Wirbellosen hervorhob. Noch mehr für eine derartige Auslegung des Gesehenen spre- . chen die jetzt vorliegenden Abbildungen®). Es haben hier die Tast- körperchen nicht bloss das schon bei der Natter erwähnte und ge- zeichnete zellige Aussehen ®), sondern aus dem eingerissenen Ende einer Papille fallen runde Kerne mit anhaftendem Protoplasma heraus. Man darf dieselben wohl Endganglienkugeln nennen, in noch bestimmterem Sinne als es früher von mir geschehen ist. Hingegen bin ich nach wie vor der Ansicht, dass der Achsen- körper in jenen Papillen, welche den Mundrand der Frosch- und Krötenlarven umsäumen, nicht nervöser, sondern bindegewebiger 1) Zur Kenntniss d. Sinnesorgane d. Schlangen, Archiv f. mikrosk. Anat. 1872, S. 349. 2) Ueb. d. allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Archiv f. mikrosk. Anat. 1875. (Bd. XI). 3) Fig. 6, Fig. 7. 4) a. a. O. Archiv f. mikrosk. Anat. 1872. Fig. 8 bei b. Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 523 Natur ist!). Und wie schon früher halte ich die Zellen auch jetzt noch für gleichwerthig den bindegewebigen und elastischen Elemen- ten, welche der Umgebung der wirklichen Tastkörperchen angehören. Die bildliche Darstellung einer solchen Papille, wie sie mitfolgt, soll des Vergleiches halber die Unterschiede anschaulich machen. Anmerkung. Ausser der Endung der Nervenfasern in die Ganglienzellen der Tastkörperchen gibt es noch ein zweites Uebergehen in zellige Elemente innerhalb des bindegewebigen Abschnittes der Hautdecke. Es gelang mir nämlich bei Ei- dechsen wahrzunehmen, dass die feinen Ausläufer des Nerven- endnetzes der Lederhaut sich mit den Chromatophoren, jenen membranlosen in die Lücken des Bindegewebes einge- lagerten Pigmentzellen, verbinden?). Und ist dies richtig, so gewinnen auch die Angaben vom Zusammenhang der Nerven- enden mit Chromatophoren ohne Pigınent, wie sie wohl da und dort unter dem Namen »Bindegewebskörperchen« gehen, an Zuverlässigkeit. 4. Endorgane an den Nerven von Salamandra und Menopoma. Als ich die Organe eines sechsten Sinnes der er- neuten ‚Prüfung an den Larven unserer Salamandrinen unterzog, kamen am Ende gewisser Nerven eigenthümliche Capselgebilde zum Vorschein, welche ich noch nirgends erwähnt sehe. Bisher kenne ich die Organe bei einheimischen Batrachiern blos aus dem Schwanze der Larven von Salamandra maculosa. Dort liegen sie?) nahe dem oberen Rande der Musculatur der Wir- belsäule, in der Basis des Flossensaumes, und stellen geschlossene, zellig erfüllte Capseln von gleichmässig runder Form dar, welche den Nervenzweigen jener Gegend wie Früchte ihren Stielen auf- sitzen. Die Grösse anbelangend, so ist sie etwa die gleiche wie jene der Seitenorgane des sechsten Sinnes. Die Zahl der neuen Körper, für den ganzen Schwanz berechnet, mag etwa ein Dutzend betragen. Die Körper, welche hier angezeigt werden, sind nicht entfernt 1) Fig. 9, a, b. 2) Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. 1872, Seite 7, Taf. N; Pig. 97, 'B,'b; 3) Fig. 10, e, 524 . F. Leydig: mit den Bildungen des sechsten Sinnes zu verwechseln, trotzdem dass sie gemeinschaftlich mit letzteren und in ihrer Nähe vorkom- men. Denn: die neuen Organe die Organe des sechsten Sinnes liegen im gallertigbindegewebigen liegen im Epithel; Theil des Schwanzes; haben eine bindegewebige Um- sind ohne bindegewebige Um- hüllung; hüllung;; sind völlig geschlossene Blasen. haben eine Oeffnung nach aussen. Ueber den weiteren Bau bemerke ich folgendes. Im frischen Zustande sehen die Körper ziemlich hell aus, trüben sich aber nach Einwirkung von Essigsäure Auf den ersten Blick scheint der In- halt der kugelrunden bindegewebigen Capsel eine gleichmässige Zellenmasse zu sein; schärferes Zusehen aber lässt in der Mitte der Zellen eine grössere kugelige Partie unterscheiden, welche von zarter Beschaffenheit und feiner Körnelung ist!). Es geht ferner ein Nerv an die Mitte der Capsel heran und in sie hinein, gerade dort, wo der körnige Centralkörper liest, so dass ich den letzteren als Endstück des Nerven auffasse und vielleicht ihm die Bedeutung eines Endkolbens oder einer terminalen Ganglienkugel beilegen darf. Für die Untersuchung sind jüngere Larven weit günstiger als herangewachsene, weil bei letzteren durch die Zunahme der grossen, strahligen Pigmentflecken die gedachten Gebilde am lebenden Thier ganz verdeckt sein können. Mit den Organen an Salamandra maculosa bekannt geworden, habe ich natürlich sofort auch die Larven von Triton auf die gleiche Stelle untersucht, muss aber gestehen, dass ich die Capseln dort vermisst habe. Im Schwanze der Larven von Triton helveticus sind, soweit ich sah, lediglich die Seitenorgane des sechsten Sinnes vorhanden. Ob sie nicht in anderen Körpergegenden, am Kopf z. B., zugegen sind, habe ich noch nicht geprüft; ebensowenig, ob sie auch am erwachsenen Thier von Salamandra fortbestehen. 1) Vergl. Fig. 11. — Ich habe bisher die Körper bloss im frischen Zustande und nach Einwirkung von Essigsäure untersucht; man wird aber wahrscheinlich noch weitere Aufschlüsse bekommen durch feine Schnitte, welche man etwa durch Osmiumsäure gehärteten Thieren entnimmt. Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 525 Das zweite Amphibium, bei dem ich die Organe auffinde, ist Menopoma giganteum. Auch hier liegen sie im Schwanz und zwar in dessen Fettmasse. Da die fraglichen Körper an diesem erossen Thier bedeutend umfänglicher sind, als an der kleinen Larve von Salamandra, so lassen sie sich schon mit freiem Auge als graue, abgegrenzte Bildungen wahrnehmen. Und was den Bau anbelangt, so kann ich, trotzdem dass der Weingeist die Gebilde getrübt hat, doch nach Aufhellung derselben so viel sehen, dass sie im Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung haben, wie bei dem Erdmolch unseres Landes. Man unterscheidet eine bindegewebige Capsel und aus der zelligen Masse des Inhalts schimmert ein in der Mitte gelegener feinkörniger Körper heraus, von dem ich an- nehme, dass er ebenfalls mit dem Ende einer Nervenfaser in Ver- bindung stehen möge. Nimmt man Hyrtl’s Werk über Oryptobranchus japonicus zur Hand und durchliest die Beschreibung der »Organa adiposa caudae«, so findet man bezüglich dieses Fischmolches, sowie von Menobranchus lateralis Organe erwähnt, von denen das eine oder das andere dem von mir bei Menopoma und Salamandra aufgefun- denen gleichwerthig sein muss. Es heisst dort: »Quid autem Menobranchi vesiculae, organis adiposis insertae, cellulis granulisque repletae, sibi vellent, id sane aenigma anatomicum est, cujus solutionem serioris aevi Oedipo re- linguimus.« Und ferner: »Silentio praeterire nequeo, nervos cutaneos caudae, a medulla spinali ad cutem properantes, in ipso corporum adiposorum trajectu, variis iisque rarissimis locis, singularibus istis corpusculis praeditos esse, quos Vaterus in homine primus vidit, et quorum structuram microscopicam Paceinius explieuit. Talia cor- puscula nemo hactenus in amphibis vidit. Eorum in Cryptobrancho praesentiam primus vindicavi.« & Es scheint, dass der Verfasser genannten Werkes nicht im Stande war, über den eigentlichen Bau dieser »Vater’schen Körper- chen« beim Cryptobranchus etwas Näheres zu ermitteln, denn sonst würde er uns das Ergebniss seiner Forschung doch kaum vorent- halten haben. Und desshalb muss es einstweilen dahin gestellt bleiben, ob die von mir an Salamandra und Menopoma aufgezeigten Organe entweder den Hyrtl’schen Gebilden bei Menobranchus oder jenen von Uryptobranchus zu vergleichen sind. Ebenso getraue ich 526 F. Leydig: R mir die Frage, bei welcher Gruppe von Organen die vorstehend er- örterten unterzubringen seien, noch nicht mit Sicherheit zu beant- worten. Gar Manches spricht jedoch dafür, dass sie als Verwandte der Vater’schen Körperchen, noch mehr vielleicht als Abänderungen der Endkolben aus der Conjunctiva der Säugethiere zu betrachten seien. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Figur 4 in natürlicher Grösse, alle übrigen geringer oder stärker vergrössert. Fig. 1. Querschnitt des Schwanzfadens von Triton helvetieus. a. Scheide der Chorda, b. Substanz der Chorda, ce. Zelliges Medullarrohr. Fig. 2. Achse des Schwanzfadens von Triton helveticus in der Längsansicht a. Chorda dorsalis, b. epitheliales Medullarrohr, ce. Blutgefäss. Fig. 3. Stück des Flossensaumes, durchschnitten und in schräger Ansicht von Triton heWweticus. a. Gallertiges Bindegewebe im Innern, b. Kerne desselben Bindegewebes gegen die Oberfläche hin und sammt Umgebung das Bild eines Epithels gebend, c. Drüse, d. Blutgefässe. Fig. 4. Senkrechter Schnitt durch den Schwanz von Menopoma gigamteum. a. Fettkörper um die Wirbelsäule, b. Fettkörper im Flossensaum, c. Fettkörper im untern Theil des Schwanzes. Fig. 5. Aus der Schwanzflosse von Menopoma giganteum. a. Lymphdrüsenartiges Bindegewebe, b. Fettzellen. Fig. 6. Papille von der Daumenschwiele des Bombinator igneus. a. Tastkörperchen im Innern, b. zwei Zellen aus der durchrissenen Papille herausgefallen, Schwanzflosse, Tastkörperchen u. Endorgane d. Nerven b. Batrachiern. 527 Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Papillen des Rückens von Bombinator igneus. a. Eine Papille für sich und stärker vergrössert, b. eine Papille, am Ende eingerissen und Icer. Freie Fläche der Lederhaut von Bufo vulgaris. a. Feine Leisten, b. zackige Vorsprünge, oder die Leisten im optischen Durchschnitt, c. Papillen mit Tastkörperchen im Durchschnitt. Eine Papille des Mundrandes der Larve von Rana esculenta. a. Zahlreiche Kerne im Innern, welche gleichwerthig sind den ge- wöhnlichen, b. Kerne des Bindegewebes. Stück des Schwanzes einer Larve von Salamandra maculosa, nach der Länge gespalten und von innen angesehen. a. Musculatur der Schwanzwirbelsäule, b. grosse Pigmentzellen, e. Blutcapillaren, d. Nerven, e. Endorgane der Nerven. Endorgan (e. der vorigen Figur) der Nerven aus dem Schwanze der Larve von Salamandra maculosa, stark vergrössert. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samen- körper. Von Dr. A. v. Brunn, Prosector in Göttingen. (Hierzu Tafel XXI.) Merkel hat uns in seinem Aufsatze »Erstes Entwick- lungsstadium der Spermatozoiden« (Untersuchungen aus dem anatomischen Institut zu Rostock, 1874) mit einer höchst interessanten Erscheinung bekannt gemacht, welche diejenigen Ho- denzellen, die zu Samenkörpern werden sollen, im ersten Stadium der Umbildung zu solchen characterisirt. Die Kerne derselben er- scheinen nämlich sehr deutlich in zwei Hemisphären getheilt, deren eine das frühere Aussehen beibehalten hat, während die andere einen sehr viel stärkeren Glanz besitzt. Aus der Thatsache, dass die letztere unter dem Einfluss wasserentziehender Reagentien — Glycerin, Alcohol — zusammenfällt, geht hervor, dass ihr Inhalt sehr wasserreich ist, dass ihre festen Bestandtheile zur Bildung der stark glänzenden Aussenschicht verwendet worden sind. Ausgezeich- net ist diese Hemisphäre noch durch ein, auf ihrer convexen Fläche aufsitzendes Knötchen von derselben optischen Eigenschaft, den Spitzenknopf; derselbe sitzt an Zellen, welche Samenkörper mit symmetrisch gebauten Köpfen liefern, central, bei solchen, aus denen mit unsymmetrischen Köpfen versehene Spermatozoen werden, ex- centrisch, und nimmt stets die Stelle der Spitze des künftigen Kopfes ein, A. v. Brunn: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. 529 Während die glänzende peripherische Schicht der betreffenden Kernhemisphäre unzweifelhaft aus dem Material des Zellkernes stammt, ist Merkel geneigt, den Spitzenknopf als eine Bildung des Protoplasmas aufzufassen, weil in der Nähe der Stelle, wo später jene Bildung auftrete, sich in Zellen, die noch keine solche besitzen, eine dunkle Protoplasmaanhäufung finde, welche nach dem Erscheinen des Spitzenknopfes nicht mehr da sei, und von der daher wahrscheinlich sei, dass sie an den Kern sich anlöthe und zu dem genannten Gebilde werde. Ich beschäftigte mich bei meinen Untersuchungen mit der Frage nach der Entstehung des Spitzenknopfes, resp. mit der Ermittlung, ob derselbe jener Protoplasmaanhäufung entspreche, und ferner mit dem Verhalten jener Differenzirung im Kern bei der weiteren Entwicklung der Zellen zu Samenkörpern. Was die Untersuchungsmethode anbetrifft, so habe ich sowohl den frischen Hoden in Kammerwasser zerzupft, wie auch besonders Zupfpräparate von in 1/sprocentiger Osmiumsäure mehrere Tage aufbewahrten Hodenstückchen untersucht. Die Samenzellen zeichnen sich ausser durch ihre Grössenver- hältnisse bekanntlich aus durch die beiden Protoplasmaanhäufungen, von denen die eine von v. la Valette St. George (Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben) mit der Entstehung des Schwanzes in Beziehung gebracht wurde, die andere eben von Merkel mit der Bildung des Spitzenknopfes. Es ist sehr leicht, sich zu überzeugen, dass die letztere, wie Merkel angiebt, stets vorhanden ist, ehe der Spitzenknopf da ist; ebenso fehlt sie, wenn dieser deutlich ausgebildet ist, in den meisten Fällen voll- ständig. Dennoch aber halte ich dafür, dass zwischen ihr und dem Spitzenknopf durchaus keine Beziehungen bestehen, da ich glaube, den Alibibeweis für sie führen zu können. Man bemerkt an Zellen, an denen eben die Differenzirung im Kern mit dem Auftreten einer kleinen Stelle dunkleren Contours sichtbar wird, dieser Stelle die betreffende Anhäufung nahe liegen, aber meist nicht in Form eines kugeligen Klümpchens, sondern einer concavconvexen Scheibe, welche die Concavität dem Kerne zuwendet, eine Form, von der man sich durch Wälzen der Zelle leicht überzeugt — (Fig. la, 3b und ec). Andere Zellen zeigen die Anhäufung noch von derselben Form, aber die glänzende Partie des Kernes bereits grösser und auf ihrem Centrum aufsitzend den Spitzenknopf als anfänglich sehr 530 A. v. Brunn: kleine flache Erhabenheit, die nur eben als Verdiekung der Membran erscheint: hier bestehen also Spitzenknopf und Protoplasmaanhäu- fung neben einander, gehen also nicht aus einander hervor. Der Spitzenknopf muss sich ohne Betheiligung des Protoplasma aus dem Kern bilden; eine Ansicht, in der man noch mehr bestärkt wird durch die später genauer zu besprechende Beobachtung, dass er im Laufe der Entwicklung bei manchen Thieren sehr wesentlich an Grösse zunimmt, ohne dass etwa eine Anlagerung von Aussen sicht- bar wäre, dass er noch lange wächst, wenn von jener Anhäufung längst nichts mehr zu sehen ist. — Die nächstfolgenden Entwicke- lungsstufen sind dann daran kenntlich, dass, während der Spitzen- knopf ausnahmslos deutlich sichtbar ist, und sich deutlich aus der Kernperipherie heraushebt, die dunkle Kernpartie an Ausdehnung zunimmt, bis sie genau den halben Kern inne hat. Ist es soweit, so ist von der früher concavconvexen Protoplasmascheibe Nichts mehr zu sehen : dieselbe hat sich allmählig mehr und mehr verbrei- tert, der Krümmung des Kerns gemäss gewölbt, ist homogen ge- worden und stellt nun eine einer halben Kugelschale an Form gleichende Membran dar, welche wie eine Kappe dicht auf der ver- änderten Kernhemisphäre aufliegt: sie ist die Kopfkappe und ich werde sie im Folgenden auch so nennen. Bei Zusatz von Glycerin zieht sich die betreffende Kernhälfte zusammen, die Kopfkappe aber folgt ihr nicht, sondern behält ihre Form bei und verhindert das Zellprotoplasma, den durch die Schrumpfung des Kernes entstan- denen Hohlraum auszufüllen: sie muss also bedeutend starrer sein, als die Kernmembran. Dies Verhalten erklärt es, dass man sich an frischen Präparaten, sowie an solchen, die in Osmiumsäure auf- bewahrt und untersucht wurden, von dem Vorhandensein der Kopf- kappe schwer überzeugt, da sie hier der Kernmembran dicht auf- liegt und mit ihr als Eins erscheint; dass man dagegen die über- zeugendsten Bilder von dem angegebenen Entwicklungsmodus und der ausgebildeten Form der Kopfkappe in grösster Menge an Os- miumsäurepräparaten erhält, welche mit Alcohol oder Glycerin ver- setzt waren, weil da die Kerne, sowohl wenn sie noch in den Zellen, wie auch wenn sie isolirt sind, die Kopfkappe als eine über die geschrumpfte Hemisphäre sich kuppelartig hinüberwölbende Mem- bran zeigen, — die also trotz der Schrumpfung des Kernes dessen Kugelform conservirt (Fig. 1,-b—e; Fig. 3, a—g). — Das sind Ver- hältnisse, wie sie mir bei allen untersuchten Thieren aufgestossen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. 531 sind, so dass ich also kein Bedenken trage, die Kopfkappe, ebenso wie die Differenzirung im Kern als etwas allen Säugethierspermatozoen während der Entwicklung zu- kommendes zu betrachten. Auffallend ist, dass die Lage der Anhäufung in den frühesten Stadien nicht immer genau gegenüber dem Spitzenknopf ist, sondern in den meisten Fällen eine ganz un- symmetrische: ihre Lage steht zur Symmetrie resp. Asymmetrie des Kopfes in gar keiner Beziehung, denn sie ist gleich variabel bei allen von mir untersuchten Thieren — Hund, Katze, Stier, Kanin- chen, — Ratte, Maus. Der Rand der ausgebildeten Kopfkappe scheint mit dem der veränderten Kernhemisphäre zu verkleben, wenigstens erhält man diesen Eindruck sehr bestimmt sowohl durch Ansichten von geschrumpften Zellen, wo man den glänzenden Kern- contour unmittelbar in den der Kopfkappe übergehen sieht (Fig. 1d, Fig. 3d—f), wie durch solche isolirter Zellkerne. Ich habe diese Umbildung jener Protoplasmaanhäufung so aus- führlich besprochen, um die Theilnahme derselben an der Bildung des Spitzenknopfes abzuweisen; dieselbe Bildung der Kopfkappe hat bereits v. la Valette St. George (Schultze’s Archiv Bd. III, Taf. XIV, Fig. 4 und Stricker’s Handbuch der Lehre von den Gewe- ben p. 539) dargestellt; dieser Forscher beschreibt diese Bildungs- weise nur vom Meerschweinchen; an Osmiumsäurepräparaten über- zeugt man sich leicht von der weiten Verbreitung derselben. Wie verhalten sich nun im weiteren Verlaufe der Spermato- zoenentwicklung die von Merkel entdeckte Differenzirung im Kern und die Kopfkappe? Während die Zellen im Allgemeinen die Veränderungen durch- machen, wie sie v. la Valette St. George an der zuletzt ange- führten Stelle beschreibt, eine Beschreibung, die ja allgemeine An- erkennung geniesst, nimmt der Kern allmählig die Form an, welche der Kopf des Samenkörpers bekommen soll, indem er bei regel- mässigen Spermatozoen ellipsoidisch wird und eine sehr wesentliche Abflachung erfährt, — bei anderen sich in entsprechender Weise verändert. Bei der ersten Art der Samenkörper nehmen beide He- misphären an dieser Aenderung, soweit sie die Form betrifft, gleichen Antheil, während bei unregelmässigen Spermatozoen — wie bei der Ratte und Maus, — bei denen die Grenze beider Abtheilungen nicht quer, sondern schräg und geschlängelt verläuft, hauptsächlich die vordere Abtheilung durch einseitige Längenausdehnung die definitive 532 A. v. Brunn: Form des Kopfes hervorbringt (s. Fig. 3, g&-i; — Fig. 1, d—f und Fig. 2, a—c). Auf die Formveränderung folgt dann eine Grössenabnahme; und zwar verkleinert sich, während fürs Erste die vordere Hemi- sphäre sich gleich bleibt in Grösse und optischen Eigenschaften, die hintere bedeutend, so dass die Grenze zwischen beiden Abtheilungen dem hinteren Ende sehr viel näher gerückt wird. Bei manchen Thieren wächst zugleich der Spitzenknopf während dieses Vorganges noch mehr und nimmt die Form einer lang ausgezogenen Spitze an, — so z. B. beim Kaninchen (Fig. 3 i—l). Hier wird dadurch die Differenz der beiden Abtheilungen in der Länge so bedeutend, dass von der Länge des ganzen Kopfes, die 0,014 Mm. beträgt, 0,0098, also sieben Zehntel, auf die vordere kommen. Danach folgt dann eine sehr schnelle Verkleinerung der vorderen Abtheilung auf we- niger als die Hälfte — von 0,0098 auf 0,0042 Mm., während deren Verlauf auch die hintere von 0,0042 auf 0,0028 herabgeht, so dass die ganze Länge ‚des ausgebildeten Spermatozoenkopfes (beim Ka- ninchen) nur ınehr 0,007 beträgt. Mit der Form- und Grössenveränderung des Kernes geht end- lich zugleich einher eine Zunahme der vorderen Abtheilung an Festigkeit und Starrheit, so dass schon im Stadium Fig. 3i und 4d keine Reagentien mehr eine Schrumpfung hervorzubringen vermögen. Die Kopfkappe folgt der Veränderung der Kopfform“ nur in- sofern, als sie die Verlängerung der vorderen Kopfhälfte, nicht die Abplattung derselben mitmacht, so dass man auf Flächenansichten der abgeplatteten Köpfe Nichts von ihr wahrnehmen kann, sie nur auf Kantenansichten bemerkt (Fig. 3, 1), eine Thatsache, die eben- falls beredt für ihre verhältnissmässig grosse Starrheit spricht. Ehe die Verkleinerung des Kopfes beginnt, pflegt die Kopfkappe verloren zu gehen, und zwar so, dass sie sich über den Kopf zurückzieht, nachdem ihre Verbindung mit dem vorderen Theil des Kopfes gelöst ist. Besonders frappant habe ich alle möglichen Stadien dieses Vorganges an Zupfpräparaten aus dem Hoden des Stieres gesehen; man bemerkt da (Fig. 4, d—i), wie sich die Kappe erst ein wenig nach Vorn zurückzieht, wie sie sich mehr und mehr umkrempt, schliesslich vollständig umstülpt und so, nur noch am Spitzenknopf hängend, frei schwebt; — Letzteres ist auch an den Samenkörpern des Kaninchens häufig sehr schön zu beobachten (Fig. 3, m, n). Mit dem Abstreifen dieser Hülle haben die Spermatozoenköpfe Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. 533 indessen den Glanz ihrer vorderen Hälfte und den Spitzenknopf noch nicht eingebüsst, beide sind noch völlig erhalten. — Zu glei- cher Zeit gehen, während die Verkleinerung des Kopfes beginnt, beide zu Grunde. Die Erscheinungen bestehen dabei am Spitzen- knopf im Auftreten eines kleinen hellen Punktes, der einer kleinen Vacuole nicht unähnlich sieht (Fig. 1f, Fig. 3 0); an der glänzenden Randschicht in allmähligem Abblassen des Glanzes. Mit dem nach dem Verlust der Kopfkappe bleibenden Glanz der vorderen Kopfhälfte erhielt sich natürlich auch die scharfe Grenze zwischen der vorderen und hinteren Abtheilung in Form bald eines einfachen breiteren Bandes oder zweier schmaleren, durch eine helle Zone getrennten Querlinien; sie wird mit dem Erblassen des Glanzes allmählig auch weniger scharf. Hat sich der Kopf bis zu seiner definitiven Grösse verkleinert, so ist jeder optische Unter- schied zwischen seinen beiden Abtheilungen verschwunden, — nur die Grenze beider ist bei manchen Thierarten noch in der angege- benen Weise sichtbar, so beim Hund, Kaninchen, auch hin und wieder der Maus (Fig. 2, c, d; Fig. 3, p, q). Das Ausbildungsstadium, in welchem sich dann das Spermatozoon befindet, ist in der Regel das letzte vor Beendigung der Entwicklung, wo es vom reifen Samen- körper sich nur noch durch ein dem Mittelstück anhaftendes Klümp- chen Zellprotoplasmas unterscheidet. In nicht wenigen Fällen er- hält sich dieser Streifen aber auch noch nach dem Verlust dieses Klümpchens, also am völlig fertigen Samenkörper., Solche Querstreifen oder Querbänder an den Köpfen der Sper- matozoen sind bereits von Valentin (Zeitschritt für rationelle Mediein, II. R. Bd. XVII, p. 217 u, £.) beschrieben, aber seitdem nur wenig beachtet oder als etwas Unwesentliches angesehen wor- den. Valentin beschreibt sie vom Bären, Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Schaf; und zwar nennt er drei Querstreifen, einen vorderen, mittleren und hinteren, von denen der mittlere durchweg als der regelmässigste angeführt wird, während die beiden anderen sowohl bei derselben Thierspecies sehr variiren, und auch bei man- chen Species ganz fehlen, also als unwesentlich gegenüber dem mittleren erscheinen. Diesen mittleren Valentin’schen Querstreifen er- kläre ich nach dem Vorhergehenden für den optischen Ausdruck der früheren Grenze beider Kernhemisphä- ren und muss denselben also als eine ganz constante, 534 -A. v. Brunn: allen Thierarten gleichmässig zukommende Entwick- lungserscheinung auffassen, die sich nur eben bei manchen Thieren bis zur völligen Ausbildung des Spermatozoids erhält, bei anderen nicht. Sein Verlauf ist je nach der Forın des Spermato- zoenkopfes verschieden, quer und grade bei regelmässigen, schräg und etwas geschlängelt bei den unregelmässigen Formen der Mäuse- arten. Das sind die Entwicklungsvorgänge, welche ich zur Ergänzung der bereits bekannten, speciell als Weiterführung von Merkel’s schöner Entdeckung der Differenzirung im Kern der Samenzellen mitzutheilen habe. Wesentliche Abweichungen davon sind mir nur in Bezug auf die Zeit, in der die Kopfkappe abgestreift wird, vor- gekommen, indem dieselbe sich bei einzelnen Spermatozoen länger erhält, als bei anderen. Besonders beim Stier (Fig. 4, m) und bei der Maus (Fig. 2, d) habe ich ab und zu solche gefunden, die, ob- gleich die Kopfform bereits die definitive war, doch noch die Kappe besassen, welche letztere dann mitunter gegenüber der völligen Ho- mogenität des Kopfes, eigenthümlich trübe granulirt erscheint; Bilder, wie sie auch Schweigger-Seidel (Schultze’s Archiv, Band I, Taf. XIX, H) vom Schwein gezeichnet, der die die Trübung hervor- rufenden Pünktchen für aus der Untersuchungsflüssigkeit auf die etwas klebrige Kopfkappe abgelagerte Molecüle erklärt. Es sind jedoch solche Fälle meiner Erfahrung nach nur als Ausnahmen, wenn auch als nicht eben seltene, zu betrachten. Erklärung der Figuren auf Tafel XXI. Sämmtliche Figuren sind bei Winkel, Ocular IV, System 8, Vergr. 600, ausgeführt. Fig. 1. Samenkörperentwicklung der weissen Ratte. a—d. Umbildung der einen Protoplasmaanhäufung zur Kopfkappe. e und f. Ausbildung der unsymmetrischen Kopfform; geschlängelt verlaufende Grenze der beiden Kernabtheilungen. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Samenkörper. 535 Ausbildung der Kopfform der Spermatozoen der Hausmaus. a. Flächen-, b. Kantenansicht der beiden Kopfabtheilungen. c. entwickelte Kopfform mit erhaltener Grenze beider Abtheilungen. d. ebenso, mit Kopfkappe. Samenkörperentwicklung beim Kaninchen. a—g. Entwicklung der Kopfkappe. h—1. Veränderungen der Kopfform und des Spitzenknopfes. mn. Abstreifung der Kopfkappe. 0. Untergang des Spitzenknopfes. p- verkleinerter Kopf mit abgeblasster vorderer Hälfte, aber deut- licher Trennungslinie zwischen beiden Abtheilungen. g. ausgebildeter Samenkörper mit dem mittleren — aus zwei Linien bestehenden — Valentin’schen Querbande. Entwicklung der Samenkörper vom Stier. a. Samenzelle mit geschrumpfter vorderer Hemisphäre und Kopf- kappe. b. ebenso, Kopfkappe durch die Präparation verloren. ce. Nicht geschrumpfte Samenzelle, — Kopfkappe nicht sichtbar. d—i. Abstreifung der Kopfkappe. k. verkleinerter Kopf mit Querstreifen. l. ebenso ohne letzteren. m. ausgebildeter Kopf mit Kopfkappe. Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd. 19, il 086 Bemerkungen über Farben der Hautdecke und Nerven der Drüsen bei Insecten. Von Dr. FE. Leydig in Bonn. (Hierzu Tafel XXIII.) 1. Zur Kenntniss der Farben. Es wäre gewiss eine verdienstliche und dankenswerthe Arbeit, wenn ein in Histologie, Physik und Chemie durchgebildeter Beob- achter die in der niederen Thierwelt auftretenden Färbungen einer genaueren und vergleichenden Prüfung unterziehen wollte. Ich selber habe und zwar nur von dem morphologischen Standpunkt aus gelegentliche Beiträge über die Entstehung gewisser Farben ge- geben und kann auch diesmal bloss in dem angedeuteten, beschränk- teren Sinn einiges Weitere vorlegen. Zu meinen früheren Mittheilungen, dass das Weiss bei Insecten einerseits durch Luft, dann wieder durch Kalk, oder auch durch harnsaure Concremente, andrerseits durch wirkliche Pigmente hervor- gerufen sein kann, möchte ich jetzt beifügen, dass es sich in man- chen Fällen um Bildungen handelt, welche den Hautsecreten ähneln. Es bestehen z. B. die weissen Fleckchen auf den Flügeldecken von Cetonia aurata aus starren, leicht zerbrechlichen, auch wohl ge- gabelten Stäbchen oder Fäden, die in Kalilösung unverändert blei- ben. Der so leicht abwischbare schuppige Ueberzug des Rüssel- F. Leydig: Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 537 käfers Lixus paraplecticus oder der graufarbige Pelz an der Seite und am Bauch von Chlorophanes viridis scheint ebenfalls hieher zu gehören. Noch mehr wie Hautsecret nimmt sich die vom Leib der Libellen abstreifbare blaue und gelbliche Farbe aus. Sie erscheint mikroskopisch als ein feiner Puder von grümeligem Wesen, da- zwischen mit einzelnen grösseren Körnern von Fettglanz, und mag wohl eine wachsartige Substanz sein. Und es sei hiebei in Erinnerung gebracht, dass bereits vor vielen Jahren Schelver!) über den himmelblauen Hinterleib und die gelben Seitenflecken der Libellula depressa Untersuchungen angestellt und gefunden hat, dass diese Farben der Haut nur »aufgelegt« seien und daher »ab- streifbar«. Zu gegenwärtiger Veröffentlichung über die Farbe der Inseeten war aber im Besonderen ein Fall die Veranlassung, wo sich Inter- ferenzerscheinungen mit wirklichen farbigen Stoffen in beachtens- werther Weise verbunden zeigten. Es bot sich mir nämlich Gelegenheit die aus Nordamerika stammende und bei uns vielfach jetzt gezüchtete, prächtige Raupe des Eichenblattseidenspinners, Saturnia Pernyi?), zu sehen 1) Beobachtungen über den Einfluss des Geschlechtsunterschiedes auf die Farbe der Insecten. Archiv f. Zoologie u. Zootomie, Bd. II, 2. Stück, 1802. 2) Ich habe anderwärts (vom Bau d. thierisch. Körpers, $. 213) auf das Vorhandensein eines das Bauchmark auch bei Arthropoden umgebenden Blutsinus aufmerksam gemacht, ebenso auf eine mit dem Bauchmark in Be- ziehung stehende Musculatur (a. a. O. Seite 209). Als ich nun mehre eben der Puppe der oben genannten Saturnia Pernyi entschlüpite Thiere vor mir hatte, deren Hinterleib noch so diek geschwollen war, dass die Leibesringel weit auseinander traten, schimmerte in den breiten hellen und durchsich- tigen Hautpartien, zwischen den behaarten Ringen das Bauchmark nicht bloss aufs schönste hindurch, sondern zeigte sich in rhythmischer Bewegung. Es schwang dasselbe ganz regelmässig wie ein Pendel hin und her, zugleich mit wellenförmiger Krümmung nach seiner ganzen Länge. Mir däucht, dass diese Bewegung in Beziehung steht zum Austreiben der Blutflüssigkeit aus der Leibeshöhle in die Flügelstummeln, deren Entfaltung ja gerade hierdurch bedingt wird. Ob die Bewegung später fortdauert, liess sich nicht ermitteln: denn nachdem die Flügel entwickelt waren und der Leib klein geworden, hatten sich auch die hellen Zwischenstellen der Leibesringe zurückgezogen und dds Bauchmark war auf solche Weise unsichtbar geworden. — Der Blut- sinus, welcher das Bauchmark umgibt, lässt sich auch an Durchschnitten von kleinen Schmetterlingen, Zygaena z. B., nach Einschmelzen in Paraffin schön und scharf wahrnehmen. 538 F. Leydig: und wurde neugierig zu erfahren, woher die so sehr in’s Auge fallenden Spiegelflecken, welche einen schönen silbrigen, bei ge- wissem Lichteinfall goldigen Glanz haben, rühren möchten. Die nähere Untersuchung ergab, dass die Haut (Cuticula) an dieser Stelle völlig glatt ist. Die körnige Sculptur der übrigen Hautfläche, welche aus kleinen Höckern, sowie dazwischen gelagerten grösseren, einem Zellenbezirk entsprechenden, Spitzhöckern besteht, wodurch die Haut den matten Ton erhält, bleibt ringsherum, wo die Spiegelflecken beginnen, zurück'). Die Cuticula jener Haut- stelle, welche sich als Spiegellleck abgrenzt, zeigt bei durchgehendem Licht Regenbogenfarben, hervorgerufen durch die äusserst feinen und dicht sich folgenden Schichten. Diese Interferenzerscheinung oder Irisiren stammt somit nicht von der Oberfläche, sondern ähn- lich wie beim Perlmutter aus der Dicke der geschichteten Substanz. Der weisse Spiegelglanz des Fleckes — und dies war mir das merkwürdigste — entsteht durch eine ähnliche Anlagerung von einer das Licht nicht durchlassenden Materie wie am wirklichen Spiegel durch die Belegung des Glases mit Quecksilber. Wir finden nämlich, dass die zellige Lage unter der Cuticula, von mir sonst Matrix, von Anderen Hypodermis genannt, mit einer weisskörnigen Substanz dichterfüllt ist, welche die Eigenschaft jener bei Insecten verbreiteten und von mir auf Guanin bezogenen Masse hat?). Dass diese nach ihrer Wirkung der Quecksilberfolie des Spiegels ver- gleichbare Substanz die ihr zugeschriebene Bedeutung hat, ergibt sich auch aus der Behandlung der Haut mit Kalilauge und ab- wechselnder Anwendung von durchgehendem und auffallendem Licht. Sowohl der Spiegelglanz als auch die Regenbogenfarben weichen in demselben Grade zurück, als die zugesetzte Kalilauge die weiss- körnige Substanz einschmilzt. Ich habe zum Vergleich auch die Silberflecken?) eines Perl- 1) Die Höckerchen können bei dieser und auf der Haut andrer Raupen (z. B. an Sphinx populi) so fein sein, dass sie beim ersten Blick auch für Poren genommen werden können. 2) Vergl. Archiv f. Anatomie und Physiologie, 1868, S. 192. 3) Die Goldflecken an den Puppen der Tagfalter, wenigstens der von Vanessa urticae, welche ich untersuchte, sind reine Interferenzerscheinung, herrührend von den zarten und dicht stehenden Blättersystemen der Cuticula. Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 539 muttervogels, Argynmis paphia, herangezogen und wahrgenom- men, dass, gleichwie schon fürs freie Auge der »Silberglanz« dieser Flecken ein ganz verschiedener ist von jenem der prächtigen Spie- gelflecken der Raupe von Saturnia Pernyi, insbesondere nicht ent- fernt an die Lichtstärke der letzteren herangeht, so auch das histologische Verhalten ein ganz anderes ist. Die »Perlmutter- farben« liegen in den Schuppen und sind bedingt einerseits durch Interferenz des Lichtes und durch Pnewmaticität der Schüppchen. Betrachtet man ein solches bei starker Vergrösserung, so lassen sich feine Löchelchen, je zu beiden Seiten reihenweise nach der Länge eines scheinbaren hellen Wulstes unterscheiden. Die Löchel- chen erstrecken sich auch über den Längenwulst herüber und be- dingen die Querstrichelung der Schuppe. Die Löchelchen oder Canälchen sind lufthaltig. Die Luft bei Befeuchtung mit Wasser herausgetrieben sammelt sich zu Säulen oder in flächiger Ausbreitung auf den Schuppen. Ist daher in der Schuppe wirkliches Pigment, ein körniges braunes oder schwarzes ausgeschlossen, so ruft die Luft in den Canälen (Poren) den Silber- oder Perlmutterglanz in gleicher Weise hervor, wie der Luftgehalt in den Tracheen bekanntlich den Silberglanz bedingt. An dieser Stelle möchte ich ferner auf Grund einiger Beob- achtungen die Frage anregen, ob nicht das körnige Pflanzengrün oder Chlorophyll weiter bei wirbellosen Thieren verbreitet ist als man bis jetzt annahm. Wie bekannt hat zuerst v. Siebold die grünen Kügelchen im Körper der Hydra viridis und verschiedener Infusorien als Chlo- rophyll angesprochen. Dann hat Cohn diese Auffassung durch die chemische Untersuchung gestützt und auch bei Turbellarien das Chlorophyll nachgewiesen; Gottlieb erkannte in der grünen Bo- nellia, einem Sternwurm, das Chlorophyll. Ich sprach seiner Zeit die Vermuthung aus, ob nicht auch bei der Käfergattung Cassida die grüne Farbe von Chlorophyll herrühre: denn die Art und Weise wie das lebhafte Grün am todten Insect ins Braune übergehe, erinnere stark an die Entfärbung des Laubes. Man gestatte mir auf diesen Punkt hier zurückzukommen wegen folgender Beobachtungen. Das Frühjahr 1871 war ein so hässlich kaltes, dass der schädliche Einfluss auf die Entwickelung 540 F. Leydig: pflanzlichen und thierischen Lebens und namentlich der Insecten- welt unverkennbar war. Nun fiel es mir an Carabus auratus, nicht etwa an einem, sondern an allen mir begegnenden Exemplaren dieses bei Tübingen gemeinen Käfers!) auf, dass keiner das sonstige, schöne Grün zeigte, sondern durchweg ein Braungrün. Ganz un- willkührlich musste, wenn man an kalten Maitagen die braunge- färbten Kronen der Waldbäume und dieses Braungrün des über den Weg laufenden Carabus auratus zugleich vor Augen hatte, der Ge- danke sich regen, dass das Grün dort im Blatte des Laubes und hier in den Flügeldecken des Käfers von einerlei Natur sein dürfe, da es in gleicher Weise von der Kälte sich verändert zeigte?). Die- selbe Betrachtung stellte sich ein, als ich Ende September ein weib- liches Exemplar von der grossen grünen Heuschrecke (Locusta viridissima) angetroffen hatte, welches nicht blos ganz dünnleibig war, sondern deren Grün in den Flügeldecken grossentheils wie das Blattgrün in Braungelb übergegangen war. Die Untersuchung des in sehr ermattetem Zustande aufgegriffenen Thieres zeigte, dass die Eier abgesetzt und desswegen der Leib eingefallen war; das Thier mochte wohl dem Lebensende nahe sein und die herbstliche Fär- bung der Flügel damit im Zusammenhang stehen. Weiterhin sei auch noch ein Wort über Chromatophoren der niederen Thiere angefügt. Aus den Reihen der Wirbellosen sind bekanntlich bei Cepha- lopoden und Pteropoden, so wie von einigen Gasteropoden des Meeres bewegliche Pigmentzellen nachgewiesen worden, wodurch die Thiere die Farbe zu wechseln im Stande sind. Ich konnte mich überzeugen, dass auch bei unseren Binnenconchylien dieselbe Fähig- 1) Hier bei Bonn ist mir während des ganzen Sommers 1875 ein ein- ziges Stück zu Gesicht gekommen! 2) Ich sammle seit Jahren die einheimischen Arten der Gattung Glo- meris. Da fiel mir im Herbst 1873 gar sehr auf, dass an den verschieden- sten Punkten des Mainthales, wo @. pustulata gemein ist, sämmtliche Thiere anstatt der sattfarbigen gelbrothen Flecken diesmal die Flecken von ent- weder abgedämpftem oder bräunlichem Ton zeigten. Es konnte auch wohl hier nur der Witterungsclarakter des Jahres diese Veränderung veranlasst haben, Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 541 keit besteht; denn ich habe an Arten der Nacktschnecken und zwar an Limax variegatus und Limax (Amalia) carinatus die gleiche Erscheinung beobachtet. Die letztgenannte Nacktschnecke!) zeigt einen meist sehr angenehmen grauröthlichen Farbenton, wesshalb ja ein Conchyliologe den Ausspruch that, die Art habe gegenüber von den andern einheimischen Landschnecken »eine feine, man möchte sagen, vornehme Färbung«. Solche Thiere aber über Nacht in eine, obschon feucht gehaltene Blechkapsel gesperrt, haben am andern Tag den hübschen röthlichen Ton verloren und sind dunkel geworden. Ein andres Thier in eine Lösung von Kali bichromicum geworfen, hellt sich, so lange es lebt, sehr auf; im Tode aber war die Rückenseite ganz dunkel, fast schwarz geworden. Beim Bemü- hen, den lebenden Limax variegatus abzumalen, gewahrte das scharf hinsehende Auge, dass die Flecken nicht immer Stand halten, son- dern wechseln. Es liegen ferner Beobachtungen Andrer darüber vor, dass Chromatophoren auch bei Arthropoden zugegen sind, so bei Kreb- sen, dann nach einer Bemerkung von Balbiani nicht minder bei Spinnen?). Dass auch bei der dritten Hauptgruppe, den Insecten, ge- dachte Elemente nicht fehlen, scheint weniger bekannt geworden zu sein. Ich finde nämlich gelegentlich, dass bereits vor mehr als zwanzig Jahren der Wiener Entomolog Brauer interessante Beob- achiungen über den Farbenwechsel von einem Insect, Ohrysopa vulgaris, verößfentlicht hat). Bei sinkender Temperatur erscheinen röthliche Flecken, das Thier wurde sogar, wenn es gegen 0° R. ging, ganz fleischroth; bei steigender Temperatur erhielt das Insect nach und nach seine Farbe wieder. Obschon nun der genannte Forscher das Wort Chromatophor nicht gebraucht, überhaupt sein Ziel nur der Nachweis bleibt, dass diese Farbenveränderung eine dem Indivi- duum zugehörige Erscheinung ist und nicht die einer bestimmten Generation, so unterliegt es doch für den, welcher die Mittheilungen 1) Ueber das Vorkommen vergl. meine Mittheilungen in den »Beiträgen und Bemerkungen zur württembergischen Fauna mit theilweisem Hinblick auf andre deutsche Gegenden«. Jahreshefte d. Württemb. Vereins f. vater- ländische Naturkunde. 1871. 2) Annales d. sciences natur. T. XVIII, 1873, p. 7. 3) Verhandigen. d. zool, botan. Vereins in Wien, Jahrg. 1852, S, 12. 542 F. Leydig: genauer ansieht, keinem Zweifel, dass man hier an Chrysopa einen schönen Fall von Farbenwechsel bei Insecten, bewirkt durch die Thätigkeit der Chromatophoren, vor sich habe. 2, Zur Kenntniss der Drüsennerven. An der Raupe von Cossus ligniperda habe ich vor längerer Zeit einen Zusammenhang der Nerven mit jenen Gebilden beschrie- ben, welche bisher als Hautdrüsen gelten‘). Man bemerkt bei ge- nanntem Thier leicht an der Innenfläche der Haut und zwar schon mit der Lupe ein Nervennetz, dessen Ausläufer in die Hautdrüsen gehen. Hat man das Thier in Weingeist getödtet, so hebt sich das Nervennetz, weil es weisslich geworden und die Hautdrüsen eben- falls weissliche Knötchen an den Ausläufern des Netzes bilden, in zierlicher Weise von dem Roth der Hautfarbe ab. Eine solche »Hautdrüse« hat die Form eines rundlichen Beu- telchens und sitzt je unter einer Borste. Sie besteht aus einer ho- mogenen Begrenzungshaut, welche eine körnige protoplasmatische Substanz umschliesst, aus welcher sich grosse helle buchtige Körper abheben, die man als verzweigte Kerne auffasst. Ausserdem liegen aber in dem Protoplasma noch kleine Körper von runder Form und in grösserer Zahl, welche gewöhnlichen Kernen ähnlicher sehen. Die Nerven, welche zu diesen Hautdrüsen herangehen, sind verhältnissmässig dicke Züge und über das Endverhalten hatte ich ermittelt, dass die Elemente der Nerven in das Protoplasma herein treten, um alsdann innerhalb desselben ein feines manchfach durchflochtenes Streifensystem zu bilden, dessen Züge die Richtung insbesondere gegen den verzweigten Innenkörper oder Kern nehmen. Mit den Nerven treten auch zahlreiche Tracheen herein ins Protoplasma der Drüse und es stellen die feinsten Ausläufer, nach- dem sie luftleer geworden, ebenfalls als zarte Streifen sich dar und könnten mit den nervösen Zügen zusammengeworfen werden. Ihre Verschiedenheit ergibt sich aber, so lange noch die feinsten Aus- läufer der Tracheen lufterfüllt sind. Ich lege die Zeichnungen vor?), welche ich seiner Zeit über 1) Vergl. Nov. act. acad Leopold. Carol. Vol. XXXIV (1868), S. 98, 2) Fig. 1 u. Fig. 2, ur Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 543 den Gegenstand anfertigte, da ich nicht finden kann, dass die Mit- theilungen, welche Andere unterdessen veröffentlichten, über das, was ich gesehen, hiuaus gegangen wären. Als ich die oben genannte Raupe von Saturnia Pernyi unter- suchte, allwo ebenfalls die Hautdrüsen zugegen sind, sah ich von Neuem, dass die Substanz der Nerven, welche an ein solches Säck- chen herangehen, mit dem körnigen Inhalt oder Protoplasma ver- schmilzt. Ferner erschien hier das Protoplasma in der Weise differenzirt, dass eine fein radiäre Randschicht sich von der übrigen körnigen Substanz abhob. Zwischen ihr und der homogenen Be- srenzungshaut des Beutelchens lagen einzelne kleine kernartige Körper, und im Innern des Beutels der grosse buchtige Kern. Noch eine andere Beobachtung über den Zusammenhang der Nervensubstanz mit Secretionszellen habe ich bei Arthropoden ge- macht und sie betrifft die Malpighi’schen Gefässe. Schon im Lehr- buch der Histologie!) weise ich darauf hin, dass an die genannten Canäle sich von Stelle zu Stelle zarte Stränge ansetzen, die ich bereits dazumal für Nerven halten musste und auch als solche von Gastro- pacha lanestris abgebildet habe. Die Nerven heften sich mit drei- eckig verbreiterter Basis an, in letztrer sähe man auch spindelförmig ausgezogene Ganglienzellen, die schon eine Strecke zuvor begännen. Ich habe nun bei der bereits mehrfach genannten Raupe von Saturnia Pernyi auch solche Stellen von neuem ins Auge gefasst und gesehen, dass hier die fibrilläre Punktsubstanz der Nerven in die Punktmasse des Protoplasma der grossen Secretionszellen überging. Abermals vor Kurzem den Gegenstand vornehmend, suchte ich mich noch besser zu unterrichten, und die beifolgenden Abbildungen ?) sollen ausdrücken, wie weit dies geschehen konnte. Leider fiel die Untersuchung in eine Jahreszeit — Anfangs November — wo Rau- pen selten geworden sind und ich war auf die von Phalaena lubri- cipes L., welche bekanntlich auch noch im Spätherbst an heiteren Tagen auf Feldwegen herumzukriechen pflegt, beschränkt. 1) Seite 474, Fig. 243. 2) Vergl. Fig. 4 u. Fig. 5. 544 F. Leydig: Es gehen an die Malpighi’schen Gefässe genannter Raupe ziemlich viele Nerven, doch in sehr ungleicher Vertheilung. Auf lange Strecken eines Canales hin ist auch nicht Ein Nerv wahrzu- nehmen, dann trifft man wieder Partien, wo drei und vier Nerven in geringer Entfernung von einander an ein Malpighi’sches Gefäss treten. Es verdienen diese Verhältnisse anatomisch - topographisch festgestellt zu werden, da es doch wahrscheinlich bleibend gewisse Abschnitte sind, welche von Nerven aufgesucht werden, während andre leer ausgehen. Die Nerven gehören dem sympathischen System an, was sich schon durch die Menge der eingeschalteten Ganglienkugeln ankün- digt, welche sowohl kurz vor dem Eintritt angehäuft sind, als auch auf längere Strecken rückwärts aus der Substanz der Nerven sich abheben. Nach der Zeichnung, ‚welche die nervös streifige Substanz der Umgebung einhält, sind sie wohl meist den bipolaren Zellen anzuschliessen. Für das Verständniss des Endverhaltens ist wichtig, sich zu- nächst davon zu überzeugen, dass auch an jedem dieser Nerven die von mir!) unterschiedenen zwei Hüllen zugegen sind, nämlich ein inneres und ein äusseres Neurilemm. Das innere erscheint als helle, scharfgerandete Membran, das äussere ist von blasserem, lockerem Aussehen. Das innere Neurilemm geht über in die Tunica propria des Malpighi’schen Gefässes, während sich das äussere in die zarte peritoneale Umhüllung des Canals verliert. Dies letztere geschieht aber in einer Weise, welche bei Betrachtung der Anhef- tungsstelle des Nerven von der Fläche zu irriger Deutung Veran- lassung geben kann. Man sieht nämlich vom Nervenende eine feinstrahlige Figur weggehen, welche auf den ersten Blick vielleicht für die letzten Ausläufer der Nervensubstanz genommen werden könnte, was sie “aber durchaus nicht sind. Das äussere Neurilemm verliert sich an das Malpighi’sche Gefäss derart, dass es in zarte Streifen oder Bälkchen auseinandergeht, wie das Gleiche an den verschie- densten Stellen des Körpers, an andern Drüsen, am Darme, den Muskeln etc. geschehen kann. In der Seitenansicht ist das Ver- ständniss sofort klar, denn hier zieht jetzt inmitten der auseinander weichenden Züge des äusseren Neurilemms die eigentliche Nerven- 1) Vom Bau d, thierisch. Körpers, Tübirgen, 1864, S. 214, Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u.Nerven d. Drüsen b. Insecten. 545 substanz, umgeben von dem inneren Neurilemm, an die Tunica pro- pria des Malpighi’schen Gefässes und tritt in dasselbe ein. Geschah dies, nach Lage des Präparates für unser Auge mehr von unten, so sieht man den optischen Schnitt des Nerven als Ring zwischen zwei zusammenstossenden Secretionszellen. Das eigentliche Ende des Nerven bot mir zweierlei Ansichten dar, die aber wohl auf einander zu beziehen sein werden. In dem einen Fall erblickt man eine feinkörnige Auflösung der streifigen Nervensubstanz ins Protoplasma der Zelle; im andern aber schien das Nervenende wie mit schaliger Ausbreitung, nach den Seiten äusserst dünn werdend, die Zeile zu umfassen. Die zwei beigege- benen Figuren mögen das Gesagte versinnlichen. Eine gelegentliche Erwähnung verdient es auch, dass sich an die für die Malpighi’schen Gefässe bestimmten Nerven, jedoch in ziemlicher Entfernung vor dem Eintritt, quergestreifte Muskeln da und dort ansetzen mittelst zarter bindegewebiger Sehnen. Dann dass die bei Schmetterlingen an einem andern Orte von mir her- vorgehobene Stäbchenbildung der Secretionszellen hier bei der Raupe von Ph. lubricipes nicht vorhanden ist, höchstens nach Rea- sentien (Ösmiumsäure) nur in ganz leiser Spur erkannt zu werden vermag. Endlich sei bemerkt, dass die streifige Cuticula der in Rede stehenden Canäle sich nach Reagentien in Stäbchen auf- löst, ähnlich wie das auch von der Innenhaut andrer Organe be- kannt ist. Anmerkung 1. Obschon es nicht die in Rede stehenden Arthropoden, sondern eine andre Thiergruppe, die Mollusken, betrifft, so sei an dieser Stelle doch erwähnt, dass ich bei unsern Landpulmonaten an das blinde Ende der beutelförmigen Schleimdrüsen der Haut, welches hier einzellige Drüsen sind, hin und wieder einen Streifen blasskörniger Substanz sich an- heften sah, der nichts anderes als ein Nerv sein kann!). Den Uebergang der streifigen Punktsubstanz des Nerven in die Körn- chenmasse des Beutelchens vermochte ich hier jedoch bis jetzt nicht zu sehen, es schien mehr eine Anlagerung an die Aussen- fläche der Drüse statt zu haben. Bemerkenswerth ist auch, dass an grösseren dieser Schleimdrüsen das Protoplasma eben- 1) Fig. 6, 546 F. Leydig: falls in eine sich scharf abhebende Randzone von radiärer Streichelung und in die eigentliche Körnermasse sich schied. Anmerkung 2. Ich habe schon anderwärts darauf hinge- wiesen, dass das Protoplasma der Zellen sich streifig sondert, was ich seiner Zeit auf einen gewissen »tubulären Bau« der Zellsubstanz deutete. Es wurde dieses Verhalten von mir wahrgenommen und abgebildet von den Epithelzellen im Darm des Omiscus und Porcellio, so wie in den Kiemenblättern von Asellus‘). Dort gewahrt man unterhalb der Zellenmembran eine dicke granuläre Zone von radiär streifiger Zeichnung, »wie wenn sie von feinen Canälchen durchsetzt wäre«. — Die Zell- substanz des Eierstockseies bei Reptilien bietet eine radiär streifige Randzone dar; die oben erwähnten Hautdrüsen der Raupen lassen hin und wieder eine ebenso beschaffene Rinden- schicht erkennen?). Man geht gewiss kaum fehl, wenn man alle diese Erscheinungen als zusammengehörig betrachtet und insofern etwas Wechselndes sich einmischt auf einen bleibenden oder vorübergehenden Zustand in der Thätigkeit oder Structur des Protoplasma bezieht. N Anmerkung 3. An meine Mittheilungen über den Bau der Hautdrüsen der Insecten schloss ich seiner Zeit (Arch. f. Anat. u. Phys. 1859, S. 76) folgende Aeusserung: »Auch einer andern Bemerkung, die sich beim Betrachten unserer einzelligen Drüsen aufdrängt, will ich hier nicht ausweichen. Gar manche der beschriebenen einzelligen Drüsen sind denn doch kaum minder zusammengesetzt, als gewisse Infusorienformen, die viele Natur- forscher’ebenfalls für einzellig halten, während wieder Andre sich gegen eine solche Betrachtungsweise erklärt haben. Und in der That, eine Zelle, welche ausser dem Kern und dem ge- wöhnlichen Zelleninhalt noch besondere scharf abgegrenzte dickwandige Blasen, sowie geschlängelte und verzweigte Röhren zu ihren Bestandtheilen hat, steht in der Zusammengesetztheit Ihrer Bildung manchen veinzelligen Infusorien« nicht nur nicht nach, sondern übertrifft sie noch«. Ich füge jetzt bei, dass noch eine andere Aehnlichkeit besteht. Die von mir bei grösse- ren Arten der Infusorien nachgewiesenen rundlichen Körner, 1) Archiv f. Anat. u. Phys, 1855, S. 445, S. 458, Taf. XV, Fig. 10, 2) Fig. 3, a. Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 547 in Essigsäure schärfer werdend, vom Habitus der Nuclei und unter der Cuticula gelegen, sind bei manchen Formen der Hautdrüsen vertreten durch die erwähnten »kernartigen Körper« unter der Grenzhaut des Drüsenbeutelchens. Man darf sich daher noch mehr für berechtigt halten, den buchtigen oder ästigen Kern der Drüsen dem Nucleus der Infusorien gleich- zusetzen und ebenso die kernartigen Körper der Randzone des Protoplasma jenen der einzelligen Thiere. Selbst in den Secre- tionszellen der Malpighi’schen Gefässe glaube ich nach Reagen- tien in der Randschicht ähnliche, wenn auch hier kleinere Kör- per von Stelle zu Stelle wahrzunehmen. Unserm Bestreben die über die Nerven der Drüsen vorge- brachten Beobachtungen unter einen allgemeineren zusammenfassen- den Gesichtspunkt schon jetzt zu bringen, stellen sich mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Die Verbindung von Nervenfasern mit Hautdrüsen der Lum- bricinen (Phreoryctes), sowie das gleiche Verhalten bei der Raupe von Cossus ligniperda lässt sich, wie ich seiner Zeit!) that, so auf- fassen, dass es sich um Bildungen handle, welche den Sinnesorganen nahe stehen; andrerseits gibt es aber auch Gründe und ich habe sie hervorgehoben, welche für die Ansicht sprechen, dass die »Drüsen« nicht Endorgane der Nerven seien, sondern wirkliche abscheidende Organe. Wenn gegenwärtig unsre Erfahrung sich mit der Kennt- niss erweitert hat, dass auch an die Zellen der Malpighi’schen Ge- fässe, deren Drüsennatur nicht in Frage kommen kann, Nerven herangehen, so könnte ein solcher Zusammenhang auch zu Gunsten der Ansicht, dass die mit Nerven versehenen »Hautdrüsen« der Raupen wirkliche Drüsen seien, angerufen werden. Und so sehr ich das Gewicht dieser Thatsache anerkenne, so muss ich doch auf Einiges noch hinweisen, was uns zurückhalten darf, sofort end- gültige Schlüsse ziehen zu wollen. Es wurden von mir längst einzellige Hautdrüsen der Coleop- teren beschrieben, welche durch zusammengesetzten Bau merkwürdig sind, und bezüglich dessen ich auf die Abhandlung zu verweisen 1) Nov. act. acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV, p. 98. 548 F. Leydig: mir erlaube!). Dass einzellige Hautdrüsen auch in anderen Klassen der Arthropoden vorkommen, zeigen meine weiteren Beobachtungen z. B. an Daphniden und dem Argulus. Unterdessen sind aber That- sachen bekannt geworden, welche wahrscheinlich machen, dass die- selben oder ähnliche Gebilde auch als Endorgane von Nerven auf- treten. August Forel nämlich hat in dem schönen Werke: Les Fourmis de la Suisse?) bei der anatomischen Untersuchung der Ameisen gefunden, dass in den Endganglien der Antennen Elemente vorhanden sind, die nach meiner Meinung den einzelligen Haut- drüsen der Coleopteren gleichstehen. Denn obschon der genannte Naturforscher bemerkt, es sei ihm unmöglich gewesen, den eigent- lichen Umriss der Zelle wahrzunehmen), so sehe ich darin keinen Grund gegen die von mir angenommene Zusammenstellung, da ja auch an den Hautdrüsen der Coleopteren das Gleiche vorkommen kann. Ich habe z. B. von Dyticus ausdrücklich berichtet und abge- bildet*), dass die Zellenkörper zu einer granulären Masse zusammen- schmelzen können, aus welcher die Kerne und besonders lebhaft die Anfänge der ausführenden Chitinfäden hervorstechen. Und von dieser Art ist auch das Bild im Ganglion der Antennen. Die bis jetzt vorliegenden Erfahrungen thun dar, dass es bei Anneliden, Weichthieren und Arthropoden einzellige Hautdrüsen gibt, welche nicht den Nervenenden aufsitzen; und dass hinwiederum Hautdrüsen bestehen, welche wie Endorgane der Nerven sich aus- nehmen, ohne im übrigen Bau von den nervenlosen verschieden zu sein. Das Gleiche gilt auch für die Malpighi’schen Gefässe: die grösste Mehrzahl der Zellen dieser Drüsenröhren erhält nichts von Nerven, während an eine Anzahl von Secretionszellen Nerven her- antreten. Man kann sich angesichts solcher Wahrnehmungen vorstellen, dass die Drüsenzellen physiologisch doch sämmtlich unter dem Ein- fluss der Nerven stehen, ähnlich wie ja auch in einem Muskel- körper nur eine verhältnissmässig kleine Anzahl von Primitivbün- 1) Zur Anatomie der Insecten, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1859. 2) In den Mem. d.l. Soc. helvetique des Sc. nat. Vol. XXVI, p. 145. 3) Die Worte Forel’s: »Il m’a &t& impossible de trouver un element cellulaire glanduleux entourant ce tube chitineux« möchte ich nämlich in obiger Fassung wiedergeben. 4) a. a. O. Taf. II, Fig. 1. Bemerkungen über Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. 549 deln Nervenenden erhält; oder es liesse sich denken, dass gerade diejenigen einzelnen Hautdrüsen und Secretionszellen, welche in den Malpighi’schen Gefässen mit Nerven ausgestattet sind, dazu dienen, den Mittelpunkten des Nervenlebens die Zustände der genannten Organe zu übermitteln. Welche von diesen Vorstellungen mehr Anspruch auf Richtigkeit machen könne, werden vielleicht spätere Untersuchun- gen aufzeigen können. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Fig. 1. Hautdrüse der Raupe von Cossus liquiperda. a. Tracheen, b. Nerv, c. verästelte Kerne, d. kernartige Körper. Fig. 2. Aus dem Inhalt der Drüse bei stärkerer Vergrösserung. a. buchtiger Kern, b. Protoplasma, c. Züge von Nervensubstanz im Protoplasma. Fig. 3. Hautdrüse der Raupe von Saturnia Pernyi. a. radiärstreifige Randschicht, b. kernartige Körper, c. Nerv. Fig. 4. Blindes Ende eines Malpighi’schen Gefässes der Raupe von Phalaena lubrieipes L., bei Anwendung von Kali bichromicum. A. Secretionszelle: a. aus Stäbchen gebildeter Cuticularsaum, b. buchtiger Kern, ; c. Protoplasma. B. Nerv, die Ansatzstelle im optischen Schnitt: d. äusseres Neurilemm, e. inneres Neurilemm, f. Ganglienkugeln, g. Verbindung der nervösen Substanz mit dem Protoplasma der Zelle. 550 F.Leydig: Farben d. Hautdecke u. Nerven d. Drüsen b. Insecten. Fig. 5. Fig. 6. C. Nerv, die Ansatzstelle von der Aussenfläche: h. äusseres Neurilemm, i. inneres Neurilemm, k. Ganglienkugeln. Rand eines Malpighi’schen Gefässes der Raupe von Phalaena lubri- cipes L. nach Anwendung sehr verdünnter Osmiumsäure. A. Secretionszelle: a. Protoplasma, b. Kern. B. Nerv: . äusseres Neurilemm, . Inneres Neurilemm, . Ganglienkugeln, . Eintrittsstelle und knieförmige Umbiegung, im optischen Quer- schnitt, g. Nervenende, wie mit schaliger Ausbreitung die Zelle umfassend, h. Muskel, welcher sich an den Nerven ansetzt. ho 20 Einzellige Schleimdrüse von Helix thymorum Alt. a. Protoplasma, b. Kern, c. Secret, d. Nerv. Nochmals die Gastrula der Kalkschwämme. Von Oscar Schmidt. In demselben Bande der Zeitschr. f. w. Zoologie, worin ich meine Beobachtungen über Entwicklung von Kalkspongien ver- öffentlichte, hat F. E. Schulze seine neuesten Erfahrungen mit- getheilt. Die Differenz zwischen dem, was ich gesehen zu haben glauben muss, und meines Collegen Resultaten ist die grösstmögliche. Schulze hat vor mir vor Allem voraus eine höchst vollständige Reihe frühester Entwicklungsstufen bis zu dem Stadium, welches Haeckel in seiner eben erschienenen, die Gastrula-Frage umfassenden Arbeit (Jenaische Zeitschr.) Amphiblastula genannt hat. Schulze zeigt uns aber noch darüber hinaus den Uebergang dieser Amphiblastula in eine vollendet schöne Gastrula. Und zwar erklärt er Metsch- nikoff’s Angabe, dass die Cylinderzellenhälfte sich einstülpe, für fundamental falsch und zeigt umgekehrt die Körnerzellen zum Ento- derm geworden. Ich hatte mich von der Einstülpung n Metsch- nikoff’s Sinn nicht überzeugen können, aber dessen Beobachtungen so weit bestätigt, dass ich mit aller Sicherheit behaupten konnte, die Larve setze sich mit der Körnerballenhälfte an, und diese, nicht die Cylinderzellen-Schichte, verschmelze zur äusseren Körperschichte des definitiven Schwammes. Ich hatte erklärt, das ich sehr oft Gastrula- formen (solche wie Schulze sie in Fig. 23 giebt und noch frappanter) vor mir zu haben glaubte, bis ich mich durch Drehen und Wenden der Objecte immer überzeugte, es seien Täuschungen. Ich habe meine Darstellung des Larvenlebens mit positiven Beobachtungen über das Festsetzen geschlossen, in Uebereinstimmung mit Metschnikoff, Schulze mit der Vermuthung, dass die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 36 552 Oscar Schmidt: junge Larve mit dem aboralen Pole haftet. Diese beiden Fälle schliessen sich aus, wenn man nicht annehmen will, dass die Larve einer und derselben Art bald so bald so in den definitiven Zustand übergehe. Aber auch wenn Schulze’s Vermuthung nur in Betreff des Ansatzpoles hinfällig wäre, und sich die Larve mit dem Gastrula- munde fixirte, so würde, sollte eine Uebereinstimmung mit meinen Beobachtungen hergestellt werden, ein abermaliges Heraustreten der eingestülpten Schichte erforderlich sein, um die von mir gesehenen Bilder zu erhalten. Für Haeckel waren meine und Metschnikoff’s Beobach- tungen nicht verwendbar, wenigstens nicht so direct, obgleich die nachträgliche Einstülpung zur Gastrula von M. positiv angegeben und von mir nicht bestritten war. Dagegen passt ihm das so klar dargestellte Endresultat des Gastrulastadiums bei Schulze. Er ist auch mit seiner Kritik schnell fertig. »Bei der bekannten Be- obachtungsschärfe und histologischen Erfahrung von F. E. Schulze« sind meine Beobachtungen, wenn auch »grösstentheils richtig, doch unvollständig; bezüglich der Deutungen grösstentheils unrichtig«. Gegen dieses summarische Verfahren erlaube ich mir denn doch Protest zu erheben. Schulze’s Beobachtungen über die prälarvalen Vorgänge liegen allerdings in vollständiger Reihe vor, wo ich nur einzelne Stadien ganz unzureichend gesehen habe. Aber zwischen dem Gastrulastadium, welches Schulze zeichnet (Fig. 24), und dem Stadium (Fig. 25), das er vom festsitzendem Schwamme giebt, ist eine Lücke, welche unser verehrter College durch eine Vermuthung ausfüllt, wo ich mit Metschnikoff jene positive entgegengesetzte Angabe nach leibhaftigen Objecten mache. Das sind nicht »Be- hauptungen eines oberflächlichen Beobachters«, sondern lassen, wenn, wie oben angedeutet, das Entgegengesetzte auch stattfinden könnte, die einzige Möglichkeit offen, dass die von M. und mir beobachteten Larven etwa in einem abnormalen oder krankaften Zustande ihren Ansatzpol verwechselt und das Entoderm wieder von sich gegeben hätten. So steht die Sache. College Schulze stellte mir einige seiner Präparate zur kri- tischen Untersuchung zur Verfügung. Ich habe mich überzeugt, dass seine Angaben über das Ectodermzellenlager sich mit dem Präparat vollkommen decken; ich konnte eine ganze Reihe von Furchungs- stadien sehen. Das Wichtigste bezüglich der schwebenden Frage war eine Schnitt-Scheibe mit vielen Larven, darunter eine von Sch. Nochmals die Gastrula der Kalkschwämme. 553 besonders als Gastrula bezeichnete. Ich habe diese Larve mit Dr. Götte untersucht. Bei Einstellung von oben bis zum optischen Mittelschnitt hat man genau den Eindruck einer wohlgeformten regel- mässigen Gastrula mit weitem Munde. Allein bei tieferer Einstellung verschwindet dieses regelmässige Bild, und es zeigt sich, dass die Körnerballen oder Körnerzellen eben so frei liegen und die Cylinder- zellen eine eben so flache Schüssel bilden, als in den vielen Fällen, wo ich selbst in Neapel die wahre Gastrula gefunden zu haben glaubte. Denn mein Bemühen war nicht, wie Haeckel sagt, zu zeigen, dass seine Auffassung falsch, sondern dass sie richtig sei. Es gelang mir aber nicht. Dr. Götte hat, nachdem ich Neapel verlassen, dort viele Larven jenes Stadiums, welches Haeckel Amphiblastula nennt, also das von mir abgebildete gefunden, die in der Körnerzellenhälfte schon Nadeln zeigten. Das ist eine Bestätigung Metschnikoff’scher Beobachtungen, welche man nicht mit »falscher Deutung« bei Seite schiebt. Sollen etwa diese Nadeln mit invaginirt werden? Schulze drückt sich über die skeletbildende Mittelschicht, die er gefunden haben möchte und womit die Homologie der Spongien mit den Coelenteraten vollendet würde, sehr vorsichtig aus; ich glaube mit Recht. Ich glaube auch, dass Haeckel sich in seiner genialen Weise wieder einmal täuscht, wenn er mit Schulze’s schöner Arbeit die Spongienfrage wieder einmal für abgemacht erklärt. Haeckel spricht sein Befremden darüber aus, dass weder Metschnikoff noch ich mit einem Worte des Olynthus gedenken, »jener wichtigsten und lehrreichsten Spongienform, welche ich (H.) als die Urform der Kalkschwämme betrachte und auf welche sich meine ganze Betrachtungsweise vorzüglich stützt. Der Olynthus ist wesentlich nur eine festsitzende Gastrula, welche geschlechtsreif ge- worden ist, Hautporen und Kalknadeln gebildet hat«. Da Haeckel selbst schon vor längerer Zeit mich mit ausgezeichnet conservirtem Material aus Norwegen versehen hat, so habe ich die Mahnung auf- genommen. Ich finde nun sowohl von Ascandra varibilis als von Ascetta coriacea die jüngsten festsitzenden Stadien von 0,09 Mmtr. (Ascandra) und 0,25 Mmtr. (Ascetta) Länge nicht als Olynthus- Formen, auf welche sich Haeckels ganze Betrachtungsweise vor- nehmlich stützt, sondern auf das\Unzweideutigste ohne Osculum; erst später, bei Ascandra variabilis bei 0,25 Körperlänge, ist das scharf umschriebene Osculum von 0,016 Durchmesser durchgebrochen. 554 Oscar Schmidt: Ich erbiete mich, Jedem, der es wünscht, aus den von Haeckel selbst bei Gisoe gesammelten Entwicklungsreihen diese Dinge zu zeigen. Ich bin aber darauf gefasst, dass Haeckel sagt, diese jüngsten Exemplare seien mit angeborner Astomie oder, wie H. diesen meinen Ausdruck umgewandelt hat, mit Lipostomie behaftet und Ausnahmen. Haeckels Beweisführungen haben für den Laien etwas un- gemein Bestechendes. Ich gehöre zu Haeckels Verehrern, wünsche aber nicht mit den Anbetern verwechselt zu werden. Er hat in der berührten Arbeit mit Virtuosität die Einheit der verschieden aus- sehenden Vorgänge und Formen der Furchung und Gastrulation im Thierreich annehmbar gemacht. Aber die Kritik, die er mit den Angaben Anderer übt, ist eine auffallend ungleiche. Er sagt, dass bei den Myxospongien Giard die Archigastrula nachgewiesen. Wo denn? Doch nicht in der von H. angeführten Stelle (Arch. de zool. exp. 1873. Pl. XIX. 15. 16)? Giard sagt, dass die Larve eine vollständig geschlossene Blase sei, und dass er vermuthe, an dem einen Pole werde sich eine Einstülpung bilden. Wenn Haeckel einen Beweis für einen gastrulaähnlichen Zustand von Halisarca haben wollte, hätte er sich weit eher auf Carter (Ann. Mag. Nat. Hist. 1874. Pl. XX. Fig. 12) stützen können. Dass H. auf Metschnikoff nicht gut zu sprechen, ist begreiflich. Dennoch verschmäht er nicht, sich auf Beobachtungen dieses »oberflächlichen Beobachters« zu berufen. Sind aber Metschnikoffs Beobachtungen über Nemertinen, Echinodermen und Scorpione so vertrauenswürdig, um sie zu gebrauchen, so ist nicht einzusehen, warum dessen An- gaben über Spongien nicht das gleiche Anrecht auf einige Beachtung haben sollen. Götte hat auf Grund seiner Präparate und Beobachtungen den Schluss gezogen, dass in gewissen Fällen das Ei nicht eine ein- fache Zelle ist. Das passt freilich nicht in die »fundamentale Ueber- zeugung«, und ich übernehme die Verantwortung dafür nicht. Haeckel weist, weil sie ihm nicht passt, diese von Götte sorgsam begründete Behauptung damit ab: es seien wunderliche allgemeine Ansichten. Derselbe Götte thut nun nichts, als was er in dem eben berührten Falle gethan, wenn er nach seinen Präparaten und Beobachtungen die Umstülpung des Keimblattes und die Ein- wanderung von Zellen aus einem Keimblatt in das andere beim Huhn beschreibt. Das passt nun aber, und darum ist es richtig und . hat Haeckels vollkommenen Beifall. Bei solcher Ungleichheit der Nochmals die Gastrula der Kalkschwämme. 555 Kritik darf man sich nicht wundern, wenn Haeckel für seine eignen Beobachtungen und Angaben nicht mehr den richtigen kri- tischen Maasstab hat. Haeckel bekräftigt nämlich Schulze’s Resultat durch Be- rufung auf seine eigne ehemalige Darstellung der Spongien-Gastrula. Er sagt: »Meine eignen Angaben — sind richtig und werden voll- kommen durch F. E. Schulze bestätigt in dem wichtigsten Punkte, darin nämlich, dass auch die Keimung der Schwämme mit der Bildung einer ächten Gastrula und der beiden primären Keimblätter verläuft«. Er hat von mehreren Species die Planogastrula mit absolutem Vertrauen gezeichnet. Diese Zeichnungen haben sich als unrichtig erwiesen. Aber Haeckel’s Gastrulae, das behaupte ich bei abermaliger Musterung seiner verführerischen Zeichnungen, sind von Haeckel’s Planogastrulae gar nicht zu trennen, und er täuscht sich selbst, indem er sich einredet, seine Gastrulae seien identisch mit Schulze’s Gastrula von Sycon raphanus. Wenn Haeckel, mir unbegreiflich, nicht das Amphiblastula-Stadium gesehen, so ist ihm auch jener Uebergang in die von Schulze beschriebene Gastrula nicht vorgekommen. Für Haeckel werden S.’s Beobachtungen sofort »von hoher prineipieller Bedeutung für die ganze Naturgeschichte der Spongien«. Dass ich von Ascetta clathrus anderes zu berichten hatte, von den Kieselspongien ganz zu schweigen, scheint nicht in Betracht zu kommen. Ich schloss aus meinen Untersuchungen, dass erst nach neuen Detailarbeiten allgemein gültige Resultate zu erwarten seien. Haeckel ist nicht der Ansicht, indem er alle etwa schon ge- fundenen oder überhaupt alle möglichen abweichenden Fälle mittelst »Cenogenie und Heterotopie« erklärt. Allen Respect vor Haeckel’s Drang und geistvollem Geschick, einheitliche Gesichtspunkte als Leitfaden für die Untersuchung und Erklärung aufzustellen. Aber die schon geübte und in Aussicht genommene Handhabung des Prineips der secundären Keimungsvorgänge ist ein zweischneidiges Schwert. Man kann damit nicht weniger als Alles beweisen; denn wo ich mit secundären und tertiären Processen nicht mehr aus- komme, nehme ich einen beliebigen anderen Nenner und es muss klappen. Vollends, wenn ich “Wie Zellenwanderung zur Seite habe mit dem Satze, dass die einzelnen Zellen einer primären, wenn auch nicht vollendeten Anlage ihre Bestimmung eisern fest mit auf die Wanderschaft bekommen. Haeckel copirt von Götte eine 556 Oscar Schmidt: Nochmals die Gastrula der Kalkschwämme. »Discogastrula« des Huhns. Glaubt Haeckel wirklich, dass die nach dem augenscheinlichsten Zufall, d. h. nach den jeweiligen und mit unzähligen Nuancen verbundenen Quellungs- und Ernährungs- verhältnissen sich ablösenden, verschiebenden und wandernden Zellen, noch ehe sie ihre definitive Keimblattstelle emeicht haben, schon ihr Fatum als Nervenzelle, Muskelzelle, Epithelzelle, Eizelle in sich tragen ? Wenn jede dieser Tausende und Millionen von Zellen ihren rechten Weg findet, so geht das nicht mit rechten Dingen zu, und wir treiben mit unserm schönen Monismus unaufhaltsam nach dem kaum überwundenen Abgrunde eines vitalistischen Principes. Nachschrift. Zur Vermeidung von Missverständnissen die Erklärung, dass diese Seiten am 15. November buchstäblich ge- schrieben waren, wie sie sind, und dass ich am 17. Abends Haeckel’s »Ziele u. Wege der heutigen Entwicklungsgeschichte« empfing. 0. 8. Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. Von Ludwig Stieda. Im XI. Band dieses Archives S. 235—266 habe ich eine Ab- handlung »Studien über die Entwicklung der Knochen und des Knochengewebes« veröffentlicht. Die Abhandlung, welche sich unter anderem auch mit der Bildung des Unterkiefers und der Spina sca- pulae beschäftigt, enthält Resultate, welche mit bezüglichen Beob- achtungen Strelzoff’s nicht übereinstimmen, wie ausdrücklich von mir hervorgehoben worden ist. In Folge dessen hat Strelzoff sich veranlasst gesehen, mich und meine Beobachtungen anzugreifen. Es geschieht dieses im XII. Bande dieses Archives S. 259—290 in einem Aufsatz betitelt: »Ungleichmässiges Wachsthum als form- bildendes Princip der Knochen. Eine Erwiderung an Herrn Pro- fessor Stieda in Dorpat.« Strelzoff bringt hier weder neue Beobachtungen über Knochenentwicklung, noch neue Belege zur Unterstützung seiner früheren Behauptungen; er giebt nichts als seitenlange Auszüge und Citate aus meiner oben erwähnten Ab- handlung und theilt zum Schluss mit, dass er meinen Unter- suchungen keine Beweiskraft beilegt, und deshalb durchaus bei seinen eigenen Anschauungen beharre. Beim Abfassen meiner Abhandlung habe ich keineswegs beab- sichtigt, Strelzoff zu überzeugen und zum Anhänger meiner An- sichten zu machen, es lag mir viel mehr daran, meine Anschauungen den Fachgenossen vorzulegen. Dass ich dabei auf die Differenzen zwi- schen meinen Behauptungen und denen Strelzoff’s hinwies, war 558 Ludwig Stieda: natürlich. — Es könnte mir auch gleichgültig sein, was Strelzoff über meine Untersuchungen für ein Urtheil fällt; ich könnte die Entscheidung über die Richtigkeit unserer weit von einander ab- weichenden Meinungen der Zukunft, d. h. spätern Forschern als völlig unpartheiischen Richtern überlassen, ich brauchte kein Wort zu verlieren, meine Ansichten gegen Strelzoff zu vertheidigen. Allein, Strelzoff macht mir in seiner Erwiderung allerlei Vor- würfe der Ungenauigkeit und der Nachlässigkeit in einer Weise, wie ich das nicht ohne Weiteres hinnehmen darf. Das Selbst- bewusstsein, mit welchem Strelzoff die Resultate anderer Forscher aburtheilt, die ungewöhnliche Sicherheit und Kühnheit — um nicht mehr zu sagen — mit welcher er gegen die Ergebnisse anderer Forscher zu Felde zieht, dürften leicht bei denjenigen, welche keine eigenen Erfahrungen auf dem streitigen Gebiet besitzen, die Ver- muthung erwecken, Strelzoff habe überall Recht. Zur Abwehr gegen die Vorwürfe Strelzoff’s nehme ich mir die Freiheit noch einmal über die Bildung des Knochengewebes mit besonderer Berücksichtigung der Unterkiefer einiges in Kürze zu sagen. 1. Ich habe aus meinen Untersuchungen den Schluss gezogen — welchen ich auch jetzt aufrecht erhalte, dass der Unterkiefer zuerst auf bindegewebiger Grundlage sich entwickele und dass erst im Verlauf der Weiterbildung an einigen Stellen Knor- pelmassen auftreten. Das Resultat ist nicht neu und bestätigt im Wesentlichen ältere Angaben. Strelzoff, welcher aus seinen Untersuchungen erschliesst, dass der ganze Unterkiefer knorplig präformirt sei, macht nun bei Gelegenheit der Erörterung meiner Angaben über das erste Auftreten des Knochengewebes im Unter- kiefer mir den Vorwurf, ich hätte denjenigen Punkt mit Still- schweigen übergangen, welcher am meisten interessant und für meine Behauptungen am wichtigsten gewesen sei. Ich hätte näm- lich wohl mitgetheilt, dass bei Mäuse-Embryonen von 1 Ct. Länge der Meckelsche Knorpel zu erkennen sei — was aber an Stelle des zukünftigen Unterkiefers vorhanden gewesen, darüber hätte ich keinen Aufschluss gegeben (Strelzoff Erwiderung p. 257). — Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein Docent der »Embryo- logie« einen solchen Einwand machen würde, wenn es nicht schwarz auf weiss zu lesen wäre. Sollte es wirklich nothwendig gewesen sein hinzuzufügen, dass auf jener Stufe der Entwickelung jener Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. 559 Körpertheil des Embryos ausser dem Epithel der Mundhöhle und der Epidermis aus indifferenten Bildungszellen besteht? Sollte das nothwendig gewesen sein, da ich kurz vorher (bei Katzen-Embryonen) von den Osteoblasten und dem angrenzenden Bildungsgewebe ge- sprochen hatte? 9. Einen anderen Vorwurf macht Strelzoff mir über die Art und Weise, wie ich die Beziehung des Meckelschen Knorpels zum knöchernen Unterkiefer auffasse. Ich sage (Studien etc. p. 252): »Der knöcherne Unterkiefer entsteht in seinen ersten »Anfängen unabhängig vom Meckelschen Knorpel auf »bindegewebiger Grundlage: das Knochengewebe bil- »det sich durch Vermittelung der aus dem indifferenten »Bildungsgewebe entstandenen Osteoblasten. Wo im »weitern Verlauf der Entwickelung das Knochengewebe »mit dem Gewebe des Meckelschen Knorpels zusammen- »stösst, da geht das Knorpelgewebe durch Atrophie zu »Grunde — an die Stelle tritt neugebildetes Knochen- »gewebe«. Strelzoff hat das Gesagte offenbar nicht verstanden, denn sonst könnte er nicht immerfort mir vorwerfen, ich rede von einer Betheiligung oder Theilnahme des Meckelschen Knorpels an der Bildung des Unterkiefers. Er schreibt (Erwiderung p. 261): »Es handelt sich nach Stieda um eine Theilnahme des Meckelschen »Knorpels an der Bildung des Unterkiefers. Der Knorpel muss »also nach irgend einem Modus ossificiren und zum Be- »standtheil des Unterkiefers werden«. Ich habe überhaupt nicht von einer Theilnahme des Meckelschen Knorpels geredet, am wenigsten von einer derartigen. Ich habe deutlich gesagt, der Meckelsche Knorpel atrophirt. Deshalb schreibt Strelzoff »die Theilnahme des Knorpels besteht in seinem -Schwund«. ‘Wenn der Schwund eine Theilnahme ist, so habe ich nichts dagegen. Ich lese aber weiter bei Strelzoff (Erwiderung p. 261): »Er (Stieda) spricht von einem »Schwund«, von einer »Atrophie« des Meckelschen Knorpels, aber diese Atrophie ist der Art, dass nach Ab- lauf des atrophischen Processes Knochen erscheint. Die elementaren Vorgänge dieser sonderbaren Atrophie sind nicht beschrieben und die einzige Erklärung, welche Stieda über die- sen Gegenstand giebt, ist sehr allegorisch«. — Also ein neuer Vorwurf, ich hätte den Vorgang der Atrophie nicht beschrieben! Strelzoff kennt meine Abhandlung so gut, dass er mehr heraus- 560 Ludwig Stieda: liest, als darin steht, aber die betreffende Stelle über die Atrophie hat er nicht gefunden oder vielleicht nicht verstanden? Ich habe wörtlich gesagt (Studien p, 247): »Ich könnte mich kurz dahin äussern, dass die Atrophie des Meckelschen Knorpels genau ebenso erfolge, wie die Atrophie des Knorpels in den sog. knorplig präfor- mirten Skelettheilen. Allein — — es empfiehlt sich den Vor- gang der Atrophie etwas näher zu beschreiben« Und nun heisst es weiter: »dort wo wirkliches Knochengewebe dem »Knorpelgewebe anliegt, beginnt vor Allem eine Ablagerung von »Kalkkrümeln in der Grundsubstanz des Knorpels (Verkalkung), »während zugleich die Knorpelzellen grösser und »durchsichtiger werden, sich aufblähen, kurz diejenigen »Veränderungen erleiden, welche einem allendlichen Zerfall »der Zelle vorausgehn. Während dieser Veränderung im lateralen »Theil des Knorpels ist der mediale Theil noch gut erhalten und »man sieht alle die gewöhnlichen Uebergänge zwischen den un- »veränderten Knorpelzellen und den veränderten, welche »der regressiven Metamorphose anheimfallen« Diesen Worten ist der Hinweis auf die Figur 5 der Taf. XIV beigefügt. — Sollte, frage ich, das Angeführte wirklich nicht genügen, um in Kürze darzuthun, wie ich mir den Vorgang der Atrophie vorstelle? — Aber ich setze den Fall, die gegebene Beschreibung wäre zu kurz, um verständlich zu sein, so hatte ich doch auf den gleichen Vorgang der Atrophie der knorpelig präformirten Skelettheile ver- wiesen. Wäre das allein nicht schon hinreichend gewesen? In einer früheren Abhandlung (Ueber die Bildung des Knochen- gewebes Leipzig 1872 p. 13) spreche ich ausführlich von dem Verhalten der Knorpelzellen am Össificationsrande und deute dasselbe als eine Atrophie oder eine rückschreitende Metamorphose. Zum Beweis nun, dass Strelzoff diese meine Abhandlung gelesen und diese meine Beschreibung wirklich verstanden hat, citire ich seine eigenen Worte. Strelzoff schreibt (Ueber die Histogenese der Knochen, Unters. aus dem path. Institut zu Zürich I. Heft Leipzig 1873 p. 16) in einer Anmerkung: »Ueber die regressive Meta- morphose des Knorpels und die Abstammung der Markzellen von dem Perichondrium habe ich schon im Juli v. J. Mittheilung gemacht (Med. Centralblatt 1872 Nr. 29), etwas später ist Stieda (die Bildung des Knochengewebes Festschrift 18. Septbr. 1872 Leipzig) zu demselben Resultate gekommen«. — Also habe ich ganz Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. 561 unzweifelhaft die regressive Metamorphose der Knorpelzellen ebenso beschrieben, wie Strelzoff. (Ob das früher oder später geschehen ist, ist sehr gleichgültig; übrigens hat Uranossew bereits im Mai »dieselben Resultate« veröffentlicht.) — Und bei alle dem ist bei Strelzoff zu lesen, ich hätte die elementaren Vorgänge dieser »sonderbaren« Atrophie nicht beschrieben! 3) Strelzoff macht mir ferner an verschiedenen Stellen in seiner Erwiderung den Vorwurf, ich hätte niemals die feinern Vor- gänge der Ossification geschildert. Ich wünschte zu wissen, wozu es nöthig war, eine schon so vielfach wiederholte Beschreibung nochmals zu liefern? Ich sprach einfach von einer Umwandlung der Östeoblasten in Knochengewebe; was meines Erachtens für den betreffenden Zweck genügte. Wollte Strelzoff sich darüber be- lehren, wie ich mir die feinern Vorgänge der Ossification dachte, so hätte er leicht in meiner ältern Abhandlung — (die Bildung des Knochengewebes p. 7 u. ff.) das Nöthige finden können. 4) Strelzoff erscheint besonders ungehalten darüber, dass ich seine Ansicht vom metaplastischen Ossificationstypus — d.h. von der directen Umwandlung des Knorpelgewebes in Knochengewebe — nicht billige. Ich habe kurz gesagt, dass ich weder am knorpeligen Proc. condyloideus des Unterkiefers noch an der Spina scapulae irgend etwas gesehen, was ich als eine Umwandlung hätte deuten können. Vielmehr erfolge hier die Knochengewebsbildung genau so wie an einem Röhrenknochen. Ist das etwa nicht verständlich? Strelzoff verlangt, ich hätte genau auseinandersetzen sollen, was ich denn eigentlich an meinen Präparaten gesehen. Ich sehe nicht ein, was ich durch eine wiederholte Beschreibung desselben Vor- gangs, der atrophirenden Knorpelzellen und der sclerosirenden Osteo- blasten erreicht hätte? Ich hatte in meiner erwähnten Abhandlung mich dahin geäussert, dass ich nicht wisse, wodurch Strelzoff zu seiner irrigen Ansicht von der direeten Umwandlung des Knorpels in Knochen geführt worden sei. Ein anderer Forscher Steudener, welcher gleichzeitig mit mir seine Resultate publicirt hat, ver- sucht eine Erklärung des Irrthums Strelzoff’s zu geben. (Steu- dener, Beiträge zur Lehre von der Knochenentwicklung und dem Knochenwachsthum Halle 1875. 4°; Steudener hat, wie er in der Ein- leitung sagt, die Resultate seiner Untersuchungen bereits 15. Juli 1874 der naturforschenden Gesellschaft in Halle mitgetheilt.) Strelzoff scheint die interessante Arbeit Steudeners nicht zu kennen, denn 562 Ludwig Stieda: sonst hätte er wohl kaum unterlassen auch an ihn eine »Erwiderung« zu richten. — Steudener (l. c. p. 19 u. ff. beschreibt die Bildung des Knochengewebes am knorpelig vorgebildeten Gelenkkopf des Unterkiefers und sagt: »Man kann sich jedoch sehr deutlich an der »Verknöcherungsgrenze von der Eröffnung der Knorpelhöhlen, dem »Zerfall der Knorpelzellen und der Anlagerung des endochondralen »Knochens an die stehengebliebenen Reste der verkalkten Knorpel- »grundsubstanz überzeugen« u. s. w. Ferner »zu anderem Resultat »ist Strelzoff gekommen. Danach soll an Stelle der endochon- »dralen Verknöcherung eine Canalisation des Knorpels und directer »Uebergang desselben in Knochen (metaplastische Ossification) er- »folgen. Von letzterer habe ich mich nun nicht über- »zeugen können« Steudener und ich stimmen hierin also völlig überein. Steudener versucht nun nachzuweisen, wie Strel- zoff zu der irrthümlichen Ansicht von einer metaplastischen Ossi- fication gelangt sei und sagt: »Das Einzige, was auf einen directen »Uebergang des Knorpels in Knochen hindeuten könnte, ist das »schon bei der Scapula erwähnte Vorkommen von grösseren »Strecken verkalkter Knorpelgrundsubstanz, einge- »schlossen in endochondral gebildeten Knochen. Hier »kommen bisweilen Bilder vor, die den Anschein gewähren, als »wenn an der inneren Wand einer Knorpelhöhle Knochen gebildet »würde und die Knorpelzelle zum Knochenkörperchen würde. »Genauere Betrachtung und stärkere Vergrösserung zeigten jedoch »immer, dass es sich um eine eröffnete Knorpelhöhle und eine darin »liegende Markzelle handelte, welche in benachbarten, das gleiche »Aussehn darbietenden Knorpelhöhlen zu zwei, drei und noch meh- »reren lagen. Es werden demnach diese eingeschlossenen Stücke »verkalkten Knorpels nachträglich kanalisirt und in endochondrale »Knochen umgewandelt«. So weit Steudener’s Mittheilungen über die sog. metaplasti- sche Ossification. 5) Auf die mir gemachten Einwürfe über den Wachsthums- modus der Knochen gehe ich im Einzelnen gar nicht ein. Ich constatire nur folgendes: Strelzoff ist Anhänger der Lehre vom interstitiellen Wachsthum der Knochen; ich bekenne mich als An- hänger der Lehre vom appositionellen Wachsthum. Augenblicklich hält selbstverständlich jeder von uns seine eigene Ansicht für die einzig richtige; die Entscheidung darüber ruht in den Händen an- Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. 563 derer Forscher. Auch in dieser Streitfrage findet Strelzoff einen Gegner an Steudener (l. c. p. 11). Es sei mir zum Schlusse gestattet, meine auf fortgesetzte Untersuchungen und Studien sich gründenden Anschauungen über die Bildung des Knochengewebes und das Wachsthum der Knochen in Form kurzer Sätze zusammenzufassen und damit zugleich die fundamentalen Unterschiede meiner Ansichten von denen Strel- zoff’s scharf hervorzuheben. Einige der nachfolgenden Sätze habe ich bereits in meinen erwähnten Arbeiten zu begründen versucht; die Beweisführung der andern wird später an einem andern Orte stattfinden. I. Die Bildung des Knochengewebes erfolgt überall auf die- selbe Weise; das Knochengewebe entsteht überall durch die Scle- rosirung der Osteoblasten, welche letzteren aus dem indifferenten Bil- dungsgewebe herzuleiten sind. II. In Fällen, wo einzelne Skelettheille ganz oder theilweise knorpelig präformirt sind, hat das Knorpelgewebe nur eine provi- sorische Bedeutung; das Knorpelgewebe geht durch regressive Me- tamorphosen, durch Atrophie zu Grunde und an seine Stelle tritt das neugebildete Knochengewebe. III. Eine directe Verwandlung des Knorpels in Knochen (me- taplastische Ossification) existirt nicht. 1V. Sowohl bei der periostalen oder intermembranösen Ossifica- tion (perichondrale Össification) als auch bei der intracartilaginösen (endochondralen) ist der elementare Vorgang der Sclerosirung der Östeoblasten derselbe; der Unterschied betrifft nur das Substrat, in welchem die Bildung des Knochengewebes statt hat: in dem einen Fall ist das Gerüst, an welchem das neue Knochengewebe sich nie- derschlägt, bindegewebig, im anderen Falle ist das Gerüst — der Rest der verkalkten Knorpelgrundsubstanz. V. Der Unterkiefer der Säugethiere ist zu keiner Zeit in allen seinen Theilen knorpelig präformirt. Bei der ersten Anlage tritt das Knochengewebe in bindegewebigem Substrat auf; im weitern Verlauf der Entwickelung werden einzelne Theile (der Proc. con- dyloideus, der Angulus maxillae u. s. w.) durch besondere Knorpel- kerne vorgebildet. Die Knorpelkerne sind provisorisch und schwin- den durch Atrophie, wie der Knorpel anderer knorpelig präformir- 564 L. Stieda: Einige Bemerkungen über die Bildung des Knochengewebes. ter Skelettheile.. — Wo der knöcherne Unterkiefer an das Gewebe des Meckelschen Knorpels stösst, da geht auch dieser durch Atrophie zu Grunde. VI. Das Wachsthum aller Knochen erfolgt durch eine Com- bination von Appositions- und Resorptions-Vorgängen. Die Resorp- tion wird durch die Ostoklasten vermittelt. VII. Ein interstitielles Wachsthum existirt nicht. Dorpat, den 9./21. December 1875. Das acustische Organ im Ohre der Pterotrachea. Von Johannes Ranke in München. (Erwiderung, efr. C. Claus diese Zeitschrift Bd. 12. H. 1. 