Br Te age # by a, F = a4 einen “aing we ar wr er ; ji en ” Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. anınnınnn? Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie, NTNNNNNNN/ Einunddreissigster Band, Mit 30 Tafeln und 11 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) 1888. « { h TE Bar Be bi we RR u + Ha? Be, Rt On 4 4? > Inhalt. Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. Von Bneojert „Hierzu Varel Ir. iu. 02 0000 ae a ec 1 Beitrag zur Frage über die Verbreitung der glatten Muskulatur in der Dünndarmschleimhaut. Von Dr. med. Kultschitzky, Prosector und Privatdocent der Histologie an der Universität zu Charkoft. EI BZ, SEE) Fr N Heryer MeLE Ueber das Vorkommen von Nerven-Endkörperchen in der männlichen Harnröhre. Von Dr. Richard v. Planner, em. Assistent an der dermatologischen Lehrkanzel in Graz. (Aus dem anatomi- schen Institute des Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Graz.) Hierzu BRIERBID EHE SER De AN. ı RR BED EEE SERIES ER TER ee 22 Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalge.. Von A. Mert- sching, approb. Arzt aus Sommerfeld. (Aus dem Münchener histologischen Laboratorium.) Hierzu Tafel IV und V..... 32 Untersuchungen über den Ursprung und die Verbindungen des Nervus hypoglossus in der Medulla oblongata. Von P. D. Koch in Kopenhagen, - Hierzu Tafel VI: at EI 54 Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen bei Salamandra maculosa.. Von W. Flemming in Kiel. Hierzu RE EN DIR N NE ET 2, RR EEE AR ENRERT ne 71 Notiz über die grüne Drüse des Flusskrebses. Von Dr. Bernhard Ey BER IN BORN N ee, a NN 1 EHER EEE 98 Nachtrag zu meiner Arbeit über den Bau der Nervenfasern. Von Dr. Bach chterdecker.t 1 2 ee 060 100 Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. Von Dr. D. Biondi, Assistenten am physiologischen Institut zu Breslau. 105 Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. Von Josef Paweth nm Wen, Hierzu Tafel VII, IXsund X. . 202,72 113 Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). Von Gustav Fritsch. Hierzu ein Holzschnitt und Tafel XI und XU . ........% 192 IV Inhalt. Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. Von Hans Daae, stud. med. aus Norwegen. (Aus dem anatomischen Institut in| Kael.) Hierzu Tafel XIN und XIV»... re ae Re Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Von Prof. V. v. Ebner in Graz. Hierzu Tafel XV, XVI und XVH 0. Wa Gere Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. Von Prof. Dr.S.M. Lakjanow (Warschaul.,. 7.1.1.2 2. 0.00 SE Verbesserungen zu der Arbeit von P. D. Koch. ..... a - Ueber Schrumpfungserscheinungen am hyalinen Knorpelgewebe des Men- schen und deren Beziehungen zu den Fibrillen. Von Bernh. Solger, ao. Prof. und Custos am anatomischen Institut zu Greifs- wald, “Hierzu Tafel EYIE E39 en: Beiträge zur Spermatologie. Von Prof. A. Korotneff inKiew. Hierzu DaLEh EIEIERBIN rg 18, RIESEN, AT Das menschliche Ei. Von Dr. med. W.Nagel. (Aus dem anatomischen Institut ın Berlin.) Hierzu Tafel XX und AR ... . .. 2 Nachtrag „zur Spermatogenese bei den Säugethieren“. Von Prof. V. v. Ennerun Graz,. Sue. 0 a ee N ee Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothel der entzün- deten Hornhaut. Experimentelle Untersuchungen aus dem patho- logischen Institut in Heidelberg. Von Dr. J. Schottländer. Hierzu Tafel XXIII und: 6 Holzschnitte ., . .,.2% Wi) Lea Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. Von Dr. W. Michaelsen in Hamburg. Hierzu Tafel XXIII... Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. Von Prof. Max Weber in Amsterdam. ., Hierzu "Tafel XIV 12.12 Su u: Verne Weitere Mittheilungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz; zu- gleich ein Beitrag zur Kenntniss der von der typischen Mitose abweichenden Kerntheilungsvorgänge. Von Prof. Dr. Jul. Ar- nold in Heidelberg. Hierzu Tafel XXV, XXVI, XXVI Ueber kalte Injektion mit japanischer Tusche. Von K. Taguchi, Pro- fessor der Anatomie an der Kaiserlichen Universität zu Tokio. Elhrerzns- Tafel RX VIII ee Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. Von Dr. med. N. Kultschitzky, Prosector und Privatdocent der Histologie zu Charkow. (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Hierzu De RAR und AXX 0 Seen neika 5085 Ko Ko Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi beim Kanin- chen. Von H. C. Corning. (Anatomisches Institut zu Berlin.) Biierzü'& Holsschnitte . RUM Seite 303 334 342 499 541 565 567 593 Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. Von L. Pogojeff. Hierzu Tafel I. Zur Untersuchung des Geruchsorgans der Fische veranlasste uns der Umstand, dass bis zur letzten Zeit dieses Organ, verhält- nissmässig zu den anderen Sinnesorganen, nur selten Gegenstand der Untersuchung war. Die werthvolle Arbeit von Max Schultze!), welche so viel Licht auf die bis dahin dunkle Frage verbreitete, erschien bereits vor 25 Jahren. Seitdem wurde seinen Beobach- tungen, trotz einer ziemlich umfangreichen Literatur, hinsichtlich dieses Gegenstandes nichts wesentlich Neues hinzugefügt, obgleich noch Vieles in diesem Gebiete unaufgeklärt geblieben ist. Unsere Arbeit beschlossen wir mit dem Neunauge, einem in vielen Hin- sichten sehr eigenthümlichen und viele Eigenheiten besitzenden Fische, zu beginnen. Alsdann hatten wir die Absicht, uns auch mit höher organisirten Fischarten zu beschäftigen, indessen nöthigte uns die Arbeit von A. Dogiel?), in welcher so eingehend und vielseitig die uns interessirende Frage bearbeitet ist, unsere Auf- gabe nur auf den ersten Theil zu beschränken, da wir angesichts einer so umfangreichen Arbeit nicht mehr hoffen konnten, irgend etwas wesentlich Neues zu finden. Wir beschlossen daher die be- gonnenen Untersuchungen über Knochenfische einzustellen und be- schränken unsere Mittheilung nur auf die Resultate unserer Arbeit über Neunaugen, deren Geruchsorgan in seinem Bau einige Ab- weichungen von anderen Fischarten bietet. So viel uns bekannt, 1) M. Schultze, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut (Halle 1862). 2) Alex. Dogiel, Archiv für mikroskopische Anatomie 1887. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 1 2 L. Pogojeff: ist das Geruchsorgan des Neunauges bis jetzt histologisch nur von Langerhanst) speciell erforscht worden, welcher in Bezug auf das Neunauge fast alle Beobachtungen, die Max Schultze an anderen Wirbelthieren gemacht, bestätigte; ausserdem beschäftigte sich mit dem anatomischen Bau dieses Organs J. Müller?). Zu unseren Untersuchungen verwandten wir erwachsene, leben- dige Individuen von Petromyzon fluviatilis und Alcoholpräparate von Ammocoetes und bedienten uns dabei folgender Untersuchungs- methoden: Flächenschnitte des Geruchsorgans sowie des Gehirns wurden von, in Chromsäure und doppelchromsaurem Kali gehär- teten Präparaten bereitet, darauf in Carmin, Hämatoxylin ete. ge- färbt; für den feineren Bau wurden die Präparate, nach Einwir- kung der Osmiumsäure, in !/; Alcohol macerirt und darauf mit verschiedenen Farbstofilösungen bearbeitet, wobei bemerkt sei, dass die besten Resultate mit Safranin und Hämatoxylin erzielt werden. Ausserdem wurden frische Gewebspräparate in Humor aqueus und 0,78%, Kochsalzlösung untersucht. Schliesslich haben wir frische und gehärtete Präparate der Goldlösung ausgesetzt. Letz- teres Verfahren geschah sowohl nach der Methode von Ranvier als auch mit aufeinander folgender Bearbeitung von Gold, Natr. eaust. und Jodkalilösung. Das Geruchsorgan des Neunauges erscheint im Gegensatz zu diesem Organe anderer Fischarten unpaar. Es ist dies ein knor- peliges Gebilde (der Form nach einer Kapsel ähnlich), welches im vorderen Theile des Kopfes, vorn am Gehirn liegt. In seinem unteren Theile, welcher der Schädelkapsel anliegt, ist der Knorpel durch Bindegewebe ersetzt, welches hier eine Oeffnung bildet, die in die Mundhöhle führt. Ausser dieser Oeffnung befinden sich daselbst noch drei: eine oben am Kopfe zur Verbindung mit der äusseren Luft und dem Wasser, die beiden übrigen, unmittelbar dem Lobus olfactorius anliegend, dienen zum Durchgange des Nervus olfactorius. Die Höhle des Geruchsorgans ist folgender Weise gestaltet: oben und von den Seiten befinden sich Vorsprünge, welche, der knorpeligen Umhüllung anliegend , ziemlich regelmässige Falten, den Buchblättern ähnlich, bilden. Diese Falten, theils aus Knorpel 1) Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon. Plauen. 2) Osteologie der Myxinoiden. Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 3 und meistentheils aus Bindegewebe bestehend, sind reichlich mit Pigmentzellen, Blutgefässen und Nerven versehen und von letzteren in verschiedenen Richtungen durchzogen, so dass in Schnittpräpa- raten die Nerven sowohl ihrer Längsaxe nach, als auch in die Quere durchschnitten erscheinen. Die Falten sind mit dichtem einschichtigem Epithel bekleidet, dem sich die in den Falten ver- ästelnden Nerven näheren. Die ziemlich lange und breite, äussere Nasenöffnung ist ebenfalls knorpelig und an der Aussenseite mit Haut, an der Innenseite mit flachem Epithel bedeckt. Am Bo- den des Geruchsorgans in dem, den Lobi olf. näher anliegenden Theile, dessen Gewebe ebenfalls theils aus Knorpel, theils aus Bindegewebe besteht, befinden sich Drüsen, zwischen denen auch Pigmentzellen, Gefässe und Nerven anzutreffen sind, welche letz- teren die Drüsen umringen und sich nach oben zum Epithel der Falten hin verästeln. Viele Forscher behaupten, dass in dem Geruchsorgan der Fische die Drüsen vollständig fehlen, während dieselben in der Nasenhöhle der übrigen Wirbelthiere vorhanden sind. In Bezug auf die Neunaugen beweisen unsere Untersuchungen das Gegentheil, d. h. die Anwesenheit dieser Drüsen. In dieser Hinsicht bildet das Neunauge eine Ausnahme von anderen Fischen und stellt zu- gleich einen Zug dar, der nur höher organisirten Wirbelthieren eigen ist. In seiner Beschreibung des Geruchsorgans des Neunauges erwähnt Langerhans nichts vom Vorhandensein der Drüsen in diesem Organe. Langerhans beschreibt in dem Geruchsorgan des Neunauges eine scharf angedeutete Theilung in zwei Hälften, die den beiden Riechgruben der Nase höher organisirter Thiere entsprechen soll; diese Theilung soll bei Ammocoetes noch deutlicher ausgespro- chen sein, als bei erwachsenen Neunaugen. Unsere Beobachtungen stimmen damit nieht ganz überein. Langerhans behauptet näm- lich, dass bei Neunaugen die Dorsal- und Ventralfalten sich von den übrigen durch ihre Länge auszeichnen und dass dieselben, sich gegenseitig nähernd, das Organ fast in zwei Hälften theilen. Auf seiner Abbildung ist die untere Falte stark entwickelt und ?/; der Länge des ganzen Orgens einnehmend dargestellt. Diese Falte kommt fast in Berührung mit der oberen Falte, die im Vergleich zu den übrigen auch verlängert erscheint. Nichts ähnliches haben wir beobachten können. Wie unsere Abbildungen (Fig. 1) auf- 4 L. Pogojeff: weisen, sind alle Falten von gleicher Grösse und aus den Quer- schnitten (Fig. 3) ist ersichtlich, dass dieselben allmählich nur an der Zahl abnehmen vom oberen Theile des Organs nach dem Boden hin, wo ein Theil des Schnittes, dem lateralen Bodentheile ent- sprechend, von Drüsen eingenommen ist. Beim Ammocoetes tritt in der That die Andeutung einer Theilung des Organs in zwei symmetrische Hälften scharf hervor. Die knorpelige Hülle bildet hier nur eine grosse Falte, welche am hinteren Theile des Organs liest und theilt dasselbe in zwei Hälften; jedoch findet eine voll- ständige Theilung nicht statt. Zur ausführlichen Untersuchung des Geruchsorgans des Am- mocoetes konnten wir leider keine lebenden Individuen erhalten, und waren daher gezwungen, uns nur mit einigen Beobachtungen zu begnügen. Es gelang uns dennoch Folgendes zu constatiren: im Geruchsorgan des Ammocoetes befindet sich nur eine Falte. Die innere Seite des Geruchsorgans, wie auch bei erwachsenen Neunaugen ist mit einer Epithelialschichte bekleidet. Die Zellen dieses Epithels auf der Falte unterscheiden sich von denen auf den Seitentheilen; die ersten sind nämlich kurz und flach, wäh- rend die letzteren von eylindrischer Form sind. Drüsen sind bei Ammocoetes nieht vorhanden; Pigmentzellen werden in bedeutend geringer Zahl angetroffen; auch der Knorpel erscheint weniger entwickelt. Was den feineren histologischen Bau des Geruchssinnes des Neunauges anbetrifft, so haben wir denselben der klaren Darstellung wegen in drei Abschnitte getheilt, und zwar: 1) Structur des Epi- thels der Falten des Geruchsorgans ; 2) Structur der Drüsen; 3) Struetur der Lobi und Nervi olfactorii. Struetur des Epithels der Falten. Wie bereits oben erwähnt wurde, haben die Falten, welche radialförmig von der Knorpelkapsel ausgehen, die Gestalt eines Kegels, wenden ihre Spitze der Mitte des Organs zu und sind mit einschichtigem Epi- thel bedeckt (Fig. 2). Dieses Epithel ist gradlinig gelagert, was an Präparaten, welche nach Einwirkung von Osmiumsäure erhalten werden, stets beobachtet wird; dagegen in Präparaten, die in Chromsäure und deren Salzen gehärtet sind, bildet die Epithelial- schicht zuweilen wellenförmige, Bechern oder Tonnen ähnliche Figuren, welche Dogiel in der Schleimhaut der Regio olfact. des Störes gesehen hat und für Geruchsknospen hält, die zuerst von Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 5 Blaue beschrieben worden sind. Da wir niemals, nach Bearbeitung mit Osmiumsäure, welche die Gewebe in ihrem natürlichen Zu- stande fixirt, ein solches Bild erhalten haben, halten wir es, wenig- stens was die Neunaugen anbetrifft, für ein künstliches Product; es sei noch erwähnt, dass diese Grübchen, wenn man sie auch an- trifft, sich niemals weder durch die Färbung, noch durch den Charakter der sie bildenden Zellelemente irgendwie auszeichnen. Die Epithelialschieht besteht aus sehr mannigfaltigen Zellen, die in verschiedenen Regionen verschiedene Charaktere tragen. Auf dem zugespitzten Faltengipfel stellt das Epithel einen scharf be- srenzten Theil der Gewebe dar, welches aus flachem Flimmer- epithel besteht; denselben Charakter tragen auch die Zellen in den Vertiefungen zwischen zwei Falten. Es sind niedrige, breite Zellen mit zugespitztem Ende, welches eine Seite der Zelle einnimmt; sie haben einen grossen stark lichtbrechenden Kern, der mit einem Körnchen versehen ist. Im Inneren der Zelle wurde ein feines faden- förmiges Netz wahrgenommen und um den Kern herum einige An- häufungen von Protoplasma. Am freien, breiten Zellenrande be- findet sich ein ziemlich dicker Saum mit Streifchen, welche parallel der Zellenaxe verlaufen und in die äusseren Flimmerhärchen über- zugehen scheinen. Bei starker Vergrösserung kann die Fortsetzung dieser Streifehen zuweilen bis nach dem Inneren der Zelle verfolgt werden (Fig. 4c). Das Flimmern der Härchen dieser Zellen haben wir mehrfach beobachten können, indem wir dieselben in Humor ag. und physiologischer Kochsalzlösung zerzupft haben. Die so eben beschriebene Form haben die Zellen der äusseren Schichten, während dieselben in den tieferen Schichten des Epithels noch nicht vollständig formirt sind. Diese letzteren entsprechen ihrer Form nach einigermaassen einem schräg abgeschnittenen Cylinder; ihr Körper ist wenig durchsichtig und die Zellsubstanz, am äusseren Pole der Zelle angehäuft, bildet einen feinen Rand, dem ziemlich lange Härchen aufsitzen. Auf der schräg abgeschnittenen Zellenpartie liegt in jener Vertiefung der Kern, dessen Substanz sich stark färbt und welcher einen oder mehrere Kernkörperchen enthält (Fig. 4 .d). Die lateralen Flächen der Falten sind mit einem Epithel bedeckt, welches aus sehr verschiedenen Zellelementen besteht. Die Struetur dieser Epithelialschicht ist im Allgemeinen folgende: von der einen Seite an den knorpeligen Grund der Falte gren- 6 L. Pogojeff: zend, wird sie von demselben durch eine aus Bindegewebe beste- hende Membran abgetheilt. Diese Membran kann deutlich an Zerzupfungspräparaten beobachtet werden: sie ist ziemlich dick und die ihr anliegenden Epithelzellen lassen sich nur schwer von ihr ablösen. Am Rande der Falten nähern sich der Epithelschicht Nervenstämme, welche hier in feine Fädchen zerfallen, die aus Bindegewebe bestehende Membran durchbohren, um sich darauf in der Epithelschieht selbst zu verlieren. Von der anderen Seite ist der freie, von Härchen dicht besetzte Zellenrand dem freien Rande einer benachbarten Falte zugewandt. Im Zwischenraum zweier Falten befindet sich ein lockeres Bindegewebe (Fig. 2). Die Epithelialschicht besteht aus einer Masse dicht zusammenge- drängter Zellen, deren Form und Contouren auf ähnlichen Präpa- raten nieht wahrzunehmen sind. Man sieht nur deutlich zwei Reihen von Kernen, die in verschiedener Höhe angeordnet sind und, wie weiter zu ersehen ist, zweien verschiedenen Arten von Zellen angehören. Ausser diesen Kernen können noch einzelne zerstreute Kerne in geringer Zahl hier und da gesehen werden. Unter Zellen werden hier viele Stützzellen angetroffen. Diese sind feine lange eylindrische Zellen mit ovalen Kernen im unteren (dem Faltengrunde anliegenden) Theile der Zelle. An den Seitenrändern der Zellen sind Vertiefungen sichtbar, die den Convexitäten der anliegenden Zellen entsprechen. Die Zellsubstanz stellt eine feine, wenig ausgesprochene, der Längsaxe nach gerichtete Streifung dar, die bis zum oberen erweiterten Ende der Zelle reicht und sich in dem glänzenden, den freien Zellenrand umgebenden Saum zu ver- lieren scheint, von welchem an ein Bündelchen langer Cilien seinen Anfang nimmt. Diese Härchen flimmern in lebendem Zustande, wovon wir uns überzeugt haben, indem wir dieselben in Flüssig- keiten untersuchten, welche die Gewebe unverändert erhalten. Doch scheinen ihre Bewegungen langsamer vor sich zu gehen als die der Zellen, die wir früher beschrieben haben. Der untere Theil der Zelle ist heller als der obere, hat eine körnige Beschaffenheit und erscheint oft gespalten; er grenzt unmittelbar an das Binde- gewebe der Falte (Fig. 4a). Die zweite Art Zellen, welche in sehr geringer Zahl ange- troffen werden, sind lange becherförmige Gebilde mit einem er- weiterten oberen und einem zugespitzten und gebogenen unteren Ende; fast in der Mitte der Zellen, da, wo die Verschmälerung be- Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 7 ginnt, liegt ein grosser Kern. Der ganze Zellenkörper besteht aus einem körnigen Inhalt, der sich vorzugsweise am breiten freien Ende der Zelle anhäuft. In diesen Zellen haben wir öfters einen dunkeln, seitwärts gelegenen Streifen beobachten können, ähnlich dem, welcher auf der Abbildung dargestellt ist. Anfangs hielten wir ihn für ein stäbehenartiges Gebilde im Inneren der Zelle, doch überzeugte uns eine genauere Untersuchung mit starker Vergrösse- rung, dass dies nichts anderes als eine Falte der Zellenhülle ist. Die Function dieser Zeilenelemente ist uns unbekannt (Fig. 4b). Wir gehen jetzt zu der Beschreibung jener Zellen über, welche zwischen den Stützzellen angetroffen werden und im Zusammen- hange mit den Geruchsnerven stehen, weshalb sie mit Recht Neuro- epithelialzellen genannt werden können. Dieser letztern Gebilde haben wir zwei verschiedene Arten beobachtet: 1) Solche die ingrösse- rer Mehrzahl vorkommen und wahrscheinlich Geruchszellen sind, welche M. Schultze bei höheren Wirbelthieren und Langer- hans bei Neunaugen beschrieben haben. Es sind die Zellen, deren spindelförmiger, eylindrischer und an seinem unteren Theile abgerundeter Körper mit einem langen varikösen Fortsatz endet. In dem abgerundeten Theile der Zelle befindet sich ein anderer Kern von maschiger, feinkörmiger Beschaffenheit, der gewöhnlich nur ein Körnchen an seiner Seite trägt. Das obere freie Ende dieser Elemente ist vom Körper der Zelle etwas abgeschnürt und bildet eine Art Kappe, die sich nicht selten gänzlich von der Zelle ablöst. Nach Einwirkung verschiedener Reagentien färbt sich diese Kappe intensiver als der übrige Theil der Zelle, was insbesondere bei Färbung mit Safranin der Fall ist. Diese Kappe hat Aehnliehkeit mit dem äusseren Segmente der Kölbehen und Stäbchen der Netzhaut. An seinem erweiterten peripherischen Theile ist eine ziemlich dieke Walze sichtbar, aus deren Mitte ein langes, glänzendes, oft gekrümmtes Härchen entspringt. Bei senauerer Untersuchung haben wir an diesen Zellen stets nur ein einziges Härchen beobachten können. Auf den Zupfpräparaten werden diese Zellen oft in Begleitung der epithelialen Stützzellen angetroffen, wobei ihre Convexität stets der Vertiefung einer be- nachbarten Epithelialzelle entspricht. Diese Zellen sind stets kürzer als ihre Nachbargebilde, die Stützzellen; ihr unteres Ende reicht nur bis zu 2/, dieser Letzteren. Die Kerne dieser Zellen bilden die untere Reihe, während die Kerne der Stützzellen die 8 L. Pogojeff: andere Reihe der Kerne in der ganzen Epithelialschieht bilden. Von dem unteren Ende dieser Zellen geht ein langer, variköser Fortsatz ab, der in die subepitheliale Schicht eindringt (Fig. 2). Der direkte Zusammenhang der Geruchszellenfortsätze mit den Verästelungen der Nervi olf. kann an Schnittpräparaten unmöglich verfolgt werden in Folge des engen Zusammenhanges der sub- epithelialen Schicht. Dagegen kann an Präparaten, welche der Einwirkung der Osmiumsäure oder Goldlösungen ausgesetzt und darauf in Alkohol 1, macerirt waren, dieser Zusammenhang nicht selten constatirt werden, und so kam uns zuweilen ein feines Nervenstämmchen zu Gesicht, dem sich ein Fortsatz der Geruchszelle näherte (Fig. 4f). Mittels starker Vergrösserungen kann con- statirt werden, dass der Körper dieser Geruchszellen eine Längs- streifung aufweist; um den Kern herum und vorzugsweise am unteren Zellenpole ist eine Ansammlung von Protoplasma vor- handen, aus welchem der Centralfortsatz seinen Anfang zu nehmen scheint. Am unteren Ende der Zelle unter der Kappe verdünnt sich die Zellensubstanz und die Streifehen scheinen näher zusammen- zurücken, um dann aus der Kappe ausgehende Geruchshärchen zu bilden. An gelungenen Präparaten und besonders nach der Färbung mit Saffranin konnte im Innern der Zelle ein feines, stäbehenförmiges Gebilde wahrgenommen werden, welches dem Aussehen und der Färbung nach grosse Aehnlichkeit mit den Ge- ruchshärchen aufweist. Dieses Stäbchen oder Fädchen macht eine Biegung um den Kern und verlässt die Zelle an ihrem pe- ripherischen Ende; die Länge des Stäbchens wechselt, zuweilen unterbricht es sogar seinen Verlauf, um darauf wieder in derselben Richtung zu erscheinen (Fig. 4e). Die vorliegenden Thatsachen lassen vermuthen, dass dieses Gebilde nichts anderes als ein Nervenfädchen sei, welches in die Zelle eingedrungen, in derselben verläuft und sie darauf in Form eines peripherischen Fortsatzes verlässt. O. Grimm?) hat ein ähnliches Gebilde in den Geruchszellen des Störes beobachtet. 2. Die zweite Art der Geruchszellen, welche übrigens bei den Neunaugen in einer sehr geringen Anzahl angetroffen werden, sind 1) ©. Grimm, Die Schriften der St. Petersburger Naturforschergesell- schaft (Russisch). Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 9 bedeutend kleiner, als die ersten. Essind gerade Cylinder, welche am Ende der Zelle wieder in eine Verengerung übergehen, woraus ein Nervenfortsatz entspringt; in dem erweiterten Theile liegt ein birnförmiger Kern, dessen Gestalt wohl von der zugespitzten Form der Zelle selbst abhängt; in dem Kerne sind nie weniger als zwei Kernkörperchen vorhanden. Am peripherischen Theile haben diese Zellen eine Einschnürung wie bei den Zellen der ersten Art und am äussersten Ende der Zelle befindet sich ein ganzes Bündelchen kurzer, feiner Geruchshärchen. Der Nervenfortsatz hat auch das Aussehen eines feinen varicösen Fadens, zuweilen von beträchtlicher Länge; doch gelang es uns nicht, den direkten Zusammenhang dieser Zellen mit den Geruchsnerven zu beobachten. Die Zellen- substanz zeigt auch eine längsverlaufende Streifung, welche in die peripherischen Härchen überzugeben scheint. Der Kern ist stark licehtbreehend und besteht aus einem überaus feinen Fadennetze, welches wie mit kleinen Körnchen gefüllt erscheint. Stäbchen, ähnlich denen, welche wir in den Zellen der ersten Art beobachtet haben, wurden hier vermisst (Fig. 4 g). Scharf ausgesprochene Uebergangsformen zwischen diesen beiden Arten von Zellen sind uns nicht begegnet und wir haben daher die feste Ueberzeugung gewonnen, dass wir es mit zwei ganz unabhängigen Gebilden zu thun haben. Es kommen wohl in der That Zellen vor, welche einige unbedeutende Abweichungen in Form und Grösse von den beiden Typen aufweisen; doch sind wir der Meinung, dass es sich um unentwickelte, in ihrem Wachıs- thum begriffene Zellen handelt. Widrigenfalls müsste man sehr viele Uebergangsformen mit kaum ausgesprochenen Differenzen zu- geben. Wir erlauben uns an dieser Stelle von der uns interessiren- den Frage abzuweichen und eine Beobachtung mitzutheilen, die zwar keinen direkten Bezug hat auf das Organ, welches Gegen- stand unserer Arbeit ist, nichts desto weniger aber bei der Be- schreibung des Epithels der Regio oli. von Werth sein kann, in- dem sie uns die Hauptanalogie verschiedener Arten von Epithelial- zellen zeigt, welche zur Uebertragung äusserer Eindrücke dienen. In der Epithelialschieht der Haut der Neunaugen befinden sich unter anderen Zellen grosse kolbenförmige Gebilde, die, so viel uns be- kannt, bereits Gegenstand der Untersuchung vieler Forscher waren. Kölliker, welcher sie zuerst beschrieben hat, hielt dieselben für 10 L. Pogojeff: Schleimzellen; M. Schultze!) widerlegte diese Ansicht auf Grund der Lageverhältnisse dieser Zellen im Epithel, ihrer optischen und mikrochemischen Eigenschaften. Er gibt keine definitive Entschei- dung über die Natur dieser Zellen, nimmt jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit an, dass dieselben Elemente nervösen Charak- ters sind, obgleich er ihren direkten Zusammenhang mit Nerven nicht constatiren konnte. Abgesehen von der ausführlichen Unter- suchung dieser Zellen theilen wir nur in einigen Worten das Re- sultat unserer Beobachtungen mit. Die in Rede stehenden Zellen sind grosse, vertical in der Haut aufgestellte Gebilde Der der Hautperipherie zugekehrte Theil der Zelle ist kolbenförmig angeschwollen, der untere, dem Corium anliegende stark ausgezogen, woraus ersichtlich, dass die von M. Schultze gegebene Benennung (kolbenförmig) am besten ihre Form bezeichnet. M. Schultze findet in dem erweiterten Zellentheile eine geringe Anhäufung von Protoplasma, welche auch in dem verengerten Zellentheile vorkommt. Nach Färbung mit Saffranin, Carmin ete. erhielten wir auch fast dasselbe Bild, bei Färbung mit Goldlösungen aber wird dasselbe etwas verändert. Die Zelle selbst erscheint ganz farblos; intensiv violett wird nur das innere, in der Zelle vorhandene Gebilde gefärbt, welches von M. Schultze für den Protoplasmarest gehalten wurde. An un- seren Präparaten zeigt sich dieses Gebilde in Form eines Knäul- chens, welches an das Nervenknäulchen in den Tastkörperehen der Haut höherer Thiere erinnert. Von diesem Knäulchen geht ein Faden ab, der auch intensiv gefärbt violett ist, stellenweise anschei- nend in kleine Tropfen zerfällt und bis an’s Euide der Zelle ver- läuft, wo oft ein feiner Faden, aus ihrer Mitte ausgehend, beobachtet wird (Fig. 41). Auf Grund dieser Beobachtung scheint uns die Vermuthung von M. Schultze über die nervöse Natur dieser kolbenförmigen Zellen vollkommen bewiesen zu sein: sie können nämlich mit demselben Recht für Neuroepithelialgebilde der Tast- nerven gelten, wie die Geruchszellen neuroepitheliale Gebilde der Geruchsnerven sind. Der in ihrem Innern sichtbare Faden ist der Nerv, welcher in die Zelle in Form eines feinen Härchens eindringt und dort mit einem besonderen Terminalgebilde endigt. Dieser Faden oder dieses Stäbchen, welches wir in den Geruchszellen der ersten 1) Die kolbenförmigen Gebilde in der Haut von Petromyzon. Arch. f. Anatomie und Physiologie 1861. Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 11 Art beschrieben haben, sowohl hier als auch dort, ist der Axeneylinder. Der Unterschied besteht nur darin, dass in den kolbenförmigen Zellen im Inneren der Zelle ein Nervenendgebilde sichtbar ist, während in den Geruchszellen der Nerv in die Zelle eindringt, in derselben verläuft, um den Kern umbiegt und, die Zelle verlassend, den peripherischen nervösen Fortsatz bildet. Drüsen des Geruchsorganes. Am Boden des Geruchs- organs des Neunauges im Abschnitte, welcher dem Bulbus olf. an- liegt, finden sich, wie wir bereits oben erwähnt haben, Drüsen vor. Dieselben dringen in das Knorpelgewebe ein und sind von Nerven- fasern umringt; an den macerirten und zerzupften Präparaten er- scheint ihre Form entweder kreisrund oder etwas oval und ihre Wandung besteht aus Zellen, welche aneinander gelagert sind. Auf Querschnitten stellen sie sich wiederum als Kreise von grös- serem und kleinerem Halbdurchmesser dar und bestehen aus mehre- ren Zellenreihen; ihre äussere Contour ist glatt, die innere aber uneben, was davon herrührt, dass die Zellen ihre Härchen und Fortsätze nach innen wenden. An manchen Schnitten trifft man den Boden der Drüsen. Aus dieser kurzen Beschreibung ist er- sichtlich, dass diese Drüsen bei den Neunaugen die Gestalt runder, niedriger Säcke mit einem breiten Ausführungsgange haben (Fig. 1, 3, 6). Was die zelligen Elemente dieser Drüsen anbetrifft, so bestehen dieselben aus zwei becherförmigen Zellenarten. Die Einen erscheinen in Form langer, ausserordentlich verengter Becher, die an ihrem unteren Ende einen ziemlich dicken und langen Fort- satz tragen; der Zelleninhalt ist wenig durchsiehtig und lässt sich gut färben; der Kern nimmt die Zellenmitte ein, über demselben liegt oft noch ein zweiter kleiner Kern und beide enthalten Kern- körperchen. Am oberen Zellenabschnitte, dessen Rand ganz glatt ist, befindet sich ein in die Länge gestreifter Saum (Fig. Ak). Die anderen Zellen sind auch becherförmig, aber viel breiter als die ersten, mit abgerundeter Basis, welche in einen weniger langen Fuss endet. Im inneren Zellenabschnitte, da, wo er in das Füsschen übergeht, befindet sich ein grosser Kern mit einem Kernkörperchen. Der Inhalt dieser letzten Zellen ist durchsichtig und aus feinem Fadengeflechte bestehend, welches eine glasartige Masse beherbergt. Bei leichtem Andrücken des Deckgläschens kann man oft an diesen Zellen das Heraustreten heller Klümpehen von sehr verschiedener Form beobachten, wobei, wenn diese Zellen 12 L. Pogojeff: mit Hämatoxylin gefärbt gewesen sind, dieselben mit Ausnahme des Kernes erblassen, das Klümpchen aber stark gefärbt bleibt. Unter Einwirkung von Essigsäure wird die Zellensubstanz körmig (Fig. 4k). Im Allgemeinen färben sich diese Zellen und auch die ganzen Drüsen sehr intensiv mit Hämatoxylin, eine Eigenschaft, die nach Paulsen’s!) Untersuchungen besonders dem Schleim- gewebe zukommt. Betrachten wir weiter auch ihre übrigen Be- ziehungen zu den chemischen Reagentien und die glasartige Be- schaffenheit ihres Inhaltes, so können wir mit grosser Wahrschein- lichkeit aussagen, dass diese Drüsen zu den Schleimdrüsen ge- rechnet werden sollen. Structur der Nervi und Lobi olfactorii. Die Nervi olf. des Neunauges gleichen den übrigen Nerven dieses Fisches und sind marklos. Dieselben isolirt zu bekommen, ist sehr schwer; da die Knorpelkapsel des Geruchsorgans unmittelbar dem Lobus olfaet. angrenzt, ist die Länge dieser Nerven sehr unbedeutend, kaum lmm; dagegen bilden dieselben ziemlich dieke Stränge, welche von einer Hülle umgeben sind, in der oft dieht an einander liegende Kerne vorgefunden werden. Nach Zerreissung dieser Hülle zer- fällt der Nervenstrang in feinste Fädehen, welche nichts anderes als die entblössten Axencylinder sind. In der Höhle des Geruchs- organs werden Nervenfasern angetroffen, welche in ihrem Verlaufe mit bipolaren Zellen versehen sind. Ueber diesen Befund waren wir Anfangs sehr erstaunt und da wir ein Versehen befürchteten, liessen wir denselben unbeachtet; doch das wiederholte Vorhanden- sein dieser mit bipolaren Zellen versehener Nerven auf unseren Präparaten bestätigte zuletzt die Richtigkeit unserer Beobachtung. Die Nervi olf. der Neunaugen färben sich trotz des Mangels von Myelin ziemlich gut mit Osmiumsäure. Es sind Untersuchungen über die Lobi olf. des Neunauges auch von Langerhans angestellt worden, welcher übrigens darüber sehr kurz hinweggeht. Unter den Forschern, welebe sich noch vor ihm mit der Anatomie des Gehirns des Neunauges beschäftigt haben, sind Rathke, Stannius, d’Alton und J. Müller zu nennen. Am Ausführlichsten wird dieser Gegenstand, so viel uns 1) Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut. Arch. f. mikroskopische Anatomie 1885. Ueber die feinere Structur des Geruchsorganes des Neunauges. 13 bekannt ist, in der Arbeit von Ahlborn!) dargestellt, welche verhältnissmässig erst kürzlich erschienen ist. Die Lobi olf. des Neunauges bilden, wie bekannt, mit dem Lobus anterior ein ununterbrochenes Ganzes und gestalten zusammen genommen das Vorderhirn. Eine in demselben verlaufende ziem- lich tiefe Furche theilt es in zwei Abschnitte: den vorderen als Lobus olf. und den hinteren als Lob. anter. bezeichnet. Ahlborn beschreibt die Oberfläche des Lob. olf. des Petromyzon Planeri höckerig, d. h. aus Erhabenheiten bestehend, welche von besonde- rer Zellenansammlung (Glomerulus) an der Oberfläche des Lob. herrühren. Diese Beschaffenheit bei Petromyzon fluviatilis haben wir nicht beobachten können. Dort erscheint im Gegentheil die Oberfläche des Lobus ganz glatt, deren äussere Schicht aus einer dichten Masse Nervenfasern besteht. Im Vorderhirn befindet sich eine mit Cylinderepithel ausgekleidete Höhle. Aus unseren Beob- achtungen geht hervor, dass der feine histologische Bau des Lob. olf. ausserordentlich ähnlich dem des Lob. ant. ist. Ihre Haupt- Textur zeigt ein feines spinnegewebeartiges Geflecht, welches eine Menge kleinster Zellen in Form von Körnern beherbergt und wo noch ausserdem stellenweise Gruppen grösserer Nervenzellen vor- gefunden werden. Dieses Geflecht besteht aus feinsten Fibrillen des Bindegewebes und Nervenfasern. Das Vorhandensein der Zellengruppen (Glomeruli) lässt Ahlborn nur dem Lob. olf. zu- kommen, zuweilen finden wir sehr ähnliche Zellenanhäufungen auch im Lobus anter. und namentlich in seinem hinteren Ab- schnitte. Nach unseren Untersuchungen sind diese und jene in histologischer Hinsicht ziemlich gleich gestaltet. Sie stellen näm- lich beide scharf umgrenzte Körnergruppen vor, zwischen denen in geringer Zahl kleine Nervenzellen angetroffen werden. Die Form dieser Nervenzellen im Lob. olf. ist mehr mannigfaltig, meistens werden Zellen mit einem Fortsatz angetroffen (Fig. 7b); wir waren nicht wenig erstaunt, diese Zellen hier vorzufinden: nach den Abbildungen von Ahlborn aber zu urtheilen, hat er auch dieselben Gebilde gesehen und sie „beerenförmige Zellen“ genannt (Fig. 7a). Weiter finden sich hier noch kleine multipo- lare und seltener vorkommende bipolare Zellen ein (Fig. 7 e). 1) Untersuchungen über das Gehirn der Petromyzon. Zeitschrift für die wissenschaftliche Zoologie 1883. 14 L. Pogojeff: Ueber d. feinere Structur d. Geruchsorganes d. Neunauges. Die Nervenfasern der Lob. olf. nehmen ihren Ursprung aus dem Lob. -ant. und verlaufen theils zu der Peripherie des Lobus olf. und theils zu den Zellengruppen, welche zerstreut meistens in dem vorderen Abschnitte des Lobus liegen. Hier scheinen sich die Nervenstämme mit neuen Fasern zu verstärken und, vereinigt mit den peripherisch gelegenen, rücken sie dem Vorderabschnitte des Lobus zu, werden hier in ziemlich dieke Stränge umgewandelt und treten in die beiden Oeffnungen des Geruchsorgans ein. In unseren Untersuchungen der Lobi olf. wurden als Härtungsmittel Chromsäure und ihre Salze gebraucht und verschiedene Färbungen; die Schnittpräparate erhielten wir nach Einbettung in Paraffin und Celloidin. Um isolirte Zellen zu erhalten, wurde die Maceration in Alkohol !/; benutzt. Wir versuchten auch die Doppelfärbung anzuwenden, doch gab uns diese Methode keine befriedigenden Resultate. Schliesslich erachte ich es für meine angenehme Pflicht, dem geehrten Herrn Professor Owsiannikow für das Thema der Arbeit und seinen Rath meinen besten Dank zu sagen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1. Fig. 1. Längsschnitt aus dem Geruchsorgane. a äussere Oeffnung; b Epi- thelialfalten; ce Drüsen; d Nervi olf.; e Lobus olf. System Hart- nack ?2,. Epithelialfalten. a Epithelium; b Nerven. Syst. Hartnack 2%. Fig. 3. Querschnitt aus dem Geruchsorgane. a Epithelialfalten; b Drüsen. Hartnack ?/,. Fig. 4. Zelllen. a, b, c, d, e, g, f aus dem Epithelium der Geruchsorgane; = Ne S) h, k aus den Drüsen; Hartnack °9; 1 Zelle aus der Haut von Petromyzon fluviatilis. Hartnack ?),. = 2 an Längsschnitt aus dem Geruchsorgane von Ammonicoetes. Hart- nack 2. Fig. 6. Drüsen des Geruchsorganes des Neunauges. Hartnack 2/,. er 1 Nervenzellen aus dem Lobus olf. des Neunauges. Hartnack ?)y. Kultschitzky: Beitr. z. Frage üb. d. Verbreitung d. glatten Muskulatur ete. 15 Beitrag zur Frage über die Verbreitung der glatten Muskulatur in der Dünndarmschleimhaut. Von Dr. med. Kultschitzky, Prosector und Privat-Docent der Histologie an der Universität zu Charkoff. Hierzu Tafel II. Die unzweifelhafte Anwesenheit contraetiler Elemente in den Zotten war von Prof. Brücke!) (1851) erwiesen, als es diesem Autor gelang, die einzelnen Muskelzellen zu isoliren. Brücke glaubte, dass die muskulären Elemente sich in Form einzelner Bündel von der Basis der Zotte parallel der Axe der letzteren bis zur Spitze erstrecken und dort enden. Diese Art der Verbreitung der Muskeln wurde, wie es scheint, von den meisten Autoren an- genommen (Kölliker?), Dönitz?) u. a.). Basch nimmt ebenfalls an, dass in der Zotte einzelne Muskel- bündel verlaufen, die parallel zur Längsaxe derselben gelegen sind. Zur centralen Höhle sollen dieselben nach Basch concentrisch gelegen sein. Die am meisten nach innen gelegenen Bündel, welche zugleich die stärksten sind, umgrenzen unmittelbar die centrale Höhle. Die äusseren, zugleich die schwächeren, verlaufen mitten im Parenchym der Zotte und enden frei an ihrer Spitze ®). Ein ganz anderes Verhalten beschrieb Verson?). Nach 1) Brücke, Ueber ein in der Darmschleimhaut aufgefundenes Muskel- system. Sitzungsber. der mathem.-naturw. Classe der Wiener Akademie Bd. VI, p. 214. 2) Kölliker, Gewebelehre. 3) Dönitz, Arch. für Anatomie, Physiologie und wiss. Medicin 1864, p. 404. 4) Basch, Das Zottenparenchym und die ersten Chyluswege. Sitzungsb. der Wiener Akad. 1865, Bd. LI, p. 5. 5) Verson, Stricker’s Handbuch der Gewebelehre 1877, Bd. I, p. 408, 16 Kultschitzky: seinen Untersuchungen bilden die Muskelfasern von der Museularis mucosae ausgehend Schlingen um das blinde Ende der Zottenhöhle und kehren dann zur Muscularis mucosae wieder zurück. Ein solches Verhalten beobachtete Verson bei fast ausgetragenen Meerschweinehenembryonen und bei erwachsenen Katzen. v. Thanhoffer!) nimmt in den Dünndarmzotten ausser den parallel der Längsaxe verlaufenden glatten Muskelfaserbündeln (in Uebereinstimmung mit Basch) noch die Anwesenheit von quer oder eireulär verlaufenden muskulären Elementen an. Und zwar stützt dieser Autor seine Annahme darauf, dass er auf den Längs- schnitten der Zotten quergelegene stäbehenförmige Kerne beob- achtete, die bald an der Spitze, bald an der Mitte, bald an der Basis der Zotte lagen. Die Grösse der Kerne sowohl quer als längs verlaufender Muskelzellen sind nach v. Thanhoffer ganz gleich. Ausser den erwähnten quer in den oberflächlichsten Schiehten verlaufenden muskulären Elementen können solche nach v. Than- hoffer auch in den tieferen Schichten der Zotte (wenigstens bei Hunden) nachgewiesen werden. Noch vor v. Thanhoffer wurden querverlaufende Muskelele- mente in den Zotten von Moleschott beschrieben. Fortunatoff?) beobachtete in den Hundezotten (in Ueber- einstimmung mit v. Thanhoffer) oberflächlich gelegene querver- laufende muskuläre Elemente und tiefe längsverlaufende. Ausser- dem fand er querverlaufende Muskelzellen auch in der Mitte der Zottenmasse, schwankt aber in dem Schlusse, ob dieselben den längs- oder querverlaufenden Bündeln angehören, da die längsver- laufenden oft Anastomosen bilden, welche auf dem Querschnitte für querverlaufende gehalten werden können. Aus den Abhandlungen der letzten Zeit treffen wir ausführlichere und genauere Angaben über die Verbreitung der Muskeln in der Dünn- darmzotte in der Abhandlung von F. Graf Spee?°). Wir wollen hier 1) v. Thanhoffer, Beiträge zur Fettresorption und histologischen Struc- tur der Dünndarmzotten. Arch. f. die gesammte Physiologie Bd. VII, 1873. 2) Fortunatoff, Die Fettresorption und histologische Structur der Dünndarmzotten. Arch. f. die gesammte Physiol. Bd. XIV, 1877, p. 289. 3) F. Graf Spee, Beobachtungen über den Bewegungsapparat und die Bewegung der Darmzotten, sowie deren Bedeutung für den Ohylusstrom. Arch. f. Anatomie und Physiologie. Anatomische Abtheilung 1855, p. 160188. Beitrag zur Frage über die Verbreitung der glatten Muskulatur ete. 17 nur die dort vorhandenen Angaben über den Verlauf der Muskel- fasern in den Zotten des Hundes wiedergeben, da wir den Darm des letzteren als Object für unsere Beobachtungen benutzt haben. Nach Spee verlaufen die Muskelbündel in der Zotte entweder ganz parallel der Längsachse der letzteren oder, was aber nur selten vorkommt, etwas von dieser Richtung abweichend. Die Hauptmuskelbündel liegen dem Centralcanal an, ein Theil derselben liegen in einiger Entfernung im Parenchym der Zotte. Die Muskel- bündel enden oben an der Spitze der Zotte, wobei sie entweder bogenförmig zusammenlaufen oder Schlingen um die Blutgefässe bilden können. Sie können auch zuweilen an den seitlichen Theilen der Zotte bis zum Epithelium reichen, !dasselbe kommt aber nur als Ausnahme vor. Spee sagt unter anderem, dass er bei seinen Untersuchungen überhaupt den Eindruck erhalten habe, dass die Muskelbündel an der Basis der Zotte etwas dichter um den Centralcanal aneinander gelagert sind, um ihm bis zur Muscularis mucosae zu folgen, wo- beisiein derSchicht der Lieberkühn’schen Drüsen an Mächtigkeit abnehmen?). Querverlaufende Muskelbündel konnte Spee niemals finden. | Die Schlussfolgerung Spee’s, die wenig von derjenigen der anderen Autoren abweicht, ist folgende: Es kann angenommen werden, dass bei allen Thieren die Muskelbündel nur längs der Zotte verlaufen und der Endothelwand des Centralcanals anliegen. Nach diesem kurzen literarischen Abriss gehe ich zur Be- schreibung meiner eigenen Untersuchungen über diesen Gegenstand über. Zuvor möchte ich aber noch einige Bemerkungen über die von mir gebrauchten Untersuchungsmethoden vorausschicken. Zur Fixirung des Hundedarmes, der mir, wie bereits erwähnt, als ausschliessliches Untersuchungsobject diente, benutzte ich eine Mischung von folgender Zusammensetzung: a) gesättigte Lösung von Kali bichromieum und Cuprum sulfurieum in 50° Alkohol (im Dunkeln) und b) eine kleine Quantität Essigsäure (ungefähr 5—6 Tropfen an 100 cem), welche unmittelbar vor dem Fixiren hinzu- gefügt werden muss. Iulsc.p, 171. Archiv f, mikrosk, Anatomie, Bd, 31, 2 18 Kultschitzky: In dieser Mischung blieben die Objeete 24 Stunden, wurden dann in Alkohol absolutus übertragen und hernach in Paraffin eingebettet. Sowohl das Fixiren, als das Erhärten muss im Dunkeln vor sich gehen, um das Absetzen der gebrauchten Salze zu verhindern. Zum Färben benutzte ich eine unlängst von mir veröffentlichte sauere Chloralhydratearminlösung?), welche gerade hier sehr gute Dienste leistet, da diese Lösung nicht nur die Kerne selbst färbt, sondern auch die Muskelzellenkörper und zwar letztere etwas an- ders als die übrigen Theile des Präparates. Vermöge dieser Färbung treten die Muskeln besonders deut- lich hervor und können bis zu ihren Ansatzpunkten verfolgt werden. Bei meinen Untersuchungen benutzte ich das Jung ’sche Mierotom und die Zeiss’schen Objeetivlinsen 1/s Oelimmers. und Oel-Apochromat (Brennw. 2,0, n. A. 1,40). Wir wollen unsere Beobachtung des Verlaufes der Muskel- bündel in der Dünndarmschleimhaut mit dem Orte ihres Anfanges beginnen, d. h. mit der Muscularis mucosae. Letztere besteht beim Hunde wie bekannt aus 2 resp. aus 3 Schichten. Wie es scheint werden für die Schleimhaut bestimmte Muskelbündel von allen Schiehten der Muscularis mucosae geliefert. Diese Bündel gehen zunächst schräg nach oben, wobei sie zu den Lieberkühn’schen Drüsen durch eine ziemlich dicke, flach unter derselben gelegene Schicht des Grundgewebes gelangen müssen. An diesen Drüsen angelangt, laufen die Muskelbündel parallel. der Längsaxe derselben weiter fort. Nach meinen Untersuchungen stehen die Muskelbündel in der Schicht der Lieberkühn’schen Drüsen in keiner bestimmten Beziehung zu den Chylusgefässen dieser Schicht, wie ich den Angaben Graf Spee’s gegenüber be- haupten muss. An der Basis der Zotte angelangt, häufen sich die- selben dichter aneinander an und legen sich zugleich an das aus der Zotte gehende Chylusgefäss resp. an den sogenannten Central- canal der Zotte an. 1) Kultschizky, Zur histologischen Technik. Zeitschrift f. wissensch. Mikroskopie Bd. IV, 1887, p. 46—49. Beitrag zur Frage über die Verbreitung der glatten Muskulatur ete. 19 An der Basis der Zotte und in einiger Entfernung nach dem Innern derselben sind die Muskelbündel am dichtesten aneinander gelagert, was übrigens auch mit den Angaben von Spee überein- stimmen würde. Wir müssen aber betonen, dass die Muskeln im Bereiche der Lieberkühn’schen Drüsen keineswegs an Mäch- tigkeit abnehmen, wie es Spee angibt, sondern dieses schein- bare Schwächerwerden derselben rührt von der Art ihrer Ver- theilung her. Indem nämlich die Bündel im Bereiche der Lieber- kühn’schen Drüsen dünn und zerstreut verlaufen, treten dieselben hier nicht so prägnant hervor, dagegen legen sich die Bündel an der Basis der Zotte dichter aneinander an und bilden eine fast ununterbrochene Muskelschicht um das Chylusgefäss herum und erscheinen deshalb die Muskelbündel hier viel grösser als dort. Diese Thatsache ist von mir in einer früheren Abhandlung über diesen Gegenstand bereits hervorgehoben worden!). Nach Basch und Spee liegen, wie oben bereits angegeben ist, die Muskelbündel in den Zotten des Hundes dem Centralcanal an (Hauptmasse) und ausserdem (ein verhältnissmässig kleiner Theil der ganzen Muskulatur der Zotte) einzelne Bündel im Stroma der Zotte, wobei die Hauptbündel parallel der Längsaxe verlaufen. Diese Angabe kann ich durchaus bestätigen und um die Wieder- holung bereits bekannter Thatsachen zu vermeiden, werde ich mich dabei nicht länger aufhalten. Ich will nur hinzufügen, dass es zwischen den einzelnen Bündeln eine grosse Anzahl Anastomosen gibt, die sehr oft die Dieke der Hauptbifhdel erreichen. Dem gegenüber existirt in unseren Kenntnissen über die Muskeln der Zotten eine grosse Lücke und diese muss zuerst aus- gefüllt werden, wenn wir den Mechanismus der Zottenmuskulatur verstehen sollen. Sämmtliche Autoren, auch Spee, dessen Abhand- lung als die genaueste bezeichnet werden muss, nicht ausgenommen, liessen einen Punkt fast ganz unberücksichtigt, jedenfalls unent- schieden, nämlich die Frage über die Ansatzpunkte der Zotten- muskeln. Wir kennen einen der Ansatzpunkte der Muskelbündel, wir wissen, dass dieselben in der Muscularis mucosae ihren An- fang nehmen. Dieses genügt aber nicht, um die physiologische 1) Zur Frage nach dem Bau der Dünndarmschleimhaut und dem Me- chanismus der Resorption. Charkoff 1882 (Russisch). Refer. im Jahresher. von Hofmann und Schwalbe, Literatur 1883, p. 236—237. 20 Kultschitzky: Wirkung eines Muskels zu beurtheilen, dazu müssen wir noch den zweiten Ansatzpunkt desselben kennen. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Frage richtete ich bei meinen Untersuchungen mein Hauptaugenmerk auf diesen Gegenstand und gelangte zu folgendem Ergebnisse. Von der Basis der Zotte beginnend gehen die Muskelbündel nach oben parallel der Längsachse derselben, geben aber während ihres ganzen Verlaufes Zweige, die schief nach oben und zur Pe- ripherie der Zotte geben, ab. Diese Zweige erreichen das Epithel und setzen sich sofort unter demselben an. Die ebenerwähnten Zweige allmählich abgebend werden die Bündel immer dünner, ein Theil derselben reicht aber bis zur Spitze der Zotte hin. Dort gehen die Bündel pinselförmig auseinander, erreichen das Epithel und setzen sich ebenfalls gleich den erwähnten Seitenzweigen dicht unter demselben an; es war mir aber bisher unmöglich zu ent- scheiden, in welchen Gewebselementen die feinen Muskelausläufer eigentlich ihr Ende finden. Diesen meinen Beobachtungen zufolge setzt sich die ganze Masse der in die Zotte eingetretenen Muskelbündel an der ganzen Innenfläche (unmittelbar unter dem Epithel) derselben an. Die beigegebenen Abbildungen sind verschiedenen Gebieten entnommen. Fig. I aus dem Scheiteltheil, Fig. II aus dem Mitteltheil und Fig. III nahe der Basis. Dieser mikrosko- pische Befund berechtigt uns zu einigen Schlussfolgerungen über die physiologische Roll@ der Zottenmuskulatur. Was diejenigen Bündel anbelangt, die parallel der Axe der Zotte verlaufen, so ist ihre Wirkung leicht verständlich: sie be- wirken, wie es bereits Brück e ausgesprochen hat, während ihrer Zusammenziehung die Verkürzung der Zotte. Dagegen haben die- jenigen Bündel, welche schief nach oben gehen und an der Pe- ripherie sich ansetzen, eine etwas andere Bestimmung, ob zwar sie ebenfalls die Verkürzung der Zotte bewirken. Wir haben früher gesehen, dass die Muskelbündel während ihres Verlaufes zwischen den Lieberkühn’schen Drüsen und der Zottenbasis eine convergirende Richtung innehalten, dass sie sich dann an das Chylusgefäss anlegen und allmählich auseinanderweichen. Demnach haben die Muskelbündel die Form von Bögen, deren convexe Seiten der Chylusgefässwand anliegen. Die Muskelbündel streben selbstverständlich bei ihrer Contraction eine geradlinige Beitrag zur Frage über die Verbreitung der glatten Muskulatur ete. 21 Richtung einzunehmen; da aber die Punkte, an welehen die con- vexen Stellen der Bündel anliegen (die Chylusgefässwand), leicht beweglich sind, so werden dieselben im Momente der Muskeleon- traetion nach allen Seiten ausgezogen werden und zwar senkrecht zur Längsaxe der Zotte, oder mit anderen Worten, der Central- eanal der Zotte wird sich erweitern. Somit können wir durch Berücksichtigung der Art des Verlaufes der Muskelbündel eine Thatsache erklären, die bereits von Spee constatirt worden war, nämlich, dass in der eontrahirten Zotte das Chylusgefäss breiter ist als in der ruhenden!!). Als logische Sehlussfolgerung aus der eben angedeuteten Rolle der Muskelbündel (Erweiterung des Centraleanals der Zotte) kann folgender Satz ausgesprochen werden: Der Centraleanal bleibt, dank der auseinandergesetzen Muskelverthei- lung, während der ganzen Contractionszeit der Zotte offen erhalten, mit anderen Worten, während dieses sanzen Zeitraumes ist der freie Abfluss des Milchsaftes vollständig gesichert. Zum Schlusse möchte ich noch mit einigen Worten der von v. Thanhoffer besonders betonten Thatsache Erwägung thun, näm- lich des Vorhandenseins von querverlaufenden Muskelfasern in den Zotten. Bei meinen Untersuchungen habe ich mich in Ueberein- stimmung mit vielen anderen Autoren überzeugen können, dass in den Zotten keine derartigen querverlaufenden Fasern existiren. Auf dünnen, aus einer Hundedarmzotte verfertigten Schnitten sind leicht längliche, quer zur Zottenlängsaxe gerichtete Kerne zu finden, welche sehr den Kernen der glatten Muskelfasern ähnlich sehen und sind sogar kaum von Muskelfaserkernen zu unterscheiden. Dieser Befund gab offenbar Veranlassung von querverlaufenden Muskelfasern zu sprechen, indess lässt sieh bei genauerer Unter- suchung (mit Hülfe des Apochromats) feststellen, dass diese Kerne nicht Muskeln, sondern ausgezogenen Zellen des Zotten- bindegewebes angehören. i) l. e. p. 183. 189) [897 Dr. Richard von Planner: Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Sämmtliche Abbildungen sind mittelst des A bb &’schen Zeichenapparates und des Zeiss’schen Apochromates (2,0 Brennw. n. A. 1,40) hergestellt. Fig. 1 ist nachträglich auf die Hälfte reducirt und stellt den Verlauf und den Ansatz der Muskelbündel an der Spitze der Zotte dar. Fig. 2. Ansatz der Muskelbündel im mittleren Theile. Fig. 3. Dasselbe an der Basis der Zotte. (Aus dem anatomischen Institute des Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Graz.) Ueber das Vorkommen von Nerven-Endkörperchen in der männlichen Harnröhre. Von Dr. Richard v. Planner, em. Assistent an der dermatol. Lehrkanzel in Graz. Hierzu Tafel III. Wer sich mit Erkrankungen des Urogenitalsystems beschäf- tigt, macht die Erfahrung, dass die nervösen Störungen innerhalb desselben bezüglich der Häufigkeit nächst den einfach catarrhali- schen den ersten Platz einnehmen. Ja, man kann sagen, dass nahezu jede Erkrankung, bei der es zu ausgesprochenen anatomi- schen Veränderungen der Schleimhaut des Urogenitalsystems kommt, von mehr oder weniger deutlichen nervösen Alterationen gefolgt ist. Während dies für das weibliche Geschlecht in Folge der ge- wöhnlich ganz eclatanten Erscheinungen schon lange hinlänglich gewürdigt ist, wurde beim männlichen Geschlechte derartigen Er- krankungen erst in jüngster Zeit gebührende Aufmerksamkeit ge- schenkt und verdanken wir insbesondere den Ausführungen Ultz- Ueber d. Vorkommen v. Nerven-Endkörperchen i. d. männlichen Harnröhre. 23 mann’s!) und Oberländer’s?) eine genaue Kenntniss derselben. Sie schliessen sich in der Regel an chronisch-catarrhalische Ver- änderungen der Schleimhaut an und sind so häufig, dass ich zum Beispiel in 126 Fällen chronischer Urethritis 46 Mal, also in etwas mehr als !/,; aller Fälle, mehr oder weniger auffällige, aber ganz unzweideutige Symptome nervöser Alienationen, die wir mit Ultz- mann sehr passend als Reflexneurosen bezeichnen, constatiren konnte. Dieser Thatsache der enormen Häufigkeit nervöser Störungen des Urogenitalapparates steht unsere höchst mangelhafte Kenntniss von Verlauf, Vertheilung und Endigung der Nerven in der Uro- genitalschleimhaut gegenüber und da einschlägige Untersuchungen über den grob anatomischen, makroskopischen Befund zum Theil nicht hinausgehen, zum Theil, soweit dieselben histologisch sind, sich mit Ausnahme der Arbeit Rud. Maier’s?), der die gangliösen Apparate in den harnabführenden Wegen zum Gegenstande seiner Untersuchungen machte, gar nicht mit dem Menschen befassen, so war es ein nahe liegender Gedanke, die Urogenitalschleimhaut des Menschen diesbezüglich einer systematischen Prüfung zu unter- ziehen. Im Nachstehenden seien einige Resultate, die sich auf die männliche Harnröhre beziehen, von welcher, soviel mir bekannt ist, hinsichtlich ihrer Nerven keine specielle histologische Unter- suchung vorliegt, bekannt gegeben. Wir wissen aus den Lehrbüchern der Anatomie, dass die Urethralschleimhaut von dem aus dem Plexus pudendus kommen- den Nervus pudendus, welcher die Arteria pudenda begleitet, ver- sorgt wird. Dieser Nerv spaltet sich zunächst in den Nervus pe- rinaei und Nervus dorsalis penis. Der N. perinaei sendet ober- flächliche Aeste in die äussere Haut des Anus, Perinaeum und Serotum; die tieferen Aeste, in den französischen Lehrbüchern als Nervus musculo-urethralis bezeichnet, ziehen oberhalb des M. trans- versus perinaei superfieialis nach vorne, versorgen diesen Muskel, 1) Ueber die Neuropathien des männlichen Harn- und Geschlechtsappa- rates, Wiener Klinik, 1879, 5. u. 6. Heft. 2) Zur Kenntniss der nervösen Erkrankungen am Harnapparat des Mannes. Sammlung klin. Vorträge, herausgegeben von R. v. Volkmann, Nr. 275. 3) Virchow’s Archiv für path. Anatomie 85. Bd. 24 Dr. Richard von Planner: wie den Musculus sphineter ani externus, bulbo-cavernosus und ischio-cavernosus. Endlich dringen die letzten Aeste in den Bulbus der Urethra ein, anastomosiren innerhalb der Scheide des Corpus cavernosum urethrae mit den Aesten des von H. Müller als N. cavernosus major bezeichneten Nerven des sympathischen Nerven- geflechts und dringen nach vorne bis zur Glans, auf dem Wege dahin zahlreiche Aeste abgebend, welche in das Corpus cavernosum urethrae eindringen. Wie sich dieselben nun hier und in der Urethralschleimhaut verhalten, war nächster Zweck meiner Unter- suchung. Letztere wurde nach verschiedenen Methoden vorgenommen. Die Urethralschleimhaut wurde in der Regel in toto herausprä- parirt. Dieselbe wurde nun entweder in starke Essigsäure ge- legt, dann mit Cochenille-Carmin gefärbt, und in Glyeerin unter das Deckglas gebracht; so erhielt ich Flächenbilder, auf wel- chen das Gefässsystem, sowie die markhaltigen Nerven mit ihren Endigungen sehr deutlich hervortraten. Oder es wurden kleinere Schleimhautstücke in 4—8°/, Ameisensäure gebracht, zu der eine entsprechende Menge einer 1/,°/, Osmiumsäure-Lö- sung zugesetzt wurde. Die schwarz gewordenen und bereits zum Theil gehärteten Stücke wurden in Alkohol vollends gehärtet, dann in Paraffin eingebettet und Serienschnitte angelegt. Auch diese Methode brachte die markhaltigen Nerven sehr gut zur An- schauung. Endlich wurde die Goldmethode nach den Angaben von Pritehard, Klein und Fischer mit wechselndem Glücke an- gewendet. Um meine diesbezüglichen Erfahrungen kurz mitzu- theilen, so kann ich sagen, dass mich keine dieser Methoden ab- solut im Stiche liess, sich aber auch 'keine vollkommen verlässlich zeigte. In demselben Schleimhautstückehen befanden sich in un- mittelbarer Nachbarschaft Stellen, wo die Reduction eine voll- kommen gelungene war, neben Stellen, welche auch nicht eine Spur einer Schwärzung der Nervenfasern aufwiesen, ohne dass ich für dies Verhalten einen Grund aufzufinden in der Lage war. Die günstigsten Resultate erhielt ich noch‘durch die Pritehard’sche Reduction, wiewohl ich ihr deshalb nicht den unbedingten Vorzug geben möchte, sondern dies auch nur als ein zufälliges Ergebniss erachte. Die redueirten {Schleimhautstücke wurden theils zur Anfertigungävon Flächenbildern verwendet, indem sie in Glycerin oder nach Entwässerung in Alcohol ‘und Aufbellung in Nelkenöl Ueber d. Vorkommen v. Nerven-Endkörperchen i. d. männlichen Harnröhre. 25 in Canadabalsam eonservirt wurden, theils in Paraffin oder Celloidin eingebettet und wie bei den mit Ösmiumsäure behandelten Stücken Serienschnitte angelegt. Was nun zunächst den Nervenverlauf betrifft, so bietet dessen Untersuchung an gelungenen Präparaten keine Schwierigkeit. In der Tiefe des eavernösen Gewebes sieht man ziemlich mächtige Nerven, die aus einem Bündel von eirca 20 Nervenfasern bestehen. Dieselben ziehen in einem, meist stark geschlängelten Verlaufe in einem Trabekel des cavernösen Gewebes nach oben, um sich nach kurzem Verlaufe in 2—5 Aeste zu theilen; die dichotomische Thei- lung der Nerven war allerdings am häufigsten zu constatiren, doch halte ich die trichotomische Theilung keineswegs für selten und glaube, dass es nur schwieriger ist, dieselbe auf den Vertical- schnitten zur Anschauung zu bringen. Flächenbilder sind aber nicht zu erhalten, da die Urethra mit dem cavernösen Gewebe zu voluminös ist, sich jedoch vermöge ihres anatomischen Baues nicht lamelliren lässt. Uebrigens konnte ich selbst auf den Vertical- schnitten mitunter eine vierfache Theilung eonstatiren. Die nun durch die Theilung entstandenen Aeste ziehen nun in divergenten Richtungen, meist spitzwinklig von einander, gegen die Oberfläche; dann erfolgen neuerliche Theilungen in Nerven, die nur mehr 2—3 Nervenfasern enthalten. Diese theilen sich dann in noch feinere Zweige, welche ganz gegen die Oberfläche der Schleimhäute herantreten und diese in gestrecktem Verlaufe, zur Schleimhautoberfläche sehr allmählich aufsteigend, durchziehen. Durch die wiederholten Theilungen und das Abgehen der Nerven- äste nach divergenten Richtungen gerathen sie nun in unmittel- bare Nachbarschaft anderer Nervenäste. Es kommt nun vor, dass sie sich mit diesen wieder zu einem Nerven vereinen. Schon an den Osmiumbildern konnte man ziemlich häufig eine Vereinigung zweier dünnerer Nerven zu einem stärkeren, gegen die Oberfläche der Schleimhaut ziehenden Nerven sehen, der dann wieder in Aeste zerfiel. Oder aber es kreuzen sich die Nerven und tauschen bei dieser Gelegenheit Nervenfasern aus, was besonders schön an den Goldflächenbildern zu sehen ist. Man kann ganz deutlich 2 bis 4 Nervenfasern constatiren, die zwei sich kreuzende stärkere Nerven verbinden. Solche Verbindungsäste sind dann ganz kurz. Ein derartiger Austausch von Nervenfasern ist aber auch zwischen Nerven zu constatiren, die von einander weiter entfernt sind, so 26 Dr. Richard von Planner: dass der Verbindungsast einen ganz selbständigen Verlauf zeigt. Endlich zeigen sich Verbindungen zwischen den Aesten eines und desselben Nerven, der z. B. zwei Aeste abgiebt, die, nachdem sie sich getheilt, mit je einem Aste eine bogenförmige Anastomose bilden. Andererseits giebt es zahlreiche Kreuzungsstellen von Ner- ven, die in ihrer Lage nur eine geringe Niveaudifferenz zeigen, an denen kein Faseraustausch stattfindet. Dieser Umstand, sowie die Thatsache, dass man an den Ver- ticalschnitten Nerven oft weithin verfolgen kann, ohne dass eine Abzweigung zu constatiren wäre, beweist, dass wir es nicht mit einem eigentlichen, aus Maschen bestehenden regelmässigen Netze zu thun haben. Es ist ein Wechsel von Theilungen, Ver- bindungen und Durchkreuzungen (siehe Fig. 1), so dass man eben nur von einem Geflecht sich durchkreuzender und sich verbin- dender Nerven sprechen kann, von dem in Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse von vorneherein keine Regelmässigkeit zu erwarten ist. Die Schleimhaut der Urethra geht direet in das cavernöse Gewebe über und bei dem unregelmässigen Baue des- selben wäre eine reguläre Netzbildung, die in einem schichten- weisen Entfalten der Nervenäste ihren Ausdruck findet, unmöglich. Es handelt sich also um eine Art der Nervenvertheilung, wie sie R. Maier in seiner bereits eitirten Arbeit über „die Ganglien in den harnabführenden Wegen des Menschen und einiger Thiere“ von der menschlichen Harnblase beschreibt. Im Allgemeinen möchte ich aber doch drei Lagen von Nerven unterscheiden, von denen sich die mächtigste in der Tiefe des cavernösen Gewebes, eine schwächere an der Grenze des eavernösen Gewebes gegen die Schleimhaut, die dritte Lage sich endlich in dieser selbst befindet. Was nun das weitere Schicksal der in der Oberfläche der Schleimhaut liegenden doppelt eontourirten Nerven betrifit, so ist zunächst festzustellen, dass ein Theil derselben in Endkörperchen ausläuft. Diese Endkörperchen liegen in der oberflächlichsten Schichte der Schleimhaut, manchmal so oberflächlich, dass sie die Schleim- haut mehr oder wenig vorwölben, so dass hierdurch eine förmliche papillenartige Erhebung gebildet wird. Gewöhnlich aber sind sie doch durch eine schmale Lage etwas verdichteten Bindegewebes vom Epithel getrennt; hin und wieder liegen sie auch etwas tiefer, nie aber so tief, dass sie ins cavernöse Gewebe zu liegen kämen. Ueber d. Vorkommen v. Nerven-Endkörperchen i. d. männlichen Harnröhre. 27 Was die Anzahl der Endkörperchen betrifft, wage ich keine Zahl aufzustellen, da die Vertheilung derselben eine höchst ungleich- mässige ist. Oft finden sich dieselben in unmittelbarer Nachbar- schaft oder wenigstens in einem Schnitte mehrere, dann kann man ganze Serien von Schnitten durchsuchen, bis man wieder Eines aufzufinden im Stande ist. Im Allgemeinen glaube ich es aber als Regel hinstellen zu können, dass dieselben gegen das Orifi- cium der Urethra zu zahlreicher, gegen den Bulbus hin immer sporadischer werden. Die Form der Körperchen ist ebenfalls sehr verschieden. Sie sind bald Ellipsoide, bald kugelig, bald walzenförmig, eiförmig bis nahezu birnförmig. Wenn sie nicht kugelig sind, so sind sie mit ihrer Längsachse parallel zur Oberfläche race oder sie nähern sich derselben in schräger Richtung. Ihre Grösse variirt ebenfalls zwischen den erheblichsten Gren- zen. Die mittlere Grösse derselben zeigt im Längsdurchmesser 100—110 u, im Querdurchmesser 75 u. Doch sind auch kleinere Formen ziemlich häufig. Bei Formen, die mehr walzenförmig sind, sind die Unterschiede zwischen Längen- und Querdurchmesser viel bedeutender, so misst z. B. das in Fig. 3 abgebildete Körperchen 93 u im Längen- und nur 29 u im Querdurchmesser. Mehrmals konnte ich besonders kleine Exemplare von nur 34—38 u im Längs- durchmesser und 22—29 u im Querdurehmesser beobachten, wobei sich aber zwei Endkörperchen in unmittelbarer Nachbarschaft und auf einem gemeinsamen, sich diehotomisch theilenden Nervenstamm fanden (siehe Fig. 6). In Fig. 5 habe ich ein Endkörperchen abgebildet, das sowohl durch seine Grösse, als durch seine Form höchst auffällig ist. Es handelt sich um ein auffallend grosses, walzenförmiges Körperchen, das spiralig gewunden und gleichzeitig um seine Achse gedreht ist. Wenn man die Maasse für die optischen Querschnitte des- selben addirt, so resultirt hieraus eine Länge von 158,5 u. Vor seinem Eintritte in das Körperchen macht der Nerv ge- wöhnlich eine starke Krümmung. Ich sah immer nur einen Ner- ven in das Körperchen eintreten; nur einmal konnte ich ausser dem eintretenden Nerven einen zweiten von der Seite an das Körperchen herantreten sehen, so dass es schien, als sei nur die Eintrittsstelle nicht vom Schnitte getroffen. Der eintretende Nerv verliert nicht sofort seine doppelte 28 Dr. Richard von Planner: Contour, sondern man sieht denselben deutlich noch einige Win- dungen an der Oberfläche des Körperchens machen, ehe er seine Markscheide verliert. Einmal konnte ich ihn innerhalb der Kapsel eine Theilung in zwei noch markhaltige Nervenfasern eingehen sehen. An den Essigsäurepräparaten sieht man sehr deutlich die Henle’sche Scheide in die Kapsel des Körperchens übergehen, während die Kerne der Schwann’schen Scheide innerhalb der Kapsel noch schön sichtbar sind. Schliesslich verliert der Nery, nachdem er sich 1—2 Mal in spiraligen Touren um das Körper- chen gewunden, seine Markscheide und tritt ins Innere des Körper- chens ein. Die Kapsel besteht gewöhnlich aus zwei zarten Schichten mit einigen longitudinal eingelagerten elliptischen Kernen. An den Goldehloridpräparaten traten diese nicht so deutlich hervor wie an den Essigsäurepräparaten. Die Schichten der Kapsel legen sich durchaus nicht immer gleichmässig an, sondern entfernen sich an einzelnen Stellen, besonders an den Polen des Körperchens, einen freien Raum zwischen sich lassend. Stärkere Einschnürungen der Kaspel oder gar hierdurch bedingte Theilungen des Körper- chens konnte ich nie constatiren. Das Innere des Körperchens zeigt einen mitunter nicht so leicht definirbaren, fein granulirten Inhalt. In demselben sind deutliche blasse Nervenfasern in kleineren und grösseren Win- dungen und von verschiedener Dicke zu erkennen, ausserdem sieht man Kerne, die sich von den Kapselkernen durch ihre Grösse unterscheiden und mit ihrer Längsachse die Kapselkerne oft kreu- zen. In manchen Körperchen glaubte ich auch Zellgrenzen zu erkennen; dementsprechend liess sich an den Essigsäurepräparaten auch eine zarte quere Streifung ermitteln. Wenn wir die soeben beschriebenen Details ins Auge fassen, so werden wir keinen Augenblick im Zweifel sein, dass wir es mit den von Krause!) zuerst beschriebenen Endkolben zu thun haben. Von den vom selben Forscher entdeckten Genitalnerven- körperchen ?) unterscheiden sie sich durch ihre im Allgemeinen geringere Grösse und durch den Mangel der Einschnürungen der 1) Ueber Nervenendigungen. Zeitschr. f. rat. Med. III. R. Bd. V, 1858. 2) Ueber die Nervenendigung in der Clitoris. Göttinger Nachrichten Nr. 12, 1866. Ueber d. Vorkommen v. Nerven-Endkörperchen ı. d. männlichen Harnröhre. 29 Kapsel, die den Genitalnervenkörperchen eigen sind. Ich will mich übrigens auf die Frage nach der Berechtigung, den Genital- uervenkörperchen, die ja wirklich denselben Typus zeigen und von welchen bereits Finger!) Uebergangsformen zu den Endkolben constatirte, eine Sonderstellung zu geben, nicht einlassen, sondern nur das Eine hervorheben, dass die von mir in der Urethralschleim- haut gefundenen Körperchen mit den Krause’schen zusammen- gesetzten Endkolben übereinstimmen. Das Vorkommen dieser Endkolben in der männlichen Ure- thralschleimhaut kann uns nämlich keineswegs befremden, wenn wir uns das Princip, welchem die Endkörperchen in Hinsicht auf ihre Form folgen, gewärtig halten. Hat es sich ja doch vielfach bestätigt, was zuerst Merkel?) ausgesprochen hat, dass es nur „entwicklungsgeschichtliche, niemals physiologische Ursachen sind, welche die Form der Nervenendigungen bedingen.“ Und wenn wir uns nun wieder die Beobachtungen Krause’s und Bense’s?) vor Augen halten, nach welchen sich in den kleinen Schamlippen des Weibes Endkolben, doch keine Genitalnervenkörperchen vor- finden, und uns der entwicklungsgeschichtlichen Thatsache erinnern, dass die kleinen Schamlippen des Weibes der Pars cavernosa der Urethra des Mannes homolog sind, dann müssen wir das Vor- handensein der Krause’schen Endkolben in der männlichen Urethralschleimhaut als etwas selbstverständliches betrachten. Hiermit in Uebereinstimmung ist nicht nur der Umstand, dass sich an beiden Orten dieselbe Form von Nervenendigungen findet, sondern auch das Verhältniss, dass die Häufigkeit der Endkörper- chen in der Urethralschleimhaut des Mannes eine wesentlich ge- ringere ist, als in den Nymphen des Weibes. Denn wenn wir für beide in der embryonalen Anlage dieselbe Anzahl voraussetzen, so müssen dieselben in der Folge in dem viel grösseren Verbreitungs- bezirke der männlichen Urethra sehr bedeutend auseinander rücken und darum viel sporadischer werden. In die noch offene Streitfrage, wie die Nervenfaser inner- 1) Ueber die Endigungen der Wollustnerven. Zeitschr. f. rat. Mediein II. R. Bd. 28, 1866. 2) Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbel- thiere. Rostock 1880. 3) Ueber Nervenendigungen in den Geschlechtsorganen. Zeitschr. f, rat. Med. III. R. Bd. 33, 1868. 30 Dr. Richard von Planner: halb des Körperchens endigt, kann ich nicht eintreten, da ich eine Endigung der Nervenfasern in keinem meiner Präparate eonstatiren konnte. Sicher ist, dass dieselbe in feinere Aeste zerfällt, die mit ihren Windungen das Innere des Körperchens erfüllen. An- führen will ich nur noch das Eine, dass ich nach meinen Bildern den zelligen Charakter der Endkörperchen nicht läugnen kann, wie dies Schwalbe!) thut. Bei den Zellkernen, welche ich im Innern des Körperchens zu sehen glaubte, halte ich eine Täuschung durch der Kapsel angehörige Kerne für ausgeschlossen, weil ich dieselben auch in den mittleren Sebnitten solcher Körperchen, die mehrmals getroffen wurden, constatiren konnte. Uebrigens sind dieselben durch ihre Grösse und rundliche Form auch von son- stigen Bindegewebskernen unterschieden und damit halte ich es wohl für das Wahrscheinlichste, dass, wie Merkel behauptet, die Nerven in Zellen ihre Endigung finden. Von sonstigen Schicksalen der oberflächlichen markhaltigen Nervenfasern war ich, wenn auch sehr selten, in der Lage, das Vorkommen von Aufknäuelungen der Nervenfasern, ähnlich wie sie Krause in der Conjunctiva beschrieben und in Fig. 294 seines Handbuches?) abgebildet hat, zu constatiren. Man sieht (vide Fig. 7) eine markhaltige Nervenfaser von unten her in einen solchen Knäuel eintreten, während an der entgegengesetzten Seite 2—3 schwächere Nervenfasern austreten. Der Knäuel selbst misst im Durchmesser 64,5 u und erinnert mit seinen zahlreichen durch- schnittenen Windungen an das Bild einer Schweissdrüse. Endlich kann ich das Vorkommen von Ganglien in der Mu- cosa der Pars pendula urethrae constatiren. Maier hat diesbe- züglich die harnabführenden Wege von den Nierenkelchen an unter- sucht und die zahlreichsten Ganglien in der Blase gefunden, diesel- ben aber auch in grösserer Anzahl in den Uretheren, in den Nieren- becken und Kelchen, andererseits in der Pars prostatica und membranacea urethrae constatirt. In der Pars bulbosa konnte er sie nur mehr vereinzelt und nur im Anfange derselben nachweisen. Ich kann nun das allerdings höchst seltene Vorkommen von Gang- lien auch für die Pars pendula feststellen. In Fig. 3 habe ich einen Nerven dargestellt, der einen in Windungen verlaufenden 1) Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1886. 2) Handbuch der menschlichen Anatomie. I. Bd. Hannover 1876. Ueber d. Vorkommen v. Nerven-Endkörperchen i. d. männlichen Harnröhre. 31 Nervenast gegen die Oberfläche der Schleimhaut sendet, welcher schliesslich in einem Endkolben endigt. Nicht weit von seinem Eintritte in dasselbe sieht man ein Ganglion in Form einer seitlichen Anlagerung, so dass die Zellengruppe auf der einen Seite von der Nervenfaser begrenzt wird, während auf der anderen Seite das Perineurium über sie hinweggeht. Es ist klar, dass nur ein kleiner Theil der Nerven in den zusammengesetzten Endkolben sein Ende findet und es bleibt da- her noch die Frage nach dem weiteren Verhalten des bei weitem grösseren Theils der Nervenfasern offen. Schon an den Osmium- bildern konnte man nicht selten eine sehr feine doppelt contourirte Nervenfaser aufsteigen sehen, die unmittelbar unter dem Epithel rechtwinklig abbog und gleichzeitig marklos wurde, dann aber nur ein ganz kleines Stück weiter verfolgt werden konnte. An den Schnitten der Goldehloridbilder liessen sich aber oft zahlreiche Quer- und Schrägschnitte markloser Nerven erkennen, während sich an den Flächenbildern hin und wieder zwischen den varicösen Fasern auch feinste marklose Fasern gleich feinen unterbrochenen Linien erkennen liessen. Nach alledem zweifle ich nicht an der Existenz eines dichten subepithelialen, marklosen Nervennetzes, wenn es mir auch nicht gelang, dasselbe in grösserer Ansdehnung darzustellen. Ich behalte mir daher vor, auf diesen Punkt bei passender Gelegenheit zurückzukommen. Es erübrigt mir nur noch, Herrn Prof. Dr. Zuckerkandl, in dessen Institut diese kleine Arbeit ausgeführt wurde, sowie dem Assistenten desselben, Herrn Dr. Ludwig Kerschner für die vielfache Unterstützung, die sie mir zu Theil werden liessen, herz- lichsten Dank zu sagen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. 1. Nervenplexus aus der Pars pendula. Goldchloridpräparat. Flächenbild. Fig. 2. Endkörperchen aus dem untersten Drittel der Urethra. Essigsäure- präparat. Cochenille-Carmin-Kernfärbung. Flächenbild. Sämmtliche folgende Abbildungen sind vertikale Schnitte durch Goldchloridpräparate. 32 A. Mertsching: Fig. 3. Endkörperchen aus dem mittleren Drittel der Pars pendula. Verti- kaler Schnitt. Vergrösserung *%/,. Fig. 4& Nerv mit Ganglion und Endkörperchen, ebendaselbst. Vergrösse- rung 150. Fig. 5. Grosser walzenförmiger, spiralig gewundener und um seine Längs- achse gedrehter Endkolben. Vergrösserung 2%/,. Fig. 6. Zwei kleine Endkörperchen. Vergrösserung 4%/,. Fig. 7. Nervenknäuel. Vergrösserung 4%/.. (Aus dem Münchener histologischen Laboratorium.) Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. Von A. Mertsching, approb. Arzt aus Sommerfeld. Hierzu Tafel IV und V. Herr Dr. P. G. Unna hat in seinen verdienstvollen Arbeiten über die Haut und ihre Anhangsgebilde eine Auffassung des Haares hingestellt, welche dasselbe als ein höchst eigenartiges Gebilde er- scheinen lässt, das sich mit einer Papille, z. B. einer Papilla fili- formis gar nicht vergleichen liesse. Nach dieser Auffassung hört die horizontale Schichtung der Epidermis am Grunde des Haar- balges auf und es erhebt sich von der Haarpapille das Haar als ein Complex concentrisch in einander gefügter Kappen, die alle ihre eigenen Matrices als besondere Zonen auf der Oberfläche der Pa- pille besässen!). Die horizontale Schichtung der Epidermis würde sich darnach für das Haar in eine verticale umwandeln, denn wenn auch die Schichten des Haares concentrisch um die Axe geordnet sind, so würde doch jede Schicht für sich bis zur Papille, d. h. 1) Paul G. Unna, Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut in v. Ziemssen’s Handb. der speciellen Pathologie und Therapie Bd. XVI, Erste Hälfte 1883, p. 62 ff. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 33 bis zur Cutis reichen. Eine Schichtung, welche derjenigen der Epidermis entspräche, wäre mithin im Haare nicht vorhanden. Demgemäss ändert Unna auch die Nomenclatur. Die bisher so- genannte äussere Haarwurzelscheide wird als Stachelschicht der Epidermis bezeichnet, der sie ja auch in der That entspricht. Diese hört zugeschärft am Grunde des Haarbalges auf. An dieselbe schliessen sich am Papillenbalse aufeinander folgend die Matrices der Wurzelscheide (bisher Henle’sundHuxley’s Schicht der inneren Haarwurzelscheide), dann am Papillenkörper die Matrices der Rinde und des Markes. — Von den direkt der Papille aufsitzen- den Zellen dieser Matriees sagt Uuna an einer Stelle!): „Sämmt- liche der Papille direkt aufsitzenden Zellen dieser Abschnitte sind Cylinderzellen, von denen sich fortwährend kubische Tochterzellen ablösen ete.“ Die Abbildung aber, die diese Verhältnisse illustriren soll?), zeigt das nicht, sondern schliesst mit den Cylinderzellen an der Grenze zwischen Rinde und Mark ab und lässt eigenartige Mark- zellen direkt der Papillenoberfläche auflagern und in Ueberein- stimmung damit heisst es weiter im Texte°): „Eigentliche Cy- linderzellen hat die Matrix des Markes nicht aufzuweisen, ein unregelmässig kubisches Epithel bedeckt die Spitze der Papille und zeichnet sich durch besonders schöne grosse Kugeln von Kerato- hyalin aus ete.*. Die eitirte Abbildung ist zwar einem Barthaare entnommen, aber sie soll doch wohl ein allgemein gültiges Schema der Histologie des Haares überhaupt darstellen, und insofern er- scheint sie mir nicht korrekt. Präparate, die im hiesigen Laboratorium bei Gelegenheit eines Cursus aus der Kopfhaut des Menschen angefertigt wurden, ergaben, dass ausnahmslos die tiefste Zellenlage der Epidermis, die sogenannten Basalzellen der Stachelschicht, als continuirlich an einander schliessende Cylinder die ganze Oberfläche der Pa- pille bis zur Spitze überziehen, und ich vermochte bei einem ein- gehenderen Studium dieser und anderer Präparate nachzuweisen, dass die Zellen des Markes an jene Basalzellen derart anschliessen, dass es gerechtfertigt erschien, die Markzellen des Haares als un- mittelbare Fortsetzung der Basalzellen aufzufassen. Wenn somit die in der Axe des Haares gelegenen Zellen, der Ordnung nach, den tiefsten Zellen der Epidermis überhaupt entsprachen, so erschien Dinlserp..62: 2)lsrch P2,63,, Fig.) I. a) p: 267. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 31, > 34 A. Mertsching: es zulässig, die Schichtung des Haares, unbeschadet der Anerken- nung seiner Besonderheiten, mit der Schichtung der Epidermis im Allgemeinen in Parallele zu stellen. Das Haar würde so an- deren Anhangsgebilden der Haut genähert werden und die scharfe Sonderstellung, die Unna dem Haare zuweist, erschiene nicht ge- rechtfertigt. Bei diesen Untersuchungen ergaben sich noch einige andere Punkte, die herauszuheben nicht überflüssig schien, und ich ge- statte mir daher, die nachfolgenden Mittheilungen zu veröffent- lichen. Meine Untersuchungen erstreekten sich einerseits auf die Kopfhaut von drei hingerichteten jungen Männern mit starker gleichmässiger Behaarung, andererseits auf die Haut von Mäusen und Meerschweinchen. Sämmtliche Objeete wurden innerhalb einer halben Stunde nach dem Tode der weiteren Behandlung unterzogen und zwar zum Theil in Chromsäure und Müller’scher Flüssigkeit, zum Theil in eoncentrirter Sublimatlösung gehärtet, ausgewaschen, in successive verstärktem Alkohol entwässert, hier- auf entweder in der gewöhnlichen Weise eingebettet (Nelkenöl, Terpentinöl, Terpentinöl und Paraffin zu gleichen Theilen, reines Paraffin), oder nach der vorzüglichen Bütschli’schen Methode (Chloroform-Paraffin zu gleichen Theilen, reines Paraffin) einge- schlossen. Die Schnitte wurden mit Eiweiss-Glycerin nach Paul Mayer auf dem Objektträger befestigt, von Paraffin befreit, entwässert und nun gefärbt. Unna empfiehlt mit Recht das Picrocarmin, indessen, wenn es sich um differentielle Färbung verschiedener Schichten handelt, leistet eine andere Methode entschieden mehr. Es ist diejenige, die in früheren Arbeiten aus dem hiesigen histologischen Laboratorium bereits beschrieben und nach Norris und Shakespeare be- nannt worden ist!). Diese Methode hat ihre Geschichte. Zuerst empfahl Thiersch eine Mischung von 1 Theil Oxal- säure, 22—30 Theilen destillirten Wassers und soviel Indigkarmin als zur Saturation erforderlich ist. Diese Lösung gibt eine leb- 1) Paul Rothe, Ueber die Sternzellen der Leber. Inaug.-Dissert. München 1882, p. 15. Bernhard Bayerl, Die Entstehung rother Blut- körperchen im Knorpel. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI, p. 35. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 35 hafte blaue Färbung der Axencylinder und Nervenzellen an Chrom- säurepräparaten. Fr. Merkel combinirte diese Thiersch’sche Lösung mit soviel alkalischer Karminlösung, bis eine violette Farbe ent- steht )). Diese alkalische Indigkarmin-Karminlösung färbt im All- gemeinen roth, aber das Nervenmark blau, während rothe Blut- körperchen unter Umständen grünlich erscheinen. Doch sah Merkel letztere Erscheinung durchaus nicht konstant auftreten, eigentlich nur an den Blutkörperchen in den Hirngefässen. Weit zuverlässiger bewährt sich zu differentiellen Färbungen eine nicht alkalische, mit Borax versetzte Indigkarmin-Karminlösung, wie sie fast gleichzeitig von zwei Seiten her empfohlen wurde?). Eine genaue Beschreibung des im hiesigen histologischen Labora- torium geübten Verfahrens bei Herstellung und Anwendung der Lösung gibt B. Bayerl?). Ich habe mich mit grossem Vortheil dieser Methode bedient, die sich nicht allein zum sicheren Nach- weise von Blutkörperchen empfiehlt, welche intensiv grün er- scheinen, sondern namentlich auch zur Färbung von Hautpräparaten. Die verschiedenen Schichten der Epidermis treten der Farbe nach scharf gesondert hervor. Werden die auf dem Objecträger fixirten Sehnitte 15—20 Minuten lang mit der Färbelösung behandelt, dann ebenso lange in eine gesättigte Lösung von Oxalsäure ge- bracht, dann gewaschen und schliesslich mit Canadabalsam ein- geschlossen, so sieht man die Stachelschicht hellroth, die Körner- schicht durch tief rothe Farbe deutlich abgesetzt; das stratum lueidum erschien je nachdem blau oder grün und zwar blau, wenn die Behandlung der Haut mit Sublimat vorausgegangen war, grün aber bei Erhärtung in Müller’scher Flüssigkeit. Das stratum cor- neum zeigt sich blauroth tingirt. Leider blassen die Farben in Canadapräparaten nach einigen Jahren ab. So lange die Präparate aber ihre ursprüngliche Färbung bewahren, eignen sie sich ganz 1) Fr. Merkel, Technische Notiz. Untersuchungen aus dem anatomi- schen Institut zu Rostock 1874, p. 98. 2) Norris, W. F. and Shakespeare, Americ. Journ. of the medic. sciences. January 1377. Merbel, F., Monthly mierosc. Journ. Nov. and Dec. 1877, p. 242. 3) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIII, 1884, p. 35. 36 A. Mertschinge: besonders zum Nachweis des Zusammenhanges der Schichten in und am Haarbalg, denn die Henle’sche Schicht der inneren Haar- wurzelscheide erscheint in derselben Farbe, wie das stratum luei- dum, d. h. an Sublimatpräparaten blau, an Präparaten, die mit Müller’scher Flüssigkeit behandelt waren, grün. Diese Färbung behält die Schicht bis unterhalb der Einmündung der Talgdrüsen; ebenso lässt sich nachweisen, dass das in die Mündung des Haar- balges sich einsenkende strat. corneum, allmählich auf eine Zellen- lage reduecirt, den Anschluss an Huxley’s Schicht der inneren Wurzelscheide erreicht. Die Angabe Henle’s fand ich also durchaus zutreffend, dass die „Hornschieht“ (stratum lueidum + ecorneum) in die innere Wurzel- scheide sich fortsetzt!). Ich gebe nun die Resultate meiner Untersuchung im Ein- zelnen. I. Haarbale. Was die Faserschichten des Balges anlangt, so hätte ich dem bereits Bekannten nichts hinzuzufügen. Ich stimme Unna darin bei, dass eine eigene faserige Wand des Balges deutlich nur an den zwei unteren Dritteln der Länge desselben vorhanden ist, die äussere Längsfaserschicht und die Ringfaserschicht. Während erstere am Grunde des Balges der Basis der Papille entlang hin- zieht, bildet die Ringfaserschicht die Papille, indem ihre Fasern, aus der bisherigen Richtung absebwenkend und sich durchflechtend, aufwärts ziehen. Einer eingehendern Berücksiehtigung scheint mir die innerste Schieht des Haarbalges, die von Kölliker?) zuerst beschriebene Glashaut werth zu sein. Unna?) sagt von dieser, sie sei keine eigentlich selbständige Membran, sondern eine Verdichtung der mittleren, d. h. der Querfa- serschicht, sei nur im untersten Drittel des Haarbalges gut ausgebildet und setze sich nicht auf die Papille fort. Hier mussich widersprechen. Wenn auch die Stärke der Glashaut in verschiedenen Regionen wechselt, so ist sie doch in ganzer Länge des Balges vorhanden, 1) Handb. der Eingeweidelehre. Braunschweig 1873, p. 20 u. 21. 2) Mikroskopische Anatomie Bd. II. 1. Hälfte. p. 126. 3) Unna l. c. p. 60. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 37 geht an der Mündung in die Grenzschicht zwischen Epidermis und Corium über und lässt sich über die Papille hinweg bis zur Spitze verfolgen (siehe Fig. 1), An der Kopfhaut des Menschen ist sie allerdings, je nach der Region des Balges, von verschiedener Stärke; am mächtigsten im mittleren Theil zwischen dem Talg- drüsengrunde und der Höhe der Papillenspitze nimmt sie dann mit der Verdünnung der äusseren Wurzelscheide bis zum Halse der Papille an Mächtigkeit ab, schwindet hier aber nicht, sondern trägt die Cylinderzellen, welche die Papille bekleiden. Sehr häufig sah ich in der Region, die durch die Stärke der Glashaut ausgezeichnet ist, jene Erscheinung, die Unna als senile Veränderung derselben bezeichnet nnd sehr gut abbildet!), d. h. ich sah ebenfalls jene verdickten ringförmigen Reifen, mit denen die Glashaut gegen die Wurzelscheide (Stachelschicht des Haar- balges, Unna) vorspringt. An den kräftigen Kopfhaaren der jungen Männer, die ich untersuchte, war nicht selten eine Schich- tung in der Dicke der Glashaut wahrnehmbar; man erblickt an derselben noch eine äussere minder durchsichtige Lage und zwar in der ganzen Ausdehnung des Balges. Das Verhältniss ist in der Zeichnung der Fig. 1 wiedergegeben; der dunklere Strich, der sich continuirlich auch über die Papille erstreckt, stellt diese zweite Schicht dar. Unna erwähnt eine Beobachtung, die er gleichfalls an normalen kräftigen Kopfhaaren machte, dass bei mächtig entwickelter Glashaut auch die angrenzende Partie der mittleren Querfaserschicht glasartig gequollen erschien. Das würde der zweiten Schicht der Glashaut entsprechen, die ich wahrnahm und abgebildet habe. Die Gestalt der Papille fand ich sehr konstant. Es ist ja nicht leicht reine Axenschnitte durch dieselbe zu erhalten. War die Orientirung des eingeschlossenen Objektes zur Richtung des Messers gut gelungen, so sah ich an den Kopfhaaren die Papille stets von der Form einer Zwiebelkuppel, die in eine feine Spitze ausgezogen erschien. Dasselbe war an den Haaren der Mäuse und Meerschweinchen der Fall. Ein besonderes Augenmerk habe ich auf das Verhältniss der Glashaut zu den Epithelzellen der Wurzelscheide gerichtet. Kölliker?) machte bereits darauf aufmerksam, dass isolirte 1) Unna 17.9.2604 Eig. 9, 2) Mikroskopische Anatomie Bd. II. 1. Hälfte. p. 126. 38 A. Mertsching: Fetzen der Glashaut innen mit zarten, queren, anastomosirenden Linien besetzt sind, in denen er „kernfaserartige“ Fibrillen ver- muthete. Sowohl an Längs- wie an Querschnitten sieht man sehr häufig die Glashaut an ihrer inneren, gegen das Epithel gekehrten Fläche mit feinen Zacken besetzt und die cylindrischen Basal- zellen der äusseren Wurzelscheide in ähnliche kurze Zacken aus- laufend. Ist die Glashaut an den Präparaten von dem Epithel abgelöst, so stehn sich zwei in ganz gleicher Weise gezähnelte Grenzflächen gegenüber (Fig. 5) und es hat den Anschein, als ob diese Zacken bei der Verbindung beider Flächen in einander griffen. Mitunter kann man ein solches Verhalten thatsächlich er- blicken. Insbesondere geben Querschnitte dieser Vermuthung Raum. In anderen Fällen aber und namentlich an Längsschnitten sieht man Verhältnisse, die sich jener Deutung nicht fügen. Man gewahrt auf's deutlichste, dass die Basen der cylindrischen Epi- thelzellen sich in fadenförmige Fortsätze verlängern, die Axen- richtung aber nicht beibehalten, sondern sich knicken und in der Ebene der Glashaut sich weiter fortsetzen, bis sie mit dieser Haut sich fest verbinden, oder, besser gesagt, sich in dieselbe einsenken (Fig. 6). Die Glashaut erscheint wie aus den durcheinanderge- flochtenen und miteinander verschmelzenden Fäden entstanden. Es ist ein Verhältniss vorhanden, wie es von einigen Seiten zwischen dem Cylinderpithel des Darmes und der Basalmembran desselben angenommen worden ist und neuerdings in einer Abhandlung von M. v. Davidoff!) eingehend besprochen wurde. Herr Prof. Kupffer bezeichnet in seiner Vorlesung über Histologie diese fadenförmigen Ausläufer als „Wurzeln der Epi- thelzellen* und die Glashäute, Basalmembranen, structurlosen Tu- nica propriae der Drüsen ete. als membranae limitantes, nach Analogie der limitans interna retinae. Ich werde im Verlauf der Mittheilung diese Ausdrücke beibehalten. An meinen Präparaten sah ich die Wurzeln der Epithelzellen in zweierlei Weise sich verhalten. Entweder ging von der Cy- linderzelle ein einziger stärkerer Faden ab, der dann aber fibrillär gestrichelt erschien, oder die Cylinderzelle entsandte von ihrer Basis mehrere zarte Fäden, die sich in der Regel alle nach einer 1) v. Davidoff, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXIX, 1887, p. 503. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 39 Richtung hin in die Glashaut fortsetzten, bisweilen aber auch di- vergirten. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass die dickeren Wurzeln nur aus der Verklebung zahlreicher feinerer Wurzelfäden entstehen. Wie dem auch sein mag, jedenfalls zeigt sich ein inniger Zusammenhang der Cylinderzellen der Wurzelscheide mit der Membrana limitans des Haarbalges (Glashaut): Epithel und Li- mitans sind zusammengehörige Bildungen! Unter diesen Umständen erweckt es ein besonderes Interesse, dass in der Limitans auch Kerne vorkommen. Sie sind nicht zahlreich, in einigen Fällen aber liessen sie sich mit Bestimmtheit nachweisen. Zur Vergleichung ziehe ich hier die analogen Verhältnisse an den Schweissdrüsen in Betracht. Ranvier!) hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Drüsen- gang innerhalb des Knäuels zwei Abschnitte zeigt, die er als den Secretionsgang und den Exceretionsgang unterscheidet. Beide zeigen einen verschiedenen Bau. An dem letzteren sieht man eine bindegewebige fasrige Wand, dann innen eine structurlose Mem- bran und, von dieser getragen, eine Doppellage von Epithelzellen, die gegen das Lumen eine eutieula führen. Der Secretionsgang aber enthält nur eine einzige Lage von Cylinderepithel, ohne Cu- tieula und dann zwischen dem Epithel und der Tunica propria eine Lage von glatten Muskelfasern, die also unmittelbar mit dem Epithel in Berührung sind. Ich weiss aber nicht, ob die Muskelschicht, die Köllik er?) an den Schweissdrüsen erwähnt, hiermit zu identifieiren ist. Kölliker spricht von einer bindegewebigen äusseren Faserhülle, die nach innen von der membrana propria begrenzt wird, auf der das Epithel sitzt, und sagt dann weiter, dass die diekwandigen Schweissdrüsenkanäle, z. B. der Achsel, ausser den erwähnten Schichten noch eine mittlere Schicht längsverlaufender glatter Muskelfasern enthalten. Eine mittlere Schicht wäre doch wohl als ausserhalb der „Tunica propria“ gelegen zu suchen, mithin eine andere Schicht, als die von Ranvier beschriebene. 1) Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histol. 6. Lieferung. Leipzig 1882, pP. 827. 2) Kölliker, Handb. der Gewebelehre. 5. Auflage. Leipzig 1867. p. 140. 40 A. Mertsching: Jedenfalls sind Ranvier’s Angaben im Wesentlichen richtig. Der Excretionsgang zeigt an den Achseldrüsen des Menschen ein Epithel mit 2—3 Reihen vou Kernen übereinander, wenn auch die Zellen nicht scharf abgesetze Lagen bilden, sondern in wech- selnder Gestalt durch die ganze Dicke des Epithels reichen; an diesem Abschnitt sind „Muskelfasern“ nicht deutlich zu sehen. Der Secretionsgang hat eine einfache Schieht von Cylinderzellen, deren Kerne in einfacher Reihe stehen und enthält ausserhalb des Epithels lange, schmale, kernhaltige Fasern, die longitudinal verlaufen und nach ihrer Gestalt die Deutung gestatten, die Ran- vier denselben gibt. Aber Ranvier hat dabei Eines übersehen: Diese longitudinalen, subepithelialen Fasern biegen mit einem Ende gegen das Epithel um und dringen in dasselbe ein. An denjenigen Schnitten, die einen Secretions- canal quer treffen, gewahrt man diese Enden zwischen den Epithel- zellen, man hat dasselbe Bild, wie häufig an der Glashaut des Haarbalges: die Tunica propria erscheint gezackt, die Zacken greifen zwischen die Zellen ein. Allein dieses Bild täuscht über die wirklichen Verhältnisse, es kommt dadurch zu Stande, dass bei dieser Schnittrichtung die Fasern von ihren Verbindungen ge- trennt werden. Schnitte, die annähernd longitudinal eine Strecke des gewundenen Kanals treffen, zeigen deutlich den Zusammen- hang der Epithelzellen mit diesen Fasern. Die Epithel- zelle setzt sich in eine fadenförmige Wurzel fort, die in longitudinaler Richtung umbiegt, um dann als Faser weiter zu verlaufen. Epi- thelzellen und die von Ranvier als Muskelfasern be- schriebenen Bildungen sind zusammengehörig und es lässt sich feststellen, dass die mit den Epithelzellen zusammenhängen- den Fasern ihrerseits Kerne besitzen. Unter diesen Umständen erscheint das Vorkommen von Kernen in der „Glashaut“ des Haarbalges nicht so auffallend. Es würde mich von meinem Thema zu weit abführen, wollte ich hier die Frage erörtern, ob die von Ranvier als Muskelfasern angesprochenen Bildungen an den Schweissdrüsen wirklich solche Elemente sind. Die Thatsache ihres Zusammenhanges mit den Drüsenzellen ist ein neues Moment, das für die Entscheidung der Frage in’s Gewicht fällt und die Lösung nicht erleichtert. Ich muss mich hier damit begnügen, auf diese Erscheinung hinge- wiesen zu haben, die bei einer umfassenderen Untersuchung über Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 41 das Verhältniss der Epithelien zu den dieselben vom Bindegewebe trennenden Grenzschiehten (Glashäute, Tunicae propriae, Mem- branae basilares) nicht ignorirt werden darf. II. Aeussere Haarwurzelscheide. (Stachelschicht des Haarbalges. Unna.) An dieser Schicht lassen sich die drei Regionen, die Unna unterscheidet, stets wahrnehmen; die erste reicht von der Balg- öffnung bis zur Einmündung der Talgdrüse, die mittlere von die- sem Punkte bis zur Höhe der Papillenspitze, die dritte Region nimmt den Grund des Haarbalges ein bis zur Basis der Papille. Die mittlere Region zeichnet sich durch die stärkste Entwicklung dieser Schicht aus und besonders zeigt sich diese Ausbildung an den eylindrischen Basalzellen, die im Allgemeinen grösser sind, als in der oberen Region. Zugleich erscheint dieser Abschnitt bei Plasmafärbungen am lebhaftesten tingirt. Nur in wenigen Punkten muss ich an der Hand meiner Prä- parate Unna’s Angaben entgegentreten. Unna sagst (l. e. p. 61): „Einen weitern Beweis ihrer Pro- ductionskraft liefert diese Region durch sehr häufige, fast regel- mässige Epithelwärzchen und Zapfen, welche sie horizontal in die umliegende Cutis treibt; es harmonirt hiermit die schwache Aus- bildung der homogenen Membran.“ Nach meinen Wahrnehmungen findet bei kräftigen Kopfhaaren das Gegentheil statt. Die Ausbildung des Epithels hält mit der Stärke der Limitans gleichen Schritt. Grade in dieser Region zeigt letztere die verdickten, ringförmigen Reifen, von denen oben die Rede war, grade hier sieht man an derselben eine doppelte Sehiehtung, und die eylindrischen Basalzellen senden hier ihre stärksten und zahlreichsten Wurzeln in die Limitans. Ebenso sah ich in dieser Region Kerne in derselben. Das ändert sich in der untern Region, entsprechend der Längenausdehnung der Papille. Die vorher dieke äussere Wurzelscheide verliert auf kurzer Strecke ihre polygonalen Stachelzellen und wird auf zwei Zellenlagen re- dueirt, die äusserste und innerste ihrer bisherigen Lagen. Und hier muss ich gleichfalls Unna widersprechen, der in dieser Re- gion die in Rede stehende Schicht auf eine einzige Lage kubischer Zellen sich verjüngen lässt (l. c. p. Öl). Ich fand an Schnitten, 42 A. Mertsching: die genau durch die Axe von Haar und Balg gelegt waren, hier stets zwei Lagen. Am auffallendsten ist die Veränderung der äussersten Zellenlage: die hohen Öylinderzellen der mittleren Region verkürzen und verschmälern sich zu kleinen kubischen Elementen und parallel dieser Veränderung verdünnt sich die Limitans be- trächtlich. Allein noch bevor diese Lage die Basis der Papille erreicht hat, beginnen die Zellen derselben sich wieder zu ver- längern und zu verbreitern und gehen so allmählig in die gut ent- wickelten Cylinderzellen über, die den Hals und Körper der Pa- pille überziehen. Die zweite Lage dieser dünnen, den Grund des Haarbalges auskleidenden Fortsetzung der äussern Wurzelscheide besteht aus platteren Zellen. Es wird nicht allgemein angenommen, dass eine solehe dünne Fortsetzung der äussern Wurzelscheide den Grund des Balges aus- kleidet und mit dem Bulbus pili sich verbindet. Biesiadecki giebt an, die genannte Scheide endige in der Höhe der Papillenspitze und das Gewölbe (Grund des Balges) sei vollständig von der Haarwurzel, d. h. dem Bulbus pili einge- nommen, indem die abgeplatteten äussersten Zellen der Wurzel unmittelbar der Glashaut des Gewölbes anlagern!). Nach dieser Auffassung bestände gar nieht Continuität zwischen Epidermis und Haar und es stimmen sonach die Ansichten von Biesiadecki und Unna in der Hauptsache überein. Denn Unna spricht ja ebenfalls von dem Ende der „Stachelschicht des Haarbalges“, wenn er das Ende auch weiter abwärts verlegt als Biesiadecki; er lässt diese Schicht am Grunde des Balges in der Nähe des Halses der Papille zugeschärft aufhören. Dem gegenüber verweise ich auf meine Figur 1, die nach mehreren gelungenen Schnitten mit der grössten Gewissenhaftigkeit gezeichnet ist. Es lässt sich an Axenschnitten durch Haar und Balg fest- stellen, dass zwischen der äusseren Wurzelscheide und dem Bulbus pili (Wurzel— Biesiadecki) folgende Beziehung obwaltet: nach- dem diese Wurzelscheide durch Verlust der eigentlichen Stachel- zellen auf zwei Lagen e‘ und e“ reducirt ist, setzen sich beide in die Zwiebel fort und zwar die äussere Schicht e‘ in die Cylinder- 1) Biesiadecki, Kapitel: Haut, Haare, Nägel in Stricker’s Handbk. d. Gewebelehre p. 602 u. 604. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges 43 zellen an der Oberfläche der Papille, die innere Schicht e“ (die in der ganzen Ausdehnung der äusseren Wurzelscheide durch mehr abgeplattete Zellen ausgezeichnet ist) geht in das mächtige Zellen- lager aus, das als Matrix der Rindenschicht des Haares bezeichnet werden kann. Diejenigen Zellenlagen aber, die weiter oben den beiden Schiehten der innern Wurzelscheide — Henle’s und Hux- ley’s Schicht — und den beiden Oberhäutchen entsprechen, er- reichen die Papillenoberfläche gar nicht, sondern schlagen sich früher um. III. Die Marksubstanz des Haares. Die Marksubstanz, deren Zellen H. Meyer!) zuerst eingehender beschrieben hat, erweckt ein ganz besonderes Interesse durch ihre Variabilität, ihre mächtige Entwicklung in der einen Art von Haaren und ihr angeblich totales Fehlen in andern Haaren. Dass eine so charakteristisch gebaute Substanz vollständig fehlen könne, wäre ein schwierig zu lösendes Räthsel. Die Angaben über das Vorkommen des Markes, über seine Ausdehnung, über das Verhalten desselben zur Papille gehen weit auseinander. Reichert?) sah bekanntlich, im Gegensatze zu H. Meyer, das Mark als einen spiralgedrehten Kanal an, der nur scheinbar als aus Zellen bestehend sich darstelle; später erklärte er dieselbe für die abgestorbene, gekammerte lufthaltige Haarpulpa. Reichert’s Schüler Reissner?) aber verwarf diese Auf- fassung und lehrte, dass das Mark nicht bloss aus Markzellen be- stehe, sondern auch die eingetrocknete Papille in der Axe enthalte, und zwar sei diese der wesentlichere Theil der Marksubstanz. Ueber das Verhalten der Marksubstanz in menschlichen Haaren sagt Reissner, dass zwar die Markzellen streckenweise fehlen, die vertrocknete Papille aber doch vorhanden sei. Indessen gäbe es Haare, die keine Spur von Marksubstanz erkennen liessen, so bei Phoeaarten und einigen Chiropteren. Ob die Markzellen bis zur kolbigen Basis der Papille reichen, konnte Reissner nicht entscheiden. 1) G. H. Meyer in Froriep’s Neue Notizen 1840. Nr. 334. 2) Müller’s Arch. 1841. Jahresber. p. 175, dann daselbst 1851, p. 24. 1852, p. 89. 3) Reissner, Beiträge zur Kenntniss der Haare. Breslau 1854. p. 85. 44 A. Mertsching: Leydig!) zeichnet die Markzellen an dem Längsschnitt eines Haares als Doppelreihe bis in den Bulbus hinein, der als aus gleichartigen polygonalen Zellen bestehend, dargestellt wird. Kölliker?) sagt, dass die Marksubstanz im Allgemeinen in den Wollhaaren und gefärbten Kopfhaaren „häufig“ fehle, in den dicken kurzen und stärkern langen Haaren sowie in weissen Kopfhaaren meist vorhanden sei, und oft bis an die Papille heran- reiche. Eine fadenförmige Verlängerung der Papille, innerhalb der Marksubstanz, wie Reissner sie allgemein annimmt, leugnet Kölliker für die Haare des Menschen. Das „häufige* Fehlen des Markes in farbigen Kopfhaaren und das fast regelmässige Vorhandensein derselben in weissen Kopfhaaren würde nur den Schluss gestatten, dass das Mark meist erst beim Ergrauen der Haare entstehe. Indessen wäre eine solche Annahme doch so bedenklich, dass man vorziehen dürfte, die Be- obachtung des berühmten Autors zu bemängeln. Henle?) bezeichnet das Mark als eine Substanz, die in der Regel aus zwei Reihen von Zellen besteht, deren Kerne quer ver- längert sind. Diese Substanz fehle durchgängig in den feineren Haaren, und sei nicht beständig in den stärkern, streckenweise fehlend. Bis zum Bulbus scheint Henle das Mark nicht verfolgt zu haben, da er hervorhebt, dass die Substanz namentlich in dem untern Theile des Haarschafts vermisst werde. Biesiadecki*) giebt nur folgende kurze Notiz: „In den dieken Barthaaren und auch hier und da in Kopfhaaren liegt innerhalb der Rindensubstanz ein centraler Markstrang, der aus gekörnten, polyedrischen Zellen zusammengesetzt ist und am besten an grauen Haaren zu verfolgen ist.“ Waldeyer?°) hebt hervor, dass die jungen Markzellen des menschlichen Haares tief unten im Haarknopfe von den jungen Rindenzellen sich nicht unterscheiden lassen und wie diese zu den 1) Leydig, Lehrbuch der Histologie 1857. p. 71, Fig. 38. 2) Handb. der Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. p. 129—130. 3) Eingeweidelehre. p. 23. 4) Strieker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. p. 604. 5) Untersuchungen über d. Histogenese der Horngebilde. Beiträge zur Anatomie u. Embryologie als Festgabe für Jacob Henle. Bonn 1883. p- 159. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 45 Stachelzellen zu rechnen seien, obwohl die Rindenzellen sich der Länge nach zu spindelförmigen Gebilden strecken, während die Markzellen mehr in quer zur Längsaxe des Haares gestellter Rich- tung sich übereinander schichten. Nach ihm wird es immer ein interessantes Problem bilden, zu untersuchen, durch welche Kräfte die verschiedene Wachsthumsrichtung und Formausbildung solcher Zellen, die einer einzigen Anlage entstammen, bedingt wird. Mit der Formveränderung der Zellen sollen auch Tropfen von Kerato- hyalin in ihnen auftreten, die in einer gewissen Höhe fast ver- schwinden, ohne dass sonst eine besonders auffallende Veränderung an den Zellen Platz griffe. Allen diesen Angaben gegenüber ist es als ein Fortschritt zu bezeichnen, dass Unna erkannte, die Säule der Marksubstanz ruhe direet auf der zwiebelförmigen Papille. Den Gipfel dieser Zwiebel bezeichnet er als Matrix des Markes und gibt in der be- reits eitirten Abbildung eine Darstellung, als wenn bereits von der Fläche der Papille an eigenartige Zellen die Basis der Marksäule bildeten. — Die fadenförmige Verlängerung der Papille in die Axe der Marksubstanz hinein scheint Unna nicht gekannt zu haben. Um das Verhältniss der Markzellen zur Papille und zum Bulbus pili richtig zu erkennen, ist es vor Allem erforderlich, das Präparat zur Schnittfläche des Messers genau so zu orientiren, dass wirkliche Axenschnitte sich ergeben, d. h. die Ebene des Neigungswinkels des Haares gegen die Haut muss mit der Schnittebene zusammen- fallen. Hierauf habe ich die grösste Mühe verwandt und dieser Orientirung verdanke ich die Präparate, nach denen die Zeich- nungen der Fig. 1 und 4 entworfen sind. Diese Bilder sprechen für sich selbst. Es ergibt sich, dass sich die Haarpapille genau so verhält, wie die bindegewebige Grundlage einer Papilla filiformis, fungi- formis ete., d. h. dieselbe Lage cylindrischer Zellen, die die unterste Schicht der Epidermis überhaupt bilden, die Basalzellen, überkleiden die Oberfläche der bindegewebigen Haarpapille gerade so voll- ständig, wie es bei jeder andern Papille der Fall ist. Diese Ba- salzellen entsprechen der Grundschicht der embryonalen Epidermis aus jener frühen Zeit, wo es nur zwei Zellenlagen an der Epider- mis gibt, eine aus Cylinderzellen bestehend, die Grundschicht, und eine zweite aus ganz platten Zellen zusammengesetzte, die Deck- 46 A. Mertsching: schicht. Die eylindrischen Basalzellen, die nur am Grunde des Haarbalges ihre Länge eingebüsst haben, bekleiden die Papille eontinuirlich bis zum Scheitel derselben; der Scheitel aber setzt sich in eine fadenförmige Verlängerung fort, die ich an den Kopfhaaren, Barthaaren und Achselhaaren der drei jungen Männer, welehen meine Objekte entnommen waren, stets gefunden habe und auch an den Haaren des Meerschweinchens nicht ver- misste. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieser Faden von oben her eintroeknet und, je nachdem, von wechselnder Länge ist; jedenfalls aber schliesst die Papille nicht mit abgerundetem Scheitel ab. Entlang dieses Fadens nun setzen sich die eylin- drischen Basalzellen fort und da dieselben im Allgemeinen senk- recht zu der sie tragenden Bindegewebsschicht stehen, so stellen sie sich auch senkrecht zu diesem Faden. Hieraus erklärt essich, weshalb die Markzellen quer zur Axe des Haares gelagertsind. Macht man einen Querschnitt durch diesen fadenförmigen Fortsatz der Papille, so stehn die Zellen radiär zu dem quer durchschnittenen bindegewebigen Axen- faden. Die Markzellen sind also homolog den Basal- zellender Epidermis überhaupt und damit ist ein Anhaltspunkt gegeben, um — entgegen neuern Anschauungen — die Schichtung des Haares mit der Schichtung der Epidermis zu vergleichen. Soweit der bindegewebige Faden und zwar als lebendes Gewebe reicht, sieht man die Markzellen sich wie die Cylinderzellen auf der Oberfläche der Zwiebel verhalten, wo der Faden aufhört oder eingetrocknet ist, ändert sich die Beschaffen- heit der Zellen, es tritt Luft in und zwischen ibnen auf. Sehr eigenthümlich gestaltet sich das Verhalten der Mark- säule an den Haaren des Meerschweinchens, wie Fig. 4 es zeigt. Die etwas länglich gestreckte, fast spindelförmige Papille, die am Grunde mit engem Halse dem Haarbalge aufsitzt, verlängert sich in eine lange fadenförmige Spitze. Die Basalzellen stehen nicht senkrecht auf der Oberfläche, sondern sind alle ein wenig gegen die Spitze geneigt (Fig. 4m“) und diese Stellung behalten sie zunächst auch gegenüber der fadenförmigen Verlängerung bei und sind zugleich von mässiger Länge (m‘). Wollte man an dieser Stelle einen Querschnitt durchlegen, so würde man um den Faden als Centrum einen Kranz niedriger Zellen haben, die nach ihrer Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 47 Gestalt nicht gleich als Markzellen zu erkennen wären. Aufwärts, gegen die Spitze des Fadens zu, ändert sich allmählich die ge- neigte Stellung der Zellen, sie lagern sich quer zur Axe (m), und noch höher hinauf, wo ich in der Axe Bindegewebsfibrillen nicht mehr nachweisen konnte, tritt auch Unregelmässigkeit in der Ord- nung der Zellen auf, indem sie sich, des stützenden Fadens be- raubt, durcheinander zu schieben beginnen und am Längsschnitt nicht mehr genau in doppelter Reihe erscheinen. IV. Die Rindensubstanz, die Oberhäutchen und die innere Wurzelscheide. Sind die Markzellen des Haares, wie nach Obigem wohl nicht zweifelhaft sein kann, als diejenigen Elemente aufzufassen, die in der Schichtung der Epidermis der tiefsten Lage. den Basal- zellen, entsprechen, so würden die Zellen der Rindensubstanz dem strat. spinosum zu parallelisiren sein, und man hätte dann noch die Entscheidung für die beiden Oberhäutchen und die beiden Schichten der inneren Wurzelscheide zu treffen. Halte ich mich einfach an die Schichtenfolge, wie gute Axenschnitte sie lehren, so muss ich Nachstehendes hervorheben: Die äussere Wurzelscheide verliert, wie schon gesagt wurde, die Stachelzellen im engeren Sinne ungefähr in der Höhe der Papillenspitze und setzt sich gegen den Grund des Balges mit einer Doppellage von Zellen fort (Fig. 1 e‘, e‘); beide Lagen schlagen sich am Halse der Papille aufwärts. Die äussere Lage (e‘) geht continuirlich in die basalen Cylinderzellen über, die weiter oben die Markzellen bilden, die innere Lage (e”) schwenkt in jene mächtige Zellenmasse um, die den Haupttheil des Bulbus pili bildet und aus welcher sich die spezifischen Rindenzellen ent- wickeln. An sehr dünnen Axenschnitten, — ich meine Schnitte von etwa Yo mm Dicke, — kann man nun deutlich noch andere Schichten in der Höhe des Halses der Papille sich umschlagen und aufwärts ziehen sehen. Verfolgt man diese Schichten von oben her gegen den Grund des Haarbalges, so ist es am leichtesten, die im oberen Theile kernlose, klare Henle’sche Schicht der inneren Wurzelscheide zu erkennen (Fig. 1 f). Gegen die Spitze der Papille zu treten in derselben vereinzelt Kerne auf, dann erblickt 48 A. Mertsching: man weiter abwärts die Schicht deutlich aus kubischen, kernhaltigen Zellen zusammengesetzt. Als solche schlägt sie sich unten um, überkleidet den Bulbus pili, ohne zunächst ihren Charakter zu ändern. In der Höhe der Spitze der Papille fangen die Zellen an sich zu neigen, und man sieht dieselbe Lage dann die Kerne ein- büssen und den Charakter des Haaroberhäutchens annehmen. Die- selbe Beziehung waltet zwischen der Huxley’schen Schicht der inneren Wurzelscheide und dem sog. Oberhäutchen der Wurzel- scheide ob. Meine Figur 1 zeigt in genauer Wiedergabe diese Ver- hältnisse, wie ich sie an Kopfhaaren des Menschen angetroffen habe. Ich darf es also aussprechen, dass die Schiehtung der Epi- dermis am Haare (incl. der beiden Oberhäutehen) wiederkehrt. Es würde danach die innere Wurzelscheide nicht zum Haar, sondern zu der Epidermis des Haarbalges zu rechnen sein, die beiden Oberhäutehen aber würden dem Haare angehören. Manche Verhältnisse an gefärbten Präparaten sprechen zu Gun- sten dieser Auffassung. Wenn man Stücke der Kopfhaut des Menschen, die vorher mit Müller’scher Flüssigkeit und Alcohol behandelt worden waren, nach jener Methode färbt, die von Norris und Shakespeare genauer beschrieben wurde (siehe oben Seite 34), so zeigen sich am Querschnitt, der etwa in halber Höhe des Haarbalges die Scheiden und das Haar trifft, die Henle’sche Schicht und das Haaroberhäutchen in gleicher Farbe, nämlich grün, die Huxley’sche Schicht und das Oberhäutchen der Wurzel- scheide erscheinen rosa (siehe Figur 3). Diese Färbung ist ganz konstant. War bei der Behandlung der Kopfhaut anstatt der Müller’schen Flüssigkeit Sablimat verwendet worden, so erscheinen am Querschnitt die durch den Umschlag zusammengehörigen Schich- ten wiederum in derselben Farbe, nämlich Henle’s Schicht und das Haaroberhäutehen himmelblau, Huxley’s Schicht und das andere Oberhäutchen rosa. Dieselbe Färbung d. h. hellgrün, resp. himmelblau zeigt nach der entsprechenden Behandlung das stra- tum lueidum der Epidermis: an der Hand dieser Färbung lässt sich constatiren, dass an der Mündung des Haarbalges das strat. lueidum sich in Henle’s Schicht der inneren Wurzelscheide fort- setzt und diese Färbung behält, bis Kerne in dieser Schicht auf- zutreten beginnen. Gegen den Grund des Haarbalges verliert, wie bekannt, diese Schicht den Charakter, den sie höher oben hat und zeigt Kerne in ihren Zellen. Wenn also das strat. lucidum Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 49 innerhalb des Haarbalges als Henle’s Schicht sich findet, so könnte die Frage entstehen, ob man berechtigt wäre, Huxley ’'s Schicht als Fortsetzung des strat. corneum anzusehen. Dieser Frage gegenüber kann ich mich nicht mit Bestimmtheit äussern, mit einiger Sicherheit habe ich an Präparaten aus der mensch- lichen Kopfhaut das sich aufblätternde strat. corneum bis an die Mündung der Talgdrüse verfolgen können und das Verhalten des- selben zu Huxley’s Schicht nicht mit absoluter Gewissheit zu ermitteln vermocht. In Bezug hierauf verweise ich auf meine Figur 2, die ein Haar des Meerschweinchens mit seinen Scheiden darstellt. Das Präparat war mit Sublimat und Alcohol be- handelt worden, die Schnitte dann auf dem Objectträger mit Eiweiss befestigt und nach der Methode von Norris und Shakespeare gefärbt. Wie die Figur es darstellt, erschien das strat. lucidum ausserhalb der Mündung des Haarbalges in- tensiv blau, das lockere strat. corneum violett, beide Schichten senken sich in den Haarbalg ein, dann verliert sich bald die Färbung des strat. corneum, aber der blaue Streifen wird um ein Entsprechendes breiter und umfasst jetzt alle vier Schich- ten: die beiden Öberhäutehen, Huxley’s und Henle’s Schicht; es ist das wohl nur so zu erklären, dass auf dieser Strecke sich die Zellen aller vier Schichten auf der gleichen Stufe oder Vorstufe der Verhornung befinden. Diese gleichmässige Fär- bung erschwert es, den Verlauf der einzelnen Schichten auf dieser Strecke zu verfolgen; nach abwärts bewahrt Henle’s Schicht am weitesten die blaue Färbung. Das übereinstimmende Verhalten der Präparate, deren eines in Figur 2 abgebildet ist, würde auch die Deutung gestatten, dass beide Schichten der inneren Wurzelscheide auf das strat. lucidum zurückzuführen sind. Wie dem auch sein mag, so dürfte aus dem Mitgetheilten wohl erhellen, dass man mit gutem Grunde sagen kann, an dem Haare mit seinen Scheiden erhalte sich die allgemeine Schichtung der Epidermis und das Haar sei nicht in dem Grade ein Horn- gebilde sui generis, als es die neuesten Arbeiten darzustellen pflegen. Wenn ich somit, den Umschlag der Schichten am Grunde des Haarbalges berücksichtigend, die beiden Oberhäutchen dem Haare, die beiden Schichten der inneren Wurzelscheide der Epidermis Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 21, 4 50 A. Mertsching: des Haarbalges zurechne, so weiss ich wohl, dass ich mich damit in Gegensatz zu der Auffassung steile, die auf der Entwicklung des Haares basirt; übereinstimmend wird ja angegeben (Köl- licker, Reissner, Götte, Unna), dass aus der primitiven Haaranlage, d. h. aus jenem Zellenstrange, welcher sich kegelför- mig von der Papille des embryonalen Balges erhebt, das Haar zugleich mit ganzer innerer Scheide entsteht; diese letztere also mit dem Haare genetisch zusammengehört. Ich verzichte darauf, den Widerspruch hier lösen zu wollen, da mir über die Entwick- lung nicht genügend sichere Anhaltspunkte zu Gebote stehen, möchte aber doch es aussprechen, dass die bisher vorliegenden Abbildungen von embryonalen Haaren nicht derart die Einzelheiten wiedergeben, dass jene Ansicht völlig gesichert erschiene. Es hat den Anschein, als verhielte es sich so, wie die Autoren meinen, genau erwiesen scheint es mir aber nicht. Immerhin wäre es möglich, dass was als innere Scheide erscheint, nur die beiden ÖOberhäutchen in sich begreife. Ich habe ohne vorgefasste Meinung den -Zusammenhang und die Folge der Schichten beschrieben, wie Präparate, an denen jede Einzelheit klar vorlag, sie ergaben. Endlich erlaube ich mir noch auf Fig. 8 hinzuweisen, die in einer Flächenansicht die Struktur von Henle’s Schicht aus einem Haarbalge der menschlichen Kopfhaut zeigt. Der Region nach stammte die abgebildete Partie aus dem mittleren Drittel des Balges, also aus einer Gegend, wo die Schicht kernlos erscheint. Dass diese Schicht Spalten besitzt, weiss man seit Henle. Derselbe gibt an, dass ein stärkerer Druck diese Spältchen in elliptische und selbst grosse runde Lücken!) verwandle. An meinem Präpa- rate, dem ich die Zeichnung entnahm, ist von einem vorausge- gangenen Druck gar nicht die Rede. Durch einen glücklichen Zufall war der Schnitt so dünn, dass die Lamelle isolirt vorlag. Das Bild stimmt übrigens mit dem von Henle gebotenen sehr gut überein. Zum Schlusse der Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, dem Herrn Professor Kupffer, meinem hochverehrten Lehrer, für die gütige Ueberlassung des Materials und die Unterweisung, welche er mir während der Arbeit zu Theil werden liess, meinen verbind- 1) Handb. der Eingeweidelehre. p. 19. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 51 lichsten Dank zu sagen. Dank schulde ich ebenfalls dem Herrn A. Böhm, dessen Interesse für diese Arbeit zum Gelingen der- selben beitrug. Bird, Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV und V. Längsschnitt durch Haarbalg und Haar aus der Kopfhaut des Menschen. Gezeichnet bei Hartnack System 7, Ocular 3, ca. Yogyp mm dick. Der Schnitt trifft die Haarpapille und den Bulbus in der Axe der Papille, das Haar selbst weiterhin mehr seitlich. Die Marksubstanz des Haares liegt nur auf kurzer Strecke in der Schnittebene; es waren an diesem Präparat alle in Betracht kommenden Schichten sehr deutlich zu sehen und ebenso der Umschlag der Schichten am Grunde des Haarbalgs. a) Längsfaserschicht des Haarbalgs. b) Ringfaserschicht des Haarbalgs. c) Glashaut. Dieselbe zeigt hier und an anderen Präparaten zwei Schichten, von denen die innere mehr homogen, die äussere, in der Zeichnung dunkler gehaltene, da wo sie dicker war, wie ein aus feinsten Fäserchen bestehender Filz erschien. Die Grenze der Glas- haut gegen die Stachelschicht erschien sägeförmig gezackt. d) Haarpapille.. Die Papille erscheint wesentlich, wie ja das auch allgemein angegeben wird, aus den Bündeln der Ringfaserschicht des Balges zusammengesetzt, die sich an der Basis der Papille durch- flechten, um dann in die Längsrichtung überzugehen. Die Glashaut, continuirlich vom Balge auf die Papille übergehend, bekleidet die ganze Oberfläche der letzteren. Es war ja bisher streitig, ob die Glashaut an dem Aufbau der Papille betheiligt ist, meine Präparate haben dieses Verhalten als unzweifelhaft gelehrt. Eine solche faden- förmige Fortsetzung der Papille in das Mark des Haares hinein, wie dieses Bild es zeigt, habe ich nicht allein an den Kopfhaaren des Menschen, sondern besonders deutlich auch am Haare des Meer- schweinchens angetroffen. e) Die äussere Haarwurzelscheide (Stachelschicht des Haarbalges, Unna) verdünnt sich gegen den Grund des Haarbalges so beträcht- lich, dass sie zuletzt nur aus zwei Zellenlagen besteht; die äussere (e’) derselben ist die unmittelbare Fortsetzung der cylindrischen Basalzellen des stratum spinosum, die gegen den Grund des Haar- balges abgeplattet werden; die innere (e‘) ist diejenige, die der Henle’schen Schicht unmittelbar anlagert, sie ist in der ganzen Aus- 52 Fig. 2. Fig. 3. A. Mertsching: dehnung des Haarbalges durch eine mehr platte Form ihrer Elemente charakterisirt. Beide Schichten gehen continuirlich an der Basis der Papille in den Bulbus pili über; die äussere (e‘) setzt sich in die Cylinderzellen fort, die die Papille continuirlich überkleiden, die innere läuft in dasjenige Zellenlager des Bulbus aus, das weiterhin die Rindenzellen liefert. f) Kernlose Henle’sche Scheide, gegen den Grund zu einzelne Kerne zeigend und weiterhin in eine einfache Lage kernhaltiger Zellen übergehend, die sich am Grunde umschlägt, um über den Bulbus pili hinweg sich in das Haaroberhäutchen fortzusetzen. g) Huxley’sche Schicht der inneren Haarwurzelscheide, am Grunde des Haarbalges durch Umschlag in das Oberhäutchen der Haar- wurzelscheide sich fortsetzend. h) Oberhäutchen der Wurzelscheide. k) Oberhäutchen des Haares. l) Spindelförmige Rindenzellen, die Haarfasern Waldeyer’s ent- wickelnd. m) Marksubstanz des Haares auf das Deutlichste als unmittelbare Fortsetzung der die Papille überziehenden Cylinderzellen erscheinend. Oberhalb der fadenförmigen Fortsätze der Papille wachsen diese Zellen, da eine Achse nunmehr fehlt, zwischen einander hinein. Haar vom Meerschweinchen mit Sublimat behandelt. Der Schnitt wurde nach der Methode von Norris und Shakespeare gefärbt. An der Oberhaut konnte man nach der Färbung vier Schichten unter- scheiden, violett das strat. corneum, blau das strat. lucidum, roth das strat. Malpighii, unten begrenzt durch die Limitans, hellblau; alle vier Schichten gehen an der Mündung in den Haarbalg über. Die Färbung des strat. corneum verliert sich aber bald (n), es setzt sich eine breitere blaue Schicht, die wie das strat. lucidum aussieht, in den Haarbalg hinein fort und Jifferenzirt sich tiefer in zwei Schich- ten, nämlich in die beiden Schichten der inneren Wurzelscheide f und g. c) Glashaut des Haarbalges. e) äussere Wurzelscheide. f) Henle’s g) Huxley’s l) Rinde m) Mark n) Stelle der Verschmelzung des strat. corneum mit dem strat. lucidum. Querschnitt durch ein menschliches Kopfhaar aus dem mittleren Drittel des Haarbalgs. Leitz System 7, Ocular 1. Das Hautstück war mit Müllerscher Flüssigkeit behandelt, der Schnitt war nach der Methode von Norris und Shakespeare gefärbt worden. Be- zeichnung wie in Fig. 1. ' Schicht der inneren Wurzelscheide. \ des Haares. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 8. Beiträge zur Histologie des Haares und Haarbalges. 53 Die Markzellen m enthalten grün gefärbte Partikeln von Kerato- hyalin. Die Rindenzellen (l) sind pigmentirt. Das Pigment erschien in kleinen Körnchen bräunlich, in grössern gleichfalls grünlich. Das Haaroberhäutchen (k) ist grün, das Oberhäutchen der Wurzelscheide (h) rosa gefärbt, die kernhaltige Huxley'sche Schicht rosa (g), die Henle’sche Schicht (f) grün. Man sieht an der letztern deutlich ungefärbte Zwischenräume, die den Oeffnungen bei der Flächenan- sicht dieser Schicht entsprechen (siehe Fig. 8). Die äussere Wurzel- scheide (e) ist roth, zeigt zu innerst platte, zu äusserst cylindrische Zellen. Die Glashaut lässt deutlich zwei Schichten unterscheiden, die innere Schicht (c‘) ist matt rosa, die äussere (c) matt grün. Längsschnitt durch die Axe eines Meerschweinchenhaares und der Papille. Leitz System 7, Ocular 1. Die Bezeichnungen wie in Fig. 1. Haarbalg und äussere Wurzelscheide auf dem Längsschnitt. Hart- nack, System 7, Ocular III. e) äussere Wurzelscheide. a) Ringfaser- Schicht des Haar- c) Glashaut. b) Längsfaser- balges. Die Grenze der äusseren Wurzelscheide erscheint im Allgemeinen fein gezackt, ausserdem schnürt die Glashaut in stärkeren Wülsten reifartig die Wurzelscheide ein; innerhalb der Glashaut sieht man mehrfach Durchschnitte und Anschnitte von Kernen. Kopfhaar des Menschen. Hartnack System 7, Ocular III. Haar- balg und cylindrische Basalzellen der Haarwurzelscheide. a) äussere, b) innere Faserschicht des Haarbalges. c) innere, c‘) äussere Schicht der Glashaut. Man sieht vielfach die Epithelzellen (e) in Wurzelfäden (w) aus- gehen, die sich in die Glashaut einsenken; einige dieser Wurzelfäden enthalten Kerne. Schnitt durch den secernirenden Kanal einer Schweissdrüse aus der Achsel des Menschen. Hartnack System 7, Ocular III. e) Drüsenzellen in Wurzelfäden (w) sich fortsetzend, die in die Tu- nica propria (Limitans) der Drüse (c) übergehen. Längsschnitt durch die Henle’sche Schicht. Leitz System 7, Oc. II. 54 Dr. P. D. Koch: Untersuchungen über den Ursprung und die Ver- bindungen des Nervus hypoglossus in der Medulla oblongata. Von Dr. P. D. Koch in Kopenhagen. Hierzu Tafel VI. Die hier zu beschreibenden Untersuchungen sind in Frank- furt a. M. in dem Dr. Senekenberg’schen Institute ausgeführt. Den Herren Prof. Dr. Weigert und Dr. Edinger, die mir dabei ihren werthvollen Beistand geleistet haben, statte ich auch hier meinen herzlichsten Dank ab für alles Wohlwollen und jede Unter- stützung mit Rath und That. Die Untersuchung betrifft das Verhalten des Nervus hypo- glossus bei verschiedenen Thieren, sowie auch beim Menschen und ist hauptsächlich vermittelst Weigert’s Färbungs- und Serien- Methoden für das Centralnervensystem ausgeführt. Literatur. Lokhart Clarke, Researches on the intimate structure ofthe brain, human and comparative. First series. On the structure of the medulla ob- longata. Philos. Transact. of the royal soc. London 1858. — Researches ete. Second series. Phil. Transact. London 1869. John Dean, The gray substance of the med. obl. and trapezium. Smiths. Contrib. to knowledge. Vol. XVI. Washington 1870. Otto Deiters, Unters. üb. Gehirn u. Rückenm. d. M. u. d. Säugethiere. Herausg. v. Schultze. Braunschweig 1865. M. Duval, Rech. sur l’origine reelle d. nerfs craniens. Journal de l’Anat. et de la Phys. p. Robin et Pouchet. 1876 u. 1878. L. Edinger, Zehn Vorl. üb. d. Bau d. nerv. Centralorg. Leipzig 1885. L. H. Farabeuf, Moelle allong6e ete. Diet. encycl. d. sciences med. De- chambre. 2®me serie, T. VIII. Paris 1874. P. Flechsig, Die Leitungsbahnen im Gehirn u. Rückenm. Leipzig 1876. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus ete. 55 J. Gerlach, Ueb. die Kreuzungsverh. in d. centr. Verl. d. N. hypogl. Zeitschr. f. rat. Med. Bd. XXXIV, 1869. J. Henle, Handb.d. Anat. d. Menschen. III. Bd. Nervenlehre. Göttingen 1871. G. Huguenin, Allg. Path. d. Krankh. d. Nervensystems. I. Th. Zürich 1873. W. Krause, Alle. u. mikrosk. Anatomie. Hannover 1876. Edw. Kreis, Zur Kenntn. d. Med. obl. d. Vogelgehirns. Zürich 1882. A. Kölliker, Mikrosk. Anatomie od. Gewebel. d. Menschen. 2. Bd. Leip- zig 1850. G. B. Laura, Sull’ orig. reale dei nervi spin. e di qualche nervi cerebr. Torino 1878. J. v. Lenhossek, Neue Unters. üb. d. fein. Bau d. centr. Nervensyst. d. M. Denkschr. d. K. Akad. d. W. 10. Bd. Wien 1855. Th. Meynert, Vom Gehirn d. Säugeth. Stricker’s Handb. Leipzig 1872. — Psychiatrie. Wien 1884. F. C. W. Roller, Ein kleinzell. Hypoglossuskern. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIX. Bonn 1831. — Die cerebr. u. cerebell. Verb. d. 3.—12. Hirnnervenpaares. Allg. Zeitschr. f. Psych. 38. Bd. Berlin 1882, p. 228. Sehröder v. d. Kolk, Bau u. Funct. d. Med. spin. u. obl. Uebertr. v. Theile. Braunschweig 1869. G. Schwalbe, Lehrb. d. Neurologie. Erlangen 1881. L. Stieda, Stud. üb. das Centralnervensyst. d. Wirbelth. Leipzig 1870. — Ueb.d. Urspr. d. spinalart. Hirnnerven. Dorp. med. Zeitschr. Bd. II. 1873, B. Stilling, Ueb. die Text. u. Funct. d. Med. obl. Erlangen 1843. Sirio Vincenzi, Sull’ orig. reale d. nervo ipoglosso. Atti d. R. Acad. d. Science. Vol. XX. Torino 1885. C. Wernicke, Lehrb. d. Gehirnkrankh. I. Bd. Kassel 1881. Wie aus einem Durchsehen dieser Reihe früherer Unter- suchungen?) hervorgeht, gibt es beinahe ebenso viele Anschauungen wie Untersucher. Von der Olive bis an die centralen Bahnen jen- seits der Kerne findet man noch so viel Zweifelhaftes, dass kaum irgend etwas als sicher festgestellt angesehen werden kann. Selbst die Anschauung, dass der Stilling’sche Kern der richtige und eigentliche Hypoglossuskern ist, kann sich nicht mehr einer allge- meinen Beistimmung erfreuen. Hierüber hatte sich kein Zweifel erhoben, nachdem Stilling im Jahr 1843 seine klassische Be- 1) Betreffend eine ausführliche Mittheilung der bisherigen Anschauungen erlaube ich mir auf meine Dänisch erschienene Arbeit: Undersögelser over Nervus hypoglossus Udspring og Forbindelser i medulla oblongata, Kjöben- havn 1887, zu verweisen. 56 Dr. P.D. Kock: schreibung gegeben hatte, bis Roller 1881 seinen „kleinzelli- gen Hypoglossuskern“ entdeckte. Während Lenhossek und Schröder van der Kolk eine Verbindung des Kerns mit der Olive annehmen, wird eine solche von allen späteren Untersuchern mit Ausnahme von Vincenzi in Abrede gestellt. Lokhart Clarke, Duval, Laura beschreiben verschiedene sogenannte accessorische Kerne des Hypoglossus, theils ventral, theils mehr lateral vom Stilling’schen Kern. Eine Verbindung mit dem Ac- cessorius-Vaguskern wird von Stilling, Clarke, Dean, Laura, Roller und Vincenzi angenommen; eine Verbindung mit dem Hypoglossuskerne der anderen Seite mittelst Kommissurfasern von Schröder v. d. Kolk, Gerlach, Henle und Schwalbe. In der Frage von einer Kreuzung der Wurzelfasern peripher von dem Kerne steht Kölliker mit seiner Annahme einer tota- len Kreuzung gegenüber Lenhossek, Clarke, Deiters, Ger- lach, Dean, Stieda, Meynert, Huguenin, Roller und Kreis, die alle eine theilweise Kreuzung festhalten. Mehr oder we- niger bestimmt gegen jede Kreuzung sprechen sich Schröder v. d. Kolk, Henle, Farabeuf, Krause, Flechsig, Duval, Laura, Wernicke, Vincenzi aus. Endlich haben Clarke und Schröder v. d. Kolk eine Verbindung mit höher be- legenen Theilen (Facialis-Abducenskern) mittelst Fasern dorsal vom Hypoglossuskern gesehen, Roller und Edinger eine ventral von diesem mit dem hinteren Längsbündel und Meynert und Roller eine lateralwärts mit dem Kern des Seiten- stranges. Ueber die centralen Verbindungen mit dem grossen und kleinen Gehirne sprechen die Verfasser sich hauptsächlich nur ganz hypothetisch und ziemlieh unklar aus. Indem ich jetzt zur Mittheilung meiner eigenen Untersuchungen schreite, werde ich mit dem Kalb, von dem ich Föten von 23 und 28 Wochen untersucht habe, anfangen, darauf in Kürze von der Katze, der Taube und der Ente sprechen und endlich, nachdem ich hierdurch die Hauptprinzipien festgestellt habe, ausführlich über die Verhältnisse beim Menschen berichten. Beim Kalb sieht man in den Schnitten durch die Mitte der Länge des Kerns (s. Fig. 1) die Wurzelfasern des Hypoglossus von der Peripherie Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus ete. 57 lateral von der Olive (wie das schon von Duval bei verschie- denen anderen Thieren bemerkt ist) in die Tiefe hineindringen und in einer ziemlich graden Richtung in einen Kern von grossen multipolaren Zellen (Nuel. XII), der ein wenig lateral und ventral vom Centralkanal belegen ist, eingehen. Die Kerne beider Seiten werden von einander durch einen freien Raum in der Mittellinie geschieden. In diesem Raum, der direct ventral vom Centralkanal liegt, findet sich ausser feinen Querfasern, deren später näher ge- dacht werden soll, nichts anders als die Grundsubstanz. Erst etwa 1 Millimeter weiter ventral erscheinen die Querschnitte der Fasern des hinteren Längsbündels und zwischen diesen Querfasern, die sich von beiden Seiten her in der Raphe kreuzen. Der Kern selbst wird aus den öfters beschriebenen grossen multipolaren Ganglienzellen gebildet, von denen die meisten hell und durch Hämatoxylin nur sehr schwach bräunlich gefärbt sind; zwischen diesen findet man aber andere zerstreut, die kleiner, mehr spindelförmig und viel intensiver gefärbt sind. Einzelne von diesen findet man überall im Kern, namentlich aber in dessen medialem Theil giebt es eine kleine Gruppe, die so gut wie aus- schliesslich aus denselben besteht. Während die zuerst erwähnten Zellen einen Durchschnitt von 40—60 u haben, haben die letzteren nur 30-40 u in der längsten Ausdehnung, beinahe immer in der Richtung lateralwärts belegen, und 15—20 u in der dorsal-ventralen Richtung. Einen ähnlichen Unterschied findet man übrigens auch unter den Zellen in den Vorderhörnern des Rückenmarks beim Kalbe, und ich kann Vineenzi nicht beistimmen, wenn er be- hauptet, dass die Unterscheidung letzterer von den Zellen des Hypoglossuskerns immer leicht sei. Der Uebergang ist ein ganz allmählicher. — In den meisten Schnitten durch den Hypoglossus- kern unterscheidet man recht deutlich drei Zellengruppen; eine mediale, die eben erwähnte, eine zweite ventrale und endlich eine dritte mehr dorsal und lateral belegene. In diesen Kern strahlen die Wurzelfasern des Hypo- glossus hinein, indem sie sich pinselförmig auflösen und sich mehr und mehr trennen, je tiefer sie hineindringen. Einige Fasern sieht man grade in der Fortsetzung der Wurzel dorsalwärts gehen, andere bogenförmig auf beiden Seiten der Peripherie des Kerns ziehen; die letzteren sammeln sich wieder ein wenig im dorsalen Theil des Kerns, ehe sie verschwinden. Nur in den Querschnitten 58 Dr. P. D. Koch: trennen sich die Fasern, in den Längsschnitten sieht man sie da-' hingegen gesammelt in grader Richtung den Kern durchziehen. Nach und nach werden die Fasern dünner, bis sie sich der Wahr- nehmung vollständig entziehen. Einzelne feine Fasern sieht man im Kerne in allen möglichen Richtungen durch einander laufen. — Unmittelbar vor ihrem Eintritt in den Kern dringen die Wurzel- fasern durch ein Bündel von Nervenfasern, das gleichsam wie ein Kranz den Kern auf der ventralen und lateralen Seite umgiebt, theilweise in dem Kern selbst liegt, indem Zellen, die diesem an- gehören, sowohl zwischen den letztgenannten Fasern, als auch ven- tral von denselben vorgefunden werden. Diese Kranz- oder Bogenfasern kommen aus der Raphe und verlaufen zuerst lateralwärts oder ein ganz wenig ventral- oder dorsalwärts, dringen darauf, wie erwähnt, durch die Wurzelfasern und biegen sich schliesslich dorsalwärts nach ihren verschiedenen Bestimmungsorten um. Die am meisten dorsal belegenen von diesen Fa- sern ziehen gleich, wenn sie die Wurzelfasern durchdrungen haben, in den Kern hinein, wo sie verschwinden, mitunter doch erst nach einem ziemlich langen Verlauf, so dass man sie ganz um den dorsalen Umkreis des Kerns herum gegen die mediale Zellen- gruppe verfolgen kann (s. Fig. 1). (Fasern die aus dem hintersten Theil der Raphe grade in den Kern hineingehen, ohne zuerst! die Wurzelfasern zu durchdringen, übereinstimmend mit Duval’s Be- schreibung z. B., habe ich nicht gesehen.) In der Raphe kann man diese Fasern, welche ich als die centralen Fortsetzungen des N. hypoglossus auffasse, eine geraume Strecke ventralwärts verfolgen; sie kreuzen sich hier allmählich und treten in der Gegend dorsal von den Py- ramiden auf die andere Seite über. Hier verschwinden sie zwischen den Längsfasern und es ist mir nicht gelungen, sie weiter zu ver- folgen. Eine Umbiegung von Querfasern in die Längsrichtung habe ich nie mit Sicherheit wahrnehmen können und ich halte es für wahrscheinlieher, dass ein Abbruch hier durch Zellen statt- findet!). Eine Verbindung zwischen Kreuzfasern aus dem Hypo- glossuskern und Fasern des hinteren Längsbündels auf derselben 1) Cfr. Flechsig, Leitungsbahnen ete. p. 335 und Monakow, Arch. f. Psych. u. Nervenkr. Bd. XVIII, p. 272. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus etc. 59 ‘Seite (Roller, Edinger) habe ich auch nicht gesehen. In ein- zelnen Schnitten kann es wohl mitunter so aussehen, als wäre eine solehe Annahme gerechtfertigt; durch Verfolgung der Fasern in den angrenzenden Schnitten sieht man aber, dass es sich hier um Fasern handelt, die zufällig unmittelbar vor dem hinteren Längs- bündel durchschnitten sind. Auf die übrigen Kranzfasern werde ich hier nicht näher eingehen, da sie nichts mit dem Hypoglossus zu thun haben. Es sind einfach die hintersten Fibrae arcuatae internae, die in ein mehr geschlossenes Bündel zusammengedrängt sind und die in der Höhe des caudalen Theils des Hypoglossuskerns der Schleifenkreuzung, höher nach oben dem Vaguskern und diesem Nerven selbst ange- hören. Die am meisten ventral belegenen von ihnen schneiden die der Medianlinie zunächst belegenen Wurzelfasern des Hypoglossus mitunter in einem sehr spitzen Winkel, so dass es schwierig sein kann, gleich mit Sicherheit zu entscheiden, ob sie nicht in das Wurzelbündel übergehen. Die meisten früheren Untersucher meinen ja auch, dass ein solcher Uebergang wirklich stattfinde, dass die der Medianlinie zunächst belegenen Wurzelfasern aus der Raphe, wo sie sich mit denen aus der andern Seite gekreuzt haben, her- vorkommen. Meiner Ansicht nach kann es indessen keinem Zweifel unterworfen sein, dass diese Anschauung auf einer Täuschung be- ruht. Ein direkter Uebergang vonFasern aus der Raphe in die Wurzel mit Umgehung des Kernes findet nicht statt und von einer totalen Kreuzung der Wurzelfasern, wie sie Kölliker beschreibt, kann gar nicht die Rede sein. Um hiervon überzeugt zu werden, braucht man nur bei stärkerer Vergrösserung einen Blick auf ein Weigert’sches Präparat zu werfen. Ventral ist der Hypoglossuskern nicht so scharf begrenzt, wie es mitunter angegeben wird. Es ist schon angeführt, dass einzelne der Zellen mittelst der Kranzfasern von ihres Gleichen geschieden werden, aber noch mehr ventral im Verlaufe der Wur- zelfasern findet man Ganglienzellen von ähnlicher Form und Grösse wie die des Kerns, theilweise auch noch von bedeutenderem Um- fang und mit mächtigen Ausläufern, die vorzugsweise medial- oder lateralwärts zu ziehen scheinen (s. Fig. 1). Sie sind recht oft in einer kleinen Gruppe um und zwischen den Wurzel- fasern etwa 1 Millimeter vor dem Kern gesammelt und sind unter dieser Form von Duval als ein accessorischer Hy- 60 Dr. P. D. Koch: poglossuskern beschrieben. Sie bilden eine direkte Fortsetzung ’ der Zellensäule des Vorderhorns, die sich mehr und mehr verliert, je höher man nach oben kommt. Dass Fasern des Hypoglossus mit diesen Zellen in Verbindung treten, bezugsweise hier ihren Ursprung nehmen, habe ich nicht beim Kalb, wohl aber beim Menschen, wie später näher erörtert werden soll, wahrnehmen können. Nach der medialen und dorsalen Seite liegt der Kern nicht unmittelbar an dem Centralkanal oder dem Boden des vierten Ventrikels, sondern wird von einer dunkleren Zone von un- gefähr der halben Breite des Kerns umgeben, die sich in einem Bogen um den ganzen medialen und dorsalen Kreis auf ähnliche Weise wie die Kranzfasern um den ventralen und lateralen er- streekt. In den meisten Präparaten ist sie „halbmondförmig“, in einzelnen erhält sie ein diekes „Horn“ in der Mitte, das sich zwi- schen die zwei Zellengruppen der beiderseitigen Kerne von der dorsalen Seite hineinschiebt (s. Fig. 1). Diese Zone, die bei schwä- cheren Vergrösserungen fein punktirt ist, zeigt sich bei stärkeren als ein System feiner Fasern, die quer durchsehnitten sind. Man findet sie in der ganzen Ausdehnung des Hypoglossus- kerns, weit schwächer aber in dessen ceaudalem und cerebralem Theile, wo es auch weniger Zellen gibt. In Längsschnitten treten diese feinen Fasern als Verbindungsfasern zwischen ver- schiedenen Abtheilungen des Kerns hervor. Sie liegen als eine compakte Schicht medial vom Kern. Es ist wohl nicht zu gewagt, anzunehmen, dass diese Fasern — man könnte sieFibrae propriae nuclei hypoglossi nennen — eine Verbindung der Zellen in den verschiedenen Abtheilungen des Kerns vermitteln. Die Kerne der beiden Seiten werden wieder untereinander durch ähnliche feine Querfasern, die man in Querschnitten (Fig. 1) aus dem mittleren Theil der Längsschicht hervortreten sieht, verbunden. Einzelne Fasern können bis in den Kern hinein wahrgenommen werden, alle sam- meln sich gegen die Medianlinie in ein kleines Bündel, laufen, nachdem sie diese überschritten haben, wieder aus einander und treten in die Längsschicht hier hinein. ‚Man findet diese Verbin- dungsfasern nicht in allen Querschnitten, da sie keine ununter- brochene Schicht bilden, sondern bündelweise gesammelt sind. — Wir haben also eine wirkliche Kommissur zwischen den beiden Hypoglossuskernen. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus ete. 61 Ich habe dieses Fasersystem so ausführlich beschrieben, weil ich kaum glaube, dass Jemand es früher wahrgenommen oder geschildert hat. Wohl beschreibt Clarke zahlreiche longitudinale Fasern unmittelbar am Central- kanal!), Schröder v. d. Kolk dünne longitudinale, feine Bündel, die in ein- zelnen Schnitten hinter dem Kern wahrgenommen werden, und ferner Fasern, die von dem einen Kern zum anderen quer verlaufen?); Gerlach beschreibt feine Fasern, die nach hinten in der Mittellinie liegen und wirkliche Kom- missurfasern zwischen den zwei Kernen bilden®); Henle scheinen die zwei Kerne auf vielen Stellen mittelst Querfasern verbunden®); Schwalbe er- wähnt markhaltige Nervenfasern, die quer nach der Raphe, dicht an der Ober- fläche gehen®), und endlich giebt Wernicke an, dass eine Anzahl dicker Markfasern ganz gewöhnlich auf der Rückseite des Kernes zusammen- gelegt sind®). Es ist mir jedoch sehr zweifelhaft, ob irgend etwas von dem eben Er- wähnten sich auf die von mir beschriebenen Fasern bezieht. Beim Menschen, auf welchen diese Schilderungen sich beziehen, gestalten die Verhältnisse sich etwas anders, wie es beim Kalb der Fall ist (siehe unten), obwohl wir auch da dieselben Längs- und Querfasern finden. Die Beschreibungen der Verfasser stimmen aber nicht mit dem überein, was ich gefunden habe, weder beim Menschen noch beim Kalb, stehen vielmehr theilweise im Widerspruch damit, wie es aus dem Angeführten leicht hervorgeht. Auch zweifle ich zum Theil daran, dass es möglich gewesen ist, durch die angewandten Methoden die ausserordentlich feinen Fasern (sie können mit den Fasern in den äusser- sten Schichten der Hirnrinde parallelisirt werden) wahrnehmen zu können. Die erwähnten Angaben sind auch von den meisten späteren Untersuchern, theilweise von den Verfassern selbst, als mehr oder weniger zweifelhaft hin- gestellt worden. Durch die Weigert’sche Methode wird es einem Jeden leicht sein sich von der Richtigkeit dessen, was ich geschildert habe, zu überzeugen. Noch habe ich zu erwähnen, dass einzelne feine Fa- sern vom lateralen Umkreis des Kerns ventral- und etwas lateralwärts zwischen den Längsfasern der Subst. reticularis in der Richtung gegen den Kern des Seitenstranges hin- ziehen. Meynert?) setzt sie (beim Menschen) mit dem letztgenannten Kern in I) 2. a. O. p. 219. 2) a. 2.10. p. 102 u, 9. 32:8. 0..P. 3: 4)\.2:/a..0: p.'208: 5)7248,,/0..1..657, 6) a. a. p. 155. mie 2. 0. 93.192 62 Dr. P. D. Koch: Verbindung; ich habe sie nie so weit beobachten können, sondern sie immer eine geraume Strecke von diesem verschwinden sehen. Wenn Laura!) sie als ein ansehnliches Bündel beschreibt, das ventral vom Vagus-Accessorius- kern in die mediale und ventrale Richtung umbiegt, um einen Theil der Kranzfasern zu bilden, dann beruht diese Wahrnehmung auf irgend einer Täuschung. Edinger?) nimmt an, dass es Fasern sind, die in die Längs- richtung umbiegen und nach den Centralorganen ziehen; ich will die- sem nicht widersprechen, doch habe ich nichts derartiges wahrnehmen können. Bei der Katze (neugeborenen) sind die Verhältnisse in allem Wesentlichen wie beim Kalbe. Doch bilden die feinen Längsfasern derKerne keine so com- pakte Schicht wie dort und werden wohl kaum wahrgenommen, wenn man nicht von vorne herein seine Aufmerksamkeit besonders darauf gerichtet hat. Auch die Kommissurfasern sind nicht so zahlreich vorhanden, gestalten sich aber genau wie beim Kalbe. Die Wurzelfasern liegen auch hier vollkommen lateral von der Olive in der ganzen Höhe des Kerns?). Beider Taube und der Ente verhält der Hypoglossus sich vollkommen gleichartig. Die Haupt- masse des Kerns liegt hiermehr ventralan dem Orte, wo wir beim Kalbe den accessorischen Kern fanden, d.h. in der direkten Fortsetzung der Zellensäule des Vorderhorns (s. Fig. 2). Eigentlich haben wir noch, namentlich bei der Taube, ein voll- kommen deutliches Vorderhorn, nur etwas modifieirt durch die Veränderungen, die in der Umgebung stattgefunden haben. Zu- gleich aberfinden wir eine kleineGruppevonZellen vonähnlicher Form und Grösse mehr dorsalam Orte 1) a. a. O. Resume, Punkt 9. 2).8..2. 09.219, 3) Ich weiss nicht, ob das ein Zufall ist, dass ich bei zwei von den drei von mir untersuchten Katzen (die eine aus Frankfurt, die andere aus Kopen- hagen) genau dieselbe eigenthümliche Formation (Missbildung?) gefunden habe, indem nämlich in der Höhe des Hypoglossus und so weit cerebral- und caudalwärts, als ich vorläufig die Sache verfolgt habe, der Centralkanal er- heblich ausgedehnt und von einer im Querschnitt birnförmigen Masse, theils aus braungefärbter, theils aus schwarzgefärbter (Nervenfasern) Substanz be- stehend, ausgefüllt war, die in dieser Gegend, soviel ich sehen konnte, keine Verbindung mit der Umgebung hatte. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus ete. 63 des klassischen Hypoglossuskerns. Sie enthält in jedem Schnitt nur etwa zehn Zellen und reicht an Längenaus- dehnnng weder so weit nach oben noch nach unten wie die mehr ventrale Zellengruppe. Die Wurzelfasern gehen in einem oder zwei dieken Bündeln beinahe bis an den Rand dieser letzten Gruppe, um sich hier nach beiden Seiten auszubreiten und in ein feines Netz, um die Zellen aufzulösen, einzelne Fasernlassen siehaber durch den ventralen Kern bisinden dorsalen verfol- gen. Sie schneiden unterwegs die Kranzfasern aus der Raphe, genau so wie beim Kalbe. Fasern aus der Raphe biegen dorsal- lateral vom hinteren Längsbündel in recht bedeutender Anzahl ventralwärts und verschwinden zum Theil in dem ventralen Kern, theils gehen sie lateral von diesem in die Substantia reticularis hinaus. Um die dorsale Zellengruppe herum finden wir, wie beim Kalbe, eine Zone feiner Längsfasern und aus dieser Kommissurfasern quer durch die Raphe nach der anderen Seite hervorgehend. Dieses Bild, das, wie man leicht sieht, dem Prineip nach ganz dasselbe ist wie dasjenige, welches wir beim Kalbe u. s. w. gefunden haben, hat früheren Untersuchern grosse Schwierigkeiten bereitet. Kreis behauptet, dass bei Vögeln eine direkte Kreu- zung der Wurzelfasern stattfindet und bildet diese so ab, als ob die Wurzel zwei Bündel enthielte, von denen das mediale in den Kern (unseren ventralen Kern) und von da nach der Raphe, das la- terale direkt nach der Raphe ginge. Aus unserem dorsalen Kern lässt er den Nervus accessorius (!) entspringen. Er hat sich hier durch seinen Eifer, die Anschauungen seines Meisters Hugue- nin’s über die Kreuzung zu stützen, irre leiten lassen und et- was gesehen und geschildert, was mit der Wirklichkeit nur ziem- lich schlecht übereinstimmt. Beim Menschen ist es jetzt, nachdem die vorhergehenden Untersuchungen vorge- nommen sind, leicht den Zusammenhang in genauer Ueberein- stimmung mit dem Gefundenen nachzuweisen. Die Wurzel- bündel gelangen in der Fortsetzung des ersten Halsnerven in die Medulla zwischen Pyramide und Olive. Die Richtung der Bündel ist etwas verschieden in den verschiedenen Höhen, hauptsächlich 64 Dr. P. D. Koch: wohl wegen der wachsenden Grösse der Olive, im wesentlichen bogenförmig und ziemlich stark schräge. Gleich nach dem Ein- dringen gehen sie in grader Richtung dorsal- und ein wenig me- dialwärts gegen die ventrale laterale Ecke des Oentralkanals oder, wo dieser sich eröffnet hat, gegen den vierten Ventrikel, d. h. den Abschnitt desselben, der sich auch äusserlich für das blosse Auge schwach erhaben (medial von der Ala cinerea) kennzeichnet. Wie es von den meisten Autoren hervorgehoben wird, ist die Abgrenzung nach unten vom ersten Halsnerven etwas willkürlich, einen deutlichen Unterschied zwischen den Wurzelbündeln beider Nerven gibt es bei der mikroskopischen Untersuchung nicht. Nicht alle Fasern gehen in den Raum zwischen Pyramide und Olive. In vielen Schnitten sieht man die am meisten medial oder lateral belegenen in die eine oder andere von diesen eindringen; mithin kann es (abgeschnittene Fasern) den Anschein haben, als ob sie hier endeten, was Lenhossek und Schröder v.d. Kolk zu der Annahme veranlasst hat, dass eine Verbindung zwischen den Fasern des Hypoglossusund den Zellen der Olive stattfände. Dieses ist jedoch nicht der Fall, obwohl in der neuesten Zeit auch Vincenzi an eine solche Verbindung glaubt. Man sieht immer die dicken Nervenfasern plötzlich aufhören ohne Spur einer Ausstrahlung oder Verminderung an Dicke wie sonst immer wahrgenommen wird, wo Nervenfasern in Verbindung mit Zellen treten. Gewöhn- lich kann man auch in den angrenzenden Schnitten die durch- schnittenen Fasern wieder aus der Olive heraustreten sehen. Namentlich in den faserarmen Präparaten von Neugeborenen oder Föten wird es leicht erkannt, dass der Hypoglossus gar keine Verbindung mit der Olive hat. An dem dorsalen Ende der Olive liegen die Fasern zwischen dieser und der inneren Nebenolive und erreichen gleich, nachdem sie an der letzteren vorbeigekommen sind, die kleine Gruppe von Zellen, die die oberste Fortsetzung des Vorderhorns bildet und die wir als einen accessorischen Hypoglossus- kern (Duval) erwähnt haben. Die Frage, ob dieser etwas mit dem Hypoglossus zu thun habe, muss ich bejahen. In einer Sehnittreihe von einem Neugeborenen, von der einige Präparate in Fig. 3 a, b und e dargestellt sind, sieht man in der Höhe der Pyramidenkreuzung (Fig. 3 a) drei Zellengruppen im Vorder- Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus etc. 65 horn; von den zwei ventralen gehen die Wurzelfasern des obersten Halsnerven aus und verlaufen in schräger Richtung eine kurze Strecke, bis sie die Oberfläche erreichen. Etwas mehr cerebral- wärts (Fig. 3 b), wo die Pyramidenkreuzung vollendet ist und die Schleifenkreuzung anfängt, ist ihr Weg zufolge des bedeuten- den Platzes, welchen die Pyramide jetzt einnimmt, erheblich ver- längert. Dagegen ist der Abstand der medialen Zellengruppe, die hier den Fasern ihren Ursprung gibt, vom Centralkanal etwa der- selbe wie in dem früher erwähnten Schnitt. Man sieht nun in den folgenden Schnitten, dass Bogenfasern, die der Schleifenkreuzung angehören, sich zwischen die Zellen dieser Gruppe hineinschieben und diese dadurch theilweise dorsalwärts drängen ; zuletzt, wenn die Schleifenkreuzung ihre volle Entwicklung erlangt hat (Fig. 3 c) existirt: 1. eine ventrale Zellengruppe, 2. von dieser dor- salwärts einzelne zerstreute Zellen zwischen den Bogenfasern und endlich 3. ganz dorsal von diesen die Zellengruppe, welche jetzt Hypoglossuskern genannt wird. Von beiden Gruppen aber, sowohl der ventralen wie der dorsalen, entspringen Nervenfasern, die hier doch wohl unstreitig dem Hypoglossus angehören. Gleichzeitig hat die Olive und innere Nebenolive sich ausgebildet und die Wurzelfasern haben dadurch eine etwa doppelt so grosse Strecke wie vorher zu durchlaufen, ehe sie die Oberfläche erreichen. Da nun die Form und Grösse der Zellen in den beiden Gruppen wesentlich dieselben sind, zweifle ich nicht daran, dass ihre morphologische Bedeutung dieselbe sei. Nur in dem unteren Theil des Hypoglossus aber habe ich mit Sicherheit gesehen, dass die Wurzelfasern von der ventraien Gruppe, die sich nach und nach verliert, ausgehen. Die weit überwiegende Anzahl der Wurzelfasern gehen doch unstreitig gerade dorsalwärts in die Zellengruppe, die beim Men- schen unmittelbar unter dem medialen Abschnitt des Bodens _ des vierten Ventrikels liegt, von diesem und dem Kern der anderen Seite nur durch eine dünne Schicht von grauer Substanz getrennt. In diesem Verlauf schneiden sie die zahlreichen Bündel von Bogen- fasern (Fibrae are. int.), die aus der Raphe in die Subst. retieu- laris ziehen und zuletzt unmittelbar vor dem Eintritt in den Kern das Bündel von Kranzfasern, welches den Kern ventral und late- ral genau wie beim Kalbe umgibt. Einen Uebergang von Wurzelfasern in die Raphe Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 31, 5 66 Dr. P. D. Koch: vental (peripher) vom Kern und also eine direkte Kreu- zung habe ich ebensowenig beim Menschen wie bei den untersuchten Thieren finden können. Wie wir früher kurz erwähnt haben, hat Roller!) behauptet, dass der grösste Theil der Wurzelfasern nicht den klassischen Kern erreiche, sondern ventral von diesem in einer kleinen Gruppe kleinerer, runder Zellen, die er als einen kleinzelligen Hypo- slossuskern bezeichnet, endige. Ich kann dieser Anschauung keinen grösseren Werth wie derjenigen von Kreis über die Kreuzung bei den Vögeln beilegen. Dass aus Stilling’s Kern die Hauptmasse der Fasern entspringt, davon überzeugt man sich mit grösster Leichtigkeit durch einen Blick auf ein Weigert’sches Präparat (s. Fig. 4). Ein Zweifel hierüber ist unmöglich. Der kleinzellige Kern, welchen Roller beschreibt, findet sich eigentlich gar nicht in diesem Präparat (sowie in noch mehreren von mir untersuchten); er sollte medial von den Wurzelfasern, unmittelbar ventral von Stilling’s Kern liegen; man findet aber hier gar keine Zellen. Dagegen liegt lateral von den Wurzelfasern eine Gruppe, die übrigens genau der Roller’- schen Beschreibung entspricht, nur dass keine Hypoglossus- fasern aus ihr entspringen. Diese Gruppe, die also aus kleinen, dieht zusammengedrängten, runden Zellen besteht, fand ich in der betreffenden Medulla nur im obersten Theil des Hypo- glossusgebietes, und auf der anderen Seite fand ich in derselben Höhe keine entsprechende Zellengruppe. Dagegen sah man meh- rere ganz ähnliche auf beiden Seiten theils im Verlaufe der Wur- zel, theils in der Raphe, aber nie vollkommen symmetrisch auf beiden Seiten. Ich halte es für sicher, dass sie nichts mit dem Hypo- glossus zu thun haben. Wir müssen also festhalten, dass die Zellengruppe, die von Stilling als Hypoglossuskern bezeichnet wurde, es auch wirklich ist, wenn auch nicht ausschliesslich (Duval’s accessorsicher Kern) so doch hauptsächlich. Sie enthält grosse Ganglienzellen mit drei oder mehreren Ausläufern, etwa von der- selben Grösse wie beim Kalb, doch mit recht bedeutenden Variationen in den einzelnen Zellen. Im Querschnitte findet man zwischen 30 und 50, in der Regel in zwei Gruppen geordnet, einer lateralen Zu I ae “ 1) a. a. OÖ. p. 383. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus eto. 67 und einer medialen, die ziemlich deutlich von einander gesondert sind. Zwischen den Zellen findet man beim Er- wachsenen ein ausserordentlich dichtes Netz feinster Nervenfasern, das beim Neugeborenen noch nicht ausgebildet ist. Der Kern erhält hierdurch ein dunkles Aussehen!), welches einen auffallenden Gegensatz zu dem des Vaguskerns, in welchem man nur ganz vereinzelte, zerstreute, markhaltige Nervenfasern sieht, bildet. Ein ähnliches feines Netz existirt auch in der Gegend ventral vom mittleren Theil des Kerns, wo ausser zerstreuten, grossen Zellen auch die früher erwähnte Gruppe kleiner Zellen sich mitunter befindet. In dieser sieht man entschieden weniger feine Nervenfasern als in ihrer Um- gebung. } Auf drei Seiten, nämlich der medialen, dorsalen und lateralen, wird der Kern von einer ähnlichen Zone feiner quer durchschnittenen Nervenfasern, wie schon beim Kalb geschildert, umgeben. Die Fasern sind zum Theil etwas dicker wie die, welche im Kern selbst sich vorfinden, doch gehen die zwei Formationen gleichmässig und allmählich in einander über und sind wohl nur als verschiedene Abschnitte des- selben Fasersystemes zu betrachten, das ich schon unter dem Namen Fibrae propriae des Hypoglossuskerns erwähnt habe. In Längsschnitten (Sagittalschnitten) beim Neugeborenen er- halten wir ein ganz ähnliches Bild (s. Fig. 5) wie früher beim Kalb. Dagegen sind die Fasern hier in Querschnitten nicht so dicht zusammengedrängt oder so zahlreich vorhanden wie beim Kalb oder beim erwachsenen Menschen, so dass sie hier keine solche dunkle Zone bilden wie dort. Auch die Kommissurfasern kommen weit spärlicher vor beim Neugeborenen als beim Kalb, sie verhalten sich in dieser Beziehung wie bei der Katze. Beim erwachsenenMenschen rücken die Fibrae propriae so nahe gegen die Medianlinie hin und verflechten sich von den beiden Seiten so vielfach in einander, dass der ganze Raum zwischen den beiden Kernen von ihnen ausgefüllt wird. Die Kerne werden hierdurch auf das Vielfältigste mit einander verbunden, von beson- deren Kommissurfasern aber kann eigentlich nicht mehr die Rede sein, wenigstens in manchen Fällen; in anderen findet man doch 1) In Weigert’schen Präparaten. 68 Dr. P. D. Koch: auch feine Querfasern durch die Medianlinie, die Fibrae propriae- Systeme beider Seiten verbindend, indem dann diese einen ver- hältnissmässig freien Raum auf beiden Seiten der Medianlinie übrig lassen. In den geschilderten, „klassischen“ Hypoglossuskern gehen wesentlich die von Meynert und anderen beschriebenen Fa- sern an der medialen Seite jeder Zellengruppe hinein; sie brei- ten sich also nicht gleichmässig nach allen Seiten hin aus, son- dern halten sich hauptsächlich im medialen Theil der Gruppe, wo ihre Richtung bogenförmig dorsalwärts ist, um darauf sich mehr lateralwärts zu zeigen und dann aufzuhören, indem sie mit den Zellen in Verbindung treten. Dass eine solche Verbindung wirklich stattfindet, ist von Laura und Vincenzi erwiesen wor- den. Durch Weigert’s Methode ist es mir nicht gelungen, die Verbindung direet wahrzunehmen. Sie ist wohl auch kaum mehr einer Nachweisung bedürftig. — Gleichsam in der Fortsetzung der eintretenden Fasern, doch mit einer bestimmten Unterbrechung, in welcher also die Zellen eingeschaltet gedacht werden müssen, sieht man dann andere Fasern,die bogenförmig von dem lateralen Umkreis der zwei Gruppen ventral- wärts laufen, indem sie sich zu dichtern Bündeln vereinigen, welche die hintersten (meist dorsalen) Kranzfasern bilden. Mit diesen gehen sie im ventralen Theil des Kerns gegen die Medianlinie, schneiden die Wurzelfasern und begeben sich dorsal von oder zwischen den Längsfasern des hinteren Längs- bündels in die Raphe, wo sie eine Strecke ventralwärts sehen, um dann unter einer Kreuzung mit den entspre- chenden Fasern aus der entgegengesetzten Seite auf diese hinüber zwischen den Längsfasern dorsalvon den Pyramiden hinaus sich zu begeben. Was den weiteren Verlauf betrifft, kann ich auf das, was darüber beim Kalbe gesagt ist, verweisen, und dasselbe gilt von den feinern Fasern, die hauptsächlich aus deräusseren Zellengruppe schräg lateral und ventralwärts zwischen den Längsfasern der Subst. retieul. (s. Fig. 4) hinziehen. Eine Verbindung mit dem Accessorius-Va- guskern!) habe ich nicht mit Sicherheit nachweisen können. 1) Wenn ich diesen so nenne ist es in Uebereinstimmung mit den ge- Untersuch. üb. d. Ursprung u. d, Verbindungen d. Nervus hypoglossus etc. 69 Beim erwachsenen Menschen sieht man eine Anzahl feiner Fasern sich von dem Nervennetze in und um den Hypoglossuskern zwischen den Zellen jenes Kernes hervorstrecken; sie werden aber immer nur als ganz kurze Bruchstücke wahrgenommen, was also andeutet, dass ihr Verlauf stark schräge nach oben oder nach unten geht. Dieser Umstand erregt bei mir den Zweifel, ob es nicht blos einige der Längsfasern des Hypoglossuskernes seien, die aber nicht mit den Vaguszellen in Verbindung treten. Dasjenige, welches von den meisten Verfassern als eine Verbindung zwischen den zwei Kernen geschildert wird, sind unstreitig die Kranzfasern aus der Raphe in den Vaguskern. Was endlich eine Verbindung mit höher belegenen Theilen (Abducenskern, Clarke) betrifft, habe ich nichts, was als eine solche ausgedeutet werden könnte, gefunden. Dass sie sich nicht da vorfindet, wo Clarke sie beschreibt, nämlich dorsal vom Hypoglossuskern, ist sicher. Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, dass das hintere Längsbündel Fasern enthält, welche die verschie- denen Nervenkerne mit einander verbinden (Flechsig); ich habe aber, wie gesagt, keinen Uebergang von Fasern aus dem Hypo- glossuskern in jenes wahrnehmen können. Werfen wir zum Schlusse einen Blick rückwärts, um das zu sammeln, was bei der Untersuchung gewonnen ist, so muss Zu- nächst zugegeben werden, dass ich nicht im Stande gewesen bin, eine entscheidende Lösung aller sich darbietenden Fragen zu geben, namentlich bleibt noch unentschieden, wie es sich mit der Ver- bindung des Kernes mit dem Grosshirn verhält. Nach dem was ich aber gefunden habe, ist es wahrscheinlich, dass die Fasern, welche diese Verbindung vermitteln, mit den Pyramidenbahnen oder den Längsfasern der Subst. re- tieularis, die hinter diesen liegen, aufwärts gehen. Dieses stimmt auch mit den klinischen Beobachtungen überein. Raymond und Arthaud!) meinen in Bezug auf Ferrier’s und wöhnlichen Anschauungen; doch dürfte es anzunehmen sein, dass der N. ac- cessorius nichts mit diesem Kern zu thun hat (Darkschewitsch). 1) Contribution ä l’ötude des localisations cerebrales.. Archives de Neu- rologie Nr. 20—21. 1883. Man vergleiche auch Edinger, Verlust des Sprechvermögens und doppelseitige Hypoglossusparese etc. Deutsche med, Wochenschrift 1886. 70 Dr. P. D. Koch: Anderer Versuche an Thieren, sowie auch durch eigene Wahr- nehmungen bei Kranken den Verlauf des N. hypogl. folgender- maassen bestimmen zu können: „Die centralen Fasern gehen vom untersten Drittheil des Gyr. central. ant. aus, folgen dem Bündel des Stabkranzes, das von hier zum Genu Capsulae internae (faisceau frontal inferieur) geht, legen sich im Crus cerebri medial von den Pyramidenbahnen, und nehmen in dem Pons den am meisten dor- sal und medial belegenen Abschnitt der Pyramiden ein, kreuzen sich und gelangen endlich zum Kern der entgegengesetzten Seite.“ — Im Ganzen ist es wohl wahrscheinlich, dass wir vorläufig diesen Punkt betreffend mit dem, was die klinische Beobach- tung und nachfolgende anatomische Untersuchung uns geben kann, zufrieden sein müssen. Ein directer anatomischer Nachweis dieses Theils der Bahn dürfte sehr schwierig, wo nicht unmöglich werden. Was ich gefunden habe, kann in folgenden Sätzen zusammen- gefasst werden: i 1. Eine Verbindung zwischen dem Nervus hypoglossus und der Olive existirt nicht. 2. Stilling’s Kern ist, jedenfalls beim Menschen, der eigent- liche und wichtigste Kern: neben ihm findet sich aber in der Regel ein accessorischer Kern ventral von demselben. Dieser spielt bei Vögeln vielleicht die Hauptrolle. 3. Eine Kreuzung der Wurzelfasern oder von Theilen solcher peripher vom Kern findet nicht statt. 4. Ein System von Längsfasern (Fibrae propriae nuclei) ver- bindet die einzelnen Theile des Hypoglossuskernes untereinander, ein System von -Querfasern (Fibrae commissurales nuclei) ver- mittelt die Verbindung mit dem Kern der anderen Seite. 5. Die Fasern, welehe vom Kern nach den Centralorganen gehen, begleiten die Kranzfasern (als ein Theil derselben) in die Raphe hinein und treten nach Kreuzung hier auf die andere Seite dorsal von den Pyramidenbahnen über. 6. Als zweifelhaft muss ich noch eine Verbindung mit dem Kern des Seitenstranges und dem Vaguskern sowie mit dem hin- teren Längsbündel hinstellen. Untersuch. üb. d. Ursprung u. d. Verbindungen d. Nervus hypoglossus ete. 71 Erklärung der Figuren auf Tafel VI. Die Fig. 3 ist bei einer Vergrösserung von 20 (Seibert: Ocular I, Objectiv 00), die übrigen bei einer Vergrösserung von 70 (Ocular I, Ob- jeetiv II) gezeichnet, jedoch so, dass die Einzelheiten immer bei noch stär- keren Vergrösserungen festgestellt wurden. Fig. 1. Querschnitt durch den mittleren Theil des Hypoglossuskernes beim Kalbe. Fig. 2. Querschnitt durch den mittleren Theil des Kernes bei der Taube. Fig. 3a, b, c. Querschnitte durch die Medulla obl. bei einem neugeborenen Menschen in verschiedenen Höhen. Fig. 4. Querschnitt durch den mittleren Theil des Kernes bei einem er- wachsenen Menschen. Fig. 5. Sagittalschnitt durch den medialen Theil des Kerns bei einem neu- geborenen Menschen, besonders zur Demonstration der Fibrae propr. Nuclei. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen bei Salamandra maculosa. Von Ww. Flemming in Kiel. Hierzu Tafel VI. Vor acht Jahren schrieb ich eine Arbeit über den Gegenstand des Titels, die in den „Beiträgen zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen‘*!) publieirt wurde. Sie ist, vielleicht wegen dieses ihres Standortes, seitdem in der einschlägigen Lite- ratur mehrfach übersehen worden. So hat auch v. Wiedersperg sechs Jahre nach ihrem Erscheinen, ohne sie zu kennen, Unter- suchungen über die Spermatogenese bei einem anderen urodelen Amphibium (Triton) veröffentlicht), deren Ergebnisse mit den 1) Dies Archiv 1880, p. 233, Taf. 9. 2) Beobachtungen über Entstehen und Vergehen der Samenkörper bei Triton. Wiener med. Jahrbücher, n. F., Jahrg. 1886, p. 307, 2 Taf. 12 W. Flemming: meinigen zum Theil im grellsten Widerspruch zu stehen scheinen. Ich habe mich inzwischen mit dem Gegenstand weiter beschäftigt und theile die Resultate hier mit, weil sie neue Aufschlüsse geben und dabei geeignet sind, jenen Widerspruch aufzuklären. Dabei kann ich über die Processe der vorgängigen Zellen- vermehrung und der Cystenbildung im Hoden, sowie über die Verhältnisse der Mitose an diesen Arten, ganz kurz hinweggehen, da ich alles, was die Zellenvermehrung betrifft, schon in meiner ersten Arbeit (a. a. O.), und noch ausführlicher kürzlich im 29. Band dieses Archivs!) beschrieben habe, und da Vieles, was die Bildung und den Bau der Spermatocysten betrifft, bereits früher von v. la Valette St. George (eitirt a. a. O.) ausführlich ge- schildert worden ist. Die Untersuchungen v. Wiedersperg’s über diese Processe?), die offenbar nicht sehr eindringend gewesen sind, stehen übrigens mit meinen eben eitirten Ergebnissen in keiner direeten Differenz, wenn man berücksichtigt, dass die Fi- xirung seiner Objecte keine hinreichend vollkommene gewesen ist?). Dass sie dies nicht war, zeigt ein Blick auf die erwähnte Fig. 2 v. Wiedersperg’s und zeigen ebenso einige Präparate, die er so freundlich war, mir zu senden. Die zum Theil sehr unregelmässigen klumpigen Kernfiguren, welche seine Fig. 2 zeigt, kann ich ohne Bedenken als durch die Behandlung veränderte Mitosen derselben Formen deuten, die in meinen Arbeiten be- schrieben sind. In den Schnittpräparaten v. Wiedersperg’s finden sich übrigens auch weit besser erhaltene Theilungsfiguren als die, welche er a. a. O. gezeichnet hat. Das Hauptinteresse lag für mich in der Differenz unserer beiderseitigen Beschreibung über die Entwicklung der Samen- fäden aus den Spermatiden ®). 1) Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. I. Die Kerntheilung bei den Spermatocyten von Salamandra maculosa. Dies Archiv 1887, p. 389. 2) Siehe a. a. O. p. 312—315, Fig. 2, Taf. XI. 3) v. Wiedersperg scheint Hämatoxylinfärbung auf dem Objectglas auf die frischen Zupfpräparate, ohne vorherige anderweitige Fixirung, ange- wandt zu haben (vergl. p. 313 a. a. O.). 4) Ich brauche den letzteren Namen, wie es nach v. la Valette St. George’s Vorgange vielfach üblich ist, für die letzte Zellgeneration, die durch die Theilungen der Spermamutterzellen entstanden ist. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen ete. 73 In meiner Arbeit von 1880 hatte ich dieselbe — kurz zu- sammengefasst — folgendermaassen beschrieben (a. a. ©. S. 242 ff.): Um Ende August und im Laufe des September hört in den Salamanderhoden die Vermehrung der Samenzellen dureh Theilung auf, und beginnt an deren letzter Generation die Umbildung zu Samenfäden, so, dass aus dem Inhalt je einer Spermatocyste ein Bündel von Spermatosomen entsteht. Die Bildung der Köpfe erfolgt dabei so, dass die Chromatiu- masse des Spermatidenkernes sich in diesem zu einem Strange streckt, welcher Anfangs diek und kurz ist, sich dann immer mehr verlängert, verdünnt und dabei verdichtet, bis er die be- kannte spiessförmige Gestalt des ausgebildeten Kopfes erhalten hat (vergl. vorläufig Fig. 9). Zur Zeit meiner früheren Mittheilung hatte ich wohl ein Recht, dieses Ergebniss als ein besonders bemerkenswerthes her- vorzuheben. Heutzutage freilich dürfte nach so vielen Unter- suchungen kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass der Samen- fadenkopf ein Kerngebilde ist, aus einem durch Theilung pro- dueirten Nucleus entsteht und der Hauptmasse nach die chroma- tische Substanz eines solchen repräsentirt. Im Jahre 1880 aber bestand noch die Anschauung und fand vielfache Vertretung, dass« die Köpfe der Spermatozoen durch freie Bildung im Protoplasma der „Spermatoblasten“ entständen; diese Meinung konnte sich be- stimmt geltend machen gerade im Widerspruch zu der bisher meist getheilten, Kölliker’schen Lehre von der Kernnatur des ganzen Samenfadens, und ein so kundiger Forscher wie H. Fol hatte noch kurz vor jener Zeit die Annahme hinstellen können!) „dass die Substanz des Kerns der Samenmutterzelle nieht in die Zusammen- setzung des Spermotozoids eingehe, dieses vielmehr aus Zell- protoplasma, mit Ausschluss von Kernsubstanz, bestehe“. Ich weiss wohl, dass schon damals zahlreiche frühere Befunde Anderer existirten, welche diesem Satz widersprachen; aber ich glaube sagen zu dürfen, dass wohl keiner darunter war, welcher mit solcher Klarheit und Unzweideutigkeit erlaubte, die Kernnatur des Kopfes zu erkennen und das Aufgehen des Kernchromatins in diesem zu verfolgen, als jener mein Befund am Salamanderhoden; 1) H. Fol, Recherches sur la fecondation ete. Geneve-Bäle-Lyon 1879, p- 251. 74 W. Flemming: und zugleich lieferten meine damaligen Untersuchungen über die vorgängige Zellvermehrung im Hoden (a. a. O.) den ersten, ganz vollen und sicheren Nachweis, dass der Kern, aus welchem ein Samenfadenkopf sich anlegt, nicht durch freie Bildung, sondern durch Mitose aus einem präexistenten Kern entstanden ist. Ueber den näheren Habitus jener inneren Umformung des Kernes zeigten mir meine damaligen Präparate die Bilder, die in meiner Arbeit von 1880 in Fig. 53, 56, 57 der Taf. IX (3), und hier in Fig. 8 A, ß—Z dargestellt sind. Wenn man Hoden aus dieser Periode frisch zerzupft, findet man massenhaft Zellen, wie in Fig. 53 Taf. IX meiner ersten Arbeit, in denen in einem blassen Raum ein bald kürzerer und dickerer, bald längerer und dünnerer, gebogener, gewundener Strang liegt, um so stärker lichtbrechend, je länger und schlanker er ist. Fixirt und färbt man solche frische Zupfpräparate auf dem Objectglas!), so giebt der gewun- dene Strang im Kern durch seine lebhafte Tinetion kund, dass er in der That das Chromatin des Kernes in sich schliesst (Fig. 8 A ist nach solchen gefärbten Präparaten gezeichnet). Wie ich gleichfalls schon a. a. O. beschrieb, sind diese Stränge — also die jungen Köpfe — in ihren ersten, noch kurzen “und dicken Entwicklungsstadien innerlich von Lücken durch- brochen, in ihren späteren verlängerten Stadien compact; es er- giebt sich sonach, wie es ein Blick auf die Reihenfolge Fig. 8 und 3 A zeigt, dass die chromatinhaltige Kernstruetur sich allmählich zu dem compacten spiessförmigen Kopf verdichtet. In den späteren Stadien, die sich im Lauf des September einstellen und die ich schon damals auch an Schnitten untersuchte, ist aus dem Inhalt einer Spermatocyste ein Bündel von Samen- fäden geworden, in welchem alle Köpfe einerseits, alle Schwänze andererseits nebeneinander rangirt liegen (meine Fig. 58 a. a. O., Fig. 16 — dort mit noch sehr kurzen Schwänzen — hier). Ich habe mir damals vergeblich zu erklären gesucht, wie die Köpfe aus der spiralig gerollten Lage (Fig. S A Z) in die gestreckte, und zugleich so zu liegen kommen, dass sie alle parallel und ein- 1) Bei meiner früheren Arbeit brauchte ich dafür meistens essigsaure Bismarckbraunlösung, oder Chromsäure mit nachfolgender Waschung und Färbung; jetzt habe ich zugleich essigsaure Methylgrünlösung, und Osmium- gemische mit Safranin- oder Hämatoxylinfärbung benutzt. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 75 ander dicht anliegen (Fig.7,16 u. A.) Es fehlten mir die aufklärenden Zwischenstadien, weil ich damals nicht Zeit fand, die in Sperma= togenese begriffenen Hoden während des August und September auch zugleich ausreichend an Schnittpräparaten zu studiren; meine damaligen Schnitte (a. a. O. Fig. 58) betrafen eine spätere Zeit, in welcher die Anfangsstadien der Fädenbildung schon vor- über waren. Ich habe dies jetzt nachgeholt, indem ich von einer grösseren Zahl Hodenlappen vom September und Anfang October Schnitte in grosser Menge anfertigte. Die Methode war die gleiche, die ich in meiner letzten Arbeit!) zur Untersuchung der Zelltheilungen im Hoden benutzt habe: Härtung mit Osmiumgemisch (das Nähere am eit. Orte und hier in der Erklärung der Tafel). Die Thiere liess ich mir um Ende August frischgefangen kommen, um auszuschliessen, dass durch längere Gefangenschaft Störungen der Spermatogenese entstehen könnten. Ich habe bis jetzt 10 verschiedene Hodenlappen von 6 verschiedenen Männchen geschnitten und zahlreiche Schnitte genau untersucht; da ich über- all das Gleiche fand, was unten beschrieben werden wird, so konnte ich zunächst von weiterer Ausdehnung der Arbeit absehen. Um in der Deutung der Bilder ganz sicher zu gehen, ver- fuhr ich so, dass ich zunächst stets am Zupfpräparat contro- lirte, ob auch Formen wie in Fig. 8 A vorhanden sind — was in allen den untersuchten Hoden der Fall war — ehe ich das Material für die Schnitte zum Fixiren und Härten einlegte?). Diese Controle wird durch die besonderen Verhältnisse, die im Urodelen- 1) Dies Archiv Bd. 29, p. 396: „Untersuchungsverfahren“. Wie dort bemerkt, drimgt Celloidin in die mit Osmiumgemisch gehärteten Hoden sehr schwer ein, es ist daher eine lange Durchtränkung damit und vorgängiges Einlegen in Aether-Alkohol nöthig. Auch dann noch bröckelt oft beim Färben oder beim Wiederauflösen des Celloidins mit Nelkenöl auf dem Ob- jJeetglas (s. am eitirten Orte) die Mitte des Schnittes, auf deren Erhaltung es grade ankommt, heraus oder kommt aus der Lage. Man muss deshalb zum Studiren des Situs nicht lauter sehr feine Schnitte nehmen, bei denen solche Verluste natürlich am häufigsten eintreten; und überhaupt, wie ich es gethan habe, eine recht grosse Zahl von Schnitten untersuchen. 2) Denn da die Samenfädenbildung beim einen Thier etwas später als beim anderen eintreten kann, so lässt sich bei der Untersuchung nicht nach dem Datum gehen. 76 W. Flemming: hoden vorliegen, sehr erleichtert. Denn wie bekannt!), bestehen die Hoden hier aus zwei antimeren?) Reihen von paarigen, läng- lichrunden, etwas abgeplatteten Lappen, gewöhnlich vier; meistens sind davon im Sommer und Herbst jederseits je zwei, manchmal nur je einer, selten mehr als zwei, besonders gross entwickelt; und stets finde ich, dass je zwei antimere Lappen ganz oder nahezu von gleichem Entwicklungszustand nach ihrer Grösse und der Beschaffenheit ihres Canälchen- inhaltes sind. Zerzupft man zum Beispiel im Juli (wo noch keine Spermotogenese, nur Zellvermehrung in. den Cysten vor- kommt?) den rechten Lappen eines solchen Paares, und findet reichliche Mitosen, so kann man sicher sein, solche auch in dem antimeren Lappen zu haben, fehlen sie aber rechts, wird man auch links meistens vergeblich danach suchen; findet man im Sep- tember*) in einem Lappen beginnende Samenfädenbildung, so wird auch der gegenüberliegende Schwesterlappen solehe etwa in glei- chem Maasse zeigen. Ich konnte demnach so verfahren, dass ich zunächst nach Tödtung des Thieres durch ein Zupfpräparat von einem grossen Lappen der einen Seite, mittelst Eindeckung mit Essigsäure oder saurem Bismarckbraun, mich von dem Vorhanden- sein von Spermatogenese überzeugte, und dann den antimeren Lappen in Osmiumgemisch einlegte. Ausserdem habe ich auch zum Ueberfluss öfters die gleichen Lappen zur Härtung benutzt, die ich vorher leicht angezupft und in denen ich dabei Samenfäden- bildung gefunden hatte. Man kann es übrigens den Lappen mit blossem Auge ansehen, ob sie Spermatogenese enthalten. Wie ich bereits am ersteitirten Ort beschrieb, sind die Lappen im Frühsommer und Juli, ehe die 1) Ich eitirte schon a. a. O. (dieses Archiv 1880, p. 236) die betreffen- den Arbeiten von Leydig, Duvernoy und Spengel und beschrieb dort, sowie später (ds. Arch. 1837, p. 390—396) selbst des Näheren, dass die ver- schiedene Grösse und natürliche Farbe der aufgereihten Hodenlappen ein Aus- druck der verschiedenen Wachthumszustände ihres Inhalts ist. 2) Die beiderseits sich entsprechenden liegen zuweilen nicht genau symmetrisch, sondern ungleich hoch, sind aber auch dann durch die gleiche Grösse als antimer erkennbar. 3) Das Nähere darüber in meiner letzten Arbeit a. a. 0. 4) Es kommt auch manchmal schon gegen Ende August Spermato- genese vor. Weitere Beobachtungen “über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 77 Samenfädenbildung beginnt, von graulich-durchscheinender Farbe ; im Spätherbst, wenn ganz mit gereiftem Sperma gefüllt, weiss. In der Zwischenzeit, und das ist also die Periode der Samenfäden- bildung, geht die Farbe aus dem Grau allmählich in Schmutzig- weiss und von da in Weiss über. Und man sieht nun, dass dieser Verfärbungsvorgang nach und nach vom einen Ende des länglichen Lappens bis zum anderen vorschreitet (vergl. Fig. 1. An dem einen — und es ist dies immer dasjenige, an welchem ein anderer kleinerer, ganz mit reifem Sperma gefüllter und deshalb hellweisser Ballen ausitzt — sind schon überall Cysten mit reifen oder fast reifen Fädenbündeln vorhanden (Fig. le, vergl. Fig. 2ec), und die Farbe nähert sich hier dem Weiss. An dem anderen — es ist das freie Ende des Lappens, Fig. la, 2a — ist der Zustand noch wie im Juli und August, es gibt hier nur Cysten mit rundkernigen Zellen und hie und da mit Mitose!), und die Farbe ist, wie in den senannten Monaten, blassgrau (Fig. 1a). Aufdem Zwischen- sebietaberin der Mitte des Lappens (Fig. 1b, 2b) ist der Fund- ort der Spermatogenese, und hier findet sich eine schmutzigweisse Farbe, die bei Betrachtung mit der Lupe feinfleckig aussieht: sie entspricht der verstreuten Vertheilung von Cysten, die junge und halbreife Spermatozoen führen, wie die bei b in Fig. 2 und in Fig. 4. Bei manchen Lappen, wo die Spermatogenese sehr rasch und rege verläuft, kann ein sehr grosser Theil des Ballens in diesem Zustand sein ?). Die physikalische Erklärung dieser Farbenverhältnisse ergibt sich sehr einfach unter Hinblick auf die folgende Beschreibung: Die chromatische Substanz der Spermatozoenköpfe wird, je reifer diese sind, um so stärker verdichtet und also um so stärker licht- brechend, die Cysten mit reiferen Fäden reflecetiren das auffallende 1) Ich habe hier als Ergänzung meiner früheren Angaben hinzuzufügen, dass an solchen Stellen auch noch im September, ja bis in den October hinein, mitotische Zellvermehrung in einzelnen Öysten gefunden wird, doch sehr viel seltener als im Juli und August. Ich glaubte früher, dass sie mit dem Septembermonat schon ganz abschlösse. 2) Die oben besprochenen Farbenverhältnisse der Hodenlappen hat v. Wiedersperg, ohne Kenntniss meiner früheren Angaben und der älteren von Leydig, auch für Triton genau beschrieben (a. a. 0. p. 309); sie scheinen dort sehr ähnlich zu sein. 78 W. Flemming: Licht somit stärker als die mit jüngeren, daher die weisse Farbe der ersteren. An tingirten Schnitten aus Osmiumgemisch, welche durch die grösste Längsausdehnung eines solchen Lappens gelegt sind (Fig. 2), markirt sich durch andere Farbenverhältnisse die gleiche Ver- theilung. Die reifen oder fast reifen Köpfe sind hier stark ge- färbt und dabei durch die Osmirung besonders gedunkelt (Fig. 2 bei ce), die halbreifen und jungen sind dies weniger (ebenda bei b) und wo noch keine Spermatogenese ist, hat man lediglich die blassrothe Kerntinctionsfarbe (bei a). Man sieht das auch an den Schnitten schon mit blossem Auge. Die Spermatogenese schreitet also allmählich gegen das eine (freie) Ende der Lappen fort und erreicht es bei einigen Thieren erst spät im October (möglicherweise zuweilen noch später). An- dererseits habe ich zwei Lappen geschnitten, die schon um Anfang October nur reife und halbreife Fädenbündel enthielten und gar keine Stellen wie die bei a in Fig. 2 mehr zeigten. Ich wende mich nun zu der Bildung der Spermatozoen- köpfe. Darüber ergab mir die Untersuchung der Schnitte von September- und Octoberhoden, angesichts der Befunde an frischen Zupfpräparaten, ein sehr überraschendes Resultat. Es war in den Schnitten — mit seltenen gleich zu erwäh- nenden Ausnahmen — nichts von den Bildern zu finden, welche die Zupfpräparate so massenhaft zeigen: von den dichten Gruppen umgelegter, gewundener und spiral aufgerollter junger Spermatozoenköpfe, wie sie Fig. 3 A wiedergibt. Die Schnitte zeigen vielmehr Folgendes: Die Samencanäle sind durch ihren Inhalt, die herangewachsenen Spermatocysten, grösstentheils bis auf ein geringes Lumen angefüllt, streckenweise selbst ganz verschlossen, so dass man die Canaldurchschnitte oft nur nach ihrer zarten Bindesubstanzabgrenzung unterscheiden kann!) (Fig. 2, an einigen Stellen bei a). In der Grenzgegend, wo sich die beginnende Spermatogenese findet (Fig. 2 bei b), trifft man in jedem Schnitt Canaldurchschnitte, welche neben Cysten mit noch rundkernigen Spermatiden solche zeigen, wie ich sie in Fig. 5, a, b, c, d zeichne: 1) Dieser Zustand ist auch schon in den Sommermonaten, während der Zelltheilungsperiode, vorhanden. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 79 In den einen (Fig. 4 a, Fig. 13) haben die Spermatiden- kerne sämmtlich eine leicht verlängerte Form. In anderen (4 b, 6) tritt diese Form stärker hervor und die Kerne sind zugleich stets an einem Ende verdickt, eiförmig bis birnförmig. Wieder in an- deren sind sie lange Stränge, am einen Ende leicht kolbig ange- schwollen (4 eeec, 5a). In noch anderen (4d, 7) sind es lange Stäbe, oft in gewundener und etwas geknickter Anordnung, doch sich vielfach der parallelen Lage nähernd. Endlich finden sich dazwischen auch schon Oysten, in denen die verlängerten Kerne, d. h. Spermatozoenköpfe, bereits eng parallel zu Bündeln ge- ordnet liegen (Fig. 4ee), wie dies dann an den Stellen schon vorgeschrittener Spermatogenese (Fig. 1 bei c, Fig. 5b, 15, 16) durchgehend der Fall ist. Man hat also alle Uebergangsbilder von der Entstehung der Köpfe aus Zellkernen in klarer Uebersicht und reichster Auswahl nebeneinander. Ich finde in diesem Grenzgebiet niemals in einem Canaldurchschnitt alle Cysten in gleichem oder nur annähernd gleichem Stadium, sondern, wie es Fig. 4 darstellt, dicht neben- einander Cysten mit runden Kernen, solche mit verlängerten und dazwischen schon solche, die bereits Bündel von parallel geordne- ten jungen Köpfen führen )). Ich hebe nun wiederholt?) hervor, dass dieselben Hoden, aus denen diese Schnitte genommen sind, beim frischen Zer- zupfen lauter Bilder geliefert haben würden, wie sie Fig. SA zeigt. Es ist also vollkommen sicher, dass die Formen junger Köpfe aus den Schnitten in Fig. 4, 8, 5, 6, und diejenigen aus den Zupfpräparaten in Fig. 8 A, miteinander gleichwerthig sind in derselben Weise, wie ich sie in 8 und 3 A untereinander ge- reiht und mit a=oa, b=Bß, de=de, f= Zbezeichnet habe. Und somit ergiebt sich, dass die Umklappung, Zusammenrollung und Spiralwindung der jungen Köpfe in den frisch gezupften Objecten lediglich durch eine Elasticität der Spermatide zu Stande kommt, welcher sie folgen kann, wenn sie frisch aus ihrer Umgebung befreit wird, und der zufolge 1) Die Cyste e in der Mitte von Fig. 4 ist offenbar von der oberen oder unteren Wand des Canals, einer Biegung desselben entsprechend, abge- schnitten. 2) Unter Verweis auf p. 76 oben. 80 W. Flemming! sie dann aus der langgestreckten Form in eine mehr runde zu- sammenschnurrt!). Es sind demnach diese Bilder der Fig. 8 A zwar nicht eigentlich Kunstproducte zu nennen — denn sie ent- stehen ja beim ersten Anzupfen eines frischen Hodens, ohne jeden differenten Zusatz und sind jasubstantiell nicht verändert — aber sie sind auch nicht der Ausdruck der natürlichen Lage der jungen Samenfäden, welchen man vielmehr in Fig. 8 zu su- chen hat. In welehem Theile der Spermatide der Sitz dieser Elastiei- tät oder dieses Verkürzungsbestrebens zu suchen ist, scheint mir für jetzt nieht entscheidbar; er kann in der achromatischen Scheide des Kopfs (Fig. 8, weiter unten besprochen), oder in dem Kopf selbst, oder in dem umgebenden Zellkörper liegen, es könnten auch zwei davon oder alle drei dabei betheiligt sein. Jedenfalls lässt sich sagen, dass der Kern oder der junge Samenfadenkopf, während er in die Länge wächst, sich im Zustande einer elastischen Spannung befindet, welche dahin strebt, ihn zu verkürzen und da- bei auszurunden, welche aber in situ wegen seiner Zusammenord- nung mit den Nachbarn in der Cyste nicht zum Ausdruck kommen kann. Ich sagte schon, dass man hie und da, aber recht selten, auch in Schnitten einzelne Ausnahmen von der gestreckten Natur- lage der jungen Köpfe findet; in Cysten mit schon gereifteren Fäden liegt hie und da ein einzelnes Element mit spiral aufge- rolltem Kopf, ganz wie in Fig. 3 AZ, vor den Spitzen des Köpfe- bündels in den centralen Zipfel der Cyste herausgerückt. Einige Male habe ich auch 2 (dies ist in Fig. 15 gezeichnet, s. Erklä- rung), einmal 3 solche gesehen. Es ist dies aber wohl nur so zu erklären, dass hier intra vitam, vielleicht weil die Cyste besonders viel Raum bot, abnormer Weise einzelne junge Spermatozoen aus dem Bündel herausgeglitten und vom Druck befreit sich zusammen- gerollt haben. Hier folgt, was ich über die feineren Entwicklungs- verhältnisse der Samenfäden bis jetzt ermitteln Konnte. 1) v. Wiedersperg, der dieselben Formen gesehen, aber freilich als „Rückbildungsformen“ aufgefasst hat, giebt bereits ganz richtig an (p. 323 a. a. Ö.), dass bei ihnen „der Kopf da, wo die Raumverhältnisse ihm eine freiere Bewegung gestatten, sich innerhalb der Zellmembran einzurollen pflege.“ Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 81 Etwas davon, und zwar eine Hauptsache, ergab sich schon aus meinen Studien von 1880 und ist in der damaligen Arbeit er- wähnt: dass nämlich der stark chromatische, spiessförmige Kopf des reifen Samenfadens aus der gesammten Chroma- tinmasse des Spermatidenkerns, nebst der Fa- denstrucetur, inwelche diesesChromatin einge- lagertliegt!), entsteht, indem das chromatische Fadenwerk sich mehr und mehr verdichtet und schliesslich compact wird. Dies ist bei einem Blick auf die successiven Entwicklungsformen (Fig. 8) wohl ohne weitere Beschreibung und Beweisführung ganz deutlich. Der Spermatidenkern lässt dabei schon im ersten Stadium, in welchem er sich etwas in die Länge streckt (Fig. Sa, 9ed) deutlich das künftige Spitzenende und Hinterende dadurch erkennen, dass das letztere dieker wird als das erstere. Die feine häkchentragende Spitze am Vorderende des fertigen Kopfs (Fig. 8g), von Czermak, v. la Valette St. George und Retzius2) beschrieben, welche nicht eigentlich chromatisch ist, bildet sich dabei vollkommen in Continuität mit dem chromatischen üb- rigen Theil des Kopfes, und schon hieraus möchte ich schliessen, dass auch die nicht chromatische Substanz des Kerngerüstes jeden- falls zum Theil mit zum Aufbau des Kopfes verwendet wird. Ob zum Theil oder ganz, ist schwer zu entscheiden, aus folgendem Grunde: Es markirt sich um die jungen Köpfe her eine, mit deren Ausbildung und Verlängerung immer deutlicher werdende Hülle oder Scheide (Fig. 8). Die Anfangsbilder (abe, 6) zeigen ganz deutlich, dass diese Scheide auf Grund der ursprünglichen Kernmembran entsteht. Aber sie liegt in den späteren Stadien der Ausbildung des Kopfes relativ weit von diesem abgerückt, und es gibt dann zwischen ihr und dem Kopf eine recht erhebliche Schicht von heller Substanz. Man sieht dies be- 1) Um 1880 lagen die Kenntnisse noch so, dass ich die gesammte färb- bare Innenstructur des Kerns als „Chromatin“ bezeichnen konnte; ich sagte deshalb damals einfach, der Kopf entstehe aus dem Chromatin des Kernes. Seitdem haben wir festgestellt, dass die Structur — das Gerüst- oder Faden- werk — des Zellkerns aus einem nichtchromatischen Substrat (Strasburger’s „Hyaloplasma“) und dem darin körnig eingelagerten Chromatin besteht. Das erstere Substrat scheint sich aber auch am Aufbau des Kopfes zu betheiligen. 2) Siehe bei Retzius, Biologische Untersuchungen, Th. I, p. 78 ff. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 31. 6 89 W. Flemming: sonders klar an einem dünnen Querschnitt durch ein Bündel von Köpfen (Fig. 8B, siehe deren Erklärung), doch auch an Längsan- sichten, besonders an kleinen freiliegenden Längsbruchstückchen von Köpfen (ebenda). Ich weiss nicht, ob man annehmen kann, dass die ganze helle Substanzschicht zwischen Hülle und Kopf le- diglich den auswärts gedrängten Kernsaft des Spermatiden- kerns repräsentirt!), oder ob nicht achromatische Substanz des ursprünglichen Kerngerüstes mit in ihr enthalten ist. Deshalb muss ich die vorher gestellte Frage: ob diese achromatische Sub- stanz insgesammt, oder nur theilweise in den Kopf selbst mit ein- geht, offen lassen. Ueber die Entstehung des Mittelstückes habe ich jetzt einige nähere Beobachtungen machen können. Dies Mittelstück der reifen Salamandersamenfäden (Fig. 8g, unten) ist bekanntlich ein kurzer Cylinder, nicht-chromatisch, von gleicher Dicke wie das anstossende Hinterende des Kopfes und anscheinend homogen be- schaffen. Da das Mittelstück des reifen Fadens in diesen Eigen- schaften durch die Chromosmiumessigsäure ebenso gut wie durch viele andere Reagentien conservirt wird, so lässt sich als wahr- scheinlich annehmen, dass auch seine Entwicklungsformen, die ich im Folgenden nach Präparaten aus ersterem Reagens beschreibe, durch dasselbe nicht erheblich verändert sein werden. Immerhin bleibt dies möglich, und nur unter diesem Vorbehalt gebe ich die Beschreibung. Bei genügender Aufmerksamkeit kann man die Anlage des Mittelstückss schon an Kernformen wie Fig. Sa und I9cd finden, die eben erst die Birnform angenommen haben. Sie liegt hier stets am dieken Ende des Kerns, wohin sie ja auch nach der weiteren Gestaltung gehört, und zeigt sich als ein winziges, abge- plattetes Körperchen, von etwa 1,30 u grösstem Durchmesser, das bemerkenswerther Weise deutlich ehromatisch ist. Es liegt der Kernmembran dicht an, wenigstens sieht man keine deutliche Trennung zwischen beiden. Ueber die innere Beschaffenheit des Körperchens und selbst über seine genaue Aussenform kann ich, bei seiner Kleinheit, bis jetzt nichts Weiteres feststellen. In späteren Formen, wie Fig. Sbc, b‘e‘, hat die Mittelstück- 1) Es ist zu berücksichtigen, dass die Spermatidenkerne sehr dichte Gerüste, und entsprechend wenig Kernsaft enthalten. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatösomen etc. 83 anlage sich vergrössert und zeigt sich in noch späteren (Fig. Sced, e'd‘) getrennt in zwei Abschnitte, einen kleineren vorderen, der eine dünne Scheibe darstellt, und einen grösseren hinteren, der die Form einer Schüssel oder Dose zu haben scheint, mit der offenen Concavität nach vorne gerichtet. Der grösste Durchmesser des Schüsselchens ist jetzt etwas über 2 u. Der Anfang des Schwanzfadens, den man schon iu Fig. Se und 9e, selbst in noch früheren, bei geeigneter Lage deutlich sieht, ist an Formen wie Fig. Sd durch die Mitte des Schüssel- chens hindurch zu verfolgen; doch gelingt dies, wegen der Klein- heit des letzteren, nur bei reiner Horizontallage. Auch in den letzteren Stadien ist an. der Mittelstückanlage die Substanz der Vorderscheibe und der Schüssel noch chroma- tisch, obwohl in geringerem Grade als der Kopf. Im Farbenbild ergiebt sich dies ganz sicher; und man kann es nicht etwa auf eine ungleichmässige, unvollständige Extraction des Farbstoffs be- ziehen, da es sich überall an Stellen findet, wo sonst die reinste Kerntinetion vorliegt. — Der Schwanzfaden ist dagegen an solchen Stellen niemals gefärbt. An den fast reifen Fäden hat das Mittelstück noch die Form wie in Fig. Sf, also eine etwa planconvexe; es ist jetzt nicht mehr, oder nur sehr schwach tingirbar. Das Verhalten des Mittelstückes zu der Kernmembran, oder was dasselbe ist, zu der Hülle des Kopfes, ist deshalb nicht ganz sicher zu stellen, weil in den Stadien von Fig. Se und d die Membran grade da, wo sie sich gegen das Mittelstück heranzieht, sehr zart und undeutlich ist (vergl. die Figuren). In den früheren Stadien (Fig. 8b) macht es, wie schon gesagt, den Eindruck, als ob das Mittelstück der Innenfläche der Membran fest ansässe; an ÖOsmiumsäurepräparaten, wo der Kern etwas gequollen ist, drängt es sich oft hervor (Fig. 9 cd). Es würden hiervach in Bezug auf die Herkunft des Mittel- stückes zwei Möglichkeiten bestehen: entweder, es stammt von der geformten Innensubstanz des Kerns ab, oder, es entsteht als eine locale Verdiekung der Kernmembran. Ich halte das Erstere des- halb für wahrscheinlicher, weil die Anlage des Mittelstücks, wie beschrieben, in ihren Anfangsstadien eine gleiche Tingirbarkeit zeigt wie das Kernchromatin. Altmann hat den Gedanken vertreten, dass das Mittelstück 84 W. Flemming: der Spermatosomen vom Nucleolus des Kerns herstamme. Bei meinem Object scheint mir dies kaum möglich. Der Spermatiden- kern bei Salamandra hat nämlich meistens nicht einen, sondern mehrere Nucleolen von verschiedenen, übrigens sehr kleinen Di- mensionent) (s. Fig. 9b—e). Ich kann bis jetzt nirgends sehen, dass sie in den Spermatiden etwa zusammenrückten und dass sie, oder einer von ihnen, nach einem Rande des Kernes verschoben würden. Was aber besonders in Betracht kommt: in denselben osmirten Kernen, in denen schon die erste, kleine Anlage des Mittelstücks am breiten Ende zu erkennen ist (Fig. 9de), sehe ich vielfach deutlich einen bis drei Nucleolen, ebenso gross wie in noch runden Spermatidenkernen, und keineswegs an die Stelle herangerückt, wo das Mittelstück entsteht (siehe ebenda). Und selbst in Kernen, die schon stark verlängert sind und etwa eine Form zwischen b und e in Fig. 5 besitzen, sieht man bei Behand- lung mit Osmiumsäure (e Fig. 9) noch Nucleolen, während die Mittelstückanlage schon scheibenförmig hervorragt. Was ich über die Bildung des Sehwanzes bis jetzt er- mittelt habe, ist wenig und im Vorigen schon angedeutet. Ich sehe ihn schon in Stadien wie Fig. Sc, oder etwas früheren, deut- lich hervorragen als einen mattglänzenden feinen Stiel, der von etwas sehr blasser Substanz umgeben ist; und sehe, dass er in späteren Stadien, welche das Mittelstück in der Form der Fig. 8 d zeigen, durch die Mitte des hinteren, schüsselförmigen Theiles dieses Mittelstückes hindurch zu verfolgen ist. Dass dieser an- fängliche Faden dem dicken Hauptstrang des fertigen Schwanzes entspricht, scheint mir sicher. Wie sich der spirale Nebenfaden und die Zwischenplatte später bildet, weiss ich uoch nicht. Jeden- falls ist der Hauptfaden in den Stadien der Fig. 3 weit zarter und kürzer, wie am reifen Spermatosom, er muss also in die Länge und Dicke wachsen. Alles hier Beschriebene zusammengenommen, scheint mir die Annahme am nächsten zu liegen, dass das Mittelstück sowohl, als 1) Sie sind hier, wie überhaupt bei sämmtlichen Generationen der Samenzellen von Urodelen, in dem dichten Kerngerüst versteckt, und treten deutlich nur durch Wirkung reiner Osmiumsäure hervor (vergl. Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung, 1882, p. 143). Die Fig. 9, b, c, d und e hier sind Kerne mit reiner Osmiumwirkung; a in derselben Figur ein ebensolcher Sper- matidenkern, mit Chromosmiumessigsäure behandelt und tingirt. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen ete. 85 auch der Hauptfaden des Schwanzes, vom Kern aus gebildet wird. und auch für den Spiralfaden und die Zwischenplatte des Schwanzes wäre dies möglich. Es würde dies im Wesentlichen in Ueberein- stimmung mit den Befunden treten, welche Kölliker, Benda, Fürst u. A. bei Säugethieren gemacht haben. Eine bestimmte Ermittlung gerade hierüber ist bei meinem Object besonders schwierig, weil die frisch isolirten Spermatosomen hier in die mehr- fach erwähnte Zusammensehnurrung verfallen, welche das Verfolgen der Schwanzentwicklung in hohem Grade stört. Ueber die Köpfe der reifen Spermatosomen habe ich noch eine Beobachtung gemacht, die mir in histochemischer Hin- sicht bemerkenswerth erscheint. Bei Färbungen mit Hämatoxylin oder Alauncarmin an Alkoholobjeeten unterscheiden sich die reifen und unreiferen Köpfe nur dadurch, dass sie sich, je reifer sie sind, desto intensiver tingiren. Aber an Safranintinctionen !) von Os- miumgemischpräparaten fällt es als ganz durchgehend auf, dass die Köpfe der ganz reifen Samenfäden durchweg eine gesättigt rothbraune bis selbst dunkelbraune Farbe haben, während die noch nicht voll gereiften2) die intensiv lichtrothe Safranin- farbe zeigen. Ich nehme dabei, was man wohl zulässig finden wird, als Kennzeichen eines „ganz reifen“ Samenfadens dies, dass er schon einen lang ausgebildeten Schwanz, und ein nicht mehr tingibles, eylindrisches Mittelstück (Fig. Sg, am unteren Ende) besitzt. Aus solehen ganz reifen Fäden bestehen sämmtliche Bündel, die man im Herbst in den kleineren, hellweissen Anhangsportionen der grossen Lappen (Fig. 1 w‘) findet, und theilweise finden sich solche schon in der anstossenden Portion des grossen Lappens (Fig. 2 bei e). Dies drückt sich an jedem Safraninschnitt schon dem blossen Auge durch die Farbe aus: die Schnitte durch w‘ und w (Fig. 1 und 2) sehen braun aus, das Ende c (Fig. 2) bräun- lich, da von gegen die Mitte (b) wird die Farbe roth. Es muss also wohl die Substanz des vollreifen Kopfes che- misch etwas von dem Chromatin der unreiferen Köpfe und Kerne 1) Bedingung dazu ist jedoch, dass die Safraninfärbung nicht zu kurz- dauernd war. Ich brauche stets 1—2 Tage dafür. 2) Wie alle auf der Tafel dargestellten (auch noch Fig. 16), mit ein- ziger Ausnahme von Fig. 8 g. 86 W. Flemming: differiren‘). Und da es sich um osmirte Objecte handelt, und die Farbe ins Braune geht, so liegt es nahe zu denken, dass es sich um einen Uebergang des Chromatins in einen Körper handelt, welcher irgendwelche Annäherung zu den Leeithinen, Myelinen und Fetten bietet, welche ja alle durch Ueberosmiumsäure gebräunt oder seschwärzt werden. — Es wäre nicht ohne Interesse, in dieser Hinsicht auch die Spermatosomen anderer Thiere zu prüfen. Es bleibt mir noch etwas über die Gesammtanordnung zu sagen, welche der Cysteninhalt während seiner Umbildung zu Spermatosomen erfährt. Aus den Figuren ergiebt es sich von selbst und ich habe es darum nicht erst näher beschrieben, dass die Spitzen der reifen Samenfädenköpfe in je einem Cystenbündel stetsnach dem Lu- men des Canals zu, die Schwanzenden nach der Canal- wand zu liegen (Fig. 7, 16). Ueber die Art und Weise, in der diese Anordnung zu Stande kommt, geben Bilder wie Fig. 12—16, sowie 5 Aufschluss. In den jungen Cysten, die noch nicht Spermatogenese ent- halten (Fig. 3, und die meisten im oberen Theil von Fig. 4) liegen die noch rundkernigen Spermatiden dicht zusammengelagert, so dass sie sich gegenseitig polyedrisch abplatten (Fig. 12). An vielen Durchschnitten solcher Cysten aber bemerkt man in deren Innerem ein Loch (Fig. 12), welches, soviel mir scheint, der Wand- seite der Cyste immer etwas näher gelegen ist, und später an sie heranrückt. Es ist dies offenbar so aufzufassen, dass hier zwischen den Zellen der Cyste ein flüssigkeitshaltiger Raum auftritt. Durch die Härtung entstehen Gerinnsel in der Flüssigkeit (Fig. 12, 13, 6), nicht zu verwechseln mit den später auftretenden Schwänzen der Spermatosomen. Dieser Raum zieht sich also gegen die Wandseite der Cyste, so dass die Zellenmasse nun um ihn her in Form eines Hohlkugelmantels oder einer Schüssel angeordnet ist, welche ihre Oeffnung gegen die Canalwand kehrt (Fig. 5, 13, im Durchschnitt). Solche Lücken sieht man (im Durchschnitt) mehrfach in Fig. 4 und 2. In dieser Zellenmasse verlängern sich die Kerne in der 1) Oder man müsste annehmen wollen, dass bloss durch eine stärkere Verdichtung des Chromatins im reifen Kopf dasselbe braun, statt roth tingibel würde. Dafür scheint mir aber einstweilen gar kein Anhalt zu bestehen. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 87 Art, dass ihre Verlängerungsrichtungen anfangs ungefähr radiär zu dem Innenraum der Cyste stehen (Fig. 13); dann, wenn sie noch mehr verlängert und zugleich zusammengerückt sind (Fig. 5, Fig. 4 ee im Durchschnitt), liegen sie so, dass sie nach der Wandseite convergiren, nach dem Lumen divergiren; Fig. 6 ist der Aufblick auf eine solche Cyste, wie Fig. 5, von der Wandseite; endlich (Fig. 14, 15) werden sie immer mehr zu einem parallel geordneten Bündel zusammengedrängt. Eine auffallende Erscheinung ist das Auftreten chroma- tischer Körner, von sehr verschiedener Grösse, neben und in dem in Entwicklung begriffenen Bündel von Köpfen (Fig. 4, 5, 6, 7, 13—16). Sie finden sich von den Stadien der Fig. 13 an, und sind in späteren stets in ziemlicher Anzahl vor den Spitzen der Köpfe, einzelne zwischen den letzteren, und auch an ihren Hinterenden vorhanden, auch noch in den Stadien, wo hier das Bündel der Schwänze schon weit hervorragt (Fig. 7). Ich möchte sie vor der Hand als gleichwerthig mit den stark chromatischen Körnchen und Brocken ansehen, die bei Säugethieren, in einem gewissen Stadium der Spermatogenese, an den Spitzen der Sper- matogemmen sich finden!), und deren Bedeutung ja noch nicht ganz vereinbart ist; ich kenne sie seit lange aus eigenen Präpa- raten vom Meerschwein. Die Körner haben bei Salamandra zumeist kleine Dimen- sionen, doch kommen einzelne bis zu mehr als 10 u Durchmesser vor; die Formen sind meist kuglig oder doch abgerundet. Die Cystenwand?) besteht, entsprechend v. la Valette St. George’s früherer Beschreibung, aus platten Zellen mit grossen Ker- nen, die bei jungen Cysten mit noch rundkernigen Spermatiden den Inhalt eng umschliessen (Fig. 3, 12), bei solchen mit halbreifen und reiferen Fäden aber einen beträchtlichen Raum innerhalb frei lassen (Fig. 14—16), einmal am Fuss der Cyste, wo die Schwanz- fäden in diesen Raum hineinwachsen (links in letzteren Figuren), andererseits in der Cystenspitze, welche von den Stadien an, wo die Köpfe langstabförmig werden, sich zu einem stumpfen, meistens conischen Zipfel formt (rechts ebenda). In der Wand dieses Zipfels 1) Bolles Lee, Sabatier, Minot u. A.; siehe z. B. bei Benda 3.0 Big; 1. 7; Tat VL, 2) Siehe Fig. 14—16 und andere. 88 W. Flemming: liegen merere (selbst bis sechs und mehr) Wandkerne nahe zu- sammengerückt; in einigen meiner Figuren, wo nur einer zu sehen ist, sind die übrigen wohl abgeschnitten, denn wo die ganze Cyste im Schnitt liegt, sind auch immer mehrere vorhanden. Ich habe nun noch die im Eingang eitirten Resultate v. Wiedersperg’s bei Triton zu besprechen. Er hat, wenn auch zum Theil in weniger wohlerhaltener Form!), dieselben Bilder ge- sehen, welche meine Figuren 8 und SA zeigen. Aber er deutet sie gerade in umgekehrter Weise, wie ich. Was ich früher und hier als Formen der Spermatosomenentwieklung beschrieben habe, sieht er als solche einer ‚regressiven Metamorphose“ an, welche an fertigen „im Hoden zurückgebliebenen“* Samenfäden vor sich gehen soll. Als solche Degenerationsformen, oder wie er es auch ausdrückt: „Involutionsformen“ betrachtet er sowohl die natürlich situirten ?), als die nach Loslösung zusammengeschnurrten ?) Formen. Was ich hier als Verlängerung und Verdichtung der zu den Köpfen auswachsenden Spermatidenkerne geschildert habe, nimmt v. Wiedersperg für eine degenerative Verkürzung und Auf- lockerung reifer Spermatosomenköpfe. Hätte v. Wiedersperg wirkliche Situationsschnitte der Tritonhoden angefertigt, wie es die meinigen von Salamandra®) sind, so würde er, wie ich glaube, nicht auf die erwähnte An- schauung verfallen sein. Seine Schnitte von Triton, die mir vor- liegen, sind jedoch nicht geeignet, um eine Uebersicht der Ent- wicklungs-Reihenfolge in situ zu gewinnen; denn es ist an ihnen fast die ganze Mittelpartie des Hodens herausgefallen, und was davon noch haftet, liegt aus der natürlichen Lage geschoben. Die 1) Dies zeigen sovohl seine Abbildungen, als die Präparate, die von Wiedersperg so freundlich war mir zu senden. 2) Fig. 8 hier, v. Wiedersperg’s Fig. 19, 20. 3) Fig. SA hier, seine Fig. 12, 13, Taf. 12 und die meisten auf Taf. 13. 4) Ich stelle hier gleich fest, dass die Verhältnisse bei Triton, und so auch bei Siredon, in allem Wesentlichen durchaus die gleichen sind, wie bei Salamandra, was mir v. Wiedersperg’s Präparate von ersteren beiden Thieren auf den ersten Bliek gezeigt haben und was gewiss auch der Autor, nach Ansicht meiner Abbildungen und Beschreibungen hier nicht be- zweifeln wird. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 89 Schnitte scheinen von Alkoholpräparaten, ohne Celloidin- oder Paraffindurchtränkung, gemacht zu sein, oder wenn etwa solche Durchtränkung angewandt wurde, so hat sie ihren Zweck nicht erfüllt. Dass die Deutung v. Wiedersperg’s unmöglich durchführ- bar ist, folgt eigentlich schon von selbst aus der Beschreibung, die ich oben auf S. 75—79 u. f. gab. Ich bitte nur, Folgendes zu erwägen: Beim Erdsalamander lässt sich nach dem, was ich in meinen zwei eitirten Arbeiten mittheilte, das jahreszeitliche Verhalten der Hoden so weit, als es für diese Frage interessirt, völlig klar überblicken. Ich habe ja das Verhalten der Lappen, welche im Frühling bei der Befruchtung entleert werden, sich durch den Sommer ver- grössern und im Herbst sehr gross und mit reifem Sperma gefüllt sind, mittels Untersuchung sehr zahlreicher Thiere durch diese ganze Zeit verfolgt. Im Sommer findet sich in diesen Lappen rege Zelltheilung resp. Oystenbildung, und bis in den August da- bei noch keine Spur von Samenfädenbildung. In den Hodenlappen grössten Calibers, welche im Spätherbst lauter Cysten mit reifen Fäden enthalten, gibt es gegen Ende August noch kein einzi- ges reifes, oder auch nur in Bildung begriffenes Sper- matosom, Sondern nur rundkernige Spermatiden, oder Sperma- toeyten, die sich noch weiter theilen. Und unmittelbar nachher, mit Anfang September, wimmelt ein solcher Lappen von den Formen meiner Fig. 8 an Schnitten, Fig. SA an Zupfpräparaten, die nach v. Wiedersperg „regressive Metamorphosen reifer, im Hoden zu- rückgebliebener Samenfäden“ sein sollen. Wo wären denn hier die reifen Samenfäden gewesen, die sich so zurückgebildet haben sollten? Dies allein ist schon ganz ausschlaggebend, um in diesen Formen vielmehr die Entwicklungsstadien der Spermatosomen zu erkennen. Zum Ueberfluss betrachte man aber auch noch die Ver- theilung dieser Formen in den Lappen, die v. Wiedersperg entgangen ist, weil er keine Situsschnitte durch die Mitte der Lappen gehabt zu haben scheint. Am einen Ende des Lappens von einem Septemberhoden sieht noch alles aus wie im Juli und August (Fig. 1a, 2a, 3), man hat Cysten mit rundkernigen Zellen, zum Theil noch Mitose; am anderen Ende (Fig. le, 2e) gibt es lauter Cysten mit reifen oder fast reifen Fäden, und an der Grenze 90 W. Flemming: zwischen beiden, da, wo sie auch hingehören (bei b in Fig. 1 und 2), finden sich die Uebergangsformen der Entwicklung, die angeblichen „Rückbildungsformen“* v. Wiedersperg’s. Man kann Schritt für Schritt verfolgen, indem man vom August bis October Thiere tödtet und die Lappen grössten Calibers unter- sucht, wie die Partie bei e mit den reifen Fäden wächst, die bei a mit den rundkernigen Cysten sich verkleinert, die Uebergangs- gegend ce mit den Entwicklungsformen gegen die Seite des letzte- ren vorrückt. Mir scheint, dass ich meine Beweisführung nicht weiter auszudehnen brauche. Was v. Wiedersperg für die Entwicklungsformen der Spermatosomen gehalten hat und als solche auf S. 315 ff. beschreibt, zeigt seine Fig. 3 Taf. XII a. a. O., die ich mir der Abkürzung zu Liebe hier in Fig. 10a zu copiren erlaube. Diese Formen sind nichts Anderes als Veränderungsproducte, die durch Alkohol- wirkung?) aus reifen oder fast reifen Samenfäden entstehen. Ich kenne solche schon aus meinen Arbeiten von 1880, bei denen ich sie an Alkoholschnitten von Salamanderhoden zuweilen fand, und hie und da auch durch Behandlung des frischen Hodeninhalts mit verdünntem Alkohol auf dem Objeetglas erhielt. Da ich sie gleich als Artefacte erkannte, habe ich sie damals überhaupt nicht erwähnt. Sie sehen, wie meine Fig. 10 b zeigt, von Salamandra sehr ähnlich aus wie von Triton; doch scheinen die Spermatosomen des letzteren Thiers in der That besonders zu dieser Veränderung zu neigen, da ich sie in eigenen Präparaten von Salamandra nie so massenhaft gefunden habe, wie sie in v. Wiedersperg’s Schnitten von Triton vorliegen. Sie sind hier so zahlreich, dass ich wohl begreife, wie jemand auf den ersten Eindruck solcher Präparate auf den Gedanken kommen kann, es handele sich hier um die Entwickelungsformen von Spermatosomen. Diese Artefacte befinden sich aber stets in Bündeln reifer oder nahezu reifer Fäden mit schon langgestreckten und compaeten Köpfen, und es 1) Vielleicht auch noch durch andere Reagentien. Die Behandlung ist in v. Wiedersperg’s Figurenerklärung nicht speciell angegeben. Jedenfalls finden sich Bilder wie die seiner Fig. 3 massenhaft in seinen mir vorliegen- den Schnitten, welche offenbar Alkohol-Hämatoxylinpräparate sind, einzeln in seinen Präparaten von Siredon (ebenso); und in meinen eigenen Alkohol- präparaten. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 91 ist bei genauem Durchmustern der verschiedenen Formen ersicht- lich, dass sie aus den Köpfen entstehen, indem diese bald ganz, bald nur einen Theil ihrer Länge in Schlängelungen gelegt, und die Windungen mit einander zusammengeklumpt werden; so dass entweder compaete Kugeln, oder Klumpen mit noch hervorstehen- den Vorder- oder Hinterenden der Köpfe resultiren, wie sich das Alles an den Objeeten der Fig. 10a b e in buntester Mannigfaltig- keit findet. An vielen dieser Formen wird natürlich das Mittel- stück mit dem Schwanzfaden hervorragen (siehe verschiedene der Bilder). Da die Vorbedingung zu dieser Conglutinirung der Köpfe dem- nach eine geschlängelte Lage derselben ist, so scheint es allerdings merkwürdig, dass sie in Schnitten von Hoden vorkommen, die in toto in Alkohol gehärtet waren; denn wie ich oben beschrieb, sind ja die Köpfe in situ in gestreckter Lage und schnurren erst bei der Befreiung aus dieser in die gewundene Anordnung zu- sammen. Aber bei genauerer Üontrole der Alkoholpräparate klärt sich dieser Punkt auf: es sind in diesen eine Menge von Cysten geplatzt, was durch das rasche Eindringen des stark wasserent- ziehenden Alkohols in den Hodenlappen bedingt sein wird; und ich finde denn auch an v. Wiedersperg’s wie an eigenen Präparaten die bezüglichen Verklumpungsformen immer in solehen Cysten, bei denen das offenbar geschehen ist, die Fäden auseinandergewirrt liegen, und neben den Formen der Fig. 10 abe auch reichlich gewundene und gerollte Köpfe, wie in Fig. SA Z umher liegen (einer in 10 b). Der einfachste Beweis dafür, dass die Formen der Fig. 10 Kunstproduete sind und mit der Entwicklung der Spermatosomen gar nichts zu thun haben, liegt übrigens darin, dass sich in allen meinen Schnitten aus Chromosmiumessigsäure an allen den Stellen, an welchen der Beginn und Fortschritt der Spermatoge- nese gesucht werden muss!), keine Spur davon findet, ob- wohl an diesen Präparaten Alles in situ fixirt ist. Die Chrom- osmiumessigsäure ist gewiss kein histologisches Universalmittel 1) Also an den Uebergangsgebieten zwischen solchen Partien, die noch lediglich Cysten mit rundkernigen Zellen haben (Fig. 2a), und solchen, die schon reife Spermatosomenbündel haben (c daselbst); d. h. an Stellen, wo sich die Formen der Fig. 8 finden. 92 W. Flemming: und ich habe sie als solches ja auch niemals ausgeben wollen, soviel aber ist hinreichend erprobt, dass sie Kerngebilde natur- getreuer fixirt als Alkohol, und dass sie dies gerade am vorliegen- den Object thut, kann ich nach eigener sehr langer Erfahrung be- stimmt behaupten. Wenn die Formen der Fig. 10abe wirklich natürlich präformirt sein könnten, so müssten sie auch an diesen meinen Präparaten zu finden sein, und dies ist nicht der Fall. Ueber die Alkoholwirkung setze ich hier noch hinzu, dass auch die runden ruhenden Kerne der Spermatocyten und Sperma- tiden durch dies Reagens sehr häufig verändert werden, in einer Art, wie sie Fig. 11a an einem nachher tingirten Präparat dar- stellt: das chromatinhaltige Fadenwerk des Kerns wird einseitig eonglutinirt, so dass an dieser Seite eine compacte Schale ent- steht, während auf der anderen der Naturzustand ziemlich erhalten bleibt. Dies kommt nicht nur bei dieser Zellenart, sondern auch bei vielen anderen, von Amphibien wie von Säugethieren vor. Oft sind die Kerne auf grosse Strecken im selben Präparat mit dieser Entstellung behaftet, an anderen Stellen ohne dieselbe. Merk- würdig ist es, dass sich an einzelnen Hoden, die ich geschnitten habe, gar nichts von dieser Veränderung fand, obwohl sie grade ebenso, wie die übrigen, direet in absoluten Alkohol eingelegt waren. — Bei Härtung in Chromosmiumessigsäure kommen solche Verunstaltungen der Kerne, wie sie Fig. 1la zeigt, nicht vor. Ich glaube, dass diese Verunstaltung in irgend einer Be- ziehung mit der natürlichen inneren Topographie des Kernes, d.h. mit seinem Polfeldbau, stehen kann und halte sie deshalb für wei- terer Aufmerksamkeit werth. Für jetzt möchte ich es vermeiden, Beziehungen meiner Be- funde zu den Resultaten der vielen und wichtigen, aber unter sich noch so sehr widersprechenden Arbeiten !) zu suchen, die in neuerer Zeit die Spermatogenese bei anderen Klassen, besonders bei Säuge- thieren, zum Gegenstand gehabt haben. Wer diese Arbeiten kennt, weiss zu beurtheilen, wie schwer in vielen Stücken solche Be- ziehungen noch zu finden sein würden. Je genauer die Sperma- togenese bei jeder einzelnen Thierart erforscht wird, desto eher 1) Ich darf auf den ausführlichen Bericht Waldeyer’s „Ueber Bau und Entwicklung der Samenfäden“ (Leipzig. Anatom. Congress 1887), im Anatom. Anzeiger 1888, Nr. 12, verweisen. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen ete. 93 werden wir zu einer Scheidung von Wesentlichem und Unwesent- lichem, und damit zu einem übersichtlichen Verständniss des Vor- ganges gelangen. Somit begnüge ich mich, die Kenntniss des- selben, wie er bei den Urodelen ist, hiermit um etwas weiter ge- bracht zu haben, und stelle die Ergebnisse, soweit sie Neues ent- halten, hier zum Schluss kurz zusammen. 1. Der Spermatosomenkopf bildet sich bei Salamandra, und überhaupt bei Urodelen, meinen früheren Angaben gemäss aus dem Spermatidenkern so, dass das gesammte Chromatin in den langen, stark tingiblen, spiessförmigen Kopf eingeht. Ob die nicht- chromatische Substanz des Kerngerüstes gleichfalls ganz, oder nur zum Theil (Hakenspitze des Kopfes) in den tingiblen Spiess auf- genommen wird, oder ob sie mit zur Bildung der achromatischen Kopfscheide verwendet wird, steht noch dahin. 2. Die Bildung des tingiblen Kopfspiesses geschieht unter allmählicher Verdichtung und Langstreckung des Kernfadenwerks, in der Art, wie ich es schon früher a. a. O. angab und wie es Fig. 8 hier zeigt (vergl. S. 79 und 81). 3. Wenn aber diese Jugendformen der Spermatosomen aus ihrer natürlichen Lage befreit werden, ziehen sie sich in ela- stischer Verkürzung in der Art zusammen, dass Formen wie Fig. 8 A entstehen. 4. Das eine Ende des Spermatidenkerns wird bei seiner Ver- längerung von Anfang an dicker, und ist zum hinteren (Schwanz-) Ende des Kopfes prädestinirt (Fig. 8 a—g.) 5. Die Anlage des am reifen Faden achromatischen Mittel- stückes ist anfangs in ziemlichem Grade chromatisch (Fig. 8a—d). Dies spricht für seine Entstehung aus dem Kern und zwar aus der Kernstructur!). Die Formen der Anlage des Mittelstückes zeigt Fig. 8 b—d. 6. Der Schwanzfaden ist bei seinem ersten Erscheinen durch das Centrum der Mittelstückanlage gegen die Kopfbasis hinein verfolgbar. Man kann für ihn also auch an diesem Object eine Entstehung aus dem Kern annehmen, wenn auch noch nicht er- weisen ?). 7. Die Spermatiden besitzen noch im Stadium ihrer Ver- 1) Vergl. die „Nachträgliche Bemerkung“ auf nächster Seite. 2) Ebenso. 94 W. Flemming: längerung ihre Nucleolen (Fig. 9), welche von der dann schon vorhandenen Anlage des Mittelstückes weit getrennt liegen können. Eine morphologische Betheiligung der Nucleolen bei der Bildung des Mittelstücks oder des Schwanzfadens ist also für dies Objeet nicht anzunehmen. 5. Die Spermatogenese schreitet in einem Hodenlappen von Salamandra von einem Ende zum anderen fort (Fig. 2 und andere, vergl. p. 77, 89—90). 9. Vor Beginn der Spermatogenese entsteht im Inhalt der Spermatocyste eine Lücke (Fig. 12), die an den Fuss der Cyste rückt; und die sich verlängernden Spermatidenkerne (resp. -Zellen) erhalten in Bezug auf diese Höhle eine Anordnung, wie sie durch die Figuren 13, 5a, 14, 15, 16 der Reihe nach demonstrirt wird (siehe p. 86--87). So kommt die spätere Parallelordnung der Köpfe in der Cyste zu Stande. Die Schwänze entstehen an der Canal- wandseite des Bündels. 10. In dem Raum der oben erwähnten Höhle, sowie später vor den Kopfspitzen und zwischen den Köpfen selbst, finden sich chromatophile Körnehen (s. p. 87). 11. Die Köpfe der ganz reifen Spermatosomen unterscheiden sich bei der angewandten Methode von den weniger reifen durch eine eigenthümliche Braunfärbung nach Safranintinetion. 12. Die Resultate v. Wiedersperg’s (im Eingang eitirt) über die Spermatogenese bei Triton beruhen meistens auf ganz richtiger Beobachtung, aber nicht riehtiger Deutung. Er hat blosse Artefacte für die Entwicklungsformen gehalten und die wahren Entwicklungsformen als Degenerationserscheinungen angesehen. Nachträgliche Bemerkung. Mit Bezug aufv. la Valette St. George’s Arbeit „Zelltheilung und Samenbildung bei Forficula auricularia“, Kölliker’sche Festschrift 1887, die mir erst nach Abschluss des Vorstehenden bekannt wurde, möchte ich noch anfügen, dass mit den Sätzen 5 und 6 vorige Seite eine mög- liche genetische Beziehung des Nebenkerns zu dem Mittel- stück und Schwanzfaden für mein Objeet nicht bestritten sein soll, aber hier sehr schwer zu verfolgen sein dürfte; bis jetzt ver- mag ich in den Spermatiden hier keinen Nebenkern zu sehen, er muss wohl sehr klein sein. Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen ete. 95 Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Die Abbildungen sind, mit Ausnahme von Fig. 1, 8A, 9 b-e, 10a, b, c und 11, nach Schnittpräparaten aus mit Chromosmiumessigsäure fixirten Hoden gezeichnet (Behandlung der Hoden nach der Härtung: Waschen, Al- koholnachhärtung, Alkohol-Aether 50:50 p. c., Celloidinlösung, Schnitt; Fär- bung mit Safranin + Anilinwasser)!) 1—2 Tage, Ausziehung mit leicht saurem Alkohol, reiner Alkohol, Auflegen auf Bergamottöl, Lösen des Celloidin mit Nelkenöl; Damar oder Canadabalsam. Näheres: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 29, p. 396. — Alle Figuren, mit Ausnahme von 10a und 11a, von Salamandra. Alle Abbildungen von stärkerer Vergrösserung sind mit Zeiss 1/jg hom. Immers. gezeichnet; die etwas ungleichen Grössen beziehen sich auf An- wendung verschiedener Oculare und Tubuslängen. Fig. 1. Skizze eines der Hodenlappen grössten Calibers vom September, frisch herausgenommen, etwa 4 Mal vergrössert, ohne körperliche Ausführung der Zeichnung, soll lediglich die natürlichen Färbungs- verhältnisse andeuten. gr graudurchscheinende Partie (noch ohne Spermatogenese), w weisse Partie (mit fast reifen bis reifen Fäden); bei b: Mischfarbe zwischen beiden, Auftreten der Sperma- togenese. Vergl. hiefür Fig. 2. w‘: der kleinere, hellweisse Anhangslappen, welcher nur mit ganz reifen Fäden gefüllt ist. Fig. 2. Schnitt längs durch einen Lappen (September) wie Fig. 1 (die Por- tion w‘ nicht mit dargestellt), Osmiumgemisch-Safranin wie oben angegeben. Die Stellen a, b, ce entsprechen den gleichbezeichneten in Fig. 1. Uebrigens vergl. Text, p. 77, 78—79; 86. Fig. 3. Ein Hodencanalquerschnitt (September) aus einer Gegend wie a in Fig. 2, noch ohne Spermatogenese. Acht Oystendurchschnitte (einige im grössten Durchschnitt, andere nur im Abschnitt und deshalb kleiner), die meisten mit kleinkernigen Zellen letzter Generation (Spermatiden), einige noch grosskernig, in einer Mitosen. Schwach vergr. Fig. 4. Querschnitt durch ein Canälchen (oben) und durch ein halbes darunter, von einer Stelle wie b in Fig. 2. Mittelstark vergr., nur die Kerne (bezw. Spermatosomenköpfe) sind angegeben, alle schematisch 1) Die kürzlich von Zwaardemaaker (Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie 1887) empfohlene Combination mit Anilinwasser finde ich sehr nützlich, be- sonders wenn man, was leider oft der Fall ist, kein ganz verlässliches Safranin bekommt. Ich färbe jedoch länger, als Zwaardemaäker, wenn ich sicher sein will, dass die Kerntinction gut halten soll. — Die Gram’sche Methode, die ich viel gebraucht habe, leistet an Osmiumgemischpräparaten das Gleiche, 96 Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. W. Flemming: grau-homogen gezeichnet (bei stärkerer Vergrösserung zeigen sie sich wie Fig. 9a und Fig. 8 a—e). Zeigt das Längenwachsthum der Spermatidenkerne. Noch rund- kernige Cysten a untermischt mit solchen, deren Kerne sich ver- längern (b, c), oder schon die definitive Länge der Köpfe haben (d, e). Bei ce und e in der Mitte des oberen Canaldurchschnittes: 2 Cysten, die von der oberen oder unteren Wand abgeschnitten sind. — Vergl. übrigens Fig. 8. — In mehreren noch rundkernigen Cysten: Höhlen, wie in Fig. 12 u. 13. In den Cysten ce: ein Theil der Köpfe im Quer- oder Schrägschnitt. Schnitt durch eine Cyste mit jungen Spermatosomen wie Fig. 8 c, mit eben begonnener Schwanzbildung nach der Wand zu. Daneben die Hälfte einer reiferen Cyste. Eine Cyste mit etwas jüngeren Formen als Fig.5 a, von der Wand- seite her gesehen. In der Höhle: fädige Gerinnsel und chromato- phile Körner. Skizze eines Üystenlängsschnittes, in dem die Köpfe schon die de- finitive Länge und die Beschaffenheit von Fig. $e haben, mit etwas geknickter Anordnung: wie mehrere Cysten in Fig. 4. Unten: Canalwand. Von a bis f: Reihenfolge der Entwicklungsformen der. Spermato- somen. Das Verhalten der Zellsubstanz ist von ce an nicht mehr deutlich zu controliren, deshalb von dieser nichts angegeben. g reifer Samenfaden. In f‘ und g nur Vorder- und Hinterende des Kopfes gezeichnet, vom Schwanz nur ein Stück. a’—d’ vergrösserte Darstellungen der Mittelstückgegenden, von denen die Pfeile her zeigen. Uebrigens siehe p. 81—86. 8A. Formen wie Fig. 8, in gleiche Ordnung gestellt (die grie- chischen Lettern entsprechen den lateinischen dort), an Zupfpräpa- raten befreit und zusammengeschnurrt; vergl. p. 73, und 78—80. 8B. Aus dem Querschnitt eines Bündels von jungen Köpfen, wie in Fig. 8, daneben abgebrochenes Hinterende eines Kopfes in Längslage. Zeigen das Verhalten der Kopfscheide (innerer Ring am Querschnitt) und der Zellsubstanz (Mosaik in demselben). a: Spermatide, Chromosmiumessigsäure, Safranin: Kernstructur. b: ebensolche Spermatide, blosse Osmiumsäurewirkung: Nucleolen. d, c: Spermatidenkerne in erster Verlängerung, gleich Fig. 8a, Os- miumsäure: Nucleolen; am breiten Ende Mittelstückanlage. e: ein solcher Kern im opt. Querschnitt. f: Form zwischen b und c der Fig. 8, Osmiumsäure: Nucleolus, und Mittelstückanlage mit Schwanz- faden, vergl. p. 85—84. Fig. 10a. Copirt nach v. Wiedersperg, a. a. O. Fig. 3, Taf. XII (Triton, Alkohol-Hämatoxylin.. — Fig. 10 b: aus einem eigenen Alkohol- Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen etc. 97 Alaun-Carminpräparat von Salamandra. Fig. 10 c: aus einem Prä- parat v. Wiedersperg’s wie 10 a. Veränderungsproducte reifer oder fast reifer Spermatosomen, welche durch Alkoholwirkung ent- stehen (siehe p. 90). In 10.b rechts ein nicht entstellter Kopf wie in Fig. 8AZ; in Fig. 10 ce unten ein nicht veränderter reifer Faden. Fig. 11. a: Alkoholveränderung eines ruhenden Spermatocytenkerns, Triton, aus einem Präparat v. Wiedersperg’s wie Fig. 10a. — b: Natür- lich erhaltener Spermatocytenkern, Alkohol- Hämatoxylin. Vergl. p. 22. Fig. 12—16. Reihenfolge der Spermatocystenentwicklung, Salamandra. Zwi- schen Fig. 13 und 14 ist Fig. 5 a eingeschoben zu denken. Vergl. p. 86—87. Kiel, October 1887, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 7 98 Dr. Bernhard Rawitz: Notiz über die grüne Drüse des Flusskrebses. Von Dr. Bernhard Rawitz in Berlin. Professor Grobben hat im 2. Heft des XXX. Bandes dieses Archivs über meine kurz vorher unter dem Titel „über die grüne Drüse des Flusskrebses“ in derselben Zeitschrift erschienene Arbeit einige kritische Bemerkungen veröffentlicht, die mich in Hinsicht auf vier Punkte zu einer kurzen Erwiderung veranlassen. 1. Ich habe angegeben, dass die Färbung der gelbbraunen Substanz herrührt von den gelben Kernen der Zellen derselben. Wenn Herr Grobben dagegen bemerkt, dass er gelbgefärbte Kerne niemals gesehen hat, so will ich das nicht bezweifeln. Durch seinen negativen Befund ist aber meine positive Angabe in keiner Weise widerlegt. Ich habe schon in der Arbeit her- vorgehoben und will dies hier nochmals thun, dass diese Gelb- färbung des gesammten Kernes nur an sehr frischen Objekten zu sehen ist, dass sie unter dem Einfluss der zur Untersuchung ver- wendeten Reagentien sehr schnell sich verändert und dass dann der Kern farblos, mit eingelagerten Pigmenttropfen erscheint (l. ce. Taf. XXVIU Fig. 18 ec. d). Niemals habe ich unter den gehöri- gen Kautelen andere Verhältnisse getroffen. 2. Herr Grobben hebt sodann hervor (p. 325), dass er nicht den von mir citirten Ausdruck „Protoplasmakörperchen“, sondern „Protoplasmakörnchen“ gebraucht habe. Ich gebe den Irrthum, der auf einem Schreibfehler beruht, gern zu, glaube übrigens, dass er den Sinn der Grobben’schen Ansicht durchaus nicht verändert hat. 3. Herr Grobben verwahrt sich dagegen, dass ich seinen Angaben eine Deutung „unterschiebe‘“, welche in denselben nicht zu finden ist, und zwar meint er, ich hätte aus seiner Arbeit herausgelesen, dass er die „strangförmige Anordnung des Proto- plasma“ als Artefact betrachte. Das ist mit Nichten so; vielmehr ist es Herrn Grobben passirt, meinen Ausführungen eine ihnen Notiz über die grüne Drüse des Flusskrebses. 99 fremde Deutung gegeben zu haben. Ich sage ausdrücklich (l. e. p. 492), dass ich den strangartigen Zerfall der Epithelien der grünen Substanz darum nicht als Artefact betrachte, weil er eben nur an den Zellen dieses Drüsentheiles vorkommt, nicht aber auch an den Zellen der weissen und gelbbraunen Substanz. In letzte- rem Falle würde ich nicht anstehen, denselben als Kunstproduet zu bezeichnen. Dies führe ich dann weiter aus. Herrn Grobben’s Ansicht aber über die fragliche Erscheinung erwähne ich gar nicht, oder doch nur en passant, sondern kritisire nur seine — ich will dieses Mal sagen — mir sehr schwer verständliche Meinung von der mechanischen Ursache derselben. 4. Endlich meint Herr Grobben, es habe sich „herausge- stellt‘, dass die Resultate meiner Arbeit sämmtlich unrichtig seien. Wenn ich nur wüsste, wo und wodurch sich dieses Faktum „her- ausgestellt“ haben soll. Darin, dass Herr Grobben seine alten Ansichten, gestützt auf „neue Controluntersuchungen“, die übrigens bei der Kürze der zwischen dem Erscheinen meiner Arbeit und dem der Grobben’schen Kritik verflossenen Zeit sehr schnell angestellt sein müssen, einfach wiederholt und sie meinen Resul- taten gegenüberstellt, kann doch im Ernst der Beweis nicht liegen. Wenn dadurch etwas bewiesen werden kann, so ist es doch nur das, dass sich die Ansichten unvermittelt gegenüber stehen. Und dieses unvermittelte Gegenüberstehen will ich noch dadurch ver- mehren, dass ich, gestützt auf meine alten Untersuchungen, die Grobben’schen Angaben überall, wo sie den meinigen wider- sprechen, für unrichtig erkläre. 100 Dr. P. Schiefferdecker: Nachtrag zu meiner Arbeit über den Bau der Nervenfasern'). Von Dr. P. Schiefferdecker. In meiner Arbeit „Beiträge zur Kenntniss des Baus der Nerven- fasern“ (dieses Archiv, dieser Band p. 435 u. folg.) habe ich, wor- auf ich gleich nach dem Erscheinen der Arbeit aufmerksam ge- macht wurde, eine Mittheilung nieht erwähnt, welche hätte erwähnt werden müssen. Ich habe dieselbe bei der Literaturdurchsicht übersehen, wofür ich um Entschuldigung bitte. F. Tourneux und R. Le Goff haben schon 1875 gefunden, dass sich am Rücken- marke des Ochsen nach Behandlung mit Arg. nitr. 1: 1000 dieselben Silberquerstreifen resp. Kreuze zeigen, wie an den peripheren Nerven. Sie sagen am Schlusse: „Il est assez diffieile de se rendre compte de la nature de ces @tranglements, autrement que par l’existence d’un disque qui interrompait la myeline de place en place et qui serait d’une sub- stance jouissant de la propriete de deecomposer le nitrate d’argent. Du reste, le preeipit@ qui existe au niveau des &tranglements ne persiste pas toujours sur les pr¶tions comme celui qui se produit entre les cellules &pitheliales des sereuses par exemple; c'est ainsi que sur des tubes nerveux periphdriques nous avons pu voir la coloration noirätre de l’etranglement disparäitre peu a peu, et ne laisser qw’un disque röfringent de m&me forme que celui dü au d&pöt m£tallique et independant de la gaine de Schwann. Nous devons ajouter que le proc&de que nous avons employ& ne nous a pas montr&e dans les tubes nerveux centraux, l’existence 1) Dieses Archiv, Bd. XXX, p. 435. 2) F. Tourneux und A. R. Le Go ff, Note sur les &tranglements des tubes nerveux de la mo&lle &piniere. Robin, Journ. de l’anat. etc. p. 403— 404, 1875. Nachtrag zu meiner Arbeit über den Bau der Nervenfasern. 101 de la gaine de Schwann si visible dans les tubes nerveux peri- pheriques.“ Die eben mitgetheilten Resultate stimmen mit den von mir publieirten sehr gut. Leider scheinen die Verfasser ihre Absicht, die betreffenden Uutersuchungen weiter fortzusetzen, nicht ausge- führt zu haben und es ist bei jener kurzen Mittheilung geblieben. Inzwischen habe ich dann noch Gelegenheit gehabt Nerven von frischen Neunaugen zu untersuchen. Die Thiere gelangten allerdings nicht mehr lebend, aber doch so kurze Zeit nach ihrem Ableben in meine Hände, dass man wohl die Nerven als gut er- halten ansehen konnte. Ich habe die letzteren sowohl frisch in Kochsalzlösung, wie nach Behandlung mit Ammon. biehrom. 1: 1000 untersucht, bin indessen in Bezug auf die Fibrillen zu demselben negativen Resultate gelangt, wie bei meinen früheren Untersuchun- gen, und doch kann man sich günstigere Objecte als die dieken Axencylinder der Müller’schen Fasern kaum denken. Die Axen- eylinder zeigten stets sehr deutlich jenen schon beschriebenen Körnchenzug in der Mitte gegenüber einer mehr homogenen Rand- partie. Bei Querschnitten von Präparaten aus Müller’scher Flüssig- keit erschienen dieselben als ein stark körniger, dunklerer, cen- traler kreisförmiger Theil und ein hellerer, mehr homogener, jenen umgebender Ring, beide ziemlich scharf gegeneinander abgesetzt, ganz entsprechend den Bildern, die ich auch vom Stör-Rücken- marke schon beschrieb. Ich bin dadurch noch mehr der Ansicht geworden, dass die Mauthner’sche Scheide auf diese Differen- zirung des Axencylinders zu beziehen ist. Bei quer zerrissenen Fasern aus Ammon. bichr. 1:1000 zeigte sich das Ende oft etwas kegelförmig, derart, dass der mittlere körnige Theil der Faser ziemlich genau quer abgerissen etwas aus der übrigen Faser her- vorragte, von ihm aus fiel dann der homogene Theil kegelförmig nach aussen ab. Ich habe solche Bilder schon bei meinen früheren Untersuchungen mehrfach gesehen auch bei höheren Thieren, z. B. bei Fasern aus einem mittels Methylmixtur macerirten Rückenmarke vom Kalbe. Es macht diese Erscheinung den Eindruck, als wenn die Mitte der Faser wieder zäher wäre als die Randpartie. Bei den feineren Fasern des Neunauges tritt übrigens die homogene Randpartie mehr und mehr zurück gegenüber der mittleren körn- ehenführenden. Es macht dieser Umstand es wahrscheinlich, dass die Körnchenzone das wesentlichste, die Randpartie eine Um- 102 Dr. P.Schiefferdecker: Nachtrag zu meiner Arbeit über den Bau etc. hüllung jener darstellt, und es wäre ja möglich, dass bei den feineren Nerven der höheren Thiere diese homogene Umhüllungs- sehieht recht dünn geworden wäre, wodurch dann ein deutliches Wahrnehmen einer Mauthner’schen Scheide auf dem Quer- schnitte unmöglich würde. Bei der kurzen Zeit, die mir für diese letzten Untersuchungen zu Gebote stand, habe ich in Bezug hierauf keine weiteren Nachforschungen anstellen können und auch die Litteratur nicht mehr berücksichtigen können. In Bezug auf die Axencylinderrinde verhielten sich die Fa- sern des Neunauges ganz so wie die der anderen von mir unter- suchten Thiere. Dieselbe war als eine sehr feine Umgrenzung sichtbar, die sich niemals von der Oberfläche der Faser abhob. Bei Behandlung mit Essigsäure trat bei dem Neunauge nicht jene stürmische Entwickelung von Vacuolen auf, wie ich sie bei den Axeneylindern des Frosches fand. Die Substanz des Axeneylinders wurde einfach sehr hell, auch die Axencylinderrinde, die indessen nun ebenso wie beim Frosche deutlicher hervortrat, wenn auch nicht so scharf wie bei diesem Thiere. Es scheint danach also, als wenn in Bezug auf die chemische Beschaffenheit des Axen- eylinders bedeutendere Unterschiede zwischen Neunauge und Frosch vorhanden wären. Doch auch diesen Punkt, über den Näheres zu wissen von grosser Wichtigkeit wäre, habe ich zunächst nicht weiter verfolgen können. Dr. D. Biondi: Neue Methode d. mikroskopischen Untersuchung d. Blutes. 103 (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. (Nach einer Mittheilnng in der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau. Sitzung vom 15. Juli 1887.) Von Dr. D. Biondi, Assistenten am physiologischen Institut zu Breslau. Bisher verfügte man über zwei Methoden für die Unter- suchung der morphologischen Bestandtheile des Blutes oder, besser gesagt, der organischen Flüssigkeiten, sowohl unter normalen, wie pathologischen Bedingungen. Die eine ist die Methode der frischen, die andere die der trocknen Präparate. Mit jener ist es nicht möglich, ein gutes Demonstrationspräparat aufzubewahren, mit dieser kann man die histologischen Bestandtheile nicht intakt erhalten. In Kammerwasser, Plasma und anderen indifferenten Flüssig- keiten verändern sich einige frische Elemente in Folge der relativ schnellen Eintroeknung in kurzer Zeit. Andere sind unsichtbar, weil ihr Brechungsvermögen dem der suspendirenden Flüssigkeit gleich ist. Frische gute Färbepräparate gelingen gleichfalls nicht, besonders wenn man mit verschiedenen mikrochemischen Reactionen eine Sonderung unter den Bestandtheilen des Blutes, sowie unter den Theilen eines jeden dieser Bestandtheile erzielen will. Mit der Austrocknung sowohl an der freien Luft, wie über der Lampe (Koch), wie auch auf einem erwärmten Stück Eisenblech (Ehr- lich) werden, um nur von dem Blute zu sprechen, nicht allein die Blutplättehen und Leueocyten, sondern auch die rothen Blut- körperchen verändert. Ja man geräth sogar in Folge der vielen Eiweissniederschläge häufig in grosse Verlegenheit bezüglich der Deutung und Unterscheidung des Normalen und dessen was Kunst- produkt ist. Am Ende des vergangenen Jahres wurde ich bei Gelegenheit 104 Dr. D. Biondi: von Untersuchungen, welehe ihrer Zeit veröffentlicht werden sollen, auf das Studium einiger thierischer Flüssigkeiten geführt. Schon im Anfange meiner Arbeit sah ich in Folge des geringen Zu- trauens zu den angegebenen Methoden davon ab, mich mit ihnen ausschliesslich zu befassen. Es erschien mir dringend nothwendig, eine Methode aufzu- finden, die mir gestattete, die Flüssigkeiten auf das Genaueste zu studiren, analog derjenigen, welche man gemeinhin für die Unter- suchung der Gewebe anwendet. Mit anderen Worten, ich ging darauf aus, das Blut wie ein festes Gewebe zu behandeln und von demselben Schnitte herzustellen. Als Material für die Untersuchung wählte ich das Blut von Amphibien und Säugetbieren, und suchte für dasselbe ein Rin- schlussmittel irgend welcher Art ausfindig zu machen. Paraffın (Bütsehli), Celloidin (Schiefferdecker)), Paraffin + Celloidin (Kultscehitzky), Oel + Wachs (Stricker), Seife (Flemming) ete. führten zu keinem Ergebnisse, hauptsächlich weil der Wassergehalt des Blutes jede Mischung mit den genannten Substanzen verhindert. Mit dem von Bunge modifieirten Eiweiss, dem Gelatingummi von Klebs, dem Glyceringummi von R. Hertwig, der Glyceringela- tine von Kayser glückte es mir unter gewissen Bedingungen eine Mischung herzustellen, aber die Blutkörperchen zeigten sich hier- bei total verändert. Daher kam es wesentlich darauf an, zunächst die anatomi- sehen Constituentien des Blutes zu fixiren, und dann erst zu der Einschliessung und Härtung überzugehen. Der Versuch einer Fixation mit der Müller’schen Flüssigkeit und mit der ganzen langen Reihe von Lösungen doppeltchrom- saurer Salze hatte kein Resultat, weil das freie Eiweiss des Plasmas hierbei niedergeschlagen wird. Ebenso erging es mit der Flüssigkeit von Kleinenberg, wie der von Flemming, mit Sublimat, Alkohol, Pikrinsäure und Goldpräparaten. ÖOsmiumsäure allein giebt, wenn sie in stärkerer Concentration (2%,) und kurze Zeit hindurch einwirkt (1-24 Std.), vorzügliche Fixation, obne sonstige Nachtheile. Suspendirt man nämlich einen Tropfen Blutes in 5 cem einer Osmiumsäurelösung, so erscheint die Lösung im Reagensglas voll- kommen klar. Die Beobachtung eines Tröpfchens einer derartigen Mischung in frischen Präparaten unter dem Mikroskop zeigt die Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. 105 rothen und weissen Blutkörperchen in ihrer Form erhalten, genau so, wie man sie im eireulirenden Blute sieht. Der einzige Unter- schied nur ist der, dass die ersteren nach einer längeren Einwir- kung der Osmiumsäure ein wenig blasser als gewöhnlich erscheinen, während bei den letzteren Protoplasma und Kern alle Feinheiten der Struetur erkennen lassen. Die Blutplättchen im Säugethier- blute sind isolirt und gut sichtbar, wie bei keinem anderen Fixa- tionsmittel. Das Protoplasma der rothen Blutkörperchen der Am- phibien (Salamandra, Triton, Axolotl, Frosch) erscheint von leicht brauner Färbung und zeigt in ausgezeichneter Weise die fein gra- nuläre Structur. In dem Kern kann man das Fadennetz, die lacu- nären Räume und Körnungen gut erkennen, so wie man sie in jeder gut conservirten Zelle zu beobachten pflest. Nachdem auf solche Weise die Fixation der körperlichen Be- standtheile des Blutes erreicht war, ging ich zu der Einbettung über. Am nächsten lag die Verwendung des Celloidins, aber aus dem oben erwähnten Grunde erwies es sich auch nach jener be- sonderen vorbereitenden Behandlung als ungeeignet. Mit den mannigfaltigsten Präparaten von Gelatine, welche in verschiedenen Verhältnissen mit Glycerin oder Gummi gemischt wurden, erhielt ich eine auf den ersten Blick viel versprechende Mischung. Gleich- wohl liess die ausserordentlich weitgehende Schrumpfung der Masse während der nachfolgenden Behandlung mit Alkohol und mehr noch die Leichtigkeit, mit der der einzelne Schnitt quoll und dann sich in der Färbeflüssigkeit auflöste, auch dieses Mittel durchaus ungeeignet erscheinen. Zweckmässiger wurde eine Mi- schung in einem gewissen Verhältnisse von Lanolin mit Gelatine gefunden. Unschwere Härtung in Alkohol, ausserordentliche Leich- tigkeit die Masse in feinste Schnitte zu zerlegen, Durchsichtigkeit, Fehlen jeglicher Schrumpfung, Unlöslichkeit in allen üblichen Re- agentien waren die Vortheile dieses Gemisches, die aber leider gegen einen im Augenblicke der Färbung eintretenden Uebelstand zurücktreten mussten: die Masse nämlich fixirt ausserordentlich stark den Farbstoff und giebt sehr schwer bei weiterer Behand- lung denselben ab. Allen Anforderungen entsprechend dagegen und frei von Missständen erwies sich mir die Einbettung in Agar- Agar, einer Art pflanzlicher Gallerte, aus Gracilaria lichenoi- des und Gigartina speciosa, die schon längst von Koch mit Erfolg für bacteriologische Untersuchungen verwendet ist. Um nun 106 Dr. D. Biondi: mit dieser Substanz einen Blutschnitt anzufertigen, wählt man Blut vom Frosch, als einem leieht zur Verfügung stehenden Versuchs- thiere, und verfährt folgendermaassen: Mit einer sorgfältigst gereinigten Pipette, die keine allzu kleine Oeffnung hat, entnimmt man aus dem Herzen des Frosches eine geringe Menge Blutes und lässt es unmittelbar darauf in die Osmiumlösung einfliessen. Noch einfacher und weniger zeitraubend würde es sein, das Blut direkt nach der Enthauptung des Thieres aus der Wunde eintropfen zu lassen; aber in diesem Falle wäre es nöthig, eine Reinigung der Haut mit Aether und Alkohol voran- zuschicken, um eine Veränderung der rothen Blutkörperchen bei dem Contact mit den sauren Seeretionsstoffen der Hautdrüsen zu vermeiden. Bei diesem Process hat man aber nicht zu ver- gessen, dass sich später leicht in der Einbettungsmasse der Agar ausser den Bestandtheilen des Blutes auch andere Gebilde finden können, wie z. B. Speisereste, Epithelien der Luftröhre, des Oeso- phagus und so weiter. Vielleicht ist es zur Vermeidung dieses Uebelstandes aus- reichend, wenn man die ersten Blutstropfen verloren gehen lässt und sich lediglich an die grossen Halsgefässe hält. So erreichen wir den Vortheil, dass das Blut möglichst rasch von den Gefässen in die fixirende Flüssigkeit einfliesst. In der letztgenannten Weise lasse ich nun nieht mehr als zwei Tropfen Blutes in 5 ccm Osmiumsäurelösung (2°/,) fallen. Eine grössere oder geringere Menge hat sich als unvortheilhaft er- wiesen, namentlich im Hinblick auf die Verdünnung, welche das Blut später erleiden soll. Ebenso ist es von Nutzen, vor dem Gebrauch der Osmium- lösung, um Staubkörnehen oder andere Verunreinigungen der un- gelösten Säure abzuscheiden, die Lösung zu filtriren und das Fil- trat dann in kleinen Gefässen von 20 cem Rauminhalt aus dunklem Glase unter einem Glaspfropfenverschluss aufzubewahren. Diese und andere Vorsichtsmaassregeln sind unerlässlich, damit alle fremden Beimengungen sicher ausgeschlossen werden können. Wie oben bereits erwähnt ist, wird man eine Osmiumlösung von 2°/, vorziehen. Eine mehr verdünnte scheint den Erfolg zu gefährden. Wenn man nämlich drei Portien desselben Blutes in drei verschieden starke Lösungen von Osmiumsäure bringt (2%/,, 1%, 1/a%,), so zeigen sich nach einer bestimmten Zeit bei der letzteren die erheblichsten Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. 107 Veränderungen in Form und Umfang der einzelnen histologischen Bestandtheile des Blutes. Weniger bemerkbar sind die Aenderungen in der Lösung von 1°/, während ganz unbeeinflusst die Körper- chen in der 2°, Osmiumlösung sich darbieten. Gleichwohl ist auch bei letzterer eine länger als 24 Stunden dauernde Einwirkung zu vermeiden. Bei einer solchen nämlich findet eine vollkommene Aenderung in der Configuration und dem Volumen einzelner Kör- perchen statt, eine Verschiebung des Kerns vom Centrum der Zelle bis zum Herausfallen aus dieser, eine Faltung und Formän- derung des Protoplasmas in mannigfaltigster Art. Bemerkenswerth ist jedoch, dass auch nach 6—8 tägiger Einwirkung einer solchen Lösung nur wenige Körperchen derartige Veränderungen dar- bieten; die meisten erscheinen vielmehr so wie während der ersten 24 Stunden, nur zeigen sie sich ein wenig dunkel und lassen eine helle Demarkationslinie zwischen Kern und Protoplasma erkennen. Natürlich werden die Präparate dieses Blutes, wenn die Os- miumsäure länger aufsie gewirkt hat, späterhin auch wiel schwerer färbbar sein, so dass man auch aus diesem Grunde eine längere Dauer der Fixation vermeiden muss. Wenn nun das Blut in die Osmiumlösung eingeflossen ist, so muss man dasselbe durch einige zweckmässige Bewegungen des Glases in Berührung mit der ganzen Lösung zu bringen suchen. Je schneller dies geschieht, um so leichter zerstreuen sich die ein- zelnen Elemente des Blutes und vor allem die Blutplättchen, deren grosse Neigung zur Verklebung untereinander unmittelbar nach ihrem Austritt aus dem lebenden Blutgefässe bekannt ist. Man stellt dann das Glasgefäss in ein Gestell, worauf die körperlichen Bestandtheile des Blutes gemäss ihres verschiedenen specifischen Gewichts zu Boden sinken. Hierbei setzen sich zu- nächst die rothen Blutkörperchen ab und auf sie lagern sich später die weissen und die Blutplättchen. Diese freiwillig eintretende Schichtung ist von grossem Vortheil, da sie die fast gesonderte Präparation der einzelnen Zellenarten ermöglicht. Nimmt man mit der Pipette die am meisten oberflächlich gelegene Schicht, so erhält man fast ausschliesslich weisse Blutkörperchen mit vielen typischen Exemplaren von Blutplättchen, sofern es sich um Säuge- thierblut handelt). 1) Die eigenthümlichen kernhaltigen spindel- und keulenförmigen farb- 108 Dr. D. Biondi: Nach Ablauf der für die Fixation nöthigen Zeit nimmt man, nachdem die vorsichtigen Bewegungen des Glasgefässes wiederholt wurden, mittelst einer Pipette mit breiter Oeffnung 4—5 Tropfen der Mischung von Blut und Osmiumsäure heraus und lässt sie in Agar, welches man vorher gelöst und bei einer Temperatur von 350—37° flüssig erhalten hat, hineinfallen. In dieser Mischung werden sodann die Blutkörperchen durch kreisförmige Bewegungen des Reagensglases um seine Axe gut vertheilt, worauf das Ganze in Papierkästen gegossen wird, wie sie bei Paraffineinbettung üb- lich sind. Nachdem die Erstarrung der Masse eingetreten ist — und dies ist nach wenigen Minuten der Fall — so befreit man dieselbe von der Papierhülle und bringt sie entweder als Ganzes oder, nachdem sie in kleine Stücke zerlegt ist, zur Härtung in 85° Alkohol. So behandelt nimmt die Masse schon nach wenigen Tagen eine Consistenz an, welche derjenigen der amyloiden Leber gleich ist und sie befähigt, nach dem Einschluss in Hollundermark sich in feine Schnitte mit dem Mikrotom zerlegen zu lassen. Um noch feinere Schnitte zu erhalten, wie wir sie bei der Paraffinsubstanz gewöhnt sind, kann man die Agareinbettung mit Paraffin combiniren und zwar in folgender Weise: Nachdem das Stück des Agar mit dem Blut vollkommen gehärtet ist, bleibt es einen Tag in Bergamottöl und kommt von diesem direckt in Pa- raffin, welches im Wärmekasten bei einer Temperatur von 45 flüssig erhalten wird. Hier verbleibt das Präparat 1—2 Stunden, worauf man es wie gewöhnlich in Papierkästen in Wasser er- härten lässt. Da das Agar ganz vom Paraffin durchtränkt ist, so lassen sich mit dem Mikrotom die feinsten Schnitte herstellen; man befreit dieselben vom Paraffin mit den üblichen Lösungsmitteln und kann nun den Schnitt der Färbung unterziehen. Einige Auf- merksamkeit erfordert die vorangehende Bereitung der Einbettungs- masse des Agar. Im Laufe dieser Untersuchung habe ich ver- schiedene Sorten von Agar angewendet und dabei als die beste die pulverisirte und mehr noch die sogenannte Säulen-Agar be- funden. Die grösste Sorgfalt erheischt aber die Herstellung einer losen Zellen, welche von Bizzozero, Hayem und Eberth (Kölliker’s Fest- schrift. Leipzig 1887) für die Analoga der Säugethier-Blutplättchen bei den Amphibien gehalten werden, sind mit diesem Reagens auch gut conservirt zu sehen. Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. 109 vollkommen klaren Agarlösung. Zu diesem Zwecke lässt man 2 Th. Agar in 100 Th. destillirtem Wasser aufquellen und bei Zimmer- temperatur 24 St. hindurch erweichen; sodann erwärmt man die Mischung und lässt sie auf dem Sandbade aufkochen, bis sich das ganze Agar gelöst hat. Man verhindert die Verdunstung des Wassers, indem man den Kolben durch einen Kork mit langer Glasröhre verschliesst. Zum Schlusse versetzt man mit kohlen- saurem Natrium bis zur schwachen alkalischen Reaction und kocht eine Stunde im Dampfstrome. Nachher wird die Agarlösung, wie A. Fränkel räth, in lange und schmale Glascylinder eingegossen, in welchen sie 12—24 St. bei einer Temperatur von eirca 500-609 verweilt. Hierbei trennt sich die Agarlösung in zwei Schichten, von denen nur die obere ziemlich klare ausschliesslich als Ein- bettungsmittel benutzt wird. Für unseren Zweck ist diese Lösung aber noch nicht vollkommen brauchbar. Vielmehr muss man sie erst noch mehr zu klären suchen, indem man sie bei einer Tem- peratur von circa 40° ansetzt, das Weisse eines Eies hinzufügt, mehrfach im Laufe von 10 Min. umschüttelt, von neuem während einer Stunde im Dampfstrome aufkochen lässt und filtrir. Man prüft jetzt noch einmal die Reaction, setzt von neuem, wenn nöthig, kohlensaures Natrium bis zur Neutralisation hinzu und er- reicht in der That so eine vollkommen klare und für histologische Zwecke geeignete Masse. Die genaue Neutralisation ist mit Rücksicht auf die später anzuwendende Färbeflüssigkeit durchweg unerlässlich. Ebenso ist es nothwendig, dass die Masse bis zu dem Augen- blicke ihrer Anwendung steril bleibt, da sich sonst in derselben eine grosse Menge mannigfaltiger Mikroorganismen entwickeln können, welche späterhin Ueberraschungen zu bereiten im Stande sind, zumal wenn es sich darum handelt, den körnigen Inhalt einer Flüssigkeit zu studiren. Wenn auch eine einfache Agar- lösung, ohne Fleisehbouillon, einen sehr armen und für die Ent- wicklung der Mikroorganismen ungeeigneten Nährboden darstellt, so habe ich dennoch im weiteren Verlaufe der Beobachtung relativ häufig in derselben eine grosse Zahl von Coccen und Hefepilzen wachsen sehen. Um diesen Uebelstand zu vermeiden ist es ge- boten, die Agarlösung in Reagensgläsern aufzubewahren, die vor- her durch Auswaschen mit Salzsäure und nachfolgender Abspülung mit destillirtem Wasser von allen Verunreinigungen befreit worden sind. In diese Gläser bringt man von der Agarmasse je eine 110 Dr. D. Biondi: Dosis, wie sie für die einzelnen Blutprüfungen erforderlich ist, d. h. 5 cem, verschliesst das Gefäss mit Watte und sterilisirt sodann während drei Tage Y, Stunde täglich im Dampfapparat!). Die ganze Dauer der Präparation mit diesem Einschluss- mittel bis zu dem Momente, in welchem das Blut schnittfähig ge- worden ist, beträgt nicht mehr als 3—6 Tage. Wie man oben sah, reichen wenige Stunden für die Fissation in Osmiumsäure hin, während der Rest der Zeit für die Härtung in Alkohol noth- wendig ist. Man erzielt die letztere am besten, wenn man kleine Agarstücke in eine reichliche Menge 85° Alkohols bringt und diesen in den darauffolgenden 3—4 Tagen einmal täglich wechselt. Zwar würde man den nämlichen Zweck viel schneller erreichen können, wenn man absoluten Alkohol verwenden wollte, aber eine beschleunigte Härtung ist, wie ich mich überzeugen konnte, nicht von Vortheil, weil sie eine Schrumpfung der peripheren Schichten des Agar veranlasst, und somit die Einwirkung auf die central gelegenen Theile erschwert. Ausserdem scheint es auch, dass der absolute Alkohol dem Agar einen leichten Grad von Brüchigkeit verleiht, dem man übrigens dadurch begegnen kann, dass man dem Agar 3°), Gelatine zusetzt. Will man eine Einbettungs- masse mit dieser Modification herstellen, so muss man die Gelatine nach der vollkommenen Lösung dem Agar hinzufügen, um die spätere Erstarrung des Gemisches nicht zu erschweren, da be- kanntlich der letztere Uebelstand durch langes Kochen der Gela- tine sich einstellt. Der Blutschnitt kann nun die verschiedenen alkoholischen wässerigen Färbeflüssigkeiten passiren, von da in alle Entfärbungsmittel gebracht werden (Wasser, Alkohol, Glycerin, Essigsäure), sodann die erforderliche Entwässerung, Aufhellung durchmachen, ohne irgend welche Veränderung zu erleiden. Unter den Mitteln, welche man gewöhnlich für die Aufhellung der Schnitte anwendet, ist ausschliesslich das Xylol von schäd- lichem Einflusse auf den Agarschnitt, indem es bewirkt, dass derselbe sich zusammenrollt. Eine solche üble Einwirkung geht 1) Da die praktische Anwendung dieser Methode auf Schwierigkeiten stösst, welche in der langwierigen Präparation des Agar begründet sind, so habe ich mich an Herrn König in Berlin (Dorotheenstrasse 29) gewendet, der sich auch bereit erklärte, die Agarmasse vorräthig zu halten und Jedem, welcher sich hierfür interessirt, auf Wunsch von derselben abzulassen. Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung des Blutes. en vollständig dem Nelkenöl, dem Origanumöl, dem Bergambottöl, Creosot etc. ab. Die Entfärbung mit Jod oder mit Anilinöl, welche letzthin von Weigert für die Erkennung des Fibrins in Geweben empfohlen worden ist, findet auch eine praktische Anwendung bei der Ein- bettung mit Agar. Wenn man genau die Zeit der Einwirkung innehält und die erforderlichen Vorsichtsmaassregeln zur Anwendung bringt, so kann man für die Färbung der Schnitte fast alle Färbemittel mit Erfolg gebrauchen. Die sichersten Resultate ergaben Methylgrün, Me- thylenblau, Fuchsin, Safranin ete. Indem man zunächst Methylen- blau und dann Eosin oder Eosin und dann Methylgrün wirken lässt, erhält man deutliche Farbencontraste nicht nur zwischen den weissen und rothen Blutkörperchen, sondern auch zwischen Pro- toplasma und Kern ein und desselben rothen Blutkörperchens. Auch bei gleichzeitiger Anwendung mehrerer Färbesubstanzen (wie z. B. Gemische von Aurantia, Eosin und Indulin in Glycerin), sieht man Doppelfärbungen auftreten. Ebenso kann man Hämato- xylin mit Erfolg benutzen, indem man den Schnitt zunächst für 5 Mi- nuten in eine 0,5%, Hämatoxylin- und dann in eine wässerige Alaun- lösung (1:300) bringt. Hierbei färbt sich der Kern der rothen und weissen Blutkörperchen blau, während das Protoplasma unge- färbt bleibt. Die anderen Präparate des Hämatoxylins, wie die von Böhmer, Grenacher und Renaut (Eosinhämatoxylin) leisten die gleichen Dienste. Das Agar fixirt nur die intensiven Anilinfärbstoffe (z. B. Gentianaviolett) und auch diese mit einer grossen Neigung sie wieder abzugeben, derart, dass es leicht möglich ist, den Schnitt mittelst Alkohol oder eines anderen Ent- färbungsmittels farblos zu machen. Ist nun der Schnitt gefärbt und aufgehellt, so wird er je nach Belieben in Canadabalsam oder Damarlack eingeschlossen. Vortheile der Agareinbettung. Mehr als lange Auseinandersetzungen es vermögen, kann ein Vergleich eines Blutpräparates nach der alten, bisher fast aus- schliesslich üblich gewesenen trocknen Methode und einem gut gelungenen Agarpräparate von den Vorzügen der letzteren Methode überzeugen. Ich bin gern bereit, allen denjenigen, welche sich hierfür interessiren, derartige Präparate zur Verfügung zu stellen, 112 Dr. D. Biondi: Neue Methode der mikroskopischen Untersuchung d. Blutes. Die rothen Blutkörperehen erscheinen inmitten einer durch- sichtigen Grundsubstanz ganz ohne Zacken und Runzeln, voll- kommen in ihrer Form erhalten, wie im eireulirenden Blut. Sie behalten ihre ovale characteristische Gestalt mit wohl differenzirtem Protoplasma und Kern. Im Inneren des ersteren sieht man keine auffallenden Figuren, wie sie von der Fällung des Eiweiss erzeugt werden, und wie man sie bisher in jedem trockenen Präparate hat sehen können. Ausserdem ist mit dieser Methode die Möglichkeit gegeben, leichter als bisher die verschiedenen Formen der Miero- cyten und Leucocyten zu fixiren und zu differenziren; zum ersten Mal ferner hat man Gelegenheit, die Blutplättchen in Dauerprä- paraten zu erhalten. Die Anwendung dieser Methode braucht sich aber nicht allein auf die Untersuchung des normalen Blutes zu beschrän- ken, sondern kann auf die anderen thierischen Flüssigkeiten ausgedehnt werden. So erhielt ich mit ihr gute Resultate bei der Untersuchung der Veränderungen der Kerne von Eiter- körperchen eines heissen Abscesses. Auch der Inhalt von Echino- coceeneysten, Hydrocele, Ovarieneysten, von Spina bifida, nach dieser Methode untersucht, lässt die histologischen Elemente, welche in ihnen suspendirt sind, in distineter Weise erkennen. Die Zoologen werden gleichfalls von dieser Methode für das Studium der Infu- sorien vortheilhaften Gebrauch machen können. Endlich kann die Agarmethode ein noch grösseres Feld der Anwendung bei der mikroskopischen Prüfung der Organsäfte besonders von dem Knochen- mark finden. In dieser Hinsicht habe ich vorzügliche Ergebnisse mit der Einbettung von Hodensaft gehabt. In solchen Präparaten konnte ich mit grosser Deutlichkeit, was mit den bisherigen Me- thoden nicht möglich war, die einzelnen Metamorphosen, welche die Samenzelle durchläuft, bevor sie sich zu einem fertigen Sper- matozoiden umwandelt, verfolgen. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm- Epithels. Von 3osef Paneth in Wien. Hierzu Tafel VIII, IX und X. Die Untersuchung, über die nachstehend berichtet werden soll, hat sich mit den sogenannten Becherzellen und mit den Lieberkühn’schen Krypten des Dünndarms beschäftigt. Als Untersuchungsobjeete dienten hauptsächlich Triton und Maus. Die Wahl des ersteren dieser Thiere rechtfertigt sich durch die Grösse der Elementartheile, die des zweiten durch die Dünnheit seines Darms, welche sowohl für das Eindringen der Fixirungsflüssig- keiten, als auch für das Anfertigen feinster Schnitte wie für die Färbung ganzer Stücke von Vortheil ist. Andere Thiere, z. B. Hund, Ratte, Schildkröte kamen nur vergleichsweise uud gelegent- lich zur Untersuchung; für die Möglichkeit, den menschlichen Darm in hinreichend frischem Zustand zu conserviren, um brauchbare Präparate davon zu erhalten, bin ich Herrn Dr. Paltauf, Assi- stent an der hiesigen Lehrkanzel für gerichtliche Mediein, zu be- sonderem Danke verpflichtet. Bei meiner Untersuchung waren mir solche Fixirungs- und Tinetionsverfahren von besonderem Werthe, welche die Be- cherzellen in zwei, auch durch die Farbe deutlich unterschie- dene Theile zu sondern gestatten, also Doppelfärbungen, die in der letzten Zeit auch von Schiefferdeeker!) zu einem ähnlichen Zweck angewandt worden sind, nämlich zur Unter- suchung der Becherzellen der Harnblase. Ich habe, um brauch- bare Doppelfärbungen zu erhalten, eine Anzahl Farbstoffe durch- probirt und gebe nachstehend das Resultat, welches je nach 1) Schiefferdecker, Zur Kenntniss des Baus der Schleimdrüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXI, p. 382, 1884. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 21. fo) 114 Dr. Josef Paneth: der Thierart und Härtung verschieden ausgefallen ist. Ich erwähne zuvor zum besseren Verständniss, meinen weiteren Ausführungen vorgreifend, dass ich an den Becherzellen zwei Theile unterscheide, einen protoplasmatischen, der auch den Kern enthält, und den In- halt der Theka, der als Secret entleert wird — mich hierin an F. E. Sehultze anschliessend. Die Anilinfarben kamen in 1%, wässriger Lösung zur Verwendung. Die Schnitte wurden in Al- kohol des Ueberschusses an Farbstoff entledigt, dann in Berga- mottenöl aufgehellt und in Lack eingeschlossen. Saflranin habe ich jedoch in der von Pfitzner!) angegebenen Form angewandt, das heisst eine eoncentrirte alkoholische Lösung davon zu gleichen Theilen mit Wasser vermischt. Als unbrauchbar erwiesen sich, sei es, dass das ganze Ge- webe nur diffus gefärbt wurde, oder dass der Farbstoff nicht haf- tete: Chinoleinblau, Congoroth, Lyonblau, Naphthalamingelb, Sma- ragdgrün, Tropaeolin, Vietoriablau — die ich nur anführe, um meinem etwaigen Nachfolger auf diesem Gebiete etwas Zeit zu sparen. Der Theka-Inhalt färbt sich intensiv?), aber in demselben Farbenton, wie das übrige Gewebe mit: 1) W. Pfitzner, Die Epidermis der Amphibien. Morphologisches Jahrbuch VI, p. 469, 1880. 2) Es hat meines Wissens zuerst E. Klein (Observations on the struc- ture of cells and nuclei, The Quaterly Journal of Microscopical Science XIX, p. 125 1878) darauf aufmerksam gemacht, dass der Inhalt der Becherzellen sich unter Umständen intensiv färbt. Er fand nach Behandlung mit Häma- toxylin bei einer Katze die Becherzellen auf der Spitze der Zotten „purple- blue“, die anderen farblos; Watney (The minute anatomy of the alimentary canal. Philosoph. Trans. CLXVI, T. 2, p. 471, 1876) hatte bereits erwähnt, dass Mucin (genauer gesprochen, das Secret der Zungendrüsen und gewisse Zellen in ihnen im Hungerzustand des Thieres) sich mit Hämatoxylin intensiv färben. Klein giebt ferner an, dass diese Reaction auch im Reagenzglase mit Mucin, einerlei ob alkalisch oder sauer (?), gelinge. Wenn sich die Zellen nicht färben, so sind sie — zwischen diesen beiden Annahmen entscheidet Klein nicht — entweder leer, oder enthalten noch nicht „Muein“, sondern erst „Mucigen“. Warum die gefärbten Zellen ausschliesslich auf der Spitze der Zotten sassen, giebt Klein nicht an. Es hat dann Flemming (Notizen zur Färbetechnik, Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie II, p. 517, 1885) angegeben, dass sich der Inhalt der Theka der Becherzellen nach Här- tung in Osmiumsäure-Gemischen mit Gentianaviolett oder Safranin intensiv » Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 115 Bismarekbraun, Eosin, Gentianaviolett, Methylenblau. Wie das Gewebe vorher behandelt wurde (Pikrinsäure, Flemming’sche Lösung, Alkohol), ist dabei ziemlich gleichgültig für das Haften des Farbstoffs an dem Inhalt der Theka, aber, wie später ausführlich erwähnt werden soll. durchaus nicht für die Art und Weise, wie sich dieser präsentirt. Diese intensive Fär- bung des Inhalts der Theka tritt beim Triton ausnahmslos ein, bei der Maus bleibt sie manchmal aus. Die schönste und brauch- barste dieser Färbungen ist die mit Methylenblau (Fig. 15 auf Taf. IX von der Maus). Hämatoxylin nach Böhmer hat an meinen Präparaten den Inhalt der Theka niemals gefärbt, ebensowenig als irgend etwas im Gewebe, die Kerne ausgenommen. Für sich allein ist diese Färbung darum ganz unbrauchbar, nur mit anderen zusammen könnte sie gute Resultate geben. Hämatoxylin nach Heidenhain!) wurde nur am Darm von Mäusen nach Härtung in Pikrinsäure oder Flemming’scher Lö- sung verwendet. Nach der erstgenannten Fixirung giebt es rei- zende Präparate, der Inhalt der Theka ist nur schwach gefärbt (Fig. 11a, b, ce auf Taf. VIII), nach der zweitgenannten Fixirung ist die Färbung im Ganzen mittelmässig, der Inhalt der Theka dunkelschwarz. Saffranin giebt nach Härtung des Gewebes in Alko- hol oder Pikrinsäure?) sowohl an Mäusen wie an Tritonen eine schönblau, beziehungsweise rostbraun färbe, sowie dass der Inhalt der Becher- zellen des Darms nach Osmium-Härtung sich mit Hämatoxylin intensiv blau färbe. Paulsen (Färbung von Schleimdrüsen und Becherzellen, Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie II, p. 519, 1885) theilt mit, dass sich an Becherzellen (der Nasenschleimhaut) nach Härtung in Osmiumsäure in dem Inhalt der Theka ein stärker tingirtes Netzwerk von der schwächer tingirten Zwischensubstanz abhebe, sowie dass sich der im Lumen befindliche Schleim ebenfalls intensiv färbe. Endlich hat List in zahlreichen früheren Arbeiten, und zusammenfassend in einer Abhandlung in diesem Archiv (Ueber Becher- zellen, XXVIJI, p. 481, 1856) die Resultate der Untersuchung von Becherzellen mit Färbungen, welche den Inhalt der Theka tingiren, sowie auch mit Doppelfärbungen mitgetheilt. 1) R. Heidenhain, Eine Abänderung der Färbung mit Hämatoxylin und chromsauren Salzen. Arch. f. mikr. Anat. XXVII, p. 383, 1886. 2) Das möglichst lebenswarme Stückchen Darm kommt aufgeschnitten in eine concentrirte wässrige Lösung von Pikrinsäure; nach ein bis zwei 116 Dr. Josef Paneth: Doppelfärbung, welche in den Figuren 4a, b, ec, 7a, b, vom Tri- ton, 9a, b, ec, d von der Maus auf Taf. IX dargestellt ist. Das Gewebe ist karmin- oder krapproth gefärbt, die Kerne treten deutlich hervor, auch das Protoplasma der Zellen ist nicht farblos. Der Inhalt der Theka der Becherzellen ist braunroth bis rostfarbig, oder von der Farbe einer dünnen Eosinlösung; es ist ein sehr deut- licher Umschlag in das Gelbe eingetreten. Beim Triton ist das Re- sultat dieser Färbung sehr constant. (Nur in einem Fall färbten sich die Tröpfehen in der Theka intensiv in der Farbe des übrigen Gewebes, ohne gelben Schein.) Der Umstand, dass es auch nach Alkoholhärtung eintritt, beweist, dass es nicht etwa davon her- rührt, dass die Pikrinsäure an dem Inhalt der Theka der Becher- zellen hartnäckiger haftet, und durch Beimischung den ’gelbrothen Ton erzeugt. Dies ist nicht der Fail, wie man sich durch Be- trachtung eines ungefärbten Präparats und durch das Resultat anderer Färbungen (Methylenblau, Hämatoxylin) überzeugen kann. Tagen wird 24 Stunden lang in fliessendem Wasser ausgewaschen, dann gradatim in Alkohol übertragen. Der Warnung Fol’s (Mikroskopische Technik, p. 102), Pikrinsäurepräparate nicht mit Wasser auszuwaschen, kann ich mich durch- aus nicht anschliessen; vielmehr habe ich schlechte Resultate erzielt, wenn ich die Präparate mit schwachem Alkohol auszog. Da die Pikrinsäure karyo- kinetische Figuren ausgezeichnet erhält, wie Heidenhain ]. c. angegeben hat, den Inhalt der 'Theka von Becherzellen naturgetreuer conservirt als andere Flüssigkeiten, wie wir noch sehen werden, da alles Uebrige gut aus- sieht, rothe Blutkörperchen ganz besonders schön fixirt werden, Muskelfasern einen gelben Ton behalten, so scheint sie mir von Seite der Histologen alle Beachtung zu verdienen. Von Zoologen wird ja die Pikrinsäure in Form der Kleinenberg’schen Flüssigkeit ungemein oft angewandt. Die Färbungen mit Saffranin nach Pfitzner habe ich zumeist an kleinen Stückchen in toto vorgenommen. 24 Stunden in der Farbstofflösung, dann in öfters ge- wechseltem Alkohol so lange, als noch Farbstoff in erheblicher Menge abge- geben wird; dann langsam in Xylol überführt; dann in einer Xylol-Pa- raffinmischung bei 35° einige Stunden, endlich in Paraffın von passen- dem Schmelzpunkt, ca. 50°, einige Stunden. Geschnitten mittels Jung- schen Mikrotoms, auf dem Objectträger nach Schällibaum mit Nelkenöl- Collodium fixirt; mit Xylol vom Paraffın befreit, in Lack eingeschlossen. Die übrigen Färbungen wurden an Schnitten von mit Celloidin durchtränkten Präparaten durchprobirt. — Saffraninfärbungen sind sehr schön, mislingen aber hie und da auch nach vielfacher Uebung ohne angebbaren Grund. Man muss mit Alkohol den Ueberschuss des Farbstoffs ziemlich vollständig extra- hiren, sonst erzeugt Xylol einen krystallinischen Niederschlag im Präparat. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels, NT Bei der Maus wurde diese Färbung nur nach Pikrinsäure-Härtung versucht, sie tritt/hier"nicht constant ein, vielmehr bleibt häufig der Inhalt der Theka ungefärbt. An Präparaten, die in Flemming’scher Lösung gehärtet sind, tritt auch eine Doppelfärbung ein (Fig. 13a, b, auf Taf. IX) am ausgesprochensten und schönsten bei der Maus, wo sich der Inhalt der Theka mehr oder weniger intensiv violett färbt (niemals braunroth), während der Rest des Gewebes krapproth ist. - Auch beim Triton färbt sich das Seeret der Becherzellen nach Härtung in Flemming'scher oder Rabl’scher Flüssigkeit (Chromsäure 1:300 mit "etwas Ameisensäure) anders als das Protoplasma, es nimmt aber einen schmutzigen, schwärzlichen Ton an. Dieselbe Farbe wie der Inhalt der Theka erhält auch der häufig damit in Zu- sammenhang stehende, im Lumen des Darmes befindliche „Schleim“. Jodgrün färbt:beim Triton nach jeder Vorbehandlung das Se- cret in den Becherzellen sowie auch im Lumen des Darms smaragd- bis olivgrün, das übrige Gewebe türkisenblau oder blaugrün (Fig. 14, auf Taf. IX von der Maus). Bei der Maus tritt diese Doppelfärbung nur nach Härtung in Alkohol oder Pikrinsäure ein; nach Fixirung in Flemm ing’scher Lösung färbt sich der Inhalt der Theka ziem- lich intensiv, aber in demselben Tone wie alles Uebrige!). Auch für diese Doppelfärbung, deren Wesen ja wieder auf einem Um- schlagen in das Gelbe beruht, lässt sich durch Hinweisung auf den Umstand, dass sie nach Alkoholhärtung (und beim Triton auch nach Härtung in Flemming’scher Lösung) eintritt, die Hypothese zurückweisen, dass sie auf einer Mischung mit dem Gelb der an dem Thekainhalt stärker haftenden Pikrinsäure beruhe. An dem menschlichen Darm hat keine dieser Färbungen gute Resultate ergeben; mit Saffranin blieben die Becherzellen farblos, mit Jodgrün färbte sich der Inhalt der Theka in demselben Ton, wie das Uebrige. Doch habe ich an dem in Pikrinsäure gehärteten Gewebe fol- gende Doppelfärbung mit gutem Erfolge angewandt. Schnitte kommen 1) Flesch (Bemerkungen zur Kritik der Tinetionspräparate, Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie II, p. 464, 1885) bemerkt, dass die Schleim- drüsen-Acini durch Jodgrün graublau gefärbt würden. Griesbach (Weitere Untersuchungen über Azo-Farbstoffe, Zeitschrift für wissenschaftliche Mikros- kopie III, p. 358, 1886) giebt an, dass Jodgrün Drüsengewebe smaragdgrün, Epithelien blau färbe. 118 Dr. Josef Paneth: auf einige Minuten in eine 1°, wässrige Lösung von Methylen- blau, dann auf einige Secunden in eine 1°/, wässrige Lösung von Bismarekbraun; in Alkohol entwässert und des überschüssigen Farbstoffs entledigt, in Bergamottenöl aufgehellt u. s. f. Dann bleibt der Inhalt der Theka blau, während alles Uebrige, auch der protoplasmatische Theil der Becherzelle mit dem Kern braun wird (Fig. 19a, b auf Taf. IX))). Doppelfärbungen, bei denen eine „Metachromasie“, eine Ver- änderung des ursprünglichen Farbtones an gewissen characte- ristischen Stellen des Präparats, und nur an diesen zu Stande kömmt, scheinen mir von Interesse zu sein. Nicht als ob sie einen Schluss auf das Wesen, das heisst auf die chemische Zusammen- setzung der betreffenden Substanz, die den Wechsel der Farbe er- zielt, in unserem Fall des Thekainhalts der Becherzellen, gestatten würden. Vorläufig ist hierzu keine Aussicht vorhanden. Das Auf- treten dieser Doppelfärbungen beweist aber meines Erachtens eine chemische Wirkung zwischen Gewebe und Farbstoff, dort wo sie eben erscheinen; auch wenn man sonst geneigt ist, in Ueberein- stimmung mit Gierke (Färberei zu mikroskopischen Zwecken) Kernfärbungen u. s. f. auf physikalische Verhältnisse, auf Ober- flächenwirkung zurückzuführen, so kann man doch nicht leugnen, dass der Inhalt der Theka den Farbstoff nieht blos stark festhält, sondern auch verändert?). Unterschiede in der Intensität der Fär- 1) Auf einer ähnlichen Procedur beruht bekanntlich die von R. Koch angegebene Färbung von Tuberkelbacillen, wobei diese, analog dem Inhalt der Theka, blau bleiben, während andere Mikroorganismen, Leucocyten, der Grund sich braun färben. Hieraus auf irgend weiche Analogien, etwa auf eine schleimige Hülle der Tuberkelbacillen zu schliessen, wie vielleicht nahe liegt, halte ich für ganz unberechtigt. Auch das Celloidin hält den blauen Farbstoff hartnäckig fest. Paulicki (Ueber die Haut des Axolotls. Dieses Arch. XXIV, p. 120, 1885) findet nach Doppelfärbung mit Picrocarmin und Methylenblau die Becherzellen der Axolotl-Haut blau. 2) Saffranin wird übrigens nur durch ziemlich concentrirte Mineralsäuren (HCl, HNO,, H;SO,) blau, während alle Pflanzensäuren, sowie Phosphorsäure, ebenso Kalilauge und Ammoniak es unverändert lassen. Eine Veränderung des Farbentons in das Gelbe -habe ich in der Eprouvette nicht erzielen können. Wässrige Lösungen von Pikrinsäure und Chromsäure fällen das Saffranin carminroth, ohne auffälligen Unterschied in dem Ton der Farbe. Wässrige Lösungen von Jodgrün werden durch Chlorwasserstoffsäure, Sal- petersäure, Schwefelsäure, Chromsäure, Pikrinsäure schon in geringen Mengen, Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 119 bung mögen auf physikalischen, nicht auf chemischen Unterschieden der betreffenden Gewebe beruhen; auch eine Doppelfärbung durch Anwendung zweier Farbstoffe lässt sich, wenn auch nur gezwungen, darauf zurückführen. Wenn aber ein und derselbe Farbstoff dureh gewisse Bestandtheile des Gewebes, die auch sonst eine besondere Stellung einnehmen und nur durch diese verändert wird, dann ist der Schluss gestattet, dass hier ein eigenthümlicher Stoff vorhanden sei, der sich sonst im Gewebe nicht findet. Dieser Stoff muss auf den Farbstoff chemisch, nicht blos physikalisch wirken. Wir wollen ihn nicht benennen, weder Mucin, noch Mueigen, noch sonst wie, weil wir ihn nicht analysiren oder isolirt untersuchen können. Wir begnügen uns mit dem Schlusse, dass sich in der Theka der Becherzellen etwas finden müsse, was weder in den Kernen, noch im Protoplasma, noch sonst wo im Gewebe vorhanden ist. Versteht man unter „Quellung‘‘ vermehrte Wasseraufnahme, ohne weitere chemische Alteration, so genügten nach meinem Dafürhalten die erwähnten Doppelfärbungen, um jene Hypothese zurückzuweisen, welche Becherzellen aus gewöhnlichen Epithelzellen durch „Quel- lung“ irgend einer Substanz, zum Beispiel der sogenannten „inter- fibrillären Substanz“ entstehen lässt. Eine chemische Umwandlung muss stattgefunden haben. Es ist unter gewissen Umständen in dem Inhalt der Theka ein aus groben Strängen gebildetes Gerüst oder Netzwerk zu sehen!). E. Klein sowie List (l.c.) haben dies genauer beschrie- ben und der letztere zahlreiche Abbildungen davon gegeben. Wor- auf es nach meiner Ansicht beruht, wird später auseinandergesetzt werden. Wenn aber gesagt wird, dass dieses Gerüst oder Netz- werk der Theka der Becherzellen (vergl. Fig. 7b auf Taf. IX) mit der fibrillären Substanz identisch sei, die nach der Meinung vieler Histologen in dem Protoplasma aller Zellen vorhanden ist, so muss ich mich, eben auf Grund meiner Färbungen, gegen diese Meinung aussprechen. Denn die characteristische, von derjenigen durch Phosphorsäure erst in grossen Mengen, durch Essigsäure und Ameisen- säure überhaupt nicht in das Smaragdgrüne verfärbt. Kalilauge und Ammoniak entfärben die Lösung von Jodgrün. Wie man sieht, bieten diese Reactionen zum Verständniss der von mir beschriebenen Färbungen keine Handhabe. 1) E. Klein, ÖObservations on the structure of cells and nuclei. The Quaterly Journal of Microscopical Science XVII, p. 315, 1878, Taf. XVI, Kig.. 1, 2, 12. 120 Dr. Josef Paneth: des Protoplasmas verschiedene, dem Inhalt der Beeherzellen und dem Secret im Lumen des Darms gemeinsame Färbung haftet am stärksten an diesem Gerüstwerk. Dieses ist auch viel gröber, als die „fibrilläre Substanz“ der Zellen gewöhnlich dargestellt wird. Es ist etwas von dieser, sowie von der „ehromatophilen Substanz“ des Kerns Verschiedenes; soviel können wir schon jetzt für unser Object aussagen. Ich habe nie gesehen, dass sich in der Theka Stränge oder Netze befunden hätten, von derselben Beschaffenheit wie das Pro- toplasma in dem Fuss und damit zusammenhängend. Die in der Anmerkung!) angeführten Resultate früherer Be- obachter zeigen, dass auch an Becherzellen anderer Provenienz der Inbalt der Theka sich gegen Farbstoffe anders verhält als das Protoplasma der Zellen und gleich dem auf der Oberfläche angesammelten Secret. Ich füge der Vollständigkeit wegen hinzu, dass nach Fixi- rung in 1°, Osmiumsäure und Härtung in Alkohol der Inhalt der Theka dunkler erscheint als das Protoplasma der Zellen (Fig. 16a und b auf Taf. VIII von der Maus), sowie, dass nach den An- 1) Paulsen (l. c.) giebt an, dass in der schwächer tingirten Grund- substanz des Becherinhalts ein intensiv gefärbtes Netzwerk hervortritt; die Fäden treten (Nasenmuschel des Pferdes) aus diesem Maschenwerk des Bechers heraus, breiten sich auf der freien Epithelfläche aus und verschmelzen zu einer zusammenhängenden Schichte. Die „Filarmasse“ ist also ebenso be- schaffen wie das Secret. Schiefferdecker (|. c.) findet, dass sich in den Becherzellen der Amphibien-Harnblase ein Netzwerk bildet, welches sich bei seiner Doppelfärbung anders verhält, als das Protoplasma der Zellen, „viel- leicht eine Modification des ursprünglichen Netzwerks“; dieses zusammen mit der intrareticulären Substanz bildet das Secret. Unter den Abbildungen, welche der Arbeit List’s (l. e.) beigegeben sind, finden sich zahlreiche, bei denen die „fibrilläre Substanz“ der Theka über der Mündung der Becherzelle einen compacten, dunkel gefärbten Pfropf bildet. Endlich zeichnet dieser Autor Becher- zellen (zum Beispiel Taf. XXIX, Fig. 2d, Taf. XXX, Fig. 4 a—e), in denen nach Doppelfärbung mit Bismarckbraun und Methylgrün und mit Hämatoxylin- Eosin die „Filarmasse“ der Theka anders gefärbt ist als das Protoplasma des Fusses und damit gar nicht zusammenhängt. Er macht auch im Text darauf aufmerksam, dass diese Färbungen auf chemische Verschiedenheit zwischen Inhalt der Theka und des Fusses hindeuten, ’und dass sich der Inhalt des Fusses gegen Färbemittel ungefälır so verhält, wie die Zellsubstanz der um- gebenden Epithelien. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 121 gaben früherer Autoren salpetersaures Silber den Inhalt der Theka nicht färbt. (Köllikert) für die Becherzellen der Bronchialschleim- haut des Menschen, J. H. List?) für die Becherzellen aus dem Blasenepithel der Amphibien.) Goldehlorid ertheilt nach Fries (s. u.) dem Inhalt der Theka eine andere Farbe (hochroth) als den Epithelien (blauroth). Ich habe diese Fixirungsmethoden nicht an- gewandt. Als die weitaus brauchbarste Färbung hatssich diejenige mit Saf- franin nach Pfitzner ergeben. Sie ist in toto anwendbar und haltbar. Jodgrün liefert eine ebenso charaeteristische Differenzirung ; es ist aber schwer, den richtigen Grad der Entfärbung zu treffen, und die Präparate sind vergänglieh. Ich habe demnach die Unter- suchung hauptsächlich mit Saffraninfärbung in der oben erwähnten Weise an Präparaten durehgeführt, die in Alkohol, in Pikrinsäure (s. oben) oder in Flemming’scher Lösung?) fixirt waren. Ich gehe nun daran, die Ergebnisse, zu denen ich gelangt bin, darzulegen. Die Becherzellen. Man fertigt von dem Darm einer soeben getödteten Maus ein Präparat in der Weise an, dass man denselben aufschneidet, mit einem scharfen Skalpell über die Oberfläche desselben streicht, die so gewonnene Masse auf einem Deekgläschen ausbreitet, wobei sie dureh Daraufhauchen vor Vertrocknung zu schützen ist (ein von Ranvier angegebener Kunstgriff) und mit dem Deckgläschen eine feuchte Kammer schliesst, so dass also das Präparat „im hängenden Tropfen“ ohne allen Zusatz und vor Verdunstung und Druck geschützt untersucht wird. Die sehr geringe Menge des Bindegewebes am Mäusedarm ermöglicht es, auf diese Weise ganz brauchbare Präparate zu erhalten. Man gewahrt dann Zotten und 1) Kölliker, Zur Kenntniss des Baus der Lunge des Menschen. Würz- burger Verhandlungen. N. F. XVI, p. 1, 1881. 2) J. H. List, Ueber einzellige Drüsen (Becherzellen) im Blasenepithel der Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. XXIX, p. 147, 1587. 3) Die weitere Behandlung der in Flemming’scher Lösung gehärteten Präparate war identisch mit derjenigen der Pikrinsäurepräparate; sie zeichnen sich durch geringe Schrumpfung aus. Alkoholpräparate kamen direct in die Lösung des Farbstoffs. Sie färben sich gut, sind aber stark geschrumpft; das Einzelne über die Resultate der verschiedenen Härtungen wird später er- örtert werden. 122 Dr. Josef Paneth: Krypten und in dem gleiehmässigen Epithel, welches die Zotten be- deekt und Zellgrenzen kaum erkennen lässt, hellere Stellen. Manche von diesen sind homogen, andere dagegen mehr oder weniger deutlich körnig (Fig. 8 auf Taf. VILD). Ebenso, wenn man das lleum gegen sein unteres Ende hin, wo es sehr dünn ist, aufge- schnitten in toto betrachtet. Auf dieselbe Weise, nämlich in toto, kann man auch den Darm des Tritons untersuchen und wird auch hier in der dunkeln Masse des Epithels die heilen, von Tröpfehen erfüllten Kreise wahrnehmen (Fig. 1 auf Taf. VII). Beim Triton scheinen alle Becherzellen, denn um diese handelt es sich, von Körnchen erfüllt zu sein. In der Profilansicht (Fig. 8) ist das Bourrelet, der dem Darmepithel eigenthümliche Stäbehensaum an der Stelle, wo Becherzellen liegen, unterbrochen. Mir kam es bei der Untersuchung des überlebenden Objects wesentlich darauf an, mich auch meinerseits zu überzeugen, dass unmittelbar nach der Anfertigung des Präparats, unter allen Cau- telen für naturgetreue Erhaltung, unter Ausschluss aller Mishand- lung durch Druck, Eintrocknung oder sogenannte indifferente Zu- satzflüssigkeiten schon einige Sekunden nach dem Tode Becher- zellen in Menge vorhanden sind, dass sie nicht erst, wie ja gelegentlich behauptet oder angedeutet worden ist, erst längere Zeit post mortem durch Einwirkung von Reagentien entstehen; ferner davon, dass der Inhalt unter diesen Umständen sowohl körnig als homogen erscheint. Ich habe an meinen Präparaten nicht gesehen, dass aus den Cylinderzellen Becherzellen geworden wären, oder dass sich — was auf dasselbe hinaus kömmt — die Zahl der Becherzellen in denselben mit der Zeit auffällig vermehrt hätte. Eimer (s. u.) hat diesem Punkt (der postmortalen Entstehung von Becherzellen aus Epithelien) besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und sich durch Zählung überzeugt, dass die Becherzellen sich im Präparat nicht vermehren. Da man übrigens einzelne Zellen nicht isoliren kann und die Körnchen (oder Tröpfehen, denn über ihre Consistenz wissen wir nichts) bei der Maus klein sind und sich in ihrem Licht- brechungsvermögen von der Substanz in der sie liegen wenig unterscheiden, ist es leicht möglich, dass man sie nicht wahrnimmt, wo das Präparat in dickerer Schichte liegt, und somit Becher- zellen, die in Wirklichkeit körnig sind, für homogen ansieht. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 123 Beim Triton sind die Körnchen grösser und schärfer contourirt, das heisst also in ihrem Lichtbrechungsvermögen von der Umge- bung mehr verschieden. Ich habe eine grössere Anzahl derartiger „Abstreifpräparate* von Mäusen, die reichlich gefüttert wurden, mit solchen verglichen, die von Mäusen herrührten, die 24—48 Stunden bei vollständiger Entziehung fester und flüssiger Nahrung zugebracht hatten. Aus- nahmslos waren die Becherzellen bei den Mäusen, die gehungert hatten, viel zahlreicher, obschon sie auch bei den gefütterten nicht ganz fehlten. In den verschiedenen Theilen des Dünndarms schie- nen sie gleich häufig zu sein. Diese Thatsache, welche auch im Grossen und Ganzen durch die Schnittpräparate bestätigt wurde, weist darauf hin, dass Becherzellen nicht Gebilde sui generis sind, sondern intra vitam aus den gewöhnlichen Epithelzellen entstehen. Dafür spricht auch der Mangel jeder Regelmässigkeit in ihrer Anordnung. Der erwähnte Befund deutet ferner darauf hin, dass der characteristische Theil derselben, der Inhalt der Theka während der Verdauung an vielen Becherzellen verschwindet. An Schnittpräparaten stellen sich nun Becherzellen je nach der Fixirung des Objects verschieden dar. Ich beginne damit, dasjenige was allen von mir untersuchten Thieren, und nach jeder Be- handlungsweise gemeinsam ist, auseinanderzusetzen. Allen gemein- sam ist die Sonderung des Inhalts der Zelle in zwei von einander verschiedene Theile: Inhalt der Theka (Secret) und protoplasma- tischer Theil sammt dem Kern. Das Seeret ist durch die oben erwähnten Farbenreactionen characterisirt, es befindet sich in dem Theile der Zelle, der dem Lumen zugewandt ist!). Häufig liegt eine Masse, die in ihrem Verhalten dem Inhalt der Thek: vollständig gleicht und damit zusammenhängt, im Lumen des Darms, über der freien Fläche der Epithelien wolkenartig hingegossen (Fig.5d,6f,12e, auf Taf. VIII, Fig.4a,7a,7b, 19a auf Taf. IX). An solchen Stellen fehlt das Bourrelet. Hierin liegt die Berechti- sung, die Becherzellen als secernirende Zellen aufzufassen (davon abgesehen, dass diese Ausstossung von Secret aus Becherzellen an 1) Da man vielfach das Bourrelet der Epithelzellen des Darms als „Basalsaum“ bezeichnet hat, bemerke ich, dass ich das der Schleimhaut zu- gewandte Ende der Zellen „basales Ende“, die dem Lumen zugewandte Fläche „freie Fläche* nenne. 124 Dr. Josef Paneth: anderen Orten direct gesehen worden ist. Den Raum, in dem sich das Secret befindet, bezeichnet man bekanntlich seit F. E. Schulze als „Theka“. Die Form, in der diese sich präsentirt, ist sehr mannigfaltig; länglich, mehr oder weniger ausgebaucht, wenn das Secret durch eine enge Lücke des Bourrelet sich er- giesst, flaschenförmig, mit einem Halse versehen (z. B. Fig. 5d auf Taf. VIII). Ausser der Theka mit ihrem Inhalt haben die Becherzellen ausnahmslos Protoplasma und Kern. Ich habe keinen unzweideutigen Fall gesehen, in dem der ganze Inhalt der Zelle in das Secret umgewandelt gewesen wäre oder der Kern gefehlt hättet). Ich habe vor Allem niemals gesehen, dass in dem Secret der Becherzelle, in dem zur Ausstossung bestimmten Theil derselben ein Kern gelegen hätte. (Ich habe jedoch, der unparteiischen Wieder- gabe alles Gesehenen zu Liebe, auch Befunde abgebildet, wo ich den Kern nicht sehen konnte, Fig. 19 a, 19 b auf Taf. IX vom Menschen, 1) Es ist hier vielleicht am Platze, einige Vorsichtsmassregeln anzu- geben, welche beim Studium von Schnitten unseres Objectes zu beobachten sind. Sie sind eigentlich selbstverständlich, und ich erwähne sie nur, um zu zeigen, dass ich ihrer eingedenk gewesen bin. Der Schnitt muss annähernd normal auf die Oberfläche des Epithels sein. Wenn er das nicht ist, so liegen Theile verschiedener Zellen hinter einander, man läuft Gefahr, nicht Zusam- mengehöriges zusammenzurechnen, oder durch den Schnitt erzeugte Bruch- stücke von Zellen, die ausser Zusammenhang mit dem Bindegewebe stehen, für Zellen anzusehen, die ausgestossen werden u. s. f. “Dass der Schnitt an- nähernd normal liegt, dafür giebt es hier ein sehr sicheres und bequemes Criterium: die Grenze zwischen Epithel und Bourrelet muss scharf sein, und bei Drehung der Mikrometerschraube nicht oder nur unbedeutend sich ver- schieben. Selbst dann ist man nicht sicher, dass die Zellen ihrer ganzen Länge nach in den Schnitt fallen, wenn dieser so düun ist, als er sein muss, das heisst bei der Maus 5—7 u, beim Triton 7—10 udick. Es ist deshalb wünschenswerth, nur die Befunde an solchen Stellen zu verwerthen, an denen das Epithel ziemlich regelmässig liegt, was sich insbesondere auf die basalen Enden der Zellen beim Triton bezieht. Dies vorausgesetzt, hat man an jedem Schnitte nur wenige beweisende Befunde, und man muss die durch das Mi- krotom gewährte Möglichkeit, sehr zahlreiche Schnitte anzufertigen, aus- nützen. Ergänzende und erläuternde Befunde sind häufig. Die Schnitte dünner anzufertigen, als oben angegeben, was ja unter günstigen Bedingungen technisch möglich ist, hat keinen Zweck, weil dann nur Bruchstücke von Zellen in den Schnitt fallen. — Mit der nöthigen Vorsicht untersucht, er- setzen dann in der That dünne Schnitte die Isolationspräparate. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 125 16a, 16b, 12e auf Taf. VIII von der Maus. Ich erwähne ausdrück- lich, dass dies nicht nur sehr selten vorkam, sondern dass auch die erwähnten Befunde durchaus nicht einwandfrei waren; die Präparate vom Menschen waren Celloidinschnitte und ziemlich dick, Fig. 16 a und 16b sind einem Mäusedarm entnommen, der mit Osmiumsäure fixirt und ziemlich dunkel war. In den weit- aus meisten Fällen und an den besten Präparaten sieht man an den Becherzellen ohne Weiteres den Kern. Ich habe den Eindruck erhalten, dass er in Wirklichkeit niemals fehlt.) Kern und Protoplasma der Becherzellen sind nun der Form nach sehr verschieden. Eine Uebersicht meiner Abbildungen macht eine ausführliche Beschreibung überflüssig. Wir sehen Protoplasma und Kern im Grunde der Theka befindlich (Fig. 10 b, 10c, 10 e auf Taf. VIII); wir sehen es in sehr vielen Fällen einen auch räumlich deutlich abgegrenzten Bestandtheil der Zelle, den sogenannten „Fuss“ einneh- men (Fig. 5b, 6a, b,e, f, 12b, 12 g auf Taf. VIII, 13a, 19 a auf Taf. IX). Wir sehen diesen Fuss gelegentlich in einen fadenartig dünnen Fortsatz ausgezogen (Fig. 12d auf Taf. VII, Fig. 5 c auf Taf. VII). Der Kern liegt manchmal unmittelbar an der Theka oder im Fusse, ja selbst nahe dem Ende des fadenartigen Fortsatzes, des „Stils“. Ich kann diesen morphologischen Unterschieden darum nur wenig Be- deutung beimessen, weil man auf einem Schnitt alle möglichen Formen neben einander findet. Die Becherzellen wiederholen in der Mannigfaltigkeit ihrer äusseren Erscheinung die zahlreichen Formen des Darmepithels. Auch dieses ist manchmal eylindrisch und sitzt dem Stroma anscheinend mit breiter Basis auf, in an- deren Fällen ist es keulenförmig, trompetenförmig und scheint sich mit langem, fadenförmigen Stil in das Stroma einzusenken u. 8. f., wie dies aus meinen Abbildungen ersichtlich ist. Wesent- lich und characteristisch ist für die Becherzellen nur die Schei- dung ihres Inhalts in zwei verschiedene Theile. Kern und Protoplasma derselben, die ich als den einen Theil bezeichne, unterscheiden sich nun in den meisten Fällen von dem Protoplasma und den Kernen der umgebenden Cylinderepithelien?). 1) Andere Unterschiede als die im Text angegebenen zwischen dem Protoplasma der Epithelzellen und demjenigen der Becherzellen habe ich nicht gefunden, vor Allem nicht die neuerdings von Ranvier (Des vacuoles des cellules calieiformes ete. Comptes Rendus 1887; 21. Mars, p. 319) an 126 Dr. Jesef Paneth: Die Unterschiede liegen darin, dass das Protoplasma der Becher- zellen sich intensiver, aber in derselben Farbe tingirt, wie das- jenige der Epithelien. Ersteres erscheint ferner beim Triton mehr homogen, das heisst weniger granulirt als letzteres (Fig. 6b, 6, 6 f auf Taf. VIII). Der Kern der Becherzellen ist kleiner als der- jenige der Epithelzellen; er färbt sich intensiver als dieser. Er ist aus der Reihe der Kerne heraus und näher an das Schleim- hautstroma gerückt. Er ist häufig nieht rundlich-oval, sondern länglich, stäbehenförmig, wenn er in dem lang ausgezogenen Fuss einer Becherzelle sitzt, oder er ist halbmondförmig, mit seinem längeren Durchmesser quer zur Längsaxe der Zelle liegend, in Becherzellen ohne Fuss (vgl. Fig. 6a, 6b, 6e, 6f, 12d, 12f, dann Fig. 10b, 10e, 10e auf Taf. VIII). Die Kerne der Epithelzellen des Darmes (s. Fig. 6f auf Taf. VIII, 4e auf Taf. IX) machen den Eindruck von Bläschen, sowohl bei der Maus, als auch beim Triton. Sie haben eine deut- liche, stärker gefärbte Membran; in einem körnigen Inhalt, der sich schwach färbt, liegen mehrere stark gefärbte rundliche oder längliche Körperchen, manchmal ein Faden?). Die Kerne der Becherzellen sind im Ganzen stärker gefärbt, die Kernmembran ist weniger deutlich und der ganze Kern macht \ dem Protoplasma von Becherzellen der „membrane rötrolinguale“ des Frosches beschriebenen Vacuolen. An Gebilden, welche Becherzellen durchaus gleichen, obzwar sie, wie es scheint, nicht der Epidermis angehören und den Inhalt ihrer Theka nicht entleeren, da das einschichtige Epithel, wie ich nachge- wiesen habe, ununterbrochen über sie hinwegzieht, nämlich an den grossen Zellen des Flossenrandes von Cymbulia, habe ich die Vacuolen im Proto- plasma vor einigen Jahren beschrieben und abgebildet (J. Paneth, Beiträge zur Histologie der Pteropoden und Heteropoden. Dieses Arch. XXIV, p. 245 ff. und Taf. XIV, Fig. 7, 8, 9, 1884). 1) Der neueren Nomenclatur dieser Dinge gehe ich absichtlich aus dem Wege, und beschreibe die thatsächlichen Verhältnisse. Ebenso lasse ich die Frage unerörtert, ob und inwieweit die „Granulirung“ des Zellprotoplasmas und Kernes der Ausdruck eines dasselbe durchziehenden Netzwerks sei. Ich will nur hervorheben, dass ich nichts gesehen habe, was auf einen Zusammen- hang eines etwa im Kern vorhandenen Netzwerks mit dem Protoplasma der Zelle schliessen liesse — wie dies von E. Klein ]. c. hehauptet worden ist. Die Kernmembran schien nach aussen immer glatt und scharf begrenzt zu sein. Innen schienen sich häufig stärker gefärbte Partieen an dieselbe an- zusetzen. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Eplithels. 127 bei schwächerer Vergrösserung eher den Eindruck eines soliden Körpers als eines Bläschens. Bei der Maus scheint er oft nur aus stark lichtbrechenden Körnern zu bestehen, oder ist homogen (Fig. 12c auf Taf. VIII, Fig. 9e auf Taf. IX). Im Ganzen macht der Kern der Beeherzellen gegenüber dem der Epithelzellen den Ein- druck, als ob er geschrumpft und dichter wäre. Es ist diese Be- schaffenheit desselben übrigens nicht an allen Becherzellen gleich ausgesprochen, man findet auch Becherzellen, deren Kern sich wenig oder gar nicht von den übrigen Epithelkernen unterscheidet und auch nicht aus der Reihe derselben tritt. An Präparaten aus Rabl’scher oder Flemming’scher Lösung ist der besprochene Untersehied zwischen Protoplasma und Kern der Epithelzellen und der Becherzellen mehr ausgesprochen und erleidet weniger Aus- nahmen als an Alkohol- und Pikrinsäurepräparaten. Ich kann selbstverständlich nicht behaupten, dass Protoplasma und Kern der Becherzellen in vivo sich durch dieselben Merkmale von denjenigen der Epithelzellen unterscheiden, wie am gehärteten und gefärbten Präparat, dass der Kern in vivo kleiner und ge- schrumpft sei u. s. f. Irgend eine Verschiedenheit muss aber schon im Leben vorhanden sein, sonst könnten sie sich nicht ceteris pa- ribus im Präparat anders verhalten. Was nun den Inhalt der Theka betrifft, so wird derselbe nur durch die Pikrinsäure naturgetreu conservirt. Man findet beim Triton nach dieser Behandlung die Epithelzellen kaum von einander abge- grenzt. Die Becherzellen sind zum grössten Theil mit vollkommen scharf contourirten Körnchen erfüllt (Fig. 2a,2b auf Taf. VIII, 4a,4b auf Taf. IX). An anderen sind die Körnchen etwas in die Länge gezogen (4b, bei b‘). Man sieht die Körnchen ausserhalb der — DIn den meisten Fällen scheinen gelbrothe Körnchen in gelbem Grunde zu liegen. Doch hat mich Herr Professor Exner darauf aufmerksam gemacht, dass dies eine Täuschung ist, und auf einem nicht recht verständ- lichen Phänomen beruht. Die in der Focalebene des Mikroskops befindlichen Körnchen nämlich erscheinen roth, die darunter befindlichen haben einen gelben Schein. Liegen sie also in mehrfacher Schicht, so sammeln sich die Zerstreuungskreise der tiefer liegenden zu dem Scheine eines gelben Grundes. Die Betrachtung von isolirt im Darmlumen liegenden Körnchen mit der Zeiss’schen apochrom. Oel-Immersion 3 mm und compensirendem Ocular 12 hat diese Ansicht bestätigt. Ich habe versucht in Fig. 4c auf Taf. IX die Sache darzustellen. Sieht man diese Abbildung aus grösserer Entfernung an, so scheinen rothe Körnchen auf gelbem Grunde zu liegen. 128 Dr. Josef Paneth: Theka im Lumen des Darms liegen, und dort zu einem wolkigen Seeret confluiren (Fig. 4a auf Taf. IX). Man sieht endlich auch, aber seltener, den Inhalt der Theka statt aus Körnchen, aus einem dunkleren Gerüstwerk in hellerer Grundsubstanz bestehen (wie Fig. 7b auf Taf. IX). In einem Falle waren die Körnchen intensiv roth, in der Farbe des übrigen Gewebes; in allen anderen zeigten sie den Ein- gangs beschriebenen Farbenwechsel. Becherzellen mit nahezu ho- mogenem, kaum gefärbten Inhalt der Theka habe ich am Triton niemals gesehen. Bei der Maus kömmt es nach dieser Behandlung auch vor, dass die Theka der Becherzellen voll rother Körnchen ist, mit oder ohne gelben Schein (Fig. 9a, b, c auf Taf. IX); häufiger aber ist der Inhalt der Theka farblos, nahezu homogen, schwach wolkig (Fig. 10b, c, e auf Taf. VIII). Dabei liegen oft Becherzellen mit körnigem gelblichem Inhalt der Theka, andere mit körnigem rothen und solche mit homogenem, kaum gefärbten neben einander auf demselben Schnitt, sodass also die Vermuthung, der ich mich lange hingab, diese Unterschiede beruhten auf kleinen Ungleichmässigkeiten der Behandlung, abgewiesen werden muss. Becherzellen mit körnigem und solche mit homogenem Secret sind ja bereits im überlebenden Zustand zu unterscheiden, wie erwähnt. Die Härtung und Färbung lässt uns also noch weitere Unterschiede bezüglich des Inhalts der Theka erkennen). 1) Ich fürchte nicht, dass man mir den Einwand machen werde, die Körnchen seien durch eine Täuschung entstanden, vermöge deren ich dem optischen Durchschnitt der Fäden eines Netzes die Beschaffenheit von Kugeln zugeschrieben hätte. Es handelt sich nicht um einen zweideutigen, sondern um einen sichern, bereits mit mittleren Vergrösserungen völlig klaren Be- fund, der durch starke Objective, sowie durch die Beobachtung mit Conden- sator ohne Blendung bestätigt wird. Es müssten bei einem Netz wenigstens einzelne Fäden in die Ebene des Schnittes fallen, man könnte nicht lauter kreisrunde Contouren sehen (vergl. Fig. 7 b auf Taf. IX). Diese könnten nur dem optischen Durchschnitt paralleler cylindrischer Stäbchen entsprechen, die normal geschnitten sind. Dann wäre es völlig räthselhaft, warum diese immer genau senkrecht auf der Ebene des Schnittes liegen; das heisst, man müsste annähernd ebenso viele Becherzellen mit Körnchen als mit Stäbchen erfüllt sehen. Letztere aber, in der postulirten Regelmässigkeit kommen nicht vor. Und da man in der Seitenansicht der Theka nur Körnchen sieht, müsste sie von oben betrachtet (Fig. 9 b auf Taf. IX) nur Stäbchen enthalten, was nicht der Fall ist. Aber ich habe mich schon zu lange mit der Widerlegung eines Einwandes aufgehalten, den gewiss Niemand machen wird, der diese Sache Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 129 Bei der Maus sind die Becherzellen mit homogenem Secret häufiger als die mit körnigem. Ich habe den Eindruck erhalten, als ob es diesbezüglich individuelle. Verschiedenheiten gäbe. An dem menschlichen Darm sind nach Härtung in Pikrinsäure und Doppelfärbung mit Methylenblau und Bismarekbraun die Körnchen in der Theka sehr deutlich zu sehen (Fig. 19a auf Taf. IX), öfters rund und scharf begrenzt, öfters wie zerfliessend (Fig. 19 b auf Taf. IX). Beim Hund habe ich Becherzellen mit körnigem Inhalt nicht gesehen; der Inhalt derselben war nach jeder Behandlung nahezu homogen und ungefärbt, doch habe ich nur wenig Präparate vom Hund angefertigt. Nach Härtung in Flemming’scher Lösung und Färbung mit Saffranin erhält man an der Maus manchmal ganz vorzügliche Bil- der, mit ausserordentlich dunkler, nur selten lichter, purpurvioletter Färbung des Secrets, rother des tibrigen Gewebes. Auch beim Triton ist der Inhalt der Theka anders gefärbt als das Gewebe. Die Zusammensetzung desselben aus Körnchen wird durch RabV- sche Flüssigkeit gar nicht, durch Flemming’sche Lösung nur unvollkommen erhalten. Der Inhalt der Theka präsentirt sich als eine nahezu homogene Masse, in der nur undeutlich und nicht scharf begrenzt dunklere Partien strangförmig, wolkig, fädig, kör- nig liegen (Fig. 12a, b, c, d,e,f, g auf Taf. VIII, Fig. 13a, b auf Taf. IX). Dasselbe ist der Fall nach Härtung in Rabl’scher Flüssigkeit, die ich nur beim Triton versucht habe (Fig. 5, d, Rache, f außiTaf: IX). Nach Härtung in Alkohol habe ich an der Maus den Inhalt der Theka ebenfalls immer fast homogen gesehen; er färbte sich mit Saffranin kaum, besser mit Jodgrün oder Methylenblau in oben angegebener Weise. Beim Triton erhält Alkohol die Körnchen in der Theka zwar nicht so gut wie Pikrinsäure, — sie sind nie- mals so scharf begrenzt, ich möchte sagen plastisch zu sehen, wie nach letzterer Methode; immerhin trifft man genug Becher- zellen mit braun- oder eosinrothen Körnchen. Häufiger indess ist aus eigener Anschauung kennt. Doch mögen ähnliche Betrachtungen auf die Körnchen der Pankreaszellen Anwendung finden, die ja auch als Netz- werk gedeutet worden sind. Sie sind beim Triton sehr gross und färben sich intensiv, aber ohne Farbenwechsel. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 31. 9 130 Dr. Josef Paneth: das Secret eine Masse, in der sich ein dunkles Gerüstwerk von einer helleren Grundsubstanz unterscheiden lässt (Fig. 7b auf Taf. IX). Das Gerüst zeigt keinerlei Regelmässigkeit. Seine Balken sind dick, nicht scharf begrenzt, fliessen häufig über der Oeffnung der Becherzelle zu einem stark gefärbten Pfropf zusammen, oder stehen in Zusammenhang mit der das Lumen des Darms in langen Fäden er- füllenden, eoagulirten Secretmasse (Fig. 7 a auf Taf. IX). Zwischen den Balken des Gerüstes liegen oft Körnchen, die gelegentlich in die Länge gezogen sind. Es macht ohne Weiteres den Ein- druck, als ob in allen Fällen, wo an diesen Präparaten, wie auch an den mit Flemming’scher Lösung, mit Rabl’scher Flüssigkeit, mit Pikrinsäure conservirten in der Theka stärker und schwächer gefärbte Partien in Form eines Gerüstwerkes zu sehen sind, dies darauf beruhe, dass Körnchen zerflossen sind. Wenn man ein gefärbtes Salz, z. B. chromsaures Kali gepulvert in Wasser ein- trägt, so erhält man farbige Schlieren, die bei einigem Schütteln in der schwächer gefärbten Flüssigkeit annähernd dasselbe Bild geben, wie es die Theka mancher Becherzellen darbietet. Es liegt ja vielleicht zunächst die Annahme nahe, das Gerüstwerk der Becherzellen repräsentire den Rest unveränderten Protoplasmas, in dem das Secret abgelagert sei; wie etwa Glycogen in Leberzellen. Es kann sich aber, wie oben auseinandergesetzt wurde, nicht um Reste des ursprünglichen Protoplasmas handeln — wegen der so characteristischen Farbenreaetionen. Es kann sich auch nicht darum handeln, dass das Secret sich auf Strängen von Protoplasma niedergeschlagen habe und diese umhülle. Solche Stränge von Protoplasma in der Theka müssten vor Allem an den körnchen- erfüllten Becherzellen sichtbar sein, wenn die Körnchen locker liegen, zum Theil ausgestossen sind, wo ja von einem Nieder- schlagen des Secrets auf die Protoplasmastränge nicht die Rede sein kann. Es ist aber Nichts davon zu sehen (Fig. 2b auf Taf. VIII, 4b, 4c auf Taf. IX). An dem Darm des Triton habe ich die Ansicht gewonnen, dass pari passu mit dem Auftreten des Secrets das Protoplasma zu Grunde geht, anders ausgedrückt, dass sich das Protoplasma in Secret verwandelt, und dass zwischen den Secrettröpfehen irgend etwas liegt — vielleicht eine an organischer Substanz sehr arme Flüssigkeit — aber kein Protoplasma (vergl. Fig. 2 aauf Taf. VIII). Was sich in der Becherzelle ähnlich verhält wie das Protoplasma, das liegt in dem „Fusse“, wo ein solcher vor- Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 131 handen ist, in der Umgebung des Kerns, und setzt sich an der ausgebildeten Becherzelle scharf ab vom Seerete. Osmiumsäure in der oben angegebenen Weise angewandt, erhält die Körnchen schlecht, der Inhalt der Theka erscheint nahezu homogen, ziemlich dunkel (Fig. 16a, b auf Taf. VII). Für das von mir untersuchte Object vertrete ich die Ansicht, dass das Gerüst in der Theka — die Filarmasse, fibrilläre Substanz derselben — aus den zerflossenen Körnchen hervorgegangen ist. Dieses Zerfliessen der Körnchen mag schon intra vitam vor- kommen — wir fanden ja beim Triton nach Prikrinsäurehärtung die Anzeichen davon; oder es geschieht unter dem Einfluss des Reagens (Rabl’sche Lösung u. s. £.). Selbstverständlich habe ich kein Recht, meinen Befund ohne Weiteres zu verallgemeinern. Es könnte sehr wohl sein, dass an Becherzellen anderer Provenienz die Theka von Resten unver- änderten Protoplasmas durchsetzt würde; ich habe darüber kein Urtheil abzugeben. Einen wichtigen und wesentlichen Unterschied könnte ich darin nicht erblicken. Dem Secret der Becherzellen sind bei der Maus und beim Triton gewisse Eigenschaften gemeinsam: das Auftreten in Körn- chen, welche auf gewisse Farbstoffe, wie Jodgrün und Saffranin in derselben Weise verändernd einwirken und sich bei der Maus ausschliesslich, beim Triton vorzugsweise in Pikrinsäuse conserviren lassen, in Flemming’scher Lösung dagegen zusammenfliessen und dann anders auf Saffranin wirken u.s.f. Dagegen sind die Becher- zellen mit farblosem, nahezu homogenem Secret#) der Maus eigen- thümlich. Jene Aehnlichkeiten sind sehr auffallend ; völlige Identität der chemischen Processe beweisen sie jedoch angesichts der zuletzt erwähnten Verschiedenheit nicht. Die Menge des Protoplasma relativ zu der des Secrets ist in den Becherzellen verschieden. Zwei oder mehrere Kerne in einer Becherzelle habe ich niemals gesehen, ebensowenig irgend welche Anzeichen von Kerntheilung. Vor allem lag niemals ein Kern in dem Seeretraum. Die Wanderzellen im Epithel könnten 1) List bildet übrigens (l. e. Taf. XXVIII, Fig. 5, Taf. XXX, Fig. 8) aus dem Darm anderer Wirbelthiere (Katze, Falke) Becherzellen mit „Filar- masse“ ab, wenn auch letztere nicht so deutlich und scharf ist, als sonst in seinen Zeichnungen, nach Härtung in Müller’scher Flüssigkeit, 133 Dr. Josef Paneth: gelegentlich, aber selten, vortäuschen, dass dies der Fall sei (Fig. 4b auf Taf. IX). Die bis jetzt beschriebenen Verhältnisse beziehen sich auf die grosse Mehrheit der Becherzellen. Man hat aber auch davon abweichende Befunde, welche sich auf das Entstehen der Becher- zellen beziehen. Man findet Zellen, die sich als gewöhnliche Epi- thelzellen darstellen, in deren Protoplasma eine Masse von ähn- licher Beschaffenheit wie das Secret der Becherzellen abgelagert ist!). Am Triton sieht man nach Pikrinsäurehärtung an der mit unver- ändertem Bourrelet versehenen Zelle (Fig. 2a, 2b auf Taf. VIII) zwischen dem Kern und diesem einen rundlichen, grösseren oder kleineren, nicht scharf begrenzten Raum, der in hellerer Grund- substanz intensiv gefärbte Körnchen enthält. Von der Maus zeigt Fig. 11a auf Taf. VIII einen derartigen Befund nach Härtung in Pikrinsäure und Färbung mit Hämatoxylin nach Heidenhain. Das Secret liegt als schwach gefärbter Tropfen in der Zelle. Die- selben Bilder, nur dass das Secret anders aussieht, erhält man von dem Triton nach Härtung in Rabl’scher Flüssigkeit und Färbung mit Saffranin (Fig.5a,6a auf Taf. VII) und von der Maus nach Härtung in Flemming'’scher Lösung und Färbung mit Saffranin (Fig. 12a, bauf Tafel. VIII). Man sieht beim Triton weiters Bilder, welche eine grössere Menge des Protoplasma in Secret verwandelt zeigen, wo dieses nahe an das Bourrelet heranrückt (Fig. 6e auf Taf. VIII bei b), endlich wo noch ein unregelmässiger Schopf von kurzen Stäbehen auf der Becherzelle aufsitzt (Fig. 6 b auf Taf. VII bei b). Diese Bilder lassen sich nicht anders deuten, denn als Uebergangsstadien, welche die Entstehung von Becherzellen aus gewöhnlichen Epithelien darstellen. Dabei wird das Bourrelet entweder abgehoben oder durchbrochen, manchmal an einer engen Stelle (Fig. 5d auf Taf. VIll). Fällt diese nicht in den Schnitt, was an dünnen Schnitten beim Triton leicht geschehen kann, so sieht es aus, als läge Secret vor und hinter dem Bourrelet (Fig. 5cauf Taf. VIII bei b‘), somit, als sei der Inhalt der Theka durch das unversehrte Bourrelet durchgedrungen. Dies beruht aber auf der angegebenen Täuschung. 1) Auf diese Befunde bezieht sich vornehmlich das, was ich Eingangs über die Nothwendigkeit gesagt habe, dass die Schnitte annähernd normal zur Oberfläche des Epithels seien. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 133 Becherzellen entstehen somit aus gewöhnlichen Epithelzellen dadurch, dass sich ein Theil des Protoplasmas dieser in Secret verwandelt. Dieses Secret muss quellungsfähig sein, es muss fähig sein, unter gewissen Umständen einen grösseren „osmotischen Druck“ auszuüben, als das Protoplasma der Nachbarzellen, denn der Theil der Becherzelle, in dem es sich befindet, wird ausge- baucht, verdrängt die Nachbarzellen. Dabei erleiden Kern und der nicht in Secret verwandelte Theil des Protoplasma die oben erörterten Veränderungen. Das Bourrelet wird abgehoben oder durchbrochen, und der Inhalt der Theka ergiesst sich in den Darm. Nach Entleerung der Theka bleibt diese zurück und ihre Wandung ist scharf contourirt zu sehen, manchmal etwas gefaltet. Die schärfere Contour führe ich mit Brettauer und Steinach!) darauf zurück, dass nach Entleerung des Secrets eine wenig licht- brechende Substanz in der Theka ist, dass also eine stärkere Re- flexion des Lichts an der Innenseite derselben stattfindet (Fig. 6.d, 6f auf Taf. VIII, Fig. 9d auf Taf. IX, Fig. 12 h auf Taf. VII). Diese scharfe Contour unterscheidet leere Becherzellen von solchen mit wenig gefärbtem Inhalt. Ich habe Nichts gesehen, was mich zu schliessen berechtigte, dass je die ganze Becherzelle entleert würde; alles deutet darauf hin, dass Kern und protoplasmatischer Theil zurückbleiben?). Was wird daraus? Man findet sowohl bei der Maus als beim Triton nach ver- schiedenen Behandlungen „schmale Zellen“ im Epithel (Fig. 3, 5c, 6e, 10d, 20a auf Taf. VIII bei s). Diese Zellen haben ein Protoplasma, welches sich von demjenigen der anderen Epithel- zellen unterscheidet wie das der Becherzellen; sie sind schmal; 1) Brettauer und Steinach, Untersuchungen über das Cylinder- epithelium der Darmzotten und seine Beziehung zur Fettresorption. Wiener acad. Sitzungsber. Mathem.-naturw. Olasse 1857, I, p. 308. Was die Mem- bran der Cylinderepithelien auf den Zotten überhaupt betrifft, so schliesse ich mich diesbezüglich an die erwähnten Autoren an: sie ist dütenförmig, oben und unten offen. Man sieht sie gelegentlich an Schnitten durch Schrum- pfung des Protoplasmas isolirt: Fig. 12 a auf Taf. VII. 2) Man sieht manchmal am Triton im Fuss der Becherzelle eine Grenze, welche anzudeuten scheint, wo die Trennung stattfindet (Fig. 6b, c auf Taf. VIII). Darnach würde ein geringer Theil des Protoplasma mit entleert. Ich weiss aber nicht ob das immer der Fall ist. Aehnliches beschreibt B. Haller (s. u.) von den Becherzellen aus der Mundhöhle gewisser Mollusken. 134 Dr. Josef Paneth: ihr Kern zeigt alle Uebergänge zwischen der Beschaffenheit des Kerns der Epithelzellen, und derjenigen der Becherzellen!). In manchen Fällen haben diese „schmalen Zellen“ ein Bourrelet, in anderen fehlt es ihnen. Vergleicht man nun den protoplasmati- schen Theil von Becherzellen, deren Theka noch voll Secret ist, dann solcher mit gänzlich (Fig. 6d, 6 f auf Taf. VIII, Fig. 9 d auf Taf. IX) oder theilweise (Fig. 12 h auf Taf. VIII) entleerter Theka mit den daneben abgebildeten „schmalen Zellen“ (Fig. 6e), so ge- langt man zu der Ueberzeugung, dass die schmalen Zellen nichts Anderes sind, als die Reste von Becherzellen. Das Epithel des Darms ist, wie dies von Brücke?) bemerkt worden ist, bei den Formveränderungen der Zotten vielfachen Schwankungen des Drucks ausgesetzt. Diese Formveränderungen der Zotten können sowohl durch die eigene Muskulatur derselben, als auch bei der peristaltischen Bewegung durch den Druck des Darminhalts oder durch den Druck, den die Zotten gegenseitig auf einander ausüben, bewirkt werden. Sie sind von Gruby und Delafond und Brücke in vivo gesehen worden. Wie an anderen Orten (Harnblase, Lunge) wird auch hier nothwendig mit der Aenderung der Oberfläche, die es zu überziehen hat, die Gestalt des Epithels eine andere; so erklärt es sich, dass so verschieden- artige Formen der Epithelzellen und Becherzellen im Darm ge- funden werden ?). 1) Man könnte daran denken, dass diese Beschaffenheit der „schmalen Zellen“ blos davon herrührt, dass sie plattgedrückt sind, und von der Kante gesehen werden. Dann müsste man aber andererseits helle und breite Zellen mit hellen und breiten Kernen finden, was nicht der Fall ist. Endlich zeigt die Flächenansicht des Epithels (Fig. 20b auf Taf. VIII) dieselben schmalen Zellen mit dunklerem Protoplasma. 2) E. Brücke, Chylusgefässe und Resorption des Chylus. Denkschriften der Wiener Acad. der Wissensch. Mathem.-naturw. Classe VI, 1854. 3) Einen derartigen, extremen Fall vom Hunde habe ich abgebildet (Fig. 18 a auf Taf. VIII). Von zwei gegenüberliegenden Zotten, die beide an dieser Stelle normal geschnitten waren, hatte die eine ein hohes eylindrisches, die andere ein plattes Epithel. Entsprechend sind auch die Kerne verändert. Auf diese Veränderlichkeit des Epithels unter dem Einfluss der Bewegung der Zotten und des Darms hat. F. Graf Spee (Beobachtungen über den Be- wegungsapparat und die Bewegung der Darmzotten ete. Arch. f. Anat. (und Physiol.) 1885, p. 159) aufmerksam gemacht. Eine gewisse Ductilität des Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 135 Wir können uns vorstellen, dass der Inhalt der Theka, welche gegen das Lumen hin völlig offen ist, welche weder Zellmembran noch Bourrelet besitzt, bei solchen Zerrungen und Pressungen des Epithels mechanisch entleert wird. Wir können auch annehmen, dass während der Verdauung eine stärkere seröse Durchfeuchtung der Darmschleimhaut eintritt (die Hyperaemie derselben ist ja constatirt), dass der Inhalt der Theka erweicht wird, zum Theil von selbst vorquillt, zum Theil hinausgedrückt wird. Jede dieser Hypothesen erklärt, dass man in dem leeren Darm mehr gefüllte Becherzellen findet, als in dem verdauenden. Lässt man Mäuse hungern, füttert sie dann und tödtet sie 2—5 Stunden später, so findet man in ihrem Darm auffallend viele Becherzellen mit kleiner Theka und schmale Zellen, hingegen wenig grosse volle Becher- zellen — was ebenfalls dafür spricht, dass schmale Zellen aus Becherzellen entstehen). Ob die Entleerung der Becherzellen mit einem Ruck oder allmählich geschieht, darüber können nur direete Beobachtungen Aufschluss geben. Aus den schmalen Zellen werden nun nach meiner Ansicht Darmepithels und Formveränderungen desselben (freilich auf dem Object- träger) erwähnt auch W. Dönitz (De tunicae intestinorum villosae epithelio. Inaug.-Diss. Berolini 1864). Ja er sagt (p. 21) sogar: „Cujus rei ut exem- plum afferam, cellulas intestinales muris recens (sic!) necati cylindratas inveni, longitudine tam exigua, ut fere cubicas aut globosas diceres“. Nachdem der Darm einige Tage in Chromsäure verweilt hatte, waren alle Zellen in die Länge gezogen, trichterförmig. Darnach ist klar, dass Dönitz die Variabilität der Form des Darmepithels zuerst beschrieben hat, wenn auch ohne dieselbe zu den Bewegungen der Zotten in Beziehung zu bringen. Inwieweit derartige Formveränderungen des Darmepithels im Sinne Spina’s (Untersuchungen über die Mechanik der Darm- und Hautresorption. Sitzungsber. d. Wien. Acad. d. Wiss. Mathem.-naturw. Classe LXXXIV, 3, p. 191, 1882) auf activen Contractionen desselben beruhen, darauf soll hier nicht eingegangen werden. 1) Die Versuche mit Hunger und Fütterung führten beim Triton zu keinem Resultate, was den Zusammenhang zwischen Nüchternheit und Ver- dauung einerseits, Zahl der Becherzellen andererseits betrifft. Sie waren übrigens nicht zahlreich. Die Menge der Becherzellen schwankt, im Allge- meinen sind sie reichlich vorhanden. Es versteht sich von selbst, dass die Angaben über die Menge der Becherzellen sich auf den Totaleindruck be- ziehen, den die Durchmusterung zahlreicher Abstreifpräparate und Schnitte von verschiedenen Stellen des Dünndarms in jedem Fall hervorbrachte. 136 Dr. Josef Paneth: wieder gewöhnliche Epithelien. Dafür spricht vor Allem der Um- stand, dass man sie mit dem charakteristischen Merkmal der Dünn- darmepithelien, mit dem Bourrelet versehen, und auch sonst Ueber- gangsstufen findet. Demgemäss würde jede Epithelzelle des Darıns von Zeit zu Zeit sich in eine Becherzelle verwandeln — wie oft, in welehen Intervallen, darüber weiss ich nichts. Sie würde ihr Secret vornehmlich während der Verdauung entleeren, und dann wieder zu einer gewöhnlichen Epithelzelle werden. Dieser Process, durch den also dieselbe Zelle bald als absorbirendes, bald als secernirendes Organ thätig ist, würde sich unbestimmt oft wieder- holen, so lange eben die Zelle existirt!). Mit der Umwandlung eines Theils des Zellleibes in Secret erleidet in den meisten Fällen auch der nicht in Secret verwan- delte, protoplasmatisch bleibende Theil der Zelle gewisse Verän- derungen; ebenso der Kern. Es geht nicht an, zu sagen, die Epithelzellen verwandelten sich zuerst in „schmale Zellen“, dann erst in Becherzellen, weil man ja die Secrettropfen in gewöhnlichen Epithelzellen findet. Aus demselben Grunde geht es auch nicht an, sich die Sache so vorzustellen, als blieben die „schmalen Zellen“ ein für allemal 1) Ich bin geneigt, auch gewisse Einkerbungen des Epithels, in deren Grunde eine kleine Zelle liegt, die nur niedriger und schmäler ist als die übrigen, sich aber sonst nicht von ihnen unterscheidet (Fig. 12i, k auf Taf. VIII), mit dem Process, welcher Becherzellen bildet, in Verbindung zu bringen, weil ich in einer solchen Kerbe öfters Secrettropfen gesehen habe (Fig. 12i auf Taf. VIII) und von ihnen zu halbentleerten Becherzellen (Fig. 12h auf Taf. VIII) ein natürlicher Uebergang stattfindet. Es könnte von den Druck- verhältnissen im Epithel abhängen, ob sich aus dem protoplasmatischen Theile von Becherzellen „schmale“ oder „niedrige“ Zellen bilden. Diese Einkerbungen des Epithels scheint auch F. Graf Spee (l. ce.) mit Becherzellen in Verbin- dung zu bringen, indem sie dort entstünden, wo eine Becherzelle sitzt. Die benach- barten Epithelzellen neigen sich zusammen, gegen den Ort zu wo eine niedrige Zelle sitzt (Fig. 12k auf Taf. VIII). Auch Grünhagen (Ueber Fettresorption und Darmepithel. Dieses Arch. XXIX, p. 139, 1887) hat wohl Aehnliches gesehen, glaubt aber, dass eine derartige Einziehung, auf deren Grunde das Epithel fehlt, sich regelmässig an der Spitze der Zotte finde, als ein Porus oder Stoma, durch welches das bindegewebige Stroma der Zotte direct, ohne Vermittlung des Zottenepithels mit dem Darmchymus in Verkehr trete. Ich habe ein derartiges Fehlen des Epithels auf dem Grunde der Einziehungen nicht beobachtet. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 137 Secretionszellen. Dagegen spricht auch die wechselnde Zahl, die . durchaus regellose Anordnung der Becherzellen. Man findet ge- legentlich zwei derselben neben einander; oder es ist streckenweise beim Triton jede zweite Zelle eine Becherzelle. Bei einer Schild- kröte, die viele Monate lang gehungert hatte, fand ich den grösseren Theil der Epithelzellen in Becherzellen verwandelt!). Im Ganzen weiss ich keine Darstellung des Processes, welche allen Erschei- nungen so gut entspräche, als die von mir versuchte. Es liegt nahe, weiter zu gehen. Es liegt nahe, den Process der Enstehung von secernirenden Zellen aus Epithelzellen weiter in seine Details zu zerlegen. Ein erstes Stadium wäre das Auf- treten einer Vacuole mit dem charakteristischen Seeret in Körn- chenform. Immer mehr Protoplasma verwandelt sich in diese Körnchen mit der Substanz in der sie liegen. Diese würden ent- weder schon (bei der Maus) in der Zelle eonfluiren, und dabei jene Veränderungen durchmachen, durch welche sie ihre Färbbar- keit (mit Saffranin nach Pikrinsäurebärtung) verlieren, oder erst im Lumen des Darms und nur ausnahmsweise schon in der Theka zusammenfliessen (Triton). Doch möchte ich hierin nicht zu weit gehen. Der Unsicherheit, welche jeder Darstellung eines Processes anhaften muss, den man nicht unmittelbar beobachten kann, sondern aus Bildern construirt, die man gesehen hat, und als Repräsen- tanten der einzelnen Stadien desselben auffasst, bin ich mir wohl bewusst. Als sicher gestellt betrachte ich — mit dieser Restrietion — die Entstehung von Becherzellen aus Epithelzellen; die Ent- leerung derselben während der Verdauung; die Entstehung „schma- ler Zellen“ aus dem protoplasmatischen Theil und Kern von Becherzellen. Wahrscheinlich ist mir, dass aus schmalen Zellen wieder gewöhnliche Epithelzellen werden ?) und dass sich der ganze Vorgang in dem Leben jeder Epithelzelle öfters wiederholt. 1) J. Machate (Untersuchungen über den feineren Bau des Darm- kanals von Emys Europaea. Inaug.-Diss. Würzburg 1878) fand bei diesem Thier im Mitteldarm Becherzellen in sehr wechselnder Menge. Dass man Becherzellen an demselben Ort bald reichlich, bald spärlich findet, ist sehr vielen früheren Beobachtern aufgefallen und gilt durchaus nicht blos vom Darmcanal. 2) Dafür, dass unter normalen Verhältnissen das Zottenepithel nur einer sehr geringfügigen Abnützung unterliegt, ist ein additioneller Beweis die Abwesenheit karyokinetischer Figuren in demselben. Ich habe bei der 138 Dr. Josef Paneth: In den Figuren 6a, b, c, d, e, f auf Taf. VIII (vom Triton), in den Figuren 10a, b,c,d,e, 123,b,c,d,e&,h,i,k auf Taf., VIII (von der Maus) habe ich die einzelnen Stadien der Seeretion der Darmepithelien nach meiner Auffassung zusammengestellt. Möge darnach der Leser beurtheilen, welcher Grad von Wahr- scheinlichkeit meiner Darstellung innewohnt.- Ich möchte anhangsweise einige Bemerkungen mittheilen, (wesentlich zum besseren Verständniss meiner Abbildungen), die sich auf Verhältnisse am Darmepithel beziehen, die nicht im Vor- dergrunde meiner Aufmerksamkeit standen. 1. Das Bourrelet. Es ist bekannt, dass bald nach der Entdeckung!) der Streifung des Bourrelets?) durch Kölliker und Funke?°) Brettauer und Steinach (l. ec.) nachwiesen, dass Maus niemals eine solche an dieser Stelle gesehen. Epithelien, deren physio- logische Abnützung sicher steht, enthalten bekanntlich karyokinetische Fi- guren. Ich habe auch niemals Bilder gesehen, die auf directe Kerntheilung im Epithel schliessen liessen. Dies ist selbstverständlich nur ein wahrschein- licher Grund gegen die Annahme, dass Becherzellen zu Grunde gehen, da ja die Möglichkeit besteht, dass auf anderem Wege, als durch Vermehrung der Epithelzellen Ersatz geschafft würde; doch ist ein derartiger Schluss aus dem Vorhandensein oder Fehlen von Mitosen auf das physiologische Maass des Absterbens von Zellen in dem betreffenden Organ der Biologie heutzu- tage sehr geläufig. 1) Das Bourrelet ist bereits von Henle gesehen worden (J. Henle, Symbolae ad anatomiam villorum intestinalium. Berolini 1837). Er beschreibt (p. 19) eine Linie, welche nahe dem oberen Rande der Cylinderzellen ver- läuft, wenn man diese von der Seite betrachtet, so dass denselben eine dünne Lamelle von 0012—0015 Linien aufzuliegen scheint. Sie täuscht ein Platten- epithel vor, Henle erklärt sie jedoch für ein optisches Phänomen. 2) Der Name „Bourrelet“, den ich gebrauche, stammt von Gruby und Delafond (Rösultats des recherches faites sur l’anatomie et les fonctions des villosites intestinales. Comptes Rendus 1843, p. 1194). Synonyme: Stäbchensaum, Basalsaum, Porenmembran, Stäbchencuticula. 3) 0. Funke, Beiträge zur Physiologie der Verdauung. Zeitschr. f. wiss. Zoologie VII, p. 315, 1856. F. giebt bereits an, „der Anblick war täuschend derselbe, als ob dichtgedrängte ruhende Flimmerhärchen einander parallel auf den in einer Reihe liegenden Zellenbaser stünden. — Selbst jede isolirte Zelle glich täuschend einer Flimmerzelle.“ Er sah „nur bei wenigen auf das Deutlichste einen Büschel divergirender, mit den Spitzen deutlich von einander abstehender Stäbchen oder Härchen“. — Ja er sagt sogar: „Es wäre voreilig anzunehmen, dass die dunkeln Streifen der Ausdruck feiner Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 139 dasselbe sich je nach dem Functionszustand der Zelle verschieden darstellt: breit und deutlich aus kurzen Stäbchen bestehend an hungernden Thieren, schmal und ohne Streifung an solchen Zellen gefütterter Thiere, die in Resorption begriffen und mit Fetttröpf- chen erfüllt waren. Sie bildeten diese verschiedenen Zustände ab (Fig. 3, 4), sie machten darauf aufmerksam, dass zwischen dem Zellleib und den Stäbehen des Bourrelets eine helle Linie liege (Fig. 1, 2, 3). Es wurden im Laufe der Zeit mannigfaltige An- schauungen über diesen Gegenstand geäussert, die ich nur kurz und ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, erwähnen will: Die Epithelzellen hätten einen Kragen, und innerhalb dieses Kragens lägen die Stäbehen!). Die Stäbchen sollten bei der Fettresorption sich bewegen (was v. Thanhoffer allerdings nur an Fröschen mit durchsehnittenen hinteren Wurzeln oder zerstörtem Rückenmark gesehen hat) und das Fett activ aufnehmen. Während die Exi- stenz eines Kragens, wie ihn v. Thanhoffer den Epithelzellen zu- schrieb, von Eimer?) bestritten worden und, wie ich glaube, als unvereinbar mit den Befunden dargethan ist} sind die Bewegungen der Stäbehen von Fortunatow?°) an Fröschen, wenn auch nur in sehr wenigen Fällen, wiedergesehen worden. Wiedersheim‘) Porenkanäle wären.“ Kölliker (Nachweis eines besonderen Baus der Cylinder- zellen des Dünndarms, der zur Fettresorption in Bezug zu stehen scheint. Würz- burger Verhandlungen VI, p. 253, 1856) erklärte die Querstreifung des Saums bekanntlich für den optischen Ausdruck von Porenkanälchen. In der letzten Auflage seines Lehrbuchs (Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1867) hält Kölliker an dieser Auffassung fest. 1) L. v. Thanhoffer, Beiträge zur Fettresorption ete. Pflüger’s Arch. VII, p. 391, 1874. Der Inaugural-Dissertation von Wiegandt, (Untersuchungen über das Dünndarm-Epithelium und dessen Verhältniss zum Schleimhautstroma, Dorpat 1860), entnehme ich die Notiz, dass M. Schiff (Moleschott’s Untersuchungen p. 355) derartige Bewegungen vermuthet hat, ohne sie zu sehen, und die Aufnahme von Fett durch die Darmepithelien mit der Ernährungsweise von Infusorien (wir würden sagen „Rhizopoden“) in Parallele gestellt hat. 2) Th. Eimer, Neue und alte Mittheilungen über Fettresorption. Biolog. Centr.-Bl. IV, p. 580, 1834. 3) Fortunatow, Ueber die Fettresorption und histologische Structur der Dünndarmzotten. Pflüger’s Arch. XIV, p. 285, 1877. 4) Wiedersheim, Ueber die mechanische Aufnahme der Nahrungs- mittel in der Darmschleimhaut. Festschrift der 56. Versammlung deutscher 140 Dr. Josef Paneth: sah diese Bewegungen am Darm von Spelerpes fuscus und junger Haifische. ©. Wiemer!) schliesst sich dieser Auffassung an, nach welcher die Darmepithelien ihre Nahrung nach Art der Rhizopoden zu sich nehmen sollten’); er glaubt an gehärteten Präparaten Bilder gesehen zu haben, weiche auf Fixirung der Härchen wäh- rend der Bewegung schliessen lassen. Von Lehrbüchern nimmt nur dasjenige von Landois?) diese Ansicht an und sucht die- selbe durch Analogien an der äusseren Bedeekung von Band- würmern zu stützen. Ich habe am überlebenden Präparat von Maus und Triton nichts dergleichen gesehen, ebensowenig an ge- härteten Objeeten Andeutungen von Pseudopodien. Ich kann die Angabe von Brettauer und Steinach über das verschiedene Aussehen des Bourrelets je nach dem Functions- zustand bestätigen*); diese Thatsache ist auch von Eimer?) im Wesentlichen wieder gefunden worden. Die Zusammensetzung des Bourrelets aus Stäbchen ist an Präparaten von hungernden Thieren, die in Alkohol gehärtet sind, am deutlichsten zu sehen (Fig. 17, 13b auf Taf. VIII), am allerbesten am Triton. Härtet man Darm von hungernden Mäusen in Osmiumsäure oder Flemming’scher Lösung, so findet man hingegen das Bourrelet als einen völlig homogenen breiten Saum meistens ohne eine Andeutung von Streifung; er wird durch Os- miumsäure ziemlich stark gebräunt (Fig. 16a, bauf Taf. VIII) und Naturforscher und Aerzte zu Freiburg i. B. 1883, eit. nach der Inaug.-Diss. von Wiemer. 1) Wiemer, Ueber den Mechanismus der Fettresorption. Inaug.-Diss. Bonn 1884. 2) Bereits Gruby und Delafond (l. c.) beschreiben an dieser Stelle „des corps vibratils“, die vielleicht durch ihre Bewegungen den Chylus hin und her schieben. Ob sie nicht einer Täuschung durch ceilientragende Infu- sorien unterlegen sind? Der Darm gefütterter Mäuse ist voll davon. 3) Landois, Lehrbuch der Physiologie der Menschen. 1881, p. 357 ft. 4) An dem Epithel des tieferen Theils der Lieberkühn’schen Krypten von Maus, Hund, Mensch habe ich niemals ein gestreiftes oder aus Stäbchen zusammengesetztes Bourrelet gesehen. Vgl. weiter unten. 5) Th. Eimer, Die Wege des Fetts in der Darmschleimhaut bei seiner Resorption. Virchow’s Arch. XLVIH, p. 119, 1869. Es ist selbstverständ- lich, dass ein Urtheil über die Breite des Bourrelet nur an solchen Stellen gefällt wurde, wo der Schnitt die Oberfläche des Epithels normal getroffen hatte. (S. o.) Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 141 färbt sich nach Härtung in Flemming’scher Lösung mit Saffra- nin intensiv rothbraun; ebenso ist sein Farbenton nach Färbung mit Jodgrün von demjenigen des Gewebes verschieden. Pikrinsäure macht die Zusammensetzung des Bourrelets aus Stäbehen ziemlich deutlich, aber nieht so eelatant wie Alkohol; es färbt sich ziem- lieh intensiv (Fig. 9a, e auf Taf. IX). Bei der Maus scheint häufig zwischen den Stäbchen und dem Zellprotoplasma noch eine glänzende, stark gefärbte Linie zu liegen; beim Triton ist diese weniger deutlich, fehlt auch wohl ganz und unterscheidet sich über- haupt der Saum in seinem Verhalten gegen Färbungs- und Fi- xirungsmittel weniger vom Protoplasma der Zelle. Ich glaube, diese Angaben werden zeigen, dass bei der Maus das Bourrelet vom Protoplasma der Zelle verschieden ist und dass man also nicht die Stäbehen desselben einfach als Fortsetzung der „Filar- masse“ der Zelle auffassen kann, die am freien Ende der Zelle eine so mächtige Entwickelung gewinnt, dass von der Interfilar- masse nichts mehr übrig bleibt }). Eine sichere Ansicht über das Wesen des Bourrelets, über die Art und Weise, wie es aus einer Erscheinungsform in die andere übergeht, habe ich nicht gewonnen. Nur dass es unter gewissen Umständen (Darm hungernder Thiere überlebend, oder in Alkohol gehärtet) aus Stäbchen besteht, ist sicher. Am plau- sibelsten erscheint mir die Ansicht Eberths?), weiche derselbe an einem ähnlichen Objeet, wie das uns beschäftigende, nämlich an der Cuticula der Epidermiszellen von Froschlarven durch Be- handlung mit Chlorgold gewonnen und mit Beziehung auf das Bourrelet des Darmepithels ausgesprochen hat. Darnach bestünde es aus „festeren, stärker lichtbrechenden Stäbchen und einer die- selben zusammenhaltenden weicheren Zwischensubstanz*?). Aen- derungen im Lichtbrechungsvermögen und in der Dicke der Stäbehen, wie sie durch Quellung zu Stande kommen, können dann die Stäbehen unsichtbar machen, ebenso eine starke Bräu- 1) C. Rabl, Zelle und Zelltheilung. Morpholog. Jahrb. X, p. 299. 2) C. J. Eberth, Zur Entwickelung der Gewebe im Schwanze der Froschlarven. Dieses Archiv II, p. 490, 1866. 3) Auch Eberth findet an seinem Object ausgesprochene Differenzen zwischen dem Verhalten dieser „Stäbchen-Cuticula“ und des Zellprotoplasma gegen Chlorgold. 142 Dr. Josef Paneth: nung der zwischen den Stäbchen liegenden Masse; und so würde die Annahme Eberth’s, auf das Darmepithel übertragen, einem Theil meiner Befunde entsprechen. 2. Das Protoplasma der Epithelzelien. Dieses macht an Alkoholpräparaten von der Maus sowie an solchen, die in Os- miumsäure gehärtet sind, streckenweise den Eindruck, als sei es nicht gleichförmig, sondern als bestände um den Kern herum eine dünnere, lichtere Zone. Von da gegen das Bourrelet nimmt die Intensität der Färbung allmählich zu, unmittelbar vor dem Bourre- let ist ein helles, nicht granulirtes Band (Fig. 16a, b, 17, 18b auf Taf. VIII). Man sieht ferner in dem Protoplasma der Epithelien von der Maus eine feine Längsstreifung sowohl am überlebenden Präparat, als auch nach verschiedenen Härtungen, sehr deutlich nach Osmiumsäure (Fig. 16a, b, 10d, 10e, 12f auf Taf. VIII). Auch diese tritt nicht an allen Zellen hervor, ist übrigens von mir an hungernden Mäusen besonders deutlich gesehen worden!?). Es kann sich also nicht um reihenweise angeordnete Fetttröpfehen handeln. Welehem Structurverhältniss das Bild in Wirklichkeit entspricht, weiss ich nicht. Es können reihenweise angeordnete Körnchen sein, oder Fäden, oder feinste Kanälchen. Sind es Fäden, so sind sie ungemein viel feiner als die Stäbchen des Bourrelet, und es reicht die Längsstreifung nicht bis an das Bourrelet. Die Stäbchen desselben könnnen also nieht die Fortsetzung der Fäden im Proto- plasma sein. Die Längsstreifung der Zellen hört vor dem Kern auf. 3. Wanderzellen im Epithel. Bei der Maus sowohl als auch beim Triton finden sich zwischen den Epithelzellen ?) Kerne von unregelmässiger Gestalt, grob granulirt, stark gefärbt (Fig. 4a, 4b, 9e auf Taf. IX, Fig. 5a, 6f auf Taf. VIII bei w). 1) Virchow scheint dasselbe gesehen zu haben. (Ueber das Epithel der Gallenblase und über einen intermediären Stoffwechsel. Virch. Arch. XI, p- 571, 1857). Ebenso Klein (l. e.), Rabl (l. e.). Spina (l. c.) beschreibt eine Längsstreifung am Epithel des Darmes von Musca. Beim Triton ist sie mir nicht aufgefallen. 2) Ich bin, auch ohne die Sache speciell verfolgt zu haben, nach allen früheren Beobachtungen überzeugt, dass sie auch in den Epithelzellen liegen. Stöhr (Ueber Mandeln und Balgdrüsen. Virch. Arch. XCVII, 1884) fand sie in geschichteten Plattenepithelien immer zwischen den Zellen, erwähnt aber (p. 229, Anm. 2), dass sie im Darm auch in die Zellen einwandern und zu der Annahme endogener Zellbildung Veranlassung geben. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 143 Sie sind viel zahlreicher als man nach meinen Abbildungen ver- muthen würde, weil ich bei der Darstellung der Klarheit wegen Stellen bevorzugte, an denen sie nicht oder nur spärlich vorbanden waren. Selten nimmt man an ihnen ein wenig Protoplasma wahr, meistens sehen sie nackt aus, liegen auch wohl in einem Hohl- raum (Fig. 4b auf Taf. IX, 5a auf Taf. VIII). Sie finden sich häufig zwischen den basalen Enden der Epithelien, sehr selten, ich möchte sagen bei der Maus niemals, gegen die’freie Fläche derselben. Eine Auswanderung derselben in das Lumen des Darms habe ich ebensowenig wie v. Davidoff!) gesehen, vor Allem nicht an sefütterten Thieren. Sie ist jedenfalls sehr selten, wenn sie über- haupt stattfindet. Ich schliesse mich jenen Autoren an, welche in diesen Gebilden Wanderzellen sehen, analog denjenigen, auf welche auf einem anderen Gebiete, nämlich den Tonsillen, neuer- dings Stöhr?) aufmerksam gemacht, deren Vorkommen und Formen in dem Haut- und Cloakenepithel verschiedener Fische List?) beschrieben und abgebildet hat, die an unserem Object von Eberth und Arnstein (s. u.) beschrieben worden sind. Dafür, dass sie an den Tonsillen zahlreich an die freie Ober- fläche des Epithels kommen, kann man in Folgendem den Grund finden. Wanderzellen bleiben nur dann beweglich, wenn sie freien Sauerstoff zur Verfügung haben). Solcher findet sich in der Mundhöhle, nicht aber im Darm’). Dem entsprechend werden die Wanderzellen im Darm die zu ihrer Bewegung nöthigen Be- dingungen um so weniger finden, je mehr sie sich der Oberfläche nähern. Ihnen, wie es neuerdings geschehen ist, die ganze Ar- beit der Fettresorption aufzuladen, scheint mir völlig unmöglich, aus dem Grunde, weil sie sich auch an gefütterten Mäusen gegen 1) M. v. Davidoff, Untersuchungen über die Beziehungen des Darm- epithels zum lymphoiden Gewebe. Dieses Arch. XXIX, p. 495, 1887. 2) Ph. Stöhr, Zur Physiologie der Tonsillen. Biolog. Centr.-Bl. II, p- 368, 1882 und 1. c. 3) J. H. List, Ueber Wanderzellen im Epithel. Biolog. Centr.-Blatt V, p- 369, 1886, sowie eine ausführliche Arbeit in diesem Archiv (XXVII, 1886). 4) Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. Deutsch von Ni- cati und Wyss. Leipzig 1877, p. 156 ft. 5) Maly, Chemie der Verdauungssäfte. In Hermann’s Handbuch der Physiologie V, 1, p. 249. Leipzig 18853. 144 Dr. Josef Paneth: die freie Oberfläche zu so spärlich finden. Diese Theorie ist übrigens in der oben eitirten Jnauguraldissertation von Wiemer, sowie neuerdings von Grünhagen (l.c.) zurückgewiesen worden. Aber auch der Meinung v. Davidoffs (l. e.), der aus den Kernen der Epithelzellen die Kerne der Wanderzellen durch so- genannte direete Kerntheilung hervorgehen lässt, kann ieh mich durchaus nicht anschliessen. Ich habe diese Wanderzellen bei der Maus und beim Triton ungemein häufig, direete Kernthei- lung nie gesehen — wenn man nicht jeden eingeschnürten Kern (z. B. Fig. 2a auf Taf. VIIl) als Beweis dafür ansehen will. Das geht aber umsoweniger an, als ja alle Analogien dagegen sprechen, dass in fixen Epithelien die Kerne sich anders als auf mitotischem Wege vermehren, und als hier noch überdies der Abkömmling seinem Erzeuger recht unähnlich sein müsste. Auch eine freie Kernbildung an diesem Orte scheint mir durch die vonv. Davidoff angeführten Analogien nicht plausibel. Sollten wir an letztere glauben, so müsste sie wohl direct gesehen worden sein. Der Theorie, welehe v. Davidoff über die Fettresorption aufgestellt hat, kann ich mich dem entsprechend auch nicht anschliessen, um so weniger, als selbe durch keinen thatsächlichen Befund ge- stützt ist; von Allem, was sie sonst unwahrscheinlich macht, zu schweigen. 4. Die Verbindung zwischen Epithel und Stroma. Ueber diesen Punkt ist bekanntlich viel diseutirt worden, seitdem R. Heidenhain!) behauptet hatte, die Epithelzellen stünden durch basale Ausläufer mit Zellen des Zottenstroma in Zusammenhang. Während einige Autoren, z. B. Eberth, Watney?), Dönitz?), neuestens Drasch*) die Existenz der sogenannten Grenz- oder Basalmembran, sei es mit, sei es ohne Löcher anerkennen, einige 1) R. Heidenhain, Die Absorptionswege des Fettes. Moleschott’s Untersuchungen IV, p. 251, 1858. 2) Watney, The minute anatomy of the alimentary canal. Philosoph. Trans. CLXVI, 2, p. 471, 1876. 3) W. Dönitz, Ueber die Schleimhaut des Darmkanals. Müller’s Archiv 1864, p. 367. 4) ©. Drasch, Beiträge zur Kenntniss des feineren Baus des Dünn- darms, insbesondere der Nerven derselben. Wiener acad. Sitzungsber. Math.- naturw. Classe 3. Abth. 82. Bd., 1550, p. 168. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 145 selbe isoliren konnten, während sogar ein Endothel auf ihr be- schrieben wurde!), haben andere Autoren nur mit einer Re- strietion, welche einer völligen Aufhebung gleichkömmt?), dieselbe anerkannt, oder sich gegen die Existenz einer solchen auf den Zotten ausgesprochen?). Jene Forscher, welche die Anschauungen Heidenhain’s bestätigen, vor Allem Eimer®), dann v. Than- hoffer (l. ec.) u. A., neuerdings v. Davidoff (l. e.) haben selbst- verständlich das Vorhandensein einer Grenzmembran als isolir- bares zusammenhängendes Gebilde in Abrede gestellt. Ich habe mich gleichfalls nicht davon überzeugen können, dass eine solche, beiderseits abgegrenzt, existirt. Sie würde sich unseren Schnittmethoden nicht haben entziehen können. Nun sieht man allerdings häufig das Epithel durch eine Linie vom Zottenstroma abgegrenzt. Diese kann aber auf mannigfache Weise entstehen, ausser durch den Querschnitt einer Membran. Collabirte Capillaren, die verklebten basalen Ausläufer der Epithelzellen (v. Davidoff) können dafür imponiren. Beweisend gegen die Existenz einer Grenzmembran an allen Theilen der Zotten scheinen ‘ mir Bilder zu sein, wo das Epithel vom Stroma abgehoben ist >). Die Epithelzellen endigen spitz, lang ausgezogen, oder stumpf, ausgefasert, dann kommt ein Intervall, und dann das Zottenpa- renchym: keine Membran dazwischen. Und Bilder, welche den von v. Davidoff gegebenen Abbildungen (Taf. XXX Fig. 12, Taf. XXXI Fig. 13) sehr genau glichen, habe ich oft gesehen. Soweit ich also berechtigt bin, über diese Sache ein Urtheil 1) Debove, Sur la couche endotheliale sous-epitheliale des membranes muqueuses. Comptes Rendus LXXV, p. 1776, 1872. 2) Kölliker hält die Grenzmembran mit Eberth für vielfach durch- löchert und sieht in ihr nur die verdichtete äusserste Lage des netzförmigen Bindegewebes der Zotte. 1. c. p. 59. 3) Brücke, Vorlesungen über Physiologie. 3. Aufl. Wien 1881. 1. Bd. p. 318. 4) Th. Eimer, Die Wege des Fetts in der Darmschleimhaut bei seiner Resorption. Virch. Arch. XLVIII, p. 119, 1869. 5) Diese Bilder hat Grünhagen (l. c.) neuerdings dahin gedeutet, dass der Epithelmantel rascher wachse als das Zottenparenchym. Ich habe diese partiellen Abhebungen des Epithels an erwachsenen und jungen Thieren gesehen und fasse sie als Artefacte auf, durch ungleichmässige Schrumpfung bei der Fixirung hervorgebracht. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 31, 10 146 Dr. Josef Paneth: abzugeben, welche ich nur beiläufig und ohne meine Methoden speciell darnach einzurichten, studirt habe, möchte ich die that- sächlichen Befunde v. Davidoffs — nicht aber seine Theorien — bestätigen. Ich habe der einfacheren Darstellung wegen meine Befunde an den Becherzellen des Darms zusammenhängend, ohne Unter- breehung durch Citate gegeben. Ich gehe jetzt daran, die Literatur dieses Gebiets summarisch zu perlustriren, soweit dieselbe nicht bereits berücksichtigt ist. Ich werde zwar, soweit sie mir bekannt sind, alle Autoren, aber durchaus nicht jede Ansicht, die im Lauf der Zeit aufgetaucht ist, erwähnen und kritisiren, falls ich sie für irrig halte!). Auf Vollständigkeit mache ich überhaupt keinen Anspruch. Von einzelnen Autoren, die mehrmals über dieses Gebiet gearbeitet haben, habe ich mich zumeist begnügt, diejenige Ansicht anzuführen, zu der sie zuletzt gelangt sind. Ich beabsichtige, in dieser literarischen Uebersicht vor Allem darzuthun, welehe meiner efunde schon früheren Autoren, wenn auch in anderer Auffassung und anderem Zusammenhang, bekannt waren. Ferner wünsche ich den Leser in Stand zu setzen, meine an den Becherzellen des Darmes gewonnene Ansicht mit dem zu vergleichen, was über Becherzellen anderer Herkunft bekannt ist. Die Schleimhaut des Darmcanals ist überhaupt derjenige Ort, an dem Becherzellen zuerst von Henle (l. ec. p. 18 und Fig. 7) als „durchsichtige Bläschen mit einem kurzen körnigen Stil“ ge- sehen worden sind. Henle stellt sich die Frage: Fuerentne Cy- lindri nondum ad maturitatem provecti? Ob das „epithelium ca- pitatum“ von Gruby und Delafond (l. e.) mit Becherzellen identisch ist, ist mir aus der Beschreibung dieser Autoren nicht klar geworden. Sie sagen nur, in regelmässigen Abständen seien zwischen die gewöhnlichen Epithelzellen andere Elemente einge- streut, „plus longs que les premiers“. 1) Eine sehr ausführliche und dankenswerthe Zusammenstellung der Literatur über Becherzellen hat J. H. List (l. ec.) gegeben. Doch kann ich nicht einfach auf dieselbe verweisen, und mich der Aufgabe, die Meinungen früherer Autoren zu verzeichnen, durch selbe überhoben erachten, weil für mich vielfach andere Angaben als für List im Vordergrund des Interesses standen. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 147 Frerichs?!) beschreibt und bildet Becherzellen ab, hält sie jedoch für leere Zellen. Leydig?) beschreibt Zellen aus der Oberhaut der Fische als „mit einem feinkörnigen oder hellen Inhalt gefüllte Blasen, die in einem gewissen Stadium platzen und ihren Inhalt entleeren“. Derselbe beschrieb bald darauf?) aus der Rachenschleimhaut von Rochen und Haien „die gleichen Schleimzellen wie in. der Epider- mis von Knochenfischen ...... als Zellen, in deren Innern sich ein Bläschen .... . entwickelt hat, wodurch der Kern seitlich an die Wand gedrückt worden ist. Die Zelle mag wohl später sich öffnen oder platzen... .*. Donders*) beschreibt aus dem Darmepithel Zellen mit sehr grossen Kernen, je näher der Oberfläche, desto grösser, welche die benachbarten Zellen comprimiren. Er sah diesen Kern aus- treten, die Zelle, die ihn enthielt, wurde unmittelbar darauf durch die angrenzenden Zellen wieder zusammengedrückt, „so dass die Zelle nieht zu Grunde ging“. Ich glaube mit Eimer, dass Don- ders den Inhalt der Theka für den grossen Kern der Becherzelle gehalten hat, während ein zweiter Kern, der sich nach ihm in derselben Zelle befindet, mit dem eigentlichen Kern identisch ist. Dann hätte Donders an dem uns interessirenden Object den Secretionsvorgang direct gesehen, und richtig erkannt, dass die Becherzelle dabei nieht zu Grunde geht. Kölliker (Nachweis eines besonderen Baus u. s. £. 1. e.) beschreibt aus dem Dünndarmepithel oben offene Zellen mit körnigem Inhalt, von denen er früher irrthümlich angenommen hatte, sie seien mit Fett gefüllt. Es handelt sich wohl unzweifel- haft um Becherzellen. 1) Frerichs, Artikel Verdauung in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie III, 1, p. 854 Anm. 1846, Fig. 10a. 2) Leydig, Ueber die Haut einiger Süsswasserfische. Zeitschr. f. wiss. Zoologie III, p. 1, 1851. 3) Leydig, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte der Rochen und Haie. Leipzig 1852. Im Orig. nicht zu- gänglich, cit. nach der Inaugural-Dissertation von Th. Eimer, Zur Ge- schichte der Becherzellen. Berlin 1868. 4) Donders, Bijdrage tot den fijneren bouw en de verrigting der dunne darmen. Nederlandsch Lancet III, S. 2, Jahrg. 1853, p. 546. Im Original nicht zugänglich, cit. nach der Inaug.-Diss. von Eimer. 148 Dr. Josef Paneth: In seiner Physiologie!) hält Donders an der oben erwähn- ten Auffassung fest, bildet aber dazu eine typische Becherzelle ab (Fig. 87 1‘). Fig. 88 zeigt das Austreten von sehr schwach licht- breehenden Massen aus gewöhnlichen Epithelzellen ?). Er hält die Beeherzellen für „durch Mucinmetamorphose aufgeschwellte Epi- thelialeylinder*. Leydig°) erwähnt in seiner Histologie „kolbige oder keulenförmige Zellen, die mehr oder weniger prall mit Körnehen gefüllt sind“; er stellt sie mit den Schleimzellen von der Oberhaut von Mollusken und Fischen in Parallele und be- schreibt (p. 96) den Inhalt dieser letzteren als zäh, körnig oder ganz hell. Brettauer und Steinach (l. ce.) zeigten, dass sich durch gewisse Reagentien aus den Cylinderepithelien „leere Zellmäntel“ entwickeln, durch Austritt des Inhalts. Brücke (Fettresorption u. 8. f. l. e.) hatte diesen Austritt schon früher unter seinen Augen sich vollziehen gesehen. Die Ansicht, die Brettauer und Stei- nach gelegentlich unterschoben worden ist, diese leeren Zell- mäntel seien mit Becherzellen identisch, und letztere somit „Arte- facte“ haben sie nicht ausgesprochen. Was sie abbilden (Fig. 6a, b) sind leere Hüllen von Zellen, ohne Kern, ohne Protoplasma, also keineswegs Becherzellen. Wiegandt (l. ec.) beschäftigt sich mit dem Austritt des Zell- inhalts aus Darmepithelien, sagt übrigens durchaus nicht, dass hierdurch Becherzellen entstünden. Den von Brettauer und Steinachangegebenen Zusammenhang zwischen Breite und Striche- lung des Basalsaums und Hungerzustand konnte er nicht finden, hält übrigens die Cylinderepithelien für allseitig durch eine Zell- membran geschlossen. In Fig. 1 bildet er Becherzellen an einem Durchschnitt einer in chromsauerem Kalium erhärteten Zotte des Hundes ab, erklärt sie aber für „Lücken“, aus denen die Zellen herausgefallen sind. 1) F. C. Donders, Physiologie des Menschen. Deutsch v.. Theile. Leipzig 1856. 2) Dies habe auch ich öfters gesehen, wenn die Präparate längere Zeit lagen. Es dürfte die Veranlassung zum „epithelium capitatum“ von Gruby und Delafond gegeben haben. Cfr. auch Brücke (Fettresorption u. s. f. l..e.): 3) F. C. Leydig, Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 149 Max Schultze!) beschreibt aus dem Epithel der Nasen- schleimhaut von Hecht und Plagiostomen „Schleimzellen“ (das heisst nach unserer heutigen Nomenclatur Becherzellen) und er- wähnt, dass der Kern derselben in Essigsäure „klein, körnig, der Wand eng anliegend‘“ sei. Oedmansson?) hat Becherzellen aus dem Verdauungstract verschiedener Thiere, sowie von der äusseren Haut und ver- schiedenen Schleimhäuten beschrieben — unterdem Namen ‚‚flaschen- förmige Zellen“ und das Argentum nitrieum auf diese Gebilde angewandt. Er spricht sich über die Frage, ob sie Gebilde sui generis sind, oder aus Epithelzellen entstehen, nicht mit Sicherheit aus, neigt aber zu ersterer Auffassung. Gegenbaur?) beschreibt an Fröschen und Tritonen im Epithel des Respirationstractus einzelne Zellen, schmächtiger als die übrigen, welche die eilientragende Fläche unterbrechen, und keinen Cutieularsaum haben. Er unterscheidet an denselben zwei Abschnitte. Der obere zwischen den Wimperzellen sich vordrän- gende und mit einer halbkugligen Hervorragung endigende enthält eine Masse dichtgedrängter feiner Körnchen....., der andere tiefere enthält Protoplasma und Kern. Einzelne dieser Körnchenzellen dringen nicht bis zur Oberfläche des Epithels vor. Es sind Drüsenzellen, was sie enthalten, ist nicht Fett; die kleinen Körnchen werden auch frei im Inneren der Lunge gefunden. Bei der Secretion wird nur der obere körnchenhaltige Theil entleert; der untere protoplasmatische sammt dem Kern, der öfters von dem oberen durch eine Einschnürung getrennt ist, bleibt zurück, bildet einen Fortsatz zwischen den Epithelzellen hindurch, der sich wieder mit Körnchen füllt, und der Seeretionsvorgang wiederholt sich mehrmals an einer und derselben Zelle. Fles*) beschreibt Becherzellen des Darmes und hält sie für Hüllen von Epithelzellen. 1) Max Schultze, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleim- haut. Halle 1862. Cit. nach der Inaug.-Diss. von Eimer. 2) Oedmansson, Studier öfver epiteliernas byggnad, Hygiea 1869. Im Original nicht zugänglich. Cit. nach Eimer. 3) C. Gegenbaur, Ueber Drüsenzellen in der Lungenschleimhaut von Amphibien. Müllers’s Arch. 1863, p. 157. 4) Onderzoekingen over de histologische Zammenstelling der vlokjes van het darmcanal, 1866? Im Orig. nicht zugänglich. Cit. nach Eimer. 150 Dr. Josef Paneth: Letzerich!) beschreibt die Becherzellen unter dem Namen „Vacuolen* und schreibt ihnen die Resorptionsthätigkeit zu. Im frischen Zustand erschienen sie fettgefüllt, im gehärteten „leer ohne collabirt zu sein“. Beschreibung und Abbildungen Letze- rich’s lassen keinen Zweifel darüber übrig, dass er den im über- lebenden Zustand häufig körnigen Inhalt der Theka für Fett an- gesehen hat?); die ihm zur Verfügung stehenden Härtungsmittel machten den Inhalt der Theka homogen, und die Becherzellen er- schienen ihm „leer“. Die Ansicht Letzerich’s veranlasste eine Anzahl Arbeiten über die Becherzellen des Darms, deren Autoren in der Ablehnung der von ihm vertretenen Ansicht einig sind, wenn sie auch sonst differiren. J. Sachs?) hält die Becherzellen für Kunstprodukte, die durch Misshandlung entstehen und sich an gefütterten Hunden im überlebenden Zustand nicht finden. C. Arnstein?) bestätigt die Angaben von Brettauer und Steinach über die Beziehung zwischen Bourrelet und Zustand des Darms. Er findet Becherzellen bei hungernden Thie- ren oft sehr zahlreich; auf der Höhe der Fettresorption fehlen sie vollkommen oder sind nur sehr spärlich ver- treten. Wohl hauptsächlich wegen dieser wechselnden Zahl der Becherzellen spricht sich Arnstein für die Entstehung von Becher- zellen aus Cylinderepithelien aus; er bildet (Taf. XVII, Fig. 5a) eine Becherzelle mit Stäbehensaum als Uebergangs- stadium ab. Der Inhalt der Becherzellen ist bald körnig, bald homogen; man sieht ihn an dem überlebenden Präparat austreten. Mit der Fettresorption haben die Becherzellen nichts zu thun; die Cylinderepithelien nehmen es auf, die Fortsätze derselben senken sich in das Zottenparenehym ein. Arnstein beschreibt ferner 1) L. Letzerich, Ueber die Resorption der verdauten Nährstoffe. Virch. Arch. XXXVI, p. 232, 1866 und ibid. XXXIX, p. 485, 1867. 2) E. Fries, Ueber die Fettresorption und die Entstehung von Becher- zellen. Virch. Arch. XL, p. 519, 1867 sieht auch in dieser Täuschung den Ursprung aller Beobachtungsfehler Letzerichs. 3) J. Sachs, Zur Kenntniss der sogenannten Vacuolen oder Becher- zellen im Dünndarm. Virch. Arch. XXXIX, p. 495, 1867. 4) C. Arnstein, Ueber Becherzellen und ihre Beziehung zur Fett- resorption. Virch. Arch. XXXIX, p. 527, 1867. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 151 die Wanderzellen im Epithel, die er sowohl zwischen als auch in Cylinder- und Becherzellen gesehen hat. Auf sie führt er die An- gaben von endogener Zellbildung in den Becherzellen zurück. Er hat ihren Austritt aus dem Epithel beim Frosch gesehen. Er be- schreibt und bildet (Fig. 7b, c) derartige mit Fett be- ladene Wanderzellen ab. Auch das Epithel der Lieber- kühn’schen Krypten betheiligt sich an der Fettresorption. Dönitz!) erklärt die Becherzellen für abgeplattete Epithe- lien, die behufs der Regeneration der Schleimhaut ausgestossen wer- den. Sie finden sich constant unter normalen Verhältnissen, aber in verschiedener Menge. Emil Fries (l. e.) hält die Becherzellen sowohl der Lunge als des Darms für drüsige Organe, die eine bei der Verdauung nutzbar gemachte Substanz ausscheiden. Er glaubt nicht an ihre Entstehung aus Epithelzellen, weil er am Darm niemals ein Bour- relet an ihnen sah. Doch zeichnet er (Taf. XIV, Fig. 1) aus der Lunge Epithelzellen mit Seerettropfen im Inneren und abgeplattetem Kern. Die Becherzellen stellen bald mehr keulen- oder becher- förmige, den Rheinweingläsern ähnliche, mit einem mattglän- zenden, homogenen Inhalt erfüllte, bald mehr eylindrische Ge- bilde dar, die eine leicht körnige Masse enthalten. Er be- schreibt das Verhalten derselben gegen Goldehlorid, welches „die Epithelien gleichmässig blauroth, die gefüllten becherförmigen Zellen mehr hochroth färbt, während die leeren Becherzellen voll- kommen hell“ (soll wohl heissen farblos) bleiben. Er/bildet end- lich (Fig. 2) aus .dem Darm von Meerschweinchen sehr schöne Becherzellen ab, mit Protoplasma und Kern im Grunde, und vor- quellendem Inhalt der Theka. Der von Gegenbaur ausgespro- chenen Ansicht über die Neubildung von Becherzellen aus dem Kern und protoplasmatischen Theil alter Zellen schliesst er sich nicht an. Lipsky?°) bestätigt, was das Bourrelet betrifft, die Angaben von Brettauer und Steinach. Er giebt an, dass in einer Lösung 1) W. Dönitz, Inaugural-Dissertation l.c. Ferner: Ueber die Schleim- haut des Darmcanals. Müller’s Archiv 1864, p. 367 und: Ueber die Darm- zotten. Ibidem 1866, p. 757. 2) Lipsky, Beiträge zur Kenntniss des feineren Baus des Darmcanals. Sitzungsber. d. Wiener Acad. d. Wiss. Math.-naturw. Classe LV, 1, p. 183, 1867. 152 Dr. Josef Paneth: von doppeltehromsaurem Kali alle Zellen des Katzendarms zu Becherzellen werden. Die Abbildung (Fig. 3) zeigt thatsächlich die Mehrzahl der Zellen einer Zotte Becherzellen wenigstens sehr ähnlich, mit Kern und Protoplasma am Boden. Ich will hieran die Bemerkung knüpfen, dass eine derartige Entstehung von Becher- zellen post mortem unter dem Einfluss von Reagentien doch die Entstehung von Becherzellen aus Epithelien intra vitam nicht aus- schliessen würde, selbst wenn bewiesen wäre, dass dabei wirklich Becherzellen, nicht bloss „leere Zellmäntel“ entstehen. Es ist je- doch nicht bewiesen. Knauff!) beschreibt aus dem Epithel der Bronchien von Säugethieren Becherzellen mit körnigem, und solche mit homo- genem Inhalt. Die Körnchen verschwinden in den ver- schiedensten Reagentien, Wasser, Alkohol, Alkalien, Säuren. Sie entstehen durch Schleimmetamorphose der Cylinder- epithelien, und zwar zunächst die körnigen, dann aus diesen, nachdem die Cilien abgeworfen sind, die mit homogenem, gal- lertartigen Inhalt, welcher über den Rand der Oeffnung her- vorragt. Dort soll der Kern der Becherzelle mit dem Inhalt der Theka ausgestossen werden (und hieraus die Schleimkörperchen entstehen) und im Allgemeinen die Existenz der Becherzelle mit der Ausstossung des Secrets, welches den Bronchialschleim bildet, beendigt sein. Knauff giebt Abbildungen von Becherzellen mit körnchenerfüllter Theka und solcher mit homogenem Inhalt (Fig. 1, 2, 3 auf Taf. X) und sagt ausdrücklich, dass er am Darm von Maus und Ratte die gleichen Stadien der Metamor- phose (von Cylinderzellen zu Becherzellen) fand. Er fasst die Becherbildung als „epithelialen Secretionsvor- gang“ auf. In einer umfassenden Arbeit hat F.E. Schulze?) die Becher- zellen der Oberhaut von Fischen, sowie diejenigen aus dem Ver- dauungs- und Respirationstraet anderer Wirbelthiere eingehend be- schrieben. Von ihm rührt bekanntlich der Name „Becherzelle* her, sowie die Bezeichnung des Secretraums als Theka, des proto- 1) Knauff, Das Pigment der Respirationsorgane. Virch. Arch. XXXIX, p. 442, 1867. 2) F. E. Schulze, Epithel- und Drüsenzellen. Dieses Archiv III, p. 187, 1867. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 153 plasmatischen Theils mit einem „etwas veränderten, solidirten“ Kern als Fuss. Er beobachtete die Ausstossung des Secrets an den abgeschnittenen Barteln von Cobitis fossilis, und spricht sich dahin aus (p. 150), dass Becherzellen in der Epidermis der Fische aus gewöhnlichen Epithelzellen entstehen, bei Petromyzon fluvia- tilis sogar noch in der äussersten Schicht. Freilich seien es vor- her bestimmte Epithelzellen, die diese Umwandlung erleiden. Was den Darmtractus betrifft, so beschreibt und zeichnet F. E. Sehulze Becherzellen aus dem Mund, die Schleimzellen des Magens, die er nur wegen des Fehlens einer bauchigen Theka nicht für Becherzellen hält, während sie ihnen sonst gleichen, die Becherzellen des Dünndarms, sowohl auf den Zotten als auch in den Krypten. Ich wünsche hier vor Allem darauf aufmerksam zu machen, dass der Inhalt der Theka nach F. E. Schulze sowohl an diesen Becherzellen, wie auch an denen des Respirationstractus im überlebenden Zustand, in indifferenten Zusatzflüssigkeiten unter- sucht (Speichel, Jodserum) nicht homogen ist, sondern aus Körnchen besteht; dass jedoch Reagentien, vor Allem Müller’sche Flüssigkeit, inn homogen machen. Die Abbildungen F. E. Schulze’s (Taf. XI Dünndarmepithel von Tinea chrysitis in Speichel, Fig. 10 und 11 dasselbe von Triton taeniatus in Speichel, Fig. 14 das- selbe von Emys Europaea in Speichel, Fig. 16 dasselbe von Falco milvus in Jodserum, Fig. 20 dasselbe von Erinaceus Europaeus in Speichel, Fig. 21 dasselbe von Cereopitheeus in Speichel, Fig. 22 dasselbe vom Hund in Speichel) zeigen eine reiche Auswahl von Becherzellen im überlebenden Zustand mit körnigem Inhalt der Theka aus dem Darm aller Thierklassen; während alle Abbildungen von Becherzellen von Objeeten die in Müller’scher Flüssigkeit gelegen hatten, den Inhalt der Theka nahezu homogen zeigen. Die ersterwähnten Abbildungen zeigen wiederholt das Austreten von Ballen körniger Substanz. Die Theka der Becherzellen ist vielfach kaum bauchig zu nennen. Ebenso verhalten sich die Becherzellen aus den Lieberkühn’schen Krypten, sowie diejenigen aus dem Respirationstraetus. Zu wieder- holten Malen, ich möchte sagen, bei jeder Gelegenheit, spricht sich Schulze darüber aus, zum Beispiel p. 185: „Bei dieser Behand- lung (Müller’sche Flüssigkeit) verändert sich die im frischen Zu- stand körnige Masse hier ebenso wie in allen Becherzellen zu einer hellen, nur leicht getrübten Substanz“. Jede Beschreibung, die 154 Dr. Josef Paneth: F. E. Schulze von überlebenden Becherzellen giebt, enthält die Angabe, der Inhalt der Theka sei grobkörnig; zum Beispiel heisst es von den Becherzellen des Darms (p. 184): „Zwischen den mit Randsaum versehenen Cylinder-Epithelzellen ... . finden sich ... . andersartige Gebilde, welche . . . zu den Becherzellen zu rechnen sind. Schon an den lebenden in nicht alterirenden Lösungen unter- suchten Zotten treten dieselben deutlich ;zwischen den Cylinder- zellen hervor. Zunächst bemerkt man auf der Flächenansicht ...... rundliche Stellen von der Grösse eines Zellen-Querschnitts, ausge- zeichnet durch eine reichliche Anhäufung mattglänzender rundlicher KörneHeni93 Jain Stellt man auf den Rand der Zotte ein, so findet man... .. länglich eiförmige Anhäufungen derselben matt- glänzenden Körnchen ..... “ Auf dem Grunde der Becherzellen liest Protoplasma und Kern. Der Inhalt der Theka ist nicht Fett; selbstverständlich spricht sich Schulze gegen die Ansicht Letze- rich’s aus, und erklärt die Becherzellen für secernirende Zellen. Von dem Bourrelet vertritt Schulze die Ansicht, es sei ein po- röser Deckel, ohne Zusammenhang mit der Zellmembran; über den Becherzellen sah er es stets fehlen. Was der Inhalt der Theka seiner chemischen Natur nach sei, darüber erklärt Schulze nichts aussagen zu können, und schlägt, eben wegen dieser Unkenntniss, den Namen „Becherzellen“ als rein morphologisch an Stelle des von Leydig gewählten „Schleimzellen“ vor. Angesichts der klaren Beschreibung, der unzweideutigen Abbildungen !), welche Schulze von den Körnchen der Theka der Becherzellen giebt, habe ich mir die Frage vorlegen müssen, ob denn überhaupt Becherzellen mit homogenem Inhalt im überlebenden Zustand vorkommen. Ich glaube, dass dies der Fall ist, und habe oben die Beweise für diese Ansicht angeführt. Oeffinger?) vertritt die Ansicht, die Becherzellen seien veränderte Epithelzellen; der Inhalt sei eine lichtere, feingranulirte Masse °). 1) Ich habe im Hinblick auf diese es unterlassen, überlebende Becher- zellen öfter als zweimal abzubilden. 2) H. Oeffinger, Einige Bemerkungen über die sogenannten Becher- zellen. Müller’s Arch. 1867, p. 337. 3) Die Abwechslung, mit der verschiedene Autoren den Inhalt der Theka bald als hell, bald als dunkel bezeichnen, ist äusserst anmuthig. Selbst- Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epitheles. 155 In seinem Handbuch der Gewebelehre!) spricht sich Köl- lieker (p. 53) folgendermassen aus; „In der Haut vieler Fische kommen ... mit zähem, körnigem, oder auch ganz hellem Inhalt gefüllte Zellen vor, die ihr Secret durch Bersten entleeren. Hierher gehören auch die im Darmepithel vieler Thiere vor- kommenden Körnerzellen, denen ich auch die von Gegenbaur in der Lunge von Batrachiern gefundenen Secretionszellen anreihe. Einzellige Drüsen mit Oeffnungen, aus umgewandelten Epithel- zellen hervorgegangen, fand ich in der Epidermis von Protopterus“. p- 408 ff. sagt er: „Wie es scheint, ausnahmslos, trifft man (in dem Darmepithel) anders aussehende Zellen. Diese, die ich Drüsen- zellen des Epithels nenne, fallen durch ihr dunkleres Aussehen sogleich in die Augen... Alle haben einen eigenthümlichen In- halt, der frisch gleichförmig leicht gelblich und von besonderem Glanze ist, in Wasser, Säuren aber sofort kömig wird . . ..... z Die Zellen haben manchmal den Rest eines verdickten Saumes (i. e. Bourrelet) in Gestalt eines zapfenförmigen Vorsprungs. Ein Theil der Zelle wird entleert, aus dem Reste bildet sich die Zelle wieder neu. Doch findet Kölliker zwei Kerne in den Becherzellen, von denen der eine entleert wird; und ich weiss nicht, in wie weit ich seine Ansicht als mit der meinigen übereinstimmend betrachten darf. Eimer hat in seiner öfters eitirten Inaugural-Dissertation eine Uebersicht der älteren Literatur gegeben. In einer ausführ- lichen Arbeit?) spricht er sich für die selbständige Natur der Becher- zellen, das heisst vor Allem gegen diejenigen Autoren aus, welche versucht hatten, sie auf Artefacte zurückzuführen. Er überzeugte sich durch Zählung davon, dass sie sich postmortal nicht ver- mehren. Er beschreibt den Inhalt der Theka als körnig oder homogen und nimmt an, dass sich der eine dieser Zustände aus dem anderen entwickele. Welches aber der frühere sei, dar- über finden sich in der Arbeit selbst (p. 527) und in der Er- verständlich hängt die „Helligkeit“ ausser vom Lichtbrechungsvermögen und von der Absorption durch Reflexion auch von der Einstellung ab. Vgl. über „Hell“ und „Dunkel“ mikroskopischer Objecte die Auseinandersetzung bei S. Exner, Ueber optische Eigenschaften lebender Muskelfasern. Pflüger’s Arch. XL, p. 391, 1887. 1) Leipzig 1867. 2) Th. Eimer, Ueber Becherzellen. Virch. Arch. XLII, p. 490, 1868. 156 Dr. Josef Paneth: klärung der Abbildungen (Taf. XIII, Fig. 9, 10, 11, 12, 13 und p- 545) widersprechende Angaben. Er erwähnt selbst von der Schleimhaut des Respirationstraetes Beeherzellen, welche Flimmerhaare tragen. Die Frage, ob Becherzellen aus Ge- bilden hervorgehen, welche mit gewöhnlichen Cylinderzellen iden- tisch sind, hält er im Ganzen nicht für spruchreif). Eimer be- schreibt ferner (p. 538 ff.) entleerte und collabirte Becherzellen; er hält sie für leer und meint, ihre Wandungen bildeten ‚eine Art röhrenförmiger Intercellularsubstanz‘‘, „Intercellularschläuche“ zwischen den Cylindern. Seine Abbildung (Taf. XIII Fig. 13a) dieser Gebilde, von denen er annahm, dass sie zu Grunde gehen, macht es mir sehr wahrscheinlich, dass er die von mir sogenann- ten „schmalen Zellen“ gesehen und mit den Becherzellen in Zu- sammenhang gebracht hat. Jedoch hielt er sie für leere Schläuche. Erdmann hat in seiner mir nicht zugänglichen Inaugural- Dissertation, sowie in einem kurzen polemischen Artikel?) die Ansicht vertreten, dass Becherzellen Kunstproducte seien. Doch könnten sie auch während des Lebens als „abnorme, pathologische Bildungen“ entstehen. Dass er sie bei der Katze unmittelbar nach dem Tode fand, erklärt er für eine „individuelle Eigenthüm- lichkeit des Katzendarms“. Rabl-Rückhard?) findet bei Buceinum undatum Becher- zellen theils mit körnigem theils mit homogenem In- halt. Zawarykin®) findet nach Injeetion einer Mischung von Berlinerblau und Eiweiss in das Darmlumen den Fuss der Beecher- zellen ebenso wie die basalen Theile der Epithelien und das Bour- relet blau gefärbt. Er zweifelt, ob nicht den Becherzellen ein 1) In einer neueren Arbeit (Neue und alte Mittheilungen über Fett- resorption im Dünndarm. Biolog. Centr.-Blatt IV, p. 580, 1884) spricht sich Eimer dahin aus, dass „Becherzellen, trotzdem sie später selbständige Ge- bilde sind, aus gewöhnlichen Epithelzellen hervorgehen, und zu Grunde gehen, nachdem sie ihren Inhalt entleert, ..... haben.“ 2) L. Erdmann, Einige Bemerkungen zu dem Aufsatze „Ueber Becher- zellen“ von Theod. Eimer. Virch. Arch. XLIII, p. 540, 1868. 3) Rabl-Rückhard, Einiges über Flimmerepithel und Becherzellen. Müller’s Arch. 1868, p. 72. 4) Th. Zawarykin, Verlauf der Chylusbahnen im Dünndarm. Me- moires de l’Academie de St. Petersbourg. XIII. Serie. T. XIV, 1870. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 157 Bourrelet zukomme, bildet sie aber ausnahmslos ohne solches ab. Basch!) sieht in den Becherzellen modifieirte Epithelien. Ebstein?) beschreibt an den Magenschleimdrüsen ver- schiedene physiologische Zustände; ferner an diesem Orte zwischen den Schleimzellen „formlose“ junge Zellen, als Ersatzzellen. Verson?) beschreibt die Entstehung von ‚Kunstbechern“ aus Darmepithelien unter dem Mikroskop, sowie unter der Ein- wirkung verschiedener Reagentien, hält aber die Existenz von Becherzellen für nicht widerlegt. Henle*) beschreibt die Becherzellen des Darms, erwähnt, dass sie manchmal grobkörnig sind, was er jedoch auf die Wandung derselben bezieht, sowie Protoplasma und Kern derselben, welche dem spitzen Ende der Epithelzellen gleichen. Er spricht sich da- gegen aus, dass sie Kunstproducte seien. Biedermann?) beschreibt an dem Magenepithel ver- schiedener Wirbelthiere zwei Bestandtheile, von denen der obere äusserst feinkörnig und durchsichtig ist, der untere protoplasma- tisch und den Kern enthaltend. Der obere, von Biedermann „Pfropf‘“ genannt, quillt in verschiedenen Reagentien und löst sich unter Umständen von dem unteren Theil ab. Die Zellmembran setzt sich über denselben nicht fort. Nach Härtung in Alkohol färbt sich derselbe mit Anilinfarben, nicht mit Carmin, während es Biedermann nicht gelang, Becherzellen des Darms, der Ober- haut, oder der Riechschleimhaut in der angegebenen Weise zu färben. Deswegen betrachtete er den „Pfropf“ der Schleimzellen des Magens als etwas anderes als die Theka der Becherzellen sammt ihrem Inhalt, und die Schleimzellen des Magens überhaupt für verschieden von den Becherzellen. Er glaubte, in dem Pfropf 1) S. v. Basch, Die ersten Chyluswege und die Fettresorption. Sit- zungsber. d. Wien. Acad. d. Wiss. Math.-naturw. Classe LXII, 2, p. 617, 1870. 2) W. Ebstein, Beiträge zur Lehre vom Bau und den physiologi- schen Funcetionen der sogenannten Magenschleimdrüsen. Dieses Arch. VI, p. 515, 1870. 3) E. Verson, Artikel „Darmkanal“ in Stricker’s Handbuch- der Lehre von den Geweben. Leipzig 1871, Bd. I, p. 410. 4) J. Henle, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. Braun- schweig 1873, p. 49. 5) W. Biedermann, Untersuchungen über das Magenepithel. Sit- zungsber. d. Wien. Acad. Math.-naturw. Cl. LXXI, 3, p. 377, 1375. 158 Dr. Josef Paneth: nach gewissen Behandlungen eine Streifung wahrzunehmen, und verglich ihn mit dem Bourrelet. Er polemisirt gegen Ebstein’s Angabe, dass diese Zellen in der Verdauung anders aussähen als im nüchternen Zustand; führt übrigens die Absonderung des Magen- schleims auf selbe zurück. Krause!) beschreibt das Bourrelet als aus Stäbchen beste- hend, die er mit starren Cilien vergleicht. In den Cylinderzellen findet er während der Resorption Fetttröpfehen in Längsreihen angeordnet. Er giebt an, dass die Becherzellen in regelmässigen Abständen vor- handen seien, und dass Becherzellen mit körnigem Inhalt den- selben unter Umständen aus ihrem freien Ende austreten liessen, Die Arbeit von Watney (l.c.), der sich mit den Becherzellen des Darms nicht beschäftigt hat, erwähne ich an dieser Stelle nur, weil ich an einigen seiner Abbildungen gewisse meiner Befunde wiederzuerkennen glaube. So zeigen Fig. 28 und 33, 34 auf Taf. 42 die von mir so genannten „schmalen Zellen“, die im Text nicht weiter erwähnt werden; ferner beschreibt der Verfasser unter dem Namen „epithelial buds“ Gebilde und stellt sie in Fig. 31 und 33 dar, welehe mit den von mir beschriebenen Einziehungen des Epi- thels identisch zu sein scheinen, in deren Grunde eine kleine Zelle liest. Watney fand das Fett bei der Resorption nicht in, sondern nur zwischen den Epithelien, und beschreibt ein Netzwerk zwischen den Epithelien; die Arbeit völlig zu verstehen, ist mir übrigens nicht gelungen. Toldt?) findet Becherzellen mit völlig homogenem, hellem und durchsichtigen Inhalt in sehr wechselnder Anzahl im Darm; der Basalsaum ist an der Stelle, wo sie liegen, stets unterbrochen. Die Umstände, welche auf ihre Entstehung Einfluss nehmen, sind noch nicht bekannt, sie kommen einige Zeit nach dem Tode reich- licher vor, ebenso an Präparaten, die in Müller’scher Flüssigkeit gelegen haben. Edinger?) beschreibt aus der Schleimhaut des Fischdarms zahlreiche Becherzellen; zwischen ihnen und-den Epithelzellen viel- 1) W. Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876, p. 210 ff. 2) C. Toldt, Jehrbuch der Gewebelehre. Stuttgart 1877, p. 373. 3) L. Edinger, Ueber die Schleimhaut des Fischdarms. Dieses Arch. XIII, p. 651, 1877. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 159 fach Uebergänge, so dass er an der Entstehung von Becherzellen aus Epithelzellen, sowohl physiologisch intra vitam, als auch post mortem nicht zweifelt, da er sie einerseits an der lebenden Schleim- haut fand, andererseits sie post mortem sich rasch vermehren sah. Flimmerhaare auf Becherzellen sah er nie. Ich entnehme ferner dieser Abhandlung die Notiz, dass A. Key die Becherzellen für Endapparate von Nerven angesehen habe, ohne übrigens Nerven bis zu ihnen verfolgen zu können. Partsch!) kommt nach Untersuchung der Becherzellen des Oesophagus von Fröschen zu der Ansicht, dass Cylinderzellen und Becherzellen zwei Lebensstadien derselben Zellform seien. „Haben diese (Becher-) Zellen nun durch vollständige Metamorphose ihre physiologische Function erfüllt, so wird Ersatz für sie geschafft, wahrscheinlich von kleinen Zellen aus, welche als kugelrunde bis spindelförmige Gebilde zwischen den basalen Enden der Epithel- zellen eingelagert sind.“ (Damit ist wohl nichts Anderes als ‚Wanderzellen gemeint.) An den Epithelien des Magens beschreibt er die Veränderungen, welche der Kern derselben während ver- schiedener Zustände des Organs erleidet. Im Hungerzustand ist derselbe eckig, granulirt, stark färbbar, während der Verdauung gross, rund, bläschenförmig. Die Zellen sind an ihrem freien Ende stets offen. Klein?) beschreibt Becherzellen aus dem Epithel der Trachea und des Darms. Sie entstehen nach seiner Ansicht durch Ver- wandlung der interfibrillären Substanz in Mucin, und Quellung derselben, wodurch das Netzwerk viel weitmaschiger wird und die charakteristische Gestalt derselben entsteht. Sie entstehen demzu- folge aus gewöhnlichen Epithelzellen. Das Netzwerk in der Theka, welches Klein übrigens (Taf. XVI, Fig. 1,2,12) sehr fein zeichnet, steht mit demjenigen des Protoplasma und des Kerns in Zusammen- hang. Das Verhalten des Thekainhalts gegen Hämatoxylin s. o. Das Netzwerk ist an solchen Zellen deutlich, deren Thekainhalt sich mit Hämatoxylin nicht färbt. Klein wendet sich gegen die- jenigen, die in den Becherzellen absterbende Zellen sahen. 1) C. Partsch, Beiträge zur Kenntniss des Vorderdarms einiger Am- phibien und Reptilien. Dieses Arch. XIV, p. 179, 1877. 2) Observations on the structure of cells and nuclei. The Quaterly Journal of Mieroscopical Science. XVIII, p. 315, 1878 und XIX, p. 125, 1879, 160 Dr. Josef Paneth: Pestalozzi!) bestätigt für das Magenepithel im Wesentlichen die Angaben Biedermann’s; der „Pfropf“ der Magenepithelien soll sich mit Osmiumsäure bräunen, der Inhalt der Theka von Becherzellen des Darmes nicht. OÖ. Hebold?) suchte darüber in’s Klare zu kommen, inwie- weit Zellen bei der Secretion zu Grunde gehen. Der Schwerpunkt dieser wiehtigen Arbeit, die unter Nussbaum’s Leitung entstanden ist, liegt in der Untersuchung der Zungen- und Eileiterdrüsen des Frosches, an denen er ein secreterfülltes und ein protoplasmati- sches Stadium beschrieb. Die Resultate, zu denen er an letzterem Object gelangt ist, sind besonders klar. In dem secreterfüllten (das Secret ist hell und wird durch Wasserzusatz körnig) Zustand ist der Kern klein und mit etwas Protoplasma an die Wand gedrückt, wie bei einer Fettzelle; der Schleim wird entleert, Kern und Protoplasma wachsen nach und regeneriren die Zelle, wie eine Fettzelle nach Verlust des Fetts wieder protoplasmatisch wird. Die Regeneration tritt also von den Resten der alten Drüsenzellen her ein. Auch die Becherzellen des Oesophagus sollen nicht im normalen Zustand, wohl aber bei übermässiger Seceretion zu Grunde gehen. Drasch?) fasst die Becherzellen des Trachealepithels von Säugethieren als Vorstufen von Flimmerzellen auf. Stöhr®) hat das Epithel eines Magens von einem Hingerich- teten an gehärteten Präparaten untersucht. Er beschreibt verschie- dene Zustände der Epithelzellen, von denen der eine aus dem an- deren dadurch hervorgeht, dass ein Theil des Protoplasma schleimig umgewandelt wird. Diese Umwandlung beginnt am freien Rande und schreitet allmählich gegen den Grund der Zelle vor, wobei der Kern nach abwärts gedrängt und queroval wird, und 1) Pestalozzi, Beitrag zur Kenntniss des Verdauungscanals von $i- redon pisciformis. Würzburger Sitzungsber. XII, p. 83, 1878, 2) O. Hebold, Ein Beitrag zur Lehre von der Secretion und Regene- ration der Schleimdrüsen. Inaug.-Diss. 1879. 3) O. Drasch, Die physiologische Regeneration des Flimmerepithels der Trachea. Sitzungsber. d. Wien. Acad. der Wiss. Math.-naturw. Classe LXXX 3, p. 203, 1879. 4) Ph. Stöhr, Ueber das Epithel des menschlichen Magens. Würz- burger Verhandlungen. N. F. XIV, p. 101, 1880, Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 161 schliesslich umgeben von dem Reste nicht umgewandelten Protoplas- mas am Grunde der Zelle liegt. Die Zelle wird erheblich breiter, aufgebläht, platzt endlich oben, der schleimige Inhalt tritt heraus und wird durch das sich vermehrende trübkörnige Protoplasma allmählich vollständig verdrängt. Es bildet sich auch wieder eine Membran, nach einiger Zeit wiederholt sich das Spiel von Neuem. Die Epithelzellen des Magens gehen also bei der Secretion nicht zu Grunde, die von Ebstein beschriebenen Er- satzzellen sind Wanderzellen und dienen nicht zum Ersatz. Im frisch untersuchten Zustand ist der nach Reagentienwirkung hya- line obere Theil der Zellen fein- oder grobkörnig, in Mül- ler’scher Flüssigkeit erhält sich diese Structur noch einige Zeit. — Stöhr hält es für möglich, dass die Becher- zellen des Darms auf ähnliche Weise aus Cylinderzellen hervor- gehen. Flemming!) spricht sich in einer Anmerkung (p. 350, Anm.4) gegen die von Drasch vorgebrachte Deutung der Becher- zellen der Trachea und für die Ansicht F. E. Schulze’s aus. Klose?), dessen Arbeit uns in einem späteren Abschnitt noch beschäftigen wird, erwähnt, dass bei Hunden nach Pilokarpin-Ver- giftung die Becherzellen sowohl in den Krypten als auch auf der Öberfläche des Dünndarms verschwinden. An den Becherzellen der Diekdarmdrüsen beschreibt er unter dem Einfluss dieses Giftes einen secreterfüllten und einen protoplasmatischen Zustand, mit Veränderungen des Kernes, die den von mir beschriebenen analog sind. Seine Angaben sind, durch Abbildungen erläutert, in der Zusammenstellung der Lehre von der Secretion von Heiden- 1) W. Flemming, Ueber Epithelregeneration und sogenannte freie Kernbildung. Dieses Arch. XVIII, 1580. 2) G. Klose, Beitrag zur Kenntniss der tubulösen Darmdrüsen. Inaug.- Diss. Breslau 1850. Der Abhandlung von Klose entnehme ich die Notiz, dass sich Heidenhain (Beiträge zur Lehre von der Speichelabsonderung in Studien des physiologischen Instituts zu Breslau IV, 1868) dahin aussprach, dass Becherzellen „gerade so transitorischer Natur sind, wie etwa die Epithel- zellen der Talgdrüsen, welche durch Fettdegeneration zu Grunde gehen ....... Ferner dass Benjamins (Geschiedenis van de Histologie der villi intesti- nales. Academisch Proefschrift) zu keiner Entscheidung über die Selbständig- keit der Becherzellen kommen konnte, sich aber der Ansicht zuneigte, dass ie nicht Kunstproducte seien. Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 31, 11 162 Dr. Josef Paneth: hain (s. u.), unter dessen Leitung er gearbeitet hat, aufgenommen worden. Kölliker!) beschreibt die Becherzellen aus dem mensch- lichen Respirationstraetus nach Versilberung. Ueber ihre Bezie- hung zu den Epithelien spricht er sich nicht mit Bestimmtheit aus, giebt jedoch an, Uebergangsformen, Becherzellen mit Cilien gesehen zu haben. Er hält es für möglich, dass sie einen Zustand der Ruhe und einen der Thätigkeit haben, wie dies Stöhr vom Magenepithel behauptet hatte, aber auch dass sie ausgestossen würden. Flemming?) spricht sich dagegen aus, das Netz in Be- cherzellen (und in fettsecernirenden Zellen) ohne Weiteres mit Zellstrueturen in Verbindung zu bringen. Diese Stränge seien nicht mit dem Fadenwerk der fibrillären Substanz identisch, be- stünden vielmehr aus dem ganzen Protoplasma, aus fibrillärer und interfibrillärer Substanz zusammen. Drasch?°) sucht seine Meinung über die Becherzellen der Trachea zu stützen, indem er auf die morphologischen Unterschiede zwischen diesen und den Becherzellen in der Oberhaut der Fische aufmerksam macht. Patzelt*) kommt durch die Untersuchung der Embryonal- Entwickelung der Diekdarm-Schleimhaut von Säugethieren zu der Anschauung, dass Becherzellen an diesem Orte aus Epithelzellen hervorgehen, indem sich in letzteren ein Schleimtröpfehen zwischen Kern und freiem Rand entwickelt, welches sich allmählich ver- grössert und schliesslich den Basalsaum durehbricht. An der Wand derselben und besonders im Grunde liegt Protoplasma, der Kern ist bodenständig. Die ersten Becherzellen treten bei Katzen- Embryonen von 6cm Länge auf. Bei späteren Embryonen „spre- 1) A. v. Kölliker, Zur Kenntniss des Baus der Lunge des Menschen. Würzburger Verhandl. N. F. XVI, p. 1, 1881. 2) W. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. p. 42. 3) 0. Drasch, Zur Frage der Regeneration des Trachealepithels. Sitzungsber. d. Wiener Acad. d. Wiss. Mathemat.-naturw. Classe LXXXII, 3, p. 34, 1881. 4) Vietor Patzelt, Ueber dle Entwickelung der Diekdarmschleim- haut. Wiener acad. Sitzungsber. Mathem. -naturw. Classe LXXXVI, 3, p. 145, 1882. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 163 chen die Bilder für die Annahme, dass eine Becherzelle allmählich unter dem Drucke ihrer Nachbarzellen oder aus irgend einem Grunde ihren schleimigen Inhalt entleert, dann collabirt, und von ihren Nachbarzellen, welche dadurch Raum bekommen, verdrückt wird. Allmählich regenerirt sich ihr Protoplasma und der Process der Becherzellenbildung beginnt auf das Neue.... Wie oft sich dieser Wechsel von schleimiger Um- wandlung und Regeneration wiederholt, ehe die Zelle zu Grunde geht, ist wohl kaum zu eruiren® ..... „Diesem Vorgang ver- danken die eigenthümlichen, von einer dünnen Protoplasmazone umgebenen Kerne, welche man allenthalben neben normalen Cy- linderzellen zwischen den Becherzellen findet, ihre Entstehung... ... Die verdrückten und entleerten Becherzellen haben einige Aehn- lichkeit mit den von Ebstein so genannten Ersatzzellen.“ — Dieser letzte Passus macht es mir unmöglich anzunehmen, dass Patzelt die von mir so genannten „schmalen Zellen“ als die Reste von Becherzellen angesehen habe. Denn die Ebstein’schen Ersatz- zellen sind nicht mit diesen, sondern mit den Wanderzellen im Epithel identisch. Patzelt’s Abbildungen, deren Erklärung leider etwas lakonisch ist, zeigen „schmale Zellen“ (Taf. IL, Fig. 17, 18), sowie Secrettropfen in geschlossenen Zellen (Taf. Il, Fig. 23). Haller!) beschreibt Becherzellen aus der Mundhöhle von Mollusken. Er findet an ihnen das Secret, welches sich gegen ammoniakalischen Karmin verschieden verhält, und Protoplasma mit Kern. Zwischen dem Protoplasma und dem Secret bemerkt man häufig eine Spalte. (Taf. VII, Fig. 35 y stimmt mit meinen ähnlichen Befunden am Triton sehr gut überein.) Den Inhalt der Theka hält er für Secret, das von dem unteren protoplasmatischen Theil abgeschieden wird. Der Kern der Becherzellen ist rund, was ihn von demjenigen anderer Zellen unterscheidet. Er hat auch entleerte Becherzellen gesehen. In diesem Jahre (1833) ist ferner die Physiologie der Ab- sonderungsvorgänge von Heidenhain (Hermann, Handbuch der Physiologie V, I) erschienen. Es ist unmöglich, sich mit secreto- rischen Vorgängen in Zellen zu beschäftigen, ohne fortwährend daran erinnert zu werden, dass jener Gesichtspunkt, von dem 1) B. Haller, Studien über marine Rhipidoglossen. Morphol. Jahrb. IX, p-. 1,1883. 164 Dr. Josef Paneth: heutzutage diese Dinge angesehen werden, von Heidenhain her- rührt, nämlich der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Func- tion und Aussehen der Drüsen. Die Becherzellen des Dünndarms, sowie Becherzellen überhaupt haben jedoch in dem obenerwähnten Buche keine ausführlichere Bearbeitung gefunden. Insoweit sie sich in den Lieberkühn’schen Krypten finden, werden sie und somit auch die Angaben Heidenhain’s über letztere weiter unten berücksichtigt werden. Hier sei nur erwähnt, dass Heidenhain (p. 95) von den Epithelzellen des Magens aussagt, dass die Zell- membran das freie Ende derselben nicht überkleidet, dass er den „Pfropf“ Biedermann’s für den schleimig metamorphosirten Theil der Zellen erklärt, und einen secreterfüllten und einen leeren Zustand derselben unterscheidet. Der Arbeit Schiefferdeceker's ist bereits oben gedacht worden. Durch eine Doppelfärbung mit Eosin und Methylgrün gelangt er dazu, an den Becherzellen des Blasenepithels beim Frosch einen seereterfüllten und einen secretleeren protoplasmati- schen Zustand zu unterscheiden. Auch dass das Seeret in Form von Körnehen auftritt, scheint er beobachtet zu haben. Das Secret geht nach seiner Anschauung aus dem retieulum der Theka her- vor, welches sich von dem Protoplasma der Zelle durch sein Ver- halten gegen Farbstoffe unterscheidet. Leydig!), der Entdecker der Becherzellen, der in mehreren Arbeiten sie an verschiedenen Orten, zumeist Oberhaut von Uro- delen und Mollusken, sowie Drüsen von Reptilien beschrieben hat, fasst seine Ansicht über dieselben dahin zusammen, dass sie nicht blos bei Wirbelthieren, sondern auch bei Mollusken aus den ge- wöhnlichen Epithelzellen hervorgehen. Ihre Gestalt ist verschieden; anf dem Grunde liegt Kern und Protoplasma, die Theka enthält das Secret, durchzogen von einem groben Maschenwerk. In den von ihm seinerzeit beschriebenen, seither von Langerhans und Pfitzner untersuchten, körnehenerfüllten, sogenannten „Leydig- schen Zellen“ der Oberhaut von Salamander-Embryonen vermuthet er Entwicklungszustände von Becherzellen. H o11?) beschreibt an den Becherzellen des Mundepithels von 1) F. Leydig, Zelle und Gewebe. Bonn 1885, p. 89. 2) M. Holl, Ueber das Epithel der Mundhöhle von Salamandra ma- culata. Sitzungsber. der Wiener Acad. d. Wiss. Mathem.-naturw. lasse XCI, 3, 1885, Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 165 Salamandra die mit heller, leicht körnig getrübter Masse gefüllte bauchige Theka, und den Fuss, welcher Protoplasma und Kern enthält. Diese beiden Theile stehen ihrer Grösse nach in anta- sonistischem Verhältniss. J. H. List!) hat sieh in zahlreichen Arbeiten mit Becher- zellen befasst, und seine Ergebnisse in einer weitläufigen Arbeit (l. e.) in diesem Archiv niedergelegt, und durch sehr zahlreiche Abbildungen erläutert. Auf seine Ergebnisse ist zum Theil schon oben eingegangen worden. Er hat Becherzellen verschiedenster Provenienz untersucht und beschreibt verschiedene Formen der- selben als befusste, gestielte, unbefusste. In der Theka sah er im überlebenden Zustand ein Wogen?). Sie entwickeln sich in den tieferen Lagen, aber auch in den obersten mehrschichtigen Epithe- lien aus den gewöhnlichen Epitbelzellen durch Quellung der Inter- filarmasse, welche die Maschen der Filarmasse dehnt, zerreisst, endlich bei dem Stoma heraustritt. Ob Filarmasse oder Interfilar- masse oder beide als Muein bezeichnet werden müssen, darüber spricht er sich nieht aus. Eine Veränderung des Kerns konnte er nur an Ausstossungsstadien wahrnehmen, derselbe war abgeplattet und stärker tingirt (p. 558). Die Ansicht Schiefferdecker’s (s. o.), der an den Becherzellen der Blase einen seereterfüllten und einen protoplasmatischen Zustand beschrieben hatte, bekämpft List (p. 564): „Dass dieser von Schiefferdecker aufge- stellte Umwandlungs- bez. Rückbildungsprocess, der sich innerhalb der Becherzelle abspielen soll, absolut unhaltbar ist, geht aus dem oben besprochenen Secretionsprocesse hervor“?). Er hält es für 1) J. H. List, Das Cloakenepithel von Scyllium Canicula. Sitzungsber. d. Wiener Acad. d. Wiss. Math.-naturw. Classe XC, 3, 1884. — Ueber Becher- zellen im Blasenepithel des Frosches. Ibidem. Untersuchungen über das Cloakenepithel der Plagiostomen. I. Theil. Cloakenepithel der Rochen. Ibidem XCH, 3. p. 270, 1885. — I. Theil. Das Cloakenepithel der Haie. Ibid. p. 412. — Ueber einzellige Drüsen (Becherzellen) im Blasenepithel der Amphi- bien. Biol. Centr.-Bl. V, p. 499, 1886. — Ueber den Bau, die Secretion und den Untergang von Drüsenzellen. Ibidem p. 698. — Ausserdem einige Ab- handlungen in der Zeitschrift für wiss. Mikroskopie. 2) Auf die Discussion, ob die Priorität dieser Entdeckung List ge- bührt, gehe ich selbstverständlich nicht ein. 3) In seiner letzten Arbeit (Ueber einzellige Drüsen im Blasenepithel der Amphibien. Dieses Arch. XXIX, p. 147, 1887) hält List diesen Wider- 166 Dr. Josef Paneth: höchst unwahrscheinlich, dass sich aus offenen, absondernden Zellen wieder gewöhnliche Epithelzellen bilden sollten. Er nimmt an, dass Becherzellen mehrmals secerniren, bis sie schliesslich (an inehrschichtigen Epithelien) ausgestossen werden. Er erklärt die Becherzellen für einzellige Drüsen und wendet sich dem entspre- chend gegen die Ansicht von Drasch. — Es ist sehr zu be- dauern, dass List dem körnchenerfüllten Zustand der Theka, den er kannte und in einer früheren Arbeit beschrieben hat (Blasen- epithel des Frosches), sowie denjenigen seiner mit Doppelfärbungen gewonnenen Präparate, welche mit aller Deutlichkeit die Verschie- denheit der „Filarmasse‘ in der Theka und des Protoplasmas im Fusse und eine scharfe Abgrenzung derselben von einander zeigen (Taf. XXX, Fig. 4 Oberlippe von Cobitis fossilis, Taf. XXIX, Fig. 2d Cloakenepithel von Raja miraletus, Dieses Arch. XXVI), zu wenig Beachtung geschenkt hat und sich zu sehr auf die Bil- der, welche durch Reagentien veränderte Becherzellen geben (s. u. die Arbeit von Merk), verlassen hat. Biedermann!) macht darauf aufmerksam, dass das Secret in vielen Schleimdrüsen im überlebenden Zustand in Form von Körnchen auftritt. Diese Körnchen sind aber durch keines der gebräuchlichen Reagentien zu conserviren. Er beschreibt diese Verhältnisse an den Niekhautdrüsen, an den Zungendrüsen, an den Becherzellen der Zunge des Frosches. Es treten zuerst dunkle Körnchen auf, die sich in helle Tropfen umwandeln. Reagentien verwandeln diese Zellen in „Becherzellen“, nur einige körnchen- haltige Zellen, welche Biedermann als die Jüngsten Stadien auffasst, bleiben als solche erhalten. Von den Becherzellen des Darmes sagt er Folgendes: „Hiermit steht auch, wie mir scheint, die Thatsache in Uebereinstimmung, dass ganz analoge Verhältnisse bei den Becher- zellendes Darmes obwalten, welche frisch un- tersucht ineinem gewissen Entwickelungssta- spruch aufrecht. — Er beschreibt die Lageveränderung und Abplattung des Kerns von Becherzellen. 1) W. Biedermann, Zur Histologie und Physiologie der Schleimsecre- tion. Sitzungsber. der Wiener Acad. d. Wiss. XCIV, 3, p. 250, 1886. S. auch von demselben Verfasser: Ueber morphologische Veränderungen der Zungen- drüsen des Frosches bei Reizung der Drüsennerven. Ibid. LXXXVI, 3, 1883. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 167 dium....sichdureh den dunkelkörnigen Inhalt ihres vorderen Abschnittsscharf von derhelle- ren Umgebung absetzen. Auch hier findet man neben solchen Zellen, die sich bei Behandlung mit Reagentien unter Quellung sofort aufhellen undinBecherumwandeln,andere,die unter glei- chen Umständen (am besten beiBehandlungmit starker Osmiumsäure) in einem dem frischen ähnlichen Zustande, d.i. mit fein granulirtem, kolbig verdickten Vordertheil erhalten blei- ben.“ Die Zellen mit dunkelkörnigem Inhalt sind Entwickelungs- stufen echter Becherzellen. Es gibt Strecken, wo die Körnchen- zellen fast gänzlich fehlen und dafiir helle Becher in Menge auf- treten; man findet Uebergangsformen zwischen körnchenhaltigen Zellen und solehen, deren Inhalt bereits bis auf einen schmalen, hie und da auch bereits durchbrochenen Wandbeleg der Theka gequollen und aufgehellt erscheint. Diese Aufhellung der Körn- chen, das Confluiren derselben zu hellen Tropfen sah Bieder- mann sehr deutlich an den Becherzellen des Zungenepithels von mit Pilokarpin vergifteten Fröschen; zwischen den Tropfen bleiben Fäden und Platten von Protoplasma, welche Biedermann als das Substrat der von List beschriebenen Filarmasse auffasst. Ebenso beschreibt er an den Nickhautdrüsen des Frosches nach Pilokarpin-Vergiftung das Protoplasma der zelligen Auskleidung als von Vacuolen durchsetzt, fast schaumig. Merk!) beschreibt die Becherzellen der Dottersackhaut von Forellen-Embryonen. „Der Inhalt derselben ist bei schwächeren Vergrösserungen wie gekörnt, zeigt aber mit starken Trocken- systemen, deutlicher mit Immersionen betrachtet ein Gerüstwerk.‘ Da indess Merk das Ausstossen dieser Körner als secretorischen Vorgang beschreibt, so sieht er sie wohl als reell, nicht als optische Täuschung an, zeichnet sie auch (Fig. 1) sehr deutlich. Die der Basis des Epithels zugekehrte Partie der Becherzelle wird von einer halbmondförmigen Masse erfüllt, die den Kern enthält. Der Schlitz in der Theka ist dreieckig, polygonal, nicht mit scharfen 1) Ueber die Schleimabsonderung an der Oberhaut der Forellenem- bryonen. Sitzungsber. der Wiener Acad. der Wiss. Mathem.-naturw. Classe EI, 3, p. 99, 1886. 168 Dr. Josef Paneth: Contouren versehen, sondern wie ausgenagt. Auch geschlossene Becherzellen kommen vor. Ueber der Mündung der Becherzelle liegt eine Masse von ähnlicher Beschaffenheit wie der Inhalt der- selben als Pfropf. Beide zeigen ein träges Wogen!). Die häufigste Art der Seeretion ist, dass Körnchen aus dem Inneren der Becher- zelle herausgeschleudert werden, die rasch verschwinden; doch ge- schieht dasselbe auch unter Bildung eines Pfropfs, der unter leb- hafterer Bewegung platzt; ein solcher kann sich auch zu wieder- holten Malen dem Stoma entwinden. Der ganze Secretionsvorgang hat dann grosse Aehnlichkeit mit dem Emporwirbeln des Rauchs aus einem Schlote. Veränderungen am Kern konnte Merk nicht beobachten; der ganze Secretionsvorgang vollzieht sich rasch. Merk verfolgtdie Einwirkung verschiedener Reagentien (Essigsäure, Chrom- säure, Osmiumsäure, Flemming’sche Flüssigkeit, Müller’sche Flüssigkeit, Drittel- und starker Alkohol) genauer: kein Fixirungs- mittel (Pikrinsäure hat er nicht angewandt) erhält die natürlichen Verhältnisse, sie bewirken Quellung, Niederschläge und erzeugen ein eigenthümliches Balkenwerk, das von dem intra vitam vorhan- denen verschieden ist. Unter speciellem Hinblick auf die von Schiefferdeeker und List gewonnenen Resultate wird den Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit die Beweiskraft abge- 1) Ich habe in der Theka von Becherzellen im Darm nichts davon ge- sehen, es scheint nach den Beschreibungen von Merk und J. H. List über- haupt schwer wahrnehmbar zu sein. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, dass die Zellen aus den an der Basis des Schwanzes gelegenen Drüsen von Triton, welche den Milchsaft absondern, diese Proto- plasmabewegung ausserordentlich deutlich zeigen, ja vielleicht das beste thierische Object zur Demonstration von Protoplasmabewegung sind. Man hat nur nöthig dem Thier einen Einschnitt an der Basis des Schwanzes zu machen, und von der herausgedrückten Flüssigkeit einen Tropfen auf einem Deckglas in eine feuchte Kammer zu bringen: dann sieht man, nebst Blut- körperchen, grössere und kleinere Bruchstücke von Zellen, die mit fettähn- lichen Tropfen gefüllt sind, vergrösserten Colostrumkörperchen sehr ähnlich, und in ihnen schon bei gewöhnlicher, besser bei erhöhter Temperatur, ein sehr intensives Wogen, welches die Tröpfchen verschiebt u. s. f£ Das Ganze ist der von 8. Stricker (Ueber contractile Körper aus der Milch der Wöch- nerin. Sitzungsber. d. Wiener Acad. d. Wiss. Math.-naturw. Classe LIII, 2, p. 184, 1866) beschriebenen Protoplasmaströmung an Colostrumkörperchen sehr ähnlich, aber in viel grösserem Maassstab. Bei zu hoher Temperatur platzen die Zellen ganz plötzlich, wie durch eine Explosion. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 169 sprochen (p. 122). Das Vorhandensein eines seereterfüllten und secretleeren Zustandes, sowie die allmähliche Bildung des Secrets stellt Merk in Abrede. Die Pfröpfe verhalten sich anders als das fertige Seeret, welches wahrscheinlich erst im Momente der Seeretion entsteht; sie sind vorgequollener Inhalt der Zellen. Merk spricht sich gegen die Quellungs-Hypothese aus. Gruenhagen (l. ce.) giebt an und bildet ab (Taf. VIII, Fig. 1), dass regelmässig der Kern der Becherzellen in tieferem Niveau liege als diejenigen der Epithelzellen und sich intensiver als diese färbe. Der Inhalt der Theka färbt sich nicht. (Härtung in Flem- m ing’scher Lösung, Färbung mit Dahliablau.) v. Davidoff (l. e.) hat sich in dem Texte seiner Abhand- lung nicht mit Becherzellen befasst. Er bildet jedoch solche ab. (Vom Menschen, nach Härtung in Flemming’scher Lösung und Färbung mit Saffranin und Anilinblau. Taf. XXX, Fig. 1, 2, 7.) Sie zeigen den Inhalt der Theka hell mit spärlichen Körnchen, ihre Kerne unterscheiden sich von denen der Epithelien durch Lage, Grösse, Form, Tinetion, wie ich es angegeben habe; ihr Protoplasma sieht ebenso aus, wie das der Epithelien. Sonder- barer Weise zieht das Bourrelet über dieselben ununterbrochen hinweg. Auch Gebilde, welche sonst den von mir so genannten schmalen Zellen“ gleichen, deren Protoplasma aber lichter ist, als das der Epithelien, bildet von Davidoff ab (Taf. XXX, Fig. 12), und erklärt sie als „eomprimirte Becherzellen“. Stöhr!) wendet sich (p. 437) gegen die von List ange- wandten Ausdrücke; „Filarmasse und Interfilarmasse“, ebenso wie gegen die „retieuläre Substanz“ Schiefferdecekers. Er sagt: „Genug der Confusion!* Und erklärt die „Bereicherung, welche die Wissenschaft durch die Kenntniss der reticulären Substanz er- fahren hat, für belanglos“, da beide Substanzen, Filarmasse und Interfilarmasse, bei der Secretion ausgestossen werden. Das Netz in fixirten Becherzellen hält Stöhr für Zellsubstanz (d. h. Filar- masse und Interfilarmasse), auf der sich Schleim niedergeschlagen hat und unterscheidet es von dem an frischen Zellen sichtbaren Netz. Ebenso sei auch Klein in einen Irrthum verfallen, wenn er 1) Ph. Stöhr, Ueber Schleimdrüsen. Festschrift zu A. v. Kölliker’s 70. Geburtstag. Leipzig 1887, p. 423. 170 Dr. Josef Paneth: in diesem Netz die „fibrilläre Substanz“ der Zellen zu erkennen vermeinte, es bestünde vielmehr aus der ganzen Zellsubstanz. Gegen die Verallgemeinerung dieser Ansicht von dem Entstehen und der Bedeutung des Netzwerks in der Theka fixirter Becher- zellen und einer Ausdehnung derselben auf die Becherzellen des Darms möchte ich an das oben anlässlich der Becherzellen am Tritonendarm Gesagte erinnern, und nur hervorheben, dass ich nicht in Abrede stellen kann, dass in Becherzellen anderer Pro- venienz ein derartiges protoplasmatisches Netzwerk in der Theka intra vitam besteht, sich bei der Härtung mit Seeret überzieht und „Filarmasse“ vorstellt. Die vorstehend angeführten Resultate früherer Beobachter gestatten mir, anzugeben, welche der von mir gewonnenen ich der Verallgemeinerung für alle Becherzellen (von Wirbelthieren ; von Wirbellosen liegt wenig vor) für fähig erachte. Als solche führe - iehsan: Die Entstehung der Becherzellen aus Epithelien intra vitam; ihre Funktion als secernirende Zellen. Das Auftreten des Secrets in Form von Körnchen (Tröpfchen). Auch wenn die Menge des Secrets ihren höchsten Grad er- reicht hat, ist ein Theil des Protoplasmas sammt dem Kern nach- weisbar. Die Becherzelle geht durch den Secretionsvorgang nicht zu Grunde, vielmehr bleiben Protoplasma und Kern derselben erhalten )). Als sehr wahrscheinlich, aber noch behufs der Entscheidung ihrer Allgemeingiltigkeit weiterer Untersuchung bedürftig, betrachte ich folgende Punkte: Aus dem protoplasmatischen Theil und Kern der Becherzelle entsteht nach Entleerung des Secrets wieder eine gewöhnliche Epithelzelle?). 1) Diese Behauptung bezieht sich nur auf den Secretionsvorgang; dass Becherzellen in mehrschichtigen Epithelien ausgestossen werden, während sie noch secretionsfähig sind, giebt List an. 2) Man scheint sich mit der Frage, was aus Protoplasma und Kern der Becherzellen wird, im Ganzen zu wenig beschäftigt zu haben. Von jenen Autoren abgesehen, welche annehmen, dass die Becherzellen beim Secretions- vorgang zu Grunde gehen, haben die anderen manchmal eine mehrmalige oder andauernde Secretion angenommen, ohne anzugeben, wie diese zu Stande Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 171 Die Bildung und Ausstossung von Secret ist ein Vorgang, der sich im Leben vieler Epithelien!) von Zeit zu Zeit abspielt. Wie oft, in welchem Tempo, das ist noch zu eruiren, wahrschein- lich von Fall zu Fall verschieden. Das Secret erleidet von seinem ersten Auftreten bis zu seiner Ausstossung morphologische und chemische Veränderungen, von denen sich die letzteren durch das Verhalten gegen Färbungsmittel characterisiren. Protoplasma und Kern der Becherzellen unterscheiden sich von den gleichen Bestandtheilen der Epithelien, aus denen sie hervorgehen, durch gewisse Veränderungen, welche sich als „Ver- diehtung und Schrumpfung“ bezeichnen lassen. Bei der Bildung von Becherzellen wird ein Theil des Proto- plasmas in Secret verwandelt. Einige der angeführten Punkte sind nicht blos für Becher- zellen, sondern für die seeretorischen Veränderungen in Zellen überhaupt von Bedeutung. Das Auftreten des Secrets in Form von Körnchen ist bekanntlich von Heidenhain?) am gehärteten Pancreas, von Kühne und Lea?) am lebenden Pancreas, von kommt. «Eine der meinigen sehr ähnliche Ansicht vertrat Gegenbauer für die Becherzellen des Trachealepithels der Amphibien schon vor sehr langer Zeit. Hebold hat ganz Achnliches für die Drüsen des Froscheileiters, Stöhr für die Schleimdrüsen des Magens behauptet, während Heidenhain es für die Schleimdrüsen des Dickdarms often lässt, ob sie zu Grunde gehen, und von schmalen Zellen aus ersetzt werden, oder im Sinne Hebold’s von den Resten der Becherzellen aus nachwachsen. Doch sind die Stadien zwischen der entleerten Becherzelle und der daraus regenerirten Epithelzelle, die „schmalen Zellen“ bisher noch nicht als solche aufgefasst worden. Ist meine Auffassung richtig, dann entsprechen die „schmalen Zellen“ des Darmepithels den Randzellen gewisser Speicheldrüsen, insoweit letztere nach der Auffassung Stöhr’s secretleere Zellen darstellen. 1) Gewisse Epithelien weisen nie Becherzellen auf, z. B. dasjenige der äusseren Haut der Säugethiere, dasjenige des weiblichen Genitaltractus (F. E. Schulze). 2) Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorgänge in Hermann’s Handbuch der Physiologie V, 1, p. 200. 