8. 103— 117.) Noch jeder Forscher, welcher sich mit der anatomischen Unter- suchung der Heteropoden beschäftigte, hat zu seinem Object eine begeisterte Neigung gefasst. Von Fr. Leydig an, dem Begründer der feineren Anatomie der Heteropoden und des uns hier beschäftigenden Gehörorganes derselben, haben fast alle späteren Untersucher: Leuckart,Gegen- baur, Max Schultze, Boll, der Verfasser und nun zuletzt auch Herr Prof. C. Claus in mehr oder weniger beredten Worten ihrer wissenschaftlichen Freude, fast darf man sagen Begeisterung über diese Normalobjecte anatomischer Forschung Ausdruck gegeben. Was bei anderen Weichthieren oft schwer zu präpariren ist, was durch Pigmentirung oder Kalkeinlagerung verdunkelt, in der Mehrzahl der Fälle durch die relative Kleinheit der anatomischen Elementartheile verhüllt wird, hier liegt es klar und gross vor Augen. Der Physiologe sieht an dem vollkommen ungestört lebenden Thiere, dessen anatomischen Bau er bis in die zartesten Einzel- heiten überblickt, die innersten, geheimsten Bewegungen und Vor- gänge des Lebens, in welche er sich sonst nur durch grausame Vivisectionen einen kümmerliehen Einblick zu verschaffen vermag, unverhüllt sich abspielen. Hier ergreift ihn der ganze Zauber der Anatomie und Physiologie pelagischer Organismen. Zur Zeit des Altmeisters der deutschen Physiologie: Johannes Müller, erschien die Meeresküste als die Hochschule des Physio- logen. Das muss und wird wieder so werden, wenn nun die Phy- 566 Johannes Ranke: siologie sich öffnend dem neuen belebenden Geiste, welcher die übrige organische Naturforschung durchweht, von dem wieder fast aus- schliesslich in Geltung stehenden Experimente in höherem Masse zurückkehren wird zur Beobachtung des durch keine künstlichen, gezwungenen Versuchsbedingungen gestörten Lebens. Da bieten sich nun die Heteropoden zunächst als Normalobjecte auch der phy- siologischen Forschung dar. Was der Frosch für das physiologische Experiment ist, wird die Pterotrachea für die physiologische Beob- achtung des normalen Lebens werden. Mit der Neigung zu dem Beobachtungsobjecte mögen es Herr Prof. C. Claus und die Fachgenossen entschuldigen, wenn ich, ab- gehend von meiner bisherigen Gewohnheit, die Sache für sich selbst sprechen zu lassen, den Angaben des Herrn Prof. Claus über den feineren Bau des acustischen Organs im Ohre der Pterotrachea einige Worte beifüge. Es gereicht mir zur grossen Freude, dass die Mehrzahl meiner neugewonnenen anatomischen Beobachtungsresultate!) von einem unserer ausgezeichnetsten und anerkanntesten Forscher auf diesem ° Gebiete rückhaltlose Anerkennung gefunden hat. Die noch bleiben- den von Herrn Prof. Claus namhaft gemachten Differenzen beziehen sich, wie ich im Folgenden nachzuweisen hoffe, hauptsächlich auf die Zahl der wahren Hörzellen und erscheinen lediglich bedingt durch unsere verschiedenen zur feineren Untersuchung angewendeten Methoden. In Beziehung auf den feineren Bau des acustischen Organs im Ohre der Pterotrachea erscheint mir als das Wesentlichste der von uns beiden geführte Nachweis der wahren, von der Helmholtz’schen Theorie geforderten starren Hörstäbe und der sie tragenden cylin- drischen Hörzellen. Den Zusammenhang der Hörzellen resp. Hör- stäbe mit den Fasern des acustischen Nerven habe ich in situ, Herr Prof. Claus an Zupfpräparaten constatirt. Was die Gruppirung der Hörzellen betrifft, so befindet sich nach meinen, mit denen des Herrn Prof. Claus zunächst bis in’s Einzelne übereinstimmenden, Beobachtungen im Mittelpunkt des acustischen Organs eine mächtige, Hörstäbe tragende Cylinderzelle, die Mittelzelle. Durch einen relativ breiten »Hof« (Claus) von 1) Der Gehörvorgang und das Gehörorgan bei Pterotrachea. Zeitsch. f. w. Zoologie XXV. Bd. Suppl.-Heft 77—102. Das acustische Organ im Ohre der Pterotrachea. 567 ihr getrennt — cf. meine Abbildung 5 — wird diese Mittelzelle von einem Ring von Cylinderzellen umgriffen, von denen ich wenigstens!) vier mit aller Sicherheit als wahre Hörzellen mit den gleichen Hörstäben, wie sie die Mittelzelle trägt, nachweisen konnte. Dicht um diesen wahren Hörzellenring lagert sich nach aussen ein aus kleineren, gedrängten, »in den äusseren Schichten deutlich kugeligen« Ganglienzellen gebildetes, verhältnissmässig schmales Ringganglion. Hart um die Grenze des Ringganglion stehen in mehrfachen dichten concentrischen Kreisen Cilienzellen mit den kürzesten und zartesten im Pterotracheaohre vorkommenden Gilien. S. 85 meiner Abhandlung: Um das acustische Organ »erheben sich zunächst ziemlich dichtstehend in concentrischen Kreisen die Cilienbüschel, welche im ersten Kreise sehr klein und aus feineren -Cilien bestehend erscheinen, während sie in den folgenden Parallel- kreisen ziemlich rasch an Grösse und Dicke zunehmen«. S$. 82: Um das acustische Organ »sind die Cilienbüschel am kürzesten und stehen hier am dichtesten«. Diese kürzesten und zartesten Cilienformen, deren Bewegung ich beobachten konnte, habe ich ihrer physiologischen Funktion wegen als »Puffer« bezeichnet. Sie sind etwa von gleicher Länge wie die Hörstäbe und stellen sich activ dem Ötolithen entgegen, wenn derselbe durch die in Folge eines stärkeren Schalles auf- schnellenden Cilien, deren regelmässig abnehmender Länge wegen, gegen das acustische Organ herangestossen wird. Die Länge der kürzesten Cilien ist eine solche, dass, wie ich angab?), der genäherte Stein die Oberflächen der Hörstäbe entweder eben berührt, oder noch durch einen minimalen Abstand von diesen getrennt bleibt. Herr Prof. Claus beschreibt?) das acustische Organ bei mässig starker Vergrösserung: »Der distale Pol — ist durch eine grosse fein punktirte Scheibe« (meine Mittelplatte mit der sie durchboh- renden Mittelzelle. J. R.) »bezeichnet, die in einem hellen Hof zu liegen scheint. Diese wird wieder umgeben von einer breiten Zone concentrisch gelagerter runder Pünktchenhaufen, die um so kleiner werden, je weiter sie sich von dem hellen Hof entfernen, bis schliess- lich die langen zeitweilig schwingenden Haarbüschel an ihre Stelle treten«. $. 107: »Untersucht man mit stärkeren Vergrösserungen, so erkennt man sofort, dass die Pünktchenhaufen den Ursprung YDLe89. 2) Le IS. 93 8)1'e.8..106. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 37 rn 568 Johannes Ranke: von feinen, verhältnissmässig kurzen und unbeweglichen Haaren bezeichnen«. Diese »Haare« spricht Herr Prof. Claus als starre »Hörhaare« an. h Unsere beiden Beschreibungen stimmen, wie wir sehen, sehr vollkommen überein. Herr Prof. Claus hat die zwischen seinem ersten und zweiten Parallelkreis haartragender Zellen von mir auf- gefundenen Ganglienzellen, mein Ringganglion nicht bemerkt. Der Zwischenraum, in welchem es liegt, scheint mir in seinen Figuren 2 und 3 angedeutet. Vollkommen entsprechende Bilder wie die letztgenannten habe auch ich erhalten und mir durch Zeichnung fixirt. Aber diese »haar«-tragenden Zellen der zweiten und der folgenden Parallelkreise sind keine Hörzellen, sondern die Cilienzellen, welche ich als »Puffer« beschrieben habe. Ich habe, veranlasst durch Vergleichung lebensfrischer Prä- parate mit solchen, welche eine Veränderung durch Reagentien er- fahren hatten, in der eitirten Abhandlung vor Verwendung nament- lich der 1°/, Ueberosmiumsäure gewarnt. Wie berechtigt meine Warnung war, scheint mir auch aus der Darstellung des Herrn Prof. Claus hervorzugehen. In vollkommen lebensfrischem Zustande lassen sich die Hör- stäbe und Cilien unmöglich verwechseln. Um die ersteren sicher zu erkennen, hat man ihre Eigenschaften zunächst an der Mittel- zelle, auf welcher sie seitlich am leichtesten gesehen werden können, zu studiren. Während die Cilien in eine feine, biegsame Spitze ausgehen, und danach von Herrn Prof. Claus als »Haare« bezeichnet werden konnten, sind die wahren Hörstäbe, wie ich iın Gegensatz zu Herrn Prof. Claus angegeben habe, fein — weit feiner als auf meiner durch den Steindruck grob wieder gegebenen Zeichnung —, dicht- stehend, gleichmässig cylindrisch und oben durch eine kreisförmige Endfläche abgestutzt oder mit einem Endknöpfchen versehen. Die im lebensfrischen Zustande spitzendigenden Formen spreche ich als Cilien an, nur die gleichmässig cylindrischen oben abge- stutzten Stäbchen, wie sie am leichtesten auf der Mittelzelle zur Anschauung kommen, darf ich als wahre Hörstäbe gelten lassen. Der Unterschied an frischen Präparaten vollkommen unzweifel- haft wird durch Schrumpfung und Quellung dieser Gebilde in Rea- gentien verwischt. Schon durch das Absterben allein sah ich die Hörstäbe der Das acustische Organ im Ohre der Pterotrachea. 569 Mittelzelle, welche frisch sehr durchsichtig und stark lichtbrechend sind, trübe und undeutlicher werden. Durch Reagentien, z. B. 1% Ueberosmiumsäure, schrumpfen oft namentlich ihre oberen Enden, sie erscheinen dann spitz endend, den Cilien ziemlich ähnlich, um so mehr, da die Cilienspitzen durch Ueberosmiumsäure bekanntlich auch etwas schrumpfen und sogar knopfförmig anschwellen können. Herr Prof. Claus, welcher nach seiner obigen Dar- stellung nur relativ lange Cilien kennt, obwohl ihm im Allgemeinen ein Längenunterschied derselben auch nicht entgehen konnte, hat die feinsten Cilienformen von den wahren Hörstäben seiner Präparationsmethode wegen nicht zu trennen vermocht. Das erklärt die Mehrzahl unserer Differenzen. Vielleicht wird mir einmal die Freude, mit Herrn Prof. C. Claus vereint in Neapel an frischen Objecten die Untersuchung wieder aufzunehmen. Dann wird sich auch die Frage entscheiden lassen, ob der die Mittelzelle von dem wahren Hörzellenring tren- nende »Hof« von den elastischen Ausläufern der Mittelplatte ge- deckt wird, wie ich glaube, oder ob er, wie Herr Prof. Claus will, von vier »elastischen Stützzellen« mit wunderbaren Ausläufern, welche meinen Ausläufern der Mittelplatte sehr ähnlich sehen, ge- bildet wird. Zunächst muss ich an meiner Darstellung in ganzer Ausdeh- nung festhalten. Ich habe an vortrefilich conservirten Alkohol- präparaten, welche ich der Güte des Herın Dr. Eisig verdankte, die Verhältnisse, so weit es möglich war, wiederholt überblickt und mich namentlich von der elastischen Mittelplatte mit ihren Aus- läufern neuerdings überzeugt. Uebrigens werden meine Angaben über das Pterotracheaohr auch gestützt durch meine Beobachtungen am Ohre der Cephalopo- den. Bekanntlich habe ich das Ringganglion, den Hörzellenring um die dort durch viele Hörzellen durchbohrte Mittelplatte, und die stets wiederkehrende obere Befestigung der Hörzellen durch elastische Rahmen auch dort nachgewiesen. München, den 20. December 1875. Johannes Ranke. Flimmerepithel im Oesophagus menschlicher Embryonen. Von Prof. E&. Neumann in Königsberg i. Pr. Durch eine demnächst zu publicirende pathologische Beobach- tung, eine mit Flimmerepithel ausgekleidete grosse (Ranula-) Cyste am Boden der Mundhöhle betreffend, auf die interessante Entdeckung von Bochdalek jun. !), dass im Parenchym der Zungenwurzel von cylindrischen Flimmerzellen ausgekleidete Drüsenschläuche sich vorfinden, welche sich durch das Foramen coecum der Zunge in die Mundhöhle öffnen, aufmerksam gemacht, glaubte ich der Vermu- thung Raum geben zu dürfen, dass dieser auffallende Befund auf eine im embryonalen Leben vorhandene flimmerepitheliale Bekleidung der oberen Abschnitte des Digestionscanales zurückzuführen sein dürfte. Die bekannte Thatsache, dass bei niederen Wirbelthieren (Amphibien, Selachier,: Amphioxus, Petromyzon) Flimmerepithel in grossen Abschnitten des Digestionscanales, zum Theil in der ganzen Ausdehnung desselben, entweder nur während des fötalen Lebens oder auch späterhin besteht, schien dieser Vermuthung zur Stütze zu dienen und ich benutzte daher die sich mir kürzlich darbietende Gelegenheit zur Untersuchung einiger frischen menschlichen Em- bryonen um dieselbe zu prüfen. Das Resultat entsprach meinen Erwartungen, indem es sich zeigte, dass bei Früchten im Alter 1) Bochdalek, über das Foramen coecum der Zunge. Oesterr. Zeit- schr. f. pract. Heilkunde 1866. No. 42—45. — Derselbe, Nachtrag zum schlauchförmigen Apparat der Zunge. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1867. p. 775. E. Neumann: Flimmerepithel im Oesophagus menschlicher Embryonen. 571 von 18 bis 32 Wochen — leider konnte ich über weiteres Ma- terial zunächst nicht verfügen — der Oesophagus mit ge- schichtetem Flimmerepithel bedeckt ist. Fertigt man bei genannten Objekten von dem in passender Weise erhärteten Oesophagus einen Querschnitt an, so erscheint das Lumen desselben als eine sternförmige Spalte, welche von einer 0,08 Mm. dicken Epithelschicht umgrenzt ist. An dieser lassen sich mehrfach übereinander geschichtete Zelllagen unterscheiden; die äusserste Lage besteht aus länglichen kleinen, radiär gestellten Zellen mit gleichfalls länglichem Kern, darauf folgen 8—10 Lagen grösserer polygonaler Zellen mit ovalem oder rundem Kern, die an das Lumen angrenzenden Zellen endlich sind nicht, wie in dem späteren ausgebildeten Zustande, zu dünnen Platten abgeflacht, sondern erscheinen gleichfalls entweder als unregelmässige Polygone oder als schmälere, nach unten kegelförmig zugespitzte Elemente. Der von diesen innersten Zellen getragene Ciliensaum ist, soweit ich constatiren konnte, bereits in dem bezeichneten Stadium der embryonalen Entwicklung kein continuirlicher, sondern wird von zahlreichen cilienlosen Stellen unterbrochen. Benutzt man ferner zur Isolirung der einzelnen Elemente der epithelialen Decke die Maceration in Müller’scher Flüssigkeit, so erhält man die mannichfaltigsten Uebergangsformen zwischen flim- merndem Cylinderepithel und Plattenepithel, so dass sich so leicht kein passenderer Ort finden dürfte, um die Umbildung der einen Zellform in die andere zu verfolgen und alle Zweifel an der Mög- lichkeit eines solchen Vorganges, welche nach den bis vor Kurzem darüber vorliegenden Erfahrungen vielleicht noch gerechtfertigt sein mochten !), zu beseitigen. Neben Zellen, welche in Form und Aus- sehen vollständig den gewöhnlichen cylindrischen Flimmerepithelien gleichen, finden sich in grosser Zahl andere Elemente von abwei- chendem Verhalten. Sie unterscheiden sich von jenen insbesondere dadurch, dass bei ihnen nicht das mit Cilien besetzte Plateau den breitesten Theil der Zelle darstellt, sondern dass sie vielmehr 1) Vgl. Waldeyer’s Aeusserung in seinem Aufsatz »die Entwicklung der Careinome« II Virch. Arch. Bd. 55. Separatabdr. p. 12: mir ist zur Stunde noch kein Fall vorgekommen, der den sicheren Uebergang einer Epi- thelform in die andere bewiesen hätte«. 572 E. Neumann: unterhalb des Ciliensaumes, dessen Ausdehnung unverändert bleibt, sich seitlich mehr oder weniger ausbreiten, während zugleich an Stelle der kegelförmigen Zuspitzung des unteren Theiles der Zelle eine breite gerade oder abgerundete Grundlinie tritt. Der stets mit einfachem oder doppeltem Nucleolus ausgestattete, ovale Kern dieser Zellen befindet sich meist in den seitlich über den Cilien- saum hinaus vorgeschobenen Theilen derselben. Durch Zunahme des Breiten- und Abnahme des Höhendurchmessers kommt alsdann der Uebergang zu Zellen zu Stande, welche die Form niedriger an einem Theile der oberen Fläche mit einem kleinen Cilienbüschel besetzten Scheiben haben. Sehr häufig finden sich an den Seiten- flächen dieser eigenthümlichen Flimmerzellen Modellirungen durch flachere oder tiefere concave Einschnitte, bestimmt für die Auf- nahme entsprechender Convexitäten der Nachbarzellen. Was das Verhalten der Cilien betrifft, so zeigt die Verbindung derselben mit den Zellen einige Eigenthümlichkeiten, es lassen sich nämlich folgende verschiedene Fälle unterscheiden: 1) Die Flimmerhaare sitzen in gewöhnlicher Weise einem ho- mogenen, glänzenden Basalsaume auf. 2) Der Basalsaum erscheint nicht homogen, sondern zeigt eine ähnliche, durch eine Zusammensetzung aus kleinen glänzenden Stäbchen bedingte feine Strichelung, wie sie von den Cylinderepi- thelien des Darms bekannt ist. Untersucht man mit starker Ver- grösserung, so erscheint es kaum zweifelhaft, dass jedes Stäb- chen oder Knöpfchen nach oben direkt in eine Cilie sich fortsetzt!). 3) An den Zellen ist kein Basalsaum sichtbar und die Cilien überschreiten den blassen Zellrand, um in einiger Entfernung unter- halb desselben, scheinbar im Protoplasma der Zelle, meistens in einer dem Zellrande parallelen, häufig etwas gekrümmten Linie zu enden. Diese Zellen gewähren bei dem ersten Anblicke ganz den Eindruck, als ob es sich hier im Sinne der bekannten Angaben von 1) An den Flimmerzellen der Trachea hat, wie beiläufig bemerkt sei, Ranvier (Trait& technique d’histologie I. p. 243) neuerdings gleichfalls eine Strichelung des Basalsaumes beschrieben und gefunden, dass dieselbe hervor- gebracht werde »par une serie de grains qui semblent &tre la continuation des cils dans l’interieur du plateau«, Flimmerepithel im Oesophagus menschlicher Embryonen. 573 Friedreich!), Eberth?) und Marchi?°) um ein Eindringen der Cilien in das Protoplasma handle, dennoch überzeugte ich mich bei genauerer Betrachtung, namentlich unter Zuhülfenahme von künst- lich hervorgerufenen Bewegungen der Zellen, dass diese Bilder meistens wenigstens sich darauf zurückführen liessen, dass die mit Cilien besetzte Zellfiäche sich nicht, wie es bei den gewöhnlichen cylindrischen Flimmerzellen immer zu geschehen pflegt, in der reinen Profilansicht darbot, sondern vielmehr eine dem Auge des Beob- achters zugewandte Lage eingenommen hatte, wie es bei der be- schriebenen Beschaffenheit der Zellformen leicht erklärlich ist. Durch Rollung der Zellen gelang es mir in einigen Fällen das Aussehen der Zellen so zu verändern, dass wieder die ad 1) und 2) beschrie- benen Bilder sich zeigten. Tinctionsversuche, welche ich behufs eingehenderen Studiums der Flimmerhaare in ihrem Verhältniss zu Basalsaum und Proto- plasma sowohl mit dem von Ranvier (l.c.) empfohlenen Anilinblau als mit der von Heschl*) als Führungsmittel der Cilien gerühmten violetten Anilintinte anstellte, ergaben leider kein befriedigendes Resultat, so dass es weiteren Forschungen vorbehalten bleiben muss, dieses gewiss für die Lehre von der feineren Structur der Flimmer- zellen lehrreiche Object in seinen Details weiter zu verfolgen. Natürlich habe ich, dem von mir oben erwähnten Ausgangs- punkte meinen Nachforschungen gemäss, es nicht unterlassen zu prüfen, wieweit sich die flimmernde Epitheldecke des Oesophagus nach aufwärts auf Schlund- und Mundhöhle fortsetzt, uud kann berichten, dass es mir bei den mir zu Gekote stehenden Embryonen ein Mal gelungen ist, in der Mittellinie der Zungenwurzel einen von dem Rande der Epiglottis sich gegen das Foramen coecum erstreckenden schmalen Flimmerstreifen wahrzunehmen. Jedenfalls werden hier jüngere Früchte ergänzende Resultate liefern. Von Interesse dürfte ferner sein, dass ich wiederholt unter den Epithel- 1) Friedreich, Einiges über die Structur der Cylinder- und Flimmer- epithelien. Virch. Arch. 15. p. 535. 2) Eberth, zur Kenntniss des feineren Baues der Flimmerepithelien. Virch. Arch. 35. p. 477. 3) Marchi, Beobachtungen über Wimperepithel. M. Schultze’s Arch. Il. p. 467. 4) Heschl, Wiener mediein. Wochenschrift, August 1875. 574 E. Neumann: Flimmerepithel im Oesophagus menschlicher Embryonen. zellen der embryonalen Magenschleimhaut schön ausgebildete Flim- merzellen gefunden habe, ein Befund, der vielleicht mit der jüngst von Biedermann) beschriebenen Längsstreifung der die Magen- epithelien am oberen Ende verschliessenden »Pröpfe« in Verbindung zu bringen ist. Im fötalen Darm, sowie in den Gallenwegen, in welchen letzteren bereits vor längerer Zeit Friedreich?) Zellen beschrieb, die Flimmerepithelien sehr ähnlich waren, habe ich bisher umsonst gesucht. Schliesslich erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass in der geschilderten Beschaffenheit des Oesophagusepithels bei menschlichen Embryonen wohl die Erklärung für den scheinbar so paradoxen pathologischen Befund von Flimmercysten in der Oesophaguswan- dung, wie eine solche vor mehreren Jahren von H. v. Wyss?) bei einem erwachsenen Individuum beschrieben, zn suchen sein dürfte. 1) Biedermann, Untersuchungen über den Magenepithel. Wiener Akad. Schrift. Bd. 71. Abthlg. III. 2) Friedreich, Cyste mit Flimmerepithel in der Leber. Virchow’s Archiv 11. p. 466. 3) H. v. Wyss, Zur Kenntniss der heterologen Flimmereysten. Vir- chow’s Archiv 51. p. 143. s Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. Von V. Graber, Privatdocent an der Universität zu Graz. (Hierzu Tafel XXIV.) Bei den Würmern und namentlich bei den Anneliden ist es bekanntlich eine sehr allgemein verbreitete Einrichtung, dass die Hauptstämme der Blutleitung in besonderen, durch diaphragmaartig in der Leibeshöhle ausgespannten Membranen, sog. Septa, gebildeten Sinussen verlaufen und dass beim Mangel eigener Blutgefässe letztere für eine geregelte Bewegung und Vertheilung der nutritiven Säftemasse Sorge tragen, in welchem Falle dann durch Aufnahme musculöser Ele- mente in die betreffenden Septen die Möglichkeit einer rhythmischen Pulsation gegeben ist. Gleiche aber noch wenig untersuchte Verhältnisse finden sich auch bei den Gliederfüsslern wieder und haben wir seiner Zeit speciell bei den Insecten !) den Nachweis geführt, dass die dem Rückengefäss (Fig. 5b) unterbreitete, mehr weniger gegen die Bauchseite zu aus- gehölte Membran (d) mit ihren den einzelnen Hinterleibsringen entsprechenden flügelartigen Muskelansätzen entschieden eine propul- satorische Thätigkeit entfaltet, indem die Contraction ihrer Muskel- fasern eine Abplattung des ganzen Rückendiaphragmas (Fig. 5 q) und sonach eine Vergrösserung des durch sie gebildeten Dorsalsinus zur Folge hat, und so gleichsam zu einem Aspirator wird. 1) Ueber den propulsatorischen Apparat der Insecten. Dieses Archiv Ba. 9. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 12. 38 576 V. Graber: Bei dem Umstande nun, als bei den Insecten das cireulatorische Gefässsystem äusserst mangelhaft, nämlich auf das als Herz fungi- rende Rückenrohr beschränkt ist, und dennoch erwiesenermassen der Blutumlauf sehr regelmässig von Statten geht, ist nichts nahe- liegender, als dass derselbe auch in jenen Leibesregionen, wo es an etwaigen so zu nennenden Gefässen gebricht, durch anderweitige Vor- kehrungen unterhalten und regulirt wird. Für die Gliedmassen sind bekanntlich auch in der That der- artige »wie Pumpstengel« wirkende Einrichtungen bereits nachge- wiesen worden, dagegen scheint man über die Ursache der regel- mässigen Blutströmung innerhalb des Stammes und speciell im Hinter- leib noch immer nicht klar geworden zu sein, obwohl mehrere Forscher der Lösung dieser Frage, die wir im Folgenden in aller Kürze zu geben gedenken, schon sehr nahe waren. Die Untersuchung über den Mechanismus der sogenannten Seitenströme einer späteren Zeit aufsparend, ist es uns vorläufig nur um die Erklärung des medianen Hauptstromes zu thun, der in der Richtung von vorne nach hinten dem Bauchmark entlang geht. Von einem besonderen Ventralgefäss, wie es Treviranus bei Schmetterlingen (Sphinx convolvuli) entdeckt zu haben meinte, ist bekanntlich keine Rede, denn nach Leydigs Untersuchungen!) ist dieses vermeintliche Gefäss ein solider dem Bauchmark aufgelagerter Bindegewebsstrang, vielleicht nur eine starke einseitige Wucherung des Neurilemms darstellend. Dagegen hat namentlich der letztere Forscher, auf dem Gebiete der mikroskopischen Anatomie allenthalben und besonders bei den Gliederthieren bahnbrechend, uns mit mus- kulösen Diaphragmen bekannt gemacht, die theils, wie z. B. bei Ti- pula, unmittelbar ans Bauchmark angeheftet oder, wie bei verschie- denen Orthopteren und Hymenopteren, über demselben sich hinweg- spannend oder mit demselben höchstens einige Faserzüge austauschend, einen ventralen Sinus abgrenzen, der den bei verschiedenen Würmern bestehenden Bauchlacunen an die Seite zu setzen ist, und welcher nicht selten, sehr schön ist das z. B. bei Inlus zu sehen, noch be- sondere von Fettgewebe umschlossene Blutbahnen in sich birgt. Merkwürdigerweise aber haben die Entdecker des Bauchseptums, und hat namentlich Leydig aus demselben nichts Rechtes zu machen 1) Vom Bau des thierischen Körpers und seine Tafeln zur »vergl. Anstomie«. Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. 577 gewusst, und über den verschiedenen mehr nebensächlichen Funk- tionen, die dasselbe, wo nicht immer so doch in einzelnen Fällen bekleiden mag, die eigentliche Bestimmung völlig übersehen. Hören wir, wie sich Gegenbaur in seiner vergl. Anatomie über diesen Punkt auslässt. »Die ganze Einrichtung, sagt er, bezieht sich offenbar auf die durch verschiedene Füllungszustände und die Bewegung der Gliedstücke dieser Thiere bedingten Lageveränderungen der inein einziges Cavum eingebetteten Organe, so dass man hierin einen Apparat erkennen muss, der das centrale Nerven- system den störend wirkenden Aeusserungen der Beweg- lichkeit und Volumänderung der innern Organe anpasst. Was bei den Insecten durch diesen Muskelapparat geleistet wird, das wird bei den mit einem stärkeren Hautpanzer versehenen Krustenthieren durch gewisse Vorsprünge des Hautskelets besorgt.« Gegenüber dieser im Ganzen mehr passiven Rolle, die man dem Ventralseptum zuschreibt, und wozu es, z. Th. wenigstens, sehr wenig sich eignet, behaupten wir kurzweg, dass dasselbe eine emi- nent active Thätigkeit entfaltet, indem es, und zwar nicht bloss nach Umständen und gelegentlich, sondern ebenso regelmässig wie das Rückenseptum sich auf und nieder bewegt und dadurch den von ihm gebildeten Bauchsinus in einen pro- oder rich- tiger in einen repulsatorischen Apparat verwandelt, der das vollkommenste Gegenbild — man möchte sagen das Negativ des dorsalen Pumpwerkes, kurzum einen Aspirator darstellt. Ohne uns weiter in die Frage einzulassen, warum die früheren Forscher dies nicht auch erkannt haben, gehen wir sogleich auf die Beschreibung der betreffenden Einrichtung über, wobei wir ausdrück- lich noch erwähnen müssen, dass es uns im Augenblick nicht um eine diesen Gegenstand erschöpfende Besprechung zu thun ist, die ohnehin ein jahrelanges Verweilen bei demselben voraussetzt, sondern lediglich darum, den Leser über das Wesen der Sache zu orientiren, weshalb auch vom histologischen Detail nur das Unentbehrlichste mitgetheilt wird. Unsere Untersuchungen und Beobachtungen beschränken sich hauptsächlich auf einige grössere Orthopteren, sowie auf mehrere Li- bellen und etliche andere Netzflügler, während wir uns bei anderen Keırf- gruppen, die Tipuliden ausgenommen, nur beiläufig umgesehen haben. Am schnellsten finden wir uns bei einer grösseren Libelle 578 V. Graber: zurecht und kann ich speciell zu diesem Zweck die gemeine Libellula .depressa auf das Angelegentlichste empfehlen. Schneiden wir eine solche (Fig. 1) längs des Rückens auf, heften die Seitenlappen an eine Korkplatte und entfernen den Weichkörper, nämlich Verdau- ungs- und Sexualorgane, so bietet sich uns längs des Bauches ein Schauspiel, das dem allbekannten Bewegungsrhythmus des Dorsal- septums so ähnlich ist, dass ich mich das erstemal, wo ich dies sah, vergewissern musste, ob ich denn auch wirklich die Ventralseite vor mir habe. Die Möglichkeit und der nähere Modus dieser saugpumpen- artigen Bewegungen wird alsbald klar werden. An einem völlig ausgeweideten Plattbauch zeigt sich — und es ist dies auch durchaus nichts Neues, sondern eine auch andern Kerfen zukommende Eigenschaft, dass die aufeinanderfolgenden Bauch- platten (Fig. 2a) nach Innen muldenartig ausgehöhlt sind, und in ihrer Gesammtheit eine Art mehr minder tiefer Bauchrinne dar- stellen, die namentlich an Querschnitten (Fig. 5 or) deutlich zur An- sicht kommt. Bei unserer Libelle, und ähnlich ist es auch bei an- deren, bilden ferner die Seitenränder der einzelnen Ventralstücke, und zwar an ihrem vorderen Ende flügel- oder hornartige Fortsätze, welche verschiedenen Muskeln, die wir z. Th. erst später werden kennen lernen, bequeme Handhaben darbieter, zeigen also in dieser Be- ziehung und auch in ihrem Verhältniss zum Bauchmark, das sie beiderseits umhegen, die ausgesprochenste Analogie (resp. auch Homo- logie) mit den bekannten gabelartigen Duplicaturen des thoracalen Bauchgrates, wie wir sie in besonders vollkommener Entfaltung namentlich bei Käfern und Heuschrecken gewahr werden. Die beschriebene Bauchrinne ist nur von einer Membran, dem schon mehrmals genannten Bauchseptum (Fig. 2c) überdacht, und zwar derart, dass seine Seitenränder von ‘jenen der Bauchplatten beziehungsweise ihrer rippen- oder flügelartigen Auswüchse ent- springen. Der feinere Bau dieses Ventralseptums, im ausgespannten Zu- stand und nach gehöriger Reinigung mit Pikrokarmin gefärbt, ist aus Fig. 3 zu ersehen. Wie man alsbald bemerkt, ist es eine in der dem darunter liegenden Bauchmark entsprechenden Mittellinie netzartig durchbrochene dünne Muskelplatte, die dem Rückenseptum, wie wir es seiner Zeit genau beschrieben und abgebildet haben, zum Verwechseln ähnlich sieht. Seine Zusammensetzung können wir uns so denken. Von den paarweise einander gegenüber stehenden Flügel- Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. 579 fortsätzen des ventralen Hautskeletes geht ein flaches Bündel von schön querstreifigen Muskelfasern aus, die gegen die erwähnte Mittel- linie zu derart auseinander laufen, dass nur die centralen Faserzüge beider Seiten in der Mitte sich begegnen, oder richtiger, continuir- lich in einander übergehen (h), während ‘die seitlichen oder Rand- fasern (d) sozusagen die longitudinale Verbindung zwischen den auf- einanderfolgenden Muskelpaaren herstellen. Indem aber letztere Muskeln der Mittellinie sich nähern, verlieren sie allmählig, wie sehr schön aus Pikrin- und Platinchloridfärbungen hervorgeht, ihren contractilen Inhalt, in der Figur durch Querstrichelung ange- deutet, und es bleibt schliesslich nichts als das äussere binde- gewebige Gerüste mit den bekannten Kerneinlagerungen (Fig. 4) übrig, das denn auch den Haupttheil des reticulären Septumab- schnittes ausmacht. Diese musculöse Ventralplatte der Libellen scheint an die unter ihm liegende Ganglienkette keinerlei Fasern abzugeben, da letztere mit Leichtigkeit isolirt werden kann. Der freie Raum des Bauchsinus enthält ziemlich viel von Tra- cheen durchzogenes Fettgewebe, das auch in Gestalt einer zusammen- hängenden Lage das Septum an seiner Unterseite überzieht (Fig. 3b) und die im Reticulum desselben befindlichen Löcher ausstopft, wes- halb die Bauchmembran, physikalisch genommen, einer soliden Platte gleichgesetzt werden kann. Eine ähnliche aber viel tiefere und auch weitere Rinne bilden die Bauchplatten der Acridier (Fig. 6) und erreichen hier speciell die rippenartigen, frei in das Lumen hineinragenden beziehungs- weise den Seitenwänden angedrückten Fortsätze derselben (Fig. 6b und Fig. 5 oh) eine seltene Grösse. Die fraglichen Duplicaturen des Acridier-Bauchskeletes bestehen eigentlich aus zwei Theilen, nämlich einem horizontalen (c), der den longitudinalen Bauchmuskeln zum Ansatz dient und dem schon erwähnten rippenartigen Gebilde. Von der Spitze der letzteren geht an ihrer Aussenseite ein Muskel (h m) zum unteren Rand der Dorsalschienen herab, durch dessen Con- traction die Rippen an die Seitenwand angedrückt werden, letztere also sich stärker ausbauchen muss. Diese den Bauch erweiternden Rippenmuskeln wirken also ge- rade entgegengesetzt wie jene (no), welche von der Seitenwand zur Pleuralfalte hintreten und diese und damit die gesammte Bauch- plattenreihe emporheben. Während also letztere Muskeln eine Art 580 V. Graber: Compressorium bilden und so für eine ausgiebige Exspiration Sorge tragen, kann man erstere, die der Federkraft der nach der Zusammen- schnürung sich wieder ausspannenden Leibeswandung zu Hilfe kommen, als Inspirationsmuskeln bezeichnen, wie dies übrigens, wenn auch in nicht sehr instructiver Weise, bereits der treffliche Rathke ge- than hat). Die Ueberdachung oder der Verschluss der Bauchrinne gleicht bei den Acridiern im Wesentlichen ganz jenem der Libellen, nur der Bau des betreffenden Diaphragmas ist etwas anders. Die Muskel- fasern derselben entspringen nämlich nicht bündel- oder gruppenweise von den Rändern der Bauchfurche, sondern spannen sich. klavier- saitenartig und in gleichen Intervallen hintereinander aus (Fig. 7), und werden durch ein überaus zartes grossmaschiges Bindegewebe aneinander geheftet, während innerlich gleichfalls Fettgewebe als Auspolsterungsmasse verwendet wird?). Soviel über den Bau des Ventralsinus und seines Diaphragmas. An einer frisch aufgeschnittenen Libelle nimmt man nun Fol- gendes wahr. Im unthätigen, schlaffen Zustande schmiegt sich das Septum (Fig. 2s und Fig. 5p), soweit es der unterhalb befindliche Fettkörper erlaubt, ziemlich eng an die Wandung der Rinne an, bildet also selbst eine solche. Sobald sich nun aber die Muskeln contrahiren, was man auch durch electrische Reizung erzwecken kann, spannt sich naturgemäss die schlaffe Haut aus und steigt etwas in die Höhe, wobei man besonders deutlich bei grossen Acri- diern in Folge des Lichtreflexes schon mit freiem Auge die Muskel- fasern unterscheiden kann. Am lebenden Thier erfolgt die Abplattung und damit die Er- weiterung des Bauchsinus, wie schon oben bemerkt, ebenso regel- mässig wie am Rückenseptum und nicht gleichzeitig in ihrem ganzen Verlaufe, sondern allmählig von vorne nach hinten fortschreitend. Bei der plattgedrückten Libelle ist die Excursionsweite des Diaphragmas an den ersten Abschnitten oder Metamern derselben beträchtlich grösser als an den hinteren Partien, wo sie schliesslich kaum mehr bemerkt wird, Indem das Septum in die Höhe gezogen wird, erfährt es zugleich, wenigstens bei der genannten Libelle, einen 1) Anatomisch-physiologische Untersuchungen über den Athmungspro- cess der Insecten. 2) Ebenso bei der Feldgrille; die Werre hat ein prachtvolles durchaus musculöses Reticulum, Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. 581 kleinen Zug nach hinten, was sich theils aus der Anheftungsweise derselben, theils aus seinem Connex mit den Tracheen des Sinus erklärt. Die Ganglienkette dagegen wird durch die pulsirende Bewegung des Septums wenig alterirt und die geringfügige Lageveränderung derselben mehr indirect, nämlich durch den umgebenden Fettpolster hervorgebracht. Da der ventrale Abdominalsinus vorne, an der Brust, nicht abgeschlossen sondern offen ist, so kann man über den Effect und den eigentlichen Sinn der bezeichneten Bewegungen nicht im Zweifel bleiben. Man sieht auf das Allerbestimmteste, wie, sobald das Diaphragma sich ausspannt in den erweiterten Sinus, eine Luftblase sich hinein- zieht, oder besser die Luft durch denselben eingesaugt wird, und es wird sich nun Jeder leicht vorstellen können, dass unter normalen Umständen d. h. am intacten Organismus, das Blut die Stelle der Luft vertritt. Wahrscheinlicherweise — und es ist dies einer genaueren Unter- suchung wohl würdig, geht der Bauchsinus und im Einklang damit auch die Blutwelle von hinten her direct in den Rückensinus über, so dass also beide Blutbehälter in ihrem gegenseitigen Anschluss eine Art Kreisbahn bildeten, die aber in ihrem vorderen Verlauf, also im Kopf und im Thoraxabschnitt, noch näher zu verfolgen wäre. Ist nun, dem Mitgetheilten zufolge, so gut wie ausgemacht, dass das Bauchseptum der genannten und überhaupt aller Kerfe, bei denen die Configuration der Bauchhaut einen solchen Mechanis- mus zulässt, eine ansaugende Wirkung äussert, so wäre doch noch die Frage zu erörtern, wie es mit jenen Septen bestellt sei, die, wie bei Tipula, direct und mit allen ihren Fasern an der Gan- glienkette sich anheften. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass hier auch eine nähere functionelle Beziehung zum Bauchmark bestehen mag, müssen aber darauf hinweisen, dass auch das Tipulaseptum seiner ganzen An- heftungsweise nach nothwendig, sobald sich seine Fasern verkürzen, eine Erweiterung des Bauchsinus veranlasst, dieser also auch hier als Regulator der Blutbewegung als nothwendige Zugabe zum pro- puls. Rückenherz fungirt. Das Verhalten bei der Wiesenschnacke, wo das vom Dia- phragma gehaltene Bauchmark dem Contacte mit den übrigen 582 V. Graber: Ueber den pulsirenden Bauchsinus der Insecten. Hinterleibsorganen unmittelbar ausgesetzt ist, deutet auch darauf hin, dass das Ventralseptum nicht als eine Art Schutzdecke der Ganglienkette betrachtet, und als solche, wie dies Gegenbaur;thut, den bekannten Chitinbalken der Krebse beziehungsweise als auch ge- wissen Entothoraxpartien der Kerfe und Spinnen verglichen werden darf, für welche Gebilde wir ja ohnehin schon in den beschriebenen Gabelfortsätzen der Ventralplatten die wahren Homologa kennen gelernt haben !). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. Fig. 1. Libellula depressa vom Rücken aufgeschnitten, längs des Bauches die Ganglienkette mit ihren drei Brust- (b,, b,, b,;) und den sieben Abdominalknoten (h,—h,) sowie den rinnenartigen, durch ein muscu- löses Diaphragma geschlossenen Bauchsinus zeigend. Fig. 2. Partie der Bauchrinne, stärker vergr. a eine Bauchplatte, c das darüber gespannte Septum, letzteres bei s im schlaffen eingesenkten Zustande, b und d die flügelartigen Erweiterungen, an den Bauch- platten, an denen die Muskelbündel des Diaphragmas entspringen. Fig. 3. Zwei Metameren oder Abschnitte des Diaphragmas von unten, bei stärkerer Vergrösserung. e flügelartige Muskelbündel, ce reticuläres Bindegewebe, b corpus adiposum mit Tracheen (a), g Ganglion, s seine peripherischen Ausläufer, f sog. sympatischer Nervenstrang. Fig. 4. Partie aus dem Diaphragma. Reticulum stärker vergr. Fig. 5. Etwas schematisirter Querschnitt durch das Abdomen von Acridium tartaricum. b Rückengefäss mit seinem Suspensorium a. c Fett- gewebe im Pericardialsinus, d Dorsalseptum im schlaffen, q im ge- spannten Zustand. f Bauchmark, g der einhüllende corpus adiposum, ipl das Ventralseptum im schlaffen, ikl im gespannten Zustand. oh rippenartige Seitenfortsätze der Bauchplatten. no Ex-, hm Inspirationsmuskel. Fig. 6. Innenansicht einer Partie der Ventralseite vom gleichen Thier. a die Bauchrinne, g die in derselben liegende Ganglienkette, b rippen- artiger, c, horizontaler Fortsatz der Bauchrinne, s die Deckmembran derselben. Fig. 7. Ein kleiner Theil der letzteren stärker vergr. a Muskelballen, b verbindendes Zwischengewebe, d ein längerer Balken des letzteren, ce Nerv, e Trachea. Graz am 27. Juni 1875. 1) Vgl. diesbezüglich unser demnächst bei Oldenbourg in München erscheinendes Buch »Organismus der Insecten«. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. Von Dr. Alexander Goette, Privatdocent in Strassburg. (Hierzu Tafel XXV-—-XXVIII.) Im April dieses Jahres fand ich auf der zoologischen Station in Neapel unter sehr vielen zu dem Zwecke untersuchten Haar- sternen einige mit ausgetretenen, den Pinnulae anhängenden Eiern. Dies geschah gegen das Ende meines dortigen Aufenthalts, so dass ich eben noch Zeit behielt, mich an dem Gegenstande vorläufig zu orientiren und sodann Eier und Larven verschiedener Entwickelungs- stufen theils von den Pinnulae, theils von dem Boden der Aquarien einzusammeln, um sie in Ueberosmium- und Chromsäurelösung gehärtet mitzunehmen. Etwas ältere, auf Wurmröhren festsitzende Larven überliess mir Herr Prof. Schmidt aus der hiesigen zoolo- gischen Sammlung. Auf diese Weise konnte ich die Entwickelungs- geschichte der Comatula allerdings zu Hause studiren, nachträglich entdeckte Lücken aber nicht mehr ergänzen. Diese letzteren be- trefien die allerersten Entwickelungsvorgänge des Eies und die späteren Umbildungen der festsitzenden gestielten Larve, wofür jedoch die Untersuchungen Thomson’s theilweise ergänzend ein- treten können. Die Litteratur unseres Gegenstandes, soweit es sich um die Entwickelung bis zur Pentakrinoidstufe handelt, ist so beschränkt, en 584 Alexander Goette: dass es mir passend erscheint, einen vollständigen Auszug aus der- selben hier vorauszuschicken. — Busch war der Erste, welcher sich mit der Entwickelungsgeschichte der Comatula beschäftigte, nachdem ihre an einem Stiel festsitzende pentakrinoide Larvenform schon früher bekannt geworden war (Thompson). Er fand be- wimperte Embryonen von runder und darauf länglicher Gestalt be- reits innerhalb der Dotterhaut; nach dem Ausschlüpfen erhalten dieselben einen Wimperbusch an dem einen Ende und drei quere Wimperreifen und schwimmen mit bohrender Bewegung, um jedoch dazwischen auch still zu liegen (Nr. 4 S. 83. 84). Zwischen dem Wimperbusch und dem nächsten (ersten) Wimperreif entstehe eine kleine Oefinung, das Larvenmaul, und darunter zwischen dem 1. und 3. Wimperreif ein zweites grösseres und längliches Loch, dessen Zusammenhang mit dem ersteren, etwa durch einen inneren Kanal, unentschieden blieb (S. 84—86). Nachdem noch ein vierter Wim- perreif entstanden, beginnen diese Wimperorgane allmählig zu schwinden; dafür sprossen im Umkreise des gekerbten grossen Lochs zehn Tentakel hervor, die mit kleinen geknöpften Röhrchen besetzt der Larve zum Kriechen dienen. Die Haut hebt sich von der Innenmasse ab, so dass sie mit derselben nur durch geknöpfte Stäbchen zusammenhängt und nachdem die Mundöffnung geschwun- den, erscheinen neben dem inzwischen angelegten Kalknetze in den beiden Körperenden Krallen, welche es wahrscheinlich machten, dass diese Enden zu Armen, die mit den Tentakeln ausgestattete Seite zur Mundfläche würde, dass also die Larve sich mit der Mitte des konvexen Rückens befestige und dort einen Stiel hervorbilde (8. 85. 86). Da sich die ganze Larve ins Echinoderm verwandle, so unter- scheide sie sich wesentlich vom Pluteus und ähnlichen Echinoder- menlarven (8. 85). Thomson hat die Entwickelung der Comatulabrut von der Befruchtung an verfolgt, nach welcher die Eier noch 3—4 Tage an der Pinnulae hängen bleiben. Er konstatirte an ihnen den Schwund des Keimbläschens, den Austritt des Richtungsbläschens, die Zusammenziehung des Dotters und dessen totale Zerklüftung; darauf sollen aber die Dotterkugeln an der Oberfläche des Eies zu einer kontinuirlichen Sarkode verschmelzen, welche nach innen ebenso kontinuirlich in eine Flüssigkeit übergehe (Nr. 35. S. 520). Solche runde Embryonen bedecken sich bereits innerhalb der Dotterhaut mit einem gleichmässigen Wimperkleide, werden darauf nierenförmig Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 585 und erhalten quer zur Längsaxe vier Wimperreifen, in welcher Ge- stalt sie die Dotterhaut durchbrechen (S. 521). Die freien Larven zeigen alsdann am hinteren (Stiel-) Ende einen grossen Busch von längeren Cilien und schwimmen mit spiraler Drehung um ihre Längs- axe. An ihrer Bauchseite ist der (von vorn gerechnet) 3. Wimper- reif nach vorn ausgebogen, so dass dort zwischen ihm und dem hintersten 4. Wimperreif Raum bleibt für eine birnförmige Grube (Pseudostom), welche sich nach innen in einen Kanal (Pseudocele) - öffnet, der mit einer kleinen Oeffnung hinter dem letzten Wimper- reif mündet (Pseudoprokt). Zu gleicher Zeit erscheint die Sarkode- rinde durch Vakuolen und gelbe Oelbläschen gefleckt, deren breitere Enden die Oberfläche erreichen; die Innenmasse zeigt neben Oel- tröpfehen noch Körner (S. 522). Das Kalkskelet entsteht unter der Sarkoderindein Form kleiner Spieula, welche sich an den Enden gabeln und dann miteinander verbinden. So entstehen zehn durch- brochene Platten, welche die vordere Larvenhälfte in zwei Reihen umgürten. Diejenigen der hinteren Reihe oder die Basalia legen sich in Form eines Bechers zusammen, auf dessen Rande die Oralia aufsitzen. An die Basalia schliesst sich in der hinteren Larvenhälfte eine Anzahl von Kalkringen an, welche Bündel von Kalkstäbchen umschliessen; am äussersten Ende liegt wieder eine siebförmige Platte (S. 523). Mit diesem Ende setzt sich darauf die Larve fest, wird vorn breiter, hinten, wo die Kalkringe die Anlage des Stiels der pentakrinoiden Larve bezeichnen, schmäler. Nachdem die Wim- perreifen geschwunden, wird die das Skelet überziehende Sarkode sehr hell und verwandelt sich endlich in die Oberhaut. Pseudostom und Pseudoprokt obliteriren, während eine dunkle Masse im Grunde des pentagonalen Bechers als Anlage des Magens auftritt (S. 524). Indem die Oralplatten nach vorn hervorwachsen, bilden sie eine Vertiefung, aus deren Grunde erst fünf, dann fünfzehn hohle und bewegliche Tentakel hervorbrechen, deren Hohlräume mit einem Ringkanal an der Innenseite der Basen der Oralia kommunieiren ; aus ihrer Wand treten feine Röhrchen mit drejlappigem Ende her- aus. Mitten zwischen den Tentakeln bricht der Mund gegen den Magen durch, welcher ebenso wie der Ringkanal eine einfache Aus- höhlung in der Sarkode darstellt; gewisse fimmernde und pigmen- tirte Falten der Magengegend deutet Thomson als Leber (S. 525. 526). Die Tentakel stehen zu drei an der inneren Grenze je zweier Oralia; indem diese sich von einander trennend einen fünflappigen 586 Alexander Goectte: Rand des von den Basalia gebildeten Bechers darstellen, wächst die gemeinsame Basis jeder Tentakelgruppe in dem zugehörigen Zwi- schenraum der Oralia kegelförmig aus, wobei die drei Tentakel an der Innenseite dieser unpaaren Anlage eines Arms hinaufrücken und so zwischen ihrer Basis und dem Ringkanal ein Radialgefäss aus- ziehen (S. 526. 527). Nachdem die Arme ihr Skelet entwickelt und sich gegabelt haben, schwinden die Oralplatten vollständig (S. 542). Der Stiel wächst durch Entwickelung neuer Glieder an der Centra- dorsalplatte, welche als Verschmelzungsprodukt mehrerer Stielglieder (S. 536) den Stiel mit den Basalia verbindet; von einer Leibeshöhle hat aber Thomson selbst nach der Anlage der Arme nichts ge- sehen (S. 528), die Bildung des wandständigen Afters erst zwischen den schon entwickelten Radialia bemerkt (S. 540). — Auf Grund seiner Beobachtungen betrachtet Thomson die jungen Comatula- larven als nichtzellige, daher infusorienartige Pseudoembryonen, deren Darmapparat (Pseudocele) nur zur Wasserleitung diene und dann völlig schwinde, während die Organe des Echinoderms voll- ständige Neubildungen in der indifferenten Sarkode des Pseudembryo seien (S. 517. 530—533). Die Pseudembryonen der Comatula zeig- ten also gegenüber den Pluteus- und Bipinnariaformen niedere Ammenzustände (S. 534). Die kurze Aufzeichnung Metschnikoff’s (Nr. 19) beschliesst die Litteratur über die eigentliche Entwickelung der Comatula. Sein wichtigstes Resultat ist, dass deren Larven die Darmausstül- pungen fehlen, welche bei allen übrigen Echinodermen die Anlagen der Leibeshöhle und des Wassergefässsystems darstellen. »Bei den freischwimmenden Comatulalarven ist der sackförmige Darm das einzig vorhandene innere Organ. Es geht unmittelbar in das ent- sprechende Gebilde des definitiven Thieres über, wobei freilich das hintere Ende des Larvendarms atrophirt wird. Nach dem Festsetzen der Larve bemerkt man in ihrem Innern den abgerundeten Darm- kanal nebst den mit ihm unmittelbar zusammenhängenden Ambu- lakraltentakeln, welche einstweilen noch nicht ganz entwickelt sind. ‘ Erst später brechen die Tentakel nach aussen durch, wenn der Darmkanal bereits weiter differenzirt und mit einer Mund- und Afteröffnung versehen ist. Die erstere dieser Oeffnungen liegt im Centrum der oralen Fläche, während der nicht weit davon entfernte After auf einer Seite des Kelchs ausmündet. Gleichzeitig mit den beschriebenen Veränderungen kommt eine grosse, die Eingeweide Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 587 enthaltende Höhle zum Vorschein, welche sich in zwei Portionen theilt. Die obere Höhle verbindet sich unmittelbar mit dem inneren Hohlraume der Tentakel und repräsentirt den sogenannten Ring- kanal. Im Zusammenhange mit diesem steht die grössere untere Höhle, welche die eigentliche sogenannte Leibeshöhle repräsentirt.« Te — ae Die jüngsten von mir untersuchten Comatulalarven befanden sich noch in der Dotterhaut, welche sie erst auf weit vorgerückterer Eutwickelungsstufe verliessen. Sie sahen kurz tonnenförmig aus und zeigten äusserlich vier quere Wimperreifen und seitlich eine in das Innere führende noch rundliche Vertiefung. Der durch die letztere geführte Mediandurchschnitt zeigt eine vollständige Gastru- laform, deren Ektoderm die bewimperte Oberhaut der Larve bildet und im Umfange der Vertiefung ununterbrochen in einen noch gleichmässig runden Blindsack übergeht, welcher ins Innere der Larve gerade hineinhängt und offenbar durch Einstülpung einer Keimblase entstanden, ist (Taf. XXV, Fig. 1). Diese ganze zusammen- hängende Schicht ist überall ziemlich gleich dick und besteht aus relativ hohen zusammengepressten Cylinderzellen. Der Raum zwi- schen dem Blindsack und der Oberhaut ist von einer locker zusam- menhängenden Zellenmasse ausgefüllt, welche als mittleres Keimblatt anzusehen ist und mit der Zellenschicht des Blindsackes oder dem Darmblatt das Entoderm darstellt. Denn sowie ich berechtigt zu sein glaube, unsere Larvenform auf Grund der Er- fahrungen an anderen Echinodermen (vgl. Kowalewsky, Metsch- nikoff, Selenka) aus der Einstülpung einer Keimblase hervor- gehen zu lassen, so glaube ich, dass auch deren mittleres Keimblatt in gleicher Weise entstehe wie es Hensen (Nr. 12), Metschni- kotf (Nr. 20), Selenka (Nr. 33) und ich selbst (Taf. XXVII, Fig. 24) an Seesternen und Holothurien beobachteten, nämlich durch Ab- lösung von Zellen vom Entoderm während oder nach seiner Ein- stülpung. Und zwar bestätigt auch die neueste Untersuchung Se- lenka’s an Holothurieneiern die von mir früher ausgesprochene Ansicht (Nr. 10 $. 872), dass der Aufbau des mittleren Keimblattes der Echinodermen ähnlich erfolge wie am interstitiellen Bildungs- ' gewebe der Wirbelthiere, d.h. an demjenigen Theile ihres mittleren Keimblattes, welcher nicht in morphologische Anlagen des Embryo eingeht: die anfangs kompakte Zellenmasse dehnt sich allmählig 588 Alexander Goette: zu einem lockeren Netzwerk aus, indem theils die Zwischenräume der miteinander verbundenen Zellen erweitert werden, theils abge- löste Wanderzellen das Netzwerk an entfernteren Stellen weiter ausbilden. Junge Bipinnarien und Pluteus, die ich vor Jahren an der norwegischen Küste beobachtete, zeigten jenes Verhältniss sehr deutlich (Taf. XXVII, Fig. 23, 24). Trotzdem die eben beschriebene Comatulalarve sehr einfach und gleichmässig gebaut ist, trägt sie schon alle Merkmale zur genauen Bestimmung ihrer späteren Lageb eziehungen. Zunächst ist die Längsaxe leicht kenntlich; sie schneidet die Gastrulaaxe oder die ursprüngliche Scheitelaxe des Eies rechtwinkelig, fällt also mit einer Kreuzaxe desselben zusammen (vgl. Nr. 10 S. 875. 876). Die Einstülpungsöffnung der Gastrula bezeichnet die Bauchseite gegenüber der mässig konvexen Rückenseite, und an einem kleinen runden Grübchen an dem einen Ende der Bauchseite, dessen Be- deutung mir unverständlich blieb und welches sich bis zu seinem Schwunde nicht verändert (Fig. 1, 2, 13), erkennt man das spätere Hinterende der Larve. Gleich die folgende Entwickelungsstufe lässt diese Beziehungen klarer hervortreten, indem bei einer weiteren Streckung der Larve in der Längsaxe der Blindsack oder der pri- mitive Darm sich ebenfalls verlängert und bogenförmig gegen das Vorderende wendet, so dass eine vom Darm eingenommene vordere und eine bloss vom Bildungsgewebe des mittleren Keimblattes er- füllte hintere Körperhälfte der Larve unterschieden werden kann (Taf. XXV, Fig 2)1). Zugleich hat das mittlere Keimblatt an Masse und in der Ausbildung seines Netzwerks zugenommen und ist sowohl am hinteren Ende wie in der ganzen vorderen Körperhälfte, in der Umgebung des Darmsackes dichter geworden. Am letzteren Orte sah ich seine Zellen sogar förmlich in zwei Schichten angeordnet, was aber nicht wie bei den Holothurien sich bleibend erhält (vgl. Selenka Nr. 33), sondern eine vorübergehende Erscheinung ist. Das Zellengefüge der Oberhaut ist noch das frühere, nur zeichnen sich von jetzt ab die Wimperwülste dadurch aus, dass ihre Zellen 1) Aus gewissen Gründen habe ich die Comatulalarven durchweg mit dem Hinterende aufwärts gerichtet abgebildet, während die Abbildungen der Echinodermenlarven bisher bald so, bald umgekehrt dargestellt wurden. Die richtige Vergleichung der Lageverhältnisse aller dieser Larven soll weiter unten erörtert werden, sowie sie auch auf Taf. XXVII angedeutet ist. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 589 schmäler sind und daher im Durchschnitt eine dichtere Streifung erzeugen. In der folgenden Periode wandelt sich die Larve noch inner- halb der Eihaut in jene längliche Nierenform um, welche seit den Untersuchungen von Busch und Thomson hinlänglich bekannt ist. Unterdess erfolgt aber auch diejenige Umbildung des Larven- darms, welche für alle Echinodermen charakteristisch ist, meinen Vorgängern aber ebenso unbekannt blieb wie überhaupt die ganze innere Entwickelung und Organisation der Comatulalarven bis nach ihrer Befestigung. Die Undurchsichtigkeit der lebenden Larven konnte wohl Busch entschuldigen, welcher als erster Beobachter und zu einer Zeit, wo die mikroskopische Technik kaum aufge- kommen war, bei einer kurz dauernden Untersuchung im Innern der Larven nichts erkannte; auffallend bleibt es aber, dass Thom- son während einer jahrelangen Beschäftigung mit dem Gegenstande im vorigen Jahrzehnt es nicht einmal versucht hat, die Larven künstlich durchsichtig zu machen, wozu bereits die Behandlung mit Alkohol und Terpentinöl genügt, und dass er ferner trotz jener Undurchsichtigkeit über den morphologischen Bau und die histiolo- gische Zusammensetzung der Comatulalarven dennoch sehr bestimmte Angaben gemacht hat, für welche überhaupt bei keiner Unter- suchungsmethode genügende Anhaltspunkte und bei keinem Ver- gleiche mit anderen Echinodermen irgend welche Analogien sich ergeben. Eine Echinodermenlarve für einen bloss äusserlich geform- ten Sarkodeklumpen mit verflüssigtem Innern zu erklären und dann einem Infusor zu vergleichen, weil man am lebenden Objekt Zellen nicht zu unterscheiden vermag, erscheint mir ebenso unbegründet als die Behauptung, dass diese Larve eine Amme sei, weil in ihrem undurchsichtigen Innern der bleibende Darm ohne weiteres nicht zu erkennen ist, dagegen zwischen der weiten Gastrulaöffnung (Pseu- dostom) und dem dahinter liegenden Grübchen (Pseudoprokt) ein vergänglicher Darmkanal (Pseudocele) vermuthet wird, der aber in der That gar nicht existirt. — Auch die neuesten Angaben von Metschnikoff über die Organisation der freischwimmenden Coma- tulalarven können nur auf einer sehr flüchtigen Untersuchung be- ruhen, da selbst an dem unzerlegten, mit den gewöhnlichsten Mitteln behandelten Objekt wenigstens die Leibeshöhle ebenso klar hervor- tritt wie der Darmsack, von dessen Lage und Verbindungen wir übrigens durch Metschnikoff ebenso wenig erfahren wie von 590 Alexander Goette: seiner Entstehung. Kurz, ich kann mich bei der folgenden Dar- stellung der inneren Entwickelung unseres Thiers auf keine be- kannten Thatsachen beziehen und habe daher die wenigen Bemerkungen über die betreffende Litteratur meiner Beschreibung vorausgeschickt. Auf der zweiten von mir beschriebenen Entwickelungsstufe (vgl. Fig. 2) war der Darmsack noch im Zusammenhange mit der Oberhaut. Bald darauf löst sich diese Verbindung und wird da- gegen ein vorderer Zipfel des Darmsacks oder der spätere Schlund an die ventrale Oberhaut zwischen den beiden vorderen Wimper- reifen angelöthet, worauf diese Stelle der Haut sich trichterförmig einzieht (Fig. 8). An Stelle der obliterirten Gastrulaöffnung bleibt in Folge dessen eine längliche Grube zwischen den beiden hinteren Wimperreifen zurück, welche bisher fälschlich für die Oeffnung eines nach innen führenden Kanals gehalten wurde (Fig. 8. 9. 13c); an- derseits wurde der vordere orale Oberhauttrichter allgemein übersehen. Der letztere liegt übrigens sammt dem daran befestigten Darmende nicht in der Medianebene, sondern etwas links von der- selben (Fig. 6). Während der genannten Vorgänge hat die Wand des nunmehr völlig abgeschlossenen Darmsacks eine bedeutende Ausdehnung erfahren und ist in dem gleichen Masse dünner ge- worden, ein Zeichen, dass es sich dabei weniger um ein wirkliches Wachsthum als um eine Umbildung handelt. Diese Ausdehnung tritt aber nicht in einer gleichmässigen Erweiterung des Darmsacks ‘auf, sondern erfolgt in Form lokaler Aussackungen, von denen ich drei zähle, zwei laterale und eine ventrale. Die beiden seitlichen Aussackungen des Darms entspringen an seinem hinteren Abschnitte und wachsen an ihn angeschmiegt schlauchförmig nach vorn aus, so jedoch, dass der linke Schlauch sich auf die Bauch- seite des Darms, der rechte auf dessen Rückenseite herumschlägt (Fig. 3—9). Sie schnüren sich sehr bald vom Darme völlig ab und umwachsen ihn unter stetiger Verdünnung ihrer epithelialen Wand und bei mässiger Erweiterung ihrer Höhle vollständig, so dass die innere Wand jedes Schlauchs dem Darmepithel sich anschmiegt, die äussere das umgebende mittlere Keimblatt gegen die Oberhaut drängt. Obgleich ieh selbst an jungen Bipinnarien deutlich gesehen habe, dass der primitive Darm vor seiner Umwachsung durch die Peritonealschläuche von Zellen des mittleren Keimblattes umsponnen wurde, welche bereits als Muskeln fungirten, und obgleich Selenka Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 591 für Cucumaria doliolum eine zusammenhängende Zellenschicht zwi- schen dem Darmepithel und dem Peritonealblatte beschreibt (Nr. 33), so fehlt mir doch an den Comatulalarven jeder Anhalt für eine ähnliche Annahme, so dass ich deren Darmwand nur aus den beiden zuletzt genannten Blättern zusammengesetzt sein lasse. Die Ränder der beiden Peritonealschläuche verwachsen, nachdem sie im Umfange des Darms zusammengetroffen sind, zu einer niederen, den Darm und die Leibeswand verbindenden Membran, so dass die beiden ursprünglichen Hohlräume nicht zu einem zusammenfliessen, sondern getrennt bleiben, also zwei Leibeshöhlen bilden (Fig. 7). Jenes sie trennende kreisföürmige Mesenterium verläuft, entsprechend der asymmetrischen Lage der primitiven Schläuche, nicht in der Medianebene, sondern schräg von der Bauchseite des hinteren Darm- endes nach vorn und etwas dorsalwärts, so dass es später, bei der Verschiebung aller ventralen Theile gegen das Vorderende und der ursprünglich vorderen auf die Rückenseite, eine quere Lage an- nimmt (Fig. 5. 9. 10. 13—15. 19). Dieses Verhältniss lässt sich nur an Median- und Querdurchschnitten deutlich erkennen; an nicht ganz genauen Frontaldurchschnitten hat es oft den Anschein, als würde das Mesenterium in der Medianebene gebildet. Eine weitere Schwierigkeit für die richtige Erkenntniss liegt darin, dass der ven- trale Schlauch die Verbindung zwischen dem oralen Oberhauttrichter und dem Schlunde umwachsen muss, wodurch an derselben Stelle im Durchschnitt ebenfalls ein Mesenterium vorgetäuscht werden kann (Fig. 11). Der andere Schlauch oder die aborale Leibeshöhle entsendet später eine Fortsetzung hinter dem Darm in die sich all- mählig verjüngende und verlängernde hintere Körperhälfte oder den künftigen Stiel der pentakrinoiden Form hinein (Fig. 10). Diese Fortsetzung der aboralen Leibeshöhle wird aber von dem um- gebenden sich verdichtenden Gewebe des mittleren Keimblattes sehr bald so zusammengepresst, dass ein Lumen nicht mehr zu deut- licher Ansicht kommt und nur eine trichterförmige Einziehung der Leibeshöhle in den Stiel übrig bleibt, möglicherweise die Anlage des von Carpenter »centrodorsal vesicle« genannten Organs (Nr. 6 S. 738), welches früher für ein Herz gehalten wurde (Fig. 15. 17. 19). Die dritte unpaare Aussackung des primitiven Darms erstreckt sich über die ganze Breite seiner Bauchseite und ruht in einer Biegung desselben zwischen seinem Hinterende und seiner oralen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 39 592 Alexander Goette: Befestigung, aber nicht genau in querer Lage, sondern der Ablen- kung des Darms nach links entsprechend auf die rechte Seite hin- überneigend und dort weiter vorgeschoben. Dies ist die erste An- lage des Wassergefässsystems (Fig. 3—11). Indem sie nach vorn vorrückt, wird sie vom visceralen Blatte des ventralen oder oralen Peritonealschlauches ;allseitig eingehüllt, welches sich dort stetig und bedeutend verdickt und dadurch die betreffende Leibes- höhle bis auf einen Spaltraum verengt (Fig. 12). Der Epithel- schlauch des Wassergefässsystems schnürt sich vom Darmepithel viel später ab als die Peritonealschläuche, wogegen die dicke äussere Hülle noch längere Zeit mit dem Visceralblatte des Darms in Ver- bindung bleibt. Diese zweischichtige Gesammtanlage des Ring- kanals und der Tentakel ist endlich in Form eines etwas schräg verschobenen queren Wulstes bis unter die Verbindung des oralen Oberhauttrichters mit dem Schlunde vorgerückt. Diese Verbindung besteht aber nicht mehr unmittelbar zwischen der Oberhaut und dem Darmblatte, sondern es hat sich dazwischen eine Zellenmasse gelagert, deren Ursprung mir nicht ganz klar ist. Da sie ohne scharfe Grenze in das anstossende Visceralblatt übergeht, so dürfte es am wahrscheinlichsten sein, dass sie auch von diesem herrührt (Fig. 10). Jedenfalls bildet diese Oralplatte mit dem sich ver- längernden Oberhauttrichter gleichsam eine Säule mitten durch die orale Leibeshöhle, um welche der die Wassergefässanlage um- schliessende Wulst herumwächst, bis er sich zu einem Ringe ge- schlossen hat (Fig. 16. 17). Dieser an Höhe zunehmende Ringwulst (Ringkanal- und Tentakelanlage) erfüllt nun die ganze orale Leibes- höhle, welche durch jene Säule ebenfalls ringförmig geworden ist; seine Basis schnürt sich darauf von der Peripherie nach innen fort- schreitend vom Darm ab, welcher dadurch auch nach vorn einen Peritonealüberzug erhält, sie bleibt aber mit der Oralplatte in konti- nuirlichem Zusammenhange, welche wiederum mit dem ihr anliegen- den Darmepithel zu verschmelzen beginnt und so die völlige Ab- lösung des Ringwulstes vom Darme hintanhält. Bevor jedoch die genannte Abschnürung des Ringwulstes beginnt, ist eine andere Verbindung desselben eingeleitet. Indem er bei seinem starken Wachsthum die orale Leibeshöhle vollkommen ausfüllt, kommt auch seine Basis mit der Leibeswand, also zunächst dem Peritonealüber- zuge derselben in Berührung (Fig. 14—16). An Stelle der innigen Berührung tritt allmählig eine völlige und unmittelbare Verschmelzung Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 593 in einer ziemlich breiten Zone, so dass die orale Leibeshöhle voll- ständig in zwei Hälften getrennt wird, eine vordere zwischen dem Ringwulst und der Leibeswand und eine hintere zwischen ihm und dem Darme (Fig. 17). Es wird sich weiterhin ergeben, dass nur die letztere sich als Leibeshöhle erhält und daher diesen Namen fortzuführen verdient; den anderen ebenfalls noch spaltförmigen Raum werde ich hinfort als oralen Vorraum bezeichnen. Während dieser Entwickelung der vom Darm sich abschnüren- den Organe vollzieht sich an ihm selbst eine eigenthümliche Ver- änderung. Schon vor der Abschnürung des Wassergefässsystems beginnt er sich aufzublähen (Fig. 11); es werden dadurch alle frü- heren Einbiegungen ausgeglichen; er wird beinahe kugelig, nur an der oralen Seite von dem wachsenden Ringwulste etwas abgeplattet, und erfüllt die dorsale oder aborale Leibeshöhle in demselben Masse als es an der oralen durch den Ringwulst geschieht (Fig. 12—16). Das Darmepithel behält sein früheres Aussehen, nur scheinen die Cylinderzellen etwas an Höhe zu- und an Dicke abzu- nehmen. Während nun die völlig abgeschlossene Darmhöhle sich erweitert, füllt sie sich mit einer zuerst ganz feinkörnigen, später noch mit etwas gröberen Körnern durchsetzten Masse, welche erst spät schwindet, nachdem nicht nur der Mund sich gebildet, sondern auch der orale Vorraum sich nach aussen eröffnet hat (Fig. 11—19). Nach ihrer äusseren Erscheinung lässt sich diese Masse wahrschein- lich einem Nahrungsdotter vergleichen, und entsteht wohl auch so wie die Dotterrinde in dem flüssigen Nahrungsdotter der Säuger durch eine Art von Niederschlag (vgl. Nr. 10 S. 787). Nach ihrem genetischen Zusammenhange gleicht sie aber nur jenen gerinnungs- fähigen diekflüssigen Stoffen, welche auch neben einem wirklichen Nahrungsdotter in den embryonalen Körperhöhlen z. B. der Wirbel- thiere vorkommen und nach meiner Ansicht durch die endosmotischen Wechselwirkungen zwischen der Dottersubstanz der Formeiemente (Embryonal-, Dotterzellen) und dem sie umspülenden Medium in dem letzteren entstehen. Immerhin bleibt es bemerkenswerth, dass die Comatulalarven, welche nicht wie die meisten übrigen Echino- dermenlarven sehr frühzeitig eine selbstständige Nahrungsaufnahme zeigen, die durch die Entwickelung der Formelemente nach aussen abgesetzten Stoffe in dem geschlossenen Darmraum gleichsam auf- speichern, bis dessen Wand ihre erst spät aufgenommene Funktion in der Resorption jener vorbereiteten Nahrung bethätigen kann. 594 Alexander Goeite: Damit stimmt auch überein, dass die Darmmuskeln unseres Thiers sehr viel später erscheinen als bei den übrigen Echinodermen. Bevor ich die weiteren Schicksale des Darms und des Ring- wulstes der Comatulalarven verfolge, will ich über die bekannte Entwickelung ihrer äusseren Körperform und des Skelets bis nach ihrer Befestigung kurz berichten. — Aus den Abbildungen Fig. 10. 13. 14. 19 geht nicht nur die äussere Formveränderung, sondern auch der Wechsel in den inneren Lagebeziehun- gen der Körpertheile deutlich hervor. Aus der hinteren Körper- hälfte, welche ausser einer zusammenschrumpfenden Fortsetzung der dorsalen Leibeshöhle nur ein dichtes Bildungsgewebe einschliesst, geht durch Verschmächtigung und Verlängerung der Stiel der pen- takrinoiden Larve hervor, aus der vorderen Körperhälfte der die sämmtlichen bleibenden Organe enthaltende Stern, dessen Anlage einstweilen noch eine kugelige Gestalt hat. Bevor sich aber die Larve mit ihrem Hinterende festsetzt und darauf jene Gliederung eingeht, besitzt sie an ihrem wurmförmigen, vierfach geringelten Körper zwei symmetrische Seitenhälften, eine Bauch- und eine Rückenseite; an der Bauchseite befindet sich die Anlage des Mundes und die Anlage des Wassergefässsystems und der Tentakel, welche die erstere ringförmig zu umwachsen bestimmt ist (Fig. 10. 13). Sowie aber die Befestigung ausgeführt ist, beginnen jene Gegensätze der Längsseiten zu schwinden und die ganze morphologische An- ordnung sich auf eine einzige Richtungslinie und deren beide Pole — vorn und hinten — zu beziehen, indem die ventralen Organe, Mund, Ringwulst, orale Leibeshöhle an das Vorderende, die dorsale Leibeshöhle mit dem Darm aber genau dahinter rücken und alle diese Theile mit relativ gleichen Radialsegmenten sich um die Längsaxe des Körpers ordnen (Fig. 14—16). Der daraus resultirende strah- lige Typus wird allerdings schon dadurch eingeleitet, dass die noch indifferenten Darmaussackungen ihre symmetrisch laterale Lage gleich anfangs verlassen und den’Darm beinahe spiralförmig zu umwachsen beginnen (Fig. 7); bevor aber in der weiteren Ent- wickelung der morphologischen Anlagen die radiale Anordnung zum deutlichen Ausdrucke kommt, offenbart sie sich bereits klar in der histiologischen Entwickelung der Unterhaut — in der Skeletbildung. Thomson hat die Anlage des Skelets der Comatula- larven im allgemeinen richtig beschrieben : die in zwei Reihen über- einander ringförmig gelagerten zehn Platten des vorderen Larven- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 595 körpers, welche später den Kelch bilden, die Ringe mit den von ihnen eingeschlossenen Stäbchenbündeln des Stiels und endlich das unpaare Stück am Hinterende (Fuss des Stiels) sehe ich ebenfalls in der eben ausgeschlüpften Larve oder etwas später gebildet (Fig. 13). Aber die ursprüngliche Lage der Kelchstücke hat Thomson irrig angegeben. Nach ihm legt sich diese angeblich erste Bildung des künftigen Echinoderms regelmässig um die Längsaxe an. Ich finde dagegen, dass die zehn Kelchstücke sich im Bereich des von Anfang an vorhandenen Darms um eine gekrümmte Axe anlegen, welche vom Stiel her durch den Darm gegen den noch ventral ge- legenen oralen Hauttrichter verläuft, so dass die Basalia den abo- ralen, die Oralia den oralen Peritonealschlauch umkreisen; und jene Axe streckt sich erst dann gerade und fällt mit der Längaxe der Larve zusammen, wenn die ventralen Körpertheile in der angege- benen Weise sich an das Vorderende des Larvenkörpers verschoben haben. Offenbar bestimmen also der Darm und die Peritonealsäcke die Ausdehnung und Lage der Kelchstücke, sowie die Fortsetzung der dorsalen Leibeshöhle in der hinteren Körperhälfte die mechanischen Formbedingungen zur Entwickelung der sie umschliessenden Ringe und Stäbe des Stiels enthält. — Ferner finde ich anfangs die Kalk- stäbchen des Skelets viel schlanker als es Thomson zeichnet, so dass das Gefüge der »Platten« zunächst viel passender ein netz- förmiges als ein siebförmiges zu nennen wäre. Dies ist insofern nicht bedeutungslos als die Verwandlung der weiten Maschen in enge runde Löcher auf die Art des Wachsthums des Kalkskelets schliessen lässt. Endlich kann ich die ersten Anlagen des letzteren nicht in eine solche Tiefe verlegen, wie es aus Thomson’s Ab- bildungen hervorgeht, nämlich weit nach innen von der Oberhaut abstehend. Nach allen fremden und meinen eigenen Erfahrungen an anderen Echinodermen will ich gar nicht daran zweifeln, dass auch die Skeletstücke der Comatulalarven insgesammt in dem sub- epidermoidalen Bildungsgewebe des mittleren Keimblattes, welches man als Cutis bezeichnen darf, entstehen, und dass, wenn nach meinen vielfachen Beobachtungen die Spicula selbst der jüngsten Platten zum Theil in der Oberhaut liegen, dies von einem sekun- dären Einwachsen der Nadeln in die Oberhaut herrührt. Dies er- weist unzweifelhaft die oberflächliche Lage der Kelchstücke und hängt anderseits mit einer eigenthümlichen Umbildung der Oberhaut zusammen, welche bisher unrichtig gedeutet wurde. 596 Alexander Goette: Busch gibt an, dass die Oberhaut sich von der Innenmasse abhebe und nur durch geknöpfte Stäbchen mit ihr zusammenhänge; Thomson erwähnt Vakuolen und gelbe, mit breitem Ende an die Oberfläche tretende Oelbläschen, welche in der »Sarkoderinde« der freischwimmenden Larven erscheinen. Beide Angaben erklären sich aus dem Folgenden. — Zu einer gewissen Zeit treten in der sonst noch unveränderten Oberhaut zwischen ihren Cylinderzellen keulen- förmige, tief gelb gefärbte, kernhaltige Zellen auf, deren dickeres Ende nach aussen gekehrt ist und nicht nur die Oberfläche er- reicht, sondern bisweilen aus ihr hervortritt (Fig. 10). Ich enthalte mich jeder Vermutkung über die Bedeutung dieser Zellen und be- nutze sie nur zur Orientirung über die Oberhaut, da sie genau in derselben Form und Lage, nur ansehnlich vermehrt auch in den ältesten von mir lebend untersuchten Larven vorkamen, welche bereits mit freien Tentakeln auf langen schwanken Stielen sassen. Ohngefähr zur Zeit der Skeletbildung beginnt das Zellengefüge der Öberhaut undeutlich zu werden, indem noch erkennbare schmale Zellen mit unklaren Streifen abwechseln (Fig. 16). Von da ab schrumpft die Oberhaut bei der Einwirkung differenter Mittel sehr leicht und gibt daher an Durchschnitten kein klares Bild. An le- benden Larven lässt sich nun aber feststellen, dass neben den gel- ben Zellen allerdings nur wenige der übrigen in der ursprünglichen Form und Lage zurückbleiben, zwischen ihnen aber an Stelle der offenbar aufgelösten Elemente mit Flüssigkeit gefüllte Lakunen ge- treten sind, welche nach aussen und nach innen an den ursprüng- lichen Grenzen der Oberhaut durch je eine derbe Cuticula abge- schlossen sind (Fig. 18). Da die übriggebliebenen Zellen zuletzt einzeln zwischen beiden Cuticulae ansgespannt sind, so hängen offen- bar alle Lakunen miteinander zusammen, bilden nur einen einzigen Raum. Jene Zellen sitzen mit dem dickeren kernhaltigen Ende fest an der inneren Cuticula, welche der undurchsichtigen Unterhaut dicht anliegt, während ihre strangartige Aussenhälfte mit einer Ver- breiterung in die äussere Cuticula übergeht. Da sie ferner kon- traktil sind, so ziehen sie die letztere faltenförmig ein, wodurch die Oberfläche älterer Larven runzelig aussieht. Der dabei zu beob- achtende Wechsel der Kontraktionen mag sowohl die Bewegungen des befestigten Stiels, an welchem die Oberhaut am dicksten bleibt, wie an der Basis des Kelchs ein Hin- und Herneigen desselben erklären ; weiter hinauf, gegen die Oralia hin und an ihnen ist die Oberhaut Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 537 viel dünner und ausserdem treten dort die Skelettheile in ihre La- kunen ein, was wohl bei einem festeren Gefüge der Haut weniger leicht zu verstehen wäre. Bei der weiteren Entwickelung der ge- stielten Larve schrumpft diese kontraktile Oberhaut zu einer ein- fachen Cuticularbildung zusammen und überträgt alsdann die Lo- komotion des Thiers den unterdess gebildeten Armen). Ueber den Stiel sei noch bemerkt, dass die Zahl seiner Ringe eleich in der ersten Anlage acht beträgt und sich längere Zeit un- verändert erhält, also sein Längenwachsthum alsdann lediglich unter stetem Auseinanderrücken der anfangs dicht 'zusammengedrängten Ringe erfolgt (Fig. 13. 14. 19). Die neuen Ringe entstehen, wie Thomson richtig bemerkt, an der Kelchbasis. Dass aber einige von ihnen zur Centrodorsalplatte verschmelzen oder dieses letztere Skeletstück, wie Carpenter nach J. Müller annimmt (Nr. 6 S. 737), einfach das oberste Stielglied sei, Kann ich nicht bestätigen. Die Anlagen der Centrodorsalplatte sind schmale aber doch netzförmige Skeletstreifen, welche gleichzeitig mit den Basalia an deren unteren Rändern entstehen und die obersten, noch eng zusammengedrängten Stielgliederanlagen umgeben (Fig. 13). Es ist daher später, wenn diese Stelle sich verschmächtigt, nicht immer sanz leicht, jene Anlagen der Centrodorsalplatte von den obersten Stielgliedern zu unterscheiden. Beachtet man jedoch, dass sie an- fangs das 5.—8. Stielglied, und nachdem diese abwärts gerückt sind, das 9., 10. 11., 12. u. s. w. umschliessen, was Thomson überhaupt nicht erwähnt, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschliessen, dass die Skeletzone, aus welcher die Centrodorsalplatte hervorgeht, unabhängig von den eigentlichen Stielgliedern, mehr im Anschluss an die Basalia und wohl als rudimentäre Wieder- holungen derselben sich entwickelt. Besonders lehrreich für diese Auffassung sind die gar nicht seltenen stiellosen Missbildungen der 1) Ich habe mich früher dagegen ausgesprochen, dass die muskulösen Fortsätze der Hautzellen bei den Hydroiden desshalb, weil Muskelbildung bisher nur im mittleren Keimblatte bekannt war, als Homologon eines Me- soderms aufgefasst würden, welches gegen alle sonstige Erfahrung sich vom Ektoderm abzulösen beginne (Nr. 10, S. 871). In jener Beobachtung an Co- matulalarven sehe ich eine Bestätigung meiner Ansicht, indem jene kontrak- tilen Hautzellen ebenso gewiss den Neuro - Muskelzellen Kleinenberg’s ent- sprechen, als sie anderseits zu dem vorhandenen mittleren Keimblatte in gar keiner genetischen Beziehung stehen. 598 Alexander Goette: Comatulalarven, welche ich beobachtet habe. An solchen finden sich in der hinteren Körperhälfte, welche ihre ursprünglichen Dimensio- nen behält, statt der Stielglieder grosse netzförmige Platten, welche den Raum zwischen den Basalia und dem Endknopf ausfüllen (Taf. XXVII, Fig.50). Vergleicht man sie mit den viel schwächeren Anlagen der Centrodorsalplatte, so spricht die Darstellung sehr an, dass sie durch die Stielbildung in ihrer Entwickelung gehemmt und im um- gekehrten Falle gefördert werden. Ich kehre zu den an der oralen Seite liegenden inneren An- lagen zurück. — Wenn die Wassergefässanlage erst in der Ablösung vom Urdarme begriffen ist, zeigt sie bereits an ihrem freien vorde- ren Rande einige wellenförmige Ausbiegungen (Fig. 12). Dieselben wachsen in der Folge zu kegel- und endlich fingerförmigen hohlen Zapfen aus, während ihre gemeinsame, mit ihnen unmittelbar kom- munieirende Basis sich in den Ringkanal verwandelt (Fig. 14). Die genannten Auswüchse treiben die sie umhüllende dicke Zellen- schicht (Visceralblatt) in derselben Richtung knospenförmig vor, so dass der ganze ursprüngliche Wulst endlich in folgende Theile ge- sondert ist: 1. einen basalen Ring, welcher das Ringgefäss ein- schliesst, nach innen in die Oralplatte übergeht, nach aussen etwa an der Grenze der Basalia und Oralia mit der Leibeswand zusam- menhängt und so die bleibende orale Leibeshöhle gegen den oralen Vorraum abschliesst (s. 0.); 2. eine Anzahl freier Auswüchse aus jenem Ringe oder die Tentakelanlagen, welche Fortsetzungen des Ringgefässes enthalten und den oralen Vorraum im Umkreise des noch an der Oralplatte befestigten Oberhauttrichters ausfüllen. Die kuppelförmige Zusammenziehung der oralen Leibeswand gegen den Trichter bedingt die nach vorn und innen konvergirende Lage der primitiven Tentakel (Fig. 16. 17. 19). In der Folge beginnt der spaltförmige, die Tentakel umgebende Vorraum sich zu erwei- tern (Fig. 17); dann löst sich der Oberhauttriehter von der ver- dickten Oralplatte und wird wohl durch die wachsenden Tentakel gehoben und mit den angrenzenden Theilen der Leibeswand zu einem dünnen Dache über den Tentakeln und zwischen den vor- deren Rändern der Oralia ausgespannt!), so dass der Vorraum 1) Obgleich das Centrum jenes Daches demnach bloss aus Oberhaut bestehen sollte (vgl. Fig. 16. 17), so vermag ich alsbald dennoch keinen Un- terschied zwischen ihm und der peripherischen Zone des Daches zu ent- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 599 innerhalb des Tentakelkranzes zu einer geräumigen Höhle wird (Fig. 19). Eine fernere Erweiterung erfährt dieselbe dadurch, dass ihr Boden oder die Oralplatte sich über die Stelle ihrer Verwach- sung mit dem Darmepithel hinaus peripherisch ausbreitet, so dass die orale Leibeshöhle auch unter den äusseren Rand der Oralplatte vordringt und sie mit dem Peritonealblatte überzieht. An der Stelle jener centralen Verwachsung bricht endlich der Schlundtheil der Darmhöhle in den Vorraum durch; nach dieser Bildung des Mun- des geht folglich das Darmepithel kontinuirlich in die Oralplatte und durch diese in den äusseren Ueberzug der Tentakel über, welche Theile vom ursprünglichen Visceralblatte abstammen. Die Bedeu- tung dieses Umstandes erhellt aber erst vollständig, wenn man beobachtet, wie das dünne Dach des Vorraums, welches einen Theil der Leibeswand darstellt, endlich schwindet, dadurch die Tentakel mit der Oralplatte völlig freilegt und die Bedeutung des Vorraums als einer geschlossenen Leibeshöhle aufhebt. Denn nun übernimmt das Visceralblatt, also ein Frzeugniss des Entoderms!), an der Oberfläche jener Organe die Rolle der Oberhaut. Ich muss ge- stehen, dass dieses Resultat mich anfangs wenig befriedigte; ich habe eifrig nach irgend einem Zeichen dafür gesucht, dass der Oberhauttrichter sich nicht einfach zurückziehe und ausgleiche, son- dern an den Tentakeln und der Oralplatte einen Ueberzug zurück- lasse und so in ähnlicher Weise wirke wie die epidermoidale Amnion- bildung an der Oralseite der Seeigellarven (vgl. Metschnikoff Nr. 20). Da ich jedoch niemals eine Unterbrechung in der Ver- wandlung des Vordertheils der ursprünglichen oralen Leibeshöhle in den die Tentakel unmittelbar umgebenden oralen Vorraum wahr- zunehmen vermochte (vgl. Fig. 12, 14-—-17, 19), und anderseits mich vergeblich bemüht habe, an den weiter entwickelten Tentakeln decken, welche als Theil der Leibeswand aus Oberhaut, Cutis und Parietal- blatt besteht. 1) Es braucht dabei die Frage gar nicht weiter berührt zu werden, ob wir in den Aussackungen des Urdarms Homologa des mittleren Keim- blattes oder Theile des Darmblattes anzuerkennen haben; nnzweifelhaft sind sie Erzeugnisse des bei der Gastrulabildung eingestülpten Entoderms. Durch die Bezeichnung »Visceral-, Parietalblatt« habe ich übrigens ebenso wenig Homologien mit den ähnlichen Bildungen höherer Thiere andeuten wollen, als es etwa durch den Ausdruck »Wirbel« geschieht, welchen man ja am Skelet der Echinodermen ebenfalls benutzt. 600 Alexander Goette: mehr als zwei getrennte Zellenschichten zu entdecken, welche bereits an dem indifferenten Wulste vorhanden sind, so Kann ich nicht ver- stehen, in welcher Weise ich mich geirrt und die Ueberkleidung der Tentakeln und der Oralplatte mit der Oberhaut übersehen haben sollte. Darf ich demnach die eben diskutirte Beobachtung als That- sache behandeln, so liefert sie in Verbindung mit der Umbildungs- geschichte des Ektoderms der Comatulalarven einen weiteren Beitrag zu der von mir zuerst nur für die Wirbelthiere ausgeführten Lehre, dass die primitiven Keimschichten hinsichtlich ihrer histiologischen Leistungen keine einer jeden Schicht ausschliesslich zukommende Bedeutung haben (vgl. Nr. 10 S. 560—569). Erst das im Verlauf der Entwickelung sich fortschreitend gliedernde »Formgesetz« derselben beschränkt und sondert nach den wechselnden und divergirenden Formbedingungen der Einzeltheile auch deren histiogenetische Auf- gaben, während ihre frühesten Grundlagen an sich gleich indifferent sind (a. a. O. S. 570—575). Ich brauche jetzt nicht näher auszuführen, wie die eben mit- getheilten Beobachtungen über die weitere Entwickelung unserer Larven von den Angaben meiner Vorgänger kaum weniger abweichen als es bezüglich der früheren Entwickelungsstufen der Fall ist. Busch und Thomson wissen eben über die Entstehung der im Innern der Larve angelegten Organe so gut wie nichts anzugeben; und wenn gerade Metschnikoff, nachdem er die entsprechende Entwickelung der übriger Echinodermen in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend beschrieben hat, von der Comatula durchweg prin- cipiell abweichende Befunde berichtet, so hat er gegenüber den ganz unklaren Bildern, welche allein ihm vorgelegen haben können, die Wahrscheinlichkeit einer durchgehend ähnlichen Entwickelung innerhalb eines Typus denn doch unterschätzt. Wie viele Tentakel ursprünglich und gleichzeitig angelegt werden, weiss ich nicht; aus den Längsdurchschnitten und den sehr schwer herzustellenden Querdurchschnitten noch geschlossener Kelche !) habe ich nur Folgendes feststellen können. An der Grenze je zweier winkelig zusammenstossender Oralia stehen anfangs ein grösserer 1) Schwierig ist es einmal überhaupt, die kleinen Objecte von 0,4—0,5 Mm. Länge zur Herstellung der Durchschnitte in bestimmter Lage einzu- betten, und die Schwierigkeit wächst, wenn ihre gekrümmte Axe an einer bestimmten Stelle genau quer durchschnitten werden soll. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 601 hohler Tentakel und ihm zur Seite zwei kleinere, welche wahrschein- lich aus seiner Basis hervorwachsen (Fig. 19. 20); diese fünf Gruppen von je drei Tentakeln scheinen aber zuerst ohne merkliche Zwischen- räume sich zu einem Kranze aneinanderzureihen und erst bei der andauernden Ausbreitung der Oralplatte auseinander zu treten. In den dadurch geschaffenen Zwischenräumen erscheinen darauf je zwei solide Tentakel, ebenfalls zweischichtig aus dem Randwulst hervor- wachsend, aber gewissermassen mit obliterirtem Kanal (Fig. 20). Diese könnten je den beiden benachbarten Tentakelgruppen zuge- theilt werden, so dass jede Gruppe aus drei hohlen und zwei soliden Tentakeln bestände, von denen der unpaare mittelste vielleicht der älteste ist, dem sich die anderen successiv anschlossen. Trotz der Betheiligung der Wassergefässwand an der Bildung der soliden und starren Tentakel könnten dieselben wohl am besten mit den Stacheln der übrigen Echinodermen verglichen werden. Da Thom- son nur die frei hervortretenden Tentakel kennt, so kann sich die von ihm angegebene Fünfzahl nicht auf alle wirklich vorhandenen, sondern nur auf die zuerst hervorgestreckten Tentakel beziehen, wie ich auch in der That nicht alle auf einmal, sondern zuerst bloss 4—5 aus dem eröffneten Vorraum vorragen sah. Die hohlen Ten- takel sind alsdann mit kleinen durchsichtigen Röhrchen besetzt, welche ich im allgemeinen ebenso wie es Thomson angibt, gebildet, ferner aber noch am Ende mit feinen Härchen besetzt finde. Ich möchte die letzteren für eine Art Tastorgane halten, welche äussere mechanische Reize sofort auf das locomotive System der Tentakel und Arme übertragen. Die Anlage des Afters erfolgt allerdings spät, aber doch noch immer am geschlossenen Kelche, indem ein Darmzipfel im Mesen- terium bis gegen die Leibeswand etwa in der Höhe des oberen Randes der Basalia verrückt und dann nach aussen durchbricht (Fig. 19). An der Krümmung der betreffenden Larven lässt es sich bestimmen, dass er an der ursprünglichen Bauchseite gebildet wird; und da das Mesenterium anfangs die Bauchseite dort erreicht, wo im Beginn der Entwickelung der vordere Rand der Gastrulaöffnung lag (Fig. 9. 10. 13), so kann man daraus ermessen, wie bedeutend die allmählige Verschiebung der ventralen Theile an das Vorder- ende ist, und anderseits wahrscheinlich machen, dass die Gastrula- Öffnung auch bei der Comatula zur Bildung des Afters Veranlas- sung gibt. 602 Alexander Goette: Die weitere Entwickelung der Comatulalarven habe ich nicht werfolgen können; doch halte ich Thomson’s bezügliche Angaben ‚desswegen für durchaus richtig, weil sie gröbere, sehr leicht kennt- liche Verhältnisse betreffen. Ich entnehme daraus als das für mich Wesentlichste, dass die Basen der fünf radialen Tentakelgruppen im Verein mit den damit verwachsenen Leibeswandtheilen zuden Armen. des Sterns auswachsen, so dass aus der Wurzel von je drei zu- sammenstehenden Tentakelgefässen ein Radialgefäss ausgezogen wird und offehbar in der Fortsetzung der Wurzel des mittleren Tentakelgefässes weiter wächst, nachdem der zugehörige unpaare 'Tentakel verkümmert ist. Indem die äusseren Skeletstücke dieser Armanlagen oder die Radialia successiv an Grösse zunehmen, “drängen sie die Oralia zwischen sich auf die orale Körperseite, wo sie die Spitzen von nunmehr interradialen, den Mund umgebenden Segmenten bilden, wahre Homologa der Mundecken der Asterien und Ophiuren. Dies wird namentlich durch das Verhalten des nah- verwandten Rhizocrinus lofotensis bestätigt, dessen Oralplatten, anders wie bei Comatula, erhalten bleiben und von Sars geradezu Mundecken genannt werden (Nr. 31. Taf. II Fig. 40. 