3) Kühne und Sh. Lea, Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. Mitgetheilt von W. Kühne. Unters. aus dem physiol. Inst. der Univ. Heidelberg II. 172 Dr. Josef Paneth: Langley!) an serösen und Speicheldrüsen, sowie an Pepsindrüsen ?) im überlebenden Zustand, von Biedermann?) an Niekhautdrüsen und Zungendrüsen des Frosches nachgewiesen worden. Heiden- hain*) hat angegeben, dass unter gewissen Bedingungen diese Tröpfehen sich im Secret der Speicheldrüsen finden. Die Veränderungen an Protoplasma und Kern der Becher- zellen, wie ich sie beschrieben habe, haben die grösste Aehnlich- keit mit den von Heidenhain an Speicheldrüsen beschriebenen 5). Niemand kann die von Lavdovsky°) herrührenden, bei Heiden- hain?) reprodueirten Abbildungen isolirter Schleimzellen aus der Orbitaldrüse des Hundes betrachten, ohne an Becherzellen erinnert zu werden. Secreterfüllte, bauchige Theka, dunkles Protoplasma, kleiner Kern in demselben, sind vorhanden. Diese Analogie zwischen Speicheldrüsenepithel und Becherzellen ist von Stöhr®) erkannt, von Schiefferdecker (l. ec.) eingehender durchgeführt worden. Auch die letzte Arbeit Stöhr’s (I. ce.) bietet vielfachen, von dem Autor auch benützten Anlass zu derartigen Parallelen, von denen ich nur hervorheben will, dass nach seiner Ueber- zeugung auch die Epithelien der Speicheldrüsen während der Seeretion nieht zu Grunde gehen, vielmehr von den protoplasma- tisch gebliebenen Theilen, als welche er die Randzellen erklärt, nachwachsen, sich wieder mit Secret beladen u. s. f. Weiter gehe ich jedoch nicht auf diese Sache ein, weil mir eigene eingehendere Beobachtungen an Speicheldrüsen nicht zur Verfügung stehen. 1) J. N. Langley, On the changes in serous glands during secretion. The Journal of Physiologie II, p. 261, 1879/80. 2) J. N. Langley and Sewall, On the changes in Pepsin-forming glands during secretion. Ibid. 3) 1. c. 4) Tageblatt der Naturforscher-Versammlung zu Berlin 1886. Nr. 6, p. 202. 5) Physiol. d. Absonderungsvorgänge p. 64, Fig. 20, 21, 22. 6) Lavdovsky, Zur feineren Anatomie und Physiologie der Speichel- drüsen. Dieses Arch. XII. Me le.np: 2: 8) Ph. Stöhr, Ueber das Epithel des menschlichen Magens. Würz- burger Verhandl. N. F. XV, p. 101, 1880. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 173 Die Lieberkühn’schen Krypten. Ich gehe jetzt über zur Darstellung dessen, was ich über die Lieberkühn’schen Krypten des Dünndarms auszusagen habe. In Bezug auf die Literatur dieses Gebiets kann ich mich kurz fassen. Sie ist wenig umfangreich und hat in der oben eitirten Inaugural-Dissertation von G. Klose eine Darstellung gefunden, der ich nur an wenigen Punkten etwas hinzuzufügen habe. Die Dissertation von Klose selbst, deren Resultate, wie erwähnt, unter Heidenhain’s Leitung gewonnen wurden und in des Letzteren „Physiologie der Secretion‘“ Aufnahme gefunden haben, ergiebt einen wesentlichen Unterschied zwischen Diekdarm- und Dünn- darmkrypten beim Hund und Kaninchen. In ersteren finden sich nach längerem Hungern des Thieres sehr reichlich Schleimzellen?), die den Becherzellen jedenfalls ähnlich sind (bauchige Theka, deren Inhalt sich mit Carmin nicht färbt, kleiner, geschrumpfter, an die Basis der Zelle gedrängter Kern) in letzteren nur spärliche Becherzellen. Letztere sind an diesem Orte seit F. E. Schulze (l. e.) bekannt, und ich kann ihr Vorkommen, sowie ihre völlige Identität mit den auf den Zotten befindlichen bestätigen. Sie finden sich jedoch bei der Maus, und ebenso beim Menschen, nicht unter- schiedlos über die ganze Krypta verstreut, vielmehr sind sie im eigentlichen Fundus ausserordentlich selten. Das Epithel der Lieberkühn’schen Krypten, soweit es nichtin Becherzellen umgewandelt ist, unterscheidet sich nun bei der Maus in manchen Stücken von dem der Zotten, sodass ich mich jenen Autoren, weiche diesbezüglich keinen Unterschied annehmen (E. Verson.c.), nicht anschliessen kann, vielmehr mich auf die Seite derjenigen stelle, welche Differenzen angeben’). Vor Allem habe ich niemals ein aus Stäbehen bestehendes Bourrelet an ihnen gesehen, ebensowenig wie G. Schwalbe, Toldt und Krause (l. e.). Man sieht die Epithelzellen der Krypte durch eine stärker gefärbte Linie von 1) Bis auf den Nachweis der Identität dieser Schleimzellen des Dick- darms mit den Becherzellen des Dünndarms möchte ich sie nicht als voll- kommen gleich ansehen. 2) Am meisten G. Schwalbe, Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in den Darmwandungen, insbesondere der Brunner’schen Drüsen. Dieses Arch. VIII, p. 92, 1872. 174 Dr. Josef Paneth: geringer Breite vom Lumen abgegrenzt, aber niemals Stäbchen, auch nicht unter denjenigen Umständen, welche auf dem Zotten- epithel den Stäbehenbesatz so ausserordentlich deutlich zeigen (Hungerzustand, Alkoholhärtung. Man vergleiche meine Fig. 17 mit der demselben Object entnommenen Fig. 25 c; derselbe Unter- schied war nahezu an allen Stellen aller Schnitte zu constatiren.) Der Stäbehenbesatz setzt sich eine Strecke weit in die Krypte fort, wird dann schmäler, die Strichelung wird undeutlicher und man. hat, je mehr man sich dem Fundus nähert, umsomehr eine homo- gene Linie vor sich, an der sich mit den besten optischen Hilfs- mitteln nieht einmal eine Querstreifung entdecken lässt. Ich kann selbstverständlich nicht in Abrede stellen, dass auch in den Krypten ein Stäbehenbesatz vorkommen kann, um so weniger als hierüber positive Angaben von Verson), Klose, Heidenhain vorliegen. Das muss aber sehr selten, ja geradezu eine Ausnahme sein?). Weitere Unterschiede sind, dass die Abwechselung heller und dunkler Stellen im Protoplasma, sowie die feine Längsstreifung des letzteren?) mir in den Krypten nicht aufgefallen ist. Ferner: Die auffallende Häufigkeit karyokinetischer Figuren in den Krypten gegenüber dem, ich möchte sagen, absoluten Mangel derselben auf den Zotten*). Ich habe bereits erwähnt, dass sich auf letzteren nie 1) Die Abbildung Verson’s (l. cc. p. 406) ist mir nicht recht verständ- lich. Sie zeigt vorwiegend mehrkernige Epithelzellen, bis zu sechs Kernen in einer. Sie scheint der Abhandlung von Lipsky (l. c.) entnommen zu sein. 2) Ebensowenig wie bei der Maus habe ich beim Hund und Menschen in den Lieberkühn’schen Krypten einen Stäbchenbesatz gesehen, auch wenn er auf den Zotten noch so deutlich war. — Beim Triton hingegen, dessen Dünndarm sehr schöne, sogar verzweigte Krypten hat (Fig. Ta auf Taf. IX), setzt sich das Epithel unterschiedlos, mit einem sehr deutlichen Stäbchenbesatz versehen, in dieselben fort. Becherzellen finden sich bis in den Fundus ebenso zahlreich wie sonst. 3) Diese Streifung ist jedoch von Klose an dem Epithel der Mast- darmdrüsen gesehen worden und bei Heidenhain abgebildet. 4) Meines Wissens hat zuerst Pfitzner (Weitere Beobachtungen über das Vorkommen der Karyokinese. Dieses Arch. XX, p. 177, 1882) angegeben, dass sich bei der Larve von Salamandra maculata, sowie bei erwachsenen Sala- mandern karyokinetische Figuren im Darmepithel nur sehr spärlich, dagegen in den Krypten reichlich finden — was ich für Triton und Maus bestätigen kann. Bizzozero und Vasale (Ueber den Verbrauch der Drüsenzellen der Säuge- Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 175 karyokinetische Figuren finden. Im Gegensatz hiezu sind sie bei der Maus in den Krypten sehr häufig, dabei wieder von Strecke zu Strecke, und von Individuum zu Individuum in verschiedener Anzahl vorhanden. Eine Beziehung zwischen der Anzahl der Mi- tosen und dem Zustand des Thieres (Hunger oder Fütterung) habe ich durchaus nicht finden können. Die in Karyokinese befindlichen Kerne liegen nur ausnahmsweise im Fundus der Krypte selbst, meist an der seitlichen Wand nahe dem Fundus‘). Die in der Mitose befindlichen Kerne sind ausnahmslos aus der Reihe der übrigen heraus, und an das Lumen gerückt (Fig. 25a, ce, 26a, b auf Taf. X). Diese Lageänderung, welche auch Grünhagen (l. e) aufgefallen ist, kommt dadurch zu Stande, dass der Kern in der Zelle selbst seinen Ort ändert (Fig. 25 ce auf Taf. X). Dies ist am besten an Alkoholpräparaten zu constatiren, welche überhaupt für Karyokinese ganz gute Präparate liefern, wenn auch lange nicht so gute als Pikrinsäure (Flemming’sche Lösung liefert auf- fallender Weise für die karyokinetischen Figuren an dieser Stelle schlechte Resultate). Es sind nämlich nach Härtung in Pikrin- säure, Flemming’scher Lösung, Osmiumsäure in dem Epithel der Krypten Zellgrenzen kaum wahrzunehmen — worin ein wei- terer Unterschied zwischen ihm und dem Zottenepithel liegt. Die Zellen liegen ohne Grenze nebeneinander, man sieht nur stellen- weise eine kaum sichtbare Linie als Andeutung einer Zellgrenze thiere in erwachsenen Drüsen. Centr.-Blatt med. Wiss. XXIIL, p. 49, 179, 1885) führen die Krypten des Dünndarms und Dickdarms bei Säugern als eine der Drüsenformen an, in denen sie reichlich Kerntheilungen fanden. Heidenhain (Eine Abänderung der Färbung mit Hämatoxylin und chrom- saurem Kali. Dieses Arch. XVII, p. 385, 1536) erwähnt, dass man in den Krypten unter Umständen sehr reichlich karyokinetische Figuren finde. Mit Vergnügen erinnere ich mich an die ausserordentlich schönen Mitosen aus dieser Gegend, die mir Herr Geheimrath Heidenhain während meines Aufenthalts in Breslau zu zeigen die Güte hatte. Grünhagen (l. c.) be- stätigt das reichliche Vorkommen indirecter Kerntheilung in dieser Gegend. 1) Man muss sich in Acht nehmen, nichts auf Schnitten schief zur Axe für Fundus zu halten, was es nicht ist. An Schiefschnitten liegt das Epithel im scheinbaren Fundus in mehrfacher Lage. Ausserdem finde ich, überein- stimmend mit Klose, das Lumen im Fundus sehr regelmässig etwas weiter als oben (Fig. 23a auf Taf. X). 176 Dr. Josef Paneth: verlaufen. Ich bin darum sogar zweifelhaft, ob die Zellen des Kryptenepithels eine Membran besitzen. Auch Klose (l. e.) hat sie mehr erschlossen, als wirklich gesehen; während man selbe an dem Zottenepithel, wie erwähnt, gelegentlich sogar an Schnitten isolirt zu sehen bekommt. Dieser Mangel einer Abgrenzung ein- zelner Zellterritorien macht es an Präparaten aus den erwähnten Flüssigkeiten schwer, sich darüber zu orientiren, wodurch die Lage der mitotischen Kerne zu Stande kommt. Man sieht nur dort, wo ein solcher liegt, einen grössern Abstand als sonst zwischen den Epithelkernen (Fig. 26a, b auf Taf. X). Alkohol bewirkt aber eine Schrumpfung, vermöge deren die einzelnen Zellen Lücken zwischen einander lassen (Fig. 25a, e auf Taf. X). Eine Zellmembran ist auch dann nieht wahrzunehmen; aber die Zellen sind von einander ab- gegrenzt, gelegentlich fast isolirt; und man sieht, wie der Kern in der Zelle seinen Platz verändert hat (Fig. 25 ce auf Taf. X). Gleichzeitig hat sich auch die Form der Zelle geändert; während das Kryptenepithel im Ganzen eylindrisch ist oder stumpf konisch mit dem breiteren Ende gegen die Mucosa, sind diese Zellen ko- nisch, mit dem breiteren Ende, welches den Kern enthält, gegen das Lumen. Auch beim Menschen scheinen in den Krypten reichlich ka- ryokinetische Figuren vorzukommen; doch ist mein Befund, abge- sehen davon, dass sie schlecht conservirt waren, auch darum nicht beweisend, weil es sich um ein nicht völlig erwachsenes Indivi- duum (20 J.) gehandelt hat. Weitere Unterschiede zwischen Zotten- und Kryptenepithel liegen darin, dass die Kerne des letzteren regelmässig etwas grösser sind, wie ich mich durch Messung und Zeichnung über- zeugt habe (vgl. Fig. 26 auf Taf. X mit Fig. 10 auf Taf. VII). Endlich sind Wanderzellen im Epithel der Krypten ausserordent- lich viel seltener als in dem der Zotten. Auf die Unterschiede der Form der Zellen lege ich wenig Gewicht, diese hängt bei Epithelien von äusseren Bedingungen ab und variirt ja auch auf den Zotten innerhalb sehr weiter Grenzen. Aber schon die angeführten Punkte scheinen mir die Be- hauptung: „Das Kryptenepithel ist mit dem der Zotten identisch‘, als in dieser Allgemeinheit für Säugethiere unhaltbar darzuthun. In dem Fundus der Lieberkühn’schen Krypten findet man Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 1 Luce nun ausserdem bei Mäusen durch den ganzen Dünndarm verbreitet und meistens in sehr grosser Anzahl jene „Körnchenzellen‘‘!), auf welche ich in einer vorläufigen Mittheilung?) aufmerksam ge- macht habe. Von ihrem Aussehen im überlebenden Zustand mag Fig. 21 a auf Taf. X eine Vorstellung geben. Man wird schwerlich in der oben angegebenen Weise ein „Abstreifpräparat“ vom Mäusedarm anfertigen, ohne auf solche Bilder in grösserer Menge zu stossen, 1) Ich bin wegen des Namens in einiger Verlegenheit. Das Auftreten des Secrets in Form von Körnchen ist gar nicht ein so ausschliessliches Merkmal dieser Zellen, um darauf eine gute Benennung zu gründen. „Fundus- zellen“ ist noch weniger zu brauchen, weil diese Zellen sich wahrscheinlich nicht in den Krypten aller Säuger finden, ich ausserdem nicht behaupten kann, dass sich Aehnliches nicht auch ausserhalb der Krypten finden könne. So mag es bei „Körnchenzellen“ bleiben, weil ja die grossen, intensiv tin- girten Körnchen das Erste sind, was auf diese Zellen aufmerksam macht. 2) J. Paneth, Ein Beitrag zur Kenntniss der Lieberkühn’schen Krypten. Centr.-Blatt für Physiologie I, p. 255, 1887. G. Schwalbe hat vielleicht diese Zellen bei der Ratte gesehen, aber nur mit sehr wenig, noch dazu kleinen Körnchen. Ich habe seine diesbezügliche Abbildung in Fig. 30 auf Taf. X reprodueirt. Seine Beschreibung lautet wie folgt (1. e. p. 156): „Stellt man den Tubus... . auf die äussersten Enden der Lieberkühn- schen Krypten ein (es ist die Rede von der Flächenansicht des Darmes von der Submucosa aus), so bemerkt man ..... klare, durch eine scharfe Linie von der Umgebung abgegrenzte Blasen mit kleinem, rundem, centralen Lu- men. Der Raum zwischen letzterem und dem Randcontour ist von einer klaren Zellenmasse ausgefüllt, die weder Kerne noch Zellgrenzen erkennen lässt, dagegen häufig fein radiär gestrichelt erscheint, das erste Anzeichen beginnender Trübung. Sofort in die Augen fallen aber 3 bis 4 kleine Haufen dunkler glänzender Körner, die dicht um das centrale Lumen herumgruppirt sind, wodurch dann, wie bereits oben erwähnt wurde, ein Bild entsteht, ähn- lich wie es die kleinen pankreatischen Drüsen des Darms im frischen Zustand zeigen.“ — Die pankreatischen Drüsen des Darms und das Pankreas selbst im überlebenden Zustand sind mir von der Maus bekannt; die Körnchen der darin vorkommenden Drüsenzellen sind sehr viel kleiner und nicht so regel- mässig kuglig wie die in den „Körnchenzellen“ der Krypten, füllen auch nie die ganze Zelle aus; sodass ich, eben wegen des zuletzt von G@. Schwalbe gezogenen Vergleichs, doch nicht sicher bin, ob er die „Körnchenzellen“ in den Krypten gesehen hat. Vgl. Fig. 31, welche Körnchenzellen von der Ratte darstellt, mit Fig. 30 —. Hiernach ist das zu ergänzen, was ich in meiner vorläufigen Mittheilung gesagt habe. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 12 178 Dr. Josef Paneth: nur muss man die Schleimhaut gründlich, bis auf die Museularis mucosae abstreifen. Schon an dem Abstreifpräparat wird es klar,, dass diese mit Körnchen (oder Tröpfehen, über ihre Consistenz weiss ich nichts) erfüllten Zellen im Fundus von Krypten liegen. Die Tröpfehen sind mässig lichtbrechend, nicht so stark als Fett, von verschiedener Grösse, meistens viel grösser als die Tröpfehen in Becherzellen der Maus und selbst des Tritons, und liegen in Räumen beisammen, welche die Umrisse von Zellen aus den Krypten haben, oder auch hie und da frei im Lumen der Krypta. In der Krypte sind manchmal mehrere, manchmal nur ein bis zwei Zellen von diesen Tröpfehen erfüllt, oder es liegen, wie es scheint, nur wenige Tröpfchen in einer Zelle. Von der Wirkung einfachster Reagentien auf diese Tröpfchen habe ich Folgendes auszusagen ). Gegen destillirtes Wasser und Kalilauge sind sie resistent; ersteres scheint ihnen nichts anzuhaben, in letzterer schrumpfen sie etwas und bekommen härtere Contouren, werden also stärker liehtbreehend. Aether löst sie langsam auf; ebenso Alkohol. Ver- dünnte Säuren lösen sie rasch auf. In dem Moment wo das Ge- webe beim langsamen Zufliessen der Säure vom Rande her die Einwirkung derselben erkennen lässt, sich trübt, die Kerne vor- treten, in dem Moment verschwinden die Körnchen, und treten nicht wieder auf, wenn man durch Kalilauge die Säure neutralisirt und das Gewebe aufhellt.e. Die Körnchen sind also durch die Säure wirklich gelöst, nicht blos durch das getrübte Gewebe ver- deckt worden. Osmiumsäure conservirt die Tröpfehen und die Zellen, in denen sie liegen, vorzüglich, erstere werden dabei mahagonibraun, nicht schwarz (Fig. 24 auf Taf. X). Zur Fixirung der Gebilde ist überhaupt nur Osmiumsäure oder Pikrinsäure zu gebrauchen. Flemming’sche Lösung zerstört 1) Statt des üblichen Durchsaugens habe ich meistens die Präparate unter Zusatz des betreffenden Reagens angefertigt, eventuell abgesaugt und wieder zugesetzt, um eine gleichmässigere Wirkung zu erzielen. Bleiben da- bei die Tröpfchen erhalten, oder entfaltet das Reagens seine Wirkung auf dieselben allmählich unter den Augen des Beobachters, so ist die Sache in Ordnung. Findet man sie nicht, so ist eine Controle durch allmählichen Zu- satz des Reagens vom Rande des Deckgläschens her nöthig. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 179 die Zellen, so dass man sich in dem Fundus der Krypten gar ‚nicht auskennt; es bleibt eventuell ein Netzwerk in den Zellen, oder dieselben sind an tingirten Präparaten diffus gefärbt. Nie- mals aber zeigen diese Zellen nach Fixirung in Flemming’scher Lösung und Färbung mit Saffranin jene violetten Pfröpfe wie die Becherzellen auf den Krypten. Nur wenn man die Flemming’sche Lösung mit einem sehr starken Zusatz von Osmiumsäure bereitet, bleiben die Körnchenzellen einigermaassen erhalten. Alkohol lässt in diesen „Körnchenzellen“ keine Körnchen, sondern ein. grob- maschiges Netzwerk zurück, welches den Eindruck macht, als wären die Körnchen gelöst, und das zwischen ihnen liegende ge- härtet (Fig. 25a, b auf Taf. X). Dieses Netzwerk tingirt sich mit Saffranin schwach, besser mit Metliylenblau (Fig. 25 b auf Tan 8): Die besten Resultate für die Fixirung giebt Härtung in con- centrirter wässriger Lösung in Pikrinsäure, wie oben angegeben. Die Körnchen sind sehr gut erhalten, drehrund, etwas kleiner als im überlebenden Zustand. Sie nehmen alle Farbstoffe an und halten sie hartnäckig fest: Hämatoxylin nach Heidenhain oder Böhmer, Saffranin, Methylenblau, Eosin, Jodgrün, alle Anilin- farben, die ich überhaupt versucht habe. Sie halten dieselben bei der Entfärbung mit Alkohol länger fest als die Kerne (s. Fig. 22, 23a,b,c auf Taf. X). Dabei färben sich diese Körnchen ohne allen Farbenwechsel, und unterscheiden sich hierdurch von den Körnchen in den Becherzellen, die ausserdem viel kleiner sind !). So färben sie sich mit Jodgrün türkisenblau, die Becherzellen oliv- grün, mit Saffranin intensiv krapproth, während die Becherzellen entweder homogen und kaum gefärbt oder mit rothgelben Körnchen erfüllt sind. Nur jene Becherzellen, in denen kleine karminrothe Körnchen ohne gelben Schein sind, haben eine entfernte Aehnlich- keit mit Körnchenzellen. Hämatoxylin färbt den Inhalt der Theka der Becherzellen nach Pikrinsäure-Härtung bekanntlich nicht, wäh- rend die Körnchen in den Lieberkühn’schen Krypten sich damit intensiv tingiren. Nur selten liegt eine Becherzelle mit bauchiger Theka und den sonstigen Eigenschaften der Becherzellen in der Nähe des Fundus der Krypten und unterscheidet sich dann sehr deutlich von den Körnchenzellen. 1) Beim Triton kommt etwas diesen Körnchenzellen Analoges nicht vor; derselbe hat nur Becherzellen in seinem Dünndarm. 180 Dr. Josef Paneth: Die angeführten Reactionen gestatten keinen Schluss auf die chemische Natur der „Körnehen“, umsoweniger, als wir ja keinen Grund haben, anzunehmen, dass selbe nur aus einem Stoff be- stehen und möglicherweise die Lösung eines Componenten zur Zer- störung der Körnchen hinreicht; umsoweniger, als auch die Re- sistenz eines Körnchens gegen irgend ein Reagens, bei den Ver- hältnissen und Dimensionen, in denen wir uns bewegen, den Schluss nieht gestattet, dass es darin unlöslich ist — wie sofort einleuchtet, wenn man bedenkt, dass man das Fett aus der Milch nicht ein- fach mit Aether ausschütteln kann, sondern erst nach Zusatz von Kalilauge. Dagegen sind einige negative Aussagen möglich. Die Körnehen können nicht aus Fett bestehen, auch nicht Fett in grösserer Menge enthalten wegen des Verhaltens gegen Os- miumsäure, wegen ihres Vermögens, Farbstoffe anzuziehen und festzuhalten, und wegen ihrer leichten Zerstörbarkeit durch Säuren. Ueberdies finden sich die Körnchenzellen an Mäusen, die 48 Stun- den und darüber gehungert haben, und deren Darmkanal ganz leer ist, sehr reichlich. Die Körnchen können nicht Coecen oder Keime parasitischer Infusorien sein. Diese Dinge sind gegen Säuren, Aether, Alkohol vollkommen resistent; die Zoogloea, welche sich gelegentlich massen- haft im Mäusedarm findet, sieht ganz anders aus, als diese Körn- chen, deren ungleiche Grösse auch dagegen spricht, dass sie zu den besprochenen Dingen gehören sollten. Ich fasse die besprochenen Körnchenzellen als eine eigene Art Drüsenzellen auf, verschieden von den Becherzellen. Das in ihnen gebildete Secret hat andere morphologische und chemische Eigenschaften, als die Körnchen in den Becherzellen; es hat keine Neigung zu quellen; es verändert die Farbstoffe nicht. Im Lumen der Krypte finden sich häufig dieselben Körnchen, wie in den Zellen; oft so, dass man sieht, dass sie aus einer Körnchenzelle stammen (zum Beispiel Fig. 23b auf Taf. X), sie confluiren dann im Lumen zu einem intensiv gefärbten Faden (Fig. 22 auf Taf. X). Auch von den Pankreaszellen, deren Körnchen viel kleiner sind, immer nur den dem Lumen zugewandten Theil der Zelle, nie die ganze Zelle einnehmen und in Alkohol unlöslich sind, sowie von den Zellen seröser Drüsen, deren Secret im überlebenden Zu- stand nach Langley (l. e.) ebenfalls in Körnchenform vorhanden ist, unterscheiden sich diese Drüsenzellen; wenigstens zeigt die Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 151 Abbildung bei Langley durchaus nicht so regelmässige, grosse, ich möchte sagen unzweideutige Tröpfchen. Ich weiss überhaupt bei Säugethieren — von den unten zu besprechenden Krypten an- derer Thiere abgesehen — keinen Ort, wo diese oder ihnen gleiche Drüsenzellen sich finden. Dagegen scheinen bei Amphibien ähn- liche Körnehenzellen in der Haut vorzukommen. Vielleicht sind die Leydig’schen Zellen ihnen ähnlich, vielleicht die eine Art der von Engelmann!) beschriebenen Drüsen in der Schwimm- haut, oder die eine Art der von Leydig und Rabl (l. ce.) be- schriebenen Cloakendrüsen. Es fällt nämlich auf, dass die letzt- genannten Autoren (Engelmann, Rabl) zwei Arten acinöser Drüsen beschreiben, von denen die Zellen der einen Schleim- oder Becherzellen ziemlich ähnlich sind; die der andern jedoch Körn- chen oder Tröpfehen enthalten, die sich nach Rabl mit Saffranin oder Hämatoxylin färben. Aber ohne eigenes, eingehendes Studium aller dieser Gebilde ist es mir unmöglich, ein Urtheil über Aehn- lichkeiten und Verschiedenheiten abzugeben. Man wird an den meisten Schnitten des Mäusedünndarms den Fundus der Mehrzahl der Krypten von Körnchenzeilen erfüllt sehen, zwischen denen manchmal gewöhnliche Epithelien übrig bleiben. An den Körnehenzellen, wenn sie recht prall gefüllt sind, fehlt auch jene Andeutung von Bourrelet, welche die Epithelzellen der Krypten haben. Man findet auch Krypten, in denen nur eine Zelle von Körnchen erfüllt ist, oder wo nur wenige und dann kleine Körnchen in jeder Zelle liegen, und diese an dem dem Lumen zugewandten Theil. Die Zellen im Fundus selbst sind mit grös- seren und reichlicheren Tröpfehen erfüllt, als die weiter oben be- findlichen (Fig. 22 auf Taf. X). Die Körnchen liegen zunächst in unverändertem Protoplasma (Fig. 23c), dieses wird dann immer weniger geneigt, Farbstoffe aufzunehmen (Fig. 23a auf Taf. X), es bräunt sich weniger mit Osmiumsäure (Fig. 24 auf Taf. X); es ist schliesslich an den am stärksten gefüllten Zellen kein Pro- toplasma mehr zu sehen; auch bleibt nicht, «wie bei den Becher- zellen, ein Theil des Protoplasma gegen die Mucosa zu erhalten. Der Kern erscheint in den Körnchenzellen kleiner und ho- mogen, sowie stärker tingirt als derjenige der Epithelien (Fig. 23a, e 1) W. Engelmann, Die Hautdrüsen des Frosches. Pflüger’s Arch. V, p. 498, 1872. 182 Dr. Josef Paneth: auf Taf. X). Wenn die Körnchenzellen mit Körnehen ganz er- füllt sind, ist der Kern öfters nicht zu seben: sei es, dass er blos verdeckt wird, was mir nicht wahrscheinlich ist, oder wirklich ver- schwindet. Die letzten Beobachtungen führen uns zur Biologie dieser Zellen. Dass Körnchenzellen aus Epithelzellen entstehen, darüber kann kein Zweifel sein, — wir sehen ja alle Uebergänge vor uns; ebensowenig darüber, dass sie ihren Inhalt in das Lumen ent- leeren. Was wird weiter aus ihnen? Regeneriren sie sich von protoplasmatischen Resten aus, wie ich es von den Becherzellen nachgewiesen zu haben glaube? Dieser Annahme steht entgegen, dass man keine protoplasmatischen Reste findet. Oder findet eine fortdauernde Secretion statt? Aber was sollte diese leisten? Ich habe eine ziemliche Anzahl von Mäusen hungern lassen und entweder im Hungerzustand oder verschieden lange Zeit nach reichlicher Fütterung getödtet. Es gibt ja kein anderes physio- logisches Verfahren, um den Darm zur Secretion zu bringen, als die Fütterung. Meine Hoffnung, auf diese Weise verschiedene Stadien der Entwickelung und Secretion dieser Zellen isoliren zu können, ist im Ganzen nicht in Erfüllung gegangen. Die Körnchen- zellen fanden sich in allen Fällen annähernd gleich häufig. Doch habe ich an zwei Mäusen, die 48 Stunden gehungert hatten, dann gefüttert und nach 2!/, beziehungsweise 4!/, Stunden umgebracht worden waren, nach Pikrinsäure-Härtung auffallend häufig in den Krypten leere Zellen gefunden (Fig. 27 auf Taf. X), das heisst Zellen mit wenig dünnen Fäden erfüllt, die ein spärliches Netz- werk bildeten, mit einem kaum sichtbaren Kern oder ganz ohne solchen. Dazwischen schmale, stark tingirte Zellen. Leere Zellen in den Krypten sah ich auch einmal im überlebenden Zustand (Fig. 21 b auf Taf. X), so dass ihre Entstehung aus entleerten körnchenhaltigen Zellen evident war. Hätte ich diese Dinge öfter und vor Allem in regelmässigerem Zusammenhang mit physiologischen Zuständen gesehen, so würde ich nicht anstehen, auszusagen, dass die Körnchenzellen bei der Secretion zu Grunde gehen. Sie verwandeln sich vollständig in Secret, entleeren dieses und hören auf zu existiren. Das Vorkommen zahlreicher karyokinetischer Figuren stimmt hierzu; sie könnten Ersatz schaffen. Bizzozero und Vasale (l. e.), welche von dem Gesichtspunkt ausgingen, dass es zweierlei Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 183 Arten secretorischer Vorgänge in Drüsen gäbe, solche, bei denen die Zellen zu Grunde gehen, und solche, wo sie erhalten bleiben und dass man je nach dem Vorkommen oder Fehlen von karyo- kinetischen Figuren in einer erwachsenen Drüse entscheiden könne, welche Art von Seeretion in derselben stattfände: diese Autoren rechnen, eben wegen des Befundes karyokinetischer Figuren, die Krypten des Dünndarms zu denjenigen Drüsen, in denen die Zellen zu Grunde gehen. Wir hätten dann im Darm beide Arten von Seeretionsprocessen: denjenigen, dessen Höhepunkt die Becherzelle darstellt: kein Zu- srundegehen von Zellen, keine karyokinetischen Figuren dort, wo er stattfindet. Und denjenigen, der zu den Körnchenzellen führt: die Zellen gehen zu Grunde, in der Nähe finden sich zahlreiche Mitosen. Die Lage der karyokinetischen Figuren in der Krypte würde hierzu stimmen. Wir finden, schematisch gesprochen: an der tiefsten Stelle des Fundus Körnchenzellen, ganz erfüllt mit grossen Körnchen, den Höhepunkt des Processes darstellend. Dann Zellen mit wenigen, kleineren Körnchen, die jüngeren Stadien. Dann die mitotischen Kerne. Das stimmt zu der Vorstellung, dass die Zellen im Fundus zu Grunde gehen, und von dem Ort aus, wo die Mitosen liegen, der Ersatz stattfindet, junge Zellen gebildet werden, die sich allmählich mit den Tröpfchen füllen. Wenn ich jedoch diese Hypothese, dass die Körnchenzellen zu Grunde gehen und die karyokinetischen Figuren in den Krypten Ersatz schaffen, eben nur als eine weiterer Prüfung und Beweise bedürftige Hypothese hinstelle, so bewegen mich dazu, ausser dem Umstand, dass mir die Abgrenzung physiologischer Zustände weder für die Körnehenzellen noch für die Kerntheilungsfiguren gelun- gen ist, die sich auch bei hungrigen und bei gefütterten Thieren gleich häufig finden, einige Einwände, die ich nicht verschweigen will. Erstens finden sich beim Triton auch in den Kryptien nur Becherzellen, die bei der Seeretion nicht zu Grunde gehen, und doch die Kerntheilungsfiguren nicht gleichmässig im Epithel ver- theilt, sondern in den Krypten viel häufiger, wie Pfitzner an- giebt und ich bestätigen kann. Zweitens hat Patzelt (l. ec.) angegeben, dass bei der em- bryonalen Entwickelung des Dickdarms der Sitz der Zellwucherung 184 Dr. Josef Paneth: in den Krypten sei, dass die Zellen von da aus hinaufrücken; hier- auf führte er ihre langen basalen Fortsätze zurück. Beim Embryo der Katze aber gehen wohl kaum Zellen durch Secretion zu Grunde, abgesehen davon, dass Patzelt nur von Becherzellen spricht, bei denen dies gewiss nicht der Fall ist. — Jedenfalls zeigen die Be- funde von Patzelt, Pfitzner und mir, dass in den Krypten eine reichliche Neubildung von Zellen stattfindet unter Umständen, welche ein Zugrundegehen nicht nachweisen lassen. Damit wird aber der Schluss: „weil daselbst karyokinetische Vorgänge häufig sind, müssen eben dort auch Zellen verbraucht werden* hinfällig. Ausserdem lagen die oben erwähnten „leeren Zellen“ meistens nicht im Fundus selbst, sondern an der Seitenwand unmittelbar darüber. Ferner finden sich im Fundus der Krypten auch „schmale Zellen“. Wenn diese nicht aus Becherzellen entstanden sind — was aber mit ihrer Häufigkeit gegenüber der Seltenheit letzterer nicht zu vereinen ist — so spricht ihr Vorkommen auch gegen die oben gegebene Darstellung des Secretionsvorganges an Körnchen- zellen. Oder sind sie die jungen, aus Karyokinese entstandenen Zellen? Dann müsste man erwarten, sie sehr häufig paarweise zu finden, was nicht der Fall ist. Weitere Untersuchungen sind nöthig, um diese Punkte aufzuklären. So naheliegend und plausibel also der besprochene Zusammen- ‚hang zwischen Secretion und Kermtheilung für die Körnchenzellen sein mag, nachgewiesen ist er nicht. Weil dieser sehr wesentliche Punkt, das Zugrundegehen der Körnchenzellen und ihr Ersatz durch die karyokinetischen Vor- gänge in den Krypten mir nicht über jeden Zweifel feststeht, unter- lasse ich es, Vergleiche zwischen dem Seeretionsvorgang in den Körnchenzellen und demjenigen in anderen Drüsen zu ziehen. Ausser bei der Maus finden sich auch im Dünndarm der Ratte (Fig. 31 auf Taf. X) Körnchenzellen in den Krypten, wenn auch spärlicher und mit kleineren Körnchen, aber den beschriebenen sonst ganz ähnlich. Beim Hund und bei der Katze habe ich sie flüchtig aber ver- geblich gesucht. | Beim Menschen sind dagegen die Zellen, die den Fundus der Krypten auskleiden, von dem Epithel der Krypten sowohl, als auch von den Becherzellen verschieden. Ich habe nur einen Fall in hinreichend frischem Zustand zu untersuchen Gelegenheit gehabt; Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 185 das gewöhnliche, der Leiche erst lange Zeit post mortem entnom- mene Material würde mir gar kein Zutrauen eingeflösst haben. Bei diesem Individuum war aber der zu besprechende, in Fig. 28 auf Taf. X dargestellte Befund sehr verbreitet, in der grossen Mehrzahl der Krypten zahlreicher Stellen des Dünndarms zu con- statiren. Die Zellen im Fundus sind (nach Härtung in Pikrinsäure und Färbung mit Saffranin) heller als das Epithel und enthalten kleine, kaum gefärbte Körnchen. Ebensowenig gelingt es, diese Körnchen mit irgend etwas intensiver zu tingiren, so dass sie schwer sichtbar sind. Macht man in der oben angegebenen Weise eine Doppelfärbung mit Methylenblau und Bismarekbraun, so färben sich diese Zellen bräunlich, nicht blau wie die Theka der Becherzellen. Härtet man in Alkohol, so sehen diese Zellen ähnlich aus, wie die Körnchenzellen der Maus nach der gleichen Behandlung, und ganz anders als die Epithelien; sie sind mit einem groben Netzwerk erfüllt (Fig. 29 auf Taf. X). Wenn es also beim Menschen „Körn- chenzellen“ sind, so unterscheiden sie sich von denen der Maus dadurch, dass ihre Körnchen Farbstoffe gar nicht festhalten. Ich habe keine Aussicht, demnächst brauchbares Material vom Menschen zu erhalten, und veröffentliche diese letzte Beobachtung, unfertig und nur an einem Individuum gewonnen, wie sie ist, nur als eine Aufforderung an solche, die Gelegenheit haben, frisches Material vom. Menschen zu erhalten, den Lieberkühn’schen Kıypten ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Insbesondere erscheint mir die Härtung in Osmiumsäure, die ich nicht angewandt habe, wichtig. Zusammenfassung. Die Becherzellen im Dünndarm gehen aus gewöhnlichen Epi- thelzellen hervor. Das Secret tritt zunächst in Körnchenform auf. Ein Theil des Protoplasma und der Kern bleiben erhalten, erleiden aber gewisse Veränderungen. Wenn man in der Theka dieser Becherzellen ein reticulum findet, so ist dieses nicht protoplas- matischer Natur, sondern besteht aus Secret. Nach Entleerung des Secrets wird aus der Becherzelle wieder eine Epithelzelle. In den Krypten verschiedener Säuger befindet sich eine be- sondere Art secernirender Zellen, die weder mit Becherzellen, noch mit Schleimzellen, noch mit Pankreaszellen identisch sind. 186 Dr. Josef Paneth: Sie liegen im Fundus der Krypten und sind mit Körnehen verschiedener, oft recht beträchtlicher Grösse erfüllt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIII—X. Die Contouren der Zeichnungen sind mit der Abbe@’schen Camera lu- cida aufgenommen. Die arabische Ziffer bedeutet das Ocular, die römische das Objectiv (aus der Werkstätte von C. Reichert in Wien). Die Zahl 390/, u. s. f. giebt die lineare Vergrösserung der Zeichnung an. An sämmt- lichen Abbildungen bezeichnet b die Theka der Becherzellen, f ihren proto- plasmatischen Theil (Fuss), p ihren Kern, k den Kern von Epithelzellen, s schmale Zellen, w Wanderzellen im Epithel. Fig. 1 auf Taf. VII. Dünndarm vom Triton, ohne Zusatz in feuchter Kam- mer, von der Fläche gesehen, 2. X. W/,. Zellgrenzen sind nicht wahrzunehmen, die Becherzellen heben sich als helle Kreise ab und sind mit Tröpfchen erfüllt. Fig. 2a und b auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm eines Triton, der lange ge- hungert hätte. Härtung in concentrirter wässriger Lösung von Pi- krinsäure; nach gehörigem Auswaschen in Alkohol übertragen, mit Saffranin gefärbt, mit Xylolparaffin durchtränkt. 2. VI. %%/,. In Fig. 2a ist bei b in einer Zelle eine lichtere (vgl. Fig. 4) Stelle, in der gelbrothe Körnchen oder Tröpfchen sind; die betreffende Zelle unterscheidet sich sonst nicht von den gewöhnlichen Epithelzellen, sie hat insbesondere ein Bourrelet. In Fig. 2b ist bei b‘ eine Zelle mit Bourrelet und einem ähnlichen, nur grösseren tröpfchenerfüllten Raum im Inneren; bei b eine völlig ausgebildete „Becherzelle“ ohne Bourrelet, mit körnchenerfüllter „Theka“, Kern und protoplasmati- schem Theil („Fuss“). Fig. 3 auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm eines Triton, der 60 Stunden nach der Fütterung getödtet wurde, Behandlung wie bei dem Object der Fig. 2. 2. VI. 3%/,. Eine zum grössten Theile entleerte Becher- zelle bei b, und eine „schmale Zelle“ bei s. Fig. 4a—c auf Taf. IX. Aus dem Dünndarm verschiedener Tritonen Be- handlung wie bei dem Object der Fig. 2; in den natürlichen Farben ausgeführt. Fig. 4a. 2. VI. 3%/,; bei b eine Zelle mit Bourrelet, die den körnchenerfüllten Seeretraum im Inneren hat, bei b‘ eine offene Becherzelle, die sich in das Lumen des Darms entleert, wobei die Körnchen zusammenfliessen und eine röthliche Wolke bilden. Fig.4b. 2. VIII. %0/,; bei bein geschlossener Secretraum, mit Körn- chen erfüllt, bei b’ eine offene Becherzelle mit körnchenerfüllter Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 187 Theka und Kern (p) nebst protoplasmatischem Theil (Fuss) bei f; bei w Wanderzellen im Epithel. In Fig. 4a und 4b erscheinen Kerne und Protoplasma krapproth, wobei der Kern der Becherzelle (bei p) kleiner, stärker tingirt und der Schleimhaut näher gerückt ist, als die Kerne der Epithelzellen (bei k); im Secretraum, sowie in der Theka erscheinen gelbrothe Körnchen, bald sehr gleichmässig rund (b), bald länglich (b‘), auf gelbem Grunde. Fig. 4c zeigt bei starker Vergrösserung (2, 1/ay‘‘ homog. Immersion) worauf der gelbe Grund beruht. Die scharf eingestellten Körnchen erscheinen roth, die nicht im Focus befindlichen von gelbem Schein umgeben, oder als nicht scharf begrenzte gelbe Kreise. Bei p der Kern der Becher- zelle, kleiner und stärker tingirt als die Kerne der Epithelzellen (k). Fig. 5a-d auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm eines Triton, der lange ge- hungert hatte, Härtung in Rabl’scher Flüssigkeit (Chrom-Ameisen säure), nach gehörigem Auswaschen in Alkohol übertragen, Färbung mit Saffranin. 2. VI. ®0,. In den Präparaten unterscheiden sich. die Secretmassen auch durch den Ton, nicht blos durch die Intensität der Färbung von dem übrigen Gewebe. 5a zeigt bei b Secrettropfen in Zellen, die noch ihr Bourrelet haben, in dem Protoplasma derselben gelegen. 5b zeigt bei b offene Becherzellen, bei f den protoplas- matischen Theil, bei p den Kern einer derselben. Der Kern der Becherzelle ist kleiner und stärker tingirt als derjenige der Epithel- zellen (k). 5c zeigt Becherzellen bei b mit Kern (p) und proto- plasmatischem Theil (f); bei s eine „schmale Zelle“, deren Proto- plasma sich von demjenigen der Epithelzellen in ganz ähnlicher Weise unterscheidet, wie der protoplasmatische Theil der Becher- zellen; 5d zeigt, wie der Inhalt der Theka mehrerer Becherzellen im Lumen des Darms zu einer wolkenartigen Bildung confluirt und wie erdas Bourrelet zunächst mit enger Oeffnung durchbricht (bei b); fällt diese Oeffnung nicht in den Schnitt, so entsteht der Anschein, als sei durch das unversehrte Bourrelet der Inhalt der Theka durch- getreten, wie in Fig. 5c bei b‘. Der Inhalt der Becherzellen in Fig. 5b ist nicht ganz homogen, sondern zeigt hellere und dunklere Stellen. Fig. 6a—f auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarme von Tritonen, ebenso be- handelt wie das Object der Fig. 5, Fig. 6 a—e. 2. VII. %0/.. Fig. 6f. 2. IX. %0),. Fig. 6a. Bei b und b‘ Seeretraum in einer Zelle mit Bourrelet (b), Kern (p) und Protoplasma (f) derselben verändert, das heisst das Protoplasma dunkler und mehr homogen, der Kern kleiner, dunkler, dem Bindegewebe näher gerückt. Fig. 6 b und c Becherzellen, deren Secret im Begriff ist, das Bourrelet zu durchbrechen, bei f und p Protoplasma und Kern derselben; man sieht in dem Protoplasma eine Trennung, als ob ein Theil desselben mit dem Inhalt der Theka entleert würde. 6d eine entleerte Becher- Fig. Ta Dr. Josef Paneth: zelle, bei b die leere Theka, die Zellmembran daselbst besonders deutlich sichtbar, f ihr protoplasmatischer Theil, p ihr Kern. 6e schmale Zelle mit Bourrelet (bei s), ihr Protoplasma dunkler als das der übrigen Zellen. 6f eine Becherzelle mit entleerter Theka (b‘) und eine mit secreterfüllter (b); an ersterer die Zellmembran sehr deutlich; Kerne (p) und protoplasmatischer Theil der Becherzellen (£) unterscheiden sich von dem Protoplasma und den Kernen (k) der Epithelzellen. und b auf Taf. IX. Aus dem Dünndarm von einem Triton, der lange gehungert hatte, Härtung in Alkohol, Färbung mit Saffranin in natürlichen Farben ausgeführt. 7a schwache Vergrösserung, zeigt zwei Krypten mit Becherzellen; das Secret in diesen, gelbroth gefärbt, steht mit dem Inhalt des Darms in Zusammenhang, das übrige Gewebe krapproth. 7b 2. VIII. %0/, zeigt den Inhalt der Theka einer Becherzelle, von mehr und weniger intensiv gelbroth gefärbten Partien erfüllt; Kern und Protoplasma krapproth. Fig. 8 auf Taf. VIII. Aus einem durch Abstreifen gewonnenen Präparate des Dünndarms einer Maus, in feuchter Kammer ohne Zusatz. Zell- contouren und Kerne sind kaum wahrnehmbar, bei b eine körnchen- erfüllte Becherzelle. Fig. 9a—d auf Taf. IX. Aus dem Dünndarm von Mäusen, die 24—48 Stunden gehungert hatten; Härtung in concentrirter wässriger Lösung von Pi- krinsäure, nach gehörigem Auswaschen in Alkohol übertragen, Färbung mit Saffranin, mit Xylol-Paraffın durchtränkt 2. X, °/, in natür- lichen Farben ausgeführt; a, e und d Seitenansicht, b Flächenan- sicht. Die Theka der Becherzellen ist von gelbrothen Körnchen auf eelbem Grunde erfüllt, das übrige Gewebe, auch Kern und Proto- plasma der Becherzellen, krapproth. Bei p die Kerne der Becher- zellen (kleiner und intensiver gefärbt, als die der übrigen Epithel- zellen) und der protoplasmatische Theil derselben. Fig. 9d bei b die entleerte Theka, mit deutlich sichtbarer Zellmembran, die Oeff- nung derselben ist dargestellt. Fig. 10 a—e auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm einer gefütterten Maus, ebenso behandelt wie das Object der Fig. 9. 2. IX. %%/,. Die Figuren zeigen, dass die Theka manchmal intensiv gefärbte Körnchen ent- hält (10a bei b), manchmal homogen und schwach gefärbt ist 10 b, 10 ce, 10e bei b; sie zeigen den Kern der Becherzellen (bei p) kleiner und intensiver gefärbt als den der Epithelzellen (bei k); endlich zeigen sie „schmale Zellen“ (bei s). Das Protoplasma der Epithel- zellen fein längsstreifig. Fig. 11a—c auf Taf. VII. Aus dem Dünndarm einer Maus, die 24 Stunden gehungert hatte. Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Hämatoxylin nach Heidenhain. In 11a bei b liegt ein ungefärbter Tropfen Secret in einer Epithelzelle; in 11 b bei b ist eine offene Becher- Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. ° 189 zelle dargestellt mit intensiv gefärbtem Fuss. Das Secret ist nicht völlig homogen, sondern enthält hellere und dunklere Stellen. I1c Flächenansicht des Epithels. Fig. 12 a—k auf Taf. VII. Aus dem Dünndarm verschiedener hungernder = S Fi u g Fig Fi [ g Mäuse, Härtung in_Flemming’scher Lösung,.nach gehörigem Aus- waschen in Alkohol übertragen, Saffraninfärbung. Die natürliche Fär- bung dieser Präparate ist in Fig. 13 dargestellt. 2. X. ®®/,. 12a Secret- tropfen in der geschlossenen mit Bourrelet versehenen Zelle. 12 b—g offene Becherzellen, bei denen der Inhalt der Theka nach Durchbrechung derselben ausfliesst. Die Kerne und protoplasmatischen Reste dieser Becherzellen zeigen in verschieden starkem Grade die Veränderung, die öfters beschrieben wurde, die Kerne sind kleiner, stärker gefärbt, liegen näher an der Schleimhaut, das Protoplasma der Becherzellen färbt sich stärker als das der Epithelzellen. 12h zeigt eine Becher- zelle mit nahezu entleerter Theka; die Membran ist deutlich zu sehen, etwas gefaltet, Kern und Protoplasma der Becherzelle in charakteristischer Weise verändert. 12i eine Nische im Epithel, in deren Grunde eine kleine schmale Zelle (s) liegt, in der Nische ein Tropfen des (violett gefärbten) Secrets. 12k Nische im Epithel, in deren Grnnde eine kleine Zelle liegt. In 12h ist der Rest der Becherzelle (p) ohne Bourrelet, in 12i und k haben die schmalen (kleinen) Zellen ein Bourrelet. Das Bourrelet ist in den Figuren 12a—k meistens breit, dem Hungerzustand entsprechend, und ohne Strichelung entsprechend der Härtung in Flemming’scher Lösung. ig. 13a und b auf Taf. IX. Von dem Object der Fig. 12 ebenso behan- delt, 2. X. °00/,, in natürlichen Farben dargestellt. Fig. 13a Becher- zelle, deren Secretpfropf über das Niveau prominirt und nicht ganz homogen ist. Fig. 13 b Epithel von der Fläche gesehen, bei b eine Becherzelle. Der Inhalt aer Theka violett, das Uebrige, auch der protoplasmatische Theil der Becherzellen roth. . 14 auf Taf. IX. Aus dem Dünndarm einer hungernden Maus, Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Jodgrün, in den natürlichen Farben dargestellt, 2. IX. %0/,, Becherzelle, Kern und Protoplasma blau- grün, Inhalt der Theka aus olivgrünen Körnchen bestehend. . 15 auf Taf. IX. Von dem Object der Fig. 14, ebenso gehärtet, mit Methylenblau gefärbt 2. IX. %0/,. Inhalt der Theka aus blauen Körnchen bestehend, ebenso das Protoplasma und der Kern gefärbt. . 16a und b auf Taf. VIII. Von einer Maus, die 52 Stunden gehungert hatte. Härtung in 1°/, Osmiumsäure eine Stunde lang, dann Alkohol. 2. IX. #0/,. Bei b Becherzellen, der Inhalt der Theka ist dunkel und zeigt bei 16 b eine Andeutung von Körnchen. Das Bourrelet ist breit und ohne Strichelung. Das Protoplasma der Epithelzellen zeigt hellere und dunklere Stellen in regelmässiger Anordnung und Dr. Jesef Paneth: ist fein längsstreifig. In 12 b ist der protoplasmatische Theil der Becherzelle dunkler als das übrige Protoplasma. Fig. 17 auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm der Maus, von welchem das Prä- Fi [ g Fig Fig. Fig. Fig. Fig. parat der Fig. 15 stammt, in Alkohol gehärtet, mit Saffranin ge- färbt; 2. IX. %%/,. Das Bourrelet besteht aus einzelnen Stäbchen, das Protoplasma der Zellen zeigt dieselbe Abwechslung heller und dunkler Stellen, wie in Fig. 16. : . 13a und b auf Taf. VIII. Aus dem Dünndarm eines Hundes, in Alkohol gehärtet, mit Saffranin gefärbt. Fig. 18a 2. VII. %0/, zeigt die ver- schiedenen Formen, die das Epithel der Zotten zeigen kann, indem dasselbe von zwei gegenüberliegenden Zotten dargestellt ist. Fig. 15b 2. X. %0/, zeigt die regelmässige Abwechslung hellerer und dunklerer Stellen im Protoplasma der Zellen, und die Zusammen- setzung des Bourrelets aus Stäbchen. . 19a und b auf Taf. IX. Aus dem Dünndarm eines durch den Strang Justificirten, 20 J. alt, etwa eine Stunde p. m. in Pikrinsäure ein- gelegt, nach gehörigem Auswaschen in Alkohol. In Celloidin ein- gebettet. Doppelfärbung mit Methylenblau und Bismarckbraun. 2. IX. %0/,. In den natürlichen Farben dargestellt. Der Inhalt der Theka (bei b), in dem noch Körnchen, zum Theil zerfliessend (19 b), sichtbar sind, ist blau, ebenso der bereits ausgeflossene Theil des Secrets, der Rest des Gewebes, auch der protoplasmatische Theil der Becherzellen (bei p) ist braun. 20 a und b auf Taf. VII. Aus dem Dünndarm einer Maus, die nach 48stündigem Hungern gefüttert und 2 Stunden später getödtet wor- den war. Härtung in Flemming’scher Lösung, Färbung mit Saf- franin. 20a schmale Zelien bei s, in der Seitenansicht, 20 b schmale Zellen bei s und eine Becherzelle bei b, in der Flächenansicht. 21a und b auf Taf. X. Aus einem Abstreifpräparat des Mäusedarms, in feuchter Kammer ohne Zusatz. 2. IX. %0/,. 21a Fundus einer Lieberkühn’schen Krypte mit gefüllten Körnchenzellen, 21 b leere Körnchenzellen. 22 auf Taf. X. Lieberkühn’sche Krypte der Maus. Härtung in Pi- krinsäure, Färbung mit Saffranin nach Pfitzner. 2. VII. %0).. Körnchenzellen mit verschieden grossen Körnchen, die am prallsten und mit den grössten Körnchen gefüllten im Fundus; Secretmasse eonfluirt im Fundus der Krypte. 23a und b auf Taf. X. Lieberkühn’sche Krypten des Mäusedarms, Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Hämatoxylin nach Heiden- hain. Fig. 23a Längsschnitt 2. VIII. %0%/,. Körnchenerfüllte Zellen, aus ihnen heraus gelangen die Körnchen in das Lumen und con- fluiren daselbst. 23 b Querschnitt, 2. VIII. %0), zeigt besonders deutlich die Entleerung der Körnchen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. 191 23 a—c auf Taf. X. 2. Y/ag” homog. Immers. zeigt den Unterschied in 24 dem Aussehen des Kerns körnchenhaltiger und gewöhnlicher Zellen. auf Taf. X. Fundus einer Lieberkühn’schen Krypte des Mäuse- darms, in 1°/, Osmiumsäure eine Stunde, dann Alkohol. Körnchen- zellen mit sehr wenig gebräuntem Protoplasma. 25a, b, ce auf Taf. X. Lieberkühn’sche Krypten der Maus nach Alkoholhärtung. 25a Färbung mit Saffranin, 2. VIII. %%/,. Die Körnchenzellen sind zerstört; sie zeigen nicht Körnchen, sondern ein grobes Netzwerk; in der Krypte zwei karyokinetische Figuren, in typischer Lagerung ausserhalb der Reihe der übrigen Kerne. 25b Färbung mit Methylenblau, das Netzwerk in den zwei Körn- chenzellen tritt sehr deutlich hervor. 25 c, Färbung mit Saffranin, zeigt, wie die Lageveränderung des in Karyokinese begriffenen Kerns zu Stande kommt (bei k). Man vergleiche das Bourrelet an dieser Figur und an der dem gleichen Objecte entnommenen Fig. 17 auf Taf. VII. 26 a und b auf Taf. X. Aus Lieberkühn’schen Krypten der Maus [8 1 30 nach Härtung in Pikrinsäure und Saffranin-Färbung, zeigt die Lage- veränderung des in Karyokinese begriffenen Kerns. 2. IX. %0/,. auf Taf. X. Aus Lieberkühn’schen Krypten einer Maus, die 48 Stunden gehungert hatte, dann gefüttert worden war. Nach 41/g Stunden umgebracht. Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Saffranin. Zeigen entleerte Zellen, von denen ich annehme, dass sie zu Grunde gehen und die den in Fig. 21b in überlebendem Zustand darge- stellten entsprechen; ausserdem schmale Zellen (bei s). auf Taf. X. Lieberkühn’sche Krypte des Menschen (s. o. bei Fig. 19). Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Saffranin, 2. VI. 3%). Im Fundus liegen Körnchenzellen (?), heller als die übrigen, mit ungefärbten Körnchen. auf Taf. X. Lieberkühn’sche Krypte des Menschen nach Alkohol - härtung und Saffraninfärbung. 2. Vill. #0/,. Die Zellen im Fundus zeigen ein ähnliches Netz, wie die des Mäusedarms nach derselben Behandlung (Fig. 25 a) und unterscheiden sich auffällig von den ge- wöhnlichen Epithelzellen. Bei s schmale Zellen. P auf Taf. X. Copie eines Theils der Fig. 15 auf Taf. V in Bd. VIII (1872) dieses Archivs, den Fundus der Lieberkühn’schen Krypten der Ratte nach G. Schwalbe darstellend. Fig. 31 auf Taf. X. Krypte aus dem Dünndarm der Ratte. Härtung in Pikrinsäure, Färbung mit Hämatoxylin nach Heidenhain. 2. 1/gy“ Immersion. ca. 1200/,. 192 Gustav Fritsch: Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). Von Gustav Fritsch. Hierzu ein Holzschnitt und Tafel XI und XI. Vorkommen und Verbreitung. Als im Jahre 1883 Hr. Robert Koch Aegypten im Auf- trage der Regierung bereiste, um das Wesen der Cholera festzu- stellen, vergass er inmitten seiner berühmten Untersuchungen doch nicht meiner bescheidenen Bitte, auf die dort auftretenden mensch- lichen Parasiten, besonders auf die Bilharzia zu achten und mich gütigst in Besitz von Untersuchungsmaterial zu setzen. Obwohl ich selbst mehrfach in Aegypten war und bei dem letzten Aufenthalt auch Gelegenheit fand mit dem eifrigen Para- sitenforscher Sonzino in Verbindung zu treten, so hatten sich die Beziehungen der Eingeborenen zu den Europäern doch in jenen Jahren so schwierig gestaltet, dass die zu der Untersuchung noth- wendige Leicheneröffnung nicht zu erlangen war. Der Wunsch, die schwer auf dem Lande lastende Geissel der Cholera hinweggenommen zu sehen, liess dann aber die Ae- sypter begreiflicher Weise alle sonstigen Bedenklichkeiten ver- gessen, und so hatte mein hochverehrter Freund Koch die Mög- lichkeit der Wissenschaft auch hierin einen erheblichen Dienst zu leisten. Er constatirte aufs Neue die ausserordentliche Verbreitung dieses gefährlichen Parasiten, wie sie früher von Bilharz und Griesinger in Aegypten, von Harley, Henderson, Athers- tone und Anderen am Cap beobachtet worden war. Fand Grie- singer die Distomen in 30 Sectionen 17mal, Sonzino in 54 Sec- tionen 30 mal, wurden in Uitenhagen (Capcolonie) von 3 Knaben 2 damit behaftet gefunden, so beobachtete Hr. Koch, dass unter 10 Eingeborenen 9 von dieser Krankheit heimgesucht waren, welche regelmässig erhebliche Störungen in den Organen setzt und nicht Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 195 selten den Tod zur Folge hat. Summirt man die Fälle von Schä- digung der menschlichen Gesundheit durch diesen Wurm und stellt die Zahl in Vergleich mit den im gegebenen Fall zwar verderb- lichen, aber glücklicher Weise doch nur sporadisch auftretenden Erkrankungen an Trichinose, so muss man die Bilharzia als einen schlimmeren Feind der Menschheit erkennen als selbst die so gefürchtete Trichine. Es kommt hinzu, dass man sich gegen die Einwanderung der letzteren durch einige Vorsicht recht wohl schützen kann, während leider das Eindringen der Distomen in den Menschen noch nicht genügend aufgeklärt ist, um die richtigen Schutzmittel mit Sicher- heit angeben zu können; aber auch wenn wir die Lebensgeschichte vollständig verstehen, wird man sich vielleicht nicht genügend gegen den tückischen Feind zu schützen vermögen. Hr. Küchen- meister hat in seinem schätzenswerthen Werk über die Parasiten des Menschen (2. Auflage) mit grossem Fleisse alle Angaben über das Vorkommen der Bilharzia zusammengestellt und die Möglich- keiten ihres Eindringens in den Menschen erörtert. Zufälliger Weise hatte ich Gelegenheit, einen grossen Theil ihres Verbrei- tungsbezirkes, d. h. ausser Aegypten in seinen verschiedenen Pro- vinzen auch Uitenhagen, Pieter-Maritzburg und Port Natal in Süd- Afrika aus eigener Anschauung kennen zu lernen und Erkundi- gungen einzuziehen. Nach den Ergebnissen derselben glaube ich doch nunmehr der Ueberzeugung Ausdruck geben zu sollen, dass von allen den gegebenen Möglichkeiten nur eine übrig bleibt, welche überall, wo der Wurm sich zeigt, in glei- cher Weise in Wirksamkeit tritt, nämlich der Genuss unreinen Trink wassers besonders aus stagnirenden Lachen. Weder ist die Gefahr der Infieirung an Inundationsgebiete gebunden; denn Pieter-Maritzburg wie Uitenhagen liegen auf einer hohen Terrassenlandschaft, noch an den Genuss bestimmter Nah- rungsmittel wie Gemüse, Brunnenkresse, Salat, Fische, Schnecken oder gar Austern, da die Erkrankung auch bei Personen erscheint, welehe solehe Nahrungsmittel prineipiell verschmähen. Fluss- fische kommen in Süd-Afrika kaum jemals auf den Tisch, Nil- fische werden in Aegypten nur von der ärmeren Bevölkerung ge- gessen; Salat und Brunnenkresse sind dem Fellachen unbekannte Genüsse, im Caplande sind diese Genussmittel wenigstens sehr Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 21. ie 194 Gustav Fritsch: selten. Ich kann mich nicht erinnern, ausserhalb der Capstadt, Port Elisabeth und D’Urban (Port Natal) in drei Jahren die ge- nannten Vegetabilien überhaupt gesehen, geschweige denn gegessen zu haben. Ueberall aber, wo die Bilharzia noch beobachtet wurde, findet sich die Nachlässiskeit in Betreff unreinen Trinkwassers, vielfach hervorgerufen oder wenigstens befördert durch die Schwie- rigkeit sich reines zu verschaffen. So ist es der Fall in Süd- Afrika, wo das Wasser meistens aus aufgedämmten Flussläufen, die vielfach nur während der Regenzeit wirklich fliessen, geschöpft wird, so auch in Aegypten, wo vom Nil gespeiste, langsam fliessende Canäle, stagnirende Becken und Cysternen häufig das Trinkwasser zu liefern haben. Die Anschauung, dass die Infieirung durch das Trinkwasser erfolgt, erklärt auch zum Theil die sehr auffallend stärkere Pro- centzahl des männlichen Geschlechts unter den Befallenen. Die Frauen der Afrikaner, sowohl im mohammedanischen Norden als im christlichen Süden sind ihren Lebensgewohnheiten nach viel häuslicher als die Männer; sie kommen daher auch viel seltener in die Verlegenheit ‚im Felde“ aus beliebiger Wasserpfütze zu trinken, sondern entnehmen ihr Trinkwasser den dafür getroffenen Einrichtungen des Hauses, wo in Aegypten vielfach mit Alaun ge- klärtes Nilwasser, in Süd-Afrika filtrirtes getrunken wird, aus dem mit dem Schlamm auch die Distomenbrut niedergerissen werden dürfte. Es wird dadurch ferner begreiflich, dass die mit ihrem Trink- wasser im Vergleich zu den Eingeborenen viel reinlicheren Euro- päer, welche rohe Vegetabilien, Salat, Kresse u. s. w. aber viel mehr als diese geniessen, verhältnissmässig selten befallen werden. Entscheidend für mich war ein verbürgter Fall, zwei gebil- dete Europäer betreffend, die wegen Telegraphenangelegenheiten im Lande herumreisten und dabei auch unreines Wasser zu trinken genöthigt waren. Sie infieirten sich mit den Würmern in unzwei- deutiger Weise, verliessen das Land für längere Zeit und erreichten dadurch die spontane Heilung von der Infection; später aber, unter dieselben Verhältnisse zurückgekehrt, erduldeten sie sehr bald wieder eine neue Attacke, so dass sie selbst das unreine Trink- wasser mit vollster Ueberzeugung als die Ursache ihrer Erkran- kung anklagen mussten. Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 195 Die Möglichkeit des direeten Eindringens der Parasiten durch die Harnröhrenmündung beim Baden möchte ich ebenso wie Hr. Küchenmeister als sehr unwahrscheinlich bezeichnen. In welcher Gestalt die zur Einwanderung in den letzten Wirth reife Brut sich befindet, ob sie dabei sich eines Zwischen- wirthes, wie z. B. der Wasser-Insecten, bedient oder nicht, darüber kann ich so wenig wie meine Vorgänger etwas Bestimmtes aus- sagen. Weder Hrn. Koch’s Berichte, noch die neuesten Unter- suchungen von Hrn. Sonzino geben darüber weiteren Aufschluss. Dagegen setzt mich das erhaltene Material erfreulicher Weise in die Lage über die Anatomie des ebenso merkwürdigen wie wich- tigen Wurmes Einiges beitragen zu können; sollte die Untersuchung der mir gleichfalls in Aussicht gestellten befallenen menschlichen Organe zu den ausgedehnten, verdienstvollen Mittheilungen über diesen Gegenstand von Bilharz, Griesinger, Cobbold und neuerdings von Kartulis!) wesentliche Ergänzungen liefern, so werde ich mir erlauben in einem späteren Aufsatz darauf zurück- zukommen. Zoologische Benennung. Unter den verschiedenen Namen, welche dem Wurme von den Autoren gegeben wurden, wählte ich den ihm von Hrn. Cobbold verliehenen; denn gewiss gebührt es Bilharz, dass sein Name mit einem Thiere verknüpft wurde, um dessen Kennt- niss er sich zum Besten der Menschheit in so hervorragender Weise verdient gemacht hatte. Es noch unter seinem alten Namen als Distoma haematobium (v. Siebold) zu führen, scheint mir un- zulässig, da es in der Zoologie, soviel ich weiss, ohne Beispiel ist, dass getrennt geschlechtliche Arten und normale Zwitter in der- selben Gattung vereinigt werden. Diesing’s Bezeichnung des Wurmes als „Gynaekophorus“ ist offenbar sehr geschickt ge- wählt, weil sie das auffallendste Merkmal des Thieres bereits ent- hält und so dem Zweek jeder Namengebung vorzüglich entspricht; nur die Bilharz’ Andenken schuldige Rücksicht bestimmt mich, von Diesing’s Namengebung abzugehen. Zur Empfehlung der 1) Ueber das Vorkommen der Eier des Distomum haematobium Bilharz in den Unterleibsorganen. Arch. f. pathol. Anat. u. Phys. von Virchow. Bd. :99,.P-.139. 196 Gustav Fritsch: anderen Synonyma, nämlich: Schistosoma (Weinland) und The- cosoma (Moquin-Tandon) wüsste ich nichts Besonderes anzu- führen. Das grosse Interesse, welches ein so wichtiger, gefährlicher Parasit des Menschen nothwendiger Weise beanspruchen musste, lässt es als selbstverständlich erscheinen, dass die bedeutendsten Helminthologen sich eingehend mit der Natur des Wurmes be- schäftigten, ausser den bereits genannten auch Hr. Leuckart, dem wir in so hohem Maasse für die Erweiterung unserer Erkennt- niss in der Parasitenkunde Dank schuldig sind. Wenn ich nun die von ihm gegebene Darstellung der Ana- tomie der Bilharzis in einigen Punkten glaube vervollständigen zu können, so bin ieh weit davon entfernt, daraus auch nur den leisesten Vorwurf gegen ihn, ebensowenig natürlich gegen Hrm. Küchenmeister, Cobbold oder Sonzino herleiten zu wollen. Diese Autoren haben gewissenhaft dargestellt, was ihr Material ihnen zeigte, und mehr darf man billiger Weise nicht verlangen; wenn ich glaube mehr gesehen zu haben, so beruht dies zunächst in der besseren Beschaffenheit des verarbeiteten Materiales und dann in den Fortschritten unserer Technik, welche jetzt die durch- aus nöthige Herstellung von vollständigen Schnittserien so wesent- lieh erleichtert. Ohne solehe unter den Händen zu haben würde ich allerdings es nicht wagen, eine bestimmte Darstellung der wegen ihrer gestreckten Anordnung etwas schwierigen Organisation des Wurmes zu geben. Ich glaube im Sinne der genannten Autoren zu handeln, wenn ich nieht bei jedem einzelnen Punkte der zu beschreibenden anatomischen Verhältnisse die etwaigen Differenzen betone, in denen ich mich mit früheren Angaben befinde, sondern nur da, wo aus den abweichenden Angaben weitere Schlussfolgerungen unmittel- bar abzuleiten sind. Die nach dem Präparat mit dem Oberhäuser- schen Zeichenapparat entworfenen Figuren werden hoffentlich meine Beschreibung genügend unterstützen, zumal sich dieselbe in der Hauptsache eng an dasjenige anschliesst, was wir über die Orga- nisation der Trematoden überhaupt wissen. Die Würmehen erscheinen frisch betrachtet im auffallenden Lichte weisslich, wie auch Hr. Leuckart angiebt, hat man aber hellen Hintergrund, z. B. einen weissen Teller, so markiren sich die mit eoagulirtem Blut erfüllten dünnen Würmer, besonders die Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). Et Weibehen, dagegen als schwärzliche Fädchen. Darauf machte mich Hr. Koch aufmerksam, der die Thiere am leichtesten auffand, wenn er das Blut der eröffneten Pfortader auf einem weissen Teller auffing. Das von mir benutzte Material war meinem Wunsche gemäss mit kräftigem Alkohol behandelt und zeigte sich aus diesem Grunde nicht unerheblich geschrumpft, aber dafür waren auch anderseits die histologischen Elemente recht wohl conservirt und kenntlich geblieben. Die Schrumpfung affieirte zumal das zarter gebaute weibliche Geschlecht und wurden dadurch die Umrisse der Körperquerschnitte etwas unregelmässig. Gleichwohl hielt ich mich nicht für berechtigt, dieselben in den Zeichnungen meiner Ueberzeugung gemäss zu berichtigen, sondern gebe die corrigirten Umrisse lieber gesondert als schematisirt (vergl. die dem Text eingefügten Holzschnitte), um die Vergleichung mit anderen, ver- wandten Formen zu erleichtern. Die copulirten Individuen. Wenn oben gesagt ist, dass Diesing’s Bezeichnung des Wurmes als @ynaekophorus das wichtigste Merkmal des Thieres enthält, so bezieht sich diese Angabe auf das höchst merkwürdige Verhältniss der beiden Geschlechter zu einander, auf welches ich, bekannt wie es ist, gleich hier nochmals hinweisen möchte, da die Besonderheiten der bisher noch ungenügend erkannten Organi- sation sich wesentlich an diese Eigenthümlichkeit der geschlecht- lichen Beziehungen anlehnen. Bei der Bilharzia ist die fromme Mythe von der aus Adam’s Leibe herausgenommenen Eva Thatsache geworden. Obwohl alle verwandten Arten zwittrig angelegt sind, ist gerade bei dieser einen Form der weibliche Theil des Organismus aus dem männ- lichen gleichsam herausgelöst und zum selbständigen Individuum geworden; dasselbe bleibt aber in seinen übrigen Organen ausser dem Geschlechtsapparat von einer sonderbaren Dürftigkeit und verleugnet im Habitus die Trematodengestalt fast gänzlich, wäh- rend das Männchen noch an Stelle der bei anderen Trematoden von den weiblichen Organen eingenommenen Körperregionen eine längs der Bauchseite verlaufende Lücke, den Canalis gynaekophorus der Autoren, aufweist. 198 Gustav Fritsch: Der durch die Aussonderung des Weibchens im Vergleich zu den Verwandten defekt gewordene Körper strebt gewissermassen danach, sich wieder zu completiren, indem das Weibchen sich an der ihm gebührenden Stelle dem Männchen für ganze Lebens- perioden einlagert, das Männchen aber die Ränder seines platten Leeibes wie einen Mantel um das Weibchen herumschlägt und so eine zwittrige Thierform mit zwei Köpfen und zwei Schwanzenden vor- täuscht. Diese Vereinigung der beiden Geschlechter geschieht bei voll- ständiger Reife behufs der Copulation und dauert vermuthlich der Regel nach so lange, als noch die Vitalität zur Production ent- wickelungsfähiger Eier ausreicht. Es liegt auf der Hand, wie be- deutungsvoll eine solche im einzelnen Falle sich ergebende Son- derung der Regel nach im selben Körper vereinigter Geschlechter auch von allgemeinen Gesichtspunkten der phylogenetischen Ent- wickelung der Formen ist. Wissen wir auch nicht, auf welche Weise sich eine derartige ausnahmsweise Trennung herausbilden kann, so ist doch der thatsächliche Befund, welcher die Möglich- keit dazu enthüllt, unter allen Umständen in Betracht zu ziehen. Ohne mich an dieser Stelle weiter in speeulative Erörterungen einzulassen, so verlockend die Gelegenheit dazu auch erscheinen möchte, will ich hier nur andeuten, wie die angeführte Thatsache mich ganz besonders in der Ueberzeugung bestärkt, dass die di- genetische Entwickelung nur eine höchste Phase der Ausbildung einer geschlossenen Reihe von verschiedenen Arten der Keimbil- dung darstellt, welche von der einfachen Vermehrung durch Wachs- thum über die natürlichen Grenzen zur ungeschlechtlichen, mono- genetischen, digenetisch-zwittrigen und endlich digenetisch geson- derten ansteigt. Nach dieser Anschauung würde die Organisation der Bilharzia als eine vorzeitige Erreichung der höheren ge- schlechtlichen Differenzirung durch Spaltung des Individuums zu betrachten sein. Die merkwürdige Erscheinung dieser auch im Tode häufig nicht aufgegebenen Copulation wurde von den Autoren bereits wiederholt zur Darstellung gebracht, so von Hrn. Leuckart auf Seite 617 seines Werkes über die Parasiten, von Hrn. Küchen- meister als Fig. 13 auf Taf. VIII am oben genannten Orte. Gleichwohl schien es mir angezeigt, darauf zurückzukommen und eine grössere mit dem Zeichenapparat nach dem Präparat Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 199 entworfene Abbildung (Fig. 1 der Taf. XI) zu geben, da die Di- mensionen der früheren nicht ganz correct erscheinen, zumal hin- sichtlich der relativen Grösse beider Geschlechter und einzelner Details der inneren Organisation, mit denen ich mich nicht ein- verstanden erklären kann. Das der Abbildung zu Grunde liegende Präparat ist mir des- halb besonders interessant, weil die Copulation beider Thiere auf- gegeben wurde bis auf eine ganz kurze Strecke, d.h. diejenige, wo sich mit grösster Wahrscheinlichkeit die Befruch- tung vollzieht. Die hier in copula abgebildeten Exemplare sind ungewöhn- lich klein, da das Männchen nur etwa 4 mm, das Weibchen 8 mm misst, obwohl sie ihrem Inhalt nach unzweifelhaft reife Thiere waren. Ein anderes als Fig. 2 derselben Tafel in natürlicher Grösse abgebildetes Weibchen, in gleicher Weise conservirt, zeigt die von Hrn. Leuckart angegebene Grösse von 16 mm (16 bis 19 mm L.), auch habe ich in meinem Material erheblich über 4 mm grosse Männchen, die nach demselben Autor 12—14 mm lang sein sollen. Die Schwankungen der Körpergrösse sind also bedeutend, für die Reife aber nicht wesentlich, dagegen muss ich einen ge- wissen Werth darauf legen, dass das vordere Körperende des Weibehens den Canalis gynaekophorus des Männchens um ein beträchtlicheres Stück überragt, als gewöhnlich gezeichnet wird, weil diese Stellung auf den Process der Befruchtung von Einfluss sein dürfte. Wie im vorliegenden Falle wird wohl auch in anderen der Längenunterschied der in Copulation tretenden Thiere ein grösserer sein als !/; zu Gunsten des Weibchens, vielmehr wird letzteres wenigstens nahezu doppelt so lang sein als das Männchen. Die genaue Messung der männlichen Exemplare wird recht er- schwert durch ihre Neigung sich spiralig zu einer Art Klumpen aufzurollen, eine Haltung des Körpers, welche von dem als Fig. 1 abgebildeten Thiere glücklicher Weise nicht angenommen wurde. Das Hinterleibsende des Weibcehens hat den Canal auf langer Strecke verlassen und richtete sich im Präparat, herunterhängend, mit dem Vorderende ungefähr parallel, indem es seine Einlagerung nur an einer dem Bauchsaugnapf des Männchens benachbarten Strecke beibehielt, wo die Vereinigung also jedenfalls die in- nigste war. 200 Gustav Fritsch: Schon die gewählte schwache Vergrösserung lässt erkennen, dass die Körperoberfläche des dieken Wurmes mit kleinen Hervor- ragungen besetzt ist, welche in der hinteren Körperhälfte am deut- lichsten sind, nach vorn zu niedriger werden und schliesslich auf dem etwas conisch verjüngten vordersten Körperabsehnitt, der die Saugnäpfe trägt, gänzlich verschwinden. Der weibliche Körper er- scheint in der Figur glatt, ist es indessen ebenfalls nieht, wie die stärkeren Vergrösserungen lehren. Ein Theil der inneren Organi- sation ist an diesem Weibchen durch die Körperwandung zu er- kennen, da das Präparat mit Carmin gefärbt und mit Canada- balsam aufgehellt wurde; der männliche Körper blieb trotzdem zu undurchsichtig um das Innere beurtheilen zu können. Organisation des weiblichen Geschlechtes. Das Weibchen ist bisher am unvollständigsten erkannt wor- den, und ich bildete daher als Fig. 2, 3 und 4 der Taf. XI noch ein anderes Exemplar der Vergleichung wegen ab, welches nicht mit Canadabalsam aufgehellt, sondern in Gummiglycerin einge- schlossen wurde. Dies Exemplar ist recht wohl erhalten und ent- hüllte mir trotz der geringeren Durchsichtigkeit wegen des ab- weichenden Einschlussmittels die innere Organisation ziemlich gut, wenn ich auch zur Sicherstellung des Erkannten die Durchschnitte nicht entbehren konnte. Das makroskopische Bild täuscht ein kleines Rundwürmchen, eine Filaria oder Trichosomum vor, da der Durchmesser nur 0,07 bis 0,26 mm beträgt, doch erkennt man mit der Lupe, dass das vordere Körperende Saugnäpfe führt, wie solche einer richtigen Trematode zukommen. Diesen gegen den Mundsaugnapf zu etwas conisch verschmälerten Vorderkörper messe ich, den Bauchsaug- napf abgerechnet, ähnlich wie Hr. Leuekart (0,22 mm), zu 0,24 mm, 0,35 mm oder 0,225 mm. Den Bauchsaugnapf selbst ebenso, nämlich 0,08 mm; auch die Diekendimensionen sind wesent- lich die nämlichen. Aus den angeführten Zahlen ergiebt sich, dass die weiblichen Vorderkörper auf den Abbildungen der eopulirten Thiere bei Hrn. Küchenmeister sowohl wie bei Hrn. Leuekart nach den von ihnen selbst gegebenen Maassen zu lang gezeichnet sind; daraus folgt dann weiter, dass die Entfernung des Bauchsaugnapfes Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 201 (der übrigens in Küchenmeister’s Figur auf dem Rücken des Thieres gezeichnet wurde) bei sonst gleichbleibenden Längenver- hältnissen der aus dem Canal hervorragenden weiblichen Körper- enden von dem Eingang des Canales eine grössere sein muss als angegeben. So bringt es auch meine Fig. 1 zur Anschauung. Schon bei mässiger Vergrösserung erkennt man, dass die Körperoberfläche des Weibchens nicht überall glatt ist, sondern besonders in der hinteren Hälfte Rauhigkeiten zeigt, die man bei Anwendung stärkerer optischer Systeme als feine eylindrische Stachein erkennt, welche der Oberfläche anhaften. Dieselben sind am Schwanzende besonders deutlich entwickelt und zahlreich, während sie nach vorn zu seltener werden, um etwa vor der Körper- mitte nur noch undeutlich zu erscheinen. Da die Stacheln auch an meinen Präparaten vielfach unregelmässig zerstreut auftreten und nur an weniger exponirten Stellen dichter gefunden werden, ist wohl anzunehmen, dass sie vergänglicher Natur sind und leicht abfallen. Ich glaube daher gern, dass frühere Untersucher that- sächlich glatte Körperoberflächen vor sich hatten, da die Conser- virung des Materials nach ihren eigenen Angaben zu wünschen übrig liess. Die Richtung der feinen Stacheln geht an wohl erhaltenen Stellen von hinten nach vorn, und ich bin daher auf die Vermu- thung gekommen, dass dieselben die Function zu erfüllen haben, ein Hindurchgleiten des Weibchens durch den Canalıs gynae- kophorus zu verhindern und somit zur Verlängerung der Copu- lation beizutragen, wie sich bei manchen Säugethieren nach rück- wärts gerichtete Stacheln der Eichel zu gleicher Function ausge- bildet haben. An dem in eine vordere stumpfe Spitze ausgezogenen, hinten etwas herzförmig ausgeschnittenen Mundsaugnapf beginnt der ein- fache Darmcanal mit einer Mundöffnung, die sich sofort zu einer pharyngealen Erweiterung entwiekelt und einen beträchtlichen Durchmesser des schmalen Vorderkörpers einnimmt. In Fig. 1 erscheint an dem weiblichen Körperende dieser Pharyn& beson- ders deutlich und erinnert in seiner Form an einen Pokal; der Durchschnitt bestätigt die Realität des Verhältnisses, worüber Fig. 7 der Taf. XII verglichen werden mag. Die Muskulatur ist sowohl am Mundsaugnapf als auch am Pharynx, noch mehr aber 202 Gustav Fritsch: an den zunächst weiter abwärts folgenden Abschnitten des Darmes eine nur dürftige, das Caliber selbst ausserordentlich wechselnd und unregelmässig. Nach kurzem Verlauf theilt sich dieht über dem Bauchsaug- napf der Darm plötzlich in zwei Schenkel, die nun die Seiten- theile des dünnen Würmehens einnehmen, um dazwischen nur einen schmalen, den Genitalorganen zugewiesenen Raum frei zu lassen. Die Haustra des Darmes markiren sich in den Figuren, wo sie leer waren, als durchsichtigere Stellen, in anderen Fällen sind sie an dem Inhalt, geronnenem, bereits schwärzlich gewordenem Blut kenntlich. Nachdem etwa der vierte Theil der ganzen Körperlänge von dem Darm durchmessen ist, vereinigen sich die beiden Darm- schenkel, von links und rechts zusammentretend, wieder zu einem gemeinsamen Canal, der in wechselnder Weite, undeutlich spiralig gedreht bis gegen das Hinterleibsende zieht, wo er in einiger Ent- fernung von der Schwanzspitze blind endigt. Die Vereinigungs- stelle der beiden Darmschenkel ist durch ihre Lage unmittelbar hinter dem Eierstock eine gegebene, die Lage des blinden Endes schwankt. Ich mass die Entfernung von der Schwanzspitze bei drei Individuen als 0,28; 0,20; 0,12 mm. Der weibliche Apparat beginnt in einer Falte hinter dem Bauchsaugnapf mit einem engen muskulösen Schlauch (von 0,18 mm Länge und nur 0,03 mm Breite), der das Mündungsstück der Eier- legscheide darstellt. Nach kurzem Verlauf erweitert sich der Canal zu einem ampullenartigen Raum von cylindrischer Gestalt mit verdickten Wandungen und etwa gleicher Länge, wie der erste Abschnitt (0,16 bei 0,1 mm). Dieser Raum, den wir als Uterus bezeichnen wollen (u der Fig. 8 auf Taf. XIT), verengt sich alsdann wiederum ganz plötzlich und erscheint wie eingeschnürt, so dass regelmässige Längsfalten nach Innen vorspringen, und das Lumen etwa auf den dritten Theil redueirt wird. Unmittelbar hinterher geht es wieder nahezu auf die vorige Weite zurück, die Wand des Canales ist aber viel dünner, häutiger, durch vorherrschende Längsfasern streifig; dieser gewöhnlich auch als Uterus bezeichnete Abschnitt verdient wohl mehr den Namen Eileiter (Oviduct). So verläuft der Eileiter zwischen den Darmschenkeln für eine Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 203 erhebliche Strecke ziemlich gerade und geht dann auf etwa 0,6 mm Entfernung vom Bauchsaugnapf in ein Organ über, welches schon von Bilharz!) gesehen, aber nicht richtig erkannt, von den spä- teren Autoren meistens gänzlich unbeachtet gelassen wurde. Er nannte es „lie Kapsel“, ohne sich am angeführten Orte über die etwaige Bedeutung auszusprechen ; ich selbst sehe darin die Schalendrüsenhöhle und glaube, dass die Untersuchung des mikroskopischen Baues die Richtigkeit dieser Bezeichnung ergiebt. Das Organ stellt einen Hohlkörper von ungefähr birnförmiger Gestalt, 0,08 breit und 0,15 mm lang dar, der auf dem unten in ihn einmündenden Gange aufsitzt wie die Frucht auf ihrem Stiele. Die Gestalt und Raumverhältnisse gestatten gerade einem reifen Ei des Wurmes bequeme Lagerung darin, wie solches in Fig. 3 bei gl in dem Hohlraum kenntlich wird. Das hier abgebildete Weibchen war nicht in Copulation, der Process der Eiablagerung scheint unterbrochen worden zu sein, da dies Ei in der Schalendrüse das einzig reife ist, welches sich feststellen liess, während das copulirte Weibchen in Fig. 1 eine ganze Reihe hintereinander aufrückender Eier von der Drüse durch den Eileiter bis zur Mündung am Bauchsaugnapf aufweist. Auch im Eileiter lagern die Eier einzeln und würden neben einan- der in dem Rohr kaum Platz haben. Da sie offenbar je nach der Reifung vorwärts befördert und nach aussen entleert werden, so weiss ich nicht, wodurch die Meinung von dem Anschwellen des Weibehens nach der Befruchtung, wie sie sich in den Autoren ausgedrückt findet, eigentlich entstanden ist. Ohne eine An- sammlung von Eiern im Innern des Weibchens wird die An- schwellung jedenfalls keine erhebliche sein können und müsste auch wesentlich oberhalb des männlichen Canalis gynaekophorus lagern. Unterhalb der Schalendrüse wird der auf engen Raum zu- sammengedrängte weibliche Apparat zu verwickelt, um an Prä- paraten in Aufsicht erkannt zu werden, sondern dazu sind Quer- schnitte, auf welche sogleich zurückzukommen sein wird, unbedingt nöthig. 1) Brief an v. Siebold. Abgedr. in Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoo- logie Bd. IV. 204 Gustav Fritsch: Man erkennt am unversehrten Thier an dieser Stelle nur gewundene Canäle, weiche in etwa der halben Entfernung als der Bauchsaugnapf von der Schalendrüse entfernt liegen und zu einem dunkel durchschimmernden unregelmässig ovalen Organ mit ge- lappten Bändern hinführen, welches den unpaaren Eierstock (Ova- rium) darstellt. Unmittelbar hinter diesem fliessen die Darm- schenkel zusammen und nicht im hinteren Theil des Körpers. Sehr bald werden neben dem schwach gewundenen Darm körnig durchschimmernde Organe sichtbar, welche dem Eingeweide durch den grössten Theil des Körpers folgen, indem sie allmäh- lich mehr und mehr an Mächtigkeit zunehmen (vit. der Fig. = Or- gana vitellina). Man hat sie jedenfalls mit Recht als Dotterkammern angesprochen. Es frägt sich nur, ob hier wie bei anderen Tre- matoden eine zugehörige Dotterblase vorhanden ist, von welcher in der Durchsicht jedenfalls nichts zu erkennen ist. Da die Dotterorgane das Schwanzende nicht ganz erreichen, so ist hier der Körper wieder mehr transparent; man bemerkt das blinde Ende des Darmes, sowie auch den Hauptsammelraum des Excretionsapparates, ein Verhältniss, welches bisher sonder- barer Weise beim Weibchen nicht zu constatiren gelang, obgleich dies Organsystem sogar von auffallender Mächtigkeit ist (vergl. el. Fig. 4) und am Schwanzende mit deutlichem Porus excretorius mündet. Lagerung der Organe in den Durchschnitten. Hatten die Untersuchungen am unversehrten Thier bei der Dünne und leidlichen Durchsichtigkeit des Körpers schon einige Uebersicht der Organisation enthüllt, so war doch Manches noch dunkel geblieben, was nur das Studium aufeinander folgender Durchschnitte klarstellen konnte. Die Schwierigkeiten, welchen man bei der Herstellung voll- ständiger Schnittserien bei diesem Wurm begegnet, beruhen ein- mal in der beträchtlichen Länge bei sehr geringer-Dieke und dann in der Unmöglichkeit, am erhärteten Material die Biegungen des Leibes auszugleichen, um genau quer gerichtete Schnitte erlangen zu können. Die erstgenannte Schwierigkeit kann man sich ver- ringern, wenn man die Strecken des Körpers aus der Schnittreihe ausschaltet, wo eine wesentliche Aenderung der Organisation nicht Zur Anatomie der Bilharzıa haematobia (Cobbold). 205 eintritt, d. h. den mittleren Theil des Körpers von der Vereinigung der Darmschenkel bis gegen das letzte Fünftel etwa, wo das Darmende und die Veränderungen im Excretionssystem wieder wiehtig werden. Die Biegungen habe ich vorher controlirt und die Schnittriehtung so gewählt, dass ich ihre Lage an den Or- ganen ermitteln konnte. So stellt die bereits erwähnte Fig. 8, obwohl sie einer Folge von möglichst quer gestellten Durch- schnitten entnommen ist, wegen einer Umbiegung des vorderen Körperendes einen Schrägschnitt dar, welcher die weiblichen Or- sane unterhalb des Bauchsaugnapfes fast parallel ihrer Längsaxe getroffen hat. Bei der dürftigen Körperentwieklung beeinflussen die ein- lagernden Organe den Umriss des Querschnittes sehr erheblich, so dass er einen bemerkenswerthen Wechsel erkennen lässt. Die durch Alkoholwirkung entstandenen Schrumpfungen der Leibes- wand lassen sich bei eingehender Vergleichung der aufeinander folgenden Schnitte mit ziemlicher Sicherheit feststellen, und habe ich nach diesen Vergleichungen die beistehenden Durchschnitts- bilder schematisch entworfen. Ein Blick auf dieselben zeigt, dass dem makroskopischen Anschein entgegen auch das weibliche Individuum nicht den Körperbau eines Rundwurmes hat, sondern in ausgesprochenem Maasse bilateral entwickelt ist. Auf das quere Oval des Vorder- körpers (a) mit dem einfachen Darm folgt unterhalb des Bauch- saugnapfes eine auf der Bauchseite eingezogene Figur (b), welche im Centrum den regelmässigen Umriss des Uterus, daneben die Darmschenkel und Andeutungen der Exeretionsgefässe enthält. Die Einziehung entspricht einer Bauchfurche, die dem Canalis gynaekophorus des Männchens homolog zu setzen wäre. Recht auffallend erscheint der Querschnitt in der Höhe der Schalendrüsenhöhle (e), da hier die Einlagerung der Organe allein nicht beschuldigt werden kann, die abweichende Körperform ver- anlasst zu haben. Die Mitte wird durch die Schalendrüsenhöhle aufgetrieben, die Bauchfurche wieder verwischt, aber die Darm- schenkel sind im Durchmesser stark redueirt und doch dehnt sich der Umriss beiderseits von denselben nicht unbeträchtlich aus; er erscheint nun als Viereck mit abgerundeten Ecken, an welchem die dem Rücken entsprechende Seite sogar länger ist als die des 206 Gustav Fritsch: Bauches. In den abgerundeten Ecken lagern die Exeretionsgefässe, hier schon meist recht deutlich entwickelt; trotz der weiten nach- giebigen Canäle hat also die Alkoholschrumpfung die Vorsprünge nicht zu verwischen vermocht, und glaube ich daher, sie als nor- male Eigenthümlichkeiten dieser Körpergegend ansprechen zu müssen. Ganz unähnlich den bereits beschriebenen wird die Form des Querschnittes, wenn die Ge- gend des Eierstockes erreicht ist. Dies Organ wölbt die Rückengegend des Körpers stark her- vor, während die mittelmässig weiten Schenkel des Darmes weiter ventral ihren Platz in den seitlich vorspringenden Wülsten finden. Es bleibt zwischen denselben ein medianes Feld frei, wel- ches von dem Dottergang und dem Eileiter ein- genommen wird, letzterer vom hinteren Ende des Eierstocks entspringend. Die Exeretions- gefässe sind in dieser Region nur schwach ent- wickelt. Erst jenseits des Eierstocks gewinnt der Körperquerschnitt eine mehr rundliche Gestalt (e), obwohl auch dann noch die beiden Hälften als Ausdruck der bilateralen Symmetrie in der Mitte verschmälert erscheinen, wie es beim Rundwurm nicht der Fall ist. Die Darmschenkel haben sich unmittelbar hinter dem Ovarium vereinigt, so dass nun als Darm ein einziges grosses Lumen erscheint; daneben sehen wir rechts und links die rundlichen Läppehen der Dotterorgane, deren Ausführungsgang unterhalb des Darmes median seinen Platz findet. In diesem für den grössten Theil des Körpers wesentlich gleichbleibenden Umriss erscheinen neben dem medianen Dottergang die ziemlich weiten Hauptstämme des Excretionssystems. Dem Ende schon ziemlich nahe verjüngt sich der Durchmesser allmählich, während der Darm blind aufhört. Dicht unterhalb des Blindsackes treten die beiden Hauptstämme des Exeretionsappa- rates in nahe Berührung unter auffallend unregelmässig gestaltetem Lumen, welches in wechselnder Höhe und Ausdehnung an dem Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 207 einen Gang cloakenartig erweitert ist. Das Bild ist bei verschie- denen Individuen so ungleich, dass ich darauf verzichtete, dies Verhältniss genauer zu erörtern und zur Darstellung zu bringen. Der Querschnitt zeigt bald eine, bald zwei oder drei durch deut- liche Wandung abgegrenzte Lücken, aber kurz vor dem der Rücken- linie etwas genäherten Porus excretorius zeigt sich das Lumen wieder einfach, regelmässig begrenzt und ziemlich weit (f). Hier ist der verschmälerte Körper immer noch deutlich bilateral, die Bauchfurche breit und tief, die unterhalb des Eierstockes begin- nende viel feinere Rückenfurche ist bis zum Körperende kenntlich ausgeprägt. Die in den Durchschnitten kenntlichen histologischen Einzelheiten. Die auf den beifolgenden Tafeln abgebildeten Durchschnitte sind alle bei derselben Vergrösserung (380) mittelst des Ober- häuser’'schen Zeichenapparates entworfen, ohne dass die zufälligen Unregelmässigkeiten corrigirt worden wären, um die objective Treue des Bildes nicht zu trüben. Es wird dem Beschauer unter Vergleichung der schematischen Figuren nieht schwer fallen, sich die normale Form zu vergegenwärtigen. Der feinere histologische Bau ist hier schwierig festzustellen, da die ungünstigen Verhältnisse des Körpers und die Beschränkt- heit des Materials gerade diese Species zu einem ungeeigneten Object für das Studium der histologischen Elemente machen. Un- zweifelhaft ist Manches anders, zumal einfacher, als es sonst von besser entwickelten Formen beschrieben wurde, und dürfte es nicht wunderbar erscheinen, wenn eine so abweichende Species wie die Bilharzia auch im Aufbau der Gewebe manche Besonderheit zeigt. Die Cuticula der Leibeswand erscheint als ein heller, stark lichtbrechender Saum von mässiger Breite, unter welchem das Körperparenchym mit den einlagernden muskulösen Elementen folgt, ohne dass sich eine subeutieulare Schicht deutlich davon unterscheiden liesse. Auch die sonst beschriebenen Hautdrüsen der Trematoden waren in den Schnitten nirgends so deutlich, dass ich sie in den Abbildungen hätte eintragen können; bei sorgfältiger Durchmuste- 208 Gustav Fritsch: rung sehr feiner Schnitte sieht man gelegentlich vereinzelte zellige Elemente, welche als Hautdrüsenzellen gedeutet werden können. Der Hautmuskelschlauch ist spärlich entwickelt und besteht haupt- sächlich aus längsgerichteten Fasern, deren Durchschnitte eine Sehieht rundlicher oder spindelförmiger Körperehen unter der Ou- ticula darstellen; wo ein Stück der Leibeswand, wie z. B. bei Fig. 9 und 10 auf Taf. XII sich flach umgelegt hat, machen sich die Längsmuskeln als grobe Streifung bemerkbar. Im Mundsaugnapf findet man die Muskelfasern stark ver- floehten, nicht eigentlich geschichtet, die radiär gestellten, gegen den stumpfen Apex desselben nach vorn aufstrebenden sind im Allgemeinen die stärksten. Ringmuskeln sind als geschlossene Sehicht nirgends kenntlich, obwohl vereinzelte, platte contraetile Fasern zwischen der Cutieula und den Längsmuskeln vorkommen mögen, die aber von Binde- gewebsfasern nicht sicher unterschieden werden konnten. Der Hautmuskelschlauch gewinnt gegen das hintere Körperende an Mächtigkeit, indem auch hier hauptsächlich die Längsmuskeln ver- stärkt werden. Am Bauchsaugnapf sind wie gewöhnlich die ra- diären Muskeln, welche der Schrägsehnitt Fig. 8 meist quer ge- troffen hat, die reichliehsten; man erkennt aber am unteren Rande noch eine dünne Lage der meridionalen Muskulatur. Die als Sphineteren wirkenden Kreisfasern konnten der Lage des Schnittes gemäss nicht wohl sichtbar werden; sie sind ebenso wie die Ring- muskeln der Leibeswand äusserst dürftig. Vereinzelte grosse Zellen von gangliösem Habitus, wie sie bei anderen Trematoden an dieser Stelle gefunden werden, gelangen auch zur Beobachtung. Das Parenchym des Körpergewebes zeigt das von Bindege- webszellen gebildete Maschenwerk, welches an der Bilharzia bei dem geringen Gesammtdurchmesser des Körpers besonders grob erscheint. Die relativ grossen Kerne desselben gruppiren sich gern unregelmässig ohne ersichtlichen Grund, wie dies die Figuren 13 und 14, vom Schwanzende genommen, erkennen lassen. Wo grössere Organe einlagern, wird das Zwischengewebe spärlicher und erscheint ärmer an Kernen. Contractile Elemente, den dorso- ventralen Muskeln anderer Trematoden entsprechend, sind jeden- falls zwischen gemischt, sie sind aber ebensowenig als die Ring- muskeln zum System geordnet. Ausser den rundliehen, normal ausgebildeten Kernen finden Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 209 sich hier und da etwa halb so grosse, mit Carmin imbibirbare, stärker lichtbreehende Körperchen im Gewebe. Wie der Hautmuskelschlauch erst an der hinteren Körper- hälfte einige Mächtigkeit gewinnt, so ist es auch der Fall an der Muskulatur des Darmkanals. Die pharyngeale Erweiterung ist von einer schwachen Wandung umzogen, an der Bindegewebe und Muskeln nicht wohl unterscheidbar sind. Das aufsitzende ein- schiehtige Epithel ist erheblich niedriger als breit, die Zellen von klarem Inhalt mit abgeplatteten, blassen, vielfach undeutlichen Kernen. Der Wandungscharakter des Darmes bleibt sich bis zur Ver- schmelzung der beiden Schenkel hinter dem Ovarium wesentlich gleich, nur dass die Dieke unterhalb der pharyngealen Erweiterung noch zarter erscheint. Das Epithel ist unregelmässig, indem sich zwischen die niedrigen Zellen hier und da solche bis zur doppelten Höhe mischen (vergl. Fig. 9 und 10); der Zellinhalt erscheint nicht mehr so klar, aber noch fehlen protoplasmatische Auflagerungen auf denselben. Aufgenommenes Blut erfüllt das Lumen der beiden Darmschenkel als dunkeles, schwarzbraunes Coagulum in wech- selnder Menge. Nach der Vereinigung der Schenkel gewinnt die Darmwand an Dicke unter Ausbildung muskulöser Ringfasern um die Tunica propria des Darmes. Das stärker entwickelte eubische, oder höch- stens niedrig eylindrische Epithel trägt jene eigenthümlichen Auf- lagerungen von körnigen Protoplasmafädchen, wie sie von Hrn. Sommer!) bei Distomum hepaticum beschrieben wurden. Die- selben verkleben zu Bündeln, so dass das eigentliche Lumen des Darmes einen unregelmässig zackigen Umriss erhält (Fig. 12). An- hängende, von dem verdauten Inhalt herrührende Tröpfehen konnte ich nicht daran bemerken. Zuweilen heben sich die Auflagerungen von der Zellschicht als zusammenhängende Massen ab. Diesen Character behält der Darm bis gegen das blinde Ende bei, welches in Fig. 13 gerade in den Schnitt gefallen ist. Die Histologie des Genitalapparates bietet den. grössten Wechsel in der Erscheinung, wie er auch der am meisten 1) Die Anatomie des Leberegels Distomum hepaticum L. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXIV, p. 576. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31, 14 210 Gustav Fritsch: complieirte ist. Das stark muskulöse Mündungsstück der Eierleg- scheide hat durch diese Ausstattung besonders dieke Wandung, die auf dem Längsschnitt streifig erscheint mit kleinen, zwischen den Streifen eingestreuten länglichen Kernen. In der darauf folgenden ampullenartigen Erweiterung ist die Wand kaum die Hälfte so stark, eireuläre Fasern herrschen vor, doch bilden sie eine auf dem Durchschnitt fast homogen erscheinende Masse. Daran schliesst sich der häutige Eileiter, der an dem Ueber- gang in den Uterus durch die Wirkung der Ringmuskeln plötzlich auf ein kleines Lumen redueirt ist, unter Bildung von Längsfalten der eontrahirten Wandung; auf dies Verhältniss wurde bereits oben hingewiesen und gleichzeitig der bier auftretenden stärkeren Längs- fasern gedacht, die von schwachen eirculären aussen bedeckt sind. In diesen Abschnitten der Eierlegscheide, Uterus und Eileiter kann ich ein deutliches Epithel nicht erkennen; ich lasse dahingestellt, ob es verloren gegangen, oder nur von so geringer Ausbildung ist, dass es auf den Schnittpräparaten sich nicht kenntlich von der Unterlage abhebt. Dies ist um so auffallender als die weiter hinten liegende plötzliche Erweiterung des Eileiters, die Schalendrüsenhöhle, ein sehr wohl entwickeltes Epithel von drüsigem Character führt. Die eubischen Epithelzelleun wölben sich gegen das Lumen rundlich vor, flache Kuppen darstellend, die in Längsreihen im Organ an- geordnet sind. Sie sitzen auf einer schwachen Basalmembran, welche die Zumica propria bildet; an der nach unten meist etwas excentrisch lagernden Einmündungsstelle des Eileiters werden die Zellen höher und schmäler, fast spindelförmig, indem sich die ver- schmälerten Enden in das darunter liegende Gewebe einsenken (Fig. 10). Dann erinnern sie am meisten an die gehäuften Zellen, wie sie bei anderen Trematoden die Schalendrüse bilden. Die beiden Durehschnitte, die in Fig. 9 und 10 abgebildet wurden, sind auch dadurch interessant, dass ein zufällig in der Schalendrüse vorhandenes Ei sich dem Messer darbot und in seiner Lagerung erhalten blieb. Nachdem in einem höher gele- genen Schnitte der oberste Theil entfernt war, fiel der Hauptab- schnitt in den Fig. 9 dargestellten, welcher lehrt, dass ein reifes Ei die Höhle annähernd ausfüllt; in Fig. 10 erhielt sich davon der Seitenstachel, der in den etwas seitlich angefügten Gang des Ovi- ductes hineinragt, dem Beschauer den Einblick in die Höhlung des Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobhold). 211 Stachels gewährend. Bei Individuen, welche Eier mit Endstachel legen, verlängert sich der Oviduet gerade aufsteigend zur Schalen- drüse; doch bemerke ich, dass mir kein Präparat zur Hand ist, wo ein solehes Verhältniss stattfindet, ich mich aber berechtigt halte, aus dem vorliegenden Befund darauf zu schliessen, da sich hier die Eiform gleiehsam vor unseren Augen gestaltet. Die Eier mit Endstachel sind übrigens jedenfalls sehr viel seltener, als die mit Seitenstachel, welche als das normale Vorkommen gelten können. Unterhalb der Schalendrüse münden dicht benachbart die beiden häutigen Gänge ein, deren bereits oben gedacht wurde als um einander gewundener Canäle im medianen Gebiet des Körpers. Die Durchschnitte dieser Regionen zeigen vielfach Schrägschnitte und Sehlingen der Gänge, aber stets links und rechts von den Darmschenkeln eingefasst. Die Wandung des einen Ganges er- scheint etwas dicker, contraetil, die des anderen nur häutig ; über- all unterscheiden sich beide leicht und sicher durch den Inhalt, indem der erstere unreife, sein Lumen etwa ausfüllende Eier führt (Fig. 11 od.), der letztere stark lichtbrechende Körnchen, offenbar Dotterelemente (vi. derselben Figur). Besonders instructiv wird der Durchschnitt, wenn man den Gängen bis zur Höhe des Ovariums gefolgt ist, wie in dem Fig. 11 abgebildeten Schnitt geschehen. Dann streckt sich ihr Verlauf mehr gerade, sodass häufiger reine Querschnitte entstehen, während das Ovarium den mittleren Theil des Körpers stark gegen die Rückenseite hervorwölbt. Hr. Leuckart, der in die- sem Gebiet nur von einem Gang spricht, dem Oveduct, hat das schwierig zu verfolgende Verhältniss desselben zum Ovarıum, dass er nämlich das Ovarium in seiner ganzen Länge begleitet, um erst am hinteren Ende des langgestreckten Organs in letzteres zu münden, bereits richtig erkannt. Der Dottergang zieht sich aber noch weit über den Eierstock hinaus in das Schwanzende des Körpers. Nach Analogie mit anderen Trematoden erwartet man in der Region, wo Oviduet und Dottergang sich mit der Schalendrüse verbinden, die Begattungsscheide, den Laurer-Stieda’schen Ca- nal, zu sehen, welcher zum Rücken verläuft, um dort zu münden. Wiederholte, sorgfältige Durchmusterung der Präparate konnte mir 212 Gustav Fritsch: ein klares Bild von ihm nicht verschaffen, gleichwohl halte ich mich von seiner Existenz überzeugt. Der Grund dafür liegt für mich hauptsächlich in der Art der Copulation, insofern das Weibchen, wie Fig. 1 es zeigt, dem mit Begattungswerkzeugen nicht ausgestatteten männlichen Geschlechts- apparat so angepasst wird, dass die Genitalöffnung der Stelle, wo man die Begattungsscheide vermuthen sollte, gerade anliegt. Ohne einen Porus, welcher den Uebertritt des Samens ermöglichte, könnte derselbe unter den gegebenen Verhältnissen kaum zu den reifenden Eiern gelangen. Man müsste denn annehmen, dass er, aus der männlichen Oeffnung austretend, längs der Bauchfurche des Weibehens bis zur Mündung des weiblichen Apparates am Bauchsaugnapf aufstiege, um nun im Innern den vorrückenden Eiern entgegen, denselben Weg nochmals zurück zu legen, was äusserst unwahrscheinlich ist. Ich glaube auch die Mündung der Begattungsscheide gesehen zu haben, doch nicht deutlich genug, um bei der Kleinheit des Objectes die Möglichkeit eines künstlichen Defectes im Präparat ausschliessen zu können. Als ich die erste kurze Beschreibung dieser Verhältnisse veröffentlichte!), war mir das reihenweise Auf- rücken der reifen Eier in der Eierlegscheide noch unbekannt und ich glaubte die Möglichkeit einer Befruchtung durch Aufsaugung des Samens, der sich in den Bauchkanal des Weibchens bei der andauernden Copulation ergossen hätte, dureh die Mündung unter- halb des Baugsaugnapfes anfrecht halten zu müssen, wofür ich aus den angeführten Gründen nun nicht mehr eintreten möchte. Bei- läufig bemerkt, ist selbst bei dem kräftig entwickelten Distomum hepaticum die Begattungsscheide im contrahirten Zustande von auffallender Feinheit, so dass ihr verspätetes Bekanntwerden nicht Wunder nehmen kann. Das am mächtigsten ausgebildete Organ des weiblichen Kör- pers ist das Ovarium, von dem man behaupten darf, dass es in seinem Bau von demjenigen anderer Trematoden in ähnlicher Weise abweicht, wie es in ihrer Weise die Schalendrüse thut. Es stellt eine sackartige Bildung dar mit solider Wandung, die das Keim- epithel im Innern trägt. Die rapide Vermehrung und steigende 1) Zur Anatomie der Bilharzia haematobia Cobbold. Zoologischer An- zeiger Nr. 199, 1885. Zur Anatomie der Bilharzia haemotobia (Cobbold). 213 Entwickelung der Eizellen erfüllt den Binnenraum mit zelligen Elementen verschiedener Grösse, die sich aneinander drängen und gegenseitig abplatten. Auch feinkörnige Massen bemerkt man in wechselnder An- sammlung um die reiferen Eizellen, welche man wohl als Eiweiss ansprechen muss; an welcher Stelle des ganzen Systems dasselbe abgesondert wird, vermochte ich nicht zu entscheiden. Die Grösse der reifenden Eizellen im Ovarium schwankt in weiten Grenzen, nämlich etwa von 0,005 bis 0,13 mm. Ist der Querschnitt des weiblichen Körpers in der Gegend des Ovariums besonders complicirt, so wird er dafür jenseits des- selben nach dem Schwanzende zu plötzlich wieder ausserordentlich einfach. Dies geschieht sowohl durch die beschriebene Verschmel- zung der beiden Darmschenkel zu einem einzigen Canal, als auch durch die Vereinfachung des Genitalsystems, von dem nur die Dotterorgane dem ganzen hinteren Abschnitt des Körpers zuge- wiesen sind. Auch der Dottergang, welcher seinen Platz unter dem Darmkanal findet, ist hier nur noch von sehr dünnen Wandun- gen umgeben, so dass er allmählich undeutlich wird. Die Hauptmasse des ovalen, in zwei seitliche Hälften sym- metrisch eingetheilten hinteren Körperabschnittes stellen die Dotter- kammern mit ihrem Inhalt dar, welcher in keinem wesentlichen Punkte von demjenigen der besser bekannten Trematoden abweicht. Es sind rundliche oder unregelmässig polygonale Zellen von etwa 0,01 Grösse mit deutlichem, kräftig tingirbarem Kern, die bei fort- schreitender Umbildung zu Dotterelementen zerfallen, anfangs noch gruppenweise zusammenliegend, später, in den Ausführungsgängen als locker gehäufte Dotterkörnchen oder Schüppchen. Histologische Elemente des Exeretionsapparates sind wenig kenntlich. Hier und da sieht man die Gefässlücken von endothe- loiden Schüppehen bekleidet und gewinnt in dem Endtheil, wo die Gefässe kloakenartige Erweiterungen tragen, die Vorstellung, dass hier im Leben ein Wimperbesatz auf niedrigen Zellen vorhanden ist, der aber vielleicht nicht den ganzen Innenraum gleichmässig bedeekt. Da auch die beste Alkoholconservirung Form und An- ordnung so zarter Elemente nur unvollkommen vor Augen führt, so unterlasse ich es darüber genauere Angaben zu machen. Die eoagulirten Massen, welche hier nicht selten im Lumen 214 Gustav Fritsch: der Querschnitte erscheinen, sind sehr feinkörnig, bilden unregel- mässige lockere Haufen und werden durch Carmin blassroth tingirt. In den vorstehenden Zeilen geschah nirgends Erwähnung des Centralnervensystems, und zwar aus gutem Grunde. Zum Stu- dium dieses bei den Würmern besonders schwierig zu behandelnden Organsystems würde man sich gewiss nicht gern eine Species wie die vorliegende auswählen, um Einsicht in den Aufbau desselben zu gewinnen. Man ist zufrieden, wenn man am Pharynx die dürftigen Zellanhäufungen findet, welche den pharyngealen Gang- lien entsprechen, und hier und da von ihnen ausgehende Fädcehen beobachtet; irgend welche Besonderheiten würde ich nicht wagen nach den vorliegenden Präparaten aufzustellen. Ich betone nur noch, dass ich hier, wie bei anderen Trematoden geneigt bin, die multipolaren Zellen mit bläschenförmigem Kern, welche sich zwi- schen den Muskelbündeln eingestreut finden, als gangliöser Natur anzusprechen. Organisation des männlichen Geschlechtes. Der anatomische Bau des so kräftig entwickelten männlichen Geschlechtes ist ausserordentlich einfach. Die hier sehr viel leich- tere Untersuchung erlaubt es mit Sicherheit Angaben zu machen, welche beim Weibchen nur unter einem gewissen Vorbehalt ge- geben werden konnten; der Natur der Sache nach fallen diese Angaben vielfach negativ aus. Die auch bei der männlichen Bilharzia wie bei den meisten Trematoden vorhandene platte Körperform wird, wie oben erwähnt, dureh die Einrollung der Leibeswand um das auf der Bauchseite sich einfügende Weibchen zu einer rundlichen, die auch erhalten bleibt, wenn die Individuen die Copulation aufge- geben haben. Die Einrollung beginnt dicht hinter dem Bauch- saugnapf und verläuft bis zum stumpf abgerundeten Körperende. In der von Hrn. Leuckart!) gegebenen Abbildung der vorderen 1) a. a. O. p. 621, Fig. 211. In dieser Figur ist einer der rundlichen Körper, welche die Hoden darstellen sollen, rundlicher und heller als die übrigen gezeichnet. Ich möchte glauben, dass dieser die Samenblase aus- drückte. Von der im Text beschriebenen Ausmündung des männlichen Ge- nitalapparates „dicht hinter dem stark abgeschnürten Bauchsaugnapf“ zeigt Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 215 Körperhälfte eines Männchens müssen die sich hinter dem Bauch- saugnapf kreuzenden Linien, welche sonst unverständlich wären, auf die sich übereinander legenden Ränder der Leibeswand be- zogen werden. Diese nämliche Figur zeigt auch rundliche Körper ‚von etwas unregelmässig birnförmiger Gestalt als die Hoden des Thieres, eine Darstellung, die geeignet ist, wegen der fehlenden Beziehung unter einander und dem Mangel der äusseren Begat- tungsorgane den Eindruck des Unvollständigen zu machen, und doch ist thatsächlich in Wirklichkeit nicht viel mehr vorhanden, als diese Abbildung zeigt. Der Eindruck eines Rundwurmes wird beim männlichen Ge- schleeht noch verstärkt durch die Neigung des Körpers hinter dem Bauchsaugnapf sich aufzurollen in engen Windungen, wie es etwa die männliche Spiroptera thut. So bildet das Thier im Blute einen kleinen Klumpen von hellerer, weisslicher Farbe, wenn der Darm- canal wenig gefüllt ist, oder von schwärzlicher, wenn der Wurm sich wie gewöhnlich stark mit Blut vollgesogen hat. Die äussere Oberfläche erscheint auch bei diesem Geschlecht dem unbewaffneten Auge glatt, das Mikroskop dagegen lehrt, dass die äussere Ober- fläche, die Rückenseite des Thieres dicht mit papillenartigen Er- hebungen besetzt sind, welche niedrig in der Region des Bauch- saugnapfes beginnen, um dann, allmählich höher werdend, bis gegen das Schwanzende zu verlaufen (vergl. Fig. 1 auf Taf. XI und Fig. 5 auf Taf. XI). Die papillösen Erhebungen sind mit kleinen, cy- lindrischen Stacheln dicht besetzt, welche denen des weiblichen Körpers ähnlich sehen, nur dass letztere feiner sind und nicht auf Erhebungen gruppirt erscheinen. Auf der zum Oanalis gy- naekophorus eingerollten Bauchseite des männlichen Körpers fehlen die Papillen sowie die Stacheln; nur gegen das Schwanz- ende zu wird die Oberfläche des im Uebrigen glatten Canals wie- der rauher (Fig. 6). Auch der vordere conische Theil des Körpers vom Mundsaugnapf bis zum Bauchsaugnapf trägt nur niedrige, stumpfe Rauhigkeiten. Die Saugnäpfe sind sehr viel kräftiger als die des Weibchens die Figur keine Andeutung, ebenso wenig von dem fast gerade zu ihr auf- steigenden Gang, der sich durch eine gewisse Dicke seiner Wandungen aus- zeichnen soll. Meine Querschnitte dieser Körperregion zeigen auch Nichts von einem solchen Gange. 216 Gustav Fritsch: entwickelt, entsprechen ihnen aber in der allgemeinen Form; auch hier steigt der Mundsaugnapf zu einer stumpfen Spitze auf (Breite 0,2; Höhe 0,26), während sich im hinteren Theil auf einer brücken- artigen Erhebung in der Höhlung desselben die Mündung des Schlundes befindet (Fig. 1, o.). Eine pharyngeale Erweiterung ist hier nur sehr schwach aus- geprägt, dagegen markirt sich die Pharynxregion durch kräftigeren Muskelbelag mehr als beim Weibchen. Das enge Darmlumen spaltet sich oberhalb des nur etwa 0,22 Abstand von der Mund- öffnung zeigenden Bauchsaugnapfes wie gewöhnlich in zwei Schen- kel, welehe nach rechts und links um letzteren herumziehen. Die Lumina dieser beiden Darmschenkel sind beim Männchen keineswegs so ausgedehnt wie beim Weibchen, wo sie hinter dem Bauchsaugnapf den grössten Theil des Körperinhaltes beanspruchen; die engen, leicht geschlängelten Darmschenkel messen in der Höhe der Genitalorgane bei dem als Fig. 5 abgebildeten Durchschnitt beispielsweise durchschnittlich nur 0,029 und nehmen so lediglich den zehnten Theil des ganzen Querdurchmessers ein. Die geringe Entwiekelung des männlichen Darmkanals ist wohl der Grund, dass derselbe bisher nicht mit Sicherheit verfolgt wurde. Zu den mancherlei Räthseln, welche die Bilharzia dem Zoologen dar- bietet, würde noch ein weiteres hinzukommen, wenn auch die An- ordnung des Darmkanals bei beiden Geschlechtern in wesentlichen Punkten auseinander ginge. Dies wäre der Fall, wenn die beiden Schenkel bei dem einen, dem Weibchen, wieder verschmelzen würden, bei dem andern aber, dem Männchen, die Verschmelzung ausbliebe. Eine solche Verschiedenheit existirt aber thatsächlich nicht, da beim Männchen wie beim Weibehen nahe hinter der Keimdrüse die Verschmelzung der beiden Schenkel erfolgt. Fig. 6 auf Taf. XI zeigt einen Körperdurchschnitt aus dem Schwanzende des Männchens mit dem Lumen des daselbst einheitlichen Darm- canals, der auch hier im Verhältniss zur Masse des Parencehyms dürftig entwickelt erscheint). Das blinde Ende des Darmes findet sich nahe am Schwanze in etwa 0,34 mm Abstand von der stumpfen Spitze. 1) Hr. Küchenmeister spricht überhaupt nur von einer Annähe- rung der Darmschenkel fast bis zur Vereinigung, was thatsächlich un- richtig ist. 1. c. p. 341. Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 217 Hierin liegt also ein Differenzpunkt meiner Darstellung gegen- über der von Hrn. Leuekart gegebenen, den zu erklären ich etwas weiter unten versuchen möchte. Es reiht sich daran ein zweiter, den ich seiner allgemeinen Wichtigkeit wegen nicht unterdrücken kann, nämlich die Lage der männlichen Gesehlechtsöffnung, wenigstens ist die darüber ge- machte Angabe genauer zu formuliren. In Hrn. Leuekart’s!) Diagnose heisst es: „Geschlechts- öffnung in beiden Geschlechtern hinter dem Bauchsaugnapf.“ Wir haben gesehen, dass beim Weibchen die Eierlegscheide thatsäch- lich unmittelbar am und hinter dem Bauchsaugnapf mündet, wir würden aber beim Männchen an der entsprechenden Stelle vergeb- lich nach einer Oeffnung des Geschlechtsapparates suchen. Da Hr. Leuckart selbst von einem kurzen, muskulösen Samen- leiter spricht, die Hoden aber in beträchtlicher Entfernung vom Bauchsaugnapf zeichnet, so ist die Angabe wohl nicht so scharf aufzufassen, wie sie ausgedrückt wurde. Nach meinen Erfahrungen liegen die Hoden allerdings nur in einem sehr mässigen Abstand vom Bauchsaugnapf, also wird die Mündung trotz des nur kurzen Ausführungsganges auch nicht weit hinter dem bezeichneten Organ liegen können, aber sie ist that- sächlich durchaus anders plaeirt wie die Mündung der Eierleg- scheide, was mir für die Function wichtig erscheint. Die Mündung des Samenleiters liegt nämlich nicht exponirt am Rande des Saugnapfes, sondern in der Tiefe des Anfangs- stückes vom Canalis gynackophorus verborgen. Da dem T'hier männliche Copulationsorgane fehlen, so würde eine freie Ausmündung des Samenganges der Befruchtung weniger günstig sein, während bei Erguss des Samens in den vom Weib- chen eingenommenen Canal, welches der Oeffnung gerade mit dem Körpertheil anlagert, wo die Begattungsscheide zu vermuthen ist, selbst ohne Begattungsorgane der Uebertritt in den weiblichen Körper durch Aufsaugung ungemein leicht vermittelt werden könnte. Nach genauer Durchmusterung vollständiger Schnittserien glaube ich das thatsächliche Fehlen wirklicher Begattungsorgane, 1)522.2200,3852.61.% 218 Gustav Fritsch: was noch immer als offene Frage behandelt wurde, nunmehr mit positiver Gewissheit behaupten zu können. Wie die weibliche Keimdrüse eine sackförmige Beschaffenheit angenommen hat, so ist es auch mit der männlichen der Fall. Das Organ zerfällt in eine Anzahl beutelförmiger Theile, deren bis acht vorhanden sein sollen. In einem von mir genauer untersuchten Falle betrug die Zahl der Hodenblasen fünf, wie es auch von Bilharz ursprünglich angegeben wurde. Dieselben bilden eine ziemlich dieht gedrängte Gruppe in der Körperregion, wo die Seitenränder sich beginnen einzurollen, und hängen untereinander durch die häutigen Ausführungsgänge von erheblicher Weite (v. d. der Fig. 5) zusammen. Wo die Ober- fläche der Leibeswand von dem gemeinsamen Gang beinahe er- reicht ist, fügt sich linkerseits, wie eine Ausstülpung, ein anderer rundlicher Raum an, der den Hodenblasen an Grösse ungefähr gleich ist (Querdurchmesser des Hoden = 0.08, Samenblase = 0.06). Dieser Raum, den ich als Samenblase anspreche (v.s. der Fig. 5), unterscheidet sich sowohl durch den Bau seiner Wandung als durch seinen Inhalt von den wirklichen Hodenblasen, mag aber gelegent- lich wohl diesen beigerechnet worden sein. Mit dieser auf’s knappste Maass beschränkten Organisation des Geschleehtsapparates ist die von mir zu gebende Darstellung erschöpft und glaube ich nicht, dass spätere Untersucher wesent- liche neue, bisher von den Autoren etwa übersehene Theile des- selben finden werden. Der Exeretionsapparat ist dem des Weibcehens ähnlich, doch ist auch hier der Durchmesser der Hauptstämme wie beim Darm- canal relativ geringer. Zwei Längsstämme sind vorherrschend, welche gewöhnlich sehr ungleiches Caliber zeigen. Ist der eine sehr überwiegend, so imponirt er im Querschnitt ähnlich wie der Durchschnitt eines Darmschenkels, wenn ihm auch selbstverständ- lich das dem Darme eigene Epithel fehlt. Ist die Conservirung des Epithels misslungen, so mangelt auch diese Unterscheidung, und dann bleibt eine Verweehselung sehr möglich. Ich hege dess- halb die Vermuthung, dass da, wo zwei Darmschenkel im hinteren Körperabschnitt der Bilharzia dargestellt wurden, das eine Exere- tionsgefäss als zweiter Darmschenkel verzeichnet worden ist. Seitliche Aeste der Hauptstämme sind noch hier und da für ganz kurze Strecken im Parenehym kenntlich, verschmelzen aber Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 219 sehr bald mit den Parenchymstücken in so hohem Maasse, dass eine weitere Verfolgung ausgeschlossen bleibt. In der Nähe des Schwanzendes fliessen die beiden ungleichen Hauptstämme und ein mittlerer, nur schwach entwickelter zu einer kurzen Cloake zusammen, welche schliesslich als enger Porus exeretorius mündet. Histologische Elemente des männlichen Körpers. Wie schon aus der soeben gegebenen Darstellung der Orga- nisation erhellt, beruht der grössere Umfang des männlichen Kör- pers nicht sowohl auf einer mächtigeren Ausbildung der in ihm enthaltenen Organe, sondern die Leibeswand und das Parenchym selbst nehmen bei Weitem den grössten Raum desselben ein. Die starke Cutieula der Oberfläche ist zu den bereits ange- führten, warzenförmigen Erhebungen mit den feinen Stacheln ent- wickelt; auch hier folgt unter der Cuticula eine wesentlich längs gerichtete, zum Theil recht starke Muskulatur, deren Fasern in parallel geordnete Bündel vereinigt sind. Fig. 5 zeigt diese Muskel- streifen im unteren Theil der Figur ziemlich genau quer durch- schnitten, während in der Mittellinie des Rückens sich die Ele- mente etwas schräg zum Messer gestellt haben. An der zum Üa- nalis gynaekophorus einsinkenden Bauchseite sind diese Muskel- bänder nur schwach entwickelt, dagegen fängt sich ein haupt- sächlich quer angeordnetes System an geltend zu machen. Dies beginnt, wie es die Figur zeigt, jederseits als dichte zusammenschliessende Gruppen dorso-ventraler Muskeln, welche bei völlig ausgebildetem Canal (vergl. Fig. 6) von beiden Seiten zusammenfliessend ihn von links nach rechts umspannen und so zur Fixirung des in dem Raum aufgenommenen Weibchens bei- tragen werden. Abgesehen von diesen Muskeisystemen sind die eontractilen Fasern im Gewebe auch hier nur unregelmässig und spärlich vertheilt; eireuläre Fasern der Leibeswand, die dem Rücken des Körpers angehören sollten, kann ich hier so wenig finden wie beim Weibehen. Die Muskulatur des 0,26 mm im Durchmesser haltenden Bauchsaugnapfes bot mir nichts Besonderes dar. Hautdrüsen scheinen mir auch bei der männlichen Dilharzia nur kümmerlich ausgebildet zu sein. Die Hauptmasse des Paren- chyms sind die sternförmig verzweigten Bindegewebszellen mit den rundlichen, etwa 0,006 mm grossen Kernen, welche stellenweise 220 Gustav Fritsch: stärker angehäuft erscheinen. Gewebslücken und Exeretionsgefässe sind im vorderen Theil des Körpers nicht wohl zu unterscheiden. Auf den engen und kurzen, muskulösen Pharynz folgen die dünnwandigen Darmschenkel, deren Epithel alsbald hinter dem Bauchsaugnapf an Höhe gewinnt und den eigenthümlichen Besatz von Protoplasmafädehen bekommt, wie ihn das Weibchen erst in erheblichem Abstande vom Bauchsaugnapf aufweist. Die Darm- wandung selbst ist im Querschnitt schmal, Muskeln daran wenig ausgeprägt. In den Hodenblasen finden sich rundliche Massen, welche nach Analogie mit den Beobachtungen an höheren Thieren wohl als zusammengeflossene samenbildende Elemente aufzufassen sind, wie solche bei nicht ganz energischer Conservirung leicht ent- stehen. Normaler Weise bekleidet jedenfalls auch hier wie beim Ovarium das keimbildende Epithel die Innenfläche der Blase und drängt die reifenden Elemente nach dem Lumen vor, von wo sie durch die vis a tergo oder die Contraction der dorso-ventralen Muskeln weiter geschoben und in den gemeinsamen Gang gedrängt werden. Die Wand der Hodenblasen selbst möchte ich als nicht eontractil ansprechen, dagegen ist die Wand der seitlich angefügten Samenblase (v s der Fig. 5) muskulöser Natur und zwar besonders im hinteren, weiteren Theil. Die Innenfläche der Samenblase zeigt kein deutliches Epithel (ebenso wenig wie solches an der Vagina und Uterus des Weib- chens zu finden war), wohl aber eine höchst sonderbare eutieulare Bekleidung der Oberfläche, welche wie aus stark lichtbrechenden gewölbten Plättehen von geringer Grösse zusammengefügt erscheint. Die Glätte und Regelmässigkeit dieser Oberflächenstructur schliesst die Möglichkeit aus, dass etwa angebackene Elemente des Inhaltes die Erscheinung hervorrufen könnten. Als wirklicher Inhalt des Raumes fanden sich in dem abge- bildeten Präparat zwar coagulirte, aber noch erkennbare Samen- körperchen vor, theilweise umhüllt von einem blassen Gerinnsel. Die rundlichen, körnig-zelligen Massen der Hodenblasen fehlten hier durchaus. In den Hauptstämmen der Exceretionsgefässe waren gegen das Schwanzende zu die Endothelauskleidungen deutlicher als sie beim Weibchen beobachtet wurden, auch hier fanden sich fein- körnige blasse Gerinnsel gelegentlich im Lumen vor (vergl. Fig. 6). Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 221 Das Centralnervensystem ist schon kenntlicher wie beim weiblichen Geschlecht durch die gangliösen Zellgruppen hinter dem Mundsaugnapf als pharyngeale Ganglien ausgeprägt, Besonder- heiten desselben habe ich nicht zu constatiren. Auch in Betreff der Eier, der in ihnen sich entwickelnden Embryonen, sowie über das Schicksal der ausgeschlüpften Em- bryonen, diese besonders wichtige Frage habe ich nichts Neues zu verzeichnen, sondern verweise auf die gerade hierin ausführlichen Arbeiten von Sonzino, Kartulis, Cobbold und Anderen. Litteratur. Leuekart, Die menschlichen Parasiten. Bilharz, 1. Distomum haematobium und sein Verhältniss zu gewissen pathologischen Veränderungen der menschlichen Harnorgane. Wiener med. Wochenbl. Nr. 4 u.5, 1856. 2. Brief von B. an Siebold. Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zoolog. Bd. IV. Küchenmeister, Die thierischen Parasiten des Menschen. Theil 1. p- 340. Cobbold, 1. Parasites of Man. 2. On the devellopment of Bilharzia haematobia together with remarks on the ova of another Urinary Parasite occuring in a case of Haematuria from Natal. British Med. Journ. 1872. Harley, On the endemie Haematuria of the Cape of good hope. Me- dico-chirurg. Transactions. Vol. XLVII, 1564, p. 52-72. Sonzino, 1. Della Bilharzia haematobia e delle alterazioni anatomo- pathologiche, che induce nell’ organismo umano etc. Pubblicata nel giornale medicale ’Imparziale di Firenze 1885. 2. Ricerche sullo sviluppo della Bil- harzia haematobia. Estratto dal giornale della R. Accademia di medicina di Torino, agosto 1884. Kartulis, Ueber das Vorkommen der Eier des Distomum haemato- bium Bilharz in den Unterleibsorganen. Arch. f. patholog. Anat. u. Physiol. Herausgeg. v. Virchow. Bd. 94, p. 139. Gustav Fritsch: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI und XII. Bezeichnungen, welche bei allen Figuren in gleicher Weise zu deuten sind: ID n ig. 10. = Üterus. tiot=. Hoden. = Oviduct. vs = Samenblase. — Vagina. vd = Vas deferens. —= Bauchsaugnapf. o = Mündung des Pharynx. — Schalendrüse. ph = Pharynx. —= Ovarium. m = Männliches Geschlecht. — Cloake. f = Weibliches Geschlecht. —= Dottergang. ex = Excretionsorgane. —= Dotterorgane. p = Porus excretorius. —o I 22, Darm. Zwei Individuen in Copulation. Im Eileiter des Weibchens etwa 12 reife Eier, die in einer Reihe hinter einander angeordnet sind. Der Vorderkörper mit dem Bauchsaugnapf des Weibchens erscheint in Aufsicht. Vergr. 28. Weibliches ausgewachsenes Individuum in natürlicher Grösse. Vom Präparat durch aufgelegtes Pauspapier abgezeichnet. Dasselbe Exemplar, vordere Körperhälfte; der Bauchsaugnapf von . der Seite gesehen. In der Schalendrüse ein reifes Ei. Vergr. 28. Dasselbe Exemplar, hintere Körperhälfte. Vergr. 28. Querschnitt eines männlichen Individuum’s durch die Geschlechts- organe am Beginn des Canalis gynaekophorus. Die Leibeswand des Rückens hat sich im Schnitt etwas schräg gestellt. In der Samen- blase coagulirte Samenelemente. Hartnack V. Vergr. 380. Querschnitt desselben Männchens, aus der hinteren Hälfte des Kör- pers. Der Darm ist wieder einfach. Links und rechts davon die zwei Hauptstämme des Excretionsapparates. Hartnack V. Vergr. 380. Querschnitt durch den Vorderkörper des Weibchens dicht hinter dem Mundsaugnapf, welcher die pharyngeale Erweiterung des Tractus zeigt. Hartnack V. Vergr. 380. Schnitt der vorderen Körperhälfte desselben Individuum’s dicht hinter dem Bauchsaugnapf. Wegen zufälliger Krümmung des Körpers ist der Schnitt hier nahezu in die Längsaxe gefallen. Er zeigt die Endigung des weiblichen Geschlechtsapparates hinter dem Bauch- saugnapf. Hartnack V. Vergr. 380. Querschnitt desselben Individuum’s durch die Mitte der Schalendrüse. In der Höhlung ein ebenfalls quer durchschnittenes Ei. Hartnack V. Vergr. 380. k Querschnitt desselben Individuum’s durch das hintere Ende der Schalendrüse. In der etwas seitlich angefügten Fortsetzung des Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 223 Eierganges liegt noch der abgeschnittene Seitenstachel des Eies, in dessen Hohlraum man hineinblickt. Hartnack V. Vergr. 380. Fig. 11. Querschnitt desselben Individuum’s durch die Mitte des Ovarium’s. Zwischen dem Ovarium und den Darmschenkeln erscheint die Leibes- wand etwas eingesunken. Hartnack V. Vergr. 380. Fig. 12. Querschnitt durch den dicksten Körpertheil desselben Individuum’s. Der einfache Darm ist dicht umhüllt von den Dotterorganen, deren Ausführungsgang die Mitte der Bauchseite einnimmt. HartnackV. Vergr. 380. Fig. 13. Querschnitt desselben Individuums in der Höhe des blinden Darm- endes. Neben dieser Kappe der Darmwand eine unregelmässige Er- weiterung des Excretionsapparates nach Art einer Cloake. Die feinen Stacheln der Leibeswand sind auf der Bauchfläche ziemlich vollständig erhalten. Hartnack V. Vergr. 380. Fig. 14. Querschnitt desselben Individuum’s kurz vor der Ausmündung des Excretionsapparates als Porus excretorius. Ein Rest der Darmwand ist noch in den Schnitt gefallen. Hartnack V. Vergr. 380. Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. 2 sind mit dem Ober- häuser’schen Zeichenapparat entworfen. Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. Von Hans Daae, stud. med. aus Norwegen. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel XIII und XIV. Bei den vielen Untersuchungen, die im Laufe der letzten 50 Jahre über die Spinalganglien angestellt sind, hat es sich besonders um die Frage nach der Zahl und dem Verhalten der Ganglien- zellenausläufer gehandelt, sowie um die weitere Frage, ob hierin Uebereinstimmung bei sämmtlichen Wirbelthieren herrscht. Die frühesten dieser Arbeiten wurden von R. Wagner!) an Fischen 1) R. Wagner, Neue Untersuchungen über den Bau und die Endi- 9924 Hans Daae: gemacht; er fand, wie auch alle folgenden Untersucher, bei diesen die Zellen bipolar und schloss, dass dies wohl für alle Vertebralen mit Einschluss des Menschen gelten werde. Aber die zahlreichen neueren Arbeiten über die Spinalganglien der vier höheren Wirbel- thierklassen !) zeigten vielmehr, dass hier bei allen Thieren, die man untersuchte, nur ein Ausläufer an den Zellen zu finden ist. Diese sonderbare Incongruenz, dass die Fische bipolare, die übrigen Wirbelthiere unipolare Spinalganglienzellen besitzen sollen, hat zuerst Freud?) aufzuklären gesucht. Der einfache Ausläufer der Zelle bei den vier höheren Wirbelthierklassen ist, wie es Ranvier, weiter Retzius u. A. gezeigt haben, eine markhaltige Nervenfaser, und gabelt sich eine Strecke weit von der Zelle in zwei divergirende ebensolche Fasern (Fibres en T Ranvier); an der Theilungsstelle befindet sich eine Ranvier’sche Ein- schnürung. Freud stellte die Annahme hin, dass der anscheinend einfache Ausläufer aus zwei Fasern combinirt sei, die von der Theilungsstelle an getrennt weiter laufen; danach würden die scheinbar unipolaren Zellen der vier höheren Classen in der That bipolare sein, wie bei den Fischen, nur dass die Pole bei den letz- teren eine gegenüberstehende Lage hätten, bei den ersteren dagegen zusammengerückt lägen. — M. v. Lenhossek?°) hat ein solches Verhalten beim Frosch durch direete Messung nachzuweisen ge- sucht: nach seinen Ergebnissen besitzt der Axencylinder des Zellen- ausläufers stets einen grösseren Durchmesser als die Axencylinder der zwei Theilungsäste, so, dass ersterer die Summe der letzteren darstellt. Hiernach würde es scheinen, als ob die ganze Frage in dem einfachen Satz ihre Lösung fände: gewöhnliche Bipolarität für die Fische, Bipolarität mit vereinigtem Verlauf der beiden Ausläufer für die übrigen Wirbelthiere. Untersuchungen, die ich an den Spinalganglien des Pferdes gung der Nerven und die Structur der Ganglien. Supplement zu den Icones physiologicae. Leipzig 1847. 1) Im Folgenden eitirt. 2) S. Freud, Ueber Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Wien. akad. Sitzungsber. 1878. Bd. 78. Abth. 3. 3) M. v. Lenhossek, Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 26, 1856. Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 225 anstellte, haben mir jedoch ergeben, dass die Verhältnisse hier viel complieirtere sind und sich mit dem einfachen Satz, der eben angeführt wurde, nicht ohne weiteres in Deckung bringen lassen. Bevor ich zur Beschreibung meiner Untersuchungen über- sehe, sei es mir erlaubt Herrn Professor Flemming, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit verdanke, für die ausserordentliche Liebenswürdigkeit, mit der er mir entgegengekommen ist, und für die grosse Mühe, die er sich zu meiner Unterstützung gegeben hat, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Als wesentliches Ergebniss meiner Befunde stelle ich hier vorweg das Folgende hin: Die Spinalganglienzellen des Pferdes sind zwar in so fern unipolar zu nennen, als soweit meine Beobachtungen reichen, jede Zelle an einer grossen Nervenfaser als an ihrem Ausläufer hängt. Aber nur bei einem Theil der Zellen geht dieser Ausläufer unge- tkeilt wie bei anderen Wirbelthieren in die Zellsubstanz über. In anderen Fällen theilt sich der grosse Ausläufer (in der Richtung gegen die Zelle gerechnet) innerhalb der Kapsel oder noch ausserhalb derselben in mehrere bis viele dünnere, gewundene markhaltige Fasern; diese können sich vielfach verzweigen und diese ihre Zweige sich wieder vereinigen (siehe Fig. 2—11). Ich will diese Aufzweigung den Faserknäuel nennen. Aus diesem geht eine verschiedene Anzahl Endfasern hervor, welche die Mark- scheide verlieren und mit dem Zellkörper in Zusammenhang stehen. Ich nenne diese deshalb hier Ursprungsfasern. Wir haben hier also die Abweichungen von den Verhältnissen bei den bis jetzt untersuchten Säugethieren, dass 1) in solchen Fällen, wo nur zwei derartige Ursprungsfasern vorhanden und die Zellen also bipolar sind, die Polstellen auseinandergerückt liegen; 2) in den Fällen, wo die Zahl der Ursprungsfasern grösser ist, sind die Zellen an sich in der That multipolare, wenn auch die mehrfachen Ausläufer sich weiterhin zu einer Hauptfaser vereinigen; 3) end- lich ist die eigenthümliche Aufzweigung und Wiederverbindung der Fasern in dem Knäuel meines Wissens etwas bisher ganz Un- bekanntes. Hier folgt die nähere Beschreibung meiner Befunde. Für die Isolirung und nähere Untersuchung der Zellen und Nervenfasern hat mir die Methode v. Lenhossek’s (Maceriren in Glycerin-Eisessig) die besten Dienste geleistet, doch empfiehlt es Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 31. 15 226 Hans Daae: sich für die Ganglien des Pferdes, sie etwas länger (5 Tage an- statt 3—4) in der Flüssigkeit liegen zu lassen. Nebenbei wurden Schnitte der Ganglien untersucht, die nach Härtung mit Flem- ming’scher Lösung angefertigt waren. Beim Pferde sind die Ganglien der einzelnen Intervertebral- löcher in je mehrere, meistens 5, zerlegt; es sind dies erbsen- grosse, eiförmige gelbbraune Knoten und liegen horizontal durch das Nervenwurzelbündel aufgereiht. Schwalbe’s Angabe, dass der Bau der Ganglien bei höhe- ren Wirbelthierformen gegenüber den niederen immer verwickelter werde, bestätigt sich auch beim Pferd. Man sieht an Schnitten ein solches Durcheinander von Faserbündeln zwischen den Zellen, dass es bei dieser Methode unmöglich bleibt, etwas über den Ver- bleib der Nervenfasern zu erfahren. Die Zellen zeigen dieselben Verschiedenheiten in der Grösse, Form und Färbung, welche bereits Flemming von den Spinalganglien der Säugethiere erwähnt hat!) und welche darauf von Helene Koneff specieller untersucht sind?). Flemming hat mit Hülfe seiner Färbungen die dunklere Beschaffenheit und stärkere Lichtbreehung, durch die ein Theil der Zellen ausge- zeichnet ist, darin begründet gefunden, dass in diesen Zellen das Fadenwerk dichter und die daran haftenden tingirbaren Körner reich- licher vorhanden sind (siehea.a.O.). Ich finde, wie er, beim Hund, der Katze und dem Kaninchen, dass die am dunkelsten gefärbten Zellen beim Pferd am häufigsten klein sind; dabei pflegen sie nicht rund zu sein. Uebrigens lässt sich ein bestimmtes Verhält- niss zwischen der Grösse der Zellen einerseits und ihrer Form und Beschaffenheit anderseits nicht finden; grosse wie kleine Zellen können rund oder ellipsoid, oder eckig, dann meistens vier- eckig sein. Die runden Formen kommen am häufigsten bei den mittelgrossen vor. Stark gefärbte?) Zellen sindgewöhnlich nichtrund. 1) W. Flemming, Vom Bau der Spinalganglienzellen. Henle’sche Festschrift p. 13, Abs. 8, Taf. II, Fig. 3. 2) Helene Koneff, Beiträge z. Kenntniss der Nervenzellen in den peripheren Ganglien. Inaug.-Dissert. Bern 1886. Die eben eitirte Stelle in Flemming’s Arbeit ist von der Verfasserin wohl übersehen worden (vgl. deren p. 4). 3) Es ist hiermit nicht blos die Tinctionsfähigkeit gemeint, sondern Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 227 Die Durchschnittsgrösse der Zellen (aus einem der ersten Halsganglien) beträgt 100—120 u. Mit feineren Structurverhältnissen der Zellsubstanz will ich mich in dieser Arbeit nicht beschäftigen und nur bemerken, dass dieselbe in vielen Zellen gelbbraunes körniges Pigment enthält, meist in einem Klumpen angehäuft, manchmal in zweien; in er- sterm Falle ist sehr oft die Anhäufung eonvex-concav geformt, also im Durchschnitt halbmondförmig, und dann an der eonvexen Seite scharf begrenzt, an der concaven sich diffus vertheilend. Dem Pigment finden sich vielfach Fetttröpfehen beigemischt. Nach persönlicher Mittheilung Flemming’s kann ich hier angeben, dass derselbe in Spinalganglien von Carnivoren und Nagethieren vielfach mit den geeigneten Methoden nach Theilungen der Ganglienzellen gesucht hat, doch bei den erwachsenen Thieren stets mit negativem Erfolg. Er fand nur hie und da zweiker- nige Ganglienzellen, niemals Mitosen in solehen. Auf seine Ver- anlassung habe ich an seinen, sowie an meinen eigenen Schnitten in Bezug auf diesen Punkt noch weiter gesucht, aber gleichfalls noch niemals eine Mitose in einer Ganglienzelle gesehen. Man könnte sonst auf den Gedanken kommen, dass die kleinen und dann meistens dunklen Formen dieser Zellen junge, kürzlich erst durch Theilung entstandene Elemente seien; dieser Gedanke muss aber, nach den erwähnten negativen Resultaten, wohl ausge- schlossen und diesen Ganglienzellen eine sehr lange Stabilität zu- gesprochen werden. Die Kapselder Ganglienzellen besteht aus zahlreichen kleinen Zellen mit relativ grossen Kernen. Ob die Kapsel ausser diesem „Endothel“ noch eine fibrillär-bindegewebige äussere Schicht be- sitzt, möchte ich nicht entscheiden, halte es aber für wahrschein- lich, da man nach aussen von den Kernen an nicht gesäuerten Präparaten oft noch einen zarten streifigen Saum sehen kann, der bei der Lenhossek’schen Behandlung (Eisessig) unsicht- bar wird. Mit Lenhossek halte ich die Kapsel für eine Fortsetzung der Henle’schen Scheide der zur Zelle gehörigen Nervenfaser, nicht aber der Neurilemmscheide. Ich habe öfters direkt kontrol- dieselben Zellen haben auch an ungefärbten Osmiumpräparaten einen dunkel- gelben bis braunen Ton. 298 Hans Daae: liren können, dass die Henle’sche Scheide und Kapsel direkt in einander übergehen. Die Henle’sche Scheide besteht ja auch, wie die Kapsel, aus Endothelzellen. In der Nähe der Ganglien- zellen werden diese Zellen viel kleiner und sind also ihre Kerne viel dichter gelagert, als enfernter von der Zelle. — Ueber das Verhalten der Neurilemmscheide an der Ganglienzelle habe ich nichts Sicheres ermitteln können. Ich wende mich nun zu den Verhältnissen der Ausläufer. Nach diesen lassen sich unterscheiden: 1) Zellen mit einfachen, 2) solche mit zusammengesetztem Ausläufer. 1. Bei den ersteren, welche gewöhnlich ganz dunkel, eckig sind und eine sehr dichtzellige Kapsel besitzen, beginnt der starke Ausläufer von der Zelle aus als ein längsgestreiftes Band, das sich allmählich mit Mark bekleidet, einige- Sförmige Krümmungen oder eine Bogentour um die Zelle herum macht und an der Stelle, .wo er die Kapsel verlässt, eine Ranvier’'sche Einschnürung trägt. Seine Markscheide ist dünn, seine Henle’sche Scheide, ebenso wie die zugehörige Zellenkapsel, sehr dichtzellig. Die Markscheiden dieser Ausläufer haben zahlreiche und sehr dichtgestellte Ran- vier’sche Einschnürungen ; beispielsweise war bei einer solchen Aus- läuferfaser von 11u Durchmesser der Abstand der zweiten und dritten Einschnürung nur 120 u, der der ersten und zweiten nur SOu; ähnliche Verhältnisse kommen oft vor. Die Vertheilung der Ein- schnürungen ist also hier anders, und zwar viel dichter als bei den Fasern der peripheren Stämme }). 2. Zellen mit zusammengesetzten Ausläufern. Sie kommen meistens von rundgeformten Zellen, mit heller Zellsubstanz, von verschiedenen Grössen. Hier wird der einfache Hauptausläufer durch Zusammenfluss von 2 bis vielen markhaltigen Fasern — meistens 3—7 — ge- bildet, die untereinander ziemlich gleich diek sind. Ich nenne die Gesammtheit dieser Zweige den Faserknäuel, weil sie meistens 1) Bei diesen sind nach Key und Retzius die Abstände der Ein- schnürungen : bei Fasern von 2 u Durchmesser = 89—92 u. ” ” „164 ” = 872—%2 u. während in meinem obigen Falle das Verhältniss ist: bei Fasern von 11 u Durchmesser = 80—120 u. Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 229 eine stark verwickelte, geschlängelte Anordnung haben. Uebrigens giebt es sehr verschiedene Grade dieser Schlängelung, welche zu- weilen (Fig. 15) auch nur sehr gering ist. Dieser Knäuel liegt seiner Hauptmasse nach stets intracap- sulär; die Vereinigung seiner Fasern zum Hauptausläufer findet sich in manchen Fällen ebenfalls noch innerhalb der Kapsel, in anderen ausserhalb derselben, und dann oft recht weit von der Zelle entfernt. Manchmal vereinigen sich alle Fasern an einer Stelle (Fig. 2,6, 9,12), manchmal treten einige der Aeste !) zu einer Faser zusammen, die erst weiter von der Zelle entfernt andere Aeste aufnimmt (Fig. 3, 4). An den Vereinigungsstellen befinden sich Ranvier’sche Einschnürungen. Solche kommen aber auch vielfach an den intracapsulären Fasern des Knäuels vor (Fig. Ad, 3a). Diese Fasern zeigen aber sehr oft noch eine weitere Ver- zweigung. Man findet oft, dass die Aeste einer Gabelung (von dem Hauptausläufer aus gerechnet) wieder mit einander zusammen- fliessen, oder sich mit anderen vereinigen, die dann wieder mit. andern in Verbindung stehen, so dass förmlich wundernetzartige Anordnungen vorliegen können. Die Figuren 4, 5, 6 und 8 zeigen verschiedene Fälle dieser Art, in denen diese Verzweigungen und Zusammenhänge der Knäuelfasern deutlich zu verfolgen waren. Wo die Anordnung derselben dieht und dabei stark gewunden ist, gelingt das natürlich nicht immer. Es sind somit in diesen Faserknäueln oft viel zahlreichere Nervenbahnen nebeneinander vorhanden, als die Zahl der Ur- sprungsfasern ist, die mit dem Zellkörper zusammenhängen. Diese Zusammenhänge mit der Zelle sind nun freilich theils durch die Faserknäuel selbst, theils durch die dichtkernige Kapsel sehr oft mehr oder weniger verdeckt, sodass man nur selten mit einiger Sicherheit auf ihre Anzahl schliessen kann. Doch habe ich in einer Anzahl von Fällen (z. B. Fig. 2, 4, 8, 12) bestimmt gesehen, dass zwei, drei bis vier Fasern der intracapsu- lären Verzweigung unter plötzlichem Abbrechen der Markscheide unmittelbar an der Peripherie der Ganglienzelle aufhören (ich bitte 1) Indem ich hier den Ausdruck „Aeste“ zur Erleichterung der Be- schreibung gebrauche, rechne ich dabei natürlich den Hauptausläufer als „Stamm“, 230 Hans Daae: dafür die eitirten Figuren genauer zu vergleichen). Die feineren Verhältnisse des Zusammenhanges dieser Fasern mit der Zell- substanz lassen sich bei der benutzten Methode nicht ermitteln, weil dabei sowohl der Axencylinder als der Zellkörper zu blass erscheinen. In einem Falle habe ich durch Färbung mit Ehrlich’- schem Hämatoxylin das Bild der Fig. 10 erhalten: eine feinfibril- läre Ausstrahlung des Axencylinders in den Zellkörper. Besonders überraschend ist mir das Diekenverhältniss der Ursprungs- und Knäuelfasern im Vergleich zu dem Hauptaus- läufer. Man sollte erwarten, dass der Querschnitt des letzteren immer gleich der Querschnittsumme sämmtlicher Ursprungsfasern, beziehungsweise sämmtlicher nebeneinander im Knäuel verlaufen- der Fasern sein würde. Für manche Fälle trifft dies auch zu; aber in vielen anderen ist die Querschnittsumme der Ursprungs- fasern (resp. die der Knäuelfasern) ohne Zweifel viel grösser als der Querschnitt des Hauptausläufers. Nach vielen bezüglichen Messungen (natürlich unter Berücksichtigung, dass der Querschnitt nach dem Quadrat des Durchmessers wächst) glaube ich dies ganz sicher aussagen zu können und verweise dafür auf die Angaben in der Tafelerklärung. Beispielsweise seihier nur erwähnt, dass in einem genau gemessenen Falle der Hauptausläufer den doppelten Durch- messer von einer der intracapsulären Fasern hatte; von diesen aber waren 6—7 nebeneinanderlaufende vorhanden, und diese alle untereinander gleich dick. Auch bei Fig. 12 und 13 ist ersicht- lich, dass der Hauptausläufer viel geringere Dicke hat, als die Summe der Fasern, aus denen er sich zusammensetzt. Es kommt noch hinzu, dass die Markscheide des Hauptaus- läufers meistens erheblich dicker ist als die Markscheide der Ur- sprungs- und Knäuelfasern. Die letzteren haben durchweg dünne und zwar unter sich gleich dünne Markscheiden, wie es die Ab- bildungen zeigen ; auch haben die intracapsulären Fasern unter sich alle meistens gleiche Durchmesser. Diese meine Messungen und Abschätzungen beziehen sich nun allerdings auf die Nervenfasern in toto, nicht auf die Axen- eylinder. Die letzteren kann man bei der angewandten -Methode nicht deutlich sehen?oder messen. Aber ich glaube doch, dass für die Axencylinder im Ganzen genommen das Gleiche gelten muss, was ‚vorher für die ganzen Fasern gesagt ist. Denn wir wissen ja längst, dass der Axeneylinder nicht ein dünner Strang ist, der Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 231 wirklich nur „in der Axe“ der Markscheidenröhre verliefe, sondern dass er diese Röhre ganz, oder doch beinahe ganz, ausfüllt. Dies wird ja bekanntlich durch jeden guten, dünnen Querschnitt von osmirten markhaltigen Nervenfasern gezeigt. Also scheint mir für mein Object in der That nur die An- nahme übrig zu bleiben, dass die Dicke (d. h. der Querschnitt) der leitenden Nervenbahnen, von der Ganglienzelle aus gerechnet, im Bereiche der Ursprungs- und Knäuelfasern in vielen Fällen grösser ist, als weiterhin, wo diese Fasern zum Hauptausläufer vereinigt sind. An eine Erklärung dieses gewiss merkwürdigen Verhaltens möchte ich mich nicht eher wagen, als bis ich noch weiteres Material von anderen Thieren und vielleicht auch durch andere Methoden gewonnen haben werde. Verfolgt man die Hauptausläufer (dies gilt für die einfachen wie zusammengesetzten) von der Zelle aus, so findet man vielfach, dass ein solcher sich in Form eines Ranvier’schen „Tube en T“ in zwei Aeste theilt, was ich auch für das durchgehende Verhalten ansehen muss. Dies findet sich zwar meistens, aber nicht stets, an der ersten Einschnürung. Lenhossek!) hat durch Messung beim Frosch gefunden, dass „die Axencylinder der Theilungsarme stets zusammengenommen so breit sind, als der des Ausläufers allein“. Für das Pferd zeigt es sich, dass ein solches Verhältniss existiren, ebenso häufig aber fehlen kann. Man kann hier daher nicht immer sagen, dass der Axencylinder sich in zwei Zweige „theilt“. Es kommen nämlich viele Fälle vor, in denen es bei- nahe unmöglich ist zu entscheiden, welcher Axeneylinder der diekste ist, der des Ausläufers oder der jedes der sogenannten Theilungsarme. Dasselbe Verhältniss sieht man bei Fasern, die im Präparate herum gefunden werden, und die man nicht bis zu einer Zelle verfolgen kann, gewöhnlich weil sie vorher abgebrochen sind. Solche sind sehr zahlreich. Sie verhalten sich auch in zwei ver- schiedenen Weisen an der sogenannten Theilungsstelle. Entweder kann man nämlich deutlich sehen, dass eine Faser, der Stamm, sich in zwei andere, die Aeste, theilt. Dieses wird nicht nur durch das Dickenverhältniss der Axencylinder bewiesen, sondern man kann auch geradezu sehen, wie die Axencylinder der Aeste an der 1) M. v. Lenhossekl. c. 232 Hans Daae: Einschnürungsstelle sich gegen einander biegen, von der Mark- scheide des Stammes bekleidet werden und zusammen seinen Axen- eylinder bilden. Die Aeste sind an Dicke einander gleich gross oder auch nicht. Ein drittes Moment, welches dafür spricht, dass eine wirkliche Theilung dort vor sich geht, besteht darin, dass oft eine dunkle Linie (vergl. Fig. 13) sich von der Stelle, an welcher die Theilungsarme zusammenstossen, verschieden weit in den Stamm erstreckt. Diese Linie entspricht wohl offenbar einem schmalen Raume, der zwischen den Axeneylindern existirt, ehe sie an der Einschnürung ganz von einander getrennt werden. Es ist sehr möglich, dass die dunkle Linie ein Kunstprodukt ist, bei der Zer- zupfung oder durch Druck des Deckgläschens hervorgerufen. Doch auch dann lässt sich sagen, dass an dieser Stelle sich eine Sub- stanz befindet, die weniger Resistenz. besitzt als die Faser sonst. Man darf für diese Fälle also wohl mit Sicherheit annehmen, dass der Axencylinder des Stammes durch Verschmelzung der Axen- cylinder der Theilungsäste gebildet ist. Ein anderer Schluss, den man aus der Existenz dieser Linie machen kann, ist dass die Theilung des Axeneylinders nieht immer an einer Einschnürung vor sich geht, sondern dass dies auch vor derselben geschehen kann. An der Einschnürung werden die schon innerhalb der Markscheide gespalteten Axeneylinder ganz von ein- ander getrennt und bekommt jeder seine eigene Markscheide. Hier- für spricht auch, dass der Stamm gegen die Einschnürung allmäh- lich aufschwillt, während die Dieke seines Markes abnimmt. In anderen zahlreichen Fällen jedoch sind, wie ich oben sehon sagte, an der sogenannten Theilungsstelle alle drei Aeste, und auch ihre Markscheiden durchaus gleich dick (ein Beispiel giebt Fig. 14), so dass ich einstweilen nicht sehe, wie man dies als eine „Theilung“ auffassen und mit der Anschauung von Freud und Lenhossek in Einklang bringen kann. Vieleicht wäre dies nach dem Schema möglich, das ich vorläufig hier in Fig. 15 gebe, wonach es sich allerdings um eine Theilung der von der Zelle kommenden Faser, aber um Anschluss der Aeste an einen vorbei- laufenden Axencylinder, in divergenter Richtung, handeln könnte. Eine sonderbare Theilung und Wiedervereinigung der Thei- lungsarme ist an Fig. 16 zu sehen. Die Fasern lagen ganz iso- lirt. Zwischen den Theilungsarmen sieht man einige Kerne, die nach ihrer Form weder zur Kapsel noch zur Henle’schen Scheide Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 233 gehören. Weil an dem linken Ast zwei solche Kerne liegen, ge- hören sie wahrscheinlich auch nicht zur Schwann'schen Scheide. Die nähere Beschreibung ist in der „Erklärung der Figuren“ ge- geben. Im Anschluss möchte ich noch auf eine merkwürdige arti- ficielle Veränderung des Axencylinders aufmerksam machen. F. Tangl!) fand, dass der Axencylinder bei starker Quet- schung der Nerven in der Mehrzahl der Fasern entzweigerissen wird, und die Rissenden dann in der zerdrückten Markmasse die bizarrsten Windungen annehmen; manchmal finden sich letztere auch an Fasern, welche nicht bis zum Zerreissen gequetscht waren. Bei meinen Arbeiten habe ich ähnliche Axencylinder ge- funden. Anfangs sah ich sie an einem Präparat; das nach der modifieirten Lenhossek’schen Methode behandelt, aber wahr- scheinlich zu schwach osmirt war. Später sah ich dasselbe an frisch gezupften Fasern. Besonders deutlich wird es an versil- berten Fasern. In der Nähe eines solchen pfropfenzieherförmigen Axeneylinders war immer eine Quetschungsstelle.. Und wenn der Axeneylinder erhalten war, lagen um ihn her Massen, die für Trümmer des gequetschten und degenerirten Markes zu halten sind. Gewöhnlich liegt der aufgerollte Axeneylinder in verdickter Markscheide; einmal sah ich jedoch an einem Silberpräparate, dass die Dicke des Markes über der geschlängelten Stelle des Axencylinders unverändert blieb. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XIV. Fig. 1. Zelle mit einfachem Ausläufer. Grösste Breite der Zelle 150 u, grösste Länge 200 u; dunkel. An der Austrittsstelle des Ausläufers aus der Zelle befindet sich eine Ranvier'sche Einschnürung und 110 u nach aussen von derselben noch eine. Der Ausläufer ist 14 u breit. 1) F. Tangl, Zur Histologie der gequetschten peripherischen Nerven. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 29. Fig. 5. Fig. 6. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. 11, Hans Daae: Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Von den 5 Knäuelfasern stossen 1 und 2 mit x zusammen, 3, 4 und 5 vereinigen sich um y zu bilden. x und y vereinigen sich später und bilden z. x hat bei a eine Einschnürung. Alle 5 Knäuelfasern und x sind gleich dick; y ist so dick wie zwei Knäuelfasern zu- sammen; z und y sind gleich dick. Zelle mit Knäuelfasertheilungen und Verbindungen derselben. a theilt sich in x und y; x wieder in drei Fasern, y in zwei. Die Rechte von den dreien und die Rechte von den zweien stossen mit einer Faser zusammen, die schräg über das Präparat läuft und sich unter einer Kernanhäufung verliert. Die Linke und die Mittlere von den dreien stossen mit einer Faser zusammen, die mit einem Haken endet; gegen diese Stelle verläuft auch der linke Ast von den zweien. Bei d ist eine Einschnürung. a ist am dicksten, dar- nach x und dann y; die übrigen Knäuelfasern sind alle dünner und unter einander gleich dick; nur e und f besonders dünn. Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Bei a gehen von einer Einschnürung 4 Knäuelfasern aus; zwei von diesen verlieren sich spurlos; die dritte läuft gegen den Ausläufer, die vierte läuft in entgegengesetzter Richtung und vereinigt sich mit einer der mit dem Ausläufer zusammenstossenden Fasern um d zu bilden, die nicht weiter verfolgt werden kann. d ist dicker als die übrigen untereinander gleich dicken Knäuelfasern. Es scheint hier als ob ausser dem eigentlichen Hauptausläufer b auch andere Fasern die Zelle verlassen. Zelle mit zwei Ausläufern. 1 ist zusammengesezt, 2 einfach; 2 ist doppelt so dick als 1. x vereint sich mit zwei Fasern, von denen die linke mit y zusammen- läuft, um a zu bilden, während die rechte als b die Zelle verlässt. a und b sind dicker als die anderen untereinander gleich dicken Knäuelfasern. Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Die drei Knäuelfasern können nach verschiedenen Stellen an der Zelle verfolgt werden, wo sie ohne Verbindung mit einander knäuelförmig enden. Axencylinder fächerförmig in die Zellsubstanz einstrahlend; mit dem Ehrlich’schen sauren Hämatoxylin behandelt. Zelle mit zusammengesetztem und sich theilendem Ausläufer. Der Ausläufer ist dünner als seine zwei Aeste, von denen h der dickste ist und auch die dickste Markscheide besitzt. Fig. Fig. Fig. 12. 13. 14. 15. 2.16: ale is. Zur Kenntniss der Spinalganglienzellen beim Säugethier. 235 Zelle mit zusammengesetztem Ausläufer. Die Zelle ist rund, 60 u Diam. Zwei Knäuelfasern laufen mit dem Ausläufer zusammen; alle drei sind gleich dick, ea. 7 u. Der Aus- läufer hat keine Einschnürung und kann 260 u weit verfolgt werden. Der Stamm schwillt allmählich gegen die Einschnürungsstelle an. Eine schwarze Linie deutet die schon innerhalb der Markscheide stattgehabte Theilung des Stammes an. Alle Fasern sind gleich dick (an den durch Striche bezeichneten Stellen: 12 u). Schema einer Theilung der von der Zelle kommenden Faser, deren Aeste sich einem vorbeilaufenden Axencylinder, in divergenter Richtung, anschliessen. b: schematisirt uud stärker vergrössert dargestellt, die Axencylinder getrennt gezeichnet. a theilt sich in zwei Aeste, die sich wieder vereinigen um d zu bil- den. a und d sind gleich dick; b und c nahe a zusammengenommen gleich dick wie a; schwellen aber gegen d so an, dass jede von ihnen gleich a wird. Geschlängelter Axencylinder innerhalb verdickter Markscheide. Pfropfenzieherartig geformter Axencylinder innerhalb nicht ver- dickter Markscheide. Versilbert. 236 V. v. Ebner: Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Von Prof. V. v. Ebner in Graz. Hierzu Tafel XV, XVI, XVII Inhalt: J. Einleitung und kritische Synonymik der von verschiedenen Autoren für die Elementartheile in den Samenkanälchen gebrauchten Namen. II. Material, Methode, Kritik des Werthes frischer Präparate, Stellung der Fragen. (Seite 246.) III. Zeigen die Fusskerne der Spermatoblasten, beziehungsweise der Ser- toli’schen Zellen oder der Spermatogonien v. la Valette St. George’s Theilungserscheinungen ? (Seite 253.) IV. An welchen Zellen im Innern der Samenkanälchen sind Theilungser- scheinungen zu beobachten? (Seite 257.) V. Die körnigen Ausscheidungen der Spermatoblasten, Resorption des Fettes durch die Sertoli’schen Zellen. Zustandekommen der Sperma- toblasten, Stoffwanderung, muthmaassliche physiologische Bedeutung der Spermatoblasten. (Seite 266.) VI. Ueber die topographische Vertheilung der Entwicklungsstadien und daraus sich ergebende Folgerungen. (Seite 281.) I. Einleitung und kritische Synonymik der von verschiedenen Autoren für die Elementartheile in den Samenkanälchen gebrauchten Namen. Wenn ich nach 17 Jahren wieder einmal in der Frage nach der Spermatogenese bei den Säugethieren das Wort ergreife, so geschieht dies nicht etwa in der Absicht, alle früher aufgestellten Behauptungen neuerdings zu vertheidigen. Ich habe vielmehr die Unhaltbarkeit der früher vertretenen Auffassung, der zu Folge die Spermatozoiden endogen im Protoplasma der Spermatoblasten ent- stehen sollten, während die runden Hodenzellen, ohne zur Bildung der Samenfäden verwendet zu werden, zu Grunde gingen, einge- Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Zn Sehen und theile nun in der Hauptsache die Auffassung Benda’s, welche die Spermatoblasten (Samenbildnerbündel) aus einer Copu- lation einer ästigen Zelle Sertoli’s mit einer Gruppe von Samen- zellen hervorgehen lässt. Da bereits eine Reihe von Arbeiten, welche an die vortreffliehen Untersuchungen Sertoli’s anknüpfen, wie die von Renson, Swaen und Masquelin'und H. Brown auf eine solche Auffassung hindrängten, so schien mir die Klärung der Ansichten über den Bau der Samenkanälchen und den gene- tischen Zusammenhang der in denselben befindlichen Elementar- theile auf dem besten Wege zu sein, als durch Mittheilungen von Grünhagen!) und durch eine auf Anregung Waldeyer’s aus- geführte grössere Arbeit von Biondi?) die Resultate der früher genannten Autoren neuerdings in Frage gestellt wurden. Beide Untersucher kamen zu Resultaten, welche weder unter sich noch mit jenen anderer Autoren übereinstimmen und zu Darstellungen der Spermatogenese führen, welche mir nicht annehmbar erscheinen. Grünhagen und Biondi stützten sich wesentlich auf die Untersuchung von in Flemming’schem Gemische gehärteten Hodenstückchen. Theils um nun für die abweichenden Darstellungen Biondis und Grünhagen’s Erklärungsgründe zu finden, insbeson- dere aber um das Vorkommen und die Verbreitung der indirekten Kerntheilungen im Innern der Samenkanälchen, sowie die Verände- rungen der Spermatoblasten genauer, als dies bisher geschehen war, zu verfolgen, stellte ich nun selbst wieder eingehende Unter- suchungen am Hoden der Ratte an, welche in der Hauptsache be- reits vor einem Jahre abgeschlossen waren. Da aber aus vorläufigen Mittheilungen zu ersehen war, dass auch Benda°) mit der Sper- matogenese der Säugethiere sich beschäftigte, wollte ich mit der Veröffentlichung meiner Resultate warten, bis die ausführliche Arbeit Benda’s*) erschienen war. Benda’s Untersuchungen erstrecken sich auf eine grössere Zahl von Säugethieren (Eber, Ratte, Maus, Kaninchen, Meerschwein- chen, Stier, Hund und Kater) und berühren Einzelheiten der Entwick- lung der Samenfäden, welche hier nicht besprochen werden. Meine 1) Centralbl. f. med. Wissensch. Nr. 28, 1885. 2) Dieses Arch. Bd. XXV, p. 594 (1885). 3) Verh. d. physiol. Ges. zu Berlin 18855—86, Nr. 3, 4 u. 7, 8. 4) Dieses Arch. Bd. XXX, p. 49, 1887. 238 V.v. Ebner: Untersuchungen beschränkten sich in der Hauptsache auf die Ratte, nahmen aber auf Dinge Rücksicht, welche wiederum von Benda weniger beachtet wurden. In einem Hauptpunkte jedoch, in der Frage nach dem Zustandekommen der Spermatoblasten, begegnen sich unsere Untersuchungen und führen zu übereinstimmender Auf- fassung. Gerade was diesen Punkt betrifft, glaube ich gut daran gethan zu haben, Benda’s ausführliche Abhandlung abgewartet zu haben, da dieselbe eine so eingehende Darlegung der Unhalt- barkeit von Biondi’s Hypothese enthält, dass ich Benda’s Aus- führungen in dieser Beziehung nur wenig hinzuzufügen habe. Eine vollständige Darstellung der Spermatogenese ist in dieser Abhandlung nicht beabsichtigt, insbesondere wurde auf die eigent- liche Histiogenese der Samenfäden nicht Rücksicht genommen. Es handelt sich vielmehr darum, so weit als möglich den genetischen Zusammenhang der in den Samenkanälchen vorfindlichen Elemen- tartheile festzustellen. Wer heut zu Tage über Spermatogenese schreibt, kommt einigermaassen in Verlegenheit durch die verwirrende Mannigfaltig- keit von Namen, welche denselben Dingen von verschiedenen Autoren beigelegt wurden und wird den Wunsch Waldeyer’s!) be- greifen, man möchte sich bei künftigen Untersuchungen auf eine bestimmte Nomenelatur und zwar für die von v. la Valette St. George eingeführte einigen. Ich würde gerne diesem Wunsche nachkommen, wenn ich die Ausführung desselben für möglich hielte. Es ist gewiss zuzugeben, dass die Nomenclatur von v. la Valette St. George eine sehr einfache und consequente wäre, wenn man einmal über den Bau und den genetischen Zusammen- hang der Elementartheile in den Samenkanälchen sich einigen könnte. Aber gerade darüber herrscht ja der grösste Streit und die Nomenclatur von v. la Valette St. George, welche den Elementartheilen nicht blos einen Namen gibt, sondern denselben gleichzeitig ihren bestimmten Platz in der genealogischen Reihen- folge von der männlichen Sexualzelle angefangen bis zum reifen Samenfaden anweist, ist daher offenbar nur für diejenigen, welche den Ansichten von v. la Valette St. George unbedingt bei- pflichten, anwendbar. Die Mehrzahl der Forscher, welche in 1) Verhandl. der anatom. Gesellsch. 1887 in: Anatom. Anzeiger, II, Nr, 12, Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 239 neuerer Zeit über die Spermatogenese der Säugethiere : gearbeitet haben, befindet sich aber mit v. la Valette St. George in Widerspruch und kann daher nicht Namen gebrauchen, welche nach ihrer Ueberzeugung entweder den damit bezeichneten Ele- mentartheilen einen falschen Platz in der genetischen Reihenfolge anweisen oder etwa gar Dinge bezeichnen, welche im Leben wahr- scheinlich nicht existiren. Die Nomencelatur, deren ich mich in dieser Abhandlung zu bedienen gedenke, ist vielleicht etwas schwerfällig; sie scheint mir aber historisch berechtigt zu sein. Es wird sich später vielleicht einmal empfehlen im Sinne der von Voigt und Semper!) modi- fieirten Nomenclatur von v. la Valette St. George die Elemen- tartheile, welche bei der Spermatogenese der Säugethiere in Be- tracht kommen, auf Grund vergleichend anatomischer und embryo- logischer Thatsachen zu bezeichnen. Doch hielt ich mich jetzt zu einer solchen Umgestaltung der Namengebung um so weniger berechtigt, als dieNamen dann zum Theil ganz andere reale Dinge bezeichnen würden, als v. Ja Valette St. George ursprüng- lich damit gemeint hat. Diess könnte die herrschende Verwirrung nur vermehren und würde überdiess ein Grundprineip der wissen- schaftlichen Nomenclatur verletzen, welches darin besteht, dass Niemand berechtigt ist, die von einem Autor einmal gegebenen Namen auf andere Dinge zu übertragen, als der Autor der Namen damit gemeint hat. Wenn ich der im Grunde nebensächlichen Frage der Terminologie so viele Worte widme, so sehe ich mich dazu vorzüglich durch den Umstand veranlasst, dass v. la Va- lette St. George?) die von Hensen, v. Kölliker und Merkel gegen den von Waldeyer gemachten Vorschlag er- hobenen Bedenken nicht als berechtigt anerkennt. Bei der im Folgenden aufgeführten Synonymik habe ich nur diejenigen Autoren berücksichtigt, welche neue Namen gebraucht haben oder, so weit es um fremde Sprachen sich handelt, auch Uebersetzungen von solchen. Es wurde nur die auf Original- arbeiten über Säugethiere bezügliche Literatur in Betracht ge- zogen und ich kann ausserdem nicht verbürgen, dass mir nicht der eine oder andere neue Name entgangen ist, da die einschlägige 1) Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Würzburg, Bd. VII, 1885. 2) Dieses Arch. Bd. XXX, p. 431. 240 V.v. Ebner: Literatur grösstentheils zu einer Zeit gelesen wurde, in welcher die Namenfrage noch nicht aufgeworfen war und eine eingehende Berücksichtigung derselben erst jetzt wünschenswerth schien. Die Elementartheile, von welchen, abgesehen von den Sper- matozoön, in den folgenden Blättern die Rede sein soll, sind folgende: 1. DieästigenZellen Sertoli’s oder kurz die Sertoli- schen Zellen. Cellule ramificate Sertoli: Il Margagni, Anno 1865 und Gazetta Me- dica Italiana Lombardia. Ser. VI, Tom. IV, 1871 und Nr. 51, 1875, Syno- nyme: Stützzellen (zum Theil), Merkel, Göttinger Nachrichten 1869 und Arch. f. Anat. u. Physiol. 18571. — Zellen des Keimnetzes, v. Ebner: Unter- suchungen über den Bau der Samenkanälchen ete. in Rollett’s Unters. aus dem Inst. f. Histol. u. Physiol. in Graz. II. Heft und Separat Leipzig 1871. — Fussplatten der Spermatoblasten, Neumann: Centralbl. f. med. Wissensch. 1872, Nr. 56 und Dieses Arch. Bd. XI, 1875. — Cellules &pitheliales, Bal- biani: Journ. de Micrographie T. I, 1877. — Cellule fisse, cellule epitheliali, Sertoli: Sulla struttura dei canalicoli seminiferi ete. Torino 1878 und Archivio per le Scienze Mediche Vol. I. — Sternförmige Zellen, Afanas- siew: Dieses Arch. Bd. XV, 1878. — Spermatogonien, v. la Vallette St. George: Dieses Arch. Bd. XV, 1575. — Aeussere Samenzellen (zum Theil), Klein: Centralbl. f. med. Wissensch. 1356, p. 369. — Cellules de soutien, Renson: Arch. de Biologie, Tome III, 1852. — Cellules folliculeuses, Swaen et Masquelin, Arch. de Biol. T. IV, 1833. — Supporting cells, H. Brown: (Quarterly Journ. of Microse. Sc. July 1885, p. 343. — Stammzellen (zum Theil), Biondi: Dieses Arch. Bd. XXV, 1855. — Fusszellen, Benda: Ver- handl. der physiolog. Ges. zu Berlin 1555—86, Nr. 3, 4 u. 7, 8 und Dieses Arch. Bd. XXX (1887). — Tragezellen, Grünhagen: Lehrb. der Physiol. III. Bd. (VII. Aufl.), 1857, p. 550. — Randzellen, Fürst: Dieses Arch. Bd. XXX, 1887. Diese Zellen wurden zuerst von Sertoli beim Menschen und zwar so unverkennbar beschrieben, dass seine Namengebung histo- risch die berechtigte ist. Da aber Sertoli selbst später diesen Zellen noch andere Namen beilegte, wie Cellule fisse und Cellule epiteliali, so dürfte es in diesem Falle, wie in ähnlichen — wo der Entdecker ein Formelement so genau beschrieb, dass es zweifellos wieder erkannt werden kann, ohne jedoch selbst ein für allemal einen bestimmten, einfachen Namen zu wählen — vorläufig das Beste sein, den betreffenden Elementartheil nach dem Ent- decker, also in diesem Falle nach Sertoli zu benennen. An den Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 241 Sertoli’schen Zellen kann man die Fussplatten (Neumann), welche nach Art eines Epitheles unmittelbar auf der Membrana propria der Samerikanälchen aufsitzen, von dem nach dem Centrum der Kanälchen gerichteten Stiel unterscheiden und in dieser Platte den stets durch ein deutliches Kernkörperchen ausgezeichneten Kern als Fusskern. Klein und Biondi unterscheiden die Ser- toli’schen Zellen nicht von den folgenden unter 2 aufgeführten Zellen der Wandschicht, sondern betrachten sie als verschiedene Zustände derselben Zellenart. v. la Valette St. George be- zeichnet auffallender Weise die Sertoli’schen Zellen beim Men- schen als Follikelzellen, was wohl mit Rücksicht auf die Homo- logien bei den Amphibien und Plagiostomen richtig wäre. Bei den Säugethieren nennt aber v. la Valette St. George die Sertoli’schen Zellen Spermatogonien. Unter den Synonymen der Sertoli’schen Zellen sind auch die sternförmigen Zellen Afanassiew’s angeführt, obwohl dieser Forscher selbst behauptet, dieselben entsprächen den unter 2 auf- geführten Zellen der Wandschicht. Dies hat einige Verwirrung in der Literatur hervorgerufen. Für mich ist es zweifellos, dass Afanassiew’s sternförmige Zellen die Fussplatten der Sertoli- schen Zellen sind, weil nur diese sowohl unmittelbar der Mem- brana propria aufsitzen, als auch stets deutliche, glänzende Kern- körperchen haben. Damit charakterisirt aber Afanassiew wenig- stens im Texte, wenn auch nicht in allen Figuren, seine stern- _förmigen Zellen. Bezüglich der Sternform hat sich freilich Afa- nassiew ebenso getäuscht, wie ich selbst in meiner ersten Arbeit. Wie die anscheinenden Netze sternförmiger Zellen zu Stande kom- men, hat Neumann, dessen Arbeit Afanassiew nicht beach- tete, aufgeklärt. Das was Merkel im Archiv für Anatomie und Physiologie 1871, p. 1 als Stützzellennetze beim Menschen beschrieb und ab- bildete sind, wie v. Mihalkovics!) zuerst auseinander setzte, intercellulare Gerinnsel einer eiweissartigen Substanz. v. Mihal- kovies ging aber offenbar zu weit, wenn er auch die ästigen Zellen Sertoli’s, die Merkel ebenfalls sah, aber von anhaf- tenden Gerinnseln nicht scharf unterschied, mit unter die Gerinnsel rechnete. In einer späteren Arbeit, in welcher Merkel?) gegen 1) Ber. der Kön. sächs. Ges. der Wissensch. 1873, p. 229. > 2) Unters. aus dem anat. Inst. in Rostock, 1874, p. 23. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 16 242 V.v. Ebner: die Angriffe v. Mihalkovie’s sich verwahrte, hatte Merkel jedenfalls nur die auch von Sertoli beschriebenen Zellen und keine Gerinnsel im Auge. Mit den intercellularen Gerinnseln und ihren Beziehungen zu den Stützzellen beschäftigt sich in neue- ster Zeit auch Prenant!). Etwas abweichend von v. Mihal- kovies erklärt Biondi die centralen Fortsätze oder Stiele der Sertoli’schen Zellen als Zerfallsprodukte des Protoplasmas der Samenzellen, während deren Umwandlung in Spermatozo@n und betrachtet demnach nur die Fussplatten der Sertoli’'schen Zellen, die mit den unter 2 aufgeführten Zellen der Wandschicht zusam- mengeworfen werden, als wirkliche Zellen. 3. Zellen der Wandschieht. Zellen der Wandschicht mit grobgranulirten Kernen, v. Ebner. c. Synonyme: Cellule germinative, Sertoli l.c. 1875 u. 1878. — Follikelzellen, v. la Valette St. George 1. c. — Ersatzzellen und Vorkeimzellen, Hel- man: Ueber die Entwicklung der Spermatozo@en der Wirbelthiere, Dorpat 1879. — Aeussere Samenzellen (zum Theil), Klein l. ce. — Samenkeimzellen, Krause: Centralbl. f. med. Wissensch. 1881, p. 356 und Nachträge zur all- gem. und mikrosk. Anatomie, Hannover 1851. — Cellules germinatives, Benson ].c. — Ovules mäles inertes, Swaen et Masquelin l.c. — Rand- zellen, v. Wiedersperg: Dieses Arch. Bd. XXV, 1885. — Spore cells, H. Brown l. c. — Stammzellen (zum Theil), Biondi l.c. — Stammzellen, Benda l. c. — Samenstammzellen, Fürst |. ce. Diese Zellen wurden von mir zuerst als besondere Elemente, welche in Gruben und Nischen des Keimnetzes d. i. der Fuss- platten der Sertoli’schen Zellen wie hineingedrückt erscheinen, unterschieden. Da die Bedeutung dieser Elemente strittig ist, so muss jeder präjudizirende Name vermieden werden. Die Mehrzahl der Forscher, der auch ich mich jetzt anschliesse, betrachtet diese Elemente als Stammzellen der Spermatozoön, während v. la Va- lette St. George und früher auch ich dieselben als unbe- theiligt an der eigentlichen Spermatogenese ansahen. Einige For- scher, wie Klein und Biondi, werfen sie mit den Sertoli- schen Zellen zusammen. Da die Zellen der Wandschicht Wachs- thums- und Theilungserscheinungen zeigen, haben sie ein wech- selndes Ansehen in verschiedenen Abschnitten der Samenkanälchen. Sie sind nicht immer rund, sondern in gewissen Entwieklungs- 1) Internat. Monatschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. IV, Heft 9 u. 10 1887. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 245 stadien mehr oder weniger deutlich sternförmig, wie Sertoli nachwies. Diess erklärt theilweise das Missverständniss A fanas- siew's, von welchem schon die Rede war. Ebenso sind die Kerne von wechselndem Aussehen. Doch fehien denselben im Gegen- satze zu den Kernen der Sertoli’schen Zellen die grossen ein- fachen Kernkörperchen. a, Die Zellen mit srobgranulirten Kernen Hen- le'soder kurz: Die Henle’schen Zellen. Henle: Handb. der Anatomie, Braunschw. 1866, II. Bd., p. 355. — Synonyme: Cellule seminali, Sertoli: 1. ec. 1875. — Grössere Hodenzellen oder Wrsatzmutterzellen, Krause: Allgem. Anat. 1876. — Cellule seminifere, Sertoli l. ec. 1578. — Spermatocyten (zum Theil), v. la Valette St. George l. ec. 1878. — Keimzellen, Helman l.c. — Samenknäuelzellen, Krause. c. 1581. — Cellules seminiferes, Renson ]. c. — Ovules mäles actifs und (zum Theil) spermatocytes, Swaen et Masquelin |. e. — Growing cells H. Brown ].c. — Mutterzellen, Biondil.c. — Samenmutterzellen, Fürst ].c. Während Kölliker unter den Samenzellen bezüglich des Verhaltens der Kerne noch keine Unterschiede aufstellte, bemerkte Henle zuerst, dass nach Behandlung mit Essigsäure unter den runden Hodenzellen solche mit grobgranulirten und solche mit glatten Kernen zu unterscheiden seien. Da Henle diesen Zellen nieht einen kurzen Namen beileste, obwohl er sie so deutlich be- schrieb, dass man sie sicher wieder erkennen kann, so "glaube ich sie als Henle’sche Zellen bezeichnen zu sollen. Die Mehrzahl der Forscher betrachtet gegenwärtig diese Zellen als Samenmutter- zellen und leitet dieselben von den Zellen der Wandschicht ab. v. la Valette St. George dagegen glaubt, dieselben entstehen durch Theilung aus den Sertoli’schen Zellen und nennt sie mit den folgenden Zellen zusammen Spermatoeyten. 4. Die Samenzellen Kölliker's. Kölliker: Verh. d. schweiz. naturf. Ges. Bd. VII, 1846 und Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VII, 1856. — Synonyme: Hodenzellen mit glatten Kernen, Henle l. e. 1866. — Helie Hodenzellen, Merkel: Unters. aus dem anatom. Institut in Rostock 1874. — Nematoblasti, Sertoli l. e. 1875 u. 1575. — Kleinere Hodenzellen, Krause 1. ec. 1876. — Spermatoceyten (zum Theil), v. la Valette St. George l. c. 1878. — Spermatoblasten, Klein I. c. — Spermatocyten, Krause ]l. c. 1881. — Nematoblastes, Renson l. c. — Young spermatozoa with sphaerical nuclei H. Brown ].c. — Tochterzellen, Biondi l. ec. — Samenzellen, Benda ]. e. — Samentochterzellen Fürst |. c. 44 V.v. Ebner: Diese Zellen wurden zuerst von Kölliker als unmittelbare Vorstufen der Samenfäden, als eigentliche Samenzellen beschrieben, wenn auch nicht strenge von den Henle’schen Zellen gesondert. Da Kölliker zuerst die Entwicklung der Köpfe der Samenfäden aus Zellkernen nachwies, so muss den betreffenden Zellen der von ihm gewählte Namen bleiben. Man könnte dagegen nur einwen- den, dass dieser Name präjudieire und in der That haben ich und diejenigen, welche den in meiner ersten Abhandlung gezogenen Scehlüssen beipflichteten, die Entwicklung der Samenfadenköpfe aus den Kernen der Kölliker'schen Samenzellen geleugnet, wäh- rend alle neueren Forscher und auch ich nun selbst mit Kölliker in diesem Punkte einverstanden sind. Dass die Samenzellen Köl- liker’s durch Theilung aus den Henle’schen Zellen hervorgehen, ist jetzt wohl allgemein anerkannt; wurde aber früher öfter be- zweifelt. Wem der einfache Name Samenzelle wegen seines prä- judieirenden Inhaltes verwerflich erscheint, der ist durch Beisetzung des Autors Kölliker vor Missverständnissen geschützt. Wal- deyer und v. la Valette St. George nennen die Samenzellen nach dem Vorschlage von Voigt und Semper jetzt bei allen Thieren Spermatiden. Nicht zu billigen und offenbar verwirrend ist es, dass Klein, Laulanie u. A. den bereits in anderem Sinne vergebenen Ausdruck Spermatoblast für die Samenzellen an- sewendet haben. 5. Die Spermatoblasten. v. Ebner l.c. Synonyme: Zellenstöcke, Merkel: Arch. f. Anat. u. Phy- siol. 1871, p. 644. — Samenähren, (Landois) und Klas: Ueber die Ent- wicklung der Spermatozoiden. Dissert. Greifswald 1874. — Spermatogemmen (zum Theil), v. la Valette St. George |. c. 1878. — Samenbildnerbündel, Benda l. c. — Samenständer, Grünhagen |. c. 1887. Während die bisher besprochenen Elementartheile einfache Zellen sind, kommt den Spermatoblasten der Werth eines Elemen- tartheiles höherer Ordnung zu. Sie bestehen aus einer einheit- lichen Protoplasmamasse, welche aus einer Sertoli’schen Zelle ver- bunden mit einer Gruppe von in der Entwicklung begriffenen Samenfäden besteht. Es ist nieht richtig, wenn da und dort an- gegeben wird, das, was ich als Spermatoblast bezeichnete, sei identisch mit den Sertoli’schen Zellen. Ich habe vielmehr schon von Anfang an ausdrücklich die Sertoli’schen Zellen als Keim- netz von den Spermatoblasten unterschieden. Der Name Sperma- Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 245 toblast ist an sich nicht präjudieirend, da er nur der Ausdruck der direkt zu beobachtenden Thatsache ist, dass alle als solche erkennbaren Entwicklungsphasen der eigentlichen Samenfäden stets sruppenweise in Verbindung mit Sertoli’schen Zellen vorkommen und ist insoferne für jeden unverfänglich, der überhaupt die Existenz dieser complieirten Gebilde anerkennt. Ob die Spermatoblasten dadurch entstehen, dass mit einer Sertoli’schen Zelle sich eine Gruppe von Kölliker’schen Samenzellen vereinigt, oder dadurch, dass die Köpfe der Samenfäden als endogene Kernbildungen im Protoplasma einer Sertoli’schen Zelle selbständig auftreten oder endlich durch Theilungen eines Fusskernes angelegt werden, ist offenbar für die Charakteristik eines Spermatoblasten zunächst gleich- gültig, und ich muss insbesondere v. la Valette St. George!) gegenüber ausdrücklich betonen, dass keineswegs für die Wahl des Namens die — nicht direkt beweisbare — Annahme der endo- genen Kernbildung maassgebend war, sondern die für mich fest- stehende Thatsache, dass von dem Momente an, wo die Differen- eirung der Köpfe der Samenfäden aus runden Kernen beginnt, die Entwicklungsstadien der Samenfäden stets mit einer Sertoli’schen Zelle (Fortsatz des Keimnetzes wie ich mich früher ausdrückte) verbunden sind. Dagegen gebe ich gerne zu, dass v. la Valette St. George den Namen Spermatoblast aus dem Grunde nicht ge- brauchen konnte untl durch einen anderen Ausdruck ersetzen musste, weil er die Spermatoblasten mit den seit R. Wagner’s und Kölliker’s Untersuchungen bekannten vielkernigen Cysten zusammenwirft und beides zusammen mit dem Namen Spermato- gemmen bezeichnet. Was nun die vielkernigen Cysten Kölliker’s bei Säugethieren anbelangt, so sind dieselben vorzüglich an frischen Präparaten, in sogenannten indifferenten Flüssigkeiten zu beob- achtende, hüllenlose Protoplasmamassen mit 2, 3 bis zu 20 und mehr Kernen, die ich nicht als präexistirende Elementartheile be- trachte, sondern als durch postmortales Zusammenfliessen bald von Samenzellen, bald von den gelappten Enden abgerissener Sperma- toblasten oder endlich — seltener — von Henle’schen Zellen ent- standene Bildungen. Ist diese Ansicht — deren Begründung noch später einige Worte gewidmet werden sollen — richtig, dann bleibt von den Spermatogemmen v. la Valette St. George’s nur jener 1) Dieses Arch. XXX, 1887, p. 430. 246 V.v. Ebner: Theil zu Recht bestehen, der sich auf Spermatoblasten bezieht und es ist zugleich gerechtfertigt, wenn trotz geänderter Anschauungen über das Zustandekommen dieser wirklich existirenden Gebilde, der für dieselben zuerst gegebene Namen beibehalten wird. Ganz Aehnliches, wie bezüglich der Spermatogemmen von v. la Va- lette St. George, gilt, nach meiner Meinung, auch von den Ge- bilden, welche Helman bei den Säugethieren als primäre und se- cundäre Cysten bezeichnet. Die primären Cysten sind wohl sämmtlich, die secundären zum Theil auf Zusammenfliessen von Samenzellen zurück zu führen und nur diejenigen secundären Cysten, die als mit einem Hüllkerne versehen beschrieben werden, entsprechen Spermatoblasten in sehr frühen Entwicklungsstadien, deren gelappte Enden nach dem Tode zusammengeflossen sind. Il. Material, Methode, Kritik des Werthes frischer Präparate, Stellung der Fragen. Das wesentlichste Material für die Untersuchungen stammte von vier Ratten, welche sämmtlich zu Beginn des Frühlinges frisch gefangen wurden und welche theils Wanderratten, theils Haus- ratten waren. Da irgend ein Unterschied im Verhalten der Samen- kanälchen der beiden Arten nicht zu bemerken war, so werden die Beobachtungen an beiderlei Thieren zusammen besprochen. Kleine Stückchen von den Hoden der eben getödteten Thiere wurden in Flemming’s Gemisch gehärtet, dann in Celloidin ein- gebettet und mit dem Mikrotom in 0,01—0,03 mm dicke Schnitte zerlegt, hierauf die Schnitte in fliessendem Wasser gewaschen und meistens mit Saffranin, zum Theil auch mit anderen Färbe- stoffen (Anilingrün, Eosin, Hämatoxylin ete.) gefärbt und in Dam- marharz, zum Theil in Glycerin eingeschlossen. Zur Controlle wurden auch Hodenstückchen in Müller’scher Flüssigkeit und in Alkohol gehärtet und ein Theil des Materiales ganz frisch, mit verschiedenen Zusatzflüssigkeiten, zu Isolationspräparaten verar- beitet. Vergleichsweise wurden auch Hoden anderer Thiere, insbe- sondere vom Stier, Kaninchen, Meerschweinchen und von’der Maus untersucht. Die wichtigsten Resultate ergaben die mit Flemming’s Gemisch behandelten und mit Saffranin gefärbten Quer- und Längsschnitte. , Es wurden Hunderte von Schnitten angefertigt und an jedem derselben alle Samenkanälchen durchmustert, so dass Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 247 im Ganzen viele Tausende von Durchschnitten von Kanälchen an- gesehen wurden. Wie in meiner ersten Arbeit und wie alle Unter- sucher, deren Resultate eine eingehendere Vergleichung mit meinen früheren Angaben erlauben, legte ich das Hauptgewicht auf das Studium der Schnitte, von der Ueberzeugung ausgehend, dass nur auf diesem Wege eine einigermaassen begründete Vorstellung über den genetischen Zusammenhang der in den Samenkanälchen be- findlichen Elementartheile gewonnen werden könne. Es genügt nicht, nur die am häufigsten vorkommenden Querschnittsbilder von Samenkanälchen zu studiren; es ist vielmehr nothwendig, alle vorkommenden Bilder einer genauen Betrachtung zu unterziehen und ausserdem an Längsschnitten sich zu überzeugen, dass in der That eine lückenlose Reihe von continuirlich sich aneinanderschliessen- den Bildern beobachtet wurde. Diess muss ich vor Allem, ähnlich wie Benda, betonen. Die neuere vervollkommnete Schnitttechnik gestattet, dieser Forderung in viel höherem Maasse gerecht zu werden, als diess vor 17 Jahren möglich war. Obwohl zugegeben werden muss, dass auch die Schnittmethode keine absolut sichere Erkenntniss der Entwicklungsvorgänge gewähren kann, welche erst gegeben wäre, wenn es einem Beobachter gelänge, das Hervorgehen des einen Entwicklungszustandes aus dem andern direkt unter den Augen zu verfolgen; so müssen doch die Resultate der Schnittmethode insoferne als die relativ sichersten anerkannt werden, als es bis- her keine Methode gibt, welche zu verlässlicheren Resultaten führen würde. Man hat mir vielfach vorgeworfen, dass ich bei meiner ersten Arbeit die Untersuchung frischer Präparate ungebührlich vernachlässigt hätte und der ausgezeichnete Forscher auf dem Gebiete der Spermatogenese, v. la Valette St. George sprach mir sogar das Verständniss für die Deutung frischer Objekte ab. Dieser Vorwurf scheint mir nicht gerecht zu sein. Ich sah und sche vollkommen ein, dass ‚die Frage der Spermatogenese so lange nicht als befriedigend gelöst betrachtet werden kann, als es nicht gelingt, durch die Resultate der Schnittmethode das- jenige zu erklären, was man an frischen Isolationspräparaten sieht; es ist aber ein verkehrter Weg, wenn man den genetischen Zusammenhang der Elementartheile der Samenkanälchen an fri- schen Isolationspräparaten studirt und die Schnitte als Nebensache behandelt. 248 V. v. Ebner: Die Deutung der Schnittbilder zusammen mit der Unter- suchung von Isolationspräparaten aus gehärteten Objekten, scheint mir bei weitem leichter und sicherer zu sein, als die Deutung der sogenannten absolut frischen Objekte. Zunächst fehlt es an einer wirklich indifferenten Zusatzflüssigkeit. Der gewöhnlich empfohlene Humor aqueus dürfte wohl schwerlich in seiner Zusammensetzung mit der spärlichen Flüssigkeit im Innern der Samenkanälchen identisch sein und der Umstand, dass die Samenfäden darin sich bewegen und dass die runden Zellen amöboide Bewegungen aus- führen, auch lange Pseudopodien aussenden etc. ist keineswegs ein Beweis, dass die in dieser Flüssigkeit isolirten Elementartheile die natürlichen Formverhältnisse zeigen. Ja gerade der Umstand, dass die fast reifen Samenfäden sich zu bewegen anfangen, beweist mir, dass Humor aqueus eine Flüssigkeit ist, welche verändernd auf den Inhalt der Samenkanälchen wirkt, weil innerhalb der unverletzten Samenkanälchen, wenn man diese in toto beobachtet, keinerlei Bewegung der reifen Samenfäden zu beobachten ist!). Bei der. ganz ungewöhnlichen Zartheit, ja fast flüssigen Be- schaffenheit vieler Elementartheile im Innern der Samenkanälchen kann die geringste Aenderung der umgebenden Flüssigkeit bereits zu störenden Erscheinungen Anlass geben und es sind daher schon aus diesem Grunde die frischen Präparate ohne Vorstudien an gehärteten, insbesondere in situ rasch abgetödteten Objekten, nicht leicht zu beurtheilen. Alle Untersucher, welche mit den Schnittmethoden und mit Isolationspräparaten von gehärteten Objekten sich beschäftigten, haben wenig oder gar nichts von den vielkernigen Cysten Köl- liker’s gesehen, während sie an frischen Isolationspräparaten oft — aber durchaus nicht immer — ungemein häufig sind. Seitdem ich wiederholt direct das Zusammenfliessen von run- den Hodenzellen an frischen Isolationspräparaten in Humor aqueus zu einer einheitlichen Masse gesehen, ferner von einem 1) Diese von Renson bestätigte Angabe hat zu einem sonderbaren Missverständnisse Sertoli’s Anlass gegeben. Dieser Autor folgert nämlich aus meiner Behauptung, dass die Samenfäden im Innern der Samenkanälchen sich nicht bewegen, ich hätte keine frischen Isolationspräparate untersucht, weil die Bewegungen an isolirten Samenfäden aus dem Hoden in Humor aqueus leicht zu beobachten seien. Es ist mir aber niemals eingefallen, letzteres zu leugnen. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 249 Hoden, welcher im frischen Zustande zahlreiche, vielkernige Cysten zeigte, keine einzige an den Schnitten des sofort gehärteten Ob- jektes sehen konnte, zweifle ich nicht mehr, dass diese vielbe- sprochenen Elementartheile erst den sogenannten indifferenten Flüssigkeiten ihre Entstehung verdanken. Freilich hat Renson das Fehlen der vielkernigen Cysten an Alkoholpräparaten dadurch zu erklären versucht, dass der Alkohol die vielkernigen Cysten in einzelne Zellen zerlege, was natürlich auch für andere ähnlich wirkenden Härtungsmittel z. B. das Flemming’sche Gemisch ebenso gelten müsste. Mir scheint aber die Annahme, dass rasch härtende Flüssigkeiten das Zusammenfliessen der weichen Eivzel- zellen verhindern, um so naheliegender und natürlicher zu sein, als Ja einkernige Zellen auch am frischen Präparat die Regel und die vielkernigen Cysten in Bezug auf die Zahl der Kerne und die Häufigkeit des Vorkommens ausserordentlich variabel sind. Zu ähnlicher Auffassung der vielkernigen Cysten — welche einen grossen Theil der Spermatogemmen von v. la Valette St. George umfassen, nämlich alle diejenigen, in welchen Sperma- toeyten (Henle’sche Zellen) oder Spermatiden (Samenzellen) zu viel- kernigen, kugeligen Massen vereinigt sind — gelangten schon Henle, Balbiani und jüngst Benda. Zu den besprochenen und anderen Formveränderungen der Elementartheile am frischen Präparate kommt nun noch dazu, dass man zertrümmerte Elementartheile und intakte nur schwer ausein- anderhalten kann, dass ferner die Theile stets bunt durcheinander liegen. Diess Alles muss die Erkenntniss des genetischen Zusam- menhanges der Dinge enorm erschweren, wenn nicht unmöglich machen, indem Wesentliches übersehen wird. So wird es z. B. begreiflich, dass den ältern, nur mit frischem Material arbeitenden Forschern die Sertoli'schen Zellen ganz entgehen konnten, während sie heute wohl jeder, der an Schnitten und Isolationspräparaten ge- härteter Objekte Vorstudien machte, auch am frischen Objekte fin- den wird). 1) Biondi ist es allerdings nicht gelungen, die so charakteristischen Sertoli’schen Zellen an frischen in Humor aqueus untersuchten Samenkanäl- chen und an solchen, die in Salzlösungen lagen, aufzufinden. Und doch hat schon Sertoli solche mit Humor aqueus frisch isolirte Zellen abgebildet und über die Wirkung starker Kochsalzlösungen (l. ec. p. 13) bemerkt: „Le 250 V.v. Ebner: Um keinem Missverständnisse ausgesetzt zu sein, scheint es mir aber notwendig, noch ausdrücklich hervorzuheben, dass ich keineswegs etwa der Meinung bin, der Bau der Samenkanälchen könnte ausschliesslich nur an Schnitten erhärteter Präparate stu- dirt werden. Ohne Isolationspräparate kann man niemals eine ge- naue Kenntniss der einzelnen Elementartheile eines Organes ge- winnen; sie sind unbedingt nothwendig um Form und Zusammen- hang der Theile sicher zu stellen und den feineren Bau der Zellen und Kerne zu ermitteln. Hierbei ist es aber zweckmässig in erster Linie mit erhärtenden und gleichzeitig den Zusammenhang der Tbeile lockernden Reagentien zu beginnen und erst dann die fri- schen Präparate zur Vergleichung heranzuziehen. Die einseitige An- wendung einer einzigen technischen Methode hat nie und nirgends zu erschöpfender Kenntniss des Gegenstandes geführt, wie der heute gar zu sehr überwuchernden und nicht immer am rechten Orte ange- wendeten Schnittmethode gegenüber noch besonders betont sein mag. Ehe nun auf die Darlegung der Untersuchungsresultate ein- gegangen wird, dürfte es am Platze sein, die Streitpunkte, um deren Lösung es sich hier handelt, und die Fragestellungen, welche für die Untersuchung bestimmend waren, etwas näher ins Auge zu fassen. Bei meinen älteren Untersuchungen war für die ganze Auf- fassung der Säugethierspermatogenese die Thatsache maassgebend, soluzioni concentrate di cloruro sodico che, come ho mostrato in altro mio lavoro (Ricerche sulla composizione chimica dei testicoli, Gazetta Medica Veterinaria. Anno II, Milano 1872) tanto alterano gli elementi ro- tondi del canalicolo, non producono sulle cellule epiteliali dello stesso che lievi alterazioni rendendo solo meno distinto il nucleo.“ Ich habe mich schon früher und jetzt wieder überzeugt, dass man Sertoli’sche Zellen und Spermatoblasten nicht nur frisch, sondern selbst nach tagelangem Liegen von Samenkanälchen in 10°/, Kochsalzlösung isoliren kann. An Sper- matoblasten mit jungen Spermatozoidenanlagen gelingt letzteres allerdings nur für die Sertoli’sche Zelle, weil die Kochsalzlösung die Samenzellen bis zur Unkenntlichkeit verändert; leicht ist es aber Spermatoblasten mit nahezu reifen Samenfäden zu isoliren, wie z. B. ein solcher in Fig. 20 abgebildet ist. Zu diesen Bemerkungen sehe ich mich veranlasst, weil einerseits Benda die Angaben Biondi’s über die Wirkung der Salzlösungen auf Treu und Glauben hinnimmt und weil anderseits auch Prenant in seiner eben er- schienenen Arbeit die centralen Fortsätze der Sertoli’schen Zellen als Ge- rinnsel erklärt hat. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 2351 dass an Schnitten und Isolationspräparaten von in Müller'scher Flüs- sigkeit ete. gehärteten Objekten, die deutlich als solehe erkennbaren Entwieklungsstadien der Samenfäden ausnahmslos gruppenweise in Protoplasmamassen gefunden wurden, welche mit einem Stiele auf einer kernhaltigen Schicht an der Wand der Samenkanälchen auf- sitzen. Das natürlichste und nächstliegendste schien daher die Annahme zu sein, dass die Spermatozoön sich auch direkt aus diesen gestielten Protoplasmamassen, mit welchen sie ein Ganzes bilden, entwickeln. Dass diese gestielten Spermatozoönträger, die die Spermatoblasten, durch die Verschmelzung von Rundzellen mit einer wandständigen Zelle hervorgehen sollten, schien von vorn- herein so unwahrscheinlich, dass nur die zwingendsten Gründe eine solche Annahme hätten rechtfertigen können. In der That haben alle diejenigen Nachuntersucher, welche sich gleich mir von der einheitlichen Natur der Spermatoblasten überzeugten, wie Neumann, Biumberg, v. Mihalkovies, Landois, Klas, Krause, Balbiani, Frey, Toldt, v. la Valette St. George und Helman es ebenfalls als selbstverständlich gefunden, dass die Spermatozoiden sich von Anfang an innerhalb der Spermato- blasten entwiekeln und die Gegner, wie Sertoli, Merkel, Henle, welche für das Hervorgehen der Spermatozoiden aus einzelnen Samenzellen Kölliker’s eintraten, sahen sich genöthigt, die Existenz der Spermatoblasten als einheitliche Elementartheile höherer Ordnung in Abrede zu stellen und zu behaupten, jeder so- genannte Spermatoblast bestehe aus einer wandständigen Stützzelle und einem Haufen von Spermatozoidenanlagen, welche, ohne irgend welche Verbindung mit der Stützzelle, in Gruben oder Taschen derselben eingelagert seien. Diese Auffassung konnte aber dess- wegen nicht befriedigen, weil sie offenbar den Thatsachen Gewalt anthat, obwohl auf der andern Seite nicht zu leugnen, und schon an mehreren Stellen meiner ersten Schrift betont worden war, dass un die Zeit, wo die kernähnlichen Anlagen der Samenfadenköpfe in den lappenartigen, centralen Enden der Spermatoblasten er- scheinen, diese Lappen, wenn abgerissen, nicht von den benach- barten, freien, glattkernigen, runden Hodenzellen zu unterscheiden seien, welehe zur Zeit der Bildung der neuen Spermatozoiden ver- schwinden. Die Lösung, welche ich dem Problem in meiner ersten Arbeit zu geben versuchte, war die Annahme einer freien, endo- genen Bildung der kernartigen Anlagen der Spermatozoidenköpfe 252 V. v. Ebner: im Protoplasma der Spermatoblasten. Obwohl dort, wo der Sper- matoblast an der Wand des Samenkanälchens aufsass, fast stets ein Kern gesehen werden konnte, so wollte es doch nicht gelingen, an demselben irgend eine auf Vermehrung deutende Erscheinung aufzufinden. Das Einzige, was ich sah, war da und dort ein Em- porrücken des Spermatoblasten-Fusskernes über die Wandschicht mit gleichzeitiger radiärer Verlängerung desselben. Es wurde nicht unterlassen, an Isvulations- und Schnittpräparaten alle Stadien der Entwieklung speziell auf diese stets durch ihr deutliches Kern- körperchen ausgezeichneten Kerne zu untersuchen. Da aber — wie gesagt — erfolglos nach Theilungsphänomenen gesucht worden war, so blieb nichts übrig, als diesen Spermatoblasten-Fusskern als gänzlich unbetheiligt bei der Bildung der Köpfe der Sperma- tozoiden zu betrachten und mithin für diese eine Art freier Kern- bildung anzunehmen, was zur damaligen Zeit ja im Einklange mit den herrschenden Ansichten über Kernbildung war; heut zu Tage aber nur mehr zugegeben werden könnte, wenn jede andere Mög- lichkeit einer Erklärung ausgeschlossen wäre. In der That hat nun v. la Valette St. George versucht den Fusskernen der Spermatoblasten die Funktion zuzuschreiben, durch Theilung die Anlagen für die Köpfe der Spermatozoön zu liefern, wesshalb v. la Valette St. George die Zellen meines Keimnetzes, welche mit den ästigen Zellen Sertoli’s und mit den Stützzellen Mer- kel’s identisch sind, als Spermatogonien bezeichnet. Man sucht aber bei v. la Valette St. George vergeblich nach überzeugen- den Thatsachen, welche diese Annahme begründen könnten. Es schien nun vor Allem wichtig, mit Hülfe des Flemming'schen Gemisches, die Theilungsvorgänge an den Zellen der Samenkanäl- chen zu verfolgen und insbesondere auch die Kerne der sogenannten Spermatogonien von v. la Valette St. George daraufhin genau anzusehen. Zugleich schien es mir aber von Interesse zu sein, Aufklärung darüber zu gewinnen, was es mit den tingirbaren Körn- chen für eine Bewandtniss habe, welche ich bei meinen ersten Untersuchungen als erste Spuren der Anlage der Spermatozoiden- köpfe deuten zu können geglaubt hatte. Unter Einem mussten sich hierbei Erfahrungen über die in den Spermatoblasten über- haupt vorkommenden Körnchenbildungen ergeben. Es musste end- lich die für die Conservirung der Kerntheilungsfiguren vortreffliche Härtungsmethode in Flemming’s Gemische, verbunden mit der Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 253 verbesserten Schnitttechnik, eine Prüfung der Annahme erlauben, ob in der That — wofür die Mehrzahl der neueren Arbeiten spricht — die Kerne der Samenzellen Kölliker’s die Anlage für die Köpfe der Samenfäden bilden und endlich musste — wenig- stens theilweise — erklärlich werden, wie es möglich war, dass Biondi an Präparaten aus Flemming’s Gemisch nicht nur die Spermatoblasten leugnen, sondern auch die charakteristischen Kerne der Sertoli’chen Zellen, welche sonst keinem neueren Beobachter entgangen sind, mit den Kernen der Zellen der Wandschicht zu- sammen werfen konnte. III. Zeigen die Fusskerne der Spermatoblasten, beziehungsweise der Sertoli’schen Zellen, oder die Spermatogonien von v. la Va- lette St. George Theilungserscheinungen ? Da in meiner ersten Abhandlung das Verhalten des von mir sogenannten Keimnetzes, welches den Spermatoblasten als Basis dient, nicht richtig geschildert wurde, müssen vorher einige mor- phologische Einzelheiten erörtert werden. Das, was Sertoli zu- erst beim Menschen als cellule ramificate beschrieb, glaubte ich bei der Ratte in Form eines diekbalkigen Netzes von Zellen mit körnigem Plasma, in dessen Knotenpunkten Kerne mit deutlichen, einfachen Kernkörperchen eingelagert sind, wieder zu finden. In diesem Syneytium, das ich als Keimnetz bezeichnete, sollten die Spermatoblasten wurzeln und ich liess es dahin gestellt, ob die Spermatoblasten immer gerade von einem kernhaltigen Knoten- punkte des Netzes ausgehen, da ich an Schnitten auch Spermato- blasten anscheinend radiär getroffen sah, an deren Basis kein Kern zu sehen war. Diese Darstellung wurde dann von Neumann!), Balbiani?) und Sertoli°) dahin berichtigt, dass es sich nicht um ein Netz, nieht um ein Syneytium, sondern um ein System von deutlich von einander abgegrenzten, kernhaltigen Zellen handle, deren jede einen Fortsatz nach dem Lumen des Samenkanälchens aussendet, der eventuell eine Gruppe von Spermatozoiden oder von Entwicklungsformen von solchen trägt. Neumann hat vorge- 1) Dieses Arch. Bd. XI. 2) Journ. de Mierographie, T. I, 1577, p. 280, 3 rl 354 V.v. Ebner: schlagen jede solche Zelle einen Spermatoblasten zu nennen, wäh- rend ich den Namen Spermatoblast nur auf jene Fortsätze meines vermeintlichen Keinmetzes angewendet wissen wollte, welche that- sächlich Entwicklungsstadien von Spermatozoiden enthalten. Diese Vorsieht war, wie die Dinge heute liegen, wohl gerechtfertigt. Doch schliesse ich mich der Neumann’schen Begriffstassung — nachdem das Keimnetz als Netz nicht mehr aufrecht erhalten wer- den kann — in so weit an, als ich nun die kernhaltige Zellen- platte, in welcher der Stiel des Spermatoblasten wurzelt, zu diesem hinzurechne und den Kern in dieser Platte mit Neumann als Fusskern bezeichne. Doch können natürlich Sertoli'sche Zellen, welehe noch keine Verbindung mit Samenzellen eingegangen haben und daher. nieht Bildungsstätten von Samenfäden sind, nicht als Spermatoblasten bezeichnet werden. Dadurch unterscheidet sich meine Begriffsfassung von jener Neumann’s und stellt so nur eine dureh die Auflösung des früher angenommenen Syneytiums in einzelne Zellen sich emptehlende Modification der ursprünglichen Fassung dar. Von der Richtigkeit der Angaben Neumann’s über die deutliche Abgrenzung der einzelnen Zellen des sog. Keimnetzes, das ich hiermit fallen lasse, habe ich mich vollkommen überzeugt. Mein früherer Irrthum erklärt sich durch die Anwesenheit zahl- zeicher, nischenartiger Eindrücke, wohl auch wirklicher Lücken an den Fussplatten der Sertoli’schen Zellen, welche von den Zellen der Wandschicht herrühren und dadurch die Grenzen der Sertoli- schen Zellen häufig so schwer wahrnehmbar machen, dass ich dieselben übersehen habe (vergl. Fig. 14, 15 und 16, Taf. XV). Um nun die Veränderungen zu studiren, welche die Fuss- kerne der Spermatoblasten, beziehungsweise der Sertoli’schen Zellen, während der Spermatogenese erleiden, wurden Hunderte von Sechnittpräparaten von in Flemming’scher Flüssigkeit ge- härteten Rattenhoden durchgesehen und darauf geachtet, dass alle Entwicklungsphasen möglichst gleichmässig berücksichtigt wurden. Bei Betrachtung solcher Schnittpräparate fällt im Vergleiche zu jenen aus Müller’scher Flüssigkeit zunächst auf, dass die ganze Wandschicht der Samenkanälchen, also die Fussplatten der Ser- toli'schen Zellen sammt den dazwischen liegenden freien Zellen, sehr stark geschrumpft ist und zugleich so dicht der Membrana propria anliegt, dass man letztere oft nur schwer als gesonderte Schieht unterscheiden kann. Ausserdem gelingt es nur seiten die Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 255 Zellkerne der Membrana propria, die an tingirten Schnitten von in Müller’scher Flüssigkeit gebärteten Präparaten sehr deutlich hervor- treten, wahrzunehmen. Auch treten die Kerne derSertoli’schen Zellen unter den anders beschaffenen Kernen der Zellen der Wandschicht viel weniger deutlich hervor und es kann daher einem Beobachter, der seinen Bliek nicht dureh das Studium anderer Präparate geschärft hat, bei ausschliesslicher Betrachtung von mit Flemm ing’s Gemisch behandelten Objeeten viel Wesentliches entgehen. Hat man jedoch mit Saffranin oder Hämatoxylin gut tingirte Präparate, so wird man bald erkennen, dass — wenn auch undeutlicher — im We- sentlichen dieselben Elemente zu sehen sind, wie sie von mir und noch genauer von Sertoli an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit und von H. Brown an Alkoholpräparaten beschrieben sind. In der That hat auch Benda bereits an Präparaten aus Flemming’s Gemisch die Beschaffenheit der Wandschicht wesent- lich in derselben Weise aufgefasst, wie die genannten Autoren. Was nun den Unterschied der Kerne der Sertoli’schen Zellen, beziehungsweise der Spermatoblasten von den zwischen denselben liegenden Kernen betrifft, so sind diese ersteren Kerne ausge- zeichnet durch einen verhältnissmässig scharfen, relativ dicken Contour (Kernmembran), durch ein chromatinarmes, zartes Kern- gerüst, so dass die Kerne in Folge dessen auch an Tinetionsprä- paraten sehr blass erscheinen und endlich ein circa. 2—3 u im Durehmesser haltendes, in Saffranin und Hämatoxylin sich gut färbendes, stets einfaches Kernkörperchen. Die Grösse der Kerne lässt sich schwer angeben, weil sie von sehr mannigfaltiger, häufig eckiger Form sind und im Vergleich zu anderen Präparaten nicht selten wie gedrückt und künstlich deformirt erscheinen. Die ge- schilderte Beschaffenheit kommt den genannten Kernen in allen Samenkanälchen zu; mögen dieselben was immer für Entwicklungs- stadien enthalten. Unterschiede finden sich nur in Bezug auf Form und Lage der Kerne. Auffallend sind in dieser Beziehung die Kerne der Sertoli’schen Zellen in dem Stadium, in welchem reife, abgestossene Spermatozoiden im Lumen der Samenkanälchen zu finden sind und in den folgenden Stadien, welche ich früher mit VII, VIII und I bezeichnete und welche Benda mit V, I und II benennt, also in den Stadien von der Ausstossung der reifen Sper- matozoiden bis zur Bildung neuer Spermatoblasten. Während dieser Stadien sieht man viele, aber durchaus nicht alle Kerne der Ser- 256 V.v. Ebner: toli'schen Zellen stark über die Wandschicht erhoben und im Stiel, mit starker Verlängerung in radiärer Richtung (bis zu 20 u) eelagert (vergl. Fig. 3, Taf. XV). Allein man sieht an diesen Kernen ebenso wenig, ais an den anders gelagerten irgend eine Spur einer direkten oder indirekten Theilung. Die Figuren 1—12, Taf. XV zeigen das Verhalten der Kerne in allen wesentlichen Stadien der Samenentwicklung in mit der Camera lueida ange- fertigten Zeichnungen, welche möglichst den Originalen entsprechen. Es ergiebt sich also, dass die Fusskerne der Spermatoblasten stets erhalten bleiben und, im funktionirenden Rattenhoden wenigstens, in keinem Stadium der Spermatogenese irgend welche Theilungs- phänomene erkennen lassen. Daraus folgere ich wie früher, dass die Sertoli’schen Zellen (Keimnetz) im Ganzen perennirende Ge- bilde sind und befinde mich hierin in vollkommener Uebereinstim- mung mit Merkel, Sertoli, Renson, Swaen und Masquelin, H. Brown, Laulanie und Fürst. Es hat sich also der durch die Untersuchung von Schnitten und Isolationspräparaten, die mit Müller’scher Flüssigkeit behandelt waren, gewonnene Befund durch die Untersuchung mit Hülfe der Flemming’schen Lösung bestätigen und sichern lassen. Schwer verständlich bleibt mir, wie Benda, der bei seinen Untersuchungen dieselben Resultate erhielt, es für unwahrscheinlich erklären kann, „dass ein eiserner Bestand an Fusszellen (Sertoli’sche Zellen) für die ganze Funktionsdauer im Hodenkanälehen vorhanden sein sollte“. Denn selbst wenn, wie Benda angibt, bei der Ausstossung der Spermatozoiden „Füsse“ zu Grunde gehen, so bleiben trotzdem die kernhaltigen Fussplatten erhalten, welche ja in allen Stadien der Entwicklung, wie bereits Sertoli zeigte, nach Art eines polygonalen Epitheles der Wand der Samenkanälchen aufsitzen. Wir werden später eingehender auf die Erscheinungen zurückkommen, welche einen regen Stoff- wechsel in den Sertoli’schen Zellen beziehungsweise den Sper- matoblasten während der Spermatogenese zweifellos erkennen lassen, allein diess geschieht ohne eine Zerstörung der Kerne und Zellen und macht daher auch keine Neubildung nothwendig. Das einzige was Bedenken erregen könnte, ist der Umstand, dass in einem bestimmten Stadium der Spermatogenese mitotische Kerntheilungen in der Wandschicht der Samenkanälchen vorkommen. Da man nun einem in Karyokinese befindlichen Kerne an Schnitten nicht ansehen kann, ob er etwa nicht doch einer Sertoli’schen Zelle Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 257 angehöre, so wäre die Möglichkeit einer Vermehrung und Regene- ration nicht ausgeschlossen. Aber dagegen spricht entschieden der Umstand, dass gerade in dem Stadium, wo die mitotischen Kern- theilungen in der Wandschieht vorkommen, daneben überall die scharf charakterisirten Kerne der Sertoli’schen Zellen zu sehen sind. Zu einer ganz sichern Entscheidung der Frage, ob die in der Wandschicht vorkommenden Mitosen nicht etwa doch da und dort eine Sertoli’sche Zelle betreffen, sind die mit Flemming’s Gemisch behandelten Objecte leider nicht geeignet, weil sie die Her- stellung von guten Isolationspräparaten nicht gestatten. Allein die Thatsache, dass man an Flächenschnitten der Wandschicht an Präpa- raten aus Flemming’s Gemisch gerade an den kritischen Stellen, neben den mitotischen Kernen, in regelmässigen Abständen die ruhen- den Kerne der Sertoli’schen Zellen sieht, dass man ferner die poly- sonalen, kernhaltigen Fussplatten an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit, Drittelalkohol ete. durch Isolation in allen Stadien nachweisen kann mit überall sich gleich bleibendem Kernbaue, bietet wohl genügende Sicherheit für die Richtigkeit der Annahme, dass die Sertoli’schen Zellen während der ganzen Funktionsdauer des Hodens, perennirende, eigenartige Gebilde sind, und es liegt mithin auch kein Grund -vor im Sinne von v. la Valette St. George die Fussplatten der Sertoli’schen Zellen als Ursamen- zellen oder Spermatogonien zu betrachten, aus welchen durch wiederholte Kerntheilungen und weitere Umwandlungen die Samen- fäden hervorgehen sollen. Ebenso wenig erscheinen nach den mit- getheilten Befunden jene Darstellungen der Spermatogenese be- rechtigt, welche fortwährende Neubildungen von Fusskernen der Spermatoblasten annehmen oder Umwandlungen von Zellen der Wandschieht in Sertoli’schen Zellen zur Voraussetzung haben. (Helman, Meyer, Krause, Klein, Biondi.) IV. An welchen Zellen im Innern der Samenkanälchen sind Theilungserscheinungen zu beobachten ? Diese Frage lässt sich zweckmässiger Weise noch weiter specialisiren, indem einerseits das Vorkommen von sogenannten indirekten, mitotischen Kerntheilungen und anderseits auch die direkte Kerntheilung, ohne eigentliche Karyokinese mit einfacher Kernzersehnürung ins Auge gefasst wird. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 31, 17 958 V.v. Ebnet: a. Indirekte, mitotische Kerntheilungen. Dieselben sind wobl seit Klein von allen neuern Beobach- tern gesehen, und speciell bei der Ratte von H. Brown genauer beschrieben und abgebildet worden. Die eingehende Untersuchung des Vorkommens derselben an Präparaten aus Flemm ing’scher Flüssigkeit hat mir nun folgendes ergeben. Mitotische Kern- theilungen kommen erstens an den Zellen der Wandschicht vor. An Schnitten zeigen diese Zellen der Wandschicht an den ruhen- den Kernen ein im Vergleiche zu den Kernen der Sertoli’schen Zellen viel diekbalkigeres Kerngerüste, das insbesondere an der Oberfläche, an der sogenannten Kernmembran knotige Verdiekungen zeigt. Ein einfaches Kernkörperchen ist in solchen Zellen in der Regel nicht zu erkennen. Im Allgemeinen sind diese Zellen an Tinktionspräparaten wegen stärkerer Färbung ihres relativ groben Kerngerüstes viel leichter zu sehen als die blassen, abgesehen vom Kernkörperchen kaum Farbe aufnehmenden Kerne der Ser- toli’schen Zellen, und es kann namentlich in jenen Entwicklungs- phasen, wo diese Kerne gross und zahlreich sind, wie zur Zeit der Reifung und Abstossung der Spermatozoiden, leicht der An- schein entstehen, als fehlten die Kerne der Sertoli’schen Zellen ganz. Doch zeigt eine aufmerksame Beobachtung, dass dies keines- wegs der Fall ist. Die Kerne der freien Zellen der Wandschicht zeigen deutliche mitotische Kerntheilungen in ziemlich reicher Zahl gerade zu der Zeit, wo eine reife Spermatozo@ngeneration aus den Spermatoblasten sich abzulösen beginnt, also in jenem Stadium. das ich früher als VI. Entwieklungsstadium beschrieb. Dagegen konnte ich in keinem andern Stadium mitotische Kerntheilungen in der Wandschicht auffinden (vergl. Fig. 12 mit Fig. 1—11). Eine detaillirte Schilderung der Kerntheilungsbilder glaube ich unterlassen zu sollen, da dieselben wegen ihrer geringen Grösse weniger zu eingehenden Studien sich eignen; nur das möchte ich hervorheben, dass die verschiedenen Phasen der Mitose deutlich genug ausgeprägt sind, um allfällige Täuschungen auszuschliessen, welche durch das eigenthümliche Verhalten der Zellen der Wand- schicht während des Heranwachsens zu Henle’schen Zellen (gro- wing cells H.Brown’s) möglich wären. Die Kerne dieser letztern Zellen sind nämlich sehr lange in den Prophasen der Mitose, in- dem erst ein enggewundener, dann ein lockerer Knäuel, dessen Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 259 Fäden sich mit Saffranin und Hämatoxylin stark färben, sichtbar ist (vergl. Fig. 4—10 w, Fig. 11, 12h, Fig. 1—8h). Diess macht einigermaassen den grossen Vortheil illusorisch, den sonst die Prä- parate aus Flemming’s Gemisch, wenn sie gut gefärbt sind, dadurch bieten, dass die Kerntheilungen schon bei schwachen Ver- grösserungen sofort auffallen. Es muss daher stets mit starken Vergrösserungen gearbeitet werden, um die schon an den Zellen der Wandschicht während ihrer Umwandlung in Henle’sche Zellen langsam sich vorbereitenden Prophasen der Mitosen von den wirk- lichen Theilungen der Zellen der Wandschicht zu unterscheiden. Trotzdem glaube ich mich nicht zu täuschen, wenn ich in Ueber- einstimmung mit den Abbildungen H. Brown’s annehme, dass mitotische Kerntheilungen in der Wandschicht nur in dem ange- sebenen Stadium und in keinem andern vorkommen, also weder nach vollendeter Abstossung der Spermatozoiden, noch vor Be- sinn der Abstossung derselben. Was die Zahl der Kerntheilungen anbelangt, so ist dieselbe sehr verschieden. Manchmal findet man nur ganz vereinzelte Aster- und Tonnenfiguren zwischen anschei- nend ruhenden Kernen; an anderen Schnitten finden sich wieder häufigere, oft diehtgedrängte Mitosen. Doch habe ich niemals an dem ganzen Umfange eines Querschnittes oder auf längern Strecken eines Längsschnittes kontinuirlich die hier in Frage ste- henden Kerntheilungen gefunden. Ausser an den freien Zellen der Wandschicht kommen mi- totische Kerntheilungen nur noch an den Henle’schen Zellen vor. Auch diese Zellen theilen sich nur in einem ganz bestimmten Entwicklungsstadium, welches dem von mir früher als III. be- schriebenen entspricht. In dem Stadium, wo die Theilung beginnt, sind noch keine Samenzellen zu sehen, nach vollendeter Theilung sind diese als Produkte der Theilung an Stelle der grossen Henle’schen Zellen getreten (vgl. Fig. 7 u. 8 mit 10 u. 11). Dass die zur Theilung bestimmten Zellen, deren Endprodukte die Samenzellen sind, durch Heranwachsen von Zellen der Wand- schicht, die sich allmählich aus der Wandschicht nach einwärts schieben, hervorgehen, wie diess zuerst von Kölliker angenommen, von mir, dann von Sertoli an Schnitten genau verfolgt und von Renson, Swaen und Masquelin, H. Brown, Benda und Fürst bestätigt wurde, kann nach den Befunden über die Kern- theilungen nun nicht mehr zweifelhaft sein. Das eigenthümliche, 260 V.v. Ebner: schon von Klein hervorgehobene Verhalten der Kerne während der ganzen Periode ihres Wachsthums wurde schon erwähnt. Während der Ausbildung des lockeren Knäuels, dessen Fäden augenscheinlich fast ausschliesslich ganz oberflächlich an der Kern- membran liegen, ist fast immer ein durch seine Grösse ausge- zeichnetes, färbbares Korn, das ebenfalis der Kernmembran anliegt (Kernkörperchen), zu sehen. Später, je mehr man sich jenem Ab- schnitte der Samenkanälchen nähert, in welchem die Theilung endlich statthat, ist kein deutliches Kernkörperchen mehr zu sehen, dagegen bildet sich mehr und mehr das Rabl’sche Polfeld aus. Nachdem diese ersten Phasen offenbar sehr lange gedauert, leitet sich dann die eigentliche Theilung ziemlich rasch mit Bildung einer Kernspindel ein, deren achromatische Fäden sehr deutlich hervortreten, während die kurzen cehromatischen Fäden in Form einer äquatorialen Platte, beziehungsweise als Monaster angeordnet sind. Diese karyokinetische Figur ist auffallend häufig im Ver- gleiche zu conservirten Präparaten von anderen Organen, als dem Hoden. Ausser der erwähnten Phase der Mitose kommen auch alle andern zur Beobachtung. Nicht selten, wenn auch bei weitem nicht immer, sieht man sämmtliche neben einander befindliche Mi- tosen nahezu in derselben Phase. Ob die Mitosen im Säugethier- hoden dieselben Eigenthümlichkeiten zeigen, wie sie jüngst von Flemming!) an den Spermatoeyten von Salamandra eingehend beschrieben wurden, konnte nicht ermittelt werden. Die Conser- virung war offenbar eine ungenügende; insbesondere konnten die Längstheilungen der Fäden nicht verfolgt werden. Die Kernthei- lungen erfolgen schubweise auf kleine Strecken, deren Ausdehnung an Längsschnitten von Samenkanälchen etwa zwischen 0,18 bis 0,40 mm schwankt. Ausserdem sind die Theilungsschübe meist auf einen kleinen Theil des Umfanges der Samenkanälchen beschränkt, so dass man höchst selten an einem Querschnitte ringsum Mitosen findet. Die Theilungen erfolgen zweimal nach einander, wie man aus der Grösse der karyomitotischen Figuren und der daraus resultirenden Kerne mit Bestimmtheit schliessen kann (vergl. Fig. 8 und 9, Taf. XV). Die zwei sich folgenden Theilungsschübe erfolgen offenbar rasch nach einander, so dass sich zwischen erste und zweite Kern- 1) Dieses Archiv Bd. XXIX, 1887, p. 389. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 261 theilung nur ein kurz dauerndes Ruhestadium einschiebt. Dadurch wird die sonst für die Samenkanälchen der Ratte geltende Regel, dass die successiven Entwicklungsstadien einander im Längsver- laufe eines Kanälchens folgen, insofern alterirt, als häufig die Pro- dukte der zweiten Theilung unmittelbar an noch ungetheilte Kerne sich anschliessen, oder dass Gruppen von bereits getheilten Kernen zwischen noch ungetheilte sich einschieben. Man kann aber auch öfter ganz regelmässige Bilder in der Art beobachten, dass an die aus der ersten Karyomitose hervorgegangenen ruhenden Kerne sich eine Gruppe von in der zweiten Karyomitose befindlichen Kernen und an diese endlich wieder ruhende Kerne, welche aber bedeu- tend kleiner sind, als die aus der ersten Theilung hervorgegan- genen (Fig. 27 die Strecke f,g,h, i), sich anschliessen. Die aus der zweiten Karyomitose hervorgegangenen Kerne der Samenzellen wachsen nun rasch ein wenig an Umfang und bleiben dann als runde Kerne mit einem spärlichen sich nur äusserst schwach tin- girenden Kerngerüste durch viele Millimeter lange Kanalstrecken von ziemlich gleichmässigem Ansehen, bis endlich und dann zwar innerhalb einer kurzen Kanalstrecke von etwa einem Millimeter Länge, während der gleichzeitigen Copulation mit den Sertoli- schen Zellen die Umwandlung der Kerne in die Köpfe der Sper- matozoiden unverkennbar wird, ohne dass weitere Theilungs- phänomene sichtbar werden, worauf später noch eingegangen wer- den soll. j Ansser den geschilderten, in ganz gesetzmässiger Weise, wäh- rend bestimmter Entwicklungsstadien auftretenden Karyomitosen wurden keine anderen mitotischen Kerntheilungen im Innern der Samenkanälchen, trotz alles Suchens, gefunden. Indessen genügen die bezüglich der indirekten Kerntheilung festgestellten Thatsachen, um sich eine befriedigende Vorstellung über den genetischen Zu- sammenhang der in den Samenkanälchen vorkommenden Zellen zu bilden. Auf der einen Seite stünden, ohne genetischen Zu- sammenhang mit den übrigen Elementen, die Sertoli'schen Zellen, deren Kerne niemals Theilungserscheinungen zeigen und daher wohl während der ganzen Funktionsdauer des Hodens als bestän- dige Elemente fungiren; auf der anderen Seite Zellen, die trotz ihrer Mannigfaltigkeit in der Weise auseinander hervorgehen, dass die Zellen der Wandschicht durch Theilung sich vermehren, hierauf durch Wachsthum allmählich sich vergrössern und dabei aus der 262 V. v. Ebner: Wandschicht nach innen rücken, um dann nach zweimaliger Thei- lung eine Brut von Zellen zu bilden, die schliesslich aus ihren Kernen, nach der Copulation mit den Sertoli’schen Zellen, die Köpfe der Spermatozoiden bilden. Da ich bei meinen älteren Untersuchungen eine Theilung der Zellen der Wandschieht nicht eonstatiren konnte, wohl aber das Wachsen und Nacheinwärts- rücken derselben mit Bestimmtheit annehmen zu müssen glaubte, sah ich mich zu der Vermuthung veranlasst, die einwärts rücken- den Zellen fänden einen Ersatz durch von aussen eingewanderte Leukocyten. Dass ich heute, ganz abgesehen von den oben be- sprochenen, eine solche Vermuthung ganz überflüssig machenden Thatsachen dieselbe nicht mehr aufrecht erhalten würde, glaube ich kaum ausdrücklich hervorheben zu sollen. Zur Erklärung, wie ich früher zu einer solchen Vermuthung kam, möchte ich nur be- merken, dass man zu der Zeit, als meine erste Abhandlung ver- fasst wurde, den Leukocyten eine grosse Bedeutung für die Re- generation der Gewebe ziemlich allgemein zuschrieb, während man heut zu Tage in dieser Beziehung sehr skeptisch geworden ist. Dass übrigens zwischen den Endothelplatten der Membrana propria der Samenkanälchen bei der Ratte Leukoeyten vorkommen, wovon weiter unten noch die Rede sein soll, glaube ich noch heute. b. Direkte, amitotische Kerntheilungen. Ob in der Wandschicht der Samenkanälchen ausser Karyo- mitosen auch noch direkte Kerntheilungen vorkommen, wage ich nicht bestimmt in Abrede zu stellen. Bekanntlich werden gerade im Hoden direkte Kerntheilungen von mehreren neueren Autoren angenommen. So glauben v. la Valette St. George), Nuss- baum?) und Grünhagen an direkte Kernzerschnürungen bei Sper- matogonien der Amphibien und Carnoy?°) macht zahlreiche An- gaben über derartige Kerntheilungen an Hodenzellen bei Arthro- poden, insbesondere bei Oniscoiden und Decapoden. Meine Be- mühungen, am Hoden der Säugethiere über diesen Punkt völlig ins Klare zu kommen, sind gescheitert, da die Untersuchung über- lebender Objecte resultatlos blieb und die an fixirten Präparaten 1) Dieses Arch. XXV, 1885. 2) Ibid. XXIII, 1884. 3) La Cellule. Tom. I, fasc. II, 1885, Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 263 gemachten Wahrnehmungen zweideutig sind. Doch beziehen sich diese Zweifel nur auf gewisse Zellen, welehe zwischen den Endo- thelplatten der Membrana propria der Samenkanälehben sich finden (Fig. 17, 18, Taf. XVI) und auf die Zellen der Wandsehicht. Für die Zellen, welehe nach innen von der Wandschicht liegen, sowie für die Fusskerne der Spermatoblasten glaube ich eine direkte Kerntheilung mit voller Bestimmtheit in Abrede stellen zu können. Was nun zunächst die zwischen den Endothelplatten der Mem- brana propria befindlichen Zellen anbelangt, so lassen sich diese an Macerationspräparaten aus Müller’scher Flüssigkeit, an welchen man leicht grössere Strecken der Membrana propria vollständig isoliren kann, am besten wahrnehmen und sind dieselben bereits von Sertoli (l. e. p. 28) beschrieben und abgebildet worden. Die Zellen haben das Ansehen fixirter, amöboider Körper, ein körniges Plasma, das sich in die Lücken zwischen den Endothelzellen mit mannigfach gestalteten Fortsätzen hineinschmiegt. Die Vertheilung dieser Zellen ist eine ziemlich regellose. Die Kerne sind von sehr mannigfaltiger Gestalt und häufig eingebuchtet oder geradezu in Stücke zerschnürt und zeigen innerhalb der Kernmembran einen hellen Raum, der — in Folge der Wirkung der Müller’schen Flüssigkeit — ein zu einem Klumpen zusammen geschrumpftes Kerngerüste zeigt. An ungefärbten Präparaten lassen sich weder die Grenzen der Endothelzellen, noch die Plasmakörper dieser fraglichen Zellen deutlich erkennen; es treten nur die beiderlei Kerne gut hervor (Fig. 13). Hat man aber mit Eosin gefärbt, so lassen sich sowohl die Grenzen der Endothelzellen, als die zwischen denselben gelegenen Plasmakörper nebst Kernen deutlich wahr- nehmen (Fig. 17). An Präparaten, die mit starkem Alkohol gehärtet sind, lässt sich die Membrana propria nur schwer und stets nur auf kleine Strecken isoliren. Die Kernformen der fraglichen Zellen sind aber ganz Ähnlich, wie in Müller’scher Flüssigkeit. An Alkoholpräpa- raten färben sich diese Kerne diffus in Hämatoxylin und viel stärker, als die Kerne der Membrana propria und es lässt sich in ihnen ein spärliches Chromatingerüst mit einzelnen Knoten in den Balken erkennen. Um die Mannigfaltigkeit dieser Kerne anschaulich zu machen, wurden einige auffallendere Formen derselben in Fig. 21 abge- bildet. Sertoli lässt die Frage offen, was diese Zellen zu be- 264 - VW. v. Ebner: deuten haben. Mir scheint es ziemlich sicher, dass dieselben Leu- kocyten sind, wie sie auch in anderen Endothelien und in Epithe- lien vorkommen. Form und Verhalten des Zellleibes, sowie der Kerne lassen sich ohne Schwierigkeiten dahin deuten. Ist diess aber richtig, dann haben diese Zellen wohl weiter keine Bedeutung für die Spermatogenese, da man aus theoretischen Gründen gegen- wärtig nieht daran denken kann, die Samenbildung auf Leukocyten zurück zu führen. Aber selbst, wenn man die Leukoeytennatur der besprochenen Zellen bezweifeln wollte, so könnte man trotz- dem kaum an eine Betheiligung dieser Zellen an der Spermato- genese denken, da sie, wie die Endothelzellen der Membrana pro- pria, der äusseren Seite einer dünnen, structurlosen Membran, die ich früher übersehen habe, aufliegen, auf deren innerer Seite erst der eigentliche Inhalt der Samenkanälehen und zwar zunächst die Fussplatten der Sertoli’schen Zellen und die Zellen der Wand- schicht aufsitzen. Ich glaubte daher ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob die zwischen den Endothelplatten liegenden Zellen sich direkt theilen, unterlassen zu dürfen. Es fragt sich nun noch, ob etwa die Zellen der Wandschicht Bilder direkter Kerntheilung zeigen? Wie bereits Sertoli hervor- hebt, zeigen zu der Zeit, wo die reifen Spermatozoiden sich ab- stossen, die Zellen der Wandschieht eine Anordnung, welche für Zellvermehrung spricht. Man sieht die Zellen in kettenartigen Reihen, ferner zweikernige Zellen mit einer Einschnürung und Zellen mit zwei, wie durch eine zarte Scheidewand getrennten Kernen (Fig. 16 w). Solche Bilder werden an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit gesehen und können möglicher Weise auf direkte Kerntheilungen zurückgeführt werden. Wahrscheinlich handelt es sich aber um Zellen, die sich auf indirektem Wege ge- theilt haben, da ja bereits nachgewiesen wurde, dass gerade um die Zeit der Abstossung der Spermatozoiden eine karyomitotische Kerntheilung in der Wandschicht vorkommt. Man kann sich leicht überzeugen, dass auch die grossen Henle’schen Zellen, welche dem Stadium der mitotischen Theilung entsprechen, an Präparaten aus Müller’'scher Flüssigkeit zum Theil zweikernige Zellen mit Einschnürung zum Theil auch Zellen darstellen mit zwei nur durch eine zarte Scheidewand getrennten Kernen (vergl. Fig. 13). Auf- fallend ist dabei, dass diese mitotischen Kerne fast immer wie Vacuolen aussehen, an welchen nur ein Kerncontour vorhanden ist, Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 265 während jede Spur von Fäden fehlt. Diess ist an den Zellen der Wandschicht nicht in dem Maasse der Fall, obwohl auch hier das Kerngerüste oft sehr undeutlich ist. Das einzige was dieser Deu- tung der zweikernigen Zellen der Wandschicht in Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit als schlecht eonservirte — respective als solche unkenntlich gewordene — Mitosen im Wege steht, ist der Umstand, dass solche Mitosen nur zur Zeit der Abstossung der Spermatozoiden nachzuweisen sind, während diese zweikernigen Zellen auch noch im Stadium nach der Abstossung der Spermato- zoiden an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit sich auffinden lassen. Leider lässt sich die Wandschicht gerade an Präparaten aus Flemming’s Gemisch nur schwer genau untersuchen, wie bereits mehrmals angedeutet wurde. Es wäre daher auch möglich, dass Mitosen übersehen wurden. Aber selbst, wenn diess nicht der Fall ist, wäre es immerhin noch fraglich, ob die zweikernigen, eingeschnürten Zellen ete. auf amitotische Kern- und Zelltheilungen zu beziehen seien. Denn offenbar laufen bei der mitotischen Thei- lung der Kerne der Wandschicht die Anaphasen sehr langsam ab, weil man an den Präparaten aus Flemming’scher Lösung in dem Entwicklungsstadium, in welchem die Samenfäden bereits vollstän- dig abgestossen sind, die Kerne der Zellen der Wandschicht noch häufig im Stadium eiues lockeren Knäuels antrifft, der erst all- mählich in die ruhende Form übergeht. Es ist daher das Vor- kommen von zweikernigen Zellen und von Kernen die nur durch eine dünne Scheidewand getrennt sind, an den Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit auf den langsamen Ablauf der mitoti- schen Kerntheilung wohl mit umso grösserer Berechtigung zurück- zuführen, als wirklich eingeschnürte oder bisquitförmige Kerne auch an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit nicht beobachtet wurden. Nach alledem ist das Vorkommen einer direkten Thei- lung an den Zellen der Wandschicht zum mindesten sehr unwahr- scheinlich. 266 V. v. Ebner: V. Die körnigen Ausscheidungen der Spermatoblasten, Re- sorption des Fettes durch die Sertoli’schen Zellen, Zustande- kommen der Spermatoblasten, Stoffwanderung, muthmassliche physiologische Bedeutung der Spermatoblasten. Bereits in meiner alten Abhandlung findet sich die Bemer- kung, dass das Keimnetz (Sertolische Zellen) Körnchen und grosse, glänzende Körner in seinem Plasma enthalte, welche sich in verdünnter Natronlauge, nicht aber in Essigsäure lösen und dass zur Zeit der Ausbildung der Spermatozoön das Keimnetz weniger körnerreich und von geringerer Dicke erscheine (l. e. p. 22 u. 23). Wohl keinem Beobachter sind später diese Körner ent- gangen. Neumann (l. e. p. 307) erklärt dieselben zuerst als Fett, weil sie in Osmiumsäure sich schwarz färben, und ausserdem in Natronlauge sich lösen und im frischen Zustande fettartig glänzen. Sertoli (l. e. p. 18) bezeichnet die Körnehen im peripherischen Abschnitte seiner verästigten Zellen einfach als Fetttröpfehen und constatirt die wichtige Thatsache, dass diese Tröpfchen zur Zeit der vollen Ausbildung der Spermatozoen vollständig verschwinden, woraus folge, dass diese Zellen nicht ausschliesslich nur eine me- chanische Bedeutung haben. H. Brown hebt hervor, dass zu der Zeit, wo die jungen Spermatozoön sich mit den Sertoli’schen Zellen verbinden, um die Kerne der letzteren grosse Kugeln zu finden seien, die sich in Osmium schwarz färben, aber auch mit Gentianaviolett sich tingiren, und daher nicht einfach aus Fett bestehen!). Mit Schäfer glaubt Brown, dass diese Kugeln zum Theil den Zweek des Ernährens einer neuen Spermatozoöngruppe haben, wenn auch die stützende Funktion der Sertoli’schen Zellen die Hauptsache sei. Brown beschreibt ferner, wie bei der Aus- bildung der Spermatozo@n das Protoplasma der Samenzellen sich zu einem Klumpen gruppirt, der Fettkügelchen und den Neben- kern enthält und wie dieser Klumpen dann als eine körnige Kugel abgestossen wird, ein Process, der der Ausstossung der Polbläschen des Eies verglichen wird. Diese letzteren Angaben von der Abstossung Fettkörnchen enthaltender Kugeln mögen nun zunächst erörtert werden. 1) Diese Schlussfolgerung scheint mir übrigens nicht stichhaltig zu sein, da sich ja auch Fett tingiren lässt. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 267 Zur Zeit der Reifung der Samenfäden sieht man die Protoplasma- lappen, welche jedem derselben anhängen, ein immer stärker kör- niges Ansehen gewinnen und an Präparaten aus Flemming’s Ge- misch bräunen sich diese Lappen erst mehr diffus, später aber färben sich deutlich einzelne Körnehen schwarz, welche erst zahlreich und klein (Fig. 10), später aber weniger zahlreich aber grösser und tiefschwarz erscheinen (Fig. 11). Daneben sind aber immer noch sehr kleine Körnehen zu sehen, welche zum Theil schwarz, zum Theil farblos sind. Die farblosen Körner färben sich dureh Saffranin und andere Kernfärbemittel ziemlich lebhaft. Zur Zeit der Reife der Spermatozoön nehmen auch diese tingirbaren Körn- chen, wie ich die letzteren im Gegensatze zu den in Osmium färb- baren Fetttröpfehen nennen will, an Grösse zu und färben sich dann mit Saffranin sehr intensiv. Dass Beziehungen zwischen diesen tingirbaren Körnern und den Nebenkernen der Samenzellen bestehen, muss ich sehr bezweifeln, obwohl die Nebenkerne gerade an Präparaten aus Flemming’s Gemisch nur schwer verfolgt wer- den können. Abgesehen davon, dass die eigentlichen Nebenkerne sich so gut wie gar nicht färben, können die tingirbaren Körner schon desswegen nicht leicht von ausgestossenen Nebenkernen ab- stammen, weil sie nachweislich zuerst als sehr kleine, in jedem Lappen eines Spermatoblasten in grösserer Zahi vorfindliehe Körn- chen auftreten, die später entschieden an Umfang zunehmen. Ich stelle mich auf Seite derjenigen, welche aus dem Nebenkern die Kopfkappe des Spermatozoids hervorgehen lassen und kann daher eine Ausstossung desselben nicht annehmen. Ich kann aber auch nicht Fürst beistimmen, der die tingirbaren Körner als direkt ab- gestossene chromatische Substanz der Kerne der Samenzellen an- sieht, weil — bei der Ratte wenigstens — die tingirbaren Körner in den Lappen der Spermatoblasten erst zu einer Zeit sichtbar werden, wo der Kopf des Spermatozoids schon nahezu seine defi- nitive Form hat. Die Fettkörnehen in den Lappen der Spermatoblasten und die abgestossenen Plasmakugeln mit den Körnchen im Innern lassen sich leicht auch an frischen Isolationspräparaten beobachten (Fig. 19 und Fig. 24). An Schnitten von Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit sieht man, namentlich nach Harzeinschluss, von den ge- schilderten Kugeln und Körnchen nur sehr wenig; dagegen treten in vielen Schnitten andere Kugeln von fast homegenem Aussehen, 268 V.v. Ebner: welche zum Theil deutlich mit freien Samenzellen zusammenhängen, hervor, welche ich früher fälschlich als Untergangsbilder der Köl- liker’schen Samenzellen deutete. Ich zweifle nun nicht mehr, dass diese sogenannten Eiweisskugeln nur einer stark verändernden Einwirkung der Härtungsflüssigkeit auf die Samenzellen ihre Ent- stehung verdanken, wie Sertoli betont, und dass sie keineswegs einen normalen Auflösungsprocess der Samenzellen darstellen, so verführerisch auch die Bilder aussehen. Denn an Präparaten aus Flemming’s Gemisch sieht man keine Spur von diesen mit Samen- zellen zusammenhängenden Eiweisskugeln. Was nun das weitere Schicksal der besprochenen Fetttröpf- chen und tingirbaren Körnchen betrifft, so liegen dieselben zu- nächst zwischen den Köpfen der abgestossenen Spermatozoen (Fig. 1, 29 u. 25a), später aber bilden dieselben eine Zone zwischen den ins Centrum der Kanälchen gelangten Spermatozoön und zwischen den nach aussen von ihnen liegenden Samenzellen (Fig. 2,25 b). Aus welchen mechanischen Gründen diese Körnchen an der genannten Stelle liegen bleiben, während die Spermatozoön nach einwärts geschoben werden, ist schwer zu sagen. Thatsache ist, dass die in Rede stehenden Körnchen auch nach der völligen Abstossung und Entfernung der Samenfäden noch an der früheren Stelle zu sehen sind!), dann aber bald unter sehr auffälligen Erschei- nungen verschwinden, welche jetzt näher ins Auge gefasst werden sollen. Wie aus meinen älteren Untersuchungen, sowie aus jenen Sertoli’s und seiner Nachfolger bekannt ist, lassen sich die gegen das eentrale Lumen gerichteten Fortsätze der Sertoli’schen Zellen an mit Müller’scher Flüssigkeit ete. behandelten Präparaten zu der Zeit, wo die reifen Spermatozoön abgestossen sind, als fädig zerschlitzte oder mannigfach ausgebuchtete Protoplasmamassen isoliren. An Schnitten von mit Flemming’s Gemisch behandelten Objeeten sind diese Fortsätze nur schwer zu sehen; doch kann man sich — insbesondere wenn man sehr dünne Schnitte an Stellen untersucht, welche genau in der Richtung der Fortsätze geführt 1) Ausnahmsweise sieht man allerdings auch zwischen den völlig ab- gestossenen Spermatozoön im Lumen der Samenkanälchen Fetttröpfchen; doch ist dieser Befund kaum häufiger, als jener von abgestossenen Samen- zellen. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 269 sind — von deren Anwesenheit überzeugen. Die Fussplatte der Sertoli’schen Zelle ist zur Zeit, nachdem die reifen Spermato- zoiden abgestossen sind, längst frei von allen groben Körnern und keine einzige durch Osmium geschwärzte Kugel ist in derselben zu bemerken (Fig. 11, 12, 1, 2, Fig. 29, 25, 26 c). Das spärliche Protoplasma um den Kern hat eine netzartige Structur. Von der kernhaltigen Basis der Fussplatte erhebt sich der schmale, zwischen den dicht aneinander gedrängten, gequollenen Samenzellen schwer sichtbare, central gerichtete Stiel, welcher ein längsstreifiges An- sehen zeigt. Diese Längsstreifung rührt von einigen stärker glänzenden, feinen, radiär gestreckten Bälkchen her, welche aus der Netzstruetur der Fussplatte nach einwärts sich fort- setzen. Nach innen verliert der Stiel der Sertoli’schen Zelle sich in der aus Fetttröpfehen und tingirbaren Körnern beste- henden Masse, ohne dass sich bestimmt erkennen liesse, ob die zerschlitzten Enden der Sertoli’schen Zellen mit diesen Kör- nern, beziehungsweise den sie enthaltenden Kugeln zusammen- hängen oder nicht. Verfolgt man nun an gelungenen Schnitten, welche Samenkanälchen auf grössere Strecken der Länge nach ge- troffen haben, das Verhalten dieser Fortsätze, so findet man un- schwer Stellen, an welchen Folgendes zu sehen ist (Fig. 26). Auf eine Strecke, an welcher die abgestossenen Samenfäden bereits verschwunden sind oder im Centrum des Kanälchens liegen und welche das eben geschilderte Ansehen hat (Fig. 25, 26), folgt eine Strecke, an welcher auch die genannten Körner verschwunden sind, während nun zugleich die Fussplatten der Sertoli’schen Zellen dieht mit kleinen und vielen grossen, bis zu Su im Durch- messer haltenden Fetttropfen infiltrirt erscheinen (Fig. 26 e). Dass neben den Fetttropfen die Fussplatten auch tingirbare Körner ent- halten, ist wegen der zahlreichen Kerne der Wandschicht schwerer mit Sicherheit festzustellen; doch glaube ich mich bestimmt davon überzeugt zu haben. Zwischen die beiden so auffällig verschie- denen Kanalstrecken schiebt sich nun eine kurze etwa 0,1 mm lange Uebergangsstrecke (Fig. 26 d) ein, innerhalb welcher man augenscheinlich die tingirbaren Körner und Fetttropfen auf der Wanderung vom Centrum der Samenkanälchen zu den peripheren Fussplatten der Sertoli’schen Zellen, mitten in den centralen Fortsätzen der letzteren gelegen findet (vergl. auch Fig. 3 und 4, wo eine Sertoli’sche Zelle in diesem Stadium bei stärkerer Ver- 970 V. v. Ebner: srösserung abgebildet ist). Solche Sertoli’sche Zellen nun, welche in ihren centralen Fortsätzen tingirbare Körner auf der Wan- derung nach aussen enthalten, sind es ohne Zweifel, welche mich früher bezüglich der ersten Anlage der Spermatozoidenköpfe täuschten. Da so beschaffene Sertoli’sche Zellen nur zur Zeit der Bildung der Spermatoblasten vorkommen, glaubte ich in den tingirbaren Körnern die ersten Spuren der Spermatozoönköpfe vor mir zu haben, wie ich sie in Fig. 11 meiner ersten Abhandlung abgebildet habe; eine begreifliche Täuschung, wenn man bedenkt, dass man damals von Kernbildung und Kernstructur noch sehr wenig wusste und dass ausserdem damals gelungene Längsschnitte von Samenkanälchen ‚mit gut erhaltenen Körnchen nicht zur Ver- fügung standen. Was nun die Bildung der Spermotoblasten anlangt, so sehe ich an denselben Längssehnitten, welche diese Körnchenwanderung ergeben, Folgendes. Noch während der Körnchenwanderung, ja vielleicht schon etwas früher, rücken die Kerne der Samenzellen, deren Kernmembran durch Anlagerung und Abplattung des Neben- kerns sich scheinbar an einer Seite verdickt hat, mit dieser dickeren Seite aus der Mitte der Zelle gegen deren Peripherie und zwar so, dass die kernhaltige Seite der Zelle gegen die Wand des Samenkanälchens hinsieht. Zugleich hat man den Eindruck, dass die früher regelmässig über einander geschichteten Zellen (Biondi’s Generationssäulen) sich gegen die centralen Fortsätze der Sertoli- schen Zellen hinbewegen, weil die regelmässige Ordnung aufge- hoben wird und eine diehtere Gruppirung der Zellen um diese Fortsätze herum unverkennbar wird. Während dieses Vorganges vollzieht sich die Körnchenwanderung durch die Sertoli’schen Zellen (Fig. 3, 4, 5, Fig. 26). Alsbald wird nun eine Anlagerung der Zellen und, wie ich mit Benda annehme, eine Verschmelzung derselben mit den Fort- sätzen der Sertoli’schen Zellen vollzogen, während die Kerne der Samenzellen eine elliptische oder mehr unregelmässige Gestalt annehmen (Fig. 5), die alsbald in eine deutlich zugespitzte über- geht (Fig. 6). Damit ist der Spermatoblast fertig und zugleich die eigentliche Samenfadenbildung, die erst im Spermatoblasten statt- findet, eingeleitet. Alle die geschilderten Bilder lassen sich in der aufgezählten Reihenfolge an gelungenen Längsschnitten in einer Strecke von kaum mehr als Imm Länge neben einander im con- Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 271 tinuirlichen Uebergange sehen. Im Momente der Copulation (Fig. 5) der Samenzellen mit den Sertoli’schen Zellen sind die Sperma- toblasten noch wenig regelmässig, indem theils an verhältnissmässig langen Fortsätzen der Sertoli’chen Zellen Gruppen von Samen- zellen sich anheften, während andere seitlich am Hauptstamme der Sertoli’schen Zellen oft ziemlich nahe der Fussplatte derselben gefunden werden. Gleich daneben finden sich aber an den Längs- schnitten schon ganz regelmässig geformte Spermatoblasten mit be- reits deutlich zugespitzten Kernen der Samenzellen (Fig. 6). Es lässt diess wohl kaum eine andere Deutung zu, als dass aktive Vorgänge in der Sertoli’sche Zelle eine Hauptrolle bei der Bil- dung der Spermatoblasten spielen, wie bereits Benda auf Grund seiner Befunde ausführlich dargelegt hat. Die in einem Spermato- blasten vereinigten Spermatozoönanlagen befinden sich bei der Ratte stets ausnahmslos in einem und demselben Entwicklungs- stadium und wie seit meinen ersten Angaben, die durch Neumann, Sertoli, Renson, Swaen und Masquelin, H. Brown und Benda bestätigt sind, bekannt ist, rücken die stets mit ihrer Spitze peripheriewärts gerichteten Kopfanlagen allmählich von innen nach aussen (vergl. Fig. 10 und 11) und niemals kann man in einem Spermatoblasten in der Richtung des Radius von aussen nach einwärts suceessive ältere Entwicklungsstadien von Samen- fäden finden, was doch möglich sein müsste, wenn Biondi's Dar- stellung der Spermatogenese einigermaassen begreiflich erscheinen sollte. Diese Verschiebung der Spermatozoönköpfe lässt sich wohl nicht als ein rein passiver Vorgang, an welchem nur die Sperma- tozoiden selbst betheiligt sein sollen, erklären; er ist vielmehr wiederum auf eine aktive Betheiligung des ganzen Spermatoblasten, also auch desjenigen Theiles, der ursprünglich die Sertoli’'sche Zelle darstellte, zurückzuführen, auf eine Formänderung des ganzen Spermatoblasten in Folge des lebhaften Stoffwechsels, welcher während der Spermatozoönentwicklung stattfindet. Die wesent- liehste Stütze für diese Auffassung ergibt sich aus dem Verhalten der Fetttropfen in den Spermatoblasten. Wie aus den früher mit- getheilten Thatsachen hervorgeht, nehmen die Sertoli’schen Zellen kurz vor oder noch während der Spermatoblastbildung die Fett- tropfen und tingirbaren Körner in sich auf, welche von den Sper- matoblasten der vorhergehenden Generation gegen das Lumen der Samenkanälchen hin abgeschieden werden. Um die auffällige 972 V.v. Ebner: Thatsache zu erklären, dass während der Abstossung der Sperma- tozoön die Fetttropfen und tingirbaren Körner zwischen den Sper- matozoön liegen, später aber eine eigene Schichte bilden, welche zwischen den in der Axe des Samenkanälchens befindlichen Sper- matozoidenköpfen und den sogenannten Generationssäulen der Samenzellen gelegen ist (vergl. 25a und b), könnte man vielleicht die Annahme machen, dass wohl die Spermatozo@n vollständig ab- gestossen werden, während die Fetttröpfehen und tingirbaren Kör- ner, beziehungsweise die dieselben enthaltenden Plasmakugeln, durch Brücken mit den Sertoli’schen Zellen in Zusammenhang bleiben. Während oder kurz vor der Neubildung von Spermato- blasten müssten sich dann diese Brücken retrahiren und nun die Weiterschaffung der Fetttropfen und tingirbaren Körner in die Füsse der Spermatoblasten einleiten. Nimmt man diesen Zusammenhang nicht an — und es ist mir auch nicht gelungen denselben sicher zu stellen — so muss man sich vorstellen, dass die Sertoli’schen Zellen in ganz ähn- licher Weise auf die Fetttropfen und tingirbaren Körner anziehend wirken und dieselben mit ihrem Plasma zur Verschmelzung brin- gen, wie diess bezüglich der fast gleichzeitig stattfindenden Copu- lation der Spermatozoönanlagen angenommen werden muss. Unter allen Umständen müssen lebhafte, aktive Vorgänge in den Ser- toli’schen Zellen zur Zeit der Spermatoblastbildung vorausgesetzt werden. Mit diesen stehen wohl auch die sonderbaren Stellungs- und Formveränderungen der Fusskerne der Sertolischen Zellen in Zusammenhang, welche freilich — nach Benda — bei der Ratte, im Vergleiche mit anderen Säugethieren, fast als atypisch zu bezeichnen sind. Häufig sieht man in den Stadien unmittel- bar vor und während der Spermatoblastbildung die Fusskerne der Sertoli’sehen Zellen mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Wand der Samenkanälchen gestellt und oft nach Innen zugespitzt, ja mitunter weit von der Wand abgerückt und in den Stiel tief hineingetreten (Fig. 3‘). Doch ist ausdrücklich zu betonen, dass keineswegs alle Fusskerne einer bestimmten Kanälchenstrecke diese merkwäür- dige Lageveränderung zeigen; unmittelbar neben stark nach Innen gerückten Fusskernen liegen andere knapp an der Wand der Samenkanälehen und mit ihrer Längsaxe dieser parallel gestellt. Es ist nicht klar, was diese Aufrichtung der Keme zu bedeuten hat; doch möchte ich darauf hinweisen, dass analoge Vorgänge in Zur Spermotogenese bei den Säugethieren. 273 jüngster Zeit von G. Haberlandt!) an Pflanzenzellen, insbeson- dere an den gestielten Sternhaaren von Arabis albida beobachtet wurden, wo während der Entwieklung der Kern aus dem Stiel des Haares in den Mittelpunkt der Verzweigung wandert um später, nach Ausbildung des Haares, wieder in den Stiel zurück zu wandern. Haberlandt beschreibt diesen Vorgang mit einer ganzen Reihe anderer, analoger, die er unter den allgemeinen Gesichtspunkt bringt, dass der Kern als das formative Organ der Zelle, als Träger des Idioplasmas sich stets dorthin begebe, wo speecifische Leistungen zu vollbringen sind. Von thierischen Zellen sind durch Korschelt?) mehrere Beispiele namhaft gemacht, wo auffällige Formveränderungen von Kernen mit secretorischen Vorgängen sich in Zusammenhang bringen lassen. Es ist nicht zu verkennen, dass die Lage- und Formveränderungen der Fusskerne der Sertoli- schen Zellen zur Zeit der Spermatoblastbildung mit derartigen Thatsachen in Beziehung gebracht werden können. Das in den Fussplatten der Sertoli’schen Zellen auftretende Fett zeigt nach der Anlage der Spermatoblasten sehr grosse Fett- tropfen, welehe Durchmesser bis zu Sy erreichen. Diese sehr grossen Tropfen finden sich meistens erst dann, wenn die Sper- matozoidenköpfe bereits eine deutlich zugespitzte Form haben. Da einheitliche Tropfen von 8 u Grösse unter den, mit den reifen Spermatozoiden abgestossenen Fettkörnchen niemals vorkommen, so müssen diese grossen Tropfen entweder vollständige Neubil- dungen sein oder aber erst nach der Rückwanderung sich bedeu- tend vergrössert haben. Dass ein Theil des Fettes in der That in den Fussplatten neu entstehen muss, geht auch schon aus den Ueberlegungen über den Beginn der Spermatozoönbildung im Hoden überhaupt hervor. Die erste Spermatozoidengeneration, die über- haupt auftritt, kann ja keine Fettkörnchen in den Füssen der Sper- matoblasten enthalten, welche von einer früheren Spermatozoön- generation herrühren. Was nun das Verschwinden des Fettes aus den Füssen der Spermatoblasten anlangt, so findet dasselbe all- mählich mit der Ausbildung der Spermatozoön in der Weise statt, 1) Ber. der deutschen botan. Ges. 1337, Bd. V, Heft 5, p- 205 und „Ueber die Beziehungen zwischen Funktion und Lage des Zellkerns bei den Pflanzen“. Jena 1857. 9) Sitzb. der Ges. naturforsch. Freunde zu Berlin. Jahrg. 1587, p. 127. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 15 274 V. v. Ebner: dass die Fetttropfen weniger zahlreich und immer kleiner werden und endlich ganz verschwinden. In dem Maasse aber, als das Fett in den Füssen der Spermatoblasten abnimmt, findet eine mehr und mehr zunehmende Ausscheidung von Fett in den Lappen der Spermatoblasten statt, innerhalb welcher die einzelnen Spermato- zo@n sich entwickeln, indem erst eine diffuse Bräunung in Osmium- säure, dann ein Auftreten sehr feiner Fettkörnchen, die allmählich an Grösse zunehmen, nachgewiesen werden kann, wie bereits früher besprochen wurde. Dass nun dasselbe Fett, welches aus den Füssen der Spermatoblasten verschwindet, in den Lappen wieder ausgeschieden wird, kann freilich nieht zwingend bewiesen werden, da das Fett nicht geformt aus den Füssen in die Lappen wandert, wie diess bei der Rückwanderung der Fall ist, sondern als solches zuerst aus den Füssen verschwindet, also in eine lös- liche Form übergeführt wird — wohl um den sich ausbildenden Samenfäden zur Nahrung zu dienen — um erst in seinem nicht verbrauchten Antheile dann schliesslich wieder "geformt ausge- schieden zu werden. | Dass aber diese Auffassung der Dinge wohl die meiste Wahr- scheinlichkeit für sich hat, wird man angesichts der regelmässig wiederkehrenden Bilder, wie sie in Fig. 1—12 und Fig. 25—29 dargestellt sind, wohl zugeben. Es wurde hier nur von der Wan- derung, beziehungsweise dem Kreislaufe des Fettes innerhalb der Spermatoblasten gesprochen; es ist aber zu vermuthen, dass auch noch ändere Stoffe, deren Endprodukte die mit dem Fette in den Lappen der Spermatoblasten ausgeschiedenen tingirbaren Körner sind, eine ähnliche Wanderung wie das Fett durchmachen. Dass die tingirbaren Körner ausschliesslich nur von den ursprünglichen Samenzellen herrühren, scheint mir schon desshalb unwahrschein- lich, weil die tingirbaren Körner augenscheinlich zusammen mit dem Fett auftreten und mit diesem wieder in die Füsse der Ser- toli’schen Zellen wandern. Bemerkenswerth ist der parallele Gang, welcher zwischen der zunehmenden Tinetionsfähigkeit der Spermatozoidenköpfe und jener der tingirbaren Körner während der Entwicklung besteht. Während sich das Chromatin der Samenzellen und der Spermato-, zoiden in den ersten Entwicklungsstadien nur schwach in Saffranin färbt, nehmen die zur Abstossung reifen Spermatozoidenköpfe eine intensive, brillante Färbung an. Das gleiche ist bei den, mit den Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 275 Spermatozoön sieh abstossenden, tingirbaren Körnern der Fall, während noch zu der Zeit, wo sich die Hakenform des Spermato- zoidenkopfes schon deutlich zeigt, nichts von stark färbbaren Körnern in den Lappen der Spermatoblasten sich nachweisen lässt. Wenn daher die tingirbaren Körner im Sinne von Fürst auf ausgestos- senes Chromatin der Kerne zurückzuführen sein sollen, so müsste dieses abgestossene Chromatin ganz dieselben secundären Verän- derungen durchmachen, wie das Chromatin, das sich bei der Bil- dung des Samenfadenkopfes betheiligt. Mir scheint es aber wahr- scheinlicher, dass die tingirbaren Körner, ähnlich wie das Fett als das Endprodukt eines Ernährungsstromes zu betrachten seien, der von dem Fusse der Spermatoblasten zu den Spermatozoiden seht und in den Plasmaanhängen der letztern zu geformten Aus- scheidungen noch anderer Art, als Fett führt. Diese Auffassung scheint mir abgesehen von den bereits bei Besprechung der Fett- wanderung angeführten Thatsachen, noch speciell dadurch gerecht- fertigt, dass die tingirbare Substanz in den Plasmaanhängen der Spermatozoön bis zur Abstossung allmählich an Masse zunimnit. Der Vorgang der Körnchenwanderung lässt sich an mit Saf- franin gefärbten Schnitten in den Hauptzügen ganz gut feststellen. Färbung in Hämatoxylin (mit nachfolgender Säurebehandlung) gibt zwar sehr scharfe Kernfärbungen und der tingirbaren Körner; ist aber insofern schlecht, als das Schwarz der Fetttropfen sich nicht mehr deutlich darstellt. Vortrefflich lässt sich an Isolationsprä- paraten, welche von Samenkanälchen hergestellt werden, die längere Zeit in einer eirca zweiprocentigen Lösung von doppeltehromsaurem Ammoniak gelegen haben, das Verhalten der Fettkörner studiren. Färbt man ganze Samenkanälchen nach gehörigem Auswaschen in Wasser mit einer halbprocentigen, wässerigen Lösung von salpeter- sauren Rosanilin und wäscht dann längere Zeit in Wasser aus, so findet man die Fettkörnchen und nur diese intensiv roth ge- färbt, während Plasma, Kerne und Spermatozoön keine Spur von Färbung zeigen. An solchen Präparaten kann man sich erst mit voller Bestimmtheit überzeugen, dass das Fett nirgends in den freien Hodenzellen (Zellen der Wandschicht, Henle’sche Zellen, Samenzellen) vorkommt, sondern ausschliesslich nur in den Ser- toli’schen Zellen und den Spermatoblasten, in den lappenförmigen Anhängen der Spermatozoön und endlich in freien abgelösten sol- chen Lappen. 976 V.v. Ebner: Durch die mitgetheilten Thatsachen über das Fett ist, wenn wir auch die Frage über die Bedeutung der tingirbaren Körner noch offen lassen, wie ich glaube, ein sichtbarer Beweis für die während der Samenfadenentwicklung stattfindende Stoffwanderung in den Spermatoblasten und damit ein Fortschritt in der Erkennt- niss der physiologischen Bedeutung dieser Gebilde gegeben. Obwohl es nicht meine Absicht ist auf die specielle Entwick- lung der Samenfäden einzugehen, so glaube ich doch einen hieher gehörigen controversen Punkt berühren zu sollen, weil derselbe mit der von Benda und mir gemachten Annahme zusammenhängt, dass die eigentliche Entwicklung der Samenfäden erst mit der Bildung der Spermatoblasten beginnt. Denn wenn auch zu der Zeit, wo die Copulation der Samenzellen mit den Sertoli’schen Zellen eintritt, an den Kernen der ersteren schon vorbereitende Veränderungen zu sehen sind, welche die Umbildung derselben in die Köpfe der Spermatozoön einleiten und welche darin bestehen, dass der Nebenkern als eine kappenartige Verdickung des Kernes zu bemerken ist, während zugleich der Kern nach der Peripherie der Zelle rückt; so ist doch der Kern unmittelbar vor der Copu- lation noch als kreisrundes Gebilde mitten im Plasma der Zelle zu sehen und unterscheidet sich noch wenig von den Kernen jener Zellen, welche als Produkt der zweiten Theilung der Henle’schen Zellen entstanden sind. Erst nach der Bildung der Spermato- blasten treten sehr rasch die speeifischen Umformungen des Kernes auf, welche zur Bildung des Spermatozo@nkopfes führen. Wesent- lich gestützt wird diese Auffassung durch meine älteren Beobach- tungen an Hoden von Mäusen, welche noch keine Spermatozoön- bildung und keine Spermatoblasten erkennen liessen, obwohl Samen- zellen in Masse produeirt wurden, die jedoch keine Umwandlung in Spermatozoiden eingingen, sondern in den Nebenhoden abge- führt wurden. Diesen Anschauungen gegenüber steht nun die Behauptung verschiedener Autoren, dass die Schwänze der Spermatozoiden schon an den Samenzellen zu einer Zeit zu sehen seien, wo der kreis- runde Kern noch mitten in der Zelle liegt. Sertoli ({l. e. Taf. IV, Fig. 15) gibt Abbildungen von solchen Zellen nach frischen Prä- paraten und rechnet es mir als ein schweres Uebersehen an, dass ich die Bildung der Schwanzfäden erst in die Zeit verlegte, wo der Kopf des Spermatozoids der Ratte bereits eine hakenförmige Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 277 Gestalt angenommen hat. Obwohl ich in meiner ersten Abhand- lung nichts davon erwähnte, kannte ich doch damals schon diese von Sertoli und anderen (z. B. v. la Valette St. George) be- schriebenen Bilder, nämlich Rundzellen mit einem langen, äusserst dünnen, schwach undulirenden Faden, sehr wohl, hielt aber diesen Faden nicht für den Schwanz eines Spermatozoids, sondern für ein pseudopodienartiges Gebilde, das mit der Entwicklung des Sper- matozoidenschwanzes nichts zu thun hat. Dafür schien mir erstens die grosse Feinheit und gleichzeitig bedeutende Länge der Fäden zu sprechen, wie sie dem Schwanze eines Spermatozoids nicht ent- sprach, ferner das unbeständige Vorkommen der Fäden an an- scheinend gleich beschaffenen Zellen, ferner das constante Fehlen der Fäden an gehärteten Präparaten, endlich der Umstand, dass — wie ich in meinen Notizblättern aus dem Jahre 1869 finde — durch Zusatz von circa einprocentiger Natronlauge an den Rand des Deckglases eines in Humor aqueus liegenden Präpa- rates, an runden Hodenzellen und an vielkernigen Cysten das ° Austreiben langer, fadenförmiger Fortsätze direkt unter den Augen beobachtet werden kann. Ich habe auch jetzt wieder diesem Gegenstande meine Aufmerksamkeit geschenkt, namentlich mit Rücksicht auf die Angaben A. v. Brunn’s!), der die fraglichen feinen Fäden im Sinne der heutigen Anschauungen über die Struc- tur der Samenfäden als Axen- oder Centralfaden auffasst,* welcher später eine secundäre Plasmahülle mit Ausnahme des Endfadens von Retzius erhalte. Die auffällige Thatsache, dass die feinen Fäden an den Rundzellen entweder gar nicht oder aber sofort als einem voll entwickelten Schwanzfaden an Länge kaum nachgebende Gebilde zu sehen sind (Fig. 23), sucht v. Brunn im Sinne der älteren Angaben v. Kölliker’s dadurch zu erklären, dass diese vermeintlichen Axenfäden aufgerollt im Innern der Zelle liegen, wo sie direkt aus dem Kerne auswachsen und dann erst, wenn sie ihre volle Länge erreicht haben, plötzlich aus der Zelle her- vorschnellen. Trotz vieler Mühe ist es mir bisher nieht geglückt, einen im Innern der Zelle aufgerollten Faden zu sehen und bei der gewiss sehr grossen Schwierigkeit, die es haben muss, einen sehr feinen Faden, dessen Lichtbrechungsvermögen von jenem des Zellplasmas kaum verschieden ist, im Innern einer keineswegs 1) Dieses Arch. Bd. XXIII (1884). Pike) V.v. Ebner: homogenen Zelle wahrzunehmen, halte ich die Möglichkeit einer Täuschung bezüglich der aufgerollten Fäden im Innern der Zelle für sehr naheliegend und daher die von v. Brunn gegebene Deu- tung der unzweifelhaft vorkommenden, langen Fäden an Rund- zellen mit unveränderten Kernen, keineswegs für sicher. Bei öfterer Untersuchung frischer Präparate von der Ratte und anderen Thieren in Humor aqueus habe ich jetzt wiederholt lange, feine Pseudopodien auch an Henle’schen Zellen mit grobgranulirten Kernen, also an Zellen lange vor der Theilung, an welchen von einer Entwicklung von Schwänzen der Samenfäden keine Rede sein , kann, beobachtet, zum Theil auch sehr zahlreiche oder auch nur zwei bis drei feine Fäden an einkernigen Zellen (Fig. 22). Nach alldem scheint mir meine alte Ansicht, dass die Entwicklung der Spermatozoönschwänze erst nach der Spermatoblastbildung beginnt, durch die Beobachtung von freien Samenzellen mit runden Kernen und langen fadenförmigen Anhängen, keineswegs als unberechtigt; um so weniger als auch v. la Valette St. George!) das Auftreten „provisorischer Geisselfäden“, welche später wieder verschwinden, in neuerer Zeit an den Spermatoeyten der Unke gesehen hat. Mag nun übrigens die schwierige Frage der Entwicklung des Spermatozoönschwanzes was immer für eine definitive Lösung fin- den; so viel steht jedenfalls fest, dass die Umwandlung des kuge- ligen Zellkernes der Samenzellen in den specifisch geformten Kopf des Spermatozoides erst mit der Spermatoblastbildung beginnt. Man kann angesichts der mitgetheilten Beobachtungen über Stoffwanderung in den Spermatoblasten und mit Rücksicht auf diese Thatsache die Bedeutung der Copulation der Rundzellen mit den Sertoli’schen Zellen vielleicht darin suchen, dass durch die- selbe erst die für die Ausbildung der Spermatozoiden nothwendige Stoffzufuhr und Abfuhr hergestellt werde und zwar desswegen, weil eine in der Umwandlung zum Spermatozoid begriffene Zelle nicht mehr die Funktionen der Ernährung auszuüben vermag, weil eben ihr Kern eine specifische Umwandlung erfährt. Dass den Spermatoblasten ähnliche Einrichtungen in den verschiedensten Thierkreisen vorkommen, ist sicher; allein es ist anderseits auch höchst wahrscheinlich, dass diese funktionell übereinstimmenden Apparate die als Follikelzellen, Hüllkerne, Spermblastophore, Cyto- 1) Dieses Arch. Bd. XXV. Zur Spermätogenese bei den Säugethieren. 279 phoralzellen ete. beschrieben sind, nicht überall morphologisch ho- molog sind. Wenn ich mich wie Fritsch und Benda des Aus- druckes Copulation bediente, so that ich diess mit einigem Be- denken und nur aus Abneigung gegen neue Namen, wenn sie nicht unvermeidlich sind. Denn der Ausdruck Copulation ist bisher ge- wöhnlich in der Zoologie nur auf den Vorgang der geschlechtlichen Zeugung beziehungsweise auf Vorgänge angewendet worden, welche dieser analog sind. Es scheint mir aber nothwendig hervorzu- heben, dass ich bei der Vereinigung von Samenzellen und Ser- toli’schen Zellen keineswegs an einen Zeugungsvorgang denke, sondern mehr an einen Vorgang, der mit dem Pfropfen und Ocu- liren beim Veredlen der Holzpflanzen verglichen werden kann. Da eine gewisse Methode des Pfropfens bei den Obstbaumzüchtern ebenfalls mit dem Namen Copulation bezeichnet wird, so kann man den von Fritsch und Benda eingeführten Namen in diesem Sinne annehmen. Die Analogie zwischen dem Pfropfen und der Entstehung der Spermatoblasten würde in der Vergleichung des Edelreises mit den Samenzellen und des Wildlings mit den Ser- toli’schen Zellen ihren Ausdruck finden. Die Knospen des Edel- reises enthalten bereits die specitischen Anlagen von allen Organen, von Blättern, Blüthen, Früchten ete. vor dem Pfropfen. Das abge- schnittene Edelreis geht aber ohne Entwicklung zu Grunde, wenn es nicht mit dem Wildlinge verwächst, der ihm als Nahrungsquelle dienen muss. So enthält auch der Kern der Samenzelle bereits die Anlage für das Spermatozoid, dasselbe kann sich aber nicht entwickeln, wenn die Verwachsung mit der Sertoli’schen Zelle unterbleibt. Da jeder Vergleich bekanntlich hinkt, so ist es indessen doch noch fraglich, ob die Bedeutung der Verwachsung der Samenzellen mit den Sertoli'schen Zellen in einem Pfropfungsvorgange seine vollständige Analogie findet. Wenn man bedenkt, dass die heutige Zellenphysiologie zu der Auffassung hindrängt, dass der Kern einer Zelle das entscheidende Organ für alle formativen Processe ist, eine Auffassung, welche durch die früher eitirten Untersuchungen von Haberlandt und Korschelt eine neue Stütze erhalten hat, so könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass von dem Momente an, wo der Kern der Samenzelle selbst Objekt einer spe- eifischen Umformung wird, dieselbe nicht mehr von ihm selbst, sondern von dem Fusskerne der Spermatoblasten beherrscht wird. 280 V. v. Ebner: Man könnte sich fragen, ob die Samenzelle, beispielsweise eines Kaninchens, wenn sie mit der Sertoli’schen Zelle einer Ratte ver- bunden würde — ein solches Experiment als möglich gedacht — nun die Form eines Kaninchen- oder die eines Rattenspermato- zoids annehmen würde? Es dürfte schwer sein darauf bestimmt zu antworten. Indirekt seheint diese Frage bereits dahin entschieden zu sein, dass die Umformung des Kernes der Samenzelle von dem Fusskerne des Spermatoblasten abhängig sei. Denn bei den Tur- bellarien z. B. kommen nach den Beobachtungen von Jensen kernlose, die Samenkörper tragende Cytophore vor. An Schnitten von Plagiostomum ochroleueum v. Graff, welche mir Herr Dr. Böhmig zur Verfügung stellte, konnte ich mich überzeugen, dass auch bei tadelloser Kernfärbung niemals ein Kern in den Cyto- phoren zu sehen ist. Doch würde man offenbar zu weit gehen, wenn man in der- artigen Thatsachen sofort den unwiderlegbaren Beweis dafür er- blicken wollte, dass der Fusskern des Säugethierspermatoblastes ohne alle Bedeutung für die Bildung des Samenfadens sei. Wenn ich nun nach alldem, wie Benda, der Spermatoblast- bildung eine grosse Bedeutung beilegen muss, so war ich begreif- licher Weise sehr überrascht in der vor kurzem erschienenen Ab- handlung von Fürst über die Entwicklung der Samenkörperchen bei Beutelthieren die Angabe zu finden, dass bei diesen Thieren die Spermatoblasten fehlen. Die Arbeit ist offenbar sehr sorgfältig mit Benützung der Serienschnittmethode an Alkoholmaterial ange- stell. Da Alkohol die Spermatoblasten im Allgemeinen gut er- hält, so wäre die Behauptung, dieselben seien zerstört worden, etwas bedenklich. Aber ich glaube an ein Uebersehen. Fürst beschreibt und zeichnet die Sertoli’schen Zellen als Randzellen sehr deutlich und findet sie in allen Samenkanälchen. Die Meta- morphosen der Zellen der Wandschicht und ihre endliche Umwand- lung in Samenzellen stimmt völlig mit dem hier Mitgetheilten, auch die räumliche Vertheilung der Entwicklungsstadien ist wie bei der Ratte. Selbst die Körnehenbildungen bei der Ausreifung der Samenfäden und deren schliessliche Abstossung fehlen nicht. Sollen nun wirklich die Sertoli’schen Zellen der Beutelthiere funktionslos sein und keine Verbindung — wie bei den übrigen Säugethieren und beim Menschen — mit den Samenzellen ein- Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 281 gehen? Diess scheint nicht wahrscheinlich, um so weniger als Fürst in seiner Fig. 37 deutliche, central gerichtete Fortsätze der Sertoli’schen Zellen zeichnet. Da die gezeichneten Querschnitte weite, leere Lücken zwischen den Samenzellen und den Henle- schen Zellen, oder zwischen diesen und den Fussplatten der Ser- toli'schen Zellen zeigen, ist offenbar die natürliche Anordnung der Theile zerstört, und ich erlaube mir daher auch das Fehlen der Verbindungen von Samenzellen und Randzellen zu bezweifeln, und zwar um so mehr, als Fürst, wie ich einer Notiz Jensen’s ent- nehme, auch bei den höheren Säugern, speciell auch bei der Ratte, die Spermatoblasten nicht anerkennt). VI. Topographische Vertheilung der Entwicklungsstadien und daraus sich ergebende Folgerungen. Wie bereits bekannt ist, sind im funktionirenden Hoden der Ratte und anderer Säuger die Entwicklungsstadien, die man sich als zeitlich auf einander folgend denken muss, im Verlaufe der Samenkanälchen räumlich neben einander und können in einem Kanälchen eine grosse Zahl von Entwicklungseyklen sich wieder- holen. Diesen Satz konnte ich bei meinen ersten Untersuchungen nur auf Grund von Präparaten aufstellen, die in der Weise her- gestellt wurden, dass längere Strecken von in Müller'scher Flüssig- keit erhärteten Samenkanälchen nach vorheriger Tinetion in Häma- toxylin auf einen Objeetträger in Glycerin gebracht und dann durch das aufgedrückte Deckglas zerquetscht wurden, wobei der herausgesprengte Inhalt meistens in der Nähe jener Stelle des zerdrückten Samenkanälchens gefunden wurde, aus welcher er stammte. Diese Methode war in gewisser Beziehung eine ziemlich unvollkommene im Vergleiche zu der Schnittmethode, welche ge- stattet Samenkanälchen bis auf mehrere Millimeter der Länge nach zu treffen — bis zu 6 mm an gerade verlaufenden Schlingen. Die neuere Methode hat im Allgemeinen die Ergebnisse der älteren be- stätigt, mit der einzigen bereits erwähnten Ausnahme, dass die Zelltheilungsschübe der Henle’schen Zellen mitunter etwas unregel- mässig erfolgen. Diese Thatsache der räumlichen Aufeinanderfolge 1) Dieses Arch. Bd. XXX, 1887, p. 401. Das norwegische Original der betreffenden Abhandlung von C. Fürst ist mir leider nicht zugänglich. IV 32 V.v. Ebner: der zeitliehen Entwicklungsstadien weist darauf hin, dass im Ver- laufe eines Samenkanälchens die Spermatogenese nach Art einer Welle abläuft, das heisst so, dass jeder dem Verlaufe eines Samen- kanälchens angehörige Abschnitt um ein Zeitmoment später den- selben Entwicklungsprocess beginnt, wie der vorhergehende, so dass auf eine gewisse Strecke, welche man einer Wellenlänge ver- gleichen könnte, alle Entwicklungsphasen vertreten sind. Doch darf man, abgesehen von der erwähnten Ausnahme, diesen Ver- gleich desswegen nicht für genau zutreffend nehmen, weil die Weg- streeken, welehe eine und dieselbe Entwieklungsphase an verschie- denen Präparaten einnimmt, ungleich sind, namentlich ist das Sta- dium, in welchem abgestossene Spermatozo@n das Lumen der Samen- kanälchen füllen und regelmässig geordnete Zellsäulen auf der Wand des Kanälchens lagern, während die Spermatoblasten fehlen und welches ich früher mit VII bezeichnete, oft auf sehr langen Strecken zu finden. Um nun eine Bestimmung der Wegstrecke zu gewinnen, welche einen vollen Entwicklungsceyklus umfasst, habe ich neuerdings nach der früher angewendeten Methode Beobach- tungen über die Vertheilung der Entwicklungsstadien angestellt. Denn, so ausgezeichnet die Schnittmethode zur Constatirung der Thatsache ist, dass wirklich die Entwicklungsstadien sich räum- lich aneinanderschliessen und so Wichtiges sie insbesondere in Be- zug auf die Feststellung der Vorgänge an dem kritischen Punkte, an welehem die Spermatoblastbildung stattfindet, dadurch leistet, dass man den Uebergang der einen Entwicklungsphase in die an- dern continuirlich verfolgen kann ; so leistet sie doch, wegen der immerhin nur kurzen Strecken der Samenkanälchen, welche auf feinen Längsschnitten selbst im besten Falle vorliegen, nur wenig zur Feststellung der Weglänge, welche ein vollständiger Entwick- lungseyklus einnimmt. Man müsste die etwas umständliche und in diesem Falle kaum lohnende Methode der geordneten Schnittserien in Anwendung bringen, um schliesslich nicht viel mehr zu erreichen, als was durch Untersuchung isolirter Samenkanälchen bequemer gemacht werden kann. Da ich bei meinen älteren Untersuchungen nur Samenkanalstücke von 10 bis 14 mm Länge untersucht und dabei gefunden hatte, dass auf so kurze Strecken noch nicht die vollständige Reihe vom Beginne einer Phase der Entwicklung bis wiederum zum Beginne derselben Phase, also eine vollständige Wellenlänge im früheren Sinne, gefunden werden kann, so isolirte Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 283 ich diessmal Kanalstücke bis über 90 Millimenter Länge und unter- suchte dieselben in der Weise, dass ich nach einander Stücke von etwa 6-10 mm Länge herunterschnitt — dabei genau auf die Orientirung der Schnittenden achtend — und nun die Entwicklungs- phasen bestimmte, die an den beiden Schnittenden vorhanden waren. Auf diese Weise konnte die Zahl der Entwicklungscyklen, welche innerhalb dieser Kanälehenstreeke vorhanden war und annähernd auch deren Länge im Mittel gefunden werden. Aus der Unter- suchung von drei Samenkanälchen, deren Länge zwischen 60 und 95 mm lag, ergab sich die Weglänge für einen vollen Cyklus zwi- schen 25 und 38 mm, im Mittel mit 32 mm. Die ungleichen Weg- strecken, welehe die einzelnen Entwicklungseyklen einnehmen, dürften zum Theil auf Differenzen der Wegstrecken beruhen, welche jedesmal bei einer Spermatozoöngeneration gleichzeitig sich zu metamorphosiren beginnen. Ich schliesse diess aus dem Um- stande, dass an Längsschnitten die Stellen, welche gleichzeitig Kerntheilungen der Henle’schen Zellen zeigen, von sehr ungleicher Länge sind. Es können aber ausserdem noch ungleich lang dauernde Ruhepausen nach völliger Ausbildung der Samenfäden (Stadium VII) vorkommen. Unter allen Umständen muss man aber zur Erklärung der regelmässigen, räumlichen Aufeinanderfolge der Entwicklungsstadien wohl annehmen, dass nach längerer Ruhe stets diejenige Stelle eines ruhenden Stückes wieder zuerst in Thätig- keit kommt, welche zuerst den vorhergehenden Entwicklungsprocess beendete. Mit Rücksicht auf den früher (l. e. p. 21) von mir nach- sewiesenen Umstand, dass sich die Entwicklungsstadien der Sper- matoblasten und Samenfäden vom Rete testis aus gerechnet bei der Ratte in aufsteigender Reihe folgen, ist es in hohem Grade wahr- scheinlich, dass beim ersten Beginne der Spermatogenese zuerst die peripheren, blinden oder anastomosirenden Enden der Samen- kanälchen in Thätigkeit kommen und dass die in das Rete testis einmündenden Abschnitte am spätesten zu funktioniren anfangen. Ich bemerke ausdrücklich, dass ich diess nur auf Grund der über die räumliche Vertheilung der Entwicklungsphasen im überall thätigen Hoden bekannten Thatsachen schliesse, ohne irgend eine direkte Beobachtung über den ersten Beginn der Spermatogenese bei jungen Thieren gemacht zu haben. Bezüglich des Ablaufes der Spermatogenese in den funktioni- renden Samenkanälchen der Beuteltbiere ist auch C. Fürst, der 284 V. v. Ebner: mit der Serienschnittmethode arbeitete, zu der Vorstellung gelangt, dass derselbe ein wellenartiger sein müsse. Anschliessend an die Mittheilungen über die räumliche Ver- theilung der Entwieklungsstadien im Längsverlaufe der Samen- kanälchen dürfte es nicht ohne Interesse sein, auch die Beobach- tungen über die Häufigkeit der Kerntheilungsbilder an den Quer- schnitten der Samenkanälchen zu erwähnen. Es wurden an Hoden- querschnitten die Samenkanälehen abgezählt und ausserdem die Zahl derjenigen Samenkanälchen notirt, an welchen Kerntheilungen zu sehen waren. Es entfielen auf 834 Samenkanälchenquerschnitte nur 23 mit Kerntheilungen, darunter 15 auf die Henle’schen Zellen und 8 auf die Zellen der Wandschicht. Diese Zählungen wurden angestellt ehe ich darüber klar war, dass die Henle’schen Zellen sich zweimal nach einander theilen und ich wunderte mich dess- halb darüber, dass die Theilungen an den Zellen der Wandschicht relativ viel seltener zur Beobachtung kommen. Jetzt deute ich mir diess so, dass die Theilungen an den Henle’schen Zellen im Durchschnitte eine doppelt so grosse Längenausdehnung — wegen zweimaliger Theilung — in den Samenkanälchen einnehmen, als diejenigen der Zellen der Wandschicht, welche sich während jeder einzelnen Spermatogenese wohl nur einmal theilen. Nach den Prineipien der Wahrscheinlichkeit wird man daher auf beliebigen Durehsehnitten einer grossen Zahl von Samenkanälchen das Ver- hältniss der Häufigkeit von beiderlei Kerntheilungen wie 2:1 fin- den müssen. Dass die Kerntheilungen auf Querschnitten überhaupt relativ selten sein müssen, begreift sich, wenn man bedenkt, dass auf eine Längenstrecke eines Samenkanälchens von etwa 32 mm nur eine Längenstrecke von im Ganzen jedenfalls weniger als einem Millimeter entfällt, auf welcher Kerntheilungen vorkommen. Da- mit erledigen sich wohl die Bedenken, welche v. Wiedersperg bezüglich der Seltenheit der Kerntheilungen in den Samenkanälchen geäussert hat. Von besonderer Wichtigkeit erscheint nun noch ein Punkt in Bezug auf die topographische Vertheilung der Elementartheile der Samenkanälchen. Er ist entscheidend für alle diejenigen Auf- fassungen der Spermatogenese, welche ein ungleiches Verhalten der Kerne der Sertoli’schen Zellen an einem und demselben Ab- schnitte eines Samenkanälchens zur Voraussetzung haben. Es fragt Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 285 sich nämlich noch — was weder an Quer- noch Längsschnitten entschieden werden kann — ob jede Sertoli’sche Zelle in den Stadien wo Spermatoblasten vorhanden sind in der That der Theil eines solchen ist oder ob auch freie Sertoli’sche Zellen neben den Spermatoblasten vorkommen. Ich glaube letzteres entschieden verneinen zu müssen. Dabei stütze ich mich vorzüglich auf die Vergleichung von tangentialen Flächenschnitten, an welchen ent- weder Spermatoblasten in dem Stadium, in welchem die Köpfe der Spermatozoiden nahezu die Wand berühren, sehr nahe an der Wand durchschnitten sind, oder aber die Wand selbst, so dass die Kerne der Sertoli’schen Zellen deutlich sicht- bar sind. Misst man nun das eine Mal die Distanzen der Mittelpunkte der quer durchschnittenen Spermatoblasten, das andere Mal die Distanzen der Mittelpunkte der Kerne der Sertoli’schen Zellen, so muss sich daraus im Mittel ergeben, ob diese Distanzen die- selben sind und daraus indirekt, ob die Zahl der Spermatoblasten mit jener der Sertoli’schen Zellen zusammenfällt. Im Mittel aus 10 Messungen ergab sich nun auf diese Weise die Distanz der Spermatoblasten mit 21,3 u, die Distanz der Fusskerne der Ser- toli'schen Zellen mit 20,8 u; eine ganz befriedigende Ueberein- stimmung, wenn man bedenkt, dass die Einzelmessungen sowohl für die Spermatoblasten als Fusskerne im Extrem zwischen 19 und 27 u schwankten. Noch direkter aber überzeugte ich mich davon, dass die Sertoli’schen Zellen eines bestimmten Stadiums alle gleich beschaffen sind an tingirten Isolationspräparaten aus doppel- chromsaurem Ammoniak, die bisweilen in der Art gelingen, dass eine grössere Partie Sertoli’scher Zellen mitsammt den central gerichteten Fortsätzen, welche die Spermatozoiden tragen, im Zu- sammenhange bleibt und gleichzeitig die Fussplatten gut siehtbar sind, während die Henle’schen und Samenzellen entfernt sind. Man sieht dann, dass die Fussplatten der Spermatoblasten sich direkt berühren. Da nun anderseits fest steht, dass stets die Fuss- platten der Sertoli’schen Zellen vorhanden sind und nach Art eines polygonalen Epitheles aneinander schliessen, und ferner nie- mals eine Kerntheilung an diesen Fussplatten gesehen werden konnte, so scheint mir nur die Vorstellung zulässig, dass während der normalen Spermatogenese stets dieselben Sertoli'schen Zellen 286 V.v. Ebner: persistiren, um bei jeder neuen Samenbiidungsperiode wieder mit neuen Samenzellen in Verbindung zu treten. Nicht ohne Interesse scheint noch die Frage, wie sich die Zahl der aus einer Zelle der Wandschicht hervorgehenden Samen- zellen zu den in einem Spermatoblasten vereinigten Spermatozoön verhält. Es ist wahrscheinlich, dass von den Theilungsprodukten der Zellen der Wandschicht je eine Zelle in der Wandschicht zurüekbleibt, während die andere zu einer Henle’schen Zelle wird. Es entstehen daher schliesslich nach zwei Theilungen je vier Zellen aus einer, aus der Wandschicht ausgewanderten Zelle. In einem Spermatoblasten sind aber 3 bis 12, mitunter auch mehr Sperma- tozoön vereint. Es ist also keine engere Beziehung zwischen der aus je einer Zelle der Wandschicht hervorgegangenen Anzahl von Samenzellen und der Zahl der Spermatozoön in einem Spermato- blasten; man muss vielmehr annehmen, dass die in einem Sper- matoblasten vereinten Spermatozo@n von mehreren Zellen der Wand- schicht abstammen. Die Vorstellung über den Gang der Spermatogenese, die ich allen wohl begründeten Thatsachen allein Rechnung tragend be- trachte, kann nun an der Hand der Abbildungen Fig. 1 bis 12, welche möglichst getreu alle wichtigeren Stadien, wie sie am Längssehnitt auf einander folgen, darstellen, entnommen werden. Beginnt man mit dem Kerne einer Zelle der Wandschicht, welcher in Fig. 1 mit w, bezeichnet ist, so kann man dessen successive Wachsthumsstadien bis Fig. 10 mit den ‚fortlaufenden arabischen Ziffern w,—wj verfolgen. In Fig. 11 ist die Zelle der Wand- schicht bereits aus der Nische der Fussplatte der Sertoli’schen Zellen empor gerückt und dadurch zur Henle’schen Zelle h,, ge- worden. Das Wachsthum dieser Zellen kann man nun in Fig. 12, dann auf Fig. 1 zurückkehrend bis Fig. 3 und 9 in den Bezeich- nungen hjs—h5, verfolgen, worauf die erste Theilung in Fig. 8, hs; beginnt. Nun wird, da zufällig ein Präparat gewählt wurde, an welchem die Theilung nicht in regelmässiger Reihe sich dar- stellte, die Folge der Nummern etwas sprunghaft. In der Mitte der Fig. 9 findet sich h3,, das Ende der ersten Theilung, dann rechts in Fig. 10, h;, ruhende Kerne nach der ersten Theilung, dann rechts in Fig. 9, ha, die zweite Theilung, endlich links in Fig. 25, So, die Samenzellen nach der zweiten Theilung der Henle- Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 287 schen Zellen. Nun folgen weiter in Fig. 11, 12, 1, 2 die Samen- zellen $S35— 39, in Fig. 3 beginnt die Veränderung der Samenzellen vor der Spermatoblastbildung, welche in Fig. 5 vollzogen ist S3o, Sy} und Spas. Nun beginnt zugleich die Ausbildung der Samen- fäden in den Spermatoblasten Fig. 6—12, sp33—Ssp39 und endlich die Abstossung der Spermatozoön Fig. 1—3, g0——42- Die Kerne der Sertoli’schen Zellen, beziehungsweise der Spermatoblasten er- scheinen, abgesehen von dem Hinaufrücken derselben in die Stiele der Sertoli’schen Zellen, um die Zeit vor und nach der Sperma- toblastbildung — hier am deutlichsten in Fig. 3 — stets von dem- selben Ansehen. Während der Ausbildung der einen Spermato- zoidengeneration sind, eingelagert in die Fussplatten der Sertoli- schen Zellen, ruhende Kerne von Zellen der Wandschicht zu sehen. In Fig. 1—3 von wachsenden solchen Zellen noch nicht zu unter- scheiden, lassen sie sich von Fig. 4 an da und dort erkennen und sind überall mit w bezeichnet. In Fig. 11 zeigt diese neue Generation ein Wachsthum, welches in Fig. 12 zur Theilung wll führt. Aus diesen getheilten Kernen geht wahrscheinlich ein Theil in den folgenden Phasen Fig. 1—10 in ruhende Kerne über, wäh- rend ein anderer Theil wieder den schon ausführlich geschilderten Process durchmacht. Es scheint mir nur diese Erklärung der ver- schiedenen Bilder an Schnitten, im Zusammenhang mit den an Isolationspräparaten gewonnenen Erfahrungen möglich , die ja eigentlich jetzt von allen Untersuchern in der Hauptsache getheilt wird, welche die Schnittbilder wirklich eingehend untersucht haben. Die Vorstellung Balbiani's, dass die Zellen w und f copuliren, worauf eine Sprossbildung in Form des Spermatoblasten eintrete, kann man aus den Schnittbildern nicht herauslesen, da man dann den freien Zellen keinen Platz in der Genese geben könnte. v. la Valette St. George’s Vorstellung muss zurückgewiesen werden, weil die Kerne f — seine Spermatogonien — sich nie theilen, weil ferner offenbar freie Samenzellen existiren, ehe die Sperma- toblasten entstehen. Helman’s Vorstellung kann nicht acceptirt werden, weil vielkernige Cysten mit einem Follikelkern, welche von innen nach aussen wachsend an die Wand sich festheften, nicht gesehen werden können. Krause’s Darstellung würde den Nachweis verlangen, dass aus einer Gruppe gleichförmiger Zellen, welche aus einer gemeinsamen Mutterzelle hervorgegangen sind, 288 V.v. Ebner: sich eine Zelle secundär zum Fusskerne eines Spermatoblasten umwandle, was offenbar in den Schnitten nicht gefunden werden kann. Biondi’s Darstellung würde vor allem verlangen, dass die in einem Spermatoblasten vereinten Samenfäden von innen nach aussen gerechnet in successive jüngeren Entwicklungszuständen sich befinden, was offenbar nicht zutrifft. Grünhagen’s Abbil- dungen in dessen Lehrbuch stellen endlich einen Zusammenhang der Henle’schen Zellen mit den Sertoli’schen Zellen und von vielkernigen Zellen mit den Sertoli’schen Zellen dar, was mir an Schnitten nie vorgekommen ist. So bleibt nur die Darstellung Benda’s als mit den Schnittbildern und den Isolationsbefunden harmonirend, eine Darstellung, die sich übrigens wesentlich nur darin von jener Merkel’s und Sertolis und deren Nachfolger unterscheidet, dass sie eine wirkliche Verwachsung, nicht blos eine innige Berührung der Samenzellen mit den Sertoli’schen Zellen annimmt und dadurch den anscheinend unvereinbaren Gegensatz glücklich aufhebt, der ursprünglich zwischen meiner ersten Darstellung und jener meiner einst heftigsten Gegner, Mer- kel und Sertoli bestand. Wenn ich nun schliesslich meine Auffassung der Spermato- genese bei den Säugethieren in die Terminologie von v. la Va- lette St. George zu übersetzen versuche, würde ich sagen müssen: Die wahren Spermatogonien sind die Zellen der Wandschicht; sie vermehren sich an Ort und Stelle durch indirekte Theilung. Die Spermatogonien wachsen zu den Spermatocyten (= Henle’sche Zellen) heran, welche nach zweimaliger Theilung je vier Sperma- tiden (= Samenzellen) produeiren. Nun verwächst eine grössere Zahl von Spermatiden, welche von mehreren Spermatogonien ab- stammen, mit je einer Follikelzelle (= Sertoli’sche Zelle) zu einer Spermatogemme (= Spermatoblast), in welcher sich endlich die Spermatosomen aus den Spermatiden hervorbilden. Wenn v. la Valette St. George dieser Umgestaltung seiner Termino- logie seine Zustimmung ertheilt, werde ich dieselbe mit Vergnügen anwenden und gerne auf alle anderen bisher gebrauchten Aus- drücke verzichten; ich fürchte aber, dass dazu wenig Aussicht ist. Ich habe die Gründe für meine Ansichten in dieser Abhandlung niedergelegt und ich werde an denselben so lange festhalten, bis gezeigt sein wird, dass entweder ein wesentlicher Fehler in der Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 289 hier angewendeten Methode vorhanden ist, oder dass neue und bessere Beobachtungen zu einer andern Auffassung zwingen. Auf den starren Standpunkt der Negation gegenüber berechtigten Ein- wendungen anderer werde ich mich nie stellen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV, XVI, XVM. Sämmtliche Abbildungen beziehen sich auf den Hoden der Ratte. Tafel XV, Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind mit der Camera lucida bei 540- facher Vergrösserung mit System S Hartnack gezeichnet. Fig. 1—12. Stücke von mit Saffranin gefärbten Quer- und axialen Längs- schnitten aus (in Flemming's Gemisch) gehärteten Präparaten, die wichtigsten Phasen eines vollständigen Entwicklungscyklus darstellend. Allgemeine Bezeichnungen: f Kerne der Fussplatten der Sertoli’schen Zellen beziehungs- weise der Spermatoblasten. w Kerne der Zellen der Wandschicht. h Henle’sche Zellen. s Samenzellen. sp Spermatozoiden in den Spermatoblasten. Die Bilder sind verschiedenen Präparaten, meistens Querschnitten, entnommen. Fig. 4, 5 und 6 entstammen einem und demselben Längsschnitte, an welchem diese kritischen Stadien auf der Strecke von etwa einem Millimeter in einander übergingen. Die doppel- eontourirte Linie m in Fig. 1 entspricht der Membrana propria, sie ist in den übrigen Figuren nicht besonders bezeichnet. Ebenfalls unbezeichnet sind die in den Fussplatten der Spermatoblasten in Fig. 5—9 schwarz gezeichneten Fetttropfen, sowie die in den Lappen der Spermatoblasten ausgeschiedenen Fettkörnchen und tingirbaren Körnchen. Letztere sind zum Unterschiede von den schwarz ge- haltenen Fettkörnchen in den Figuren 11, 12, 1, 2, 3, 4 als dunke contourirte Kreischen dargestellt. In den Figuren 1, 2, 3 sind die abgestossenen Samenfäden aus Raumersparniss nicht in ihrer ganzen Länge gezeichnet. Die fortlaufenden Ziffern, welche den Buchstaben w, h, s, sp beigefügt sind, sollen den genetischen Zusammenhang Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 31. 