41). Ander- seits überwächst die Centrodorsalplatte allmählig nicht nur die Basalia, sondern auch die ersten Radialia (Nr. 6), so dass von den Hauptstücken des ursprünglichen Kelchs schliesslich nichts sichtbar bleibt. — Unerledigt bleibt die Frage, wie sich das von mir be- schriebene Wassergefässsystem der Comatulalarven in den erwach- senen Thieren verhält. Da Carpenter (Nr. 6 S. 728) und nach ihm Metschnikoff (Nr. 19) die orale Leibeshöhle der Larven für den Stellvertreter eines besonderen Ringkanals halten, den letzteren also ganz übersehen haben, so ist es leicht möglich, dass die gleiche vom erwachsenen Thier geäusserte Ansicht (Semper) sich als ebenso irrig erweist. Zum Schluss lenke ich aber die Aufmerksamkeit noch besonders auf die letzten Angaben von Busch. Man könnte nach den seit- herigen Erfahrungen geneigt sein, die Behauptung, dass die Tentakel der Comatulalarven an deren Bauchseite hervorbrechen, und zwar ohne dass das Thier sich festgesetzt hatte, auf eine Verwechselung mit irgend einer anderen Larve oder auf ganz pathologische Zustände zu beziehen. Gegen die erstere Vermuthung spricht aber der Um- stand, dass Busch die Tentakel in der, soweit mir bekannt, bloss der Comatula eigenthümlichen Form beschrieb; bei der zweiten An- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 603 nahme bliebe es unverständlich, ‘wie eine so weit entartete Larve ihre Tentakel dennoch zum Kriechen angepasst hätte. Sowenig solche Ueberlegungen entscheidend sein können, dürfte durch sie doch die Frage angeregt werden, ob es bei verschiedenen Comatula- arten nicht ebenso wie bei nahe verwandten Formen der anderen Echinodermengruppen äusserlich verschiedene Entwickelungsver- läufe gebe? Im Folgenden sollen die Ergebnisse aus der Entwickelungs- geschichte der Comatula in eine vergleichende Uebersicht der Ent- wickelung aller Echinodermen aufgenommen werden, um daraus ein einheitliches Bild von der allgemeinen Morphologie dieser eigen- thümlichen Thierklasse zu gewinnen. Die ersten Entwickelungsvorgänge am Ei der Echino- dermen hat bisher am genauesten Selenka bei Cucumaria doliolum verfolgt (Nr. 33); und ich kann mich auf seine leider erst vorläu- fige kurze Mittheilung um so sicherer berufen, als ich Gelegenheit hatte an seinen schönen Präparaten mich von der Richtigkeit der betreffenden Angaben vollkommen zu überzeugen. Nachdem das Keimbläschen des befruchteten Eies geschwunden und offenbar eine Art von »Richtungsbläschen« ausgetreten ist!), entwickelt sich im Innern ein »Kernhof« mit einem eingeschlossenen »Kernkeimhaufen«, welche Gebilde in den aus der Dottertheilung hervorgehenden Dotter- stücken längere Zeit die Kerne vertreten. Ich sehe darin eine will- kommene Bestätigung dessen, was ich selbst an den Eiern der Wirbelthiere nachgewiesen habe, und nach den Abbildungen Ko wa- lewsky’s (Nr.14) auch für die Annulaten glaubte annehmen zu dürfen, dass nämlich weder das befruchtete Ei noch seine ersten Theilstücke vollständige Zellen seien, sondern die ganze Dottertheilung einen 1) Da Selenka die gleich nach dem Schwunde des Keimbläschens aus dem Ei ausgepressten Protoplasmatheilchen als »Koth des Eies« bezeichnet und über ihre Abstammung vom Keimbläschen ebenso ungewiss bleibt wie beim Ei von Phascolosoma (vgl. Nr. 15. 16), so will ich hier zur Ergänzung dessen, was über diesen Vorgang an den verschiedensten Eiern beobachtet wurde, bemerken, dass es mir an den Eiern von Myzostoma und von Ptero- trachea gelang, den Austritt jenes Kerngebildes aus dem Eie in etwas ver- ändertem Zustande unmittelbar zu beobachten und die Identität der soge- nannten Richtungsbläschen mit den ausgetretenen Kernresten zu konstatiren. 604 Alexander Goette: Zellenbildungsprocess darstelle (vgl. Nr. 10 Kap. XII!). Wenn Kowalewsky an den gleichen Eiern die Kernhöfe als Kerne, die Kernkeime als Kernkörperchen bezeichnet (Nr. 13 S. 2), so beruht dies auf einem durch die bisherige Auffassung des Eies leicht er- klärlichen Versehen; sowie auch die Annahme, dass die aus dem Ei hervorgehende Keimblase aus lauter gleichen Embryonalzellen besteht, durch die genauere Untersuchung Selenka’s widerlegt wird. Er unterscheidet nämlich eine Anzahl grösserer Elemente, welche das sich einstülpende Entoderm bilden, von dem sich das Mesoderm ablöst. Jene gesetzmässige Ungleichheit der Dotterstücke hat übrigens auch Metschnikoff, bei Amphiura squamata und Astropecten beobachtet (Nr. 20 8. 14, Taf. III. Nr. 21 8. 73)2), sowie er auch in Uebereinstimmung mit Hensen die Abstammung des mittleren Keimblattes vom Entoderm bei den übrigen Echino- dermen behauptet hat, was ich wie erwähnt zu bestätigen Gelegen- heit hatte. — Dass dieselben Entwickelungserscheinungen bei allen Echinodermen insbesondere auch bei Comatula sich wiederholen, badarf allerdings noch der Bestätigung, ist aber nach meiner Ansicht mehr als wahrscheinlich. Die aus der Einstülpung einer Keimblase hervorgehende Gas- trula ist bei allen Echinodermen bekannt (vgl. Taf. XXVII und Nr. 1. 2. 4. 12. 13. 16. 17. 20. 33), sowie auch die Bildung des mitt- leren Keimblattes aus dem Entoderm allen gemeinsam sein dürfte, 1) Es ist hier nicht der Ort, die Studien über das Verhalten der Kern- gebilde bei der Dottertheilung zur Sprache zu bringen, welche, seitdem ich meine Beobachtungen an Batrachiereiern zum ersten Mal veröffentlicht habe, (vgl. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften 1870 Nr. 38), von Auerbach, Bütschli und Strasburger bekannt gegeben wurden. Ich will daher vorläufig nur in Kürze meine Ansicht dahin aussprechen, dass allen bezüglichen, zum Theil scheinbar sehr komplicirten und unter- einander nicht übereinstimmenden Erscheinungen ein einfacher und gleich- artiger Kausalzusammenhang zu Grunde liege, welcher aber sich der Er- kenntniss entzieht, solange die Aufmerksamkeit noch von der Mannigfaltigkeit der äusseren Erscheinung gefesselt wird. 2) Für Jeden, der die Dottertheilung verschiedenster Thiere aufmerk- sam verfolgt hat, wird es schwer zu glauben, dass das Ei von Amphiura squamata, dessen eben erst gebildete Keimhöhle so excentrisch liegt, dass die Länge der unteren Dotterstücke die Hälfte, die der oberen !/, des Ei- durchmessers beträgt, kurz vorher aus lauter gleichen Segmenten bestanden habe, wie es Metschnikoff behauptet (a. a. O.). Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 605 wie ich eingangs der Entwicklungsgeschichte von Comatula ausein- andersetzte. Ebenso allgemein verliert die Gastrula alsbald ihre gleichmässige Gestalt, indem der Darmschlauch sich nach einer Seite krümmt, um sein blindes Ende an die Oberhaut anzu- löthen, worauf die ganze Gastrula in der Richtung des abge- bogenen Darms sich streckt, so dass beide Darmenden auf einer Seite der länglichen Larve zu liegen kommen (Taf. XXVII). Von diesen beiden Enden wird die ursprüngliche Einstülpungsöffnung zum After, an dem blinden mit der Öberhaut verbundenen Ende bricht der Mund nach aussen durch. Dies git zunächst für die ein pela- gisches Leben führenden Echinodermenlarven, die Bipinnarien, Brachio- larien, Auricularien und Pluteus!); für die Holothurien gibt Kowa- lewsky allerdings das Gegentheil an, wird aber von Selenka, der die Entwickelung von Cucumaria unvergleichlich genauer als der Erstere verfolgte, ganz bestimmt widerlegt (Nr. 13. 33). Comatula stimmt nach meinen Beobachtungen damit insofern überein, als die secundäre Oeffnung zum Munde wird, während die Gastrulaöffnung sich freilich alsbald schliesst, dagegen zur späteren Afterbildung in nächster Beziehung bleibt, indem dieselbe nachweislich an derselben Stelle erfolgt. Den einzigen widersprechenden Befund könnte man bei Amphiura squamata vermuthen, indem die einzige von Metsch- nikoff gesehene Darmöffnung zum Munde wird (Nr. 20). Da aber Metschnikoff die letztere durchaus nicht aus der Gastrulaöffnung hervorgehen sah, anderseits aber den Magen scheinbar mit einer Vertie- fung der ventralen Oberhaut zusammenhängend zeichnet (vgl. Fig. 36), so darf man annehmen, dass an jener Stelle die Gastrulaöffnung ähnlich wie bei Comatula obliterirt sei. Ebenso allgemein wie die Bedeutung stimmt auch die Lage der Darmöffnungen an der Bauchseite der fertigen Echino- dermenlarven überein. Ich habe gezeigt, dass dies bei Comatula ebenso zutrifft, als es bisher von den Asterien, Ophiuriden und Echinoiden bekannt war; für die Holothurien will ich noch besonders hervorheben, dass nicht nur die aus Auricularien hervorgehenden tonnenförmigen sogenannten Holothuriengruppen, sondern nach Kowa- lewsky auch die der Metamorphose entbehrenden Holothurien 1) Der Junge Ophiurenpluteus, den ich in Fig. 23 abgebildet habe, zeigt im Vergleich mit der ähnlichen Echinuslarve (Fig. 31), sowie durch die Rich- tung der eben hervorwachsenden Fortsätze, dass die Einstülpungsöffnung zur Afteröffnung bestimmt ist. 606 Alexander Goette: (Psolinus, Pentacta) die ventral verschobene Gastrulaöffnung, woraus nach Selenkader After entsteht, während der Entwickelung in dersel- ben seitlichen Lage behalten (Taf. XXVIL, Fig. 39, Nr. 13. 8.4, 5) Selenka’s Angabe, dass jene Oeffnung bei Cucumaria am hinteren Pole liege (Nr. 33), dürfte gegenüber der bestimmten Zeichnung Kowalewsky’s auf eine frühzeitige secundäre Verschiebung” des Afters an das Hinterende, wie sie nachträglich bei den meisten Holo- thurien erfolgt, zu beziehen sein, widrigenfalls Cucumaria eine be- deutsame Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellte. Denn mit den oben erörterten Lagebeziehungen hängen auf’s innigste zu- sammen die Axenverhältnisse der jungen Echinodermenlarven, welche eine nähere Betrachtung verdienen. Fasst man den grobzelligen sich einstülpenden Entodermab- schnitt der Keimblase naturgemäss als untere Hemisphäre auf, so bezeichnet die ursprüngliche Gastrulaöffnung den unteren Pol der Hauptaxe oder der Scheitelaxe des Eies, welche also mit der Hauptaxe der Gastrula identisch ist. Ein Blick auf die Durch- schnitte der jüngsten Comatulalarven genügt zur Erkenntniss, dass ihre Gastrula sich in der Richtung einer senkrecht auf jener Scheitel- lage stehenden Kreuzaxe gestreckt hat, so dass die letztere zur Längs- und Hauptaxe der Larve wird (Taf. XXVIL, Fig. 26—29). Ver- steht man nun unter einer Hauptaxe diejenige Richtungslinie, auf welche die meisten Lageverhältnisse gemeinsam bezogen werden können, so werden wir ferner für jene Larven die fragliche Axe durch den Darm selbst verlaufen lassen, weil alle Hauptorgane von dem letzteren ausgehen oder wie z. B. das Skelet zu ihm in be- stimmte Lagebeziehungen treten. Ich habe früher diese Form des morphologischen Aufbaues, wobei die Hauptaxe des sich bildenden Thiers einer Kreuzaxe des Eies entspricht, ganz allgemein den Wurmtypus genannt, und ferner innerhalb desselben eine gastro- axiale Form von einer ventro-axialen unterschieden, bei welcher letzteren dieAxe aus dem Darm an die eine Längsseite verschoben wird (Keimstreif), daher der betreffenden Kreuzaxe parallel läuft (Nr. 10 S. 879 und flg.). Wenn die Embryonen und Larven der Annulaten vor der Ausbildung des Keimstreifs den gastro-axialen Wurmtypus nur vorübergehend andeuten, so kennen wir jetzt ein . Beispiel seiner Entwickelung zu bleibendem Bestande in Bütschli’s Entwickelungsgeschichte des Cucullanus elegans (Nr. 5). Demselben gastro-axialen Typus gehören also zunächst auch die Comatula- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 607 larven an, und seine Entstehung aus der Gastrulaform macht es verständlich, warum die beiden Darmenden auf einer Längsseite liegen und diese dadurch als Bauchseite von der gegenüberliegenden konvexen Rückenseite unterscheiden. Die Haupttheilungsebene oder die Medianebene ergibt daher zwei lediglich symmetrische seitliche Körperhälften, obgleich die Differenz der dorsalen und der ventralen Hälfte eines Querdurchschnittes keine sehr wesentliche ist. Was nun bei Comatula sich am klarsten übersehen lässt, kann ferner auch bei den übrigen Echinodermen bis zu wesentlicher Ueberein- stimmung nachgewiesen werden. Am einfachsten offenbart sich die letztere dort, wo die Entwickelung ohne Metamorphose verläuft; wenigstens verläuft bei Amphiura squamata und den betreffenden Holothurien die Verschiebung der Hauptaxe aus der Scheitel- in die Kreuzaxe des Eies, wenn auch vielleicht nicht so exakt wie bei Comatula, so doch ebenso früh, d. h. vor der weiteren Entwickelung des Darms (Fig. 36. 39). Die wurmförmige Asterienlarve J. Mül- ler’s (Nr. 24) die Larve des Echinaster Sarsii (Nr. 30), des Pte- raster militaris (Nr. 32) u. s. w. sind noch zu wenig untersucht, um an ihnen über die blosse Vermuthung eines ähnlichen Ver- haltens hinauszukommen. Auch die übrigen Schlangensterne und die Seeigel lassen sich in der gedachten Beziehung den erstgenannten Echinodermen anschliessen (Fig. 30—32), wogegen die Bipinnarien, Brachiolarien und Auricularien die fragliche Umbildung langsamer vollziehen, so dass man sagen könnte, die Hauptaxe ihrer Larven falle eigentlich zwischen die Scheitelaxe und die Kreuzaxe des Eies, und die nachträgliche stärkere Abbiegung des Enddarms, wodurch sie den anderen Larven ähnlich würden, sei mehr eine lokal secundäre als eine typisch fundamentale Erscheinung (Fig. 33—35). Der gastro-axiale Wurmtypus wäre daher nicht bei allen Echinodermen gleich früh und gleich vollkommen angelegt, sowie sie auch inner- halb dieses Typus eine wechselnde Ausbildung ihrer allgemeinen Larvenform zeigen. Von geringerem Gewicht sind dabei die ver- schieden gebildeten Anhänge und Fortsätze mit und ohne Skelet; denn wir wissen, dass sie innerhalb derselben Gruppe fehlen oder bis zur höchsten Ausbildung vorhanden sein können, ohne dass damit nothwendig eine besondere Lebensweise verbunden wäre. Die armlosen Pluteus von J. Müller, Claparede und Metschni- koff (vgl. Nr. 26. 7. 20 S. 31) sind ebenso pelagische Larven wie die bekannten vielarmigen; die geraden dünnen Stäbe der Echinoiden Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 12, 40 608 Alexander Goette: können gelegentlich durch Lappen vertreten sein, ähnlich denen der Bipinnarien (vgl. Nr. 28, 1), und wenn die letzteren neben den wurmförmigen Asterienlarven vorkommen, so verwandeln sich die Auricularien sogar unmittelbar in die tonnenförmigen Larven, welche den ohne Metamorphose sich entwickelnden Holothurien eigen sind. Auffallender bleibt es aber, dass der Larvenkörper bald am oralen, bald am analen Ende von Anfang an über die Darmregion hinaus sich verlängert; denn diese schon während der ersten Veränderung der Gastrula angelegten Bildungen sind viel beständiger und nicht überall von vorübergehender Bedeutung. Comatula zeigt die darm- lose Körperverlängerung am analen Ende und bildet daraus den Stiel, der den meisten Krinoiden erhalten bleibt (Fig. 2629); die Larven der Seesterne und Holothurien entwickeln dagegen einen darmlosen Kopflappen, welcher entweder nachträglich vom Schlunde mit dem- Tentakelkranz ausgefüllt wird (Holothurien) oder während der Metamorphose atrophirt (Asterien) (Fig. 33-35. 37. 38). Im letzteren Falle zeigt er bisweilen eine gewisse Aehnlichkeit mit der ihm sonst nicht vergleichbaren Stielbälfte der Comatulalarve, indem die Peritonealsäcke meist in ihn hineinwachsen (Taf. XXVII, Fig.45. 46) und die aus ihm hervorsprossenden Haftorgane der Brachiolarien ebenfalls zur Befestigung der Larve dienen. Der oft in eine Pyra- mide oder einen Stab auslaufende sogenannte Scheitel der Seeigel- larven entspricht dagegen wiederum der Stielhälfte der Comatulalarve. Ein ähnliches Schwanken wie in den allgemeinsten Körper- verhältnissen der Echinodermenlarven finden wir auch in der wei- teren Entwickelung des Darms und der von ihm sich abschnürenden Aussackungen, welche als Anlagen der Pe- ritonealsäcke und des Wassergefässsystems allen Echinodermen ge- meinsam sind (vgl. Nr. 1 8. 713, Nr. 2 S. 107, Nr. 20. 33). Schon bezüglich des Ortes ihrer Entstehung besteht die auffallende Ver- schiedenheit, dass sie bei den meisten Echinodermen an der Schlund- region des Darmes, bei Comatula dagegen am Enddarm sich ent- wickeln und folglich auch in entgegengesetzten Richtungen aus- wachsen (vgl. Fig. 28. 31. 34). Ferner besitzt die Comatulalarve zwei seitliche Ausstülpungen als Leibeshöhlenanlagen und eine be- sondere ventrale Anlage des Wassergefässsystems, während die Bi- pinnarien und Brachiolarien, denen sich die Ophiuren- und Seeigel- larven anschliessen, nur zwei Ausstülpungen des Darms zeigen, von denen die linke das Wassergefässsystem allmählig absondert; die Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 609 Holothurien endlich besitzen nur eine einzige Darmaussackung als gemeinsame Anlage der bezeichneten Organe. Von der Anlage eines Steinkanals, welche allen übrigen Echinodermen zukommt, habe ich bei Comatula nichts entdecken können. — Alle diese Ver- schiedenheiten erklären sich einmal daraus, dass die Peritonealsäcke und das Wassergefässsystem der Echinodermen offenbar sehr nahe verwandte Bildungen sind und daher ihre endliche Scheidung in wechselndem Masse verzögert sein kann; zweitens ist aber für die Beurtheilung jenes Verhältnisses von der grössten Bedeutung, dass die inneren Organe überhaupt bei keiner einzigen Echinodermen- larve so vollkommen bilateral-symmetrisch angelegt sind, wie es die äussere Leibesform zu sein scheint. Nachdem einmal die schönen grundlegenden Untersuchungen von J. Müller, in welchen aber die äussere Leibesform vorherr- schend berücksichtigt wurde, die Ueberzeugung hervorgerufen hatten, dass alle Echinodermenlarven anfangs vollkommen bilateral-symme- trische Formen seien, welche diese Anordnung erst durch die ein- seitige Ausbildung des Wassergefässsystems verlören, suchte neuer- dings Metschnikoff auch die primitiven inneren Anlagen auf jenen Typus zurückzuführen. Nun sind allerdings die Darmaus- sackungen der meisten Echinodermenlarven, mit Ausnahme jedoch der Holothurien, auf beide Seitenhälften des Körpers vertheilt; nach ihrer Form oder Lage sind sie aber von Anfang an asymmetrisch. Am wenigsten wohl bei den Ophiuren, da sie dort nicht nur wie bei den Asterien und Seeigeln ihre ursprüngliche Lage bis gegen die Zeit der Metamorphose beibehalten, sondern nach Metsch- nikoff jederseits neben einem Peritonealsack auch eine Wasser- gefässanlage absonderen (Nr. 20 S. 16. 21). Die rechte Wasser- gefässanlage bleibt aber regelmässig rudimentär und verschwindet alsbald vollständig, so dass von einer wirklichen Symmetrie beider Seiten nicht gesprochen werden kann. Ein gleiches Verhalten glaubt Metschnikoff auch für die Spatangoiden annehmen zu dürfen, aber mit Unrecht. Er sah in ihren Larven zuerst nur zwei Säck- chen neben dem Schlunde, später statt derselben zwei Scheiben neben dem Magen, die er wohl ganz richtig als Peritonealsäcke deutet, und bloss linkerseits eine der Scheibe anliegende Wasser- gefässanlage. Daraufhin folgert er, dass jene zwei Säckchen beides Wassergefässanlagen seien, von denen die rechte später schwinde, während die Peritonealsäcke in unbekannter Weise entständen (Nr. 610 Alexander Goette: 20 S. 46, 47), Agassiz hat nun aber die von Metschnikoff nicht beobachteten jüngeren Entwickelungsstufen der Echinen voll- ständig untersucht und dabei festgestellt, dass zwei ungleiche Darmaussackungen sich zu ebensolchen Bläschen abschnüren und bis an den Magen hinabrücken, worauf bloss das grössere linke Bläschen einen Wassergefässkanal entwickelt, mit der inneren Hälfte aber dem Darmkanal ebenso anliegt wie das ganze rechte Bläschen (Nr. 1 S. 713—717). Agassiz nennt freilich alle diese Theile water-tubes, weil er ihre weitere Umbildung nicht genau kannte. Mit Metschnikoff’s ergänzenden Beobachtungen zusammenge- halten, können aber jene Angaben nur so gedeutet werden, dass in den Seeigellarven eine kleinere rechte Darmaussackung zum rechten Peritonealschlauch wird, die grössere linke aber neben dem linken Pe- ritonealschlauch noch die einseitige Wassergefässanlage entwickelt. Ganz dieselbe merkliche Asymmetrie in der Bildung der inneren Organe sehen wir bei den Asterien, deren linke Darmaussackung vor der Absonderung der einseitigen Wassergefässanlage nicht etwa der rechten gleich ist, wie es Metschnikoff zeichnet (Nr. 20 Taf. XI Fig. 1), sondern nach meinen Erfahrungen regelmässig grösser und früher entsteht als die rechte (vgl. Taf. XXVII Fig. 24). Damit ist aber bereits der Uebergang zu den Holothurien gegeben, welche die Leibeshöhle und das Wassergefässsystem ganz unsym- metrisch aus einer einseitigen Ausstülpung des Darms hervorgehen lassen. Und wenn Metschnikoff diesen unpaaren Schlauch bei Auricularia sehr frühe aus seiner seitlichen Lage in eine quere übergehen und den Darm umschlingen sieht (Nr. 20 Taf. I), so dürfte es noch bedeutsamer sein, dass sich dieselbe Erscheinung an den beiden symmetrisch entsprungenen und auch in der Form relativ gleichen Schläuchen der Comatulalarven wiederholt, welche den Darm in entgegengesetzter Richtung schräg zu umwachsen beginnen, bevor sie sich von ihm ganz abgelöst haben. Bei den Seeigeln, Asterien, Holothurien und Comatula ist also eine merkliche Asym- metrie der Form und Lage der Darmaussackungen von Anfang an vorhanden, welche nur bei den Ophiuren in etwas geringerem Grade auftritt. Seltene Ausnahmen von dieser Asymmetrie sind allerdings bei Ophiuren (Müller Nr. 22 Taf. I Fig. 2) und Asterien (Metsch- nikoff Nr. 21 S. 75) bekannt geworden, indem sich beiderseits eine gegliederte Wassergefässanlage entwickelte. Mögen diese ab- normen Fälle nun auch zu Vermuthungen über gewisse verwandt- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea, 611 schaftliche Beziehungen dieser Echinodermen Veranlassung geben, so kann ich doch die Schlussfolgerung daraus nicht anerkennen, dass die vollkommene bilaterale Symmetrie im Grunde das ursprüng- lichere Verhalten der inneren Organisation aller Echinodermenlarven und die Asymmetrie eine sekundäre Erscheinung sei (vgl. Nr. 20 S. 62). Ich sehe vielmehr in der durchgehenden ursprünglichen Asymmetrie das allen Ordnungen Gemeinsame, und die Besonder- heiten der letzteren in dem verschiedenen Masse und der verschie- denen Erscheinung jener Asymmetrie. Weist aber schon der Um- stand, dass dieselbe gleich bei der Entstehung der Darmaussackun- gen zum Vorschein kommt, auf den Urdarm als den Ausgangspunkt der Asymmetrie hin, so finde ich auch eine positive Bestätigung dessen bei der Comatula, deren Darm, wie erwähnt, frühzeitig die regelmässige mediane Lage verlässt (Taf. XXV, Fig. 6)!). Aehnlich, nur in geringerem Grade, sehe ich den Darm der jungen Bipinna- rien nach jener Seite, wo das Wassergefässsystem sich entwickelt, also nach links verschoben, wie es auch Metschnikoff in einem etwas späteren Stadium zeichnet, aber als eine Folge der Differen- zirung des Wassergefässsystems ansieht (Nr. 20 S. 36, Taf. XI), während ich die unsymmetrische Form und Lage des Darms für das Primäre und für die Ursache der Ungleichheit der Darmaus- sackungen halte. Daraufhin glaube ich aber mit grosser Wahr- scheinlichkeit für alle Echinodermen annehmen zu dürfen, dass eine asymmetrische Bildung des Urdarms während der Umwandlung der Gastrula zur Form des gastro-axialen Wurmtypus die eigen- thümliche Asymmetrie der inneren Organanlagen der Larven ver- anlasst. Halten wir damit zusammen, dass bei jener Umwandlung ebenfalls die für den genannten Typus charakteristischen Axenver- hältnisse nicht in allen Echinodermengruppen genügend scharf her- vortreten, so werden wir jetzt aussprechen können, dass die Echi- nodermenlarven den bilateral-symmetrischen Wurm- typus überhaupt niemals vollständig darstellen. Diese Unvollkommenheit einer bestimmten typischen Anlage bringt es aber mit sich, dass die einzelnen Abweichungen nicht überall gleich auf- treten, und ist folglich der gemeinsame Grund, auf den sich auch die besprochene Verschiedenheit der einzelnen Echinodermenordnun- 1) Ich muss bemerken, dass diese Abbildung durchaus nicht die stärkste von mir beobachtete Ablenkung des Darms auf die linke Seite darstellt. 612 Alexander Goette: sen hinsichtlich der Anlage ihrer inneren Organe zurückbeziehen lässt. Nachdem wir die gemeinsamen Momente in der Entwicke- lung der Larvenformen der Echinodermen und die relative Be- deutung ihrer Unterschiede kennen gelernt, haben wir noch ihre Umwandlung zur endlichen Strahlform vergleichend zu untersuchen. — Nach Metschnikoff ist die Asymmetrie der Echinodermenlarven wie erwähnt eine sekundäre Erscheinung, her- vorgerufen durch ein nachträgliches Wachsthumsübergewicht des einen linken Antimers und der Asymmetrie der Gasteropoden und Paguren vergleichbar; daher sei auch die Umwandlung der bilateral- symmetrischen Larve zum Strahlthier so zu erklären, dass das schwächere rechte Antimer von dem stärkeren linken allmählig ver- drängt werde, welches seinerseits in radiäre Segmente zerfällt. Als Ausgangspunkt dieser Entwickelung sieht Metschnikoff die Diffe- renzirung der Wassergefässanlage an (Nr. 20 S. 61). Die Unhalt- barkeit dieser Auffassung von der Larvenmetamorphose der Echi- nodermen ergibt sich sofort, wenn wir die einschlägigen Thatsachen prüfen. Von einem Schwunde des ganzen rechten Antimers kann einmal vorweg in keinem einzigen Falle die Rede sein, weil es ebenso gut wie das linke unter gewissen Veränderungen in das fertige Echinoderm übergeht und an der radiären Gliederung theilnimmt, wie ich es unten noch näher erläutern will. Ferner beschränkt sich das Wachsthumsübergewicht des linken Antimers lediglich auf die Darmaussackungen, insbesondere das Wassergefässsystem, wäh- rend das Perisom z. B., wie ich zeigen werde, sich durchaus wech- selnd verhält. Was nun aber durch das linksseitige Wassergefäss- system auf der rechten Seite verdrängt werde, bleibt mir unerfind- lich. Denn auch die rudimentären rechtsseitigen Wassergefässanlagen der Ophiuren vergehen nach Metschnikoff’s eigener Darstellung (vgl. Nr. 20 Taf. V Fig. 5), während die linksseitigen ihre ur- sprüngliche Lage noch innehaben ; bei den Seeigeln und Asterien verlässt die Wassergefässanlage das linke Larvenantimer überhaupt nicht, sondern wird in und mit ihm umgelagert; bei den Holothu- rien ist rechterseits überhaupt gar keine Organanlage vorhanden, die verdrängt werden könnte, und für Comatula passt jene Vor- stellung Metschnikoff’s in gar keiner Hinsicht. Ebenso unrichtig ist die fernere Annahme, dass die Wassergefässanlage die Umbil- dung der Larve zur Strahlform veranlasse oder nur regelmässig Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 613 einleite. Denn wenn lediglich die einseitige Ausbildung des Wasser- gefässsystems die Metamorphose der Echinodermenlarven erklären sollte, so bliebe es unverständlich, warum die Tornaria, welche ich in einem sehr frühen Stadium mit einer ebensolchen linksseitigen Darmausstülpung — dem späteren Wassergefässschlauch — antraf, wie es sehr junge Bipinnarien und Auricularien zeigen (Taf. XXVIl, Fig. 25), sich nicht nur zu keinem Strahlthier entwickelt, sondern nicht einmal eine einzige Erscheinung in dieser Richtung zur Folge hat. Die Ursachen der radiären Umbildung der Echinodermenlarven liegen eben tiefer als in der besonderen Bildung des Wassergefäss- systems. Anderseits eröffnet die letztere nicht einmal beständig jene Umbildung. Bei Gomatula erhält das Skelet in der Leibeswand eine radiäre Anordnung, so lange die Wassergefässanlage noch ein indifferenter Schlauch ist (Fig. 13); und auch bei Asterienlarven entwickeln sich bis fünf getrennte, in einem starken Halbkreise gelagerte Skeletanlagen, bevor die Wassergefässanlage die Rosetten- form erlangt hat. Dies habe ich an einer Bipinnaria beobachtet, an welcher nur der linke Peritonealsack sich in den Kopflappen fortsetzte (Taf. XXVI Fig. 21); und obschon andere Bipinnarien nach J. Müller’s, Metschnikoff’s und meinen eigenen Beobachtungen die Rosette des Wassergefässsystems früher zeigen, so hat doch J. Müller selbst, ohne es übrigens im Texte zu erwähnen, eine Bipinnaria gezeichnet, welche eine zehnzinkige, mehr als halbkreis- förmige Skeletanlage, aber noch eine einfach sackförmige Wasser- gefässanlage besitzt (Nr. 25 Taf. IV Fig. 10). An einer Brächio- laria fand ich die fünflappige Skeletanlage weit entwickelt und die Leibeshöhle entsprechend ausgebuchtet, während die Bildung der Wassergefässrosette noch nicht vollendet war (Fig. 22). Es ergibt sich aus diesen Thatsachen, dass Metschnikoff sich vom Verlaufe der Larvenmetamorphose der Echinodermen ein unzutreffendes Bild entworfen hat, weil: er dabei einzelne Organe oder selbst Larvenformen ganz einseitig ins Auge fasste. Noch wesentlicher ist aber, dass er uns dabei die Antwort auf die Frage ganz schuldig blieb, was denn eigentlich die strahlige Anordnung des zur Grundlage des Echinoderms angeblich allein ausersehenen linken Antimers bedinge. Eine genügende einheitliche Erklärung der Larvenmetamorphose scheint sich mir dagegen ungezwungen zu ergeben, wenn wir das Gemeinsame in allen einzelnen Formen und : Vorgängen zusammenlesen. Vergegenwärtigen wir uns zunächst das 514 Alexander Goeiie: allgemeinste Besultat in den Form- und Lagereränderungen der Peritonealsäcke, der Wassergefässanlage und etwa noch des Peri- soms, so lässt es sich dahin zusammenfassen, dass diese anfangs annähernd bilateral-syınmetrisch oder einseitig längs des Darms ge- lagerten Theile sich allmählig so um denselben anordnen, dass sie ihn mit Bezug auf dessen frühere oder eine neue Hauptaxe nach allen Seiten gleichmässig umgeben. Der Darm bildet daher das Centrum der ganzen Anordnung, welche bei einer etwa eintretenden Gliederung der den Darm gleichmässig umkreisenden Organanlagen die Strahlform annehmen muss. Die genannte Umwandlung wird allerdings durch eine Störung der bilateralen Symmetrie und eine daraus folgende Aenderung der Wachsthums- und Bildungsrichtungen hervorgerufen; aber sowie jene Störung nicht von einem einzelnen Organ, etwa der Wassergefässanlage ausgeht, sondern wie ich zeigte, in der ursprünglichen Gesammtanlage der Larve begründet ist, wo- durch allein die Steigerung der Asymmetrie in den späteren Bil- dungen bis zu dem in der angegebenen Weise wirksamen Masse ermöglicht wird, so beruht auch die Umwandlung der an- nähernd bilateral-symmetrischen Form in die radiäre nicht auf ineinandergreifender Hyper- und Atrophie, sondern lediglich in einer völligen Umlagerung der Theile, Innerhalb dieses allgemeinen Kausalzusammenhangs der Entwickelung, welcher die radiäre Anordnung in allen Echinoder- menlarven gleicherweise gewährleistet, kann durch eine wechselnde Beihenfolge oder verschiedene äussere Erscheinung der einzelnen Entwickelungsvorgänge eine gewisse Variation des gemeinsamen Typus veranlasst werden, welche in den Ordnungsunterschieden zum Ausdruck kommt; oder jene Unterschiede sind von noch geringerem Belang und beziehen sich nur auf vorübergehende Larvenzustände. Im Folgenden will ich alle jene Unterschiede näher untersuchen und dabei die mitgetheilte Erklärung der Larvenmetamorphose ausführlicher erörtern, Da Metschnikoff die Differenzirung der Wassergefässanlage für den »Oentralpunkt der ganzen Verwandlung« ansieht, ist es natürlich, dass er es für die durchgreifendste Differenz in der Entwickelung der verschiedenen Echinodermen erklärt, dass die Wassergefässanlage bald den Larvenschlund ring- förmig umwächst und so sammt dem Munde in das fertige Eehino- derm hinübernimmt (Holothurien, Ophiuren), bald neben dem Lar- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranes. 615 vendarme sich vollkommen radiär ausbildet, und daher eine Neu- bildung von Schlund und Mund an Stelle der gleichen atrophirenden Larvenorgane bedingt (Asterien, Seeigel). Metschnikoff selbst anerkennt, dass die darauf beruhende Zusammenstellung der See- sterne und Seeige!l gezenüber den andern Echinodermen mit den übrigen Unterschieden dieser Hauptformen durchaus nicht überein- stimme (Nr. 20 S. 60); und die Unzuträglichkeit einer solchen Betrachtungsweise steigert sich noch, wenn man berücksichtigt, dass die Larven von Echinaster Sarsii und Asteracanthion Mülleri keinen vergänglichen Larvenmund besitzen und überhaupt ihr ge- - sammter Darm in das fertige Echinoderm mit hinübergenommen wird (Nr. 30. Nr. 27 S. 11). Denn dadurch würden natürlich die Asterien selbst in jene beiden Gruppen vertheilt werden müssen. Wir sehen also, dass jene Differenz, wenn sie die ihr von Metsch- nikoff beigemessene Bedeutung wirklich besässe, alle übrigen na- türlichen Beziehungen der einzelnen Echinodermenformen zu ein- ander nur verwirren könnte. Ihr wahrer untergeordneter Werth ergibt sich aber ziemlich sicher aus einer näheren Prüfung der be- treffenden Thatsachen. Ich habe als allgemeinen Verlauf der Metamorphose aller Echinodermenlarven angegeben, dass ihre meisten Organe sich ge- wissermassen ringförmig um den Darm !agern, und zwar entweder mit Bezug auf die ursprüngliche oder um eine neugebildete Haupt- axe desselben. Im ersten Falle ist die Umwachsung des Larven- schlundes durch die Wassergefässanlage evident; im anderen Falle scheint allerdings eine Umwachsung gar nicht vorzukommen, sondern der neue Schlund im Centrum der selbstständig sich entwickelnden Wassergefässanlage sich durchaus sekundär, eben nur in Folge die- ser Entwickelung zu bilden. Diese Neubildung des Schlundes ist aber bisher nichts weniger als genügend erforscht worden; sicher ‘ist nur, dass eine Verwachsung der Oberhaut mit dem Centrum der Wassergefässanlage und dieser letzteren mit dem Darm dem Durch- bruche des Mundes an derselben Stelle vorausgehen muss. Eine solche Verwachsung sehen wir bei den Seeigellarven und ähnlich auch bei Comatula sehr frühe erfolgen und dabei gie Oberhaut in sehr verschiedenem Grade sich einziehen, nämlich bei den Spatan- giden bis zur Abschnürung einer Blase, bei den Echiniden als eine solche nach aussen mündende Blase (Nr. 20 S. 43. 47), bei Coma- tula endlich als trichterförmige Vertiefung, welche beiden letzteren 616 Alexander Goette: Bildungen sich allmählig wieder ausgleichen. Darnach ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch bei den Bipinnarien und Brachiolarien eine solche frühe Verwachsung der Oberhaut mit dem Wassergetäss- system eintritt, aber die letztere so wenig einzieht, dass es unbe- merkt bleibt. Es gleicht daher die einfache Mundbildung der Co- matula -— abgesehen davon, dass die ursprüngliche Oberhaut der oralen Fläche nachträglich ganz schwindet — nach allen Verbin- dungen, nach der linksseitigen Lage und sogar nach der Zeit der Entwickelung ausserordentlich der sekundären Mundbildung der Asterien und Seeigel, während sie anderseits, als nur verspäteter erster Durchbruch des ursprünglichen Darmblindsacks nach aussen, dem vergänglichen Larvenmund dieser Geschöpfe ebenso entspricht wie dem einfachen, bleibenden Larvenmunde der Ophiuren und Ho- lothurien. Daraus muss wohl geschlossen werden, dass die zweierlei Mundbildungen einander sehr analoge Entwickelungsvorgänge sind. Ferner dürfen wir vermuthen, dass ausser den schon erwähnten, von Sars beobachteten Asterien (Asteracanthion Mülleri, Echi- naster Sarsii) auch die anderen Seesterne mit direkter Verwand- lung, so die von Desor, Agassiz, Busch untersuchten (vgl. Nr. 4. 8) und die aus der wurmförmigen Asterienlarve Müller’s hervorgehenden Thiere sich in. der Mundbildung der Comatula im allgemeinen anschliessen und die Bildung eines vergänglichen Lar- venmundes abweichend von ihren nächsten Verwandten ganz über- gehen). Aehnlich wie die Seesterne verhalten sich die Holothurien, indem bei den Auricularien wenn auch nicht der Mund selbst, so doch ein Theil seines Vorraums und dessen äussere Oeffnung sich schliessen und alsdann an einer anderen Stelle neu bilden?), während 1) Die Angaben von Koren und Danielssen über die Entwickelung von Pteraster militaris (Nr. 32) kann ich zur Begründung einer Ausnahme von dem eben Gesagten zunächst nicht gelten lassen. Es kann sein, dass wir es bei Pteraster mit einem ganz eigenthümlichen Entwickelungsmodus zu thun haben, welcher aber durch jene flüchtigen und ganz unbestimmten Beobachtungen nicht im geringsten aufgeklärt ist. 2) Da dieses Verhalten der Aurieularien von J. Müller -ganz ausführ- lich begründet worden ist (Nr. 24 S. 14 Nr. 25, S. 14. 26), so wundere ich mich, dass Metschnikoff nicht nur dasselbe mit Stillschweigen übergeht, sondern die, spätere, innerhalb des ersten Wimperreifens gelegene Eingangs- öffnung offenbar mit der früheren identifieirt, welche zwischen dem 1. und .2. Wimperreife obliterirt (Nr. 20 S. 8. 9). Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 617 bei den einfacher entwickelten Holothurien jene ursprünglichen Theile bleibend erhalten werden (Kowalewsky, Selenka). — Das Resultat dieser Untersuchung ist, dass die doppelte Mundbildung ausschliesslich denjenigen Larvenformen zukommt, welche bei einem frühzeitig beginnenden und lange dauernden selbstständigen pelagi- schen Leben eine grössere Entfaltung vergänglicher Larvenorgane zeigen (Bipinnarien, Brachiolarien, Echinidenlarven, Auricularien); die sich direkter entwickelnden und insbesondere sich nicht selbst- ständig ernährenden Larven (wurmförmige, scheibenförmige Asterien- larven, Larven vieler Holothurien, der Amphiura squamata, der Comatula), denen sich ausnahmsweise die Pluteusform der Ophiuren anschliesst, entwickeln den Mund nur einfach. Daraus lässt sich aber mit vollem Recht schliessen, dass jener vergängliche Larven- mund dieselbe untergeordnete Bedeutung hat wie andere vergäng- liche Larvenorgane, z. B. die beweglichen Stäbe, Flossen, Haftorgane, deren Anwesenheit oder Mangel in der Larvenzeit ohne entspre- chenden Einfluss auf die besondere Gestaltung des Echinoderms bleibt, sowie anderseits die Synaptenlarven zwei ganz heterogene, den verschiedensten Klassenverwandten eigenthümliche Formen (Aurieularia-, Tonnenform) successiv durchlaufen. Nach dieser Er- klärung kann aber auch der Umstand, dass in beiden Fällen der Mundbildung verschiedene Darmaxen zur Geltung kommen, als nur scheinbar wesentlicher nachgewiesen werden. Denn überall, wo die Umwachsung des Larvenschlundes durch die Wassergefässanlage um die ursprüngliche Darmaxe erfolgt, bleibt dieselbe doch nicht unverändert erhalten. So verschiebt sich der Schlunddarm der Co- matula- und Holothurienlarven, welcher anfangs beinahe rechtwin- kelig vom Magendarm abgebogen an der Bauchseite mündet, zuletzt so weit, dass der Mund in den vorderen Pol des Larvenkörpers fällt; und was Metschnik off von der Umlagerung der ventralen Mundscheibe an dem Vorderende der Amphiuralarve sagt, kommt offenbar auf dasselbe heraus (Nr. 20 S. 19). Ergibt sich nun das, was bisher für den durchgreifendsten Unterschied in der Entwickelung aller Echinodermen galt, als ein nebensächliches Moment, so sind dagegen die wesentlichen Ord- nungsunterschiede in der Metamorphose unserer Larven noch gar nicht hervorgehoben worden. — Schon bei der Betrach- tung der ersten Anlagen der verschiedenen Echinodermenlarven habe ich darauf hingewiesen, dass wenn die Unterschiede der äusse- 618 Alexander Goette: ren Larvenform sich als relativ unbeständige, also untergeordnete darstellen, die Unterschiede der inneren Organanlagen mit den ein- zelnen Ordnungen der Stachelhäuter zusammenfallen. Es lässt sich daraus vermuthen, dass solche Ordnungsunterschiede der ersten Larvenentwickelung mit denen der späteren Metamorphose in einem morphologisch ursächlichen Zusammenhange stehen, wenn uns auch ‚die volle Einsicht in denselben zur Zeit noch fehlt. So wissen wir, dass die ursprüngliche Asymmetrie nur bei Comatula zuerst im wichtigsten Organ, im Darm, bei den übrigen Echinodermen dagegen in den sekundären Bildungen desselben sich deutlich offenbart, und dass diese letztere Asymmetrie wiederum je nach der Ordnung in verschiedenem Grade auftritt, am stärksten bei den Holothurien, wo die Abschnürungsorgane des Darms bloss einseitig vorhanden sind, schwächer bei den Asterien und Seeigeln, von deren paarigen aber ungleichen Aussackungen bloss die linke eine Wassergefäss- anlage entwickelt, am schwächsten bei den Ophiuren, welche sogar eine rudimentäre rechte Wassergefässanlage besitzen. Dieser Ab- stufung der ursprünglichen Asymmetrie entspricht weiterhin die verschiedene Ausführung der Lageveränderung, welche zur radiären Organisation führt. Die paarigen Peritonealschläuche und die Wassergefässanlage der Comatula und die gleiche aber einseitige Anlage der Holothurien gehen am frühesten, noch vor einer weiteren Differenzirung der Wassergefässanlage, in die quere Lage über, während dieselbe Veränderung der inneren Lagebezie- hungen bei den Asterien jedenfalls später eintritt, nämlich nach der Differenzirung der Wassergefässanlage, aber vor ihrer Ablösung von dem linken Peritonealschlauch am spätesten bei den Ophiuren und Seeigeln, deren Wassergefässanlage alsdann bereits gegliedert und vom Peritonealschlauch getrennt ist (vgl. Fig. 22. 48). Mit dieser verschiedenen Zeitfolge der Lageveränderung geht ferner ein- her eine verschiedene Betheiligung der einzelnen Organe an der- selben. Allen Ordnungen gemeinsam ist, dass die Gestaltung der Larvenantimeren als im ganzen gleichwerthiger Körperhälften durch die Metamorphose aufgehoben wird. Ihr näheres Verhalten dabei ist bei den Seeigellarven am übersichtlichsten, indem dort das linke Antimer ganz deutlich die orale oder Bauchseite des fertigen Thiers, das rechte Antimer dagegen die konvexe Rückenhälfte bildet (vgl. Taf. XXVII, Fig. 48. 49). Denn die zuletzt die ganze linke Seite ein- nehmende »Seeigelscheibe«, d. h. die Wassergefässrosette mit dem Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 619 in ihrem Centrum durchbrechenden Munde und dem sie umgebenden Kranze von Tentakeln und Stacheln, bleibt anfangs durch ihre amnionartige Umhüllung, später dadurch von dem rechten Antimer stets unterschieden, dass dieses noch nach dem Schluss der eigent- lichen Larvenmetamorphose jener Fortsätze ermangelt, dafür aber auf der glatten Oberfläche schon frühzeitig Pedicellarien entwickelt (Nr. 25 8. 23, Nr. 20 S. 42—49). Aehnlich verhalten sich die Ophiuren und Asterien. Bei den ersteren entsteht die halbkreis- förmige »Anlage des dorsalen Randtheils vom Perisom des späteren Sterns« mit fünf für die Arme bestimmten Auswüchsen (Hohlkehlen, J. Müller) ohngefähr in einer Sagittalebene derselben linken Seite, wo die Wassergefässanlage sich befindet ; nachdem die letztere sich schräg verschoben hat, um den Larvenschlund zu umwachsen (Metschnikoff), folgt ihr jene sich allmählig kreisförmig schlies- sende Perisomanlage, doch so, dass ihr ursprünglich nach links schauender Rand, wohin auch die Auswüchse gerichtet waren, mit der durch die Wassergefässanlage bezeichneten oralen oder Bauch- seite des Sterns in Zusammenhang bleibt, der der früheren Median- ebene oder dem rechten Antimer zugekehrte Rand aber das Cen- trum der Rückenseite begrenzt. Dieses dorsale Centrum der Ophiu- renscheibe ist übrigens auch schon vorher durch Kalkfiguren in der Haut des rechten Antimers bezeichnet (Nr. 26 Taf. III, Nr. 20 Taf. VI), und wenn diese Skeletbildung des Scheibenrückens nicht auf das rechte Antimer beschränkt, sondern am Rücken der Larve über die Medianebene hinaus etwas nach links ausgedehnt erscheint, so darf man nicht übersehen, dass nicht nur die linksseitige Wasser- gefässanlage, sondern auch jene halbkreisförmige Perisomanlage mit der darüber verdickten Oberhaut, also — abgesehen von dem Pe- ritonealsack, über dessen Verhalten wir noch nichts wissen — das ganze linke Antimer sich an die Bauchseite der Larve verschiebt, wodurch offenbar das rechte dorsalwärts gedrängt wird. Wenn ich noch hinzufüge, dass der von der Wassergefässanlage umwach- sene Schlund in das linke Antimer hineingezogen wird (Nr. 26 S. 11, Nr. 20 Taf. VII Fig. 13), so scheint es mir sicher zu sein, dass dasselbe die Anlage für die Bauchseite und den ganzen Rand der Ophiurenscheibe nebst den Armen, das rechte aber das Centrum der Rückenseite der Scheibe bildet, wobei ich natürlich nicht an eine ganz scharfe, mit der Medianebene der Larve genau zusammen- fallende Grenze denke. — Die Bipinnarien und Brachiolarien schliessen 620 Alexander Goette: sich den Ophiurenlarven in der bezeichneten Umbildung der Antimeren eng an. Dadurch, dass ihr bleibender Schlund ganz auf der linken Seite angelegt wird, wird die Bedeutung der letzteren als der künftigen oralen Seite noch klarer (Fig. 22). Die Anlage des dorsalen Perisomrandes der Seesternscheibe befindet sich ziem- lich in der Medianebene, also auf der Grenze beider Larvenantime- ren (Fig. 21) und da die Anlagen der Armdecken links davon ent- stehen (Taf. XXVII Fig. 45), so gehören die letzteren unzweifelhaft dem linken Antimer an, welches auch die ventralen inneren Theile der Arme liefert. Der vom rechten Antimer gebildete Rückentheil der Asterienscheibe zeigt übrigens eigene radiäre Skeletanlagen, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie mit Bezng auf die durch die Arme bezeichneten Hauptradien des Sterns interradial liegen, gerade so wie die Basalia der Comatulalarven. Ich habe dies an Brachiolarien ebenso gesehen wie Metschnikoff an ganz jungen aus Bipinnarien hervorgegangenen Sternen (Taf. XXVIIH Fig. 46. 47). Während das Wassergefässsystem und das Perisom sich schräg ver- schieben, folgen ihnen darin der bleibende Darmabschnitt und die beiden Peritonealschläuche, welche ich noch bis nach der Anlage des Skelets getrennt finde, so dass, ähnlich wie bei Comatula, der linke der oralen Hälfte des Sterns (Bauchseite, Scheibenrand und Arme), der rechte der aboralen Hälfte (dorsales Scheibencentrum) sich anpasst (Fig. 21). Ob diese Trennung bei allen Asterien als- bald und vollständig aufhört, indem beide Schläuche zu einem ver- schmelzen (Nr. 20 S. 36), bleibt zweifelhaft, da wir durch J. Mül- ler wissen, dass die Larven von Echinaster Sarsii, welche auf Durchschnitten, die Rücken und Bauch zugleich halbiren, anfangs nur eine einfache Leibeshöhle !) zeigen, später zwei solche getrennte Höhlen besitzen, von denen die eine dem Rückencentrum angehört, die andere ventral darunter liegt (Nr. 27 Taf. I). Wenn dieselben zwei ursprünglich symmetrisch neben der Medianebene gelegenen und später dorsal- und ventralwärts verschobenen Peritonealsäcken entsprechen sollten, so bestände bei diesen Asterien ein ähnliches Verhältniss wie bei Comatula. Die beiden mit ihren Höhlen ge- 1) Ich berücksichtige dabei den Theil der Leibeshöhle nicht, welcher sich in der Basis der vergänglichen Haftorgane absondert und allmählig schwindet und offenbar den Fortsetzungen der Peritonealsäcke im Kopflappen der Bipinnarien und Brachiolarien homolog ist. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 621 trennt bleibenden Peritonealschläuche der Comatulalarven verlassen, wie ich zeigte, ihre ursprüngliche Lage in je einem Antimer sehr zeitig und bezeichnen, nachdem sie den Darm umwachsen, zu aller- erst die Grenzen einer oralen und einer aboralen Körperhälfte. Der linke umschliesst alsdann die ventral entstandene, gewisser- massen beiden Antimeren angehörende Weassergefässanlage. Das Perisom endlich passt sich ohne jede eigene Lageveränderung den beiden Peritonealschläuchen an, indem um die aborale Leibeshöhle der Ring der Basalia, um die orale der Ring der Oralia entsteht (Fig. 13). Wenn also die Seeigel-, Ophiuren- und Asterienlarven ihre ursprünglichen Antimeren gesondert in die beiden ungleichen und mit Bezug auf die neue Hauptaxe aufeinander folgenden oralen (Bauchseite und Arme) und aboralen Hälften der fertigen Thiere verwandeln, so erhält sich eine solche Trennung der Antimeren bei der Verwandlung der Comatulalarven nur noch in den Perito- nealsäcken, während sie im übrigen völlig verwischt wird, so dass alsdann beide Antimeren gemeinsam wie ein ungesondertes Ganze in fünf Strahlsegmente getheilt werden. Dadurch bildet aber Co- matula den Uebergang von den erstgenannten Echinodermen zu den Holothurien, bei denen die Bildung bilateral-symmetrischer Antime- ren am frühesten und vollkommen verwischt wird; denn indem die Wassergefäss- und Leibeshöhlenanlage des linken Larvenantimers allmählig auch den leeren Innenraum der rechten Larvenhälfte er- füllt, so wird weder die letztere verdrängt, noch die frühere Grenze bloss verschoben, da die rechte Hälfte des Darms, des Perisoms und der Oberhaut sich in ihrer Umbildung von den entsprechenden linksseitigen Gebilden in nichts unterscheiden; vielmehr wird durch das Ineinanderwachsen der ursprünglich gesonderten Theile beider Antimeren und durch die sie gemeinsam treffende neue Eintheilung jede Grenze vollständig aufgehoben. — Wir haben somit in der Larvenmetamorphose der Echinodermen Unterschiede kennen ge- lernt, welche, indem sie mit älteren Unterschieden der Larven zu- sammenfallen, die fünf hier betrachteten Ordnungen mehr oder weniger von einander scheiden. Ehe ich aber zu weiteren Differen- zen übergehe, welche die Grenzen noch schärfer ziehen, möchte ich im Anschluss an die eben vorgetragenen Betrachtungen noch eine alle Echinodermen gemeinsam betreffende Frage berühren. Die einzelnen radiären Segmente der strahlig gebauten Thiere werden jetzt gleich den Seitenhälften der bilateral-symmetrisch ge- 622 Alexander Goette: bauten Thiere Antimeren genannt (Haeckel Nr. 11 IS. 305. 306, Gegenbaur Nr. 9 S. 304). Diese Terminologie passt nur so lange, als man unter Antimeren ganz im allgemeinen Körper- abschnitte versteht, welche mit Bezug auf die Hauptaxe des Körpers neben und nicht hinter einander liegen; bei jeder weiteren Defini- tion, die doch nothwendig erscheint, lassen sich die Eigenthümlich- keiten der beiderlei Antimeren nicht leicht vereinigen. Haeckel sagt a. a. O.: »Unter Antimeren oder Gegenstücken verstehen wir diejenigen neben (nicht hinter) einander liegenden, als deutlich ge- schlossene Einheiten auftretenden Körperabschnitte oder Segmente, welche als gleichwerthige Organeomplexe alle oder fast alle wesent- lichen Körpertheile der Species (alle typischen Organe) in der Art zusammengesetzt enthalten, dass jedes Antimer die wesentlichsten Eigenschaften der Species als Organcomplex repräsentirt, und dass nur noch die Zahl der Antimeren als das die Speciesform bestim- mende Element hinzutritt«.. Nun ist aber die Antimerie der bila- teral-symmetrischen Thiere vielmehr der Ausdruck eines bestimmten Lageverhältnisses von nicht kongruenten Körpertheilen zu einander als einer wirklichen Gliederung wie bei den Echinodermen, deren »Antimeren« nicht durch das Lageverhältniss zu einander, sondern zu einer gemeinsamen Richtungslinie bestimmt werden. Daher ist bei jenen mit der einen Richtungsebene (Medianebene) die Zweizahl der Antimeren nothwendig die ausschliessliche, bei diesen die wech- selnde Antimerenzahl ganz nebensächlich, und muss ferner die bei der bezeichneten gemeinsamen Terminologie ganz natürlich hervor- gerufene Vorstellung, dass der Uebergang aus der einen in die an- dere Organisation lediglich durch Verminderung oder Vermehrung der Antimeren vermittelt werde, aus den angegebenen Gründen ebenso wie mit Rücksicht auf die Entwickelungsgeschichte als un- zutreffende bezeichnet werden. Ausnahmsweise können sogar durch sekundäre Veränderungen die radiäre und die bilateral-symmetrische Anordnung bis zu einem gewissen Grade mit einander verbunden sein, z. B. bei den irregulären Seeigeln, wobei dann die radiären Antimeren als untergeordnete Glieder der bilateral-symmetrischen erscheinen. Dies führt uns zur Untersuchung der Metameren, welche Bezeichnung ebenfalls in den beiderlei Organisationen für die queren Glieder der Antimeren oder, wie Haeckel sagt, für die »Segmente der Hauptaxe« gebraucht wird, während die »Seg- mente der Kreuzaxen« Epimeren heissen (Nr. 11 I 8.316). So- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 623 wie aber die oben wiedergegebene Definition der Antimeren eigent- lich nur auf die Strahlthiere passt, so ist die genannte Erklärung der Metameren nur auf die bilateral-symmetrischen Formen völlig anwendbar. Denn bei den Echinodermen bezieht sich die Glieder- ung der Antimeren häufig ganz unzweifelhaft auf die Kreuzaxen, so z. B. bei den Ciypeastriden, während sie schon bei den stark gewölbten Seeigeln ebenso gut wie bei den Holothurien (dort ange- deutet in den Ambulakralfüsschen der Radialkanäle), dem ursprüng- lichen Comatulakelche oder gar am Krinoidenstiele auf die Hauptaxe des Körpers sich beziehen lässt. Es sollten daher diese Segmente, obgleich sie wegen ihrer unzweifelhaften Homologie eine gemeinsame Bezeichnung verdienten (Metameren — Haeckel a.a.0.S. 317), im ersten Falle eigentlich Epimeren und nur in den anderen Fällen Metameren heissen; d. h. die Definitionen und die morphologische Verwandtschaft stehen miteinander im Widerspruch. — Ergeben sich schon aus den fertigen anatomischen Verhältnissen Unzuträg- lichkeiten gegenüber jener gemeinsamen Terminologie, so liefert die Entwickelungsgeschichte der Echinodermen nicht weniger Einwürfe gegen dieselbe. Da die Larvenmetamorphose dieser Thiere eine annähernd bilateral-symmetrische Organisation in eine radiäre über- führt, so muss sich aus ihr das Verhältniss der späteren Strahl- glieder zu den ursprünglichen Larvenantimeren, innerhalb deren sie noch angelegt werden, feststellen lassen. Fassen wir dazu zuerst die Wassergefässanlage ins Auge. Bei den Larven der Asterien, Ophiuren und Seeigel folgt sie dem Verlaufe des vorderen oder mittleren Darms, so dass ihre noch vor einer Lageveränderung ein- tretende quere Gliederung rechtwinkelig zu der im Darm verlau- fenden Hauptaxe des bilateral-symmetrischen Körpers ausgeführt wird, also nach Haeckel’s Definition eine partielle Metameren- bildung der Larve ergibt (Fig. 22. 48). Dasselbe gilt von den ersten Skeletanlagen der Ophiuren und Asterien, welche die Leibeswand des einen Larvenantimers (»Hohlkehlen« der Ophiuren) oder beider (Asterien) quer gliedern (Fig. 21. 45). Selbst die linke Leibeshöhle der von mir abgebildeten Brachiolaria zeigt eine entsprechende Seg- mentirung (Fig. 22). Solche Metamerenbildungen des Perisoms und des Wassergefässsystems der Larven, denen sich bisweilen die Lei- beshöhle, jedenfalls sekundär das Nervensystem anschliesst, bilden aber nun in Verbindung miteinander durch blosse Umlagerung die Strahlglieder des fertigen Echinoderms, welche alsdann Antimeren Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bä. 12. 41 624 Alexander Goette: heissen. Anderseits finden sich wenngleich etwas entferntere Be- ziehungen zwischen den Larvenantimeren und den Metameren des fertigen Thiers. Der Stiel der Krinoiden muss, da er zufolge der Entwickelungsgeschichte der Comatula einfach eine umgebildete hin- tere Körperhälfte darstellt (Fig. 13), und oft ebenfalls fünfkantig erscheint, als aus eben so viel Antimeren wie der Kelch zusammen- gesetzt gedacht werden. Die ringförmig um eine Fortsetzung der Leibeshöhle angelegten Stielglieder, welche richtige Metameren sind (s. O.), entsprechen also den pentagonalen Skeletzonen des Kelches (Basalia, Oralia). Eine jede dieser Skeletzonen zeigt aber bei Coma- tula ausser dieser Beziehung zu den Metameren des Stiels noch eine solche zu einem ganzen Larvenantimer, vermittelst der be- sonderen Leibeshöhle, der sie sich anpasst; und wenn dieser Ver- gleich gesucht erscheinen sollte, so erinnere ich an den dorsalen fünfstrahligen Skeletkranz der Bipinnarien und Brachiolarien, welcher, wie ich weiter oben ausführte, das ganze radiär umgebildete rechte Larvenantimer bezeichnet (vgl. Fig. 45. 46), anderseits aber un- zweifelhaft der Zone der Basalia am Comatulakelche homolog ist, welche ebenso gewiss in den Metameren des Stiels wiederholt er- scheint. Mit diesen Vergleichen will ich natürlich nicht die Be- deutung der Strahlglieder der Echinodermen als Metameren oder etwa der queren Zonen des Krinoidenkelchs als Antimeren begrün- den; sondern ich habe nur zeigen wollen, dass die Aehnlickeit in den Lagebeziehungen der Gliederung innerhalb der radiären und der bilaterel-symmetrischen Organisation in jeder Hinsicht nur eine sehr beschränkte ist, und dass es daher besser wäre, die Aufstellung gemein- samer Kategorien von morphologischen Grundtheilen und eine ganz gleiche Benennung derselben zu unterlassen. Man könnte ja auch ohne Zuhilfenahme neuer Namen die unveränderte Bezeichnung Antimer, Metamer, Epimer, den bilateral-symmetrischen Formen vorbehalten, den Unterschied ähnlicher Theile bei den Strahlthieren aber durch das vorgesetzte Wort »strahlig, radial« andeuten. Kehren wir nach dieser Abschweifung zur Betrachtung der Ördnungsunterschiede in der Larvenmetamorphose und endlichen Ausbildung der Echinodermen zurück. Ich habe gezeigt, dass die wichtigsten Verschiedenheiten in der Bildung und Anordnung der inneren Larvenorgane und ihre Folgen zunächst die drei Gruppen der Seesterne, Ophiuren und Seeigel von den Holothurien son- dern, die Comatula aber als eine Art vermittelndes Glied erscheinen Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 625 lassen, indem dieselbe sowohl in der Anlage ihrer Darmausstülpungen wie in der Umbildung ihrer Larvenantimeren an beide Abtheilungen anknüpft. Untersuchen wir jetzt die sekundären Verschiedenheiten, welche erst gegen das Ende der Larvenmetamorphose hervortreten. Allen Ordnungen kommt es gemeinsam zu, dass die sich ringförmig schliessende Wassergefässanlage an der oralen Seite zuerst fünf Tentakelanlagen hervortreibt. Diese bleiben bei den Seeigeln stets einfach? und atrophiren und verschwinden endlich, nach- dem nach innen und nach aussen von ihnen paarige Tentakel oder Füsschen hervorgetreten sind (Nr. 22. 8. 14. 15. Nr. 17. S. 351. 352). Nach Lov&n entspricht der am Rande der oralen Fläche stehende unpaare Tentakel der Mittelsutur des künftigen Ambula- krums (Nr. 18. S. 34. Fig. 10); folglich kann man annehmen, dass die erste Tentakelanlage der Seeigel sich im Perisom der oralen Seite baumförmig verzweigt, aber ihre Spitze am Rande dieser Seite, statt in derselben Richtung fortzuwachsen (wie es bei der Entwicke- lung von Armen geschehen würde), atrophirt, und ein neuer Stamm aus der Wurzel der ursprünglichen Tentakelanlage in die dorsale Leibeswand hineinwächst (Ambulakralkanal). Bei den Holothurien erhalten sich die fünf ursprünglichen Tentakel in denselben Gebilden des fertigen Thiers; ihre Vermehrung und unregelmässige Verzweigung erfolgt erst in einer sehr späteren Entwickelungsperiode (Nr. 32 Taf. VII). Sekundär entstehen aus dem Ringkanal zwischen den ersten Tentakeln die fünf in der Leibeswand verlaufenden Längskanäle, von denen übrigens einer bei manchen Holothurien zugleich mit den Tentakeln sich entwickelt (Nr. 25 S. 6, N. 13. 20. 33) und welche nach jener ihrer Entstehung den ähnlichen Ambulakralkanälen der Echinen eigentlich nur anolog, nicht homolog sind. Die fünf ersten Fortsätze der Wassergefässanlage der Asterien und Ophiuren ver- zweigen sich sehr bald so, dass die ursprünglichen Knospen die Spitzen der Gefässbäumchen bleiben und die Zweige paarweise aus der Wurzel der ersteren entspringend und vorrückend dieselbe zum Stamm sich ausziehen lassen (Nr. 26 S. 5. 6, Nr. 20 S. 17. 23. 25. 39). Indem diese Gefässbäumchen in der ursprünglichen Richtung sich weiter ausbreiten, bleiben nur ihre dem Munde zunächst liegen- den Abschnitte im Bereich der Seesternscheibe; die äusseren Abschnitte wachsen über den Rand derselben hinaus und bilden mit den ihnen sich anschliessenden und sie umhüllenden Armanlagen des Perisoms die Arme des Seesterns (Nr. 26 $. 11). Comatula verhält sich eine 626 Alexander Goette: nicht ganz kurze Zeit ähnlich wie die Holothurien; denn ihre Ten- takel entstehen nicht als Bäumchen mit Stamm und Zweigen wie bei den Ophiuren und Asterien, sondern bilden bloss Gruppen von je drei erst am Ringkanal zusammenstossenden freien Fortsätzen, welche eine bedeutende feinere Ausbildung erfahren, ehe sie auf den spät entwickelten Armen hervorgeschoben werden (Fig. 19. 20). Mit der Entwickelung der Arme schliesst sich alsdann Comatula wieder den Asterien und Ophiuren an, und entwickelt wie diese die Radialkanäle der Arme aus der Basis der ersten Tentakelge- fässe, sodass die ursprünglichen paarigen Tentakel sowie alle folgenden Paare als Zweige jener Kanäle erscheinen. Es nimmt also die Ent- wickelung der ursprünglichen Tentakelanlagen in der Reihenfolge: Seeigel, Holothurien, Comatula, Asterien, Ophiuren zu. — Im eng- sten Zusammenhange mit der Entwickelung der Tentakel steht die Armbildung der Echinodermen. Betrachten wir zuerst diejenige der Comatula. Dort erscheint sie ganz offenbar nicht als eine Fort- setzung der am Kelche bereits vollzogenen radiären Gliederung, sondern als eine fortschreitende Entwickelung der an den Grenzen jener Strahlglieder (Basalia, Oralia) gelegenen Basen der oralen Tentakelgruppen. Die radiäre Gliederung des Kelchs und diejenige der oralen Seite, welche erst in den Armen zum vollen Ausdruck kommt, fallen also nicht zusammen, sondern zwischen einander, so- dass die Arme mit Bezug auf die vor ihnen entstandenen Kelchstücke interradial entstehen. Indem aber während ihres Wachsthums und wohl auch in Folge desselben jene Kelchstücke theils schwinden (Oralia), theils stark reducirt werden (Basalia), stossen die Arm- basen (Radialia) zusammen und bilden mit der sich ihnen anpas- senden Centrodorsalplatte den sekundären Skeletkelch, in dessen Grunde die kleinen Basalia verborgen liegen, sodass also die radiäre Gliederung der oralen Seite zuletzt die das ganze Thier beherr- schende wird (vgl. Thomson a.a.O.und Carpenter Nr. 6 S. 742). Dasselbe geschieht bei den Asterien, mit dem Unterschied, dass die Armbildung viel früher beginnt und daher die mit dem Tentakel- und Armsystem alternirende Strahlgliederung der Scheibe, welche in den bezeichneten dorsalen, den Basalia der Comatula homologen Stücken auftritt, sehr bald ganz unterdrückt. Bei den Ophiuren beginnt die Entwickelung der Arme noch früher und energischer, da sie bereits mehrgliederig erscheinen, bevor das Pluteusgerüst verschwunden ist (Müller Nr. 26 Taf. IV, 5); daher ist es verständlich, dass die bei Vergleiehende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 627 den Asterien bereits rudimentäre Strahlgliederung der Körperscheibe bei den Ophiuren gar nicht mehr zu deutlicher Anlage kommt !). — Sowie nun die Entwickelung der Arme derjenigen der ursprünglichen Tentakelanlagen bei den armtragenden Echinodermen parallel läuft, so finden wir gewissermassen eine negative Bestätigung dieses Ver- haltens bei den übrigen Echinodermen. Sind die Arme aller Stern- formen nichts weiter als aus den fünf Tentakelanlagen hervorge- sprosste und mit einer Fortsetzung des Perisoms versehene Ten- takelbäumchen 2), so müssen sie als Homologa der ebenso entstan- denen und nur schwächer ausgebildeten Tentakel der Holothurien betrachtet werden. Die Radialgefässe der letzteren dürfen übrigens auch aus anderen Gründen mit den Ambulakralkanälen der Arme nicht verglichen werden; denn einmal entspringen sie nicht aus den ursprünglichen Tentakelanlagen, sondern zwischen ihnen direkt aus dem Ringkanal, und wachsen ferner, ohne armartige Körperfort- sätze hervorzutreiben, lediglich in der vorgebildeten Leibeswand bis zum hinteren Larvenpol fort. Indem sie aber auf diese Weise die Strahlsegmente des Holothurienkörpers bezeichnen, verhalten sich die letzteren ebenso wie die gleichfalls mit den radiären Tentakel- und Armanlagen alternirenden Strahlglieder des ersten Comatulakelches und der jungen Asterienscheibe. Sowie diese aber in Folge der Entwickelung der Arme zurückgebildet werden, so erhalten sich jene ihre Homologa bei den Holothurien bleibend und werden zu den bestimmenden des ganzen Thiers, weil eben die Ausbildung seiner oralen Tentakelanlagen weit hinter derjenigen der armtragen- den Echinodermen zurückbleibt und ihre ursprüngliche Anzahl nicht fixirt erscheint. Die Holothurien bleiben also gewissermassen auf jener vorübergehenden Entwickelungsstufe der Comatula stehen, wann deren Strahlgliederung noch durch die Basalia und Oralia bezeichnet wird, und die Tentakel noch nicht an deren Grenzen zu- sammengezogen und baumförmig verbunden sind, sondern einen mehr oder weniger kontinuirlichen Kranz um den Mund bilden. — 1) Die dorsalen Rippen der Euryaliden haben mit der genannten Strahl- gliederung nichts gemein, da sie nicht interradial, sondern auf die Arme zu laufen und thatsächlich erst lange nach der Entwickelung der letzteren und daher wohl unter deren Einfluss entstehen (Nr. 2 S. 132). 2) Die Fortsetzung der Leibeshöhle in die Arme kann als eine sekundäre Erscheinung die ausgesprochene allgemeine Auffassung nicht be- einträchtigen. 628 Alexander Goette: Jenes Wechselverhältniss in der Entwickelung des tentakulären Systems und der davon unabhängigen Strahlgliederung des aboralen Körpertheils führt bei den Seeigeln zu einer eigenthümlichen Kom- bination. Ihre ursprünglichen Tentakelanlagen werden nicht in Arme fortgesetzt, deren Entwickelung eine besondere aborale Strahl- gliederung unterdrückte und die damit alternirende orale Gliederung zur ausschliesslich herrschenden machte; indem also Forsetzungen der ersten Tentakelgefässe in den aboralen Körpertheil hineinwachsen, bezeichnen die von ihnen gebildeten Ambulakralfelder nicht die einzigen Strahlsegmente, sondern wechseln regelmässig mit den Inter- ambulakralfeldern ab, welche gewissermassen ein Strahlsystem für sich bilden, da auch ihre ersten Skeletanlagen gleichzeitig mit den ambulakralen aber unabhängig von denselben und nicht paarig, ge- rade so wie die radiären Rückenplatten der Seesterne entstehen (vgl. Loven Nr. 18 Fig. 10). Dies wird noch verständlicher im Vergleich mit den Holothurien, deren Ambulakralfelder nirgends durch besondere Interambulakralfelder bestimmt geschieden sind, oft sogar sanz zusammenfliessen (Holothuriae sporadipodes), und deren Skelet- bildung, sobald sie einmal vollständig erscheint, wie z. B. in den von Krohn beobachteten gepanzerten Holothurienjungen, nur 5 Längs- reihen von Platten zeigt (Nr. 17). Wenn daher die Ambulakralfelder der Seeigel und Holothurien aus diesem Grunde und noch mehr wegen des verschiedenen Ursprungs ihrer Radialkanäle nicht als völlig homologe Bildungen betrachtet werden können, so stimmen sie wenig- stens darin überein, dass sie gleicherweise von den Ambulakralfeldern der armtragenden Echinodermen sich wesentlich unterscheiden. Dies widerspricht natürlich der bisher üblichen Auffassung von der Ueber- einstimmung im Bau der verschiedenen Echinodermen. J. Müller hat die mit Ambulakralfüsschen besetzte Oberfläche bei allen Echinodermen als ambulakrale Zone von der vom Wasserge- fässsystem nicht versorgten antiambulakralen unterschieden, und die gleichnamigen Zonen für gleichwerthig erklärt. Folglich wurde die ganze Rückenseite der Seesterne und der Krinoidenkelch nebst der Rückenseite seiner Arme dem Apex der Seeigel gleichgesetzt, bei den Holothurien aber eine solche Zone ganz vermisst (Nr. 29 S. 133). Ein Seeigel oder eine Holothurie wäre also aus einem Seestern SO entstanden zu denken, dass die Seesternarme gegen den oberen Pol umgeschlagen wären und unter gleichzeitigem Schwund der gesamm- ten Rückenseite mit ihren Spitzen im Apex zusammenstossen (vgl. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 629 Müller Nr. 298. 175, Gegenbaur Nr. 9 S. 305, 314). Da aber an dem jungen, noch mit den unpaaren Tentakeln versehenen See- igel der ganze konvexe Rückentheil aus dem gleichen rechten Lar- venantimer hervorgegangen ist, aus welchem auch das von den Armbasen umschriebene Rückencentrum der Seesterne und Ophiuren entsteht und auf welches auch der basale Kelchtheil der Comatula zu beziehen ist (s. 0.), so sind auch im Gegensatz zu der bisherigen Auffassung die obengenannten aboralen Köpertheile der Sterne nicht bloss dem Apex, sondern dem ganzen konvexen Abschnitt der Seeigel, und die Bauchseite der letzteren dem nächsten Umkreise des Mundes bei den Sternen gleichzusetzen; die Arme sind aber als den Sternen ausschliesslich eigene Bildungen dabei ganz ausser Vergleich zu lassen. Aus Fig. 45 und 46 ergiebt sich, dass das rechte Larven- antimer der Seesterne durch die 5 interradialen Skeletstücke des Rückencentrums bezeichnet wird, und Fig. 47 lehrt, dass daraus lediglich der centralwärts von der Madreporenplatte gelegene Scheitel des Seesterns entsteht, welcher also allein der ganzen konvexen Seeigelhälfte entspricht (Fig. 49), statt dass bisher gerade umge- kehrt der Apex der Seeigel mit der ganzen antiambulakralen Rücken- seite der Seesterne verglichen wurde. Obgleich wir für die Holo- thurien dasselbe wie für die Seeigel nicht direkt zu beweisen ver- mögen, weil die Grenzen ihrer Larvenantimeren durch die radiäre Umbildung vollständig aufgehoben werden, so gibt uns der .oben ausgeführte Vergleich zwischen Holothurien und den jungen Coma- tulalarven ein Mittel an die Hand, um in dem oralen Ende der ersteren ohne die Tentakel die ‚Bauchseite der Seeigel, mit den Ten- takeln aber die ganze orale, armtragende Körperhälfte der Sterne wiederzuerkennen. Der übrige gestreckte Holothurienkörper ent- spricht alsdann natürlich den oben miteinander verglichenen dor- salen Theilen der anderen Echinodermen. Eine hübsche Illustration für diese Auffassung bietet noch die wurmförmige Asterienlarve J. Müller’s, welche den geringelten Holothurienlarven so auffal- lend ähnlich ist (Nr. 24 S. 26). Die orale Seite des Sterns mit den Armen entsteht an der Bauchseite der ersten Ringsegmente, also ebendort, wo auch der von den Tentakeln umgebene Mund der Holothurienlarven liegt. Der grössere Rückentheil jener Segmente sowie die ganzen hinteren Segmente, was eben dem Gros des Ho- lothurienkörpers entspricht, zieht sich bei jenen Asterienlarven in den Rückentheil des Sterns zusammen, — Dieser Vergleich macht 630 Alexander Goette: aber auch auf einen gewissen Zusammenhang zwischen der Arm- bildung und der übrigen Körperform der Echinodermen aufmerk- sam; denn mit der ersteren sehen wir stets eine gewisse Reduktion der aboralen Körperhälfte eintreten, welche ihrerseits dort, wo Arme fehlen, die orale Seite mehr oder weniger bedeutend übertrifft. Die Sterne stellen ‚die erstere Form, Seeigel und Holothurien die andere Form dar; das oben erwähnte Beispiel der wurmförmigen Asterien- larve giebt die Andeutung eines denkbaren Uebergangs zwischen beiden, aber erst in der Entwickelungsgeschichte der Comatula er- halten wir die vollständigste und bezeichnendste Entwickelungsreihe für die angegebenen Verhältnisse, indem der ursprüngliche Kelck sich gerade in demselben Masse zurückbildet, als die Arme sich ent- wickeln. Und daraufhin dürfte es nicht schwer sein, in der ganzen Abtheilung der Krinoiden im weiteren Sinne das an verschiedenen Formen bestätigt zu finden, was die Entwickelungsgeschichte der Comatula im successiven Wechsel an demselben Individuum lehrt. Kurz, wir können die Comatula auch in den letztgedachten Be- ziehungen als eine Zwischen- oder Uebergangsform bezeichnen, welche mehr als jede andere unter den Echinodermen nach den verschie- densten Seiten Anknüpfungspunkte bietet. Hinsichtlich der wesentlichsten oder Ordnungsunterschiede in der Larvenmetamorphose aller Echinodermen haben wir folgende Ergebnisse zu verzeichnen. 1. Je unvollkommener die bilateral- symmetrische Anordnung der embryonalen Anlagen ist, desto früher und vollständiger wird dieselbe aufgehoben und umgekehrt. Asterien, Ophiuren und Seeigel erhalten die beiden Larvenantimeren nicht nur während der Larvenentwickelung am längsten, sondern verwandeln sie auch in gesonderte (orale, aborale) Körperhälften; bei Comatula ist dies nur theilweise der Fall, bei den Holothurien, deren Larvenantimeren am frühesten unkenntlich werden, gar nicht mehr. 2. Die Tentakel- anlagen der oralen Seite der sich verwandelnden Larven ergeben eine andere Strahlgliederung als die aborale Körperhälfte und stehen mit der letzteren in einem Wechselverhältniss der weiteren 'Ausbildung. Die zu Armen auswachsenden Tentakelanlagen der Asterien uud Ophiuren reduciren diejaborale Körperhälfte (dorsalesScheibencentrum) und über- tragen ihre eigene Anordnung auf den ganzen Organismus. Bei der geringen;Entwickelung der ursprünglichen Tentakelanlagen der Holo- thurien erhalten deren”aborale Körperhälften das Uebergewicht, so- dass auch ‚die Strahlgliederung der letzteren, welche den Interradien Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. : 631 der Sterne entspricht, allein zum Ausdrucke des typischen Baues dient. Comatula neigt in den frühesten Entwickelungsperioden zu der letzteren Form, später schliesst sie sich den übrigen Sternen an. Die Seeigel nehmen in der Entwickelungsgeschichte wie im fertigen Zustande eine besondere Mittelstellung zwischen den Sternen und Holothurien ein. Ich habe gezeigt, dass allen Echinodermen gemeinsam ist: 1. Der gastroaxiale Wurmtypus der Embryonalform mit einer unvollkommenen Anlage und Ausbildung der ihm zukommenden bilateralen Symmetrie, 2. die Verwandlung dieser Larvenform in die Strahlform des fertigen Thiers vermittelst einer eigenthümlichen Umlagerung der asymmetrisch angelegten Organe. Als wesentlich verschieden innerhalb dieses allgemeinen Entwickelungsganges ergeben sieh: 1. der Grad der Umbildung der scheinbar gleich- mässigen Gastrula in jene Wurmform, 2. das Mass und die äussere Erscheinung der Asymmetrie in der letzteren, und in Folge dessen 3. der besondere Verlauf der im allgemeinen gleichen Metamor- phose, endlich 4. das erst ganz zuletzt festgestellte Verhältniss der oralen Körpertheile zu den aboralen. Innerhalb jeder dieser Kate- gorien sind die äussersten Unterschiede durch Uebergangsformen miteinander verbunden, entsteht also eine Bildungsreihe; um leichter zu übersehen, wie sich alle diese Reihen im einzelnen dar- stellen und zu einander verhalten, will ich sie auf Grund der voran- geschickten Untersuchungen kurz zusammenstellen. 1. Reihe (Embryonalform S. 603). Wir müssten hier Comatula, Ophiuren und Seeigel, Seesterne und Holothurien auf- einander folgen lassen. Nur bliebe zu bemerken, dass Comatula durch die Anwesenheit des hinteren darmlosen Körperabschnitts (An- lage des Stiels) sich schon im Embryonalzustande von allen übrigen Echinodermen entfernt. Denkt man sich Uebergangsstadien mit all- mähligem Schwunde jener Stielanlage, so stände vielleicht Comatula den übrigen Ordnungen gleich nahe, d. h. etwa zwischen den genann- ten beiden Doppelgruppen. 2. Reihe (Asymmetrie der Anlage). Auch hier fügt sich Coma- tula nicht ganz einfach .in die Reihe, welche mit der geringsten Asymmetrie in der Entstehung und dem Wachsthum der Organe be- ginnend so lauten müsste: Ophiuren, Seeigel, Seesterne, 632 Alexander Goette: Holothurien. Denn nach Symmetrie im Ursprunge der Organe schliesst sich Comatula den Ophiuren, nach der Dreizahl derselben den Asterien und Seeigeln, und nach deren frühzeitiger Umlagerung den Holothurien an, zeigt also gleichmässig Beziehungen zu allen jenen Ordnungen. 3. Reihe (Metamorphose). Nach dem Verhältniss der Form- theile der Larve zu denen des Strahlthiers (Umbildung der Larven- antimeren) verbindet Comatula die zwei darin ziemlich schroff ent- gegengesetzten Gruppen der Holothurien und der übrigen Echino- dermen. Es folgen also aufeinander: Seeigel, Ophiuren, See- sterne, Comatula, Holothurien. — In ähnlicher Weise ver- mittelt Comatula auch hinsichtlich eines untergeordneten Vorgangs, nämlich der Mundbildung; nur würden die daraufhin und nach an- deren äusseren Larvenmerkmalen festzustellenden Reihen nicht nur die Ordnungen, sondern selbst engere Abtheilungen auseinander- reissen. 4. Reihe (vollendete Form). Ophiuren und Asterien einerseits und die Holothurien anderseits stellen die Extreme dar, welche durch den Entwickelungsverlauf der Comatula verbunden erscheinen. Die Seeigel stehen wie erwähnt zwischen den Sternen und Holothurien. Die sich daraus ergebende Reihe ist also: Ophiuren, Seesterne Comatula, Seeigel, Holothurien. Es ist ganz natürlich, aus diesen Reihen auf genetische Beziehungen der darin zusammengestellten Formen schliessen zu wollen. Nur möchte ich unter diesem Ausdrucke nicht ohne weiteres den genealogischen Zusammenhang der Abtheilungen und Indivi- duen verstanden wissen, was ich gegenüber der üblichen Auffassung gleich eingangs der weiteren Erörterung jener Beziehungen betonen will. Verwandtschaft der »Formen« heisst für mich zunächst nur soviel als Gemeinschaft des Entwickelungsgesetzes. Dabei ist die Blutsverwandtschaft oft möglich, unter Umständen sogar wahrschein- lich, aber keineswegs immer selbstverständlich nach dem Grundsatz: »Formengemeinschaft ist Blutsverwandtschaft« (Haeckel). Die voran- stehenden Resultate meiner vergleichenden Untersuchungen über die Entwickelung der Echinodermen dürften meine Ansicht bestätigen. In jenen Umbildungsreihen einer Grundform, eines Organs, eines bestimmten Lageverhältnisses u. s. w. können wir allerdings jede einzelne Bildung durch eine geringe Abweichung aus der ihr zu- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 633 nächst stehenden, mit ihr am meisten übereinstimmenden entstanden denken, und so durch eine zusammenhängende Kette fortlaufender Abänderungen verschiedene Formen doch auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückführen. Wollte man nun desshalb in jenen Reihen einen genealogischen Zusammenhang erblicken, so wider- spräche dem die Thatsache, dass sie sich nicht decken, also ver- schiedene genealogische Zusammenhänge derselben Thiere bezeugen müssten, da eine Auswahl unter den Reihen eben die allgemeine Giltigkeit des Grundsatzes: Formengemeinschaft ist Blutsverwandt- schaft, umstossen würde. Anders ist es, wenn man unter dem ge- meinsamen Ausgangspunkt nur einen gleichen, nicht identischen ver- steht, und in der Formenreihe, welche von ihm zu jeder einzelnen der folgenden Bildungsstufen führt, nicht gleich die thatsächliche Genealogie der uns bekannten Träger jener Formen, sondern zu- nächst nur das Bild des Entwickelungsganges bis zu jener Stufe sieht, dessen Träger jenen ersten nur form- nicht blutsverwandt sein mögen. Dann stört die offenbare Nichtkongruenz jener Reihen natürlich nicht. In jeder Reihe finden wir nur die Andeutung über den Entwickelungsgang eines bestimmten Formverhältnisses, nicht gleich des ganzen Organismus, und der weiteren Untersuchung bleibt es überlassen zu entscheiden, ob eine und welche der uns gerade vorliegenden Reihen wahrscheinlicherweise den genealogischen Zusammenhang der betrefienden Thiere darstellt. Auch ist es durch- aus keine Konsequenz der allgemein anerkannten Descendenztheorie, dass die Phylogenese sich in solchen konstruirten Entwickelungs- reihen wirklich offenbare; und ich komme damit auf einen Haupt- einwand zu sprechen, den ich. gegen die eigentliche Darwin’sche Theorie erhebe. Sie ging bekanntlich nicht von der Entwickelungs- geschichte, sondern von den wechselnden Lebensbedingungen der Organismen in ihren äusseren Umgebungen aus; indem die daraus abgeleitete Selektionstheorie den Prozess der Artsonderung — als Er- haltung der im Kampf ums Dasein bewährten Formen gegenüber den nicht erhaltungsfähigen — darlegte und dem Gedanken der allge- meinen Descendenztheorie freie Bahn brach, musste es Darwin nahe liegen, auch die individuelle Formbildung, deren rein ontogene- tische Begründung von ihm nicht versucht wurde, wesentlich von den äusseren Lebensbedingungen abhängig zu machen. Er- schien aber auf diese Weise die Anpassung nach aussen als die unmittelbare Ursache jeder Neubildung, welche also relativ unab- 634 Alexander Goette: hängig von den bereits vorhandenen Formen entstand !), so war es jedenfalls natürlicher, eine Bildung oder gar einen ganzen Entwicke- lungsverlauf, welche sich in einer grossen Anzahl von Fällen wieder- holten, aus einer einzigen Quelle abzuleiten, statt sie auf ebensoviele vereinzelte Bildungsprozesse zu beziehen, welche nicht nothwendig einem gleichen Entwickelungsgesetz, sondern dem zufälligen Zu- sammentreffen ähnlicher oder gleicher Anpassungsprodukte ent- sprangen. Denn nur bei der ersten Annahme ist es dem Darwinis- mus möglich, eine Entwickelungseinheit in das Reich der Organismen einzuführen; und anderseits wüsste ich sonst keinen Grund anzuführen für die von den Darwinisten wie es scheint allgemein angenommene Identität der Formengemeinschaft und Blutsverwandtschaft. Unter solchen Umständen muss allerdings jeder Versuch, die morphologi- schen Beziehungen einer Anzahl von Organismen zu ergründen, in einem Stammbaum zum Ausdruck kommen, welcher nicht bloss jene Beziehungen graphisch darstellen, sondern eine Uebersicht des thatsächlich genealogischen Zusammenhanges der betreffenden Orga- nismen geben soll. — Ich kann mich dieser ganzen Darwinistischen Anschauungsweise nicht anschliessen. Aus einer näheren Unter- suchung aller Thatsachen der individuellen Entwickelungsgeschichte scheint mir hervorzugehen, dass jede erbliche morphologische Ver- änderung eines Organismus niemals in einer Anpassung desselben, sondern nur in der Ontogenie selbst ursprünglich begründet sein kann, welche für alle Thiere aus einem gleichen Kausalzusammenhange wesentlich ebenfalls gleicher grundlegenden Faktoren entspringt; sodass die Verschiedenheit der fertigen Formen aus der durch alle Entwicke- lungsstufen fortschreitend gesteigerten Divergenz von anfangs unterge- ordneten Unterschieden des Ausgangspunktes hervorgeht (vgl. N. 10 S. 861—887. 902). Wenn daher auf diese Weise selbst die ver- schiedensten Bildungen durch das nach seiner Entstehung und seinem allgemeinen Kausalnexus gleiche Entwickelungsgesetz einen einheitlichen Zusammenhang finden, so gilt dies natürlich in erhöhtem Grade für jede beschränktere Abtheilung des Thierreichs, weil in ihr die Aehnlichkeit des Entwickelungsgesetzes der verschiedenen 1) Ich habe schon früher darauf hingewiesen (Nr. 10 S. 897), dass nach Darwin’s Vorstellung, die ich bei seinen Anhängern nicht widerlegt finde, die einzelnen Erscheinungen eines Entwickelungsverlaufs unabhängig von ein- ander entständen. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 635 Glieder noch grösser ist. Eine jede Zusammenstellung der näheren und entfernteren Formbeziehungen solcher zusammengehöriger Glieder ruht daher bereits auf einer einheitlichen Grundlage, ohne dass wir es nöthig hätten, in dieser idealen Verwandtschaft auch schon das Band der Blutsverwandtschaft zu erkennen, deren unbedingte Annahme uns nicht selten eine ganze Reihe von Schwierigkeiten bereitet. Anderseits bleibt aber das Princip der Descendenztheorie, dass jede Form durch allmählige Umbildung aus einer allereinfachsten ersten entstanden sei, bei einer unbegrenzten Anzahl von isolirten Ab- stammungsreihen ebenso gewahrt wie bei einem monophyletischen Ursprunge aller Organismen. Sobald aber bei einer solchen Auf- fassung die wirkliche Genealogie nicht mehr unbedingt die Voraus- setzung und das Endziel vergleichend-anatomischer Untersuchungen darstellt, so werden dieselben häufig genug selbst die Wahrschein- lichheit des genealogischen Zusammenhangs auf enge Grenzen be- schränken. Und indem ich jetzt zu der Erörterung über die gene- tischen Beziehungen der verschiedenen Echinodermenformen zurück- kehre, hoffe ich das Gesagte genügend belegen zu können. Bekanntlich hat schon Haeckel den besonderen genealogi- schen Zusammenhang der verschiedenen Abtheilungen der Echinodermen unter sich — ihre Blutsverwandtschaft überhaupt gilt ihm auf Grund der Formgemeinschaft als unzweifelhaft — aus ihrer Entwickelungsgeschichte festzustellen gesucht (Nr. 11 IIS. LXI u. flg.). Er ging davon aus, dass alle Echinodermen durch einen Generationswechsel in wurmförmigen Ammen (Echinodermen- larven) entständen, indem eine Anzahl von inneren Knospen der letzteren sich miteinander in radiärer Anordnung verbänden. Die Aehnlichkeit dieser Entwickelungsvorgänge sowie auch mancher Formverhältnisse mit analogen Erscheinungen bei den Würmern rechtfertige die Hypothese, dass »die Echinodermen als echte Stöcke oder Cormen von gegliederten Würmern zu betrachten sind, welche durch innere Knospung — — im Innern echter Würmer entstanden sind«. Da ferner die Stockbildung in den am meisten getrennten Antimeren der Asterien noch am wenigsten verwischt sei, so müsste auch diese Abtheilung die Stammform aller übrigen Echinodermen sein. Dann ergebe sich die genealogische Reihenfolge so: Asterida, Crinoida, Echinida, Holothuriae. Wenn aber schon J. Müller selbst den von ihm anfangs angenommenen Generationswechsel in der Echinodermenentwickelung für eine bloss eigenthümliche Meta- 636 Alexander Goette: morphose erklärte (vgl. Nr. 22 S. 23, Nr. 23 S. 31 und Nr. 26 ‘8. 21. 22), so ist dies durch die späteren Untersuchungen, nament- lich von Metschnikoff vollkommen bestätigt worden, welcher Letztere auch schon die Irrthümer der Haeckel’schen Hypothese von der Knospenbildung in den Echinodermenlarven genügend auf- gedeckt hat (Nr. 21 S. 68 u. flg.). Und die von mir dargelegte Entwickelungsgeschichte der Comatula ist erst recht geeignet, jene »paradoxe« Auffassung zu widerlegen; denn die Strahlgliederung der gesammten angeblichen Amme wird in der Skeletbildung bereits angelegt, bevor die vermeintlichen Wurmknospen, d. h. in Wahrheit bloss die Tentakelanlagen sich aus ihrer gemeinsamen Grundlage zu sondern beginnen. Mit jener Hypothese Haeckel’s fällt aber natürlich auch der darauf gegründete Stammbaum der Echinodermen. Sehen wir uns daher nach den Aufschlüssen um, welche uns jene oben mitgetheilten, aus der Entwickelungsgeschichte der Echinoder- men abgeleiteten Bildungsreihen gewähren. Zunächst können wir für die hier in Betracht kommenden Fragen diejenigen Reihen aus- schliessen, welche sich bloss auf untergeordnete, unbeständige Lar- venmerkmale beziehen; denn da diese letzteren, z. B. die äusseren Larvenformen, ohne nachweisbaren entsprechenden Einfluss auf die folgende Bildung des Echinoderms, selbst innerhalb derselben Gat- tung sehr auffallend wechseln (Asteracanthion) und ferner in sehr ähnlicher Gestalt den verschiedensten Echinodermenformen zukom- men, so können sie nicht irgend welchen wesentlichen Verhältnissen des Larvenbaues ihre Entstehung verdanken, daher auch eine wirk- liche Verwandtschaft ihrer Träger weder begründen noch aus- schliessen. Vergleichen wir die vier übrigen, die wesentlichen Form- verhältnisse betreffenden Entwickelungsreihen, so ergibt sich einmal, dass sie sich nicht miteinander decken und dass ferner Comatula nicht sowohl in den Reihen selbst ihren Platz hat, als vielmehr eine schwankende Stellung ausserhalb derselben einnimmt, von wo sie bald gleicherweise nach verschiedenen Seiten Anknüpfungspunkte bietet (1. 2. 4. Reihe) oder die Gegensätze der anderen Ordnungen mehr andeutungsweise ausgleicht. In ähnlicher Weise verhalten sich die Seeigel in der 4. Reihe. Aus allen diesen Thatsachen schliesse ich, dass die Krinoiden, Asterien, Ophiuren, Seeigel und Holothurien überhaupt in keiner einfachen genealogischen Reihenfolge entstanden, sondern dass die vier letztgenannten Ordnungen sich selbstständig nebeneinander entwickelten, und zwar aus Formen, Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 637 welche der Comatula in verschiedenem Masse, aber doch näher standen als jenen anderen Ordnungen, also aus den Krinoiden im weiteren Sinne. Die ÖOphiuren und Asterien stehen einander aller- dings sehr nahe; aber es dürfte ebenso leicht sein, sie nebenein- ander von den Krinoiden (erstere z. B. durch die Euryaliden) als unmittelbar von einander abzuleiten. Die Seeigel nähern sich in der ganzen Larvenbildung und der Metamorphose jenen Sternen, und entfernen sich darin von den Holothurien; der Anschluss an die letzteren wird erst durch die vollendete Form herbeigeführt. Seeigel und Holothurien dürften daher ebenfalls je einen besonderen Ursprung in der Krinoidenabtheilung haben, welche nach allem als der Komplex der ältesten Echinodermenformen zu betrachten wäre. -So wahrscheinlich mir nun die selbstständige Entwickelung der vier genannten Ordnungen bis zu den Krinoiden hinab sich darstellt, so wenig Anhaltspunkte besitzen wir, um diesen Ursprung näher zu bestimmen, namentlich so lange uns von der Organisation der fossi- len Krinoiden so wenig Sicheres bekannt ist. Allerdings liessen sich der Entwickelungsgeschichte der Comatula Andeutungen über ge- wisse genetische Beziehungen entnehmen, welche aber nach meiner Ansicht keineswegs genügen, um nur ähnliche Entwickelungsver- läufe sicher festzustellen, wie viel weniger die Wahrscheinlichkeit eines genealogischen Zusammenhangs. So mögen die von mir be- schriebenen Missbildungen der Comatulalarven die Entstehung eines Holopus beleuchten, an welcher Form man wohl Aehnlichkeiten mit Holothurien herausfinden könnte (vgl. Nr. 3). Ferner liesse sich vielleicht der gedeckte Vorraum der Comatulalarven in Ueber- einstimmung bringen mit dem nach Ansicht verschiedener Forscher wahrscheinlichen Verhalten der oralen Seite mancher Brachiaten und Cystideen, deren Ambulakralrinnen und Mund überdacht seien, so dass nur die Arme durch Oeffnungen dieser Decke frei heraustreten; wofür uns Lütken in der von ihm entdeckten merkwürdigen Hy- ponome Sarsii, einem scheinbar zwischen Euryaliden, Brachiaten und Cystideen stehenden Thier, ein lebendes Beispiel vorführte (vgl. Leuckart’s Jahresbericht für 1868—1869, S. 181). Die Aehn- lichkeit mit den Comatulalarven ist hergestellt, sobald wir uns nur das Dach ihres Vorraums wohl zwischen den Oralia, wo die Arme hervortreten, gespalten, am Scheitel aber erhalten denken. Wollten wir alle solche Andeutungen zu genealogischen Konstruk- tionen benutzen, so könnten wir die Asteriden und Holothurien 638 Alexander Goette: ebenso gut durch die Brachiaten wie direkt und neben den letzteren von den Cystideen ableiten, wie es auch schon für die Seeigel ver- sucht wurde; thatsächlich finden wir aber nur gewisse Formver- wandtschaften zwischen allen genannten Ordnungen oder Klassen, ohne dass eine bestimmte Gruppirung entschieden annehmbarer wäre. Wirkliche Zeugnisse: eines genealogischen Zusammenhangs kann nur derjenige darin erblicken, dem die Blutsverwandtschaft formverwandter Organismen Axiom ist. Dann lassen sich freilich auch die Blastoideen irgendwo an die Wurzel des Stammbaums an- bringen. Mir genügt es, unter der Voraussetzung, dass ähnliche Bildungen aus ähnlichen Ursachen hervorgehen, aus allen Form- verwandtschaften den Bildungsgang der einen oder anderen Form zu einfacheren Vorstufen zurück zu konstruiren, und im glücklichen Falle zu erkennen, dass die letzteren unter sich zu immer grösserer Aehnlichkeit konvergiren, also auf ein Grundgesetz der Entwickelung hinweisen; genealogische Hypothesen, welche über die einzelne Ab- stammungsreihe hinausgehen, können nach meiner oben begründeten Auffassung für jene Erkenntniss weder nothwendig noch förderlich sein. — Das Resultat dieser Erörterung ist, dass der genealogische Zusammenhang der Echinodermen nur innerhalb der noch jetzt vertretenen Ordnungen und zwischen diesen und unbekannten Kri- noiden zugestanden werden kann; die Annahme näherer genealo- gischer Beziehungen dieser Ordnungen unter sich scheint mir ebenso wenig wie diejenige von der genealogischen Einheit aller Echino- dermen irgendwie durch Beobachtung oder allgemeine Ueberlegung gefordert zu sein. Zum Schluss sei noch kurz der Beziehungen gedacht, welche dieEchinodermen zu anderen Thierklassen zei- gen. Vernünftigerweise konnten und können dabei nur die Coelen- teraten und Würmer in Betracht kommen. Bekanntlich ist es Agassiz nicht gelungen, die Zusammengehörigkeit der Coelentera- ten und Echinodermen in eine Klasse ‘der Radiaten auf Grund ihrer Entwickelungsgeschichte nachzuweisen, weil er ganz unnatürlicher- weise bereits in den Echinodermenlarven einen radiären Typus zu sehen behauptete (vgl. Nr. 2 S. 105 u. flg.). Ueberzeugender hat neuerdings Metschnikoff die Verwandtschaft jener beiden Klassen entwickelungsgeschichtlich zu begründen gesucht, indem er die bi- laterale Symmetrie der Ktenophoren und deren Darmaussackungen als die nächst dem Darm wichtigsten inneren Anlagen zum Ver- Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 639 gleich mit den ähnlichen Bildungen der Echinodermen heranzog (Nr. 21 S. 72 u. fig). Wenn nun Metschnikoff auch die Unter- schiede beider Klassen nicht übersehen und sie daher als zwei ver- schiedene Typen behandelt wissen will, so scheint er mir doch zu weit zu gehen, indem er zwischen ihnen denselben Grad der Aehn- lichkeit oder Verwandtschaft annimmt wie zwischen den höheren Würmern und den Arthropoden (a. a. O. S. 77). Jene bezeichnen- den Darmaussackungen kommen nämlich auch in den Larven ganz anderer Typen in ähnlicher Weise vor (Sagitta, Brachiopoden), und die bilaterale Symmetrie an sich würde in demselben Masse als sie die genannten beiden Klassen verbände, sie zugleich auch den an- deren Klassen, Würmern, Arthropoden u. s. w. nähern. Das die Coelenteraten und Echinodermen gemeinsam von den ande- ren Typen Trennende sehe ich vielmehr darin, dass in den ersteren die bilaterale Symmetrie niemals vollkommen ausgebildet wird oder gegenüber der Strahlgliederung zur ausschliesslichen Herrschaft in der Anordnung der Körpertheile gelangt. Unter den Coelenteraten kann man von einer solchen Symmetrie eigentlich nur bei den Siphonophoren reden, welche aber im übrigen am we- nigsten zum Vergleich mit anderen Klassen auffordern und daher hier nicht weiter berücksichtigt werden sollen; in den übrigen Ab- theilungen, auch den Ktenophoren, zeigt sich lediglich eine Ungleichheit der Strahlsegmente in verschiedenen, nicht in denselben Durchmessern, so dass zwei gleichwerthige Haupttheilungsebenen gegenüber der einen Medianebene der bilateral-symmetrischen Thiere entstehen, und jede von ihnen gleiche, nicht bloss symmetrische Hälften scheidet. Nirgends wird aber durch diese Ungleichheit die radiäre Anordnung homologer Körperschnitte um eine gemeinsame den Darm durchziehende Axe aufgehoben. Bei den Echinodermen ist die bilaterale Symmetrie der Larven, wie ich zeigte, von Anfang an unvollkommen und macht in der Metamorphose einer entschiedenen Strahlgliederung Platz, der gegenüber eine nur bisweilen sekundär erscheinende und bloss untergeordnete Verhältnisse betreffende bilaterale Symmetrie (Spatangoiden, Holothurien) durchaus zurücktritt. In der Grund- form der verschiedenen Würmer, Arthropoden, Mollusken, welche ich ganz allgemein als Wurmtypus bezeichne, ist im Gegensatz zu den Coelenteraten und Echinodermen die bilaterale Symmetrie zum vollkommenen und bleibenden Ausdrucke gelangt. In dieser Dar- stellung der allgemeinsten Eigenthümlichkeit, wodurch sich Coelen- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd, 12, 42 640 Alexander Goette: teraten und Echinodermen gemeinsam von den anderen Typen un- terscheiden, ist aber auch schon die wesentlichste Differenz jener beiden Gruppen unter sich angedeutet. Bei den Coelenteraten be- gleitet die bilaterale Anordnung die Strahlgliederung als unter- geordnetes Moment, während die bilaterale Symmetrie der Echino- dermenlarven die radiäre Anordnung vollständig ausschliesst und dieselben durchaus den Würmern u. s. w. nähert; und wenn sie später doch von der Strahlgliederung verdrängt wird, so entwickelt sich die letztere doch auf ganz anderer Grundlage als bei den Coe- lenteraten. Dass diese Unterschiede nun nicht etwa sekundär un- tergeordnete seien, beweist am besten die Bildungsgeschichte der betreffenden Embryonen, deren grundsätzliche Differenzen unmöglich ausser Zusammenhang mit den späteren Organisationsverhältnissen gedacht werden können, wie ich denn auch eine solche ursächliche Verbindung bereits näher angedeutet habe (Nr. 10 S. 861 u. fig.). Beachtet man, dass bei den Coelenteraten die Gastrula- oder Schei- telaxe des Eies zur späteren Hauptaxe des Körpers wird, dass eine solche Hauptaxe der Würmer hingegen sich in der Richtung einer Kreuzaxe des Eies entwickelt, so erhellt, dass die Echinodermen sich in dieser Hinsicht den Würmern in demselben Masse nähern, als sie sich von den Coelenteraten entfernen, wie es eben von ihrem sanzen Larvenbau gezeigt wurde. Dies könnte die schon mehrfach geäusserte Ansicht zu begründen scheinen, dass die Echinodermen, wenn auch nicht in der bereits kritisirten Weise als Wurmstöcke, immerhin von Würmern abstammten, gewissermassen degenerirte Abkömmlinge von solchen seien. Sowie aber die Aehnlichkeit der Echinodermenlarven mit den Würmern und ihren Larven bisher mehr in den äusseren Formen und der allgemeinen bilateral-sym- metrischen Organisation als in den von mir hervorgehobenen und wie ich glaube auch wichtigeren Axenverhältnissen gesucht wurde, so hat man die wesentlichen Unterschiede jener Larvenformen ganz übersehen. Zuerst muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass jene Axenverhältnisse in beiden Typen nicht durchweg identische sind, sondern bei den Echinodermen in verschiedenem Masse vom Wurmtypus abweichen und sich daher als noch nicht ganz befestigte, schwankende darstellen. Ferner wurde bisher, wie gesagt, die Asymmetrie der Echinodermenlarven viel zu sehr als sekundäre Erscheinung behandelt und ihre frühzeitige Anlage in den jüngsten Larven verkannt. Wenzn man vielleicht annehmen möchte, dass Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranen. 641 diese Asymmetrie nicht so belangreich sei, weil z. B. die Balano- elossuslarve Tornaria ebenfalls eine einseitige Darmaussackung zeige (vgl. Fig. 25), so beweist eben die nächste Folge, dass jenes ähnliche Verhältniss bei den Echinodermen zu einer progressiven Steigerung, bei Tornaria aber zur baldigen Ausgleichung der Asymmetrie führt, dass es also in beiden Fällen der Ausdruck sehr verschiedener, ein- mal typisch wichtiger, das andere Mal ganz untergeordneter Bil- dungsursachen ist. Was aber im übrigen die grosse Aehnlichkeit der Tornaria mit einer jungen Auricularia oder Bipinnaria betrifft (vgl. Fig. 25 u. 34), so lässt sich daran gerade der Nachweis des auffallendsten Unterschiedes zwischen den Echinodermen- und den Wurmlarven anknüpfen. Wir wissen nicht, wie sich die Tornaria aus der ihr zu Grunde liegenden Gastrula entwickelt. Aber schon nach ihrem uns bekannten jüngeren Zustande -können wir sie mit der Phoronislarve Actinotrocha noch viel besser vergleichen als mit irgend einer Echinodermenlarve (vgl. Fig. 25. 42. 43). Der aus jener Darmaussackung hervorgehende Wassergefässschlauch der Tornaria, welcher der Actinotrocha fehlt, könnte allein dagegen sprechen, obgleich er in der charakteristischen Verbindung mit der Oberhaut auch bei Comatula fehlt. Dafür besitzen beide Larven den vom Schlunde zum Scheitel hinziehenden kontraktilen Strang — bei Tornaria verbindet er sich nach meinen Befunden erst nach- träglich mit dem Wassergefässschlauch —, welcher den Echinoder- men fehlt, und erscheinen ferner durch die ganze äussere Körper- form, die drei ursprünglichen Wimperschnüre, die Lage des terminalen Afters innerhalb des hintersten Wimperreifens, endlich durch die viel vollkommenere und beständige bilaterale Symmetrie ihrer Or- ganisation einander viel mehr verwandt als den Echinodermenlarven. Die Actinotrocha entsteht aber durchaus anders als die letzteren, indem nämlich ihre Gastrulaöffnung nicht sowie durchweg bei diesen in den After, sondern in den Mund sich verwandelt (vgl. Fig. 41). Es begreift sich, dass demnach die vergleichbaren Axenverhältnisse und homologen Körpertheile der beiderlei Larven sich ganz anders gestalten, als wenn man bloss nach der fertigen äusseren Form urtheilte. Die Taf. XXVII, auf welcher alle Larven (Tornaria und die Bipinnaria Fig. 24 ausgenommen) in relativ gleicher Lage so dar- gestellt sind, dass die ursprüngliche Gastrulaaxe senkrecht steht und die sekundäre Darmöffnung nach links zu liegen kommt, wird das Gesagte besser erläutern als eine Beschreibung; man vergleiche 642 Alexander Goette: dort die Actinotrocha Fig. 41 mit den Echinodermenlarven Fig. 27—40 und man wird finden, dass die eine Form in der Längsrichtung gerade umgekehrt sich verhält wie die andere: das Kopfende der Actino- trocha entspricht dem Hinterende der Echinodermenlarven. Er- scheint nun Tornaria in vielen Beziehungen der Actinotrocha ver- wandter als den Echinodermenlarven, so ist es auch wahrschein- licher, dass sie nicht wie die letzteren, sondern wie jene Gephyreen- larve entsteht, dass also ihre äussere Aehnlichkeit mit Auricularia gerade die wesentliche Bedeutung wirklich gleicher Lagebeziehungen verliert. Jedenfalls wissen wir es aber von Phascolosoma (vgl. Selenka Nr. 34), von Nematoden (Bütschli Nr. 5) und Oligo- chaeten (Kowalewsky Nr. 14), d. h. von allen Würmern, deren Larven oder Embryonen in der gedachten Beziehung bisher über- haupt untersucht wurden, dass sie darin mit Actinotrocha überein- stimmen (vgl. Fig. 41, 44). Kurz, wir sehen die Larvenbildung der Echinodermen und Würmer, wenn wir nicht von der äusseren Form, sondern von den genetisch begründeten Lagebeziehungen aus- gehen, viel mehr divergiren als es noch in den embryonalen Axen- verhältnissen der Fall schien, ja so sehr, dass die Ableitung der Echinodermen von den Würmern entwickelungsgeschichtlich unmög- lich erscheint, Die Aehnlichkeit ihrer Larven ergibt sich dann als ebenso bedeutungslos wie die früheren Vergleiche der Comatula- larven mit jungen Bipinnarien, Auricularien und Holothurienpuppen, wobei man in der Gastrulaeinstülpung der ersteren ganz verkehrt den ähnlich vertieften Mund der anderen Larven wiederzuerkennen glaubte. Allerdings dürfen wir das oben Gesagte noch nicht von allen Würmern behaupten ; um so wichtiger ist es, dass es bereits für die Gephyreen sicher gilt, welche bisher als die nächsten Ver- wandten der Echinodermen unter den Würmern angesehen wurden, aber nicht nur aus den erwähnten Ursachen, sondern nach Selen- ka’s Untersuchungen auch durch die Entwickelung eines ventralen Keimstreifs alle Ansprüche auf jene Verwandtschaft eingebüsst haben. Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung über die genetischen Beziehungen der Echinodermen zu anderen Thierklassen kurz zusammen, so müssen wir sagen, dass die Echinodermen sich in demselben Masse von den Coelenteraten entfernen, als sie unfähig sind, den Wurmtypus vollkommen zu entwickeln, und daher zur unläugbar niedrigeren weil geringer differenzirten Strahlform, nur Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 643 auf anderer Grundlage als die Coelenteraten, zurückkehren; sie sinken gewissermassen nach einem ungenügenden Anlaufe zur Er- reichung des höheren Typus in einen niederen zurück, oder stellen, um bildlich zu reden, einen verunglückten Versuch der Natur dar, einen Uebergang von der Coelenteratenform zu den morphologisch höher stehenden Würmern zu finden. Damit ist die besondere Stellung der Echinodermen im System, wie ich glaube, genügend gekennzeichnet; sie repräsentiren eine selbstständige Mittelform, welche aber mit keinem der beiden angren- zenden Typen in einen nachweisbaren genealogischen Zusammenhang gebracht werden kann. In den voranstehenden vergleichenden Betrachtungen habe ich versucht, die Skizze von der entwickelungsgeschichtlich begründeten vergleichenden Morphologie des Thierreichs, welche ich in einer früheren Arbeit entwarf, in einem beschränkten Kreise etwas näher auszuführen. Unsere thatsächlichen Kenntnisse sind allerdings noch lange nicht so umfassend, um selbst in einem solchen engeren Ge- biete mit genügender Sicherheit vorzugehen; ich stelle daher meine Ansichten in der vergleichenden Anatomie, Onto- und Phylogenie der Echinodermen im einzelnen durchaus nicht als unumstössliche Wahrheiten hin, glaube aber dennoch, in den neuen Untersuchungen die Grundzüge jener Morphologie im allgemeinen bestätigt zu finden. Strassburg, Oktober 1875. Litteraturverzeichniss. 1. A. Agassiz, Illustrated catalogue of the Museum of comparative zoo- logy, at Harvard college. VII. Revision of the Echini. 2. — — On the embryology of Echinoderms.. — Embryology of the starfish. Im Auszuge inLeuckart’s Bericht über die wissenschaft- lichen Leistungen u. s. w. während der Jahre 1864 und 1865. 3. — — and L. F. de Pourtales, Illustrated catalogue of the museum of comparative zoology, at Harvard college. VIII. The zoological re- sults of the Hassler expedition Part. I. Echini, Crinoids and Corals, 644 13. 14, 15. 16. 17; 18. 19. 20. 21. 22. 23. Alexander Goette: Busch, Beobachtungen über Anatomie und Entwickelung einiger wirbel- losen Seethiere. Bütschli, Zur Entwickelungsgeschichte des Cucullanus elegans, in v. Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo- logie. XXVI. Bd. Carpenter, Researches on the Structure, Plhysiology and Development of Antedon rosaceus, in: Philosoph. Transactions 1866. Claparede, Beobachtungen über Anatomie und Entwickelungsgeschichte wirbelloser Thiere. Desor, Ueber die Entwickelung der Asterien, in Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie u. s. w. 1849. Gegenbaur, Grundzüge der vergleichenden Anatomie 1870. Goette, Die Entwickelungsgeschichte der Unke (Bombinator igneus) als Grundlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbelthiere. Haeckel, Generelle Morphologie der Organismen. Hensen, Ueber eine Brachiolaria des Kieler Hafens, im Archiv für Naturgeschichte 1863. Kowalewsky, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Holothurien, in: M&moires de l’Acad. imp. des sciences de St. Pötersbourg VII. Serie Tome XI. 1867. — — Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden, ebend. Tome XVI. 1871. — — Anatomie und Entwickelungsgeschichte von Phoronis (russisch), ebend. Tome XI. 1867, Beilage. Krohn, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Seeigellarven. — — Beobachtungen aus der Entwickelungsgeschichte der Holo- thurien und Seeigel, in Müller’s Archiv für Anatomie, Physiologie on. 8. w: 1871. Loven, Ueber den Bau der Echinoideen, im Archiv für Naturgeschichte 1873. Metschnikoff, Entwickelung von Comatula, im Bulletin de P’acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. Tome XV. 1871. S. 509. — — Studien über die Entwickelung der Echinodermen und Nemer- tinen, in: M&moires de l’acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. VII. Serie. Tome XIV. 1869. & — — Studien über die Entwickelung der Medusen und Siphonopho- ren, in v. Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie. XXIV. Bd. J. Müller, Ueber die Larven und die Metamorphose der Ophiuren und Seeigel, aus: Abhandlungen der K. Akad. der Wissenschaften zu Berlin. 1846. (Separatabdruck 1848.) — — Ueber die Larven und die Metamorphose der Echinodermen, ebend. 1848 (1849). 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 645 J. Müller, Ueber die Larven und die Metamorphose der Holothurien und Asterien, ebend. 1849 (1850). — — Ueber die Larven und die Metamorphose der Echinodermen, ebend. 1850 (1852). — — Ueber die Ophiurenlarven des Adriatischen Meeres, cbend. 1851 (1852). — — Ueber den allgemeinen Plan in der Entwickelung der Echino- dermen, ebend. 1852 (1853). — — Ueber die Gattungen der Seeigellarven, ebend. 1853 (1855). — — Ueber den Bau der Echinodermen, ebend. 1853 (1854). Sars, Ueber die Entwickelung der Seesterne, im Archiv für Naturge- schichte 1844. — — Mömoires pour servir & la connaissance des Crinoides vivants. — — Koren et Danielssen, Fauna littoralis Norvegiae. Selenka, Beobachtungen über die Embryologie von Cucumaria dolio- lum, aus den Sitzungsberichten der physikalisch-medieinischen Societät zu Erlangen 1875. — — Eifurchung und Larvenbildung von Phascolosoma elongatum, in v. Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXV. Thomson, On the Embryogeny of Antedon rosaceus, in: Philosoph. Transactions of the Royal society of London 1865. Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Zeichen. a. Gastrulaaxe. af. After, -anlage. afd. Afterdarm. b. Kreuzaxe des Eies und der Gastrula (Längsaxe der Larven). b‘. Axe zwischen der Gastrula- und Kreuzaxe. br. Anlagen des dorsalen Perisomrandes und der dorsalen Arm- basen. bs. Basalia. ec. Gastrulaöffnung und die von ihr zurückbleibende Grube. e‘. Grübchen am Hinterende der Comatulalarven, cd. Centrodorsalplatte. d. Darm. d’. Munddarm, 646 Alexander Goette: Fuss der gestielten Comatulalarve. Skeletanlage im Fusse. . Kopflappen. Linke Darmaussackung, Linker Peritonealsack (orale Leibeshöhle). . Oraler Vorraum. Mund, -anlage, . Magen. . Mesoderm. . Mesenterium. Oberhaut. . Gelbe Zellen derselben. Oralplatte. Oralia. Oraler Oberhauttrichter. Perisom. Parietalblatt. Ringkanal. Rechter Peritonealsack (aborale Leibeshöhle). . Fortsetzung derselben in den Stiel. Schlund. Stiel. Skelet des Stiels. Kontraktile Tentakel. Starre Tentakel (Stacheln). Visceralblatt. . Fortsetzung desselben zwischen Darm und Wassergefässsystem, Wassergefässsystem, Anlage desselben. . Steinkanal. wp. Wimperschnüre. (Alle Abbildungen von Comatulalarven sind mit dem Hinterende aufwärts gerichtet dargestellt.) Tafel XXV. (Ausschliesslich Abbildungen von Comatulalarven.) Fig. 1. Mediandurchschnitt einer jüngsten Larve (Gastrulaform). Fig. 2. Mediandurchschnitt einer wenig älteren Larve. Fig. 3—6. Frontaldurchschnitte successive älterer Larven, von der Dorsal- fläche gesehen. Fig. 7. Querdurchschnitt einer solchen Larve, vordere Fläche. Fig. 8. 9. Sagittaldurchschnitte; der Mediandurchschnitt ist im Umriss an- gedeutet. Fig. 10. Mediandurchschnitt einer etwas älteren Larve. Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. 647 Fig. 11. 12. Frontaldurchschnitte von der Bauchfläche gesehen; das Perisom beginnt mit der Oberhaut und dem Parietalblatte zu ver- schmelzen. Tafel XXVL (Fig. 13—20 beziehen sich auf Comatula, die anderen auf Seesterne.) Fig. 13. Fig. 14. 15. Fig. 16. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Ganze Larve im Beginn der Skeletbildung; der schräg über den Darm hinlaufende dunkle Streif bedeutet das Mesenterium. Sagittaldurchschnitte gestielter Larven. Frontaldurchschnitte ebensolecher Larven; die zweischichtigen Anlagen des Ringkanals und der Tentakel beginnen sich von einander zu sondern. Durchschnitt der Oberhaut, stärker vergrössert; z kontraktile‘ Zellen, 1 Lakunen. Mediandurchschnitt einer schon länger gestielten Larve; z Dach des Vorraums. Querdurchschnitt einer ähnlichen, vielleicht etwas älteren Larve, Vorderfläche. Rückenansicht einer Bipinnaria im Beginn der Skeletbildung. Seesternscheibe einer Brachiolaria von links und etwas vorn d. h. von der künftigen oralen (Bauch-)Seite gesehen. Die davor liegenden Larventheile (Haut, Arme) sind weggelassen. Tafel XXVIl. (Alle Abbildungen mit Ausnahme von Fig. 24 und 25 sind Mediandurch- schnitte verschiedener Larven, welche so dargestellt sind, dass die Gastrula- axe senkrecht steht, und der seitlich auswachsende Darm nach links gerichtet Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26—29. Fig. 30—32. Fig. 33—35. Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. erscheint.) Ophiurenpluteus, stärker vergrössert zur Darstellung des Netz- werkes des Mesoderms. Junge Bipinnaria, von hinten. Junge Tornaria in einer Stellung, wie sie der jungen Bipinnaria Fig. 34 am meisten gleicht; z kontraktiler Strang zwischen dem Schlunde und dem Scheitel. Comatulalarven vgl. Taf. XXV und XXVI. Die durchbrochenen Linien bedeuten die Wimperschnüre. Echinuslarven nach Agassiz (Nr. 1). Bipinnarien, Fig. 33 nach Busch (Nr. 4). Die durchbrochenen Linien bedeuten Wimperschnüre. Larve von Amphiura squamata nach Metschnikoff (Nr. 20). Holothurienlarve nach Krohn (Nr. 17). Holothurienpuppe nach J. Müller (Nr. 28), nach der Oblitera- tion des Larvenmundes. Die zwischen diesen beiden Stadien liegenden Entwickelungsphasen der Auricularia sind zum Theil an den Bipinnarien zu erkennen. 648 A. Goette: Vergl. Entwickelungsgeschichte der Comatula mediterranea. Fig. 39. 40. Fig. 41. 42. Fig. 43, Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Fig. 47. Fig. 48. Fig. 49. Fig. 50. Zwei entsprechende Stadien von Psolinus und Pentacta nach Kowalewsky (Nr. 13). Die durchbrochenen Linien bedeuten Wimperreifen. Actinotrocha, Nr. 41 nach Kowalewsky (Nr. 15), Wimper- schnüre mit durchbrochener Linie bezeichnet, z kontraktiler Strang. Tornaria in gleicher Lage wie Actinotrocha, z kontraktiler Strang. Embryo von Lumbriens nach Kowalewsky (Nr. 14). Tafel XXVII. Rückenansicht einer Bipinnaria, etwas älter als die in Fig. 21 dargestellte, sonst mit ihr zu vergleichen. Die linke Hälfte des dorsalen Perisoms zeigt die Skeletanlagen der Armbasen. Die Seesternscheibe einer Brachiolaria von hinten und etwas rechts, d. h. von der aboralen Seite gesehen (Kehrseite von Fig. 22). ir interradiales Skeletstück der Rückenseite, nach unten und rechts oben zwei weitere; neben dem letzteren die Mündung des Steinkanals. ir’ das vierte dieser Stücke, rechts davon von einem Larvenarm verdeckt liegt das fünfte. Im Centrum dieser Skeletzone liegt eine unpaare Scheitelplatte. Rückenseite eines jungen Seesterns nach Metschnikoff (Nr. 20). mp Madreporenplatte, z Scheitel mit den 5 interradialen und der centralen Platte (vgl. Fig. 46). Echinuslarve von vorn, nach J. Müller (Nr. 28). ra, la rechtes und linkes Larvenantimer, z Pedicellarien, x Seeigelscheibe. Räckenansicht eines jungen Seeigels nach Agassiz (Nr. ]). Die Stacheln s bezeichnen die Grenze der oralen und aboralen Seite (linkes und rechtes Larvenantimer); die letztere mit Sta- chelanlagen, Pedicellarien und den centralen Oralplatten. Missbildung einer Comatulalarve, deren Hinterhälfte sich nicht zum Stiel auszieht. Im Innern ist der Darm mit weiten um- gebenden Peritonealräumen zu erkennen; die Skeletplatten sind etwas verschoben, cd‘ der Cendrosalplatte entsprechendes Stück, cd“ scheint ein ebensolches und zugleich ein Basale zu reprä- sentiren. z Dach des Vorraums. Die Lymphgefässe der Gelenke. Von Dr. H. Tillmanns, Privatdocent für Chirurgie an der Universität Leipzig. (Hierzu Taf. XXIX und XXX, sowie ein Holzschnitt.) Die Lymphgefässe der Gelenke sind bis jetzt noch nicht genauer beschrieben worden. Besonders waren es LudwigundSchweigger- Seidel!), welche sich bemühten, dieselben in der Synovialmembran des Hundes aufzufinden; sie schlugen zu diesem Zwecke sowohl den Weg des Einstichs ein, als auch füllten sie die Gelenkhöhlen mit rothgefärbtem Terpentin oder mit gelöstem Berlinerblau und suchten durch Pumpbewegungen d. h. durch Beugen und Strecken der Ex- tremität die Lymphwege der Synovialis darzustellen, doch ohne Erfolg. Ebenso wenig gelang es Boehm?). Wohl waren nach den Angaben des letzteren Autors Zinnober- oder Milchkügelchen in den Inguinaldrüsen, frei oder in Zellen, nach 24 Stunden nachzu- weisen, wenn die genannten Massen in das Kniegelenk eines Hundes applieirt wurden, aber die Wege dieser Resorption blieben bezüglich der Synovialmembran vollständig unbekannt. Teichmann und andere Forscher behaupten, die Lymphgefässe der Gelenke darge- stellt zu haben, aber meines Wissens existirt kein bestimmter Nach- weis darüber. 1) Die Lymphgefässe der Fascien und Sehnen. Leipzig, S. Hirzel 1872. 2) Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Gelenke. Inauguraldissertation, Würzburg 1868. 650 H. Tillmanns: Bereits bei Gelegenheit früherer Untersuchungen über die Histo- logie der Synovialmembran und der Gelenkzotten !) hatte ich die Beantwortung der Frage nach dem Wie? und Wo? der Synovial- Lymphgefässe in Angriff genommen, jedoch war es mir damals noch nicht gelungen, das gewünschte Resultat zu erreichen. Ich behielt mir desshalb damals vor, die Untersuchungen fortzusetzen und seiner Zeit darüber zu berichten. Heute bin ich nun in der Lage, dieses mein Versprechen ein- zulösen. Herrn Prof. Ludwig, welcher mich bei meinen Unter- suchungen durch Rath und That freundlichst unterstützte, sage ich an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank. — Weil ich bereits früher durch direkten Einstich in die Synovial- membran von Hunden, Kaninchen und Menschen vergebens die Dar- stellung der Lymphgefässe versucht hatte, so schlug mir Herr Prof. Ludwig vor, nochmals jene andere von ihm und Schweigger- Seidel erprobte Methode anzuwenden, d. h. gelöste Farbstoffe in das Gelenk zu bringen und durch Beugen und Strecken der Extre- mität die Lymphwege der Synovialis damit zu füllen. Weil es aber bei diesen Versuchen den Anschein gehabt hatte, als ob die Gegen- wart der Gelenk-Synovia dem Gelingen des Experimentes hinderlich sei, so habe ich dieselbe auf Anrathen Ludwig’s auf die unten be- schriebene Weise aus dem Gelenk ausgewaschen und erst darauf die Gelenkhöhle mit gelöstem Berlinerblau, mit rothem Terpentin etc. gefüllt. — Anordnung der Versuche. Das Femur eines frisch getödteten Hundes wurde etwa in der Mitte amputirt und von oben durch die Markhöhle des Knochens vermittelst eines spitzen, runden Meissels der Zugang zum Kniege- lenk gewonnen. Die Gelenkkapsel blieb so vollständig unverletzt. Um die Synovia aus dem Gelenk auszuwaschen, wurde das obere Ende des amputirten Femur durch einen Gummischlauch mit einer, !/spro- zentige Kochsalzlösung enthaltenden, hochstehenden Flasche in luft- dichte Verbindung gebracht. In das Flasche und Gelenk verbin- dende Gummirohr war in der Nähe des Femurendes ein gläsernes 1) Beiträge zur Histologie der Gelenke, Archiv für mikroskop. Anatomie B. 10 p. 424. Die Lymphgefässe der Gelenke. 651 T-Rohr interponirt, durch dessen jeweiliges Oeffnen verbunden mit einem Niedrigstellen der erwähnten Flasche die mit Synovia ver- mischte Salzlösung zum Theil abfliessen konnte. Gleichzeitig ge- stattete das Glasrohr eine bessere Controlle des Versuchs z. B. in wie weit die Salzlösung mit Fett, Synovia etc. noch vermischt war, ob Luftblasen das Auswaschen des Gelenks störten u. s. w. War der gesammte Versuchsapparat d. h. Gelenk, Femur, Gummirohr, T-Rohr und Flasche ordentlich mit !/sprozentiger Kochsalzlösung ge- füllt, dann wurde durch Strecken und Beugen des Kniegelenks die Synovia allmählig ausgepumpt und die dadurch unrein gewordene Chlornatriumlösung durch Oeffnen des T-Rohrs und durch Senken der hochstehenden Flasche zeitweilig abgelassen und reine Kochsalz- lösung von Neuem in das Gelenk gebracht. Diese Manipulationen wurden so lange fortgesetzt, bis die Salzlösung vollständig oder nahezu klar abfloss. Um dessen sicher zu sein, war es von Vor- theil, das Knochenmark des Femur vor Beginn des Experimentes vor- sichtig auszukratzen. War das Gelenk genügend mit 1/sprozentiger Kochsalzlösung aus- gewaschen, so wurde zum Schlusse die Chlornatriumlösung durch destillirtes Wasser ersetzt und mit letzterem das Gelenk in der- selben Weise ausgepumpt, um eine Fällung des sodann in das Ge- lenk gebrachten Berlinerblau durch das vorhandene Kochsalz zu ver- hindern. Auch bei der Füllung des Versuchsapparates mit Berlinerblau ist ganz besonders darauf zu achten, dass nicht etwa Luftblasen die Reinheit des Experimentes beeinträchtigen. War das Gelenk reichlich mit gelöstem Berlinerblau gefüllt, dann wurde das Gummi- rohr am Femurende durch eine Quetschcanüle geschlossen, damit der Gelenkinhalt nicht regurgitirte. Da durch die Gelenkbewegungen die Quantität des Gelenkinhalts in der That schon nach 10 Minuten deutlich vermindert war, so musste zeitweilig immer neue Farb- lösung zugefügt werden. Trotzdem aber sah man um das Gelenk herum keine mit Berlinerblau gefüllte Gefässinjection. Die Beugung und Streckung des mit gelöstem Berlinerblau ge- füllten Kniegelenks wurde 1—2 Stunden fortgesetzt. Nach Beendigung des Versuches wurde das Gelenk sofort unter Wasser geöffnet und näher untersucht. — Die nähere Untersuchung dieser Gelenke ergab nun folgendes: An der Innenfläche der Gelenk- kapsel sah man keine mit der Farblösung gefüllten Lymphgefäss- netze, sondern nur diffuse blaue Verfärbung. Auch der Knorpel 652 H. Tillmanns: zeigte dieselbe Erscheinung. Die im Gelenk angehäufte Lösung von Berlinerblau war rein und ohne jede Spur von Fällung. Während die Verfärbung des Knorpels sich mehr oder minder durch leichten Wasserstrahl abwaschen liess, blieb dieselbe an der Synovialmembran vollständig bestehen. Auf Durchschnitten der Gelenkkapsel zeigtesich, dass die Berlinerblaulösung an verschiedenen Stellen verschieden tief in das subsynoviale Bindegewebe, besonders in das subsynoviale lockere Fettgewebe eingedrungen war. Zwischen den Oberschenkelmuskeln im Bindegewebe sah ich zuweilen Lymphgefässstämmehen deutlich mit Farblösung gefüllt, welche nach oben und unten sich verloren. Bei der histologischen Untersuchung der in Chromsäure aufbewahrten Präparate zeigte sich, dass das gesammte Gewebe, wie bemerkt, in verschiedener Tiefe diffus blau gefärbt war. Manche Gelenkzotten waren ganz von der Farbmasse durchdrungen. An der Innenfläche der Sehne des Quadriceps drang die Farbmasse nur wenig in die Tiefe. In den der Synovialmembran unterliegenden Knochen war die Berlinerblaulösung niemals eingedrungen, sondern lief im Periost weiter, wie sich an Durchschnitten entkalkter Knochen- präparate ergab. Bezüglich des Knorpels ist zu bemerken, dass zwischen den oberflächlichen Knorpelzellen theils isolirt ver- laufende, theils netzförmig zusammenhängende Linien von Berliner- blau beobachtet wurden. Dieser Befund ist leicht verständlich, wenn ich daran erinnere, dass auch der hyaline Kuorpel nach meiner Ansicht aus Fasern aufge- baut ist und dass also wohl das Berlinerblau mechanisch zwischen die Knorpelfibrillen gepresst wurde. Der Aufbau des hyalinen Knorpels aus Fasern ist wohl mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, nachdem ich beschrieben habe !), dass die künstliche Auffaserung desselben mittelst 10°/, Kochsalzlösung und mit mittelstarker Lösung von Kal. hypermang. gelingt. Ich habe die Vermuthung ausgesprochen dass die einzelnen Fasern des hyalinen Knorpels durch eine Kittsubstanz verbunden werden und dass nur dadurch die scheinbare Homogenität bedingt ist. Die Kittsubstanz löst sich in Kal. hypermang., in 10/% Kochsalz- lösung und die Fasern treten zu Tage?). 1) Arch. für mikroskop. Anatomie B. 10 pag. 435. 2) C. Baber (On the structure of hyaline cartilage. The Journal of anatomy und physiology 1875 Octbr. pag. 113. Vol. X and Quarterly Journal of mierose. science January 1876 p. 111) hat meine Angaben controllirt und empfiehlt besonders Kalk und Barytwasser, um die homogene hyaline Die Lymphgefässe der Gelenke. 653 An den Muskeln war nichts Bemerkenswerthes zu constatiren. — Somit war es durch derartige Versuche nicht gelungen, die Lymphgefässe der Synovialintima darzustellen. Wohl hatten sich in dem intermusculären Bindegewebe des Oberschenkels Lymph- stämmchen mit Berlinerblau gefüllt, verloren sich aber nach oben und unten spurlos und möchte ich hierauf kein weiteres Gewicht legen. Was die Zahl der Versuche mit Berlinerblaulösung be- trifft, so wurden im ganzen sieben unternommen und zwar alle am Kniegelenk von Hunden, aber jedes Mal genau mit demselben Resultat, wie in dem ersten Experiment. Die Pumpbewegungen wurden 11/s—2 Stunden lang ausgeführt. In einem Falle war die Berliner- blaulösung, in Folge einer stattgehabten leichten Gewebsverletzung der Synovialintima, in die Venen des Oberschenkels gedrungen und hatte dieselben, grössere und kleinere, zum Theil gefüllt, eine Thatsache, welche von Interesse sein dürfte und auf welche wir weiter unten nochmals zurückkommen. Ferner sei bemerkt, dass die Berlinerblaulösung in einem Falle, in welchem das Gelenk weniger Farbmasse enthielt, in Folge des dadurch bedingten geringeren intra- articulären Druckes nur im Endothelhäutchen der Synovialis, nicht tiefer angehäuft war. An Chromsäurepräparaten liess sich das mit Berlinerblau hier und da durchsetzte Zellenhäutchen von der Unterlage durch vorsichtiges Abschaben unter dem Mikroskop isoliren, worauf dann das unterliegende vollständig ungefärbte, fibril- läre Gewebe zu Tage trat. Auch ein Beweis für die Existenz eines Endothelhäutchens an der Innenfläche der Gelenkkapsel. — Ausser Berlinerblau wurden auch noch andere Farbstoffe ver- sucht (Alcanin, Orleans, indigoschwefelsaures Natron). So z.B. wurde das Gelenk in der oben beschriebenen Weise mit Alcanin gefüllt und nach etwa 1—2stündigen Streck- und Beug-Bewegungen frieren gelassen. Auf den Durchschnitten der gefrorenen Präparate in ver- schiedenen Richtungen zeigte. sich nirgends eine Darstellung der synovialen Lymphwege. Ebenso wenig gelangen die Versuche mit Orleans oder mit indigoschwefelsaurem Natron. Auch an lebenden curarisirten Hunden (6 Versuche an Knie- und Knorpelgrundsubstanz in Fasern aufzulösen. Auch Baber schliesst sich meiner Ansicht an, dass der hyaline Knorpel ausFasern aufgebaut sei, welche durch interfibrillären Kitt zusammengehalten sind. 654 H. Tillmanns: Ellbogengelenk) blieben die Versuche erfolglos. Als Färbemittel dienten gelöstes Berlinerblau und indigoschwefelsaures Natron. Uebrigens zeigte sich in einem Falle (Kniegelenk) auch hier eine Füllung der Venen mit Berlinerblau in Folge stattgehabter Gewebsverletzung, wahrscheinlich mit Eröffnung einer Vene. Die Farbstoffe wurden durch direkten Einstich in das Gelenk injieirt. Wohl waren auch bei diesen Versuchen am Lebenden z. B. im intermusculären Bindege- webe des Oberschenkels 1 oder 2 Lymphstämmchen mi dem Farbstoff angefüllt, aber an der Synovialintima war es immer vergebens, ein Lymphgefässnetz darzustellen, mochte man sehr bald (10 Minuten), oder erst nach einstündigem Pumpen das Thier tödten und seine Gelenke untersuchen. Ich lasse es vorläufig dahin gestellt, welche besonderen Um- stände an dem Misslingen unserer Versuche Schuld sind. Fast will es mir scheinen, als ob bezüglich der Resorption an den Synovial- membranen andere Regeln gelten, als für die übrigen serösen Häute, an welchen man die offene Communication der Lymphwege nach- gewiesen hat. — Nachdem es mir auf die eben beschriebene Weise nicht ge- lungen war, zum Ziele zu kommen, ging ich wieder zu den directen Einstich-Injectionen über. Weil für die letzteren die Ge- lenkkapseln von Hunden wahrscheinlich wegen ihrer allzu grossen Feinheit ein durchaus ungünstiges Material bieten, wie ich von früheren Untersuchungen wusste, so wählte ich vorzugsweise die Synovialmembranen von Ochsen und Pferden (Kniegelenk, Schulter- gelenk, Metatarso-Phalangealgelenk ete.). Und in der That gelang es mir hier, ein ungemein reichverzweigtes, weites Lymphgefässnetz unter dem Endothelhäutchen und in der Tiefe im subsynovialen Bindege- webe etc. durch Einstich mit Ys°/, Silberlösung (ef. Fig. 1) oder mit gelöstem Berlinerblau darzustellen. Die oberflächlichsten Lymphgefässe der Synovialmem- branen (cf.Fig.1 Fig.2a) liegen direkt unter dem Endothelhäutchen. (Fig. 2b.) Bezüglich des Lageverhältnisses der Blutgefässe zu den subendothelialen Lymphbahnen möchte ich folgendes betonen: Bei stärkerer Vergrösserung constatirt man, dass die Lymphwege gleich unter den feinsten Blutcapillaren liegen (Fig. 2b). Die stärkeren arteriellen und venösen Verzweigungen finden sich meist mehr in der Tiefe unter den Lymphgefässen, durch deren zarte Wandungen sie bei schwachen Vergrösserungen an manchen Stellen durchschimmern Die Lymphgefässe der Gelenke. 655 (Fig. 2a). Ausdrücklich bemerke ich hier, dass auch die Blutcapil- laren unter dem Endothel liegen und nicht, wie andere Autoren auf Grund von Silberbildern angeben, nackt ohne Endothelbedeckung an der Synovialintima zu Tage treten. Mittelst der Silberbehand- lung lässt sich diese Frage nicht entscheiden, eher noch mit Chlorgold. In den Gelenkzotten ist es mir nicht gelungen, Lymphgefässe nachzuweisen. Die oberflächlichsten subendothelialen Lymphbahnen wenden sich sodann als sehr weite Gefässe in das tiefer gelegene Bindege- webe (Fig. 3). Im subsynovialen Gewebe sind sie ungemein zahlreich, weit und umspinnen nicht selten die Blutgefässe, wie man an Flächen- schnitten beobachtet (Fig. 4). Auch an Querschnitten ge- lingt es leicht, die grosse Reichhaltigkeit des subsynovialen Binde- gewebes anLymphgefässen auch im dichten Sehnengewebe zu demon- striren (Fig. 5). Von diesen weiten tiefliegenden Lymphgefässen im Sehnengewebe geht zuweilen ein anastomosirendes Netzwerk von feinsten Lymphspalten aus (Fig. 6), von welchen letzteren wieder an manchen Stellen die Injectionsmasse (Berlinerblau) in noch feinere und feinste Spalten übergeht (Fig. 6a, a, a), wie es neuerdings von Herzog!) beschrieben worden ist. Oder aber ich erhielt Bilder, wie sie bereits von Ludwig und Schweigger-Seidel (l. c.) abgebildet wurden. Zum Vergleich mit den Lymphgefässen injieirte ich ferner an demselben Gelenk, von welchem die zuerst angeführten Präpa- rate stammen, die Blutgefässe (Berlinerblau) und zwar durch Ein- stich in ein Blutgefäss an der Seitenfläche der Oberschenkelcondylen (Fig. 8). — Durch die feinere mikroskopische Untersuehung wurde sodann die Lymphgefässnatur jener zuerst beschriebenen, buchtigen Gefäss- räume festgestellt. Besonders wurde die Verdauungsmethode mittelst Pepsin angewandt, um an feinen Schnitten darzuthun, dass die blaue Injectionsmasse in praeexistirenden Endothel-Canälen lag (Fig. 5). Die einzelnen Endothelkerne in der Lymphgefäss- wandung sah man an mit Pepsin verdauten Schnitten besonders 1) Zeitschrift für Anatomie und Entwickelungsgeschichte, herausgeg. von His und Braune B. I pag. 290. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 43 656 H. Tillmanns: dann, wenn die Injectionsmasse (Berlinerblau) durch Kalilauge unter dem Mikroskop entfernt wurde (Fig. 9). Bezüglich der angewandten Verdauungsmethode bemerke ich kurz, dass ich nach Ludwig’s Anweisung das Pepsin aus der Magenschleimhaut eines frisch getödteten Hundes gewann. Der Magen wurde zunächst 24 Stunden in destillirtem Wasser (auf Eis) aufgehoben, dann die Schleimhaut möglichst rein abgewaschen, von der unterliegenden Submucosa und Muscularis sorgfältig abpräparirt und in kleinste Stückchen zerschnitten. Letztere wurden in Glyce- rin mehrere Tage aufbewahrt und dann filtrirt. Das Filtrat stellt dann die zu benutzende Verdauungsflüssigkeit dar. Natürlich ist die verdauende Wirkung der Flüssigket um so grösser, je weniger Glycerin zugesetzt wird und je länger man dasselbe auf die Schleim- hautstückchen einwirken lässt. Die Verdauungsflüssigkeit kann man Wochen lang aufheben, ohne dass ich eine Abnahme in der Inten- sität ihrer Wirkung beobachtet hätte. Von meiner Lösung fügte ich gewöhnlich 10--12 Tropfen zu etwa 35 CC. einer Salzsäure-Lösung (1 Salzsäure: 500 HO). Diese Flüssigkeit befand sich in kleinen Gläs- chen, welche in die Oefinungen des auf 38°—40°C. erwärmten Ver- dauungsofens hineingesetzt wurden. Die zur Verdauung bestimmten Gewebsstückchen in den Gläschen waren auf Korkrähmchen befestigt, damit sie sich in Folge desVerdauens nicht einrollten. Da das Sehnen- gewebe und die Gelenkmembranen von Ochsen und Pferden sehr fest sind, so musste ich nicht selten die Verdauungsflüssigkeit 3—4 Mal innerhalb 2—4 Tagen wechseln. In anderen Fällen aber, besonders bei weicheren und dünneren Gewebsstückchen ging die Verdauung sehr rasch vor sich, schon in mehreren Stunden gelang es, brauchbare Präparate zu erzielen. An solchen Verdauungspräparaten ist das fibril- läre Gewebe stark gequollen, mehr oder minder vollständig homogen durchsichtig, die elastischen Fasern und die Zellenkerne treten da- gegen sehr deutlich zu Tage (Fig. 5. Fig. 9). Somit dürfte sich diese Methode als eine werthvolle Bereicheruug unserer histologischen Technik da bewähren , wo es sich darum handelt, das Verhalten elasti- scher Fasern und zelliger Elemente genauer zu untersuchen. Ebenso wurde die Verdauungsmethode in ausgedehntem Maass- stabe angewandt, um das Verhältniss der Lymphgefässwan- dung zum benachbarten Bindegewebe aufzuklären, oder mit anderen Worten, um eine genauere Einsicht in die Befestigungs- weise der Lymphgefässe an das umgebende Gewebe zu ge- Die Lymphgefässe der Gelenke. 657 winnen. Bekanntlich war esLudwig (l. c. pag. 6), welcher darauf aufmerksam machte, dass die Wand der Lymphgefässe eine Art der Befestigung besitzen müsse, welche mit dem Anschwellen der Sehnen- bündel nicht eine Verengerung, sondern eine Erweiterung des Lumens ermöglicht. Durch die Bedingungen, unter welchen Ludwig und Schweigger-Seidel (l. c.) die künstliche Anfüllung der Lymph- bahnen im Sehnengewebe erzielten, muss man zu dieser Anschauung geführt werden. Die von den letztgenannten Autoren betonte Thatsache, dass das Terpentinöl, welches in die fibrillären Gewebe unter die Fascien gebracht wird, bei wechselnder An- und Abspannung der letzteren ohne Schwierigkeit in die Lymphgefässe übergeht, spricht dafür, dass nur ein geringer Unterschied des Flüssigkeitsdrucks auf der Aussen- und Innen- fläche der Endothelwand genügt, um die Lymphwege zu füllen. Denn das Terpentinöl kann nicht durch Flächenanziehung, durch Diffusion in die mit HO durchtränkten Häute gelangen. Auch die Art der Lymphgewinnung, wie sie von Genersich!) am Hintertheil des Hundes durch Pumpen geübt wurde, spricht dafür, dass der Ueber- tritt der Gewebsflüssigkeiten in die Lymphbahnen nur durch den er- wähnten Druckunterschied stattfindet. In Folge des Uebergewichts, den der Druck auf der äusseren Wand über den im Inneren des Lymphgefässes gewinnt, müsste man nun ein Zusammenfallen des Canals erwarten, wenn nicht eine besondere Befestigungsweise der Wandungen an das Nachbargewebe existirte. Ich glaube nun, mittelst der Verdauungsmethode diese für die Lehre von der Saftbewegung so wichtige Frage dem Verständ- niss etwas näher gerückt zu haben. Aber die Frage nach allen Seiten hin so sicher aufgeklärt zu haben, wie ich es selbst wünschte, kann ich leider nicht behaupten. Doch möchte ich be- züglich der grösseren Lymphgefässstämmchen folgendes bemerken. An verdauten Schnitten, an welchen man das Berlinerblau in den Lymphgefässen durch Zusatz von Kalilauge entfernt, gewinnt es den Anschein, als ob die elastischen Fasern des Bindegewebes direet mit den Endothelplatten desLymphrohresin Ver- bindung ständen (Fig. 9). Ist diese Ansicht richtig, so begreift sich, dass das Lumen des Lymphgefässes durch die elastischen Fasern offen gehalten, ja erweitert wird, sobald das Sehnengewebe anschwillt; in Folge eines gesteigerten Aussendruckes kann dann Gewebssaft in das 1) Arbeiten aus dem physiologischen Institut in Leipzig. Jahrgang 1870. 658 H. Tillmanns: Innere des Canals eindringen. Während die weiteren Lymphwege auf diese Weise offen erhalten werden, glaube ich, dass natürlich die Lymphspalten, überhaupt die engeren Lymphgefässe beim An- schwellen des Gewebes mehr oder weniger geschlossen werden, weil ihre Lichtung zu unbedeutend ist, als dass durch die elastische Verbindung mit dem Nachbargewebe ein Zusammenfallen verhindert werden könnte. Diese meine eben ausgesprochene Ansicht halte ich gerade auf Grund der Beobachtungen an verdauten Schnitten (s. Abbildung) für höchst wahrscheinlich. Ich schliesse mich somit der Ansicht von Virchow und Boll (Arch. für mikroskop. Anatomie B. 7. p. 297 und 298) au, welche für eine Verbindung der elastischen Fasern mit den Zellplatten des Bindegewebes im Allgemeinen einge- ° treten sind. Ausdrücklich aber betone ich, dass ich bei der Schwierig- keit der hier gestellten Aufgabe durchaus nicht der Meinung bin, die Frage endgültig gelöst zu haben. Bezüglich der allgemein topographischen Anordnung der Gelenk-Lymphgefässe bemerke ich folgendes. Leicht gelang mir die Injection ausgebreiteter Lymphgefäss- netze an den freien abhängigen Rändern der Cartilagines interart. am Kniegelenk des Ochsen, vorzugsweise an jenen Stellen, wo dieselben in die Synovialmembran übergehen. Ebenso zeigten sich sehr schöne Netze an den seitlichen Theilen der Innenfläche der Quadricepssehne, in der Synovialmembran der vorderen Gegend des Tibiakopfes und an den Seitenfiächen der Femurcondylen. Am Schulter- gelenk gelang die Darstellung besonders an allen Ansatzstellen der Synovialmembran am Gelenkkopf und der Gelenkpfanne. Ueber- haupt möchte ich bezüglich der Injection der Synovial-Lymphge- fässe für alle von mir untersuchten Gelenke des Ochsen und des Pferdes (Schulter, Ellbogen, Knie, »Sprunggelenke«) die allgemeine Regel aufstellen, dass besonders an allen Ansatzstellen der Syno- vialmembran an den Knochen und an Zwischenknorpelscheiben die Einstich-Injection der Lymphwege relativ am leichtesten gelingt, An allen dünneren Partieen der Synovialmembran dagegen ist die Darstellung der Lymphbahnen mit den grössten Schwierigkeiten ver- bunden und gelingt nur in den seltensten Fällen. In den unterliegenden Knochen sah ich niemals die Lymph- gefässe der Synovialis eindringen, vielmehr beobachtete ich an senk- rechten Durchschnitten durch entkalkte Knochen, dass dieselben im Die Lymphgefässe der Gelenke. 659 Periost weiter verliefen. Bezüglich des Knorpels sei bemerkt, dass auf ihm die Lymphgefässe gleichzeitig mit den Blutgefässen beginnen, also an den Anfangsstellen des Synovialendothels. Sonst ist es mir nicht gelungen, im hyalinen Knorpel Lymphwege zu be- obachten. Bezüglich des weiteren Verlaufs der Gelenk-Lymphgefässe sei hervorgehoben, dass dieselben sich im Periost und in dem inter- musculären Bindegewebe zu ansehnlichen Stämmchen vereinigen. — Nachdem es mir somit gelungen war, in der Synovialmembran und in dem unterliegenden Bindegewebe ein so eng verzweigtes Netz sehr zahlreicher weiter Lymphgefässe nachzuweisen, stellte ich mir nochmals die Frage, ob es denn nicht möglich sei, dieselben durch gefärbte Flüssigkeiten vom Gelenk aus zu füllen. Da ich mit gelöstem Berlinerblau, mit Alcanin, Orleans etc. nicht zum gewünschten Resultate gekommen, so versuchte ich gefärbte normale Ge- lenkflüssigkeiten. Dieselben wurden in der unten beschriebenen Weise in die Gelenkhöhlen (Kniegelenk von Hunden) gebracht und darauf, wie oben, die Extremität abwechselnd gebeugt und ge- streckt. Oder aber statt der Pumpbewegungen wurde das mit gefärbter Synovia gefüllte Gelenk mittelst Gummibinden elastisch eingewickelt. Anordnung der Versuche. Aus dem Kniegelenk eines erwachsenen Menschen mit chron. Hydarthros wurden durch Punction unter antiseptischen Cautelen etwa 1580 Gramm einer serösen Gelenkflüssigkeit entleert. Ein Theil derselben wurde mit Anilin. rubr. sorgfältig vermengt, dann filtrirt, sodass das Filtrat eine schön purpurrothe Synovial- flüssigkeit ohne körnige Niederschläge darstellte. Dieselbe wurde wie oben durch das angebohrte Femur in das Kniegelenk eines frisch getödteten Hundes (passendes Material an unversehrten Ochsen- und Pferdegelenken war mir nicht zugänglich) gebracht, und die Mark- höhle des amputirten Oberschenkels darauf durch Kork fest ver- schlossen. Durch die darauf unternommenen Pumpbewegungen des Gelenks nahm die Quantität des Gelenkinhalts, wie bereits oben er- wähnt, sehr bald ab, sodass das Gelenk von Neuem gefüllt werden musste. Schon nach 15 Minuten zeigte sich in diesem Falle die roth gefärbte Gelenkflüssigkeit in der vena saphena des Oberschenkels, 660 H. Tillmanns: ebenso füllten sich die kleinen um das Gelenk gelegenen Blut-Gefässe. Nachdem die vena saphena und andere Venenstämme an ihren of- fenen Enden in der Amputations-Wundfläche unterbunden waren, füllten sie sich zum Theil ganz strotzend mit der rothen Gelenk- flüssigkeit, während die Arterien, wie auch die genauere Unter- suchungnach Beendigung des Versuches lehrte, leer waren oder nur hier und da eine geringe Quantität des gefärbten Serums beherbergten. Die Beug- und Streckbewegungen des Kniegelenks wurden 1!/; St. ausgeführt. Das Gelenk wurde sodann sorgfältig auf- geschnitten. — | Auch in diesem Versuch zeigte sich, dass die Synovialmembran diffus gefärbt war, ohne netzförmige Zeichnungen in der Intima. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab sich wieder vollständig derselbe Befund, wie oben mitgetheilt wurde. . Sehr auffallend war dagegen die reichliche Füllung grosser und kleinerer Venenstämme am Oberschenkel mit unserer in das Gelenk gebrachten Flüssigkeit. Wie war dieselbe entstanden? Nirgends war irgend eine Verletzung der Synovialmembran durch das Anbohren des Knochens, nirgends eine Zerreissung vielleicht in Folge der Gelenkbewegungen sichtbar, wie in den beiden oben erwähnten Fällen. Vielleicht hatten sich die Venen von der Markhöhle oder von der spongiösen Substanz des angebohrten Femur aus gefüllt? Wäre diese Annahme richtig, dann hätte doch auch in den früheren Versuchen, in welchen die gefärbten Flüssigkeiten durch das angebohrte Femur in das Gelenk gebracht wurden, eine Füllung der Venen eintreten müssen. Es war aber nur, wie bereits erwähnt, in 2 Fällen, je einmal am lebenden und todten Gelenk in Folge stattgehabter Gewebsverletzung beobachtet worden. Doch liesse sich vielleicht zu Gunsten der obigen Ansicht betonen, dassin den früheren Versuchen schwerer diffundirbare Flüs- sigkeiten, als Serum, angewandt wurden und dass desshalb die Fül- lung der Venen vom Knochen aus nicht erfolgte. Hätte letzteres wirklich stattgefunden, dann war aber sehr auf- fallend, dass der Knochen und das Periost auf dem Längsdurch- schnitt an keiner Stelle roth gefärbt waren. Der Farbstoff war nur oberflächlich eingedrungen und hatte die Substanz des Knochens nirgends diffus durchsetzt, besonders auch nicht die Spongiosa des Gelenkendes. Jedoch war in der Spongiosa ein grösseres Blutgefäss mit der Gelenkmasse prall gefüllt und man Konnte en Die Lymphgefässe der Gelenke. 661 die Annahme, dass von hier aus sich vielleicht die Oberschenkel- venen gefüllt hatten, nicht ganz zurückweisen. Dass sich dabei die Gelenkflüssigkeit weniger oder gar nicht im Knochen verbreitete, liess sich vielleicht dadurch erklären, dass dieselbe wegen der ge- ringeren Widerstände in die weiteren Gefässe des Bindegewebes zwischen den Muskeln des Oberschenkels leichter abfliessen Konnte. Immerhin bleibt diese beobachtete Füllung der Venen vom Gelenk aus in praktischer Beziehung von grösstem Interesse, — Doch wenn auch die Füllung der Venen vom angebohrten Knochen aus nicht nicht sicher erwiesen werden konnte, so wurde doch in allen nächsten Versuchen die Anbohrung des Femur bis in’s Knie- gelenk vermieden. Und nun trat keine Füllung der Blutgefässe ein. Bei den späteren Experimenten verfuhr ich folgendermassen. Mit einem spitzen Messer wurde seitlich neben der Patella die Gelenk- kapsel geöffnet, dann durch die Stichöffnung die Branche A der »Doppelschutz-Canüle« (siehe die folgende Abbildung) in das Gelenk geführt und schliesslich von aussen die zweite Branche B durch Umdrehen des Cylinders C fest auf die erstere geschraubt. So wurde die in der Gelenkkapsel befindliche Stichöffnung durch die beiden fest übereinanderliegenden Platten A und B verschlossen. Das ganze Instrument ist hohl, man sieht in der Branche A die Oeffnung bei E angedeutet. Nach- dem das Gelenk möglichst reichlich durch die Höhlung der »Schutz-Canüle« mittelst einer feinen Burette gefüllt war, wurde das obere Ende desselben D durch Kork ver- schlossen, welcher durch Andrehen der hier befindlichen kleinen Schraube noch etwas fixirt werden konnte. Darauf wurden, wie in den früheren Versuchen, Streckung und Beugung des Kniegelenks vorgenommen. Als Färbemittel der menschlichen Synovia wurden angewandt: Anilin. rubr., schwefel- saures Kupferoxydammoniak, Berlinerblau, Carmin und pikrinsaures Natron. Es wur- den 7 Versuche angestellt und zwar wurden in 3 Experimenten Pumpbewegungen ausgeführt, in 4 Versuchen aber das mit gefärbtem mucinhaltigem Serum gefüllte Gelenk mit- telst elastischer Binden eingewickelt. 662 H. Tillmanns: Auch in den zuletzt erwähnten Versuchen gelang es nicht, mittelst gefärbter seröser Gelenkflüssigkeit die Lymphwege in der Synovialmembran darzustellen. Wohl waren auch hier dann und wann 1 oder 2 Lymphstämmchen im intermusculären Bindegewebe des Oberschenkels mit rother oder blauer Synovia gefüllt, aber in der Synovialmembran selbst waren keine Lymphbahnen zu ent- decken, hier nur verschieden tiefgehende diffuse Durchträn- kung des Gewebes mit den verschiedenen Farbstoffen. Am leich- testen diffundirte pikrinsaures Natron, am schwierigsten Berlinerblau. Die Frage, wie es kommt, dass es weder am lebenden noch am todten Thiere gelingt, die Lymphgefässe der Synovialmembran von der Gelenkhöhle aus in der beschriebenen Weise darzustellen, kann ich nicht so ohne Weiteres beantworten. Aus meinen Ver- suchen scheint hervorzugehen, dass die Füllung der Lymphwege in der Synovialmembran noch an andere Bedingungen geknüpftist, als an den übrigen serösen Häuten. Ich will damit aber nicht die Möglichkeit einer offenen Communication der Lymph- gefässe mit der Gelenkhöhle direct in Abrede siellen. Hoffentlich gelingt es mir durch weitere Untersuch- ungen, diese so wichtige Frage baldigst zu erledigen. Nach unseren bisherigen Versuchen scheint es, als ob unter normalen Verhältnissen der flüssige Gelenkin- halt durch die Gelenk-Bewegungen, oder am ruhenden Gelenk durch den erhöhten intraarticulären Druck mechanisch in das Gewebe der Synovialmembran hin- eingepresst werde und von hier aus in der oben be- schriebenen Weise in dieLymphbahnen gelange. Ausden oberflächlichen synovialen Lymphgefässen scheint der Inhalt sehr rasch abzufliessen, weil ja die ihn vorwärtstreibende Kraft, d. h. beim ruhenden Gelenk der intraarticuläre Druck, oder bei Bewegungen das An- und Abspannen der elastischen Gelenkkapsel in Folge der abwechselnden Beugung und Streckung der Extremität fortdauert. Hier liegt vielleicht die Erklärung für die Schwierigkeit Ja Unmöglichkeit, die synovialen Lymphgefässe durch Pumpen vom Gelenk aus zu füllen. Auch bei der Füllung der Lymphwege in der Synovialmembran durch Einstich beob- achtet man, dass der Inhalt leicht aus den oberflächlichen in die tieferen, weiten Gefässe abläuft, so dass in dem so elastischen Gewebe die anfangs sehr deutlichen oberflächlichen Netze nach einiger Zeit Die Lymphgefässe der Gelenke. 663 weniger pägnant und nicht so detaillirt hervortreten, oder sogar gänzlich verschwinden. Leopold!) hat bei der Injection der Lymph- gefässe des Uterus ähnliche Erfahrungen gemacht. — Bezüglich der Resorption von der Gelenkhöhle aus spielt sodann noch ein anderes Moment eine wesentliche Rolle, ohne dessen Mitwirkung überhaupt eine Resorption der im Gelenk angesam- melten Flüssigkeit schwierig ist, ich meine die Quantität des im Gelenkinneren befindlichen resorbirbaren Inhalts. Unter normalen Verhältnissen wird die nur spärlich angesammelte Gelenksynovia nach meiner Ansicht mehr stabil bleiben und unter dem Einflusse der Gelenkbewegungen nicht resorbirt werden. Denn färbt man die normal vorhandene Synovialflüssigkeit durch geringen Zusatz ge- färbten Serums, so tritt in Folge der Beuge- und Streckbewegungen gar keine tiefer gehende Diffusion in’s Gewebe ein. Erst wenn mit einer pralleren Anfüllung des Gelenks der intraarticuläre Druck bei den Bewegungen der Extremität oder gar im ruhenden Gelenk den nothwendigen Grad erreicht hat, dann beginnt die Resorp- tion. Hieraus resultirt eine Stabilität der unter normalen Ver- hältnissen im Gelenk angehäuften Synovialfiüssigkeit, welche man bisher anzunehmen nicht geneigt war. Dass dagegen unter dem erhöhten intraarticulären Druck die Resorption sehr rasch von Stat- ten geht, lehrt auch die klinische Erfahrung bezüglich des Verlaufs perniciöser Gelenkentzündungen mit Vermehrung der intraarticulären Flüssigkeitsmenge. Viel stärker, als durch die Gelenkbewegungen wird, wie bereits bemerkt, die Resorption der intraarticulären Flüssigkeiten vermittelst elastischer Einwicklung des Gelenks erzielt. Füllt man ein Knie- gelenk des Hundes z. B. möglichst prall mit durch pikrinsaures Natron, Carmin oder Berlinerblau gefärbter Synovialflüssigkeit und wickelt das Gelenk 24 Stunden lang mittelst elastischer Binden ein, so beobachtet man, dass nach dieser Zeit der Inhalt vollständig (Pikrin-Synovia) oder zum bei weitem grösseren Theile (Carmin- Synovia, Berlinerblau-Synovia) resorbirt ist. Der Inhalt des Gelen- kes befindet sich, wie bemerkt, zum Theil diffus im Gewebe der Gelenkkapsel, zum Theil in den intermusculären Lymph-Stämmchen am Oberschenkel. — Leipzig, im Dezember 1875. 1) Arch. für Gynaecologie Jahrg. 1874. 664 H. Tillmanns: Die Lymphgefässe der Gelenke. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX und XXX. Fig. 1. Fig. 2a. Fig. 7. = Ki@, 78, Fig. 9. Oberflächliche subendotheliale Lymphgefässe der Synovialmembran. !/a °/ Silberlösung durch Einstich injieirt. — Kniegelenk des Ochsen. Seitenfläche des eondyl. femor. ext. — Photographie. Vergrösserung 20}ı. Oberflächliche subendoth. Lymphgefässe der Synovialmembran. Ueber- gangsstelle in die cartil. interart. int. — Kniegelenk des Ochsen. Durch Einstich mit Berlinerblau injieirt. a a a Blutgefässe (Ar- terien, Venen); die feineren Verzweigungen derselben (b b b) sind bei der schwachen Vergrösserung nicht genau sichtbar. Kal. bichrom. Carmin-Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Gundlach Ocular I, Objeetiv I (80),). . Stärkere Vergrösserung von Fig. 2a. Lymphgefäss b, darüber in der Lymphscheide Capillarschlinge a, beide bedeckt vom Endothelhäut- chen. An einzelnen Stellen des letzteren sind die Grenzen der En- dothelien sichtbar, — Vergröss. Hartnack Ocular 2, Objectiv 8 (3007,). Lymphgefässe im subsynovialen Bindegewebe mit gelöstem Berliner- blau injieirt. Synovialmembran vorsichtig von dem unterliegenden Gewebe mittelst der Scheere entfernt. — Kniegelenk des Ochsen, Synovialmembran seitlich von der Patella. — Kal. bichrom. Glycerin- Essigsäure. Vergröss. Gundlach Ocular I, Obj. I (305,). Subsynoviale Lymphgefässe, wie Fig. 3 präparirt; a Arterie. — Knie- gelenk des Ochsen aus derselben Gegend, wie Fig. 2a. Kal. bichrom. Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Gundlach Ocular I, Objectiv I (30/,). Querschnitt des vorderen Theiles der Gelenkkapsel des Metatarso- Phalangealgelenks vom Ochsen. Tiefliegende. Lymphgefässe mit Berlinerblau zum Theil gefüllt. a Arterien, v Venen (die Vene rechts oben etwas schief durchschnitten). — Verdauungspräparat. Carmin-Glycerin. Vergröss. Hartnack Ocular II, Objeetiv IV (70/,). Von einem weiteren Lymphgefäss engere Lymphspalten mit Berliner- blau gefüllt. Querschnitt durch die intraarticular an den condyl. femor. sich ansetzende Sehne des »Unterschezkelbeuger«, Kniege- lenk des Pferdes. Bei aa a dringt die Injectionsmasse in feinste Lymphspalten. — Alcohol-Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Hartnack Ocular OH, Objeetiv IV (70/,). Querschnitt durch die Sehne des musc. quadriceps. Kniegelenk des Ochsen (cf. Text). — Alcohol-Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Hart- nack Ocular II, Objectiv IV (70/,): Subendotheliale Blutgefässe durch Einstich in ein Blutgefäss mit Berlinerblau injieirt. — Seitenfläche des Oberschenkeleondylus. Knie- gelenk des Ochsen. a Arterie, Alcohol-Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Gundlach Ocular I, Objectiv I (30/,). Querschnitt durch ein tiefliegendes Lymphgefäss. Berlinerblau durch Kalilauge entfernt (cf. Text). Beziehung der elastischen Fasern zu den Endothelplatten der Lymphgefässe. — Vorderer Theil der Gelenkkapsel des Metatarso-Phalangealgelenks vom Ochsen. — Verdauungspräparat. Carmin- Glycerin-Essigsäure. Vergröss. Hartnack Ocular III. Objectiv VIII (400/,). re Beiträge zur Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut und ihrer Anhangs- gebilde. Von Dr. med. P. Unna. Hierzu Tafel XXXI und XXXL. Die Aufgabe, welche den Ausgangspunkt der folgenden Unter- suchungen bildete, verdanke ich einem Vorschlage von Professor Waldeyer, welchem ich für die vielfache Anregung, die er mir bei derselben angedeihen liess, zu wärmstem Danke verpflichtet bin. Es handelte sich erstlich um die Nachuntersuchung einer Ar- beit von Langerhans!) über den Bau der menschlichen Epider- mis und weiter um die Frage, ob die neuen, hierdurch zwischen rete und strat. corneum bekannt gewordenen Zellenschichten auch für die Zusammensetzung der Anhangsgebilde, namentlich des Haares und Nagels, eine wesentliche Bedeutung besässen. Wenn nun auch in letzterer Beziehung negative Resultate sich darboten, so ergab doch die genaue Untersuchung dieser so oft bearbeiteten Gebilde sowohl für ihre feinere Structur als auch für ihre Entstehung, spe- ciell für den Wechsel des Haares, eine Reihe von Beobachtungen, welche nicht allein das Interesse der Histologen in Anspruch nehmen dürften. I. Oberhaut. Legt man kleine, frisch von der Fingerbeere entnommene Hautstücke in verdünnte Ueberosmiumsäure und macht nach voll- l) Langerhans, Ueber Tastkörperchen und rete Malpighii, M. Schultze’s Archiv Bd. IX. S. 730. 666 P. Unna: ständiger Härtung feine Schnitte senkrecht auf die Hautoberfläche, so ist das Erste, was sofort unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt uud was auch Langerhans getreu beschreibt, eine tief- schwarze, breite Linie (1, 2sb)!) zwischen dem mehr oder weniger dunkelgrün gefärbten rete (l, 2r) und dem vollständig weiss und klar gebliebenen stratum corneum (1, 2sm). Aber auch die oberste Schicht des stratum corneum ist in grösserer oder geringerer Aus- dehnung tief geschwärzt und an den seitlichen Schnittflächen, wenn sie in Berührung mit der Säure standen, ist stets eine schwarze Färbung mehr oder weniger weit eingedrungen. So entsteht das Bild eines schwarzen Rahmens mit weisser Ausfüllung, welcher dem rete unmittelbar aufsitzt. Aber während oben und noch mehr unten die schwarze Färbung scharf abgeschnitten aufhört und höchstens noch die anliegende Zellenreihe ein schwaches Braun oder Violet zeigt, nimmt diese Uebergangsfarbe von der Seite her eine bedeu- tende Ausdehnung an, springt den Zellgrenzen entsprechend mit bräunlichen Zacken unregelmässig nach innen vor und documentirt somit augenscheinlich, dass die Säure von der Schnittfläche her ein leichteres Eindringen gehabt und erst allmählig im Innern der Horn- schicht ihre Wirksamkeit eingebüsst hat. Eine gleiche Deutung haben nun von Langerhans der obere und der untere schwarze Streifen erfahren). Das rete sollte der Säure ein leichtes Durch- dringen gestatten, was ja auch durch seine gleichmässige Färbung hinreichend sicher ist, und nun von allen Seiten das widerstands- fähigere stratum corneum in Angriff genommen werden. Hierdurch würde sich allerdings vollkommen erklären, dass von der Seite die Färbung stets weiter reicht als von oben und unten und auch, dass der obere Streifen durchweg wenigstens etwas stärker ist als der untere; aber wenn es schon Bedenken erregen muss, dass bei einer grossen Variabilität der oberen und seitlichen Schwärzung das un- tere schwarze Band die constante,Breite von 2 bis 3 Zellenreihen an diesem Theile der Haut besitzt, wenn es ferner auffällt, dass bei weitergehender Einwirkung der Säure die Breite des Rahmens oben und seitlich proportional zunimmt bis zu vollständiger Schwärzung der Hornschicht, während das untere Band seine sonstige Breite behält, so sprechen wie ich glaube noch andere Thatsachen dagegen, 1) Die arabischen Ziffern bedeuten die Figuren. 2) Ebenso urtheilt Ranvier, Traite d’histologie p. 260. ee en De Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 667 dass die Breite dieses letzteren ebenso wie die der seitlichen Schwärzung allein durch Säureverbrauch erklärbar sei. Das untere Band zeigt nämlich ebenfalls Unregelmässigkeiten, aber constante, und zwar an der Durchtrittsstelle der Schweiss- drüsencanäle. Ist der Schnitt senkrecht geführt worden, so zeigt die Linie hier eine Depression nach dem rete hin; meist finden wir aber eine Auftreibung nach dem stratum corneum und in dem ent- stehenden Buckel (2 b) ein weisses Centrum (2 ec) von Hornzellen, welches augenscheinlich der Canalwandung zugehört. Es dringen also die der schwarzen Linie direct aufsitzenden Zellenreihen an dieser Stelle nach unten vor, liegen aber hier auf gleicher Höhe mit dem schwarzen Bande selbst, müssten folglich auch schwarz werden, wenn die Grenze jener eben nur als Grenze einer Diffusion in gleichartiges Gewebe anzusehen wäre. Eine weitere Stütze für die Annahme, dass die obere Grenze des unteren schwarzen Osmiumstreifens eine hier rasch eintretende gewebliche Veränderung anzeige, ist den Resultaten der Pikrocar- mintinction zu entnehmen, und da sich aus einer vorsichtigen Ana- lyse dieser letzteren auch der Character jener Veränderung mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben wird, so sei es mir erlaubt auf die Besonderheiten der Pikrocarminfärbung etwas näher einzu- gehen. Das Pikrocarmin ist aus mehreren Gründen für das Studium der Epidermis ein vorzügliches Mittel. Vor der Ueberosmiumsäure hat es voraus, dass es nach den verschiedenartigsten Härtungspro- ceduren fast mit gleichem Erfolge zur Färbung verwandt werden kann, dass man seine Einwirkung nach Stärke und Dauer weit leichter abzustufen im Stande ist und endlich den grossen Vortheil der einzeitigen Doppelfärbung. Mögen nun die resultirenden Far- bendifferenzen von der Consistenz, der Form oder der chemischen Constitution der differenten Gewebe abhängen, sie sind jedenfalls hervorgerufen durch eine Auswahl der letzteren aus dem gleich- artigen Färbemittel und zu der gleichen Zeit. Und zwar sind diese Farbendifferenzen hier nicht wie bei einfacher Färbung aus annähernd gleichen Farbentönen herauszulesen, sondern zum Theil höchst ver- schiedenen unmittelbar bei einander. Es verbindet sich daher der Vortheil sehr feiner Farbenreaction im Vergleich zur einfachen Färbung mit dem der schnellen Behandlung und der reinen Farben- töne gegenüber der zweizeitigen Doppelfärbung. Eine Eigenheit 668 P. Unna: des Pikrocarmins ist jedoch wohl zu beachten, dass nämlich die beiden Constituentien sehr verschieden rasch färben. Daher geht selbst bei den Gewebstheilen, welche ihre besondere Verwandtschaft zum Carmin nicht verleugnen, eine kurze, oberflächliche Pikrinsäure- einwirkung vorher. Wenn diese letztere einerseits den weiteren Vortheil bringt, dass die Carminfärbung an diesen Theilen darauf um so besser hervortritt — ich habe die Carmintinction bei diesem Verfahren besser gefunden, als bei den gebräuchlichen einfachen Carminfärbungen —, so lässt sie sich auch fast vollkommen un- schädlich machen, einerseits durch einen möglichst reichlichen Gehalt des Mittels an Carmin, andrerseits durch Vermeidung zu stark (in Alkohol) gehärteter Gewebe. Nach mässiger Härtung erhalten wir nun durch Pikrocar- minfärbung ein Bild, das eine in die Augen fallende Analogie zu den besprochenen Ösmiumschnitten aufweist (Vergl. 1, 2 mit 5). Wie dort durch ein schwarzes,- so ist hier durch ein intensiv gelb- gefärbtes Band Stratum corneum und rete getrennt. Ebenfalls zeigt sich ein oberes gelbes Band und um so besser ausgebildet, je dicker die Hornschicht ist. Auch hier unterscheidet sich das obere Band von dem unteren durch seine minder scharfe Grenze gegen die mittleren Hornschichten und seine mehr wechselnde Breite. Aber diese vollständige Analogie ist gänzlich verwischt an Schnitten, welche stärker gehärteten Hautstücken entnommen sind. Hier er- scheint die ganze Hornschicht als ein scheckig roth und gelb ge- färbtes Feld. Wohl lässt sich noch ein unterer mehr rein gelb gefärbter Streifen unterscheiden, aber er verliert sich sehr allmählig in die mittleren Schichten und ist selbst schon durchsetzt von rothen Zellpartieen wie jene von gelben. Dieses an und für sich wenig characteristische Bild ist durch sein constantes Erscheinen an stark gehärteten Schnitten von Be- deutung. Denn auf die Frage: was kann sich an diesen Schnitten geändert haben ? kann man mit Sicherheit die Antwort geben: es können sich Differenzen in der Consistenz der einzelnen Schichten ausgeglichen haben, wenn sie vorhanden waren. Und wenn wir nun sehen, dass zugleich Farbenunterschiede, welche bei mässiger Härtung stark hervortreten, hier verwischt sind, so liegt der Schluss nahe, dass es Unterschiede in der Consistenz der Schichten waren, welche jene Farbendifferenzen, wenigstens zum Theil, verursachten. Und da die mässige Härtung mit Pikrocarminfärbung dasselbe Bild Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 669 liefert wie die Osmiumbehandlung, welche überhaupt nur auf ganz frische Gewebe anwendbar ist, so erscheint der weitere Schluss be- rechtigt, dass die mässige und nicht die starke Härtung ein richtigeres Bild der Schichtenunterschiede liefert, wie sie im lebenden Gewebe vorauszusetzen sind. Die Richtigkeit des ersteren Schlusses vorausgesetzt, so ergibt sich endlich im Allge- meinen für die Doppelfärbung mit Pikrocarmin, dass hier die Aus- “ wahl der Gewebe, wenigstens theilweise, durch consistentielle Unter- schiede bedingt wird: je bedeutender die letzteren, desto reiner sind die Farben topographisch geschieden. Diese Folgerungen erhalten von einer ganz anderen Seite her eine Unterstützung. Ich kann es freilich nur als eine subjective, aber durch hundertfältig wiederholte Erfahrung gesicherte Ueber- zeugung hinstellen, dass die erwähnten consistentiellen Differenzen bei achtsamer Schnittführung durch eine dicke Hornschicht auch fühlbar sind. Nachdem das Messer die oberflächlichsten Horn- schichten durchdrungen, dringt es schneller in die mittlere vor, um über dem rete noch einmal aufgehalten zu werden. Auch diese Wahrnehmung ist am deutlichsten an Osmiumpräparaten und ver- schwindet fast ganz an stark in Alkohol gehärteter Haut. Wir haben mithin eine lockere Mittelschicht (1, 2sm) des stratum corneum anzunehmen, welche auffallend rasch und an ganz bestimmter Stelle in die basale Hornschicht (stratum basale; 1, 2, 5 sb), etwas allmähliger, und bald höher bald tiefer in die ober- flächliche Endschicht übergeht. Die beiden letzteren Schichten - zeichnen sich aus durch ihre besondere Härte, unterscheiden sich jedoch unter einander beträchtlich, indem die an die basale Schicht grenzenden Zellen der Mittelschicht der Ueberosmiumsäure einen bedeutenden Widerstand entgegensetzen, während von oben her die Schwärzung der Endschicht in die Mittelschicht, wenn auch schwie- rig, so doch bei genügender Einwirkung regelmässig vorzudringen vermag. Hat die Säure endlich Gelegenheit von der Seite her in die Mittelschicht einzudringen, so sind hier die Färbegrenzen ganz verschwommen. Wer die Grenzen insgesammt durch Säureverbrauch erklären zu können glaubt, muss nachweisen, weshalb denn nicht auch hier die Grenze eine scharfe ist, wie oben und noch mehr unten. Die Vergleichung der Osmium- und Pikrocarminbilder hat uns innerhalb des stratum corneum topographische Verschiedenheiten 670 P. Unna: kennen gelehrt; an der Hand von Haematoxylinbildern können wir dieselben bestätigen und vervollständigen. Man erzeugt diese am schönsten dadurch, dass man die in Haematoxylin stark gefärbten Schnitte theilweise durch Alaunlösung wieder entfärbt und schliess- lich auf einen Moment in Eisessig taucht. Dann bietet das strat. corn. ein prachtvolles Bild, hervorgerufen durch den regelmässigen Wechsel dunkelvioletter und bläulichweisser Streifen, von denen erstere den lockeren, letztere den festeren Theilen entsprechen. Die Basalschicht und Endschicht des stratum corneum sind grössten- theils entfärbt und werden durch senkrechte, bläulichweisse Streifen verbunden, welche zu beiden Seiten der Schweissdrüsencanäle in jenen Wellenthälern hinabziehen, die dem Zwischenraume zweier Papillen entsprechen. Diese Verbindungsbrücken zwischen Basal- und Endschicht zur Seite der Drüsencanäle finden sich auch, weni- ger in die Augen fallend, an Pikrocarminschnitten (5). Hier werden nämlich die Drüsencanäle im strat. corn. von concentrisch gelagerten Zellenmassen umgeben, die sich durch ein besonders tiefes Roth merklich abheben (5 ssb‘) und eben oberhalb der rein gelben Basal- schicht (5 sb) in einer ebenso stark roth gefärbten Zellenschichte ausbreiten (5 ssb), welche ich der Kürze halber als stratum super- basale bezeichnen möchte (vgl. auch Schema 4)!). An dieser Stelle erkennt man auch den Grund der tief rothen Färbung, denn hier in unmittelbarer Nähe der gelben Linie concurrirt sichtbarlich die Pikrinsäurefärbung mit der Carminfärbung, während die erstere wei- ter im Innern der Mittelschicht der Carminfärbung allein das Feld überlässt. Endlich sieht man auch an Osmiumschnitten das stratum superbasale an den Drüsencanälen hinaufreichen, nämlich in den seltneren Fällen, in denen fast die ganze Hornschicht geschwärzt ist. Dann findet sich zuweilen das stratum superbasale eben noch hellgelassen und zugleich umgeben helle Ringe die Querschnitte des innen schwarz gesäumten Schweissdrüsencanals.. Wie in dem Schema 4 angedeutet, erstreckt sich also das stratum superbasale 1) Die Nothwendigkeit, für diese Schichte einen Namen einzuführen, wurde auch Veranlassung, das bisher sogenannte stratum lucidum als »ba- sale Hornschicht« oder »Basalschicht« zu bezeichnen, womit durchaus keine Verdrängung des von Oehl eingeführten Namens beabsichtigt wird. Ich werde zeigen, dass meine »Basalschieht« mit Oehl’s stratum lucidum iden- tisch ist und in Folgendem beide Benennungen promiscue gebrauchen. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 671 an den Drüsencanälen bis gegen die Endschicht hin aufwärts oder anders ausgedrückt: in unmittelbarer Nähe des Drüsencanals sind die Hornzellen längere Zeit vor den Einflüssen bewahrt, welche sie ‚andernorts der Abschuppung durch allmählige Veränderung ent- gegenführen. Aber noch eine andere Art heller Streifen zeichnet an Haematoxylinschnitten die Abdachung der Wellenberge, die den Papillen entsprechen, aus und sie sind es eben, die wie Lichtreflexe dem ganzen Bilde das Relief verleihen. Sie sprechen für eine Diffe- renz in der Consistenz der Hornschicht im Umkreise einer Papille und hängen vielleicht mit einer geringen regelmässigen. Neigung derselben zusammen. So bestätigt auch dieses Färbeverfahren unsere bisherige Anschauung und lehrt überdies einige feinere und gesetz- mässige Nüancirungen in der anscheinend vollkommen gleichartigen Hornschicht kennen. Lässt sich nun eine einigermassen befriedigende Erklärung dieser Veränderungen innerhalb der Hornschicht, dieser Trennung in drei durch Consistenz und Farbenreaction geschiedene Schichten geben? Zur Aufstellung chemischer Veränderungen fehlen noch alle Gesichtspunkte; überdies sind solche um so weniger wahrscheinlich, je weiter der Verhornungsprocess schon vorgeschritten ist. Deshalb ist wohl der Versuch einer mechanischen Erklärung dieser Differen- zen innerhalb der Hornschicht. wie ich ihn zu geben beabsichtige, gerechtfertigt. “ Es wird sich bei Betrachtung des rete und der Uebergangs- schicht herausstellen, dass von den oberen rete-Schichten ab gegen die Hornschicht hin eine immer zunehmende Verlöthung, vielleicht besser »Verzahnung« der Epidermiszellen anzunehmen ist, unter einer, sich dann einfach aus der Oberflächenvermehrung ergebenden Verbreiterung derselben. Wenn diese Oberflächenvermehrung, welche hier nicht mehr durch Zellproduction geleistet wird, nicht den Erfolg einer Spaltung senkrecht zur Oberfläche haben soll, so müssen eben die einzelnen Zellen sich verbreitern. Dieses geschieht nun nicht, wie man a priori erwarten könnte, durch einfache Ab- flachung in der Richtung von oben nach unten. Eine solche würde nur unter zwei Bedingungen statt finden können, einmal, wenn ein Druck senkrecht auf der Epidermis lastete oder die Zellen nur seit- lich mit ihren Nachbarn und nicht auch nach oben und unten hin fest cohärirten. Keine von diesen Bedingungen ist jedoch hier verwirklicht. Dagegen geht die Verbreiterung nach einem einfachen Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 12. 44 672 P. Unna: Schema vor sich, welches ich in Figur 3 darzustellen suche, nämlich durch Schräglegung der Seitenflächen, so dass vorhin verticale Flächen allmählig eine fast horizontale Lage einnehmen. Dass die Abplattung in dieser Weise vor sich geht, lehren uns alle Zell- formen, welche wir im rete zu Gesicht bekommen. Die Seiten A und B des Schemas bezeichnen die zweierlei Zellenformen, wie sie von der Cylinderzellenlage herstammen, wie sie in mannichfachen Uebergängen die mittleren Lagen des rete erfüllen und durch den angegebenen Process zu ein und derselben abgeplatteten Form füh- ren müssen. Würden nun die Cylinderzellen alle eine gleiche Rich- tung besitzen, d. h. auf einer ebenen Fläche stehen, so könnte ver- mittelst der Plasticität der Zellen die Oberflächenvermehrung unter Abnahme der Zellenhöhe wohl in der Weise geleistet werden, dass dabei der Zusammenhang aller Zellen sowohl in der Verticalen als in der Horizontalen erhalten bliebe. Jedoch trifft obige Voraus- setzung bekanntlich nicht zu, es besteht sogar durch die Wellen- linien der Papillen ein fortwährender Wechsel von Convergenz und Divergenz naheliegender Cylinderzellen. Die Folge muss sein, dass auch die Richtungen ihrer Abkömmlinge sich häufig kreuzen und abgeplattete Zellencomplexe allerorts sich seitlich zwischen benach- barte Zellenschichten eindrängen. Hieraus resultirt allmählig ein blättriges Gefüge, in welchem die Blätter unregelmässig, aber nahezu horizontal übereinander geschichtet sind und es erklärt sich die Prädisposition der späteren Hornschichten, wo andere Umstände es erlauben, sich in horizontalen Blättern zu lockern. So lange die lebendigen Zellen ihre Plastieität bewahren, ist freilich von einer solchen Lockerung nichts zu bemerken; wenn die Plastieität im stra- tum lucidum, wohl mit den Lebenseigenschaften der Zellen, ver- braucht ist, tritt sie jedoch hervor und mit der Lockerung in der Verticalen eine immer beträchtlicher werdende Dehnung in der Ho- rizontalen. Während die Oberflächenspannung die lebendigen rete- Zellen nur abzuplatten und seitlich zu verlagern vermochte, dehnt sie die abgestorbenen Zellen der mittleren Hornschichte zu dünnen Bändern aus. Dass dem so sei, zeigt jeder klaffende Schnitt, den wir uns in der Fingerbeere rein im stratum corneum anbringen, _ zeigt die Zusammenziehung eines oblongen Oberhautquerschnitts zu trapezoider Form, sowie er sich selbst überlassen ist; es wird end- lich bewiesen durch eine noch wenig beachtete, jedoch bei allen feinen Schnitten sehr schön hervortretende Querrunzelung der mitt- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 673 leren Hornzellen. Besonders gut erhält man sie an Osmiumschnit- ten bei nachträglicher Haematoxylintinetion. Alle mittleren Horn- zellen zeigen hier noch Kernreste, aber ein gefaltetes, gerunzeltes Aussehen, als ob sie aus ihrer natürlichen Spannung befreit, in sich zusammengeschnellt seien. Die Querrunzelung ist also wohl nur Kunstproduet und wird im lebenden Gewebe _ durch die Ober- flächenspannung aufgehoben werden. Die mittlere Hornschicht besteht also aus abgestorbenen, haupt- sächlich noch in der Horizontalen verzahnten!), im der Verticalen gelockerten Zellenreihen. In dieser Partie reisst die Epidermis leicht auseinander, hier findet vorzugsweise die Ansammlung patho- logischer Exsudate statt, welche eine fächrige Structur bereits vor- finden. Ein kleines Bläschen, welches sich vor meinen Augen auf einem Insectenstiche erhob, dessen Decke ich, sorgfältig abgetragen, ganz frisch nach dem beschriebenen Verfahren untersuchte, zeigte, dass die Abhebung rein in dieser Mittelschichte stattgefunden hatte, von den bald zu beschreibenden Uebergangsstufen in das rete fand sich keine Spur. Ist diese vorstehende Auffassung richtig, welche den Grund der Umwandlung von basalen zu mittleren Hornzellen in eine Deh- nung durch Oberflächenspannung setzt, dann erklärt es sich auch einfach, weshalb in der Umgebung der Drüsencanäle diese Umwandlung weit langsamer vor sich geht, weshalb hier Zellen superbasalen Characters sich unverändert über einander schichten können, denn die Lichtungen der Drüsencanäle unterbrechen das Schema der allgemeinen Oberflächenspannung. Es erübrigt jetzt nur noch die Erklärung des scheinbaren Paradoxon, dass dieselbe mechanische Gewalt, welche die feste Basalschicht lockerte, zuletzt wieder eine festere Endschicht hervor- bringt. Die Lockerung gelang der Oberflächenspannung nämlich nur unter Dehnung der Zellen über das Mass des lebendigen Zellen- leibes und die dadurch eintretende Verschmächtigung der Zellen- körper erlaubte eben die nun erfolgende Lockerung in horizontalen Blättern. Werden die schmächtigeren Zellenleiber aber fortwährend über einander gehäuft, so muss die Oberflächenspannung sie unter 1) Hieraus erklärt es sich, dass in der Umgebung von Epithelverlusten, wo also auch der horizontale Zusammenhang aufgehoben ist, die Epidermis regelmässig bis in die Tiefe der Mittelschicht sich abschuppt. 