19 ig. 17. ig. 19. Fig. ig. 13. . 14. ig. 16. 48: 23. V.v. Ebner: dieser Elemente, wie ihn Verfasser sich vorstellt, deutlich machen. Das Nähere im Texte Seite 286. Henle’sche Zellen nach einem Präparate aus Müller’scher Flüssig- keit. h Ruhende Zellen, h‘ Theilungsbilder mit den in Fig. 8 und 9 dargestellten zu vergleichen. f Isolirte Fusszelle eines Spermatoblasten mit dunkel contourirten Fetttropfen. w Zelle der Wandschicht. n Nische, aus welcher eine Zelle der Wandschicht herausgefallen ist. Müller’sche Flüssigkeit. . Flächenansicht einer Gruppe von Fussplatten (f) der Spermatoblasten mit anliegenden Zellen der Wandschicht. Einem Stadium entspre- chend, das ungefähr die Mitte hält zwischen dem in Fig. 10 und 11 dargestellten Schnittpräparate. Müller’sche Flüssigkeit. Präparat, wie das vorhergehende behandelt, doch aus einem Stadium, das ungefähr die Mitte hält zwischen dem in Fig. 12 und Fig. 1 dargestellten. w’ Zellen der Wandschicht in Theilung. (Schlecht conservirte Anaphasen der mitotischen Theilung ?) Tafel XVI. Flächenansicht eines isolirten Stückes der Membrana propria eines Samenkanälchens. Müller’sche Flüssigkeit, Eosinfärbung. m Endo- thelzellen. 1 Zellen zwischen den Endothelzellen (Leukocyten?) Die gezeichnete undeutliche Streifung rührt von Falten der structur- losen Membran her, auf welcher die Zellen aufruhen. Vergr. 540. Präparat wie das vorhergehende, doch ohne Eosinfärbung und da- her nur die Zellkerne deutlich sichtbar. Vergr. 540. Spermatoblast mit fast reifen Samenfäden frisch in Humor aqueus isolirt. f Fusskern, Sf Samenfäden, deren Schwänze nicht in ihrer vollen Länge abgebildet sind. Ausserdem sind nicht alle Samen- fäden dargestellt. T Fetttröpfechen und Körnehen in den Lappen der Spermatoblasten. Nach dem Augenmaasse mit System 8 Hart- nack gezeichnet. 20. Präparat dem vorhergehenden ähnlich; doch aus einem Hodenstück- chen, das 24 Stunden in 10 procentiger Kochsalzlösung lag. . Verschiedene Kernformen von Zellen, wie solche in Fig. 171 dar- gestellt sind. Müller’sche Flüssigkeit. Vergr. 540. Zellen aus dem Innern eines Samenkanälchens mit Pseudopodien. Ganz frisches Präparat in Humor aqueus. Nach dem Augenmaasse, System 8, Hartnack. Samenzellen frisch in Humor aqueus. Neben dem Kern der Neben- kern. Die zwei rechts liegenden Zellen mit provisorischen Geissel- fäden. Nach dem Augenmaasse. Fig. ig. 25 5. (Mit Fig. 1 u. 2, Taf. XV zu vergleichen.) a Oben, gegen die Axe Fig. Fig. Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 291 24. Abgestossene Plasmakugeln, welche zwischen abgestossenen Sperma- tozoen vorkommen mit Fettkörnchen und zum Theil mit vacuolen- artigen Flecken. Frisch in Humor aqueus. Nach dem Augenmaasse. Tafel XV. . 25—29 stellen Stücke von mit Saffranin gefärbten, axialen Längsschnitten in Flemming’scher Flüssigkeit gehärteter Samenkanälchen zur Hälfte dar, vorzüglich zur Erläuterung der Stoffwanderung in den Spermato- blasten. Vergr. 200. Die fünf Bilder geben die Hauptphasen eines Cyklus, doch stellen sie zusammen nur etwa den zehnten Theil der ganzen Länge eines solchen dar. Die Hauptdimensionen sind mit der Camera angelegt, ebenso die Ausdehnung der Stellen, an wel- chen charakteristische Aenderungen auftreten. Die Einzelheiten sind etwas schematisirt. Besondere Bezeichnungen der Kerne etc. sind weggelassen, da in Fig. 1-12 wesentlich dieselben Dinge dargestellt sind. Die einzelnen Abbildungen sind verschiedenen Samenkanälchen entnommen, nur Fig. 27 und 28 entsprechen einem und demselben Längsschnitte eines Samenkanälchens. des Kanälchens, die abgestossenen reifen Spermatozo@n und zwischen deren scharf tingirten Köpfen die schwarz gefärbten Fetttröpfchen und die roth gefärbten tingirbaren Körnchen. b Spermatozoönköpfe von den mehr nach aussen liegenden Fetttröpfehen und tingirbaren Körnchen gesondert. 26. ce Die Spermatozoön sind verschwunden, nur die Körnchen sind noch vorhanden, welche bei d von den Sertoli’schen Zellen resorbirt werden, von wo an schwarze Fetttropfen, die an Zahl und Grösse zunehmen, in den Fussplatten zu sehen sind. Auf dieser Strecke erfolgt auch die Spermatoblastbildung und bei e bereits die Zuspit- zung des Kernes der Spermatozoidenanlage. 27. f Beginnende Ausscheidung von feinen Körnchen in den Lappen der Spermatoblasten, welche gegen k schon merklich zunimmt. Ueberall schwarze Fetttropfen in den Fussplatten. Bei g erste Theilung der Henle’schen Zellen, bei h Ruhestadium nach der ersten Theilung, bei i zweite Theilung der Henle’schen Zellen, hierauf an Stelle derselben die Samenzellen, während zugleich eine neue Generation Henle’scher Zellen aus der Wandschicht emporrückt. Fig. 28. Zunehmende Ausscheidung von grösser werdenden schwarzen Fett- tröpfehen in den Lappen der Spermatoblasten, während das Fett in den Fussplatten bei 1 nur mehr spärlich, bei m ganz verschwun- den ist. 292 V. v. Ebner: Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Fig. 29. n Beginn der Abstossung der Spermatozoen, Theilung der Zellen der Wanäschicht. o Fettkörner noch über den Köpfen der Sper- matozoen, erstes deutliches Auftreten grosser tingirbarer Körner. p Vollendung der Abstossung der Spermatozoön. Fetttropfen und tingirbare Körner schon zum Theil zwischen den Köpfen der Sper- matozoön. An Fig. 29 würde sich nach einer Strecke von unbe- stimmter Länge wieder das Bild von Fig. 25 anschliessen. Dr. S. M. Lukjanow: Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. 293 Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. Von Prof. Dr. $S. M. Lukjanow (Warschau) 1. Mit der Untersuchung der Ascariden in Betreff ihres Sexualapparates beschäftigt, hatte ich Gelegenheit etwas näher mit dem das Darmrohr bei dieser Nematoden-Familie auskleidenden Epithel bekannt zu werden. Einige der Befunde, die sich bei dieser Untersuchung ergaben, scheinen mir einer allgemeinen Be- deutung nicht zu entbehren. Meine Aufmerksamkeit war vorzüg- lich auf Ascaris mystax gerichtet, da das Darmepithel bei die- sem Parasiten besonders interessante Verhältnisse darbietet. 2. Zur Untersuchung wurden sowohl frische Gewebe, in indifferenten Flüssigkeiten, wie auch in verschiedener Weise be- arbeitete verwendet. In letzterem Falle können sowohl ganze Exemplare des Wurmes, wie auch ausgeschnittene Darmröhrchen der Fixirung unterworfen werden. Von Fixirungsmitteln sind wohl die besten Sublimat und Alkohol. Ich will mir hier erlauben einige Worte über die weitere Bearbeitung der Präparate zu sagen, da die von mir angewandte Methode sich in vielen Fällen als nützlich ausweist. Als Beispiel führe ich nur an, dass es nach der weiter zu beschreibenden Verfahrungsart vollständig gute Objecte aus einem ganzen Knäuel dünnster Sexualröhrchen von Ascaris megalocephala zu erhalten gelang. Die Methode beruht auf dem Prineip der doppelten Einbettung. Wie bekannt, wird die Combination von Collodium und Paraffin manchmal im Wiener zoologisch-anatomischen Institute verwendet!); unlängst machte auch Kultschitzky?) auf die Vortheile einer analogen Bearbeitung aufmerksam. Ich verfahre gewöhnlich folgendermaassen: nachdem 1) Vgl. Lee et Henneguy, Traite des methodes techniques de l’ana- tomie microscopique ete.; 1887, p. 194. 2) Kultschitzky, Zur histologischen Technik. Zeitschr. f. wiss. Mi- kroskopie, Bd. IV, Heft 1, 1887, p. 46. 294 Dr. S. M. Lukjanow: das Präparat 1 bis 2 Stunden in concentrirter wässriger Sublimat- lösung bei ca. 38° C. gelegen, wasche ich die fixirten Organstück- chen möglichst sorgfältig mit destillirttem Wasser und trage sie in schwachen Weingeist über, in dem sie 12 bis 24 Stunden bei Zimmertemperatur verbleiben; dann wird das Präparat der Ein- wirkung von absolutem Alkohol während 24 Stunden unterworfen; weitere 24 Stunden verbleibt es in einer Mischung aus gleichen Quantitäten Alkohol und Aether, hier, wie auch im absoluten Al- kohol, bei Zimmertemperatur; nun kommt das Präparat in 3—5- procentige Lösung von Photoxylin !), wo es ca. 24 Stunden, auch diesmal bei Zimmertemperatur, verweilen muss; dann wird das Präparat 12 Stunden der Einwirkung von Origanumöl bei ca. 38° C. ausgesetzt, um nachher in eine Mischung von Origanumöl und Paraffın auf dieselbe Zeit bei der nämlichen Temperatur zu kommen; endlich erfolgt die Einbettung in reines, bei ca. 40° C. schmelzendes Paraffin. Schnitte werden mit Hülfe des Mikrotoms angefertigt; die Benetzung des Messers und des Präparates mit Weingeist ist dabei nicht nöthig. Die Schnitte befestige ich auf dem ÖObjectträger einfach mit destillirtem Wasser?). Nach Ver- dampfung des Wassers schreiten wir zur Färbung der Schnitte, es muss aber das Paraffin mit Xylol entfernt sein. Die Objectträger mit den Schnitten können durch sehr verschiedene Medien durch- geführt werden, doch ist Nelkenöl zu vermeiden. Ich habe ver- schiedene Färbemittel angewandt und möchte eine Combination von Hämatoxylin und Aurantia empfehlen?). Bei dieser Doppel- färbung werden die sog. Plasmosomen bronzebraun, das Chromatin- gerüst der Kerne und die sog. Karyosomen intensiv schwarz ge- färbt; auch die Kernmembran wird grösstentheils schwarz; alle anderen Theile der Kerne färben sich mehr oder weniger blass- gelb; eine ähnliche gelbe Färbung zeigt auch der Zellleib. Ich habe diese Färbemethode an verschiedenen menschlichen und 1) Vgl. Krysinski, Beiträge z. histologischen Technik. Virchow’s Archiv, 108. Bd., 1887, p. 217. 2) Woinow, Einiges über das Aufkleben der Schnitte (aus d. Lab. f. allg. Pathol. d. K. Univ. Warschau). Jeschen. klin. Gazeta, 1887, p. 411 (russisch). 3) Hämatoxylin nach Böhmer; Aurantia in concentrirter alkoholischer Lösung. Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. 295 thierischen Geweben erprobt und mit der complieirten Färbemethode, die ich früher schon mehrmals gebraucht!), nämlich mit Hämato- xylin-, Nigrosin-, Eosin- und Safranin-Färbung verglichen; es hat sich dabei herausgestellt, dass die Differenzirung der Structurele- mente mit Hülfe der zwei obengenannten Farbstoffen ebenso voll- ständig sein kann, wie bei Gebrauch von vier Farbstoffen. Beson- ders lehrreiche Bilder habe ich bei der obengenannten Doppel- färbung in den Sexualröhren der Ascariden zu sehen bekommen, worüber ich später genauer zu berichten gedenke. 38. Wenden wir uns jetzt zur Untersuchung derjenigen Zellgebilde, die den wesentlichen Theil des Darmrohres von As- caris mystax ausmachen. Diese Gebilde lenken von verschiedenen Seiten die Aufmerk- samkeit des Forschers auf sich. Betrachten wir vorerst ihr Ver- hältniss zu der, wie es scheint, homogenen Membran (eine Art membrana propria), die ihnen als Substrat dient. Bei Gebrauch eines Zeiss’schen Apochromaten mit homogener Immersion (2,00 mm; 1,350) und genügend hohen Compensationsocularen (8,12) gewinnt man leicht die Ueberzeugung, dass zwischen der Membran und dem äusseren etwas abgerundeten Ende der Zelle ein lichter Raum vorhanden ist, durch den in der Längsaxe der Zelle parallelen Richtung äusserst feine Fädchen hindurchgezogen sind. Ein ge- wisser Grad von Regelmässigkeit in Gestalt und Anordnung lässt sich bei diesen Gebilden nicht leugnen, allein bei näherer Betrach- tung gewahrt man bald, dass ihre gegenseitige Entfernung bald kleiner, bald grösser, ihre Richtung bald gradlinig, bald geschlän- gelt und ihre Dicke bald grösser, bald geringer wird. Die Länge der Fäden entspricht der Breite des erwähnten lichten Raumes, welcher an den beiden Umbiegungsstellen des plattgedrückten Darmrohres enger wird; durchschnittlich beträgt dieselbe 1/,—!/, der ganzen Länge des Zellleibes. Es versteht sich von selbst, dass die Länge der Fäden auch bei jeder einzelnen Zelle variirt und zwar entsprechend der Abrundung ihres äusseren, gegen die Mem- brana propria gerichteten Theiles. Das Verhältniss der Fäden zur Membran lässt sich ziemlich einfach definiren: die Fäden berühren die Membran unmittelbar, wobei manchmal eine Verdieckung an 1) Vgl. hierzu meine Beiträge z. Morphologie der Zelle in Archiv von Du Bois (1887) u. Archiv f. mikr. Anat., Bd. XXX. 296 Dr. S. M. Lukjanow: ihrem Ende bemerkbar ist; doch sind die Verdiekungen äusserst schwach ausgedrückt. Die Zwischenräume zwischen den Fäden bleiben farblos und scheinen leer zu sein. An der Zellgrenze brechen diese Fäden nicht ab, sondern fliessen mit den Fäden zu- sammen, die das Netz des Zellleibes ausmachen. In diesem Netze treten diejenigen Fäden am schärfsten hervor, die längs des Zell- leibes ziehen. Ausser den Längsfäden sind auch Quer- und Schräg- fäden zu sehen. Alles zusammen bietet eine äusserst zarte Ver- filzung dar, die am dichtesten an den Seiten und am inneren Ende der Zelle ist. Manchmal war es (besonders unter Anwendung einer zarten einfachen Färbung, z. B. Eosinfärbung), als ob die Maschen des Filzes nicht ohne Regelmässigkeit angeordnet wären: das Bild machte den Eindruck eines zusammengesetzten Systems rhombi- scher Maschen, deren längere Diagonalen mit der Längsaxe der Zelle übereinstimmen. Es sei dem wie ihm wolle, der nichts we- niger als einfache Bau des Zellmitoms ist damit noch nicht er- schöpft: in der Mitte der Zelle und zwar in ihrem Axentheile findet sich eine Art Höhlung von mehr oder weniger ellipsoider Form; die beiden Gewölbe dieser Höhlung sind durch das innere und äussere Ende, die Seitenwände durch die Seitentheile der Zelle gebildet. Längs dieser Höhlung zieht ein ziemlich lockeres Faser- bündel durch. Dasselbe beginnt in der Nähe des Kernes, der, wie wir unten sehen werden, auf dem Boden der erwähnten Excava- tion zu liegen scheint; von hier zieht das genannte Faserbündel nach dem Gewölbe hin, welches vom inneren Ende der Zelle ge- bildet wird. An der freien Peripherie ist das innere Zellende von einem eigenthümlichen Saum, der manchmal an denjenigen er- innert, der als Ausdruck der Membrana propria gilt, deutlich ab- gegrenzt. Ich sage manchmal, da es in der That vorkommt, dass der Saum nicht doppeleontourirt ist. Gehen wir weiter über diese Grenze hinaus, so treffen wir wieder Fäden, die auch hier, wie am äusseren Zellende, mit den Fäden des Zellmitoms in Verbin- dung stehen; demgemäss ist auch der obenerwähnte Saum manch- mal radial gestreift. Jede Zelle besitzt ein besonderes System filitormer Fortsätze, die an die gewöhnlichen Wimpern erinnern. Diese Fortsätze sind beinahe alle von gleicher Länge, aber nur beinahe, nicht vollständig. Besonders deutlich tritt in manchen Fällen die ungleiche Länge der Fortsätze zweier Nachbarzellen auf. Die Richtung dieser Gebilde ist vorwiegend eine der Längsaxe der Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. agT Zelle parallele; doch nicht selten ist es zu bemerken, dass einige derselben davon ablenken. Manchmal vereinigen sich einige be- nachbarte Fäden eines und desselben Systems zu einem etwas kegelförmigen Bündel, während die anderen ihre normale Anord- nung beibehalten. Diese Fortsätze sind annähernd ebenso dicht angeordnet, wie die Fädchen des oben beschriebenen lichten Raumes. Die Enden der Fortsätze, die nach dem Darmlumen gerichtet sind, erscheinen meistentheils nicht zusammengeklebt, sondern getrennt. Ihre Länge ist verschieden und es kann wohl angenommen werden, dass sie durchschnittlich !/, der Zelllänge beträgt. Ich muss noch hinzufügen, dass das innere Ende der Zelle, ebenso wie das äussere (doch in geringerem Grade) abgerundet ist; demgemäss ist auch mitunter die Abgrenzung der fadenförmigen Fortsätze nicht ganz gradlinig, sondern etwas convex. 4. Untersuchen wir weiter Präparate, die der combinirten Färbung unterworfen waren, so überzeugen wir uns leicht, dass in den Zellen eine ziemlich beträchtliche Zahl kleiner sphärischer Körnchen von gelblichbrauner Farbe, die im natürlichen Zustande ebenso aussehen, vorhanden ist. Diese Körnchen bestehen, wenig- stens zum Theil, aus Fett. Den eosinophilen Zymogenkörnchen der Drüsenzellen ähnliche Gebilde sind hier nicht zu finden. Be- achtenswerth ist noch, dass die Fettkörnchen ziemlich regelmässig in den Seitentheilen des Zellkörpers und in seinem äusseren Ende zerstreut sind, während längs der Zellaxe und in der Nähe des inneren dem Darmlumen zugerichteten Endes, wie auch in den eapillären Räumen zwischen den filiformen Fortsätzen gewöhnlich keine Fettkörnchen angetroffen werden. 5. Es bleiben uns noch einige Angaben über die Kerne der betreffenden Zellen zu machen. In der Mehrzahl der Fälle ist der Kern regelmässig sphärisch; er liegt immer im Axentheile des Zellleibes, näher dem äusseren Ende der Zelle, als dem inneren. Der Durchmesser des Kernes beträgt ca. /,—!/, der Zellleib- länge. Doch ändert sich sowohl die Lage, wie auch die Grösse des Kernes den Grössenschwankungen der Zellen entsprechend: je grösser die Zelle, um so grösser ist der Kern und um so oberflächlicher liegt derselbe. Die Kernmembran ist sehr schwach, das Chromatingerüst viel deutlicher. Im Allgemeinen hat der Kern ein körniges Aussehen: das Negativ dieser Körnelung zeigt sich eben in Form des Chromatingerüstes. Sehr interessant ist es 298 Dr. S. M. Lukjanow: ferner, dass im Inneren jedes Kernes ein Kernkörperchen zu sehen ist, dem Typus der Plasmosomen angehörend, wie es seine Reaec- tionen bei den oben beschriebenen combinirten Färbungen be- weisen. Nur in sehr seltenen Fällen fehlt das Kernkörperehen im Inneren des Kernes; doch findet man es dann irgendwo in der Nähe des Kernes. Verhältnissmässig selten kommen im Kerne zwei Kernkörperchen des obengenannten Typus vor, wobei das eine grössere Dimensionen darbieten kann, als das andere; doch begegnet man auch ziemlich oft vollständig gleich grossen Kern- körperchen. An manchen grösseren Plasmosomen habe ich Ein- schnürungen beobachten können, die ihnen bisceuitähnliche Form verleihen. Ab und zu liegen die paarigen Kernkörperchen dicht nebeneinander, in kleine Kapseln oder Höhlen eingebettet. An- deutungen einer inneren Structur sind in der Regel an diesen Plasmosomen nicht wahrzunehmen; nur bie und da erblickt man eine Art von Vacuolenbildung. Die Lage des Kernkörperchens im Kerne ist eine etwas excentrische. Der Durchmesser der Nucleolen, die eine regelmässig sphärische Form haben, beträgt ca. Y,—1; des Kerndurchmessers. Kermkörperchen, die etwa den Charakter von Karyosomen verrathen hätten, habe ich im Darmepithel gar nicht auffinden können. Ohne in Details einzugehen, will ich gleich hier hervorheben, dass ich in anderen Organen derselben Ascariden nicht nur Plasmosomen, sondern auch Karyosomen resp. karyosomenähnliche Gebilde zu constatiren Gelegenheit hatte. 6. Angesichts der verhältnissmässigen Einfachheit des Baues der soeben beschriebenen Kerne habe ich beschlossen, das Verhalten der Plasmosomen gegenüber verschiedenen isolirt angewandten Tinc- tionsmitteln eingehender zu studiren. An entsprechenden Objecten wurden zugleich vergleichende Untersuchungen über das Verhalten der Karyosomen angestellt. Vom Hämatoxylin werden unsere Plasmosomen recht schwach gefärbt, schwächer als die Karyosomen. Mit Alaun-Carmin färben sie sich entweder gar nicht, oder nur sehr blass, was ebenfalls als Unterseheidungsmerkmal dieser Kern- körperchen gegenüber den Karyosomen gelten mag. Bei Anwen- dung des Pikrocarmins nimmt der ganze Kern blassgelbe Farbe an, dabei tritt das Kerngerüst fast gar nicht hervor und die Plas- mosomen erscheinen gelbbraun; ich konnte mich überzeugen, dass die Karyosomen in diesem Falle roth tingirt werden. Es muss noch hinzugesetzt werden, dass die Zellkörper des in Rede stehen- Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. 299 den Epithels sich gelb färben, wiewohl wir in anderen Elementen desselben Wurmes auf abweichende Verhältnisse stossen. Was die Anilinfarbstoffe anbetrifft, so wurden sowohl saure als auch basische Farbstoffe geprüft. Aus der Gruppe der Fluoresceine kam das Tetrabromfluorescein oder Eosin zur Anwendung. Dabei zeigte sich, dass die Kernkörperchen diesen Farbstoff nur in ge- ringer Menge aufnehmen. Auf einem von den Zellkörpern und Zellkernen eingenommenen diffus rosa gefärbten Grunde sehen wir die Nucleolen kaum differencirt, ja es scheint sogar, als ob die Plasmosomen weniger intensiv gefärbt werden als die Karyosomen. Von den Nitrokörpern benutzte ich Aurantia oder das Ammonsalz des Hexadiphenylamins. Aus dem diffus gelb gefärbten Objecte traten die Kernkörperchen als verhältnissmässig intensiver tingirte Gebilde hervor. Ein nennenswerther Unterschied im Verhalten dieses Farbstoffes gegenüber den Plasmosomen und Karyosomen liess sich nicht constatiren. Aus der Klasse der Sulfosäuren wählte ich das Nigrosin, welches annähernd ein gleiches Resultat ergab wie das Eosin: unter allen Kernbestandtheilen färbten sich die Kernkörperchen am schwächsten, was, augenscheinlich, sowohl in Bezug auf die Plasmosomen als auf die Karyosomen Geltung hat. Schliesslich, als Repräsentant der primären Farbsäuren, kam Pur- purin zur Anwendung, wonach ebenfalls eine diffusse Färbung zu Tage trat; das Verhalten der Nucleolen beider Kategorien war nahezu ein gleiches — sie färbten sich ein wenig intensiver, als der übrige Kerninhalt. Es wurden ferner folgende Farbbasen einer Prüfung unterzogen: Fuchsin, Methylviolett, Methylgrün, Anilingrün, Jodgrün, Malachitgrün, Safranin, Magdala, Bismarckbraun, Vesuvin, Gentianaviolett und Methylenblau. All diese Färbemittel liefern fast gleiche Bilder. Die Kernkörperchen zeigen überall eine in- tensivere Färbung, als die übrigen Zellentheile, wobei ein feiner tinetorieller Unterschied zwischen den Plasmosomen und den Ka- ryosomen festgestellt werden konnte: die erstgenannten Nucleolen färben sich in der Regel etwas blasser. Eine besonders zarte Nüaneirung wird bei Anwendung der grünen Farbstoffe beobachtet. Endlich möchte ich noch notiren, dass die Kernkörperchen beider Kategorien sich mit Jod leicht gelb färben und dass die Intensität ihrer Färbung derjenigen der Umgebung gleichkommt. Alle diese Färbungsproben wurden an Schnitten ausgeführt, 300 Dr. S. M. Lukjanow: welche von den mit Sublimat oder Alkohol behandelten Präparaten herrührten. Es muss also zugegeben werden, dass die Plasmosomen auch bei einfacher Färbung als Elemente sui generis auftreten. Nichts- destoweniger ist die Natur derselben, wofern die Farbenreactionen uns zu Schlüssen berechtigen, derjenigen der Karyosomen nahe verwandt. Daraus erhellt es zur Genüge, wie grosse Vortheile uns aus den eombinirten Färbungen erwachsen, welche uns gestatten eine Anzahl von verwandten Gebilden scharf von einander zu trennen. Man kann auch nicht umhin den Umstand recht merk- würdig zu nennen, dass die Kernkörperchen, welche den Charakter der Plasmosomen verrathen, als ein eonstanter Befund bei Kernen einer bestimmten Zellengruppe beobachtet werden und zwar unter gleichzeitiger Abwesenheit von Kernkörperchen eines anderen Ty- pus. Fürwahr, dieser Umstand allein genügt schon um diejenige Ansicht, wonach die Kernkörperehen (in unserem Falle die Plas- mosomen) nur eine zufällige Ablagerung eines Nutritionsmateriales sind, in Zweifel zu ziehen. Es wäre gewiss überaus wünschenswerth diese interessanten Objeete einer mehr exacten chemischen Analyse zu unterziehen. Leider ist die Mikrochemie heutzutage noch nicht im Stande uns Mittel in die Hand zu geben, welche in der oben erwähnten Hin- sicht irgend welche Ansprüche auf Exaetheit machen dürften. Es fällt recht schwer ohne die einleitende Behandlung der Präparate mit einem der gangbaren Fixationsmitteln hier irgend etwas be- ginnen zu wollen. Andererseits werden durch die übliche Fixation mitten ins Gewebe Stoffe hineingeschleppt, welche nachträglich den Gang der Reactionen mächtig beeinflussen. Uebrigens haben wir in den Zellen nicht mit einfachen chemischen Verbindungen zu thun, sondern mit verschiedenen Gemischen; in Folge dessen wird jede einfache Reaction zu einer recht eomplieirten und ihre Deutung eine vielfache. Es kann also nicht Wunder nehmen, wenn wir gegenwärtig mit Farbstoffen fürlieb nehmen müssen, ohne über die physikalisch-chemische Bedeutung ihrer Einwirkung vollständig im Klaren zu sein; nur muss mit Recht verlangt werden, dass die Farbenreaetion sich unbedingt durch Constanz und Schärfe aus- zeichne. Angesichts des eben Gesagten will ich mich über die nicht farbigen Reactionen, welche im vorliegenden Falle eventuell angewandt werden konnten, nicht weiter auslassen; ich beschränke Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. 301 mich auf das Hervorheben der Thatsache, dass ein mehrstündiges Liegenlassen der Schnitte (welehe mittelst des schon bekannten Verfahrens auf den Objectträgern befestigt wurden) in Aether für die nachfolgende Tinetion der Plasmosomen ohne irgend einen be- sonderen Einfluss bleibt: die Plasmosomen erscheinen etwas blasser gefärbt, doch bleiben sie in loco quo ante, wogegen die Fettkörn- chen (wenigstens ein Theil davon), welche in den Maschen des Zellmitoms ihren Platz haben, recht bald bei der Einwirkung des Aethers verschwinden. 7. In der mir zugänglichen Literatur habe ich keine ge- nauen Angaben über den feineren Bau des Darmepithels von As- caris mystax gefunden. Bei Leuckart!) finden sich zwar einige Bemerkungen über die eigenthümlichen fadenförmigen Ge- bilde, die wir im Anfang unserer Abhandlung besprochen haben ; aber nach Leuckart sind Darmepithelzellen innen und aussen von einer homogenen, von Porenkanälchen durchsetzten Membran bedeckt. Mir scheint es, dass die oben beschriebenen Bilder zu Gunsten einer anderen Annahme sprechen. Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Frage über Porenkanälchen des Darmepithels auch bei höheren Thieren eher verneint als bejaht wird2). Von der Beweglichkeit der genannten fadenförmigen Fortsätze konnte ich mich nicht überzeugen: selbst bei der Untersuchung von Darm- röhren unmittelbar nach ihrer Herausnahme aus dem Körper von Würmern waren die Fortsätze bewegungslos; leichtes Erwärmen der Präparate ändert an der Sache nichts. Noch zwei Umstände kann ich nicht unerörtert lassen. Wo- her kommen in die Zellen die schon erwähnten Körnchen von an- scheinend fettiger Natur? Wie bekannt, sind hier verschiedene Vermuthungen möglich. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass Iymphoide Elemente keinen Antheil daran haben, da solche im Körper des Wurmes gar nicht vorhanden sind. Die Thatsache, dass diese Körnchen grösstentheils in den tiefen (äusseren) Theilen der Zellen liegen, macht die Annahme einer direeten Infiltration wenig wahrscheinlich. Spielen hier die Zellen nicht die Rolle eines synthesirenden Agenten, wie es für das Darmepithelium 1) Leuckart, Die menschlichen Parasiten ete.; II. Bd., 1876, p. 56. 2) Cfr. Thanhoffer, Grundzüge der vergl. Physiologie u. Histologie, 1885, p. 175 u. ff. 302 Dr.S.M. Lukjanow: Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. höherer Thiere einige Forscher annehmen? Weiter muss gefragt werden: besitzt das Darmrohr des von uns besprochenen Parasiten die Fähigkeit in dieser oder jener Weise die Nahrung, die er aus dem Darmrohr des Wirthes erhält, zu verdauen, oder aber haben wir es hier mit einer anderen, zwar ebenso räthselhaften Function zu thun, nämlich mit der Resorption schon vom Wirththiere ver- dauter Nährstoffe? Wir sind gewöhnt, die Production der zur Ver- dauung nöthigen Fermente in Abhängigkeit von den Zymogen- körnchen zu stellen, und solche sind im vorliegenden Falle nicht vorhanden. Es wäre nicht überflüssig von diesem Standpunkte aus das Darmepithelium der freilebenden Ascariden genauer zu studiren: in der That stösst die Erforschung des pathologischen Parasitismus, eine der complieirtesten Aufgaben der allgemeinen Pathologie, einstweilen noch auf grosse Schwierigkeiten, insofern es um die Aufklärung der Beziehungen zwischen dem Baue der Formelemente, aus denen der Parasitenkörper besteht, und ihren eigenthümlichen Lebensverhältnissen sich handelt. Die Hoffnung ist nicht ausgeschlossen, dass bei solchen Untersuchungen sich That- sachen von mehr allgemeiner Wichtigkeit herausstellen würden. Erinnern will ich, dass in den letzten Jahren auf die körnigen Elemente des Protoplasma die Aufmerksamkeit in sehr weiten Verallgemeinerungen!) gelenkt worden ist. 1) Altmann, Studien über die Zelle, 1886. — Derselb e, Die Ge- nese der Zelle. Beiträge zur Physiologie, Carl Ludwig gewidmet, 1887, p. 235. Verbesserungen zu der Arbeit von P. D. Koch, pag. 54: S.55 2.25: Sirio statt Livio. „58 „ 35: Kreuzfasern statt Kranzfasern. 60 „ 14: diekes statt drittes. „60 „ 15: der beiderseitigen Kerne statt des Kerns. „68 „5 ff. muss stehen: In den geschild. klass. Hypogl.-Kern gehen die Wurzelfasern, indem sie wesentlich den von Meynert u. andern beschriebenen Verlauf nehmen, an der medialen Seite u. s. w. 68 „ 11: zeigen statt neigen. „68 „ 33: feinern statt feinen. „ 69 „ 32: Arthaud statt Artaud. 5 s IE | its pe rn er ee Bu 17 Nr en y + # hr Ueber Schrumpfungserscheinungen am hyalinen Knorpelgewebe des Menschen und deren Beziehungen zu den Fibrillen. Von Bern». Solger, ao. Prof. und Custos am anatom. Institut zu Greifswald. Hierzu Tafel XVIU. Bei Gelegenheit der vorjährigen Naturforscherversammlung (Wiesbaden 1887) berichtete ich in einem vor der vereinigien Z00- logischen und anatomischen Section gehaltenen Vortrage (20. Sept.) über die Ergebnisse, welche das fortgesetzte Studium des Knorpel- sewebes des Menschen und einiger Wirbelthiere mir geliefert hatte. Ich erlaube mir die damals gegebene Darstellung wesentlich in derselben Form, aber durch einige Zusätze erweitert, in dem I. Ab- schnitt dieses Aufsatzes wiederzugeben. Der II. Theil wird sich dann mit den Beobachtungen und Anschauungen anderer Autoren (nämlich von Flesch, Spina, Spronck, Van der Stricht, Weichselbaum u. A.) beschäftigen, soweit sie die vorausge- gangene Erörterung berühren. I. Wer sich auf die Untersuchung des hyalinen Knorpelgewebes!) im frischen Zustande beschränken wollte, wird leicht zu der Vor- stellung gelangen, dass es sich hier um eines der am einfachsten gebauten Gewebe handeln müsse. Er findet zellige Elemente von mannigfaltiger Form und eine homogene Intercellularsubstanz, in welcher entsprechend gestaltete Hohlräume, die Knorpelhöhlen, zur 1) Wenn später der Kürze halber nur vom „Knorpel“ ohne weiteren Zusatz die Rede sein wird, so ist stets das hyaline Knorpelgewebe hierunter zu verstehen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 20 304 Bernh. Solger: Aufnahme der Knorpelzellen ausgespart erscheinen. Bei Anwen- dung von Reagentien, die man in grosser Zahl und in den ver- schiedensten Concentrationsgraden auf das Gewebe wirken liess, eomplieirt sich das Bild. Es treten dann verschiedenartige Zeich- nungen im Bereiche der Intercellularsubstanz hervor, und es fragt sich nun, in wie weit solche Erscheinungen der Ausdruck einer präformirten Structur sind oder in wie weit man sie auf blosse Reagenzwirkung zurückzuführen hat. An dem wirklichen Bestehen einer fibrillären Struetur .des Knorpels, wie sie unter Schwalbe’s Leitung von Tillmanns mit Hülfe verschiedener Methoden (Tryp- sinverdauung, hypermangans. Kali, 10 procentige Kochsalzlösung) demonstrirt wurde, zweifelt gegenwärtig wohl Niemand mehr. An- ders steht es dagegen mit folgenden Punkten: Man glaubte Anlass zu haben, feine Saftkanälchen mit oder ohne eigene Wandungen im Knorpel!) annehmen zu müssen, welche die Zwischensubstanz durchsetzen und im Dienste der Ernährung stehen sollten. Oder man liess die einzelnen Zellen durch Protoplasmanetze mit einan- der verbunden sein, welchen dann die nämliche Rolle zugetheilt wurde, wie jenen. Es wurde ferner der Intercellular- oder Grund- substanz des Knorpels ein lamellöser Bau zugeschrieben (Thin, Reeves, Flesch, Van der Stricht), der sogar demjenigen des Knochengewebes an die Seite gestellt wurde. Endlich unterschied man noch neben den Fibrillen besondere „Fasern“ (Zuckerkandl, Spronck) oder „fibrilles intercapsulaires“ (Van der Stricht)?). Auch die „Bubnoff’schen Linien“, von denen weiter unten ge- handelt werden wird, sind hier zu erwähnen. Die Mannigfaltigkeit der Reagentien, die in Anwendung kamen), steht in geradem Verhältniss zu der grossen Anzahl der untersuchten Objecte. Vertreter fast aller Wirbelthierklassen, er- 1) Nicht bloss im Cephalopodenknorpel oder im Patellarknorpel höherer Thiere. 2) O. Van der Stricht, Recherches sur le cartilage hyalin. Arch. de Biolog. Tome VII, 1886, p. 80 des Separatabdrucks. 3) So sind zum Nachweis der sog. „Saftkanälchen“* folgende Reagentien empfohlen worden: Goldchlorür, Argentum nitricum, Osmiumsäure (verschie- dener Concentration), Chromsäure (concentrirt und bis 1:1000 verdünnt), neutrales chromsaures Ammoniak (5°/,) und ausserdem noch eine Anzahl von Injections-Methoden (vergl. Van der Stricht, 1. c., p. 34, 59 und 63). Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 305 wachsene und embryonale Formen lieferten das Gewebe und hierzu gesellt sich noch als wiederholt studirtes Objeet der Knorpel der Cephalopoden. Wer wollte den Werth ausgedehntester thatsäch- licher Erfahrungen an den gleichnamigen Geweben thierischer Formen für die Erkenntniss von Strueturverhältnissen leugnen ? Aber mit der Breite der empirischen Grundlage wächst nicht selten auch die Zahl der unbekannten oder verschiedenwerthigen Factoren, die gleichzeitig mit in die Rechnung eingeführt werden und dann scheint eine vorläufige Beschränkung der Forsehung auf kleinere, leichter zu übersehende Gebiete einstweilen angezeigt zu sein. Das grosse, die Lehre von dem Knorpelgewebe thierischer Organis- men überhaupt umfassende Arbeitsfeld sollte, wie ich glaube, eine Zeit lang parcellirt werden; denn, wie schon bemerkt, eine ganze Reihe der wesentlichsten Strueturverhältnisse derselben harren trotz unablässiger Bemühungen noch immer ihrer Aufklärung. Dinge, die wohl zusammenzufassen wären, werden von den einzelnen Autoren getrennt und erfahren eine abweichende Deutung. Striche- lungen der Grundsubstanz z. B., die durch verschiedene Behand- lung und aus Knorpel verschiedener Herkunft hervorgerufen, die grösste Uebereinstimmung unter einander zur Schau tragen, wer- den bald als Protoplasmafortsätze, bald als Saftkanälchen oder als Fasern gedeutet. Andrerseits hat es den Anschein, als wenn An- schauungen, die für andere Gewebe (das Knochengewebe) gelten oder für das Knorpelgewebe bestimmter thierischer Formen (Cepha- lopoden) zutreffen, die Deutung mancher Befunde am Knorpelge- webe anderer Herkunft allzusehr beeinflusst hätten. Vielleicht ge- lingt es mir, wenigstens einen kleinen Theil der sich erhebenden Fragen im Folgenden zu beantworten. Ich möchte jedoch, bevor ich in die Besprechung selbst eintrete, ausdrücklich hervorgehoben haben, dass ich weit entfernt bin, ohne vorherige Prüfung die hier im I. Abschnitt kundgegebenen Vorstellungen auf andere Objecte, als sie mir vorlagen (Gelenk-, Epiphysen- und Rippenknorpel des Menschen, Trachealknorpel und Rippenknorpel der Säugethiere), übertragen zu wollen. Unter den Reagentien, durch deren Einwirkung das Knorpel- gewebe für die mikroskopische Untersuchung vorbereitet zu wer- den pflegt, spielt auch der Alkohol eine grosse Rolle. Es sind aber nicht nur mikroskopische Veränderungen, welche durch ihn in der Struetur desselben hervorgerufen werden. Vielmehr zeigen sich 306 Bernh. Solger: nach Behandlung mit absolutem oder nahezu absolutem (96 procent.) Aethylalkohol gewisse optische Differenzen und Niveau-Unterschiede, die schon mit freiem Auge zu erkennen sind. Makroskopische Veränderungen. Die makroskopischen Veränderungen, von denen zuerst die Rede sein soll, treten am deutlichsten an dem verhältnissmässig dünnen, knorpeligen Ueberzug der Gelenkenden des Menschen her- vor. Es heben sich hier, vorausgesetzt, dass man das Object vor der Behandlung mit Alkohol nicht mit Wasser oder mit wässerigen Salzlösungen in Berührung gebracht hatte, glasartig durchsichtige, beträchtlich geschrumpfte Partien von solchen ab, die ihr opakes Aussehen und im Grossen und Ganzen auch ihr Volumen beibe- halten haben. Bei Individuen unter 15 Jahren ist die Neigung des Gelenkknorpels unter dem Einfluss des absoluten Alkohols glasartig durchsichtig zu werden, noch eine sehr geringe. Sie nimmt im Allgemeinen progressiv mit den Lebensjahren zu. Uebri- gens zeigt der Gelenkknorpel verschiedener Altersstufen, ebenso wie das Knorpelgewebe anderer Organe überhaupt auch im frischen Zustande „verschiedene physikalische Eigenschaften“ (Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre, 2. Aufi., p. 102). So bestehen sewisse Färbungsunterschiede, auf die ich kürzlich (s. die Fest- gehrift für Kölliker, 1837) aufmerksam machte!), mit denen aber jene geringere (in der Jugend) oder grössere Neigung (im Alter) zur Alkoholreaction Hand in Hand geht. Es wird ferner angegeben, das Knorpelgewebe jüngerer Individuen sei wasser- reicher als später und es liegt nahe, anzunehmen, dass die Al- koholreaetion nur die Folge einer einfachen Wasserentziehung sei, d. h. der Austreibung der freien, das Gewebe durchtränkenden, wässerigen Flüssigkeit; denn auch durch Trocknen wird der Ge- lenkknorpel glasartig durchsichtig, freilich in seiner ganzen Aus- dehnung?). Andrerseits ergeben andere wasserentziehende Rea- 1) Der Gelenkknorpel von Individuen unter 15 Jahren erscheint regel- mässig bläulich weiss, dagegen greift bei Personen mittleren und höheren Alters sehr häufig eine graugelbliche Verfärbung Platz. 2) Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass beim Trocknen das Durchsichtigwerden von der freien Fläche gegen die Tiefe fortschreitet, wäh- Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 307 gentien (Methylalkohol, Aether) die Differenzirung in die beiden Varietäten nicht. Daraus folgt, dass der Knorpel sein freies Wasser verloren haben kann, ohne eine Scheidung in Glas- und Opak-Knorpel einge- gangen zu sein. Die Sache ist demnach complicirter. Es scheint mir nun, als könnte eine Anschauung, welche von manchen Botanikern bezüglich der vegetabilischen Zellwand ver- treten wird, mit Vortheil auf die uns beschäftigende Frage über- tragen werden. Wiesner!) unterscheidet im Bereich der pflanz- lichen Zellwand capillares Wasser und Quellungs- wasser. Ersteres umspült die Dermatosomen, d. h. jene durch Zerstäuben gewonnenen, mikroskopisch eben noch wahrnehmbaren Körper, welche nach dem genannten Autor als organisirt und an dem Aufbau der Zellwand wesentlich betheiligt anzusehen sind. Solches capillares Wasser findet sich ferner in der Umgebung der feinen Plasmastränge, welche die Dermatosomen mit einander verbinden. Das „Quellungswasser“ dagegen ist von den Dermato- somen selbst aufgenommen. Diese Betrachtungsweise lässt sich, wie ich glaube, ungezwungen auf das Knorpelgewebe anwenden. Um von vornherein der Vorstellung entgegenzutreten, als hätten die feinsten Gefässe etwas damit zu tbun, mag die Bezeichnung: „eapillares Wasser“ lieber durch den Terminus interstitielles Wasser ersetzt werden, während der Ausdruck Quellungs- wasser beibehalten werden kann. Das interstitielle Wasser wiürae demnach die Zellkörper umspülen und daher die Zwischen- räume (Interstitia) ausfüllen, die zwischen jenen und der Wandung der Knorpelhöhlen übrig bleiben. Es findet sich ferner wohl auch im Bereich der Intereellularsubstanz, innerhalb der Heerde fibril- lärer Zerklüftung zwischen den Fibrillen oder Fibrillenbündeln und wird auch gröbere und feinere Spalten im Inneren der Intercellu- larsubstanz erfüllen. Bezüglich des Quellungswassers?) hätten wir rend bei der Alkoholwirkung umgekehrt — in der Regel wenigstens — das Durchsichtigwerden zuerst in der Tiefe sich bemerklich macht. 1) S. Sitzungsber. d. Kais. Acad. d. Wissensch. (Wien), Bd. XCII, Abth. I, Januar, Jahrgang 1886 und das Referat über Wiesner’s Arbeit im Biolog: Centralbl. Bd. VI, Nr. 14, p. 417 £. 2) Von der Quellungsfähigkeit des Knorpels sprechen u. A. auch Bic- falvi (1883) und Renaut (1887), allein sie meinen ebenso, wie ihre Vor- 308 Bernh. Solger: uns dagegen vorzustellen, dass dasselbe von den Fibrillen der In- tercellularsubstanz oder von der Kittsubstanz aufgenommen sei. Hinsichtlich der Wasserentziehung des Knorpels überhaupt wären also nach dem, was bisher (vergl. auch meine Angaben in Arch. f. Anat. und Physiol., Anat. Abth. Jahrgang 1886, p. 169 f. und Festschrift f. Kölliker, 1887, p. 105 £.) festgestellt wurde, fol- gende drei Fälle zu unterscheiden: I. Freies,interstitielles Wasser wird entzogen durch Methylalkohol, Aether — der Knorpelbleibtinseinergesamm- ten Ausdehnung opak; Il. freies, interstitielles Wasserundein(grössererodergeringerer)Theil des Quellungswassers wird entzogen durch ab- soluten Aethylalkohol — bestimmte Bezirke werden glasig, andere bleiben opak (wahrscheinlich sind es moleculare Veränderungen, welche das glasige Aussehen des Knorpels veranlassen); II. das gesammte freie (inter- stitielle) und Quellungswasser wird entzogen durch Trocknen — das ganze Knorpelgebiet wird glasig. Da die Alkoholreaction ausbleibt, wenn der Knorpel vorher einige Zeit (einige Stunden und länger) in Wasser oder wässerigen Salzlösungen gelegen hat, so muss die Intercellularsubstanz des abgestorbenen Knorpels noch weiterer Quellung (das ist auch die Meinung von Bicfalvi und Renaut) fähig sein. Durch di- rekte Messung lässt sich dies erweisen (s. Festschrift für Kölli- ker, p. 110). Dass nach dieser Wasseraufnahme das Glasigwer- den des Knorpels durch Alkohol nicht eintritt, konnte ich mehr- fach constatiren, allein eine Erklärung für diese Thatsache zu geben bin ich nicht im Stande. Mikroskopische Veränderungen. Einen neuerdings mehrfach discutirten und sehr verschieden gedeuteten Befund?) liefert die mikroskopische Untersuchung des mit gänger, damit die Eigenschaft des betreffenden Gewebes, dessen Zusammen- hang mit dem Organismus aufgehoben ist, Wasser in sich aufzunehmen. Die von mir entwickelte Anschauung basirt auf der Hypothese, dass das lebende Knorpelgewebe schon Quellungswasser enthält. 1) Vergl. Solger, Die Alkoholreaction des hyalinen RN in d. Festschrift f. A. v. Kölliker, 1887. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen ete. 309 absolutem Aethylalkohol behandelten Knorpels. Die Schnitte liegen dabei, wie wir einstweilen annehmen wollen, in Alkohol derselben Concentration (Spina’s Verfahren). Man sieht dann — wir neh- men an, das Gewebe stamme von einem Säugethiere — von der Wandung der Knorpelhöhlen zahlreiche feine Streifen ausgehen, die ihrem ganzen Habitus nach etwas eigenthümlich Starres oder Steifes zur Schau tragen. Bei Anwendung starker Systeme er- scheinen sie als schmale helle Bänder, die von dunklen Schatten begleitet werden. Sie erstrecken sich, manchmal, aber durchaus nicht immer, von der Wandung einer Knorpelhöhle zu derjenigen einer benachbarten. Dabei kommt es vor, dass die Streifen ver- schiedener Herkunft sich durehkreuzen. Allein man trifft sie auch ausserhalb aller Beziehung zu Knorpel höhlen (ZAuekerkandl, Nasenknorpel des Tapir, Solger, Trachealknorpel der Katze). Es ist diess eine Thatsache, die für die richtige Auffassung der Zeichnung, wie leicht ersichtlich sein dürfte, die grösste Bedeutung hat. Diese (parallele oder radiäre) Strichelung erscheint übrigens keineswegs so innig an die sofortige und ausschliessliche Einwirkung von absolutem Aethylalkohol ge- knüpft, als das Auftreten von Glas- und Porcellanknorpel. Ich kenne wenigstens kein anderes Mittel, welches die eben genannte Differenzirung hervorzurufen vermag. Die Strichelung dagegen tritt nach meinen am Säugethierknorpel gemachten Erfahrungen auch hervor, wenn man Glycerin oder 1Oprocentige Kochsalzlösung hatte einwirken lassen und nun erst secundär das Präparat mit Alkohol in Berührung bringt. Heitzmann, der hier in erster Linie zu nennen ist, hatte schon im Jahre 1872 nach Anwendung von Sil- bernitrat und Goldchlorid ein von den Leibern der Knorpelzellen (Gelenkknorpel des Hundes) ausgehendes Protoplasma-Netzwerk, das in Hohlräumen der Grundsubstanz verlaufe, beschrieben; Flesch!) erhielt später mit denselben Methoden ganz ähnliche Präparate (Gelenkknorpel von jungen Kaninchen) und macht da- rauf aufmerksam, dass schon Remak (1852), Heidenhain (1863) und Broder (1865) solche Bilder gekannt haben. A. Budge (1578) hatte sie mit Hülfe von Aether (Gelenkknorpel vom Kalbe) oder von starker Chromsäurelösung (dasselbe Objeet) (2:1) dar- 1) Flesch, Untersuchungen über die Grundsubstanz des hyalinen Knor- pels. Würzburg 1880. 310 Bernh. Solger: gestellt. Durch die Säure wird zwar der Knorpel zerstört, allein „bevor dies geschieht, zeigen sich in der Grundsubstanz ganz ähn- liehe Bilder“) wie bei der Behandlung mit Aether oder Alkohol. Ich sah genau denselben Vorgang nach Einwirkung von Kalilauge (35°%/,)) am menschlichen Gelenkknorpel sich abspielen. Bringt man einen Gelenkkörper, den Processus eubitalis z. B., mit Kali- lauge von der angegebenen Concentration zusammen und zwar so, dass die Flüssigkeit nur einen Theil des Objects bedeckt, so wird der unter dem Niveau der Flüssigkeit befindliche Theil des Knorpels binnen Kurzem (nach 4 Stunden) zerstört; am Rande des erhalten gebliebenen Knorpelgebiets zeigt sich nun auf Schnitten die be- treffende Zeichnung. Ganz ähnliche Bilder erhielt endlich Orth nach Behandlung von Knorpelschnitten mit Trypsin?), nachdem schon A. Budge (1878) „Andeutungen solcher intercapsulärer Gänge“ mittelst der Pepsinverdauung?) dargestellt hatte. Die beschriebenen Streifen (wenigstens die Alkoholstreifung) haben nun die charakteristische Bigenthümlichkeit, dass sie, ganz im Gegensatz zu dem, was sonst über die Wirkung des Alkohols auf andere, oder besser gesagt, wirkliche ana- tomische Structuren bekannt ist, zunächst nur bedin- gungsweise fixirt ist. In Wasser, wasserhaltigem Glycerin und selbst in unverdünntem Glycerin lässt sie sich, wenn bisher nur Alkohol auf das Gewebe eingewirkt hatte, nicht erhalten. Sie ver- schwindet bei Zusatz von Wasser und zwar sofort unter beträcht- licher Quellung des Schnittes spurlos. Es ist das Verdienst von Spronck®), eine Mischung angegeben zu haben, durch welche die „Alkoholstructur* (Spronck) vollständig fixirt wird. Sie hat folgende Zusammensetzung: Wässerige Chromsäurelösung (2°%,) 5 cem, Glycerin 5 cem, Absolut. Alkohol 30 cem. Alkoholschnittehen brauchen nur wenige Minuten der Ein- wirkung dieser Mischung ausgesetzt zu werden, um die Alkohol- 1) Orth, Cursus der normalen Histologie, 4. Aufl., 1886, p. 131. 2) S. Orth 1. c., p. 132. 3) S. unten auch die Angaben von Bicfalvi. 4) Spronck, Zur Kenntniss der Structur des Hyalinknorpels. Anatom. Anzeiger II, Nr. 9, p. 259—269. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 311 struetur fixirt zu erhalten. Um aber die Fixirung möglichst voll- ständig zu machen, empfiehlt Spronck die Schnitte 6-12 Stun- den in derselben zu belassen. Sie können dann, wie ich sowohl für das Knorpelgewebe des Frosches, als der Säugethiere bestä- tigen kann, monatelang in der gewöhnlichen Glycerinwasserlösung aufbewahrt werden, „ohne dass die Structur der Grundsubstanz im geringsten beeinträchtigt“ wird. — Aber auch längeres Liegen in Alkohol erweist sich für das Bestehen der „Alkoholstruktur“ schädlich, wie ich!) vor Kurzem zeigte. Die Zeichnung verschwindet bei länger dauerndem Auferthalt (Trachealring der Katze, 4 Tage in 96 procentigem Alkohol) in der Flüssigkeit, während die Grund- substanz ein homogenes, glasiges Aussehen annimmt; dafür schreitet sie centralwärts weiter vor und nimmt also nunmehr Stellen ein, die bisher der Einwirkung der Flüssigkeit weniger ausgesetzt waren. Es fragt sich nun: Wie ist die Streifung zu deuten, welche, meist im Anschluss an die Wandungen der Knorpelhöhlen, nach Behandlung des frischen Gewebes mit Alkohol, Aether und einer Reihe anderer, oben genannter Reagentien, deren Wirkung weniger offen zu Tage liegt, aufzutreten pflegt? Man hat in ihr Protoplasmafortsätze der Knorpelzellen sehen wollen (Heitzmann, Spina), oder ein feines Kanälchennetz (A. Budge). Flesch?) spricht von einer mit Bezug auf die „Zellen“ radiär gerichteten „Spaltbarkeit“, und Zuckerkandl, Spronck, 0. Van der Stricht nehmen sie mehr oder weniger bestimmt als den optischen Ausdruck von „Fasern“, beziehungsweise „Fi- brillen“ in Anspruch. Ich selbst habe sie als Schrumpfungs- phänomen bezeichnet (s. Festschrift für A. v. Kölliker) und muss auch jetzt noch an dieser Deutung festhalten. Irgend welche thatsächliche Stützen für die Annahme, dass es sich bei der in Rede stehenden Zeiehnung um Protoplasma- fortsätze oder um Saftkanälchen handeln möge, konnte ich für meine Person, obwohl ich dieselben Objecte wie Spina (Knorpel des Femurkopfes des Frosches) und Budge (Gelenkknorpel des Kalbes) mit denselben Methoden wie sie (Alkokol, Aether) studirte, dem mikroskopischen Bilde nicht entnehmen. Schon der eine oben 1) S. Festschrift f. A. von Kölliker (1887), 2) 1. c. p. 13. 312 Bernh. Soleger: bereits erwähnte Umstand, dass die Alkoholstrichelung durchaus nicht immer Beziehungen zu Knorpelhöhlen, geschweige denn zu Knorpelzellen erkennen lässt (Nasenknorpel des Tapir, Tracheal- knorpel der Katze), muss uns bedenklich machen. Eher könnte man an Fasern denken. Wir hätten dann neben den Fibrillen der Grundsubstanz (und neben den im Netzknorpel vorkommenden elastischen Fasern) noch „Alkohol-Fasern‘, wie man sie nennen könnte, zu unterscheiden. Aber dann müsste man sie doch auch einmal auf dem Querschnitt zu Gesicht bekommen, und zwar müss- ten sie dann wie die Fibrillen (oder Fibrillenbündel) in Zerklüf- tungsheerden (vergl. Fig. 1g, wo Fibrillenquersehnitte dargestellt sind), unter dem Bilde drehrunder oder abgeplatteter, scharf be- srenzter Gebilde erscheinen. Ich habe nie etwas derartiges auf „Alkoholfasern“ Bezügliches gesehen. Mit dieser Behauptung stehe ich allerdings in Widerspruch mit Spronck, welcher nach Alko- holbehandlung und weiterer Einwirkung seiner oben angeführten Mischung als Zusatzflüssigkeit das Querschnittsbild der Fasern im knorpeligen Femurkopf des Frosches ausdrücklich beschreibt. Er schildert sie (l. e. p. 266) folgendermaassen: „Der Querschnitt der Faser zeigt sich bei stärkerer Homogenimmersion rund und solid; die Faser ist stärker lichtbrechend, zeigt sich also dunkler als die schwächer lichtbrechende Kittsubstanz. Die Fasern sind ungleich dick, stehen oft in unregelmässigen Gruppen beisammen, innerhalb dieser mehrmals in regelmässigen Abständen von einander, welcher Umstand sie gerade leicht kenntlich macht.* An einer andern Stelle (l. e. p. 268) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, die Kenntniss des Querschnittes der Fasern schütze vor Verwechselung mit der Kittsubstanz von Fibrillen oder mit Spalten. Ich habe mir nach dem Studium desselben Objects (Femur- kopf des Frosches, entkalkt in salpetersaurem Alkohol und weiter behandelt nach Spronck) eine andere Anschauung gebildet, und möchte zur Prüfung derselben empfehlen, Stellen aufzusuchen, an denen die „intercapsulären Fasern“ nur spärlich, etwa zwei an der Zahl, vorhanden sind. Als Paradigma für das, was ich an solchen Stellen beobachtete, mag die Schilderung folgenden Befundes die- nen: Von dem Pol einer Knorpelhöhle erstrecken sich nach dem gegenüberliegenden Pol der Nachbarhöhle hin, ohne ihn jedoch zu erreichen, zwei solcher „Fasern“. Mit dem Heben und Senken des Tubus verschieben sich die vermeintlichen „Fasern“ immer in der- Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen ete. 313 selben Richtung, also beispielsweise von rechts nach links. In jeder optischen Ebene ist an jeder „Faser“ ein dunkler Contour und eine helle Randzone zu constatiren. Dabei ändert sich aller- dings die Ausdehnung dieser „Fasern* etwas (sie verlängern sich bis zur Berührung der Wandung der Nachbarhöhle) und ebenso ihre Form (eine derselben gabelt!) sich). Allein die Bilder der verschiedenen optischen Ebenen gehen ohne Unterbrechung suc- cessive in einander über und so wird man nach dem, was ich mit- theilte, doch nicht umhin können, anzunehmen, dass diese „Fasern“ von flächenhafter Ausdehnung sind. Dass Spronck etwas ganz Anderes unter seinen „Fasern“ verstehe, als ich, ist kaum anzu- nehmen, denn seinen eigenen Worten zufolge haben die fraglichen Gebilde einen „leicht geschlängelten Verlauf und verbinden benach- barte Zellkapseln mit einander“. Er fügt freilich noch hinzu, diese Fasern perforirten die Zellkapseln und seien in feine Poren- kanälchen aufgenommen. Doch genug hiervon, ich wollte mich ja an dieser Stelle auf den Knorpel des Menschen und der Säuge- thiere beschränken und ‘so mag denn die Aufklärung des Sach- verhalts am Froschknorpel späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Am Säugethierknorpel kommt es übrigens zu ganz ähn- lichen Veränderungen des Lichtbrechungsvermögens; diese Zonen sind auch hier nicht bloss von lineärer Ausdehnung, sondern durch- setzen in Form von schmalen Bändern die Grundsubstanz (s. u. die Beschreibung von Fig. 3). Im Allgemeinen tritt die Alkoholstreifung bei den gleichen Knorpelbezirken der Säugethiere stets in derselben Anordnung auf. Es ist leicht zu zeigen, dass bestimmte gesetzmässige Beziehungen derselben zur Form und Anordnung der Knorpelhöhlen obwalten (s. u. A. Fig. 9 und 10 in meinem schon öfters eitirten Beitrag zur Festschrift f. A.v. Kölliker). Das innere Gefüge, näm- lich die Form und Vertheilung der Knorpelhöhlen, ist hierbei von deutlichem Einfluss, das entscheidende Moment scheint aber die Richtung der Fibrillen abzu- seben. Am klarsten tritt dieses Verhältniss an der Oberfläche der Rippen- und Trachealknorpel der Säugethiere zu Tage und 1) Nach Sprouck (p. 267) sind die Fasern „unverzweigt“. 314 Bernh. Solger: zwar auf Schnitten senkrecht zur Längsaxe derselben. Doch liegen die Knorpelhöhlen (in radiärer Richtung abgeplattet) der Ober- fläche parallel oder genauer concentrisch mit dem Contour der- selben. Dementsprechend geht hier die Strichelung von den Breit- seiten der Knorpelhöhlen aus und verläuft in paralleler Anordnung radiär gerichtet. Weiter centralwärts ist die Anordnung und Ge- stalt der Knorpelhöhlen eine weniger einheitliche. Sie erscheinen von ovaler oder rundlicher Gestalt, mit ihrem längeren Durch- messer meist senkrecht oder in verschiedenen Winkeln gegen die Oberfläche gerichtet. Damit steht die Mannigfaltiskeit der Orien- tirung, welche die Alkoholstreifung zeigt, im Einklang; die Streifen sind hier mehr radiär oder diagonal oder selbst tangential an- geordnet. Von den Fibrillen weiss man bezüglich der Rippenknorpel, dass sie der Oberfläche parallel verlaufen!) und zwar vor Allem in einer zur Längsaxe der Rippe senkrechten Richtung. „Die ausserordentlich zarte Faserung der Grundsubstanz“ ist nach v. Ebner?) „an der Peripherie vorwiegend eireulär gerichtet, wäh- rend die äusserste subperichondrale Schicht aus deutlich longitu- dinalen®) oder in der Längsriehtung sich durchkreuzenden Fäser- chen besteht. Im Innern des Knorpels dagegen sind die äusserst zarten Fäserchen anscheinend nach allen Richtungen durcheinander gefilzt, doch so, dass sie in den diekeren Balken zwischen den Gruppen der Knorpelzellen im Allgemeinen mehr in der Längs- richtung dieser Balken verlaufen“. Flesch*) spricht geradezu als von einem allgemein gültigen Satze, dass „bei alten wie bei jungen Thieren die Fibrillen in den oberflächlichen Schichten des Knor- pels der Oberfläche parallel, in den tieferen Theilen senkrecht zu derselben“ verlaufen), und leitet, gestützt auf die Ergebnisse der 1) Donders, Mikroskop. u. mikrochem. Untersuchungen thierischer "Gewebe. Holländische Beiträge, p. 39, 252 (eitirt nach Spronck). 2) V.v. Ebner, Untersuch. üb. d. Ursachen der Anisotropie organi- sirter Substanzen. Leipzig 1882, p. 69. 3) Höchst wahrscheinlich beziehen sich Baber’s Angaben von dem Vorkommen einer longitudinalen Faserung im hyalinen Rippenknorpel auf diese Lage (eitirt nach Spronck, l. c. p. 262 und 293). 4) 1. ce. p. 76. 5) Vergl. auch Kolster, Arch. f. mikroskop. Anat. 1837, p. 533. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen ete. 315 experimentellen Untersuchungen von Schwalbe (1878) den Satz ab, dass wahrscheinlich doch „noch nachträglich Umlagerungen in der Grundsubstanz stattfinden“. Nehmen wir nun einmal an, es handle sich bei der Alkohol- reaction um eine Verkürzung der Knorpelfibrillen und um eine Verdichtung der zugehörigen Kittsubstanz. Stellen wir uns ferner vor, es wären umschriebene Stellen ganzer Bündel solcher Fibrillen gleichzeitig davon be- troffen, so würde eine solche Aenderung der Lage der Theilchen zu einander, wie der Alkohol sie hervorbringt, recht wohl in der Form von Bändern oder mehr oder minder ausgedehnten Streifen ihren optischen Ausdruck finden können. Aus der Anordnung der Fibrillen wird sich dann mit einiger Sicherheit die Richtung der Verdichtungsstreifen vorhersagen lassen. Sie wird auf Schnitten senkrecht zur Längsaxe (Rippen-, Trachealknorpel) in der oberflächlichen Schicht eine radiäre, weiter centralwärts eine tangentiale oder diagonale sein, und thatsächlieh lehrt die Beobachtung dasselbe. Dass wirklich die Fibrillen bei dem Vorgange in Mitleiden- schaft gezogen werden, dafür sind freilich bis jetzt von mir keine Beweise erbracht. Der absolute Aethylalkohol, unter dessen Ein- fluss die Intercellularsubstanz unter Umständen vollkommen ho- mogen und völlig glasartig wird, ist selbstverständlich kein ge- eignetes Reagens, die Fibrillen deutlicher hervortreten zu lassen. Ich riehtete daher mein Augenmerk auf die Stellen, an denen die fibrilläre Zerklüftung der Intercellularsubstanz des Knochens spontan erfolgt, in der Erwartung, doch vielleicht durch die direete Beob- achtung Beweise für die soeben entwickelte Anschauung aufzu- finden. Es sind dies 1) die Rippenknorpel (Mensch) und 2) gewisse Stellen, an denen der Vorgang der endochondralen Verknöcherung sich vollzieht, genauer die hypertrophische Zone der knorpeligen Epiphysen, in dem vorliegenden Falle der distalen Epiphyse der Ossa metacarpi eines einjährigen Kindes. Ich wende mich zuerst zur Beschreibung des in Fig. 1 dar- gestellten Objectes. Stückchen des Rippenknorpels eines 12jährigen Individuums wurden, ohne mit einer anderen Flüssigkeit in Be- rührung gekommen zu sein, direct in 7Oprocentigen Alkohol gelegt, sodann unter Alkohol derselben Concentration geschnitten und die 316 Bernh. Solger: Schnitte, während sie in derselben Flüssigkeit lagen, untersucht (Zeiss, homogene Immersion !/js). In der linken Hälfte der Figur zeigt sich ein Heerd fibrillärer Zerklüftung (f); bei qu sind Quer- schnitte von Fibrillen oder Fibrillenbündel zu sehen. Neben gröberen welligen Knickungen bestehen im Grenzgebiet (rechts und unten) des Zerklüftungsheerdes zahlreiche feine Fältelungen von Fibrillen- bündeln, die in Form von schmalen Streifen senkrecht zur Längs- ausdehnung der Fibrillen verlaufen und zum Theil in die hyaline (nicht zerklüftete) Grundsubstanz übergreifen. Neben diesen von dem Zerklüftungsheerde her eindringenden Streifen sind noch zahl- reiche andere zu constatiren, welche gleichfalls unter einander und mit jenen parallel verlaufend, von der Wandung der Knorpelhöhlen ausgehen. An ihnen ist ebenso, wie an den vorhin genannten Streifen, soweit sie innerhalb des hyalinen Gebietes verlaufen, ein dunkler und ein heller Saum zu unterscheiden. Sie verhalten sich also in optischer Beziehung ganz so, wie die Alkoholstreifen im Tracheal- und Rippenknorpel der Säugethiere. Was das vorliegende Präparat aber vor diesen voraus hat, das ist der Umstand, dass man an demselben die Alkoholstreifen des hyalinen Gebietes aus Faltungen der Fibrillenbündel des zer- klüfteten Bezirkes unmittelbar hervorgehen sieht. Schon vor längerer Zeit hat A. v. Brunn!) an Stellen endo- chondraler Verknöcherung auf das Vorkommen eigenthümlicher Faserzüge aufmerksam gemacht. Er fand auf Schnitten durch ge- wisse Skelettheile junger Thiere (Metacarpus des Kalbes) im Epi- physenknorpel Gruppen von Fasern, die in der Proliferationszone beginnen und von hier „geradlinig zwischen den Zellsäulen hin durch die Verkalkungszone und die Ossificationsgrenze bis in den Knochen hinein“ zu verfolgen sind. Sie sind im Allgemeinen pa- ralle} der Längsaxe des Knochens angeordnet; Längsschnitte zeigen sie daher in ihrer ganzen Ausdehnung, auf Querschnitten erscheinen sie punktförmig. Bei Anwendung des Karmins und Hämatoxylins (Doppelfärbung) auf frische Schnitte sah v. Brunn die Fasern keinen der beiden Farbstoffe annehmen; sie unterscheiden sich dadurch sowohl von der Knorpelgrundsubstanz, welche die Knorpel- zellen zu Säulen vereinigt, als auch von der weichen, in Wasser 1) A.v. Brunn, Beiträge zur Össificationslehre. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874, p.1 f. Ueber Schrumpfungserschein. a hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen ete. 317 und dünnen Salzlösungen quellbaren !) Zwischensubstanz, in welche sie eingebettet sind. Erstere erscheint alsdann blau gefärbt (Hä- matoxylinwirkung), letztere blassroth (Karminwirkung). Diese Fa- sern bezeichnet nun v. Brunn als „elastische Stützfasern des ossi- fieirenden Knorpels“. Hierzu bestimmt ihn das Verhalten, das dieselben der Essigsäure und Kalilauge gegenüber und bei lange fortgesetztem Kochen zu erkennen geben. Essigsäure und Kali- lauge bleiben beide „völlig wirkungslos auf diese Gebilde“. Kocht man die Epiphyse längere Zeit, so wird „die übrige Knorpelgrund- substanz völlig gelöst“, allein die Fasern bleiben „wohl erhalten in dem angrenzenden Knochen hangen als einziges Ueberbleibsel des ganzen Epiphysenknorpels.*“ — Was das Vorkommen dieser Fasern betrifft, so fand v. Brunn sie im Allgemeinen nur in sol- chen Knochen, welche mechanisch in Anspruch genommen werden. Aus diesem Grunde wählte er für sie die Bezeichnung „Stütz- fasern* ; sie sollen dazu bestimmt sein, den Wucherungszonen des ossifieirenden Knorpels mehr Halt zu geben. Den Knochen der Embryonen gehen sie im Allgemeinen ab; ihr Vorkommen in der noch durchaus knorpeligen Anlage des Cuboids bei einem 7monat- lichen menschlichen Fötus und einem neugeborenen Kinde be- zeichnet Verf. als ‚besonders auffallend“ (l. c. p. 6). In den noch nieht verknöcherten Phalanxknorpeln fanden sich die Fasern nur selten. In Fig. 2 sind die v. Brunn?) beschriebenen Faserzüge aus der völlig knorpeligen distalen Epiphyse eines Metacarpalknochens vom einjährigen Kinde dargestellt. Die Vorbehandlung des Ob- jeets war folgende: Dasseibe wurde zunächst auf mehrere Wochen in Müller’sche Flüssigkeit (wiederholt gewechselt) eingelegt, so- dann gründlich ausgewässert und hierauf in 70°, Alkohol aufbe- wahrt. Um das Objeet (nach mehreren Monaten) schnittfähig zu machen, entkalkte ich in v. Ebner’s Flüssigkeit. Neuerdings gut ausgewässert, gelangte das Stück in 70 procent., in 95procent., in absoluten Alkohol, hierauf in eine Mischung von Alkohol und 1) Sie findet sich freilich (l. c. p. 5) wieder als „elastische Zwi- schensubstanz der elastischen Stützfasern“ bezeichnet. 2) Auch Frey spricht von einem „faserigen“ Aussehen der Grund- masse zwischen den Längsreihen der Knorpelzellen (Handbuch d. Histol. und Histochemie d. Menschen, 4. Aufl., 1874, p. 182). 318 Bernh. Solger: Aether (zu gleichen Theilen), um von da in dünnflüssiges und schliesslich in diekflüssiges Celloidin übergeführt zu werden. Um eine möglichst feste Consistenz der Einbettungsmasse zu erreichen, pflegt man die Celloidinlösung sammt dem von ihm um- schlossenen Gewebe bekanntlich in einem Gefäss mit unvollkommen schliessendem Deckel aufzubewahren. Nach einer Reihe von Tagen — wie lange dies dauert hängt von verschiedenen Umständen (Temperatur, Gehalt der Celloidinlösung an Flüssigkeit) ab —, in diesem Falle nach etwa 6 Tagen und nach weiterem 24stündigen Verweilen in dünnem Alkohol (60°/,) hatte die Masse die gewünschte Consistenz erlangt, um mit dem Mikrotom in hinreichend dünne (0,005 mm) Schnitte zerlegt werden zu können. Hierauf Färbung mit karminsaurem Natron und alsdann mit Ehrlich’s saurem Hä- matoxylin; Eindecken der Schnitte in Canadabalsam (in Xylol ge- löst). Die mikroskopische Untersuchung, mit verschiedenen Ob- jeetivsystemen (besonders mit Zeiss D und der homogenen Im- mersion 1/js) angestellt, ergiebt Folgendes: Die Intercellularsubstanz ist im Bereiche der hypertrophischen Zone stellenweise in feine, parallele Fibrillen zerklüftet. Die Richtung dieser Fibrillen, die in Gruppen beisammen liegen, verläuft der Längsaxe des Knochens, beziehungsweise dem Längsdurehmesser der Knorpelzellreihen pa- rallel. Schon mit schwachen Systemen (Zeiss A) bemerkt man in verschiedener Höhe des Knorpels transversal verlaufende Bän- der, die mit Hämatoxylin sich etwas intensiver imbibirten als die fast ganz farblos gebliebene Intercellularsubstanz und daher dunkler erscheinen, als ihre Umgebung. Diese Bänder zeigen nicht an jeder Stelle ihres Verlaufs dieselbe Höhe. Sie erscheinen bald schmaler, bald breiter, im letzten Fall meist in mehrere Unterab- theilungen gespalten, die entweder in die Umgebung sich verlieren oder wieder zur Hauptmasse zurückkehren. Wo die Zwischen- substanz homogen ist — und diese Bezirke übertreffen an Aus- dehnung die zerklüfteten Zonen bei Weitem —, da verhalten sich die Querbänder bezüglich 'ihres optischen Aussehens ebenso, nur sind sie dunkler. Da, wo die Querbänder dagegen in das Ge- biet der Fibrillenbündel eintreten, auf die sie im rechten Winkel treffen, kommt es zu leicht welliger Faltung der letztgenannten. Die Faltungszone entspricht bezüglich ihrer Ausdehnung in senkrechtem Durchmesser derjenigen des Querbandes, das sich rechts und links an sie anschliesst, Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 319 vollkommen. Es leidet keinen Zweifel, dass beide :zusammen- gehören. Sehen wir nun zu, über die Bedeutung der Zeiehnung, die, je nach dem Zustande der Grundsubstanz, wie wir soeben hörten, verschiedenen Ausdruck gewinnt, in’s Klare zu kommen! Alle An- zeichen sprechen dafür, dass wir es hierbei mit einem Kunstpro- dukt zu thun haben. Um diess zu erweisen, muss ich etwas weiter ausholen. Die Physiker!) beobachteten, dass viele sog. colloidale Sub- stanzen, wie Collodium, Gelatine und andere beim Uebergang aus dem gelösten in den festen Zustand eine erhebliche Contraction zeigen, dass es weiterhin zu inneren Spannungen oder Pressungen, das heisst doch wohl zu Annäherungen der Theilchen kommt, die bei Untersuchung im polarisirten Liehte in deutlichen Erscheinungen der Doppelbrechung zum Ausdruck gelangen. Dabei bestimmt die Form des Gefässes, wie dieses von Klein, Klocke und Ben Saude nachgewiesen wurde, die Richtung der inneren Spannungs- zonen. Eine anatomische Structur fehlt ja selbstverständlich den genannten Substanzen; hier kommt es also im Verlaufe eines rein physikalischen Vorganges zu einer Differenzirung in einfach- und doppeltbrechende Gebiete. Es wird sich kaum etwas dagegen ein- wenden lassen, wenn wir diese Thatsache zur Erklärung des uns beschäftigenden Falles beiziehen. Wir hörten soeben, dass das festwerdende Collodium Ver- schiedenheiten der Spannung im Innern erleidet. In ähnlicher Weise wird wohl auch der mit Celloidin, jenem mit Collodium so nahe verwandten Stoff, durchtränkte Knorpel — es handelte sich um zartes, jugendliches Gewebe — an manchen Stellen stärker zusammengepresst werden können, als an andern. Diese Pres- sung äussert sich in verschiedener Weise, je nachdem die Fibrillen isolirt oder, wie es im normalen hyalinen Knorpelgewebe der Fall ist, durch eine Kittmasse zu einer scheinbar homogenen Substanz zusammengehal- ten werden. Im ersteren Fall tritt uns eine wirkliche Fal- tung entgegen, die mit bewafinetem Auge wahrzunehmen'ist. Im 1) Klein, W., Beiträge zur Kenntniss der optischen Aenderungen in Krystallen unter dem Einflusse der Erwärmung. Inaugural- Dissertation, Bonn 1884. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 21, 21 320 Bernh. Solger: letzteren Falle gelangt die Verschiebung der Theilchen durch eine Aenderung des optischen Verhaltens (gleichfalls schon bei Unter- suchung im unpolarisirten Lichte) zum Ausdruck !). Aeltere Beobachtungen und Deutungen Flemming’s, die in seinen „Beiträgen zur Anatomie und Physiologie des Bindege- webes“2) niedergelegt sich finden, können ungezwungen hier einge- reiht werden. Es handelt sich um die bei Säureeinwirkung an Bindegewebsbündeln (und zwar, was sehr charakteristisch ist, be- sonders an dieken) nicht selten auftretende „Querzeichnung“, um eine Erscheinung, die „am besten während des Anfangs der Säurewirkung sichtbar ist, nur selten sich längere Zeit erhält“. Auch an Chlorgoldpräparaten (der Cutis z. B.), die vor der Ver- goldung angesäuert waren, fand E. Fischer die Querzeichnung der Bündel auffallend scharf ausgeprägt. Durch Flemming wurde nun festgestellt, dass die Erscheinung „durch das ganze Bündel“ sich hindurch erstreckt, dass es sich also nicht um oberflächliche Streifen handelt (s. 1. e. Taf. XVIIL, Fig. 13a u. b). Das ganze Phänomen wird von ihm auf die „geschlängelte Lage der Fibrillen beim Zutritt der Säure“ zurückgeführt; denn er sah es „nie an gespannten“ Bündeln zu Stande kommen, son- dern immer nur an solchen, „die in starke Schlängelungen gelegt waren; diese quollen so, dass die einzelnen Windungen sich der Quere nach gegen einander pressten und als Ausdruck ihrer Be- rührungsgrenzen in der aufquellenden Masse eine zarte Querscheibe zurückliessen“. Denn mit der Verdiekung beim Quellen tritt auch eine Verkürzung?) der Bündel ein, und „Dank der Letzteren rücken dann die Querscheiben enger zusammen als sie im An- fang lagen“. 1) Ich erlaube mir hier an Bunge’s Ausspruch, für dessen Begründung ich ihm freilich die volle Verantwortlichkeit überlassen muss, zu erinnern, es sei ebenso wenig wie in der Physiologie des Stoffwechsels in irgend einem der übrigen Gebiete der Physiologie gelungen, irgend welche Lebenserschei- nungen auf physikalische und chemische Gesetze zurückzuführen. Was sich physikalisch erklären lasse, das seien Vorgänge, bei denen die betreffenden Organe absolut passiv in Mitschwingungen versetzt würden durch die von aussen in sie eindringenden Bewegungsvorgänge (vergl. Bunge, Vitalismus und Mechanismus, 1886). 2) Archiv f. mikroskop. Anat. Bd. 16, p. 419 £. 3) Also wie bei der Schrumpfung, wenn auch graduell verschieden. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 321 Also die Schlängelung oder Faltung der Bündel muss voraus- gehen, mit andern Worten: jene kleinen Kniekungen, welche bei allen Fibrillen „ecorrespondirend in einer und derselben queren oder schiefen Ebene“ zu liegen pflegen, müssen schon bestehen, wenn an Bindegewebsbündeln die Erscheinung zu Stande kommen soll, die im Grunde nur darauf beruht, dass „einzelne Schichten im Innern stärker zusammen gehalten werden, wie andere“. Aber eine Structur-Eigenthümlichkeit spielt dabei keine Rolle! Was hier am Bindegewebe die Faltung bewirkt, mag am Knorpel auf Rechnung anderer Factoren (Auftreten gewisser Spannungsunter- schiede bei dem Herstellen der feinen Schnittehen oder dergleichen) zu setzen sein, aber desshalb auf eine präformirte Structur der Knorpel-Grundsubstanz zu schliessen, scheint mir nicht gerecht- fertigt. Wie wir oben sahen, deutet v. Brunn, gestützt auf das che- mische Verhalten der von ihm im ossifieirenden Knorpel entdeckten Faserzüge, dieselben als „elastische“. — Dass im echten hyalinen Knorpel elastische Fasern vorkommen, hat Tillmanns!) an Prä- paraten nachweisen können, welche „ungenügend mit Trypsin ver- daut waren und dann in 10°, Kochsalzlösung gelegen hatten“. Da Trypsin ebenso wie Pepsin die elastische Substanz auflöst?), so sind elastische Fasern an Trypsinpräparaten in der Regel nicht sichtbar. War es doch der Fall, dann erschienen sie unter der Form eines „zierlichen Netzwerkes“, also etwas anders angeordnet als in v. Brunn’s Object.. Der Hauptmasse nach besteht die Grundsubstanz des Hyalinknorpels nach Tillmanns in histologi- scher und chemischer Beziehung aus „leimgebendem fibrillären Bindegewebe mit reichlicher mucinöser Kittsubstanz‘‘. Die „Fasern und Faserbündel“, in welche T. die Grundsubstanz des Hyalin- knorpels zu zerlegen lehrte, waren von „Bindegewebsfibrillen“ nicht zu unterscheiden. Die Kittsubstanz verklebt die „Fasern“ zu einer nur „scheinbar homogenen Masse“. Es:'gelang ihm also, mit Hülfe chemischer Reagentien die Auffaserung des normalen Hyalin- knorpels zu erzeugen, die unter pathologischen Verhältnissen zu Stande kommt, und gerade diese Thatsache bildete, wie T. selbst 1) Tillmanns, Ueber d. fibrilläre Structur des Hyalinknorpels. Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abth. 1877, p. 18. 2 te a 322 Bernh. Solger: hervorhebt, den Ausgangspunkt seiner grundlegenden Unter- suchungen. Auch Orth!) sieht in den Elementen des „faserigen Zerfalls“ (Rippenknorpel älterer Individuen) „Knorpelgrundsubstanzfasern“ ; er bezeichnet sie gleichzeitig auch als „Chondrinfasern“. Wir haben es nicht mit gewöhnlichen Bindegewebsfasern zu thun, wie sie dem Bindegewebsfaserknorpel eigen sind, „denn sie quellen in Essigsäure nicht auf‘; es sind auch keine elastischen Fasern, wie im Netzknorpel, „denn sie lösen sich beim Kochen in Leim auf“. Angesichts der Divergenz der soeben vorgetragenen Meinungen ist es schwierig, ein Urtheil über die Natur der von v. Brunn und mir beschriebenen Faserzüge abzugeben. Stellt man das Ver- halten gegen Essigsäure in den Vordergrund, so könnten es ebenso gut „Knorpelfasern“ sein, wie elastische Fasern, berücksichtigt man aber ihre Persistenz beim Kochen, so wird es wahrscheinlich, dass es sich um die zuletzt genannten Gebilde handeln möge. Hiergegen spricht nur wieder der Umstand, dass die Zerklüftung spontan zu Stande kommt, wie bei den Rippen- und Kehlkopf- knorpeln. Auch ist ihr paralleler Verlauf nicht mit der oben an- geführten Angabe von Tillmanns in Einklang zu bringen, nach welcher die elastischen Fasern des Hyalinknorpels in Form eines „zierlichen Netzwerkes“ angeordnet sind. Ich muss es daher einst- weilen unentschieden lassen, ob v. Brann mit seiner Deutung im Rechte ist oder nicht, möchte aber doch nicht unterlassen, zu be- tonen, dass auch manche Umstände zn Gunsten der Anschauung, dass es sich um „Knorpelgrundsubstanz-Fasern“ handelt, geltend gemacht werden können. Auf keinen Fall wird man diesen bei Schrumpfung der Grundsubstanz sich faltenden Fibrillenbündeln eine Stützfunction zuschreiben dürfen. Es war oben darauf hingewiesen worden, dass die durch Schrumpfung hervorgerufene Verdiehtungszone der Grundsubstanz des Epiphysenknorpels in Hämatoxylin mehr sich imbibire, als ihre Umgebung. Zuckerkandl und Spronck gaben für die „Alkoholfasern“, wie ich der Kürze halber die durch jenes Reagens hervorzurufende Streifung im Knorpel nennen will, gleichfalls an, dass sie gewisse Farbstoffe (alkohol. Anilinroth, Indigcarmin ?) 1) Orth, Cursus d. norm. Histolog. 4. Aufl., p. 129. 2) Wenn man kleine Mengen einer concentrirten Lösung von indig- Ueber Schrumpfungserscheiu. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 323 energischer festhielten, als die übrige Grundsubstanz. Diese That- sachen scheinen doch, könnte man einwerfen, für eine bestimmte Struetur zu sprechen und vielleicht sogar auf eine chemische Dif- ferenz der betreffenden Elemente gegenüber ihrer Umgebung hin- zuweisen. Ich bin nicht so unbesonnen, chemische Processe bei der Tinetion ganz zu leugnen. Die interessanten Reactionen ge- wisser Anilinfarben auf die amyloide Substanz sind ja allgemein bekannt. Solchen Tinetionen, die sich unter bestimmten Farben- änderungen vollziehen, kommt gewiss der Werth eines chemischen Processes zu; das celassische Beispiel hierfür ist die amyloide Sub- stanz!). In wässerigen Lösungen von Jodviolett färben sich amy- loid degenerirte Theile bekanntlich leuchtend roth, die normalen Gewebe mehr blauviolett (Jürgens); eine ähnliche Reaction giebt Methylviolett (Cornil 1875), in dessen wässerigen Lösungen ausserdem auch die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels eine röthliche Färbung annimmt, während die Zellen und ihre Kapseln violett werden. In Methylgrün (Cursehmann 1880) färben sich die Kerne grün, amyloide Substanzen violett, die hyalinen Harn- eylinder ultramarinblau ?). | Auf der andern Seite wird es auch Niemanden im Ernste ein- fallen, allen den bislang bekannt gewordenen, an den Geweben durch Tinetionsmittel hervorzurufenden Farbe - Aufspeicherungen den Werth ehemischer Verbindungen zuzuerkennen. Es giebt viel- mehr unzweifelhaft eine grosse Reihe von Fällen, in denen rein physikalische Factoren, z. B. Oberflächenattraction, wie wohl zu- erst Gierke?) klar ausgesprochen hat, bei der Färbung wirksam schwefelsaurem Natron auf dem Objectträger eintrocknen lässt, so erscheint der Trockenrückstand bei durchfallendem Lichte blau, bei auffallendem aber schmutzigrotli. Dieser Eigenschaft verdankt das Salz wohl die Nebenbezeich- nung: Indigcarmin. 1) H. Gierke, Färberei zu mikroskop. Zwecken. Braunschweig 1885, p. 219. — Flesch, Bemerkungen zur Kritik der Tincetionspraparate. Zeitschr. f. wiss. Mikroskop. Bd. II, p. 475. 2) Vergl. auch Unna, Chemische Theorie der Färbung. Arch. f. mikrosk. Anat. XXX, p.38, und Griesbach, Weitere Untersuchungen über Azofarbstoffe behufs Tinetion menschl. u. thier. Gewebe. Zeitschr. f. wiss. Mikroskop. Bd. III, p. 358. 3) l. c. p. 195. Vergl. auch Flesch, l. c., ferner Dekhuyzen (Cen- tralbl. f. d. med. Wissenschaften, 1886, Nr. 51 u. 52). 324 Bernh. Solger: sind. So machte u. A. Lehmann!) die Ergebnisse von Versuchen bekannt, die sich mit der Farbenabsorption durch quellbare Körper beschäftigten; er fand, dass auch 'die Imprägnation mit Eosin von einem bestimmten physikalischen Zustand des Gewebes beherrscht wird. Kleine, quadratisch zugeschnittene Stückchen Gelatine wur- den, in einem Tropfen Wasser liegend und mit uhrglasförmigem Deckglase bedeckt, ungleichmässig erwärmt. Bei dieser Versuchs- anordnung quoll nur die eine Hälfte des quadratischen Blättchens auf und verlor am Rande sich diffus ins Wasser. Liess er nun „Eosinlösung zufliessen, so färbte sich mit der Zeit die scharf- kantig gebliebene ungequollene Hälfte sehr intensiv roth, während dagegen die andere allmählich gegen den Rand hin abnehmende Färbung zeigte, die an der muthmasslichen Grenze gegen die Flüssigkeit sich nicht von dieser unterschied.“ Zur; Erklärung dieses Befundes stellt Lehmann folgende Ueberlegung an. Die Quellung der absorbirenden Substanz findet stetig statt; es ist nicht anzunehmen, dass während derselben eine Aenderung der chemi- schen Zusammensetzung erfolgt. Die Verbindung des Farbstoffes mit”der Substanz würde also, wenn ihr die Bedeutung eines chemi- schen Processes zukäme, unter’ diesen Umständen nicht gestört werden. Da nun aber gequollene und nicht gequollene Massen, die gleiche Quantitäten Trockensubstanz enthalten, sich nicht, wie man auf Grund jener Anschauung erwarten sollte, gleich, sondern ungleich intensiv färben, so spricht der angezogene Versuch viel- mehr zu Gunsten der Annahme einer „physikalischen Verbindung d. h. nach /veränderlichen Verhältnissen“. Auch bei den oben mitgetheilten?Färbeversuchen des Knor- pels imprägnirten sich verdichtete und unverdichtete Partien der Grundsubstanz in verschiedenem Grade, nämlich erstere intensiver als letztere. Ich wiederhole am Schlusse meiner eigenen Untersuchungen, wie bei einer früheren Gelegenheit (1887)”’auch jetzt nochmals: ich betrachte die Frage, obimhyalinen Knorpel der Säugethiere Saftkanälchen vorkommen, als 1) OÖ. Lehmann, Mikrophysikalische Untersuchungen (Zeitschr. f. Kry- stallogr., Bd. XII, 1887, p. 377—410), eitirt nach dem Referat in Zeitschr. f. wiss. Mikroskop., Bd. IV, p. 115 £. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 325 eine zur Zeit noch offene. Sie mögen thatsächlich vor- handen sein, aber ich kann mich nicht entschliessen, Präpa- raten, diein frischem Zustand directinabsolu- tem Alkohol oder Aether fixirt wurden, in die- ser Sache irgend welche Beweiskraft zuzuer- kennen. I. Im zweiten Abschnitt sollen die Beobachtungen und Anschau- ungen einiger Autoren, die mit der Erforschung der Knorpelstruetur sich beschäftigten, soweit dieselben in dem vorausgegangenen Theile nicht schon verwerthet wurden, aufgeführt und besprochen werden. Ich beginne mit: Flesch, Untersuchungen über die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels (Würzburg 1880). Auf Seite 73 der eitirten Schrift fasst Flesch die Ergebnisse seiner Untersuchung des Säugethierknorpels in folgenden vier Sätzen zusammen: „il. Es lassen sich im Knorpel der Säugethiere Differenzi- rungen nachweisen, die einer Anordnung der Bestandtheile der Grundsubstanz in radiärer Gruppirung um die Zelle entsprechen. 2. Es existiren Stellen im Säugethierknorpel, welche leichter als andere unter dem Einfluss schrumpfender Reagentien Spaltbil- dungen zeigen; Zerklüftungen, welche diesen weniger dichten Stellen entsprechen, sind die Bubnoff’schen Linien. 3. An jugendlichen Knorpeln treten die Spaltbildungen leichter hervor als in späteren Entwicklungsstadien. 4. Ausser der radiären Spaltbarkeit besteht eine Disposition der Elemente der Grundsubstanz zu fibrillärer Anordnung. Die fibrilläre Strucetur tritt an manchen Knorpeln unter denselben Be- dingungen (bei Anwendung von Fürbringer’s Methode) hervor, wie an anderen die radiäre Streifung.“ Flesch erhielt die von ihm sub 1—3 gewonnenen Ergebnisse hauptsächlich mit Hülfe von Argentum nitriecum. In der an meinen in Wiesbaden gehaltenen Vortrag sich anschliessenden Discussion wurden dieselben ausdrücklich mit den durch Alkohol hervorzu- rufenden Streifen in Parallele gestellt. Ich darf daher die von Flesch im Jahre 1880 niedergeschriebenen Ausführungen auch 326 Bernh. Solger: jetzt noch als von ihm aufrecht erhalten ansehen. Flesch deutet also sowohl die radiären Streifen in der Umgebung der Knorpel- höhlen, als die Bubnoff’schen Linien!) als Spalten. Er denkt sich (l. e. p. 14), dass in der Grundsubstanz „festere Elemente durch eine weniger dichte Materie vereint seien; dass ferner die Verbindung der ersteren nach bestimmten Richtungen eine innigere sei“. So kommt es, dass eintretende Spaltungen oder Zerklüftungen „mit Vorliebe diese oder jene Anordnung zeigen können“. Diese Zerklüftungen scheinen aber in einem und demselben Präparat alternirend auftreten und wieder verschwinden zu können. In einem Falle (p. 68), der den Knorpel eines Säugethieres betraf, konnte der Uebergang der radiären Zerklüftungslinien („Streifen“) in die Bubnoff’schen Linien direet beobachtet wer- den. Er betraf einen Knorpelschnitt vom Condylus femoris eines jungen Kaninchens. Das Knorpelstück war der Silberimprägnation nach Heitzmann unterworfen worden, d. h. die frischen Gelenk- flächen wurden theilweise nach vorgängiger Abspülung der Synovia mit dem Höllensteinstifte bestrichen, dann in destillirttem oder in Brunnenwasser dem Lichte ausgesetzt und nach mehrstündiger Re- duction in Schnitte zerlegt. An einem solchen Schnitt konnte nun innerhalb eines Zeitraumes von zwei Stunden die Umwandlung der radiären Structur in der Umgebung der Zellen in parallel an- geordnete Linien, die, von den Knorpelhöhlen ausgehend, ziemlich gleich gerichtet, die Grundsubstanz von Zelle zu Zelle durchsetzten, direct beobachtet werden, mit andern Worten, es hatte sich der Uebergang in Bubnoff’sche Linien, die Verf. sonst direct ausser nach Silberbehandlung auch durch Goldchlorid, Ueberosmiumsäure oder Chromsäure erhielt (p. 71), von selbst vollzogen (s. Fig. 3, Taf. III). Auf derselben Seite bemerkt Verfasser ausdrücklich, er habe punkt- oder ringförmige Bilder, wie man sie doch erwarten müsste, wenn die Bubnoff’schen Linien, wie man meinte, Kanäle wären, niemals bemerkt. An Silberpräparaten des Femurknorpels vom Frosche konnte Flesch sich mit voller Sicherheit davon überzeugen, dass eine solehe Linie unter Umständen durch die ganze Dicke des Schnittes zu verfolgen ist und dass sie oft die Ebene der ersten Einstellung seitwärts verlässt. Sie erweist sich 1) Dass diese Linien parallel verlaufen müssten, wie Flesch anzu- nehmen scheint, finde ich bei Bubnoff nicht angegeben. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 327 so als „schräg zur Sehnittfläche verlaufender Spalt“ (p. 47). Ich kann die Richtigkeit der von Flesch gemachten Beobachtungen nach Osmiumpräparaten vom Säugethierknorpel bestätigen und er- laube mir auf die beigegebene Fig. 3 zu verweisen. Hier ist ein Schnitt, der, frisch durch die knorpelige Basis scapulae eines zwei Monate alten Kätzchens angelegt, 12 Stunden in 1 procent. Osmium- säure gelegen hatte und in derselben Flüssigkeit untersucht wurde, bei drei verschiedenen Einstellungen abgebildet. Die „Bubnoff- sche Linie‘ (b) ist continuirlich von A bis C zu verfolgen; dabei ändert sie etwas ihre Form (Gabelung bei B) und rückt von dem oberen Rande des Schnittes mehr gegen den unteren weiter. Es handelt sich also nicht um eine Linie, sondern um ein Gebilde von flächenhafter Ausdehnung. Flesch deutet die Bubnoff’schen Linien als Spalten gegen ihren Entdecker, der Kanälchen in ihnen sieht. Bubnoff!) in- jieirt lebenden Thieren (wohl nur Säugethieren) Osmiumsäure (YypCt.) in den Knorpel, oder er legt feine Schnitte oder grössere Stücke des Gewebes in Osmiumsäure von verschiedener Concen- tration (Y/yooo—Vsooo auf 8--12 Stunden). Er findet dann die Grund- substanz von dunklen, ziemlich breiten Linien durchzogen, die meist von einer Zelle zur andern verlaufen und das Bild feiner Kanälchen darbieten. Durch die in den Kanälchen vorhandene, eiweisshaltige Parenchymflüssigkeit wird die Osmiumsäure reducirt, daher die dunkle Färbung derselben; zuweilen sieht man sie so- gar mit feinen Oeffnungen von den Knorpelhöhlen ausgehen. Meist sind es zwei solcher Linien, die von den diametral entgegenge- setzten Enden einer Knorpelhöhle (‚Zelle‘) ausgehen, doch sind auch drei und vier zu beobachten. In Fig. 4 der beigegebenen Tafel (Rippenknorpel vom Hunde) sind die Kanälchen deutlich mit doppelten Contouren wiedergegeben; auch ihr Ursprung aus den Knorpelhöblen ist zu sehen. Flesch spricht sich, wie schon bemerkt, gegen die von Bubnoff geäusserte Deutung aus (]. c. p- 71). Durch eine andere Stelle seines Buches (p. 25) wird frei- lich der Einwurf, den er Bubnoff macht, erheblich abgeschwächt. „Ueber die Deutung der betreffenden Linien“ (es ist von den „Bub- 1) Bubnoff, Beiträge zur Structur des Knorpels. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch., Math.-naturw. Cl., Bd. 57, Abth. I, p. 912—915, 1 Taf. Wien 1868. 328 Bernh. Solger: noff’schen“ und „Budge’schen Liniensystemen‘“ die Rede), „ob sie den Ausdruck von Spalten, feinen Kanälchen, Fasern u. =. £. darstellen, wird man discutiren können, da unsere optischen Mittel nicht gestatten, dies durch direete Beobachtung zu entscheiden“. Er fährt dann fort: „Der Zusammenhang ihrer charakteristischen Anordnung mit Structurverhältnissen der Grundsubstanz ist da- gegen nicht zu bezweifeln“. Nichtsdestoweniger werden z. B. (und auch an andern Stellen) die Bubnoff’schen Linien ausdrücklich als „Zerklüftungen“ und „Spaltbildungen‘“!) bezeichnet, welche „weniger dichten Stellen“ entsprächen und „unter dem Einfluss schrumpfender Reagentien“ zu Stande kämen. Ich selbst möchte in den Budge’schen Linien ebenso wie in den Bubnoff’schen Verdiehtungs-Streifen sehen, die allerdings die Folge von Schrumpfungs-Vorgängen sind. Auch Nycamp?) erklärt die Bubnoff’schen Linien, die er gleichfalls am Säugethierknorpel nach Behandlung mit Osmiumsäure auftreten sah, für Kunst- produkte. Weichselbaum, Die senilen Veränderungen der Gelenke und deren Zusammenhang mit der Arthritis deformans. Sitzungsber. d. K. Acad. d. Wissenschaft. (Wien), Math.-naturw. Cl., 3. Abth., Bd. 57 (1877), p. 193 £., 4 Tafeln. Vor längerer Zeit machte Weichselbaum auf interessante Abweichungen des makroskopischen und mikroskopischen Verhal- tens aufmerksam, die der Knorpel der beiden Condylen der Tibia und der Patella zeigt. Da am lateralen Condylus der Befund am ausgeprägtesten ist, kann die Schilderung sich auf diese Localität beschränken. Was mit blossem Auge festzustellen ist, mag voran- gestellt werden. Die Oberfläche des Gelenkknorpels des lateralen Condylus 1) Wenn Bicfalvi (1883) Knorpelstückchen (Luftwege des Hundes, Gelenkknorpel des menschl. Fötus und des Frosches) in 0,001%/yige Salzsäure brachte, der einige Stückchen der Magenschleimhaut des Hundes zugesetzt waren, so beobachtete er zwischen den Knorpelkapseln helle, stärker licht- brechende Linien, die er als Spalten anspricht. Er erhielt diese Linien auch, wenn er Knorpelschnitte 5—30 Tage in Aqu. dest. macerirte. (Nach O. Van der Stricht, Recherches sur le cartilage hyalin eitirt, p. 27 d. Sep.-Abz.) 2) S. dieses Archiv, Bd. XIV, p. 49. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 329 tibiae erscheint nicht glatt, sondern rissig. Der Knorpelbezirk in der Nachbarschaft der Eminentia intereondyloidea ist weich, auf- gelockert, leicht compressibel.e. An senkrecht geführten, feinen Durchschnitten durch die centrale und mediale Partie erkennt man eine senkrechte Streifung,” indem bläulich-weisse, opake Streifen mit grauen, durchscheinenden abwechseln. Ich habe vor Kurzem !) diese mikroskopischen Veränderungen am proximalen Ende der Tibia, auf welche Weichselbaum aufmerksam machte, beschrie- ben, leider ohne mich auf ihn zu beziehen, da mir seine Angaben damals entgangen waren. Unsere beiderseitigen Schilderungen stimmen im Wesentlichen überein. Die Beziehungen der peripheren, intakt bleibenden Säume zu den Meniseci werden nicht erwähnt. Auch findet er die Veränderung des Gelenkknorpels am lateralen Condylus ausgeprägter, während ich dem medialen in dieser Hin- sicht den Vorrang eingeräumt hatte. Bei der mikroskopischen Untersuchung, bei welcher er von den peripherischen Theilen aus gegen das Centrum vorschritt, ge- langte W. zu folgenden Ergebnissen. In der Nähe des lateralen, vorderen und hinteren Randes des Condylus ist die Grundsubstanz fein fibrillär, die Fibrillen laufen in querer Richtung. Es handelt sich offenbar um eine Fortsetzung der über den Rand vorrückenden Synovialis. Mit dem Aufhören der fibrillären Beschaffenheit der Grundsubstanz, die sich verschieden weit centralwärts erstrecken kann, treten in der Grundsubstanz eigenthümliche, helle Linien oder Streifen auf. Sie sind entweder sehr fein, meist zu mehreren dicht beisammen liegend, von leicht gewundenem Verlaufe und Bindegewebsfasern nicht unähnlich, oder sie sind kurz, in der Mitte etwas breiter und in grösseren Abständen von einander lie- gend. Sie durchsetzen nicht allein in horizontaler, sondern auch in verticaler Richtung die Grundsubstanz, sind aber auf die ober- flächlichen Schichten des Knorpels beschränkt“ (p. 206 und 207). Diese Linien deutet W. als „feinste Spalträume*, die durch Aus- einanderweichen der Grundsubstanz entstanden seien, und bezeich- net sie daher als „Zerklüftungslinien‘“. An Gelenken mit den Erscheinungen der senilen Knorpel- zerfaserung fand W. in anscheinend noch gesunden Partien die- 1) Solger, Ueber die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. Ein Beitrag zur Histophysik. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1886, Anat. Abth. 330 Bernh. Solger: selben Zerklüftungslinien, von denen manche von den Knorpel- zellen in radiärer Richtung ausstrahlten und vielfach unter einan- der anastomosirten (p. 217). 0. Van der Stricht, Recherches sur le cartilage hyalin. Archives de Biologie publ. par E. van Beneden et Ch. Van Bambecke, T., VII, 1886, 92, Stn,, 3 Taf. Van der Stricht giebt zunächst eine sehr eingehende ge- schiehtliche Uebersicht über die Angabe der Autoren, soweit sie auf die fibrilläre Structur, die Saftkanälchen, die Zellausläufer und die lamelläre Structur des hyalinen Knorpels Bezug haben. Durch eigene Anschauung suchte er über alle diese Punkte sich ein eigenes Urtheil zu bilden. Er fixirte die Gewebstheile (Knorpel von Cephalopoden, Selachiern, Salamanderlarven, vom Frosch und vom Kalbe) in Chromsäurelösungen verschiedener Conceentrationen (von Y/ıooo bis zu 25%,) und bediente sich mit Vortheil der Methode der Schnittreihen. An der fibrillären Structur des Knorpels hält er fest. Daneben sind aber noch (zunächst bei Cephalopoden und Selachiern) besondere Fibrillenbündel (faisceaux fibrillaires) zu unterscheiden, an deren Verlauf die Knorpelzellen sich anschliessen. Diese „faisceaux fibrillaires“ sind mit den „lignes intercapsulaires“, die nach Behandlung mit Chromsäure im Knorpel des Frosches und des Kalbes auftreten, identisch. Sie fallen aber auch, wie aus den Abbildungen Fig. 7, 10 und 13 (Gelenkknorpel des Kal- bes, 25procent. Chromsäure) und Fig. 14 (dasselbe Object, 1procent. Chromsäure) hervorgeht, mit den Budge’schen Linien zusammen. Einzeln auftretende lignes intercapsulaires nennt Verf. Bubnoff- sche Linien (Fig. 7). In Fig. 27 (Taf. II) werden von demselben Object (Gelenkknorpel des Kalbes, Iprocent. Chromsäure 1 Tag) Zwischenformen zwischen der gewöhnlich so genannten fibrillären Struetur der Grundsubstanz und dem Netzwerk der ‚„faisceaux in- tercapsulaires‘‘ abgebildet; beiderlei Gebilde gehören also zusam- men. Im Säugethierknorpel (Gelenkknorpel des Kalbes) kommen ebenso, wie in dem Knorpelüberzug der Rotula des neugeborenen Menschen (und bei Spinax Acanthias) Fortsätze der Zellen vor; sie lassen spärliche Anastomosen unter einander erkennen und sind eingebettet in Kanälchen mit eigener Wandung, die eine Fort- setzung der Kapselwand darstellt. In der Ausdehnung aber, wie Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 331 Heitzmann und Spina wollen, kommen sie nicht vor. Was Spina beschreibt und abbildet, hat die grösste Aehnlichkeit mit den „faisceaux intercapsulaires“, die Van der Stricht den Shar- pey’schen Fasern an die Seite stellt. A. Spina, Beiträge zur Histologie des hyalinen Knorpels. Wiener Medieinische Jahrbücher, Jahrgang 1886, p. 447—462, 2 Taf. Zum Schlusse berichte ich noch über Spina’s jüngste Knor- pelarbeit, die auf den von ihm schon wiederholt vertretenen An- schauungen basirt. Er untersuchte neuerdings den Arytaenoid- knorpel von Pferden verschiedenen Alters, nachdem das Gewebe in absolutem Alkohol erhärtet war. Die Schnitte wurden bei der Untersuchung in solchem belassen. Spina findet nun bei mikro- skopischer Untersuchung zwei verschiedene Knorpelabarten, eine gelbe und eine weisse. Beide sind derart angeordnet, dass sie sich gegenseitig durchdringen; der weisse Knorpel bildet ein Netz- werk verzweigter Balken, während der gelbe Knorpel die Zwischen- räume zwischen den Balken einnimmt. Letzterer stellt übrigens „eine Jüngere, der weisse eine ältere Formation“ dar (l. p. 458). Mit zunehmendem Alter wandelt der gelbe Knorpel (so ist die Be- zeichnung „jüngere“ und „ältere Formation‘ zu verstehen) sich in weissen Knorpel um. Der hyaline Knorpel ist also kein stationäres Gewebe, er erfährt vor dem Eintritt der Seneseenz Umbildungen, indem „altes Knorpelgewebe durch neues ersetzt“ wird (l. ce. p. 447). Was das speciellere Verhalten des gelben Knorpels betrifft, so erscheint derselbe an Alkoholpräparaten gelbbräunlich und sehr zart granulirt. Diese Granulirung ist der optische Ausdruck eines feinen Netzwerkes, das in den Zellen wurzelt. Die Enden radiärer Fortsätze sind durch bogenförmige Anastomosen zu einem dichten (protoplasmatischen, Ref.) Netzwerk mit einander verbunden. Auf diese Weise werden Grundsubstanzkugeln unterscheidbar, die mit ihren Ausläufern den hypothetisch angenommenen Zellterritorien entsprechen. Die Grundsubstanz des gelben Knorpels quillt in Wasser auf und färbt sich mit Methylviolett (in wässeriger Lösung) und Hämatoxylin. Sie verhält sich aber „indifferent gegen jene Farbstoffe, welche die weisse Grundsubstanz färben“, nämlich gegen Eosin (alkohol.) und Ponceauroth (wässerig). — Die Balken des 332 Bernh. Solger: weissen Knorpels, die bei der Färbung mit den zuletzt genannten Tinetionsmitteln dünner werden, sind ihrer Länge nach gleichfalls von Zellenausläufern besetzt, welche dicht bei einander liegen und unter einander parallel verlaufen. Was A. Budge nach Macera- tion in Chromsäure für Saftkanälchen hält, sind eben diese „ra- diären Bälkchen weisser Knorpelgrundsubstanz“, innerhalb derer, wie die Alkoholmethode lehrt, die Zellausläufer eingebettet sind. F. Leydig, Zelle und Gewebe, 1885. Auch Leydig spricht (p. 74) von „Verdichtungsstreifen“, allein er braucht diese Bezeichnung in einem andern Sinne, als sie von mir oben (p. 328) angewandt wurde; denn er setzt sie „Fi- brillen“ gleich, durch welche die Ligamenta intervertebralia der Katze „nach aussen“ mehr den Charakter von Bindegewebe er- halten. Verf. zieht aus den Angaben verschiedener Forscher den Schluss, dass „l) die Grundsubstanz des Knorpels von Lücken, Spalten und Kanälchen durchbrochen ist, dass ferner 2) dies System von Hohlgängen mit Lymphräumen zusammenhängt, endlich 3) dass sich auch Ausläufer der Substanz der Knorpelzellen in dies Lückensystem hineinerstrecken können“ (p. 78). Er fasst diese Hohlräume zusammen als „Poren der Grundsubstanz“ (p. 73). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Die Figuren 1 und 2 beziehen sich auf den I. Abschnitt der Arbeit, Fig. 3 auf den I. Fig. 1. Schnitt durch den Rippenknorpel eines 12jährigen Individuums. Das Gewebe hatte mehrere Monate in 70°/,igem Alkohol gelegen, war unter Alkohol derselben Concentration geschnitten und wurde in solchem untersucht. f Heerd fibrillärer Zerklüftung, qu Querschnitte von Fibrillen, s Verdichtungsstreifen, in der linken Hälfte der Zeichnung aus Falten von Fibrillenbündeln hervorgehend. Ueber Schrumpfungserschein. a. hyalinen Knorpelgewebe d. Menschen etc. 333 Fig. 2. Längsschnitt durch den der Diaphyse zunächst gelegenen Abschnitt (hypertrophische und Verkalkungszone) der proximalen knorpeligen Epiphyse des Os metacarpi pollicis vom einjährigen Kinde. Vor- behandlung: Müller’sche Flüssigkeit (mehrere Wochen), nach Wässe- rung 70°/,iger Alkohol, Entkalkung in v. Ebner's Flüssigkeit, Ag. dest., 700/,iger, I95%/,iger Alk., Alc. absol., hierauf Gemisch von Alcoh. absol. und Aether (zu gleichen Theilen), Celloidin, in einem Gemische von Alcoh. absol. und Aether (1:2) gelöst. — Färbung in Ehrlich’s saurem Hämatoxylin. s Verdichtungsstreifen, f die von A. v. Brunn (1874) beschriebenen und als elastische Fasern gedeuteten Knorpelfibrillenbündel. Den Verdichtungs- streifen entsprechend sind die Fibrillenbündel in wellige Fal- ten gelegt. Zeiss homog. Immersion 1/ıg. Bubnoff’sche Linien. Frischer Schnitt durch die knorpelige Basis der Scapula eines 2 Monate alten Kätzchens, 12 Stunden in 1%/yige Osmiumsäure, in derselben Flüssigkeit untersucht. Zeiss homogene Immersion Yıs- 334 A. Korotneff: Beiträge zur Spermatologie. Von Prof. A. Korotneff in Kiew. Hierzu Tafel XIX. Kaum wäre man im Stande ein besseres Object für die Unter- suchung der Spermatogenese zu finden, als die Süsswasserbryozoen, unter denen die Aleyonella fungosa sich am besten dazu eignet und mir aus diesem Grunde als Untersuchungsmaterial gedient hat. Was die Literatur über diesen Gegenstand anbetrifft, so ist nicht viel darüber zu sagen. Zunächst hat Reinhard!) einige dahin gehende Beobachtungen gemacht; seine Angaben sind aber nicht sehr klar und widersprechend. So viel lässt sich aber er- sehen, dass der Spermatidenkern den Centralfaden des Samen- körpers, vielleicht auch seinen ganzen Vordertheil bildet. Eine eingehende Beschreibung der Spermatogenese verspricht endlich Kraeylin?) für sein zukünftiges Werk über Süsswasserbryozoen. Dem Schema v. la Valette St. George’s folgend, kann man vier Zellgenerationen bei der Entwicklung des Samenkörpers unterscheiden: erstens Spermatogonien oder Stammsamenzellen, zweitens Spermatocyten oder Samenvermehrungszellen, drittens Spermatiden oder Samenausbildungszellen und viertens Samenkörper oder Spermatosomen. Diese vier Zellgenerationen finden wir auch bei der Entwicklung der Samenkörper von Aleyonella wieder. Als Bildungsstätte der Spermatogonien ist der Funiculus eines jungen Polypiden oder eines anderen Polypiden, welcher in der Knospung begriffen ist, anzusehen (Taf. XIX, Fig. 1). Ein solcher Funiculus besteht aus zwei Theilen: der eine ist dem Polypiden 1) Zool. Anzeiger 1835, Nr. 14. 2) Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Berlin 1886. Beiträge zur Spermatologie. 335 genähert und sieht hügelartig aus (sp); der andere ist strangartig und heftet sich der Wandung des Zooeeiums an. Der erste Theil ist nämlich die erwähnte Bildungsstätte der Spermatogonien (Fig. 1sp), der zweite die Entstehungsstätte der Statoblasten (Fig. 1f). Die Spermatogonien sind embryonale, dem Funieulus lose ange- heftete Zellen, die sich abtrennen können und frei in der Leibes- höhle schwimmen. Im letzten Falle sieht man gewöhnlich die Spermatogonien kugelartige Zellanhäufungen bilden; am Quer- schnitte erscheinen diese Zellhaufen aus kernförmigen Zellelementen zusammengesetzt, die einem gemeinsamen Oentrum (Fig. 2) anhaften. Jede birnförmige Spermatogonie besitzt einen kugelrunden Kern, in dem man ein Kernkörperchen und einen Fadenknäuel unter- scheiden kann. Nach der Abtrennung von dem gemeinsamen Zell- haufen wird jede Spermatogonie in eine Spermatocyste verwandelt — ein Process, der durch eine Kernvermehrung hervorgerufen wird. Ohne mich mit diesem secundären Vorgange eingehend zu beschäftigen, erwähne ich nur, dass daraus grosse ballonartige oder ovale Bildungen entstehen. Die Kerne erfüllen das Innere eines Spermatocystenballons; später aber werden die Kerne wandständig und ragen bald mit dem umgebenden Zellplasma knospenartig über die Oberfläche heraus. In dieser Weise entstehen die Spermato- eysten (Fig. 3), welche frei in der Leibeshöhle herumschwimmen und verschiedene Stufen einer Ausbildung der dritten Spermatiden- generation vorstellen: so gehören einige Kerne besonderen knos- penden Zellen (Spermatiden) an, während andere noch im Innern der Spermatocysten eingeschlossen sind. Die entstehenden Sper- matocysten sind fähig, lange Pseudopodien auszustrecken und diese wieder nach Belieben einzuziehen. In solcher Weise bilden Sper- matocysten direkt Spermatiden aus oder es kommt hier wieder eine Zwischengeneration neuer Spermatocysten zu Stande. Anstatt einen einzigen Kern einzuschliessen, beherbergt die entstehende Zelle deren mehrere, wie es die Fig. 4 uns darstellt. Die so ent- standene Zwischengeneration ist in Fig. 5 abgebildet. In dieser oder anderer Weise ist als Resultat einer Zellvermehrung eine ausgezogene Maulbeerform hervorgegangen, an welcher eine von hyaliner Substanz erfüllte Blase und eine sie umhüllende Schieht von Spermatiden zu unterscheiden sind (Fig. 6). Die Spermatiden bleiben unter gewöhnlichen Umständen der Blase bis zur vollstän- digen Ausbildung der Samenkörper angeheftet, können aber auch Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 31. 22 336 A. Korotneff: abgetrennt sein, in welchem Zustande sie sich mehr zur Unter- suchung eignen (Fig. 7). Schon an der Fig. 9 ist zu sehen, dass ein Theil des Kernes bereits von einem verdichteten Plasma umgeben wird. Diese Bil- dungen sind von v. la Valette St. George!) im Jahre 1867 zu- erst beobachtet und vielfach beschrieben worden: als Mikrosomen- haufen, aus welchem der Nebenkern hervorgehe. In meinem Falle möchte ich gerade dasselbe sagen: „die Mikrosomen umgeben wie eine Kugelschale den Kern und erscheinen demnach im optischen Durehschnitt als dunkler Ring, diesen umschliessend“. Ich möchte jedoch bemerken, dass die Mikrosomen an meinem Objeete nur eine Halbkugelschale bilden, deren Oberfläche höckerig und rauh erscheint; dabei stark lichtbrechend ist (Fig. 8). In einem von Mikrosomen bedeckten Kern ist das Kernkörperchen wandständig und sieht wie ein glänzendes Plasmaklümpehen aus, welches ver- schiedene kleine Pseudopodien bildet und helle, kleine, kaum sicht- bare Vacuolen einschliesst (Fig. 8). Im folgenden Stadinm sah ich, dass vom Mikrosomenhaufen ein Plasmafaden ausging, welcher das ihn umgebende Zellplasma durchdrang und in dieser Weise die Anlage des Schwanzes oder, richtiger gesagt, den centralen Faden des Schwanzes (Fig. 17) bildete; beiläufig wäre vielleicht erwähnenswerth, dass äusserlich dieser Faden bedeutend dieker wird, als im Inneren der Zelle selbst. Gleichzeitig geschieht eine Veränderung des Kernkörperchens: es zieht nämlich seine Pseudo- podien ein, trennt sich von der Wand des Kernes ab und gelangt mehr in die Mitte des Kernes, um dort das Aussehen eines ganz hyalinen Kügelchens anzunehmen. Die weiteren Veränderungen sind wieder an die Mikrosomenanhäufung oder den Nebenkern an- zuknüpfen: Es zieht sich derselbe etwas zusammen, bläst sich da- bei auf, was seine starke Lichtbrechung bedeutend vermindert und sieht bald einer Haube ähnlich. Im Centrum dieser Haube (Fig. 10) kann man den Schwanzfaden bis an den Nucleus verfolgen. Zu derselben Zeit geschehen ganz eigenthümliche Processe im Inneren des Kernes: dem Nebenkern entgegengesetzt. In der freien, 1) v. la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Zweite Mittheilung. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 27, 1886. Derselbe, Zell- theilung und Samenbildung bei Forficula auricularia. Festschrift für Kölliker 1887. Beiträge zur Spermatologie. 337 unbedeckten Hälfte des Kernes legt sich eine schwache, aber später stärker glänzende und sich vielleicht ausdehnende Schicht an. Man möchte sagen, dass sich eine innere Halbkugelschale bildet, welche die äussere (Nebenkern) vervollständigt. Man könnte sogar. vermuthen, dass beim Abtrennen von der Kernwand ein Theil der Kernsubstanz dieser Wand angeheftet geblieben sei; er würde sich dabei ausgedehnt und die beschriebene Schalenform ange- nommen haben. Zu dieser Zeit geschieht eine Veränderung, die zu einer vollständigen Ausbildung des Samenkörpers führt; es ist erstens der Nebenkern und zweitens das Innere des Kernes, welche diesem Veränderungsprocesse unterworfen sind. Der Nebenkern bildet dabei den Hals (Fig. 17 h) und das Innere des Kernes den eigentlichen Kopf des Samenkörpers. Wir haben schon gesehen, dass die Mikrosomenanhäufung eine hauben- oder kappenartige Form angenommen hatte (Fig. 10), bald aber zieht sich diese Kappe schlauchartig aus und bekommt dabei eine membranartige Um- hüllung (Fig. 12 und 15). Einige Male sah ich dabei einen kleinen klumpenartigen Körper sich von dem Schlauche abtrennen (Fig. llnk). Des Wachsthums wegen wird der Schlauch immer schlanker, biegt sich um und bekommt an seiner Oberfläche eine feine Strei- fung oder sogar Runzelung; im Inneren des Schlauches bleibt immer der plasmatische Faden, die Schwanzfibrille, vorhanden. Die Veränderungen des Kernes sind nicht minder prägnant: es trennt sich nämlich die innere Kuppe (Fig. 14) von der Kernwand, wird dabei stark liehtbrechend und kegelförmig. Dieser neu ent- standene Kegel bleibt dem Nucleus vermittels seiner Spitze ange- heftet. Zugleich wird der Nucleus viel kleiner und sein Kern- körperehen rückt immer mehr dem Anheftungspunkte des Hals- schlauches zu. Seiner unbedeutenden Grösse ungeachtet verändert sich seine Form sehr: anstatt kugelrund zu bleiben, wird er nagel- kopfartig. Kurz und gut, es nähert sich der Kegel dem Kern- körperchen mehr und mehr, um endlich den letzteren wie einen Fingerhut zu bedecken (Fig. 16). Dieser Thatsache zur Folge ge- schieht eine Vereinigung des Kernes mit dem Kegel, die aber nicht als ein Zusammenwachsen angesehen werden kann, da man oft im Innern des Kegels den selbständigen Kern zu unterscheiden im Stande ist. In dieser Weise bildet der Kegel mit dem Kerne den Kopf des Samenkörpers; da aber der Kern sich vor der Ver- einisung an der Spitze des strangartigen Halses befand (Fig. 14 338 A. Korotneff: und 15), so bekommt nach der Vereinigung der ausgebildete Kopf seine definitive Lage. Der Kopf erhält bald eine zugespitzte Form und wird herz- förmig; der Hals streckt sich aus und verwächst mit dem eigent- lichen Schwanze, zu dessen Besprechung wir gleich übergehen. Am Anfange haben wir den Schwanz als eine einfache Fibrille kennen gelernt (Fig. 9), die von der Mikrosomenschicht abzuleiten war. Wie sich seine Scheide oder, vielleicht besser gesagt, sein Ruder ausbildet, habe ich nicht beobachtet (möglicher Weise ist diese Scheide nichts als ein Theil des Zellplasma, der sich von dem Zellkörper abgetrennt und längs der Fibrille hinabgeglitten ist). Es ist aber leicht zu sehen, dass der eigentliche Schwanz mit der Spermatide nur vermittelst des Fibrillenfadens vereinigt ist. Parallel der Ausbildung des Spermakopfes nähert sich die Scheide der Spermatide, indem sich der fibrilläre Theil sehr ver- kürzt. In dem Momente, wo der Spermakopf mit dem Halse sich vereinigt, ist der erwähnte Theil ganz kurz geworden; er schwin- det jedoch erst gänzlich nach der Ausstreckung des Halses. Zu dieser Zeit umgibt der frühere Zellkörper den Spermakopf und seinen Hals spindelförmig (Fig. i7). An der Verschmelzungsstelle des Halses mit dem Schwanze ist eine Verdickung der Schwanz- fibrille zu sehen. Nach dieser Ansicht entwickeln sich alle drei Bestandtheile des Samenkörpers (Kopf, Hals und Schwanz) selbständig, um sich später zu vereinigen. Beim Eindringen des Samenkörpers in die Eizelle habe ich im Inneren der zelligen Hülle, welche das Ei umgibt, nur seinen Kopf und Hals gesehen (der letztere bekommt dabei ein klumpen- artiges Aussehen); der Schwanz bleibt aussen und spielt gar keine Rolle bei der Befruchtung (Fig. 15). Was die Befruchtung anbe- trifft, so habe ich darüber keine Beobachtungen; darf aber über diesen Gegenstand einige plausible Vermuthungen aussprechen. Die von Hertwig!) ausgesprochene Hypothese, dass der Haupt- bestandtheil des Eies der Nucleolus ist und dass grade dieser (oder seine Chromatinsubstanz) die Hauptrolle wie in der Befruch- tung, so auch in der Vererbung spielt, scheint auch eine bestimmte 1) O0. Hertwig, Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies. 1884. Beiträge zur Spermatologie. 339 Gültigkeit für die Samenkörper zu haben. Meine Beobachtungen, obschon sie sieh über den Befruehtungsact nicht ausdehnen, zeigen doch, dass die wichtigste Substanz des Samenkörpers das Chro- matin ist; alle seine übrigen Bestandtheile dienen nur dem Zwecke, das Eindringen des Samenkörpers in die Eizelle zu befähigen. Höchst wahrscheinlich hat der Kegel nur eine supplementäre Be- deutung: er führt das Kernkörperchen in das Ei hinein und da- mit wird seine Rolle zu Ende sein, wie es Selenka bei den See- igeln direkt beobachtet hat!). Nicht ohne Interesse möchte vielleicht eine Vergleichung der in dieser Arbeit beschriebenen Samenkörper mit jenen Formen sein, die wir bei den Nematoden finden. In seinem klassischen Werke über Befruchtung bei Ascaris megalocephala?) be- schreibt Van Beneden die genannten Spermatosomen als einen Plasmaklumpen, in dem eine stark liehtbreehende Kappe (oder, wie er sagt, „calotte“, „coupe eaudale*) und ein kleiner sphärischer Körper eingebettet sind. Die erste Bildung ist nach Van Bene- den dem Schwanze eines gewöhnlichen Samenkörpers analog, der zweite scheint der eigentliche Kern der Samenzelle zu sein; diese Deutungen sind von einem späteren Beobachter desselben Objectes Otto Zacharias?) angenommen worden. Die Erscheinungen, die 1) Nachdem diese Zeilen schon geschrieben waren, bekam ich das neue Werk von Van Beneden und Neyt (Bulletin de l’Academie des Sciences A Bruxelles. 56 anne, 3 Serie, T. 14; 1887. — Nouvelles recherches sur la föcondation et la division mitosique chez l’Asc. megalocephala), welche meine Meinung über die nachträgliche Bedeutung des Kegels (calotte) bestätigen. So drückt sich Van Beneden in dieser Abhandlung aus (p. 222): „Cette calotte, apres s’etre &loignee du pronucl&us se ramasse sur elle-m&me; elle diminue rapidement de volume, au point de n’etre plus qu’un globule, puis un granule ä peine perceptible; enfin toute trace du corps degenere du zoos- perme disparait completement“. Und weiter: „Le pronucleus mäle (das Kern- körperchen nach meiner Deutung) atteint des dimensions considerables...... avant de sortir de la concavite de la calotte fortement color6e en brun que, dans des oeufs plus rapproch&s du vagin, on trouve recroquevillce et separee du pronucleus.“ 2) Van Beneden, Recherches sur la maturation de l’oeuf, la feconda- tion et la division cellulaire. 1883. 3) Otto Zacharias, Neue Untersuchungen über die Copul. der Ge- schlechtsprod. und den Befruchtungsvorg. bei Ascaris megalocephala. Dieses Archiv XXX. Bd., 1. Heft. 340 A. Korotneff: ich bei Aleyonella gesehen habe, geben mir ein bestimmtes Recht, eine andere Erklärung jener Thatsachen zu versuchen. Kaum kann es bezweifelt werden, dass die „Calotte‘“ von Ascaris megalocephala dem Kegel, der sich im Inneren des Kernes des Bryozoensamenkörpers entwickelt, völlig entspricht (Fig. 15 und 19 kg). Einmal diese Vermuthung angenommen, müssen wir be- stimmt den sphärischen Körper (Fig. 19) als ein Kernkörperchen ansehen. Schon theoretisch wäre es kaum überhaupt möglich, in dem „noyau chromatique‘‘, der keine Spur von Plasmafäden und Membran besitzt, einen Zellkern zu sehen. Otto Zacharias ge- steht selbst, dass das einzige nucleusartige, was dem „noyau chro- matique“ anhaftet, seine centrale Lage in der Zellsubstanz sei. Jetzt entsteht die Frage: Wenn die Kappe kein Schwanz des Samenkörpers ist, wo müssen wir diesen suchen? Er ist bei As- caris nicht verschwunden, sondern verkürzt; wahrscheinlicher Weise ist der Schwanz unnöthig geworden und dem Spermatosom passen die von Sehneider schon gesehenen amöbenartigen Bewegungen eher, als die tanzenden eines typischen Samenkörpers. Der amö- boide Theil ist der eigentliche, sehr verkürzte Schwanz des As- caris-Samenkörpers. Wir finden hier dieselben Bestandtheile: Fi- brille und Plasmascheide. Prineipiell ist kaum ein wesentlicher Unterschied zu finden: bei Ascaris ist der Schwanz complieirt, indem er, statt eine mehrere Fibrillen einschliesst. Bei den Ar- thropoden ist eine solche Erscheinung keine Seltenheit. So ist beim Krebs (Astacus fluviatilis) der Spermakern von einer Anzahl von Schwänzen rosettenförmig umgeben; diese sind aber getrennt und nicht in einer gemeinsamen Plasmascheide einge- schlossen, wie wir es bei Ascaris finden. Wenn wir also, nach- dem, wie Van Beneden es that, den Samenkörper von Ascaris in zwei Hälften zerlegen wollen: „hemisphere caudale“ und „he- misphöre cephalique“, so müssen wir, entgegengesetzt der Meinung des belgischen Gelehrten, als erste die protoplasmatisch-fbrilläre und als zweite die kappentragende erklären. Es ist noch etwas, das ich erwähnen muss: Van Beneden hat eine höchst interessante Beobachtung gemacht: er fand näm- lich, dass die Fibrillen des Samenkörpers von Ascaris quer ge- streift seien, welches unwiderstehlich auf eine Muskelnatur hin- deutet. Es wäre nur ein einziges Experimentum crucis dabei wünschenswerth: die erwähnten Fibrillen unter dem polarisirten Beiträge zur Spermatologie. 341 Lichte zu untersuchen. Da der fibrilläre Theil (bei Ascaris) dem Schwanze bei anderen Spermatosomen ähnlich ist und, da seine Fibrillen. muskulös sind, müssen wir jeder Spermatosomen- fibrille eine Muskelnatur zuschreiben. Von diesem Standpunkte aus ist der Samenkörper eine freilebende, weiter speeifieirte Mus- kelzelle. Fig. D° IaD: . 6 und 7. Spermatocysten, verschieden entwickelt und von Spermatiden zu6; . Der Hals (h) hat sich ausgestreckt. Immers. K. Oe. 2. . Eindringen eines Spermatosomen unter die zellige Hülle des Eies. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Längsschnitt einer Polypidenknospe. Der Funiculus (F) besteht aus zwei Theilen: Spermatogonien (Sp) und Statoblasten bildender Theil (f). Spermatogonien-Conglomerat. Die Zeichnung ist einem Schnitte entnommen. Spermatocyste in der Höhle eines Bryozoen-Zooeciums beobachtet; die Zellen, welche sich schon durch Knospung abgeschnürt haben, bilden Pseudopodien. Das Innere der Blase ist noch von Kernen eingenommen. Die an der Peripherie einer Spermatocyste knospenden Spermatideu (Sp) und neue Spermatoeysten (Sc). Eine durch Knospung abgelöste Spermatocyste. bedeckt. Spermatidenzelle, an der sich die äussere Mikrosomenkappe oder der Nebenkern anlegt. Zeiss Immers. K. 3. Spermatide, an welcher der Nebenkern die Schwanzfibrille ausbildet, Zeiss Immers. K. Oc. 2. Der Nebenkern der Spermatide fängt an, den Hals des Spermato- somen auszubilden. Zeiss Immers. K. Oc. 2. . Es legt sich im Kerne die innere Kappe an. Me = Microsom. nk — Nebenkern ähnliches Gebilde. Immers. K. Oec. 2. und 13. Weitere Ausbildungen der inneren Kappe und des Schwanzes. Kg = Kappe. Mc = Microsom (Hals). R = Ruderschwanz. Im- mers. K. Oc. 2. und (5. Die innere Kappe wandelt sich in einen Kegel um (Kg). K. Oe. 2. Das innere Kernkörperchen lagert schon im Inneren des Kegels. . Ein Spermatosom von Ascaris megalocephala. (Die Zeichnung ist der Arbeit von Zacharias entnommen.) . Die fast entwickelten aber sich von der Spermatocyte noch nicht abgetrennten Spermatosomen. . Ganz entwickelte Spermatosomen. 342 W. Nagel: (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Das menschliche Ei. Von Dr. med. W. Nagel!) Hierzu Tafel XX und XXI. Seitdem durch Regner de Graaf die Anregung dazu ge- geben worden war, hat die Frage nach der ersten Entwicklung des Mensehen und der Säugethiere das Interesse der Naturforscher in hohem Grade in Anspruch genommen. Aber erst die Entdeckung E. von Baer's brachte diese Forschungen in die richtige Bahn; in den meisten Culturstaaten, mit Deutschland an der Spitze, haben ausgezeichnete Männer mit diesen Untersuchungen sich beschäftigt, und durch diese sind, in Sonderheit in den letzten 20 Jahren so wichtige Entdeckungen und Beobachtungen aus dem ganzen Thier- reiche gemacht worden, dass wir wohl sagen dürfen, dass die Ent- wicklung der meisten lebenden Gattungen vom Primordialei aus uns Stufe für Stufe klar vor Augen liegt. Nur was die Menschen betrifft sind die grössten Lücken auszufüllen. Eine solche Lücke bietet gleich die Vorstufe der Entwicklung, indem genaue Studien über das menschliche Eierstocksei bisher fehlten. Es ist dies leicht erklärlich. Den Anatomen, welche in erster Linie dazu berufen waren, diese Lücke auszufüllen, standen nur Leichenobjeete zur Verfügung und Niemand wird sich dann wundern, dass sie vor- zogen die diesbezüglichen Studien an Thieren, von denen man jeden Augenblick sich frisches Material verschaffen konnte, zu machen. Erst durch die in den jüngsten Jahren stetig sich aus- wickelnde operative Chirurgie, durch welche die Entfernung von Organen aus der Bauchhöhle von einem lebensgefährlichen zu einem fast gleichgültigen Eingriff geworden ist, wurde die Möglichkeit 1) Siehe auch: Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. Juli 1887: Das menschliche Ei von Dr. W. Nagel. Das menschliche Ei. 343 gegeben, ein für die hier in Rede stehenden Untersuchungen zu- verlässiges Material zu bekommen. Bis jetzt ist das Material nach dieser Richtung hin nicht in Angriff genommen worden, und so kommt es, dass ich in der Lage bin mit den ersten Untersuchungen über das frische menschliche Eierstocksei an die Oeffentlichkeit zu treten. Dass diese Arbeit überhaupt unternommen und weitergeführt werden konnte, verdanke ich dem grossen Interesse, welches Herr Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Gusserow diesen Unter- suchungen entgegenbrachte. Bereitwillig wurde mir das ganze srosse Material der geburtshülflich-gynäcologischen Kiinik der Königl. Charit& zur Verfügung gestellt, so dass ich die gefundenen Thatsachen an zahlreichen Objecten habe prüfen können. Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle meinem hochver- ehrten Lehrer hierfür meinen innigsten Dank auszusprechen. In seiner vor mehr als vierzig Jahren erschienenen „Ent- wicklungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen“ sagt Bi- schoff (p. 17): „eine naturgetreue richtige Abbildung eines mensch- lichen Eierstocks-Eies existirt bis jetzt nicht“. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich sage, dass dieser Satz auch noch heute Geltung hat, und dass man noch hinzufügen dürfe, es sei noch keine völlig richtige, den neuen Hülfsmitteln der Technik ent- sprechende Beschreibung dieses Naturobjeets vorhanden. Ein Blick auf unsere Lehrbücher der Entwicklungsgeschichte, Histologie, Anatomie, Geburtshülfe und Gynäcologie zeigt das zur Genüge: die daselbst abgebildeten Eier sind entweder Thier-Eier oder die Zeiehnungen sind so unvollkommen, dass sie keinen Anspruch auf eine getreue Wiedergabe des Objects erheben können. Damit soll nun keineswegs gesagt sein, dass kein Forscher sich bis jetzt mit dem Studium des menschlichen Eis beschäftigt hat. Aus den erwähnten Gründen unterlag dieses Studium beson- deren Schwierigkeiten und trat desshalb in den Hintergrund. Ich halte es aber für berechtigt in kurzen Zügen einen Umriss zu geben von dem, was bis jetzt über das menschliche Ei bekannt ist, während ich darauf verzichten muss hier auch auf die Geschichte des Säugethier-Eies einzugehen. Man findet ausführliche ge- schichtliche Data bei Valentin (90), Bischoff (16), Allen Thomson (87), Waldeyer (97) und in den letzten Jahren ferner 344 W. Nagel: bei Wharton Jones (49). Es mag auf diese Autoren hiermit verwiesen sein. Selbst wenn Regnerus de Graaf (gest. 1673) das Eier- stocks-Ei nicht gesehen hat, ist es doch eine Pflicht der Pietät seinen Namen in erster Linie zu nennen, wenn von der Geschichte des menschlichen Eies die Rede ist. de Graaf (36 u. 37) ist der erste, welcher das Ei in der Tube — beim Kaninchen — gesehen und als solches gedeutet hat. Nicht durch Zufälligkeit gelang ihm die Entdeckung; sondern es war der Lohn mühseliger Arbeiten, welche sich über viele Jahre erstreckten. Zielbewusst suchte er darnach und es ist keine Frage, dass, wenn nicht ein vorzeitiger Tod ihn hinweggerafft hätte, de Graaf auch das Eierstocks-Ei gefunden haben würde. Einer ganzen Reihe von Anatomen (siehe bei R. de Graaf (36); Cruikshank nennt in Sonderheit Steno) waren die Graaf- schen Follikel bekannt, es ist aber das Verdienst de Graaf’s, diese Gebilde, welche er als die Eier auffasste, genauer beschrieben zu haben. de Graaf’s Abbildungen von Eierstöcken (l. ec. Taf. XIV von der Kuh und Taf. XVI vom Mensch) sind naturgetreu und heute noch brauchbar. Dass man zu Zeiten de Graaf’s nicht ganz einig gewesen ist über die Deutung der Follikel geht daraus hervor, dass de Graaf (l. c.) die Differentialdiagnose zwi- schen Follikel und Hydatide stellt. Die Corpora lutea deutet de Graaf als: „glandulosa sub- stantia, quae post ovi expulsionem in Testibus reperitur“ — also eigentlich ganz richtig. Anmerkung: Wenn man die Fig. IV, Taf. XIV (bei de Graafl. c.) näher in& Auge fasst, muss man sich sagen, dass de Graaf gewiss den wahren Zusammenhang geahnt hat, ohne aber mit seiner schon proklamirten Lehre brechen zu wollen. In dieser Figur bildet er nämlich ein Corpus lu- teum ab mit einer kleineren Höhle, worin seiner Meinung nach das Ei ge- sessen hat (locus ex quo ovum exemptum est) und darunter eine in diese Höhle passende Kugel, die er als Ei bezeichnet (ovum ex eo exemptum). Es war eine nothwendige Folgerung seiner Beobachtungen, dass de Graaf den Satz aussprach: das Ei verkleinere sich auf der Wanderung nach dem Uterus. Hierin liegt die Erklärung, dass die Entdeckung de Graaf’s mehr wie 100 Jahre unbeachtet blieb: „er hatte“, wie Cruikshank (26) sich ausdrückt, „das Schicksal der Cassandra: man glaubte ihm nicht, als er die Wahr- heit sagte“. Hunter und A. v. Haller traten als Widersacher Das menschliche Ei. 345 auf (s. bei Cruikshank), und Haller stützte seine Angriffe dar- auf, dass weder Hartmann noch Vallisnerus, welche de Graaf’s Versuche wiederholten, auch nicht er selber die Bläs- chen, welche man in den Ovarien findet, in den Tuben gefunden hatten. Vallisnerus (103) (und sein Lehrmeister Malpighius) be- trachtet die Corpora lutea als drüsige Körper, welche die Eier zu- bereiten und er verwirft die Anschauung de Graaf’s, dass die „Fliess-wasser-Bläschen“ Eier sind. Von dem Corpus luteum sagt Vallisnerus (p. 377): „in diesem Kelche ist das gantze Kunst- Stück der Erzeugung enthalten. In der gelben Materie steckt das gantze Geheimniss der Erzeugung“. Vallisnerus hat (p. 313) bei einem 5jährigen Mädchen Graaf’sche Bläschen entdeckt und fügt hinzu: „ja ich habe solche auch zum öftern bei Kindern im Mutterleibe wahrgenommen, deren Grössen dem Cörperchen der Frucht eben nicht proportionirlich waren“. Anmerkung. Im ersten Theil seines eben erwähnten Werkes giebt Vallisnerus eine genaue Beschreibung der thierischen Samenkörperchen, die er „Samen-Würmer“ nennt. In Uebereinstimmung mit fast sämmtlichen Anatomen der damaligen Zeit (erste Hälfte des 18. Jahrhunderts) betrachtet er dieselben als lebende Wesen und er scheint die — von Homberg und Geofroy in der Pariser Akademie bestätigte — Meinung Dalempazius’ zu theilen, dass der Kopf des Samenkörpers einen „Homunculus“ birgt, welchen man aber erst dann zu Gesicht bekommt, wenn derselbe sich ge- häutet hat. Taf. I, Fig. 8 (l.c.) bildet Vallisnerus (nach Dalempazius) ab: „Ein ausgewickeltes Menschlein oder ein Samen-Thierlein, welches die Haut, wovon es vorher bedecket gewesen, die ihm auch das Ansehen eines Wurmes gegeben, abgeworffen, die ihm noch am Kopfe festsitzet.“ Und eben- daselbst Fig. 9: „Ein anders grösseres Menschlein mit seiner Haut auf dem Kopfe*. | Die Anschauung über den in dem Samenkörperchen enthaltenen Homun- culus hat in der That ein mehr als bloss historisches Interesse, weil dieselbe eine Zeit lang drohte der ganzen Lehre von der Entwicklung des mensch- lichen und des thierischen Körpers, wie sie heute noch gültig ist, den Todes- stoss zu versetzen. Aus diesem Grunde halte ich es für berechtigt an dieser Stelle den Homunculus von damals zu erwähnen. Es blieb Cruikshank (26) vorbehalten, durch Versuche am Kaninchen, die Angaben de Graaf’s zu bestätigen (Ende des 18. Jahrhunderts), und in den Lehrbüchern aus dem Schluss des vori- sen und dem Anfang dieses Jahrhunderts, wie den von Lieutaud, 346 W. Nagel: Meckel u.v.A. findet man hauptsächlich die Ansicht de Graaf’s, dass der ganze Follikel das Ei ist, vertreten. Ein Menschenalter später entdeckte Karl Ernst von Baer (]) das Ei in den Graaf’schen Follikeln, sowohl beim Menschen, wie beim Säugethier. In seinem oft eitirten Werke Fig. XIII bildet v. Baer ein „ovulum cum diseo proligero et membrana granulosa hominis decies auetum“ ab. Was die Grösse des Eis betrifft, so ist die- selbe „minima, ratione ad ovarium et totum corpus in femina humana“. Das zwei Jahre vorher von Purkyn& (67) entdeckte Keim- bläschen hat E.v. Baer nicht am Säugethier-Ei erkannt. Er fasst das ganze Graaf’sche Bläschen (siehe auch (2)) als das wirkliche Ei auf (also wie de Graaf es auch gethan hatte) und stellt das von ihm entdeckte Eichen in gleiche Linie mit dem Parkyne- schen Bläschen beim Huhn (,„Vesieula Graafiana, ratione ad ma- trem habita, ovum sane est mammalium“). Dieser Satz wurde später von Meckel von Hemsbach (61) vertheidigt und dahin modifieirt, dass der gelbe Dotter des Vogeleies gleich ist mit dem Inhalt der Graaf’schen Follikel. Charakteristisch für die Denkweise des grossen Forschers ist folgendes: „vesieula Purkinjii vero, ratione ad foetum habita, verum se probat ovum: ovum foetale diei possit in ovo materno — Mammalia ergo habent ovum in ovo aut, si hac dicendi formula uti licet, ovum in secunda potentia“. Anmerkung. Uebrigens muss es dahin gestellt bleiben, ob E. v. Baer — worauf auch Bischoff (16) aufmerksam macht — doch nicht das Keimbläschen gesehen hat. v. Baer (2) sagt nämlich (p. 138): „das Eichen besteht aus einer inneren dunklen, grosskörnigen, kugelförmigen Masse, welche solide scheint, bei der genauesten Untersuchung jedoch eine kleine Höhlung erkennen lässt“ und fügt hinzu: „zur Paarungszeit ist in dem reifen Eichen die Höhlung sehr deutlich, wie ich jetzt sehe“ und p. 191 (l. c.) wie- derholt er: „das Ei der Säugethiere besteht aus einer Dotterkugel, die gegen die Zeit der Befruchtung immer deutlicher eine Höhlung erhält.“ Coste und unabhängig von ihm Wharton Jones haben das Purkyn&’sche Bläschen zuerst im Säugethier-Ei gesehen und richtig gewürdigt, und die von diesen beiden Autoren bestimmt ausgesprochene Analogie des Säugethier-Eies mit dem Vogel-Ei wurde dann von Valentin (90) bestätigt. Valentin hat nur an menschlichen Leichen, wo die Eier schon macerirt waren, unter- suchen können und nur zwei Mal ist ihm geglückt, das Keimbläs- Das menschliche Ei. 347 chen des Menschen mit aller Bestimmtheit zu beobachten. In dem einen Falle maass das menschliche Ei 0,002934 P. Z., das Keim- bläschen 0,001820 P. Z., in dem anderen maass das Ei 0,003137 P. Z., das Keimbläschen 0,001922 P. Z. Seiler (80) bestätigt die v. Baer’sche Entdeckung in Bezug auf das menschliche Ei und betrachtet es als ausgemacht, dass nicht das ganze Graaf’sche Bläschen in den Uterus gelangt, son- dern nur das Eichen. Neben den Franzen der rechten Tube in einem menschlichen Leichnam fand Seiler ein rundes Bläschen von 3°“ im Durchmesser, dessen Oberfläche mit sehr feinen sammet- artigen Flocken besetzt und mittelst eines eiweissstoffigen Gerinnsels an dem Bauchfellüberzug der Tube befestigt war. Seiler spricht die Vermuthung aus, dass das Bläschen ein Ei war auf der Wan- derung nach dem Uterus begriffen. R. Wagner (94) beschreibt zum ersten Male den Keimfleck, in Sonderheit an Eiern von Schaaf und sagt: „Dass beim mensch- lichen Ei ein Keimfleek vorhanden sei, ist mir wahrscheinlich.“ Im übrigen beschäftigt Wagner (95 und 96; siehe auch Ar- tikel „Ei“ in Ersch und Gruber's Allgemeiner Eneyelopädie der Wissenschaiten in alphabet. Folge. Erste Section. Leipzig 1839) sich mit Säugethier-Eiern und giebt in seinen „Erläuterungs- tafeln“ nur schematische, ideale — wie er ausdrücklich hervorhebt — Abbildungen von den Eiern des Menschen aus der ersten Ent- wicklung. Das in seinem Prodromus Taf. Il, Fig. XXXIII ge- zeichnete menschliche Ei mit grobkörnigem Dotter und länglichem Keimbläschen kann, wie auch Bischoff (16) sagt, keinen An- spruch auf Naturwahrheit erheben. Wagner meint, dass das Keimbläschen mit dem Keimfleck das primäre ist, der Dotter (Vitellus, Protoplasma im heutigen Sinne) tritt erst später hinzu. C. Krause (Handbuch der menschlichen Anatomie. Hannover 1841) fasst die Zona pellueida als „eine halbflüssige, eiweissähn- liche, von einem höchst zarten Häutchen eingeschlossene Schicht“ und nimmt eine wirkliche Dotterhaut (membrana vitellina), deren Dicke Yo“ betragen soll, an. Der Dotterinhalt besteht nach diesem Autor aus einem dickflüssigen Inhalt, worin viele Körnchen, Zellen (Dotterzellen?) und einige Fetttröpfehen suspendirt sind. Nach Krause misst das menschliche Ei Y,"—Yıs‘“. An Anfechtern der v. Baer’schen Entdeckung hat es nicht ge- fehlt. So kommt Haussmann (40) zu dem Ergebniss, dass die 348 W. Naeel: von ihm sogenannten ovula primitiva (die aber den Abbildungen nach reife Eierstocks-Eier verschiedener Thiere sind) aufgelöst werden und erst später scheidet sich dann im Uterus das „wahre weibliche Ei“ aus einer hier sich ansammelnden Flüssig- keit aus. Bei Hunden soll dieses 24 Tage 3 Stunden nach der ;efruchtung stattfinden. In der Berliner Medieinischen Centralzeitung vom Jahre 1841 (in einer Original-Mittheilung mit dem Titel: Weitere Nachweisung, dass die weiblichen Ovarien in einem verkümmerten Zustande sich befinden, und desshalb zur Entstehung eines Embryos nichts bei- tragen) nennt Wilbrand das neulich entdeckte Ei spöttisch „ein Deeiliontel-Eichen“ und vergleicht es mit den Deeiliontel-Dosen der Homöopathen. Die Gründe, welche Wilbrand zu Gunsten seiner Ansichten vorführt, haben nur historisches Interesse und er schliesst den Artikel mit folgendem Satze: Warum soll nicht auch die Conception im Uterus selbst geschehen können, da die ganze Entwicklung der Frucht naturgemäss im Uterus geschieht, und da krankhafter Weise sieh im Darmkanal und an sonstigen Stellen auch Entozoen bilden können, ohne dass zu denselben aus be- stimmten Organen (Ovarien) Deeiliontel-Eichen geliefert zu wer- den brauchen. Als ein Zeichen, wie langsam die Entdeekung v. Baer’s sich Eingang verschaffte, will ich hier anführen, dass die anatomischen Lehrbücher des ersten Decenniums nach der Veröffentlichung der epochemachenden Epistola v. Baer's (1) weder das menschliche Ei, noch den Namen v. Baer’s erwähnen. Siehe Weber, Hand- buch der Anatomie des Menschen. Stuttgart 1354. Lauth, Neues Handbch der praktischen Anatomie. Stuttgart, Leipzig und Wien 18355. Weber und Rosenmüller, Handbuch der Anatomie. Leipzig 1840. Wenn man bedenkt wie viele und genaue Untersuchungen über die Reifungs- und Befruchtungsvorgänge sowohl am Säuge- thier-Ei wie an den Eiern der übrigen Thierwelt wir heute be- sitzen, so klingt es fast unglaublich, dass kaum vor.45 Jahren Bi- schoff in seinem oben eitirten Lehrbuch der Entwieklungsge- schichte noch eine Lanze brechen musste für die Thatsache, dass „das Graaf’sche Bläschen des Eierstocks erst das viel kleinere Eichen selbst, aber schon vollkommen gebildet, einschliesst“. Seit den Arbeiten Bischoff’s ist nicht mehr an diesem Gesetz ge- rüttelt worden und die Entwicklungsgeschichte konnte jetzt auf Das menschliche Eı. 349 der richtigen Bahn vorwärts schreiten. Bischoff’s Beobachtungen über das Säugethier-Ei waren so genau, dass man bis zu Pflüger und Waldeyer die Naturgeschichte des Eis für abgethan er- achtete. Dass Bischoff vielen Erscheinungen eine andere und vielleicht nicht ganz richtige Erklärung beilegte, verringert den Werth seiner Beobachtungen in keiner Weise und ich werde in dem folgenden mehrfach Gelegenheit haben, auf die Anschauungen Bisehoff’s zurückzukommen. — Erwähnen will ich hier, dass Bischoff mehrmals menschliche Eier untersucht hat, allerdings nur an Leichen. Die grössten menschlichen Eier, welche er ge- sehen hat, schätzt Bischoff auf !/,o‘“ im Durchmesser, die klein- sten auf 1/o,‘ und darunter (die Dicke der Zone beträgt nach Bischoff 0,0004 P. Z., die Grösse des Keimbläschens 0,0015 — 0,0020, die Grösse des Keimflecks 0,0003—0,0004“) und bildet (17) auf Taf. I, Figg. 5, 6 und 7 Eierstocks-Eier von jungen Mäd- chen und von einer 25 jährigen Selbstmörderin ab. In dem einen von den abgebildeten Eiern schlüpft der ganze Dotter aus (ohne Membran) durch die zerrissene Zona, in den beiden andern hat sich der Dotter von der Zona zurückgezogen. In Nr. 6 sieht man mehrere Körper zwischen Dotter und Zona (Richtungskörper ?) und in Fig. 7 liegt das Keimbläschen excentrisch. C. Huschka (Samuel Thomas v. Sömmering’s Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen des menschlichen Körpers. Leipzig 1844) giebt eine ausführliche Beschreibung (ohne Abbildun- sen) des menschlichen Eis, welche aber wesentlich auf den Unter- suchungen Bischoff’s und Krause’s fusst und also auch die- selben Mängel hat. M. P. Erdl (Die Entwicklung des Menschen und des Hühn- chens im Ei. Leipzig 1845) bildet Figg. 5 und 6, Taf. I (l. e.) ein unreifes und ein reifes menschliches „Primitiv-Ei“ ab. An beiden fehlt das Eiepithel; es haften nur einzelne rundliche Zellen der Membrana granulosa dem „Chorion“ an, und zwar an dem unreifen Ei in grösserer Zahl als an dem reifen. Unter „Chorion“ versteht Erdli dasselbe wie E. von Baer u. A., also ist sein Chorion gleich zu stellen mit der Zona pellueida anderer Autoren. Erdl nennt aber irrthümlicher Weise den Raum zwischen Chorion und Vitellus, weleher — nach Erdl — dadurch entsteht, dass die Dotterkugel ihrer grösseren Leichtigkeit wegen immer in die Höhe strebe, Zona pellueida (vergl. auch C. Krause (l. e.)); ferner nimmt er eine — „nur durch Experimente erkennbare‘ — Dotter- 350 W. Nagel: haut (Membrana vitellina) an. An dem unreifen Ei (Fig. 5 1. e.), ist kein Keimbläschen zu sehen, weil dasselbe „in diesem noch nieht völlig entwickelten Zustande des Primitiv-Eies im Centrum des Dotters verborgen liegt‘. — An dem reifen :Ei (Fig. 6 1. e.) ist dagegen das Keimbläschen mit dem Keimfleck zu sehen. — In beiden Eiern besteht der ganze Vitellus aus fast gleich grossen Dotterkügelchen, welche dem Dotter ein maulbeerartiges Aussehen verleihen. Von einer radiären Streifung des „Chorion“ ist an keinem der beiden Eier etwas zu sehen. Hiermit kann ich die eigentliche Geschichte des menschlichen Eis abschliessen, denn die späteren Forscher beschäftigen sich aus _ den oben erwähnten Gründen entweder gar nicht mit dem mensch- lichen Ei oder sie trennen nicht die Besprechung des menschlichen Eis von der des thierischen. Ich habe alle diejenigen Werke über Entwicklungsgeschichte, Histologie und Anatomie daraufhin nach- gesehen, welche sich in der Bibliothek der hiesigen Königl. Ana- tomie befinden; ebenfalls habe ich in den Privatbibliotheken der Herren Professoren Gusserow und Waldeyer, welche mir freund- lichst geöffnet wurden, die dort vorhandenen Lehrbücher und Speeial- werke einer Durchmusterung unterzogen. Sollte mir irgend eine Arbeit, worin das Ei eingehender besprochen wird, entgangen sein, so würde ich für jede diesbezügliche Berichtigung dankbar sein. C. Krause (56), welcher bei v. Sehlen (79) als Darsteller eines menschlichen Eis — ohne nähere Literaturangabe — ange- führt wird, beschäftigt sich in der hier eitirten Arbeit mit dem thierischen Ei und bildet ein solehes von der Ziege ab. Ob v. Sehlen ein anderes Werk Krause’s im Sinne hat, vermag ich nicht anzugeben. J. Henle bespricht in seinem Lehrbuch der allgemeinen Ana- tomie (41) allerdings das menschliche Ei, benutzt aber zur Erläute- rung dieser Besprechung eine Zeichnung eines Schweine-Eis. In seinem Lehrbuche der Eingeweidelehre des Menschen (42) veran- schaulicht Henle seine Beschreibung des Eierstocks mit Abbil- dungen von Durchschnitten durch Eierstöcke von Neugeborenen und von einem 18jährigen Mädchen, wenn er aber vom Ei spricht beziehen seine Angaben sich auf das Ei vom Schaf. Pflüger (66) erwähnt nur ganz kurz die menschlichen Eier- stöcke und beschäftigt sich im Uebrigen mit dem Säugethier-Ei. Kölliker (52 u. 53) stellt ein menschliches Ei dar, jedoch fehlt demselben die Radiär-Streifung der Zona, der perivitelline Das menschliche Ei. 351 Spaltraum und die Trennung des Vitellus in Deutoplasma und Protoplasma; der ganze Dotter ist gleichmässig und zum Theil srobkörnig, das Keimbläschen liegt excentrisch, lässt aber sonst keine Eigenthümlichkeiten erkennen. Nach Kölliker misst das menschliche und Säugethier-Ei 0,2 mm, das Keimbläschen 40—50 u, der Keimfleck 5—7 u. Waldeyer (97 und 98) giebt eine naturgetreue Abbildung eines frischen Kaninchen-Eis und vom menschlichen Ei sagt er, dass die anatomischen Verhältnisse desselben sich wesentlich, so- weit er an hinlänglich frischen Objeeten dies hat untersuchen können, mit denen der von ihm untersuchten Thier-Eier decken. Anmerkung. Waldeyer (98) giebt folgende Maasse (nach eigener und anderer Messung) an: Das Primordial-Ei bei einem 3monatlichen menschlichen Embryo 11—14yu, bei einem 7monatl. menschl. Embryo 15— 325 u. Das kleinste Ei bei einem erwachsenen Mensch misst 26 u. Das reife Ei des Menschen misst 200 u, die Zona pellucida (reifes Ei) 1Ou. Das Keim- bläschen bei einem 3monatl. menschl. Embryo 9—11 u, bei einem 7monatl. menschl. Embryo 10—14 u, bei einem reifen menschlichen Ei 45 u. Der Keimfleck bei einem 3 monatlichen menschlichen Embryo 2 u, im reifen mensch- lichen Ei Tu. Pouchet (Preeis d’Histologie humaine. Paris 1864) giebt die Zeichnung Kölliker’s (s. 0.) wieder. Aeby (Der Bau des menschlichen Körpers. Leipzig 1871) bildet einen Graaf’schen Follikel vom Mensch ab, aber in so ver- kleinertem Maassstabe, dass man Einzelheiten nicht erkennen kann; das Ei sitzt der seitlichen Follikelwand an. Das von Gegenbaur (35) abgebildete Ei ist dem Werke Kölliker's {s. 0.) entnommen und hat dieselben Mängel. Der Durehsehnitt von einem Eierstock eines Neugeborenen ist dem Waldeyer’schen Werk entnommen. Leydig (57) bildet einen menschlichen Graaf’schen Follikel ab, in welehem der Diseus mit dem Ei an der äusseren Wand dieht unter der Oberfläche sitzt; das Ei ist aber so klein gezeich- net, dass man Einzelheiten nicht erkennen kann. C. Heitzmann (Die deseriptive und topographische Anatomie des Menschen. Wien) und R. Hartmann (Handbuch der Anatomie des Menschen. Strassburg 18381) geben schematische Zeichnungen, der erstgenannte von einem Graaf’schen Follikel mit Ei, der letzt- genannte Autor von einem menschlichen Bi. EB. van Beneden (10) beschäftigt sich mit den Eiern von menschlichen Neugeborenen und beschreibt Theilungsvorgänge an Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 31, 23 f 352 W. Nagel: denselben; auch werden solche angeblich in Theilung begriffene Eier abgebildet. Mit ‘dem reifen menschlichen Ei beschäftigt v. Beneden sich sonst nicht, jedoch giebt er an, dass nz 0,23 mm misst. S. Trinchese (88) beschreibt das Kerngerüst an Eiern (Primordial-Eiern) eines 7monatlichen menschlichen Fötus. W. Krause (Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876) bildet einen Graaf’schen Follikel von 1 mm Durch- messer aus dem Eierstock eines ]Sjährigen Mädchens ab. In die- sem Follikel erkennt man deutlich den Basalsaum des Follikel- epithels (allerdings nicht als solcher bezeichnet) und den Discus proligerus mit dem Ei, welches aber die Einzelheiten nicht er- kennen lässt. Um diese zu erläutern benutzt Krause die Zeich- nung eines Kaninchen-Eies. Sappey (Traite d’Anatomie. Paris 1876) liefert Zeichnungen von Durehschnitten durch die Eierstöcke eines Neugeborenen, eines 4jährigen Kindes und einer 20jährigen Frau; dieselben sind aber allzu schematisch. Sappey vertritt im Wesentlichen — was auch aus den diesbezüglichen Abbildungen zu sehen ist — die An- schauung Pflüger’s über die Oogenese. Das Werk Wal- deyer’s scheint ihm gänzlich unbekannt zu sein. In Quain’s Anatomy (Vol. II. London 1882) werden Ovarien- durehsehnitte (nach Sehrön und Waldeyer) von Thieren so- wie von einem neugeborenen Kinde gegeben. Die abgebildeten Eier sind Thier-Eier. TTATTAIQANNOS (ANATOMIKH-Tou-ANOPATIOY. AOHNAIZ 1887) bildet Fig. 11 ein menschliches Ei ab ohne radiäre Streifung der Zona und ohne Schichtung des Vitellus. Dieser Verfasser nimmt eine besondere Dotterhaut an, wenigstens heisst es in der Figurenerklärung sub B: TO EZw3ev Öpıov Tfg Aekıdou Kai OUvaud To EOw#eEev TÄS dIAPavoüg Zwvng. E. von Baer (Entwicklungsgeschichte der Thiere. II. Theil. Königsberg 1838). 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Paris 1880). Hensen (Physiologie der Zeugung. Hermann’s Hand- buch. Bd. 6. Leipzig 1881). Carl Toldt (Lehrbuch der Gewebe- lehre. Stuttgart 1384). Rauber (Die Lehre von dem Nervensystem und den Sinnesorganen. Erlangen 1886). Faneuil D. Weisse (Practical Human Anatomy. New-York 1886). Gruenhagen (Lehr- buch der Physiologie. Hamburg u. Leipzig 1887). Landois (Lehr- buch der Physiologie des Menschen. Wien u. Leipzig). O. Hert- wig (44) beschäftigen sich hauptsächlich mit Thier-Eiern und trennen die Besprechung des menschlichen Eis — wenn sie über- haupt dasselbe besonders erwähnen — nicht von der des thieri- schen. Die etwa vorhandenen Abbildungen — wenn sie nicht Co- pien aus anderen schon erwähnten Werken sind — stellen alle Thier-Eier dar. Die Lehrbücher der Geburtshülfe und Gynäcologie von Char- Bestier, Lershmann, H,. Hodsenanosshiunt.. Hohl, Kiwisch, Cred&, Siebold, Hyernaux, Kleinwäch- 354 W. Nagel: ter, Seanzoni, Naegele, Fritsch, Spiegelberg (aus- segeben von Wiener) und von Anderen beschäftigen sich ent- weder gar nicht mit dem Eierstocks-Ei oder doch nur ganz vorüber- gehend, die etwa vorhandenen Zeichnungen sind entweder Copien von Kölliker's Ei (s. 0.) oder den Werken von Joulin (s. u.) und älteren Verfassern (Wagners Erläuterungstafeln der Phy- siologie) entnommen. B. Sehultze (Wandtafeln der Schwangerschaft und Ge- burtshülfe. Leipzig 1865) giebt (Taf. Ill, Fig. 6) eine Zeichnuug von einem reifen Graaf’schen Follikel, in welchem der Discus mit dem Ei an der äusseren Wand des Follikels sitzt. Den damaligen Anschauungen gemäss ist der ganze Eierstock mit einem Peritoneal- überzug bekleidet. — Dem ebendaselbst Taf. III, Fig. 7 abgebildeten Ei fehlen das Eiepithel, die Radiär-Streifung der Zona und der peri- vitelline Spaltraum; ferner hat das Keimbläschen keine doppelt- eontourirte Membran und der ganze Vitellus ist gleichmässig ge- zeichnet. Das von Joulin (Trait&e complet d’accouchement. Paris 1867) abgebildete menschliche Ei hat eine eireulär ge- streifte Zona und die übrigen Einzelheiten sind ebenfalls nicht richtig dargestellt. E. Martin’s Handatlas der Gynäcologie und Geburtshülfe (herausgegeben von Dr. A. Martin. Berlin 1878) enthält (Taf. 9, Fig. 5) eine von Kiwisch entnommene Zeichnung eines Durch- schnittes durch den menschlichen Eierstock in so verkleinertem Maassstabe, dass man nicht die Einzelheiten des Follikels, ge- schweige denn diejenigen der Eier erkennen kann. Denselben Vorwurf wie die Zeichnung Joulin’s trifft die bei Tarnier (Trait& de l’art des accouchements. Paris 1882) sich vorfindenden eines menschlichen Eis, an welehem die Zona eben- falls eirculär gestreift ist. Berry Hart (Atlas of Female Pelvie Anatomy. Edinburgh 1884) bildet Thier-Eierstöcke ab (Copien nach Turner und Sehrön). Der bei Schröder (75) abgebildete Graaf’sche Follikel ist, wie auch Schröder selbst angiebt, schematisch dargestellt. Dem ebendaselbst (Fig. 12) gezeichneten Ei fehlen das Eiepithel, der perivitelline Spaltraum und die verschiedenen Schichtungen des Vitellus. Die Zona ist radiär gestreift aber viel zu diek und das Keimbläschen ist allzu gross im Verhältniss zu dem ganzen Ei. — Das menschliche Ei. 355 Schröder beschreibt die Follikelbildung bei Neugeborenen und bildet auch solche Zustände ab. In dem Lehrbuche der Geburtshülfe von Zweifel (Stutt- gart 1337) findet sich eine Abbildung eines Graaf’schen Follikels, in welchem der Discus proligerus mit dem Ei an der tiefsten Stelle des Follikels sitzt. Zweifel beschäftigt sich eingehend mit der Furchung und ersten Entwicklung der Körperform (bei Thieren). Als Beleg dafür, dass wir noch heute einer guten und natur- getreuen Wiedergabe eines thierischen Eierstocks für Unterrichts- zwecke aus Mangel an Zeichnungen vom Menschen nicht ent- rathen können, will ich nur anführen, dass Wyder in seinem kürzlich erschienenen Werk (Tafeln für den gynäcologischen Unter- richt. Berlin 1887) seine Beschreibung von Eierstock und Ei an die von Waldeyer in Strieker’s Handbuch (98) gegebenen Zeichnung eines Durchschnittes durch den Eierstock einer Hündinn anknüpft. — Eine besondere Abbildung von dem Eierstocks-Ei siebt W yder nicht. Material und Untersuchungsmethode. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf die Eierstöcke Er- wachsener und Neugeborener und ich verdanke, wie Eingangs er- wähnt, sämmtliches Material dem Herrn Geheimrath Gusserow. Die Ovarien der Erwachsenen sind bis auf eins durch Operationen gewonnen, welche in diesem Jahre theils in der geburtshülflich- gynäcologischen Klinik der Königl. Charit& theils in der Privat- praxis des Herrn Geheimrath Gusserow ausgeführt worden sind. Unmittelbar nach beendeter Operation eröffnete ich die Follikel in der üblichen Weise und untersuchte die so gewonnenen Eier in Follikelflüssigkeit auf einem Objeetträger mit gestütztem Deckglase. Die Studien über die amöboiden Gestaltveränderungen habe ich in den heissen Sommermonaten vorgenommen, und es erwies sich hierbei der heizbare Objeettisch überflüssig, indem die Kernver- änderungen mehrere Stunden andauerten (vergl. auch Ch. van Bambeke (7)). Selbstredend muss man durch beständiges Zu- setzen von 0,6%, Kochsalzlösung dafür Sorge tragen, dass das Präparat nicht eintrocknet. Die Messungen — wozu das von Dr. Klaatsch ceonstruirte Messocular (Anatomischer Anzeiger 1837. Nr. 20. Radialmikrometer von Dr. H. Klaatsch) sich ganz vor- züglich eignete — und die Zeichnungen wurden sofort ausgeführt. 356 W. Nagel: Bei den ersten Aufnahmen ist der Zeichner auch von Herrn Ge- heimrath Waldeyer genau controlirt worden, später von mir. Die meisten der untersuchten Ovarien waren wegen chroni- scher Entzündungszustände im kleinen Becken entfernt worden. Wie ich in einer früheren Arbeit (63) nachgewiesen habe, ergreift der Krankheitsprocess hierbei zuerst die Albuginea, wodurch diese beträchtlich verdiekt wird, und schreitet dann allmählich in die Tiefe. Auffallend lange behalten in solchen Ovarien die Follikel ihr normales Aussehen und man trifft alle möglichen Stufen der Entwicklung von Primärfollikel bis zum vollständig reifen Follikel. Die Eröffnung des Follikels, sowie die Bildung des Corpus luteum kann sich in derselben Weise vollziehen, wie in sonst gesunden Eierstöcken. Ich betrachte einen Graaf’schen Follikel als gesund, wenn derselbe mit Liquor follieuli prall gefüllt ist und man an dem- selben nachweisen kann: 1) eine Membrana granulosa mit Vacuolen und die auf die Bereitung von Liquor folliculi hinweisenden Meta- morphosen der Follikelepithelzellen, 2) eine Basalmembran (Glas- haut), 3) eine Tuniea interna mit zahlreichen Gefässen und aus spindelförmigen und runden Zellen bestehend, 4) eine Tunica ex- terna von derber Beschaffenheit und aus concentrisch gelagerten, verflochtenen Bindegewebsfasern bestehend. Ferner sind denn auch stets die sinuösen Räume in der Umgebung des Follikels nach- weisbar. Es entspricht der eben geschilderte Befund vollständig demjenigen, welchen Waldeyer (97 u. 98) von einem normalen Graaf’schen Follikel giebt. Ohne Ausnahme konnte ich in Follikeln von diesem Aussehen gesunde Eier (s. Fig. 10) zu Gesicht bekom- men. Ich untersuchte anfangs Präparate, welche mittelst Paraffin- oder Celloidineinbettung durch Anfertigung von Reihenschnitten hergestellt waren, und unternahm die Untersuchungen an frischen Objeeten erst dann, als ich über die Structur der Eier sowohl in gesundem wie entartetem Zustande mich genügend orientirt hatte. Eins von den untersuchten Ovarien war zufällig gewonnen bei Ex- stirpation einer dem Ovarium gestielt ansitzenden Cyste des Li- gamentum latum und zeigte auch makroskopisch ein vollständig gesundes Aussehen: Die Form war länglich bohnenförmig, die Länge betrug 4!/; em, die Höhe 2,4 em, die Dieke 2 cm. Die Ober- fläche war glatt mit zahlreich hervorragenden Follikeln, die Farre- Waldeyer’sche Demarkationslinie für die Insertion des Peritoneums an der Basis ovarii leicht zu erkennen, und die Follikel zeigten Das menschliche Ei. 357 alle den oben geschilderten Befund. Ferner bot die Parenchym- zone keinerlei Veränderungen dar, zeigte vielmehr das für Mensch und höhere Säugethiere eigenthümliche Bild von unentwirrbar in einander verflochtenen Bindegewebszügen. Die Primärfollikel waren in einer dem Alter der Trägerin (27 J.) entsprechenden An- zahl vorhanden und liessen erkennen ein wohl erhaltenes Follikel- epithel und normal beschaffene (s. unten) Primordial-Eier. Ein anderes Ovarium entstammte einem sonst gesunden 16- jährigen Mädchen mit Atresia vaginae et Uterus unicornis. Da die Bildung einer künstlichen Vagina sich als unmöglich erwies, wurde behufs Sistirung der Menses die Castration ausgeführt. Die linke Kante des Uterus war abgerundet, die linke Tube und das linke Ovarium fehlten. Es bestanden keine Erscheinungen weder einer acuten noch chronischen Entzündung des Peritoneums. Das rechte Ovarium hatte eine dreieckige Gestalt mit der Spitze nach oben und war durch eine tiefe Furche fast in zwei Theile getheilt; die hierdurch entstandene Brücke wurde nur vom Hilusgewebe gebildet, eine Parenchymzone fehlte vollständig an dieser Stelle. Die Länge des Ovariums betrug 2,7 cm, die Höhe 2 cm, die Dicke lem. Bei der näheren Untersuchung zeigte sich nun, dass in der einen grösseren Hälfte dieses Ovariums eine geringe Anzahl von Primordialeier, die alle Zerfall des Kerns zeigten, vorhanden war und dass sämmtliche Graaf’sche Follikel mit den darin enthaltenen Eiern in Verödung begriffen waren. Die andere kleinere Hälfte des Ovariums enthielt dagegen eine normale Anzahl von gesunden Primordialeiern (s. u.), die Graaf’schen Follikel waren hier von normalem Aussehen und enthielten entwicklungsfähige Eier, an deren Keimbläschen ein deutliches Kerngerüst zu erkennen war (siehe Fig. 6, Taf. XX). Anmerkung. Wenn man diesen Befund in’s Auge fasst, so liegt die Vermuthung nahe, dass beide Ovarien während des fötalen Zustandes mit einander verwachsen waren. Wie aber diese Verwachsung zu Stande ge- kommen ist, lässt sich freilich ebenso schwer erklären, wie das vollständige Fehlen der linken Tube und des linken Gebärmutterhornes. Ich möchte dess- halb annehmen, dass hier doch nur ein einziges Ovarium vorhanden war. Die Entwicklungsgeschichte lehrt ja, dass selbst bei den höheren Wirbel- thieren von doppelt angelegten Organen, das eine während des embryonalen Lebens atrophiren kann. Was die Ovarien betrifft, so ist bekannt, dass beim Hühnchen das rechte Ovarium alsbald nach der Anlage desselben zu Grunde geht und das linke Zeitlebens die Function der Eibildung allein übernimmt. 358 W. Nagel: Diese beiden Ovarien habe ich zu Controluntersuchungen verwendet. Ausserdem habe ich frische Eierstöcke von Schwein, Rind und Kalb untersucht und die frischen Eier von diesen Thieren in derselben Weise behandelt wie die vom Mensch. Der Unter- schied zwischen den Eierstocks-Eiern des Menschen und denen der Säugethiere besteht in Sonderheit darin, dass bei den letzteren das Deutoplasma sehr viel reicher an Fetttropfen ist; sonst ist der Bau annähernd derselbe (vergl. Waldeyer (97 u. 98) und die Handbücher der Histologie). Da nun bei Säugethieren durch so zahlreiche und ausge- zeichnete Untersuchungen (ich nenne an dieser Stellenur Edouard van Beneden und EG. Rein) nachgewiesen worden ist, dass Eier- stocks-Eier von der bekannten Structur reifen und befruchtet wer- den um schliesslich einen Embryo zu bilden, so nehme ich keinen Anstand, die Behauptung aufzustellen, dass diejenigen menschlichen Eierstocks-Eier, welche ganz ähnliche anatomische Verhältnisse wie die erwähnten Säugethier-Eeier zeigen, ebenfalls reifungs- und be- fruchtungsfähig sind, folglich auch gesund und maassgebend für ein genaues Studium sind. Uebrigens wird jeder, der mit der Ana- tomie der Thier-Eier vertraut ist, sofort, auch bei einer nur flüch- tigen Betrachtung der hier abgebildeten menschlichen Eier, zu- geben müssen, dass ich nicht an faulenden oder kranken Eiern meine Beobachtungen angestellt habe. Um Dauerpräparate anzufertigen, habe ich die aus den frischen Follikeln entnommenen Eier verschiedentlich behandelt; ich bin aber zu dem Ergebniss gekommen, dass das von E. van Beneden angegebene Verfahren, nämlich Behandlung mit 1°/, Osmiumsäure- lösung und dann drei Tage hindurch mit Müller’scher Flüssigkeit die beste Methode zum Erreichen dieses Zwecks ist. Gehärtet habe ich die Ovarien theils in Müller’scher Flüssig- keit, theils in Flemming’scher Lösung. Ich kann E. van Beneden nicht ganz beistimmen, wenn er sagt, dass die Müller’sche Flüssig- keit den Vitellus der Säugethier-Eier in hohem Grade verändert. Beim menschlichen Ei ist dies durchaus nicht der Fall und ich vermochte nicht einen Vortheil der übrigen Härtungsmittel vor der Müller’schen Flüssigkeit zu finden. Kunstgerecht ausgeführt (d. h. also mehrmaliges Wechseln der Lösung 4—6 Wochen hin- durch, dann sorgfältiges Auswaschen der Präparate in fliessendem Wasser bis dieselben neutral reagiren und nachfolgende Behand- lung mit destillirtem Wasser, dann endlich Härten in allmählich Das menschliche Ei. 359 stärker werdendem Alkohol) giebt die Methode mit Müller’scher Flüssigkeit sehr gute Resultate und die Präparate lassen sich aus- gezeichnet färben. Ich finde sogar, dass die so behandelten mensch- lichen Eier ein dem frischen Zustande ziemlich ähnliches Aus- sehen behalten. Als Färbemittel wandte ich bei in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten Eierstöcken Hämatoxylin, Eosin und Pikrocarmin an. Auf die Vorzüglichkeit der Verbindung von Hämatoxylin mit Eosin werde ich mehrfach Gelegenheit haben zurückzukommen. Um die Eier in situ in den Follikeln zu Gesicht zu bekommen, ist es noth- wendig die Präparate in Celloidin oder Paraffin einzubetten. Beide Methoden liefern gleich gute Resultate. In vielen Fällen habe ich auch vor der Einbeitung in Paraffin die Durehfärbung angewendet. Die mit Fiemming’scher Lösung behandelten Eierstöcke habe ich, nach gehörigem Auswaschen in fliessendem und dann in destil- lirtem Wasser, in allmählich stärker werdendem Alkohol gehärtet und dann in der üblichen Weise mit Saffranin gefärbt. Ich er- zielte hiermit sehr schöne Kernfärbungen. Auch versuchte ich die Präparate vor dem Einbetten in Paraffın mit Saffranin durchzu- färben und war mit dem Erfolg sehr zufrieden. Die in Paraffin oder Celloidin eingebetteten Eierstöcke wur- den dann mittelst eines Schlittenmikrotoms in Schnittserien zerlegt und in der bekannten Weise weiter behandelt. Ehe ich zur Besprechung der gewonnenen Thatsachen über- gehe, schicke ich die Bemerkung voran, dass ich, um nicht der Arbeit eine zu grosse Ausdehnung zu geben, hauptsächlich nur die Säugethier-Eier zum Vergleich herangezogen habe. Wo es aber zur Klarstellung einiger Fragen notwendig war, habe ich auch die von anderen Forschern erzielten Ergebnisse über die Eier der übrigen Thierwelt — so weit möglich — berücksichtigt. Wenn ich hierbei Arbeiten aus dem Bereich der niederen Thierwelt, viel- leicht sogar sehr wichtige Arbeiten, unerwähnt gelassen habe, bitte ich um Entschuldigung. Aus dem oben erwähnten Grunde war eine Berücksichtigung nicht thunlich. Primordial-Ei und Primärfollikel. Gehen auch heute noch die Anschauungen der Naturforscher über die Natur des fertigen Eierstocks-Eis der Säugethiere — ob 360 W. Naeel: eine einfache Zelle oder eine zusammengesetzte Bildung — weit auseinander, so sind doch alle in Bezug auf das Primordial-Ei darin einig, dass dieses als wahre Zelle aufzufassen ist. Hiermit ist denn auch der, vielleicht von Agassiz (s. Agassiz u. Gould: Prineiples of Zoology. 1856) zuerst, später von Hubert Ludwig (59) ausgesprochene Satz, dass alle Primordial-Eier im ganzen Thierreiche einander vollkommen gleich sind, endgiltig unter- schrieben. Es gebührt Th. Schwann (78) der Ruhm, zuerst das Ei als eine Zelle (Urzelle) gedeutet zu haben, eine Ansicht, die sofort (16) und auch später (18) von Bischoff bekämpft wurde, welcher das Keimbläschen für sich als eine Zelle auffasste (Barry, Leuckart, R. Wagner). Ich will auf die historischen Daten nicht weiter eingeben, sondern verweise auf das diesbezügliche Capitel in dem Werk von Waldeyer (97), p. 5l u. flg., wo man alle hierher gehörenden Thatsachen angeführt und kritisirt findet. Als Ergebniss seiner Untersuchungen über das Wesen des Ur-Eis stellt Waldeyer folgende Sätze auf: „Das Eiist von Anfang an, beim Vogel wie beim Säugethier, eine vollständige Zelle mit Protoplasma, Kern und Kernkörperchen.“ „Die Eizelle zeigt Kern, Kernkörperchen, Protoplasma, aber keine Membran oder eine Zonoidschicht (His), sie ist umgeben von einem Kugelmantel von Epithelzellen, das sind die jüngsten Fol- likel“. Bis jetzt haben alle spätern Forscher die Richtigkeit dieser Sätze anerkannt und man darf dieselben desshalb als Ausgangs- punkt für weitere Betrachtungen ansehen. Das menschliche Primordial-Ei ändert sein Aussehen und seine Eigenschaften nicht von dem Augenblick an, wo der Primär- follikel gebildet worden ist, bis zu der Zeit, wo es, mag es auch am Ende des zeugungsfähigen Alters sein, au die Reihe kommt, zu einem reifen befruchtungsfähigen Ei heranzuwachsen. Man findet es in den Eierstöcken sowohl des Neugeborenen, wie des erwachsenen Weibes als eine nicht ganz regelmässige Kugel, welche, ohne Rücksicht auf das Alter, in den verschiedenen Durch- messern: 48 und 54 u, 54 und 58 u bis 64 und 69 u misst. Der Kern, das Keimbläschen, liegt stets in der Mitte, und misst bei Erwach- senen 29 bis 32 u in beiden Durchmessern. Das Kernkörperchen hat in der Regel eine Grösse von 9 u in beiden Durchmessern. Alle diese Messungen beziehen sich auf Primordial-Eier, welche aus frisch exstirpirten Eierstöcken (bei Erwachsenen) stammten und in Kochsalzlösung untersucht worden sind. Aus den frischen Das menschliche Ei. 361 Eierstöcken von Neugeborenen gelingt es leicht durch Zerzupfen die Primärfollikei zu isoliren, dagegen haftet das Follikelepithel dem Ei fest an und es gelang mir nicht dasselbe zu entfernen ohne auch das Primordial-Ei zu verletzen (es deutet schon dieses auf den gemeinschaftlichen Ursprung hin). Aus diesem Grunde ist das Keimbläschen nicht deutlich zu erkennen, ich konnte dessen Maasse nicht genau feststellen. Die Grösse der Primärfollikeln schwankt, je nach dem Sitz derselben, zwischen 40 X 43 u, 42 X 45 u, 45x48 u bis 60X64 u. An gehärteten Objeeten, sowohl von Neu- geborenen wie von Erwachsenen, schrumpfen die Durchmesser des ganzen Eis bis auf 35, 38, 45 u. 48 u; die Durchmesser des Keim- bläschens bis auf 16 u in allen Ebenen. Unbedeutende Schwan- kungen können vorkommen, dieselben sind aber rein individuell, indem die Primordial-Bier in einem und demselben Ovarium stets ein gleich grosses Keimbläschen tragen. Die Grösse des Keimbläschens scheint ganz unabhängig zusein vonlderniiGrösserdes, Priotoplasmas.wDas>Keim- bläschen (des Primordial-Eis) scheint ferner eine, in allenEierstöcken verschiedenenAltersgleiche Grösse zu besitzen (vergl. auch Valentin (90)). Eine Membran besitzt das menschliehe Primordial-Ei nicht, wie auch, nach Waldeyer (s.o.), beim Säugethier von E. van Beneden (12) und bei verschiedenen Muschelarten von Flem- ming (29) nachgewiesen worden ist. Pflüger (66) dagegen nimmt an, dass die Primordial-Fier eine hyaline, ziemlich feste Membran besitzen, eine Ansicht, die auch von Balfour (eitirt bei E.van Beneden) getheilt wird. Das Protoplasma des Primordial-Eis unterscheidet sich in nichts von dem Protoplasma anderer Zellen, indem es aus einer sleichmässig hellen Substanz (‚„protoplasmatische Grundflüssigkeit“ (E. v. Beneden)), worin ein Netzwerk deutlich zu erkennen ist, besteht. Das Netzwerk des Protoplasmas steht, wie auch Bal- four (5) und E. van Beneden (12) hervorheben, mit dem später zu beschreibenden Netzwerk des Keimbläschens in keinerlei Verbindung, wogegen eine solche von Klein, Heitzmann und Eimer — siehe bei Balfour (5) — angenommen wird. Anmerkung. E. van Beneden scheint später eine Verbin- dung zwischen den beiden Netzwerken beobachtet zu haben (siehe bei Wal- deyer (101). Mit Eosin färbt sich das Eiprotoplasnıa lebhaft und gleich- 362 W. Nagel: mässig rosa (vergl. auch Carini (24)j, wobei das Netzwerk deut- lich hervortritt. Man hat hierin eine Handhabe zur Beurtheilung ob das Ei — hier also Primordial-Ei — gesund ist oder in be- sinnender Entartung begriffen, in welchem Falle dasselbe sich gar nicht oder nur theilweise färbt. Es ist dies eine Beobachtung, die ich mehrfach, sowohl beim Menschen wie beim Säugethiere zu machen Gelegenheit hatte. Beim Hühnchen hat His (47) im Protoplasma der Primordial- Eier protagonhaltige Körner („wahre Dotterkörner“) nachge- wiesen, und auch E. van Beneden (10) sagt, dass sobald der Follikel sich gebildet hat, das Eiprotoplasma (also meint er jeden- falls Primordial-Ei) einige stark lichtbreehende Kügelchen enthält. Dass ich im menschlichen Primordial-Ei diese Gebilde nicht habe nachweisen können, erkläre ich mir dadurch, dass die Unter- suchungen der beiden Forscher Thiergattungen betreffen (E. van Beneden hat hauptsächlich Säugethiere, nur ein paar Mal mensch- liehe Föten, verwendet), deren Eier viel reicher an Deutoplasma (Nahrungsdotter) sind als die menschlichen Eier; da mag denn die Bildung von Nahrungsdotter früher — und anders — anfangen. In dem, mit einer deutlichen Membran versehenen, Keim- bläschen habe ich stets, auch in ganz frischen Primordial-Eiern, ein deutliches Kerngerüst gesehen und es stimmen meine Unter- suchungen hierin überein mit denen E. van Beneden’s bei den Fledermäusen, Kaninchen u. a. Säugethieren, Bütschli’s (22), Flemming’s (29 — dieser Forscher hat zuerst das Kerngerüst gesehen und zwar bei den Eiern der Najaden: Unio und Anodonta), OÖ. Hertwig (44) u. a. bei niederen Thieren. Bei einem 7 monat- lichen menschlichen Fötus, also wahrscheinlich doch in einem Pri- mordial-Ei, hat Trinchese (83) einmal ein Kerngerüst gesehen, sonst scheint es bisher vom Menschen nicht beschrieben worden zu sein. Dasselbe breitet sich über das ganze Keimbläschen aus und steht mit dem Keimfleck in Verbindung, wie man gewiss auch mit Hertwig, Balfour und Klein annehmen muss, dass beide Ge- bilde aus demselben Material (Nuelear-Substanz Hertwig’s) ge- baut sind. — Es scheint, als ob E. van Beneden (12) der An- schauung wäre, dass das Kerngerüst keine Verbindung mit dem Kernkörperchen (Keimfleck) hat. Darin, dass das Kernkörperchen jedenfalls nicht als eine einfache Verdiekung der Kreuzungsstellen des Netzwerks aufzufassen ist, kann ich van Beneden Recht Das menschliche Ei. 363 seben. Die an diesen Stellen vorhandenen mehr oder weniger deutlich hervortretenden Verdickungen des Netzwerks nennt van Beneden „pseudonucleoles“. Balfour (5) meint, dass das Netzwerk nur an denjenigen Ur- Eiern vorhanden ist, die sich später zu wahren Ovula ausbilden; desshalb meint er aber nicht, dass das netzbildende Material fehlt, sondern es hat bloss keine besondere Anordnung angenommen. Ich habe beim Mensch den Eindruck bekommen, als wäre das Kerngerüst an jedem Primordial-Ei vorhanden, dagegen sieht man öfters, dass das Kernkörperchen (Keimfleck) fehlt. In Sonder- heit ist dies bei Föten und Neugeborenen ein ganz auffallend regel- mässiger Befund. Erwägt man, dass fast alle neueren Forschungen auf dem Gebiete der Zelllehre seit Auerbach zu dem Ergebniss geführt haben, dass man in dem Kern den Hauptbestandtheil der‘ Zelle erblickt und erwägt man ferner, dass nach den Anschauungen der bedeutendsten Forscher der Neuzeit sogar die Vererbung an den Zellenkern gebunden ist (s. die betreffende Literatur bei Waldeyer (101)), so bin ich geneigt anzunehmen, dass solche Eier ohne Kernkörperchen aueh nicht zur Entwicklung kommen. Für diese Annahme scheint mir auch der Umstand zu sprechen, dass bei vielen niederen Thieren, wo fast alle die angelegten Eier erfahrungsgemäss auch zur Entwicklung kommen, sämmtliche Primordial-Eier ein deutliches Kernkörperchen haben. Bekannt ist es, und auch aus meinen Präparaten geht dies deutlich hervor, dass in den ersten Lebensjahren eine ungeheure Anzahl von Ei- anlagen zu Grunde geht. Während bei Föten und Neugeborenen die Eianlagen, dieht gedrängt in mehreren Reihen, bis in den Hilus hineinreichen, findet man bei erwachsenen Mädchen nur eine ein- höchstens zweireihige Schicht von verhältnissmässig weit auseinan- der liegenden Primordial-Eiern vor. Dass aber allen Primordial- Eiern ein Kernkörperchen fehlen soll, wie dies E, van Beneden bei der Fledermaus annimmt, Valaoritis (89) beim Salamander mit Bestimmtheit behauptet, und Hubert Ludwig (59) in manchen Fällen, vielleicht für alle anzunehmen scheint, das trifft beim Menschen jedenfalls nicht zu. Der Keimfleck (Kernkörper- chen) ist auch in irischen Primordial-Eiern deutlich zu er- kennen als ein hellleachtendes gelbschimmerndes rundliches Ge- bilde, und an den in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten Präparaten färben Keimfleck und Kerngerüst sich stets sehr schön mit Häma- 364 W. Nagel: toxylin oder Pikrocarmin. Hat man die Chromosmiumessigsäure- lösung zum Härten verwendet, so giebt Saffranin die schönsten Bilder. Oft liegt das Kernkörperchen (Keimfleck) ganz peripherisch. Nach Pflüger (66) soll dies bei Säugethieren die Regel sein und erst später rückt dasselbe nach der Mitte des Kerns (Keimbläschen) hin. Leydig (57) hat in gewissen Fällen beobachtet, dass der Keimfleck adhärent war an der Wand des Keimbläschens. Es gebührt unzweifelhaft Barry (8) das Verdienst zuerst die Primärfollikel (Eisäckehen) beim Säugethiere entdeckt und be- schrieben zu haben, indem er sagt, dass — beim Säugethiere — _ ausser den grösseren leicht erkennbaren Graaf’schen Bläschen noch eine grosse Menge unentwickelter oft nur Y/,0"— 1/00‘ messender vorhanden sind, welche, während die reiferen theils verbraucht, theils wieder resorbirt werden, sich nach und nach weiter aus- bilden, zum Theil aber auch gar nicht weiter entwickelt werden, sondern wieder verschwinden, während nene entstehen. Barry nennt diese kleinsten Follikel Ovisacs und schätzt ihre Zahl oft auf Millionen. Diese Beobachtung Barry’s hat Bischoff (16) bei Kühen, Schweinen, Hunden und Katzen bestätigt gefunden. Bei dem Menschen hat Bischoff nur bei Embryonen und Kindern die Graaf’schen Bläschen in solch unentwickeltem Zustande ge- sehen, dass sie einen Durchmesser von 0,0012—0,0020 preuss. Zoll besassen. — Beim reifen Weibe will Bischoff die Eiersäckehen von der geringen Grösse, wie Barry sie beschreibt, nie gefunden haben, dagegen einige grössere (15—20 Stück) die eben mit dem blossen Auge zu erkernen waren, und es ist desshalb das Verdienst Kölliker’s (52) die Primärfollikel zuerst beim erwachsenen Men- schen gesehen und beschrieben zu haben. Jedoch hat Kölliker dieselben als Ergebniss einer nachembryonalen Neubildung von Follikeln und Eiern aufgefasst. Wie bei allen Säugethieren trägt auch beim Menschen das Primordial-Ei stets ein Follikelepithel (s. o. p. 360) und bildet so den Primärfollikel. Das Epithel liegt dem Ei eng an und bildet eine dünne Hülle mit spärlichen spindelförmigen Kernen, die nach den Beobachtungen von E. v. Beneden (12) mehr klar sind und weniger leicht sich färben als die umliegenden Bindegewebszellen, Das menschliche Ei. 365 mit welehen dieselben leicht verwechselt werden können. Durch diese Aehnlichkeit ist es erklärlieh, dass Foulis (34) und Schrön (76) ein eigenes Follikelepithel leugnen und die Zellen dieses Epi- thels aus den Stromazellen entstehen lassen, eine Ansicht, die auch von Klebs (51) vertreten wird. His (46) hebt allerdings auch die Aehnlichkeit der „Belegzellen des menschlichen Primärfollikels“ mit den umliegenden Bindegewebszellen hervor, nimmt aber durch- aus nicht an, dass dieselben aus dem Stroma hervorgehen, viel- mehr hebt His die physikalische Aehnlichkeit mit den Epithel- zellen des Ovariums hervor. Bei der Katze jedoch lässt er das Follikelepithel („Kornzellen“) aus den spindelförmigen Zellen des Stromas entstehen. Die Frage, ob das Follikelepithel wirklich eine zu- sammenhängende Umhüllung um das Primordial-Ei bildet, muss ich mit Waldeyer (92), Kölliker (53) u. a. bejahen. Die Zellkerne liegen, wie oben gesagt, sehr weit aus- einander, und da das Zellprotoplasma zu einer dünnen Hülle um- gebildet ist, hat es auf einzelnen Schnitten das Aussehen als fehlte an einzelnen Stellen die Epithelhülle. Die Durchmusterung von Schnittserien zeigt aber deutlich, dass das ganze Ei mit dem Epi- thel umgeben ist. E. van Beneden (12) will nicht entscheiden, ob das Follikel- epithel das Ei vollständig einhüllt, oder ob dasselbe nur eine un- vollständige Bekleidung bildet. Harz (39) sagt, dass beim Meer- schweinchen diejenigen Ur-Eier (Primordial-Eier), welche unter- halb des Niveau des Epithels (der Ovarienoberfläche) liegen, aller- dings mit Zellen des Keimepithels bekleidet sind, aber nur an der freiliegenden Seite der Ur-Eier, nie an der dem Ovarium zuge- kehrten (vergl. Balbiani). Ferner nimmt Harz an, dass die Zellen des Follikelepithels innerhalb des Stromas von den Ur- eiern gebildet werden und leugnet eine gleichzeitige Einwande- rung von Keimepithelzellen mit den Ur-Eiern. Hiermit habe ich die Frage nach der Entstehung des Follikel- epithels und damit der Primordial-Eier berührt. Da es aber ausser- halb des Rahmens dieser Untersuchungen liegt, auf die Oogenese beim Menschen und Säugethier, welche mit der Entwicklung der Sexualdrüsen innig zusammenhängt (ich bin gegenwärtig mit dieser Arbeit beschäftigt und komme dann ausführlich auf diese Frage zurück), näher einzugehen, so will ich nur in aller Kürze die Er- 366 W. Nagel: gebnisse meiner Beobachtungen an den Eierstöcken menschlieher Föten vom fünften bis neunten Monat hier anführen. Pflüger lehrte, dass die Entstehung des Ur-Eis innerhalb des Keimfachs geschieht und dass die Bildung der Primordial-Eier durch Knospungsvorgänge am Ur-Ei stattfindet (vergl. Kölliker (53)), während E. van Beneden (10)) zu dem Ergebnisse kam, dass die erste Eianlage eine zusammenhängende kernhaltige Proto- plasmamasse bildet, aus welcher dann durch eine Zertheilung (for- mation de sillons) die einzelnen Eier entstehen. Abweichend be- hauptete Waldeyer, dass das Ei (mit dem Follikelepithel) direet von dem Keimepithel abstammt und ursprünglich also mit einer Epithelzelle gleichwerthig ist. Fast alle spätern Forscher, Bal- four, M. Braun, Egli, Götte, Kölliker (doch nur was die Eibildung betrifft, Romiti, Leopold u.a. (auch van Beneden (12)) haben die Beobachtungen Waldeyer's bis jetzt als die richtigen anerkannt; Hubert Ludwig (59), wel- cher denselben Eibildungsmodus in ausgeprägtester Weise bei den Selachiern gefunden hat, ist in seiner philosophisch-kritischen Be- sprechung über die Bibildung im Thierreiche zu dem Ergebniss gekommen, dass die in den einzelnen Fällen angesteliten Beob- achtungen über die Entstehung der Follikel durchgängig dasselbe Resultat ergeben haben, indem die dreierlei Zellen, welche über- haupt in den Eifollikeln sich vorfinden, also Eizelle, Nährzelle und Epithelzelle genetisch gleichwerthig sind: ursprünglich sind sie nämlich Umbildungen durchaus gleichartiger Zellen des Keim- lagers. In der letzten Zeit hat Valaoritis(89) eine neue Theorie über die Oogenese aufgestellt, indem er meint, die Eier seien aus- gewanderte weisse Blutkörperchen. Die Untersuchungen dieses Autors betreffen den Landsalamander und er will direkt beobachtet haben (l.e. p. 216), wie ein Leukocyt durch die Gefässwand sich hin- durchschlängelte, stehen blieb und wieder wanderte, um schliesslich zwischen den Epithelzellen des Eierstocks eingeklemmt zu erscheinen. Soviel ich ersehen kann hat Valaoritis die Beobachtung an einem ausgseschnittenen Stückehen — in 0,75%, Kochsalz- lösung — des Eierstocks gemacht. Jeder, welcher über Erfah- rungen hierin verfügt, weiss wie ungeheuer leicht die weissen Blutkörperchen bei den Amphibien und Reptilien selbst am leben- den Gewebe (z. B. Mesenterium) sich auf Wanderung begeben, so Das menschliche Ei. 367 dass die Theorie Valaoritis’ bis auf Weiteres nur als eine solche zu betrachten ist. Meine bisherigen Untersuchungen an den menschlichen Eier- stöcken haben ebenfalls die Lehre Waldeyer’s bestätigt. An dem Eierstock von 5—6monatlichen Embryonen erkennt man (vergl. auch Valentin (91), His (46), Foulis (34, Kölliker (53), Spiegelberg(86),, Waldeyer (97 u.98), Schröder (75)) wie die Zellen des Keimepithels durch netzförmige, vom Hilus emporwachsende Bindegewebszüge in Fächer getheilt wird. Wie auch Kölliker hervorhebt sind diese Eifächer keine für sich bestehende Gebilde, vielmehr hängen dieselben untereinander zu- sammen und stellen ein besonderes Netzwerk in den Maschen des Stromas des Eierstocks dar. Besonders deutlich tritt dies hervor bei Behandlung der Ovarien in Chromsäure und Färbung mit Pi- krocarmin. In diesen Fächern (Eifach Waldeyer; Keimfach Pflüger) liegen nun, mit reichlichen Mengen von Keimepithel- zellen vermengt, die Ur-Eier, und zwar so, dass die jüngsten stets der Oberfläche am nächsten liegen, die älteren in den tiefen Schichten. Man darf sieh nicht vorstellen, wie man aus den Zeich- nungen Kölliker’s schliessen könnte, dass die Eier in der Mitte des Eifaches liegen und die kleineren Zellen (Keimepithelzellen) nur an der Peripherie. Ich hebe ausdrücklich hervor, dass von einer regelmässigen Anordnung nicht die Rede ist, sondern dass die Keimepithelzellen überall zwischen den Ur-Eiern zerstreut liegen. Anmerkung. Die thatsächlichen Befunde Pflüger’s beim Säuge- thiere, was das Eifach betrifft, werden durch meine Untersuchungen voll- kommen bestätigt. Doch sieht Pflüger bekanntlich die jüngsten Eier nur als Fianlagen an, welche dann allmählich in die Tiefe rücken und während dieser Wanderung zu Ur-Eiern heranwachsen. Aus den Ur-Eiern gehen dann, wie oben gesagt, die Primordialeier durch Knospung hervor und bilden die Eiketten. Es ist das unbestreitbare Verdienst Waldeyer’s zuerst die Gleichwerthigkeit der Zellen der Eifächer mit dem Keimepithel und dieses als die wahre Bildungsstelle der Eier nachgewiesen zu haben. Waldeyer erkennt den Befund Pflüger’s als den richtigen an, nur will er von dem Ausdruck Schlauch nichts wissen. Dem ist auch so. In Ovarien von Föten dieses Alters (5—6 Monat) sieht man nur grössere Fächer, eigentliche Schläuche trifft man nur in einem weit späteren Stadium (s. u.). Im Hilus, ausserhalb des Bereichs des eigentlichen Eifachs also, liegen die grössten Eizellen und haben mit ihrem schon fertig Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 24 368 W. Nagel: gebildeten Epithel vollständig das Aussehen eines Primärfollikels. Die Ur-Eier sind leicht erkenntlich an der Grösse sowohl des Pro- toplasmaleibes wie auch des Keimbläschens. Die jüngsten Eier haben einen Durchmesser in verschiedenen Meridianen von 8—-11— 13 u und das Keimbläschen misst 5—10 u. Die tiefest liegenden Eier haben einen Durchmesser von 16—18—20 u, während deren Keimbläschen 10—13 u messen. Ausser durch die Grösse zeich- nen die jungen Eier sich dadurch aus, dass ihr Protoplasma durch Eosin lebhaft rosa gefärbt wird, wodurch dasselbe gegenüber den anderen kleineren dichtgedrängten Keimepithelzellen deutlich hervortritt. Die Kerne der jungen Eizellen sind mit einem deutlichen Netzwerk (Kerngerüst) versehen. Das Gerüst scheint sich in der Weise zu bilden, dass die Chromatinkrümelchen („Mikrosomen* im Sinne von Balbiani und Pfitzner), welche in den Kernen der Keimepithelzellen so dicht gedrängt liegen, dass man eine be- sondere Anordnung derselben nicht wahrnehmen kann, durch Wachsen des Kerns (Vermehrung oder Neubildung von Kernsaft) auseinander rücken und hellere Partien zwischen sich erkennen lassen. Eierstöcke, welche in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet und dann mit Eosin und Hämatoxylin durchgefärbt sind, zeigen in Sonderheit auf das schönste die eben geschilderten Verhältnisse. Während die Eibildung offenbar in der Peripherie stattfindet (nur an dieser Stelle habe ich die jüngsten Stadien der Eizellen gesehen), geht die Follikelbildung vor sich in der Tiefe. Spiegel- berg (86) will diesen Vorgang beim Menschen, und zwar bei einem Fötus in der 36. Woche, zuerst gesehen haben. Sehritt- haltend mit dem Wachsen des Ovariums wird die Follikelbildung immer mehr nach der Peripherie verlegt, so dass die der Ober- fläche des Ovariums zunächst liegenden Eiballen zuletzt in Primär- . follikel umgebildet werden. In dem fertig gebildeten Ovarium — bei Neugeborenen — sieht man denn häufig eine Verbindung der Jüngsten Follikel mit dem Keimepithel, wie die Eizellen geradezu in Einstülpungen (Valentin-Pflüger’sche Schläuche), von dem Keimepithel ausgehend, liegen. Siehe Fig. 4, Tafel XX und XXI. Es sind diese Einstülpungen Ueberbieibsel der Ei- fächer und ein schlagender Beweis dafür, dass das Fol- likelepithel wirklich aus den Zellen des Keimepithels hervorgeht. Das menschliche Eı. 369 Diese Einstülpungen dürfen — und können — nicht mit den mit Keimepithel ausgekleideten Furchen der Oberfläche, auf welche besonders Kapf (50) aufmerksam macht, verwechselt werden. Man findet diese Furchen an jedem Ovariıum des menschlichen Fötus und des Neugeborenen, und sie verleihen dem Eierstock das eigenthümliche granulirte Aussehen. Diese Furchen zeichnen sich dadurch aus, dass sie stets mit einem ebenso regelmässig ange- ordneten eubischen Epithel ausgekleidet sind wie die Oberfläche des Eierstocks, während diejenigen Einstülpungen, die ich oben als Valentin-Pflüger’'sche Schläuche beschrieben habe, eine ganz unregelmässige Anordnung der Zellen zeigen und keine mit der Aussenwelt in Verbindung stehende Höhle haben. Ueberhaupt besitzen die Pflüger’schen Schläuche keine Höhle; eine solche würde nur entstehen, wenn man die Primordialeier entfernte. Fig. 4, Taf. XX zeigt einen Pflüger’schen Schlauch von dem Boden einer Furche ausgehend. Der Schnitt ist so gefallen, dass man die, die eine Seite der Furche bekleidenden, Epithelzellen von der Fläche sieht. Man wird sich aus dieser Figur leicht eine Vorstellung machen können, dass eine solche Furche auf dem Querschnitt sich als eine, mit einem ununterbrochenen Epithel bekleideten, Einstülpung dar- stellen muss. Fig. 4, Taf. XXI zeigt ebenfalls einen Pflüger’schen Schlauch. Das Ovarialgewebe ist weggelassen, da es nur darauf ankam, darzu- thun, wie das Epithel der Primärfollikel in ununterbrochenem Zusam- menhange mit dem Keimepithel steht, als Hinweis darauf, dass das Follikelepithel in der That derselben Quelle ihren Ursprung ver- dankt wie das Ei, nämlich dem Keimepithel. Die hier geschilderten Verhältnisse sind keine Ausnahmen, sondern die Regel; die beiden abgebildeten Präparate sind unter ca. Hundert ihres Gleichen aus- gewählt. Für diese Entstehungsweise des Follikelepithels (Waldeyer) sind eingetreten, ausser Hubert Ludwig (s. o., Romiti, G. Leopold (Untersuchungen über das Epithel des Ovars und dessen Beziehungen zum Ovulum. Dissertation. Leipzig 1870), Rouget (72). E. van Beneden (10) stimmt darin mit Pflüger (66) überein, dass er das Follikelepithel (Membrana granulosa) inner- halb der Keimfächer (primitive Eiröhren v. Beneden’s) aus der dort vorhandenen zweiten Zellenart entstehen lässt. 370 W. Nagel: Ich habe vorhin (p. 365) Harz erwähnt, als denjenigen Autor, welcher in der neueren Zeit — beim Säugethier — das Follikel- epithel vom Ur-Ei herleitei. In dieser Anschauung wird er von Will (bei den Insecten: Oogenetische Studien. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. 45), Fol, Nussbaum und Roule (s. bei Arthur Thomson: Recent Researches on Oogenesis. Quaterly Journal of Mieroscopieal Science. New Serie. No. CIV, Bd. 26, 1856) unterstützt, welche — bei niederen Thieren — das Follikelepithel von dem Keimfleck aus entstehen lassen. Auch Balbiani (3) ist durch seine Untersuchung an den Geophilen zu demselben Resultat gekommen, indem das Follikelepithel bei diesen Thieren aus dem Keimfleck gebildet wird. Sabatier (s. bei Bal- biani (3) und bei Flemming (31)) nimmt an, dass (bei Aseidies) die Follikelepitheizellen „par g@neration endog&ne“ im Inneren des Dotters entstehen. Gerade bei niederen Thieren aber ist diese Ansicht der genannten Forscher kürzlich von E. Korschelt (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 43) und v. Wie- lowiejski (102) sehr bestritten worden. Es mag sein, dass bei niederen Thieren die Verhältnisse noch nicht genügend auf- geklärt worden sind: Beim Menschen bildet sich das Follikelepithel wieobennachgewiesen. Anmerkung. Sabatier und Fol lassen indessen auch beim Men- schen das Follikelepithel vom Keimbläschen aus entstehen. Siehe bei Thom- son |. c. p. 604. Hierdurch gerathe ich allerdings in entschiedenen Widerspruch mit Kölliker. Kölliker (53) lässt — beim Hund — die Membrana gra- nulosa (Follikelepithel) von den von Waldeyer zuerst entdeckten Marksträngen (cordes medullaires E. van Beneden’s; siehe auch bei Harz (39) und Mac Leod (60)) entstehen, indem er beob- achtet hat, wie diese Zellstränge vom Hilus in das Stroma hinein- wuchern, um schliesslich mit den Eischläuchen in Verbindung zu treten. Da diese Zellstränge am Hilus ovarii mit Kanälen zu- sammenhängen, welche ein deutliches Lumen haben, leitet Köl- liker den Ursprung der Markstränge von dem Wolff’schen Körper ab, eine Ansicht, die wohl auch von den meisten Autoren getheilt wird. Uebrigens hat auch Kölliker einmal eine Ver- bindung mit einem Kanal der Urniere beobachtet. Diese Zellstränge treten in den Ovarien einzelner Säuger in Das menschliche Ei. 371 grosser Menge auf, während dieselben bei anderen vollkommen fehlen oder doch ganz ausnahmsweise im Stroma gefunden werden (Harz, Mac Leod). Diese Unregelmässigkeit des Vorkommens deutet, so meine ich, schon darauf hin, dass ihre Bedeutung keine grosse ist. Denn es ist nicht anzunehmen, dass innerhalb der- selben Thiergattung ein so grosser Unterschied in der Bildung eines so wichtigen Organs wie des Graaf’schen Follikels, der oben- drein bei vollentwickeltem Thiere ganz gleich aussieht und auch ganz gleich fanctionirt, herrschen sollte. Kölliker ist nun geneigt diese Entstehungsweise des Fol- likelepithels auf alle Säuger und auf den Menschen auszudehnen. Beim Menschen, das geht aus meinen Präparaten auf das Deut- lichste hervor, kommt diese Entstehungsweise sicherlich nicht vor. Ich habe niemals bei menschlichen Föten diese Markstränge beob- achten können, obwohl ich die Ovarien, in Paraffin eingebettet, in Reihenschnitten zerlegt habe, und eine gründliche Durchmusterung vorgenommen habe. Dagegen sind mit einem deutlichen I,umen versehene Kanäle in dem Mesovarium (bei Erwachsenen habe ich diese Gebilde auch im Hilusgewebe gefunden) ein fast ganz regel- mässiger Befund und bilden das von Waldeyer beschriebene und benannte Epoophoron (s. auch Romiti (70)). Diese Kanäle gehen aber nirgends in solide Zellstränge über, die dann weiter wuchern, noch verzweigen sich die Kanäle selbst in das ÖOvarialgewebe hinein. In keinem von den von mir untersuchten Bierstöcken menschlicher Föten war eine Verbindung zwischen Eifach und den obenerwähnten Kanälen nachzuweisen. Eine Be- theiligung anderer epithelialer Elemente an der Fol- likelbildung als des Keimepithels ist also beim Men- schen bestimmt/auszuschliessen. Und sollte auch einmal wirklich gefunden werden, dass eine Verbindung, zwischen Eifach und Epoophoron sich nachweisen liesse, würde dies nurjals eine Zufälligkeit betrachtet werden können. Denn wenn es schon seine Schwierigkeit hat innerhalb derselben Gattung sich eine verschiedene Entstehungsweise der Follikel vorzustellen, wäre es ganz undenkbar, dass bei dem einen Weibe das Follikelepithel aus dem Keimepithel, bei seiner Schwester womöglich aus den Wolff’schen Kanälen entstände. — Allerdings ist, wie Kölliker hervorhebt und wie auch spätere Forscher (0. & R. Hertwig, v. Mihälkoviez u. a.) gefunden 372 W. Nagel: haben, die Ursprungsstätte des Keimepithels und des Epithels der Wolfischen Gänge dieselbige: in beiden Fällen nämlich das Epithel des Binnencoeloms. Ich kann aber trotzdem nicht an- nehmen, dass diese Gleichwerthigkeit immer andauert. Zu der Zeit, in welcher die Follikelbildung stattfindet, sind, unter Einfluss der Arbeitstheilung, die beiden Gewebe in ihren physiologischen Eigenschaften gewiss sehr verschieden geworden. Pflüger (66), Klebs (51) — der jedoch nie Eizellen mit zwei Kernen gesehen hat — und Kölliker (53) nehmen eine Vermehrung der Primordial-Eier durch Theilung an. Pflüger hat — bei der Katze — einen solchen Vorgang mit eigenen Augen beobachtet. Das durch die Theilung neu entstandene Keimbläs- chen hatte anfangs keinen Keimfleck, später erhielt es einen. Kölliker erschliesst die Vermehrung durch Theilung daraus, dass man bei Embryonen von Mensch, Schwein und Rind nicht selten Eier findet, die zwei Kerne enthalten, häufig andere, welche eine innige Verbindung des Protoplasmas mit einander zeigen. Kölliker bildet auch solche Zustände ab von einem dreimonat- lichen menschlichen Embryo. Bischoff (18) weist die Möglich- keit, dass eine Eizelle zwei Keimbläschen enthalten könne, mit Entschiedenheit zurück, und Waldeyer (97) hat niemals Thei- lungserscheinungen an den Eiern gesehen und keine Eizellen mit zwei Kernen. E. van Beneden (10) hat eine andere, von Pflüger und Kölliker abweichende Anschauung über die Theilungsvorgänge. In den Eifächern („primitive Eiröhren“) hat E. van Beneden niemals eine Theilung der Ureier gesehen, weder beim Menschen noch beim Säugethier. Erst wenn die „primitiven Eiröhren“ voll- kommen in einzelne Follikel zerlegt sind — welches bei mensch- lichen Neugeborenen normalerweise der Fall ist — nimmt dieser Autor eine Theilung der Eier innerhalb der Follikel an. Dabei findet aber am Keimbläschen keine Theilung statt: „la vesicule germinative se multiplie, non par division mais par voie endogene“ (l. c. pag. 169*). In Fig. 20 (I. ce. Tafel XI.) bildet v. Beneden einen Pri- märfollikel (von einem menschlichen Foetus) ab, welcher zwei *) Ueber endogene Zelltheilung siehe Kölliker (52) p. 23. Das menschliche Ei. 373 Eier enthält; in jedem derselben enthält das betreffende Keim- bläschen zwei Kerne mit Kernkörperchen (deux noyaux ä nucleole), welche v. Beneden als junge Keimbläschen, entstanden aus dem erst vorhandenen, ansieht. Die Fig. 21 (Tafel XI. 1. e.) stellt ein Ei dar, dessen Keim- bläschen drei Tochterbläschen einschliesst; an diesem Ei konnte man im Protoplasma sehr deutlich drei Furchen unterscheiden; v. Beneden fasst dieses als ein Zeichen dafür auf, dass, selbst wenn das Keimbläschen auf endogenetischem Wege sich ver- mehrt, das Protoplasma doch auf direectem Wege sich theilt. In Fig. 19 (l. ec. Tafel XI.) sieht man einen Primairfollikel mit zwei aneinander plattgedrückten Primordialeiern. Aus allen diesen Bildern schliesst v. Beneden, dass eine Theilung der Eier in den jungen Follikeln stattfindet, und wundert sich, dass am Follikel selbst keine Theilungsvorgänge zu sehen sind. — Erst nachdem die so getheilten Eier sich vollständig von ein- ander getrennt haben, soll eine Wucherung der Zellen der Mem- brana granulosa stattfinden: es wachsen die Zellen zwischen die Eier hinein. Später soll denn auch aus der Tunica pro- pria (im Sinne Henle’s) ein Septum entstehen, welches die voll- ständige Trennung des Primärfollikels in zwei selbständige Fol- likel bewirkt. Uebrigens will v. Beneden nur bei Foeten und Neugeborenen diesen Vorgang gelten lassen, denn er bekämpft die Anschauungen von Klebs (51) und Quincke (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 12), wonach eine Vermehrung der Graafschen Follikel durch Theilung bis zur Pubertät statt- finden soll, Anmerkung. Obwohl man die von v. Beneden und Quincke beschriebenen Vorgänge kaum als eine Theilung auffassen darf, habe ich mich doch des von den beiden Verfassern gebrauchten Wortes (division bei v.Beneden) mit Absicht in der obigen Auseinandersetzung bedient. Balfour (5) steht wesentlich auf dem Standpunkt Pflügers: das Urei (primitive ova) sieht er nicht als das wahre ovum an; ‚durch Theilung entstehen erst aus diesem die Primordial-Eier. Eine spätere Aeusserung E. v. Benedens scheint nicht ganz mit dem eben angeführten im Einklange zu stehen. In seiner Arbeit über die Ovarien der Fledermäuse (12) bezweifelt v. Beneden nämlich die Richtigkeit der Ansichten Köllikers, dass ein Ei mit zwei Keimbläschen auf eine stattfindende Theilung 374 W. Nagel: hindeuten soll. Diese Anschauung gehöre vielmehr einer Zeit an, wo man uoch nicht mit den Kerntheilungsvorgängen genügend bekannt sei. In der That ist man auch nicht berechtigt diesen Befundals einen auf Theilung hindeuten- den aufzufassen. Anmerkung. Nur wenn die Annahme Valaoritis (89), dass die Ureier gleichwerthig mit Leukocyten sind, richtig wäre, könnte man die hier in Rede stehenden Eier als Theilungserscheinungen auffassen. Man nahm ja, wie bekannt, allgemein an, dass die Leukocyten nur auf directem Wege sich theilten (siehe Flemming (32. Seite 60 u. 61), bis vor kurzem Flemming (Studien über Regeneration der Gewebe, Arch. für mikrosk. Anatomie Bd. 24) auch für die Leukocyten eine Vermehrung durch indi- recte Kerntheilung nachwies.. Sowohl dieser Forscher wie auch Bizzo- zero, Stricker, Klein und Ranvier (siehe bei Flemming |. c.) nehmen indessen an, dass, ausser. der indirecten, auch eine directe Theilung (Fragmentirung im Sinne E. van Benedens) bei den Leukocyten vor- kommt; von diesem Gesichtspunkte aus und unter der Voraussetzung also, dass die Theorie Valaoritis richtig wäre, könnte man allerdings die hier in Rede stehenden Bilder als Theilungsvorgänge ansehen. Ich habe bisher, trotz eifrigen Durchsuchens zahlreicher Prä- parate, nur zweimal Primordial-Eier gefunden mit zwei Keimbläs- chen. Es ist mir dies um so mehr aufgefallen, als Gr ohie} (38) in einem Eierstock eines °/,jährigen Kindes viele Eier mit doppel- tem Kern gefunden und abgebildet hat (l. e. Fig. 2). :Ich habe überhaupt keine Bilder in meinen Präparaten — wenigstens beim Menschen — finden können, die auf eine Vermehrung der Primordial-Eier durch Theilung hindeuten.‘ Ist einmal eine Keimepitbelzelle zu Eizelle geworden, dann ist das Ziel erreicht: das junge Ei wächst, umgiebt sich mit einem Follikelepithel und wartet ruhig die kommenden Dinge ab; eine Vermehrung durch Theilung findet nicht statt. Das eine der von mir beobachteten Doppeleier — siehe Fig. 6 Tafel XXI — stammt aus einem sechsmonatlichen Embryo, und hatte einen Durchmesser von 46 X 48u. Das kleinere Keimbläschen maas: l4u, das grössere 18«. Die Maasse der in denselben Ovarien vorhandenen mehr entwickelten Primordial-Eier waren: 32x 32u bis 45 X 48 u;, das Keimbläschen 13 x16u. — Dieses Ei lag mehr nach der Mitte zu, in der Zone der fertigen Follikel, man erkennt ja auch deutlich das Follikelepithel (s. Fig.). Das menschliche Ei. 375 Das andere (s. Fig. 5 TafelXXT) stammt aus dem Eierstock eines Neugeborenen. Die Durchmesser dieses Eies betrugen 42 und 48u. Das eine Keimbläschen misst 16«, das andere 18u. Die übrigen Primordial-Eier in demselben Eierstock hatten Durch- messer von 32 X 32 u bis 35 x 38 u bei einer Grösse des Keim- bläschens von 16 X 16u (einzelne maassen etwas mehr). Dieses Ei lag mehr nach der Oberfläche des Eierstocks zu, ist aber auch mit einem Follikelepithel versehen, entsprechend der weiter vor- geschrittenen Entwicklung des ganzen Ovariums in Vergleich mit dem vorhergenannten. Es würde ganz und gar im Widerspruch stehen mit den heutigen Anschauungen über Kerntheilung, wenn man solche Bil- der als Stadien einer Zelltheilung auffassen wollte: In einem Sta- dium, wo die auf karyokinetischem Wege entstandenen Tochter- kerne ein solches fertiges Aussehen haben, und wo von einer Spindelfigur nichts mehr zu entdecken ist, müsste das Protoplasma ebenfalls längst vollständig getheilt sein. Meiner Auffassung nach stellen solche Eier mit doppeltem Kern ein fertiges Stadium dar. Es steht nichts im Wege anzu- nehmen, dass solehe Eier in derselben Weise sich entwickeln und reifen können wie jedes andere Primordial-Ei. Es dürfte wohl auch nicht auf Widerspruch stossen, wenn man diese Doppelzellen als wahre Zwillingseier bezeichnen wollte, d. h. also, dass aus diesen Eiern zwei Embryonen von gleichem Geschlecht (und mit gleichen individuellen Eigenschaften; siehe die Hypothese Weismann’s bei Waldeyer (101)) und mit einem gemeinschaftlichen Chorion sich entwickeln können. Es ist mir nicht bekannt, ob der Befruchtungsvorgang dieser Doppeleier bei irgend einer Thiergattung beobachtet ist; zunächst darf man wohl annehmen, dass in diesem Falle zur Befruchtung zwei Spermatozoen nöthig sind. Das würde denn der einzige Fall sein, wo das Eindringen von mehr als einem Spermatozoe in den Dotter kein Unheil anrichtete (dass man im perivitellinen Spalt- raum mehrere Spermatozoen findet ist wohl die Regel: E. van Beneden (11), G. Rein (69) u. a.). Es ist ja eine durch die Untersuchungen Fols, Flemming’s und vor allem O.Hert- wig’s bei den Echinodermen festgestellte Thatsache, dass das Eindringen mehrerer Spermatozoen in den Dotter (vitellus) immer zu abnormen Entwicklungsvorgängen Veranlassung giebt; 376 W. Nagel: eine Thatsache, die noch vor kurzem durch die Versuche R. und O0. Hertwigs (45) wesentlich gestützt worden ist. Die Frage ob beim Menschen eine Neubildung von Eiern und Follikeln ausserhalb des uterinen Lebens stattfindet, wie es von Koster (54 und 55) und Paladino (65) bei Erwachsenen, und von Foulis (34) bei Kindern bis zu 21, Jahren, angenommen wird, werde ich an anderer Stelle genauer behandeln. Bei erwachsenen Säugethieren ist allerdings eine Neubildung von Eiern und Follikeln beschrieben worden von Pflüger (Hund und Katze), Schrön (Katze), G. Wagener (bei trächtigen Hun- den) und mit einem gewissen Vorbehalt von E. van Beneden; trotzdem muss ich mit Waldeyer und E. v. Beneden (10) was den Mensch betrifft diesen Vorgang bestreiten. Die von Koster und Paladino beschriebenen Zustände findet man häufig in chronisch entzündeten Eierstöcken, wie ich früher (69) erwähnt habe. Diese Verlängerungen des Keimepithels in das Stroma hinein und die Abschnürungsvorgänge an denselben sind eben durch die Entzündungszustände bedingt, und dürfen nicht als eine Wiederholung des embryonalen Vorganges bei der Ei- und Follikelbildung gedeutet werden. Der wachsende Follikel und das wachsende Ei. Barry (8), Valentin (91) und Bischoff (16 und 18) sind die ersten gewesen, welche die Wachsthumserscheinungen des Follikels bei Säugethieren beobachtet haben. Diese Verfasser gingen aber von der Voraussetzung aus, dass das Keimbläschen das Primäre sei, und die erste Thätigkeit des wachsenden Fol- likels wäre desshalb die, die übrigen Eibestandtheile zu bilden. Was vom Follikelinhalt nicht hierzu verwendet wurde, bildete nach Barry theils die Tuniea granulosa (=Discus proli- gerus vonBaers), theils eine andere körnige Membran, die das Innere des Eisacks auskleidete, deMembranagranulosa, und endlich band- oder strangartige Verbindungen zwischen dem Anfangs in der Mitte des Eisackes schwebenden Ei und der Membrana granulosa, die er Retinacula nannte. Nach der An- sieht Barry’s sollte später das Ei durch die Vermittelung dieser Retinaeula an eine Stelle der inneren Oberfläche des Eisacks sich begeben. Das menschliche Ei. 377 Die erste zusammenhängende Beobachtung über das Wachsen des Follikels stammt von Sehrön (76). Nach Scehröns mit naturtreuen Zeichnungen begleiteten Beobachtungen ist der erste Vorgang beim wachsenden Follikel der, dass die Membrana granulosa gebildet wird als eine ein- schichtige Körnerlage. Da nun Schrön der Ansicht ist, dass die „Corticalzellen“ — so nenntSehrön nämlich die Primordial-Eier — nackt ohne Epithelschicht im Stroma lagern, nimmt er an, dass die Membrana granulosa aus dem Stroma entstehe. Die nächste Stufe der Entwicklung ist dadurch characterisirt, dass sich jetzt eine gefässreiche bindegewebige Hülle bildet und durch gut ge- lungene Gefässinjectionen hat Schrön nachgewiesen, dass die Wand bei etwas grösseren Follikeln ein vollkommen ausgebildetes Gefässnetz besitzt. Als dritte Stufe der Entwicklung wird die Membrana granu- losa zweischichtig und von diesem Augenblick an erkennt man, dass dieselbe aus Zellen besteht*). Bis soweit kann die Eizelle die ursprüngliche Grösse behalten oder um etwas sich vergrös- sert haben. Die der Eizelle zunächst liegende Lage der Membrana gra- nulosa nennt Schrön „Membrana germinativa der Eizelle“, die der Follikelwand anliegende Lage „Membrana germinativa des Follikels“. Mit diesen Namen ist zugleich die zukünftige Bestim- mung dieser Gebilde angedeutet: die Membrana germinativa der Eizelle wird zu Disceus proligerus und dient zur Ernährung des wachsenden Eis, die Membrana germinativa des Follikels ent- wickelt sich zum Follikelepithel. Die zwischen den beiden Zellen- lagen sich befindende Kluft erweitert sich nach und nach zur Follikelhöhle. Waldeyer (97) beschäftigt sich in Sonderheit mit dem wachsenden Hühnerfollikel. E. van Beneden (10) giebt eine allgemeine Darstellung der Wachsthumserscheinungen an den Fol- likeln des Säugethierovariums und Foulis hat dieselben Vor- gänge an der Membrana granulosa — die er, wie schon oben erwähnt, aus den Stromazellen hervorgehen lässt — beim Kanin- chen beobachtet. *) Th. Sechwann (78) hat zuerst die Elemente der Membrana granu- losa als Zellen und zwar als Epithelzellen gedeutet. 318 W. Nagel: Nach meinen Untersuchungen beim Menschen, sowohl bei neugeborenen wie bei erwachsenen Individuen, bestehen die ersten Wachsthumserscheinungen an den Primärfollikeln darin, däss das Epithel eubisch wird und sich mächtig vermehrt, eine Beob- achtung, welche auch beim Säugethier von E. van Beneden (der sehr treffend sagt: A un moment donn‘, ces cellules entrent dans une phase d’activite &tonnante), Balfour, Flemming u. a. gemacht worden ist. Dass diese Vermehrung der Follikelepithel- zellen aber durch Knospungsvorgänge geschieht, wie Leydig (57) dies beim Maulwurf beobachtet und abgebildet hat, habe ich nicht finden können. Zahlreiche Messungen, die ich sowohl bei Neugeborenen wie beim erwachsenen Menschen anstellte, ergaben, dass das Ei zu- nächst seine ursprüngliche Grösse behält: erst nachdem das Fol- likelepithel eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht hat, fängt das Ei an sich zu vergrössern (vergl. Schrön). An dieser Vergrös- serung betheiligt sich sowohl das Keimbläschen mit dem Keim- fleck wie das Protoplasma. E. van Beneden hat vollständig Recht wenn er sagt, dass das Keimbläschen seine Eigenthümlich- keiten während der ganzen Periode des Wachsens nicht ändert („les seules modifications qu’elle subit se rapportent & ses dimen- sions“): es nimmt an Grösse zu, das ist die einzige Veränderung, welche es erleidet. Der Wagnersche Fleck wächst ebenfalls; Pflüger hat beim Säugethier — wie schon S. 364 erwähnt — beobachtet, dass derselbe während dieses Vorganges von der Peripherie nach der Mitte rückt. Dass das Follikelepithel in derselben Weise wächst und sich regenerirt wie jedes andere Epithel, hat Flemming (31) bei den Säugethieren nachgewiesen, nachdem Kerntheilungs- figuren in den Follikeln schon von Harz (39) — ebenfalls bei den Säugethieren — gesehen und beschrieben worden waren. Die jüngsten Follikel, in denen Flemming bis jetzt Kernthei- lungsfiguren gefunden hat, sind solche, in welehen die Epithel- zellen noch einschichtig liegen, aber schon kurz prismatisch ge- formt sind. An noch jüngeren Follikeln hat er bei Säugethieren bis jetzt noch keine Kerntheilungsfiguren gefunden, wohl aber hat er bei Amphibien und zwar an Follikeln mit jungen Eiern, die von wenigen platten Follikelzellen umgeben waren, öfters eine dieser Zellen in Theilung begriffen gesehen. Nun fügt aber Das menschliche Ei. 379 Flemming hinzu: „Auch wenn sich ein gleicher Befund auch an Primordialfollikeln des Säugethieres noch ergeben sollte, würde damit offenbar nicht ausgeschlossen sein, dass die allererste Bildung des Epithels auch hier vom Ei ausgehen könnte.“ Hierin kann ich Flemming nicht beipflichten. Ich habe, wie im vori- gen Capitel auseinandergesetzt, die Waldeyer'sche Entdeckung bestätigt gefunden, dass das Follikelepithel aus dem Keimepithel gebildet wird, ich habe S. 378 gesagt, dass zu Anfang das Ei nicht an Grösse zunimmt, trotzdem die Epithelzellen sich rege vermehren; hier kann ich hinzufügen, dass an dem Ei auch nicht die geringste Spur einer Zelltheilung (denn nur durch eine solche auch Flemming führt an einer anderen Stelle (s. u.) diesen Beweisgrund an — wäre eine Bildung von Follikelepithelelementen vom Ei aus denkbar) zu beobachten ist. Die Ansicht Sabatiers, Fols, Harz’s.u. a. (siehe S. 370) wird auch von Flemming bekämpft, indem er diejenigen Körper, welche als vom Ei abstammend beschrieben werden (Schäfer), in Follikeln gefunden hat, deren Eier schon eine Zona besitzen. Flemming fasst, und gewiss mit Recht, diese Körper als Ergeb- niss einer Zelltheilung im Follikelepithel auf; solange dieses nun einschichtig ist, muss der eine Tochterkern näher an das Ei heranrücken und kann auch dort länger verharren. Ich halte an dem vorne (S. 371) ausgesprochenen Satze fest, dass das Foliikelepithel beim Menschen weder vom Ei noch von den umliegenden Stromazellen oder einge- wanderten Marksträngenzellen gebildet wird, sondern ausschliesslich vom Keimepithel.e. Einmal angelegt wächst es aus sich selbst heraus, nicht dureh Zutritt zelliger Elemente von anderswo her. Von dem Zeitpunkte an, wo eine Zelltheilung im Follikel- epithel nachweisbar ist, braucht, wie Flemming auch ausdrück- lich hervorhebt, offenbar keine andere Vermehrungsweise als diese mehr für das Epithelwachsthum in Anspruch genommen zu werden. Nur einmal und zwar in einem Fall, wo ich ein Stück des Ova- riums unmittelbar nach der Operation in Flemming’sche Lösung gelegt hatte, ist es mir bisher gelungen wirkliche Kerntheilungs- iiguren zu sehen (s. Fig.14 Tafel AXD. In den übrigen, speciell dann in den hier in Rede stehenden Follikeln habe ich fast in jedem Schnitte hier und dort wohl Zellen gesehen, deren Kerne 380 N. Nagel: einen grossen Knäuel bildeten; ich wage aber nicht dieselben ohne weiteres als Kerntheilungsfiguren hinzustellen*). Diese Kerne, die möglicherweise also in Theilung begriffen gewesen sind, habe ich nur in Follikeln gesehen, deren Epithel schon eubisch war. Dies kann zwei Gründe haben. 1) Entweder ist es ein Zufall; es ist ja denkbar, dass gerade keine Follikel auf der betreffenden Entwicklungsstufe in den an- gefertigten Präparaten sich fanden. Oder 2) die platten Epithelzellen wachsen einfach zu ceubischen heran (also ohne an Zahl zuzunehmen) und fangen dann erst an sich zu theilen. — Das letztere scheint mir das wahrscheinlichste, unbeschadet dessen, dass Flemming bei den Amphibien eine Theilung der platten Epithelzellen beobachtet hat: es kann doch bei diesen Thieren anders liegen als beim Menschen. Anmerkung. Die von mir beobachteten Kerne mit Knäuelfiguren (s. Fig.15) haben allerdings grosse Aehnlichkeit mit den von Flemming (l. e. Tafel IV. Fig. 15 a—e) beschriebenen wirklichen Kerntheilungsfiguren, nur sind dieselben schlecht fixirt. Die Kerne mit den Knäuelfiguren würden dem Spirem, derjenigen Kerntheilungsfigur, welche sich am längsten hält, entsprechen. Flemming nennt sie „Zerrformen durch Verbackung der Fäden.“ Die Kerne mit Knäuelfiguren bilden aber nicht die einzige Eigenthümlichkeit des wachsenden Follikels. Noch auffallender nämlich sind die in Fig.S Tafel XXI abgebildeten grossen Zellen mit mattglänzendem Protoplasma und deutlichem Kern, welcher in allen Fällen entweder ein deutliches Kerngerüst oder ein oder mehrere Kernkörperchen aufweist. Man findet diese Gebilde in ganz jungen Follikeln, wo das Epithel noch einschichtig ist und auch in ziemlich grossen Follikeln und zwar in allen Lagen des Epithels und nicht allein nach der Mitte des Follikels zu. Aber man trifft sie, wie es scheint, nur bis zu einem gewissen Zeit- punkt, welcher vielleicht mit dem ersten Auftreten von Deuto- plasma im Ei zusammenfällt. Ich schliesse dies daraus, dass in älteren Follikeln, wo schon eine gewisse Menge Deutoplasma im Ei sich vorfindet, die hier in Frage stehenden Zellen nicht mehr das Aussehen von Zellen haben, sondern den „Epithelvacuolen“ Flemmings ähneln, über deren Vorkommen in Follikeln mensch- licher Ovarien ich in einer früheren Arbeit (63) berichtet habe. *) Nachdem das Manuscript schon im Druck gegeben war ist es mir jedoch gelungen auch in den hier besprochenen Follikeln wirkliche Kern- theilungsfiguren wie in Fig. 14 dargestellt, zu finden. Das menschliche Ei. 381 Dass diese, wie es scheint bisher nieht bekannt gewesene, Zellen, weil ein steter Befund, auch eine besondere Bedeutung haben müssen, ist einleuchtend. Ich fasse sie als „Nähr- zellen“ auf und meine, dass diese Gebilde dieselbe Bedeutung für das Wachsen des menschlichen Eis haben wie die Nährzellen in den Follikeln niederer Thiere, z. B. der Inseeten. Dass die menschlichen Nährzellen dabei ein etwas anderes Aussehen haben und ein etwas anderes Verhalten zeigen als die gleichen Zellen bei den genannten Thier- arten, kann niemanden wundern, indem die Nährzellen bei den letzteren eine weit grössere Thätigkeit entfalten müssen, um die Eier mit einer verhältnissmässig grossen Menge Nahrungsdotter (Deutoplasma) zu speisen. Darin herrscht aber eine Ueberein- stimmung, dass die menschlichen Nährzellen anfangs auch an Grösse zunehmen und dass sie zu derselben Zeit, wo auch bei den Inseeten die Nährzellen sieh zurückbilden, nämlich wann die Dotterbildung im Ei anfängt (Blochmann, 20), ebenfalls ihr Aus- sehen ändern: Bei den Inseeten ist die Rolle der Nährzellen um diese Zeit beendet und sie gehen deshalb zu Grunde; bei dem Menschen müssen sie noch zur Bildung von Liquor follieuli bei- tragen und durchlaufen desshalb die als Epithelvacuolen bekannten Auflösungsstadien. Dass die Nährzellen wirklich an der Liquorbildung sich be- theiligen, begründe ich damit, dass der Kern in den nach der Mitte des Follikels hin gelagerten Zellen mehr und mehr verblasst, indem sowohl das Chromatin wie die Kernmembran nach und nach schwinden bis zu vollständiger Undeutlichkeit. Man kann in demselben Präparat mehr peripher gelagerte Zellen von dem oben beschriebenen Aussehen finden, und nach der Mitte hin, ausser wohlgebildeten Nährzellen, auch solche, die ein ähnliches Aussehen haben, wie die Epithelvaeuolen. Es ist nicht zu leugnen, dass die Nährzellen auf den ersten Blick eine grosse Aehnliechkeit haben mit Primordial-Eiern. Eigentlich unterscheiden sie sich von diesen nur durch ihre ge- ringere Grösse. Die Nährzellen haben einen Durchmesser von 16—21u mit einem Kern von 6—10u, während die um den Follikel liegenden Primordial- Eier einen Durchmesser von 35 —42 —48 u und einen 16 « grossen Kern haben und die übri- gen Follikelepithelzellen 5—8u messen. — Dass dem so ist 382 W. Nagel: kann auch nicht wundern, denn genetisch sind die Nährzellen mit den Primordial-Eiern gleichwerthig: beide stammen sie aus dem Keimepithel. Nur in Eierstöcken, die möglichst frisch in Chrom-Osmium- Essigsäurelösung gehärtet sind, erhält man so deutliche Bilder wie hier beschrieben und in Fig. 3 abgebildet worden sind. Zufällig fanden sich in dem hier abgebildeten Schnitt keine Kerne mit Knäuelfiguren, in dem nächstfolgenden dagegen mehrere. Anmerkung. Call und Exner (23) haben beim Kaninchen die Vacuolen gesehen und sle als Zellen — ohne die Kerne gefunden zu haben — beschrieben. Lange vor diesen beiden Verfassern hat aber Bernhardt bei Maus und Eichhörnchen, selten bei der Kuh die Vacuolen gesehen und sie als Fettbläschen gedeutet (siehe Bischoff, 16). Ebenso benennt und bildet sie ab von Kaninchen R. Wagner (Beiträge zur Geschichte der Zeugung und Entwicklung. Abhandlungen der mathem. physikal. Classe der Königl. bair. Academie der Wissenschaften 1837. II). Auch Bischoff (16) hat öfters beim Kaninchen in der Membrana granulosa um das Eichen herum „zahl- reiche helle ganz runde durchsichtige Kreise von verschiedenem Durchmesser, 0,0015 — 0,0020 Pr. Zoll gross“ gesehen. Weiter sagt Bischoff (l. ce. p. 11:) „ich glaube mehreremal bestimmt an ihnen eine Zellennatur, Zellenmembran und Kern erkannt zu haben, und für Fettzellen schienen sie mir das Licht nicht stark genug zu brechen. Ob sie vielleicht zur Bildung künftiger Eier bestimmt sind, wage ich nicht zu behaupten.“ Somit gebührt unzweifelhaft den hier genannten Forschern das Ver- dienst, die hier in Rede stehenden Gebilde bei Säugethieren zuerst gesehen und beschrieben zu haben, und nicht Call und Exner, wie Flemming (31 und 32) meint und wie ich selbst früher (63) ausgesprochen habe. Auch Waldeyer (97) sind die Vacuolen nicht entgangen. Wenigstens deutet seine Angabe pag. 38, dass er in dem Epithel von Graaf’schen Follikeln der Säugethiere nach dem Mittelpunkt des Follikels zu „auch Zellen, deren Protoplasma wie aufgequollen, in Verflüssigung begriffen, erscheint“ gesehen hat, darauf hin. E. van Beneden erwähnt in seinen beiden Hauptwerken über die Säugethiere (10 und 12) nirgends die hier beschriebenen Erscheinungen. Foulis (34) auch nicht. Eine sehr genaue Beschreibung dieser von ihm benannten „Epithelvacuolen“ giebt Flemming (31 u. 32). Zu einer bestimmten Zeit, wenn das Follikelepithel mehr- schiehtig geworden ist, aber, wie es scheint, bevor im Ei Deuto- plasmaelemente auftreten, fängt die Liquorbildung an. Bei Säuge- thieren scheint dieser Vorgang an mehreren Stellen auf einmal Platz zu greifen — siehe auch Flemming (31) —, beim Menschen geschieht es nur an einer Stelle, und zwar in dem nach der Ober- Das menschliche Ei. 383 fläche des Ovariums hin belegenen Theil des Follikels. Da, wo später der Diseus proligerus sich bildet, findet keine Liquorbildung statt. An gehärteten Objeeten hat die erste Höhlenbildung genau ein solches Aussehen, wie Flemming (31) dies beim Kaninchen abbildet. Im Liquor jüngerer Follikeln und aus solchen Bierstöcken, welche mit Flemming’scher Lösung behandelt worden sind, findet man sehr häufig netzartige Gerinnungen von feinerer und von ziemlich grober Beschaffenheit. Vielleicht meint Barry dieses Netzwerk, wenn er von seinen Retinacula spricht (s S. 376). Da bei einigen Säugethieren das Ei anfangs in der That so ziem- lich in der Mitte des Follikels sich befindet, weil an mehreren Stellen im Follikelepithel zugleich die Liquorbildung stattfindet (8. 0.), so könnte dieser Umstand allerdings zu solchen Deutungen, wie die von Barry ausgesprochenen, Veranlassung geben. Anmerkung. In älteren Handbüchern und Specialwerken findet man häufig den Discus proligerus mit dem Ei an der äusseren (peripheren) Wand des Follikels sitzend, in den meisten neueren dagegen an der mit der pein- lichsten Genauigkeit ausgesuchten tiefsten Stelle des Follikels (Pouchet beim Schwein). Waldeyer (97) will nicht mit Bestimmtheit diese Frage entscheiden, er meint jedoch, dass bei den von ihm untersuchten Gattungen das Ei dem Stigma gegenübersitzt. Beim Menschen sitzt nach meinen Unter- suchungen der Discus an der medialen Wand des Follikels (nach dem Hilus zu) bald mehr nach der einen oder der anderen Seite von der Mittellinie des Follikels, immer also dem Stigma gegenüber. Siehe auch meine frühere Abhandlung (63), sowie in Sonderheit Frey (l. ce.) und Henle (42). Was die Entwicklung der Follikelwandungen betrifft, so habe ich den von Schrön (76), Waldeyer (97 und 98) u. a. berichte- ten Thatsachen wenig hinzuzufügen. Man sieht wie sich eine bindegewebige Schicht eoneentrisch um den wachsenden Follikel bildet: die Tunica externa; es entwickeln sich zahlreiche Ge- fässe sowohl in der Tuniea externa wie in der später entstehen- den Tunica interna (siehe auch Waldeyer (97) und Benc- kiser (9)) und zwar bilden sie nach den Untersuchungen Schröns ein vollständiges Netz um den Follikel herum. Ueber das spätere Aussehen des wachsenden Follikels, über die Vorgänge der Liquorbildung und der Bildung des Corpus luteum habe ich früher berichtet (63) und verweise desshalb bier- auf sowie auf die Arbeiten von Waldeyer, G. Wagener, Benckiser, Flemming u. a. c Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 21. 2» 384 W. Nagel: Sobald wie der Follikelinhalt eine gewisse Grösse erlangt hat, ich möchte sagen zu derselben Zeit, wenn man die erste An- lage der Zona pellueida sieht, tritt auch zwischen Follikelepithel und Tunica interna eine helle dünne structurlose Basalmembran (Glashaut) auf, die bei Säugethieren von Kölliker zuerst, später auch von Waldeyer und beim Menschen von Slavjansky (82 und 83), der diese Membran als ein wahres Endothel ansieht, gesehen worden ist. — Ueber das Vorkommen dieser Basalschicht in Vogelftollikeln giebt Waldeyer (97) einen genauen Bericht mit historischen Daten. Waldeyer nennt sie da Membrana propria follieuli. Nach Benckiser (9) fehlt die Basalmem- bran beim Schwein. E. van Beneden (12) hat ebenfalls bei den von ihm unter- suchten Fledermausarten diese Basalschicht gesehen und er hat in mehreren Follikeln, in welchen das Epithel zufällig von der Follikelwand losgerissen war, die Membran isolirt, aber keine Spur von Kernen in derselben entdecken können. E. van Bene- den spricht ihr desshalb jede Structur ab. Auch G. Wagener (95) behandelt — beim Maulwurfe — die hier in Rede stehende Glashaut, welche er die Henle’sche Membran nennt, genauer. Wagener fasst sie als veränderte jindesubstanz, in welche die Spindelzellen eingelagert sind, auf. Wiederholte Untersuchungen (siehe auch 63) haben mich zu demselben Ergebniss geführt wie die zuerst genannten Autoren: dass die Glashaut keine Structur besitzt. Es ist mir ebenfalls ge- lungen, die Basalschicht isolirt zu sehen, und zwar an Schnitten, die nur dureh die Hälfte eines Follikels gelegt waren und wo das Follikelepithel sich von der Wand losgelöst hatte, aber niemals habe ich Kerne hierin entdecken können. Die Basalmembran sieht der Zona pellueida in ihrer ersten Anlage äusserst ähnlich. Ich nehme keinen Anstand, den beiden Membranen denselben Ur- sprung zuzusprechen: beide sind sie ein Product des Fol- likelepithels, eine Möglichkeit, worauf auch Waldeyer (97) ausdrücklich hindeutet. Für diese Annahme spricht auch der Um- stand, dass die beiden Membranen gleichzeitig auftreten. Dadurch dass die Basalmembran eine viel grössere Strecke zu bedecken hat als die Zona, büsst sie, der Zona gegenüber, an Dicke ein. Was nun das wachsende Ei betrifft, so nimmt es zuerst, wie S. 378 schon angeführt, nieht an Grösse zu. Selbst Das menschliche Ei. 385 wenn die Follikelepithelzellen eine cubische Gestalt angenommen haben, kann das Ei noch dieselbe Grösse haben wie die umlie- genden Primordial-Eier. Erst von diesem Augenblicke an, wie wiederholte genaue Messungen mir dies gezeigt haben, vergrössert es sich. Ich sehe dieses Verhalten als Beweis dafür an, dass das Follikelepithel der Eizelle den Nährstoff zuführt: das Epithel muss erst in rege Thätigkeit versetzt sein, ehe das Ei zu wachsen im Stande ist. Dass es wnrichtig ist, das Follikelepithel aus der Eizelle hervorgehen zu lassen, habe ich S. 379 auseinander gesetzt: man sieht im wachsenden Ei durchaus nichts, was auf eine Zelltheilung hindeuten ‚könne. Das Ei mit Keimbläsehen und Keimfleck nimmt nach allen Seiten hin gleichmässig an Grösse zu ohne seine sonstigen Eigenschaften zuändern: das ist die erste Wachsthumserscheinung. Durch diese Zunahme erreicht das Ei diejenige Grösse, welche es überhaupt erreicht; jetzt wird die Zona angelegt und von diesem Zeitpunkt an vergrös- sert sich der Vitellus nicht mehr. Dieser Satz ist das Ergebniss sorgfältiger Messungen von menschlichen Eiern in allen möglichen Stufen der Entwicklung sowohl bei Erwachsenen wie bei Neugeborenen. Uebrigens wech- selt die Grösse der Eier selbst bei den einzelnen Individuen; man findet Eier noch ohne Deutoplasma, welche an Grösse reife oder nahezu reife Eier übertreffen; und auch Eier die auf derselben Entwicklungsstufe sich befinden zeigen deutlich nachzuweisende Grössenunterschiede. Um diese Zeit braucht noch keine Liquorbildung begonnen zu haben und umgekehrt findet man in ziemlich grossen Follikeln Bier, welche die oben genannte Entwieklungsphase (also ohne Deutoplasma) zeigen. Die Grösse des Follikels steht also, wie auch Valentin(90) schon hervorhebt, nicht immer im Verhältniss zu der Entwicklung des Eis. Erst nachdem die Zona angelegt ist und eine ge- wisse Dieke (welche nicht an allen Eiern gleich ist) erreicht hat, bemerkt man ein Auftreten von Deutoplasmaele- menten im Ei, und zwar hat dies immer statt in der Mitte des Eis. 386 W. Nagel: Anmerkung. Beim Salamander ist Valaoritis (89) zu einem ähn- lichen Ergebniss gekommen, indem er nämlich sagt: „solange die Eizelle wachsthumsfähig ist, nimmt das Protoplasma ihres Körpers constant zu und entsprechend, wenn auch in einem kleineren Maassstabe das des Zellenkerns. - Solange dies geschieht, kommt es innerhalb derselben zu einer Ablagerung von Dotterelementen nicht.“ Erwähnen will ich noch die Angabe Valao- ritis’, dass das Auftreten der Dotterelemente im Ei von Salamander cen- tripetal fortschreitet; wogegen nach den Untersuchungen von Gegenbaur (35) und Eimer (28) die Bildung des Deutoplasmas bei den Reptilien in der Mitte des Eis anfängt. Diese meine Auffassung steht zum grossen Theil nicht im Einklang mit den bisherigen Anschauungen über das Wachsen des Säugethiereis, wie es in Sonderheit von E. van Beneden (10 und 12) beobachtet und geschildert worden ist. , Die erste Abweichung zwischen menschlichem und thieri- schem Ei zeigt sich schon in den allerersten Stadien, indem man vor dem von mir soeben geschilderten Zeitabschnitt keine Spur von Deutoplasmaelementen in dem menschlichen Ei sehen kann, während nach den Untersuchungen von His (47) man schon in den Primordial-Eiern der Vögel Protagonkörner, und nach den- jenigen von E. van Beneden (10) in Primordial-Eiern der Säuge- thiere und anderer Thiere stark lichtbrechende Körner nachweisen kann, die er als die erste Anlage von Deutoplasma ansiebt. Auch an den Eierstöcken vom Schwein habe ich mich überzeugt, dass die Primordial-Eier stets fetthaltige Dotterelemente enthalten, welche sich auf Osmiumsäure intensiv dunkeln. Beim Menschen ist dies ganz sicher nicht der Fall. Wie schon S. 362 be- merkt, erkläre ich mir dies dadurch, dass das menschliche Ei weit weniger fetthaltiges Deutoplasma enthält als wie das Thier- Ei, und desshalb mag bei Thieren die Bildung von Nahrungsdotter (Reichert) vielleicht anders, jedenfalls frühzeitiger anfangen als wie beim Menschen. Gerade durch dieses Zurücktreten des Deutoplasmas kann man, vor allem an dem frischen Ei, die anatomischen Verhältnisse des menschlichen Eis klar durchschauen, was bei frischen Säuge- thier-Eiern unmöglich ist; und desshalb ist das menschliche Ei sehr geeignet zum Studium der Wachsthumsvorgänge. Ferner habe ich hierfür in dem Eosin einen vorzüglichen Bundesgenossen gefunden. Wie schon an einer anderen Stelle erwähnt, färbt sich das Eiprotoplasma schön rosa auf Zusatz von Eosin, während das Das menschliche Ei. 387 Deutoplasma auch nicht die geringste Spur des Farbstoflfes auf- nimmt. Dadurch tritt die Grenze zwischen Eiprotoplasma und Deutoplasma stets äusserst deutlich hervor. Da nun meine Untersuchungen auf verhältnissmässig viele Objecte sich erstreckt haben, und ich noch immer mit dem mensch- lichen Ei mich beschäftige, darf es wohl als berechtigt angesehen werden, wenn ich versuche der schwierigen Frage über das Wachsen des Eis näher zu treten. Wie schon früher erwähnt, haben seit E. v. Baers Ent- deekung zahlreiche und bedeutende Forscher sich mit der Frage der Deutung und des Wachsens der Eizelle beschäftiget: u. a. Schwann, Bischoff, Allen Thomson, R. Wagner, Meckel v. Hemsbach, Leuckart, His, Gegenbaur. Am eingehend- sten hat Waldeyer (97) dies gethan sowohl was das Säugethier- Ei, Vogel-Ei wie auch das Ei der übrigen Thiergattungen” betrifft. Ich werde von dieser allseitigen und erschöpfenden Darlegung Waldeyers zunächst ausgehen und will hiermit ausdrücklich auf das oft eitirte Werk Waldeyers: „Eierstock und Ei“ sowie auf seine spätere Abhandlung „Archiblast und Para- blast“ verwiesen haben. Waldeyer (97, Seite 51 u. flg. und Seite S1 u. fig.) kömmt zu folgendem Ergebnisse: das Primordial- Ei (siehe S. 360) ist eine einfache Zelle, das reife Bierstocks-Ei dagegen eine zusammengesetzte Bildung (dies gilt sowohl für das Vogel-Ei wie für das Säugethier-Ei.) Anmerkung. Es geht aus dem ganzen Inhalt der Abhandlung „Archiblast und Parablast“ hervor, dass Waldeyer diese seine frühere Mei- nung über die zusammengesetzte Natur des reifen Eierstocks-Ei (sowohl der Vögel wie der Säugethiere) nicht mehr aufrecht hält. Da er dies in der erwähnten Arbeit nicht ausdrücklich betont, hat”Herr Professor _Waldeyer mich ermächtigt, hiermit zu erklären, dass er seine‘ frühere Auffassung von der Werthstellung des reifen Eis";aufgegeben hat. ‘" Waldeyer nimmt das Ei, selbst das reife meroblastische Ei, durchweg als Zelle an. Das reife Eierstocks-Ei besteht nach Waldeyer aus: 1) dem Primordial-Ei mit Keimbläschen und Keim- fleckf(=Bildungsdotter/Reicherts, —=Hauptdotter His’); 2) den agcessorischen Theilen d. h.{dem Nebendotter (His’= Nahrungsdotter Reieherts) und der Dotterhaut (=Zona pellucida). 388 W. Nagel: Beides sind direete Abkömmlinge des Follikelepithels. Nur besteht darin ein Unterschied, dass bei dem Säugethier-Ei der Disceus proligerus diese Bestandtheile liefert, bei dem Vogei- Ei das ganze Follikelepithel. Aus dem Nebendotter (= weisser Dotter) entstehen dann beim Vogel-Ei nach Waldeyers Auffassung die eigentlichen Dotterkugeln (= gelber Dotter) und zwar durch einfaches Auf- quellen der letzteren (vergl. auch Gegenbaur, J. Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie 1861, S. 491). Wie nun bei beiden Thiergattungen die Bildung der accesso- rischen Theile aus dem Follikelepithel stattfindet, darüber giebt Waldeyer gewissermaassen als Ergänzung der in „Eierstock und Ei“ geschilderten Vorgänge, in „Archiblast und Parablast“ folgende Erklärung (99. S. 11): „Nach meinem Dafürhalten stellt man sich das Verhalten des Dotters zum Eiprotoplasma (Keim- gleich mit Primordial-Ei, Keim- bläschen und Keimfleck in der oben gegebenen Darstellung) am besten so vor, dass derselbe in den Keim in Form kleiner Par- tikel eindringt, bezw. abgelagert wird, wie feinverriebene Tusche- oder Zinnoberpartikelehen in das Innere des Protoplasmaleibes fast aller thierischen Zellen aufgenommen werden können“ ; — und weiter: „Die Aufnahme von Material aus dem Nahrungsdotter Seitens des Keimes zum Zwecke der Assimilation, wenn sie überhaupt vorkommt, ist jedenfalls nur eine beschränkte; das Eiprotoplasma wächst über ein relativ geringes Grössenmaas nicht hinaus. Viel weiter geht die Aufspeicherung des nicht zur Assimilation kom- menden Nahrungsmaterials (Dotter) im Inneren des Eiprotoplasmas, wodurch letzteres ausgedehnt, gleichsam aufgebläht wird. Halten wir fest an dem Bilde einer mit Tuschekörnchen gefütterten Zelle, so wird der ganze Process der Aufnahme des Nahrungsdotters sich folgendermaasser gestalten: Die ersten Partikel des zuge- führten, nicht zur Assimilation gelangenden Nahrungsmaterials lagern sich inmitten des Protoplasmas der Eizelle ab, ohne deren ganzen Habitus wesentlich zu ändern; ein solehes Ei mit wenig eingelagertem fremden Material wird noch den Eindruck einer gewöhnlichen einfachen, aber körnerreichen Zelle machen. Das Bild ändert sieh indessen mit fortschreitender Aufspeicherung solchen nieht assimilirten Materials. Die Eizelle wird an Umfang zunehmen, ihr Protoplasma mit dem Kern — hier haben wir in Das menschliche Ei. 389 der Bildung der Fettzelle ein sprechendes Beispiel — wird zum grössten Theil nach einer Seite gedrängt werden, während das Nahrungsmaterial (Dotter) sich am entgegengesetzten Pole anhäuft. Das an die Seite gedrängte, den Kern zunächst umgebende Proto- plasma ist nun das, was wir mit Stricker „Keim“ der reifen Eizelle nennen. Da aber die Ablagerung des Dotters in das Innere des ursprünglichen Eiprotoplasmas geschieht, so wird letzteres zugleich auch allseitig nach der Peripherie verschoben und es wird immer um den Dotter eine dünne Protoplasmarinde gelagert bleiben, welche alles einschliesst und in den rundlichen oder linsenförmigen Keim übergeht. Genau so ist es ja auch bei der Fettzellenbildung.“ Diese Darstellung der Bildungsweise des Dotters der mero- blastischen Eier — denn auf ein solches bezieht sich ja die eben gegebene Schilderung — gilt auch mutatis mutandis für die holo- blastischen Eier. Die Annahme Waldeyers wird in vielen Punkten von Bal- four (5, der die von ihm benannten „tlash shaped cells“ eine Rolle bei der Ernährung des Eis spielen lässt), Hubert Ludwig (59) u. a. getheilt. In der That lassen sich eine Reihe von Wahr- scheilichkeitsgründen für dieselbe vorbringen. Wie werden die Dotterelemente vom Follikelepithel ausge- schieden ? Beim Vogel-Ei hat Waldeyer diesen Vorgang genau beschrieben und ist zu dem Ergebniss gekommen, dass alle dem Ei aufsitzende Follikelepithelzellen direct die Dotterelemente liefern und er ist geneigt auch diesen Bildungsmodus für die Säugethiere anzunehmen. Bei den Evertebraten (Amneliden (Leydig), Inseeten (A. Brandt (21), Bloehmann (20), Korschelt (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 43), Trematoden, Cestoden) wer- den die Dotterelemente von besonderen wirklichen Zellen mit Kern und Kernkörperchen, den sogenannten Nährzellen, gebildet, welche aber genetisch gleichwerthig sind mit der Eizelle und mit den Follikelepithelzellen: ursprünglich sind sie Umbildun- gen durchaus gleichartiger Zellen des Keimlagers (Waldeyer, Hubert Ludwig, Brandt, AllenThomson, Bloehmainn u. a.). Vorausgesetzt dass meine Annahme richtig; ist,! ‚dass die S. 381 beschriebenen und in Fig.8 Tafel XXI abgebildeten Zellen im 390 W. Nagel: Follikelepithel wirklich Nährzellen sind, so würde der Ernährungs- vorgang des menschlichen Eis in ähnlicher Weise zu erklären sein wie bei den eben genannten Thiergattungen: Die Nahrungs- stoffe werden von den Nährzellen geliefert und diese Stoffe alsdann der Eizelle zugeführt. Wie geschieht die Aufnahme der Nahrungsstoffe (Dotter- elemente) in die Eizelle? Auf seinen Untersuchungen am Ei der Vögel und der Säugethiere fussend hat Waldeyer die eben (S. 388) ange- führte Erklärung von der Aufnahme der Dotterbestandtheile auf- gestellt, dass also die bereits fertigen Dotterelemente, allerdings in kleinen Körnehen und Partikelchen, dem Eiprotoplasma zuge- führt werden. Würde diese Erklärung Waldeyers auch für das menschliche Ei die zutreffende sein, dann müsste 1) gleich, sobald das Ei zu wachsen anfängt, auch eine Ab- lagerung. von Dotterelementen im Eiprotoplasma nachzuweisen sein. Dies findet aber nicht statt. — Der Vitellus (Eizelle), wächst bis zu der Grösse, welche er überhaupt im reifen Ei erreicht, ohne dass eine Ablagerung von Dotterelementen stattfindet. 2) müsste doch von dem Augenblick an, wo Dotterelemente auftreten, der Vitellus ständig wachsen und zwar um so viel, wie die Menge des zugeführten Dottermaterials beträgt. Auch dieses findet nicht statt. Sobald wie /die,Dotterbildung anfängt wächst der Vitellus nicht mehr oder doch ganz verschwindend, wie meine Messungen erwiesen haben. Ich erkläre mir desshalb den Vorgang so, dass die Eizelle auf dem Wege der Diffusion (wie auch Blochmann (20) bei den Inseeten annimmt), die von den Nährzellen gelieferten Nahrungsstoffe aufnimmt; ob und welche Rolle dabei die Eiepi- thelzellen spielen, ist vor der Hand schwer zu bestimmen. Diese Stoffe werden zunächst von der Eizelle, bezw. deren Protoplasma, assimilirt, dadurch wächst das Ei bis zu einer bestimmten Grösse, und zwar ist diese Grösse gleich mit derjenigen, welche die Eizelle überhaupt erreicht. Ich glaube annehmen zu müssen, dass mit dem ersten Auftreten der Zona pellueida die Grössenzunahme des Vitellus (Eizelle) beendet ist. Wie also aus dem eben Gesagten hervorgeht, stimme ich darin mit Waldeyer überein, dass die Ernährung der Eizelle vom Follikelepithel aus geschieht, jedoch weiche ich dadurch von Waldeyer ab, dass ich nur einen Das menschliche Ei. 391 bestimmten Theil des Follikelepithels, nämlich die Nähr- zellen als Bildungsstätte der Nahrungsstoffe ansehe und eine Verarbeitung der aufgenommenen Elemente zum Dotter in der Ei- zelle annehme, während Waldeyer das ganze Follikel-(bezw. Ei-) Epithel als Bildungsstätte der Nahrungsstoffe betrachtet und eine directe Aufnahme der fertigen Dotterelemente annimmt. — Hier- bei muss man aber im Auge behalten, dass Nährzelle wie Follikel- epithelzelle desselben Ursprunges sind wie das Ei: alle drei Ge- bilde sind Umbildungen durchaus gleichartiger Zellen des Keim- lagers. Die Frage, ob das Lymph- und Gefässsystem sich auch direct an der Ernährung der Eizelle betheiligen, lasse ich hier ausser Betracht. Eine solche Betheiligung ist wohl ebenso schwer wegzuleugnen wie zu beweisen. — Die Anlage der Zona pellueida und das weitere Wachsen derselben geschieht durch einfache Apposition (s. weiter unten). Nicht sofort nach Anlage der Zona pellucida, sondern, wie es scheint, wenn diese Membran eine gewisse Dicke (1 « und darüber) erreicht hat, bemerkt man das erste Auftreten von Dotter- elementen, und zwar geschieht dies immer im Centrum der Eizelle. Ich glaube desshalb annehmen zu müssen, dass die Dotterelemente in gewissem Sinne ein Product der eigenen Lebensthätigkeit der Zelle sind (vergl. auch Gegenbaur (35), Eimer (28) und Kor- schelt (l. e.), das heisst also, die von den Nährzellen her aufge- nommenen Nahrungsstoffe werden von der Eizelle zu Dotter (Deutoplasma) verarbeitet; denn es ist berechtiget, wie Kölliker (53) ganz besonders betont, die Bizelle als ein „lebender Elementar- theil des mütterlichen Organismus“ zu betrachten. Nun schreitet die Umwandlung des Eiprotoplasmas in Deutoplasma (Nahrungs- dotter) immer weiter vom Centrum nach der Peripherie fort. Dureh das Deutoplasma wird das Keimbläschen immer mehr nach der Peripherie der Eizelle geschoben: es ist dies also ein rein mechanischer Vorgang. Niemals findet man das Keimbläs- chen im Deutoplasma liegen; die beiden Gebilde verhalten sich zu einander, bildlich gesprochen, wie Oel und Wasser. Zuletzt ist fast alles Eiprotoplasma in Deutoplasma um- sewandelt, nur an der Peripherie bleibt eine dünne Lage Ei- protoplasma erhalten, worin dann das Keimbläschen liegt (s. Fig. 6, Tafel XX). Man kann sich also das Ei vorstellen als 392 W. Nagel: eine Deutoplasmakugel, umgeben von einer dünnen Hülle von Protoplasma. Wie man sieht entspricht das Ei in diesem Stadium ganz. und gar der von Waldeyer entworfenen Schilderung eines fertigen meroblastischen Eis (s. vorne Seite 358 und Waldeyer (99) und (101). Anmerkung. His weicht in der Werthstellung des Deutoplasmas wesentlich von den anderen Autoren ab, welche — mit Recht — das Deuto- plasma ausschliesslich als Nahrung für den künftigen Embryo, bis dieser von der Mutter genügend versorgt werden kann, ansehen. His („Die Lehre vom Bindesubstanzkeim (Parablast).. Rückblick nebst kritischer Besprechung einiger neuerer entwicklungsgeschichtlicher Arbeiten.“ Archiv für Anatomie und Physiologie, Anatomische Abtheilung 1882) lässt nämlich aus .den Dotterelementen — Nebendotter His’ — auch (durch eine generatio spon- tanea) die parablastischen Elemente entstehen. Siehe hierüber W aldeyer (99). Aus meinen Präparaten meine ich den Schluss ziehen zu müssen, dass die Deutoplasmabildung bis dicht an das Keimbläs- chen geht, sonst würde man keine solche Bilder erhalten wie z. B. die in Fig. 5 und 11 wiedergegebenen. Das Keimbläschen schwimmt so zu sagen auf dem Deutoplasma; dagegen bleibt, wenn erst das Keimbläschen ganz bis zu Peripherie geschoben worden ist, ausser der vorhin genannten peripherischen Hülle, ein linsenförmiges Stück Protoplasma (lentille eiecatrieulaire E. van Benedens, siehe auch Rein (69) unberührt. Zur selben Zeit wie Waldeyer, und unabhängig von ihm, stellte E. van Beneden seine Untersuchungen über das thierische Ei an; die Ergebnisse dieser Untersuchungen hat E. van Bene- den in seiner grossen Arbeit: „Recherches sur la composition et la signifieation de l’oeuf,“ niedergelegt, welche den von der Königl. Belgischen Academie ausgesetzten Preis gewann. Die Ansichten E. van Benedens über das Wachsthum der Eizelle sind kurz folgende: In den Primordial-Eiern, ja schon in der gemeinschaftlichen Protoplasmamasse, aus welcher nach der Theorie E. van Bene- dens die Primordial-Eier durch eine Zertheilung hervorgehen, findet man die ersten Dotterelemente in Gestalt von kleinen, stark lichtbrechenden Körperehen und von kleinen Tröpfehen von fett- artigem Aussehen (d’apparence graisseuse). Anfänglich sind die- selben gleiehmässig vertheilt innerhalb des Eiprotoplasmas; sobald aber die Eizelle sich etwas vergrössert hat, sammeln sie sich in der Peripherie des Dotters, während um das Keimbläsehen herum Das menschliche Ei. 393 das Protoplasma in geringerem Grade mit den Dotterkügelchen besetzt (chargee) ist, und unmittelbar unter der Zona pellueida findet man eine helle Schicht Protoplasma (peu epaisse d’un liquide plus celair).. Durch diese Anordnung der Dotterelemente entstehen also, wie man sieht, drei Schiehten: eine fast dotter- freie um das Keimbläschen herum, dann eine sehr dotterreiche (sogenannte couche intermediaire, worauf van Beneden auch in späteren Arbeiten Gewicht legt und die auch von Balfour u. a. gewürdigt. wird), schliesslich eine äussere helle, welche in jungen Eiern fast frei von Dotterelementen ist. Die Zahl und das Volu- men der Dotterelemente nehmen in demselben Maasse zu wie das Ei wächst, und es kommt ein Augenblick, wo die Elemente sich in solehem Ueberfluss finden, dass das Ei die Durchsichtigkeit verloren hat. Was nun den Bildungsvorgang der Dotterelemente betrifft, so entstehen dieselben im Inneren des Eiprotoplasmas, und zwar durch die eigene Lehbensthätigkeit der Zelle: von Anfang an sind, bei Säugethier und Vogel, die beiden Hauptbestandtheile des Eis (Protoplasma und Dotter) mit einander vereint vorhanden (les deux elements constitutifs sont unis des le debut de la formation de loeuf) und die wachsende Eizelle verarbeitet nach und nach (elabore) die vorhandenen (und aufgenommenen?) Nahrungsstoffe zu Dotter. van Beneden zieht einen Vergleich zwischen Eizelle und secretorischer Zelle einer Speicheldrüse (et la cellule - oeuf elabore elle - m&me les el&ments nutritifs). E. van Beneden unterscheidet demnach im reifen Eier- stocks-Ei 1) das Deutoplasma, welches nicht allein den Nahrungs- dotter im Sinne Reicherts umfasst, sondern auch die im Keim (= eieatrieule) etwa suspendirten Nahrungselemente. 2) das Protoplasma, welches mit dem Keimbläschen die eigentliche Eizelle bildet „qui est veritablement la premiere cellule de l’embryon.“ Seine Meinung über die Werthstellung des reifen Eierstocks- Ei drückt van Beneden folgendermaassen aus: er verwirft den Satz: Jedes Ei ist eine Zelle, und setzt statt dessen: In jedem Ei existirt aber eine Eizelle, ein Keim, welche die erste Zelle des Embryos bildet (mais dans tout oeuf il existe une cellule-oeuf, un germe, qui est la premiere cellule de l’embryon). 394 W. Nagel: Wie man sieht stimmt in dieser Mittheilung E. van Bene- den in der Auffassung des reifen Eis vollständig mit der früheren Anschauung Waldeyers überein, wenn dieser Forscher am Schluss des Capitels „Graaf’scher Follikel und Ei der Säuge- thiere‘ sagt: Somit ist das reife Säugethier-Ei keine einfache Zelle, sondern eine zusammengesetzte Bildung. Die Zona pellueida sieht E. v. Beneden auch als ein Auflagerungsprodukt an (Waldeyer, Pflüger, Reichert). Er betrachtet dieselbe als ein wahres Chorion (d. h. der niederen Thiere vergl. E. v. Baer (1)), als eine Membran also, welche ge- bildet, ausgeschieden (seceretee) wird von den Zellen des Diseüus proligerus. In einer späteren Arbeit (12) hat E. van Beneden diese seine Anschauungen wesentlich geändert. Er verwirft nämlich die Annahme, dass die Zona pellucida aus dem Follikelepithel ge- bildet wird, und lässt sie vielmehr aus dem Ei-Inhalte (Vitellus) entstehen. Zur Aufstellung dieses Satzes, welcher eine so ein- greifende Bedeutung für die ganze Frage über den Wachsthums- vorgang, Bedeutung des Follikelepithels und Werthstellung des Eis haben würde, ist er durch seine Untersuchungen an den Fledermausovarien gekommen. In einzelnen Follikeln (Follieules multiloeulaires) fand er nämlich mehrere — bis zu drei — ein- ander dicht anliegende Eier, von welchen ein jedes mit einer wohlgebildeten ziemlich dieken Zona versehen war; an den Be- rührungsstellen fand sich keine Membrana granulosa, und doch war die Zona pellueida an diesen Stellen ebenso wohl entwickelt, wie an den anderen Stellen, wo ein Follikelepithel anhaftete. Aus diesem Befunde, welchen’er in vielen Follikeln auf verschie- denen Stufen der Entwicklung bestätigt gefunden hat, macht E. van Beneden den Schluss ‚irrefutablement“ 1) dass die Zona pellueida einen o vulairen Ursprung hat, und 2) dass die Zellen des Follikelepithels keinen Theil nehmen an dem Wachsen und an der Bildung des Ei-Inhaltes (Dotters). Anmerkung. Da van Beneden demnach eine Betheiligung des Follikelepithels an der Zufuhr von Nahrungsstoffen ausschliesst, fasst er (12) die Entstehung der drei vorhin erwähnten Schichten als das Ergebniss einer fortschreitenden Differencirung in dem primären Zellenleib auf (Les trois couches rösultent de la differenciation progressive du corps cellulaire pri- mitif). Vergleiche über diesen Punkt auch Gegenbaur (35). Es ist erst in Das menschliche Ei. 395 Eiern von einer gewissen Grösse, dass die intermediäre Schicht entsteht und rasch zunimmt, während die beiden anderen ihren protoplasmatischen Cha- raeter fast vollkommen bewahren. Die mittlere Schicht sieht E. v. Bene- den als gleichwerthig mit dem gelben Dotter in den Vogel-Eiern an. Dieses Verhalten der Membrana granulosa in den Follikeln von Fledermäusen ist allerdings auffallend, da es aber bisher als vereinzelt dasteht, bedarf es noch einer näheren Untersuchung, im Laufe welcher sich wohl eine genügende Erklärung finden lassen würde, welche diesen sonderbaren Befund in Einklang mit den an allen übrigen Thierarten obwaltenden Verhältnissen zu bringen im Stande wäre. Ich habe bisher etwas ähnliches nicht gesehen und wüsste auch keine Erklärung zu geben. Anmerkung. Waldeyer (97) hat übrigens auf ein ähnliches Vor- kommen (beim Vogel und Säugethier) aufmerksam gemacht, ohne diesem Befunde eine ähnliche Bedeutung beizumessen wie E. v. Beneden. Wal- deyer sagt 1. c. Seite 57: „Wir finden in den cavernösen Maschenräumen auch mehrere (bis 4) dichtgedrängte Eizellen in einem Fachwerk anscheinend ohne Granulosazellen dazwischen. Letzeres Verhalten tritt uns oft bei der Untersuchung erhärteter Ovarien entgegen, bei denen die Granulosazellen leicht ausfallen; an frischen Präparaten sieht man immer kleinere Zellen die grösseren Eizellen unmittelbar umgeben.“ (Die beigefügte Fig. 21 bezieht sich auf das Huhn.) Eine besondere Anschauung über den Bildungsvorgang der Dotterelemente beim Säugethier vertritt Lindgren (53), indem er eine direkte Einwanderung von Granulosazellen in ziemlicher Menge durch die Zona hindurch wahrgenommen haben will. Lindgren zieht hieraus den Schluss, dass die Nahrungsstoffe in Gestalt der eingewanderten Granulosazellen der Eizelle zugeführt werden; selbst die Richtungskörper sieht er als eingewanderte Granulosazellen an und lässt aus diesen den Nebenkeim (His) entstehen. Wie Kölliker (53) hervorhebt, müsste man die Ein- wanderung der Granulosazellen viel häufiger beobachten, wenn die- selbe eine so grosse Bedeutung hätte für die Entstehung der Dotter- elemente. Lindgren hat offenbar an etwas macerirten Eiern seine Beobachtungen angestellt und hat viel zu weitgehende Schlüsse aus seinen Präparaten gemacht. 396 W. Naeel: Das fertige und das reife Eierstocks-Ei. Das menschliche Ei (Fig. 5, Tafel XX) zeichnet sich durch eine auffallend klare Ausbildung aller seiner Theile und leichte Sichtbarkeit derselben vor allen bekannten Säugethier-Eiern aus. Da die Fettelemente des Deutoplasmas sehr zurücktreten, behält das menschliche Bi auf allen Entwicklungsstufen seine Durch- siehtigkeit und lässt alle anatomische Einzelheiten auf das Ge- naueste erkennen. Wie ich aus den angeführten geschichtlichen Thatsachen erwiesen habe, kann keine von den bisher vorhandenen Abbil- dungen oder Beschreibungen des fertigen oder reifen menschlichen Eis einen Anspruch auf vollkommene Naturtreue erheben. Keiner der genannten Forscher erwähnt die Trennung des Dotters in Protoplasma und Deutoplasma, von keinem ist der Dotter richtig geschildert. Der Spalt zwischen Zona und Dotter wird von Bi- sehoff und Erdl (s. vorne) dargestellt, aber als ein so grosser Raum, wie er bei frischen Eiern nie vorkömnt. Die radiäre Streifung der Zona wird von den meisten neueren Autoren ange- nommen, aber nur von ganz einzelnen, und dann halbschematisch, abgebildet. Weder auf der am häufigsten copirten Zeichnung (die von Kölliker) noch auf der jüngsten (die von Papaioannos) ist die Zona radiär gestreift. An einzelnen Zeichnungen neueren Datums ist die Zona sogar eireculär gestreift. Ferner ist an keinem der vorhandenen Abbildungen das Eiepithel richtig dar- gestellt. Die Aufgabe dieses Capitels soll desshalb darin bestehen die einzelnen Theile des menschlichen Eis, wie dieselben an frischen Objekten sich darstellen, eingehender zu schildern und dabei zu prüfen, welche von den, von anderen Forschern an den Eiern ver- schiedener Thiergattungen erhärteten, Thatsachen auf das mensch- liche Ei übertragen werden können. Man unterscheidet naturgemäss zwei verschiedene Entwick- lungsstufen des Eierstocks-Eis, indem man von einem fertigen und einem reifen (bezw. reifenden) Ei spricht. Ich folge dabei derjenigen Definition, welehe Hr. Professor Waldeyer in seinen Vorlesungen über Embryologie stets gebraucht und verstehe unter „fertigem Ei“ ein Ei, an welchem alles Protoplasma, was über- haupt hierzu verwendet wird, in Deutoplasma umgebildet ist und Das | menschliche Ei. 397 wo das Keimbläschen ganz peripherisch liegt, aber noch keinerlei Veränderungen erlitten hat (s. Fig. 6 Tafel XX). Ein fertiges Ei wächst an und für sich nieht mehr; eine etwaige Grössenzunahme ist nur bedingt durch das Dickerwerden der Zona pellueida und dieses kann wahrscheinlich solange stattfinden bis das Ei reift und im Follikelepithel die bekannte und weiter unten besprochene fettige Degeneration auftritt. Anmerkung. Mein College Dr. H. Klaatsch, Assistent am hiesigen anatomischen Institut, theilt mir freundlichst mit, dass nach der Befruchtung bis zum dritten Tage (post coitum gerechnet) beim Kaninchen keine Ver- grösserung des Eis stattfindet; dasselbe nimmt sogar in den ersten Furchungs- stadien ab, obwohl die Zona die doppelte Dicke besitzt als beim fertigen ÖOvarial-Ei. (Beispiel: Fertiges Eierstocks-Ei, Durchmesser mit Zona: 150u, Dicke der Zona 10u«. — Morula von ca. 16 Kugeln, Durchmesser mit Zona: 160u. Dicke der Zona 20u. — Furchungskugel mit Furchungs- höhle und in dieselbe vorspringenden Zellenhaufen (van Beneden’sche Metagastrula): Durchmesser mit Zona 172u, Dicke der Zona 16u. „Reif“, oder richtiger „reifend‘‘, nenne ich mit Waldeyer ein Ei, an welehem das Keimbläschen die eigenthümlichen Ver- änderungen zeigt, welche darin bestehen, dass dasselbe undeutliche und unregelmässige Umrisse annimmt und ein oder zwei Richtungs- körper, welche alsdann im perivitellinen Spaltraum gefunden wer- den, ausstösst. In dem reifenden Ei hat der Vitellus das Aussehen des fertigen Eis (s. 0.) behalten, auch die Lage des Keimbläschens ist dieselbe geblieben, nämlich an der Peripherie des Vitellus, un- mittelbar an dem perivitellinen Spaltraum. Ein fertiges Ei ist noch nicht befruchtungsfähig und kann normaliter nur in dem Follikel gefunden werden. Ein reifen- des Ei ist erst dann befruchtungsfähig, wenn die obenerwähnten Veränderungen am Keimbläschen (wobei dasselbe schliesslich, so weit bis jetzt unsere Beobachtung reicht, ganz schwindet) beendigt sind; erst dann ist das Ei reif. Ich glaube annehmen zu müssen, dass sämmtliche Reifungsvorgänge sich innerhalb des Follikels vollziehen und dass, sobald diese beendet sind, das Ei alsbald den Follikel verlässt. Ein reifendes Ei muss also noch im Eier- stock gesucht werden, ein reifes Ei dagegen im Anfangstheil der Tube. Das in Fig. 5 Tafel XX abgebildete Eierstocks - Ei ent- stammt einer 30jährigen Frau. Eine halbe Stunde nach beendeter 398 W. Nagel: Operation brachte ich das Ei aus dem Follikel auf den Objeect- träger. Als Untersuchungsflüssigkeit wurde der Liquor Follieuli benutzt und durch ständiges Zusetzen von einer 0,75 %, Kochsalz- lösung am Deckglasrande vor Verdunstung geschützt. Das Deck- glas wurde durch Papierstückehen abgestützt, sodass das Ei keinerlei Compression erleiden konnte. Unter Benutzung des Dr. Klaatsch’schen Radialmierometers wurde das Ei sofort gezeich- net. Hr. Prof. Waldeyer controlirte fortwährend den Zeichner. Es darf desshalb diese Figur als eine correete Wiedergabe des menschlichen Eierstocks-Eies betrachtet werden. Im Laufe einer sechsmonatlichen Untersuchung habe ich an zahlreichen frischen Eiern den Befund bewahrheiten und vergleichen können. Im Wesentlichen deckt derselbe sich, abgesehen von den durch die verschiedenen Stufen der Entwicklung bedingten Abweichungen, mit den in der Fig. 5 dargestellten Verhältnissen, und ich ver- weise desshalb bei der nunmehr folgenden Beschreibung auf diese erste naturgetreue Abbildung eines menschlichen Eierstocks-Eies. Man unterscheidet an jedem mehr entwickelten Eierstocks-Ei mit der grössten Deutlichkeit folgende Einzelheiten: 1. Das Eiepithel. 2. Die Zona pellueida. 3. Einen perivi- tellinen Spaltraum. 4. Eine schmale helle Rindenzone des Vitellus. 5. Eine breitere feingranulirte Protoplasmazone. 6. Eine centrale Deutoplasmazone. 7. Keimbläschen mit Keimfleck. i Was nun die Maasse des mehr entwickelten Eis betrifft, so unterliegen diese wie auch diejenigen der Primordial-Eier ziemlich beträchtlichen individuellen Schwankungen. Ich will aus diesem Grunde keine Mittelmaase angeben, sondern behalte mir vor, über diesen Punkt noch weitere Untersuchungen anzustellen. Soviel geht aber aus meinen bisherigen Untersuchungen hervor, dass bei derselben Person die Grösse des Vitellus in einem fertigen Ei an- nähernd gleich ist mit der eines Eis, an welchem die Zona eben angelegt ist und in welchem die Deutoplasmabildung angefangen hat (siehe S. 385). Ein fertiges Ei kann bei dem einen Individuum ein gerin- geres Maass liefern als ein auf einem jüngeren Stadium stehendes bei dem anderen. Es scheint ferner, als wäre die Grösse der Eier von der Grösse des betreffenden Individiums abhängig. Das menschliche Ei. 399 Das eben erwähnte und in Fig. 5 Tafel XX abgebildete Ei entstammt einer ziemlich kleinen aber sonst gut entwickelten (30jährigen) Frau und liefert folgende Maasse: Das ganze Ei misst (ohne Eiepithel): 165 — 170 u. Die einzelnen concentrischen Schiehten sind nicht überall im ganzen Umfang des Eies gleich dick, und zwar fand ich hier fol- gende Schwankungen: Die Zona pellueida 20 — 24u, Der perivitelline Spaltraum 1,3 u, Die helle Randzone 4—6u, Die Protoplasmazone 10—21u, Die Deutoplasmazone 82 — 87 u, Das Keimbläschen 25 — 27 u. Der Durchmesser des Keimflecks wechselt in Folge der amoeboiden Bewegungen am frischen Ei; wir maassen 4—8 u. 1. Das Eiepithel (Waldeyer), die Corona radiata (Bischoff), besteht aus länglichen, 26 u messenden Zellen mit fein- granulirtem Protoplasma und deutlichem Kern. Diese Zellen sind in zwei oder drei Lagen regelmässig aneinander gereiht, wodurch aas Epithel das eigenthümliche und bekannte Aussehen erhält, welchem es seinen von Bischoff eingeführten Namen Corona radiata verdankt. Bischoff hat diese strahlige Anordnung der Zellen des Discus proligerus als ein sicheres und am leichtesten zu constatirendes Zeichen eines völlig reifen, zum Austritt aus dem Eierstock bereiten Eis angegeben, und noch in den jüngsten Jahren hält er (19) diese Meinung nach jeder Richtung hin auf- recht. — Ich kann Bischoff zwar insofern zustimmen als man diese Anordnung der Discuszellen nur an älteren Eiern sieht (vergl. auch Waldeyers (97) Befund beim Säugethiere) aber schon zu einer Zeit, wo das Deutoplasma nur einen geringen Theil der Mitte des Eis einnimmt, mithin zu einer Zeit, wo wir nach den heutigen Anschauungen das Ei noch nicht reif nennen dürfen. Auch E. van Beneden (13) hat beim Kaninchen nachge- wiesen, dass die corona radiata mehrere Wochen vor der Reife des Eis besteht und desshalb kann dieser Autor die Erscheinung nicht als ein Zeichen der Reife auffassen. Ueber die Funktion des Eiepithels als Bildungsstätte für die Zona habe ich schon früher, siehe S. 391, gesprochen. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 31, 26 400 W. Nagel: Nach der Zona hin sind die Eiepithelzellen zugespitzt und zackig, wodurch die ganze äussere Grenzlinie der Zona eine un- regelmässige wird (Reichert, s. bei Waldeyer(97)). Es macht den Eindruck, als ob die Zacken mittelst feiner Ausläufer in die Masse der Zona hineinragen. 2. DieZona pellueida oderChorion(v. Baer), von Gegen- baur (85) C. und W. Krause (l. e.) Oolemna pellucidum ge- nannt, hat stets eine deutliche radiäre Streifung, wie Remak dies zuerst beim Kaninchen und Quincke (s. bei Kölliker (52)) andeutungsweise beim Menschen gefunden hat. Später ist die radiäre Streifung von Pflüger, Waldeyer, Köllikeru.a. bestätigt worden. Remak hat die radiäre Streifung vermuthungs- weise mit den Porencanälen der Fisch-Eier verglichen. Pflüger (66) fasst, wie schon oben gesagt, die Zona als eine Bildung der Membrana granulosa auf und er nimmt an, dass dieselbe aus dicht- gedrängten Stäbchen besteht, welche als abgeschnürte Enden ey- lindrischer Fortsätze von Follikelepithel- (bezw. Eiepithel-) Zellen aufgefasst werden müssen. Es würde diese Auffassung Pflügers sich mit der von Waldeyer (97) gegebenen über den Bau und die Entwicklung der von ihm genannten Membrana oderZona radiata (die spätere Dotterhaut) der jüngeren Vogel-Eier gleichstellen. Auch Eimer (28) theilt diese Anschauung über den Bau der Zona bei den Reptilien. Die beiden letztgenannten Autoren vergleichen desshalb die Zona mit dem Basalraum der Cylinder- zellen des Darmkanals. G. Wagener (93) beschreibt, wie die Granulosazellen im wachsenden Follikel (beim Maulwurf) keilförmig werden und Fäden durch die Zona schicken und mittelst dieser Fäden mit dem Dotter zusammenhängen. Seit Jahren hat der Streit um die Frage, ob die radiäre Streifung der Zona pellueida der Säugethiere auf das Vorhanden- sein von Porenkanälehen hindeutet oder nicht, viel Staub aufge- wirbelt. Eine genaue Darstellung der Geschichte dieser Frage findet man bei v. Sehlen (89) und bei Lindgren (58), und ich will hiermit auf die Arbeiten dieser beiden Forscher hinweisen. Als Ergebniss seiner Untersuchungen führt v. Sehlen an, dass Porenkanälchen zu einer gewissen Zeit in der Zona der Säugethier-Eier vorhanden sind, welche gross genug sind, um bei Das menschliche Ei. 401 dem Befruchtungsvorgang die Rolle vonMicropylen den Sper- matozoen gegenüber zu übernehmen. Eine präformirte Micropyle besteht aber nach v. Sehlen nicht; eine solche entsteht vielmehr in folgender Weise: „die Zellen des Eiepithels haben Fortsätze in der Zona, die als Querstreifung zu erkennen sind; die Zellenaus- läufer werden breiter, es entsteht ein doppelt eontourirter Streifen, die Zelle wird mit ihrem Fortsatz aus der Zona hervorgezogen: das giebt durchgängige Kanäle.“ Die Ergebnisse Lindgrens (58) sind wenig zu verwerthen. Offenbar hat dieser Forscher seine Untersuchungen an etwas macerirten Eiern angestellt, als solche werden seine Objecte auch von E. van Beneden (12), Wal- deyer (99) und zum Theil G. Wagener (93) betrachtet. Die zur Untersuchung verwendeten Eierstöcke liess Lindgren vor- her — während der heissen Sommerzeit — ein paar Tage in Jod- serum oder Müller'scher Flüssigkeit liegen. Aus seinen Befunden, die immerhin als seltene Ausnahmen betrachtet werden müssen, zieht Lindgren die weitgehendsten Schlüsse über das Vorhanden- sein von Porenkanälchen und über die Ernährung des Eis (siehe S. 395). Aus diesen beiden Arbeiten geht aber hervor, dass es in Sonderheit die sogenannten ‚„Nagelzellen“, „Spundzellen“ (Pflü- ger), „Zwillingszellen“ oder „Hantelzellen“ sind, welche eine grosse Rolle in der Frage nach den Porenkanälchen spielen. Pflüger selbst fasst sie als mit der regressiven Eimetamorphose zusammen- hängend auf (66), eine Ansicht, die auch von v. Brunn (8. bei v. Sehlen) und von G. Wagener (9), der sich in Sonderheit gegen die Auffassung Lindgrens wendet, getheilt wird. Ferner giebt Wagener an, dass man das Eindringen der Granulosa- zellen meist an Eiern findet, welche keinen Keimfleck und kein Keimbläschen mehr haben und veranschaulicht die hier in Frage stehenden Verhältnisse durch vorzügliche Zeichnungen, auf die ich ganz besonders hinweisen möchte. In der allerletzten Zeit hat H. Virchow (92) eine genaue Beschreibung eines im hiesigen anatomischen Institute gefundenen Säugethier-Eis gegeben, an dessen Zona mehrere Hantelzellen ge- funden wurden. Durch die Freundlichkeit des Herrn Professor Waldeyer habe ich das Präparat gesehen, und mich über das Aussehen der Hantelzellen orientirt. In diesem Falle war keine Verbindung zwischen den Spundzellen und dem Dotter zu sehen. 402 W. Nagel: Walther Heape (The Development of the mole; the ova- rian ovum, and segmentation of the ovum. Quaterly Journ. of microscopical Seience N. S. Bd. 26. 