674 P. Uuna: immer stärkerer Inanspruchnahme ihrer Elasticität wieder zu com- pacteren Schichten (Endschicht) zusammenpressen und erst wenn auch die Elastieität der todten Zellenleiber völlig verbraucht ist, reisst endlich der letzte, der horizontale Zusammenhang: die Horn- zellen schuppen sich ab. Alle Consistenzverschiedenheiten, welche ich so an dem schein- bar homogenen stratum corneum nachzuweisen suchte, können na- türlich das merkwürdige Bild der Ueberosmiumsäurewirkung 'eben- sowenig allein erklären, wie allein das einfache Unwirksamwerden des Mittels (Langerhans, Ranvier); jedenfalls müssen sie aber, wie ich meine, bei der Erklärung der so auffallenden Farbendiffe- renzen, die nach Tinetionen der Epidermis auftreten, mit verwerthet werden. Wenden wir uns jetzt den nächsttieferen Lagen der Epidermis zu, dem Uebergangsgebiete zwischen rete und stratum corneum. Dasselbe hat in Langerhans vor einiger Zeit bereits einen sorg- fältigen Bearbeiter gefunden, aber auch schon vorher sind. von mehreren Seiten theoretische Verwerthungen desselben versucht worden, die in sehr verschiedenem Sinne ausfielen. Es wird daher zweckmässig sein, einen kurzen, historischen Ueberblick der ein- schlägigen Literatur voranzuschicken und die bezüglichen, noch offenen Fragen zu präcisiren. Bereits den ersten Untersuchern der Haut fiel es auf, dass die zwei verschiedenen Lagen, in welche man die Epidermis theilen musste, bei allen Präparationsmethoden eine scharfe Grenze aufwiesen, obgleich der nahelie- gende Gedanke, dass äussere Einflüsse alte Rete-Zellen in Hornzellen verwan- delten, eigentlich einen allmähligen Uebergang erforderte. Auch blieb dieser auffallende Umstand bestehen, nachdem Oehl!) auf eine Lage verdichteter, hellerer Zellen aufmerksam gemacht hatte, welche sich grade an der Stelle des Ueberganges von rete in Hornschicht befanden und welche er als stratum lucidum der histologischen Nomenclatur einreihte. Denn nicht lange darauf trat Schrön?) mit einer Arbeit hervor, in welcher er den stets angeregten Zweifeln am einfachen Uebergange beider Schichten einen extremen Ausdruck gab, indem er dieselben genetisch: vollständig trennte, die Hornschicht sich 1) E. Oehl, Indagini di anatomia microscopica per servire allo studio dell’ epidermide e della cute palmare della mano. Annali universali di me- dieina 1857. 2) Schroen, Contrib. alla anatom., fisiolog. e patologia della cute umana. Torino 1865. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 675 aus den Schweissdrüsen über rete nebst stratum lucidum ergiessen liess und eine Menge vergleichend anatomischer und physiologischer Thatsachen zur Stütze dieser originellen Idee herbeizog. Eine sorgfältige Kritik der Schrön’schen Arbeit von Auffhammer!) wies jedoch diese Theorie mit schlagenden Gründen zurück und wandte sich damit wieder der älteren An- nahme eines einheitlichen Ursprungs der gesammter Oberhaut zu. Wieder einige Jahre später entdeckte Langerhans?) seine Schicht der granulirten Zellen unterhalb des Oehl’schen stratum lucidum. Auf. diese letzteren bei- den Arbeiten muss ich mir erlauben etwas näher einzugehen. Schrön hatte im Sinne seiner Theorie zwischen stratum lucidum und Hornschicht eine scharfe Grenze gesehen. Auffhammer musste auf diesen Punkt seine besondere Aufmerksamkeit richten und fand auch bald, dass im Gegentheile ein Uebergang von einem stratum zum anderen bestände. In diesem Punkte können wir vollständig mit ihm übereinstimmen. Das Oehl- sche stratum lucidum ist identisch mit unserer basalen Hornschicht, wie sich bei ungerügender Osmiumwirkung auf den ersten Blick ergibt. Hätte Schrön die Einwirkung dieser Säure gekannt, er hätte hier wahrscheinlich einen starken Anhalt für seine Theorie in der Constanz des unteren Streifens gesehen. Allein feine Schnitte lehren bei stärkerer Vergrösserung, dass in der That ein sicherer, wenn auch sehr rascher Uebergang von unserer basalen zur superbasalen Schicht, mit andern Worten zwischen stratum lueidum und Hornschicht besteht. Er findet sich in der (bereits pg. 666 erwähnten) schma- len, einzelligen Uebergangszone von bräunlich-violetter Farbe, welche in Fig. 1 (bv) abgebildet ist. Von diesem Punkte aber geht Auffhammer selbstständig weiter. Auch ihm fällt es nun doch wieder auf, dass »über dem stratum lucidum wieder mehr ausgebildete Zellformen (!) vor- »kommen, die gegen die Oberfläche hin mehr verschwinden. Es scheint, »als ob da hygroskopische Verhältnisse im Spiele wären und man könnte »die helle und die Hornschichte als ein stratum lucidum auffassen, dessen »Elemente um so mehr ihre Vitalität eingebüsst haben, je mehr sie »gegen die Oberfläche hin liegen, an welch letzterer selbst die Form »verloren geht, während nach der Tiefe zu, also nach dem stratum lu- »cidum hin, die Zellen, freilich nicht in dem Maasse wie in der Schleim- »schichte, ihren Character behalten und durch atmosphärische Einflüsse »sich aufblähen (?), was nicht mehr stattfindet und stattfinden kann im »eigentlichen stratum lucidum, wo die Zellen oftenbar (?) durch Druck »der von unten nachschiebenden Gebilde am meisten gedrückt und ab- »geflacht sind. Würden immer gleichviel Zellen an der Oberfläche der »Haut abgestossen und gleichviel in den unteren rete-Schichten auftreten, 1) Auffhammer, Kritische Bemerkungen zu Schrön’s Satz: etc. Würzburger Verhandlungen. Neue Folge Bd. I. 1869. 2) 1. c. 676 P. Unna: »so könnte eben nie ein stratum lucidum entstehen. Da nun aber die »Abnutzung an der Oberfläche langsam vor sich geht (?) und doch an- »genommen werden muss, dass im rete Malpighii zahlreiche junge Ele- »mente auftreten, so wird es beim Nachschub dieser jungen Gebilde zur »Verdichtung der nach oben liegenden Zellen kommen. Ein Theil dieser »abgeflachten Zellen aber wird wahrscheinlich eben durch hygroskopische » Verhältnisse wieder Zellgestalt annehmen, aber man wird diese Zellen »nicht anders als halbabgestorben bezeichnen können.« Der Grund, dass sich ein stratum lucidum bilde, soll also darin liegen, dass ein stärkerer Nachschub als gleichzeitiger Verlust an Epidermiszellen be- steht. Abgesehen davon, dass ein solcher für die normale Oberhaut noch niemals nachgewiesen und höchst unwahrscheinlich ist, so müsste dadurch doch das stratum lucidum stets dicker und dicker werden. Es wird nicht gesagt, wie es sich selbst eine Grenze des Wachsthums setzt. Andrerseits scheint mir der Gedanke eines vermehrten Druckes hier mechanisch ganz unhaltbar. Denn wenn auch die Zellproduction des rete nach oben sich einen Ausweg sucht, was ja sicher der Fall ist, wo soll ein vermehrter Druck herkommen, wenn kein Gegendruck besteht, oder sollten vielleicht die dar- über liegenden Zeilen (Mittelschicht) die Auffhammer als durch atmo- sphärische Einflüsse gequollen (?) ansieht, im Verein mit dem jungen Nach- schube das stratum lucidum zu seiner auffallenden Härte zusammen pressen? Dann müsste bei aller Unwahrscheinlichkeit wieder ihr Anhalt atergo gesucht und auf die ganz abgestorbene Endschicht recurrirt werden, welche nicht einmal mehr quellen kann (?) und keine Zellform mehr besitzen soll. Nach meiner Anschauung kann innerhalb einer Zellenmasse, wie der mit freier Oberfläche versehenen Epidermis nur dann von einer Druckwirkung die Rede sein, wenn Verschiedenheiten in der Cohaerenz der Zellen an verschiedenen Stellen vorkommen und dadurch den Druckkräften, vor Allem der Zellpro- duetion, ein wirksamer Halt geboten wird. Endlich erscheint mir die An- nahme, dass die mittleren Hornzellen gequollen und stärker gequollen sein sollen als die obersten, eine sehr gezwungene. Es geht der Grundirrthum hindurch, dass die mittleren Hornzellen deshalb, weil sie lockerer geschichtet sind und einen verbreiterten Zellenleib besitzen, »ausgebildetere Zellformen« repräsentiren sollen als die stark verkitteten Zellen des stratum lucidum, während sie eben nur ausgeweitete, höchst wahrscheinlich vollkommen ab- gestorbene Zellkörper sind. Weit einfacher und verständlicher in ihrer Wirkung, wenn auch im ferneren erst vollkommen zu beweisen, scheint mir die vorhin erörterte Annahme einer allmählig zwischen den nur locker in einander gefügten rete-Zellen!) auftretende und sich beständig mehrende Cohärenz, die hierdurch endlich zum stratum lucidum führt, dessen Gefüge 1) In Bezug auf den Zusammenhang der Rete-Zellen unter einander stimme ich vollständig der zwischen M. Schultze und Bizozzero ver- mittelnden Ansicht von Lott zu. 5 ee Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 677 grade unmittelbar, nachdem die höchste Cohärenz erzielt ist, durch einfache Oberflächenvermehrung gelockert werden muss. War Auffhammer in Aufstellung dieser Theorie minder glücklich als in seiner Kritik, so sieht man doch, wie er naturgemäss nach Bekämpfung des Schrön’schen Gedankens nun wieder selbst zu einer Erklärung über die sonderbaren Consistenzverhältnisse der Oberhaut sich gezwungen sah und seine sehr complieirte Theorie musste einfach daraus resultiren, dass er das stratum lueidum als direeten Abkömmling der rete-Zellen ansah, dass er von einer schon vorher vorbereiteten, tiefgreifenden Veränderung nichts wusste, mit einem Worte, dass er die Langerhans’schen Zellen noch nicht hinreichend würdigte; denn gekannt hat er diese später zu beschreibende merkwürdige Zellenschicht bereits recht gut'). Das erste Characteristicum derselben: ihre Granulirung, dann ihre Lage, ihre Fortsetzung in die Schweiss- drüsencanäle sind schon von Auffhammer bestimmt angegeben, ja noch mehr, er steht in einem Hauptpunkte, dessen Richtigkeit ich durchaus in Abrede stellen muss, auf derselben Seite wie Langerhans, indem er keinen Uebergang von den granulirten Zellen zu denen des stratum lucidum sieht. Aber die Angaben von Auffhammer blieben unbeachtet und erst Langerhans hat durch die genaue Beschreibung dieser Zellen bei Osmium- und Pikrocarminbehandlung ihnen in der Histologie das Bürgerrecht ver- schafft. Auch geht er darin über Auffhammer hinaus, dass er in dem Auf- treten so verschiedener Elemente rasch hinter einander sieht, dass »diese »Schicht (der granulirten Zellen) sehr stark das acceptirte Schema von der »allmähligen Metamorphose der Elemente des rete in die Schüppchen des »stratum corneum unterbricht, welches mit den hohen Cylinderzellen der »unteren rete-Schicht anzufangen und mit einigen kernlosen Schüppchen des »stratum corneum zu endigen pflegt.« Aber auch bei ihm sehen wir uns vergebens nach einer definitiven Lösung der Uebergangsfrage um, und aus den theoretischen Bemerkungen, welche er an seine Befunde knüpft, ist es wenigstens mir nicht völlig klar geworden, ob er seine granulirte Schicht als Beweis für die genetische Trennung der Oberhaut in zwei fundamental verschiedene Lagen ansieht, oder trotz derselben an einer einheitlichen Auf- fassung der Epidermis festhält. Jedoch scheint es mir, als ob er die granu- lirte Schicht als eigentliche matrix der Hornschicht ansehen möchte und dem rete keinen Theil an der Bildung der letzteren vindiciren wolle. Es handelt sich also nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge wesentlich um die Beantwortung der Frage: Haben wir in der Epidermis zwei getrennte Schichten anzunehmen, deren Elemente nicht in einander übergehen, rete und Hornschicht, oder ist an der älteren Auffassung festzu- 1} Auffhammer, l. c. S. 203. 678 P. Unna: halten, dass die Hornschicht eine Production des rete sei, insofern dessen Elemente durch die Stadien der Langerhans’schen Zellen und der Zellen des stratum lucidum hindurch in die Zellen der Hornschicht sich umwandeln. Wenden wir uns zunächst zur Betrachtung der mit unseren Verfahrungsweisen behandelten Uebergangsschichte, so gehen wir auch hier am besten von der Osmiumbehandlung aus, welche die Verhältnisse im Leben noch am treuesten wiedergibt. Bei starker Vergrösserung (Hartn. X imm.) bemerken wir, dass der untere Contour des schwarzen Basalstreifens (1 sb) nicht so vollkommen glatt und eben ist, wie bisher angenommen. Auch er besitzt eine Uebergangszone, welche in dem grünlich-bräunlichen Tone des rete gefärbt ist und hin und wieder feingezackte Zellcontouren aufweist, deren Umfang darauf schliessen lässt, dass in der äusserst compa- cten Basalschicht mindestens drei Zellenlagen anzunehmen sind. An diese Uebergangszone (b v) reihen sich nun sehr viel hellere, grosse Zellen von langgestreckter, rhomboider Form (1, 2h). Ihre homo- gene, glänzende Grundsubstanz zeigt so gut wie gar keine Osmium- färbung, enthält aber in den seitlichen Partieen der Zelle viele feine, schwarze Körnchen eingesprengt, während im centralen Theile, der Gegend des Kernes, die Körnchen fast fehlen, so dass dieser Theil der Zelle besonders licht erscheint. Langerhans beschreibt eine aus zwei Zellenlagen bestehende helle Schicht über seinen gra- nulirten Zellen, welche eigenthümlich quergestreift sein sollen. Wenn diese Schicht mit meiner »hellen Schicht« zu identificiren sein sollte, so muss ich bemerken, dass ich von einer Querstreifung nirgends eine Andeutung gefunden habe und dass ich diese auch meist nur einzellige Schicht nicht, wie Langerhans die seine, mit dem ganzen stratum lucidum Oehls zu identificiren vermag, son- dern nur als unterste Lage desselben gelten lassen kann. Auch finde ich nicht, dass die Grenze dieser hellen Schicht gegen die nun folgende granulirte so ausserordentlich scharf ist, wie Langer- hans es darstellt. Ebenso wie einzelne Zellen der hellen Schicht nach oben hin in die erwähnte Uebergangszone des Basalstreifens eingehen, finden sich an andern Stellen »helle« Zellen, welche halb schon als der granulirten Schichte angehörig anzusehen sind. An letzteren Orten sieht man den Uebergang von granulirten zu hellen Zellen deutlich dadurch zu Stande kommen, dass in den granulirten Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 679 Zellen die Körner sehr viel feiner werden, während die Substanz zwischen denselben durchsichtiger und glänzender wird. Aber immerhin folgen die verschiedenen Bilder in dieser Höhe der Epidermis sehr rasch auf einander und es scheinen daher grade in dieser Zone diejenigen Veränderungen zu culminiren, welche die Rete-Zellen zu Hornzellen werden lassen. Für das Studium des Verhornungsprocesses ist also diese Zone von besonderer Wichtig- keit und es erscheint der Werth, den Langerhans auf sie in seiner Darstellung gelegt hat, vollkommen gerechtfertigt. Nur darf man meiner Ansicht nach nicht so weit gehen, die Matrix der Horn- zellen hierher verlegen und damit den Uebergang der Rete-Zellen in die Hornzellen in Frage stellen zu wollen. Die grellen Farben- differenzen und sonstigen Verschiedenheiten begreifen sich zur Ge- nüge, wenn man die chemischen Veränderungen, welche den Ver- hornungsact begleiten, in dieser Zone rasch sich abspielen lässt. Nun folgen nach unten die granulirten Zellen selbst (1, 2k) in der Mächtigkeit von i—2 Lagen, wenn man nur diejenigen hier- her rechnen will, deren ganzer Leib mit Körnchen erfüllt ist. Aber wie Langerhans es auch angibt, ist keine scharfe Grenze gegen das rete zu ziehen. Verfolgen wir die Rete-Zellen von den Cylinder- zellen aufwärts, so sehen wir je nach der Mächtigkeit des ganzen rete bald höher, bald tiefer einzelne Körnchen zunächst in der Um- gebung des Kerns auftreten. Diese werden alsbald dichter gehäuft, verdecken an manchen Stellen den Kern vollständig und lassen nur noch eine äussere, helle Zone der Zelle frei. Zugleich sind die Stacheln kleiner geworden, aber sie sind noch vollkommen deutlich. Hier und dort scheinen sie schwarze Körnchen aufgenommen zu haben, bis sie dort, wo nur noch feine, helle Randzonen geblieben sind, zwischen denselben ganz als schwarzgekörnte Bänder erschei- nen. Es ist beim Auf- und Abstellen der Mikrometerschraube durch den Wechsel zwischen dunkeln und hellen Körnchen leicht zu be- weisen, dass die Metamorphose der Stacheln nicht auf wirklicher Schwarzfärbung durch Osmium beruht, sondern dadurch zu Stande kommt, dass die früher hellen, homogenen Stacheln zu kleinen Ru- dimenten zusammenschrumpfen und dadurch das Licht weit stärker brechen. | Es gehen also zwei Processe im Vorschube der Rete-Zellen wesentlich Hand in Hand: ein engeres Zusammenrücken der ein- zelnen Zellen durch das Kleinerwerden der Stacheln bedingt, und 680 P. Unna: ein Auftreten von verschieden grossen Körnern, zuerst um den Kern herum. Die eigentlichen Körnerzellen nun, welche durchaus von Körnern erfüllt sind, zeigen auch am äusseren Contour einen Fort- schritt des hier stattfindenden Processes. Die Stacheln sind voll- kommen verschwunden, wie Langerhans richtig angibt. Statt dessen finde ich, freilich nur selten mit starken Ver- srösserungen schön zu sehen, die Zellen mit feinen Zacken in ein- ander greifen. Auch hierdurch entsteht noch zuweilen das Bild einer feinen Körnerlinie als Zelleontour und dieses feinzackige In- einandergreifen tritt an den nun folgenden, hellgewordenen Zellen ebenso deutlich wieder hervor, wie selbst nach Passirung des schwar- zen Basalstreifens noch an den hellgelassenen Zellen der mittleren Hornschicht. j Fassen wir jetzt die ganze Reihe der beschriebenen Verände- rungen ins Auge, so erscheint die körnige Zelle als nothwendige Uebergangsstufe im Fortschritte der Verhornung. Die Körnelung tritt langsam in den älter werdenden Rete-Zellen in der Zellen- mitte auf und schreitet nach dem Rande zu fort; dann erfolst ebenfalls in der Zellenmitte beginnend, rasch eine völlige. Wieder- aufhellung der Zelle, wie es scheint, indem um jedes Körnchen ein heller Hof sich bildet. Unterdessen verschwinden die Stacheln bis auf kleine Rudimente, welche zuletzt in der körnigen und hellen. Schicht nur noch ganz kleine Zacken darstellen. Die engere An- einanderlagerung und feine Verzahnung der Zellen nimmt ebenso rasch zu wie ihre Umwandlung in homogene Schollen und dadurch entsteht das stratum lucidum, unsere basale Hornschicht. Hiermit ist die eigentliche Verhornung beendigt: wir finden hier die Haupt- eigenschaften der Hornsubstanz erzielt, Härte und Transparenz. Die Veränderungen in den folgenden Schichten finden secundär an den völlig verhornten Zellen statt und sind wohl Wirkung rein mechanischer Ursachen, wie ich es oben zu erörtern versucht habe. Untersuchen wir jetzt, unsere gewonnene Anschauung contro- lirend, die Bilder, welche uns andere Färbemethoden liefern. An den Pikrocarminschnitten fällt vor allem auf, wenn wir von den Rete-Zellen aufsteigen, dass ihr Uebergang in granulirte Zellen hier weit allmähliger erfolgt, indem die ersten Körnchen schon viel frü- her sichtbar werden als an Osmiumschnitten. Die ein bis zwei obersten Lagen der granulirten Zellen heben sich nichtsdestoweniger auch hier bedeutend von den nächsttieferen ab (5k) und zwar nicht Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 681 nur dadurch, dass sie vollkommen mit Körnern erfüllt und dadurch zu eigentlichen »Körnerzellen« gestempelt sind, sondern auch durch den Umstand, dass- sie in ihrer Farbe eine starke Beimischung von Gelb aufweisen und hierdurch einen beträchtlichen Glanz zeigen. Es findet also hier dicht unterhalb des ‚gelben Basalstreifens (5 sb) genau dasselbe statt, was wir oben pg. 670 von den superbasalen Zelllagen angaben, nämlich eine starke Pikrinsäureeinwirkung neben der bedeutenden Carminfärbung. Diesen dunkelrothen, körnigen Streifen (5 k) vermisst man niemals; er lässt auf den ersten Blick diejenige Art der Verhornung, welche wir im Vorigen von der nor- malen Oberhaut geschildert haben und im Folgenden kurzweg als »Oberflächenverhornung« bezeichnen wollen, von anderen, z. B. beim Haar, beim Nagel vorkommenden Arten der Verhornung unter- scheiden. Auf die obersten Körnerzellen folgt nun an Pikrocarminschnit- ten direct der gelbe, homogene Basalstreifen (5 sb); eine helle Schicht wie auf den Osmiumbildern ist nicht vorhanden, diese Zellen- schicht muss sich also ebenfalls im gelben Streifen befinden und derselbe ist auch in der That 1—2 Zellenreihen breiter als der Ösmiumstreifen. Dadurch entsteht aber nun die Frage: sollen wir nach dem Pikrocarminbilde die Hornschicht direct über den Körner- zellen beginnen lassen oder nach dem Osmiumbilde 1—2 Zellen- reihen weiter oben mit dem schwarzen Basalstreifen, wo dann die helle Schicht eine Uebergangsstufe eigener Art darstellen würde? Ich muss diese Frage als eine offene bezeichnen, deren Beantwor- tung wohl auch kein besonderer Werth beizumessen ist. Die brillanteste Darstellung der Körnerzellenschicht liefert ohne Zweifel die Haematoxylinfärbung. Ihre Besonderheit liegt darin, dass die Körnerschicht noch breiter erscheint als an Pikro- carmin-, viel breiter als an Osmiumbildern. Die Körner sieht man bei dieser Färbung schon in den untersten Lagen des rete auftreten und auch noch höher oben als sonst sichtbar werden, so dass die hier hellbleibende, basale Hornschicht von unten her durch die Körnerzellen eingeengt erscheint. Die Kornzellen sind hier, wie Langerhans es richtig von Pikrocarminbildern beschreibt und abbildet, durch helle Säume getrennt, in denen man aber bei star- ker Vergrösserung noch mit Deutlichkeit dass wenn auch reducirte, leitersprossenartige Bild des Stachelzellencontours, sogar weit besser als an Osmiumpräparaten erkennt. Das fällt mit der Thatsache 682 P. Unna: zusammen, dass auch im unteren Theile des rete der Stachelpanzer an Schnittpräparaten kaum schöner zu sehen ist als an eben den- selben Haematoxylinschnitten. Es scheint, als wenn dieses Mittel auch noch die Stacheln zu färben vermöchte. Jedenfalls liegt in diesem Verhalten der Beweis, dass man daraus, dass in den hellen Säumen auf Pikrocarminschnitten das Bild der Stacheln nicht zu erkennen ist, nicht auf einen völligen Verlust der Stacheln an den Körnerzellen schliessen darf. Die nachträglichen Färbungen von Osmiumschnitten mit Pi- krocarmin und Haematoxylin, welche zur Controle richtiger Identi- fieirung der analogen Schichten bei den verschiedenen Färbungen dienten, will ich hier übergehen und nur einen Umstand hervor- heben, der bei ihnen neu hervortritt. Die Kerne sind nämlich hier alle bis in die Körnerzellen in schöner Bläschenform erhalten, je nachdem roth oder blau gefärbt, während sie bei den betreffenden einfachen Färbungen häufig in einen Winkel ihrer Höhlung gedrückt oder geschrumpft erscheinen. Diese Veränderung kann also nur der gewöhnlichen Härtung zugeschrieben werden und ich muss es für einen Irrthum erklären, wenn behauptet worden ist, dass die Verhornung mit einem Schrumpfen des Kernes anfınge. In Präpa- raten aus Alkohol oder Müller’scher Lösung schrumpfen freilich die Kerne meistens, aber in den oberen Rete-Schichten nicht mehr als in den unteren. Die wirkliche Schrumpfung oder vielmehr Ab- bröckelung des Kerns ist ein secundärer Process, welcher Hand in Hand mit dem Schwinden der übrigen Körner an der Grenze zwi- schen Körnerschicht und basaler Hornschicht in der Weise vor sich geht, dass ein geringer Rest desselben durch alle Hornschichten meist erhalten bleibt. Es erübrigt jetzt nur noch gewisse Einzelnheiten über den Durchtritt des Schweissdrüsencanals durch die besprochenen Schich- ten hinzuzufügen. Dieselbe hat bereits eine ausführliche Besprechung und Abbildung durch Heynold!) erhalten, welcher hauptsächlich an ÖOsmiumpräparaten arbeitete. Diese sind nun auch für den Durchtritt des Canales durch die basale Hornschicht fast allein zu verwerthen, weil es grade hier auf scharfe und präcise Unterschiede im kleinsten Raume ankommt. Für das Verhalten der Rete- und 1) Heynold, über die Knäueldrüsen des Menschen. 1874. Virchows Archiv, Bd. 61. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 683 Körnerzellen zum Canale geben jedoch auch Pikrocarmin- und Haematoxylin sehr characteristische Bilder. Heynold, welcher zuerst an dem Canale eine cuticula beschrieb und als solche einen hellen durch Osmium sich bräunlich färbenden Saum ansah, der die innerste Epithellage nach dem Lumen hin bekleidet, will dieselbe auch durch das rete hindurch bis an die Hornschicht verfolgen können und hier durch eine »theilweise Verhornung« ersetzt wissen. In dieser Beziehung muss ich auf Grund unserer neuen von der Art, des Verhornungsprocesses gewonnenen Anschauung wesentlich von ihm abweichen. Ich sehe bei Verfolgung des Canales von seiner Ausmündung an der freien Oberfläche bis tief in das rete hinein, wie sich jede obere Schicht trichterförmig zur Bildung der Canal- wandung in die nächste, zuweilen noch in die zweitnächste hinein- senkt!); ich sehe, dass in Folge davon Querschnitte des Canals in ganz regelmässiger Folge die besprochenen Schichten der Epidermis wiedergeben und zwar so, dass der nämliche Act der Verhornung im Canal nur in etwas tieferem Niveau als in der übrigen Epider- mis und in viel gedrängterer Folge nach dem Lumen als nach der freien Oberfläche hin, gleichsam im Auszuge, wiederkehrt. Sonach sehe ich innerhalb der Epidermis im Schweissdrüsencanal keine cuticula, sondern meine, durch das trichterförmige Herabrücken der höheren Lagen in die tieferen am Drüsencanal die von Heynold auf eine Cuticula bezogenen Bilder erklären zu sollen. Dagegen kann ich an dem tieferen, die Cutis durchziehenden Theile des Ca- nales den Heynold’schen cuticularen Saum durchaus bestätigen. Der Anschaulichkeit und Kürze halber werde ich diese soeben skiz- zirte Auffassung an der Hand des Schemas (Fig. 4) zuerst durch die einzelnen Schichten verfolgen und dieselbe sodann bewahrheiten durch die Vergleichung der aus dem Schema mit Strenge abzulei- tenden Querschnittsbilder mit den in Figg. 2, 5, 6 abgebildeten thatsächlich gewonnenen Präparaten. Der schwarze Endstreifen der Hornschicht schickt an Stelle jeder Canalmündung einen schwarzen Zapfen (4z) in die Tiefe, welcher ungefähr so lang als der Streifen selbst breit ist und sich beim Eindringen in die Mittelschicht bedeutend verschmälert. Hier 1) Der Einfachheit wegen und um die Zahl der Figuren nicht noch zu vermehren, habe ich dieses Verhalten durch ein Schema, s. Fig. 4, zu erläu- tern gesucht. 684 P. Unna: wird dieser Trichter der Endschicht von den oben besprochenen Zellen superbasalen Characters (4 ssb‘) umfangen wie ein gewöhn- licher Trichter vom Flaschenhalse und von jetzt an senken sich ein innerer schwarzer und ein äusserer weisser gemeinsam in die pg. 667 erwähnte Depression der Basalschicht, welche vollständig von Superbasalzellen (4 w) erfüllt ist. Hier endigen die beiden ersten Trichter fast gleichzeitig und indem die Basalschicht eine Zeit lang allein den Canal begrenzt, erfährt derselbe hier seine stärkste Ein- engung. Dann treten in ganz regelmässiger Folge die hellen Zellen, die Körnerzellen und endlich die Stachelzellen des rete selbst an die Lichtung des Canals heran. Hierbei ist nur zu bemerken, dass an der Grenze von hellen und Körnerzellen eine Art Mittelform von beiden Zelltypen auftritt, welche an der äusseren Zellperipherie Körner enthält, während sie nach dem Lumen zu einer hellen Zelle gleicht. Dieses Verhalten suchte ich in Schema 4 durch das helle Feld (h) zu versinnbildlichen. Ebenso lassen sich unterhalb des Körnerzellentrichters in den zunächst an den Canal herantre- tenden rete-Zellen noch einzelne Körner bemerken (im Schema durch k angedeutet). Hierauf erweitert sich der Canal, der schon im rete wieder eine grössere Lichtung angenommen hatte und dringt in die cutis ein. Zugleich erhält die innerste Epithellage einen stark lichtbrechenden Saum, die Heynold’sche Cuticula. Gehen wir nun von unten nach oben, so muss ein Schnitt, welcher in der Höhe der Ziffer 1 den Canal getroffen hat, ihn von lauter rete-Zellen umgeben zeigen. Ein solcher ist in Fig. 6Q,,, abgebildet. Man sieht hier zugleich die directe Fortsetzung des Canals nach oben und bald darauf das Canalstück begrenzt durch einen zweiten Querschnitt (6 Q,,), welcher von lauter Kornzellen umsäumt wird. In diesem ganzen unteren Theile des rete wird der Canal im weiteren Umfange von sehr langgestreckten, spindelförmi- gen (6sp), aber noch deutliche Stachelung zeigenden Epithelien um- geben. Dieses sind wohl jene Zellen, welche Schrön veranlasst haben, seiner Theorie zu Liebe ein bindegewebiges Element, näm- lich die (— ich eitire nachHeynold —) auf »uno strato finissimo interrotto di cellule fusiforme« redueirte Balgwandung des Canals durch das rete hindurch aufsteigen und an der Hornschicht endigen zu lassen!). Von einem solchen bindegewebigen Elemente ist hier 1) Völlig unverständlich ist es mir, wieHeynold die Angabe Schröns Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 685 nichts zu entdecken. Ein wenig nach der Basalschicht hin, — im Schema ungefähr bei der Linie 3, — und die Canalwandung setzt sich aus einem inneren Ringe der hellen Schicht und einem von Körnerzellen gebildeten äussern zusammen. Dieses Bild gibt 6Q, und 5Q, wieder. Bei der Pikrocarminfärbung sind ja helle Schicht und Basalschicht nicht von einander geschieden, sondern werden gleichmässig mehr oder weniger gelb gefärbt. Der untere Theil dieses Basaltrichters ist aber nur höchst selten noch gelb tingirt, sondern bleibt meist ganz ungefärbt, was nach den besprochenen Eigenschaften des Pikrocarmin nicht Wunder nehmen kann. An der Abbildung 5 haben wir oben (pgg. 670 u. 681) bereits erörtert, wie der in Bezug auf Consistenz im Schnitte dominirende Basalstreifen die gelbe Färbung auf sich und zu beiden Seiten auf seine nächste Nachbarschaft concentrirt, wodurch die etwas fernerliegenden Partieen vor der Pikrinsäureeinwirkung bewahrt bleiben. Die Osmium- und Haematoxylinbilder zeigen in der entspre- chenden Höhe an der Canalwandung ebenfalls einen hellen inneren und stark .körnigen äussern Ring. In Fig. 60Q, ist eine der bei Erläuterung des Schemas erwähnten Zellen mitgetroffen, welche an der Aussenseite Körner, nach innen zu einen hellen Saum zeigt; es ist diejenige Zelle, auf welche der Buchstabe Q, direct hinweist. Betrachten wir den Durchschnitt 4 auf dem Schema, so folgen sich von aussen nach innen: rete-, Körner-, helle Zellen und end- lich Zellen des schwarzen Basalstreifens und genau dieselbe Reihen- folge weist Querschnitt q,, Fig.2 auf. Das Lumen selbst begrenzen zwei Basalzellen, deren Enden in die Buchten dreier stark ge- bogener hellen Zellen hineinpassen. Dieses Bild kann Heynold durch seine continuirlich den Canal auskleidende cuticula gar nicht erklären; denn wenn die innersten schwarzbräunlichen Felder die cuticulae der nach aussen folgenden hellen Zellen darstellen sollten, so müssten wenigstes die Grenzen dieser Zellen und ihrer cuticulae sich genau entsprechen. Der Durchschnitt 5 im Schema geht mit- ten durch die engste Stelle des Canals und ist in Fig. 2 durch das schlitzförmige, vollständig im schwarzen Basalstreifen eingeschlossene über diese spindelförmigen Zellen durch seine ceuticula erklären zu können vermeint, welche doch den Canal innen auskleiden soll, während jene »cellule fusiforme« Schröns die Canalwandung aussen begleiten. 686 P. Unna: Lumen q ,, repräsentirt. Ganz wenig höher als der Durchschnitt 5 im Schema liegt der Querschnitt Qs in Fig. 5, was aus dem Saume rother Zellen hervorgeht, welcher ihn auskleidet und welcher, wie im Schema ersichtlich, dem Trichter der superbasalen Zellen angehört. Die Linie 6 im Schema schneidet von innen nach aussen: schwarze Endschicht, weisse Mittelschicht und schwarze Basalschicht und dieser Höhe entspricht der Querschnitt q, in Fig. 2 fast ganz. Man sieht hier an der einen Seite des Lumen eine schwarze Zelle der Endschicht, an der anderen eine weisse der Mittelschicht an- stehen. Der oberste schwarze und der folgende weisse Trichter endigen eben nicht ganz gleichzeitig und auch nicht so ganz gleich- mässig im Umfange des Canals. Dem Durchschnitt 7 des Schemas endlich entsprechen die beiden Lumina Q; und Q, Fig. 5. Sie zeigen, wie es das Schema verlangt, einen inneren gelben Saum, welcher der herabsteigenden Endschicht angehört und einen breiten, äusseren Ring tief roth gefärbter, superbasaler Zellen. An Osmium- schnitten finden wir hier die aus schwarzen Zellen bestehenden Säume des Canals von hellen Ringen umgeben, natürlich nur dann, wenn die Säure bis an diesen Theil der Mittelschicht gedrungen ist, ohne die Hornschicht schon ganz vollständig geschwärzt zu haben (vgl. die vorhin gegebene Beschreibung der Osmiumwirkung). Nach Heynold erfährt die cuticula vom unteren Theile des rete an mannichfache Schicksale: sie ist bald zerrissen, bald geht sie fettigen Zerfall ein (dort, wo unsere Körnerzellen das Lumen begrenzen) und erscheint dann wieder plötzlich in optima forma (in unseren Basalzellen innerhalb der hellen Schicht); endlich soll im stratum corneum eine »partielle Verhornung« an ihre Stelle treten. Diese mannichfachen Veränderungen des Bildes erklären sich nach meiner Ansicht einfacher dadurch, dass in Horn-, Ueber- gangsschicht und im rete gleichmässig Zellentrichter in Zellentrich- ter sich einsenkt. Ich muss entschieden behaupten, dass im ange- gebenen Theile des Canals keine cuticula dem Canale anliegt und die (schon von Auffhammer angedeutete) Ansicht zurückweisen, als stehe die cuticula des unteren Canalabschnitts mit dem Oehl- schen stratum lucidum in einem direeten Zusammenhange. Endlich kann ich auch für die Hornschicht nicht zugeben, dass hier nach dem Lumen hin eine »partielle Verhornung« eintrete und finde diesen Ausdruck höchstens gerechtfertigt für jene besprochene Mittel- form zwischen Körnerzellen und hellen Basalzellen, welche nach dem Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 687 Lumen zu einen hellen Saum tragen. Grade in der Uebereinstim- mung der Vorgänge nach der freien Oberfläche und nach dem Lumen des Canals hin finde ich eine gegenseitige Stütze beider Auffassungen und weiterhin auch die Berechtigung, den ganzen Process als eine nothwendige Altersveränderung der Zellen, wie sie im mittleren Theile des rete nun einmal gegeben sind, an freien Flächen unter dem Namen »Oberflächenverhor- nung« hinzustellen. Es hat wohl noch Niemand über die Epidermis ausführlich gehandelt, ohne die dunkle Frage nach der normalen Regeneration derselben wenigstens muthmasslich zu berühren. In den Hunderten von Schnitten der Fingerhaut des verschiedensten Alters, welche ich behufs des Verhornungsprocesses einer Durchsicht unterwarf und an denen ich stets auch die Stachelzellen genau betrachtete, war ich niemals so glücklich, das unzweifelhafte Bild einer auch nur mehrkernigen, geschweige einer sich theilenden Zelle in den oberen und mittleren Lagen des rete zu beobachten. Dagegen fand ich fast überall Bilder, welche so sehr für einen Abschnürungsprocess von den Cylinderzellen sprachen, wie ihn Lott für die Fusszellen der Cornea beschreibt, dass ich der Ansicht dieses Autors am lieb- sten beipflichte, wenn er, ohne besonders für pathologische Aus- nahmsfälle, — ich möchte hinzusetzen: unter abnormen Druckver- hältnissen —, die Theilung der fertigen Stachelzellen angreifen zu wollen, den Abschnürungsprocess aus der untersten Epithellage für den hauptsächlichen und normalen Regenerationsvorgang betrachtet. Eigentliche Fusszellen existiren nun freilich an der Haut des Er- wachsenen nicht, aber man kann dech die Cylinderzellen als ein Analogon derselben betrachten. Die kurzen Spitzen oder Haken, welche ihr basales Ende in die cutis hineinschickt und welche schon von verschiedenen Seiten, ganz neuerdings von Ranvier!) von Osmiumpräparaten beschrieben und abgebildet sind, werden, wie die Stacheln der Stachelzellen durch Haematoxylin am besten kenntlich gemacht. Sie sind jedoch viel dieker und gewöhnlich kürzer als die letzteren, oft auf kleine Buckel und Riffe redueirt und man bemerkt einen deutlichen Zwischenraum zwischen ihrer Insertion und derjenigen der ersten Stacheln, welche erst etwas höher an den Cylinderzellen beginnen. Sie sind deshalb mit den Stacheln nicht 1) Traite d’histologie pg. 262. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 45 688 P. Unna: ganz auf eine Linie zu stellen und ich möchte auch weniger be- haupten, wie es geschehen ist!), dass sie die Bündel der Cutis- fibrillen umklammerten, als dass sie einfache Abdrücke der Un- ebenheiten der Cutis sind, wodurch sie dann vielleicht den Fuss- platten auf der cornea noch näher kämen. Von der oberen Partie der Cylinderzelle, welche mir aus dem eigentlichen Regenerations- heerde der Oberhaut immer neu aufzusteigen scheint, bis zur letzten Hornzelle sehe ich denn keinen wesentlichen Zuschuss junger Zellen- brut hinzukommen. Nach der gegebenen Darstellung glaube ich folgende Einthei- lung der Epidermisschichten vorschlagen zu dürfen: die menschliche Epidermis zerfällt nach Altersstufen in 3 Abschnitte: Stachel- schicht (strat. spinosum), Körnerschicht (strat. granulosum) und Hornschicht (strat. corneum), welche alle durch mehr oder weniger ausgeprägte Uebergänge mit einander verbunden sind. Was den ersten Namen betrifft, so schien mir ein bezeichnen- der Name für Malpighis rete oder strat. mucosum am Platze zu sein. Seitdem wir wissen, dass das ganze rete Malp. an allen ge- schichteten Epithelien des Erwachsenen (Lott, Langerhans), und, wie ich hinzusetzen kann, auch des Embryo, nur aus Stachelzellen besteht, ist es wohl zweckmässig, den Namen Stachelschicht einzuführen. Eine besondere Uebergangsschicht unter dem Namen »Körner- schicht« aufzustellen, wäre nicht absolut nothwendig; aber bei der Complication des Verhornungsprocesses und mit Bezug auf die pg. 680 hervorgehobene Bedeutung dieser Schicht, scheint es ange- messen, sie besonders zu benennen. Dass ich den Namen »stratum lucidum« bei der Aufzählung der Hauptschichten der Epidermis fortgelassen habe, wird dadurch gerechtfertigt, dass die Zellen dieses stratum evidente Hornzellen sind und ich einer weiteren Unter- abtheilung der Hornschicht hier keinen gleichberechtigten Platz ein- räumen konnte. Für die Detailbeschreibung kann der Name stratum lucidum oder die von mir dafür öfter gebrauchte Bezeichnung »ba- sale Hornschicht« beibehalten werden. 1) Ranvier, 1. c. pg. 262. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 689 II. Haar. A. Die innere Wurzelscheide und die Oberhäutchen. Auf die Hüllen des Haares musste naturgemäss das Haupt- augenmerk gerichtet sein bei Untersuchung der Frage, ob die im vorigen Capitel beschriebenen Uebergangsschichten der Epidermis für den Bau des Haares von Bedeutung seien. Feine Längsschnitte durch die centrale Partie dicker Barthaare, welche man in Pikro- carmin färbt (7), ergeben nun auch an dem untersten Theile der inneren Wurzelscheide eine frappante Farbendifferenz der einzelnen Schichten, welche zur näheren Untersuchung auffordert. Ein schön rosarother Streifen (7m) umfasst hier die Papille von beiden Seiten wie eine Klammer und verliert sich allmählig in die innere Wurzelscheide in der Höhe des Schaftes. Diese Klammer ist der Durchschnitt eines vollständigen, rothen Mantels, welcher in der Höhe der Papitle die Matrix des eigentlichen Haares mit seinem Oberhäutchen, die Haarzwiebel im engeren Sinne, um- gibt und der nach aussen direct an den Haarbalg zu grenzen scheint. Bei stärkerer Vergrösserung findet man jedoch, dass zwischen die- sem »Mantel« und der homogenen Membran des Haarbalgs sich die atrophirenden Ausläufer der äusseren, bräunlich gefärbten Wurzel- scheide bis an den Hals der Papille verfolgen lassen. Während diese Farbendifferenz (bei nicht zu starker Carmineinwirkung) Zellen der äusseren und inneren Wurzelscheide stets leicht unterscheiden lässt, ist die letztere auch von der eigentlichen Haarzwiebel unge- mein leicht abgrenzbar durch einen hellen Saum der Haarzwiebel nach aussen (7 ca), welcher schmäler werdend sich auch auf den Haarschaft fortsetzt. Auf gleicher Höhe mit der Spitze der Papille nimmt der rothe Mantel plötzlich von aussen her um eine Zellenbreite ab, aber zu- gleich schiebt sich, den Ausfall deckend, ein helles Gebilde (7 h) zwischen innerer und äusserer Wurzelscheide ein. Der Punkt, an dem diese Veränderung eintritt, liegt bei Haaren, deren Bulbus, wie sehr häufig, mit dem Schafte einen Winkel bildet, an der einen Seite, nach welcher dieser Winkel sich öffnet (7 rechts) stets genau an der Knickungsstelle (7 h,) selbst; an der gegenüberliegenden Seite (7 links) nicht an so bestimmter Stelle. Noch weiter oben hört der rothe Mantel ganz auf, indem das helle Gebilde (7h,,) an seine 690 P. Unna: Stelle tritt. Hier ist schon bei schwacher Vergrösserung ein deut- licher Uebergang von rothem in ungefärbtes Zellenmaterial wahr- nehmbar. Bei starker Vergrösserung erkennt man nun leicht, dass der rothe Mantel den Anfang der Huxley’schen Scheide darstellt und allmählig blasser werdend, direct in dieselbe übergeht, dass das helle Gebilde nach aussen, welches erst über der Papille beginnt (7 h), mit der Henle’schen Scheide zu identifieiren ist und dass der helle Saum (7 ca), welcher schon in der Höhe der Papille den rothen Mantel von der eigentlichen Haarzwiebel abgrenzt, das Ober- häutchen des Haares darstellt. Es entsteht nun die Frage: sind diese grellen Farbendifferenzen im Stande auf die viel erörterte Genese der Haarhüllen einiges Licht zu werfen? Untersucht man (10) bei einigermassen starker Vergrösserung (Hartn. VIII) jene oben berührte Partie an der Knickungsstelle des Haares oberhalb der Papille, wo die Henle’sche, Scheide unvermit- telt ins Dasein zu treten scheint, so erkennt man bald, dass hier doch nur von einem allmähligen Uebergange die Rede sein kann. Die Henle’sche Scheide (10 h) besteht hier aus blassen, fast cubi- schen Schollen, in denen sich durch Ueberosmiumsäure nur Reste von Kernen nachweisen lassen. Ihr unmittelbares Postament bildet eine breite, rothe Zelle (10 r) ohne deutlichen Kern, aber mit stark körnigem Inhalt. Die nach unten zu folgende Zelle ist schon etwas kleiner und so spitzt sich die Zellenreihe in raschem Abfall nach dem Papillenhalse zu. Stellt man nun genau auf die Grenze zwi- schen erster Henle’scher und letzter rother Zelle ein, so nimmt man regelmässig wahr, dass auch diese erste Henle’sche Zelle noch nicht ganz durchsichtig ist. Das Innere der Zelle erscheint blassröthlich gefärbt; was aber wichtiger ist, ihre peripherischen Theile bestehen noch aus demselben körnigen Materiale, wie die ganze, breite, rothe Zelle, auf welcher sie ruht. Ebenso lässt sich an den nächst- folgenden Henle’schen Zellen stets noch an der Peripherie körniges Material entdecken. Dieser Uebergang ist an der convexen Seite des Haares stets besser vermittelt und deutlicher als an der Knickungsseite. Successive Querschnitte, welche man in der Höhe der Papillen- spitze anfertigt, führen zu ganz demselben Resultat. Von unten aufsteigend erhalten wir anfangs nur zwei Färbungen um den Haar- schaft, zuerst einen breiten, intensiv rothen Ring (Durchschnitt des Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 691 rothen Mantels), zu äusserst einen schmäleren, bräunlichen (äussere Wurzelscheide). Etwas höher oben wird der äussere Theil des inneren Ringes etwas durchscheinender, blasser und zeigt schon sehr gut den bekannten, gezackten inneren Contour der Henle’schen Scheide auf Querschnitten, welcher dadurch entsteht, dass die im Querschnitt 5eckigen Zellen mit ihrem Giebel in einen Ausschnitt der anliegenden Huxley’schen Zellen regelmässig eingreifen. Der nächsthöhere Schnitt wird dann durch die ungefärbte Henle’sche Scheide schon in zwei farbige, concentrische Abtheilungen geschie- den, aber man sieht hier, noch deutlicher vielleicht als auf dem Längsschnitte, die innere, rothe Substanz mit rothen, körnigen Speichen in die Henle’sche Scheide, den Zelleontouren entsprechend, eingreifen, so dass der ganze Querschnitt einen radähnlichen Ein- druck macht. Weit deutlicher noch als das Hervorgehen der Henle’schen Scheide aus dem äusseren Theile des rothen Mantels ist der mehr allmählige Uebergang des inneren Theiles in die Huxley’sche Scheide. An dieser letzteren glaube ich, besonders nach Querschnittsbildern, die mit Haematoxylin oder Ueberosmiumsäure behandelt waren, für die meisten, wenn nicht alle dickeren Barthaare zwei Zelllagen annehmen zu müssen !), und finde dem entsprechend, dass der innere Theil des rothen Mantels, aus welchem dieser Huxley’sche Doppel- cylinder hervorgeht, ebenfalls aus zwei stark körnigen, freilich nicht leicht abzugrenzenden Zellenreihen besteht, der ganze rothe Mantel sich also aus 3 concentrischen Zellenschalen zusammensetzt. An den dünneren Barthaaren dagegen, sowie an Kopfhaaren und allen Lanugohärchen besteht die Huxley’sche Lage, wie die Henle’sche, nur aus einem einzelligen Cylinder. Die Untersuchung ganz junger, noch durch die Epidermis nicht hindurchgebrochener Cilien machte es mir im höchsten Grade wahrscheinlich, dass ur- sprünglich in allen Haaren drei Zelllagen für die gesammte innere Wurzelscheide angelegt sind. So sehen wir es in der jungen Cilie (17), indem die am oberen Theile des Haares gelbgefärbte innere 1) Auch Diet] (Untersuchungen über die Tasthaare) bildet von den Tasthaaren des Kaninchens und Odenius (Beitr. z. Kenntn. d. anat. Baues der Tasthaare, M. Schultze’s Arch. II. S. 436) von denen der braunen Ratte zwei Zellenlagen der Huxley’schen Scheide ab. Im Allgemeinen be- stätigen auch Kölliker und Frey (Histol. $. 402) ein solches Vorkommen. 692 P. Unna; Wurzelscheide (17 iw) aus drei rothgefärbten, discreten' Zellenreihen hervorgeht (17 iw‘). An etwas älteren Cilien, welche die Oberhaut aber noch nicht durchbrochen haben, sieht man nun, dass die bei- den inneren, rothen Lagen so: zu alterniren‘anfangen, dass dem brei- teren Mitteltheile der Zelle einer Lage’ die schmäleren Randpartieen der anliegenden Zellen der anderen Lage entsprechen und so ent- steht schon hier fast der Eindruck, als: sei nur eine innere, rothe Lage vorhanden. So wie nun ein allmähliger und vollkommen gleichartiger Uebergang in klare Zellen nach oben hin stattfindet, so: sind: unsere drei Zelllagen des rothen Mantels auch. unter sich als: durchaus gleichartig zu betrachten. Sie verbindet eng derselbe gleichmässig körnige Inhalt, unter welchem der Kern undeutlich: wird oder ver- schwindet und wohl damit im Zusammenhange die intensiv rothe Färbung, welche sie nach beiden Seiten von der Umgebung; schroff abhebt und welche an Pikrocarminpräparaten. erst: ganz oben im Halse des Haarbalgs an den dort vorkommenden Körnerzellen wie- der in gleicher Intensität auftritt (7 k). Man kann: endlich nach- weisen, dass alle Zellen des rothen Mantels einen ganz: bestimmten und gemeinschaftlichen Mutterboden besitzen, doch; dieses nur an etwas jüngeren Haaren, an denen die Epithelkappe, welche die Pa- pille umgreift, noch in voller Breite bis an den Hals'.der Papille reicht, wie dieses Fig. 12 darstellt. Hier erblicken: wir-am unter- sten Theile des Papillenhalses (als Region I bezeichnet) die Matrix des rothen Mantels und der inneren Wurzelscheide in Gestalt von ca. 6 Cylinderzellen, welche wie ihre Abkömmlinge sich, intensiv roth färben und von vorne herein körniges Material im Innern zu beherbergen scheinen. Von hier aus zieht: der rothe: Mantel nach oben, verschmälert sich zuerst an der breitesten Stelle der: Papille und verbreitert sich darauf wieder zw der Dimension der‘inneren Wurzelscheide. Dass diese Verschmälerung: in: der mittleren: Höhe der Papille schon ein Zeichen der weiteren Reife: des: Haares ist, lehrt ein Vergleich mit der jungen Cilie in: 17.iw‘. Und.ein Fort- gang desselben Processes stellt sich in Fig. 10 dar, indem der rothe Mantel überhaupt nur bis in diese Tiefe hinabreicht und hier, in mittlerer Papillenhöhe, spitz zulaufend endigt, während seine Matrix am untersten Theile des Papillenhalses vollkommen geschwunden ist. Die innere Wurzelscheide ist mithin der erste Theil desHaares, der mitzunehmendemAlter sich’ von seinem BEN Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 693 Mutterboden ablöst. Wir werden auf diesen wichtigen Punkt bei Besprechung des Haarwechsels zurückkommen. Das Resultat des solchergestalt entworfenen Bildes von der inneren Wurzelscheide wäre kurz dahin zusammen’ zu fassen, dass beide Scheiden, sowohl die Huxley’sche als die Henle’sche mit einer äusseren in sich gleichartigen Schale der Haarzwiebel (im weiteren Sinne) in continuirlichem Zusammenhange stehen, unter sich also keinerlei Verschiedenheiten darbieten, als dass die äussere früher verblasst und kernlos wird, welches, wie ich nachweisen zu können glaube, mit localen Ursachen im Zusammenhange steht. Zur vollkommenen Sicherstellung aber, dass der rothe Mantel das alleinige Material für die ganze innere Wurzelscheide liefert, gehört nun auch der Nachweis, dass dieser vom Halse der Papille ausgehende Zellenmantel nach aussen nicht ebenfalls allmählige Uebergänge erkennen lässt und wir haben zu diesem Zwecke die Stachelzellen, welche in den Haarbalg hinabsteigend die äussere Wurzelscheide bilden, genauer ins Auge zu fassen. Es handelt sich _ hierbei nur um die innersten, an die innere Wurzelscheide grenzen- ‚den Lagen, da ich im Uebrigen, was die Fortsetzung der Stachel- schicht der Oberhaut in die des Haarbalges und ihre Reduction im Grunde desselben auf eine einzige Zellenreihe betrifit, die sehr gleichlautenden Angaben aller Autoren nur bestätigen kann. In dieser ganzen Stachelschicht waltet nun von der Oberfläche der Haut bis zum Halse der Papille derselbe matt bräunliche Ton, es mögen 2, 4 oder 10 Zelllagen, wie oft in dicken Haarbälgen, über einander liegen. Von oben steigen die Körnerzellen nur bis an den Hals des Haarbalgs herab und die aus ihnen hervorgehenden Hornzellen erfüllen den oberen Trichter mit‘ gewöhnlicher Horn- schicht (7 u. 14, k u. h). Die Körnerzellen umsäumen grade noch den Ausführungsgang der hier einmündenden Talgdrüsen, nach un- ten hin ist keine Spur mehr von ihnen zu entdecken, vom Halse an' legt sich die Stachelschicht glatt an die innere Wurzelscheide an. So sehen wir auch hier gewöhnliches stratum corneum und granulosum untrennbar unter einander und mit dem Vorkommen einer freien Oberfläche, d. h. dem’ Mangel äusseren Druckes ver- knüpft. — Die Stachelzellen zeigen 'nun alle Charactere der Stächel- zellen der Oberhaut kis dicht an die innere Wurzelscheide heran. Nur die innerste, direct an’ die Henle’sche Scheide grenzende Lage (n; 7, 14, 17 u. s. £.) unterscheidet sich von allen übrigen durch 694 P. Unna: eine etwas dunklere Röthung, durch das regelmässiger cubische Aussehen ihrer Zellen und deren etwas beträchtlichere Grösse. Die Stachelung ist noch vorhanden, besonders an der äusseren Zellen- fläche, doch in etwas reducirtem Zustande, ein Umstand übrigens, welchen diese Lage mit den Stachelzellen des unteren Balgtheiles älterer Haare theilt. In dieser Region wird unsere einschichtige, innerste Lage auch früher abgeplattet als die äusseren Stachellagen, behält jedoch ihre sie auszeichnende, dunklere Röthung bei. Die Betrachtung ganz junger Papillenhaare (17) lehrt nun, dass dieser Lage auch eine besondere Bedeutung im Leben des Haares zu- kommt. Sie umgibt hier (17 n) nämlich mit verhältnissmässig grossen, schön cubischen und erst ganz oben sich abplattenden Zellen den verhornenden Haarkegel als ein voliständiger Mantel und hebt sich scharf von den sie umgebenden Stachelzellen der äusseren Wurzel- scheide ab. Ein Vergleich mit noch jüngeren Härchen ergibt evi- dent, dass diese Lage zu dem Haare selbst zu rechnen ist (22 n). Aber sie verhornt nicht mit und wird, während ihre Matrix in der Papillenhöhe (22 n,) schon sehr früh atrophirt (Fig. 23), sehr bald von der verhornten innern Wurzelscheide durchbrochen, wie diese selbst später vom eigentlichen Haare (Haarcuticula mit Rinde und Mark). So stellt sie das conservativste Epithelialgebilde im Haar- balg dar. Während die äussere Wurzelscheide periodische, starke Veränderungen erleidet, von denen später die Rede sein wird, wäh- rend die innere Scheide continuirlich, wenn auch sehr langsam nach oben hinausgeschoben wird, um am Halse des Haarbalgs abzu- blättern, verharrt sie, längst von ihrem Mutterboden am Papillen- halse getrennt, ruhig an ihrer Stelle. Die cubische Form dieser Zellen war wohl der Grund, dass Henle und noch ganz neuerdings wieder Bisiadecki dieselbe als Vorstufe der Henle’schen blassen Zellen ansahen, mithin die innere Wurzelscheide der Autoren in zwei genetisch differente Gebilde spalteten, eine Hornschicht der Stachelzellen im Haarbalg (Henle’s Sch.) und eine innere Wurzelscheide im engeren Sinne (Huxley’s Sch.). Aber es ist zwischen der innersten Lage der äusseren Wur- zelscheide und Henle’s Lage auch nicht der mindeste Uebergang aufzufinden und bei keiner Behandlungsmethode jemals nachgewiesen worden. Von derselben typischen Verhornung wie an der Hautober- fiäche hätte man schon einfach deshalb abzusehen, weil hier keine ee Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 695 Körnerzellen existiren. Es würde also eine besondere Verhornung anzunehmen sein, ein besonderer Typus, etwa wie beim Nagel (s. $ 6). Dann müssten aber doch wenigstens Anzeichen eines Ueberganges vorhanden sein. Die cubische Gestalt dieser vermeint- lichen Uebergangszellen rührt nach meiner Ansicht nur von dem beiderseitigen Drucke her, welchem diese Zellen ausgesetzt sind und welcher in abnehmendem Masse sich auch nach beiden Seiten hin formgebend geltend macht, in der inneren Wurzelscheide bis in deren cuticula, in der äusseren Scheide besonders dann, wenn die- selbe lange Zeit unproductiv verharrt hat, wie sich denn auch die in Rede stehende einzellige Schicht hauptsächlich an denjenigen Haaren characteristisch abhebt, in welchen eine solche zeitweise Wucherung, von der weiter unten die Rede sein soll, in frischem Gange ist (Fig. 14). Die genannten Autoren berücksichtigen aber auch nicht die embryologischen Forschungen‘ über die Entstehung des Haares, welche mit erfreulicher Einigkeit (Kölliker, Reissner, Götte) lehren, dass aus einem verhornenden Zellenstrange, welcher sich kegelförmig von der Papille des embryonalen Balges erhebt, kurz aus der fertigen »primitiven Haaranlage«!) das Haar zugleich mit ganzer innerer Scheide entsteht. In dieser gemeinsamen Anlage differenzirt sich später ein äusserer, heller Saum, die voll- ständige, Henle’s und Huxley’s Schicht enthaltende, innere Scheide und ein dunklerer Centraltheil, das eigentliche Haar. Dieses Gebilde drängt die Stachelzellen auseinander, aus welchen so die äussere Wurzelscheide sich bildet. Dieser Darstellung habe ich nach Pikrocarminpräparaten nur noch hinzuzufügen, dass der »pri- mitive Haarkegel« noch einen äussersten Saum nicht verhornender, aber sich von der umgebenden Stachelschicht scharf abhebender Zellen enthält, welcher durch das ganze Leben des Haares ferner- hin ohne Veränderung und Nachwuchs als unsere einzellige innerste Lage der äusseren Scheide verbleibt. Die embryologische Forschung lehrt auch ferner, dass das junge Haar, immer noch umgeben von innerer Scheide, die Horn- schicht der Oberhaut durchbricht und es ist sehr leicht zu sehen, wie die innere Scheide darauf selbst vom Haare durchbrochen wird 1) Nur über die Bildung dieser herrschen Differenzen. 696 P. Unna: und dasselbe noch längere Zeit ärmelartig umgibt. Sie bröckelt aber dann allmählig oben ab und zwar bis an den Hals des Haar- balges, was weiterhin durch das feste Anliegen der äusseren Scheide verhindert wird. Das Zusammentreffen mit der Hornschieht am Halse des Haarbalges ist aber für die Auffassung der inneren Scheide ganz bedeutungslos und von einer Verschmelzung dieser derben Schollen mit Epidermisschüppchen und einer gleichartigen Genese (Bisiadecki) kann nicht wohl die Rede sein. Betrachten wir jetzt noch die sogenannte Cuticnla zwischen innerer Wurzelscheide und eigentlichem Haare, welche wie bekannt aus zwei Zellenreihen besteht, von denen Kölliker die äussere auf- gefunden und der inneren Wurzelscheide, als Cuticula derselben, zuertheilt hat,: so hätten wir die Zellenlagen alle ins Auge’ gefasst, welche in der jetzigen Beschreibung und Nomenclatur des Haares eine so grosse Complication hervorrufen. Dass der schuppige Zellen- panzer, welcher das freie Haar fest anliegend umgibt, etwas’ über der Papille plötzlich zu verschwinden scheint, aber hier in einer auf dem Längsschnitt cylindrisch erscheinenden Zellenlage (ch; 10, 11, 12) wieder aufgefunden wird, welche sich mehr senkrecht zur Achse des Haares stellt, ist schon seit langer Zeit (Kohlrausch) bekannt. Auf feinen Schnitten durch den Centraltheil der Haare ist sie natürlich aber auch in ihrer Lage zwischen Haar und innerer Scheide durch den ganzen Balg zu verfolgen und dann nimmt man wahr, dass die cylindrischen Durchschnitte immer platter und länger werden und, während sie immer mehr die Richtung des Haares an- nehmen, sich schuppenförmig zu decken anfangen. Bei Betrachtung derselben auf Schnitten verschiedener Ebenen stellt sich nun das merkwürdige Factum heraus, dass diese Zellen, über der Höhe der Papille nach jeder Richtung geschnitten, stets ein längliches, cylin- drisches bis spindelförmiges Ansehen besitzen. Genau dasselbe wurde aber auch von Reissner für die innere Scheide des em- bryonalen Haares') gefunden und von Götte, wie ich glaube, mit 1) Hieraus könnte man die sehr plausible Folgerung ableiten, dass, während sich das Haar im Wachsthum immer mehr auf seine centralen Theile, zuletzt Mark, Rinde und Oberhäutchen, reduecirt, die innere Wurzel- scheide mit der Form auch die Funktion der innersten Stachelzellen, die Cuticula des Haares die der inneren Wurzelscheide des embryonalen Haares übernähme. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 697 vollem Recht auf die einzig mögliche Weise so erklärt, dass die sich zum Theil deckenden Zellen in spiralig gewundenen Reihen den Haarschaft umgäben. Die ursprünglich rundlichen (mch 10), dann eubischen Zellen gehen zuerst in etwas längliche, prismatische Formen über, an welcher Stelle (ch; 10, 12) sie stets am deut- lichsten hervortreten und eine ausgeprägte jedoch nur auf feinsten Schnitten sichtbare Zähnelung ähnlich der der Linsenfasern zeigen. Ueber der Höhe der Papille werden sie schon mit dem Haare spi- ralig gedreht, so dass sie sich über die Fläche zu krümmen und theilweise zu decken anfangen. Durch denselben Druck des wach- senden Haares werden sie allmählig in rhombische oder ovoide Platten verwandelt und diese haben sich beim Austritt des Haares so einseitig in ihren Dimensionen verändert, dass jetzt jede Zelle mit ihrem Leibe 4—5 Nachbarzellen theilweise deckt. In diesen Zellen sehen wir das ausgesprochenste Bild der spiraligen Aufwärts- bewegung des Haares vor uns, in der nächsten Zellenschale, der Wurzelscheidencuticula, bemerken wir die letzten Spuren der- selben. Es. besteht diese Lage aus kleineren Zellen (ew; 10, 11, 12), welche fester mit der inneren Wurzelscheide als mit der eben be- sprochenen Haarcuticula zusammenhängen. Die letztere drückt gleichsam den Stempel ihrer Bewegung in die innerste Zellenlage der inneren Wurzelscheide und formt dieselbe für sich um, so lange sie in unmittelbarer Berührung mit derselben ist. So kommt es, dass auf Längs- und Querschnitten diese Lage der früheren aufsitzt wie eine Reihe von in’ Grösse und Form veränderten Deckeln einer analogen Reihe sich allmählig umwandelnder Gefässe. Und auch dieses Bild passt noch nicht ganz genau, denn es sitzt nicht immer: grade eine Deckelzelle' einer Gefässzelle auf, sondern die Zellgrenzen: alterniren' bisweilen. Dieses stimmt aber grade mit der anderen Thatsache überein, dass beide Zellreihen unter einander gar nicht fest zusammenhängen, wohl aber jede mit der ihr anlie- genden nächsten. Beides weist darauf hin, dass, obgleich die beiden euticulae' wie in einander gezahnt zu sein scheinen, sich die Haar- cuticula innerhalb der Wurzelscheidencuticula und rascher als diese spiralig aufwärts bewegt. Diese Verschiedenheit im Wachsthume wie in.der Form beider. Oberhäutchen beginnt erst mit dem Durch- bruch. des eigentlichen Haares durch die innere Wurzelscheide. So lange beide noch ein Ganzes, den differenzirten, aber noch nicht 698 P. Unna: die Epidermis durchbrochen habenden Haarkegel bilden, bestehen auch beide Oberhäutchen aus vollkommen gleich grossen und gleich- mässig rundlichen Zellen, wie es auch Fig. 17 (cc) wiedergibt. Nach dem Durchbruch bleibt die Wurzelscheidencuticula im Wachsthum zurück. Die letztere wurde bisher fast nur von der Fläche her dar- gestellt und abgebildet. So beiHenle in einer öfter vervielfältigten Zeichnung an einer Stelle, wo innere Wurzelscheide und Haarschaft von einander klaften, wie es leicht und häufig zu Stande kommt. Schon etwas schwieriger sind die Mutterzellen der Wurzelscheiden- cuticula in der Höhe der Papille und nur vermittelst feiner Längs- und Querschnitte zu demonstriren. Sie sind in Fig. 10 (mew) u. 12 (cm) wiedergegeben und stellen kleine im Durchschnitt quadratische, blassrothe Zellen dar, welche sich etwas stärker in Pikrocarmin: färben als die Mutterzellen der Haarcuticula, denen sie hier noch ganz regelmässig in zierlicher Reihe aufsitzen. Ueber der Papille, wo die eylindrischen Zellen der Haarcuticula mehr die Spindelform annehmen, sind sie bei ihrer Kleinheit noch viel schwieriger zu sehen, da sich hier alle Lagen stark zusammendrängen. Auf sehr feinen Schnitten repräsentirt sich diese Lage aber auch hier (11ew) in der grössten Klarheit und Zierlichkeit als blasse, von ihren roth- körnigen Nachbarn einerseits und spindelförmigen andrerseits scharf sich abhebende Zellen, deren Kern, indem die ganzen Zellen sich allmählig etwas abplatten, stäbchenförmig wird. Auf einfachen Längsschnitten ist diese Lage mit ihrem Uebergange in die Mutter- zellen, soviel ich weiss, bisher noch nicht beschrieben und abgebildet worden). In dieser Wurzelscheidencuticula, welche höchst wahrschein- lich den grössten Druck und Gegendruck im wachsenden Haare erfahren muss, sehen wir meist zugleich die letzten Andeutungen des spiraligen Wachsthums; zuweilen gehen diese aber auch noch weiter. Wird der Gegendruck der äusseren Scheide und dadurch die Reibung der Zellen im Haarbalg eine bedeutendere (beim Haar- wechsel, s. unten), so setzen sich die letzten Spuren dieser Drehung 1) Nur Odenius |. c. bildet an der Zwiebel der Tasthaare der Ratte die Mutterzellen der äusseren Cuticula ab, freilich nicht ihren Uebergang und ihre Fortsetzung am Schaft. In der Erklärung bezeichnet er sie: Cuticula der Wurzelscheide? Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 699 in die Henle’sche Scheide, ja bis in die Cylinderstachelzellen der äusseren Scheide fort, welche sich dann auf Querschnitten alle nach einer Richtung schräg gelegt darstellen und so das nicht missver- ständliche Bild des spiraligen Wachsthums hervorrufen. In der festen Henle’schen Scheide spricht sich ‚dasselbe dann dadurch aus, dass die Giebel, welche sie in die Huxley’sche Scheide hineinschickt, nicht symmetrisch vorspringen, sondern mit der Spitze nach der- selben Seite zeigen wie die Cylinderstachelzellen, Bilder, welche sich alle gar nicht erklären lassen ausser durch eine Drehung im Wachsthum. Die beiden Oberhäutchen nun, welche am ganz jungen Haare sich als ein gleichmässig heller und aus gleichen Elementen zusam- mengesetzter Zellstrang (17 cc) zwischen Haar und innerer Scheide eingelagert finden, entspringen auch noch am erwachsenen Haare ein und demselben Mutterboden (12, Region I). Ihre gemeinsame Matrix besitzt eine ebenso bestimmte Lage am oberen Theile des Papillenhalses und dem Uebergange in den Papillenkörper wie die Matrix der inneren Wurzelscheide am unteren Theile des Papillen- halses und die Matrix des eigentlichen Haares am Papillenkörper . selbst. Sie zeichnet sich von beiden letzteren erheblich ab, beson- ders an pigmentirten Haaren. Schon die Oylinderzellen, welche dem Mutterboden direct aufsitzen, zeichnen sich vor den entsprechen- den Zellen der Wurzelscheidenmatrix durch etwas geringere Fär- bung und den Mangel einer Körnelung aus; die Differenzen treten beide an den sich im Vorschube entsprechenden Abkömmlingen all- mählig immer stärker hervor. Ebenso scharf ist die Abgrenzung gegen die Matrix des eigentlichen Haares (12, Region IID, indem die hier vorkommenden Cylinderzellen gelbbraun gefärbt sind und bei der Anwesenheit von Pigment in körnigen Pigmentscheiden !) stecken. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass hier das Pigment eine vollkommen scharfe Grenze bewirkt. Niemals findet sich eine Spur von Pigment zwischen den Mutterzellen der Oberhäutchen ein- 1) Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass mir bei weitem das meiste Haarpigment zwischen den Haarzellen zu sitzen scheint, was um so deutlicher hervortritt, je dünner die Schnitte ausfallen (vgl. Fig. 11 die an die Haarcuticula grenzenden Haarzellen hz). Damit soll nicht be- stritten werden, dass weiter oben im Schaft und bei stärkerer Pigmentirung das Pigment seinen Weg in die Zellen selbst finden mag. 700 P. Unna: gestreut. Die drei besprochenen Mutterzellenheerde haben das Gemeinschaftliche, dass sie aus Cylinderzellen bestehen, von denen rundliche Zellen sich abschnüren und weiter, dass sie aufder Papille selbst (Hals und Körper) sitzen, ohne die mindeste Dazwi- schenkunft einer. homogenen Membran. Die letztere er- streckt sich, wo sie gut ausgebildet ist (s. Haarwechsel) genau bis an den Hals der Papille. An dem älteren Haare in Fig. 17 ist die Matrix der Oberhäutchen noch vorhanden, aber in sichtlicher Atro- phie begriffen. Auf eine Stelle im Haarbalge möchte ich schliesslich noch hin- weisen, welche für die Auffassung der inneren Wurzelscheide nicht ohne Bedeutung ist. Es ist dieses eine Einschnürungsstelle des Balges direct oberhalb der Papille (Fig 7 eb). Dieselbe ist an allen reifen Barthaaren deutlich ausgeprägt und scheidet den Haar- balg in einen eylindrischen, oberen Theil, welcher das fertige Haar umgibt, und einen kugligen unteren, welcher die Haarzwiebel nebst Papille enthält; wo der letztere Theil zur Seite abgebogen er- scheint, fällt die Knickungsstelle mit der Einschnürungsstelle zusam- men (Fig. 7). Während nun im unteren, kugligen Theile die äussere Wurzelscheide wohl durch das Breitenwachsthum der Papille fast vollständig atrophirt, bleibt sie im ganzen cylindrischen Theile in voller Breite erhalten. Die mächtige, aufstrebende Zellenmasse, welche von den Cylinderzellen der ganzen Papille herstammt, wird also dicht über derselben sehr rasch auf einen kleineren Querschnitt zusammengedrängt. Und andrerseits sehen wir an derselben Stelle die Aufheliung des rothkörnigen Mantels beginnen und, wie oben hervorgehoben, tritt diese ganz besonders plötzlich und unvermittelt ein an der Knickungsseite des Haares. Da liegt die Annahme sehr nahe, dass an der Aufhellung der rothen Zellen ein äusseres, mecha- nisch wirkendes Element wesentlich mitbetheiligt sei, der Gegen- druck der äusseren Wurzelscheide. Ein solcher äusserer Druck muss an der Knickungsseite des Haares grade an Stelle der Kniekung besonders schroff auftreten. Ist diese Deutung richtig, so erhellt daraus, was denn nun eigentlich die in der inneren Scheide auftretende Differenzirung in Henle’sche und Huxley’sche Scheide zu bedeuten hat. Sie bedeutet hiernach nur die sehr frühzeitig beginnende Verhornung der äusseren Partie der inneren Wurzel- scheide, bedingt durch den relativ plötzlich auftretenden Gegendruck der normalen äusseren Wurzelscheide oberhalb der Papille. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 701 Nach den bisherigen Erörterungen müssen wir den Satz Bisia- deckis, »dass die innere Wurzelscheide Henles der Hornschicht der äusseren Wurzelscheide entspricht«, als unbegründet ansehen. Die einfache Lage klarer Zellen, welche genau von der Einschnürung über der Papille bis an den Hals des Haarbalgs an der äusseren Scheide anliegt, ist nur künstlich von der inneren Scheide zu trennen und stellt keinenfalls eine Hornschicht der äusseren Scheide dar. Die in der inneren Wurzelscheide stattfindende Ver- hornung ist von der Oberflächenverhornung gewöhn- licher Stachelzellen sogar in mehreren Punkten unter- schieden. Während hier eine hochgeschichtete Lage von Stachel- zellen vermittelst einer nur 1—2fachen Lage ausgeprägter Körner- zellen in die Hornschicht übergeht, lösen sich von den Cylinder- zellen am Papillenhalse körnige, sich stark tingirende Zellen ab, welche keine deutlichen Stacheln erkennen lassen. Dieselben nehmen auch noch bedeutend an ‚Grösse zu und gehen erst dann unter Schwinden der Körner in die klaren Schollen der inneren Scheide über, welche geringeren Zusammenhang zu besitzen scheinen als die normalen Hornzellen (sog. »durchlöcherte« Henlesche Membran). Bei dieser Art der Verhornung scheint ausserdem auch ein äusserer Druck eine wesentliche Rolle zu spielen, von welchem bei der Ober- flächenverhornung nichts wahrzunehmen ist. Die Frage, von welcher unsere Untersuchung ausging: haben die Uebergangsschicht und Hornschicht der normalen Epidermis vielleicht eine Bedeutung für die Zusammensetzung der Haarhüllen ? ist mithin durchaus verneinend zu beantworten. Dennoch, glaube ich, ist Manches in dem Besprochenen ent- halten, welches geeignet sein mag, den so verwickelten Bau des Haares einfacher erscheinen zu lassen. Da die Henle’sche und Huxley’sche Scheide genetisch durchaus zusammengehören, andrer- seits auch noch am ausgebildeten Haare der Einheit der Matrix, der Gleichheit der Umwandlung und der Indentität der Endproducte halber durchaus als zusammengehörig aufgefasst werden müssen, so möchte ich vorschlagen, wieder, wie es früher geschah, einfach von innerer Wurzelscheide zu reden, welche sich in toto vom Halse der Papille erhebt und im Zusammenhange im Halse des Haarbalgs abbröckelt. Ja, wir könnten streng genetisch im entgegengesetzten Sinne weiter gehen und eher noch die innerste Zelllage der äusseren 702 P. Unna: Scheide mit zur inneren rechnen; aber ich bin weit entfernt, An- lass zu einer neuen Complication geben zu wollen, besonders da diese Lage im erwachsenen Haare der äusseren Scheide näher steht als der inneren. Ich finde gerade in der Aufstellung dieser ganz neutralen, einfachen Zelllage zwischen innerer und äusserer Scheide, welche Anfangs mehr zur inneren, später mehr zur äusseren gehört, die hier vorgetragene Ansicht am besten ausgedrückt, welche in den Scheiden des Haares nicht starre Hüllen sieht, innerhalb deren das Haar sich frei erhebt, sondern nach welcher in einem ursprünglich gleichartigen Haarkegel im Laufe des Wachsthums durch z. Thl. nachweisbar mechanische Gewalten (spiralige Drehung, Gegendruck der äusseren Scheide) die äusseren Zelllagen wechselnde Gestalt und Function annehmen. Wie die »neutrale« Lage des embryonalen Haares von der inneren Scheide, wird diese von Haar und Öber- häutchen durchbrochen und während die neutrale Lage gar nicht mehr, das Haar sehr stark fortwächst, wird das Wachsthum der inneren Wurzelscheide ein immer geringeres, hat aber noch am reifen Haare nicht vollständig aufgehört. B. Das »Beethaar« und der Haarwechsel. Bei vorstehender Untersuchung über die Haarhüllen benutzte ich hauptsächlich die dicken Haare eines blonden, vollen Schnurr- barts. Es kamen mir aber unerwarteter Weise eine solche Menge von Haaren zu Gesichte, welche sich zur Untersuchung trotz der Feinheit des Schnittes durchaus nicht eigneten, weil sie überhaupt keine innere Wurzelscheide besassen, dass ich dieselben für weit zahlreicher halten musste als diejenigen mit ausgebildeter innerer Wurzelscheide und dass ich mich bald veranlasst sah, dieselben für sich näher zu untersuchen. Indem ich den grössten Theil des Schnurrbarts in successive, feine Schnitte zerlegte, überzeugte ich mich denn auch bald, dass derselbe wohl zu ?/; aus diesen Haaren bestand, welche in jeder Grösse und Dicke von der der feinsten Wollhäärchen bis zum Umfange der dicksten Barthaare besonders die mittleren und oberen Schichten der cutis einnahmen. Nur in der untersten, lockeren Partie, welche mit quergestreiften u - fe eis ee ee is u Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 703 Muskeln reichlich durchgesetzt, das subcutane Gewebe hier vertritt, prävalirten Bälge normalen Inhalts, welche zugleich die stärksten Haare enthielten. Wenn nun die kleineren Häärchen jener Art näher der Ober- fläche einen Zweifel wohl zuliessen, ob man es mit den verschiedener- seits beschriebenen, alten, d. h. ausfallenden Papillenhaaren zu thun hatte, war eine solche bei den grösseren nicht möglich, denn ein jeder Schnitt zeigte, dass dieselben mit den Stachelzellen des Balges in continuirlicher Verbindung standen, als wären sie aus denselben direct hervorgewachsen. Wenn irgendwo die innigste Continuität für eine solche Erklärung spricht, so war es eben hier und nur eine gewisse Voreingenommenheit hätte sich angesichts dieser Bilder mit der Annahme begnügen können, es sei hier ein altes Haar bloss eingesetzt oder eingekeilt in einen ihm schon fremd gewordenen Mutterboden. Fig. 15 gibt ein Stück eines solchen Haares bei starker Vergrösserung wieder, in welchem die Verbindung des Schaftes mit den Stachelzellen deutlich zu sehen ist. In den Figuren 16, 17, 18C, 20B, 25 sind ebenfalls Haare dieser Art abgebildet. Als weitere bemerkenswerthe Differenzen zwischen diesen, bis- her gewöhnlich als alte, im Ausfallen begriffene Exemplare ange- sehenen Haaren und den Papillenhaaren lassen sich noch folgende anführen: Es fehlte ihnen nicht nur vollständig die Papille, sondern auch der im Vorigen beschriebene ganze Scheidenapparat zwischen Haarschaft und Stachelzellen, also die ganze innere Scheide mit ihrer ceuticula und sogar die Haarcuticula, indem deren Mutterzellen unten nicht vorhanden waren und ihre Stelle am Haarschaft durch eine äusserste Lage von Haarzellen vertreten war, die dem Haare übrigens ganz das normale geschuppte Ansehen verlieh. Statt dessen schob sich von der Oberhaut her in verschiedenem Grade, je nachdem die Stachelzellen dem Haarschafte mehr oder weniger fest anlagen, die Körnerschicht und Hornschicht vor, oft genug bis an den Mutterboden des Haars hinunter. Während also der »rothe Mantel« an diesem letzteren ganz fehlte, producirten die oben frei gewordenen Stachelzellen , ganz wie beim Nagel zur Zeit der Geburt (s. Nagel Fig. 26 und $ 4) sich eine eigene Uebergangs- und Hornschicht. Weiter fehlte wie aussen die Scheide, so innen das Mark voll- ständig, der Schaft erhob sich durchweg homogen und klar wie der Längsschnitt eines Nagels. Und endlich zeigte sich auch noch in Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 46 1704 P. Uuna: Betreff des Pigments ein besonderes Verhalten. Es war nämlich erstens seltener vorhanden als am Papillenhaar und umgab dann nicht so regelmässig die einzelnen Haarzellen wie dort in der ganzen Dicke des Haares, sondern war von gewissen Stellen des Mutter- bodens aus unregelmässig in Streifen eingesprengt, welche dann um so dunkler hervortraten. (17 p.) Die genannten Unterschiede stempeln diese Haarform zu einem weit einfacheren Gebilde als das Papillenhaar, es tritt mehr auf die niedere Stufe der Nagelbildung zurück. Ja, um den Vergleich noch treffender zu machen, ergaben starke Vergrösserungen, dass die Zone von Epithelzellen, welche hier sackförmig den Uebergang zwischen Stachelzellen und Haarzellen vermittelt und welche ich kurz als »Haarbeet« bezeichnen möchte, bei guter Pikrocarminfär- bung eine ganz ähnliche Reihe von Veränderungen bot, wie sie die Matrix des Nagels zeigt (s. Nagel Fig. 27 und $ 6). Auf eine Lage besonders dunkel gefärbter Cylinderzellen (15 cy) folgt eine stark geschichtete Lage hellerer Stachelzellen (15 st). Diese rücken zu einer engeren, etwas bräunlich gefärbten Zone (15 bz) zusammen, um dann endlich in die eigentlichen Haarzellen (15 hz) überzugehen, welche wie die Nagelzellen rein gelb gefärbt und mit derselben feinen Zähnelung versehen sind wie diese. Es war natürlich, dass ich angesichts dieser typischen Diffe- renzen, welche ich beikeinem der bisherigen Autoren scharf charak- terisirt fand, anfangs in eine starke Opposition zu der gangbaren Anschauung gerieth., Nur in der reichhaltigen Arbeit Götte’s!) glaubte ich für die Durchführung eines strieten Unterschieds zwischen beiden Haartypen auch Thatsachen aus der Geschichte des Haar- wechsels bei Thieren und Menschen schöpfen zu können. Indessen zeigten bald weitere Beobachtungen, dass ein so weitgehender Unter- schied, wie Götte ihn statuirt, zwei genetisch verschiedene Arten von Haaren, »Schalthaar« und Papillenhaar, nicht angenommen werden können. Ich fand nämlich bei weiterer Untersuchung doch manche Haare genau von dem Typus der Götte’schen Schalthaare und trotzdem mit vollständiger. innerer Scheide, ganz so wie Götte es selbst in seinen Fig. 44, 49, 55, 56 abbildet. Götte hält diese helle Scheide des Schalthaares für eine zur äusseren Wurzelscheide gehörende 1) Zur Morphologie der Haare. M. Schultze’s Arch. Bd. IV. S. 273. we Ze Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 705 Hornschicht und sagt: »Die Analogie dieser Schichte mit der inneren Scheide anderer Haare scheint mir mehr äusserlich als thatsächlich zu sein« (8. 297). Von einer gewöhnlichen -Hornschicht kann hier jedoch schon einfach desshalb nicht die Rede sein, weil die Körner- zellen gänzlich fehlen; andrerseits konnte ich aber den positiven Nachweis führen, dass man es hier wirklich mit innerer Scheide zu thun habe, indem ich die Längsschnitte von Barthaaren, welche sich unter dem Mikroskop als evident zu der in Rede stehenden Art ge- hörig erwiesen hatteu, wieder einbettete und nun Querschnitte da- von anfertigte, welche das bekannte Querschnittbild der Henle’schen und Huxley’schen Lagen lieferten. Diese innere Scheide ist wie beim Papillenhaare eingeschlossen zwischen Haarschaft und äusserer Scheide, aber sie hat keinen Zusammenhang mit der Matrix des Haares, sondern ragt mit einem spornartig verlängerten Ende (15is) frei zwischen Haarbeet und äussere Scheide hinein, eng umdrängt von den Zellen, welche zu oberst in das Haar hineinstrahlen (15hbz). Sie erhält also jetzt keinen Nachschub mehr und bröckelt dem- gemäss von oben bis zum Haarbeet herab allmählich ab. Man findet Haare vom Bau der »Schalthaare« mit Resten der inneren Scheide von jeder Grösse und besonders der letzte Rest derselben, welcher noch immer die (auf dem Längsschnitte) spornartige Form des unteren Endes behält, scheint sich lange zu conserviren. Wenn auch dieser verschwunden ist, bewahrt das jetzt ganz von innerer Scheide ent- blösste Haar doch immer noch zu beiden Seiten unmittelbar über dem Haarbeet eine taschenförmige Einstülpung, in welcher jenes spornartige, untere Ende gesessen hatte. Somit ist klar, dass das Haar vom Bau des Götte’schen Schalthaares eine innere Wurzel- scheide nicht nothwendig besitzt; aber indem es von einer solchen noch eine längere Zeit umgeben wird, werden wir darauf hingewiesen anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen ihm und einem Papillenhaare bestanden hat. Ein derartiger Zusammenhang ergab sich auch in Betreff des Marks. Denn eine sorgfältige Beobachtung der Haarenden lehrte, dass auch das Mark in manchen »Schalthaaren« vorhanden ist, aber merkwürdigerweise erst in verschiedener Höhe über dem Haarbeete, oft erst im freien Ende über der Oberhaut beginnt. Wo aber die innere Wurzelscheide gänzlich geschwunden ist, habe ich auch nie- mals einen Markrest mehr gefunden. Diese Thatsache, die ich, nach- dem ich sie am Barte des Menschen constatirt hatte, sehr häufig 706 P. Unna; an den Spürhaaren der Thiere (ich untersuchte Hund, Katze, Ratte, Maus, Meerschweinchen, Kaninchen, Kalb) fand, ist bereits von den Autoren, welche über den Haarwechsel der Thiere schrieben!), be- rücksichtigt, aber anders gedeutet worden. Man nahm an, dass das Markende des absterbenden Haares von unten herauf zu Rinden- substanz verhorne. Eine solche Umwandlung muss ich durchaus bestreiten und kann den Umstand, dass das Ende des Markes in sehr verschiedener Höhe über dem Haarbeete des Götte’schen Schalt- haares getroffen wird, nur so erklären, dass ein von einer Papille stammender, markhaltiger Haarschaft im Haarbalge aufsteigt, aber alsbald in unmittelbarer Continuität von einem verhornten Nach- schube aus einer anderen Matrix her fortgesetzt wird, nämlich von den Stachelzellen der äusseren Scheide aus. Ich werde in der That die Beweise dafür bringen, dass das Papillenhaar nach Loslösung von der Papille im Balge aufsteigt, aber nur bis zu einer mittleren Region desselben, welche sich durch Productivität der Zellen ihrer äusseren Scheide auszeichnet und dann dort sein Wachsthum fort- setzt. Sowie das Haar diese Stelle passirt hat, erhält es einen marklosen Nachschub, indem die Stachelzellen nach Art der Zellen der Nagelmatrix verhornen und in Form eines Haarschafts in die innere Scheide nachschiessen. Während der markhaltige Cylinder so durch den sich anlöthenden marklosen zum Balge hinausgeschoben wird, bröckelt die innere Scheide von oben herunter ab und es ent- steht allmählich das Gebilde, welches Götte Schalthaar nennt. Aber es ist nicht, wie dieser Autor angibt, ein zweites neuentstan- denes llaarindividuum im selben Balge, sondern bildet mit dem früheren Papillenhaar ein einziges und man kann um des verschie- denen Entstehungsmodus und Baues willen die beiden Formen nur insoweit trennen, dass man von 2 Perioden, 2 Stadien eines und desselben Haares redet. Während meine Auffassung in dieser Hin- sicht sich von der Götte’schen unterscheidet, differirt sie aber andrerseits von der gangbaren Darstellung darin, dass sie das Haar, nachdem es die Papille verlassen hat, nicht einfach als einen nun- mehr vom Organismus losgelösten todten Körper betrachtet, der als 1) Ich citire beispielsweise hierzu: Langer (Denkschr. d. Akad. z. Wien Bd. I, Abth. 2): Fig. 1 (Winterhaar d. Gemse), 2 (Reh), 6 u. 7 (Feld- hase), 8 (Aguti); Götte 1. ce. Fig. 52 (Sommerhaar d. Rehes); Stieda, Archiv f. Anat. u. Phys. 1867 S. 517 (Fig. 10 vom Rennthier). Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 707 altes Haar nur noch aus dem Balge auszustossen wäre, sondern dass sie dem losgelösten Haare noch ein zweites Lebensstadium als »Beethaar« vindieirt, während dessen es sogar noch fortwächst, aber in anderer Weise als das Papillenhaar. In allen Körperregionen und Lebensaltern des Menschen müssen diese beiden Stadien am Haare unterschieden werden, nirgends findet sich eine Form allein vor. Ich werde in folgendem der Kürze halber die zweite Form als »Beethaar« dem »Papillenhaare« gegenüberstellen und demge- mäss von einem Papillen- und einem Beetstadium des Haares reden. Mit dieser Auffassung fällt auch zugleich die letzte Schwierig- keit, welche in der verschiedenartigen Vertheilung des Pigmentes in beiden Haarformen lag. Denn wenn die Fortsetzung des Haares nicht aus demselben Mutterboden, sondern aus neuem Material stammt, so können die verschiedenen Entstehungsbedingungen, wie z. B. die Abwesenheit der Papille, diesen Unterschied hinreichend begründen. Es gilt jetzt diese soeben skizzirte Anschauung zu bewahr- heiten, den Ort aufzusuchen, an welchem der Process Schritt vor Schritt sich verfolgen lässt. Ich fand diesen Ort zuerst an den Haaren des Naseneingangs, den Vibrissen. Doch ehe ich auf die Beschreibung derselben eingehen kann, muss ich einer merkwürdigen Altersveränderung erwähnen, welche constant inschönster Ausprägung am Kopfhaare vorhanden ist und ohne welche ein Theil der Ver- änderungen, welche wir an den Vibrissen finden, schwer oder gar nicht verständlich wird. Die Untersuchung der Kopfhaare überzeugte mich vor Allem, dass hier die Beethaare, in vollem, jungen Kopfhaare wenigstens, bei weitem seltener vorkommen), ein Umstand, welcher wohl ihr bisher vernachlässigtes Studium zum Theil erklärt. Sie waren aller- dings auch in Menge vorhanden, aber schon nicht mehr in so ver- schiedenen Grössen, welche beim Beethaare auf fortwährenden Nach- wuchs zu deuten schienen, wie denn auch an dem Kopfhaare, welches ich zum grössten Theile untersuchen konnte und welches einen dichten, schwarzen Bestand hatte, die kleinen Papillenhaare eben- falls seltener waren. Die grossen Papillenhaare nun zeigten zum Theil an ihrem unteren Abschnitt, im subcutanen Gewebe eine 1) In der relativenHäufigkeit der Beethaare im Baarte gegenüber ihrem Vorkommen in dem Kopfhaare glaube ich eine Erklärung dafür zu finden, dass die Bartgegend so ungleich seltener als der Scheitel vonKahlheit heim- gesucht wird. 708 P. Unna: merkwürdige Schlängelung und Einwärtsbuchtung des bindegewebigen Balges in den Epithelsack hinein (8 hm). Zugleich war stets die homogene Grenzmembran (hm) in dieser Region ausserordentlich verdickt und folgte in breiter Wellenlinie der gebuchteten Wand des Balges. Dabei .war fast stets, sei es durch die Erhärtung oder den Schnitt, der ganze Balg an dieser Stelle von der äusseren Wurzel- scheide abgelöst. Dieses allein sprach, selbst wenn ein reines Kunst- produkt vorlag, durch sein constantes Vorkommen bei verdickter homogener Membran dafür, dass in der untersten Region bei diesen Haaren der Zusammenhang zwischen Stachelzellen und Balg ein beson- ders geringer sei. Bei starker Vergrösserung ergab sich nun, dass die Verdickung der homogenen Membran genau nur bis an den Hals der Papille reichte, ohne an dieser wieder hinaufzusteigen, dass dieselbe innen gezähnelt war (9z) und dass diese auch schon normal vorkommenden, von Haight zuerst beschriebenen Zähnchen an Grösse bedeutend zugenommen hatten, weniger dort, wo ihnen die atropischen Stachelzellen in der Höhe der Papille anlagen, als weiter oben, wo ausgebildete Cylinderzellen darauf sassen. Von einer Verdickung der übrigen Balgscheiden war übrigens nicht die Rede; nur die mittlere, eirculäre Faser- und Muskelschicht war unregelmässig bald verdünnt, bald verdickt, indem sie ausein- ander gezerrt und bündelweise in die Erhöhungen der Grenzmem- bran hineingetrieben zu sein schien. Die sehr dicke Grenzmembran erschien weiter deutlich aus zwei Theilen zusammengesetzt, einem etwas längsfasrigen, röthlich gefärbten äusseren Bande (9rb) und einem ganz homogenen, kaum gefärbten, innern (9 hb), welches die Zähnchen trug. Von diesen sehr häufigen Bildern ausgehend, be- kam man nun auch ein Verständniss der noch überraschenderen Erscheinung anderer Haare, welche sonst ganz unverständlich ge- blieben wäre. Fig. 9 gibt eine Abbildung davon. Man sieht die ganze Cylinderzellenschicht in Haufen zerklüftet durch grosse Vor- sprünge der Grenzmembran, welche mit breiter Basis aufsitzend, finger- oder kegelförmig in dieselben eindringen, zum Theile noch daran sitzen, zum grösseren Theile aber herausgezerrt sind. Auch sie sind besetzt mit kleinen Zähnchen. Aber dieser Anblick des Längsschnitts gibt noch nicht einmal die richtige Vorstellung von ihrer eigentlichen Gestalt. Man sieht nämlich dort, wo diese Vor- sprünge etwas schräg zum Schnitte gestellt sind, auch ihr Profil und hier erscheinen sie nicht wirklich finger- oder kegelförmig, son- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 709 dern als vertieale Schnitte horizontal verlaufender Wälle, welche in den Epithelsack ringförmig vorspringen und denselben in regel- mässige, wenn auch unvollkommene Stockwerke theilen. Eine Be- stätigung liefern successive, feine Querschnitte, an denen man ab- wechselnd bald breite, bald schmälere Ringe der homogenen Mem- bran an das Cylinderepithel grenzen sieht. Dass diese Zerklüftung im Grunde derselbe Process ist wie die wellenförmige Einbuchtung und nur ein weiteres Stadium darstellt, zeigen Schnitte, wo an der einen Seite Einbuchtungen (Fig. 8 links), an der anderen Seite Zerklüftungen vorkommen (8 rechts) und wird auch fernerhin be- wiesen durch das Aussehen der Wälle bei stärkerer Vergrösserung. Hier sieht man nämlich, dass dieselben der Membran nicht einfach aufgesetzt sind !), sondern aus der Zusammenschiebung der im Ueber- schuss gebildeten dicken Membran hervorgehen, mithin eng verklebte Falten derselbeu darstellen. Zwischen äusserem und innerem Bande schiebt sich nämlich ein spärliches, körniges, rothes Material ein (9rm), welches wie es scheint aus querdurchschnittenen Fasern oder Kernen besteht. Dieses Material häuft sich nun grade an den Stellen, welchen die Wälle aufsitzen, in grösserer Masse an und steigt etwas in diese empor, was doch wohl nur möglich ist, wenn dieselben ur- sprünglich Falten bildeten. Es könnte nun die Frage entstehen, ob die Scheidung der Membran in eine innere und äussere Lage auf einen doppelten Ur- sprung derselben hinweise, ob nicht vielleicht die innere epithelialer, die äussere bindegewebiger Natur sei. Jedoch muss ich diese Auf- fassung zurückweisen,, denn einmal trifft man niemals Stellen, an welchen beide Bänder von einander gelöst wären, weiter geht das äussere Band in das umgebende Bindegewebe über ohne scharfe Grenze, höher oben und tiefer unten verschwindet aber auch in gleicher Weise das innere in demselben; endlich trägt das innere Band die Zähnchen, welche in die entsprechenden Zacken der Cylinder- zellen regelmässig eingreifen; man müsste also, wenn das innere Band epithelialen Ursprungs sein sollte, auch schon die normale Grenzmembran für epithelial halten. Das äussere Band ist also 1) Kölliker (Gewebelehre 4. Aufl. S. 153) erwähnt quere Leisten an der Innenseite der homogenen Membran, welche derselben jedoch aufgesetzt sein sollen. 710 P. Unna: aus der äusseren Balgscheide dem inneren Bande durch einen fort- schreitenden Process aufgelagert worden, J. Neumann!) hat einen senilen Process der Haut beschrieben, den er »glasartige Verquellung« nennt. Er kommt nach ihm haupt- sächlich in der Gesichtshaut vor und besteht in einer glutinösen Aufquellung der Cutisfasern, durch welche das Gewebe spröde und brüchig wird. An diese Thatsache möchte ich hier am ehesten an- knüpfen, um den merkwürdigen Vorgang zu erklären, denn es sprechen auch noch andere Umstände sehr dafür, das Ganze als ein Alters- phänomen aufzufassen. Erstlich habe ich niemals an den Bälgen notorisch junger, eben primär von der Hautoberfläche entstandener Papillenhäärchen diese Veränderung gesehen. Alle Haare mit dieser Verdickung der homogenen Membran trugen wenigstens die Zeichen vollständiger Reife, viele, wie auch das in Fig. 8 dargestellte, in einer geringgradigen Ablösung von der Papille schon ein Zeichen des beginnenden Ausfalls. Das volle Kopfhaar des Erwachsenen zeigt, wie gesagt, nur eine geringe Umwandlung in Beethaare; es scheint damit eine um so länger dauernde und ausgie- bigere Ausbildung der senilen Veränderung des Balges einherzu- gehen. Denn überall sonst am Körper sah ich die Verdickung der homogenen Membran mit dem Haarwechsel Hand in Hand gehen, die erste und dann bleibendste Veränderung desselbendarstellen. Im Gegen- satze mithin zu der gangbaren Vorstellung, als sei die glashelle Membran, nach Art der Basalmembranen überhaupt, ein stabiles, allen Haarbälgen‘in ganzer Ausdehnung zukommendes Gebilde, muss ich behaupten, dass sie je nach dem Alter des Haarbalgs in sehr wechselnder Entwickelung angetroffen wird und wesentlich und in grösster Ausdehnung nur der unteren Balgregion zukommt. Ein Starrwerden des unteren Theiles der Balgwand geht neben dem Ausfall;des_Haares einher, ja geht ihm voraus, ist sogar das erste sichere Kriterium des beginnenden Wechsels und wir werden später sehen,®dass sich auch eine causale Beziehung zwischen beiden denken lösst. Nun ist es auch verständlich, weshalb sich regelmässig das Epithel des alten Haares durch Erhärtung und Schnitt von der glasartig gequollenen, starren Innenschicht des Balges trennen muss, welche nicht im Stande ist mitzuschrumpfen und mit nachzugeben. Ich muss auf diese Auffassung der homogenen Membran des- 1) Ueber die senilen Veränderungen der Haut des Menschen. Wiener Sitzber. 1869. Bd. LIX, Abth. 1. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 711 halb ein grosses Gewicht legen, weil sie uns bis jetzt das einzige sichere Merkmal an die Hand gibt, durch welches wir einen jungen und einen alten Balgtheil”zu unterscheiden vermögen. Der Mangel eines solchen war der Grund, wesshalb die Ansichten der Autoren über den Ort und die Weise der Neubildung des Haares (Kölliker, Steinlin, Langer, Stieda, Wertheim, Bötte, Redtel!) bisher in unlösbarem Widerspruche sich gegenüber standen. Nur Stieda giebt eine Rechtfertigung seiner Combination der vorliegenden histologischen Bilder, indem er ein solches Merkmal in Gestaltver- änderungen der Papille finden will: sie soll durchgehends im An- fange halbkuglich sein, dann im erwachsenen Haare spitz werden und im alten wieder zu rundlicher Form atrophiren. Aber so viele Aufmerksamkeit ich diesem Gegenstande schenkte, war es mir doch unmöglich, auch nur für einen bestimmten Ort eine constante Reihen- folge der Formverschiedenheiten der Papille aufzufinden. Ich fand überall die zufälligen Abweichungen (durch Lage, Nachbarschaft) schon so bedeutend, dass mir jede Aufstellung einer Altersregel, wenigstens für den Menschen, illusorisch wurde. Bei Thieren mit periodischem Haarwechsel und prägnanten, periodischen Cir- culationsphänomenen mag eine solche vielleicht leichter herzustellen sein, aber ihre directe Anwendbarkeit auf den Menschen möchte ich bestreiten und die Papillenform für den menschlichen Haarwechsel als ein sehr zweifelhaftes Kriterium ansehen. Ich kann nicht einmal der ja sicher constatirten Atrophie der Papille den Werth eines ersten Wahrzeichens des »Reifwerdens« beilegen, denn überall wo ich dieselbe deutlich beobachte, finde ich andere Veränderungen in schon viel ausgeprägterem Grade und finde im Gegentheile, dass die Papille sich conservativer verhält, als man nach ihrer Ernährungs- function vermuthen sollte. Ich werde jetzt schrittweise die Veränderungen schildern, welche im Balge und Haarknopfe vor sich gehen, indem das Papillenhaar sich in ein Beethaar umwandelt und wähle zur Darstellung der ersten Stufe der Veränderung ein Bild, wie es sehr häufig an den. Vibrissen des Erwachsenen beobachtet wird (14). Mehrere schon 1) Kölliker, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. II; Steinlin, Zeitschr. f. ration. Med. Bd. IX; Stieda, Arch. f. Anat. u. Phys. 1867; Wertheim, Wiener Sitzber. Bd. L, S. 302; Redtel, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 23; Langer, Göttell. c. 712 P. Unna: bekannte Dinge springen sofort ins Auge: das Aneinanderstossen von innerer Wurzelscheide und Hornschicht im Grunde des Halses ohne vermittelnden Uebergang, die zeitweise Ablösung einzelner Zellen der inneren Scheide (14 zis), die innerste besondere Zelllage der äusseren Scheide (14 n),, die starke Verdickung der homogenen Membran (14hm) im unteren Theile des Haarbalgs, sowie die Ab- lösung des unteren Haartheiles von demselben. Aber es kommt et- was wesentlich Neues hinzu, nämlich die Theilung des Haarbalgs in eine Reike durch Farbe und Gestalt wohl charakterisirter Regionen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass wir es hier mit einem reifen Haare zu thun haben, d. h. mit einem Haare, welches von seinem Mutterboden keinen nennenswerthen Nachwuchs zu erhalten hat. Trotzdem die Papille noch ihre normale Grösse vollkommen bewahrt, ist die umgreifende Epithelkappe um ein bedeutendes verschmälert, welcher Umstand hauptsächlich auf ein fast vollständiges Schwinden der Matrix der inneren Scheide zu schieben ist. Götte hat für das ausfallende Haar selbst vollkommen recht gesehen, wenn er als erste Veränderung angibt, dass die innere Wurzelscheide keinen Nachwuchs mehr erhalte. Es ist nur ein Fortgang desselben Processes, welcher, wie ich in Cap. II A be- schrieben, schon mit dem Aelterwerden des Haares allmählich ein- tritt. Unser »rother Mantel« (s. dort) ist sogut wie verschwunden, ein etwas gefalteter heller Contour (14 cis) ein wenig höher oben verräth, dass hier das vom Papillenhalse abgezogene verhornte Ende der inneren Scheide zu suchen ist. Was also jetzt noch an der Papille haftet, ist nur die Matrix des eigentlichen Haares selber und indem das Haar sich von der Papille loslöst, ziehen sich also die äusseren Schichten zuerst über dienoch nachwachsenden inneren hinweg. Während nun im unteren Theile des Balges entschieden atro- phische Processe vor sich gehen, erfährt der mittlere Theil desselben, oberhalb und unterhalb einer Einschnürung (14 e), welche durch den hier anstossenden Kranz von Talgdrüsen bewirkt wird, eine starke Auf- treibung durch Wucherung der äusseren Scheide. Dieselbe Region ist weiter ausgezeichnet durch eine stärkere Carminfärbung, besonders der Cylinderzellen, drittens durch den fast vollständigen Mangel einer homo- genen Grenzmembran !), endlich durch eine Ausstülpung, eine knospen- 1) Ich möchte hier wieder darauf hinweisen, dass die homogene Mem- bran genau bis an den, hier verkürzten Hals der Papille in voller Breite zieht, auf dem Halse und der Papille aber keineSpur von ihr zu entdecken ist. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 713 artige(kn) Hervortreibung des wuchernden Epithels in ganz analoger Weise, wie siebeidem embryonalen Wachsthum in die Tiefe stattfindet!). Als einen fünften Punkt, der Beachtung verdient, könnte man an- anführen, dass in der Regel ein Theil der wuchernden rothgefärbten Zellen (14) sich auch in die untere Region des Balges einschiebt, welche, wie wir jetzt sehen wollen, keinen Antheil an der neuen Thätigkeit nimmt. Den Papillentheil haben wir schon betrachtet, aber zwischen ihm und der eben beschriebenen mittleren Region be- findet sich noch eine weitere Ausbuchtung, welche von hellen Stachel- zellen ausgefüllt wird. Dieselbe gehört noch der unteren Balgregion an und schliesst sich durch die gemeinsame Umhüllung mit einer dicken, homogenen Membran eng an den Papillartheil an. Aber es geht in ihr eine selbstständige, characteristische Zellenveränderung vor, welche sie in direeten Gegensatz bringt zu der mittleren Balg- region. Die Cylinderzellen sind verlängert und noch mehr ver- breitert, ihre Substanz vollkommen aufgehellt (14 cy,). Man möchte sie als glasig und aufeequollen bezeichnen. Dieselbe Veränderung in etwas geringerem Grade zeigen die darüber liegenden Stachel- ‚zellen, nur ein kleiner Streif rothgefärbter Zellen bleibt dem Haare anliegen, der zum Theil aus sich herabdrängenden Zellen der mitt- leren Region, zum Theil aus den cubischen Zellen der S. 693 und 694 besprochenen neutralen Lage besteht, welche auch jetzt noch ihre Passivität bewahrt. Die nächsten Stufen der Entwickelung werde ich an 3 dicht nebeneinandersitzenden Haaren einer Ovariencyste zu demonstriren versuchen, welche in Fig. 18 u. 19 (A, B, C) abgebildet sind; B (19) steht im Alter mitten zwischen A und C (18). Wir sehen die Be- wegung des Haares von A, wo es eben die Papille verlassen hat, in B durch das dem subeutanen vergleichbare Fettgewebe nach © fortschreiten, wo es die der eutis analoge Bindegewebsschicht erreicht. Der Balg fällt hinter ihm zusammen, enthält nur noch einen 1) Feine Querschnitte dieser Haarregion werden, wie ich glaube, für die Lehre von der Genese der Stachelzellen von grosser Bedeutung werden, da sie im Umkreise eines Haares alle Stadien der Ausstülpung durch Cylinder- und Stachelzellen erkennen lassen. Hauptsächlich hier habe ich die Ueber- zeugung gewonnen, dass die Abschnürung der Oylinderzellen den ersten An- stoss jedenfalls zur Epithelwucherung gibt, wenn auch unter Umständen eine weitere Theilung der Stachelzellen erfolgen mag. 714 P. Unna: der sehr langsam atrophirenden Papille (p) aufsitzenden Zellstrang (z) alter Epithelien und besteht zum grössten Theile aus der sehr stark verdickten, homogenen Membran (hm). Der Zellstrang (z) umfasst in A noch die Papille mit zwei Zinken und setzt sich nach oben, breiter werdend in den eigentlichen Haarknopf (kn) fort, mit deutlicher Trennung von der aussen anliegenden, etwas aufgehellten Stachelschicht (st,). Er besteht aus den Resten der Matrix für Haar und innere Wurzelscheide und liefert noch während des Aufsteigens ein letztes Material der Verhornung. In B und C hat sich das untere Ende des Zellstranges mehr von der Papille abgezogen und das obere mehr von dem aufsteigenden Haarknopfe abgeschnürt, was durch das Zusammenfallen des Balges hinter demselben bewirkt wird. Je höher der Haarknopf aufsteigt, desto mehr Material für das fortwachsende Haar liefert die äussere Scheide, sodass, wenn das Haar (in C) am Orte seiner Bestimmung angelangt ist, der Zell- strang aus den Resten der Stachelschicht besteht, welche nicht für das Haar mit verbraucht wurden. Das Verhalten der inneren Scheide während des Aufsteigens ist sehr charakteristisch nnd lässt sich aus dem veränderten Ansehen des Haarknopfes allein erschliessen. Derselbe hat in A die Kelchform, indem die innere Wurzelscheide noch sehr wenig über den Haarschaft hinaufgeschoben ist; dasie aber jetzt rascher aufsteigt als das Haar selbst, lässt sie immer mehr Stachelzellen von der Seite her in den Haarschaft hineinstrahlen, wodurch der Haarknopf allmählich das Ansehen eines vollen Besens erhält. Dabei bröckelt sie stets im Halse des Haarbalgs ab, wird mithin im Aufsteigen immer kürzer. In einer mittleren Region des Haarbalgs endlich, welche der mittleren Ausbuchtung des Balges an der Vibrisse (14) entspricht und sich vor der untern Region auch hier schon durch die stärkere Färbung der Stachelzellen aus- zeichnet (Fig. 18 A st), bleibt das Beethaar, so können wir es jetzt schon nennen, sitzen; niemals findet man es an einer höheren Stelle des Balges und wir können deshalb die mittlere productive Region des Balges überall als das präformirte Haarbeet betrachten. So wird aus dem Papillenhaar ein Beethaar und so wie ich es hier beschrieben, habe ich es im Grossen und Ganzen an allen Körperstellen wiedergefunden. Das oft sehr abweichende Ansehen des Balges und der äussern Wurzelscheide scheint mir allein durch den Bau des um- gebenden Bindegewebes bedingt zu sein. So gleicht die Haut, welche die eben besprochenen Ovarienhaare umgibt, im Verhältniss von Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 715 straffem Bindegewebe und Fettgewebe sehr der Kopfhaut und hier wie dort tritt der regionäre Unterschied ‘an den Epithelien sehr zu- rück gegen die in beiden Fällen äusserst mächtige Entwicklung der homogenen Membran. Die regionären Ausbuchtungen werden da- gegen äusserst mächtig an den Vibrissen; hier sind aber auch die Haarbälge durch senkrechte Züge strafferen Bindegewebes wie durch Septen inFächer mehr lockeren Zellgewebes eingeschlossen und die durch Knorpel straff gehaltene Haut zeigt keine deutliche Sonderung von cutanem und subeutanem Gewebe. Ich möchte an diese Darstellung des Uebergangs vom Papillen- haar zum Beethaar beim Erwachsenen noch eine kurze Skizze des- selben Ueberganges beim menschlichen Fötus knüpfen, theils um zu zeigen, dass der geschilderte Process ein für den Menschen während seiner ganzen Entwickelung allgemeingültiger Vorgang sei, theils um die Bedeutung eines Gebildes darzulegen, welches in der Entwickelung des fötalen Haares beim Menschen eine ausgedehnte Rolle spielt, bisher aber noch keine Würdigung gefunden hat. Man hat, soviel ich sehe, alle Ausbuchtungen und knospenartigen Her- vortreibungen, welche man an den ersten menschlichen Haaranlagen wahrnahm, als Anlagen der späteren Talg-Drüsen angesehen. Die Pikrocarminfärbung zeigt jedoch, dass man hier Epithelvortreibungen ganz verschiedenen Charakters vor sich hat. Die Figg. 22 und 23 stellen embryonale Häärchen aus der Augenbrauengegend eines 3'/2- monatlichen Fötus dar. In Fig. 22 sehen wir 3 Ausstülpungen von oben nach unten an Grösse zunehmend, in den stumpfen Winkel hineinragen, welcher das Häärchen mit der Oberfläche der Epidermis macht. Die oberste kleine Ausstülpung (22 oa) ist eine vergängliche Bildung, welche, wenn die Spitze des Embryonahhäärchens schon zu verhornen beginnt (23), niemals mehr vorhanden ist. An allen embryonalen »Sekundärhaaren« — unter dieser Bezeichnung möchte “ ich alle Haare zusammenfassen, welche von der Oberfläche her selbstständig aus Epithelzapfen und zwischen älteren Haaren einer Region, den »Primärhaaren«, entstehen, — tritt diese vergängliche Bildung überhaupt nicht mehr auf; sie kommt nur den Primärhaaren zu und ich habe sie auch nur in der Augenbrauengegend gefunden '!). 1) Diese vergängliche, oberste Ausstülpung finde ich in der Literatur noch nicht erwähnt. 716 P. Unna: Die mittlere etwas grössere Ausstülpung (22 ta) enthält grosse, helle, etwas körnige Zellen, färbt sich bereits gelblich; in ihr allein ist die erste Anlage der späteren Talgdrüsen gegeben. Das unterste Gebilde dieser Art (22 wst) stellt mehr eine Anschwellung der ganzen unteren Partie der äusseren Scheide dar. An dem etwas älteren Häärchen (23) haben wir nur oben die Talgdrüsenanlage (ta) und darunter jene Anschwellung (wst), welche sich etwas mehr begrenzt hat und als schrägliegender eireulärer »Wulst« das Häärchen umgibt. Von nun an geht aber die Fortbildung dieses Wulstes an den ver- schiedenen Körperregionen nach zwei verschiedenen Richtungen aus- einander. An der Haut der Lippe, der Nasenflügel, des Augenlides, kurz fast der ganzen Gesichtshaut geht der Wulst allmählich in einer spindelförmigen Anschwellung der unterhalb der Talgdrüse befindlichen, mittleren Region mehr oder weniger vollständig auf, während er an den Extremitäten, dem Rücken, an Bauch und Brust, an den Geschlechtstheilen, unter der Achsel, kurz so ziemlich am ganzen übrigen Körper nicht nur persistirt, sondern mit dem Wachs- thum auf einen kleinen, seitlichen, knopfförmigen Anhang sich um- formt. Dabei kann aber eine geringere oder stärkere, spindelförmige Anschwellung der ganzen Region bestehen bleiben und in dieser Beziehung finden sich Uebergänge zwischen beiden Typen des Wulstes besonders an den Kopfhaaren. In den Figg. 20 u. 21 habe ich von der Lippe und dem Rücken eines 6!/smonatlichen Fötus diese ver- schiedenen Typen wiedergegeben, die Spindelform von der Lippe (20 A), die Knopfform vom Rücken (21). Man bemerkt aber, dass auch bei der letzteren Form, wo jede Spur einer Anschwellung der ganzen Balgregion fehlt, dennoch die Stachelzellen derselben sich durch eine weit stärkere Rothfärbung vor denjenigen der unteren Balgregion auszeichnen und dass hier wie dort eine feine homogene Grenzmembran nur die untere, nicht die mittlere Balgregion be- kleidet. Das Lippen- und Rückenhaar bildet demnach hier schon denselben Gegensatz, wie wir ihn an den Vibrissen (14) und Cysten- haaren (18 u. 19) des Erwachsenen gefunden haben. Bemerkens- werth ist ferner, dass diese Differenz in der Wachsthumsrichtung des Wulstes an den Sekundärhaaren sehr verwischt ist, indem die später entstehenden Haare aller Körperregionen mehr der Spindelform des Wulstes zuneigen. Da die Sekundärhaare des ganzen Körpers aber auch die andere Aehnlichkeit mit den primären Gesichtshaaren zeigen, dass sie zieht senkrecht in die cutis eingepflanzt sind als die Primär- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 717 haare des Rumpfes und der Extremitäten, so werden wir auch hier darauf hingewiesen, die Ursachen der verschiedenen Form des Wulstes in den lokalen Beziehungen zwischen Haarbalg und Cutis zu suchen. Welche Form nun auch der Wulst in der Mitte des Embryonal- lebens erlangt haben mag, er dient schliesslich in jeder Gestalt dazu, das abgelöste Papillenhaar fortwachsen zu lassen, er ist das prä- formirte Haarbeet. Der erste Uebergang von Papillenhaaren in Beethaare geht beim Embryo an den Lippen vor sich. Fig. 20 A u. B, welche zwei direkt nebeneinanderliegende Lippenhäärchen eines 61/smonatlichen Fötus darstellen, geben die Beziehung zwischen dem »Wulste« und dem »Haarbeete« besser wieder als eine Be- schreibung. Grade beim Embryo, wo man in einem Schnitte eine bedeutende Anzahl von Altersstufen überschaut, springt es noch weit mehr in die Augen als beim Erwachsenen, dass alle Uebergänge zwischen Papillenhaar und Beethaar nur innerhalb der unteren und mittleren Balgregion ablaufen. Der Uebergang eines Papillenhaares in ein Beethaar mit knopf- förıniger Anlage des Haarbeetes ereignet sich zuerst am Kopfhaare. Fig. 24 stellt ein solches vom S—9monatlichen Embryo dar. Man sieht das sehr lange, schräg in der cutis gelagerte Haar von der Papille abgelöst und zwar genau in dem Stadium des Aufsteigens, welches in 18 A vom Cystenhaar beschrieben wurde. Ein einziger Unterschied von dem dort gegebenen Bilde zeigt sich darin, dass die Zellen der äusseren Wurzelscheide im Papillartheil noch nicht atrophirt sind und deshalb den aus Matrixzellen bestehenden Zell- strang zwischen Papille und Haarknopf noch scheidenartig umgeben. Der hier zwiebelartig gestellte Haarknopf (24 zw) ragt wie aus einer Manschette von Cuticularzellen heraus (m) und diese wieder gleich- sam aus einem Aermel von verhornter, innerer Wurzelscheide (is). Im Uebrigen zeigt dieses Kopfhaar die bekannten Charaktere der Senilität des Balges in ausgesprochenem Grade. Der Wulst (wst) ragt, wie es beim knopfförmigen durchgehende Regel ist, nach der- selben Seite hin wie die Talgdrüse, in den stumpfen Winkel hinein, den das Haar mit der Oberfläche bildet. Behält man diese beiden Merkmale im Auge so wird man nicht lange anstehen, den Wulst in Fig. 24 mit dem Haarbeet in Fig. 25 für identisch zu erklären, welches dem Kopfhaare eines Neugeborenen angehört. Indem das Haar jetzt aus dem Fundus des »Wulstes« (25) hervorkommt, erfährt es eine Art Geraderichtung gegenüber dem sehr schräg liegenden 718 P. Unna: Papillenhaar, welches ihm voranging; zugleich ist der in der cutis steckende Theil um über die Hälfte kleiner geworden. Es wird sich später herausstellen, dass der seitlich nach unten abgehende Fortsatz in Fig 25 von dem Haarbeet in den alten Balg hinunter- geschickt ist, um ein neues Papillenhaar zu erzeugen. Es erklärt sich nun leicht aus Fig.24, dass dieser Fortsatz etwas seitlich nach unten und nach der der Talgdrüse entgegengesetzten Seite abgehen muss, genau so wie der untere Balgtheil (24) zum Wulste gelagert ist. Das Bisherige zusammenfassend können wir also behaupten, dass während der ganzen intra- und extrauterinen Lebensdauer des Menschen eine mittlere Region des Haarbalgepithels, durch ihre Productivität ausgezeichnet, die präformirte Anlage eines »Haarbeetes« bildet, welches im Stande ist, das abgelöste Papillenhaar aus sich heraus fortzusetzen und deren Stachelzellen stets durch stärkere Car- minfärbung, deren Balgwand durch den Mangel einer homogenen Grenzmembran gekennzeichnet sind, welche endlich an vielen Gegen- den, wo es die umgebende cutis erlaubt, mannichfach gestaltete epi- theliale Wucherungen in dieselbe vortreibt. Es entsteht nun dieFrage: was ist das weitere Schicksal unseres »Beethaares« ? ist diese zweite Periode von beständiger Dauer oder erreicht sie einen ähnlichen Abschluss wie das Papillenstadium ? Darauf ist zu erwiedern, dass in der Matrix, dem Beete des Haares selbst, nicht der geringste Grund zu einem Abschluss der zweiten Periode gegeben ist, dass aber, gerade wie beim Papillen- haar, von aussen herantretende Umstände diesen Abschluss herbei- führen können und sehr häufig herbeiführen. Diese Umstände sind hier durch das Wachsthum junger Papillenhaare im selben Balge mit den älteren Beethaaren gegeben, indem die ersteren die letzteren verdrängen können und nur indem der Keim zu diesen jungen Papillenhaaren meistens vom Haarbeet selbst ausgeht, bewirkt das- selbe indirekt den Abschluss der zweiten Haarperiode. Aber es muss von vornherein betont werden, dass erstlich durchaus nicht immer und in jeder Lebensepoche ein solches verdrängendes Papillenhaar erzeugt wird, zweitens dass selbst, wenn es erzeugt wird, es durch- aus nicht nothwendig das darüber sitzende Beethaar verdrängen muss. Die Bilder von starken Papillenhaaren, welche, das Haar- beet einfach durchbrechend, ruhig neben den Beethaaren desselben Balges fortwuchsen, waren sogar am Barte und den gewöhnlichen Lanugohäärchen des Körpers so häufig, dass ich zuerst die Ver- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 719 drängung des Beethaares für den seltneren Fall zu halten geneigt war. Aber die weitere Untersuchung der Cilien, Vibrissen, Cystenhaare, Kopfhaare lehrte mich, dass eben je nach den Verhältnissen des Mutterbodens hierin die grössten Verschiedenheiten vorkommen. Man kann als Regel aufstellen, dass überall dort, wo die Haarbälge möglichst gerade in die cutis eingepflanzt sind, wie in den letztge- nannten Provinzen, die Verdrängung vorwaltet, am Barte und den Lanugohaaren dagegen, wo durch Muskelspiel die eutis fortwährende Verschiebungen erleidet und die Bälge daher oft zur Seite geknickt und gebogen werden, das Hervorsprossen von gut ausgebildeten Papillenhaaren und Beethaaren aus einem Balge sehr häufig vor- kommt. Wenn nun aber die Verdrängung wirklich eintritt, so ist sie noch erheblich verschieden von jenem Vorgange, wie er zuerst von Kölliker an den Cilien beschrieben wurde. Hiernach sollte ein junges Papillenhäärchen oder ein dasselbe producirender Zell- strang das durchaus verhornte alte Haar ununterbrochen von der alten Papille bis zum Balge hinausschieben. Dieses ist einfach des- halb unmöglich, weil, ehe das junge Papillenhaar, respective dessen Mutterzellen sich vom Grunde des alten Balges erheben können, das Beethaar schon längere Zeit an seiner Stelle verharrt hat. Er- reicht aber das junge Häärchen das letztere und ist es im Stande dasselbe zu verdrängen, so schiebt es nicht blos den verhornten Schaft zum Balge hinaus, sondern es lockert den grössten Theil vom Haarbeete, mit welchem der Schaft des Beethaares noch immer zusammenhängt und das Beethaar wird daher mit einem dicken Kolben anhängender Stachelzellen des Wandepithels entfernt, wie ich es sehr schön an Cystenhaaren beobachten konnte‘). In diesem Punkte kann ich mithin auch die Angaben der anderen Autoren nicht bestätigen und mich nur auf eine Angabe Langers beziehen, welche von einer zugleich mit der Ausstossung des alten Haares erfolgenden »Häutung« des Haarfollikels sprach. Es ist aber aus dem Besprochenen auch ersichtlich, dass eine eingehendere Beant- 1) Allein in diesem Falle bekommt man ein Haar in einer Region des. Haarbalgs zu sehen, welche über der Region des Haarbeetes liegt. Derselbe kommt jedoch so selten zur Beobachtung, dass der Schluss unabweisbar er- scheint, dieses allerletzte Stadium des Haarausfalls, nämlich die Verdrängung des Beethaares, müsse nur eine sehr geringe Zeit in Anspruch nehmen. Eine ähnliche Bemerkung ist bereits von Redtel gemacht worden. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 47 720 P. Unna: wortung der Frage: was ist das endliche Schicksal des Beethaares ? von der Entscheidung der anderen Frage abhängt: wie entstehen die jungen Papillenhaare an den verschiedenen Körperregionen? und nach einer kurzen Besprechung dieser letzteren müssen wir des- halb auf das Beethaar noch einmal zurückkommen. Die eben genannte Frage lautet genauer präcisirt !) so: woher stammen die jungen Papillenhaare, welche sich im Zusammenhange mit alten Haaren entwickeln? Denn in dieser Fassung sind die anderen strittigen Punkte, wie dieses alte Haar beschaffen sei (ver- hornter Kolben oder Beethaar?), ob die Neubildung im alten Balge oder einem jungen Fortsatze des Balges vor sich gehe, unberührt gelassen. Ich möchte, ehe ich auf die genaueren Data eingehe, vor- ausschicken, dass ich mich ausschliesslich keiner von beiden Ansichten, zwischen denen bisher die Wage schwankte, anzuschliessen vermag, sie hingegen beide als vollkommen berechtigt anerkennen, ja ihnen sogar noch eine dritte, bisher nicht geschilderte Form der Neubildung anreihen muss. Die erste von Kölliker aufgestellte Ansicht lautet dahin, dass das Papillenhaar im alten Balge, auf der alten Papille und aus einem Zellenmateriale sich bildet, welches auf der Papille neu ent- steht. Diese Anschauung kann’ich für die Cilien jugendlicher Erwach- sener sowie für die äusseren Haare der Nase bestätigen, aber nur insofern sie betont, dass das junge Haar in dem früheren Balge entstehe. Hier kommt uns jetzt das oben besprochene Kriterium für die Senilität eines Haarbalges zu Statten. Fig. 17 stellt eine junge Cilie dar, welche sich unter einem Beethaare entwickelt und dasselbe eben erreicht hat. Sie sitzen in einem und demselben Balge und es fragt sich: ist der Theil, in welchem die junge Cilie steckt, der alte, untere Balgtheil, aus dem das jetzt oben sitzende Beethaar aufgestiegen, oder ist es eine Verlängerung des Beethaarbalges nach unten? Ein Blick auf die homogene (hm) Membran und die Ab- lösung des Epithels von der starren Balgwand, ferner auf den Um- stand, dass noch jetzt, hauptsächlich in der Färbung der Cylinder- zellen, die bekannten, regionären Verschiedenheiten seniler Bälge vorhanden sind, beweist zur Genüge, dass es hier der alte Balg 1) Es kann hier natürlich abgesehen werden von der embryonalen Ent- stehungsweise junger Papillenhäärchen neu von der Epidermis her. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 721 jenes Papillenhaares ist, welches jetzt als Beethaar in der mittleren Balgregion fortwächst. Hiermit ist aber noch lange nicht bewiesen, dass es nun auch die alte Papille und ein von ihr herstammendes Zellenmaterial sein muss, denen die junge Cilie ihr Dasein verdankt. Es könnte ja eben so gut ein vom Haarbeet nach unten vorgeschobener Zellfortsatz und eine neue ihn einstülpende Papille sie erzeugt haben, welcher Modus, wie wir gleich sehen werden, sogar der am meisten ver- breitete ist. Ich muss selbst bekennen, dass mir dieser letztere an den Nasenhaaren als der bei weitem wahrscheinlichere dünkt, aber dabei offen gestehen, dass mir die Herstellung eines völlig eindeutigen Bildes, welches entweder nur oben an dem Haarbeet oder nur unten an der wohlerhaltenen alten Papille eine Veränderung zeigte, her- zustellen nicht möglich war. Ich stehe um so lieber von einer Ent- scheidung ab, als ich an den Wollhaaren von der Schnauze des Kalbes einen Modus beobachtete, welcher der Kölliker’schen An- sicht auch in dem letzteren Punkt entsprach. Hier zeigten sich nämlich alte, mit hellen Zellen ganz erfüllte untere Haarbalgtheile, mit Haarbeet und dem dazu gehörigen Haare in der oberen Region. Von diesen zeigten einige ganz kleine, offenbar geschrumpfte Papillen am Grunde, andere dagegen weit grüssere mit mächtigen ein- und austretenden Blutgefässen und diese letzteren waren mit einem Be- lage stark roth gefärbter Zellen versehen, die sich in einem kleinen Kegel über der Papille erhoben, mit dem Haarbeet im oberen Theile jedoch nicht den geringsten Zusammenhang besassen. Hier stammte also das Zellenmaterial für das junge Haar entschieden von der Papille im Grunde des Haarbalgs, wenn auch die letztere vielleicht nicht mehr die alte genannt werden konnte. Aber ich muss gegen- über den Aufstellungen mancher Autoren es für durchaus unberech- tigt erklären aus einem Vorkommniss bei den mit raschem Haar- wechsel versehenen Thieren, directe und womöglich ganz allgemein- gültige Schlüsse für den menschlichen Haarwechsel zu ziehen und muss daher die berührten Punkte als noch durchaus zweifelhafte bezeichnen. Mit mehr Sicherheit kann ich mich über den anderen Modus aussprechen, welchen Steinlin und Stieda, und auch, obschon nicht so bestimmt, Langer für die einzige Art der Entstehung junger Papillenhaare von alten Bälgen aus erklären, nämlich durch knospenartige Vertreibung eines Epithelzapfens in die Tiefe von der 722 P. Unna: äussern Scheide alter Haarbälge aus. Wenn ich anstatt des alten, allmählich ganz verhornenden »Haarkolbens«, welche diese Autoren in den alten Bälgen voraussetzen, mein Beethaar und statt der sie umgebenden äusseren Scheide, welche die Epithelzapfen aussenden soll, mein Haarbeet selbst setzen darf, so kann ich ihre Angaben für die meisten Regionen des menschlichen Körpers durchaus be- stätigen. Götte wirft jenen Autoren vor, dass durch das oftmals wiederholte Aussenden eines solchen Fortsatzes in die Tiefe ein junges Haar bald in die tiefste subeutane Schicht eingebettet werden müsste; es leuchtet ein, dass dieser Vorwurf unsere Anschauung nicht trifft, da, wenn dasHaarbeet, welches selbstin halber Höhe des alten Balges sich befindet, einen productiven Fortsatz in die Tiefe schickt, der Balg dadurch keine grössere Länge anzunehmen braucht, als das vorhergehende Papillenhaar schon in Anspruch nahm. Ich muss den genannten Vorgang überall dort annehmen, wo ich unterhalb eines Beethaares vom Haarbeete ausgehend einen kleineren oder grösseren Epithelfortsatz in die Tiefe abgehen sehe, welcher aus jungen sich stark tingirenden Zellen besteht und nicht von einer homogenen Membran, sondern von gewöhnlichem Binde- gewebe eingehüllt wird, die Papille mag nun schon vorhanden sein oder noch fehlen, eine Form besitzen, welche sie wolle. Diese Art von Fortsätzen finde ich hauptsächlich verbreitet im Barthaar, aber auch im Kopfhaar und dem ganzen Wollhaare des Menschen. Dass es aber auch selbst im Barthaar nicht die einzige Form der Neu- bildung junger Papillenhaare ist, lehren die seltenen Fälle, in welchen unter einem Beethaar des Bartes ein junges Papillenhaar im alten Balge sitzt. Umgekehrt nimmt bei den Cilien die oben erörterte Entstehungsweise der jungen Papillenhäärchen im alten, unteren Balgtheile mit zunehmendem Alter immer mehr ab zu Gunsten der eben beschriebenen und hierbei findet sich ein 'neuer beachtens- werther Umstand. Untersuchen wir den Wimperbestand einer älteren Person, so finden wir ausser wenigen starken Papillenhaaren fast nur Beethaare und jedes der letzteren trägt an seinem unteren Ende einen kurzen Fortsatz mit Papille. Diese kurzen Fortsätze sitzen meist etwas seitlich unten am Beethaar und folgen in ihrer Richtung sichtlich einem Bindegewebsbündel, welches sich von der umgebenden Cutis durch seine Faserrichtung etwas abhebt, oben den Fortsatz kelch- artig umfasst und unten spitz in der Cutis endigt, so dass man un- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 723 willkürlich an das erinnert wird, was Wertheim Haarstengel und Haarkelch nannte, mit welchen Dingen er freilich die unrichtige Vorstellung verband, als wenn sie die Haare aus bindegewebiger Matrix emporspriessen liessen. Sehen wir uns ein solches Gebilde auf möglichst feinen Schnitten an (16), so werden wir gewahr, dass der eigentliche Kelch (16 kch), also der Theil, welcher Fortsatz und Papille umgibt, aus einer starken homogenen Membran, sogar von besonderer Dicke besteht, welche unterhalb der Papille zu einem ‘dicken Strange zusammenschmilzt, welcher sich noch eine Strecke weit in das oben genannte Bindegewebsbündel, Wertheims Haar- stengel, verfolgen lässt und oben ohne scharfe Grenze in die das Beethaar umgebende Balgwand übergeht. Aber diese Membran ist durchsetzt von jungen Zellen, deren Kerne sich stark roth färben und die am meisten in der Gegend der Papille confluiren, welche fast ganz aus denselben zu bestehen scheint. In diesen Kelch drängt sich nun aus dem Haarbeet, welches selbst wulstige Vortreibungen besitzt, ein Zellfortsatz, der die Papille zur Hälfte umgreift. Es kann keinem Zweifel unterliegen, wir haben es mit der alten, unteren Balgparthie zu thun, die zusammengefallen war und so den »Haarstengel« bildete, aber jetzt durch das Vor- dringen eines vom Haarbeet ausgehenden Fortsatzes oben zur »Kelch«- form erweitert und von jungen Zellen durchsetzt, verjüngt wird, sowie eine neue Papille erhält. Dass der Zeilstrang, welchen das Haarbeet ausschickt, Mühe hat in dem alten Balge vorzudringen, scheint mir daraus hervorzugehen, dass er oft an seinem Ursprunge geschlängelt erscheint und die seitlichen Balgpartieen ausweitet und erfüllt, wodurch meist sein Ursprung seitlich hinverlegt wird. Diese Differenz zwischen dem Wachsthum der neuen Papillen- cilien bei jungen (pg. 720) und bei alten Individuen zeigt klar, wie wenig es gerathen ist, ein einheitliches Schema für die Regeneration der Haare aufzustellen. Die Vergleichung des Wimperbestandes bei jungen und alten Personen lehrt schon, dass der Nachwuchs junger Papillen- haare ein immer spärlicherer wird. Der untere Balgtheil“gewinnt immer mehr Zeit, nach dem Schwunde der letzten Epithelmassen, die er beherbergte, vollkommen zusammenzufallen und einen Haar- stengel zu bilden, erschwert aber dadurch wieder die Aussendung von productiven Zellfortsätzen des Haarbeetes. So muss dieser Vorgang endlich zu dem Resultat führen, dass fast alleCilien aus Beet- haaren bestehen und bestehen bleiben, wie wir es bei alten Leuten sehen. 724 P. Unna: An den Lippenhaaren eines Smonatlichen Fötus hatte ich Ge- legenheit den soeben an den alten Cilien erörterten, aber mehr erschlossenen Process des Zusammenfallens und der Wiedergewinnung einer unteren Balgparthie in allen Uebergangsstufen zu verfolgen. Hier finden sich nämlich Primärhaare, schon längst in das Beet- stadium eingetreten, welche gerade im Begriffe sind neue Fortsätze in die Tiefe auszuschicken, dicht neben Sekundärhaaren, welche, ganz kürzlich erst zu Beethaaren geworden, noch mit altem Epithel erfüllte, untere Balgregionen besitzen. Diese verkürzen sich nun allmählich, indem die Wandepithelien sich nach der Mitte und oben spindelförmig ausziehen und ährenförmig zu einem Strange sich zu sammendrängen, der im Haarbeet verschwindet und wie es scheint zum Beethaar mit verbraucht wird. Im Gegensatze zu diesen hellen Strängen färben sich nun die neuen Fortsätze, welche von den primären Beethaaren in die Tiefe geschickt werden, auf denselben Schnitten stark roth, ebenso wie die von einer Epithelkappe um- griffene und im Herabsteigen sich vergrössernde Papille und das umgebende Bindegewebe; nur der helle Saum der homogenen Membran zeigt an, dass diese jungen Fortsätze doch noch den alten Balg gefunden haben. | Ganz denselben Vorgang beachtete ich am Augenlide des acht- monatlichen Fötus, an welchem die Primärhaare zunächst nach den Lippenhaaren productive Fortsätze von dem Haarbeet herabschicken ; endlich auch an mehreren Körperstellen des Neugeborenen, so dass ich nicht anstehe, es für das ganze fötale Leben als Regel hinzu- stellen, dass der Fortsatz den alten Balg wieder aufsucht. In Fig. 25, welche das typische Bild der Kopfhaare des Neu- geborenen !) wiedergibt, sehen wir ebenfalls den hier aus oben er- örterten Gründen seitlich abgehenden Fortsatz in den alten Balg hinabsteigen. Aus diesem Fortsatze entwickelt sich das junge Papillen- haar, welches nach kürzerer oder längerer Zeit das seit dem 9. Monate bestehende Beethaar verdrängt, wie ich an mehreren einige Wochen alten Kindern zu sehen Gelegenheit hatte, und auf diese Weise den Haarwechsel der Neugeborenen bewirkt. Ich komme endlich zur Besprechung einer dritten Art von Neuer- zeugung junger Papillenhäärchen, welche auch wieder an den Wimpern 1) D. h. des normalen, kurzen Kopfhaares; wenn die Kinder mit starkem Kopfhaar zur Welt kommen, hat sich der Ausfall des in Fig.24 ahgebildeten, langen Papillenhaares verzögert. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 725 auftritt, wo offenbar die Productivität des hier so eng eingeschlossenen Haarbeetes sich nach jeder Richtung hin einen Ausweg sucht. Ich habe schon bei den Vibrissen der oft erheblichen, partiellen Epithel- wucherungen gedacht, welche das Haarbeet in der Gegend der Talg- drüsen seitlich in die eutis hineinschickt. An den Cilien sind diese Wucherungen nun oft noch viel energischer und führen dann häufig zur Bildung von horizontal in der Cutis liegenden Papillenhäärchen (13). Schon unter Bart- und Kopfhaaren, ja unter Wollhäärchen waren mir ganz vereinzelt solche horizontal in der Cutis liegende Haare aufgefallen, ohne dass ich sie besonderer Beachtung würdigte. An den Wimpern traf ich sie jedoch erstaunlich oft und es war hier leicht nachzuweisen, dass sie aus solchen, seitlich dem Haarbeet auf- sitzenden Epithelkolben ihren Ursprung nahmen und demgemäss auf das festsitzende Beethaar oder das an die Stelle getretene Papillen- haar senkrecht zuwuchsen. An diesem angekommen, krümmten sie sich in die normale Richtung hinein, aber es war ersichtlich, dass ausserhalb des Balges doch wieder eine Neigung zur Schieflage ein- treten musste, besonders wenn der seitliche Fortsatz hoch sass. Prof. Waldeyer machte mich hierbei auf die Möglichkeit auf- merksam, dass in dieser merkwürdigen, physiologischen Praedis- position der Cilien zur Schieflage vielleicht eine Erklärung für manche Fälle von Trichiasis und vielleicht auch von Distichiasis zu suchen sei. Wir ;haben jetzt verschiedene Entstehungsmöglichkeiten des jungen Papillenhaares kennen gelernt, die mehr in der äussern Form als der Sache nach sich unterscheiden. Wie im embryonalen Leben die Cylinderzellen der Oberhaut Haarkolben in die Tiefe schicken, so können während des extrauterinen Lebens die ihnen vollkommen gleichwerthigen und nur unter bessere Bedingungen (Fehlen einer Grenzmembran, partielle Lockerheit der Cutis) versetzten Cylinder- zellen der mittleren Haarregion Kolben senkrecht und horizontal in die cutis hineinschicken. Die ersteren bilden eine überallnormaler- weise vorkommende Ueberproduction jener bevorzugten Region, nach- dem sie das abgelöste Papillenhaar in sich aufgenommen und sich als Haarbeet constituirt hat!). Die in die Tiefe abgehenden Fort- 1) Bei dieser Zusammenfassung ist der eine noch nicht erledigte Fall nicht berücksichtigt, dass möglicherweise bei den Cilien oder sonstwo die- jenige Art der Neubildung vorhanden sein mag, welche oben vom Kalbe be- schrieben wurde. 726 P. Unna: sätze schlagen im embryonalen Leben noch stets den Weg des alten Balges ein; später ist dies die Norm nur noch bei jenen Haaren, welche wie die Cilien, durch sehr gerade und unbewegliche Bälge ausgezeichnet sind. Bei den meisten Haaren des Körpers ist der Weg des alten Balges dem neuen Fortsatze ebenso oft verlegt wie gangbar, besonders oft verlegt an den bewegtesten Stellen der cutis, wie am Barte. Der Fortsatz dringt dann beliebig in die cutis ein, wo der Widerstand am geringsten ist und schafft sich einen neuen, unteren Balgtheil. Von diesem aus wächst dann das junge Papillen- haar besonders leicht beim Beethaare vorbei, ohne es aus dem Balge zu entfernen, wie es das Beispiel des Bartes lehrt und da- durch entsteht schon hier und da eine Lücke in dem sonst voll- kommenen Cyclus, in welchem ein Papillenhaar stets in die Periode des Beethaares eintritt und dieses wieder von einem Papillenhaare verdrängt wird. Aber noch mehr greift: das zunehmende Lebens- alter in diesen Cyclus ein, theils indem es die alten Bälge den jungen Zellfortsätzen schwerer zugänglich macht, theils indem es die Ueber- production des Haarbeets, welche zu diesen Fortsätzen Veranlassung gab, ınässigt, und endlich aufhebt. Schliesslich, — und damit kommen wir auf das endliche Schicksal des Beethaares zurück —, schliess- lich tendirt der ganze Haarwuchs des Menschen zu einer beständigen Beethaarperiode, wo selbst die Production der Cilien aufhört und nur diejenigen Papillenhaare bestehen bleiben, welche die günstigsten Ernährungsbedingungen besitzen, gemeiniglich am tiefsten unter die eigentliche cutis eingesenkt sind. Wie die hier gegebene Darstellung des menschlichen Haar- wechsels sich von den älteren Darstellungen (Kölliker — Stieda) unterscheidet, dass sie besonders gegen die Ausschlissslichkeit jeder der beiden Hauptanschauungen opponirt, soweit sie die Entstehung neuer Haare betreffen, endlich inwiefern sie sich in der Auffassung des »alten Haares« von ihnen entfernt, bedarf keines erneuten Hin- weises. Dagegen wird es räthlich sein, meine Anschauung der Götte’schen gegenüber noch einmal zu präcisiren. Was 'sie mit der letzteren verbindet, sind hauptsächlich zwei Dinge; einmal der Satz, dass das sogenannte »ausfallende Haar« oder »Haarkolben« kein wirklich ausfaliendes sei, sondern dass zwischen ihm und der äusseren Wurzelscheide eine innige Verbindung bestehe; dann die Trennung des Haarbalges in drei Regionen, welche Götte als fett- bildenden, spindelförmigen und haarbildenden Theil unterscheidet Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 727 und welche genau unserer Eintheilung in Talgdrüsenanschwellung, Wulst und unteren Balgtheil beim späteren embryonalen Haar, oder Haarbalgtrichter, Haarbeet und unteren Balgtheil am Haar ‚des Erwachsenen entsprechen. Der Hauptdivergenzpunkt beider Auffassungen liegt andrerseits darin, dass Götte sein »Schalthaar« in der spindelförmigen Anschwellung des Balges autochthon entstehen lässt, während ich behaupte, dass nur das alte Papillenhaar, indem es aufwärts steigt, von dieser Stelle aus einen, weiterhin fortdauern- den Nachschub erhält, dass aber niemals von selbst aus dem Haar- beet heraus ein Haar wächst und das Haarbeet selbstständig nur Epithelkolben vorschickt, die zur Entstehung von Papillenhaaren Veranlassung geben. Ich bin nie so glücklich gewesen, Bilder an- zutreffen, welche mir die Göttesche Aufstellung wahrscheinlich machten, glaube aber darauf hinweisen zu müssen, dass seine Figg. 17 u. 18, welche die Fortbildung des Haarkolbens zum »Schalthaar« beweisen sollen, ebensogut als Beethaare gelten können, deren Schaft durch den Schnitt entfernt ist und welche junge Fortsätze nach unten ausgeschickt haben. Es ist immerhin bemerkenswerth, dass bei seinen Figg. 15—21, welche die Genese des Schalthaares dar- stellen sollen, fast allein unter den 59 Figuren ein richtiger Haar- kelch und -stengel mitgezeichnet ist, was ganz besonders auf eine alte, nicht ganz junge Bildung schliessen lässt. Weiter schreibt Götte seinem »Schalthaare« im Gegensatze zum Papillenhaare keine typische Länge zu. Die Länge desselben soll nur von der Zeit abhängen, welche das junge Papillenhaar ihm lässt, ehe es dasselbe verdrängt. Im Gegensatze dazu muss ich nach Vergleichung der makroskopischen und mikroskopischen Bilder für mein »Beethaar« behaupten, dass auch ihm eine typische Länge zukommt (übrigens nicht anders wie dem Nagel auch)!). 1) Der durch diese Mittheilungen über den Haarwechsel bereits in An- spruch genommene Raum erlaubt mir nicht, auch noch die hier in Betracht kommenden treibenden Kräfte einer näheren Betrachtung zu unterziehen und die in dieser Hinsicht bereits aufgestellten Ansichten einer Kritik zu unter- werfen. Ich möchte nur kurz bemerken, dass ich in dieser Beziehung an der Hand der anatomischen Bilder zu einer ganz bestimmten Auffassung gelangt bin, indem ich die starke Productivität der mittleren Balgregion selbst als die wesentlich in Betracht kommende Triebkraft bezeichnen muss, welche 728 P. Unna: II. Nagel. Ich behandelte schliesslich auch den Nagel mit den an Haut und Haar erprobten Färbemethoden. Sie erwiesen sich auch hier von grossem Vortheil, insbesondere für die Unterscheidung der ver- schiedenartigen hornigen Abschnitte des Nagels und seiner nächsten epidermoidalen Umgebung. Ich gelangte dadurch zu Anschau- ungen über den Bau des Nagels, welche von den heute gangbaren in manchen Stücken abweichen. Hieran schloss sich eine Unter- suchung der embryonalen Entwickelung des Nagels.. Mangel an Zeit und Material liessen mich die ganze Aufgabe nicht bewältigen, da sich bald herausstellte, dass der kindliche Nagel von dem des Erwachsenen noch wesentlich abweicht. So möchte ich denn nur die Hauptresultate meiner unabgeschlossenen Arbeit unter Hinweis auf einige Abbildungen in kurzen Sätzen zusammenfassen, mit dem Vorbehalt, in ausführlicherer Darstellung auf dieses Thema zurück- zukommen. I. Die alleinige Matrix des eigentlichen Nagels ist der Boden des Falzes (nb, Fig. 26 Fingernagel eines Neugeb., Fig. 28 Zehennagel eines. 3wöchentlichen Kindes). Beim Neuge- borenen reicht die Matrix noch nicht immer, (beim Erwachsenen stets,) bis in den hinteren Winkel des Falzes (Fig. 26). — Der makroskopische Ausdruck der Nagelmatrix ist die lunula. I. Der Nagel wird in Schichten abgesondert, welche der Nagelmatrix parallel sind und deshalb sowohl im Falze als auf dem Nagelbette eine von hinten oben nach vorn unten schräg herabgehende Lage besitzen (Figg. 26, 28). Il. Die Dicke des Nagels, verglichen am freien Rande und an dem Punkte, wo die Nagelmatrix auf- hört und das Nagelbette beginnt (ns, Fig. 26), ist voll- das Papillenhaar in das Stadium des Beethaares überführt, welche Ursache, durch die regionären Verschiedenheiten der Cutis in wechselnder Weise modifieirt, zur Wirkung gelangt. Es ist neuerdings viel Gewicht auf die Mithülfe äusserer Ursachen wie Reiben, Scheuern, Kämmen für den Ausfall der Haare gelegt worden. Ich kann denselben keine wesentliche Bedeutung beilegen und verweise darauf, dass hiermit für das Verständniss des Haar- wechsels im Cystovarium und beim Embryo wenig gewonnen wäre, Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 729 kommen gleich für den Erwachsenen. Beim Neugeborenen und noch spärter ist der Nagel am freien Rande sogar dünner (Fig. 26, 28). IV. Der eigentliche Nagel erhält keinen Zuschuss vonder Stachelschicht des Nagelbettes. Beim Neugeborenen steht der hintere Theil der Stachelschicht des Nagelbettes nackt an den Nagel an (Fig. 26ns), während von vorne her sich Körner- und Hornschicht (Fig. 26 k u. h) zwischen Stachelschicht und Nagel einschieben. Beim dreiwöchentlichen Kinde hat diese normale Horn- schicht einem Gebilde besonderer Art Platz gemacht (Fig. 28 sl, sle), welches aus glashellen Schollen besteht und über der fertigen Horn- schicht der angrenzenden Oberhaut plötzlich eine 4—5fache Dicke einnimmt. Körnerzellen sind zwisehen diesem stratum und der Stachelschicht des Nagelbettes nicht zu finden. Die plötzliche Ver- dickung der Schicht über den lockeren Hornzellen lässt das ganze stratum durch den Druck des erstarkenden Nagels entstanden er- scheinen. Beim Erwachsenen findet sich an seiner Stelle das soge- nannte stratum corneum des Nagelbettes, ebenfalls ohne Körner- schicht. _V. Die Hornschicht, welche den Nagel von der Decke des Falzes trennt, ist vollständig wie an normaler Oberhaut gebildet (Figg. 26, 281). Das Deckenepithel des Falzes fliesst mit der Oberhaut des Fingerrückens unter Bildung eines eigen- thümlichen Wulstes, des »Deckenwulstes« zusammen, der im Innern eine besonders lockere, fächrige Beschaffenheit besitzt (Fig. 26 wu). Je ein dünnes Plättchen, aus gewöhnlichen Hornzellen be- stehend, haftet dem Nagel gewöhnlich an der obern und untern Seite eine Strecke weit mechanisch an. VI. Der Nagel selbst entsteht durch einen von der Oberflächenverhornung bedeutend abweichenden Ver- hornungsprozess (Fig. 27, Längsschnitt aus dem hinteren Theil des Nagelfalzes). Kleine, zur schrägen Richtung der Nagelschichten senkrecht gestellte Epithelzapfen (w) fliessen zu einer Schicht hellerer Stachelzellen zusammen. In dieser werden die Stacheln immer deutlicher, während die Zellen sich abplatten, wodurch eine stark punktirte, dunklere Uebergangsschicht entsteht (ue, s. auch Fig. 26, 1) In Fig. 26 (u. Fig. 27 bei starker Vergr.) ist die basale Hornschicht nicht gelb gefärbt wegen der Nähe des viel härteren Nagels. (Vgl. S. 685.) 730 P. Unna: 28). Aus diesen gehen dann endlich die sehr platten, glänzenden und mit feiner Zähnelung versehenen Nagelzellen (n) hervor. Von einer Körnerschicht findet sich hier keine Andeutung. Der obere Theil der Fig. 27 zeigt die normale Öberflächenverhornung der Falzdecke. Satz I, IH, IV widersprechen hauptsächlich Kölliker; Satz I auch Virchow und Henle, insofern diese Autoren den Haupt- ursprung des Nagels an den hinteren Falzrand und die nächst an- grenzende Partie des Bodens verlegen und Henle und Kölliker, insofern dieselben noch eine kleine Partie der Falzdecke zu den Quellen des Nagels rechnen. Satz I und IV schliessen sich da- gegen vollständig der alten Auffassung von Ammon-Reichert an. VII In der Entwicklung des Nagels sind 4 Perioden zu unterscheiden: a) das Eponychium (s. VIII) oder der primi- tive Nagel (2—8. Monat); b) der frei zu Tage tretende, aber noch fest anliegende, eigentliche Nagel (8—9. Monat); c) der frei sich erhebende Nagel des Neugeborenen: d) der Nagel des Erwachsenen. VII. Vom 2. bis 8. Monat vertritt die Stelle des Nagels eine partiell stärkere Verhornung der Oberhaut am Rücken des ersten Fingergliedes. Die aus Cylinder- und Stachelzellen bestehende Epidermis der Volarseite verändert sich auf der Dorsalseite, indem hier eine besonders stark geschichtete und fest zusammenhängende Hornschicht, des von uns sog. Epony- chium die Stachelzellen in ihrer Entwickelung zurückhält. Das- selbe zieht vom Walle über den Falz des späteren Nagels und über eine Einbuchtung, nahe der Fingerspitze, hinweg, um sich an der Fingerbeere zu inseriren. Bei der starken Entwicklung der Finger- beere im 4. und 5. Monat bleibt es zwischen diesen Punkten ausge- spannt, gibt dann zuerst im vorderen Theile nach, worauf die Epi- thelien jener Bucht sich stark vermehren und blättert endlich bis gegen den späteren Nagelfalz hin ab, wodurch der eigentliche Nagel frei wird. Ein Rest des Eponychiums bleibt während des ganzen Lebens als »Deckenwulst« bestehen (s. V). IX. Die ersten Nagelzellen entstehen vor dem Nagelfalze unterhalb des Eponychiums. Mit der Locke- rung des Eponychiums schieben sich diese grossen, hellen Zellen in dünner Schicht zuerst nach vorne vor, dann erst produeirt auch der Falz in immer grösserer Tiefe Nagelzellen. Die am weitesten vorgeschobenen Nagelzellen verhornen zuerst, indem sie platter Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 731 werden und einen dichteren Stachelpanzer erhalten. Von hier aus rückt die Verhornung nach hinten in den Falz vor. Im 7. Monat bedeckt ein dünner eigentlicher Nagel den etwas hervorragenden Abschnitt zwischen Falz und oberer Bucht, das spätere Nagelbett, selbst noch bedeckt vom Eponychium. X. Der Abschnitt, welcher dem Nagelbett ent- spricht, zeichnet sich während des Embryonallebens der Fingerbeere und dem Falze gegenüber durch den Mangelstarker Veränderungen aus. Er besteht aus strafferem Bindegewebe als Fingerbeere und Nagelwall und besitzt nach dem Epithel zu eine homogene Grenzmembran, welche erst mit der Lockerung des Eponychiums von vorne nach hinten wieder schwindet. Das Epithel desselben schickt weder Kolben in die Tiefe wie an der Fingerbeere, noch trägt es zur Bildung des darüber fortgeschobenen Nagels bei. XI. Nach Abblätterung des Eponychiums reicht der darunter gebildete Nagel soweit wie dieses, um- greift also noch einen kleinen Theil der Fingerkuppe. Er ist über das hochgeschichtete Epithel der oberen Bucht fortge- krochen, welches stets durch zwei zusammenhängende, besonders gestaltete Fpithelzapfen gekennzeichnet ist. Dieses Epithel reisst in der mittleren Hornschicht ein, worauf der noch sehr dünne Nagel sich mit dem oberen Theil der Hornschicht frei erhebt und allmählich durch festeren Nachwuchs aus dem Falze in vollständiger Continuität ersetzt wird. XII. Nach der Geburt erhält das bisdahin unproduc- tive Nagelbett sehr schräg liegende Papillen, also noch keine Blätter oder Leisten (Fig. 28). Die Epithelzapfen, welche diesen Papillen entsprechen, werden nach hinten zu.bedeutend kleiner, lassen sich unter der Nagelmatrix im Falze kaum mehr einzeln erkennen und machen erst unter dem hintersten Falztheile wieder 3—4 mächtigen Epithelzapfen Platz, welche die Durchschnitte von ebensoviel huf- eisenförmig am Nagelrand entlang laufenden Epithelwällen dar- stellen. Mit dieser letzteren papillaren Entwicklung, die zu sehr verschiedenen Zeiten eintreten kann, (8. Monat bis mehrere Monat nach der Geburt,) scheint das Herabrücken der Nagelmatrix in den hintersten Theil des Falzes zusammen zu hängen. Die hier ‘gegebene Darstellung unterscheidet sich von der Köllikers grundsätzlich darin, dass sie als primitiven Nagel ein 732 P. Unna: ganz besonderes Horngebilde aufstellt und den späteren Nagel nicht wie Kölliker an Ort und Stelle auf dem Nagelbette entstehen und wiederholt in toto abwerfen, sondern von hinten her sich vor- schieben und stets in Continuität von dort aus sich ersetzen lässt. Anhang. Bald nach dem vollständigen Abschluss der vorliegenden Arbeit erhielt ich von zwei Untersuchungen Kenntniss, welche einige der besprochenen Fragen ebenfalls berühren. Es waren 1) J. Feiertag: Ueber die Bildung der Haare; Inaug.-Diss., Dorpat; 2)H.Heynold: Beitrag zur Histologie und Genese des Nagels, Virchows Archiv, Bd. 65. Einige Be- merkungen über dieselben mögen schliesslich hier noch Platz finden. Feiertag versucht, die sich widerstreitenden Angaben der Autoren über die erste Haaranlage, nämlich die Ansicht Köllikers einerseits, welcher solide, in die Tiefe dringende Epithelzapfen den ersten Anstoss zur Haarbildung geben lässt und die Reissners und Götte’s andrerseits, welche circumscripte Zellenwucherungen der Cutis in Gestalt kleiner Höckerchen als das Primäre betrachten, dahin zu vermitteln, dass die letztere Anschauung allerdings für die allerersten Haarkeime der Schnauze und Augengegend (beim Schaaf und Schwein) richtig sei, dass aber an den späteren Haar- keimen dieser Gegenden sowie an allen Haarkeimen der übrigen Regionen keine Erhebung der Cutis dem Eindringen der Epithel- zapfen vorausgehe. Diese Angabe kann ich für Kaninchenem- bryonen vollständig bestätigen, muss aber mit den letztgenannten Autoren doch einen Hauptwerth auf die eircumscripte Zellenhäufung legen, welche ich bei der embryonalen Haarentstehung durchweg den Epithelzapfen vorausgehen sehe im Unterschiede zum Erwachsenen, bei welchem die von der äusseren Scheide ausgehenden Epithel- zapfen erst nachträglich eine solche Zellensammlung in der cutis hervorrufen. Dass diese Zellanhäufungen die noch sehr dünne Epi- dermis zu einem Höckerchen emporheben, die derber gewordene nicht mehr, scheint mir dabei von geringerer Bedeutung und des- Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 733 halb die Eintheilung der Haaranlagen in solche, welche auf Höcker- chen und solche, welche nicht auf Höckerchen entstehen, mehr äusserlicher Natur zu sein. — Feiertag sagt vom embryonalen Haar: »Die innere Haarscheide erstreckt sich nur bis zur Einmün- dung der Talgdrüsen, sobald jene gebildet worden sind; fehlen die- selben noch, so verliert sich die Scheide allmählich in die Zellen des stratum corneum der Oberhaut.« Gegen diesen Satz muss ich ent- schieden opponiren. Erstlich sind die Zellen der inneren Haarscheide im primitiven Haarkegel stets aufs Genaueste von der Oberhaut getrennt; weiter wächst die innere Scheide regelmässig über die Anlage der Talgdrüse hinaus (s. Figg. 22 u. 23), umgibt das Haar noch, wenn es die Epidermis emporwölbt und durchbrochen hat (Fig. 21) und bröckelt erst dann von oben herunter ab und zwar aus oben erörterten Gründen nur bis an den Hals des Haarbalgs (s. Fig. 20 A), wo ja auch die Talgdrüsen münden. — Da sich der Verf. in Bezug auf den Haarwechsel der Stieda’schen Anschauung anschliesst, so kann ich mich auf das früher Gesagte beschränken; hinweisen möchte ich nur darauf, dass es auch bei Feiertag durch- aus nicht klar hervortritt, ob er die Atrophie der Papille in der- selben Weise wie beim Thiere und als das erste Zeichen des Haar- wechsels beobachtet hat. — Heynold findetin Uebereinstimmung mit mir, dass mit der Hornschicht auch die Körnerschicht sich von der Oberhaut des Fingerrückens in die Decke des Nagelfalzes umschlägt und ebenso von der volaren Seite des Fingers sich zwischen Finger- beere und freien Nagelrand einschiebt, während sie am Boden des Falzes und am Nagelbett vollständig fehlt. Er sieht auch, »soweit die Lunula reicht, ein allmähliches Uebergehen von rete in Nagel- substanz und einen sehr innigen Zusammenhang beider«, mithin hier die eigentliche Nagelmatrix. Wenn er jedoch daraus, dass die eylindrischen , grossen, kerntragenden Zellen der Unterlage in un- regelmässiger, zinnenähnlicher Begrenzung in das Gefüge der eigent- lichen Nagelsubstanz eingreifen«, ableiten will, dass auch das rete des Nagelbettes wenigstens einen Theil der Nagelsubstanz liefere, so möchte ich auf Pikrocarmin-Präparate und ganz besonders auf Osmium-Präparate verweisen, welche mir durchaus die Reichert’sche Ansicht zu stützen scheinen und weiter noch darauf aufmerksam machen, dass das rete des Nagelbettes schon bald nach der Ge- burt gar nicht mehr direkt dem Nagel anliegt, sondern in einer Schicht eigener Art verhornt (Fig. 28 sl) und zwar in einer Weise, 734 P. Unna: welche von der Oberflächenverhornung ebenso sehr abweicht, wie von der Verhornung des Nagels (Nagel, S 4). Endlich darf ich nicht unerwähnt lassen, dass auch in der Arbeit von Schöbl »über die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säuge- thiere, sowie über die feinere Structur derselben« (M. Schultze’s Archiv Bd. IX, S. 197), welche ich, da sie speciell über Tasthaare und ihren nervösen Apparat handelt, leider erst nach vollständiger Beendigung meiner Untersuchung berücksichtigte, »unser Beethaar« als »Haar mit Wurzelzellkörper« beschrieben ist. Schöbl constatirt nicht nur, dass bei diesem die Corticalsubstanz des Haares eine unmittel- bare Fortsetzung des rete Malp. darstellt, er findet auch, dass zwischen ihm und dem Papillenhaare alle Uebergänge vorhanden sind, theils durch die grössere oder geringere Ausbildung einer Papille, theils durch das Höher- resp. Tiefersitzen des »Wurzelkörpers« im Haar- balge. Wenn ich ihm hierin vollkommen beistimme, kann ich jedoch seine Behauptung nicht zugeben, dass sich das strat. corneum in das Oberhäutchen dieser Haarform fortsetzt und weiter unterscheidet sich meine Auffassung von der seinen darin durchaus, dass ich diese Uebergangsform nicht als neben einander bestehend ansehe, sondern als wirkliche Entwicklungsstufen eines und desselben Haäres be- trachten muss, die nicht nur von den Tasthaaren, sondern von allen Haaren überhaupt durchlaufen werden. Mit dem neuerdings als Amyloidreagens empfohlenen Färbe- mittel Jodmethylanilin oder Jodviolett habe ich auch an der Ober- haut und dem Haare Versuche angestellt, aus welchen hervorging, dass dieses Mittel eine specifische Färbekraft sowohl für das stratum lucidum, die »basale Hornschicht« der Oberhaut wie für die innere Wurzelscheide des Haares besitzt. Man verfährt zur Darstellung dieser Zellschichten am besten so, dass man feine Schnitte in wässriger Lösung vollkommen blau- schwarz färbt, dann in Alkohol und Creosot entfärbt und in ver- harztem Terpentin einschliesst oder dieselben nach Entfärbung in gewöhnlichem Glycerin in Farrant’s Lösung aufhebt. reosot, Nelkenöl, Canadabalsam entfärben die Präparate sehr schnell, Glycerin um so rascher, je wässriger dasselbe ist. Durch einen Zusatz von Alaun zur Lösung des Jodvioletts kann man die Färbung intensiver und dauerhafter machen. Bei fortschreitender Entfärbung stark tingirter Schnitte hellt sich zuerst die Stachelschichte auf. Dann erscheint in der gleichmässig Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 735 stark gefärbten Hornschicht zunächst ein helles Band über dem strat. Jucidam. Auf dieser Entfärbungsstufe kann man daher die- jenige Schichte gut demonstriren, welche ich als superbasale be- zeichnen möchte und welche sich an den Schweissdrüsencanälen hier in Form heller Ringe oder eines hellen Thales aufwärts erstreckt. Endlich entfärbt sich auch die mittlere und oberflächliche Horn- schicht mehr und mehr, sodass zuletzt die basale Hornschicht als ein blaues Band übrig bleibt. Man constatirt nun leicht, dass die- selbe in dieser Darstellung unmittelbar über den Körnerzellen an- hebt, dass das blaue Band mithin genau dem gelben der Pikro- carmintinetion, oder dem schwarzen und darunter liegenden hellen der Osmiumfärbung entspricht. Jede Körnerzelle wandelt sich in eine blaue basale Hornzelle um, indeın zuerst um den Kern eine schmale, glänzende, gefärbte Zone auftritt, die sich dann gegen die Peripherie hin verbreitet. Jedoch bleibt in den fertigen Basalzellen noch der äusserste Randsaum und der Kern ungefärbt, welch letzterer schon in den höheren Stachelzellenreihen fast ganz erblasst. Man kann zu dieser Darstellung der basalen und superbasalen Hornschicht Schnitte aus ganz frischer Haut ebensogut benutzen, wie solche aus Alkohol- und Chromsäurepräparaten, immer voraus- gesetzt, dass dieselben recht dünn sind. Im Anschluss daran mag noch erwähnt werden, dass feine Schnitte aus frischer Haut, welche man auf kurze Zeit in sehr verdünnte Ueberosmiumsäure legt, ehe die Hornschicht sich ganz schwarz färbt, ebenfalls schon das schwarze basale Band besonders hervortreten lassen, — wohl die einfachste Widerlegung der Ansichten von Langerhans undRanvier bezüg- lich der Entstehung dieses Bandes. Das Jodviolet ist weiter ein vorzügliches Mittel zur Demon- stration der innern Wurzelscheide, ihrer oberen und seitlichen Grenze und ihrer Entstehung aus den körnigen Mutterzellen. Bei fort- schreitender Entfärbung stark tingirter Haarschnitte bleibt sie zu- letzt als ein tief blaues Band allein gefärbt übrig. Alle ihre homo- genen Elemente, welche durch Carmin und Haematoxylin gar nicht gefärbt werden, nehmen diese blaue Farbe an und halten dieselbe um so fester, je weiter der Verhornungsprozess in ihnen fortge- schritten ist. Demgemäss bleibt der Henle’sche Zellencylinder noch in grösserer Tiefe blau gefärbt als der Huxley’sche und die körnigen Mutterzellen beider entfärben sich sehr leicht wieder. Hat man zu dieser Tinktion Schnitte verwandt, welche schon in Pikrocarmin ge- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 12. 48 736 P. Unna: färbt waren und gebraucht man die Vorsicht, die Pikrinsäure durch Wasser und Alkohol vorher möglichst zu entfernen, so gelangt man bei fortsgesetzter Entfärbung des Jodvioletts zu Bildern, in denen die rothkörnigen Mutterzellen der inneren Scheide direkt übergehen in die homogenen blauen Schollen der Scheide selbst. Letztere stossen wie die Zellen der basalen Hornschicht mit farblosen Rändern an einander. An dem Beethaare halten die Uebergangszellen zwischen Haarbeet und Haarschaft am längsten die blaue Farbe zurück. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI u. XXX. Fig. 1. Vebergangsschichten zwischen rete und stratum cor- neum nach Osmiumbehandlung. Starke Vergrösserung. sm. (ssb.) Mittlere Hornschicht (strat. med.), dessen unterste Zellreihen als superbasale Schicht (strat. superbasale) unter- schieden werden. sb. Basale Hornschicht (strat. basale). h. Helle Schicht. k. Körnerschicht, 60. Uebergangszone. Fig. 2. Uebergangsschichten der Epidermis und Durchtritt des Schweissdrüsencanals durch dieselben nach Osmium- behandlung. Schwache Vergrösserung. | sm. (ssb), sb, h, k s. Fig. 1. b. Buckel der basalen Hornschicht in die mittlere hinein und innerhalb des entstehenden Halbrings ein Centrum: c. von hellen Hornzellen. g1- Q>- | Querschnitte des Schweissdrüsencanals. gs. Fig. 3. Schema zur Erläuterung der mechanischen Formver- änderungen innerhalb der Zellen des rete. A und B deuten die beiden Hauptzellformen an, wie sie vonder Cylinderzellenlage herstammen. Fig. 4 Schema zur Erläuterung des Durchtritts vom Schweiss- drüsencanal durch die Schichten der Epidermis. Die mit den Ziffern 1—7 bezeichneten Linien deuten die Höhen innerhalb der Epidermisschichten an, in welchen die Querschnitte des Canals in den Figg. 2, 5, 6 liegen. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 737 Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Unterer Theil der Hornschicht, Uebergangsschicht und obererTheil des rete mit4 Querschnitten eines Schweiss- drüsencanals nach Pikrocarminfärbung. Schwache Ver- grösserung. r. rete-Zellen. k. Körnerzellen. sb. strat. basale ssb. strat. superbasale | der Hornschicht. sm. strat. medium ssb‘. Fortsetzung des strat. superbasale am Canal entlang. Q “ | Querschnitte des Schweissdrüsencanals. Br Unterster Theil eines zwischen zweiPapilleneindringen- den Kolbens von Retezellen mit drei Querschnitten eines Schweissdrüsencanals nach Pikrocarminfärbung. Starke Vergrösserung. r. rete-Zellen. ey. Cylinderzellen, der (fortgelassenen) rechts liegenden Papille aufsitzend. sp. spindelförmige Zellen, welche den Canal im untersten rete-Abschnitt umgeben. Qı.- Querschnitte des Schweissdrüsencanals. Q, deutet Q.. | auf eine Körnerzelle, die nach dem Lumen zu einen hellen Q;. ’ Saum trägt. Ein altes Barthaar. Schwache Vergrösserung. st. Stachelschicht k. Körnerschicht h. Hornschicht der Epidermis, sich in den Trichter des Haarbalgs einsenkend. 18. Innere Scheide. as. Aeussere Scheide. mk. Mark. Ti: Rinde. ca. Cuticula. m, m, „Rother Mantel“. h, h, Henlesche Scheide. p- Papille. eb. Einschnürungsstelle des Balges. Ein altes Kopfhaar. m, m, „Rother Mantel“. h. Henlesche Scheide. hm. Gewulstete homogene Membran. 738 P: Unna: w. Wälle aus zusammengeschobener homogener Membran, in die äussere Scheide hinein vorspringend. Fig. 9. Ein Stück des Balges und der äusseren Scheide eines alten Kopfhaares. z. Zähnchen der homogenen Membran nach innen. rm. rothkörniges Material zwischen den Falten der homogenen Membran. rb. röthliches äusseres Band hb. helles inneres Band Fig. 10. Altes Barthaar bei starker Vergrösserung. der homogenen Membran. p- Papille. mk. Mark. T. Rinde. mch. Mutterzellen ler Haarcuticula. mew. Mutterzellen der Wurzelscheideneuticula. r rothe Mutterzelle der Henle’schen Scheide. m. „rother Mantel“, h Henle’sche Scheide. „neutrale“ Zelllage. ch. Haarcuticula. ew. Wurzelscheidencuticula. Fig. 11. Vebergang der beiden Oberhäutchenin ihre Mutter- zellen. ch. Haarcuticula. ew. Wurzelscheideneuticula. is. Innere Scheide. pt. Pigment zwischen den Haarzellen. hz. Haarzellen. Fig. 12. Die Matrices der Haarzellen, der Oberhäutchen und der inneren Wurzelscheide. Stück aus dem Papillar- theil eines jungen ausgebildeten Kopfhaares. Region I. Mutterboden der inneren Scheide. % 1I. Mutterboden der Oberhäutchen. ‚ II. Mutterboden der Haarzellen. P. Papille. h. Haarzellen. hm. Matrix der Haarzellen. ch. Haareuticula. cu. Wurzelsch. cutiula. hu. Huxleys Scheide. he. Henles Scheide. im. Matrix der ganzen inneren Wurzelscheide. st. Stachelzellen. b. Balg. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 739 Fig. 13. Cilien. Junge Cilie, seitlich an einer alten hervor- wachsend. Fig. 14. Vibrisse im ersten Stadium der Ablösung von der Papille. st. Stachelschicht. k. Körnerschicht. h. Hornschicht. cy. Cylinderzellen der mittleren Haarregion, des späteren „Haar- beetes‘. cy, Cylinderzellen des unteren Balgtheils. n. neutrale Zelllage. e. Einsehnürung an Stelle der Taledrüsen. kn. knospenartige Hervortreibung der äusseren Scheide. zis. einzelne Zellen der inneren Scheide in Ablösung begriffen. hm. verdickte homogene Membran. eis. unteres Ende der abgelösten inneren Wurzelscheide. Fig. 15. Stück eines Haarbeetes bei starker Vergrösserung. ey. Cylinderzellen. st. Stachelzellen. bz. bräunliche Zone. hz. Haarzellen. is. Unteres Ende der inneren Wurzelscheide, spornartig verlängert. hbz. Diejenigen Zellen des Haarbeetes, welche das Ende der inneren Scheide umdrängend, zu oberst in das Haar hineinstrahlen. Fig. 16. Cilien. Altes Beethaar, welches in den zusammenge- fallenen, unteren Balgtheil einen neuen Fortsatz hinein- schickt. kch. Haarkelch. z. neuer Zellstrang. p- neue Papille. Fig. 17. Cilien. Oben Beethaar, unten junges Papillenhaar. hb. Haarbeet. n. neutrale Zelllage. hm. homogene Membran. iw. innere Wurzelscheide. iw, deren Mutterzellen. p- Pigment. cc. Die beiden Oberhäutchen vor ihrer Differenzirung. Fig. 18 u. 19. Haare aus einer Ovariencyste in verschiedenen Stadien der Ablösung von der Papille. z. Zellstrang aus den Mutterzellen des Haars zwischen dem ab- gelösten Haarknopf und der Papille. kn. Haarknopf. st. stark gefärbte Stachelzellen der mittleren Region. 740 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 20. 2% 22. 24. 25. P. Unna: st, aufgehellte Stachelzellen der unteren Region. hm. stark verdickte homogene Membran. p. Papille. Lippenhaare eines 6!,monatlichen Fötus. A. Papillenhaar. wst. Wulst. st. aufgehellte Stachelzellen des unteren Balgtheiles. B. Beethaar. hb. Haarbeet. Rückenhaar eines 6'!/,monatlichen Fötus- wst. Wulst. Haaranlage aus den Augenbrauen eines l4wöchentlichen Fötus. pr. primitiver Haarkegel. oa. vergängliche oberste Ausbuchtung. ta. mittlere Hervorbuchtung, Anlage der Talgdrüse. wst. unterste Aussackung, Anlage des Wulstes. . Haaranlage aus den Augenbrauen eines l4wöchentlichen Fötus (etwas älter als Fig. 22.) ta. Talgdrüse. wst. Wulst. Kopfhaar vom Smonatlichen Fötus. zw. zwiebelförmiges Ende des abgelösten Haares. m. Cuticula. n. neutrale Zelllage is. innere Scheide. st. aufgehellte Stachelzellen des unteren Balgtheiles. wst. Wulst, das aufsteigende Haar als Haarbeet aufnehmend. Kopfhaar vom Neugeborenen. kch. Haarkelch. p- neue Papille. nf. neuer, in den alten und unteren Balgtheil eindringender Zell- fortsatz. hb. Haarbeet. . Längsschnitt des Fingernagels eines Neugeborenen nach st. »Stachelschicht« k. »Körnerschicht« | der Epidermis. h. Hornschicht nb. Matrix des Nagels. ns. Nagelbett. wu. »Deckenwulst«. bb. zwei Epithelkolben unterhalb der embryonalen »oberen Bucht«. b. Rest der embryonalen »oberen Bucht«. Histologie und Entwickelungsgeschichte der menschlichen Oberhaut. 741 Fig. 27. Längsschnitt eines Nagels bei starker Vergrösserung Fig. 28. aus dem hinteren Theile des Falzes. Pikrocarmin- färbung. st. Stachelschicht. k. Körnerschicht. h. Hornschicht. n. Nagelzellenschicht. ue. Uebergangsschicht. w. Epithelwärzchen der Nagelmatrix. Längsschnitt einesZehennagels von einem dreiwöchent- lichen Kinde bei Osmiumbehandlung. st. hf. slec. Stachelschicht. Hornschicht der Decke des Falzes. Nagel. Nagelmatrix. Papillen des Nagelbettes. Papillen im hintersten Theile des Falzes. s. Fig. 26. eigenthümliche, aus glashellen Schollen bestehende Schicht zwischen Nagel und Nagelbett an der Stelle des späteren sog. strat. corneum des Nagelbettes. (Ist in der Lithographie nicht gehörig zum Abdruck gelangt.) dieselbe zwischen Nagel und Hornschicht. Die Nerven-Endigung in der Retina. Von W. Krause, Professor in Göttingen. (Hierzu Tafel XXXIII und ein Holzschnitt.) Die Retina verschiedener Wirbelthierclassen ist derart in ihrer morphologischen Erscheinungsweise verschieden, dass die Hoffnung nicht fern liegt, man werde eines Tages beinahe die Species aus einem Retina-Präparat diagnostieiren können. Um so interessanter würde es sein, wenn man den Bau der Retina in phylogenetischer Hinsicht verfolgen und an diesem mikroskopischen Sinnesapparate, der wie kaum ein anderer mit der ganzen Körperbeschaffenheit und Lebensweise des betreffenden- Thieres in Zusammenhang steht, die allmählige Entwicklung der zusammengesetzteren aus den einfacheren Formen nachzuweisen vermöchte. Um diesen Weg mit Erfolg be- schreiten zu können, scheint das empirische Beobachtungsmaterial, wie es bisher vorliegt, noch nicht ganz ausreichend : einzelne Lücken ausfüllen — die Retina-Structur möglichst continuirlich durch die Wirbelthierreihe verfolgen zu helfen — ist der Zweck dieser Zeilen. Die in meinem Handbuche !) benutzte Eintheilung der Retinaschichten wird hier vorangestellt: 1) W. Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876. 8. 153. Im Texte wird dies Buch einfach als (Allg. Anat.) hier eitirt. Die Nerven-Endigung in der Retina. 743 Pigmentschicht. Epitheliale Schicht. Nervöse Schicht: Membrana fenestrata. Körnerschicht. Granulirte Schicht. Ganglienzellenschicht. Opticusfaserschicht. Membrana limitans. Die epitheliale Schicht setzt sich aus den Stäbchenzellen (Lichtzellen) und Zapfenzellen (Farbenzellen) zusammen. Jede Stäb- chenzelle besteht ausStäbchen, Stäbchenkorn, Stäbchenfaser, Stäbchen- kegel; jede Zapfenzelle in vollkommener Homologie aus Zapfen, Zapfenkorn, Zapfenfaser und Zapfenkegel. Stäbchen und Zapfenkörner zusammen wurden bisher gewöhnlich als äussere Körner bezeichnet. Gegen die nervöse Schicht wird die epitheliale durch die Mem- brana fenestrata abgegrenzt. Letztere ist genetisch das zu Tage tretende Bindegewebe (Neuroglia) der nervösen Schicht; und mit den Neurogliazellen jener gefensterten Membran stehen die Stäbchen- zellen und Zapfenzellen in Zusammenhang. Die epitheliale Schicht repräsentirt das Epithel der primären Augenblase des Embryo, ist daher der Epithelialbekleidung des Cen- tralkanals im Rückenmark homolog. Wie die Zellen des letzteren Epithels hängen ihre Protoplasmafüsse (Zapfenkegel, Stäbchenkegel) mit bindegewebigen Elementen: den radialen Stützfasern in der Retina, den Bindegewebszellen der Neuroglia in der Substantia ge- latinosa centralis des Rückeumarks zusammen. Im Gegensatz zur epithelialen wird die nervöse Schicht der Retina von Blutgefässen durchzogen. Freilich nicht bei allen Thieren. Bei einigen Säugern (Hase, Kaninchen) sind sie aus- schliesslich längs der doppeltcontourirten Opticusbündel vorhanden: beim Pferd umgibt ein schmaler Gefässkranz die Eintrittsstelle des Sehnerven. Den übrigen Wirbelthieren (Vögeln, Amphibien, Fischen) fehlen sie. Dass die Blutgefässe der Retina gleichwohl ein sehr altes phylogenetisches Erbstück sind, zeigt der Aal!), dessen Retinalgefässe sich an diejenigen einiger Chelonier?) anschliessen. Dies scheinbar 1) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 28. | 2) Hulke (Royal London Opth. Hosp. Reports. 1864. Vol.IV, 3, p. 248) konnte entgegen der Angabe H. Müller’s in der Retina von Chelonia mydas keine Blutgefässe finden. 744 W. Krause: auffallende Vorkommen erklärt sich aus der Entwicklungsgeschichte. Die A. centralis retinae liegt jederzeit ausserhalb der primären Augen- blase; dass sie in den Sehnerv beim Menschen etc. eingeschlossen wird, erklärt sich aus rinnenförmiger Umschliessung Seitens des letzteren. Denn auf hufeisenförmigem Querschnitt zeigt derselbe be- kanntlich eine Strecke weit den aus seiner embryonalen Einstülpung herrührenden Bindegewebsstrang, der die A. und N. centralis umgibt. Ursprünglich dürfte die letztgenannte Arterie gar nicht der Retina angehören, die primäre Augenblase vielmehr von Blutgefässen ver- sorgt werden, die sie als Ausstülpung des embryonalen Centralkanals vom Gehirn her mitbringt und die in der Vagina interna oder Pial- scheide des Sehnervenstammes verlaufen. Bekanntlich anastomosiren letztere neben der Lamina cribrosa scelerae mit den Retinalgefässen des Erwachsenen. Diese aber scheinen sich aus Anastomosen zu entwickeln, die von den ursprünglichen Retinalgefässen mit der A. centralis retinae an ihrem Uebertritt (A. hyaloidea) in den Glas- körper eingegangen werden, nach Obliteration der A. hyaloidea natür- licherweise an Kaliber wachsen und auf diese Art als Theilungsäste erster Ordnung der A. (und V.) centralis später erscheinen. Ver- muthlich hat der Aal gar keine A. centralis: seine Retinal-Gefässe, die sämmtlich capillarer Natur zu sein scheinen, stammen aus der Pialscheide und daraus folgt weiter, dass man bei den Wirbelthieren unterhalb der Säuger ein embryonales Stadium aufzufinden erwarten darf, in welchem die Retina z. B. des Hühnchens Blutgefässe führt. Bei den Säugern bleiben sie erhalten (wegen der erwähnten Anasto- mosen), bei den anderen Wirbelthieren tritt Obliteration ein — etwa in Folge des Wachsthums des Auges nach vorn (resp. lateralwärts) und synchronischer Dehnung des Sehnervenstammes in die Länge. Trotz der Lücken, welche hier durch Beobachtung zu füllen bleiben, leuchtet doch so viel ein, dass kein Grund vorliegt, die Bindegewebszellen der Retina grösstentheils vom Ectoderm abzuleiten, wie W. Müller!) offenbar des vorausgesetzten und gleich zu erörternden Bindegewebes in der Stäbchen- und Zapfenkörnerschicht zu Liebe gethan hat. Jene Zellen können ebenso wohl von den Blutgefässen mitgebracht sein und vom Mesoderm abstammen, wie alle übrigen Inoblasten >). 1) Ueber die Stammesentwicklung des Sehorgans. 1875. p. LIII. 2) So habe ich die eigentlichen Bindegewebszellen genannt, die ge- Die Nerven-Endigung in der Retina. 745 In jeder Hinsicht gleichen sich ihrer Anordnung nach die Epi- thelzellen der Regio olfactoria und diejenigen des Retina-Epithels. Bei beiden und wahrscheinlich in allen Sinnesepithelien sind stets zwei Arten von Zellen gemischt und alterniren regelmässig. Nicht in dem Sinne, dass diejenigen der dickeren Art Stützzellen, die der feineren Ganglienzellen wären. Gegenüber der Vergleichung von Retina und Regio olfactoria kann Niemand mehr auf die Idee kommen: die Zapfenzellen wären etwa Stützzellen und den Cylinderzellen der Regio olfactoria zu parallelisiren. In Wahrheit sind die Retina- Epithelien beiderlei Art mit bindegewebigen Elementen in Zusammen- hang (s. oben S. 744) und die Zapfenzellen den Cylinderzellen der Regio olfactoria, die Stäbchenzellen der Retina aber den gleichbe- nannten (Allg. Anat. S. 177) Stäbchenzellen oder den gewöhnlich sog. Riechzellen zu parallelisiren. Letztere stehen in keiner Con- tinuität mit Olfactoriusfasern, sind nicht nervös und offenbar ist diese Meinung überhaupt nur den Varicositäten entsprungen, welche die Stäbchenfasern wie die entsprechenden centralen Fortsetzungen der Stäbchenzellen (sog. Riechzellen) der Regio olfactoria zu zeigen pflegen. Aber die einfachsten Grundsätze der Naturforschung lehren doch, dass man die Continuität irgend eines Gebildes mit Nerven- fasern nicht behaupten kann, ohne den Zusammenhang wirklich ge- sehen zu haben. Und in Wahrheit gehen die Fortsetzungen der Stäbchenzellen an der Regio olfactoria keineswegs in Nervenfasern über, sondern in kleine Riechkegel (Allg. Anat. 8. 537): genau wie die Stäbchenfasern der Retina in Stäbchenkegel. Verfolgen wir die Uebereinstimmung des Retinal- und Riech- Epithels weiter, so stossen wir in beiden Sinnesorganen auf eine Membrana reticularis (retinae, resp. olfactoria). Die. erstere ist als Membrana limitans externa bekannt, die letztere von mir als Membrana reticularis olfactoria (Membrana limitans olfactoria, von Brunn!) bezeichnet. Die eine verhält sich wiederum genau wie die andere. In der Retina umgürtet sie die Ansätze der Zapfen resp. Stäbchen; die letzteren sind aber wie gesagt den Cilien der Epithelien wöhnlich als Ranvier’sche Zellen bezeichnet werden. Schon früher habe ich nachgewiesen (Deutsche Klinik 1870, Nr. 20), dass sie ihrer Form nach von Henle (Jahresbericht f. 1852, S. 24) als einzelnes Vorkommniss und von Billroth (Beiträge zur pathologischen Histologie. 1858. S. 16. Taf. I. Fig. 4) als Regel richtig erkannt worden sind. 1) Arch. f. mikrosk. Anat. 1875. Bd. XI, S. 468. 746 W. Krause: des Centralkanals homolog. Ebenso umfasst die Membrana reticularis olfactoria netzförmig die Basis der Cylinderzellen des Riech-Epithels und die letzteren sind an ihrer freien Oberfläche bei den Vögeln und niederen Wirbelthieren mit feinen Haaren besetzt, welche wenigstens beim Frosch (Allg. Anat. S. 179) sämmtlich flimmern. Die Ueber- einstimmung erscheint mithin vollständig und beide Membranae re- ticulares sind nichts weiter als Cuticularbildungen, was von der Membrana reticularis retinae (limitans externa) schon früher!) nach- gewiesen wurde, und in gleicher Weise für die Menıbrana reticularis cochleae (Allg. Anat. S. 133, 165, 166) gilt. Schwalbe?) hat die epitheliale Schicht der Retina (musivische Schichten, Henle, 1865) als solche richtig erkannt und W. Müller (l. ce.) sich dieser Auffassung angeschlossen. Beiden Autoren wurde das reine Bild noch dadurch getrübt, dass sie sich nicht von der seit beinahe 20 Jahren hergebrachten Ansicht losmachen konnten: die Membrana reticularis stehe mit den radialen Stützfasern der nervösen Schicht in Continuität. Freilich entwickeln sich die radialen Stützfasern zwischen den gangliösen Elementen der nervösen Schicht; es kann auch sein, dass sie (im Gehirn wie) in der Retina vom Eetoderm und nicht, wie oben vermuthet wurde, vom Mesoderm ab- stammen, weshalb sie W. Müller (. c.) als Fulerumzellen unter- schied. Dies angenommen, liegt jedoch nicht die geringste Nöthi- gung vor, solche bindegewebige Fulerumzellen auch zwischen den Epithelialzellen der epithelialen Schicht vorauszusetzen, wenn sich zeigen lässt, dass die empirischen Beobachtungen anderweitig zu deuten sind und die Homologie das Gegentheil fordert. Früher lag die Sache anders. Als erkannt worden war, dass in der (inneren) Körnerschicht zwei Arten von Radialfasern (binde- gewebige und nervöse) enthalten sind, war es naheliegend, dasselbe Verhältniss auch für die Stäbchen- und Zapfenkörnerschicht zu ver- muthen. Heute wissen wir, wie die Aehnlichkeit als eine nur schein- bare sich herausgestellt hat und die inneren Körner eine ganz andere Bedeutung haben als die äusseren. Erstere hält man für bipolare Ganglienzellen; letztere sind die Kerne der Retina-Epithelialzellen. Nicht besser als mit dieser vermeintlichen Homologie steht es mit den thatsächlichen Beobachtungen, auf die letztere gestützt - werden sollte. Man findet vereinzelte Abbildungen von Fasernetzen, 1) W. Krause, Archiv f. mikrosk. Anat. 1875. Bd. XI, S. 225. 2) Graefe und Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. Die Nerven-Endigung in der Retina. 747 die zwischen Membrana reticularis (limitans externa) und fenestrata die Stäbchen-Zapfenkörnerschicht durchziehen. So z.B. vom Huhne bei M. Schultze!), von Landolt?) beim Frosch. Schon früher habe ich?) gezeigt, dass es sich einfach um Stäbchen- resp. Zapfen- fasern handelt, deren zugehörige Körner (Stäbchen- resp. Zapfen- körner) durch die Darstellungsmethode verloren gegangen waren. Sobald die Retina etwas spröde geworden, springen die genannten Körner leicht aus ihrer Lage, schwimmen in grosser Anzahl frei und wenn man den Hergang nicht kennt, so ähnelt das übrigbleibende Filzwerk vollkommen einem bindegewebigen Gerüste. Es sollen also durchaus nicht die Beobachtungen selbst, noch weniger die Abbil- dungen angezweifelt werden, sondern nur die denselben gegebene Deutung. Früher freilich schien letztere unentbehrlich: man konnte doch die Membrana reticularis (limitans externa) nicht gleichsam frei in der Luft schweben lassen. Seitdem sie als Cuticularbildung des Retina-Epithels erkannt worden ist, liegt kein Grund mehr vor, ihren Zusammenhang mit der nervösen Retinaschicht zu postuliren. Membrana fenestrata. Das Bindegewebe (Neuroglia) der Retina schliesst also chorioi- dealwärts mit der Membrana fenestrata ab. Gewöhnlich wird die- selbe noch heute für eine feinkörnige Masse (Zwischenkörnerschicht) oder ein dichtes Flechtwerk von Nervenfibrillen und Bindegewebs- fasern gehalten. In der That ist sie weder das Eine noch das Andere. Wer die Membrana fenestrata nur auf den gewöhnlichen Durch- schnitts-Ansichten der Retina gesehen hat, wird freilich nicht so leicht zu einer richtigen Vorstellung über dieselbekommen. Flächen- schnitte sind anzufertigen. Diese zeigen weder eine feinkörnige Punktmasse, noch jenes engmaschige Filzwerk, welches die gewöhn- liche Ansicht erwarten liess, sondern ein Netz multipolarer anasto- mosirender Zellen. Weil letztere Lücken zwischen sich lassen, ist eben der Name „Membrana fenestrata“ gewählt worden. Je nach der Thierclasse und Darstellungsmethode isoliren sich die Zellen 1) Arch. f. mikroskop. Anat. 1866. Bd. II, 8. 175, Taf. XI, Fig. 13. 2) Daselbst, 1870, Bd. VII, S. 81, Taf. IX, Fig. 2. 3) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868, 748 W. Krause: leichter von einander, zeigen längere Ausläufer, wie sie Rivolta®), Golgi und Manfredi?) vom Pferde beschreiben und Schwalbe?°) von demselben Thiere abgebildet hat, oder die Zellen sind mehr zusammengeklebt (s. unten). Die Thatsache selbst aber: dass die sog. Zwischenkörnerschicht aus multipolaren Zellen besteht, ist ausser von den genannten Autoren beim Hecht auch durch Schwalbe (1. e. S. 395. Fig. 30) bestätigt worden. Rivolta hielt die Zellen irrthümlich für Ganglienzellen, was Golgi und Manfredi wider- legen. Schräge Flächendurchschnitte der mit Reagentien behandelten und in Kältemischungen erstarrten Netzhäute zeigen selbstver- ständlich ausser der Membrana fenestrata auch die Membrana reti- cularis (limitans externa) und die Membrana limitans (interna s. Hyaloidea) ebenfalls in Flächenansicht. Sie sind aber leicht zu unter- scheiden. Die Reticularis bietet ein engmaschiges und ganz regelmässiges Netzwerk sehr feiner Fasern. Dagegen gleicht die Membrana limi- tans einem Mosaik polygonaler Zellen, was vom trompetenförmigen Ansatz der radialen Stützfasern an diese Membran abhängt. Die gefensterte Membran endlich unterscheidet sich vermöge der unregel- mässigen Form sowohl ihrer Zellen als der Lücken, die zwischen letzteren bleiben, auf’s Deutlichste von den beiden genannten. Dies gilt nicht nur vom Huhne (Fig. 7), sondern in ähnlicher Weise findet man die charakteristischen Differenzen auch bei Säugethieren und speciell beim Menschen wieder. Es kommt nicht nur auf die Thierart, sondern auch auf die Darstellungsmethode an, wenn es sich um die Erscheinungsweise dieser Zellen der Membrana fenestrata handelt. Reine Durch- schnittsansichten sind wie erwähnt am wenigsten geeignet. Etwas schräg gefallene Schnitte zeigen bei stärkeren Vergrösserungen mit- unter ein deutliches Flechtwerk (Fig. 10): es sind Kanten-Ansichten platter anastomosirender Zellen. Macht man feine Flächenschnitte der gefrorenen aber vorher gehärteten Retina, so besteht die Haupt- schwierigkeit darin, sich an dem Präparate über die Folge der Schichten zu orientiren, da man meist nur Theilstücke letzterer vor 1) Giorn. di anat. fisiol. e patol. d. anim. 1871. S. 185. 2) Acc. d. med. d. Torino. 1872. 3) Graefe und Saemisch, Handbuch d. Augenheilk. 1874. I. S. 393. Die Nerven-Endigung in der Retina. 749 sich zu haben pflegt. Hieran sind vielleicht Einige gescheitert, welche die Membrana fenestrata vergeblich gesucht haben. In dünnen Chromsäure-Lösungen macerirte Netzhäute zeigen sternförmig ana- stomosirende zarte Zellen; bei Anwendung H. Müller’scher Flüssig- keit erscheinen letztere mehr zusammengeklebt (Fig.9; vom Menschen). Ist hiernach die Natur der Membrana fenestrata als festgestellt zu erachten, so vereinfacht sich dem Gesagten zufolge die Anschauung vom Bau der Retina ausserordentlich. Nachweisbar sind folgende Punkte: 1. Die sog. Zwischenkörnerschicht besteht wesentlich aus platten Bindegewebszellen. 2. Das Bindegewebe der Retina reicht nicht in die epitheliale Schicht. 3. Alle Cranioten haben Stäbchen und Zapfen (Lichtzellen und Farbenzellen). Das Schema der Retina aber lässt sich am einfachsten so formuliren. Eine gangliöse halbe Hohlkugel trägt auswendig Epithel, das wie bei den meisten Sinnes-Epithelien aus zwei Zellen-Arten (Lichtzellen und Farbenzellen) besteht. Die nervöse Halbkugel wird auswendig von der Membrana fenestrata, inwendig von der Membrana limitans (interna) begrenzt. Die Retina hat, abgesehen vom Pigmentblatt, nur fünf Schichten: Epithel, Körner, feingranulirte Substanz mit den Protoplasma-Ausläufern der Ganglienzellen, Ganglienzellen selbst, Nervenfasern. Sehen wir nun, wie dies Schema sich durch die ganze Wirbelthierreihe verfolgen lässt. Amphioxus lanceolatus. Zwei Arten von Sehzellen: Lichtzellen oder Stäbchenzellen und Farbenzellen (Zapfenzellen) suchen wir, so weit eine Retina in der Wirbelthierreihe nachweisbar ist. Die von Hasse!) für eine Retina genommene Hautstelle des Amphioxus lanceolatus soll auch vielleicht fadenförmige Zellen (Stäbchen), die jedoch möglicherweise Kunstproducte sein konnten, neben grösseren, stark lichtbrechende Körper führenden Zellen (Zapfen?) dargeboten haben. Es ist indessen einleuchtend, dass ein 1) Gegenbaur, Morphologisches Jahrbuch. 1875. S. 295. 750 W. Krause: - — nach Art der Spinalnerven überhaupt — in Aeste (Dorsalast, Ventralast) sich spaltender Rückenmarksnerv (sog. zweiter Gehirn- nerv) unmöglich das Homologon eines N. opticus sein kann, und die fragliche Beobachtung würde für die hier auffallenden Betrach- tungen selbst dann keinen Werth haben, wenn die richtige Deutung nicht bereits von W. Müller (l. c. p. III) gegeben wäre. Amphi- oxus hat ein Vorderhirn, das durch blasenförmige Erweiterung des Vorderendes des Centralkanalssich markirt. Die Epithelialzellen, welche diese Ventrikelhöhle am vordersten Ende auskleiden, sind. nament- lich in ihren tiefern Abschnitten pigmentirt. Mittelst solcher Pig- mentirung vermag der Amphioxus Hell und Dunkel zu unterscheiden. Wir wissen, dass das Epithel der primären Augenblase demjenigen des Centralkanals homolog ist — Phylogenie und Ontogenie stimmen vollständig überein — aber Farbenzellen und Lichtzellen sind auf dieser untersten Stufe noch nicht differenzirt. Myxine glutinosa. Zweifelhafter steht die Sache bei Myxine glutinosa. In der äusser- sten chorioidealwärts gelegenen Schicht dieser Retina sah W. Müller (1. c.) Taf. XI, Fig. 4) zwei Arten von Elementen und deutete die einen, weil sie durch Carmin sich färbende Körper enthalten als Sehzellen, die zweite schlankere Form als Bindegewebszellen (Fulerumzellen), die ganze Schicht als Homologon der Stäbchenschicht. In Wahr- heit dürften jedoch die sich roth färbenden Körper Zapfenkörnern, die Kerne der schlanken sog. Fulerumzellen aber Stäbchenkörnern homolog sein. Offenbar entspricht nämlich die Begrenzung der frag- lichen Schicht nach der Chorioidea hin der Stelle der Membrana reticularis. Der freie mit Flüssigkeit gefüllte Raum zwischen jener Begrenzung und dem Pigmentblatt ist Höhle der primären Augen- blase: in diese Höhle ragen fadenförmige Ausläufer der sog. Fulerum- zellen hinein, und das ganze Bild erinnert an den Cilienwald, den die hervorsprossenden Stäbchen noch beim neugeborenen Kaninchen !) darstellen — nur dass sie bei letzterem Thier etwas dichter an ein- ander beobachtet sind. Es bietet nach dieser Deutung sich hier gleichwie bei Amphioxus ein Beispiel, wo Phylogenie und Ontogenie 1) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. Taf. I. Fig. 23, Die Nerven-Endigung in der Retina. 751 auch an mikroskopischen Formelementen: auf dem selten noch systematisch durchgearbeiteten Gebiet der Histiogenese — sich decken. Man muss also behaupten: das vorauszusetzende Stadium der Entwicklung, in welchem Licht- und Farbzellen noch nicht diffe- renzirt sind, ist bisher bei keinem mit Augen versehenen Wirbel- thier sondern nur bei Amphioxus nachgewiesen. Uebrigens würde der Mangel einer Differenzirung bei Myxine wegen der parasitären Lebensweise dieses Fisches wenig bedeuten. Seine Sehwerkzeuge könnten rückgebildet: perotisch sein (S. 776). Wo immer wir einer functionirenden Netzhaut begegnen, treffen wir auch Stäbchen und Zapfen. Das nächste Beispiel bietet: Petromyzon fluviatilis. Nach einer Angabe Leydig’s!), die aus der Zeit vor H. Müller’s Retina-Untersuchungen herstammt, d.h. aus einer Zeit, als man noch nicht einmal Chromsäure zu benutzen pflegte, ist bei Rochen und Haien nur Eine Art von Epithelialzellen in der Retina vorhanden. Leydig nannte sie Stäbchen. — Wohl im Anschluss an diese Ansicht fand H. Müller?) bei Petromyzon fluviatilis anfangs nur Zapfen; später unterschied Derselbe ?) bei Petromyzon marinus Stäb- chen und Zapfen. Auch M. Schultze *) konnte anfangs nur Stäbchen bei Petromyzon fluviatilis finden; als ich 5) aber Stäbchen und Zapfen bei diesem Thiere nachgewiesen hatte, nannte M. Schultze®) die- selben Elemente Zapfen und unterschied sie als kurzgestielte und langgestielte Zapfen. Der hier beigefügte Holzschnitt stammt aus ‚jener Zeit. Meine später nochmals wiederholte?) Angabe wurde von Langerhans®) (P. Planeri) und W. Müller (l. c. bei fluviatilis) bestätigt und seitdem ist es bewiesen, dass die Petromy- zonten sämmtlich Stäbchen und Zapfen haben. Die von Langer- 1) Beiträge z. mikroskop. Anatomie d. Rochen und Haie 1852. S. 24. 2) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 1856. Bd. VIII. S. 27. 3) Würzb. naturwiss. Zeitschr. 1862. Bd. III. Sep.-Abdr. S. 25. 4) Archiv f. mikroskop. Anat. 1866. Bd. I. 8.199. Stricker’s Handb. d. Gewebelehre 1872. S. 1009. 5) W. Krause, Gött. Nachrichten. 1868. Nro. 22. 6) Verhanäl. d. naturhist. Vereins f. Rheinl. und Westphalen. 1871. Bd. 28, 7) Prag. Vierteljahrsschr. 1872. Bd. 116. S. Waldeyer’s Jahresbe- richt d. Histologie f. 1872. 8) Untersuchungen über Petromyzon Planeri. 1873. Archiv 1. mikrosk, Anatomie. Bd, 12, 49 752 W. Krause: hans (l. c. S. 68-69) gegebene historische Darstellung ist nach dem Gesagten zu berichtigen. Linkerhand : drei Zapfen und zwei Stäbchen der Retina von Petromyzon fluviatilis, seit drei Wochen in H. Müller’scher Flüssigkeit. Senkrechter Durchschnitt. V, 600. Die Stäbchen-Innenglieder sind lang, nach der Chorioidea hin kolbig, enthalten an diesem Ende ein dunkelkörniges Ellipsoid. Die Aussenglieder sind abgebrochen. Die Zapfen-Aussenglieder sind zum Theil mit queren Spalten versehen. — In der Mitte: Stäbchen und Zapfen von Scyllium canicula. Drei Monate in H. Müller’scher Flüssigkeit. Die Aussenglieder etwas verändert. V. 450. — Rechterhand: Stäbchen und Zapfen von Cavia cobaya. Vier Wochen in H. Müller’scher Flüssigkeit. Die Stäbchen- und Zapfenkörner zeigen einen schmalen dunklen Querstreifen. V. 1000, 5 Stäbchen a Aussenglied, z Zapfen. 5b Innenglied. e Ellip- soid. me Membrana reticularis sive limitans externa. bf Stäbchenfaser, zf Zapfenfasser, bg Stäbchenkorn. zg Zapfenkorn. bk Stäbchenkegel. Was die Retinal-Epithelien selbst anlangt, so sind die Stäbchen länger, die Zapfen kürzer. In ihrer Zusammensetzung aus Aussen- und Innenglied, sowie dem constanten Vorhandensein eines ellip- soidischen Körpers !) (Ellipsoid) im Innenglied stimmen beide überein. Die Ellipsoide (empfindliche Körper, W. Müller, 1875) treten bei Petromyzon sehr auffallend hervor. Sie sind grobgranulirt und färben sich lebhaft mit Carmin. Die Abbildung (Taf. XXXIL, Fig. 1) macht eine weitere Beschreibung der Stäbchen und Zapfen wohl über- flüssig, doch ist zu bemerken, dass der Abstand zwischen Chorioidea und Stäbchen-Aussengliedern sich unter anderen Umständen grösser her- ausgestellt hat (W. Müller). Vielleicht ist Schrumpfung in ab- solutem Alkohol daran Schuld gewesen. Die Aussenglieder, auch die Stäbchen laufen chorioidealwärts nach W. Müller ein wenig conisch zu, während L’angerhans (l. c. Taf. VII, Fig. 5) sie ganz ceylindrisch zeichnet. * 1) W. Krause, Anat. Untersuchungen. 1861. Taf. II. Fig. 5 u. 6: beim Huhn. Die Nerven-Endigung in der Retina. 753 Die Reihenfolge der Retina-Schichten haben M. Schultze (P. fluviatilis) und Langerhans (P. Planeri) von der gewöhn- lichen abweichend gefunden. Ersterer unterschied: Zapfen, Stäb- chenkörner, Membrana fenestrata, Ganglienzellen, Opticusfasern, (innere) Körner, granulirte Schicht. Meinerseits erklärte ich!) die langgestielten Zapfen für Stäbchen, die Ganglienzellen für die sehr entwickelten innersten Zellen der (inneren) Körnerschicht, die Opti- eusfasern für die aus sehr deutlichen sich durchkreuzenden Fasern bestehende granulirte Schicht, die (inneren) Körner für sehr kleine Ganglienzellen, die granulirte Schicht für die sehr weichen, breiten und körnigen Opticusfasern — so dass die Reihenfolge wiederum die gewöhnliche wurde. Langerhans (l. c.) dagegen hielt mit M. Schultze die grossen an die Membrana fenestrata sich an- schliessenden Zellen für Ganglienzellen, liess auf dieselbe die (inneren) Körner, dann die Opticusfasern, und am weitesten nach innen eine dicke fein granulirte Schicht folgen, welche die eigentlichen Gang- lienzellen eingebettet enthält. — W. Müller (l. c. bei P. fluvia- tilis) unterschied ebenfalls Stäbchen und Zapfen, deren Körner, die Membrana fenestrata und erklärte die nach Langerhans von M. Schultze entdeckten Ganglienzellen für bindegewebige Elemente der (inneren) Körnerschicht (sog. tangentiale Fulcrum- zellen), liess dann die gewöhnlichen inneren Körner, die Opticus- fasern und die granulirte Schicht mit den Ganglienzellen folgen. Ich habe mich (Allg. Anat. S. 164) an W. Müller ange- schlossen und das Räthsel der Petromyzonten-Retina löst sich folgendermassen. Zunächst ist nicht zu bezweifeln, dass bei allen untersuchten Arten dieselben Verhältnisse wiederkehren. Der wesent- liche Unterschied von den übrigen Wirbelthieren besteht darin, dass die granulirte, Opticus- und Ganglienzellenschicht bei den Neun- augen sich nicht differenzirt haben: die Opticusfasern strahlen in verschiedenen Abständen von der Membrana limitans (interna) in die granulirte Schicht ein und die Ganglienzellen sind in derselben zerstreut, anstatt eine eigene Schicht zu bilden. Während hier die Differenzirung phylogenetisch betrachtet zurückgeblieben ist, zeigt sie sich dagegen höchst ausgebildet in Betreff der Elemente der (inneren) Körnerschicht. Die abweichende und, wie gezeigt wurde, unrichtige Auffassung von M. Schultze und Langerhans er- 1) Prag. Vierteljahresschr. 1872. Bd. 116. 754 W. Krause: klärt sich aus dem auffallenden Ansehen der an die Membrana fenestrata zunächst angrenzenden zelligen Bestandtheile dieser Körner- schicht. Deren Vorkommen ist bei Fischen, speciell Teleostiern, ein ganz gewöhnliches und schon von v. Vintschgau!) wurden sie irrthümlich für Ganglienzellen gehalten, was H. Müller (1856) berichtigte. Kennt man sie bei anderen Fischen, so ist die Sache nicht schwierig: ich habe (Allg. Anat. S. 164) bereits auf Scyllium canicula aufmerksam gemacht und die fragliche Zellenschicht als Membrana perforata bezeichnet, an welche ein Stratum lacunosum sich anschliesst. Man muss nämlich mindestens drei Unterabtheilungen der Körnerschicht unterscheiden. An die Stäbchen-Zapfenkörnerschicht grenzend findet man zunächst die Membrana fenestrata. Sie ist bei Petromyzon sehr undeutlich, beim Hecht dagegen aus körnigen Zellen?) zusammengesetzt, die kürzlich auch von Schwalbe?) ab- gebildet wurden. Nach dem Glaskörper hin folgt auf die Membrana fenestrata — 1. die Membrana perforata®) und 2. das stratum lacunosum). Die Membrana perforata wird von Fortsetzungen der radialen Stützfasern, die sich (beim Hecht sehr deutlich) in die Membrana fenestrata inseriren, durchbohrt, woher ihr Name. Die Zellen sind mehr cubisch von Gestalt, gross, granulirt, mit runden scharf con- tourirten Kernen und grossen Kernkörperchen (Fig. 3) versehen. Dies Alles gibt ihnen eine auffallende Aehnlichkeit mit Ganglien- zellen und erklärt es, wesshalb v. Vintschgau (1853, beim Karpfen), M. Schultze (1871, bei Petromyzon fluviatilis) und Langerhans (1873, bei P. Planeri) wie gesagt diese für die eigentliche Ganglien- zellenschicht hielten, was von mir (1872) und W. Müller (1875) widerlegt wurde. Ueber ihre muthmassliche Bedeutung s. unten (Endigung des Sehnerven). Das Stratum lacunosum ist die innere Lage der Zellen der 1) Sitzungsber. d. k. k. Akademie d. Wissensch. zu Wien. 1853. Bd.XI, S. 943. Fig. 13. 2) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 18. 3) Graefe und Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. S. 395. Fig. 30. 4) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 9. 5) W. Krause, Allg. Anatomie. $. 164. Die Nerven-Endigung in der Retina. 755 Zwischenkörnerschicht von H. Müller, oder das Stratum inter- sranulosum fenestratum von M. Schultze (bei Raja clavata. S. unten Scyllium canicula.) Das Stratum lacunosum unterscheidet sich, wie schon H. Müller (1856) von Petromyzon bekannt war, sehr auffallend von der Membrana perforata dadurch, dass seine platten Zellen tiefgelappt, mit langen faserähnlichen Ausläufern ver- sehen sind (Fig. 2). Daraus erklärt sich, wesshalb diese Schicht auf dem Retinaquerschnitt (Fig. 1) wie eine Faserschicht aussieht, sowie dass sie von M. Schultze und Langerhans (P. Planeri, S. 64) für eine Nervenfaserschicht gehalten wurde Langerhans verliess sich offenbar auf die Autorität von M. Schultze, trotz- dem er selbst einen Zusammenhang mit der wirklichen Opticusfaser- schicht nicht nachzuweisen im Stande war. Von mir wurden die Fasern früher (P. fluviatilis, 1872) als bindegewebig erkannt, aber als der granulirten Schicht homolog gedeutet. Nur Flächenschnitte der Retina geben über alle diese Ver- hältnisse sicheren Aufschluss (Fig. 2). Sie zeigen auch, dass das Stratum Jacunosum Lücken und Zellenkerne enthält. Ferner lassen schräge Schnitte die Opticusfaserschicht (Fig. 4) mit Sicherheit als solche und von den faserähnlichen Zellenausläufern des Stratum lacunosum unterscheiden. Die Kerne des letzteren (Fig. 2) sind ab- geplattet-oval, nicht kuglig wie diejenigen in der Membrana per- forata; sie liegen zwischen den Fasern, so dass die meisten der letzteren an der Chorioidealseite sich hinziehen. Die Dimensionen!) betragen bei Petromyzon fluviatilis, an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit: | Stäbchen. | Zapfen. | Länge. | Breite. | Länge. Breite. Aussenglied 0,019 0,004 0,013 0,0038 Innenglied 0,05 0,002 0,02 0,006 Ellipsoid 0,011 0,0076 0,009 0,0057 Korn 0,008 0,0045 0,005 0,0055 Die Zapfenkörner sind also etwas mehr rundlich, als die Stäbchen- körner. Eine aus dem Jahre 1868 herrührende Zeichnung wurde 1) Die Zahlenangaben beziehen sich überall auf Bruchtheile des Mil- limeters. 756 W. Krause: hier mit abgebildet (s. Holzschnitt S. 752), obgleich sie in Bezug auf die Länge des Stäbchen-Aussengliedes unvollständig ist. Die Schichtung der Petromyzonten-Retina resp. die verschiedenen An- siehten darüber soll folgende Tabelle übersichtlich machen: Deutung der Retina-Schichten von Petromyzon. M.Schultze, | W. Krause, |Langerhans, |) W. Müller, |W. Krause, 1871. 1872. 1873. 1875. 1875. Zapfen. Stäbchen und |Stäbehen und |Stäbehen und |Stäbchen und Zapfen. Zapfen. Zapfen. Zapfen. Zapfenkörner. täbchen- Stäbchen- Stäbchen- Stäbchen- Zapfenkörner. | Zapfenkörner. || Zapfenkörner. | Zapfenkörner. Membrana fe-| Membrana fe- |Membrana fe- |Membrana fe- |Membrana fe- nestrata, nestrata. nestrata. nestrata. nestrata. Ganglienzellen.| Körner. Ganxglienzellen. Opticusfasern. | Granulirte Körner. Körner. Körner. Schicht. Körner. Ganglienzellen. Granulirte Opticusfasern. || Opticusfasern. || Opticusfasern. || Opticusfasern. Schicht. Granulirte Granulirte Granulirte Schicht mit || Schicht mit || Schicht mit Ganglienzellen.| Ganglienzellen.|Ganglienzellen. Scyllium canicula. Auch hier sind Stäbchen und Zapfen vorhanden (S. den Holz- schnitt S. 752). Die Zellen der Membrana perforata sind sehr gross, mehr kuglig-abgerundet und stark granulirt. W. Müller (l. ec. p. LXI) bemerkt, dass die Zellen der letztgenannten Membran bei Selachiern überhaupt mit kurzen Ausläufern versehen seien. — Das Stratum lacunosum, sowie die Membrana perforata waren schon H. Müller!) von Rochen und Haien bekannt. M. Schultze?) be- schrieb das Stratum lacunosum von Raja clavata als Stratum inter- granulosum fenestratum. Früher habe ich?) angenommen, meine Mem- brana perforata z. B. beim Hecht sei mit diesem Stratum intergranu- losum fenestratum identisch und Schwalbe‘) ist derselben Ansicht. 1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 1851, S. 234. 1856. Bd. VIII, S. 19. Taf. I. Fig. 9—11. 2) Observat. de retin. struct. penit. 1859. Fig, 5. 3) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 9. 4) 1. c. S. 394, Die Nerven-Endigung in der Retina. 757 Die Membrana perforata liegt jedoch in Wahrheit chorioidealwärts von dem genannten Stratum. Teleostier. Seit H. Müller (l. ec.) ist die Verschiedenheit der Zellen der Membrana perforata und das Stratum lacunosum bei Acerina cernua, Cyprinus barbus und Leueiscus bekannt. Die Membrana perforata (äussere Lage der Zwischenkörnerschicht von Reich, 1. c. Fig. 4, mittlere Lage der äusseren granulirten Schicht von Schwalbe) besteht wie bei Petromyzon aus polyedrischen, dicht an einander stossenden deutlich granulirten Zellen. Das Stratum lacunosum (innerste Lage der äusseren granulirten Schicht, Schwalbe), besteht beim Hecht. nach Reich!) aus zwei Lagen a) von tiefgelappten multipolaren Zellen, b) einem Geflecht bandartiger platter Fasern. Beim Karpfen ist jedoch nur eine Lage vorhanden und ebenso scheint es sich bei anderen Cyprinoiden und auch bei Lophobranchiern zu verhalten (W. Müller ]. c.). Die Zellen sind platt, haben deutliche, ovale, ebenfalls abgeplattete Kerne und lange, feingestreifte Ausläufer, die anastomosiren. An diese Zellen schliesst sich die innerste Lage des Stratum lacunosum, aus noch mehr langgestreckten platten Zellen bestehend, deren Aus- läufer, spitzwinklig durcheinander greifend, eine Art Mattenge- flecht constituiren. Durch die Lücken aller dieser Zellenlagen ziehen sich die radialen Stützfasern und verbinden sich mit der Membrana fenestrata; doch hängen nachM. Schultze (l. cc. beiRaja clavata) auch die Zellen des Stratum lacunosum mit radialen Stützfasern zu- sammen. Erst auf das Stratum lacunosum folgt bei Knochenfischen wie bei Petromyzon die aus einer Anzahl rundlicher Zellen aufge- baute (innere) Körnerschicht. Jedenfalls sind alle diese Zellen keine Ganglienzellen, die scheinbaren Fasern keine Nervenfasern, sondern Zellenausläufer. Eine Ausnahme könnten die Zellen der Membrana perforata machen; sie unterscheiden sich von den übrigen, abge- platteten, unzweifelhaft der Neuroglia angehörenden Elementen der Membrana fenestrata und des Stratum lacunosum durch ihr körniges Protoplasma und mehr kugligen Leib. Man könnte daran denken, Endapparate des M. opticus in denselben zu sehen, die am natür- 1) Arch. f. Ophthalm. 1874. Bd. XX. S. 1. 758 W. Krause: lichsten an der Grenze zwischen Epithel und nervöser Schicht der Retina zu suchen sein werden. (S. unten, Endigung des Sehnerven.) Aehnliche Verhältnisse des Stratum lacunosum etc. wie beim Hecht oder Karpfen finden sich bei Carassius vulgaris, Leueiscus dobula, Cobitis barbatula, Osmerus eperlanus u. s. w. Gobio fluviatilis. Es sind Zapfen und zwei Arten von Stäbchen vorhanden, die sich, wie es beim Frosch durch Schwalbe!) nachgewiesen wurde, dadurch unterscheiden, dass das Innenglied der einen Art weit länger dünn und fadenförmig ist, das Aussenglied dagegen kürzer. Beide Arten von Stäbchen enthalten am chorioidealen Ende des Innen- gliedes einen ellipsoidischen resp. mehr hyperboloidischen Körper, dessen Spitze glaskörperwärts gerichtet liegt. Die Gesammtlänge ist bei jedem Stäbchen dieselbe. Die Dimensionen betragen an Präparaten aus H. Müller’scher Flüssigkeit: Stäbchen mit kurzem | Stäbchen mit langem Innengliede. Innengliede. Zapfen. | Länge) Dicke. Lande) | Dicke, | Innen Dicke. Aussenglied | 0,032 0,0021 0,061 0,0036 Innenglied | 0,028 || 0,0092 || 0,026 0,0012 Ellipsoid 0,018 || 0,009 0,0054 0,0023 Stäbehen im 0,087 | Ganzen 0,019 | 0,0036 0,067 0,001 0,0054 | 0,0018 0,086 Proteus anguinus. In phylogenetischer Hinsicht sowohl als wegen der Lehre von den Farbenempfindungen erschien die Untersuchung der Retina beim Proteus von Wichtigkeit. Unter den Vertretern der blinden Höhlen- fauna repräsentirt dieses wirkliche, mit Kiemen und Lungen ausge- stattete Amphibium wohl die höchste Entwickelungsstufe : niedriger steht Amblyopsis. l) Graefe und Saemisch, Handbuch d. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. S. 406. Fig. 37. Die Nerven-Endigung in der Retina. 759 Nach einer Angabe von Leydig'!) besteht die Retina beim Proteus nur aus Kernen und Molecularmasse. Kürzlich habe ich?) jedoch gefunden, dass auch hier zwei Arten von Aufnahme-Apparaten für Lichtwellen vorhanden sind. Das Sinnesorgan wird um so in- teressanter, weil darin eine Rückbildung des Apparates auf seine einfachste Form vorliegt. Das bei ausgewachsenen Exemplaren nur 0,5 Mm. grosse, kug- lige, bekanntlich unter der Haut verborgene Auge wurde vom lebenden Thiere entweder in 0,1°/,ige Ueberosmiumsäure oder in H. Müller’sche Flüssigkeit gebracht. Durchschnittsansichten zeigen alternirend Stäb- chenzellen und Zapfenzellen (Fig. 5): beide in der denkbar einfachsten Form. r Die Zapfenzellen bestehen aus einem ellipsoidischen Korn (Zapfenkorn), das wenig länger als breit ist und ein, seltener zwei Kernkörperchen enthält. Durch Chromsäure nimmt das Korn eine körnige Beschaffenheit an. Nach der nur schwach pigmentirten Chorioidea hin ragt ein kleiner stark lichtbrechender kegelförmiger Aufsatz hervor, dessen Form die Zapfenzellen als solche charak- terisirt. Die Stäbchenzellen haben vollständig denselben Bau: sie sind in ungefähr gleicher Anzahl vorhanden wie die Zapfenzellen. . Die stark lichtbrechende Hervorragung ist niedriger, dafür ihre Basis mehr ausgedehnt. Da letztere dem Stäbehenkorn aufgesetzt ist und am Zapfenkorn dieselben Verhältnisse wiederkehren, so ist der stark lichtbrechende Körper bei beiden Gebilden an seiner Basis ausgehöhlt, mithin convex-concav. Die Stäbchen sind etwas mehr kuglig als die Zapfenkörner. In Osmiumsäure-Präparaten erscheint die Substanz der stark- lichtbrechenden Körper grobgranulirt, aber nicht geschwärzt wie sonst bei Amphibien, und es schien eine Zeit lang, als ob letztere für Ellipsoide angesprochen werden müssten. Die anscheinende Aehn- lichkeit war gleichwohl nur in Betreff der Zapfen-Ellpisoide vor- handen. Als die in H. Müller’scher Flüssigkeit aufbewahrten Proteus-Augen für die Untersuchung hinlänglich erhärtet waren, zeigte sich jedoch die stark-lichtbrechende Substanz unter diesen 1) Anat.-physiol. Unters. über Fische und Reptilien. 1853. Histologie 1856. S. 238. 2) Arch. f. Ophtalmol. 1875. Bd. XXI. S. 298. 760 W. Krause: Umständen vollkommen homogen, glänzend. Und sie färbte sich nicht durch Carmin. Hiernach können die fraglichen Höckerchen resp. flachen Hervorragungen nicht mehr für ellipsoidische Körper (empfindliche Körper, W. Müller) angesprochen werden. Die Licht- zelle in ihrer einfachsten Form besteht aus einem Korn (Stäbchen- korn) welchem eine dem Aussenglied der Stäbchen der anderen Wirbelthiere homologe Substanz aufgelagert ist — oder vielmehr letztere ist von der Sehzelle ausgeschieden worden. In der Flächenansicht (Fig 5 C) sieht man kleinere und grössere hellglänzende Flecke: es sind die fortan als solche zu bezeichnenden nur aus einem Aussenglied bestehenden Stäbchen und Zapfen selbst. Das Mosaik von rundlichen Contouren reprägentirt die Grenzen der darunter gelegenen Stäbchen- und Zapfenkörner gegen einander. Die Dimensionen sind folgende, wobei die Höhe in radiärer, die Breite in tangentialer Richtung des Bulbus gemessen worden ist: Höhe. | Breite. Stäbchen 0,0046 0,009 Zapfen 0,0065 0,0077 Stäbchenkorn 0,015 0,015 Zapfenkorn 0,017 0,015 Nach seiner Spitze hin vermindert sich die Dicke des abgerundeten Zapfen-Aussengliedes etwa auf die Hälfte. Aus dem Mitgetheilten ist zunächst der Schluss zu ziehen, da der Proteus das Dunkel aufsucht und also ohne Zweifel Licht-Em- pfindung hat: dass für letztere dieAussenglieder das unentbehr- lichste Requisit sind. Nach dem Innern des Auges hängen wenigstens die Zapfen- körner mit einer kurzen Zapfenfaser (Fig. 5 .B) zusammen, die ihrer- seits an eine rundliche kernhaltige Zelle angeheftet erscheint. . Letztere Zellen sind den radialen Stützfasern homolog. Zwischen ihnen und der Zapfen-Stäbchenschicht liegt eine Schicht mehr cubischer Zellen, welche an diejenigen der Membrana perforata bei Petromyzon er- innern. Glaskörperwärts folgen noch mehrere Lagen (innerer) Körner. Die granulirte Schicht hat 0,036 Mächtigkeit; die 0,014 mes- senden Ganglienzellen sind an ihren chorioidealwärts gerichteten Fortsätzen leicht kenntlich; zwischen denselben verlaufen sehr deut- liche, zackige, 0,004 breite Radialfasern. Dagegen ist die Opticus- faserschicht dünn und der Sehnerv selbst enthält etwas blasse, 0,01 Die Nerven-Endigung in der Retina. 761 breite Nervenfasern. Die Dicke der Membrana limitans (interna) beträgt 0,002; die der ganzen Retina 0,15 Mm. an Präparaten, welche überlebend in H. Müller’sche Flüssigkeit gelegt und nachher in absolutem Alkohol gehärtet worden waren. — Die gewöhnlichen Schichten sind mithin in der Proteus-Retina sämmtlich nachgewiesen. Siredon pisciformis resp. Amblystoma mexicanum. Dem Proteus näher stehend und durch seine nicht ganz auf- geklärten Larvenzustände noch interessanter erschien der Axolotl. Man konnte eine weitere Ausbildung in dessen Retina erwarten: die Grösse des darin hervortretenden Sprunges aber lässt keine beson- deren physiologischen Aufschlüsse aus der Untersuchung entnehmen. Desto wichtiger ist der Befund in anderer Hinsicht, wie sogleich aus- einander gesetzt werden soll. Die Retina des Axolotls hat Stäbchen und Zapfen (Fig. 6). Letztere zeichnen sich durch ausserordentlich lange und feine Aussenglieder, wie sie kürzlich vom Hecht durch Reich!) beschrieben worden sind, in Osmium-Präparaten aus; frisch untersucht brechen sie leicht ab und erscheinen dann wie in Fig. 6v. Auch die Stäbchen-Aussenglieder sind chorioidealwärts etwas zuge- spitzt und abgerundet. Es genügt daher ein Blick auf die Retina des Axolotls um darzuthun, was freilich auch sonst schon erkannt worden ist (W. Müller, 1. c. p. LIII), dass die frühere, von M. Schultze?) zuerst durch Thatsachen (bei Tritonen) widerlegte De- finition, wonach Stäbchen cylindrisch, Zapfen aber kegelförmig sein sollen, vermöge der Ausdehnung unserer Kenntniss auf eine grössere Anzahl von Thieren unhaltbar geworden ist. Die Stäbchen des Axo- lotls (Fig. 6 st) wird Niemand für Zapfen erklären wollen und doch sind ihre Aussenglieder kegelförmig. Sowohl Zapfen als Stäbchen haben einen ellipsoidischen Körper am chorioidealen Ende des Innen- gliedes; die eigentliche Substanz des letzteren ist beim Zapfen gra- nulirt. Durch Ueberosmiumsäure schwärzen sich die Stäbchen- Aussenglieder; frisch untersucht zeigen sie Plättchenzerfall. Die Dimensionen betragen: 1) Arch. f. Ophthalomologie. 1874. Bd. XX. 8.1. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. 1867. Bd. III. S. 230 u. 237. Taf. 13, Fig. 14. 762 W. Krause: Länge. Dicke. Spitze. Aussenglied 0,092 0,042 0,05 Stäbchen Innenglied 0,075 0,016 Ellipsoid 0,048 0,042 Aussenglied 0,055 0,0026 0,0002 Zavf Innenglied 0,023 0,0077 DT Ellipsoid 0,010 0,0052 Zapfenkorn 0,025 0,017 Rana temporaria und esculenta. Die Stäbchen-Aussenglieder zeigen nach Ritter!) mit Chrom- säure eine axiale Faser (sog. Ritter’schen Faden). Hensen?) hatte dagegen — wohl durch Rücksicht auf die jetzt von der Hering’schen verdrängte Young-Helmholtz’sche Farbentheorie veranlasst — drei solche axiale Fasern neben einander verlaufend aus Osmium-Präparaten beschrieben. Dass Ritter’s und Hensen’s Angaben Kunstproducte betreffen, habe ich?) seinerzeit ausführlich nachgewiesen und wird auch wohl von Niemanden mehr bezweifelt, seitdem Schwalbe‘) den Grund des Irrthums in einer bis dahin unbekannten Art von Froschstäbchen aufgedeckt hat. Es fragt sich aber, wie eine am frischen Aussen- gliede constant auftretende dunkle axiale Linie und ein analoger dunkler Punkt im Querschnittsbilde des Stäbchens zu deuten sind. Der letztere Punkt wandert, wenn man den Spiegel des Mikroskops nach links oder rechts verschiebt, dem Spiegel folgend, weil das Mikroskop umkehrt. Daraus hatte ich geschlossen, dass es sich um eine optische Erscheinung handle: um ein Bild des Spiegels und die Erscheinung für wichtig erklärt. Denn sie beweise, dass die Stäbchen-Aussenglieder deutliche Bilder äusserer Gegenstände auf das Pigmentblatt zu werfen vermögen. Hensen) hat später dagegen zunächst eingewendet: die Pig- 1) Arch. f. Ophthalm. 1859. Bd. V. Abth. 2. S. 101. 2) Arch. f. pathol. Anat. 1867. Bd. XXXIX. S. 488. 3) Die Membrana fenestrata. 1868. S. 22. 4) Graefe u. Saemisch, Handbuch d. Augenheilkunde 1874. Bd. I. 5) Arch. f. mikrosk. Anat. 1868. Bd, IV. S. 347. — Auf ähnlichem REF E Die Nerven-Endigung in der Retina. 763 mentschicht könne nicht reflectiren. Das ist freilich selbstver- ständlich; aber es wurde auch niemals von mir behauptet, dass in dem Pigmentgewebe eine Reflexion von Lichtwellen stattfinde. Dass sie dagegen an dem Pigmentblatt d. h. am chorioidealen Ende der Stäbchen-Aussenglieder wirksam wird, hat Brücke!) bereits im Jahre 1844 gezeigt und durfte von mir?) wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Die weitere Discussion beginnt Hensen damit, die Frage auf- zuwerfen, ob unter dem fraglichen Punkte ein Bild des Spiegels oder des Diaphragma verstanden werden müsse. Da solche Frage un- gefähr auf gleicher Linie mit derjenigen steht: ob eine bei einer ringförmigen Sonnenfinsterniss aufgenommene Photographie eine Ab- bildung der Sonne oder des Mondes darstelle, so darf diese Er- örterung wohl auf sich beruhen bleiben. Um so mehr, da Hensen nicht umhin kann, die von mir abgebildete Verschiebung des Punktes bei schiefer Beleuchtung zu bestätigen. H. meint zwar, so bedeutend, wie meine Abbildung sie zeige, sei jene Verschiebung nicht. Indessen hat sie Hensen doch selbst constatirt, und es wäre danach die Mög- lichkeit zu erwägen, ob ich vielleicht ein Mikroskop verwendete, dessen Einrichtung eine relativ bedeutendere seitliche Verschiebung des Spiegels zuliess, als das von Hensen benutzte. Jedenfalls leuchtet ein, dass der Querschnitt eines reell vorhandenen Fadens nicht mit der Beleuchtung wandern kann, und Hensen scheint übersehen zu haben, dass er selbst den gegen seine Ansicht ent- scheidenden Versuch mit demselben von mir angegebenen Erfolge wiederholt hat. | Schwalbe®) hat nun zwar diesen Versuch seinerseits nicht Missverständnisse beruht eine Bemerkung in Henle’s Eingeweidelehre (S. 681). Denn in der dort genannten Stelle (Membr. fenestr. S. 18) heisst es von den Stäbchenkegeln: »sie vorzüglich haben durch ihre grosse Anzahl bei Säuge- thieren die sog. Zwischenkörnerschicht in den Ruf gebracht, körnig zu sein.« In den anderen Wirbelthierclassen ist sie bekanntlich weniger körnig. 1) Archiv f. Anat. und Physiol. 1844. 3. 444. 2) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S.23. Dass im frag- lichen Satze das Wort »derselben« sich auf die Stäbchen bezieht, folgt aus S. 50. Daselbst steht nicht »von der Chorioidea reflectirt«, sondern »von der Chorioidea her reflectirt«e — es handelt sich um die Fortpflanzungs- Richtung der Lichtwellen. 3) Graefe u. Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. 1874. Bd. I, S. 402. 764 W. Krause: angestellt, beruft sich aber gleichwohl auf die fraglichen Bilder, um die Existenz einer Axenfaser (oder, was auf dasselbe hinausläuft, eines chemisch differenten axialen Stranges) im frischen Aussengliede darzuthun. Dagegen hat Boll!) die oben beschriebene Wan- derung sogar am Bilde einer Nadelspitze, die zwischen dem Mikro- skopspiegel und dem Retina-Präparat bewegt wurde, dargethan und für die Theorie der facettirten Augen zu verwerthen gestrebt. Hier- mit dürfte die Sache wohl entschieden sein: die angebliche axiale Faser ist dem je nach der Focalstellung hell oder dunkel erscheinen- dem Centrum einer länglichen Luftblase analog (Allg. Anat. S. 166) und der sichtliche Ausdruck für die Differenz im Brechungsindex des Aussengliedes und der umgebenden Flüssigkeit, worin dasselbe schwimmt. In Betreff der Längsstreifung der frischen Stäbchen-Aussen- glieder beim Frosch meinte Hensen (l. c.), ich hätte dieselbe „schwerlich überhaupt gesehen.“ Bei etwas grösserer Vertrautheit mit der Literatur der Retina würde schon damals nicht an- genommen sein, dass hier ein schwer zu beobachtendes Structur- Verhältniss vorliege. Hat doch bereits Hulke?) mit viel unvoll- kommneren Hülfmitteln die Längsstreifung der Stäbchen- Aussenglieder constatirt. Uebrigens ist die betreffende Hensen’sche Abbildung?) wahrscheinlich etwas schematisch; wenigstens erinnert sie mehr an eine architectonische Säule, als an ein Retinastäbchen. Was nun endlich die Bemerkung Hensen’s anlangt, die Stäbchensubstanz sei nicht in endosmotischem Gleichgewicht mit der Glaskörperflüssigkeit, so tritt, wiederum die Forderung auf, genauer zu unterscheiden. Es ist nicht dasselbe Verfahren, ob man die frische Retina mit einem Tropfen ausgelaufenen Humor vitreus bedeckt, oder mit dem zu- gehörigen Stückchen Glaskörpersubstanz zusammen untersucht, was beiläufig gesagt schon Hannover) wusste. Legt man das geöffnete Froschauge 24 Stunden lang in 5°/,iges molybdänsaures Ammoniak, so conserviren sich die Zapfen und ihre so leicht zerstörbaren Aussen- glieder vortrefilich. Hier und da tritt ein weiteres Form-Element in der Stäbchen-Zapfenschicht auf und im Zusammenhang mit der 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871. S. 536. 2) Ophthalmie hospital reports. 1864. Bd. IV. S. 245. 3) Arch. f. pathol. Anat. 1867. Bd. 39. Taf. XII, Fig. 7. 4) Recherch. microsc. sur le syst. nerv. 1844. S. 38. Die Nerven-Endigung in der Retina. 765 Hering’schen Farbentheorie ist die Bedeutung dieser Thatsache nicht gering anzuschlagen. Bekanntlich kommen in der Retina der Vögel und Amphibien Doppelzapfen vor, deren beide constituirenden Zapfen ungleich sind. (Die „Zwillingszapfen* der Knochenfische sind gleichartig.) Nur der eine grössere oder Hauptzapfen enthält einen Oeltropfen, der kleinere Nebenzapfen aber nicht. In der Frosch- Retina ist die Sache so, dass der letztere (Fig 8N) ein eigenthüm- liches birnförmiges Körperchen von 0,003 Durchmesser in seinem inneren, der Membrana reticularis (s. limitans externa) benachbarten Theile enthält, während der Hauptzapfen in seinem äusseren Theile, dicht dem Oeltropfen anliegend, einen ellipsoidischen Körper besitzt. Jenes birnförmige Körperchen kann annähernd als Paraboloid be- trachtet resp. so bezeichnet werden. Durch sein Zapfenkorn steht der Hauptzapfen mit einer Zapfenfaser in Verbindung und trägt an seiner schmalen Basis den Nebenzapfen. Zufolge der oben erwähnten Entdeckung einer zweiten Stäbchen-Art sind mithin für die Frosch- Retina jetzt auf’s Unzweideutigste vier Elemente in der Stäbchen- schicht nachgewiesen: Zapfen (die gewöhnlichen sind mit den Haupt- zapfen identisch), Nebenzapfen und zwei Sorten von Stäbchen. Da wir nicht wissen, was für Farben der Frosch zu unterscheiden ver- mag, so lässt sich eine directe Beziehung der einzelnen Elemente nicht nachweisen. Insofern die mit gelben Fetttropfen ausgestatteten Zapfen jedenfalls nur gelbes Licht durchlassen, wären sie an der Perception gelber (rother?) Strahlen betheiligt zu erachten. Der paraboloidische Körper in dem Nebenzapfen verdient noch eine gesonderte Besprechung. Derselbe ist von M. Schultze (1866) entdeckt worden und nicht zu verwechseln mit dem ellipsoidischen Körper oder Stäbchen- resp. Zapfen-Ellipsoid, welche letzteren ich schon im Jahre 1861 abgebildet habe. Die Paraboloide bieten eine auffallende Aehnlichkeit mit gewissen Formen von Krystallkegeln in den Augen von Arthropoden dar. Man könnte das Gebilde daher wohl auch Krystallkegel nennen, obgleich bisher aller Grund vorliegt, mit der Parallelisirung von Befunden in den Augen wirbelloser und höherer Thiere vorsichtig zu sein. So erklärte M. Schultze!), eine Continuität zwischen Nervenfasern und geschichteter Substanz (Plätt- chenzerfall der Aussenglieder) scheine in der Cephalopoden-Retina in der That nicht vorhanden zu sein. — Die Ellipsoide sind fein gra- 1) Arch. f. mikrosk. Anat. 1869. Bd. V. S. 18. 766 W. Krause: nulirt, die Paraboloide dagegen weit glänzender und fast ganz homogen. Im frischen Zustande, ohne Zusatz untersucht, verhalten sich die- selben ebenso wie bei Anwendung von molybdänsaurem Ammoniak oder Ueberosmiumsäure. Ferner kehrt, wie bekannt, der ellipsoidische Körper seine Convexität nach dem Glaskörper, der paraboloidische dagegen seine breite Basis nach aussen, nach der Chorioidea. Was die Function des letzteren betrifft, so genügt es, denselben einmal beim Frosch gesehen zu haben, um seine Deutung als lichtbrechende Vorrichtung wahrscheinlicher als jede andere zu finden. Vielleicht ist schon hieraus eine weitere Begründung zu entnehmen, dass die Zapfen (und Stäbchen) als optische Hülfsapparate, nicht als mit Nervenfasern in anatomischer Continuität stehende Gebilde aufzu- fassen sind. Wie vor einiger Zeit!) nachgewiesen wurde, besitzt auch der Frosch eine Fovea centralis. Dieselbe charakterisirt sich durch das Fehlen der Stäbchen: es sind nur Zapfen vorhanden und deren Zapfenkörner sind ziemlich rundlich. Die Dimensionen betragen (Ueberosmiumsäure): Zapfen Länge Breite Aussenglied 0, le Re 0,005 Innenglied 0,0085 0,0018 Die Aussenglieder laufen ganz spitz zu; der Oeltropfen im an- stossenden Ende des Innengliedes hat ungefähr denselben Durch- messer wie das letztere selbst. Die Entstehung der Fovea centralis wird häufig?) aus der fötalen Augenblasenspalte hergeleitet. Mehrfach®) wurde dagegen die nicht correspondirende Lage eingewendet: die Spalte liegt nach 1) W. Krause, Arch. f. Ophthalmologie. 1875. Bd. XXI. S. 298, 2) v. Baer, Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere, 1828, — Huschke, Meckel’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1832. — Stark, Allg. Jenaer Literaturzeitung, 1835. — W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina, 1868. 3) Schöler, De evol. in embryon. gallin. Diss. Dorp. 1835. — Köl- liker, Mikrosk. Anat. Bd. IIb. 1854. — Hensen, Arch. f. mikrosk. Anat. 1868. Bd. IV. S. 350. Die Nerven-Endigung in der Retina. 767 unten und medianwärts. Manz!), der die von mir ebenfalls be- hauptete Bildung der Fovea aus der Augenblasenspalte vertheidigt, sucht jene Einwendung wegen der verschiedenen anatomischen Lage durch die Annahme zu beseitigen, dass die Fovea aus dem oberen Ende der Spalte entstehe. Dies würde jedoch den eigenthümlichen Verlauf der Zapfenfasern am gelben Fleck nicht erklären und des- halb scheint die Hypothese (Allg. Anat. S. 152) vorzuziehen, dass während der Schliessung eine Torsion des Bulbus um die Längs- axe des N. opticus stattfinde, die mit der Lageänderung des Auges am Kopfe zusammenhängen mag: lateralwärts ist es beim Embryo gerichtet. Chamaeleon vulgaris. Auch bei den Reptilien ist eine Fovea centralis vorhanden. Von Knox?) wurde sie schon makroskopisch beim Chamäleon er- kannt, von Hulke?) bei allen untersuchten Thieren (Eidechsen, Schildkröten, Schlangen etc.) constant nachgewiesen, namentlich auch bei Lacerta. Nicht minder ist sie bei Fischen (Pagellus centrodontus und anderen Sparidae) von Gulliver®) erwähnt worden und da die Foveae resp. Areae centrales der Vögel’) und Säugethiere seit H. Müller allgemein bekannt sind, so wurde durch die Auffindung bei Amphibien) die letzte Lücke in der Reihe ausgefüllt, mithin die Fovea centralis in der ganzen Wirbelthierreihe als ein wesent- liches Moment in der Structur des Sehapparates aufgezeigt. Später hat auch Flesch?) die Fovea bei Coluber natrix erkannt. Nur die Cyclostomen lassen bisher diese empfindlichste Parthie der Retina vermissen und dasselbe gilt, wie ich an der zuletzt citirten Stelle nachgewiesen habe, in Betreff des rückgebildeten Auges vom Proteus anguinus. Für die Zurückweisung des Bindegewebes (der radialen Stütz- l) Graefe uw. Saemisch, Handbuch der Augenheilkunde, Bd. I. 1875. 8. 47. 2) Memoirs of the Wernerian society, 1823, 3) Journ. of anat. and physiol. 1867. Vol. I. S. 94. 4) Journ. of anat. and physiol. 1868. Vol. II. S 12. 5) Würzb. naturwiss. Zeitschr. 1862. Bd. III. Sep.-Abdr. $. 11. 6) W. Krause, Arch. f. Ophthalmol. 1875. Bd. XXI. S. 298. 7) Verhandl. d. physic.-medic. Gesellsch. zu Würzb. 1875. Bd. VII. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 12. 50 768 W. Krause: fasern) aus der epithelialen Schicht (Lager der Stäbchen- und Zapfen- körner) war das Chamäleon von besonderem Interesse. Denn wie H. Müller!) und Hulke?) übereinstimmend gefunden haben, ver- laufen im ganzen Augenhintergrund dieses Thieres die Zapfenfasern tangential: sie bilden analog der Macula lutea des Menschen eine besondere horizontale Zapfenfaserschicht. Und nach den genannten - beiden zuverlässigen Beobachtern wird letztere Schicht von binde- gewebigen Radialfasern in regelmässigen Abständen durchsetzt. Ver- möge dieses Verlaufs scheinen Zapfenfasern und bindegewebige Radial- fasern an dieser Stelle besonders leicht unterscheidbar resp. die oben (S. 746) bestrittene Existenz der letzteren in der betreffenden Schicht ganz unzweideutig dargethan zu sein. Dem ist jedoch nicht so. Die radialen Fasern sind nichts weiter als Zapfenfasern (resp. kleine Bündel von solchen), die anfangs eine Strecke weit radiär verlaufen und dann nahe der Grenze der Mem- brana fenestrata in die tangentiale (horizontale) Richtung einbiegend mit den übrigen Zapfenfaserbündeln weiter ziehen. Natürlicher Weise sieht man die Umbiegung nur an passend geführten Schrägschnitten, und so wird es begreiflich, wie solche den genannten Beobachtern entgehen konnte. | Ueber Coluber natrix liegen ältere Beobachtungen von Leydig und Hulke vor (s. M. Schultze?°). Kürzlich hat Flesch‘) (auch bei Coluber flavescens) im Hintergrund des Auges daselbst eine tangentiale (horizontale) Zapfenfaserschicht beschrieben, welche der- jenigen des Chamäleon sehr ähnlich ist, weshalb die Angelegenheit an dieser Stelle erwähnt wird (s. auch Fovea centralis beim Frosch S. 767, und unten: über die Endigung des Sehnerven). Lacerta agilis. Bei der Eidechse, wie bei Schildkröten, Schlangen (und allen Wirbelthieren) sind zwei gänzlich differente Arten von Epithelial- 1) Würzb. naturwiss. Zeitschr. 1862. Bd. III. Taf. II. Fig. 4 u. 5. 8. 10. S. 21 Anm. 2) Journ. of anat. and physiol. 1867. Vol. I. S. 94. 3) Arch. f. mikrosk. Anat. 1866. Bd. II. S. 211. 4) Verhandl d. physik.-medic. Gesellsch. zu Würzburg. 1875. Bd. VIII. Die Nerven-Endigung in der Retina. 769 zellen der Retina vorhanden. Schon früher habe ich!) die Existenz von Zapfen und Stäbchen für Lacerta behauptet, währendM.Schultze?) dieselben sämmtlich für Zapfen erklärt wissen wollte. W. Müller?) gab an, es sei unthunlich, alle die in der Wirbelthierreihe so mannig- fach differirenden Elemente auf das Schema: (cylindrische) Stäbchen und (conische) Zapfen zu reduciren. Bei Lacerta sieht man zwei Formen. Die einen sind schlanker, haben ein nach der Chorioidea hin kolbiges Innenglied und an dieser Stelle einen gelben oder gelbrothen, selten blassblauen Fetttropfen ; ihr Aussenglied ist sehr fein, zugespitzt, conisch. Die anderen sind dickbauchiger, ihr Innenglied enthält an Stelle des Fetttropfens einen granulirten blassgelben ellipsoidischen Körper. Ausserdem erscheint im centralen Ende beider Arten von Formelementen ein matt- slänzender paraboloidischer Körper: mit seinem dünneren Ende glaskörperwärts gerichtet. Schlankere Exemplare dieser zweiten Art wurden früher Stäbchen genannt (Allg. Anat. S.159), und wenn überhaupt die beiden Arten zu sondern sind, so ist es ein Wort- streit, ob man die zweite ebenfalls Zapfen nennen will oder nicht. Hierbei ist auf die oben bei Ambiystoma mexicanum (S. 761) eitirte Beobachtung M. Schultze’s aufınerksam zu machen, der die Stäb- chen-Aussenglieder der Tritonen conisch fand. Dasselbe gilt für die Stäbchen-Aussenglieder von Petromyzon (W. Müller) u. s. w. Anguis fragilis. Hulke®) hat die Oeltropfen-freie Art von Netzhaut-Epithelien bei der Blindschleiche schon vor langer Zeit als Stäbchen bezeichnet. Das letztgenannte Thier besitzt nicht nur gelbe und grünlich-gelbe, sondern auch blassblaue und blassgrünlich-blaue Oeltropfen in seinen Zapfen. Die letzteren beiden Tropfen-Arten können leicht für farb- los genommen werden. Sie sind kleiner als die gelben (0,0015 :0,003). Die Zapfen sind um so bauchiger, je grössere Fetttropfen sie ent- halten, wie aus folgenden, an der frischen Retina vorgenommenen Messungen sich ergibt; im Uebrigen sind die Verhältnisse denjenigen 1) Zeitschr. f. ration. Mediein. 1863. Bd. XX. S. 7. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. 1866. Bd. II. S. 210. 8) Le. p. LI. 4) Ophthalmie hospital reports. 1864. Bd. IV. S. 256. 770 W. Krause: von Lacerta sehr ähnlich. Die Dimensionen betragen am frischen Präparat: | Blauer Zapfen. Gelber Zapfen. | Stäbchen. | Länge. a. el) Dicke. || Länge. Dicke. | Länge. | Dicke. Aussenglied || 0,0064 | 0,0015 0,0045 || 0,0008 || 0,004 || 0,0008 Innenglied 0,014 || 0,003 0,013 | 0,004 0,0128 || 0,0032 Ellipsoid 0,006 || 0,004 0,0064 || 0,0048 Paraboloid 0,0042 | 0,004 0,0042 | 0,004 0,007 || 0,0032 Oeltropfen 0,0022 | 0,0022 || 0,0031 || 0,0031 Alligator luecius. Bei Platydactylus Theonyx hat W. Müller (l. c.) eine Ver- bindung der Zapfenzellen mit Nervenfasern abgebildet. Aehnliches fand sich bei Urodelen und Protopterus. Der Contact soll an einer in der Profilansicht dreieckigen Anschwellung erfolgen. Letztere ist nichts weiter als der bekannte Zapfenkegel, welcher an die Membrana fenestrata (wahrscheinlich durch Versehen in Fig. 6 auf Taf. XIV von W. Müller als Membrana limitans externa bezeichnet) anstösst. Die Verbindung ist auch ganz leicht zu sehen. Platydactylus stand zwar nicht zu Gebote: die Retina des Alligators verhält sich aber sehr ähnlich. Die Sache läuft daräuf hinaus, dass die Kerne der bindegewebigen Radialfasern mehr kuglig sind: die angeblichen Nervenfasern und bipolaren Nervenzellen der (inneren) Körnerschicht sind radiale Stützfasern. Zugleich ähneln die Zapfen- fasern wegen ihres geringen Durchmessers (0,0009) mehr Stäbchen- fasern oder Nervenfibrillen. — Der aus dieser Beobachtung herge- nommene Beweis für die Continuität der Zapfenzellen mit Nerven- fasern verwandelt sich in einen solchen für den Zusammenhang mit bindegewebigen Elementen, welcher vermöge der Homologie mit den Epithelialzellen des Centralkanals ($. 743) vorauszusetzen war. Vögel. Eine Entdeckung Hulke’s!) hatte die merkwürdigen Farben- Aenderungen gezeigt, welche die farbigen Oeltropfen der Zapfen von 1) Journ. of anat. and physiol. 1867. Vol. I. S. 9. Die Nerven-Endigung in der Retina. 771 Reptilien mittelst Hinzufügung von Jod erfahren. Dasselbe Ver- halten wurde durch Schwalbe?!) und mich (Allg. Anat. S. 158) für die Retina des Huhnes ete. bestätigt. Der Befund gilt für alle untersuchten Vögel: Astur palumbarius, Falco buteo, Taube u. s. w. Die rothen Oeltropfen werden durch Jodjodkaliumlösung violettschwarz, die gelben successive grün, blaugrün, blau; die blassblauen grünblau. Wie früher M. Schultze?) hat neuerdings Schwalbe (I. c. S.414) versichert, an den sog. farblosen Oeltropfen der Vogelretina nie- mals einen Farbenton wahrgenommen zu haben. Benutzt man aus- schliesslich unterverbesserte Linsen, wie sie z. B. Hartnack liefert, und zugleich Immersionssysteme, welche mit zunehmender Vergrösse- rung die vorhandene Farbenintensität in quadratischem Verhältnisse schwächen (Allg. Anat. 5.158), indem sie dieselbe über eine grössere Fläche vertheilen, so sieht man allerdings kein Blau. Indessen ist meine frühere Angabe°) seitdem durch Dobrowolskyt und Talma5), der in Engelmann’s Laboratorium arbeitete, bestätigt worden. Die Nüance nennt letzterer »lichtblau« ($S. Schwalbe’s Jahresbericht f. Histologie. 1873 S. 227), Dobrowolsky: »blau«; ich selbst bläulich oder »blassblau«. Hiernach dürfte die Thatsache als festgestellt zu erachten sein. Sie ist von Wichtigkeit wegen der Farbentheorie. Schon Hoch- ecker®), der seine eigene Farbenblindheit zum Thema einer Inau- gural-Dissertation machte, sah sich ausser Stande, die Summe der Thatsachen nach der alten Young-Helmholtz’schen Vorstellung zu erklären. Und E. Hering”) forderte mit Bestimmtheit vier Grundfarben : Roth-Grün, Blau-Gelb. Thiere, die keine farbigen Oeltropfen besitzen, wie der Mensch, dürften vielfache Nüancen in einander übergehender Farben unterschei- den können. Die Vögel werden nur diejenigen ganz bestimmten Wellen- l) Graefe und Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. 1874. Bd. I. S. 414. 2) Arch. f. mikroskop. Anatomie 1867. Bd. III. S. 381. 3) Zeitschr. f. ration. Medicin. 1863. Bd. XX. S. 8. 4) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871. S. 222. 5) Onderz. ged. in het phys. labor. Utrecht, III. R. II. S. 259. 6) Ueber angeborene Farbenblindheit. Göttinger Dissertation. 1873 Arch. f. Ophthalm. Bd. XX, 7) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. z. Wien. M. N. Cl. 1874. Bd. LXIX. 3. Abtb. 772 W. Krause: längen als Farben empfinden, die von den betreffenden Oeltropfen durch- gelassen werden. Welche dies sind, ist aber mittelst eines Mikro- Spektroskops bestimmbar. Schon Hulke!) hat dieselben für Emys festgestellt und Talma (l. c.) bei Vögeln ähnliche Resultate er- halten. Nach Ersterem absorbiren die rothen Oeltropfen: violett, indigo, blau, grün und gelb, letzteres bis zur Natriumlinie. Die gelben: violett u. s. w. bis zur Linie b» Die grünen: violett, indigo und etwas vom Blau. Diechemischen Strahlen werden sämmtlich absorbirt. Dies stimmt damit überein, dass durch directes Sonnenlicht keine nachweisbare Veränderung in der Säuge- thier-Retina hervorgerufen wird, wie aus folgendem Experiment?) hervorging. »Lässt man das im fixirten Kopfe befindliche Auge eines eben verbluteten Kaninchens vom einfallenden Sonnenlicht 1/,—!/s Stunde lang bestrahlen, so könnte man insbesondere bei Annahme einer chemischen Theorie der Licht-Empfindung hoffen, die vermöge der Erd-Rotation vom Sonnenbildchen zurückgelegte Bahn durch leicht reducirbare Reagentien in der Retina wahrnehmbar zu machen. Das Auge des getödteten Thieres ist für parallele Strahlen accom- modirt; wegen des Verblutungstodes dürfte keine merkliche Resti- tution durch das Blut mehr stattfinden und in der Ueberosmium- säure sowie im Goldchlorid stehen für diesen Zweck anscheinend geeignete Reagentien zur Verfügung. Aber weder makroskopisch noch mikroskopisch, weder am frischen Präparat noch mit Hülfe von Reagentien war in dem aus der Kaninchenleiche entnommenen Auge eine Spur der Bestrahlung nachzuweisen. Es gelang also nicht, die Nachbilder der Sonne, die subjectiv für das Thier vor- handen gewesen wären, auch objectiv wahrnehmbar zu machen u. s. w.« Hensen?°) hat hierzu bemerkt, dass das Kaninchen keine solchen Nachbilder, sondern ein Feuermeer gesehen haben würde. Es mag schwierig sein, zu sagen, was das Thier gesehen haben würde — zumal es wie oben gesagt vor Beginn des Experiments getödtet war. Indessen ist das bei Betrachtung eines lebenden in’s Sonnenlicht gesetzten Kaninchens vergleichsweise sehr indifferente Verhalten des Thieres auffällig. Es folgt daraus unzweideutig eine 1) Journ. of anat. and physiol. 1867. Vol. I. S. 94. 2) W. Krause, Die Membrana fenestrata d. Retina. 1868. S. 51. 3) Arch. f. mikroskop. Anat. 1868. Bd. IV. S. 349. Die Nerven-Endigung in der Retina. 773 bedeutend geringere Empfindlichkeit des Kaninchen-Auges: letzteres ist Antipode zum Eulen-Auge und als heliopisch zu bezeichnen, wo- rüber unten mehr. Magnus!) hat die Wirkung der farbigen Oeltropfen darin gesucht, dass sie einen grossen Theil des blauen und violetten Lichtes absorbiren, mithin den allzu sehr reizenden Einfluss dieser Licht- strahlen mildern und herabstimmen möchten. Abstrahiren wir vor Allem von dem teleologischen Beigeschmack, so ergiebt das Experi- ment im Gegentheil, dass das rothe Ende des Spectrum ebensowohl in Betracht kommt. Trocknet man nämlich die Retina eines Huhnes und nimmt die Farbstoffe der Oeltropfen in Aether auf, so gibt die erhaltene gelbe Lösung ein discontinuirliches Spectrum, welches nicht nur an der violetten, sondern auch an der rothen Seite erheblich verkürzt ist; an letzterer freilich um weniger. Der Vogel dürfte also nicht nur wesentlich auf Wahrnehmung schreiender Farben-Differenzen be- schränkt sein, wie sie das glänzende Gefieder der Hühnervögel, Papageien etc. so vielfach bietet (geschlechtliche Zuchtwahl), sondern es ergiebt sich auch von dieser Seite, dass Wärmestrahlen so gut wie die aktinischen bei der Licht-Empfindung ausser Betracht zu lassen sind. Hiermit stimmten anderweitige bekannte Erfahrungen überein. Astur palumbarius. Am auffallendsten bei diesem scharfblickenden Raubvogel, mehr oder weniger bestimmt bei den meisten Vögeln, zeigt sich die be- merkenswerthe Erscheinung, dass in der Flächenansicht wie auf Profilansichten stets ein rother Oeltropfen einen orangefarbigen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft hat. Auch die Beschaffenheit der radialen Stützfasern ist mit Hülfe von Ueberosmiumsäure, Chrom- säure etc. beim Hühnerhabicht bequem zu demonstriren. Es sind in Wahrheit einander parallel gestellte kernhaltige platte Zellen, mit Zacken und Ausläufern besetzt, welche mit denen der Zellen in der Membrana fenestrata zusammenhängen. Die Flächenaus- dehnung der ersteren Zellen geschieht derart, dass ihre Ebenen vom hinteren Pol des Auges an gerechnet meridional gerichtet sind, so 1) Die Bedeutung des farbigen Lichtes. 774 'W. Krause: dass sie senkrechte Scheidewände zwischen den gleichfalls meridian- artig ausstrahlenden Opticusbündeln zu bilden vermöchten: es liegt jedoch der abgeplattete Zellenkörper nebst seinem Kern wie bekannt in der (inneren) Körnerschicht verborgen. Es wäre richtiger, die radialen Stützfasern als »Radialzellen« zu bezeichnen. Ihre Dimen- sionen betrugen (an Ueberosmiumsäure-Präparaten) beispielsweise : | Zelle. Kern. Länge 0,046 0,009 Breite 0,0075 0,006 Dicke 0,0013 Dass die Zapfenzellen der Farbenempfindung dienen, wird gegenwärtig wohl allgemein angenommen. Schon vor 10 Jahren hatte ich !) gelegentlich bemerkt : »Bei der Eidechse (Lacerta agilis) sind in den Farben jener Oeltröpfchen sämmtliche Hauptnüancen des Spectrum vertreten. Vielleicht weist dieser Umstand auf eine Be- deutung der Zapfen für die Farben-Empfindungen hin.« Später hat Schultze?) bestimmter die Hypothese aufgestellt, dass die Stäbchen nur dem Lichtsinn, die Zapfen zugleich dem Farbensinn dienen. So vieles auch hierfür spricht, so ist doch die Begründung auf dem von M. Schultze damals betretenen Wege nicht zu führen. Es wurde nämlich ferner die anatomische Behauptung aufgestellt: »dass die Zapfen den nächtlichen Thieren fehlen«. Was die Säugethiere betrifft, so habe ich®) gezeigt, dass Hyäne und Maus eben so gut Zapfen besitzen, wie andere im Tageslicht lebende Thiere. Vielmehr besteht der wesentliche Unterschied bei den Nachtthieren nur darin, dass die Aussenglieder ihrer Stäbchen relativ sehr lang, und desshalb die Zapfen schwerer wahrnehmbar sind. Zumal wenn man in technischer Hinsicht bei der einfachen, von M. Schultze in dieser Hinsicht allein verwendeten Methode stehen bleibt: die frische Retina in der Flächenansicht von ihrer Chorioidealseite her zu betrachten. Ausdehnung der Untersuchungen auf eine grössere Reihe von 1) W.Krause, Beiträge zur Neurologie der oberen Extremität. 1865. S. 32. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. 1866. Bd. II. S. 253. 3) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 30. Die Nerven-Endigung in der Retina. 7175 Thieren zeigtebereits bei Petromyzon (S. 751) die ausgesprochene Diffe- renzirung der Stäbchenzellen von den Zapfenzellen. Sogar in der rück- gebildeten Retina des Proteus anguinus (S. 759) war der Unterschied erhalten geblieben. Von da biszum Menschen liess sich injeder Retina, die auf senkrechten Durchschnitten geprüft wurde, das Vorhan- densein von mindestens zwei Arten der betreffenden Aufnahme- Apparate für Lichtwellen demonstriren. Namentlich fehlen die Zapfenfasern niemals, wenn auch bei einigen Thieren Zweifel erhoben worden sind, welche von den differenten Formelementen als Zapfen und welche als Stäbchen bezeichnet werden sollen. Dies liegt vor Allem daran, dass die von der Säugethier-Retina hergenommene schematische Definition der Zapfen als conischer, der Stäbchen als cylindrischer Elemente schon bei den Reptilien nicht mehr ausreicht. Hier und bei Fischen trifft man neben differenten Zapfen auf conisch zulaufende Stäbchen-Aussenglieder und wollte man diese Gebilde nicht Stäbchen, sondern Zapfen nennen, so würde die ganze Con- troverse wie oben gesagt (Lacerta agilis, S. 769), auf einen Wort- streit hinauslaufen. Denn, dass zwei Arten von Formelementen daselbst vorhanden sind, wird nirgends mehr bestritten. Weit auffallender ist dagegen eine andere Differenz bei den Eulen: sie haben farblose Oeltrofen in den Zapfen. M. Schultze') hatte freilich behauptet, »dass die Zapfen bei den Eulen fast voll- ständig fehlen«. Im Widerspruch dagegen zählte ich?) bei Strix noctua auf ein Quadratmillimeter Netzhaut 11,897 Fetttropfen, bei Falco buteo 11,261. Die Eule hat also jedenfalls nicht weniger Oeltropfen als der Falke, während die Uebereinstimmung beider Zahlen zugleich ein ausreichendes Zeugniss für die Untersuchungs- methode ablegt. Die Eulen sind exquisit nächtliche Thiere. Es erscheint aber für die weitere Untersuchung vortheilhaft, wenn die Leistungsfähig- keit verschiedener Netzhäute so scharf gesondert würde, als es der Mangel an Vorarbeiten auf diesem dem Experimente sonst leicht zugänglichen Gebiete gestatten möchte. Das Wesentliche ist offenbar die grössere oder geringere Em- pfindlichkeit der Netzhaut. Man könnte vermuthen, dass dieselbe einzig und allein von chemischen Qualitäten resp. Differenzen 1) Arch. f. mikroskop. Anat. 1866. Bd. II. S. 256. 2) W. Krause, Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. 3. 29. 776 W. Krause: der Aufnahme-Apparate, speciell der Stäbchen und Zapfen, abhängig sei. Sie mögen nicht ausgeschlossen sein, doch dürfte vorläufig so viel gewiss sein, dass auch morphologische Verschiedenheiten mit den physiologischen Hand in Hand gehen. Bei Aufstellung der Reihe von geringerer zu grösserer Em- pfindlichkeit, welche letztere bei den Eulen vorauszusetzen ist, lässt sich eine allmählige Abstufung nicht verkennen. Solche Augen, welche direkte Insolation ohne zu blinzeln ertragen, können wie oben heliopische genannt werden. Hesperopische Augen heissen diejenigen, welche den Thieren gestatten in der Dämmerung, namentlich Abends, auf Nahrungs- erwerb auszugehen. Beispiel: die Fledermäuse. Nykteropisch sind die Augen der nächtlichen Thiere. Beispiel: die Eulen. Perotisch mögen die verkümmerten, rückgebildeten Augen von blöden Höhlenbewohnern genannt werden. Man kann sie wohl nicht als amblyopisch bezeichnen, da dieses Wort bereits in patho- logischem Sinne gebraucht wird. Beispiel: Proteus. Hemeropisch endlich würden die am häufigsten vorkom- menden Augen der Tagthiere heissen. Beispiel: der Mensch. Ohne Zweifel gibt es Thiere, die bei Tage und in der Dämme- rung gleich gut sehen, während die nykteropischen Augen durch volles Tageslicht geblendet werden. Erstere sind zu den hespero- pischen zu rechnen und es mag viele dergleichen geben. Am bekann- testen ist die Thatsache von den Katzen, aber auch Pferde, Rinder etc. scheinen hierher zu gehören. Vielleicht alle, die ein Tapetum besitzen, mithin auch die betr. Fische. Es käme nun darauf an, die experimentell festzuhaltende Leistungsfähigkeit der verschiedenen Netzhäute mit ihrem ana- tomischen Bau zu vergleichen. Um diesen interessanten und gewiss lohnenden Weg zu beschreiten, fehlt es, wie schon bemerkt wurde, an brauchbaren physiologischen Vorarbeiten. Die histologischen Thatsachen stehen desshalb vorläufig isolirt. Seit Michaelis!) ist es bekannt, dass die Eulen-Retina wesentlich hellgelbe Oeltropfen besitzt. Dies gilt für Strix passerina, Strix noctua, Strix aluco. Strix flammea hat einige wenige orange- 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1837. S.XII. Nov. act. acad. Leop. Carol. 1842. T. XIX. P. II. Taf. XXXV. Die Nerven-Endigung in der Retina. 777 rothe zwischen den hellgelben; Strix noctua noch weniger (ca. 7 auf 1000 der letzteren) und Strix aluco am wenigsten. Man könnte daher gezeigt sein, darin ein charakteristisches Merkmal der Eulen- Retina zu erblicken. Aber die im hellsten Sonnenlicht fliegende Schwalbe (Hirundo rustica) hat eine Netzhaut, die derjenigen von Strix flammea zum Verwechseln ähnlich ist. Und dasselbe gilt für den Mauersegler (Cypselus apus). Soll man daraus schliessen, dass die Schwalben auch in der Nacht gut sehen, da sie ja ihre Jahreswanderungen Nachts antreten ? Oder dass sie um ihre Nester zu bauen nyktero- pisch sein müssen ? Oder dass sie keine Farben zu unterscheiden brauchen, weil sie die Insecten im Fluge weghaschen, ohne zu prüfen, ob sie gefärbt sind oder nicht? Dennoch würde dasselbe von hundert anderen Vogelarten sich anführen lassen, die mannigfaltig und in- tensiv tingirte Oeltropfen besitzen. Als Beispiel eines im Dunkeln lebenden Thieres, welches davon sogar seinen Namen hat, mag noch auf die Leydig’sche Unter- suchung der Coecilia annulata hingewiesen werden. Leydig') fand in dem rudimentären Bulbus gleichwohl eine Stäbchenschicht und zwar bestand dieselbe aus schlanken Stäbchen (viel dünner und kleiner als die der Batrachier) und Zapfen, welche nach einer Seite verlängerten conischen Zellen ähnlich waren. . Umgekehrter Weise lässt sich dagegen mit vollem Rechte be- haupten: gerade dieEulen müssen nach dem histologischen Befunde ihrer Retina einen ausgebildeten und feinen Farbensinn besitzen, sowie sie eine unzweifelhaft sehr grosse Licht-Empfindlichkeit über- haupt darbieten. Und Ersteres würde auch für die Schwalben gelten. Denn, wie oben (S. 772) gezeigt wurde, hindern die farbigen Fetttropfen, wenn es sich um Unterscheidung feinerer Farbennüancen handelt. Nur gewisse Grundfarben und deren einfachste Combinationen dürften Hühnervögel u. s. w. bestimmt erkennen. Hierfür reden die im Farbenschmuck der Hühner sich aussprechenden Ergebnisse geschlechtlicher Zuchtwahl. Anders bei den Eulen und Schwalben. In der Farben-Diffe- renzirung dürften ihre Netzhäute der Säugethier-Retina nahe kommen, da die blassgelben Oeltropfen jedenfalls nicht AuESChleRich gelbes Licht durchlassen. 1) Lehrbuch d. Histologie. 1857. S. 241. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. XVII. S. 290. 778 W. Krause: Schliesslich bleibt noch der Widerspruch aufzuklären, wesshalb M. Schultze (s. oben S. 775) die Zapfen des Eulen überhaupt abgesprochen hat, obschon erstere doch seit Michaelis (1837) bekannt waren. M. Schultze hat ursprünglich ohne Zweifel junge Exemplare untersucht, da ausgewachsene Eulen nicht überall leicht zu haben sind. Während bei jungen Nestflüchtern keine merklichen Differenzen hervortreten, zeigt auffallender Weise die junge aus dem Neste genommene Strix flammea (und ohne Zweifel auch andere Eulen) sehr sparsame, in weiten Abständen befindliche hellgelbe Oel- tropfen. Zapfen und Stäbchen sind zugleich dünn. Hieraus resultirt ein von der Retina der ausgewachsenen Eule !) ganz abweichendes Bild. Auf jeden Fetttropfen kommen durchschnittlich etwa 50 Ele- mente (Stäbchen und junge Zapfen), welche eines solchen entbehren: bei der erwachsenen Eule (Strix noctua) überwiegt die Zahl der Zapfen ein wenig diejenige der Stäbchen. Der letztgenannte Vogel hat sehr zierlich quergestreifte Stäbchen- körner. Dass Schwalbe?) die Querstreifung nicht nachweisen konnte, rührt wohl von Nichtbeachtung der von mir?) benutzten Untersuchungsmethode her. Denn dasselbe Verhalten zeigen auch die Zapfenkörner z. B. der Taube und es ist schon früher dem Ver- fasser einer Dissertation *) gelungen, die Querstreifung mittelst der von mir empfohlenen Methode und auch am frischen Auge mit Glas- körperflüssiekeit zu bestätigen. Bei dieser Gelegenheit soll gleich hervorgehoben werden, dass der von Schwalbe (l. c.) betonte Mangel eines Kernkörperchens in den quergestreiften Stäbchenkörnern der Säugethiere nur schein- bar ist. Wenn die Querstreifung deutlich erscheint, sieht man frei- lich das Kernkörperchen nicht, wohl aber mit Ueberosmiumsäure (z. B. 0,1°/,). 1) W. Krause, Die Membrana fenestrata. 1868. Taf. II. Fig. 35 u. 36. (Strix noctua). 2) Graefe u. Saemisch, Handb. der Augenheilkunde. Bd. I. 1874. S. 421. 3) W. Krause, Die Membrana fenestraia der Retina. 1868. Taf. II. Erklärung der Fig. 36. 4) Caster, Zur Anatomie der Retina. Auszug aus der von d. Berliner medic. Facultät gekrönten Preisschrift. 1872. 8. 19. Die Nerven-Endigung in der Retina. 779 Schwalben. Oypselus apus hat durchschnittlich je einen rothen und einen orangefarbigen Oeltropfen, die stets dicht zusammensitzen, auf 30—35 hellgelbe resp. sog. farblose, welche sich durch Jod übrigens nicht färben lassen. Die Dimensionen betrugen nach Einlegen in 0,2%, Ueberosmiumsäure: Dicke der Chorioidea 0,0095 Aussenglieder 0,0238 Innenglieder 0,0240 Membrana reticularis 0,0012 Stäbchen- und Zapfenkörner 0,0333 Membrana fenestrata 0,009 Granulirte Schicht 0,0834 Ganglienzellen 0,0072 Opticusfasern 0,0100 Fetttropfen 0,0022 Hirundo rustica verhält sich sehr ähnlich. Man findet etwa 50/, rothe und ebensoviel orangefarbige Oeltropfen, während Falco buteo von beiden zusammen ca. 26%, besitzt. Beide Färbungen sind weniger ausgesprochen, namentlich die erstgenannten Tropfen ganz hellroth. Sänger. Vespertilio murinus. Die Flächenansicht des hesperopischen Auges lässt am frischen Präparat keine Zapfen erkennen. Macht man senkrechte Durch- schnitte der gehärteten Retina, so zeigen sich die wahren Verhält- nisse: die Stäbchen-Aussenglieder sind relativ lang und fein, die Innenglieder der Stäbchen und Zapfen dünn und kurz; daher werden diejenigen der Zapfen in der Flächenansicht verdeckt, die Zapfen- fasern aber sind als solche deutlich zu erkennen. Aehnlich zeigt sich der Bau der epithelialen Schicht bei anderen nykteropischen Säugethiere. Dies wurde für die Maus, Hyäne und Igel bereits früher von mir!) nachgewiesen, gilt auch für den 1) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 31. 780 W. Krause; Iltis und ohne Zweifel ebenfalls für den platyrhinen Nachtaffen (Nyctipithecus felinus), bei welchem M. Schultze!) die Zapfen vermisst hat. Cavia cobaya. Beim Kaninchen und Meerschweinchen hatte der letztgenannte Forscher nur »Andeutungen von Zapfen« gefunden. Schon früher hatte ich?) dagegen solche für das Kaninchen constatirt und abge- bildet. Was das Meerschweinchen betrifft, so wird der Holzschnitt (S. 772) genügen. Wie bei den nächtlichen Thieren im Allgemeinen, sind die Aussenglieder der Zapfen (und Stäbchen) relativ lang, die Zapfen selbst aber keineswegs rudimentär. Lepus cuniculus. In einer früheren Abhandlung hatte ich®) darauf hingewiesen, dass an der frischen (überlebenden) Retina des Kaninchens die Sub- stanz der Ganglienzellen vollkommen klar und farblos erscheint und das unter dort angebenen Vorsichtsmassregeln zu erhaltende Bild für ein prachtvolles erklärt. Jene Beobachtung ist seitdem von M.Schultze*) und für mehrere Säugethiere (Kaninchen, Schaf, Rind) von Schwalbe) bestätigt worden. Mustela putorius. Beim Iltis gleichen die Zapfen im Allgemeinen denjenigen des Hundes oder der Hyäne. Die Dimensionen betragen: | Zapfen. | Stäbchen. Aussenglied. | Innenglied. | Aussenglied. | Innenglied. Länge. 0,006 0,011 0,018 0,006 Dicke. 0,001 0,003 0,0014 0,0015 1) Sitzungsber. d. niederrhein. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde. 1872. 2) Anatomie des Kaninchens. 1868. S. 129. Membrana fenestrata der Retina. 1868. Taf. II. Fig. 38. 3) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S, 38, 4) Stricker’s Handb. der Lehre von den Geweben. 1872. S. 985. 5) Jenaische Zeitschr. f. Mediein u. Naturwiss. 1875. (Sep.-Abdr. S. 26.) Die Nerven-Endigung in der Retina. 781 Felis catus. Die Zellen, aus welchen die Membrana fenestrata sich zu- sammensetzt, lassen sich nach etwas längerer Maceration des ge- öffneten Bulbus in 0,01°/,iger Chromsäure bequem isoliren. Sie sind sternförmig, platt, z. B. 0,023 lang, 0,0085 breit, während der ebenfalls platte Kern 0,011 Länge auf 0,007 Breite misst. Die Zellen-Ausläufer zeigen öfters dreieckige Anschwellungen an ihren Theilungsstellen. Mensch. Im Purpurin hat Ranvier!) ein Mittel erkannt, um Gang- lienzellen von Bindegewebszellen der Neuroglia zu unterscheiden Die Kerne der letzteren tingiren sich intensiv; diejenigen der Gang- lienzellen aber nicht. Die Anwendung des Reagens auf die Retina ergab brillante Färbung beider sog. Körnerschichten. Von den Zapfen- und Stäbchenkörnern ist es freilich schon auf anderem Wege (s. oben) nachgewiesen, dass sie Kerne von Epithelialzellen repräsentiren. Immerhin ist die Entschiedenheit bemerkenswerth, mit welcher Ranvier auch die Gesammtmasse der (inneren) Körner für nicht- nervös erklärt. Ob diese Reaction als genügend anzuerkennen, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls ergiebt sich von Neuem, dass zwar die übrigen Retinaschichten ihrem Bau nach durch die heutigen Hülfs- mittel aufgeklärt worden sind, dass aber die durch ihre Lage schon am wenigsten zugängliche (innere) Körnerschicht dem Verständniss am meisten Schwierigkeiten darbietet. Recurrirt man auf die Fische, so fragt sich, ob nicht auch bei Säugern Homologa der Membrana perforata und des Stratum lacu- nosum nachzuweisen wären. In der That hat Reich?) für die Katze lange, horizontal gelagerte, bandartige Fasern — »die sehr selten einen Kern enthalten« — als innerste Lage der sog. Zwischenkörner- schicht beschrieben. Dabei war vorzugsweise 1—1,5°/sige Ueberos- miumsäure benutzt worden. Es sind dieselben Fasern, welche M. 1) Arch. d. physiol. par Brown-Sequard. 1874. S. 761. 2) Schwalbe’s Jahresbericht f. 1873. S. 228. Die Uebersetzung des betreffenden Original-Passus verdanke ich der ausserordentlichen Zuvor- kommenheit von Prof. Hoyer in Warschau. 782 W. Krause: Schultze!) und Schwalbe?) (beim Pferd) aus verdünnteren Lösungen als horizontal verlaufende varicöse Nervenfibrillen be- schrieben haben. Ferner konnte ich in einem mit H. Müller’scher Flüssigkeit behandelten, unmittelbar nach dem Tode eingelegten menschlichen Auge von den Zellen der Membrana fenestrata eine zweite glaskörperwärts gelegene Lage platter, mehr körniger Zellen (Membrana perforata) unterscheiden. Wie Merkel?) an der Macula lutea des Menschen gefunden und Reich (l. c.) beim Hecht sowie Schwalbe) (beim Frosch) be- stätigt haben, ist der chorioidealwärts gerichtete Ausläufer der Korn- faser, welche jedes (innere) Korn entsendet, dicker als der nach dem Glaskörper zu verlaufeude Fortsatz. Dasselbe lässt sich auch im Haupttheil der übrigen Retina mitunter nachweisen (Allg. Anat. S. 163). Endigung des Sehnerven. Von H. Müller) datirt die allgemein verbreitete, durch Kölliker®), M. Schultze?), Schwalbe°) u. A. mit gewichtigen Gründen unterstützte Annahme, dass in den Stäbchen und Zapfen die wahre Endigung des N. opticus gegeben sei. Mannigfache Be- mühungen der verschiedensten Forscher waren darauf gerichtet, eine anatomische Continuität zwischen Aussengliedern und Sehnerven- fasern durch die zahlreichen Zwischenglieder der Retinaschichten herzustellen. Mit negativem Erfolge! Die Protoplasma-Ausläufer der Gang- lienzellen sind es, mit deren feinsten Endspitzen unsere gesicherte Kenntniss aufhört. Wohl glaubten einige Beobachter solche Fort- sätze bis in eine Kornfaser resp. ein Korn der (inneren) Körner- schicht verfolgt zu haben. Und andere, namentlich W. Müller (s. oben Alligator S. 770) statuirten den Uebergang der Kornfasern 1) Strieker’s Handb. d. Lehre von d. Geweben. 1872. 8. 991. 2) Graefeu. Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. 1874. 5. 397. 3) Ueber die Macula lutea d. Menschen und die Ova serrata. 1870. S.11. 4) Graefe u. Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. 1874. S. 391. 5) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 1856. Bd. VII. 6) Mikroskopische Anat. Bd. IIP- 1854. 7) Arch. f. mikrosk. Anat. 1866. Bd. II. 8) Graefe u. Saemisch, Handb. d. Augenheilkunde. Bd. I. 1874. Die Nerven-Endigung in‘der Retina. 783 chorioidealwärts in ein vermeintlich nervöses Flechtwerk der Mem- brana fenestrata, oder in Zapfenkegel, resp. Zapfenfasern. Doch müsste man die Uebergänge mit den heutigen Hülfs- mitteln zu Hunderten sehen, wenn sie reell wären. Von der Aus- sichtslosigkeit derartiger Bemühungen überzeugt, liess ich !) hypo- thetischer Weise den Opticus zuletzt mit jenen unipolaren Körnern endigen, welche die am meisten chorioidealwärts gelegene Schicht der (inneren) Körner bilden. Merkel?) sah dagegen in einem Falle ein Kleines plattes Körperchen an derselben Stelle mit einer Kornfaser in Verbindung. Vielleicht sind diese Plättchen jedoch Kerne der Zellen der Mem- brana fenestrata gewesen (Allg. Anat. S. 164). M. Schultze?°) erklärte eine Zeitlang die Grenze des Innen- gliedes gegen das Aussenglied für die Licht-percipirende Stelle ; später) sah er die Aussenglieder selbst für Nerven-Elemente an, und kehrte schliesslich) zur ersteren Hypothese wiederum zurück. W. Müller (l. c.) betrachtet die Stäbchen- und Zapfen- Ellipsoide, die »empfindliche Körper« genannt werden sollen, als die eigentlichen Endapparate. Wäre dies richtig, so könnte man daran denken, eine von mir®) mehrfach abgebildete feine axiale Faser des Zapfen-Innengliedes, welche mit dem Zapfen-Ellipsoid zusammen- hängt, für eine Art von Axencylinder zu halten. Bei dieser Sachlage erscheint es um so nothwendiger, die that- sächlichen Unterlagen nach vergleichend-histologischer Seite hin zu prüfen. Nun lehrt jeder Blick auf eine Vogel-Retina, dass die Aussen- glieder der — Zapfen wenigstens, unmöglich nervöser Natur sein können. Denn sie stehen mit den Innengliedern in keiner leitenden Ver- bindung; letztere wird durch die gefärbte Oelkugel unterbrochen, welche das chorioideale Ende des Innengliedes ganz und gar aus- füllt und ihre optische Bedeutsamkeit noch dazu vermöge ihrer ver- schiedenen Tingirung so auffällig zu erkennen gibt. Auch der Ver- 1) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. Taf. II. Fig. 21. 2) Ueber die Macula lutea u. die Ova serrata. 1870. Taf. I. Fig. 7. 3) Arch. f. mkrosk. Anat. 1866. Bd. II. S. 259. 4) Arch. f. mikrosk. Anat. 1867. Bd. III. S. 242. 5) Stricker’s Handb. d. Lehre v. d. Geweben. 1872. S. 1006. 6) Anat. Untersuchungen. 1861. Taf. II. Fig. 5. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 648. Die Membrana fenestrata d. Retina. 1868. Taf. IL. Fig. 26. Allgemeine Anatomie. 1876. S. 156. Fig. 90, B. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12. 51 784 W. Krause: such, einen Axencylinder sich durch den Fetttropfen hindurch fort- setzen zu lassen, erscheint hinfällig. Weder nach innen noch nach aussen ist am Oeltropfen ein solcher nachzuweisen, dessen Fort- setzungen doch vorhanden sein müssten. Chorioidealwärts folgt die leicht in Plättchen zerfallende Substanz des Aussengliedes; Glaskörper- wärts das Zapfen-Ellipsoid. Auch in der Nachbarschaft des Oel- tropfens bleibt also für einen Axencylinder kein Raum und was den im Centrum des ersteren sichtbaren Punkt anlangt, so wurde seine Bedeutung oben schon (S. 762— 764) erläutert. Was einem beiläufigen Kenner der Retina leicht als ein wesent- liches Unterstützungsmittel des Raumsinnes zu imponiren pflegt: die so überaus regelmässige, Pallisaden-ähnliche Anordnung der Stäb- chen und Zapfen — verliert leicht seine Beweiskraft. Dieselbe regel- mässige Anordnung ist eigentlich für jedes cylinderförmige Epithel, z. B. das homologe des Centralkanals im Rückenmark, selbstver- ständlich. Sie kehrt nicht minder im Riech-Epithel der Regio ol- factoria wieder, obgleich die Fasern des Geruchsnerven der Fähigkeit, getrennte Raumempfindungen zu vermitteln, entbehren. In der That fehlt die anatomische Möglichkeit einer Projection der Objeet- bilder auf ein regelmässiges Mosaik fast in keiner der übrigen Retina-Schichten : sie ist am deutlichsten, wenn eine grosse Kugel- schale aus einer Lage gleichgrosser dicht aneinanderstossender Körner sich zusammensetzt, wie es gerade bei der am meisten chorioideal- wärts befindlichen einfachen Lage unipolarer (innerer) Körner der Fall ist. Vielleicht waren es aus ähnlichen Betrachtungen wie die obigeüber dieOeltropfen hergenommeneGründe, welcheM.Schutze!) in einer früheren Arbeit veranlassten, die Endigung des N. opticus zwischen den Stäbchen und Zapfen zu suchen. Nämlich in den von mir sogenannten Nadeln der Membrana reticularis, die Flesch ?) neuerdings bei Coluber als Faserkelche beschrieben zu haben scheint. Die von Letzterem daran geknüpfte Hypothese, dass diese Anhänge einer cuticularen Bildung die Endigung des Sehnerven darstellen, braucht wohl nicht besonders widerlegt zu werden, daM. Schultze?°), von dem jene Hypothese herrührt, sie selbst nicht mehr aufrecht erhalten wollte. Sie resultirte offenbar nur aus dem Streben, Nerven- 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. V. S. 400. 2) Verhandl. d. physik.-medic. Gesellsch. zu Würzburg. 1875. Bd. VII. 3) Stricker’s Handb. z. Lehre von den Geweben. 1872. S. 1007. Die Nerven-Endigung in der Retina. 185 fibrillen mit Umgehung des abschliessenden Oeltropfens an das Aussenglied heranzubringen. Zufolge eines plysiologischen Versuchs von H.Müller!) wurde allgemein in der Parallaxe der Gefässfigur ein weiterer Beweis für die nervöse Natur der Stäbchen und Zapfen gesucht. Im Wider- spruch gegen die aus jenem sinnreichen Experiment gezogene Folge- rung benutzte ich?) letzteres anderweitig zur Begründung eines schon von Goodsir?) aufgestellten Satzes. Dass nämlich bei den Wirbelthieren nur das aus dem Hintergrunde des Auges nach der bekannten Theorie von Brücke?) zurückgespiegelte, nicht aber das direct auffallende Licht empfunden werde. Hierdurch ist zugleich die Analogie mit dem Auge Wirbelloser hergestellt, insofern letztere ihre Krystallkegel nach aussen, dem Lichte entgegengewendet tragen. Für die gewöhnliche Annahme von der nervösen Natur der Stäbchen- und Zapfenschicht ist es ferner ein auffälliger Umstand, dass Stäbchen und Zapfen auch hinter den weissen Opticusbündeln der Retina des Hasen und Kaninchens vorhanden sind. Nach Be- obachtungen an Menschen, welche mit einem ähnlichen Verhalten als Varietät behaftet waren, hat aber die letztere sich als einem ver- längerten blinden Fleck physiologisch gleichwerthig herausgestellt. Die Resultate der Sehnervendurchschneidungen sind bekannt. Nach vielen misslungenen Versuchen war es Lehmann?) ein ein- ziges Mal geglückt, die Stäbchenschicht des Hundes bei nachträg- licher Untersuchung durchaus unverändert zu finden. Das betreffende Experiment war leider gänzlich in Vergessenheit gekommen, bis ich®) (beim Kaninchen) zeigte, dass bei der nöthigen Vorsicht der Erfolg constant eintritt. Zugleich wurde nachgewiesen, dass auch die Ganglienzellen der Retina an der fettigen Entartung theilnehmen, . ohne welchen Nachweis aber durchaus keine bindenden Schlüsse aus den Opticus-Resectionen gezogen werden konnten. Ausserdem 1) Verhandl. d. physik.-medie. Gesellsch. zu Würzburg. 1855. Bd. V. Ss. 411. 2) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 49. 3) Proceed. of the royal society. Edinb. 6. Apr. 1857. S. a. Anat, Memoirs of J. Goodsir, edit. by W. Turner. 1868. Vol. I. S. 273. 4) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. $. 444. 5) Exper. quaed. de N. opt. dissert. ad retin. text. Diss. Dorp. 1857. 6) Die Membrana fenestrata d. Retina. 1868. S. 35. 786 W. Krause: war es bis dahin unbekannt, dass unter analogen Verhältnissen keine Atrophie der betrefienden Nervenbahnen eintritt. Im Gegen- theil sind eine Menge von Fällen constatirt, in denen sämmtliche Ganglienzellen und Nervenfasern zugleich mit Atrophie des N. opticus zu Grunde gegangen waren. Wenn Hensen!) daher meint, es könne eine Ganglienzelle auch dann noch functioniren, wenn in der- selben etwas Fett aufgetreten sei, so ist dabei übersehen, wie diese Einwendung ein einzelnes Glied eines successiv ablaufenden Vor- ganges willkürlich herausgreift. Denn nach absoluter Atrophie, voll- ständigem Verschwinden der Ganglienzellen muss doch wohl auch ihre Funktion aufhören. Und dennoch bleibt unter diesen Umständen, worauf von mir?) aufmerksam gemacht wurde, die Stäbchen-Zapfen- Schicht in ihrer Integrität erhalten. Dass bei Anencephalen die epitheliale Schicht der Retina sich als normal herausstellt (von Wahl), Manz), stimmt mit den Resultaten der Opticusdurchschneidung vollkommen überein. Stellen wir nun die Gründe nochmals kurz zusammenn, welche gegen die Hypothese einer anatomischen Continuität der Opticus- fasern mit den Epithelialzellen der Retina resp. den Stäbchen und Zapfen sprechen: 1. Die Zapfenkegel und Stäbchenkegel stehen mit den binde- gewebigen Zellen der Membrana fenestrata und den unzweifelhaft bindegewebigen radialen Stützfasern in Zusammenhang. 2. Die Parallaxe der Gefässfigur erklärt sich unter Annahme, dass das in der Richtung von der Chorioidea her percipirte Licht empfunden werde. 3. Die Resultate der Opticusdurchschneidungen, resp. der Be- fund bei Anencephalie. 4. Die Aussenglieder werden durch die farbigen Oeltropfen der Vögel und Amphibien ausgeschlossen. 1) Arch. f. mikrosk. Anat. 1868. Bd. IV. S. 349, 2) Die Membrana fenestrata der Retina. 1868. S. 41. 3) De retin. textur. in monstro anencephal. disquis. mier. Diss. Dorpat. 1859. 4) Arch. f. pathol. Anat. 1870. Bd. 5l. S. 347. Die Nerven-Endigung in der Retina. 787 5. In den Aussengliedern (Plättchenzerfall), in den Innengliedern (Fetttropfen, ellipsoidische, linsenförmige, paraboloidische, hyper- boloidische Körper mancher Thiere: s. Allg. Anat. S. 159), in den Stäbehen- und Zapfenkörnern (Querstreifung) finden sich eben so viel Vorrichtungen realisirt, die unzweifelhaft dioptrische etc. Be- deutung haben. 6. Die Epithelialzellen der Retina stammen vom Ectoderm. An dem einzigen Orte, wo die Endigung von Nervenfibrillen in homologen Zelllagen mit Sicherheit constatirt ist, geschieht sie zwischen den Zellen (Vorderes Epithel der Cornea), wie Cohn- heim gezeigt hat. Ist die epitheliale Schicht der Retina auch nicht mit Nerven- fasern in Continuität, so influirt sie doch nach dem Gesagten un- zweifelhaft wesentlich auf den Gang der Lichtwellen im Auge. Sie kann daher mit Recht als Sinnes-Epithel der Retina bezeichnet werden. Da die W. Müller’sche Theorie (S. 783) von den licht- empfindlichen Ellipsoiden der Innenglieder durch die angeführten Gründe ebenfalls unhaltbar wird, so bleibt nichts übrig als die wahre Endigung des N. opticus an der Grenze zwischen epithelialer und nervöser Schicht, d. h. in der Gegend der Membrana fenestrata zu suchen. Diese Stelle erscheint a priori gewiss nicht unwahrscheinlich. Hensen!) hat allerdings gegen meine Vorstellung von den unipolaren (inneren) Körnern eingewendet, dass erstere schon durch den Bau der Fovea centralis widerlegt werde, weil daselbst die (inneren) Körner überhaupt fehlen. Indessen ist die Structur der inneren Retinaschichten an dieser Stelle für nichts weniger als auf- geklärt zu erachten und eben so wenig steht der Vermuthung etwas im Wege, dass daselbst die Endapparate ganz anders, namentlich viel feiner als in der übrigen Retina beschaffen sein dürften, weil die Fovea in physiologischer Hinsicht durch relativ enorme Empfindlich- keit so ausgezeichnet ist. Merkel’s Endapparat wurde bereits oben ($. 783) für binde- 1) Arch. f. mikrosk. Anat. 1868. Bd. IV. 5. 349. 788 W. Krause: gewebig resp. der Membrana fenestrata angehörig erklärt, wobei freilich eine Verwechslung von Kornfasern und radialen Stützfasern vorausgesetzt werden muss. Hat solche nicht stattgefunden, so würde darin die erste Aufdeckung der wirklichen Optieusendigung gegeben sein. In der betreffenden Gegend finden sich nun bei Fischen, am deutlichsten differenzirt bei Petromyzon, die eigenthümlichen Zellen der Membrana perforata. Das Auffallende einer solchen Differen- zirung bei einem niedrigst organisirten Wirbelthiere verliert sich, wenn man erwägt, dass gegenüber unseren Hülfsmitteln diese Diffe- renzirung nichts weiter bedeutet, als dass die Verhältnisse im Ganzen gröber, die Elementartheile absolut etwas grösser und dicker sind, wie dies schon bei den Stäbchen und Zapfen hervortritt. Amphioxus kommt als augenlos nicht in Betracht; Myxine glutinosa ist ein im Dunkeln der Leibeshöhle anderer Fische lebender Parasit und hat möglicherweise rückgebildete perotische Augen. Es ist wohl nicht zufällig, dass M. Schultze und Langer- hans die Zellen der Membrana perforata bei Petromyzon für Gang- lienzellen hielten. Es sind zwar nicht die Ganglienzellen der Retina, wie oben (S. 754) gezeigt wurde. Sie können aber sehr wohl nervös sein, und ihre eigenthümlichen Charaktere wurden ebenfalls bereits oben hervorgehoben. In der Flächenansicht (Fig. 3) bietet die Membrana perforata ein auffallend mosaikähnliches Gefüge. Dass sie von Radialfasern durchbohrt wird, ändert nichts, insofern eine vollständige Ausfüllung des Raumes in Betreff des Bild-auf- fangenden Schirmes keineswegs nothwendig ist, wie schon der blinde Fleck im Grossen zeigt. — Nach Allem ist die Vermuthung ge- stattet, dass die Zellen der Membrana perforata bei Fischen über- haupt mit dem N. opticus resp. mit Ganglienzellenfortsätzen in Verbindung stehen. Sind sonach die wahren Endapparate des N. opticus bei Petro- myzon durch M. Schultze und Langerhans aufgefunden, wenn auch nicht ganz richtig gedeutet worden, so können ihre Homologa beim Säuger nur entweder in dem Merkel ’schen Plättchen, oder in den unipolaren (W. Krause) Körnern der äussersten Lage der (inneren) Körnerschicht gesucht werden. Vorausgesetzt wird in beiden Fällen, dass der allgemein supponirte Zusammenhang zwischen Kornfasern und Protoplasma-Ausläufern der Ganglienzellen erwiesen sei. Der Weg, welchen die weitere Forschung, so lange die jetzigen Die Nerven-Endigung in der Retina. 789 Hülfsmittel die besten bleiben, zweckmässig einzuschlagen hätte, ist klar vorgezeichnet. Untersuchung einer noch viel grösseren Arten- Anzahl mit Berücksichtigung von Lebensgewohnheiten, Nahrungs- erwerb, geschlechtlicher und natürlicher Zuchtwahl u. s. w. der Thiere ist angezeigt. Hiermit wird das zoologische Gebiet betreten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII. Mit Material für die vorliegenden Untersuchungen wurde ich in zuvor- kommender Weise unterstützt. Namentlich habe ich vielfachen Dank zu sagen den Herren: Prof. Claus, jetzt in Wien; Herrn Egestorf vom Hannoverschen Aquarium; Prof. Ehlers in Göttingen, Dr. Hermes vom Berliner Aquarium; weil. @.C. Kindt in Bremen und Sanitätsrath Riefkohl, früher in Norderney. Die Figuren sind nach der Natur theils von Herrn Peters in Göttingen, theilt von mir gezeichnet. Die Details sind unter Anwendung von Immer- sionslnsen eingetragen ; die Vergrösserungsziffern geben nur die reelle Ver- grösserung an, welche das Object auf der Zeichnung erhalten hat. Die Figuren 9 u. 1) dienen nicht der Erläuterung für den ohnehin bekannten Bau der Retina, sondern allein derjenigen der Membrana fenestrata Mf. Sie stellen auch etwas schräg geführte Durchschnitte dar, was besonders hervorzu- heben ist. Fig. 1 Retina von Petromyzon fluviatilis. Das frische Auge in Müller’sche Flüssigkeit gelegt; gefroren, senkrechter Durchschnitt, Glycerin. Vergr. 500. P Pigmentzellen. a Aussenglieder der Stäbchen zum Theil in Pigment versteckt. est Stäbchen-Ellipsoide. ez Zapfen-Ellipsoide. Mr Membrana reticularis retinae. stk Stäbchenkorn. z2k Zapfenkorn, velches drei Querlinien zeigt. Mf Gegend der Membrana fenestrata. Ip Zellen der Membrana perforata. f Fasern, str Zellen, lac Fasern des Stratum lacunosum (intergranulosum fenestratum von M. Schultze). % (Innere) Körner. op Opticusfasern. r Radiale Stütz- fasern durch die granulirte Schicht verlaufend. @ Ganglienzellen. Mı Membrana limitans (interna). Fig. 2. Reina von Petromyzon fluviatilis. Methode wie Fig. 1.— Stratum lacınosum von der Fläche. H. Müller’sche Flüssigkeit, Carmin, Alkchol, Nelkenöl, Canadabalsam. V. 500. a Lücken. str Kerne der Zellen, die in Fig. 1 ebenso bezeichnet sind. Zac Fasern des betr. Stratum. Fig. 3. Petromyzon fluviatilis. Methode wie in Fig. 1. Zellen der Mem- brana perforata. Vergr. 800. 7 Lücke. Fig. 4. Petronyzon fluviatilis. Methode wie in Fig. 1. Schräger Schnitt 790 Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. W. Krause: Die Nerven-Endigung in der Retina. durch die Opticusfaserschicht. Methode wie in Fig. 1. © Innere Körner. op Opticusfasern. gr granulirte Schicht. Vergr. 500. Retina eines 20 Cm. langen Proteus anguinus, das Auge frisch in 0,1°/, Osmiumsäure eingelegt. Vergr. 500. A. Isolations-Präparate. st Stäbchen. % Stäbchenkorn. — z Zapfen. k Zapfenkorn mit zwei Kernkörperchen. B. Senkrechter Durchschnitt: ein Stäbchen zwischen zwei Zapfen. Das eine Zapfenkorn geht in eine Zapfenfaser zf über, welche mit einem inneren Korn (Radialfaser) zusammenhängt. p Zellen, die wahrscheinlich der Membrana perforata entsprechen. ö Inneres Kom mit grösseren Kernkörperchen nebst Nucleoiulus. C. Flächenansicht. 2 Die kleinen Kreise entsprechen den Aussen- gliedern von Zapfen, die grossen Kreise st von Stäbchen, die äusseren Contouren sind solche von Zapfen resp. Stäbchenkörnerr k. Retina vom Axolotl, das Auge frisch in 0,1°/,ige Osmiumsäurs ge- legt, nach 47 Stunden zerzupft. Vergr. 500. st Stäbchen. «a Aussenglied. e Stäbchen-Ellipsoid. © Innenglied z Zapfen mit langem Cilien-ähnlichem Aussenglied. e Zapfen-Blli- psoid. ö Innenglied, welches vielleicht noch einen linsenförmigen ausser dem ellipsoidischen Körper enthält. k Zapfenkorn. v Zapfen, frisch untersucht, mit wahrscheinlich verstümmeltem Aussengliede. Das Zapfenkorn enthält zwei Kernkörperchen. Flächenansichten aus der Retina des Huhnes. Zweitägige Fehand- lung mit 0,1°/,iger Ueberosmiumsäure. Alkohol, Flächenschnitt, Nelkenöl, Canadabalsam. Vergr. 600. Mr Membrana reticularis (limitans externa). Mf Membrana fenestrata. Ml! Membrana limitans (interna). Doppelzapfen aus der Frosch-Retina.. Nach 24stündigem Einlegen des ganz frisch geöffneten Auges in molybdänsaures Ammoriak von 5°,. H Hauptzapfen. « Aussenglied. i Innenglied mit Fettropfen und Zapfen-Ellipsoid. N Nebenzapfen mit Aussenglied urd Innen- glied; das letztere enthält den birnförmigen Körper. Vergr. 1000. Retina des Menschen. Der Bulbus !/, Stunde nach dem Tode ge- öffnet in Müller’sche Flüssigkeit gelegt. Nach drei Wo:hen feiner senkrechter Durchschnitt vom gefrorenen Präparat. Verg‘. 550. Der Schnitt ist schräg geführt. zZapfen schräg durchschnitten.zstk Zapfen- und Stäbchen-Körnerschicht. Mf Membrana fenestrata in Fächen- ansicht. % (Innere) Körnerschicht. Retina vom Menschen. Alles wie in Fig. 9. Der Schnitt ist nur ganz wenig schräg geführt, die Zapfenschicht daher angeschnitten. z Zapfen. st Stäbchen. zstk Zapfen- und Stäbchen-Eörnerschicht. Mf Membrana fenestrata mit ihren Zellen in Profilansitht. % (Innere) Körnerschicht. gr. Granulirte Schicht. Die übrigen Schichten sind weggelassen. Kurze Mittheilung, mein Mikrotom betreffend. Von Dr. P. Schiefferdecker, Assistent an dem anatomischen Institute zu Strassburg. In Bd. 12 Heft 1 dieses Archivs hatte ich vor einiger Zeit Gelegenheit, ein Mikrotom zu beschreiben, welches ich für praktisch genug hielt, um seine allgemeinere Einführung in den anatomischen Apparatenschatz befürworten zu können. Dasselbe scheint Anklang gefunden zu haben, denn eine Reihe von solchen Instrumenten ver- schiedener Grösse sind nach den verschiedensten Universitäten Deutsch- lands und des Auslandes bestellt worden. Es war daher um so mehr meine Aufgabe, etwaige Unvollkommenheiten, die demselben noch anhafteten, zu verbessern. Eine solche war der feststehende, über * die Schnittplatte hervorragende Zeiger, welcher eine allseitige Messerführung unmöglich machte, und so hinderte, ein Präparat von einer Seite her anzugreifen, die man erst nach dem Einklemmen desselben für die günstigste erkannte. Machte man diesen Zeiger so kurz, dass er auch bei dem tiefsten Stande der Platte nicht über diese hervorragte, wie es bei manchen Exemplaren des Mikrotoms auf Wunsch der Besteller geschah, so leistete derselbe wieder bei hochstehender Platte sehr schlechte Dienste. Ich habe daher jetzt die Einrichtung getroffen, dass dieser Zeiger beweglich gemacht worden ist und in Folge dessen je nach dem Stande der Platte selbst in deren Niveau eingestellt werden kann. Es ist dieses dadurch erreicht worden, dass ich bei den kleinen Mikrotomen den Zeiger an einer die Mikrotomröhre aussen umfassenden federnden Messinghülse, der durch einen Stift ein fester Gang angewiesen ist, befestigen liess. Man schiebt nun jedesmal bei der Niveaueinstellung 792 P. Schiefferdecker: Kurze Mittheilung, mein Mikrotom betreffend. der Platte den Zeiger so weit herauf, dass er mit einer kleinen an ihm befindlichen Platte an die untere Seite der Schnittplatte anstösst. Ist dieses einmal geschehen, so kann man ruhig darauf losschneiden, denn bei dem Herunterdrehen der Platte steigt der Zeiger stets von selbst im gleichen Grade herab, schon durch die Bewegung der Schnittplatte selbst. Ich habe ein solches Mikrotom selbst seit mehreren Wochen probirt und finde es durchaus brauchbar. Eine ähnliche Einrichtung ist bei dem grossen Mikrotom angebracht wor- den, nur dass hier nicht der Zeiger an einer federnden Hülse be- festigt ist, was zu viel Reibung geben würde, sondern dass er als dreieckiger Stift in einer federnden Hülse läuft. Die Herabbewegung wird hier gleichfalls durch das Drehen der Schnittplatte selbst be- wirkt. Die mit der eben beschriebenen Einrichtung versehenen Appa- rate liefert Herr Mechanikus Maier hierselbst zu demselben Preise wie die früheren. Ebenso ist derselbe erbötig, die neue Einrichtung an den bereits gelieferten ältern Apparaten gegen ein Geringes anzubringen. Knochenmark und Blutkörperchen. Eine Berichtigung von Prof. E. Neumann in Königsberg ı. Pr. u In der medizinischen Literatur der letzten Jahre findet sich mehrfach die Angabe verbreitet, dass das physiologische Vorkommen kernhaltiger rother Blutzellen im Knochenmark und damit die blut- bildende Funktion dieses Organs, unabhängig von mir, auch von Herrn Bizzozero aufgefunden worden. Als Beispiel sei nur die jüngst erschienene Schrift von Langer »über das Gefässsystem der Röhrenknochen« angeführt, in welcher die Angelegenheit auf p. 16 in dieser Weise dargestellt wird. Dass diese Darstellung indessen auf einem Irrthum und zwar auf einem durch entstellende Referate, mit deren Lektüre sich manche Autoren begnügt haben, ohne in die Originalschriften Einsicht zu nehmen, veranlassten Irrthum beruht, habe ich bereits früher in einer gelegentlichen Anmerkung (Archiv f. Heilkunde Bd. XI p. 11) hervorgehoben; da dieselbe nicht beachtet worden, so möchte ich der weitern Vererbung des Irrthums dadurch entgegentreten, dass ich meine damals abgegebene Erklärung, den obigen Fund für mich allein in Anspruch zu nehmen, durch eine kurze historische Darlegung begründe. Nachdem ich im Juli 1868 die ersten sicheren Beobachtungen über embryonale Blutzellen im rothen Knochenmark Erwachsener gemacht hatte, veröffentlichte ich eine kurze Notiz hierüber in dem Centralblatt f. d. medizin. Wissenschaft. (10. Oktober 1868) und sandte alsbald eine ausführliche Arbeit über denselhen Gegenstand 794 E. Neumann: an die Redaktion des Archivs für Heilkunde, welche bereits im Dezember desselben Jahres im Drucke erschien (Bd. X p. 68). In die Zeit zwischen dem Erscheinen meiner vorläufigen Mittheilung und der ausführlichen Abhandlung fällt eine Publikation des Herrn Bizzozero »sulla funzione ematopoetica del midollo delle ossa« in in der Gazetta Medico Italiano-Lombardia vom 14. November 1868. Auf diese Publikation, die wohl nur von wenigen deutschen Fach- genossen gelesen sein dürfte, werden die Ansprüche Bizzozero’s auf die selbstständige Auffindung der in Rede stehenden Funktion des Knochenmarks zurückgeführt; mit wie wenig Recht, ergiebt sich aus folgender Angabe des Inhaltes derselben. B. erinnert in derselben zunächst an eine von Mantegazza und ihm mehrere Jahre zuvor gemachte Beobachtung über kontraktile Zellen im Knochenmark (Sui Corpusculi semoventi del Professor Paolo Mantegazza Bendiconti del Reale Istituto Lombardo Fasc. I Vol. 2 1865) und theilt sodann mit, dass, nachdem er sich durch weitere, jedoch durch andere Arbeiten unterbrochene Untersuchungen des Knochen- marks von der sehr grossen Menge dieser kontraktilen Zellen überzeugt und die grosse Zahl und die Anordung der Gefässe in Betracht gezogen, er darauf hingeleitet worden sei »a pensarce che il midollo potesse essere considerato come an organo ematopoetico per excellenza« und dass er diese »idee« auch gegen Mantegazza, Golgi u. A. aus- gesprochen und sie denselben an seinen Präparaten demonstrirt habe. Nachdem er durch seine eigene Untersuchungen soweit ge- langt, habe er, so berichtet B. weiter, von einer Ferienreise zurück- gekehrt, meine vorläufige Mittheilung im Centralbl. f. d. mediz. Wiss. vorgefunden und diese habe ihn veranlasst, den Gegenstand wieder aufzunehmen. Es folgen nunmehr .einige Angaben über den Bau des Knochenmarks, welche natürlich als das gemeinschaftliche Resultat der älteren selbstständigen und der neueren, nach Kennt- nissnahme meiner Mittheilung fortgeführten Beobachtungen anzu- sehen sind. Hier wird nun auch der gefärbten kernhaltigen Elemente Erwähnung gethan, von denselben jedoch, wie es aus der grossen Eile erklärlich ist, mit der diese Nachuntersuchungen betrieben wurden (dass nur wenige Wochen auf sie verwandt worden waren, ergiebt sich aus den oben mitgetheilten Zeitangaben) eine durchaus unzu- treffende Beschreibung gegeben. Eine richtige Beschreibung dieser Elemente gab Bizzozero erst in seiner Schrift: sulla midollo delle ossa Napoli 1869, nachdem Knochenmark und Blutkörperchen. 795 ihm inzwischen auch meine ausführlichere Arbeit, in welcher diese Beschreibung zuerst enthalten ist, bekannt geworden war. Es kann hiernach also keinem Zweifel unterliegen, dass B. erst durch meine Notiz im Centralblatt von der Existenz der embryonalen Blutzellen im Knochenmark, welche den Beweis für die blutbildende Funktion desselben liefern, Kenntniss erhalten hat und dass er selbst zur Zeit seiner ersten nach Kenntnissnahme meiner Notiz geschrie- benen Veröffentlichung die Beschaffenheit derselben noch nicht richtig erkannt hatte. Wenn daher in einem Referat im Centralbl. f. d. mediz. Wiss. (1869 p. 228) gesagt wird, dass Bizzozero »unab- hängig von mir das Knochenmark untersuchte und zu übereinstim- menden Resultaten gelangte«, so hat der geehrte Herr Referent (Boll) nur vergessen hinzuzufügen, dass diese Untersuchungen, so- weit sie unabhängig von den meinigen geführt worden waren, zu keinem bestimmten Resultate geführt hatten, vielmehr nur eine auf sehr schwachen Füssen stehende Vermuthung (»idee«) bei Herrn B, erweckt hatten. Schliesslich kann ich nicht umhin, hier auf ein Missverständ- niss hinzuweisen, welches, wie mir scheint, die Lehre von der blut- bildenden Funktion des Knochenmarkes augenblicklich bedroht und an dem ich selbst mich nicht ganz unschuldig fühle. Es besteht dasselbe darin, dass man geneigt ist, die Geltung des Knochen- markes als blutbildenden Organs von der Auffindung von »Ueber- gangsformen« zwischen farblosen und rothen Blutzellen abhängig zu machen, so haben sich z. B. neuerdings Ranvier (Trait& t&chnique d’histologie p. 324) und ebenso sein Schüler Morat (Contributions a Petude de la moelle de os These Paris 1873) zweifelnd gegenüber dieser Lehre ausgesprochen, weil sie sich nicht davon überzeugen konnten, dass wirklich solche Uebergänge zwischen beiden Zellformen im Marke zu finden wären. Hiergegen ist zu bemerken, dass die Anerkennung der Bedeutung des Knochenmarkes für die Entwickelungderrothen Blutkörperchen vollständig unabhängig ist von dem Nachweise einer Umbildung farbloser Blutzellen in farbige. Dass in dem Knochenmarke kernhaltige gefärbte Blutzellen vorkommen, welche mit den Blut- zellen des Embryo identisch sind, ist eine Thatsache, über die sich Jeder leicht vergewissern kann, der die von mir angegebene Unter- suchungsweise anwendet und wenn die Herren Ranvier undMorat dieselbe bezweifeln, so kann dies nur darin seinen Grund haben, 796 E. Neumann: Knochenmark und Blutkörperchen. dass sie meine Abhandlung im Archiv für Heilkunde, wo ich meine Untersuchungsmethode beschrieben habe, nicht kennen. Diese That- sache allein genügt, um die in Rede stehende Funktion des Knochen- markes sicherzustellen. Die Bezeichnung der kernhaltigen rothen Blutzellen als »Uebergangsformen« zwischen farblosen und farbigen Elementen involvirt aber eine Hypothese über ihren Ursprung, in Bezug auf welche ich mich früher vielleicht mit zu grosser Zuver- sichtlichkeit geäussert habe und bei deren Beurtheilung neuere Unter- suchungen (Embryonale Blutbildung in der Leber, Archiv f. Heil- kunde Bd. XV) mir grössere Reserve auferlegen. Ich möchte daher es für das Beste halten, wenn man die Bezeichnung der kernhaltigen rothen Blutzellen als »Uebergangsformen« vorläufig ganz fallen liesse und dafür entweder den Ausdruck »embryonale rothe Blutzellen« oder »Entwicklungsformen« gebrauchte. Ueber die Genese der Samenkörper. Von v. 1a Valette St. George. Vierte Mittheilung. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV. Die Spermatogenese bei den Amphibien. Fortgesetzte Untersuchungen über die Entstehung der Form- elemente des Samens haben mir Resultate geliefert, welche vielleicht geeignet scheinen dürften, über dieses, trotz vielfacher und sorg- fältiger Beobachtung, noch immer dunkle und von den divergentesten Ansichten beherrschte Thema etwas mehr Licht zu verbreiten, sowie die abweichenden Anschauungen der bisherigen Bearbeiter unter all- gemeinen Gesichtspunkten zu vereinigen. . Eigene Beobachtung. & Weniger, um meine früheren Mittheilungen über die Samen- entwickelung bei den Amphibien zu verificiren, als zur Berichtigung entgegenstehender Angaben, begann ich während der Sommer- und Herbst-Monate, in denen die Geschlechtsprodukte der Amphibien für die ehelichen Freuden des künftigen Jahres bereits vorbereitet wer- den, die Entwickelung der Samenelemente bei den Gattungen Triton, Salamandra, Rana, Bombinator und Bufo unter Anwendung ver- schiedener, sich gegenseitig controllirender Methoden zu erforschen und dehnte diese Studien an eingesammeltem Materiale bis zum 798 v. 1a Valette St. George: Februar aus. Für die Untersuchung des lebenden Gewebes an, so- weit es möglich, feinen Schnitten und Zerzupfungspräparaten wurde stets die Augenflüssigkeit des verwendeten Thieres entnommen. Zur Erhärtung und Conservirung benutzte ich Ueberosmiumsäure von 1—0,1°/. Nachdem eine leicht bräunliche Färbung der vorher an- geschnittenen Hoden eingetreten war, goss ich die Flüssigkeit ab und ersetzte sie durch Müller’sche Lösung. Durch Einlegen in absoluten Alkohol und nachherige Beobachtung unter Glycerin ge- wann ich ebenfalls sehr schöne Uebersichtsbilder. Die Entwicklung des Samenkörperchens aus der Zelle kann dagegen nur an lebenden Objecten mit Erfolg studirt werden. Um den besten Anknüpfungspunkt für das bereits früher Er- forschte zu gewinnen, will ich eine ausführliche Darlegung der Ver- hältnisse, wie sie bei Rana temporaria (platyrhina) zur Anschauung kommen, in den Vordergrund stellen. Rana temporaria. Feine Schnitte durch die Hodensubstanz des braunen Land- frosches zur Zeit des Erwachens oder Wiedererwachens der geschlecht- lichen Thätigkeit gewähren auf dem Quer- oder Längsschnitt der Samencanälchen treffliche Bilder der ersten Entwickelungsstadien der Samenkörper. Von der inneren Peripherie des Canales sieht man kugliche keulen- oder cylinderförmige Voörsprünge sich er- heben, welche in radiärer Richtung nach dem Centrum oder der Axe hin verlaufen (Fig. 1). Diese Gebilde stehen nach aussen mit der Wandung des Canales in Verbindung, gegen das Lumen zu zeigen sie Ein- und Ab- schnürungen (Fig. 2). Man wird leicht in ihnen die von mir früher schon beschriebenen »Hodenkugeln« wiedererkennen. Diese Spermatocysten, wie ich sienennen will, deren Inhalt später zur Sprache kommen soll, besitzen eine zarte, häutige, mit Kernen versehene Membran als nächste Umhüllung. Die Kerne sind glatt, rund oder oval; meist zeigen sie ein einziges stark glänzendes Kernkörperchen. Sie liegen in der Cystenhaut drin, wie man bei der Seitenansicht sehr wohl wahrnehmen kann. Ihre Zahl ist ver- schieden, man sieht gewöhnlich nur einen oder zwei derselben (FIR. 8% 6,7). Ueber die Genese der Samenkörper. 799 Zu jener Membran, welche sich am Besten an isolirten Cysten erkennen lässt, Kommt nun noch eine zweite Gewebsbildung hinzu, welche an Schnitten erhärteter Hoden, namentlich, wenn man dieselben etwas auspinselt, mit Leichtigkeit aufzufinden ist und offen- bar die Bestimmung hat, den Sameneysten eine stärkere gegenseitige Abgrenzung zu gewähren. Es ist dies eine zarte bindegewebige Haut, welche der Innenfläche der Wandung des Samenkanälchens aufliest, von dort in radiären und querverlaufenden Septen zwischen den Cysten hindurchzieht, um diese in die von ihr gebildeten Hohl- räume allseitig einzubetten. Ich nenne sie die Follikelhaut. Die dem Lumen des Canals zugekehrten Cysten, wenn ein solches vorhanden ist, was nicht immer der Fall zu sein scheint, werden ebenfalls von dieser Membran überzogen, kurz sie bildet ein den ganzen im Bereiche der Spermatocysten liegenden Raum durch- ziehendes Stützgewebe, in welches diese selbst eingelagert sind (Fig. 3). Durch ovale, runde, oft an einem Ende abgestumpfte, platte Kerne mit mehreren Kernkörperchen wie echte Bindegewebskerne wird ihr Weg gekennzeichnet. Daneben führt sie noch kleine Kügel- chen, welche sich in Ueberosmiumsäure tief schwarz färben und dem- nach Fetttröpfchen zu sein scheinen (Fig. 3, 8). Die von ihr gebildeten Follikel wachsen mit der Reife der Cysten, sie vergehen mit der Entleerung des Inhaltes der letzteren. Man könnte wohl versucht werden Follikel- und Cystenmembran zu identificiren, bis man sich die Ueberzeugung verschafit hat, dass erstere ein zusammenhängendes Ganzes bildet, dessen Continuität erst durch mechanischen Eingriff von aussen oder durch die voll- endete Entwickelung dessen, was sie beherbergen, gelöst wird. Beim Aufschneiden oder Zerzupfen des Hodenparenchyms fallen immer einzelne Cysten aus ihren Follikeln heraus und können dann leicht isolirt untersucht werden. In seltenen Fällen haftet ihnen noch ein Fetzen der Follikelmembran an. Die Kerne beider Häute zeigen wie diese selbst einige Ver- schiedenheit. Die Cystenkerne sind grösser, heller und meist mit einem grossen, runden, glänzenden Kernkern versehen. Die Follikel- kerne zeigen granulirten Inhalt und sind von denen des zwischen den Canälchen liegenden Gewebes nicht zu unterscheiden. Auch erscheint der optische Durchschnitt der Follikelhaut viel Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 12, 52 800 v. la Valette St. George: dicker, als der der Cystenmembran und leicht nach der Längsrichtung gestreift. Sehr lebhaft hat mich die Frage nach der Entstehung jener beiden Häute beschäftigt, doch ist es recht schwierig beim erwachsenen Thiere darüber vollständig ins Klare zu kommen. An der Hand der Entwickelungsgeschichte der Genitaldrüsen, zu deren Studium mir leider bei der Ausarbeitung meines Themas das Material fehlte, würde es leichter sein, volles Verständniss darüber zu gewinnen. Es möchte dabei vor Allem die erste Bildung der Hodencanälchen in Bezug auf ihren Inhalt in Betracht zu ziehen sein. Bei den jüngeren von mir untersuchten Exemplaren des braunen Frosches sah ich diese, nach aussen vollständig abgeschlossen, in ziemlich gestreckter Richtung concentrisch zu einem Maschennetze hin verlaufen und darin einmünden (Fig. 81), wie dies auch die Beobachtung v. Leydig’s!) bei Rana temporaria darthut, dem ich demnach gegen Lereboullet?) vollständig beistimmen kann. Für die vorliegende Untersuchung ist die Form der samenbildenden Höhlen ziemlich gleichgültig. Doch will ich noch bemerken, dass beim weitern Wachsthum der Drüse diese Ganäle vielfache Schlängelungen oder Ausbuchtungen eingehen müssen, wie daraus hervorgeht, dass man beim reifen Hoden auf jedem Schnitte, sowohl der Quer- als der Längs- achse nach, vielfach auf reine Querdurchschnitte derselben stösst. Auf der inneren Wandung der Canälchen fand sich, in fein- körnige Zellsubstanz eingebettet, welche weniger in einzelne Zellen als nach dem Lumen des Schlauches abgegrenzt erschien, eine Lage grosser, runder, heller, mit je einem glänzenden Kernkörperchen versehenen Kerne®). Aus dieser epithelialen Auskleidung der Canäle, welche man das Keimlager nennen kann, scheinen die Follikel und 1) F. Leydig, Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin 1853. S. 67, $ 62. 2) Lereboullet, Recherches sur l’anatomie des organes genitaux des animaux vertebräs. Breslau et Bonn 1851, p. 25, Fig. 23. 3) An frischen Zerzupfungspräparaten älterer Frösche fand ich, doch höchst selten, Zellen mit breiten Fortsätzen, einem grossen hellen Kerne und runden glänzenden Kernkörperchen, sehr an Sertohi’s »cellule ramificate« erinnernd (Fig. 12). Ich vermuthe, dass dieselben ebenfalls aus dieser Gegend herstammten und flächenhaft ausgebreitet die Lücken zwischen den Basalenden der Follikel ihre Lage haben und zum Aufbau der Samenelemente dienen, dem- nach wohl mit den gleich zu beschreibenden Ursamenzellen identisch sein werden- Ueber die Genese der Samenkörper. 801 Cysten hervorzugehen, in der Weise, dass eine Zelle, welche die An- lage zur Cyste bilden soll, von einer Anzahl ihrer Nachbarinnen, welche sich zum Follikel vereinigen, umwachsen wird. Ich muss jedoch ausdrücklich bemerken, dass ich diesen Bildungsmodus nur erschliesse, nicht aber durch Autopsie kennen gelernt habe. Schon fertige, jedoch noch junge Follikel, die jüngsten Formen der Cysten einschliessend, wurden dagegen häufig beobachtet, sowohl in Ver- bindung mit der Innenwand der Canäle, als auch von dieser mecha- nisch abgelöst. Diese jungen Follikel stehen alle unter sich im Zu- sammenhang durch mehr oder weniger breite einfache Gewebstheile, ihre Hohlräume dagegen sind gegen einander vollständig abge- schlossen (Fig. 3). Sie führen eine grosse Zahl von Kernen, deren Epithelbegrenzung sich jedoch auch mit Silberbehandlung nicht nachweisen lässt. Am deutlichsten tritt die Follikelmembran bei Alkoholpräparaten hervor, welche man unter Glycerin untersucht; die Ueberosmiumsäure conservirt sie weniger gut. Daher rührt die Verschiedenheit, welche man in der bildlichen Darstellung (vergl. Fig. 2 und 3) finden wird. Ich komme jetzt zur Beantwortung der Frage nach Entstehung der Spermatocysten. Die Genese dieser Gebilde ist eine sehr merkwürdige und eigen- thümliche, Wenn ich sage: die ganze Cyste,sammt deren Membran als Inhalt entsteht aus einer einzigen Zelle, so darfich wohl bei nicht wenigen meiner Leser ein gelindes Bedenken voraussetzen. Vielleicht wird solches durch eine möglichst objective Darstellung des Gesehenen beseitigt. Als jüngstes Stadium der Spermatocysten fand ich eine Zelle mit grossem runden Kerne, ebenfalls rundem glänzenden Kernkern und einer dünnen Schicht feinkörniger Zellsubstanz, eingebettet in die Höhle des Follikels. Ich nenne sie die Spermatogonie oder Ursamenzelle. Zwischen dem körnigen Protoplasma und der Follikelwand blieb meist noch ein heller, wie man «wohl annehmen darf mit durchsichtiger Zellsubstanz angefüllter Raum. Andere etwas grössere Follikel zeigten den Kern jener Zelle in Zerfall begriffen, in eine geringere und grössere Zahl von Kugel- segmenten eingeschnürt. An jeder einzelnen Stelle, die auch nur die geringste Andeutung einer Einkerbung verrieth, sah man bereits ein helles, glänzendes Kernkörperchen. Die Vermehrung der nucleoli, 802 v. la Valette St. George: ob durch Theilung oder Neubildung entstanden, lässt sich nicht ent- scheiden, geht somit der Kernvermehrung voran. Durch diesen Vor- gang erhält der Kern die bizarrsten Formen und kann sogar trauben- oder maulbeerähnlich werden. Mehrmals sah ich Kerne sich abspalten und mit einem schmalen Protoplasmamantel umgeben ihre Geschwister einschliessen (Fig. 8). Jeden Augenblick lassen sich natürlich solche Bilder nicht ge- winnen, mich führen sie aber zu dem Schlusse, dass die Cystenhaut aus einer Aneinanderlagerung und spätern Verschmelzung dieser Zellen hervorgeht, ihre Kerne die Cystenkerne darstellen. Der Rest der Kerne theilt sich weiter und zerfällt schliesslich nebst dem sie umhüllenden Protoplasma in einen Haufen von Zellen mit grossen hellen, ein rundes glänzendes Kernkörperchen enthalten- den Kernen. Die den Kernen entsprechende Sonderung des Proto- plasmamantels entzieht sich leicht der Beobachtung, wurde jedoch an erhärteten Präparaten wiederholt wahrgenommen (Fig. 4). Ich muss dieses Factum besonders betonen, dass wir es nämlich nicht mit einer blossen Kernvermehrung innerhalb der von der Spermatocyste umschlossenen Protoplasmamasse zu thun haben, son- dern mit einer wirklichen Zelltheilung. Wenn es auch manchmal den Anschein hat, als könne die Zellsubstanz der rapiden Kernab- schnürung nicht in gleichem Maasse folgen, die Kerne auch noch vielfach unter sich zusammenhängen, so sieht man doch nach Be- endigung des Kernzerfalls, namentlich bei Einwirkung die schnelle Gerinnung befördernder Reagentien, die Zellengrenzen scharf hervortreten (Fig. 4). | Dass sich die Substanz des Protoplasmas der ursprünglichen Bildungszelle im Verhältniss zu den neugebildeten Kernen vermehren muss, ist selbstverständlich. Ich nenne diese Zellen die Samenzellen oder Spermato- cyten; ihre weitere Entwickelung zuSamenkörpern werde ich nunmehr schildern. Die nächste Veränderung derselben besteht darin, dass der Kern trübe und granulirt erscheint. Die Zellsubstanz zeigt lebhafte amöboide Bewegung. Sie besteht aus einer halbflüssigen Masse, in welche feinere und gröbere glänzende Körnchen suspendirt sind und treibt bald runde bald fadenförmige Fortsätze aus, welche wieder eingezogen werden können (Fig. 13, 14). Letztere zeigen zuweilen schwingende Bewegungen. Ueber die Genese der Samenkörper. 803 Darauf wird der kuglige Kern hell und nimmt ein starkes Lichtbrechungsvermögen an. Die eine Hälfte ragt zuweilen aus dem Protoplasma hervor, an der andern, oft etwas abgeplatteten Fläche zieht sich dieses in einen langen sich lebhaft bewegenden Faden aus (Fig. 14). Zwischen Kern und dem oberen Theile des Fadens sieht man unregelmässige glänzende Körperchen. Der Kern setzt sich nunmehr schärfer vom Protoplasma ab, wird birn-, cylinder- und zuletzt spindelförmig (Fig. 17—20). Am oberen Ende des Fadens lässt sich bis zur eingetretenen Verlängerung des Kernes ein an- klebender Rest der Zellsubstanz erkennen (Fig. 17, 18). Hat das Samenkörperchen seine definitive Gestalt erreicht, so gehen Kopf, wie ich den aus dem Kern entstehenden Theil nenne, und der aus dem Protoplasma gebildete Faden unmerklich in ein- ander über. Das Kopfende, mit einer feinen Spitze beginnend, ist etwas dicker, als der unmessbar fein auslaufende viel längere Faden und zuweilen hackenförmig umgebogen (Fig. 22a). Ein nach Kopf und Faden hin deutlich abgegrenztes Mittel- stück lässt sich an den reifen lebenden Samenkörpern mit voller Bestimmtheit durchaus nicht constatiren. Es müsste seine Lage haben an der Stelle, wo beide Theile in einander übergehen, welche früher noch von einem dünnen Proto- plasmamantel umgeben wird. (Fig. 18). Ich versuchte unter Zuziehung von passenden Reagentien das- selbe hervortreten zu lassen, durch welche eine Differenzirung zwischen Kopf und Faden allerdings recht schön wahrzunehmen war. Die untere Grenze des Theiles, welches man als Mittelstück ansehen könnte, lässt sich jedoch mehr ahnen als nachweisen, woran wohl die Dünne des Fadens Schuld haben mag. Auf Zusatz von Essigsäure erschien das obere Ende auf eine Länge von 0,045 glänzend, von daab der Faden gleichmässig hell, gequollen, häufig aufgerollt, wie auch der am nächsten liegende Theil des Kopfes. Beim Eintrocknen trat dieses Verhalten sehr prägnant hervor. Salzsäure bewirkte gleichfalls eine Abgrenzung zwischen Kopf und Faden. Bei der Behandlung mit sehr verdünntem rothem Anilin quoll der ganze Samenkörper etwas auf; es trat eine Scheidung ein in einer Entfernung von 0,040 Mm. vom oberen Kopfende, welches zu einem ‘0,0035 langen Häckchen umgebogen war. Unterhalb erschien der obere Theil des Fadens auf eine Strecke von 0,008 etwas dunkler, 804 v. la Valette St. George: als alles Uebrige, hob sich jedoch bedeutend stärker gegen das Kopf- ende ab, als gegen den unteren Rest des Schwanzes (Fig. 22b). Diesen Abschnitt des Samenkörpers würde man allenfalls Mittel- stück benennen können. Wird die Tinetionsflüssigkeit concentrirter zugesetzt, so tritt die obere Grenze unmittelbar sehr deutlich hervor, viel unbestimmter die untere. Oft findet man an letzterer den Faden 'eingeknickt oder abgerissen. Uebrigens wird der ganze Samenkörper gefärbt, der Kopf jedoch viel intensiver (Fig. 24). Uebermangansaures Kali lässt den Kopf hell, den übrigen Theil des Samenkörperchens dunkler hervortreten (Fig. 25). Zusatz von wässerigem Hämatoxylin brachte eine mässige Quellung zu Wege, färbte den ganzen Samenkörper und zeigte sich am wenigsten günstig für die Erkenntniss der oben beschriebenen Differenzirung. Doch sah ich in einzelnen Fällen bei seiner Anwen- dung an der unteren Grenze des muthmasslichen Mittelstückes den Faden plötzlich etwas feiner und heller werden (Fig. 23). Auch er- schien zuweilen, jedoch im Ganzen selten, das Anfangsspitzchen des Kopfes etwas schärfer abgesetzt von dessen übrigem Theil. Haben die Samenkörper ihre Reife erlangt, so liegen sie in der Cystenhaut, eingebettet in eine durchsichtige gallertartige Masse, welche als Rest unverbrauchten Protoplasmas zurückgeblieben zu sein scheint und, in einzelnen Partikeln abgelöst, eine lebhafte amöboide Bewegung zeigt. Sind sie mit dem Faden voran am ventralen Ende ihrer Umhüllung ausgetreten, so bleiben sie wohl noch eine Zeit lang zu Büscheln vereint, denen der obere Theil der Cystenmembran wie eine Kappe ansitzt und noch einen oder mehrere Cystenkerne erkennen lässt. Bei mechanisch abgerissenen Cysten können wie schon bemerkt auch noch Follikel-Reste und deren Kerne anhaften. Leere Cysten sieht man, je näher der Brunstzeit, desto leichter, am häufigsten bei Fröschen kurz nach dem Laichen, auch solche welche noch ein paar Samenfäden beherbergen, sowie einzelne, welche in jener glutinösen Masse gewissermassen den Abdruck von Samen- körpern zeigen, als leichte Längsstreifung oder endlich andere, welche nur fettartig glänzende Körnchen im Innern wahrnehmen lassen (Fig. 11). Manche derselben zeigten noch Kerne, bei einigen konnten diese jedoch, für den Cystenrest je einer, durch Tinetion noch sicht- bar gemacht werden. Schliesslich sei noch besonders hervorgehoben, dass, wie mich Ueber die Genese der Samenkörper. 805 eine grosse Zahl von Durchschnittsbildern belehrte, die Umwand- lung der Samenzellen inSamenkörper nur alleininner- halb der Cystenhaut vor sich geht und alle zu einer Spermatocyste gehörigen Spermatocyten, je nach dem Fortschritt ihrer Reife, dasselbe Stadium der Ent- wickelung erkennen lassen. Rana esculenta. Der grüne Wasserfrosch zeigt ganz denselben Entwickelungs- modus der Samenkörper, wie ich ihn bei seinem verwandten Land- bewohner vorhin ausführlich beschrieben habe. Um Wiederholungen zu vermeiden, beschränke ich mich auf einige Abbildungen, welche ohne viele Worte ihre Erklärung finden. Auf Fig. 27 sehen wir neben einer Spermatocyste mit reifem Inhalte eine ganz junge Spermatogonie, daneben, wie diese in ihre Follikel eingeschlossen, zwei Spermatocysten mit heranreifenden Spermatocyten. Cystenkerne und solche, welche der Follikelhaut angehören, lassen sich sehr deutlich von einander unterscheiden. Fig. 26 stellt eine reife, fast entleerte Spermatocyste dar, Fig. 28 eine solche im zweiten Stadium der Entwickelung ihrer Spermato- cyten. Die Cystenhaut zeigt hier drei Kerne. Triton punetatus. Bei den Tritonen fand ich die von mir untersuchten, leider schon etwas vorgerückten, Entwickelungsstadien durchaus in Ueber- einstimmung mit dem bei den Fröschen Gesehenen. Fig. 29 zeigt uns eine Zahl fast reifer Spermatocysten aus einem Abschnitt der samenbereitenden Hohlräume des Hodens, ein- gebettet in die dazwischen hinziehende Follikelmembran, während Fig. 30 eine isolirte Spermatocyste mit sehr deutlicher Oystenhaut und zwei Kernen repräsentirt. Salamandra maenlata. Die Bilder, welche ich aus dem Hoden des Erdsalamanders erhielt, lassen auf ‘einen Entwickelungsvorgang der Samenkörper 806 v. 1a Valette St. George: schliessen, der von dem, was die Tritonen zeigten, in keiner Weise verschieden ist, wie aus Fig. 31 und Fig. 32, welche reife Sperma- tocysten darstellen, sowie aus Fig. 33, in der wir eine solche mit Samenzellen aus dem zweiten Entwickelungsstadium sehen, leicht zu erkennen ist. Bombinator igneus. Unter allen von mir untersuchten Amphibien giebt der Hoden von Bombinator igneus, entweder frisch mit Augenwasser untersucht, oder, in absolutem Alkohol erhärtet, unter Glycerin beobachtet, die klarsten und überzeugendsten Präparate. Ich möchte deshalb Jedem, welcher eine Constatirung der von mir mitgetheilten neuen Thatsachen für der Mühe werth hält, die Unke als Object der während der Monate August und September anzustellenden Beobachtungen ganz besonders empfehlen. Den Beweis hierfür kann Fig. 34 liefern, deren Original, unter Humor aqueus angesehen, die Spermatocysten in den verschiedensten Stadien der Entwickelung ihres zelligen Inhaltes, umhüllt von den Follikeln erkennen liess. Auf Fig. 35 sehen wir zwei Spermatocysten im zweiten Stadium ihrer Spermatocyten, sodann Spermatogonien der Innenwand des Hodenraums anliegen und in der Kerntheilung begriffen, um das Ersatzmaterial für die verbrauchten Samencysten zu liefern. Da- neben tritt die Follikelhaut, welche die Cysten umkleidet, sehr deutlich hervor. Fig. 36 gewährt ein ähnliches Bild; a zeigt uns den Kern einer Spermatogonie in lebhafter Theilung begriffen. Fig. 37 und 38 stellen Spermatocysten dar im zweiten und Endstadium der Entwickelung ihres Inhaltes. Die Letztere derselben zeigt noch einen Rest der Follikelhaut als Anhang. Bufo einereus. Die Erforschung der Samenentwickelung unserer gemeinen Kröte, dieses vielverkannten harmlosen Gartenfreundes, gewährte mir durch treffliche Präparate, welche früher Gesehenes bestätigen und Neues ergründen liessen, grosses Interesse. Zunächst gelang es mir hier, wenn auch in verhältnissmässig später Jahreszeit, Spermatogonien, Spermatocysten und ihre Follikel Ueber die Genese der Samenkörper. 807 sehr schön zur Anschauung zu bringen, wie dieses aus den Figuren 39-44 ohne weitere Ausführung erhellen wird. Dann konnte ich an ganz frischen isolirten Oysten die Entwickelung ihres Inhaltes sehr wohl verfolgen und mit den freien, d. h. aus den verbrauchten oder zerstörten Cysten ausgetretenen Formen in Uebereinstimmung bringen, wenn auch, wie dies vielleicht an den von Merkel!) benutzten Präparaten der Fall war, die Samenkörper keine mit Lit. a, b etc. bezeichneten Etiquetten an den Schwänzen trugen. Die Umwandlung der Samenzellen in die definitive Form ging in der von mir oftmals geschilderten Weise vor sich, nur scheint hier bei der Bildung des Kopfes die eigenthümliche Modification vorzukommen, dass letzterer nicht durch einfaches Auswachsen, son- dern durch eine Sonderung der Kernsubstanz entsteht, wodurch diese in zwei nebeneinander liegende Hälften zerfällt, welche durch Streckung erst die Gestalt einer etwas spiralig gekrümmten Spindel erhalten (Fig. 56 u. f.). Längere Zeit hindurch sieht man noch Protoplasma- reste dem Kopfe zuletzt noch an dessen unterem Theile anhängen. Die Samenkörper von Bufo cinereus besitzen zwei Schwanzfäden. Es ist dieses bemerkenswerth, weil bei keinem Wirbelthiere eine derartige Form bisher noch aufgefunden wurde. Die Fäden sind sehr fein, ihre Entwickelung aus dem amöboiden Protoplasma der Spermatocyte liess sich sehr schön verfolgen (Fig. 53, 54). Auch Zwillingssamenzellen, wie ich solche früher schon be- schrieben habe, wurden beobachtet (Fig. 67). Durch rothes Anilin quollen die Köpfe der Samenkörper stark auf (Fig. 65, 66) und färbten sich intensiv, die Fäden leicht. Ein Mittelstück nachzuweisen gelang mir nicht. Es müsste da seine Lage haben, wo der letzte Protoplasmarest zwischen Kopf und Faden hier, wie es scheint, sehr lange Zeit noch anhaften bleibt. Fast alle bis zum Februar untersuchte Samenkörper zeigten denselben noch so, dass man ihn vielleicht für ein bleibendes, dem Mittelstück analoges Gebilde hätte halten können, wenn ich nicht andere gefunden, welche seiner entbehrten. Die Masse dieser durch ihre besondere Gestalt sich auszeichnen- 1) 8. T. Merkel, Untersuchungen aus dem anatomischen Institut zu Rostock 1874. S. 26, Anmerkung. 808 v. la Valette St. George: den Samenkörper der aschfarbenen Kröte sind folgende: Die Länge des Kopfendes betrug 0,026 Mm., der Protoplasmaanhang zwischen Kopf und Fäden mass 0,003—0,005 Mm., die Fäden liessen sich bis 0,035 Mm. verfolgen, bei einem tingirten Exemplare auf 0,052 Mm. Wie wir durch die Arbeiten von Jacobson!), Bidder?), und von Wittich3) von Leydig*) erfahren haben, trägt das obere Ende des Krötenhodens ein höchst eigenthümliches Organ, welches eiähnliche Gebilde producirt. Das hohe Interesse, welches diese namentlich von von Wittich sehr genau erforschte merkwürdige Thatsache erregen muss, wird es rechtfertigen, wenn ich dem Hodeneierstock der Kröte anhangsweise einige Bemerkungen widme. Dass es wirkliche, wenn auch nie zur Reife kommende Eier sind, welche jenes Organ enthält, lässt der erste Blick erkennen. Wollte man ein Demonstrations-Präparat für die Eierstockseier der Kröte gewinnen, so würde man es eher dem männlichen als dem weiblichen Thiere entnehmen, weil dort ein solches ein leichter zu gewinnendes und instructiveres Bild darböte. Gar zu gern hätte ich die erste Entwickelung dieser Eier ver- folgt, doch fehlten mir leider junge Thiere und waren, da die Zeit des Winterschlafes schon begonnen hatte, nicht mehr zu erlangen. Ich vermuthete nämlich in der Entstehung der Follikel und deren Inhaltes eine Uebereinstimmung mit den betreffenden Gebilden des Hodens zu finden und wurde darin bestärkt durch die eigenthümliche Form junger Keimbläschen, welche mit der der Spermatogonienkerne 1) Jacobson, Kongel. Danske Videnskab. Selskabs Naturvidenskab. og math. Afhandl. III Decl. 1828. 2) Bidder, Vergleichende anatomische und histologische Untersuchungen über die männlichen Gesehlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien. Dorpat 1846. $ 20, S. 27 u. fi. 3) von Wittich, Beiträge zur morphologischen und histologischen Ent- wickelung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge der nackten Amphibien. Zeit- schrift f. wissenschaftl. Zoologie 1853. $. 125 u. ff. 4) F. Leydig, Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin 1853. $ 66, 8. 71 u. £. Ueber die Genese der Samenkörper. 809 durchaus übereinstimmte (Fig, 68, 69 und 71). Dagegen fand ich andere in derselben Grösse von runder Form, deren Kernkerne sehr das Ansehen von Keimflecken hatten (Fig. 70). In einem andern Objeete sah ich vereinzelte Eizellen, deren Inhalt der Form nach auf einen Theilungsvorgang schliessen liess (Fig. 72). Wie dieses schon von Wittich sehr genau beschrieben und durch correete Abbildungen illustrirt hat (a. a. 0. S. 160, Taf. IX, Fig. 14), wird jedes Ei von einem Follikel des rudimentären Eierstockes einge- schlossen. Diese Eikapseln sind nach jenem Autor auf ihrer Innen- fläche mit einem Pflasterepithel bekleidet. Ich muss diese Angaben durchaus bestätigen und verweise auf die Figg. 73 und 74. Wenn ich auch über die Entstehung des Follikelepithels und der Follikel- membran keine Thatsachen beibringen kann, scheint mir das erste eine grosse Aehnlichkeit mit der Haut der Spermatocysten, die letztere mit der Follikelhaut zu besitzen. Es spricht für diese Vermuthung, dass, wie ich finde, die Kerne des sogenannten Follikelepithels, hell, mit meist nur einem Kernkörperchen versehen, von dem dunkler granulirten der Follikelmembran verschieden sind, was vielleicht zu der Auffassung berechtigen könnte, die Follikelhaut als entstanden durch Theilung einer »Oogonie«, wie Pflüger die Ureizelle nennt, anzusehen. Alte Eier des Hodeneierstockes zeigen sehr deutliche Keim- bläschen, welche sich leicht aus demselben herausdrücken lassen und dann, entleert, als zusammengefaltene dünnhäutige Säckchen erscheinen. Der Inhalt derselben besteht aus wasserheller Flüssigkeit, in welcher glänzende Körnchen, die Keimflecke, eingebettet liegen. Diese kommen nun in den mannichfaltigsten Formen zur Anschauung. In einzelnen Eiern sieht man vereinzelte kleine Körnchen von ver- schiedener Grösse, welche wohl ihrer geringen Grösse wegen keine Gestaltveränderung erkennen lassen (Fig. 70). Dann traf ich auch solche an, welche durch feine Körnchenfäden miteinander verbunden waren (Fig. 75) und dasselbe Bild darboten, welches Oscar Hert- wig!) aus den Eierstockseiern von Toxopneustes lividus und der Maus in seiner neuesten recht zeitgemässen Publication beschreibt und abbildet. 1) Oscar Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Morphologisches Jahrbuch, herausgegeben von A. Gegenbaur, Bd. I, H. II, S. 351 u. £f,, Fig. 1 und 9, 810 v. la Valette St. George: Das. Vorkommen solcher pflanzenzellenähnlicher Keimbläschen scheint, wie jener Forscher ganz richtig vermuthete, im Thierreiche weit verbreitet zu sein. Den dafür eitirten Belägen (Kleinenberg, Flemming) kann ich noch hinzufügen, dass ich bereits im Jahre 1874 auf der Versammlung der Naturforscher in Giessen derartige Keimbläschen von Oniscus murarius an Zeichnungen demonstrirt habe, ohne jedoch daraus irgend welches Prioritätsrecht herleiten zu wollen, da der sehr kurz gefasste Bericht (S. 168) nur von einem grössern, von kleineren umgebenen Kerne spricht, ich auch kein Freund vom Aufwärmen alter Notizen bin. Eine Körnchen- strömung vermochte ich an den radiären Fäden nicht zu erkennen. In neuester Zeit hat E. Van Beneden dahin einschlagende Beobachtungen am Ei von Asteracanthion rubens und dem Zellkern von Dieyema Eledones veröffentlicht in seiner weiter unten eitirten Abhanalung Fig. 9, 10, 20, 21. Ausser jenen kleineren Keimflecken kommen dann auch, und meist bei jüngeren Eiern, grosse vor von sehr verschiedener Form, welche, wenn auch langsame, doch sehr deutliche Veränderungen ihrer Contour sehr schön beobachten lassen, denen man, da sie, wie bei den Samen- und manchen jungen Eizellen in einem Auftreten und Zurückziehen hyaliner buckelförmiger Fortsätze bestehen, mit Fug und Recht den Namen amöboid geben kann. So zeigt uns Fig. 76-—78 den Gestaltwechsel eines Keimfleckes bei von Viertel- zu Viertel- stunde gezeichnet. Desgleichen 79—80 nach halbstündiger Beob- achtung. Auch sah man kleinere und grössere Vacuolen in denselben auftreten. Sie nahmen entweder einen andern Umfang an, ver- schwanden ganz oder kehrten wieder. Die auf Fig. 79 und 80 dar- gestellten Keimflecke massen 0,012 Mm., ihre Vacuolen 0,008 Mm. Die erste Beobachtung über die Contractilität der Keimflecke — es sei mir, da die Kerngebilde sich mit Recht in der Neuzeit einer eingehenderen Behandlung erfreuen, ein kurzer historischer Rückblick gestattet — verdanken wir Balbiani?). Es beschreibt dieser Autor in seiner Mittheilung sehr ausführlich nicht nur die Formveränderungen des Keimfleckes in Bezug auf 1) Balbiani, Sur les mouvements qui se manifestent dans la tache germinative chez quelques animaux. (Lu & la societe de biologie dans une de ses seances du mois de fevrier 1864.) Gazette medicale de Paris. Annee 1865 No. 28 Juillet, p. 433 u. f. Ueber die Genese der Samenkörper. 8ı1 seinen äussern Umriss bei gewissen Spinnenarten, als auch die Con- tractionserscheinungen der Vacuolen von Geophilus, Phalangium und Helix pomatia und sagt zum Schluss: „je suis porte & croire que ces mouvements ont une grande generalite et se retrouvent proba- blement dans les oeufs de tous les animaux.“ Unabhängig von Balbiani habe ich die Erscheinungen activer und passiver Form- veränderung des Keimfleckes an den Eiern von Libellenlarven be- obachtet und beiläufig mitgtheilt, als es sich darum handelte, die Scehrön ’’sche Ansicht von der Existenz eines besondern Kornes im Keimfleck, sowie die Auffassung des Keimbläschens als Zelle zu wider- legen. Diese Formveränderung amöboide zu nennen hatte ich keine Veranlassung, weil sie eben nicht amöboid war; mir genügte es, die Thatsache, dass ein und derselbe Keimfleck während einer gewissen Beobachtungszeit in allen seinen Theilen in einem durchaus indiffe- renten Medium, somit nicht auf Grund. äusserer Einflüsse bewegungs- fähig ist, zu constatiren. Ueber den Formwechsel der Keimflecke von Carassius und Lycosa gab Metschnikow?) eine kurze Notiz. Eine sehr eingehende Besprechung der Contractilität der Keim- flocke finden wir in der für die Zellenlehre so bedeutungsvollen Arbeit von Auerbach°). Er beobachtete diese Eigenschaft an den Keimflecken der Fische und hält diese sogar, auf gute Gründe gestützt, einer Selbsttheilung für fähig. Gleichzeitig publicirte Alexander Brandt) Beobachtungen über active Formveränderungen des Kernkörperchens an den Eiern von Blatta orientalis, ohne jedoch der Mittheilung von Balbiani zu gedenken). 1) v. la Valette St. George, Ueber den Keimfleck und die Deutung der Eitheile. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. II, H. 1, Ausgeg. April 1866. 2) Metschnikow, Zur Entwickelungsgeschichte der rothen Blut- körperchen. Virchow’s Archiv 1867. Bd. 41, S. 524. 3) Leopold Auerbach, Organologische Studien H. I. Breslau 1874. S. 157, 160, 168 u. ff. 4), Alexander Brandt, Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. X, 1874, S. 506 u. ff. 5) Alexander Brandt, Ueber die Eiröhren von Blatta orientalis. Memoires de l’Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg Tom XXI No. 12. 1874. : 812 v. la Valette St. George: Th. Eimer!) nahm amöboide Bewegungen des Kernkörperchens _ bei Silurus glanis wahr, welche aus dem Jahre 1871 datiren und OÖ. Hertwig?) constatirte dieselbe an den Keimflecken der Frosch- eier und an dem einfachen Keimflecke von Pterotrachea. Vor Kurzem wurde diese Eigenschaft der Keimflecke bei den Eiern der viviparen Aphiden von A. Brandt?) berichtet und in den letzten Tagen durch E. Van Beneden#) in seiner ebenso interes- santen als wichtigen Mittheilung eine schon vor mehreren Jahren über diesen Gegenstand bei Polystomum integerrimum und dem Froschei gemachte Beobachtung mitgetheilt. Auch an dem nucleus von Monocystis lumbricorum hat dieser Forscher das Auftreten und Verschwinden von Vacuolen nebst Formveränderungen des Kernkernes selbst wahrgenommen. Historisches und Kritisches. Nachdem ich in obigen Zeilen dasjenige niedergelegt, wozu mich eigene Beobachtungen geführt haben, glaube ich mich der Verpflich- tung nicht entziehen zu dürfen, die von meinen Mitarbeitern auf diesem Felde der Spermatogenese gewonnenen Resultate mit dem von mir Gesehenen in Einklang zu bringen. Ausser Wagner), Will®), Lereboullet”) und Leuckart?) 1) Th. Eimer, Ueber amöboide Bewegungen des Keimkörperchens. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. XI. 1875. S. 225. 2) Oscar Hertwig, a. a. O. S. 350. 3) Alexander Brandt, Zur Kenntniss der weiblichen Sexualdrüsen der Insecten. Vorläufige Mittheilung. Melanges biologiques ties du bulletin de l’Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg, Tome IX, Livraison 4. St. Petersbourg 1875. 4) Edouard Van Beneden, Contribution a l’histoire de la vesicule germinative et de premier nopau embryonnaire, Bruxelles 1876, S. 25 u. f. 5) Wagner, Müllers Archiv 1836. S. 225. 6) Will, Ueber die Secretion des thierischen Samens. Erlangen 1849. S. 19. ‘ 7) Lereboullet, Recherches sur l’anatomie des organes genitaux des animaux vert&bres. Breslau et Bonn 1851. S. 24. 8) Leuckart, Handwörterbuch der Physiologie v. R. Wagner, Bd. IV. Braunschweig 1853. S. 831. Ueber die Genese der Samenkörper. 813 sind es vorzüglich Remak!), Ankermann?), Kölliker?), Schweigger-Seydel®), Ciaccio®) und Neumann), welche sich mit der Entwickelung der Samenkörper bei den Amphibien insbe- sondere beschäftigt haben. Die Notiz bei Remak über Rana temporaria ist so kurz, dass ich sie hier wörtlich wiedergeben kann. „In je einer mit grossem Nucleus versehenen Samenzelle lag ein Bündel von Samenfäden etwa wie ein Muskeleylinder in seiner Scheide. Der Nucleus hat keinen Theil an der Bildung der Samen- fäden; sie umgeben ihn mit ihrem pfriemenförmigen Vorderende ohne mit ihm verwachsen zu sein, während ihre Schwanzenden an dem entgegengesetzten Ende der Zelle in einer hellen Substanz zusam- menlaufen.‘ Remak’s Beschreibung ist durchaus richtig, nur tritt uns hier schon eine irrige Auffassung der Hülle des Samenfaden-Bündels ent- gegen. Es wird diese nicht durch eine Samenzelle repräsentirt, sondern durch die aus mehreren Zellen hervorgegangene Cysten- haut. Ankermann lässt jeden Samenfaden für sich aus einer kern- haltigen Zelle entstehen, wobei der Kern zum Griff auswächst, während an dem andern noch in der Zelle verbleibenden Ende derselben der Schwanz sich ansetzt. Dass diese Darstellung Ankermann’s das Thatsächliche nahe streift, brauche ich kaum zu bemerken, ihm gebührt unstreitig das 1) Remak, Müllers Archiv 1854. S. 253, 2) Ankermann, De motu et evolutione filorum spermaticorum. Diss. inaug. Regiomonti 1854, übersetzt in Zeitschrift f. wissenschaftliche Zoologie Bad. VII, 1857, S. 129. 3) Kölliker, Zeitschrift £. wissenschaftliche Zoologie Bd. VII, 1856. S. 201. 4) Schweigger-Seidel, Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. I, 1865, S. 403. 5) Ciaccio, Esperienze intorno all’ azione di aleune materie coloranti e kostanze chimiche su gli spermatozoidi della Rana (R. esculenta) e del Tritone (Triton cristatus). Archivio per la zoologia l’anatomia et la fisiologia Serie II, Volume I, p. 179 u. £. 6) Vorl. Mitth, Neumann, Centralblatt f. d. medizinische Wissen- schaft 1868. No. 24, sowie dessen Untersuchungen über die Entwickelung der Spermatozoiden im Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. XI, 1875, S. 29. 814 v. la Valette St. George: Verdienst, den wichtigsten Punkt der Samenentwicklung richtig er- kannt zu haben, d. i. die Entstehung eines Samenkörpers aus je einer ganzen Zelle. Wenn er auch den Schwanz des Samenfadens aus einer Aus- stülpung der Zellmembran hervorgehen lässt anstatt durch Aus- wachsen der Zellsubstanz, so dürfen wir ihm diese »Vermuthung« bei dem damaligen Zustande der Zellenlehre wohl zu Gute halten. Die Spermatocysten hat Ankermann zwar gesehen, namentlich in der Periode der Rückbildung, ihre Kerne jedoch nieht wahrge- nommen und sie als eine glutinöse Masse, welche die Griffe der Samenfäden mit einander verkleben soll, geschildert. Kölliker betrachtet als die Ausgangspunkte der Bildung der Samenfäden theils einkernige einfache Zellen, die isolirt oder in Haufen oder selbst endogen in Mutterzellen sich finden, theils in grösseren Zellen (»Oysten«) eingeschlossene Kerne. Durch eine directe Metamorphose der ganzen Kerne bilden sich nach ihm die Samenfäden. Aus der Entwickelung des Froschsamens beschreibt er verschiedene Phasen und erläutert dieselben durch bild- liche Darstellung. Auch diese Angaben lassen sich, wie ich glaube, ohne grossen Zwang auf das von mir Beobachtete zurückführen, wenn auch dabei an dem Fundamente, worauf sich die Erklärung des thatsächlich richtig Wiedergegebenen stützt, stark gerüttelt werden muss. Recht kräftig verwahrt sich Kölliker schon damals gegen die ihm gemachten Einwürfe, dass die von ihm beschriebenen Kerne der sogenannten Mutterzellen nicht Zellen selbst repräsentirten. Er hatte insofern Recht darin, als dasjenige, was er als Kerne abbildet, ohne Zweifel Kerne sind, wie seinem Gegner Reichert!) das Verdienst gebührt, durch Wahrnehmung der die einzelnen Kerne umgebenden Zellsubstanz das Hervorgehen der Samenkörper aus ganzen Zellen von allen Beobachtern zuerst bei den Nematoiden festgestellt zu haben. Die Entscheidung über diesen Punkt ist übrigens, was ich schon früher betonen musste, auch für einen Histologen wie Kölliker durchaus nicht leicht, da es nicht immer möglich die gegenseitige Abgrenzung der Spermatocyten zu erkennen, so lange sie von der Cystenhaut eingeschlossen werden, während die Kerne derselben, 1) Müller’s Archiv 1847, S. 127. Ueber die Genese der Sam&nkörper. 815 namentlich bei ihrer Umwandlung in glänzende Körper, auf den ersten Blick ins Auge fallen. Gegen die Annahme Kölliker’s, dass die Samenkörper durch Auswachsen der Kerne allein entstehen sollen, glaube ich in meinen früheren Mittheilungen überzeugende Beweise vorgebracht zu haben. Die Spermatocysten hat Kölliker, sowie deren Rückbildungs- formen recht genau beschrieben und abgebildet. Er fand die Cysten- haut jedoch stets einkernig, was ihn bestärken musste, sie als Mutter- zellen aufzufassen. Schweigger-Seydel, dessen Arbeit mehr den feineren Bau der Samenkörperchen, als deren Entwickelung zum Vorwurf hatte, schildert nur die Umwandlung der Spermatocyten zu Samenfäden, wenn auch in wenig Worten, jedoch durchaus zutreffend. Die Auffassung von Ciaccio, „la materia constitutiva dello sper- matozoide essere una materia novella la quale sebbene germinata dalla materia onde € composta la cellula seminale, tuttavia sostonzialmente se ne distingue si per fisiche come per chimiche qualitä,“ kann ich ebenso wenig theilen, wie dessen Darstellung der Entwickelung von Kopf und Faden aus einem Korn des Kernes der Samenzelle jrsend welchen Geschmack abgewinnen. Die vorläufige Mittheilung von Neumann gab mir zuerst Veranlassung, meine von der seinigen durchaus abweichende An- schauung, die Verhältnisse bei Rana temporaria betreffend, zu ver- öffentlichen !). Eine weitere Publikation über die Samenentwickelung bei den Fröschen habe ich in Stricker’s »Handbuch der Lehre von den Geweben« 1871, S. 541 niedergelegt, in Kürze, wie sie eben in den engen Rahmen des Werkes passte, und durch eine, in kleinem Mass- stabe gehaltene, jedoch durchaus naturgetreue Abbildung illustrirt. Ich sagte damals: „Die Samenzellen der Rana temporaria, sowie die der esculenta, bilden Kugeln wie die Hodenkugeln der Insecten. Diese Kugeln sind von einer zarten Membran umgeben, welche einzelne grosse mit einem Kernkörperchen versehene Kerne trägt. Die Zellen, anfangs gross und gering an der Zahl, mit körnigem Kern, vermehren sich durch Theilung zu einem bedeutenden Haufen. 1) v. la Valette St. George, Centralblatt f. d. medizinischen Wissen- schaften 1868, No. 40, S. 625. (Enthält einen Druckfehler; anstatt »Cilien« zu lesen: Cytoden.) Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 12. 53 816 v. la Valette St. George: Jede von ihnen produeirt einen Samenkörper, indem der Kern heller wird und zum Kopfe, die Zellsubstanz zum Faden auswächst. Schliess- lich platzt. die Membran der Hodenkugel und zeigt neben Proto- plasmaresten einen oder mehrere Kerne, welche jedoch mit den Samenzellen niemals etwas zu thun hatten.“ Diese kurze Angabe enthielt den Kern der Sache; die vor- liegende Mittheilung giebt nur eine weitere Ausführung derselben nach neuen Gesichtspunkten, wie solche durch wiederholte Unter- suchung stets gewonnen zu werden pflegen. Sehen wir nun, wie sich Neumann’s kürzlich publieirte Er- gebnisse dagegen verhalten. Ich bin weit davon entfernt, das Thatsächliche derselben be- kriteln zu wollen; das Gesehene ist wohl richtig wiedergegeben, jedoch meiner Meinung nach nicht der Wirklichkeit entsprechend gedeutet. Dazu ist das Beobachtungsmaterial zu kärglich, vorzüglich deshalb, weil es zu einer Jahreszeit gewonnen wurde, in welcher die Entwickelung der Formelemente des Hodens auf der Höhe steht und an die Stelle vorbereitender Bildungen das Fertige getreten ist. Neumann unterscheidet zwei Arten zelliger Gebilde, die erste mit annähernd runden grossen Kernen versehen, welche mit einem gleichfalls sehr grossen glänzenden, meist einfachen, häufig aber auch mehrfachen Kernkern versehen seien, die Kerne der anderen Art beschreibt er als länglich-oval, mit einem oder mehreren punkt- artigen Kernkörperchen. Zu den rundlichen Kernen sollen Zellen von annähernd kuglicher Gestalt gehören, zu den länglichen Kernen Zellen, welche eine lang ausgezogene Spindelform besitzen. Oft lägen diese Zellen zu mehreren zusammen und bildeten Zellketten oder mehr rundliche Gruppen, von denen es mitunter schwer zu unterscheiden sei, ob sie aus vollständig separirten Zellen beständen oder viel- mehr eine grössere Zelle mit mehreren Kernen darstellten. Eine Umbildung dieser Zellenart in die zweite hielt Neumann nach wiederholter Untersuchung für nicht wahrscheinlich. Es ist offenbar, dass Neumann hier Spermatocyten und Sper- matocysten vor Augen gehabt hat, letztere jedoch nur im Stadium der Reife oder Ueberreife, welches ihn sowohl deren histologische Stellung, als Zusammengehörigkeit mit den ersteren, den Samenzellen, verkennen liess. Die weitere Untersuchung der Spermatocysten führt ihn leider Ueber die Genese der Samenkörper. 817 auf eine ganz falsche Fährte, wie es die von v. Ebner entlehnte Benennung »Spermatoblasten« schon darthut. Er beschreibt dieselben in folgender Weise: ,„1) Einfache Spindelzellen, welche eine ganz erstaunliche Länge erreichen können, mit einem ovalen Kerne, welcher in dem kürzeren spindelförmig ausgezogenen Ende seine Lage hat, während der längere Abschnitt zugleich breiter erscheint. Im kürzeren Fortsatz um den Kern herum und an der Basis des längeren Endes finden sich kleine bräunliche glänzende Körnchen. Daneben fand er »Zellen« von gleicher Beschaffenheit, wie die vorher beschriebenen, deren breiter Fortsatz in seinem oberen Theile eine feine Strichelung zeigte und als dritte Form die »bekannten Zellen«, welche Bündel von Samenfäden tragen. Als eine besondere Varietät dieser Spermatoblasten beschreibt er noch solche, welche nur noch einzelne Samenfäden im breiten Zellfortsatze erkennen lassen. Neumann bringt die genannten »Zellenarten« nach der oben angegebenen Reihenfolge in genetische Beziehung, indem er durch allmähliche Differenzirung ihres Protoplasmas die Samenfäden ent- stehen lässt. Jene vermeintlichen Spermatoblasten sind aber offenbar nichts Anderes, als die von mir beschriebenen Spermatocysten im letzten Stadium der Entwickelung oder ihrer Rückbildung, d. h. Oystenhäute mit 1) zurückgebildetem oder 2) entleertem Inhalte, sowie 3) noch angefüllte oder 4) theilweise entleerte und können auf die Benennung von Zellen durchaus keinen Anspruch machen. Neumann sieht offenbar das letzte Ende der Entwickelung für deren Anfang an, wie sehr er sich auch (a. a O. S. 303) gegen diese Auffassung zu verwahren sucht. Die Beobachtung, welche er zur Erhärtung seiner Auifassung anführt, dass nämlich die Bildungen, welche er für junge Spermato- blasten hält, bei abgelaichten Fröschen nicht mehr zu finden seien, steht im directen Widerspruch mit meinen Erfahrungen. Diese von der meinigen so sehr abweichende Deutung der Vor- gänge bei der Samenentwicklung hat wohl darin ihren Grund, dass Neumann keinen Spermatocysten begegnet ist, deren Inhalt aus Spermatocyten bestand. Desgleichen ist ihm die Umbildung der Samen- zellen zu Samenkörpern vollständig entgangen. Ob die Anwendung nicht ganz indifferenter Medien (als solches habe ich nur die Augen- 818 v. la Valette St. George: flüssigkeit des betreffenden Thieres kennen gelernt — dünne Chrom- säure-Lösungen, sowie 1°, Ueberosmiumsäure wirken viel zu heftig ein; »Jodserum« ist ein sehr relativer Begriff und muss in Bezug auf seine Concentration genau dem Untersuchungsobjecte angepasst werden —) daran Schuld hat, oder die bereits zu weit vorgerückte Brunstperiode, wage ich nicht zu entscheiden, wie sehr ich es auch bedauern muss, wenn ein Forscher, dessen Urtheil nicht gleichgültig ist über positiv angegebene Daten, einfach zur Tagesordnung des von ihm Gesehenen übergeht, ohne auch nur eine Erklärung der anderweitig aufgefundenen und doch wohl nicht aus der Luft ge- griffenen Thatsachen zu versuchen. Neumann giebt übrigens zu, dass die verschiedene Jahreszeit abweichende Verhältnisse bedinge und hat darin vollkommen Recht. Was nun die Structur des fertigen Samenkörpers betrifit, so werden von Neumann drei Abschnitte unterschieden: Der Kopf als ein aus dem dickeren Theile des Fadens hervorragendes feines Spitzchen, ein Mittelstück, welches den verdickten Abschnitt selbst repräsentirt und von mir als Kopf bezeichnet und endlich der Faden. Ich kann nun weder dieses »Spitzchen« als einen constanten und besonders abzugrenzenden Bestandtheil des Samenkörpers an- sehen, noch überhaupt den »Kopf« als Mittelstück auffassen. Ein Bild, wie es Neumann a.a 0. Fig. 1B wiedergiebt, habe ich niemals, auch wenn ich die Samenkörper 24 Stunden in ver- dünnte wässerige Hämatoxylinlösung einlegte, vor Augen gehabt. Wie das Mittelstück zu Stande komme, wo es zu suchen sei, glaube ich bereits früher!) beweisend auseinandergesetzt zu haben; wenn »von einer Unterscheidung eines besonderen Mittelstückes bei Rana temporaria nicht die Rede war«, so hat das darin seinen guten guten Grund, dass ich Dinge, die ich nicht gesehen habe, auch nicht zu beschreiben pflege. Warum ich es nicht gesehen habe, kommt daher, weil ein Mittelstück als solches nicht hervortrat, da es, wenn auch nach dem Kopfe zu abgegrenzt, nach abwärts continuirlich sich in den Faden fortsetzt. Ein vollkommenes d. h. nach beiden Seiten hin abgesetztes Mittelstück ist überhaupt weder bei den Urodelen, Batrachiern noch bei den Vögeln zu erkennen, stets geht es seinem optischen Ver- 1) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samenkörper. Zweite Mittheilung. Archiv f. mikrosk. Anatomie 1867. S. 269. Ueber die Genese der Samenkörper. 819 halten nach in den Schwanzfaden über, wenn dieser auch leicht ge- neigt ist in gewisser Entfernung von seinem Ansatze an den Kopf sich aufzulösen (nach Behandlung mit Essigsäure) oder abzubrechen und daher die untere Grenze des Mittelstückes blos vermuthen lässt. Ein wirkliches, nach oben und unten zu abgegrenztes Mittel- stück tritt erst bei den Säugethieren auf. Bei Rana esculenta, den Tritonen und Vögeln verhält sich meiner Anschauung nach die Sache ebenso wie bei der Rana temporaria. Wenn auch Schweigger-Seydel bei ersterem Frosche eine Massbestimmung für das »Mittelstück« giebt, so fand er, was ich schon früher bestätigen konnte, eine deutliche Grenze zwischen Kopf und Mittelstück, die zwischen Mittelstück und Faden konnte nur durch chemische Reaction, welche den Schwanz löst, dabei auch das Ansatzstück aufquellen macht, erschlossen werden. Ein Gleiches gilt für die Tritonen, bei welchen der zweite Abschnitt des Samen- körpers sich sehr wohl gegen den ersten abhebt, jedoch nur durch die Essigsäurewirkung vom Schwanze unterschieden werden kann. Von den Samenkörperchen des Haushahns sagt Schweigger- Seydel ausdrücklich, dass die hintere Masse des Köpfchens un- mittelbar in den Schwanz übergehe und nach Zusatz von Essigsäure sogar mit dem Faden gelöst werde, während beim Finken nach deren Einwirkung sowohl Kopf als Faden schwinde, wodurch erst die Grenze des Mittelstückes nach unten genauer gekennzeichnet wird. Ganz richtig bemerkt Neumann: „Von Entscheidung für die Auffassung der genannten Theile muss jedenfalls das sein, was uns das Studium der Entwickelung der Samenfäden lehrt.“ Mich hat es darüber belehrt, dass (a. a. O.) der Kopf auf dem rechten Flecke steht, wo ich ihn fürderhin auch zu lassen gedenke. Allgemeines. Zum Schlusse sei mir gestattet, die Resultate meiner Beob- achtungen über die Samenentwickelung bei den Amphibien in Kürze zusammenzufassen und daran einige allgemeine Bemerkungen zu knüpfen. Als Ausgangspunkt der Spermatogenese, sowohl beim Eintritt, als Wiedereintritt der Geschlechtsthätigkeit sehe ich eine mehr oder weniger differenzirte Zellenschicht an, welche die Innenfläche der samenbereitenden Hohlräume des Hodens in der Art eines epithelialen 820 v. la Valette St. George: Belages auskleidet und wohl am passendsten als Keimlager be- zeichnet werden mag, da sie für Samenzellen, Samencysten und Samenfollikel das Bildungsmaterial herzugeben scheint. Einzelne dieser, anfangs unter sich gleichen, einen grossen hellen Kern mit rundem glänzenden Kernkörperchen führende Zellen werden von ihren, sich durch Theilung vermehrenden Nachbarn all- seitig überwachsen. Man kann sie deshalb die Ursamenzellen oder Sperma- togonien nennen, weil aus ihnen sämmtliche zu einer Cyste ge-. hörige Samenzellen, wie auch die Cystenwand selbst hervorgehen. Durch die Zellenwucherung des Keimlagers um die Ursamen- zelle wird eine diese einschliessende häutige Kapsel gebildet, der Samenfollikel, dessen granulirte Kerne aus den zu einer Mem- bran verschmolzenen Zellen herstammen und, in diese Haut einge- lagert, weiter persistiren. Im Follikel liegt die Ursamenzelle mit feinkörnigem Protoplasma und grossem, ein glänzendes Kernkörper- chen zeigendem Kern, ganz frei. Darauf beginnt der Kern sich zu furchen und zerfällt in Folge der fortschreitenden Segmentirung in einen ganzen Haufen von Ab- kömmlingen, dem Mutterkern durchaus ähnlich, jedoch je nach der Anzahl kleiner. Mit der Kernvermehrung nimmt auch die Quantität der Zell- substanz zu und wird von den neuen Kernen zur Bildung einer ihrer Zahl entsprechenden Zellkörper angezogen. Die periphere Schicht derselben verschmilzt untereinander zur Cystenhaut, welche sich der Follikel-Hülle anlegt; die Kerne derselben bleiben als helle, mit nur einem Kernkörperchen versehene Cystenkerne zurück. Die übrigen Kerne nebst ihrem Protoplasma theilen sich noch weiter und füllen schliesslich den ganzen Cysten- raum als Spermatocyten aus und bilden mit der Cystenhaut die Spermatocysten. Eine jede Samenzelle entwickelt je einen Samen- körper, wobei der Kern zum Kopfe wird und der Faden aus der Zellsubstanz hervorwächst. — Deeies repetitum placebit! — ; Die in Obigem mitgetheilten Untersuchungen behandeln zwar nur eine Thierklasse, doch glaube ich, dass das aus ihnen resultirende Gesetz der Spermatogenese eine allgemeine Gültigkeit erlangen wird. Mit meinen Erfahrungen über die Wirbellosen stimmt es in Ueber die Genese der Samenkörper. 821 seinen Grundzügen vollständig überein und, wie ich jetzt schon aus- sprechen darf, nächstens zu begründen gedenke, ist es, mutatis mutandis, ebenso anwendbar für die übrigen Klassen der Wirbelthiere, Säugethiere und Mensch nicht ausgeschlossen. Eine grosse Aehnlichkeit der Samenentwickelung mit der Genese des Eies wird dem kundigen Leser gewiss nicht entgangen sein. Ich möchte darüber noch ein paar Worte sagen, fasse jedoch, um die Basis meiner Betrachtung nicht zu verrücken, zunächst die Batrachier ins Auge und stütze mich auf die neuesten Unter- suchungen von Waldeyer und Goette. Als Ausgangspunkte des Vergleiches würden Ei- und Samen- follikel nebeneinander zu stellen sein mit ihrem Inhalte. !) In einem gewissen Stadium der Entwickelung möchte es schwer halten in ihrer Constituirung einen Unterschied zu finden. Man vergleiche nur ıneine Figg. 41—44 mit den Figg. 1—8 der meister- haften Abbildungen Goette’s (a. a.0.). Hier wie dort sieht man eine Zelle mit vielfach segmentirten Kernen, umgeben von einer kapselartigen Bildung, dem Follikel. Gehen wir auf die Entstehung dieser Zelle zurück und ihres Follikels.. Beider Geburtsstätte ist in gleichartigen Zellen zu finden, welche nach Waldeyer (»Eier- stock und Ei«) vom Endothel des Eierstocks aus schlauchförmig in diesen hineinwachsen. Einzelne dieser Zellen, grösser als ihre Nach- barn, werden von diesen in Follikel eingeschlossen. Goette lässt die Eier in Umbildungsherden einer gemeinsamen Anlage entstehen, wobei die centralen Zellen zu einer Masse verschmelzen sollen, deren freigewordene Kerne in der Mitte zusammentreten und von den peripherischen als Follikel umschlossen werden. Aus diesen viel- körnigen Follikeln würden die übrigen durch Verschmelzen der Kerne zu Stande kommen. Das Follikelepithel kommt nach den bisherigen Beobachtungen von aussen her zuder Eizelle. Dürfte man annehmen, dass es aus der Spaltung des Ureies hervorginge, so wäre es mit der Cystenmembran der Ursamenzelle als homolog zu erachten. Darüber müssen weitere Untersuchungen entscheiden. Soviel ist 1) Unter Samenfollikel verstehe ich lediglich die von mir aufgefundenen und oben beschriebenen follikulären Bildungen, welche die Spermatocysten einschliessen, nicht etwa die »Hodenfollikel«, welche nach Goette (»Entwicke- lung der Unke«) durch Verschmelzung die Hodencanäle hervorgehen lassen; diese dürften am ehesten mit den »Eischläuchen« in Parallgle zu bringen sein. 822 v. la Valette St. George: gewiss, dass die Darstellung Goette’s, soweit sie die Vereinigung einer Anzahl Kerne zum Keimbläschen betrifft, etwas Auffallendes an sich hat und vielleicht eine andere Deutung nicht ausschlösse, welche dahin ginge, die Follikelmembran von den Zellenderivaten des Primordialeies abzuleiten; der übrig bleibende Kern als Keim- bläschen würde dann nebst dem Reste des Protoplasmas die bleibende Eizelle repräsentiren. Während der fertige Eifollikel eine Zelle als Inhalt führt, be- herbergt der Samenfollikel deren eine ganze Zahl; ein Ei und eine Summe von Samenkörpern würden danach am letzten Ende aus einer Urzelle hervorgehen. Doch will ich diese Reflexion nicht weiter fortspinnen und hoffe in einer baldigen weiteren Mittheilung mit neuen Thatsachen aufwarten zu können, welche geeignet sein dürften, der Lehre von der Spermatogenese eine festere Basis zu sichern. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV und XXXV. Die Figurenbezeichnung ist überall dieselbe. Sg. Spermatogonie. Ch. Cystenhaut. Scyt. Spermatocyte. Ck. Cystenkern. Seyst. Spermatocyste. Fh. Follikelhaut. F. Follikel. Fk. Follikelkern. Fig. 1. Schnitt durch ein Hodencanälchen von Rana temp., dessen Wände durch Spermatocysten und Spermatocyten ausgekleidet sind. Ale. ‚Glye., Schw. Vergr. Fig. 2. Schnitt durch ein Canälchen des reifenden Hodens v. Ran. temp., welches Spermatocysten in der Entwickelung zeigt. Ueberosm. M. Fl., Glyc., St. Vergr. Fig. 3. Aehnlicher Schnitt v. Rana temp., welcher die Fallikelmembran nebst ihren Kernen sehr schön erkennen lässt. Ueberosm. M. Fi., Glye. Fig. 4. Isolirte Spermatocyste desselben Hodens nach Zerzupfung des Schnittes. Ueberosm., M. Fl., Glyc. Fig. 5. Spermatocyste von Rana temp. mit granulirten Kernen der Sperma- tocyten und zwei Kernen der Cystenhaut. Frisch. H. aqu. Fig. Fig. g. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 23. 24. 25. . 26. a7. 28. 29. 30. 3l. 32. 33. 34. 35. 36. Ueber die Genese der Samenkörper. 823 Spermatocyste von Rana temp. aus demselben Stadium der Ent- wickelung. Frisch. H. aqu. Spermatocyste von Rana temp. mit einem Cystenkern und weiter entwickelten Spermatocyten. Frisch. H. aqu. Junge Spermatocyste von Rana temp. mit anhängender Follikel- membran von Rana temp. Ueberosm., Alc., Glye. Stück der Wandung eines Samencanälchens von Rana temp. mit einer unreifen und vier reifen Spermatocyten. Ale., Glye. Theilweise entleerte Spermatocyste von Rana temp. nach der Laich- zeit. Frisch. H. aqu. Leere Spermatocysten von Rana temp. Frisch. H. aqu. Verästelte Zelle aus dem Hoden von Rana temp. Frisch. H. aqu. Amöboide Samenzelle von Rana temp. Frisch. H. aqu. Spermatocyte von Rana temp. mit ausgetriebenem Schwanzfaden. Frisch. H. aqu. . 15—22. Samenkörper von Rana temp. in verschiedenen Stadien der Entwickelung. Frisch. H. aqu. Samenkörper von Rana temp mit Haematoxylin behandelt. Samenkörper von Rana temp. mit rothem Anilin tingirt. Samenkörper von Rana temp. mit übermangansaurem Kali gefärbt. Fast entleerte Spermatocyste von Rana esculenta mit Cystenkern. Frisch, H. aqu. Drei Spermatogemmen v. Rana escul. in verschiedenen Entwicke- lungsstadien der Wand des Samenkanälchens anhaftend. Alc., Glye. Spermatocyste v. Rana esc. mit drei Cystenkernen. Frisch. H. aqu. Durchschnitt durch ein Hodencanälchen von Triton punctatus mit Spermatocysten. Frisch. H. agqu. Isolirte Spermatocyste von Triton punct. mit reifem Inhalte und zwei Cystenkernen. Frisch. H. aqu. Spermatocyste von Salamandra maculata mit entwickelten Samen- körpern und zwei Cystenkernen. Frisch. H. aqu. Büschel von Samenkörpern aus Salamandra macul. mit anhängendem Cystenrest und Kern. Frisch. H. aqu. Unreife Spermatocyste von Salamandra maeul. Frisch. H. aqu. Hodenschnitt von Bombinator ign. mit Spermatocysten in verschie- denen Stadien der Entwickelung ihres Inhaltes. b. Blutkörperchen. p-. Pigmentfleck. Frisch. H. aqu. Schnitt aus dem Hoden von Bombinator ign. mit Spermatogonien, Spermatocysten und deren Follikel. Alc., Glyc. Schnitt aus dem Hoden von Bombinator ign. mit Spermatogonien, Spermatocysten in zwei Entwickelungsstufen der Spermatocyten und Follikel. a In der Theilung begriffener Kern einer Spermatogonie. Ale., Glyc. 824 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 3 198. 56 — v. la Valette St. George: Spermatocyste von Bombinator ign. mit zwei Cystenkernen. Frisch. H. aqu. Spermatocyste von Bombinator ign. mit drei Cystenkernen und fast entwickelten Spermatocyten. Ein Stück Follikelmembran nebst deren Kernen hängt der Samencyste an. Frisch. H. aqu. Schnitt aus dem Hoden von Bufo ein. mit Spermatogonien und einer Spermatocyste nebst deren Follikeln. Ale., Glyc. . Segment aus dem Hodenschlauche von Bufo ein. mit Spermatogonien und deren Follikeln. Ale., Giyc. Junge und ältere Follikel von Bufo ein. und deren Inhalt. Flächen- ansicht. Ale., Glye. . Verschiedene Entwickelungsstadien der Spermatogonien in ihren Follikeln zu beiden Seiten der Scheidewand zweier Hodenschläuche liegend. Von Bufo ein. Ale., Glye. . Isolirter Follikel mit einer in der Theilung begriffenen Spermato- gonie von Bufo ein. Alc., Glyc. . Follikel mit sich theilender Spermatogonie von Bufo ein. Ale. Glye. Spermatocyste im ersten Stadium der Spermatocyten von Bufo ein. Frisch. H. aqu. . Spermatocyste von Bufo ein. mit Cystenkern im zweiten Stadium der Umwandlung ihres Inhaltes. Frisch H. aqu. . Spermatocyste von Bufo cin. mit zwei Cystenkernen aus demselben Entwickelungsstadium. Ale., Glyc. Spermatocyste von Bufo ein. mit Spermatocyten in der dritten Phase ihrer Umwandlung zu Samenkörpern. Frisch. H. aqu. Spermatocyste von Bufo ein. welche die Spermatocyten als Zellen, deren Kerne sich zu den Köpfen der Samenkörper entwickeln, sehr deutlich erkennen lässt. Frisch. H. aqu. . Spermatocyste mit reifem Inhalte von Bufo ein. Frisch. H. aqu. . Entleerte Spermatocyste von Bufo cin. Frisch. H. aqu. . Spermatocyte aus dem zweiten Stadium mit körnigem Kern in amöboider Bewegung von Bufo ein. Frisch. H. aqu. . 535—55. Spermatocyten mit glänzenden Kernen und hervorsprossenden Fäden von Bufo cin. Frisch H. aqu. 64. Umwandlung des Kernes der Spermatocyte in den Kopf, des Protoplasmas in die beiden Schwanzfäden. Von Bufo ein. Frisch. H.aqu. 65 u. 66. Samenkörper von Bufo ein. mit rothem Anilin behandelt. 67. 68. 69. 70. Zwillings-Spermatoeyte von Bufo ein. Frisch. H. aqu. In der Theilung begriffener Kern eines jungen Eies aus dem Hoden- eierstock von Bufo cin. Frisch. H. aqu. Getheilter Kern eines jungen Eies vom Hodeneierstock des Bufo ein. Frisch. H. aqu. Junges Ei aus dem Hodeneierstock von Bufo ein. mit ungetheiltem Kern. Frisch. H. aqu. Ueber die Genese der Samenkörper. 825 Fig. 71. Junges Ei mit gefurchtem Kern aus dem Hodeneierstock von Bufo ein. Daneben Theil eines älteren Eies mit Keimbläschen und zwei Keimflecken. Frisch. H. aqu. Fig. 72. Follikel aus dem Hodeneierstock von Bufo ein. mit mehrzelligem Inhalte und Follikelkernen. Frisch. H. aqu. Fig. 73. Ei aus dem Hodeneierstock von Bufo cin. mit sehr deutlichem »Follikelepithel«. H. aqu., Arg. nitr. Fig. 74. Ei aus dem Hodeneierstock von Bufo cin. mit den Kernen des Follikelepithels und anhängenden Follikel mit Follikelkernen. Frisch. H. aqu. Fig. 75. Keimbläschen eines Eies aus dem Hodeneierstock von Bufo ein. mit Körnchenfäden. Frisch. H. aqu. Fig. 76—78. Keimflecken eines Eies aus dem Hodeneierstock von Bufo cin., von Viertelstunde zu Viertelstunde gezeichnet. v. Vacuole. Frisch. H. aqu. Fig. 79—80. Keimfleck eines Eies aus dem Hodeneierstock von Bufo cin. mit grosser Vacuole (V.) in der Veränderung seiner Form nach halb- stündiger Beobachtung. Frisch. H. aqu. Fig. 81. Durchschnitt aus den Hoden von Rana esc. auf die Längsaxe bei schwacher Vergr. Ueberosm., Glycerin. 1a BI 1 Dir anbli N name» ia i ‚it b abe 7% _ j [98 dern Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. :# x r Ü l ü) rn & = 4 e 2 ur r . - BEN ” D . R7 er - , [ s u / . ’ r ei 1 Archiv f mikroskop Anatomie. Bd.NI. | An Oscar Schmidt.del . Lith.Anstu JG Bach, Laiwrif Archiv Emikroskop. ZUIEREE: Bd. 2 y Taf I. BZ az RR Lith,Anstw.J.6.Bach, Leipzig Oscar Schmigt del N. e es =. —- x ME e ET & u: n 2 ren TR N en REES u A A FREE o u 48 ne VEREER . fi N - , il) ’ . “ d F - Le 7777 Rise] Fig N 1 r | u. 4 25, j ERBEN .g en En Net Werd SS Gr n Mi. 9. . 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