1836) beschreibt wie vom Ei- epithel schmale Fortsätze durch die Zona gehen und schliesst dar- aus auf die Bedeutung der Eiepithelzellen für die Ernährung des Eis. — An einem frischen Eierstocksei vom Schweine habe ich einmal eine Granulosazelle wie festgekeilt in der Zona sitzen ge- sehen. Ich vermochte nicht zu entscheiden, ob diese Spundzelle einen Fortsatz durch die Zona hindurch schickte. Mit der Frage nach den Porenkanälchen ist diejenige nach einer Mieropyle eng verbunden; auch in Bezug auf die hierher gehörenden geschichtlichen Daten verweise ich auf die obenge- nannten Arbeiten. Pflüger (66) nimmt eine wahre Micropyle am Säugethier- Ei an, und sieht es als eine innere Nothwendigkeit an, dass eine solche besteht. Waldeyer, Hensen u.a. fanden keine Micropyle. E. van Beneden (10) hat einmal in der Zona eines Kuh- Eis einen trichterförmigen Kanal ‘gesehen, ohne dass er daraus einen bestimmten Schluss ziehen will. Zwillingszellen hat E. van Beneden niemals gesehen. Was nun das menschliche Ei betrifft, so bestehen hier weder Porenkanälchen noch Micropyle. Selbst wenn man auch gegen die Thatsache, dass eine solche am frischen Ei niemals zu sehen ist, einwenden will, dass man nur einen be- stimmten Theil des Eis zu Gesicht bekommt, indem das frische Ei, dem Gesetze der Schwere folgend, stets dieselbe Seite dem Beschauer zukehrt, so will ich hervorheben, dass dieser Einwand doch nicht für gehärtete Objekte gültig ist. An solchen, die ich, in Paraffin oder Celloidin eingebettet, in dünne Reihenschnitte zerlegt habe, müsste man wenigstens einmal eine Mieropyle, wenn sie da wäre, zu Gesicht bekommen. Es ist mir dies, trotz genauer Durchmusterung zahlreicher Präparate, nicht gelungen. Wenn man die radiäre Streifung auffasst wie Pflüger, Waldeyer, Eimer (und Wagener), also als auf die Ent- stehung der Zona hinweisend, und wenn man ferner, wie Wal- deyer und Eimer, die Zona mit dem Basalsaum der Cylinder- zellen des Darımkanals gleichstellt, so ist dies gewiss berechtiget und in hohem Grade wahrscheinlich. Es wäre aber auch möglich, Das menschliche Ei. 403 so glaube ich, dass die radiäre Streifung in dem Sinne mit den Porenkanälchen der Fisch-Eier zu vergleichen wäre, dass dieselbe eine Erinnerung ist an vergangene Zeiten. Mit anderen Worten, dass die radiäre Streifung der Zona an den Säugethier-Eiern auf eine zurückgelegte Periode in der Entwicklung der Ordnung Mam- malia hindeutet, wie ja auch die Kiemen-(Visceral-)Spalten und Kiemen-(Visceral-)Bögen als rudimentäre Ueberbleibsel von einer Zeitperiode angesehen werden können, wo diese Organe eine unbe- dingte Nothwendigkeit für die Existenz waren, und wie dieselben in vollentwickeltem Zustande es noch jetzt sind für die Fische und für die Amphibienlarven auf einer gewissen Stufe der Entwicklung. Anmerkung. Erwähnen will ich noch, dass Balfour (siehe auch hierüber bei E. van Beneden (12)) eine äussere granulirte und eine innere radiäre Schicht in der Zona unterscheidet wie auch Waldeyer, Remak, E. van Beneden und Reichert. Das würde also an und für sich nichts Merkwürdiges sein, wenn nicht Balfour diese beiden Schichten als ganz von einander getrennte betrachtete und hieran die Deduction schlösse, dass die äussere granulirte zuerst bestehe und ein Ueberbleibsel wäre der Membrana vitellina, welche nach Balfour am Ei vorhanden sein soll, selbst vor der Bildung eines Epithels. Die innere radiäre Schicht soll — nach Balfour — viel später gebildet werden und vom Ei abstammen. Auch Rathke (l. ce.) ist der Meinung, dass die Zona aus zwei getrennten Schichten besteht. Man kann sehr wohl zwei Schichten in der Zona unterscheiden, aber es sind diese durchaus nicht als zwei besondere Membranen anzusehen, indem die äussere granulirte durch den Uebergang der Epithelzellen in die Zona ge- bildet wird, siehe Fig. 5 Tafel XX (siehe auch S. 400). Nach dem Dotter hin ist die Grenzlinie der Zona in der Regel glatt (Waldeyer, Pflüger), manchmal fein gezackt; dies abwei- chende Verhalten kann selbst an einem und demselben Ei sich finden. 3. Der perivitelline Spaltraum (Bischoff) be- steht schon sehr früh, lange vor der Reife des Eis (vergl. auch Pflüger (66)). Es scheint als ob E. van Beneden (10 u. 13) der Meinung wäre, der perivitelline Spaltraum entstände beim Ka- ninchen erst als Reifungserscheinung, und zwar dadurch, dass der Dotter unter amoeboiden Bewegungen (wie solche auch von Stricker am Forellen-Ei beobachtet worden sind, siehe bei Waldeyer (98)) sich zurückzieht unter Ausscheidung einer durchsichtigen Flüssig- keit, welche sich dann zwischen Zona und Dotter ansammelt. Auch von anderen Autoren ist das Vorhandensein des perivitellinen Spaltraums dadurch bewiesen worden, dass sie Rotationen des Dotters — allerdings nur bei befruchteten Eiern — gesehen haben, 404 W. Nagel: so His (48) bei Aesche und Hecht, OÖ. Schultze (77) bei den Amphibien, Bischoff undLeuckart (siehe beiOellacher (64)). An allen den von mir bisher beobachteten fri- schen menschlichen Eiern besteht ein perivitelliner Spaltraum. Ganz abgesehen davon, dass man ihn stets sehen kann, kennzeichnet derselbe sich dadurch, dass die Dotterkugel immer dieselbe Seite dem Beschauer zukehrt, und zwar diejenige‘wo das Keimbläschen liegt. Dieser Umstand deutet mit Bestimmtheit auf eine Drehung der Dotterkugel innerhalb der Zona pellucida und damit auf das Vorhandensein eines perivi- tellinen Raumes hin. Dass es eine Zufälligkeit sein sollte, dass man stets dieselbe Seite des Eis sieht, ist wohl kaum anzunehmen (vergl. auch Waldeyers Erklärung dieser beständigen Lage des Keimes im Hühner-Ei (97)), und eine Drehung des ganzen Eis ist wohl aus dem Grunde auszuschliessen, weil alsdann das Eiepithel und manchmal ein gutes Stück Discus mitgedreht werden müsste. Wegen der Undurchsichtigkeit der Säugethier-Eier ist es schwer zu entscheiden, welche Seite des Eis dem Beschauer zuge- kehrt ist, und darin mag die Erklärung liegen, dass man diesen Spaltraum erst am befruchteten Ei — wenn er beim Säugethier überhaupt vor der Zeit besteht — wo die Theile leichter zu über- sehen sind, beobachtet hat. Die jüngsten frischen Eier, welche ich zu untersuchen Ge- legenheit hatte, waren, abgesehen von Primordialeiern, solche, wo die Ablagerung von Deutoplasma bereits begonnen hatte, ich nehme aber trotzdem an, mit der ganzen Bildungsweise der Zona vor Augen, dass der perivitelline Spaltraum ebenso lange besteht wie die Zona pellueida; diese Membran geht von vorneherein keine innige Verbindungmitdem Dotter ein, die dann später gelöst werden müsste; sie ist und bleibt eine von aussen gebildete Hülle des Eis. Eine besondere Dotterhaut, Membrana vitellina, wird beim Säugethiere und Menschen von Valentin, Wharton Jones, Barry, R. Wagner, C. Krause, Pflüger, Balfour, W. Heape (l. ec.) u. A. angenommen, von Bischoff, Waldeyer, E. van Beneden verneint. Nur an ganz reifen und befruchteten Eiern hält E. van Beneden (13 und 15) an einer Membrana vitellina fest, und er hat stets bei Kaninchen und Fledermäusen eine solche isoliren können, nachdem der Dotter sich zurückge- Das menschliche Ei. 405 zogen hatte. Nach E. van Beneden entsteht die Dotterhaut auf Kosten der äussersten Schicht des Vitellus. Auf keiner Entwicklungsstufe der bisher untersuchten mensch- lichen Eierstocks-Eier habe ich eine Membrana vitellina sehen können. Befruchtete Eier kamen mir nicht zur Beobachtung. Alles, was innerhalb der Zone liegt, nannte man früher Dotter, Vitellus, bis Reichert eine Grenze zog zwischen Bildungsdotter und Nahrungsdotter (Hauptdotter und Nebendotter im Sinne His). Es würde das Verständniss sehr erleichtern, wenn man die von E. van Beneden (10) einge- führten Bezeichnungen Eiprotoplasma undDeutoplasma (siehe unter vorigem Capitel) verallgemeinern würde, dann könnte man den ganzen Eiinhalt mit dem althergebrachten Sammelnamen Dotter ruhig weiter bezeichnen, wie auch E. van Beneden stets den Eiinhalt Vitellus nennt. 4. Die äussere helle Randzone des Dotters bezeichnet an älteren Eiern denjenigen Theil des Protoplasmas, welcher nicht in Deutoplasma umgebildet wird, und an jüngeren Eiern zugleich denjenigen Theil, wo noch keine Deutoplasmabildung stattfindet. Die nächstfolgende 5. breitere feingranulirte Protoplas- mazone ist derjenige Theil, wo die Deutoplasmabildung be- gonnen hat, die Dotterelemente aber noch zurücktreten dem Proto- plasma gegenüber. Nur an frischen Eiern kann man diese zwei Zonen des Protoplasmas unterscheiden; an gehärteten färbt sich mit Eosin alles gleichmässig rosa bis zur Deutoplasmazone. Im übrigen hat das Protoplasma denselben anatomischen Bau wie am Primordial-Ei (siehe S. 361). 6. Im Deutoplasma, welches stets im Centrum des Eis zuerst auftritt, kann man bei dem frischen menschlichen Eierstocks- Ei keine bestimmt geformten Elemente erkennen. Dasselbe besteht aus theils mattglänzenden theils stark lichtbreehenden Krümmel- chen gröberer und feinerer Natur; es ist aber nicht möglich eine Begrenzung der einzelnen Bestandtheile gegeneinander zu erken- nen, sowie es der Fall ist bei Säugethieren und niederen Thieren, wo man Körner und deutliche Tropfen mit grosser Leichtigkeit sieht. In den Eierstocks-Eiern von Ascaris megalocephala haben neuerdings Schneider (74) und vor allem E. van Beneden (14) in dem ganzen Vitellus ein Netzwerk von feinen Fäden gesehen, welches von dem, die Rinde des Vitellus bildenden, Protoplasma 406 W. Nagel: ausgeht. In den hierdurch entstehenden Maschenräumen sind die Deutoplasmaelemente gelagert, welche nach E. van Beneden aus „spheres hyalines“, „gouttelettes homogenes“ und „corps refringents‘‘ bestehen. Eimer (28) beschreibt ein ähnliches Protoplasmanetz im Dotter der Reptilien-Eier und Waldeyer (siehe weiter unten) nimmt einen ähnlichen Bau an sowohl für meroblastische wie holo- blastische Eier. Ueber die chemische Zusammensetzung des Deutoplasmas geben E. v. Baer (I. c.), His (47), Waldeyer (97), E. van Be- neden (10) und Hensen (Physiologie der Zeugung. Handbuch der Physiologie von Hermann. 6. Band. Leipzig 1881) theils auf eigenen Untersuchungen fussend, theils unter Anführung ver- schiedener anderer Forscher einen genauen Bericht, wesshalb ich auf die Arbeiten dieser Autoren verweisen kann. Hier mag an- geführt werden, dass man hauptsächlich darin findet: Eiweiss (Protagon His), Fett, Olein, Margarin, Cholestearin, Cerebrin, Glu- cose (Lehmann), Kalisalze, phosphorsaure Salze, Chlornatrium, Eisen und Siliein. 7. DasKeimbläschen, Purkyn&’schesBläschen, Vesi- cula germinativa, von Schwann (78) zuerst als Kern der Eizelle gedeutet, liegt stets exentrisch ausserhalb der Deutoplasma- zone und wird allmählich, indem das Deutoplasma an Menge zu- nimmt, von dem wachsenden Deutoplasma — so meine ich — nach der Peripherie geschoben. Dasselbe ist meist (an gehärteten Objeeten stets) kugelig, klar mit doppeltem Contour. Amöboide Bewegungen, wie A. Brandt (21) bei den Insekten beobachtet hat und denen er eine so grosse Bedeutung beilegt, habe ich am menschlichen Keimbläschen nicht wahrnehmen können. An gehärteten Objecten — an frischen fertigen Eiern (wohl aber an frischen Primordial-Eiern, siehe S. 362) habe ich es bis jetzt nicht sehen können — erkennt man stets ein deutliches Kern- gserüst mit Knotenpunkten an den Kreuzungsstellen der Kern- fäden; letztere stehen auch mit dem Keimfleck in Verbindung. Dies Kerngerüst ist zuerst von Flemming an den Eiern gewisser Süsswassermuscheln (Anodonta) entdeckt worden, und später von zahlreichen Forschern an Eiern anderer Thiergattungen bestätigt. Soviel ich weiss, hat bis jetzt nur Trinchese (83) dies Kerngerüst vön menschlichen Eiern beschrieben und zwar bei einem sieben- Das menschliche Ei. 407 monatlichen Fötus. Von fertigen Eierstocks-Eiern (siehe Fig. 6 Tafel XX) des Menschen scheint es bis jetzt nicht bekannt ge- wesen zu sein. Sehr bemerkenswerth sind die amoeboiden Gestaltver- änderungen des Keimflecks (Wagnerscher Fleck, Macula germinativa), welche Hr. Prof. Waldeyer mit mir an einem nahezu fertigen Ei (s. Fig. 5 Tafel XX) und ieh später noch an mehreren anderen Eiern wahrnehmen konnte. Die Gestaltverän- derungen hielten mehrere Stunden an, bei warmer Sommertem- peratur und bei Untersuchung in Follikelflüssigkeit. Die succes- siven Phasen sind sofort gezeichnet worden, s. Fig. 1—3 Tafel XXI, welche diese Erscheinung an drei verschiedenen Eiern wiedergeben. Die amöboiden Bewegungen des Kernkörperchens sind zu- erst von Auerbach an den Embryonalzellen der Museiden (siehe E. van Beneden (11)) und Balbiani (siehe bei Ranvier und Cornil: Manuel d’Histologie pathologique, und bei Waldeyer (97)) genauer beschrieben worden. Später sind dieselben auch von Th. Eimer (28) an Eiern des Welses und des Karpfen be- obachtet worden. A. Brandt, R. Wagner, Stein, Ley- dig, Claus, Landois und la Valette St. George werden bei Eimer als Autoren genannt, welche unregelmässige Formen des Keimflecks, die sie als Zeichen einer vorhandenen Contractilität auffassten, gesehen haben. An Eierstockseiern verschiedener Arten von Arachniden hat ferner Ch. van Bambeke (7) amöboide Bewegungen des Keimflecks beobachtet und zwar bei einer Zimmertemperatur von 20° Gels.; ein anderes Mal, wo die Temperatur nur 14° Cels. betrug, konnte er keine Gestaltveränderungen wahrnehmen. Auch Flemming (29) hat ganz ähnliche amöboide Gestalt- veränderungen am Keimfleck in den Eiern der Najaden (Unio und Anodonta) gesehen und dieselben als Leichen-Erscheinungen ge- deutet. Ich muss Eimer (28) beistimmen, wenn er diese Gestalt- veränderungen nicht als Leichen-Erscheinungen aufgefasst wissen will. Dagegen spricht, nach der Meinung Eimers, der stetige Wechsel der Erscheinung, ihr Entstehen und Schwinden bald an der, bald an jener Stelle; ferner der Umstand, dass auch hier die Fortsätze gleich Pseudopodien langsam ein- und ausgezogen werden. 408 W. Nagel: Als Absterbe-Erscheinung ist dagegen der Zerfall des Keim- flecks in mehrere kleinere Körperchen aufzufassen. An den meisten — jedenfalls an den in Müller’scher Flüssigkeit — gehärteten Eiern findet man im Keimbläschen mehrere kleinere Körperchen. Eigenthümlich für das fertige Ei ist, wie schon $. 391 er- wähnt, dass fast der ganze Dotter (Vitellus) aus Deutoplasma be- steht, während das Protoplasma nur eine dünne Rindenschicht bildet, welche an der Stelle, wo das Keimbläschen liegt, vielleicht etwas dicker ist (lentille eicatrieulaire E. van Benedens, cou- verele A. Müllers, vergl. auch Waldeyer (99) und Rein (69)). Dabei ist das Keimbläschen ganz bis zur Peripherie geschoben worden, sodass es der Zona pellueida dicht anliegt, von dieser nur durch den perivitellinen Spaltraum getrennt. Schon Purkyn& und E. v. Baer haben diese veränderte Lage des Keimbläschens in den reifen Eiern verschiedener Thiere (Säugethiere, Vögel u. a.) erkannt, auch das Verschwinden des- selben beobachtet und E. v. Baer (1) vermuthet einen Zusammen- hang dieser Erscheinung mit der Befruchtung. Th. Schwann (78) deutet das Schwinden des Keimbläschens zu Gunsten seiner Theorie, nämlich als bedingt durch die Eigen- schaft Zellenkern zu sein: nachdem das Keimbläschen seine Wir- kung, die Bildung der Dotterzelle, vollbracht hat, ist es von jetzt an überflüssig. Später haben O. Hertwig (43), Fol (33), Flemming (29 u. 30), E. van Beneden (14), Oellacher (64, A. Brandt (21) u. A. bei niederen Thieren, E. van Beneden (11 u. 13), Balfour (4) und G. Rein (69) bei Wirbelthieren (Säugethieren) diese Vor- gänge genau beobachtet und beschrieben. Man darf sich nun nicht vorstellen, dass das Protoplasma einfach eine dünne Schale bildet, es wird vielmehr richtig sein auch in dem fertigen (und reifen) menschlichen Ei eine ähn- liche Anordnung des Protoplasmas anzunehmen, wie Waldeyer (99 u. 101) dies sowohl an mero- wie holoblastischen Eiern nach- gewiesen hat. Nach diesem Autor gehen von der unteren, dem Dotter zugekehrten, Fläche des Keimes (= Keimbläschen + Pro- toplasma) sowie auch von der Rinde zahlreiche Protoplasmafortsätze aus, die ein zartes Maschenwerk bilden, in welches Dotterelemente eingelagert sind (vergl. auch den Befund E. van Benedens und A. Schneiders bei Ascaris megalocephala, Eimers bei den Das menschliche Eı. 409 Reptilien). Diese Fortsätze erstrecken sich ziemlich weit in den Dotter hinein und sind von Waldeyer mit dem Namen „Keim- fortsätze‘“ belegt worden. Obwohl ich bisher keine Gelegenheit gehabt habe diese Ver- hältnisse bei dem menschlichen Eierstocks - Ei zu untersuchen, zweifle ich doch nicht daran, in Anbetracht der obwaltenden sonsti- gen Analogien zwischen den Eiern der verschiedenen Thiergat- tungen, dass män hier etwas ganz ähnliches finden wird. Wenden wir uns nun zu den reifenden Eiern, so zeichnen diese sich, wie S. 397 erwähnt, dadurch aus, dass das peripher ge- lagerte Keimbläschen nach und nach undeutliche und unregelmässige Umrisse annimmt und einen Theil seines Inhaltes ausstösst. Dabei behält der Dotter dasselbe Aussehen wie an dem fertigen Ei. Um diese Zeit wird, wie ich dies früher (63) auseinander gesetzt habe, infolge einer fettigen Degeneration des Follikelepithels, das Ei aus dem Discus proligerus gelöst oder doch in seinen Verbin- dungen mit diesem gelockert, und die Luteinzellen wuchern als Vorbereitung für die Eröffnung des Follikels in einer mächtigen gelben Schicht hervor. Aus einem solchen Follikel stammt das in der Fig. 7 Taf. XXI abgebildete Ei. Anmerkung. Da eine Beschreibung der frischen Luteinzellen beim Menschen bis jetzt fehlt, will ich in aller Kürze eine diesbezügliche Unter- suchung anführen, welche ich in diesen Tageu an einem wallnussgrossen Corpus luteum verum aus dem zweiten Schwangerschaftsmonat zu machen Gelegen- heit hatte. Das Ovarium entstammte einer 24jährigen Frau, welche wegen geplatzter rechtsseitiger Tubarschwangerschaft von Herrn Prof. Gusserow mit Erfolg operirt wurde. Ein bis zwei Stunden nach beendeter Operation (23/12. 87) nahm ich die Untersuchung vor. Die Luteinzellen messen 32 bis 44—48u, sind eckig, länglich und mit feinsten (in Aether sich lösenden) Fettkügelchen gefüllt. Auf Zusatz von Essigsäure tritt der längliche Kern (64) mit einem hellleuchtenden Kernkörperchen deutlich hervor. Ausser diesen Zellen findet man noch einzelne andere von derselben Grösse, die stark mit Fetttröpfchen gefüllt sind, welche aber grösser sind, als die Fett- partikelchen in den vorher genannten Zellen und der ganzen Zelle das Aus- sehen einer Körnchenkugel verleihen. In einigen von diesen Zellen erkennt man noch einen Kern, wie es scheint, ohne Kernkörperchen. Die Kranke, von welcher das eben erwähnte in Fig. 7 Tafel XXI abgebildete Ei stammt, war 21 Jahre alt und regel- mässig menstruirt. Die Operation fand 4—5 Tage vor den zu er- wartenden Menses statt. Innerhalb einer halben Stunde nach be- 410 W. Nagel: endeter Operation konnte ich das Ei, in der üblichen Weise be- handelt und in Follikelflüssigkeit eingebettet, durch das Mikroskop betrachten. Dieses Ei maas 194 X 199 «, die Zona pellueida 141, das Keimbläschen 37 u. Man vermochte kaum eine dünne Rinden- schicht von Protoplasma zu erkennen, sonst war der ganze Vitellus in Deutoplasma umgewandelt. Das Keimbläschen lag, wie immer, dem Beschauer zugekehrt. Es war sofort auffallend, dass das Keimbläschen einen unregelmässigen, undeutlichen, etwas ver- schwommenen Umriss hatte und also ein ähnliches Aussehen dar- bot wie in der von Balfour(4) nach Fol gegebenen Abbildung des beginnenden Verschwindens des Keimbläschens. Ausserhalb des Keimbläschens, im perivitellinen Spaltraum lagen zwei kleine, stark lichtbrechende Körper. Hr. Professor Waldeyer über- zeugte sich sofort von der Richtigkeit dieses Befundes und das Ei wurde im Laufe der nächsten vier Stunden von dem im Ar- beitszimmer des Herrn Professor Waldeyer zufällig anwesen- den Zeichner Herrn Laatsch gezeichnet. Die Fig. 7 ist also eine zuverlässige und naturgetreue Wiedergabe des interessanten Befundes. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die im perivitellinen Spaltraum liegenden Körperchen als Richtungskörper (Rich- tungsbläschen (Fr. Müller), globes polaires (Robin)) ansehe. Gegen den etwaigen Einwand, dass es ein Kunstprodukt sei, will ich hervorheben, dass ich noch an zwei anderen Eiern aus demselben Ovarium die Richtungskörper sah, und diese boten eben wie das Keimbläschen ganz dasselbe Aussehen wie an dem hier abgebildeten Ei. Anmerkung. Hieraus wäre der Schluss zu ziehen, dass zur Zeit der Menses mehrere Eier sich lösen können. Die Möglichkeit, dass es sich hier um ein Kunstprodukt handeln sollte, kann ich ausschliessen; denn es wäre doch merk- würdig, dass eine etwaige Beschädigung an drei verschiedenen Eiern dieselbe Wirkung ausüben sollte. Ich glaube eine genügende Erfahrung in Bezug auf die Behandlung von frischen Eierstocks- Eiern zu haben, und ich habe diese Eier mit derselben Vorsicht behandelt, wie in der Einleitung des näheren erzählt ist und ich weiss sehr wohl, dass z. B. ein Druck auf dem Deckgläschen die Zona zum Platzen und den Dotter zum Austreten bringt. Das stimmt ja auch mit den Angaben der alten Anatomen (siehe Bi- Das menschliche Ei. 411 schoff, Valentin) überein, indem diese die Untersuchung der Eier nach Anwendung eines Compressoriums vornahmen ; bei diesem Verfahren gelang es dann in der Regel das Keimbläschen unver- sehrt zu isoliren. Es ist nicht einzusehen, wesshalb in diesem Falle ein etwaiger Druck — der übrigens nicht stattgefunden hat — auf einmal eine ganz andere Wirkung hätte ausüben sollen. Anmerkung. Wie schon in der Einleitung erwähnt, bildet Bi- schoff (17) in Fig. 6 Tafel I ein Eierstocks-Ei von einem Mädchen ab, wo mehrere rundliche Körperchen im perivitellinen Spaltraum sich befinden. Eine Erklärung von diesem Befund giebt Bischoff nicht; es ist aber mög- lich, dass dieselben als Richtungskörperchen zu deuten sind. Auf Behandlung mit 1°, Osmiumsäure und Müller’scher Flüssigkeit nahmen in allen drei Eiern die Richtungskörper die- selbe bräunliche Farbe an, wie der Rest des Keimfleckes. Dieses würde für die Annahme Reins (64), dass wenigstens das erste Richtungskörperchen — beim Meerschweinchen — direkt vom Keim- bläschen stammt, sprechen, während E. van Beneden (11) beim Kaninchen verschiedene Quellen für die Richtungskörperchen an- nimmt. E. van Beneden begründet diese seine Meinung damit, dass die Richtungskörperchen verschiedene Reaction zeigen. Anmerkung. Die Frage nach der Zahl der ausgestossenen Rich- tungskörperchen, welche bekanntlich in der ganzen Theorie der Vererbung eine hervorragende Rolle spielt (siehe die betreffende Literatur bei Wal- deyer (101)), wird durch diese meine Beobachtungen nicht berührt. Man nimmt allgemein an, dass höchstens zwei Richtungskörperchen ausgestossen werden. Dass ich an meinen Eiern 2— 4 kleinere Körperchen gefunden habe, erkläre ich mir einfach dadurch, dass dieselben nach der Ausstossung zer- bröckelt sind. Die direcete Ausstossung eines Richtungskörperchens habe ich nicht beobachtet. Die in Fig. 7 Tafel XXI abgebildeten Körperchen würden, wenn man das Aussehen des Keimbläschens mit dem grossen Rest des Keim- flecks berücksichtigt, nur dem ersten Richtungskörperchen entsprechen. Es würde ein glücklicher Zufall sein, ein menschliches Ei von einer späteren Entwicklungsstufe, als das zuletzt beschriebene, zu finden. Ein solches müsste denn, in Analogie mit den Reifungs- und Befruchtungsvorgängen bei Thieren (v. Baer, E. van Bene- den, Bischoff, Rein) in den Tuben (Wyder: Beiträge zur Lehre von der Extrauterinschwangerschaft und dem Orte des Zu- sammentreffens von Ovulum und Spermatozoen. Archiv für Gynae- eologie. Bd. XX VII. nimmt indessen an, dass die Copulation im Uterus stattfindet) gesucht werden. Auch in den hier angeführten Beobachtungen sind manche Lücken auszufüllen. Hoffentlich wird 412 W. Nagel: es mir im Laufe der kommenden Jahre noch vergönnt werden, diese Lücken nach Möglichkeit zu beseitigen. An dieser Stelle will ich noch Einiges über die Ovarien von Neugeborenen hinzufügen. Schon bei der Betrachtung mit blossem Auge ist es auffallend, wie sehr die Eierstöcke Neugeborener unter sich differiren. Ich habe in etwa einem halben Jahre fast alle todtgeborene Mädchen der geburtshülflichen Klinik daraufhin untersucht. Die Menge der untersuchten Kinder war eine nicht geringe, indem die Ab- theilung des Herrn Professor Gusserow jährlich über reichlich 2000 klinische und poliklinische Geburten verfügt, welche den ge- wöhnlichen Procentsatz von todtgeborenen Kindern liefern. Zunächst wechselt die Grösse sehr. Man findet Eierstöcke, welche eine Länge von 2cm und darüber haben, bei einer Dicke von der eines dicken Bleistifts, und wieder andere, die bedeutend kleiner sind und 1—1,5 em messen bei einem Diekendurchmesser von 3—3,5 Millim. Zwischen diesen beiden Grenzwerthen wech- selt die Grösse selbst bei einem und demselben Individuum. Die grossen Ovarien haben immer ein buckliges Aussehen, bedingt durch die in Entwicklung begriffenen Follikel, die kleineren haben die gewöhnliche kantige, rechteckige oder dreieckige Gestalt. Uebrigens ist dies Verhalten auch den alten Anatomen auf- gefallen. Wenigstens erwähnt R. de Graaf (36), dass viele Ana- tomen meinen, dass bei Neugeborenen die Ovarien grösser sind als später und er selbst spricht sogar die Meinung aus, dass die Ovarien in derselben Weise sich zurückbilden wie die Thyınus- drüse. Diese alten Angaben lassen sich dadurch erklären, dass einige Anatomen bei Neugeborenen grosse Ovarien, andere bei etwas älteren Kindern kleine Ovarien gefunden haben. Bei der in der damaligen Zeit gewiss spärlichen Anzahl von Seetionen haben die scharf beobachtenden Bahnbrecher der Anatomie in dieser gewiss naheliegenden Erklärung ihre verschiedenen Befunde ausgeglichen. Gemeinschaftlich für alle Eierstöcke Neugeborener ist die feingranulirte Oberfläche. Die Eibildung ist bei den Neugeborenen beendet. Man findet wohl hier und dort, in einzelnen Ovarien sogar sehr zahlreiche, Das menschliche Ei. 413 Valentin-Pflüger’sche Schläuche, die ich in den betreffenden Capiteln dieser Arbeit schon besprochen habe (siehe Fig. 4). Eine. ausführliche Beschreibung von dem Bau der Ovarien zu geben, halte ich für überflüssig; ich würde nur die trefflichen Schilderungen von His (46), Kölliker (53), Waldeyer (97), Meyer (62), Foulis (34) u. a. wiederholen müssen. Hervorheben möchte ich aber zwei Punkte: 1. Man findet in sehr vielen Eierstöcken von Neugeborenen — in den grossen stets — ausser den gewöhnlichen Primordial- follikeln auch G raaf sche Follikel, mitunter in zahlreicher Menge und von der Grösse einer Erbse, welche genau dieselbe Entwick- lung zeigen wie bei Erwachsenen. Es glückte mir auch in diesen Follikeln immer an gehärteten und nach Paraffin-Einbettung in Reihenschnitten zerlegten Präparaten die normalen und wohler- haltenen Eier zu finden. Siehe Fig. 3 Tafel XX. Schon um diese Zeit findet man Eier auf den verschiedensten Stufen der ‘ Entwicklung: das Keimbläschen hat ein deutliches Kerngerüst (vergl. auch Trinchese (88)). Die Bildung von Deutoplasma fängt im Centrum des Eis an, das Keimbläschen rückt gleichzeitig damit an die Peripherie; die Bildung der Zona pellueida, das Er- scheinen der Corona radiata vollzieht sich in derselben Weise wie beim Erwachsenen. Follikelepithel, Diseus proligerus und der Li- quor follieuli verhalten sich ganz wie bei vollentwickelten Fol- likeln Erwachsener. Alle diese Verhältnisse, sowie die grossen Nährzellen und die Epitbelvacuolen haben schon unter den be- treffenden Capiteln ihre ausführliche Besprechung gefunden, und ich verweise hiermit auf diese. Vallisnerus (103, S. 313) ist vielleicht der erste gewesen, welcher die Graaf schen Bläschen bei so jungen Individuen, selbst bei Embryonen gesehen hat. Dann bestätigte Carus (25) diesen Befund und beobachtete ferner, dass bei Kindern von 1!/, Jahren an die Graaf’schen Follikel wachsen und reifen wie z. Z. der Pubertät. Bischoff (16) hat bei neugeborenen Mädchen Graaf- sche Bläschen (und Eier?) schon ziemlich weit, selbst so, dass sie sogleich äusserlich wahrgenommen wurden, entwickelt gefunden. Grohe (38) sah in den Ovarien von 2—3 Jahre alten Kindern in der Entwicklung sich befindende Follikel und betrachtete dies als eine „Excessbildung“. 414 W. Nagel: Später haben Kölliker (53), Waldeyer (97) und Slav- jansky (82 und 83) entwicklungsfähige Graaf’sche Follikel bei Neugeborenen und bei Kindern in den ersten Lebensjahren ge- funden. Der leztgenannte Autor glaubt nicht, dass die Follikel der kleinen Kinder nach aussen sich öffnen, sie thun dies, meint er, überhaupt nicht vor dem Erscheinen der Menses. — Hiermit steht eine neulich von mir gemachte Beobachtung nicht im Ein- klange. An zwei von demselben Neugeborenen herrührenden fri- schen Eierstöcken sah ich nämlich 3— 4 linsen- bis erbsengrosse, vorspringende Follikel, deren freie Wände so verdünnt waren, dass die Follikelflüssigkeit überall durchschimmerte und verlieh den Follikeln das bekannte Aussehen berstungsfähiger Follikel bei Erwachsenen. Aus einem von diesen Follikeln entnahm ich im frischen Zustande das Eichen und brachte es in der gewohnten Weise in Follikelflüssigkeit eingebettet unter das Mikroskop. Das- selbe maas 99 und 109u und war mit einer deutlichen, 6u messen- den Zona pellucida, an welcher ich eine Radiärstreifung nicht mit Bestimmtheit zu erkennen vermochte, versehen. Der Dotter war ganz in Deutoplasma umgebildet und das Keimbläschen konnte ich nicht entdecken. Möglicherweise dass dasselbe bereits ver- schwunden war. Im perivitellinen Spaltraum lag ein rundliches Körperchen, vielleicht war es ein Richtungskörper. In Ueberein- stimmung mit dem Befunde am Ei zeigte das Follikelepithel und die Discuszellen weit vorgeschrittene fettige Entartung. Ich meine, dass diese Thatsachen für eine Eröffnung des Follikels nach aus- sen, ganz in Analogie mit dem Vorgang bei Erwachsenen, hin- deuten könnten. Damit will ich aber durchaus nicht gesagt haben, dass ein solches Ei befruchtungsfähig wäre Der Umstand, dass das eben geschilderte Ei nur ca. halb so gross ist wie das des Erwachsenen, spricht schon gegen eine solche Annahme. Schröder (75) fasst die hier in Rede stehenden Erschei- nungen als beginnende Cystenbildung auf und wendet sich in Sonderheit gegen Slavjansky. (In der achten und neunten Auf- lage des Schröder’schen Lehrbuches ist die hierauf bezügliche Anmerkung weggelassen, jedoch ist es aus dem Text nicht ersicht- lich, ob damit die Auffassung von der Cystenbildung in den Eier- stöcken Neugeborener aufgegeben ist).) Kürzlich (Centralblatt für Gynaeeologie Nr. 31, 1887) ist auch Carl Ruge für die Existenz einer Cystenbildung in den Ovarien Neugeborener eingetreten. Das menschliche Ei. 415 Ich habe bisher keine Cysten gefunden. Wenn man dagegen einen von normalen Graaf’schen Follikeln durchsetzten Eierstock eines Neugeborenen, ohne ihn vorher in Paraffın oder Celloidin einzubetten, zerschneidet, dann fallen Eier und Follikel- epithel heraus und die Höhlen können alsdann Cysten vortäuschen. Anmerkung. Zwei Eier in einem Follikel — Grohe (38) hat drei Eier in einem Follikel eines ®/,jährigen Kindes gesehen — habe ich nur ein- mal und zwar bei einem Neugeborenen gesehen. Jedes Ei hatte seinen eigenen Discus (Kölliker (52) hat einmal beim erwachsenen Menschen zwei Eier mit einem gemeinschaftlichen Discus gesehen), dieselben lagen an fast diametral entgegengesetzten Stellen des Follikels. Vielleicht würde ein solcher Follikel eine Zwillingsbildung mit getrenntem Chorion begünstigen können. Da aber, siehe oben Seite 410, zur Zeit der Menses mehrere Follikel sich eröffnen können, ist das Vorhandensein von zwei Eiern in einem Follikel keine Vor- bedingung für die Zwillingsbildung und hat also weiter keine Bedeutung. Bei Thieren beobachtet man häufig (E. van Beneden, Schrön, Waldeyer u. a.) mehrere, bis zu sechs (G. Wagener) Eier in einem Follikel. Erwähnenswerth ist eine Angabe Kölliker’s (52), dass er einmal bei einem 7 monatlichen Mädchen in einem ausgebildeten Ei mit einer wohlent- wickelten Zone zwei Keimbläschen sah. 2. Im Hilus der von mir untersuchten Eierstöcke von Neu- geborenen habe ich bisher ausser dem Epoophoron keine Mark- stränge gesehen. Wenn Rouget (71) sagt: „depuis plus de dix ans, je montre dans mes cours des ‘coupes d’ovaire de chiennes et chattes nouveau-nees, d’embryons de pore, de foetus humains, qui prouvent que la region medullaire est, comme la region corti- eale, formde de cordons ramifies et anastomoses“, — dann wird dieser Befund jedenfalls, was die menschlichen Foeten betrifft, eine seltene Ausnahme gewesen sein und berechtigt nicht zu irgend einer Schlussfolgerung, Auch darf man nicht die Ovarien von Hunden und Katzen ohne weiteres mit Schweinsovarien verglei- chen, in Sonderheit nicht, seitdem Harz (39) nachgewiesen hat, dass man in Schweinsovarien niemals Markstränge findet. Ueber die Markstränge vergl. auch Waldeyer (97), E. van Beneden (12), Kölliker (53) und Mac Leod (60). Bei Erwachsenen habe ich verhältnissmässig häufig Parovarial- sehläuche im Hilus gefunden; ich zweifle desshalb nicht daran, dass diese Gebilde, welche aber von den Marksträngen zu trennen sind, schon bei den Neugeborenen bestehen, wenn auch gerade in den von mir untersuchten Eierstöcken keine sich fanden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bad. 31. 27 416 W. Nagel: Irgend eine Bedeutung für die Follikelbildung (Kölliker) haben, wie im ersten Kapitel dieser Arbeit nachgewiesen, die Mark- stränge nicht. Anfang August 1887 hatte ich Gelegenheit Eierstocks-Eier von einer im hiesigen zoologischen Garten verstorbenen Aeffin (Macacus eynomolgus) einige Stunden nach dem Tode zu unter- suchen. Da es einiges Interesse beanspruchen dürfte, diese dem menschlichen am meisten ähnelnden Eier kennen zu lernen, habe ich ein solches im fertigen Zustande abbilden lassen. Siehe Fig. 12 Tafel XXI. Das Keimbläschen liegt an der Peripherie; da man aber direkt auf dasselbe sieht, hat es auf der Zeichnung den Anschein, als läge es in der Mitte der Eikugel; dasselbe ist rund und hat einen doppelten Contour. Der Keimfleck ist rundlich, um den Keimfleck liegen mehrere Krümelchen, anscheinend von derselben Beschaffenheit in Bezug auf Farbe und Liehtbrechungsvermögen wie der Keimfleck. So war der Befund bei der ersten Beobachtung; als es später ge- zeichnet wurde, hatten diese Krümelchen die Lage und das Aus- sehen angenommen wie auf der Zeichnung (Fig. 12) wiedergegeben. Der ganze Dotter ist mit grobkörnigem mattglänzendem Deutoplasma, demjenigen des menschlichen Eis ähnlich, gefüllt, jedoch erkennt man eine hellere homogene Aussenzone von Ei- protoplasma. Die Grenze des Dotters (Vitellus) ist überall scharf, zwischen Dotter und Zona sieht man einen schmalen Spaltraum. Die Zona pellueida ist radiär gestreift. — Das Eiepithel ver- hält sich wie beim Menschen und Säugethieren. Es liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit, auf die Ana- tomie des Affenovariums näher einzugehen, ich will aber erwäh- nen, dass dies das einzige Ovarium ist von allen den von mir untersuchten Thiergattungen, in welchem ich Züge glatter Muskel- fasern bis in das Stromagewebe, ja bis an die Follikelwandungen heran habe verfolgen können, Ich kann diese Arbeit nicht abschliessen, ohne Hrn. Geheimen Medicinalrath Professor Dr. Waldeyer für die freundliche Unter- stützung, die er mir während der Arbeit stets zu Theil werden liess, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. — Das menschliche Ei. 417 Literatur. 1. Ernstv.Baer, De ovi mammalium et hominis genesi. Leipzig 1827. 2. Derselbe, Commentar hierzu in Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. Bd. II. Eisenach 1828. 3. Balbiani, E. G., Sur l’origine des cellules du follicule et du noyau vitellin de l’oeuf chez les geöphiles. Zoolog. Anzeiger 1883. Nr. 155 u. 156. 4. Balfour, On the Phenomena accompanying the Maturation and Impregnation of the ovum. — Quaterly Journal of Mieroseopical Science. 1878. 5. Derselbe, On the Structure and the developement of the verte- brate Ovary. Ibidem. 6. van Bambeke, Charles, Contributions A l’histoire de la consti- tution de l’oeuf. Archives de Biologie. 1834. 7. Derselbe, Gontribution pour servir ä l’histoire de la vesicule ger- minative. Bulletins de ’Academie Royale de Belgique. 3. Serie. Nr.1. 1886. 8. Barry, Researches on Embryologie. First Series. Philosoph. Transact. 1838. 9. Benckiser, Alfons, Zur Entwicklungsgeschichte des Corpus lu- teum. Archiv für Gynäcologie. Bd. XXI. 10. van Beneden, Edouard, Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. Me&moires couronnses et M&m. des savants &trang., publiees par l’Academie Royale de Belgique. Collection in 4%. Tome XXXIV. Bruxelles 1870. 11. 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Wielowiejski, H., Zur Kenntniss der Eibildung bei der Feuerwanze. Zoolog. Anzeiger. Nr. 198. 1885. 103. Vallisnerus, Antonius, Historie von der Erzeugung des Men- schen und der Thiere; deutsch von Berger. Lemgo 1739. Siehe ausserdem die im Text angeführte Literatur. Die Abhandlung von J. Janösik: Zur Histologie des Ovariums (XCVI1. Bd. der Sitzb. d. Kais. Akad. d. Wissensch. III. Abthl. 1887) konnte nicht berücksichtiget werden, weil diese Arbeit sich bereits unter der Presse befand. Erklärung der Abbildungen. Tafel XX, Fig. 1. Ei aus dem Eierstocksfollikel eines Neugeborenen mit Eiepithel, Zona pellucida, perivitellinem Spaltraum und Deutoplasmazone. Paraffın. Leitz 8. Ocul. I. Das Keimbläschen des eben erwähnten Eis mit Kernkörperchen und 9) "Fig. Kerngerüst; dasselbe liegt ausserhalb der Deutoplasmazone und wurde hier nicht mit demselben Schnitt wie diese getroffen. Fig. 3. Durchschnitt eines Eierstocksfollikels eines Neugeborenen. Paraffın. Leitz 3. -Ocul..I. Fig. 4. Durchschnitt eines Eierstocks von einem Neugeborenen mit Primär- follikeln und einem Valentin-Pflüger’schen Schlauch. Dieser geht von der tiefsten Stelle einer Furche der Oberfläche aus; man sieht das die eine Wand der Furche bekleidende Keimepithel. Unter der Oberfläche des Eierstocks erkennt man die Anlage der Albuginea. Paraffin. Leitz 6. Ocul. I. Fig. 5. Ein frisches Ei aus einem Eierstocksfollikel von einer 30 jährigen Frau. Die Seite des Vitellus, wo das Keimbläschen liegt, ist dem Beschauer zugekehrt; man sieht also von oben direkt auf das Keim- bläschen, dasselbe liegt auf dem Deutoplasma. Dass die Zona hellere und dunklere Partien zeigt, rührt wohl von dem Reflex der über und unter dem im Focus eingestellten Theil liegenden Ei-Epitelzellen her. Seibert V. Ocul. I und Hartnack 8. Ocul. I. Fig. 6. Fertiges Ei aus einem Eierstocksfollikel von einem 16 jährigen Mäd- chen. Das ganze Ei ist mit einem Schnitt getroffen. Celloidin. Leitz 8. Ocul. I. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Das menschliche Ei. 423 Tafel XXI. 1—3. Amöboide Gestaltveränderungen des Keimflecks von drei verschie- 4. 10: denen Eiern. Aus dem Eierstock eines Neugeborenen: Pflüger’scher Schlauch in Verbindung mit dem Keimepithel. (Das Ovarialgewebe ist nicht mit gezeichnet.) Paraffın. Leitz 6. Oecul. I. Primordial-Ei mit zwei Keimbläschen und Follikelepithel aus dem Eierstock eines Neugeborenen. Flemming’sche Lösung. Paraffın. Leitz 8. Ocul. I. Primordial-Ei mit zwei Keimbläschen und Follikelepithel aus dem Eierstock eines 6monatlichen Fötus. Müller’sche Flüssigkeit. Cel- loidin. Leitz 8. Ocul. I. Reifendes Ei aus dem Eierstocksfollikel einer 21jährigen Frau (frisch). Im perivitellinen Spaltraum sieht man zwei Körperchen (das zerbröckelte erste Richtungskörperchen). Aus dem vorhin er- wähnten Grunde sieht man direkt auf das Keimbläschen, dasselbe liegt auf dem Deutoplasma und unmittelbar an dem perivitellinen Spaltraum. Das Eiepithel ist nur skizzirt. Leitz 6. Ocul. 1. Wachsender Follikel aus dem Eierstock eines Neugeborenen mit Ei und Nährzellen. Flemming’sche Lösung. Paraffın. Leitz 8. Ocul. 1. Wachsender Follikel aus dem Eierstock einer 31jährigen Frau mit dem Ei und der ersten Anlage der Zona pellucida. Müller’sche Flüssigkeit. Celloidin. Leitz 8. Oecul. I. Deutoplasmabildendes Ei aus dem Eierstockfollikel einer 27 jährigen Frau. Paraffın. Zeiss DD. Ocul. II. Auf dem vorhergehenden — nicht gezeichneten — Schnitt befindet sich die oberste Kuppe des Keimbläschens mit einem deutlichen Kerngerüst. Auf dem hier abgebildeten Präparat sieht man nur das unterste, dem Deutoplasma zum Theil unmittelbar anliegende, Segment des Keimbläschens. . Ei aus einem Eierstocksfollikel eines Neugeborenen. Das ganze Ei ist mit einem Schnitte getroffen. Paraffın. Leitz 8. Ocul. 1. Fertiges Ei aus dem Eierstocksfollikel einer Aeffin; nicht gehärtet. Leitz 8. Ocul. I. . Kerntheilungsfigur aus einem wachsenden Follikel eines Neugeborenen. . Kerntheilungsfigur aus einem wachsenden Follikel eines erwachsenen Weibes. Die Zeichnungen verdanke ich den Herren H. Laatsch und Emil Eyrich. 424 V. v. Ebner: Nachtrag „zur Spermatogenese bei den Säugethieren‘“. (S. 236.) Von Prof. V. v. Ebner in Graz. Durch eine freundliche Zusendung von Prof. E. Sertoli in Mailand wurde ich erst jetzt auf eine Mittheilung dieses Autors über die Karyokinese bei der Spermatogenese der Säugethiere auf- merksam gemacht, welche im Jahre 1885 erschienen ist, und wie es scheint, nicht von mir allein übersehen wurde. Es dürfte daher von Interesse sein auf den Inhalt der Schrift Sertoli’s!), welche in Form einer vorläufigen Mittheilung gehalten ist, an dieser Stelle kurz hinzuweisen. Sertoli untersuchte vorzüglich an Präparaten des Ratten- hodens, welche mit Flemming’s Gemisch gehärtet und mit Sa- franin gefärbt waren, das Vorkommen der indirekten Theilungen an den Zellen der Samenkanälehen. Zunächst wird betont, dass die Zellen sich auf dem Wege der Karyokinese vermehren, dass jedoch an den Kernen der ästigen Zellen (Sertoli’schen Zellen) niemals ein Theilungsphänomen beobachtet werden kann. Theilungen kommen nur an den beweglichen Zellen in ganz bestimmten Entwieklungsstadien vor und zwar an den eellule ger- minative (Zellen der Wandschieht) zur Zeit der Ausreifung der Spermatozoiden und an den cellule seminifere des dritten Stadiums (Henle’sche Zellen) zur Zeit, wo die Köpfe der vorhergehenden Samenfadengeneration eben ihre definitive Form bekommen. Diese Angaben finden eine vollkommene Bestätigung durch meine Be- funde. Dass eine zweimalige Theilung der Henle’schen Zellen rasch nach einander stattfindet, was ich aus der ungleichen Grösse der Mitosen mit Bestimmtheit zu entnehmen glaube, scheint Ser- toli nicht bemerkt zu haben, da er sich hierüber nicht äussert. 1) Rendiconti del R. Istituto Lombardo, ser. II. vol. XVII. fasc. XVI und Arch. italiennes de Biologie. T. VII. fase. II. p. 369. (Französische Uebersetzung.) Nachtrag zur Spermatogenese bei den Säugethieren. 425 Die Längenausdehnung, auf welcher Theilungen der Henle’schen Zellen vorkommen, wird von Sertoli mit 0,27 mm angegeben. Ich habe als Grenzwerthe 0,13—0,40 mm gefunden. Die von Ser- toli angegebene Länge entspricht also nahezu dem Mittel meiner Grenzwerthe (0,29 mm). Bezüglich der Zellen der Wandschicht macht Sertoli die Angabe, dass auf ein Quadrat von 0,057 mm Seite,-vor der Theilung eirca S—10, nach der Theilung aber 18 bis 20 Zellen kommen. Diess scheint mir noch bestimmter, als meine Angaben dafür zu sprechen, dass die aus der Theilung der Zellen der Wandschicht hervorgangenen Elemente sich zunächst nur zur Hälfte in Henle’sche Zellen ete. umwandeln, während sie zur anderen Hälfte als Keime für spätere Spermatozoidengenera- tionen in der Wandschicht zurückbleiben. Sehr bemerkenswerth ist die Beobachtung Sertoli’s, dass die Nematoblasten (Samenzellen) zunächst Kerne besitzen, welche bei Safranintinktion völlig ungefärbt bleiben. Erst allmählich, mit der Umbildung des Kernes zum Samenfadenkopf, nimmt die Tink- tionsfähigkeit zu, bis endlich die reifen Samenfadenköpfe sich in- tensiv in Safranin färben. Flemming!) hat jüngst eine analoge Beobachtung an den Samenzellen .und Spermatozoiden von Sala- mandra gemacht und hebt hervor, dass die reifen Samenfadenköpfe eine gesättigt braunrothe bis dunkelbraune, die jungen aber eine intensiv lichtrothe Safraninfarbe annehmen. Ich selbst habe eben- falls (S. 274) darauf hingewiesen, dass ‘die Tinktionsfähigkeit der Samenfadenköpfe der Ratte mit der Ausreifung derselben zu- nimmt. Leider wissen wir über den Chemismus der Tinktion sehr wenig; immerhin scheint aber, wie Flemming annimmt, aus diesem verschiedenen Verhalten junger und reifer Samenfäden gegen Kerntinktionsmittel hervorzugehen, dass das Chromatin im Laufe der Samenentwicklung eine Veränderung erfährt. Es sind solche Thatsachen nicht unwichtig bei Spekulationen über die Natur des Keimplasmas, worauf übrigens hier nicht weiter einge- gangen werden soll. Ich ergreife die Gelegenheit um schliesslich noch einen sinn- störenden Druckfehler in meiner Abhandlung auf Seite 280, Zeile 9 von oben zu berichtigen, wo es „unabhängig“ statt „abhängig“ heissen soll. 1) 1. Heft dieses Bds. S. 85. 426 Dr. J. Schottländer: Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothel der entzündeten Hornhaut. Experimentelle Untersuchungen aus dem pathologischen Institut zu Heidelberg. Von Dr. J. Schottländer. Hierzu Tafel XXII und 6 Holzschnitte. Die zahlreichsten und innigsten Berührungspunkte für die ein- zelnen Zweige naturwissenschaftlicher Forschung finden sich un- zweifelhaft in dem Gebiete vereinigt, welches sich eingehend mit der Erkenntniss der Lebenseigenschaften des Elementarorganismus, der Zelle beschäftigt. Vor Allem ist es die Frage nach der Art ihrer Fortpflanzung, welche noch heute, gleichwie in den dreissiger und vierziger Jahren, seit den Publikationen v. Mohl’s und Re- mak’s, in dem Brennpunkt des allgemeinen Interesses steht. — Und doch —, welche Wardlungen hat im Verlaufe der Zeit unsere Auffassung dieses Vorgangs erfahren! Die ursprünglich allein gil- tige, mit wenig Worten erschöpfte Darstellung der direkten Kern- theilung istjergänzt, ja sogar nach anderer Ansicht ersetzt durch eine reichhaltige complieirte Lehre, die mit den wichtigen Ent- deekungen Schneider’s, Bütschli’s, Strasburger’s u. A. be- ginnend und durch die unermüdliche Arbeitskraft, den bewunderns- werthen Fleiss derselben und neuerer Forscher gefördert, in fort- schreitender Entwicklung, ganz besonders auch durch Flemming, eine bedeutsame, früher ungeahnte Höhe der Ausbildung erlangt hat. In ansprechendem Vortrage !) sind neuerdings von Waldeyer mit Rücksicht auf ihren allmählichen Ausbau die jetzt verbreiteten Grundanschauungen über die Karyokinese zusammengefasst worden. 1) Waldeyer, Ueber Karyokinese. Arch. f. Anatomie u. Physiologie. Jahrg. 87. Heft 1. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge ı. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 497 Es liegt auf der Hand, dass schon verhältnissmässig früh nach Entdeckung der indirekten Kerntheilung diesbezügliche Unter- suchungen sich auch auf den krankhaft veränderten thierischen Or- ganismus erstrecken mussten. Schon a priori war unter diesen Bedingungen, vor Allem in entzündeten Geweben und Gesehwülsten, gegenüber der Norm ein ungleich schnellerer und energischerer Ab- lauf, wie der regressiven, so auch der progressiven Metamorphosen zu erwarten. Es zeigte sich hier gewissermassen von vornherein eine in ihrer Art neue weite Bahn für Forschungen in diesem Sinne geöffnet. Dass die Erwartungen, welehe man an das Be- treten derselben knüpfte, durchaus berechtigte waren, bewiesen schon vor-geraumer Zeit die Befunde Eberth’s und Mayzel’s bei: dem Studium der entzündeten Hornhaut, die Resultate A r- nold’s die Gesehwülste betreffend, welche Autoren als die ersten über Kerntheilung unter pathologischen Bedingungen Mittheilung machten. Das Gleiche wird bestätigt durch die inzwischen schon zu einer ganz stattlichen Höhe herangewachsene Litteratur über diesen Gegenstand, von der ich, soweit sie seit 1884 erschienen und zu meiner Kenntniss gelangt ist, im Anhang ein kleines Ver- zeichniss gebe; in Betreff der früheren Daten verweise ich auf die im Anschluss an seine Arbeit: „Weitere Beobachtungen über den Theilungsvorgang an den Knochenmarkzellen und weissen Blut- körpern“ von Arnold!) gemachten Angaben. Unwillkürlich wird sich, glaube ich, Jedem, der heutzutage speciell in dem angedeuteten Sinne arbeitet, vielleicht gerade bei der Verfolgung einiger noch strittiger Einzelheiten, die Frage auf- drängen: verhalten sich die beobachteten Kernfiguren genau ebenso, wie unter normalen Verhältnissen, oder existiren Abweichungen ? wenn dem so, worin bestehen sie? Mit anderen Worten: Sind wir in unseren Anschauungen über Kern- und Zelltheilung schon der- artig vorgeschritten, dass wir unverändert stets wiederkehrende Formen für die gesammte organische Welt als bindend erachten, jede Abweichung davon ohne Unterschied in das Gebiet der Aus- nahmen verweisen dürfen. Mögen solche immerhin, besonders unter pathologischen Verhältnissen, wie ich noch zu zeigen haben werde, wohl charakterisirt und reichlich vorkommen, so weisen anderer- seits sich stets mehrende Berichte darauf hin, dass man vorläufig, 1) Anhang Nr. 2. 498 Dr. J. Schottländer: vielleicht überhaupt nicht, durch die Aufstellung einer typischen und atypischen Kerntheilung allen in dieser Hinsicht beobachteten Vorgängen gerecht werden kann, obgleich mannigfache darauf bin- zielende Bestrebungen zu verzeichnen sind; es scheinen vielmehr auf normalem wie auf pathologischem Gebiete Fortpflanzungsweisen vorzukommen, welche mehr sind, als nur Atypien, mehr sind, als Ausnahmen von der Regel. Das gilt nicht allein von der viel miss- deuteten, jetzt aber wohl allgemein anerkannten mehrfachen Kern- theilung, sondern auch von der indrrekten Fragmentirung Arnold’s. Bei ersterer, welche im Folgenden besondere Beachtung finden soll, ist über die Häufigkeit des Auftretens, den Ablauf der &in- zelnen Phasen, die Deutung vieler dabei sich zeigender Bilder noch relativ wenig bekannt. In Betreff letzterer, deren Wesen uns durch die verschiedenen Arbeiten Arnold’s!) und Anderer), auf die ich kurz verweise, erläutert wird — man vergleiche aueh Loewit?) und Denys*) — ist ebenso wie bei den übrigen oben angeführten Fällen ein endgiltiges Urtheil bisher nicht möglich. Unter Berücksichtigung der sog. typischen Karyokinese Be- obachtungen mitzutheilen, welche uns diesem Ziele vielleicht einen Schritt näher bringen, soll der Hauptzweck dieser Arbeit sein. Einige sich nebenbei ergebende Gesichtspunkte erwähne ich später. Um eventuelle Inecongruenzen zwischen Anführung und Verarbeitung der einschlägigen Litteratur, die, allerdings nur soweit sie sich auf atypische und mehrfache Kerntheilung bezieht, im Folgenden eine Stelle finden mag, zu entschuldigen, möchte ich nicht unterlassen 1) Arnold, Beiträge zur Anatomie des miliaren Tuberkels. Virch. Arch. Bd. 83. 87. 88. Derselbe, Beobachtungen über Kerne u. Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. Virch. Arch. Bd. 9. Derselbe, Ueber Kern- u. Zelltheilung bei acuter Hyperplasie der Lymphdrüsen u. Milz. Virch. Arch. Bd. 9. Derselbe, Anhang Nr. 2—5. 2) Werner, Ueber Theilungsvorgänge in den Riesenzellen des Knochen- marks. Virch. Arch. Bd. 106. 3) Loewit, Ueber Neubildung und Zerfall von Blutkörperchen. Sit- zungsbericht der k. Akademie der Wissenschaften. Bd 92. Abth. III. Wien 1885. 4) Denys, La cytodierese des cellules geantes et des petites cellules incolores de la mo&lle des os. Extrait de la r&evue „la cellule“. Louvain 1886. U eb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 429 darauf hinzuweisen, dass zwischen der Beendigung der experimen- tellen Vorarbeiten und der vorliegenden Veröffentlichung ein Zeit- raum von etwas über einem Jahre liegt; äussere Umstände haben mich genöthigt denselben verstreichen zu lassen. Die Angaben über ausgesprochen atypische Kerntheilung be- ziehen sich fast ausschliesslich auf nicht pathologisches Gebiet. Pe- remeschko beobachtete einmal, wie Flemming!) mittheilt, im lebenden Epithel der Tritonlarve eine Sternfigur, bestehend aus einer compakten Mittelmasse und dünnen spitzen Strahlen, die deutlich amöboide Bewegung zeigte. Rabl?) gibt an, in einer Nieren-Epithelzelle von Proteus zwei ungleich grosse Tochtersterne gesehen zu haben, von denen der eine etwa die Hälfte des anderen maass; er vermuthet, dass vielleicht ursprünglich drei Pole vorhanden waren, von denen zwei sich miteinander verbanden. Derselbe Forscher nahm weiterhin mehrere Male zwischen zwei sonst gesunden Tochterkernen in der Mitte ein von einem hellen Hofe umgebenes zurückgebliebenes Faden- stüek wahr; endlich bei zwei Tochterzellen, neben dem einen der schon zur Ruhe übergegangenen Tochterkerne einen ausser aller Verbindung stehenden, auch von einem hellen Hof umgebenen Nebenkern, den er sich durch Abschnürung aus einem der Tochter- kerne entstanden denkt. — Zahlreichere Abweichungen von der typischen Mitose konnte Flemming?) bei seinen neuesten Unter- suchungen über Vermehrung der Spermatocyten von Salamandra constatiren. Er stellt in Zusammenfassung seiner Befunde eine heterotypische einer homöotypischen Mitose gegenüber. Wäh- rend letztere sich im Frühlmg bei den frühesten Zelltheilungs- schüben fand, trat letztere, die sehr bedeutend von dem bisher Be- kannten abweicht, bei der massenhaften Theilung der grossen Zellen im Sommer auf. Abgesehen von der bald längeren, bald kürzeren Dauer einiger Phasen und der eigenthümlichen Gestalt einiger Figuren (ausgesprochene Tonnenform im Endstadium der Metakinese), ist vor Allem die während des Dyasters beobachtete, dem Verfasser selbst vorläufig unverständliche zweite Längsspal- 1) Flemming, Zellsubstanz, Kern- u. Zelltheilung. S. 269. 2) Rabl, Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb: 10. Bd. 1884. 3) Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 29. 3 Heft. 1887. 430 4 Dr. J. Schottländer: tung der Fäden und die Zahldifferenz der Segmente (12 statt wie meist 24) bei der heterotypischen Mitose von Bedeutung. Wich- tiger für uns sind die in einem besonderen Capitel „abnorme Mi- tosen“ besprochenen Figuren, die mit so kurzen Segmenten aus- gestattet waren, dass jeder Schleifenschenkel annähernd so dick wie lang erschien. Des Weiteren werden hier der mehrfachen Kerntheilung zugehörige Berichte angereiht. Ueber mehrfache Kern- und Zelltheilung existirt bereits eine etwas umfangreichere Litteratur. Aus dem Pflanzenreiche stammen die ersten diesbezüglichen Angaben von Hegelmaier!); da die- selben indessen eine andere Deutung nicht ausschlossen, so gebührt Strasburger?) und Soltwedel?°) das Verdienst, den positiven Nachweis erbracht zu haben, dass mehrpolige Figuren im Pflanzen- reiche vorkommen. Im ersteren Fall handelt es sich um eine Dreithei- lung im Stadium der sogenannten Kernplatte bei Leucoium aestivum. Was die speeciell thierischen Objekte angeht, so fand Flem- ming*) im Epithel der Salamanderlarve nicht eine einzige; Ra b1°) nur einmal in einem Hämatoblasten der Proteusmilz drei Tochter- sterne, die ihre concave Seite einer gemeinsamen Mitte zukehrten — vielleicht war hier, meint der Verfasser, der vierte Tochterstern weggeschnitten und es handelte sich um eine zweikernige Zelle, deren Kerne sich ohne nachfolgende Theilung des Zellleibs in zwei Theile gespalten hatten. — Mayzelsah, wie er in seiner polnisch verfassten Festschrift für Professor Hoyer, die mir nur im Referat zugänglich war, berichtet, in einer Bindegewebszelle der lebenden Axolotllarve eine Viertheilung sich vor seinen Augen vollziehen, derart, dass aus der einen Zelle drei kleine zusammenhängende Zellen mit kleinen Kernen und eine grosse Zelle mit grossem Kerne entstanden. Flemming?) glaubt nach seinen neuesten Beobach- tungen in verschiedenen Bildern ‚eine Uebergangsreihe vor sich zu haben, in der sich die Abartung einer normal bipolaren Spindel zu einer abnorm tripolaren darstellt.“ Statt der Segmente grup- piren sich Kügelchen, die aus ersteren entstanden und bei denen eine Dislocation der Schwesterhälften nicht stattfindet, an den 1) Botan. Zeitung 1880. 2) Strasburger, Zellbildung u. Zelltheilung. 1880. 3) Soltwedel, Freie Zellbildung im Embryosack der Angiosspermen. 4) ]. c. H)elase: 6) 1. e. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 431 Polen. — Wanderzellen, welche an den in die Lymphsäcke von Fröschen eingeführten Plättchen hafteten, zeigten, wie Arnold!) mittheilt, allerdings nur vereinzelt, Figuren, die sich nicht als hintereinander erfolgte Zweitheilungen nach dem Typus der Mitose erklären lassen, vielmehr als pluripolare Theilungen anzusprechen sind. — Denys?) geht so weit, der mehrfachen Theilung das Recht eines physiologischen Vorgangs zu vindieiren und zwar bei der Vermehrung der Riesenzellen des Knochenmarks bei Kanin- chen und Hunden, nicht dagegen bei Ratten. Er kommt zu dem Schlusse, dass die im Inneren liegenden einkernigen Riesenzellen bei genannten Thieren sich nie durch einfache, sondern immer durch mehrfache Theilung fortpflanzen, während bei Ratten ein der Fragmentirung ähnlicher, vom Verfasser als Stenose bezeich- neter Vorgang sich vollzieht. — Längere Zeit vor Denys hatte Waldstein?°) im Knochenmark, ausserdem in der Milz, der Leber, der Choriocapillaris des Auges, endlich in einer mediastinalen Chloromgeschwulst eines an perniciöser Anämie gestorbenen Men- schen mehrpolige Figuren beobachtet und zwar besonders drei- strahlige Kernplatten in den neugebildeten Gefässsprossen und den Parenchymzellen der Gefässe. Innerhalb der geschlossenen Gefäss- bahn war das Untersuchungsresultat ein negatives. Arnold®) konnte später diese Angaben bestätigen. Wir sind hiermit auf pathologischem Gebiete angelangt, wo aus der Reihe der Tumoren relativ zahlreiche einschlägige Mit- theilungen existiren, die wichtigsten und ausführlichsten von Ar- nold°) und Martin®) aus dem pathologischen Institute zu Heidel- berg. Letztere Arbeit betrifft ein Mammacareinom; dieselbe sei hier nur erwähnt, ich habe sie ausführlich im Zusammenhalt mit meinen Befunden zu erörtern. — In einem Glioma endophytum der Netzhaut fand in der neuesten Zeit da Gama Pinto’) eine ty- 1) Anhang Nr. 5. c. 2) 1. c. 3) Louis Waldstein, Ein Fall von pernieiöser Anämie. Virch. Arch. Bd..91. . 1881. 4) Anhang Nr. 3. 5) Arnold, Beobachtungen über Kerntheilungen in den Zellen der Geschwülste. Virch. Arch. Bd. 78. 1879. 6) Martin, Zur Kenntniss der indirekten Kerntheilung. Virch. Arch. Bd. 86. 1881. 7) Anhang Nr. 36. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd, 31, 28 432 Dr. J. Schottländer: pische Dreitheilung, bei einem Fall von Hodenkrebs Tizzoni und Poggi!) Drei- bis Sechstheilungen und zwar häufiger als ge- wöhnliche Zweitheilungen; Siegenbeck van Heukelom?) bei einem der dreizehn von ihm untersuchten Spindelzellensarkome Drei- und Viertheilungen, besonders im Stadium der Tochtersterne, die, als Kugelsegmente sich darstellend, durch deutliche Verbin- dungsfäden als zusammengehörig gekennzeichnet waren; endlich Cornil?) reichliche Dreitheilungen. Mehrpoliger Mitosen in entzündeten Geweben wird meines Wissens nur von zwei Autoren in je einer Arbeit Erwähnung ge- than: diejenige Podwysocki’s*) stammt aus dem Jahre 1885. Sie betrifft Präparate der Rattenleber 5—7 Tage nach ziemlich schwerer Verletzung; es werden nur Dreitheilungen im Stadium des Triasters theils mit noch unvollzogener, theils mit schon voll- zogener Längsspaltung, ferner solche im Stadium der schon zur Ruhe übergegangenen Tochterkerne beschrieben und abgebildet. — Die andere, viel älteren Datums, ist diejenige Eberth’s?) aus dem Jahre 1876 über Kern- und Zelltheilung an der künstlich ent- zündeten Hornhaut. Wenn ich gerade die leztgenannte Arbeit zum Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchungen machte, so bestimmten mich hierzu mehrfache Gründe. Wenn es an sich schon nahe lag, bei Beobachtungen auf pathologischem Gebiete, zumal da mehrfache Theilung in Betracht kam, auf die ersten in dieser Beziehung ge- machten Angaben zurückzugreifen, so hatte der Gedanke dieselben mittelst unserer inzwischen vervollkommneten Hilfsmittel und Me- thoden und mit Rücksicht auf die in einem Zeitraume von zehn Jahren gesammelten Erfahrungen, wenigstens theilweise, einer erneuten Nachprüfung zu unterziehen, noch einen besonderen Reiz. Galt es doch zu entscheiden, ob ihre Deutung, die vielfach angezweifelt worden, nicht eine vollberechtigte ist. Nebenbei stand zu hoffen, dass vielleicht über den Modus der Regeneration am Auge nach artificiell hervorgerufener Entzündung im Hinblick auf die einander schroff gegenüber stehenden Ansichten (Pfitz- ner u. A. contra Nussbaum-Peters, siehe unten) einige nicht werthlose Aufschlüsse gewonnen werden könnten. Inwieweit sich die letztere Hoffnung verwirklicht hat, davon später. 1) Anhang Nr. 44. 2) Anhang Nr. 28. 3) Anhang Nr. 16. 4) Anhang Nr. 38. 5) Virch. Arch. Bd. 67. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 433 Das Thierauge diente sowohl vor wie nach der Zeit, in wel- cher Eberth’s Arbeit erschien, vielen pathologischen Anatomen in der genannten Frage als Untersuchungsobjekt. Die Entdeckung der Karyokinese schuf jedoch darin eine neue Aera. Während vordem der Schwerpunkt fast ausschliesslich in der Entscheidung lag, ob die Regeneration durch Wanderzellen oder die eigentlichen Gewebszellen oder durch Betheiligung beider Elementgruppen er- folgt, verschob sich derselbe später grösstentheils dahin, dass zwi- schen den Vertretern der mitotischen und amitotischen Theilung, deren jede für die Regeneration in Anspruch genommen wurde, eine heftige bis heute noch nicht ausgetragene Fehde entbrannte. — Einer der Ersten, die hier Partei ergriffen, war Mayzel!), der in seiner damaligen Arbeit den in der Hornhaut des Frosches und anderer Thiere erzeugten Epitheldefekt durch freie Kernbildung sich ergänzen lässt, da Mitosen, deren sämmtliche uns jetzt ge- läufige Phasen er ohne Benennung und über die Reihenfolge nicht ganz sicher in extenso beschreibt, von ihm nur in den tieferen Zelllagen gefunden wurden. — Einer späteren Mittheilung?) des- selben Forschers, welche speciell über Mitosen, auch in dem En- dothel der Froschhornhaut handelt, ist weiter unten zu gedenken. — Bogoslawskoy?°) kommt bei seinen Untersuchungen über die Regeneration der terminalen Hornhautnerven zu ähnlichen Ergeb- nissen. — Es folgt Sattler®), der speciell über Verwendung des Lapis-Stiftes zur Untersuchung von Epithelien berichtet. Im Gegensatz zu den mit Kernfärbungsmitteln behandelten Präparaten wurden hier niemals karyokinetische, vielmehr solche Figuren ge- funden, wie sie früher von sich theilenden Kernen wiedergegeben und auf amöboide Wanderung resp. direkte Kerntheilung bezogen worden waren. Der Schluss, den Verfasser daraus zieht, differirt beträchtlich von den Resultaten Peters’5) bezüglich ganz ähnlicher 1) Mayzel, Ueber eigenthümliche Vorgänge bei der Theilung der Kerne in Epithelzellen. Centralbl. f. d. medic. Wissensch. Nr. 50. 2) Derselbe (polnisch), Gazeta lekarska. Nr. 27. Ref. Schwalbe’s Jahresber. Bd. 5, p. 36. 3) Virch. Arch. Bd. 65. 4) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 21. S. 672. (Aus dem path.-anat. Institut zu Strassburg.) 5) Anhang Nr. 33. 434 Dr. J. Schottländer: Bilder, die sich nach Lösung einer Epithelinsel mittelst Lanzette zeigten. Ueber die Regeneration der fixen Hornhautzellen nach einem Substanzverluste, der mittelst Arg. nitr. in Lösung verursacht wor- den, haben Homen!) im Jahre 1883 und Klemensciewicz?) im Jahre 1884 gearbeitet. Beide Forscher gelangen übereinstimmend zu der Ansicht, dass eine Betheiligung der Wanderzellen unbe- dingt auszuschliessen ist, dass vielmehr nur die indirekte Kern- theilung der Hornhautzellen nach dem Typus der Mitose, und zwar der einfachen, hier in Betracht kommt. Im vorderen Linsenepithel und in der Descemetica von Ka- ninchen fand Schuechhardt?) zwei Tage nach der Diseission der Linsenkapsel in beträchtlicher Entfernung vom Wundrand unzwei- felhafte Proliferationsvorgänge, die im Sinne der damals noch wenig bekannten mitotischen Kerntheilung gedeutet werden. Ob Verfasser dieselben als alleinigen Regenerationsmodus anerkennt, ist mir aus seiner Arbeit nieht recht ersichtlich gewesen. Eine spätere Mittheilung von Robinsky?*) über den Ersatz des vor- deren Linsenepithels nach künstlicher Verletzung enthält für mich nichts von Bedeutung. Während, wie aus dem Vorstehenden erhellt, sämmtliche an- geführten Forscher ausser Mayzel und Schuchhardt sich auf Untersuchung je des vorderen Epithels, des Hornhautgewebes oder des Linsenepithels beschränkten, dehnte Eberth°) seine Beobach- tungen zugleich auf Epithel, Niekhauf und Endothel der Hornhaut aus, nachdem bezüglich des letzteren v. Ewetzky®), wie uns mitgetheilt wird, die Theilungsfähigkeit erwiesen, da derselbe 1) Homen, Untersuchungen über die Regeneration der fixen Horn- hautzellen durch indirekte Kerntheilung. Fortschr. d. Mediein. Nr. 16. 2) Klemensciewicz, Kerntheilung in den fixen Zellen der entzün- deten Hornhaut. Centralbl. f. d. med. Wissensch. Nr. 11. 3) Schuchhardt, Zur pathologischen Anatomie der Diseissionen. Inaug.-Dissert. Göttingen 1578. 4) Robinsky, Das Epithel der Augenlinsenkapsel, dessen Zellkern- theilung u. Umwandlung in Augenlinsenschläuche. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 39. 1886. D)elmuc: 6) v. Ewetzky, Ueber das Endothel der Membrana Descemetica. Untersuchungen aus dem pathol. Institut zu Zürich. 1875. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 435 ausser Anhäufung von Riesenzellen auf feinen in die Vorderkam- mer eingeführten Glas- oder Glimmerplättchen auch vom fünften Tag an im Gewebe der verletzten hinteren Hornhautfläche reich- lich mitotische Theilung eintreten sah. Ob Eberth dadurch an- deuten will, dass nach seiner Ansicht die Regeneration nur durch mitotische Theilung erfolgt, muss ich dahingestellt sein lassen; für eine gegentheilige Auffassung scheint zu sprechen, dass in der jüngsten den Defekt umsäumenden Zone Mitosen stets vermisst wurden. — Als Beohachtungsobjekte dienten Kaninchen und Frösche. Da bei ersteren im Grossen und Ganzen dieselben Resultate wie bei letzteren sich ergaben und gerade mehrpolige Figuren fehlten, so konnte ich mich bei meinen eigenen Untersuchungen, ohne eine Unterlassungssünde zu begehen, auf das Froschauge beschränken. Im Folgenden wird sich erweisen, inwieweit ich ausserdem von Eberth’s Methoden abgewichen bin, und ob vollständige Ueber- einstimmung zwischen uns herrscht oder nicht. Zunächst wählte ich sehr bald als alleinigen Angriffspunkt die Membrana Descemetica, da ihre Zartheit, die sie bei geeig- neter Behandlungsweise als dünnste vielleicht 10 —20 u haltende Lamelle unter dem Mikroskop erscheinen lässt, die Grösse ihrer Blemente, deren ausgezeichnete Regenerationsfähigkeit und distinkte Färbbarkeit weit grössere Vorzüge boten, als das vordere mehr- schichtige Epithel mit seinen kleinen Zellen, das schwer in zu- sammenhängende Abschnitte trennbare übrige Hornhautgewebe, endlich als die in Härtungsflüssigkeiten stark schrumpfende, zähe Niekhaut. Von den Fröschen wurden fast ausschliesslich die grü- nen benutzt, die anerkanntermaassen die grösste Widerstandsfähig- keit und grösste vitale Energie besitzen. Schon nach kurzer Zeit wurde folgendes Verfahren in der Herstellung der Präparate ein- geschlagen und bis zuletzt beibehalten. Nachdem man die Cornea des in Entzündung versetzten und gehärteten Bulbus (siehe unten) mittelst scharfen Rasirmessers möglichst in einem Zuge abge- tragen hat, befreit man sie zunächst von dem locker anhaftenden mit abgetragenen Linsensegmente, ferner der Iris und färbt sie nach später zu erörternder Methode. Dann wird sie mittelst Messer und Pincetten und zwar derart gespalten, dass zuerst das vordere Epithel entfernt wird, was besonders bei Chromsäurehärtung meist leicht gelingt; dann zieht man nach einander die einzelnen Horn- hautlagen ab, wobei am Rande der kleinen Scheibe ein zarter 436 Dr. J. Schottländer: Messerschnitt zu führen ist, bis zuletzt die Deseemetica, höchstens noch von einer dünnen Schicht Hornhautgewebe bedeckt, übrig bleibt. Dieser umgekehrte Weg scheint mir der praktischere zu sein; denn bei dem Versuche die Descemetica als solche von der übrigen Hornhaut zu trennen, reisst die erstere gar zu leicht ein und man erhält unzusammenhängende Fetzen. Es ist nicht ver- wunderlich, dass man bei dieser verhältnissmässig rohen Art der Präparation niemals ein vollständig gleichmässiges, etwa einem Mikrotomschnitte zu parallelisirendes Objekt gewinnt, doch gelingt es bei einiger Uebung immerhin die Gesammthornhaut in vier Theile zu zerlegen, von denen der unterste die fast völlig entblösste Des- cemetica darstellt, somit Präparate von zweckentsprechender Fein- heit und Güte zu erhalten. Ich will bemerken, dass auch an der letzten zum Einbetten in Canada- Balsam fertiggestellten Lamelle sich die ursprüngliche Kugelform derart ausprägt, dass man ge- nöthigt ist, um das Präparat glatt auf dem Objektträger resp. dem Deckgläschen (siehe unten) ausbreiten zu können, den Rand durch feine Schnitte mehrfach einzukerben. Diesem Umstande ist es auch zuzuschreiben, dass ich Schnittpräparate nicht empfehlen kann, obgleich Eberth auch mit solchen gearbeitet hat. Nach meinen Erfahrungen gelingt es weder bei Schnitten durch den in toto gehärteten Bulbus, wobei ausserdem die harte Linse dem Messer Schwierigkeiten macht, noch auch bei solchen durch die vorher isolirt abgetragene Cornea die Gewölbespannung in genü- gendem Maasse zu beseitigen; man erhält immer nur Hohlringe, an deren Innenseite ein Theil der Descemetica anhaftet. Es wür- den demnach Serienschnitte erforderlich sein, von denen im besten Falle doch kaum ein vollständigeres Resultat zu erwarten ist als von den nach obiger Angabe verfertigten Objekten. — Die Be- merkung Eberth’s, dass man die Descemetica auch in situ untersuchen kann, falls man nur die Hornhaut schwach färbt, bin ich nicht im Stande zu bestätigen. Färbt man so schwach, dass die Descemetica gut sichtbar ist, so fehlt die distinkte hier so wichtige Kernfärbung; andernfalls sind genauere Beobachtungen einfach unmöglich. Dazu kommt, dass die Anwendung einer star- ken Immersionslinse (z. B. Z. 1/18), die nothwendig ist, dann von vornherein ausgeschlossen erscheint. Um eine in entsprechenden Grenzen verbleibende Entzündung in der Descemetica hervorzurufen, wurde folgendermaassen vorge- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 437 gangen. In Anbetracht der Ergebnisse Böttchers!) u. A. wurde der Höllenstein, der gar zu leicht die Zellen nicht nur in dem Aetzbezirke, sondern auch in der Umgebung abtödtet, über- haupt nicht angewendet. Ebenso stand ich bald von dem Ver- suche ab, genau nach dem Vorgange Eberth’s einen Theil des Endothels mit einem hakenförmig gekrümmten Platindrahte (statt des ursprünglichen Glasstäbchens) zu entfernen. Abgesehen da- von, dass das Verfahren entschieden zeitraubender war als das später eingeschlagene, erhielt ich meist trotz der grösstmöglichsten Vorsicht eine Panophthalmitis, welche das betreffende Auge zur Untersuchung unbrauchbar machte. Am vortheilhaftesten erwies sich mir das Chlorzink, welches ich nicht als Stift, sondern in einer Lösung von 1 Theil Chlorzink auf 2 Theile Aq. dest. mit Zusatz einiger Tropfen Acid. hydrochl. (behufs besserer Lösung des Aetzmittels) applieirte?). Ich durchtränkte einen kurzen mög- lichst dünnen Seidenfaden mit dieser Lösung und liess denselben circa Y/, Minute, welche Zeitdauer beim Frosch vollkommen ge- nügt, senkrecht auf das Centrum der Hornhaut wirken. Es ist darauf zu achten, dass der Querschnitt des Fadens ein möglichst scharf begrenzter ist, um punkt- oder strichförmige Aetzungen durch abstehende Fasern in der Umgebung zu vermeiden. Der Frosch wird behufs Vornahme der Aetzung bis auf den Kopf in ein Tuch gewickelt, der Rachen wird mit einem stumpfen Instru- mente geöffnet, der in denselben eingeführte Finger der einen Hand drückt den Bulbus nach aussen und eröffnet dadurch die Nickhaut, während die andere Hand die kleine Operation vornimmt?). Andere Methoden eine entzündliche Reaktion hervorzurufen, z. B. durch glühenden Platindraht, liess ich bald wieder fallen: sie sind um- ständlicher als die Chlorzinkmethode, der Reiz dringt nicht so langsam und gleichmässig in die Tiefe; endlich läuft man gerade beim Platindraht Gefahr die Cornea zu durchbohren. — Die Ver- suchsthiere wurden nach der Aetzung sofort in ein grosses mit Drahtgitter versehenes Gefäss gebracht, das in einem mässig tem- perirten Kellerraume aufbewahrt wurde. Im weiteren Verlaufe wurde 1) Böttcher, Experimentelle Untersuchungen über die Entstehung der Eiterkörperchen bei traumatischer Keratitis. Dorpat 1873. Virch. Arch. Bd. 58. S. 362. 2) Derselbe, Dasselbe. 3) vgl. Sattler l. c. 438 Dr. J. Schottländer: der Käfig zweimal täglich mit frischem Wasser versehen und ge- spült, im Uebrigen aber keine Nahrung gereicht. Die meisten Thiere ertrugen die Gefangenschaft ohne sichtbaren Schaden. Manche magerten dagegen beträchtlich ab; noch andere gingen, besonders während der grossen Sommerhitze, sehr bald nach der Aetzung zu Grunde. Einen grossen Aufwand von Zeit und Material kostete es mich den für die Tödtung der Thiere geeigneten Termin festzustellen. Da Eberth vom 5.— 10. Tag nach der Aetzung reichlich Kern- figuren, von da an dieselben in Abnahme begriffen fand, so ver- arbeitete ich eine grosse Serie schon am 5. Tag getödteter Frösche, entdeckte indessen nicht eine einzige Mitose. Lange suchte ich den Grund für dieses negative Resultat vergebens in der Inten- sität des Reizes, variirte denselben in der verschiedensten Weise, bis mich der Umstand, dass eine aus Versehen zwei Tage später zum zweiten Male geätzte Hornhaut die schönsten Figuren bot, darauf brachte, dass wenigstens unter den obwaltenden Umstän- den (Material, Sommer) nie vor dem 7., vielmehr zwischen dem 7.und 10. Tage der gesuchte Termin sich befand. Wenn sich um diese Zeit die reichhaltigsten Erfolge ergaben, so war die Ab- nahme doch kaum bemerkbar bis zum 12. Tage; von da ab war dieselbe bedeutender bis zum 15. Tage, um welche Zeit ich noch vereinzelte Mitosen beobachtete; später schwanden dieselben voll- ständig. Conjekturen über diese von Eberth etwas abweichenden Erfahrungen anzustellen, dürfte zwecklos sein, da viel Zufällig- keiten hier mit ins Spiel kommen. Was die Härtung und Färbung der Objekte angeht, so wur- den versucht: Reine Alkoholhärtung und Alkoholhärtung nach vor- heriger Anwendung folgender Substanzen: 1) Chromsäure. 2) Chrom-Osmium-Essigsäure und Chrom-Essigsäure-Gemische nach Flemming. 3) Chrom-Essigsäure in folgender Concentration: Chromsäure 0,25. Eisessig 1,0. Ag. dest. 100,0. 4) Pikrinsäure (gesättigte Lösung). 5) Chrom-Ameisensäure!) (A—5 Tropfen concentrirter Amei- sensäure auf 200 gr einer 1/, %/,igen Chromsäure-Lösung). 6) Platinchlorid!) (1/,°/,ige Lösung). 1) Rabll. c. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 439 Zur Färbung wurde benutzt: 1) Alauncarmin (in der bekannten Zusammensetzung). 2) Boraxcarmin (1 Liter 95°/,iger Alcohol, 1 Liter Aq. dest., 25 gr Carmin, 40 gr Borax). 3) Hämatoxylin allein. 4) Hämatoxylin mit nachheriger Saffranin-Färbung!!). 5) Hämatoxylin und Eosin, endlich 6) bei der Pikrinsäure-Härtung Hämatoxylin in 1; 'higer Lösung und 1/s°/sige Lösung des gelben einfach chromsauren Kalis (statt des gewöhnlich angewandten rothen, doppelt chrom- sauren) 2). — Goldehlorid und Goldehloridkalium, womit Eberth die Färbung hervorbrachte, wurde nicht benutzt, weil erfahrungsge- mäss die angeführten Methoden Besseres leisten. Bei der Alkoholhärtung, wobei die Bulbi je sechs Stunden nacheinander in 25°/,igen, 50%/igen, 75%,igen, endlich absoluten Alkohol zu liegen kommen, sind zwar meist die Begrenzung der Figur, ferner die Spindeln vortrefflich ausgeprägt. Dieser Vortheil wird jedoch illusorisch durch eine derartige Schrumpfung der chro- matischen Fäden, dass Einzelheiten fast unmöglich daran studirt werden können. Demnach kann diese Methode wohl nur zur Er- gänzung anderer dienen. — Die reine Chromsäure in Verbindung mit Hämatoxylinfärbung bietet manche Vorzüge. Die Bulbi kom- men dabei je ca. sechs Stunden in eine 0,05°/ige, dann eine 0,1%/,ige Lösung, darauf je 12 Stunden — eine vorherige Wässe- rung ist nicht nothwendig — in der Dunkelkammer in 50, 75%9- igen, endlich absoluten Alkohol. Die Fäden der chromatischen Figur erweisen sich zwar etwas gequollen, so dass z. B. die Längsspaltung der Segmente unsichtbar wird; auch sind die Spin- deln und Contouren der Mitosen lange nicht so scharf gezeichnet wie bei Alkoholhärtung; von den Chromatinfäden erhält man in- dessen im Gegensatz zu letzterer im Ganzen schöne klare Bilder, die meiner Erfahrung nach nur noch von den in Chrom-Ameisen- säure - Präparaten sich findenden übertroffen werden. — Injektion von 50°%,igem Alkohol resp. 0,01%/,iger Chromsäure in den Bul- bus mittelst Pravaz’scher Spritze und nachfolgende Härtung in den entsprechenden Lösungen (s. oben), hat sich mir nicht be- DIRabl-L’c 1 2) Heidenhain, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 27. H. 2. 440 Dr. J. Schottländer: währt. Abgesehen davon, dass schon während des Einspritzens sehr leicht der Druck ein zu hoher wird und Berstung der Vor- derkammer eintritt, ferner, dass bei vorzeitigem Herausziehen der Canüle Glaskörpermasse ausfliesst, liefert dieses abgekürzte Här- tungsverfahren kaum so gute, geschweige denn bessere Resultate, als das gewöhnliche. — Bezüglich der genügend bekannten, oben erwähnten Gemische Flemming’s und der Pikrinsäurehärtung wüsste ich keine besonderen Vorzüge zu verzeichnen. Letztere Methode, bei der die Bulbi nach zwölf Stunden eine gleiche Zeit steigender Alkoholhärtung unterworfen werden, theilt überdies mit der Alkoholmethode den für mich gewiss nicht unwichtigen Nach- theil, dass die einzelnen Hornhautschichten fast untrennbar mit einander verbunden sind. Gerade um der macerirenden Eigen- schaft willen war mir die Chromsäure am liebsten, und so wandte ich gegen Ende meiner Untersuchungen ausser dem Platinchlorid, das z. B. für das Studium der Längsspaltung unentbehrlich ist!), ohne den erwähnten Nachtheil in höherem Grade zu besitzen, am häufigsten die Chrom-Ameisensäure und bisweilen die Chrom-Essig- säure (s. ob. S. 433 Nr. 3) an. Die Bulbi bleiben in der Chrom- Ameisensäure ca. 3—4 Stunden, nicht länger liegen, um dann 12—24 Stunden in Wasser ausgewaschen und je 24 Stunden in 60°%/,igem und absolutem Alkohol gehärtet zu werden. Auf ge- nügende Wässerung ist im Gegensatz zu der reinen Chromsäure besonders zu achten. Eine recht beträchtliche Anzahl von Prä- paraten habe ich mir durch 24- oder auch nur 12stündige Einwir- kung der Lösung, deren jedesmalige frische Bereitung für meine Objekte nicht nöthig war, verdorben?). Platinchlorid und Chrom- Essigsäure werden mutatis mutandis ganz in derselben Weise ver- wendet. Unter den Färbemitteln scheint mir das Hämatoxylin allein oder in Verbindung mit Saffranin ?) weitaus die erste Stelle einzu- nehmen. Durch die oben beschriebene Heidenhain’sche Me- thode, wobei die Präparate je 12—24 Stunden in den genannten Lösungen (S.439 Nr. 6) liegen, erzielt man zwar einen sehr ange- nehmen graublauen Farbenton, auch ist das Protoplasmanetz sehr 1) ef. Rabl |. c. — Die Spindeln fand ich im Gegensatz zu diesem Autor in der Mehrzahl der Fälle erhalten. 2) cf. Rabll. c. 3) Derselbel.c. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 441 klar und scharf kenntlich, indessen lässt das Bild der Chromatin- fäden dafür Manches zu wünschen übrig. Boraxcarmin und Alaun- carmin erwiesen sich für das Auge entschieden weniger günstig. Ich benutzte das Hämatoxylin theils in einer Lösung von 1:2 (das Präparat bleibt etwa !/, Stunde darin} theils in einer sol- chen von 1:5 Ag. dest. (das Präparat bleibt etwa 2 Stunden darin). Die Entfärbung mit salzsaurem Alkohol habe ich eigentlich nur in den Fällen für zweckmässig oder nothwendig befunden, in denen aus Versehen die Tinktion eine zu intensive geworden war. — Was endlich die Nachfärbung des Hämatoxylin-Präparats mit Eosin betrifft, das behufs Hervorhebung der Pole tropfenweise zu dem bei der Einbettung gebrauchten Alkohol zugesetzt wird, so habe ich darüber keine genügenden Erfahrungen gesammelt. Ein in angegebener Weise hergestelltes Descemetica-Präparat gibt unter dem Mikroskop folgendes, im Wesentlichen stets gleich bleibendes Bild: Wir haben, abgesehen von einigen auf Rechnung der instrumentellen Manipulationen entfallenden Unebenheiten, mit- unter auch Lücken, ferner abgesehen von einer dünnsten Schicht Hornhautgewebe mit seinen fixen Zellen, wie schon Eberth mit- theilt, einen Complex von regelmässigen und scharf begrenzten, meist 5 oder 6 eckigen grossen Zellen vor uns, die dicht aneinan- der stossend ein feingekörntes, leicht welliges Protoplasmanetz von der bekannten Beschaffenheit besitzen; bei Hämatoxylin-Färbung nimmt dasselbe ein matt blaues, ziemlich gleichmässiges Colorit an. Von Einschlüssen war normaler Weise nichts sichtbar als 1, seltner 2, 3 oder 4 dunkel tingirte, grosse Kerne von meist ausge- sprochener Bohnen- oder Nierenform, seltener mehr abgerundet. Hier spielen jedenfalls die verschiedenen Reagentien eine, wenn auch wenig bedeutsame Rolle. Nicht selten fallen einige Kerne durch ihre ganz besondere Grösse auf; dieselbe kann das An- derthalbfache der normalen betragen. Bei schwacher Vergrös- serung (Z. Obj. DD, Oc. 2) erscheint der Kern, der von einer deutlichen doppelteontourirten Membran und einem hellen Hofe umgeben ist, aus einem unentwirrbaren System von Körnchen und Fäden, dem Chromatin, mit dazwischen liegender heller Substanz, offenbar dem Kernsafte, und 1—2, selten 3 wahren run- den Kernkörperchen zusammengesetzt; letztere besitzen gleich- falls einen hellen Hof. Bisweilen beobachtet man innerhalb des Kerns kreisrunde helle, scharf begrenzte Hohlräume, die häufig, 442 Dr. J. Schottländer: aber gewiss nicht immer, als Vacuolen anzusprechen sind. Mi- tosen fehlten in der allerdings geringen Zahl meiner derartigen Präparate durchweg. Während sich unter normalen Verhältnissen dieses Bild mit der grössten Regelmässigkeit wiederholt, muss ich im Gegensatz dazu unter meinen pathologischen Objeeten von vornherein drei Serien unterscheiden. Die erste derselben, die nur eine geringe Zahl von Präpa- raten, ca. 80 unter im Ganzen 300, umfasst, zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass auch hier nicht eine einzige karyokinetische Figur sich findet. Hierher gehören u. A. die Präparate von etwa 35 gegen Schluss meiner experimentellen Arbeiten, im Frühherbst aus Ungarn bezogenen sogen. Ochsenfröschen, von denen ich mir wegen der Grösse der Bulbi gerade besonders viel versprach. Statt dessen musste ich, trotzdem vorher die besten positiven Re- sultate erzielt worden waren, die Enttäuschung erleben, in sämmt- lichen 70 Hornhäuten auch nicht eine einzige Mitose zu Gesicht zu bekommen. — Weiterhin sind hierher zu rechnen die Präparate von Augen, die deutliche Symptome einer Panophthalmitis boten. Während für gewöhnlich die makroskopisch gleich nach der Aetzung auftretende weiss-rauchige Trübung bald abblasst und meist bis zum 7. Tag, wenigstens am lebenden Auge in situ, ganz verschwun- den ist, vergrösserte sich dieselbe hier stetig, erfasste die ganze Hornhaut und führte schliesslich zu fühl- und sichtbarer Erweichung der Bulbi. Endlich sind hier Präparate von Thieren namhaft zu machen, deren Augen zwar nichts Abnormes aufwiesen, die aber durch eine auffällige Magerkeit und Mattigkeit von den anderen abstachen. Bei dieser ganzen Serie gewahrt man im Aetzbezirk, der nach der Färbung gewöhnlich als kleiner heller Kreis sich von der Umgebung abhebt, fast gar keine oder doch nur wenige durch srosse Lücken getrennte Endothelzellen. Fast immer fanden sich darin zahlreiche kleine, vereinzelt oder gehäuft liegende stark tingirte Gebilde mit Kern, offenbar Wanderzellen. An Stelle der Endothelien ist nicht selten nur ein körniges Gefüge (Detritus? Linsenkapselreste?) vorhanden; einige Male wurde das ganze Prä- parat von vollständigen Fibrillensystemen, die wohl als fester an- haftende Hornhautfibrillen zu deuten sind, durchzogen. Während in der Peripherie die Endothelzellen sich unverändert erhalten Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 443 haben, zeigen die im Gebiet des Aetzbezirks noch restirenden un- deutliche oder ganz verwischte Zellgrenzen, im Protoplasma, das zum Theil als solehes gar nicht mehr kenntlich ist, reichlich Va- cuolenbildung; der Kern, der mitunter nur als weisser bohnenförmiger Fleck imponirt, hat indessen normale Form und Grösse; niemals weist er Erscheinungen auf, wie ich sie später bei Serie 3 zu schildern haben werde. Ich erkläre mir den eben besprochenen Befund folgender- massen. Es war hier überall ein Hinderniss für die Regenera- tion gegeben insofern, als der angewandte Entzündungsreiz absolut (wie bei den Thieren mit Panophthalmitis und weichen Bulbis) oder relativ (wie bei den anderen) zu stark gewirkt hatte, letzteres in dem Sinne, dass der gleiche Reiz für den unkräftigen Organis- mus eine ganz andere Bedeutung hat, als für den kräftigen. — Mit dem Gesagten lassen sich die im Aetzbezirk eingetretenen Veränderungen wohl in Einklang bringen: nachdem sich die ersten degenerativen Processe in der Zellsubstanz lokalisirt, erfolgte, durch den theils absolut theils relativ heftigen Reiz bedingt, ein schnelles Absterben des Gewebes. Zu einer allmählichen Decom- position der Kernsubstanz mit ihren Schritt für Schritt eintreten- den Metamorphosen konnte es daher nicht kommen; aus demselben Grunde resp. wegen Mangels an vitaler Energie blieben die Reak- tion, somit die progressiven Vorgänge aus. Eine zweite Serie von Präparaten, die von nach dem 15. Tag getödteten Thieren stammen, hat mit der vorangegangenen den Umstand gemein, dass sich darin keine Mitosen zeigen. Im Uebrigen ist jedoch das ihnen entsprechende Bild ein durchaus anderes, es ist kurz gesagt das der normalen Descemetica. Wenn wir das oben über den Termin der Verarbeitung Gesagte in Er- wägung ziehen, so ergibt sich daraus, dass hier die Kerntheilung vollständig abgelaufen, dass die Regeneration beendet ist. Wesentlich anders gestalten sich die Dinge bei der 3. Serie. Während mit Serie 1 und 2 eine oberflächliche Aehnlichkeit be- steht insofern, als ein Theil der Präparate, der von vor dem 7. Tag getödteten Thieren stammt, gleichfalls keine Mitosen zur Anschauung bringt, so kann doch von einer Zusammengehörigkeit mit den früheren Serien in Folge der Eigenart des Aetzbezirks, die sich stets wiederfindet, nicht die Rede sein. Schon bei schwa- cher Vergrösserung (Z. Obj. DD Oe. 2, Fig. 1) fällt die bedeutende 444 Dr. J. Sehottländer: Veränderung auf, welche die darin belegenen Endothelzellen er- fuhren. Dieselben haben zunächst stark an Grösse eingebüsst, scheinbar an Zahl gewonnen; sie liegen dicht aneinander gedrängt, gleichsam zu Haufen geballt; ihre normale Gestalt ist verloren, sie stellen viel unregelmässigere Polygone dar. Die Begrenzung ist, wie aus der Figur zu ersehen, meist ziemlich scharf. Das Protoplasma erscheint vielfach nicht wie gewöhnlich gleiehmässig in der ganzen Zelle vertheilt, sondern umgibt, in der Regel aus- gesprochen dunkler wie sonst gefärbt, den Kern als ein unregel- mässiger Hof mit undeutlichen Umrissen. An den Zellwandungen finden sich lichte Säume, über deren Beschaffenheit bei der ge- nannten Vergrösserung keine Aussagen gemacht werden können. Im Gegensatz zu den eben geschilderten, weisen allerdings andere Zellen ein bis an die Zellgrenzen reichendes, ziemlich gleich- mässig tingirtes Protoplasmanetz auf. — Die weitaus hervor- ragendsten und constantesten Metamorphosen betreffen den Kern. In seiner Grösse wechselnd, gewöhnlich wie die Zellen an Volu- men kleiner als normal, fällt er besonders durch seine oft wunder- lich barocken Formen auf. Bald ist er nach Art einer Sichel oder eines Halbmondes gestaltet, bald eigenthümlich geschweift, gleich einem wandernden weissen Blutkörperchen mit Fortsätzen ausgestattet; bald hat er in der Mitte eine fast bis zur Trennung gehende Einsehnürung; dann wieder ist er mehr ringförmig; gar nicht selten findet man in einer Zelle neben dem Hauptkerne einen ausser aller Verbindung stehenden Nebenkern, mitunter zwei gleich grosse Kerne in einer Zelle: kurz es existiren die mannig- fachsten Variationen. — Die Kernmembran ist fast immer scharf siehtbar, ihre Färbung eine dunkelere als gewöhnlich. — Im In- nern des Kerns trifft man bisweilen, aber durchaus nicht immer scharf begrenzte Hohlräume, die wie Vacuolen aussehen. Die Kernkörperchen verhalten sich der Norm entsprechend. — Be- sitzen die hierhergehörigen Präparate überhaupt Mitosen, so liegen solehe auch vereinzelt innerhalb des Aetzbezirks und zwar kom- men sowohl Pro- wie Meta- und Anaphasen vor. Bei starker Vergrösserung (Z. homog. Immers. Y,; Oec. 2) ergibt sich Folgendes. Die Zellgrenzen sind bisweilen verschwom- mener, als es die schwache Vergrösserung glauben macht. Häufig zeigen sich Unregelmässigkeiten, kleine Ausläufer, die in das Nach- bargebiet übergreifen, mit einem Wort Abweichungen von der Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 445 normalen gradlinigen Gestalt. Das ganze Grenzgebiet ist zeit- weilig unterbrochen und eigenthümlich verquollen. Das Proto- plasmanetz ist häufig von normaler Beschaffenheit, häufig hat es ein grobkörnigeres Gefüge, und es sind unzweifelhaft Vaeuolen darin ausgeprägt. Der obenerwähnte lichte peripherische Saum erweist sich ganz besonders derartig verändert. Bei den Kernen verdient das Chromatingerüst vor Allem Beachtung. Es existiren hier bedeutsame Verschiedenheiten. Während bei den meisten Kernen die Fäden stärker als in der Norm hervortreten und man durchaus den Eindruck gewinnt, als ob die Summe des Chroma- tins sich vermehrt habe, ist umgekehrt bei anderen Kernen die Zeichnung eine mehr abgeblasste, undeutliche — besonders bei manchen der oben erwähnten Nebenkerne — und man gewahrt, namentlich im Centrum des Aetzbezirks, mitunter an ihrer statt nur noch einzelne zusammengeballte Chromatinklumpen, zwischen denen eine glasig-verquollene, aus Kugeln oder Schollen bestehende Substanz vertheilt ist. — Die in den Kern eingeschlossenen kreis- förmigen Hohlräume sind meist nicht, wie es den Anschein hat, vollständig homogen, sondern von einer körnigen, dem umgeben- den Protoplasma völlig gleichenden Materie erfüllt. — Was end- lich die im Aetzbezirk beobachteten Mitosen anbetrifft, so scheinen allerdings in einzelnen Fällen die Chromatinfäden im Gegensatz zu den peripherischen Figuren etwas Unscharfes , Grobes an sich zu haben, so dass verzerrte Bilder entstehen; im Grossen und Ganzen gilt jedoch von diesen wie von jenen das weiter unten über die Mitosen Mitgetheilte. Eberth, und wie ich aus Referaten entnehme, auch die übri- gen Forscher Mayzel!) und v. Ewetzky?), die das Endothel der cornea zum Ausgangspunkt ihrer Studien machten, erwähnen diese Veränderungen des Aetzbezirks nicht specieller. Sattler?) und Peters?) dagegen schildern bei ihren Arbeiten über das Horn- hautepithel Befunde, die ungezwungen mit den meinigen mutatis mutandis in Parallele gesetzt werden können. Sattler sagt u. A.: „Ferner fällt die Gestalt der Zellen und Kerne auf. Fast niemals zeigen die ersteren gradlinige Contouren, sondern stets bucklige Hervorragungen nach einer oder mehreren Seiten; dasselbe ge- 1) 8. 8.433. Anm. 2. 2Ql.c. J)1. ce. 4) 1. c. 446 Dr. J. Schottländer: wahrt man auch an den Kernen. Diese Bilder machen unverkenn- bar den Eindruck, als ob die meisten Zellen und deren Kerne im Momente der Application des Silberstiftes, vielleicht gereizt durch letzteren, amöboide Bewegungen ausgeführt hätten und in einer oder der anderen Phase dieser Bewegung fixirt worden wären.“ Die Begründung für das Aussehen der Silberkerne, die auch oft als nieren- oder bisquitförmig eingeschnürt, oft als in zwei Theile getrennt beschrieben werden, sucht Verfasser in einer Theilung der achromatischen Substanz, die allein sichtbar bleibt, während die de facto gleichzeitig, nach dem gewöhnlichen Typus verlau- fende Theilung der chromatischen Substanz in Folge der Höllen- steinwirkung sich der Kenntnissnahme entzieht. Peters findet in dem Epitheldefekte wenige Tage nach der Verletzung reichlich mehrkernige Zellen; dieselben sind in der einen Reihe der Fälle als abgestorben zu betrachten, indem sie Vaeuolen und weitere Zeichen regressiver Metamorphosen zur An- schauung bringen. Bei anderen ist dies nicht der Fall. Indem dieselben häufig Einschnürungen oder zwei symmetrische Kernhälf- ten, oft zahlreiche Kerne mit spärlichem Protoplasmanetz, am De- fektrande undeutliche kaum erkennbare Grenzen zeigen, kommt Verfasser zu dem Ergebnisse, dass der Defekt zunächst durch amö- boide Wanderung der alten unverletzten Zellen, welche sich dicht aneinander legen, deren Grenzen anfangs verschwinden, um später sich wieder in normaler Weise auszuprägen, gedeckt wird. Erst sobald wieder isolirte einkernige Zellen innerhalb der Verletzungs- zone vorhanden sind, beginnt in der Umgebung der letzteren die karyokinetische Theilung, welche in grossem Masstabe auftre- tend die Regeneration vervollständigen hilft. Pfitzner?) endlich, welcher auch über die Hornhaut Angaben macht, lässt ebenso wie Sattler u. A., die Regeneration allein durch mitotische Theilung erfolgen und deutet die innerhalb des Defektgebiets vorhandenen Bilder schlechtweg als Degenerations- erscheinungen. Wie gross nach dem Gesagten die Schwierigkeit einer Ent- scheidung in dem einen oder anderen Sinne ist, dass dieselbe zum Theile geradezu unmöglich wird, brauche ich nicht des Weiteren auszuführen. Schon die eine Frage, handelt es sich um regressive 1) Anhang Nr. 35. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 447 oder progressive Metamorphosen ist durchaus nicht immer mit Sicherheit zu beantworten, einerseits, weil eine strikte Definition beider Vorgänge zur Zeit noch nicht möglich ist, andrerseits weil dieselben sich sogar mit einander combiniren können, indem z. B. in Vermehrung begriffene Elemente plötzlich absterben. Wenn ich die für Zell- und Kerndegeneration als charakteri- stisch betrachteten Merkmale, wie sie namentlich Arnold!) in seiner neuesten Arbeit angibt, also Volumenabnahme von Zelle und Kern, Zerfallserscheinungen am Protoplasma, fortschreitende Abnahme der chromatischen Kernsubstanz, sei es mit oder ohne Um- ordnung, insbesondere das Verschwinden der chromatischen Fäden ; wenn ich Pfitzner’s?) Mittheilungen zu den oben beschriebenen Fi- guren in Beziehung bringe, so geht unzweifelhaft daraus hervor, dass Degenerationsprocesse im Aetzbezirk zur Geltung gelangen. Einige Zellen bieten sogar dafür das typische Paradigma. Indessen, je eingehender ich mich mit den Einzelheiten beschäftige, desto mehr erhalte ich den Eindruck, als habe man es nicht allein damit zu thun, als seien nicht sämmtliche Kerne degenerirte, sämmtliche Mitosen abortive d. h. zur Weiterentwickelung unfähig. Haben wir nun nicht blos mit Zerfallserscheinungen zu rechnen, so kom- men nach den obigen Auseinandersetzungen wiederum verschie- dene Möglichkeiten in Betracht. Für eine Auffassung nach Art Sattler’s habe ich in Folge der Fülle von Mitosen, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte, gar keinen Anhaltspunkt. Ausser- dem glaube ich aber gegen die alleinige Herrschaft der Karyo- kinese bei der Regeneration noch folgende Momente ins Feld führen zu dürfen. Vorausgesetzt dieselbe bestünde, so müssten in Wirklichkeit schon vor dem 7. Tage nach der Aetzung Mitosen auftreten, da es an sich unwahrscheinlich ist, dass erst um diese Zeit die Reparationsvorgänge ihren Anfang nehmen. Nun habe ich in keinem einzigen der 200 Präparate, die hier in Frage kom- men, vor diesem Termine auch nur eine Mitose zu entdecken ver- mocht, was bei schubweiser Entwicklung in früherer Zeit doch wohl sicher der Fall gewesen wäre. Somit dünkt mich die An- nahme wahrscheinlicher, dass wenigstens ein Theil der geschil- derten Erscheinungen zur Regeneration in direkter Beziehung steht, 1) 1. ec. Anhang Nr. 5. 2) 1. c. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 29 448 Dr. J. Schottländer: ° ein Umstand, für den auch vielleicht die, trotz aller Verschieden- heit im Einzelnen, stets herrschende und auffallende Uebereinstim- mung der Gesamtbilder des Aetzbezirks anzuführen ist. — Ob es sich nun um wirkliche Kerntheilung, direkte Segmentirung oder Fragmentirung handelt oder um Zellverschiebung durch amöboide Wanderung, muss ich unentschieden lassen, da mir Beweisgründe für die eine oder andere Möglichkeit nicht zu Gebote stehen und auch nicht in den Rahmen dieser Arbeit hineingehören. Ich will nur bemerken, dass man bei dem allgemeinen Eindrucke des Bil- des unwillkürlich veranlasst wird an amöboide Wanderung zu denken und zwar ist ausser der Betheiligung der Endothelien hier- bei auch eine solche der Wanderzellen wenigstens nicht vollstän- dig von der Hand zu weisen, da das letzte Wort in dieser Frage noch gesprochen werden muss. Darf ich nochmals zusammenfassen, so scheint mir folgende Darstellung am zulässigsten. Der auf die Hornhaut ausgeübte mässige Reiz, ist für die Endothelzellen von verschiedener Wir- kung. Während die einen von vornherein einem allmählichen, ste- tigen Untergange anheimfallen, werden die anderen zur amöboiden Wanderung resp. Proliferation angeregt. Von diesen geht wieder ein Theil, nachdem er in die ersten Stadien progressiver Meta- morphosen eingetreten, nachträglich zu Grunde. Der andere Theil entwickelt sich weiter; die Regeneration hat unabhängig von mi- totischen Theilungen begonnen. Nach einer gewissen, von mehr oder weniger unbekannten Umständen beeinflussten Zeit (bei mir vom 7. Tage an) setzen letztere ein und führen die angefangene Regeneration zu Ende. Welchem Vorgange dabei die Hauptrolle zufällt, ferner in wieweit gerade hier eine Beeinflussung durch die Reagentien zu berücksichtigen ist, muss vorläufig dahin gestellt bleiben. An der Auffassung des Ganzen wird dadurch übrigens auch nicht viel geändert. Die karyokinetischen Figuren, von denen im vorigen Ab- schnitte die Rede war, wechselten in ihrer Menge bei den einzel- nen Präparaten ganz bedeutend. In einigen nur gering an Zahl, traten sie in anderen, die meist von besonders kräftigen Thieren herrührten, geradezu massenhaft auf — ich schätzte bisweilen- nahe an 100 oder mehr. Ihr Ausbreitungsbezirk beschränkte sich, abgesehen von wenigen im Centrum (Aetzregion) und der Peri- pherie belegenen, auf eine Zone in der Umgebung der ersteren, Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 449 etwa so gross wie diese selbst. Sämtliche von den Autoren fest- gestellte Phasen, allerdings in verschiedener Häufigkeit, gelangten zur Beobachtung. Schon von Eberth und Mayzel!) wurden dieselben im Grossen und Ganzen richtig gedeutet, immerhin haben sich im Laufe der Zeit viele der damaligen Anschauungen, beson- ders die auf das Verhältniss des Mutter- und Tochterkerns bezüg- lichen, wesentlich modifieirt. Eberth z. B. nahm noch an, dass in der Kaninchenhornhaut und dem Endothel der Froschhornhaut ein Rest des alten Kerns fortbestünde, während derselbe bei Thei- lung ihres Epithels verbraucht würde. Ich glaube im Uebrigen die von den genannten Autoren berichteten Einzelheiten, soweit sie die typische Mitose betreffen, hier übergehen zu dürfen, da die- selben inzwischen durch eigene neuere Arbeiten sowohl, wie durch solche von Flemming?), Strasburger?), Rabl®) u. A. je nach- dem genngsam widerlegt, bestätigt oder ergänzt worden sind. Vor Schilderung der einzelnen Phasen noch einige Worte über den mit starker Vergrösserung betrachteten ruhenden Kern (Fig. 2). Um beide Seiten desselben rücksichtlich der Pol- und Gegen- polseite resp. der primären und sekundären Fäden studiren zu können, liess ich mir mit Bezugnahme auf Rabl’s Mittheilungen ein TI ge- formtes Metallrähmchen anfertigen, in dem sich ein verschiebbares, gleichfalls metallenes Plättehen bewegt. Zwischen die Vorsprünge beider wird ein Deckgläschenpräparat eingeklemmt. Trotzdem ist es mir nicht gelungen, einen positiven Aufschluss in den genannten Fragen zu gewinnen; ebensowenig Konnte ich entscheiden, ob es sich bei dem ruhenden Kerne um das Vorhandensein eines einzigen oder vieler Fäden handelt. Wahrscheinlicher dünkt mich indessen das Letztere. — Der Unterschied zwischen wahren Kernkörperchen und Netzknoten war stets ein prägnanter. Ausser durch ihre meist bedeutendere Grösse zeichneten sich erstere immer durch ihre Un- abhängigkeit von den Chromatinfäden und ihren eircumseripten hellen Hof aus. — Beobachtungen, welche die Annahme Tartu- feri’s?), dass im ruhenden Kern zwischen den Kernkörperchen Spindelfiguren existiren, stützen könnten, habe ich nicht gemacht. 1) S. 433, Nr. 2. 2),8,429;,, Nr. I. 3) 1. e. 4) 1. c. 5) Tartuferi, Ueber den feineren Bau des Kerns. Centralbl. f. d. medic. Wissensch. Nr. 31. 1884. 450 Dr. J. Sehottländer: — Was die Kernhüllen anbetrifft, so war das Netzwerk von einer seharf eontourirten dunklen Hülle, welche ihrerseits wieder einen lichten Saum zeigte, umschlossen. 1. Phase. Knäulstadium. (Fig. 3 und 4). Der Kern ist vergrössert, die scharfe Abgrenzung verschwun- den (einige Chromatinfäden greifen bisweilen über das meist noch erkennbare Grenzgebiet hinaus); ein heller Hof ist sichtbar. Es besteht kein zusammenhängender Faden, sondern es bilden sich einzelne dicht zusammenliegende Segmente, deren Ränder ziemlich glatt erscheinen. Das echte Kernkörperchen fand ich ganz im Anfang im Gegensatz zu Rabl u. A. unzweifelhaft noch erhalten; dasselbe schwindet indessen früh. Die Fäden verlaufen stark ge- wunden, vielfach, aber nach meiner Erfahrung durchaus nicht im- mer, quer zur Längsachse des Kerns. Trotz vieler darauf ver- wendeter Mühe ist es mir nur in wenigen Fällen gelungen schon jetzt ein von den Fäden frei gelassenes Feld. das Polfeld, und dementsprechend Pol- und Gegenpolseite zu unterscheiden. Im Stadium des dem dichten folgenden lockeren Knäuls rücken die Fäden bedeutend auseinander, werden dieker und kür- zer; ihre Ränder glätten sich vollständig. Die Zusammensetzung aus einzelnen hintereinander gelagerten, annähernd kugligen Ge- bilden (Pfitzner’s Chromatin-Kugeln), die durch feinste Zwischen - räume getrennt sind, ist besonders an Platinchlorid-Präparaten bei stärkster Beleuchtung und Vergrösserung erkennbar. Die Zahl der Segmente betrug in den Fällen, wo ich sie meiner Ueber- zeugung nach sicher gezählt habe, 24; in den meisten anderen schätzungsweise ebensoviel, kaum je weniger, eher mehr. Die Länge der allmählich entstehenden Schleifen ist eine ausserordent- lich verschiedene, lange wechseln mit kurzen in unregelmässiger Weise ab. Die Länge der Schleifenschenkel (bei der einzelnen Schleife) ist ebenfalls fast immer ungleich. Ausser der primären oder Hauptkrümmung, sind meist reichlich sekundäre oder Neben- krümmungen vorhanden. Dass ausnahmlos alle Schleifen ihre Hauptkrümmung dem frei bleibenden, jetzt meist wohl charakteri- sirten Polfeld zuwandten, ebenso dass Schleifen in ihrem Verlaufe ganz auf einer Seite blieben, konnte ich nur selten constatiren. Die meisten gehören zwar vorwiegend einer Kernseite an, ver- laufen aber wenigstens mit einem kleinen Theile auf der entgegen- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 451 gesetzten; eine oder zwei kurze Schleifen liegen oft innerhalb des Polfeldes. — Längsspaltung der Schleifen habe ich nur bei weni- gen Präparaten und zwar gleich Rabl nur bei Platinchloridhär- tung deutlich wahrgenommen. Um sie sichtbar zu machen, müssen offenbar besonders günstige Bedingungen sich verbinden; die Schwesterhälften verquellen unzweifelhaft sehr leicht mit einander. Andererseits kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass bei meinen Objekten in der That die Spaltung sich meist etwas verzögert. Ich gebe später die Begründung. — Alle Fadensegmente sind von einem ziemlich breiten hellen Hof umgeben. Einmal schien mir eine schräg stehende achromatische Spindelfigur ange- deutet zu sein; meist konnte ich weder diese, noch Zellstrahlung und Polkörper erkennen. 2;P.hases Mutterstern.;, (Biss, 642) Die Schleifen, deren Zusammensetzung aus einzelnen Chro- matinkugeln noch nachweisbar ist, kehren bis auf seltene Aus- nahmen ihre Hauptkrümmung oder ihre Winkel dem durch die Spindel gebildeten Centrum, der Theilungsachse, zu. Die sekun- dären Krümmungen sind mehr oder weniger ausgeglichen, ebenso die ungleiche Schenkellänge der einzelnen Schleife. Verschiedent- lich habe ich bei unzweifelhaften Muttersternen statt der voilstän- digen Trennung in zwei Schwesterhälften innerhalb der Fäden nur einen feinen lichten Saum angedeutet gefunden; wenn nun auch eine nachträgliche Verquellung der Spalthälften durch Reagentien- wirkung nicht sicher auszuschliessen ist, so halte ich es doch für wahrscheinlicher, dass bei meinen Objekten die Halbirung mit- unter erst zu dieser Zeit thatsächlich erfolgt. Ebenso sehe ich erst in dieser Phase klar ausgeprägte achromatische Fäden; ihre Längsachse erschien fast immer derjenigen des Kerns schon an- gepasst. Die Intensität ihrer Färbung (ganz farblos sind sie nie) wechselt. Sie bestehen aus mehreren dunkleren mit dazwischen liegenden helleren Streifen. Ihre Gestalt ist meist spindel-, öfters aber auch mehr tonnenförmig. Die Existenz von Körnern ist bei meinen Objekten nicht nachweisbar. — Die Zellstrahlung, der Cyt- aster, war, besonders bei Polansichten, meist schön zu sehen; nicht so gut die Polkörper van Beneden’s. — Der helle Hof der peripher gelegenen”Schleifen fliesst oft in einen die ganze Kern- figur umgebenden hellen”Saum über. Die Innenzone des Zellleibs 452 Dr. J. Schottländer: ist gegenüber der Aussenzone, die häufig weit reichende Fortsätze aussendet, meist unregelmässig und unscharf begrenzt ist, dunkler gefärbt und etwas dichter. 3 Phase. Umordnung. (Fig. 3). Auch an meinen Präparaten kann ich bestätigen, dass diese Phase weitaus die seltenste ist d. h. offenbar am schnellsten ab- läuft. Immerhin steht mir eine ganze Reihe entsprechender Fi- guren zu Gebot, besonders solche, bei denen sich die Schwester- hälften eben zu trennen beginnen. Bezüglich der Art wie das ge- schieht, scheint für meine Objekte am ehesten das von Rabl an- gegebene Schema 2 zuzutreffen, da die Schenkellänge der einzel- nen Schleife in der Mehrzalıl der Fälle eine ungleiche ist. Gerade durch diesen Umstand wird während der Zeitabschnitte, in denen die kurzen Schenkel sich schon vollständig polwärts dislocirt haben, die langen jedoch noch in grösserer Ausdehnung in Con- takt stehen, oft die Täuschung hervorgerufen, als sei die Haupt- krümmung nicht wie es die Regel, dem Pole, sondern dem Aequator zugewendet. Der wahre Sachverhalt klärt sich indessen ) augen- blieklich auf, sobald auch die langen Schleifenschenkel, längs den Spindelfasern auseinander gleitend sich vollständig von einander entfernt haben und die dicentrische Anordnung gegeben ist. In- dessen auch nach völliger Trennung lässt sich der ursprüngliche Zusammenhang beider Schleifengruppen erkennen: fast überall sieht man zwischen denselben deutliche Verbindungsfäden ausge- spannt, die in ihrer Beschaffenheit genau den achromatischen Fa- sern gleichen; letztere verhalten sich an den Polen wie oben ge- schildert. 4. Phase. Tochtersterne. (Fig. 9). Indem die Schleifen, radiär aufgestellt, ihre Winkel den bei- den Polen zukehren, entsteht der Tochterstern, der, wiederum nach der Häufigkeit seines Vorkommens beurtheilt, ein ziemlich langdauerndes Stadium darstellen muss. Die Zahl der Schleifen hierbei zu eruiren, ist mir nicht gelungen; ebenso war mir nicht recht deutlich, dass, wie Rabl angibt, die Halbirungslinie der Schleifenwinkel resp. ihre Verlängerung an dem Pol der Spindel- figur vorbeiläuft, ohne sie zu schneiden. — Bezüglich der Ver- bindungsfäden will ich noch bemerken, dass ich dieselben mit- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 453 unter im Aequator von einer Reihe dunkler Punkte durchsetzt fand. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass es sich hier, worauf auch Mayzel aufmerksam macht, um Bildung einer Zellplatte, wie bei den Pflanzen, handelt. Das Polfeld ist fast durchweg an der Figur als halbkreisförmiger Hilus gekennzeichnet. 5. Phase Tochterknäule. (Fig. 10). Die Veränderungen, welche die chromatischen Schleifen wäh- rend dieser und der vorhergehenden Phase in Form und Grösse erfahren, sind die gleichen wie die bei den Prophasen angedeu- teten; nur gilt die umgekehrte Reihenfolge. Der Hilus, der nur selten noch einen Rest der achromatischen Figur birgt, ferner die achromatische Hülle heben sich deutlich ab. — Es erübrigen noch einige Worte über die in diesem Stadium einsetzende Zelltheilung. Auf beiden Seiten, jedoch auf der einen meist ausgesprochen tiefer eingreifend, tritt eine dunkle von einem hellen Saum umgebene Furche auf; beide Furchen rücken allmählich aufeinander zu, be- rühren sich schliesslich und trennen so die letzte Verbindungs- brücke, welche meist in Gestalt einer spitzen Hervorragung zwi- schen dem Zellleibe beider Tochterkerne noch existirt. Kurz vor- dem die jungen Tochterzellen volle Selbstständigkeit erlangen, ändern die Verbindungsfäden scheinbar ihre Richtung. Sie be- ginnen immer stärker nach dem Centrum des Aequators zu con- vergiren und stellen schliesslich zwei von einem dunkelen Punkte des letzteren ausgehende kegelförmige Strahlenbündel dar. Wo- rauf diese Erscheinung zurückzuführen ist, soll später erörtert wer- den. — Sind einmal zwei getrennte Toochterzellen vorhanden, so gehen die Knäule rasch in den Ruhezustand über — auch hier be- ziehe ich mich in Betreff der Einzelheiten auf das zu Beginn dieser Phase Bemerkte. In Zusammenfassung meiner Befunde und Vergleichung der- selben mit dem über die Mitose xar’ 2£oynv Bekannten, sei mir gestattet, zum Theil in Wiederholung, auf folgende Punkte hin- zuweisen: Dass ich im Knäulstadium nur ausnahmsweise die Giltigkeit der von Rabl angeführten Grundregeln bei der Schleifenlagerung bestätigen konnte, mag zum Theil seine Begründung in meiner noch unzureichenden Erfahrung über diesen schwierigen Gegen- stand finden. Andererseits muss ich aber, besonders im Hinblick 454 Dr. J, Schottländer: auf die zahlreichen mir zur Disposition stehenden Beobachtungen über ausgesprochen atypische Mitose, geltend machen, dass viel- leicht unter pathologischen Bedingungen eine so strenge Gesetz- mässigkeit in dem Verhältniss der chromatischen Fäden zum Polfeld nicht statt hat; daraus würde wiederum folgen, dass vielleicht eine so frühzeitig ausgesprochene Scheidung von Pol- und Gegenpolseite überhaupt nicht eintritt. Allerdings ist immer wieder zu betonen, dass gegenwärtig ein sicheres Urtheil, in wie weit die Fädenlage- rung von der Reagentienwirkung beeinflusst wird, noch nicht ab- gegeben werden kann. Der Umstand, dass ich mehrfach bei lockeren Knäulen ge- rade 24 Segmente sicher constatiren konnte, welche Zahl Rabl als feststehend für die Epithel- und Bindegewebszellen der Sala- manderlarve annimmt, gibt der von genanntem Autor im Gegen- satz zu Flemming u. A. geäusserten Ansicht, dass für jede Zellenart ein bestimmtes Zahlengesetz existirt, eine neue Stütze. — Weiter befinde ich mich im Gegensatz zu Flemming, Retzius und Heuser wiederum in voller Uebereinstimmung mit Rabl, wenn derselbe die Schenkellänge der einzelnen Schleife und die- jenige sämmtlicher Schleifen im Vergleich zu einander, viel öfter für verschieden als nicht verschieden erklärt. Bei meinen Ob- jekten herrscht unbedingt der erstere Modus vor. — In Bezug auf die Längsspaltung der Schleifen muss ich abweichend von Rabl und im Einklang mit den früheren Autoren nach meinen Beobach- tungen annehmen, dass der Eintritt derselben nicht immer an die Knäulphase gebunden ist, vielmehr sich zuweilen bis in die Phase des Muttersterns verzögert. Ob daraus zu schliessen ist, dass die- selbe sich thatsächlich an keine bestimmte Phase hält, oder ob diese Verzögerung als Ausnahme zu betrachten ist, muss freilich unentschieden bleiben. — Die über die folgenden Phasen von Rabl gemachten Angaben, kann ich bis auf einige mir minder wichtig erscheinende, schon oben erledigte, Differenzen vollinhalt- lich bestätigen; nur auf einen Gegenstand muss ich noch etwas näher eingehen. Ich erwähnte oben S. 452, dass die sogenannten Verbindungsfäden den Spindelfasern vollkommen glichen. In der That vermag ich kein einziges Unterscheidungsmoment aufzufin- den, namentlich mich nicht von einem viel geringeren Lichtbre- chungsvermögen der ersteren gegenüber den letzteren (cf. Rabl) zu überzeugen. Es ist daher die Ansicht wohl nicht unberechtigt, Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 455 dass durch die Verbindungsfäden der äquatoriale Theil der achro- matischen Spindelfigur, der bis zur Phase der Tochterknäule oder noch länger (s. unten) bestehen bleibt, repräsentirt wird, während der polare, der früher verschwindet, meist, wie auch Rabl an- nimmt, nur noch durch eine etwas hellere Färbung am Hilus der Tochterkerne sich kundgibt. — Im weiteren Verlaufe liegt mit Be- ginn der Zelltheilung, die nicht selten mit einer Art Scheidewand- bildung einhergeht, in der immer stärker werdenden Convergenz der achromatischen Fasern nach dem Centrum des Aequators ein Ausdruck höchst wahrscheinlich dafür, dass mit der Zelltheilung zugleich sich eine Theilung derselben vollzieht, die mit der völli- gen Separation der Tochterzellen beendet ist. Ob sich die Be- standtheile der Spindel, die dann meist schnell unsichtbar werden, dem Kernsaft beimischen oder dem Protoplasma in der Umgebung des Kerns, darüber vermag ich ebenso wie über ihren Ursprung kein Urtheil abzugeben. Für die letztere von Strasburger vertretene Ansicht spricht vielleicht, dass ich wiederholt noch Reste der Spindelfigur gesehen habe zu einer Zeit, wo die jungen Tochterkerne schon bestimmtere der Endform sich nähernde Um- risse aufwiesen. Während in meinen Objekten die Mehrzahl der durch Um- ordnung der chromatischen Suhstanz charakterisirten Theilungs- figuren dem Gebiete der eben geschilderten typischen Mitose zuge- hört, habe ich im Folgenden eine Minderzahl von solchen zu be- schreiben, die zwar alle von der Norm (der Abkürzung halber sei dieser Ausdruck gestattet) in gewisser Beziehung abweichen, ein- ander selbst aber durchaus nicht gleichwerthig sind. Von letz- terem Gesichtspunkte ausgehend stelle ich wiederum drei verschie- dene Gruppen auf: Auf die erste entfallen Figuren, welche ganz regellose Abweichungen von der typischen Mitose, deren Gesammtecharakter indessen bewahrt bleibt, zum Ausdruck bringen. (Abnorme Mitosen-Flemming. Pa- thologische Figuren-Rab|.) Bei derzweitenistwiederum der@esammtcharakter der Mitose deutlich ausgesprochen, die Abweichungen lassen sich jedoch gewissen Gesetzen unterordnen, sie sind im?Gegensatz zu vorhin gesetzmässige. Da mir Beobachtungen über heterotypische Mitose nicht zu 456 Dr. J. Schottländer: Gebote stehen (vergl. oben S. 429 Flemming’s Mittheilungen) so rechne ich hierher nur die mehrfache Kerntheilung und zwar zum Unterschiede von genanntem Autor, der dieselbe unter den ab- normen Mitosen aufführt. Bei der dritten Gruppe endlich sind die Abwei- chungen von der typischen Mitose zwar auch gesetz- mässige, allein der Gesammtcharakter der indirekten Segmentirung (Arnold) ist nieht bewahrt. Es handelt sich um die von Arnold beschriebene indirekte Frag- mentirung. Einige wenige in meinen Objekten gefundene Figuren dürften in diesem Sinne zu deuten sein. Obgleich, wie die nachstehenden Erörterungen ergeben wer- den, eine strenge Scheidung der einzelnen Gruppen und eine strikte Abgrenzung derselben von der Norm nicht wohl möglich ist, glaube ich doch zu ihrer Aufstellung deshalb berechtigt zu sein, weil dadurch die Haupteigenschaften der bezüglichen Kern- theilungsbilder in schärferen Umrissen hervortreten, als durch eine allein objektive Schilderung. Aus dem Folgenden erhellt gleich- falls, weshalb ich gerade diese Aneinanderreihung der Gruppen bevorzugt habe. Gruppel. Atypische Kerntheilung. Welche Einflüsse bei dem Zustandekommen der hierher ge- hörigen, oft völlig räthselhaften Figuren im Spiel sind, entzieht sich nieht selten der Beurtheilung; doch muss man unzweifelhaft hier besonders mit artificiellen, durch die Präparation und die verschiedenen Reagentien hervorgerufenen Veränderungen als einem bedeutungsvollen Faktor rechnen. — Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Aufzählung nach ganz bestimmten Prineipien sich hier nicht bewerkstelligen lässt; immerhin hat man in der einen Reihe der Fälle vorwiegend Veränderungen in der Gestalt und Grösse, in der anderen Abnormitäten der Lagerung der chro- matischen Segmente zu berücksichtigen. Die erstgenannte Abweichung war bei meinen Objekten nur in geringem Maasse vertreten — Analoga zu Flemming’s oben (S. 429) mitgetheilten Befunden fehlen mir vollständig. Mitunter war an einigen normal gruppirten Segmenten oder auch an allen ein eigenthümlich plumper Bau, abnorme Schrumpfung, unscharfe Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 457 Begrenzung unverkennbar; das Vorhandensein einzelner Chromatin- kugeln war auch mit Hülfe der besten optischen Mittel nieht mehr nachweislich; die Figuren in toto waren dadurch verzerrt und fielen durch ihre Unregelmässigkeit sofort auf. Nicht immer war dafür allein die ungleichmässige oder allzulange Einwirkung der Härtungsflüssigkeit verantwortlich zu machen. Vielmehr stiess ich auf solehe zu wiederholten Malen auch inmitten wohlgebildeter Mitosen, ganz besonders im Aetzbezirke, wo wir es dann wohl mit sogenannten abortiven Kernfiguren zu thun haben. Durchaus nicht selten war die zweite Reihe der Fälle. Die- selbe lässt sich durch Uebergangsformen ungezwungen von der typischen Mitose in gewisser Weise ableiten. Wie schon bei letz- terer innerhalb des Rahmens der einzelnen Figur sich mannig- fache Variationen abspielen können — ich erinnere z. B. an die disloeirten, in ihrem ganzen Verlauf der Gegenpolseite angehörigen Fäden, von denen Rab] berichtet, ferner an die wechselnde Zahl von Fadenenden innerhalb des Polfeldes — so ist es nur ein Unterschied des Grades, wenn einzelne Fäden oder Fadenschleifen sich völlig aus dem Zusammenhange mit den übrigen lösen und über die Grenzeontour weit hinausrückend volle Selbstständigkeit erlangen. Bei Prophasen sowohl wie bei Anaphasen, im Sta- dium des lockeren Knäuls wie des Sterns, liegen dann bald näher bald weiter von der im Uebrigen normal gebildeten Figur entfernt, 1— 3, selten mehr, verirrte, von einem hellen Hofe umgebene Faden- segmente, die den übrigen gleich gebaut in ihren Beziehungen zum Pole jede Gesetzmässigkeit meist vermissen lassen. — Des Weiteren lag mehrfach (ich kann in meinen Präparaten rela- tiv viele Fälle nachweisen) zwischen zwei schon getrennten Tochterkernen (im Stadium des Sterns wie des Knäuls) ein deut- lieher ehromatischer Faden von wechselnder Länge!). Bald reichte derselbe continuirlich von dem einen Tochterkerne zum anderen (Fig. 11); bald war im Aequator eine Lücke sichtbar; bald endlich fand sich nur ein Mittelstück, das mit den Tochterkernen nicht in Zu- sammenhang stand. Stets gewahrte man einen hellen Hof in der Um- gebung. Es handelt sich hier offenbar, wie auch Rabl betont, um Fa- denstücke, bei deren Schwesterhälften während der Metakinese die normale Wanderung und Einreihung unter die anderen verspätet, r 1) cf. Rabll. ce. / 458 Dr. J. Schottländer: oder überhaupt nicht eintritt. Dieselben bleiben entweder nach Verlust ihrer Krümmung, wie im letzten Falle, im Aequator zurück, ohne die Pole zu erreichen, wöbei sie noch in ihrer ganzen Länge in Contakt stehen oder theilweise sich von einander entfernt haben können (nachträgliche Verschmelzung erscheint mir weniger plau- sibel); oder es gelangen wie im ersten Falle die polaren Enden zwar in die Nähe der Pole, die äquatorialen bleiben aber ausser- dem in Verbindung, wobei sich die Winkel ausgleichen können, oder endlich wie im zweiten Falle die äquatorialen Enden haben sich zwar um ein Weniges von einander disloeirt, die Fadenstücke sind den Polen näher gerückt wie bei Fall 1, erreichen dieselben aber nicht vollständig. Die Winkel gleichen sich aus oder bleiben bestehen. Unzweifelhaft ist hier immer die Schenkellänge jeder Schleife ungleich; ist doch ohnedies bei meinen Mitosen die ver- schiedene Länge häufiger. Ob durch ausgedehntere Verlagerung von Fadenstücken zu Beginn der Kinese schliesslich Nebenkerne entstehen können, wie ich solche auch z. B. neben einem im Knäulstadium sich befindenden Hornhautkörperchen gesehen habe, weiss ich nicht zu sagen. Je- denfalls sind ganz irreguläre Mitosen durchaus nicht selten, die, wenn man nicht schlechtweg von Artefakten sprechen will, nur durch die Annahme erklärt werden können, dass hier die grössere Menge der chromatischen Segmente an der Verlagerung sich be- theiligt hat. Ich muss mich auf eine Abbildung beschränken, die einen offenbar atypischen Mutterknäul in einer Endothelzelle darstellt (Fig. 12). 2. Gruppe. Mehrfache Kerntheilung. Mehrpolige Figuren waren in ca. 200 Präparaten, die über- haupt Mitosen enthielten, ca. 25mal zu finden. Wenn wir auf jedes der Präparate im Durchschnitt etwa 20 Mitosen rechnen (bald waren es weit mehr, bald weniger), so würden wir unter 4000 gewöhnlichen 25 mehrfache Kernfiguren d. h. etwa in 6%g0 aller Fälle pluripolare Theilung zu verzeichnen haben. Dieselbe ist also unter den gegebenen Verhältnissen unbedingt selten. Selbstverständlich kommt indessen den genannten Zahlen nur ein sehr relativer Werth zu. Da in einem Präparate bisweilen mehrere entsprechende Figuren vertheilt waren, so erweisen sich dieselben auf ca. 20 Präparate, die alle von zwischen dem 8. und 10. Tage Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 459 nach der Aetzung getödteten Thieren stammen, zusammengedrängt. Es war stets eine besondere Fülle von Mitosen darin; es ist dies ein Fingerzeig dafür, dass mehrfache Theilung überhaupt nur unter besonders günstigen Bedingungen einsetzt, dass dazu eine ener- sische Regeneration bei ausserordentlich lebenskräftigen Organis- men erforderlich ist. In der That waren die in Betracht kommen- den Frösche sehr munter und lebendig und von dem pathologi- schen Processe an ihren Augen anscheinend wenig beeinflusst. Ich kann darüber Auskunft geben, weil ich zufällig bei einer Serie schnell hintereinander verarbeiteter Thiere Mehrtheilung entdeckte. Die zu beschreibenden Figuren beziehen sich fast ausschliess- lich auf Theilung in drei oder vier Abschnitte; die letztere war bei Weitem häufiger. Theilung in mehr Abschnitte fand sich nur einmal und zwar meiner Ansicht nach eine Sechstheilung. Da ich nicht über alle bei der typischen Mitose bekannten Phasen ver- füge, so bin ich zum Theil auf theoretische Ergänzung der fehlen- den Glieder angewiesen; ich glaube indessen, dieselbe darf unbe- schadet der exakten Forschung an geeigneter Stelle hier eingreifen. In den Anfangsstadien sind wir, wie schon Martin!) hervor- hebt, auf Vermuthungen beschränkt. Der einzige Anhaltspunkt, der für mich Geltung hat, ist die auffallende Grösse der Zelle und des Kerns, da ich eine mehrzipflige Gestalt der erteren, wie sie nach Martin schon zu Beginn der Kinese vorkommen soll, nie- mals wahrgenommen habe. Wie nun Zellen von abnormer Grösse mit gewaltigen Kernen in der Ruhe nicht selten sind, so lenken auch dichte Mutterknäule die Aufmerksamkeit auf sich, welche so bedeutende Dimensionen besitzen, dass mir eine andere Auslegung, als die beginnender mehrfacher Theilung durchaus unwahrschein- lich dünkt. Sicherheit ist indessen erst mit der Anlage der Spindel- pole bei dem nun folgenden lockeren segmentirten Knäul gegeben. Zu meinem grossen Leidwesen ist es mir trotz eifrigsten Suchens nicht geglückt ein derartiges Bild zu eruiren — ich bin also be- sonders bezüglich der Schleifenzahl, die selbstverständlich hier von speciellem Interesse ist, statt einer direkten Zählung zu Schluss- folgerungen genöthigt. Es existiren zwei Möglichkeiten. Die eine wäre die schon von Rabl angedeutete, wonach ein Knäul von 24 Segmenten durch die Längstheilung in 48 Spalthälften zerfällt, Del, ic; 460 Dr. J. Schottländer: von denen je nach der Zahl der zu bildenden Tochterkerne, bei der Dreitheilung je einem 16, bei der Viertheilung 12 u. s. f. zu- kämen. Diese Hypothese scheint mir aus verschiedenen Gründen nicht viel für sich zu haben: theoretisch deshalb, weil bei der höheren, mehr als vierfachen Theilung, deren Endprodukte aller- dings an pathologischen Objekten bisher nieht beobachtet worden sind!), gegen deren Entwicklung aber keine Beweise vorliegen, dann auf jeden Tochterkern z. B. bei der Sechstheilung nur 8, bei der Achttheilung nur 6 Fadenstücke entfallen würden; ausserdem wäre bei der höheren ungeraden z. B. der Fiinf- und Siebentheilung, eine gleichmässige Anordnung der Spalthälften überhaupt unmög- lich. Angenommen nun, es bildeten nur bei der Drei- und Vier- theilung sich wirklich Tochterkerne aus, so könnte man sich vor- stellen, die normale Schleifenzahl 24 würde vielleicht durch eine zweite Längsspaltung, wie sie Flemming bei der heterotypischen Mitose in den Spermatocyten beschreibt), wieder erreicht; bei der Viertheilung entständen dadurch gerade wieder 24, bei der Drei- theilung 32 Fadensegmente, die event. durch spätere Verbindungen wieder auf 24 sich zu reduciren vermöchten. Indessen abgesehen davon, dass ich eine zweite spätere Längsspaltung wohl kaum vollständig übersehen hätte, zumal da ich durch Flemming’s Arbeit auf ihr Vorkommen aufmerksam gemacht worden war, so sprechen dagegen auch ganz direkte Thatsachen, wie aus Erörte- rung der späteren Phasen hervorgehen wird. Für viel ungesuchter halte ich daher die zweite der beiden oben erwähnten Möglich- keiten. Da, wie mitgetheilt, schon in der Ruhe aber auch im An- fang der Kinese Kerne von besonderer Grösse auffallen, und da doch zu einer gewissen Zeit eine Incongruenz der Zahl bestehen muss, so liegt entschieden näher, dass von vornherein statt 24, eine entsprechend höhere Zahl von Segmenten zur Ausbildung gelangen, also bei einem zur Dreitheilung sich anschiekenden Kerne 36, bei der Viertheilung 48 u. s. f., indem eine Zelle sammt Inhalt unter gewissen äusserst günstigen Ernährungsbedingungen stärker als die übrigen wächst, eine grössere Summe von Chromatin in ihrem Kerne aufspeichert, und wenn der Anstoss zur Theilung gegeben ist, naturgemäss sich in mehr Abschnitte als gewöhnlich spaltet. Es wird bei der höheren z. B. der Sechstheilung, wobei 72 Faden- 1) Wohl aber an normalen. Vergl. u. S. 469 die Befunde Denys’. 2) Vergl. S. 429. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 461 stieke zu erwarten sind, das Kernvolumen allerdings ein sehr be- trächtliches sein müssen — immerhin ist mir dieser Modus leichter verständlich, als dass die Endprodukte hier stets Tochterkerne mit nur 8 Segmenten sein sollen. Meine im Folgenden zu schildern- den Befunde weisen alle gleichfalls mehr oder weniger ausgespro- chen auf die Richtigkeit dieser letzteren Annahme hin; denn, wenn es auch in einer Zelle sowohl noch in Kinese, wie schon in Ruhe begriffene Tochterkerne gibt, die vielleicht weniger als 24 Seg- mente besitzen, so ist damit der Gegenbeweis durchaus nicht ge- liefert, da im ersteren Fall oft noch später ein Ausgleich eintritt (s. unten), aus dem letzteren — es sind unter 4 stets nur 1 oder 2, die diesen Mangel zeigen — sicherlich keine Regel ableitbar ist. Aus dem lockeren Knäul entsteht, indem die Schleifen ihre Winkel den verschiedenen Spindeläquatoren zuwenden, die Stern- form. Von hier datiren meine ersten Beobachtungen. Ich beginne mit der Viertheilung, da ich dieselbe, umgekehrt wie Martin, öfter in meinen Objekten fand als die Dreitheilung und auch über mehr hierhergehörige Phasen verfüge. Man betrachte zunächst Fig. 13. Nach Analogie meiner Fig. 7 und Flemming’s Fig. 381) und in Folge der leicht verständlichen Bemerkung desselben Autors, bei flachzelligen Geweben seien diese Bilder häufig, bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass es sich hier um die Polansicht eines viertheiligen Muttersterns mit schräg gestellten Spindeln handelt. Mit dieser Auffassung steht die allgemein anerkannte auch bei mir herrschende Seltenheit der Umordnungsphase, ferner der Umstand im Einklang, dass die Schleifen undicht liegen und in ihrer ganzen Anordnung mehr der Sternform entsprechen. Ebenfalls auf diese Weise erklärt sich ungezwungen ihr Uebergreifen über die Spindel- begrenzung; bei einer mehr von der Fläche gesehenen Figur (vergl. Fig. 17 der Dreitheilung) fällt dasselbe weg. Arnold und Martin haben offenbar ganz ähnliche nur wohl in der Theilung weiter fortgeschrittene Kernbilder vorgelegen. Letzterer, der die aus Schleifen bestehenden Strahlen der chroma- tischen Figur als körnige Plattenschenkel anspricht, gibt von der zwischen ihnen eingeschlossenen Substanz folgende Beschreibung. Sie besitze bald die Beschaffenheit von dunklen Knäulen, ein Be- fund, der ihm wegen der Widerlegung anderer Deutungen beson- 1) Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung 1882. Taf. III a. “ 462 Dr. J. Schottländer: ders wichtig erscheine, bald sei sie licht und setze sich aus gerade oder mehr bogenförmig verlaufenden Fäden zusammen, d. h. sie bilde Spindeln oder Tonnen. — Während ich von den erwähnten Knäulen weder hier noch anderweitig jemals eine Andeutung zu entdecken vermochte, waren die lichten Fäden in diesem Stadium und zwar ihrem Wesen nach den Angaben Martin’s vollständig analog, stets deutlich ausgeprägt; im Vergleich zu der einfachen Mitose besteht nur der Unterschied, dass ihre Breite den Winkeln der Sehleifenstrahlen gemäss eine ausgedehntere ist. Für unsere Figur 13 folgt aus der oben supponirten Richtung der Spindel- fasern ohne Weiteres, dass nicht nur diese, sondern auch die Zell- strahlung sichtbar sein muss. Die Polkörper waren dagegen hier nicht scharf markirt. — Um es gleich hier anzuschliessen, so ist ausser dem hellen Schleifenhof die gesammte Kernfigur von einem lichten Saum umgeben (in der Zeichnung fehlend). Die dunklere Färbung der Innenportion des Zellleibs gegenüber derjenigen der Aussenportion war hier wenig ausgesprochen. Die Zellgrenzen sind, wie die Zeichnung es wiedergibt, unregelmässig, zackig, häufig schwer erkennbar. — Die chromatische Figur hat annähernd die Gestalt eines )-/; an einen geraden kurzen Schenkel setzen sich je zwei schräge längere unter etwa gleichen Winkeln ant). Die Schema 1. in denselben belegenen Schleifen müssen een naturgemäss eine verschiedene Lage ein- =G dichter, bald weniger dicht aneinander ge- N 9% = N nehmen: während sie in der Mitte bald | IN NE un ni) DS Nu U drängt ihre Hauptkrümmung je einem der N DH DR N vier Spindeläquatoren zuwenden, richten sie = dieselbe innerhalb der Schenkel oder Strah- = len nur nach zwei Seiten, dadurch ihre Zu- gehörigkeit zu zwei Spindeln bekundend. Vollständige Gesetz- mässigkeit derart, dass in abwechselndem Turnus die eine Hälfte ihre Scheitel dem einen, die andere dem anderen Halbäquator zu- kehrt, mit anderen Worten die in dem Schemal ausgedrückte ideale Schleifenlagerung wird in Wirklichkeit nicht zu erwarten sein. Dass dem so ist, lehrt die Betrachtung von Fig. 13. Indessen ist die Sehleifenanordnung andrerseits auch keine vollkommen atypi- sche, irreguläre; vielmehr walten unverkennbar bei den Schleifen- 1) Cfr. Martin. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 463 scheiteln im Centrum 4, an den Flügeln 2 entsprechende Rich- tungen vor. Wenn wir daneben berücksichtigen, dass bei meinen pathologischen Objekten Ungleichheiten der Schleifen in jeder Be- ziehung, ferner hochgradige sekundäre Krümmungen zur Regel gehören, so erfährt das Gesammtbild eine befriedigende Erklärung und Lösung in dem bereits angegebenen Sinne. — Die Längsspal- tung der Fäden war nicht zu sehen; ob dieselbe noch nicht ein- getreten oder ob, was vielleicht wahrscheinlicher, die Schwester- hälften durch Chrom-Ameisensäure- Wirkung mit einander verbacken sind, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die Breitendimen- sion der Schleifen gegenüber der bei Fig. 14 besonders bemer- kenswerth. Man erfährt dadurch, dass ein Auseinanderrücken der Schwesterhälften sicher noch nicht stattgefunden hat. Das ist aber wieder von Werth bei der wichtigen Frage nach der Zahl der chromatischen Segmente. Ist meine Voraussetzung von vorhin richtig, so müssen nicht wie bei der einfachen Mitose 24, sondern 48 vorhanden sein. Gibt man sich die Mühe in der einigermassen naturgetreuen Zeichnung die Zahl abzuschätzen, — eine sichere Bestimmung ist leider unmöglich, — so wird sich herausstellen, dass dieselbe unzweifelhaft mehr als 24, ja sogar annähernd 48 beträgt. Diese 48 Schleifen vertheilen sich ungefähr so, dass auf jeden Schenkel des ), wenn man noch einige central gelegene mitrechnet, ca. 12 entfallen; ich halte es für in hohem Grade wahr- scheinlich, dass meist diese regelmässige Vertheilung zu Recht besteht, zumal da ich noch zwei später entdeckte Figuren als Be- leg anführen kann; dieselben besitzen in ausgezeichneter Weise wie diese, so auch die früher postulirten Eigenschaften. Ueber Abweichungen in dieser Beziehung soll ein späterer Abschnitt handeln. Es folgt das Stadium der Metakinese, dessen Verlauf sich aus Figur 14 leicht abstrahiren lässt. Nachdem die Schleifen an den Flügeln und im Centrum einander viel näher gerückt sind und, mit dem Scheitel nach den verschiedenen Aequatorialebenen gerichtet, ein dichtes in diesem Augenblick unentwirrbares Bild her- vorgebracht haben, beginnt das Auseinanderweichen der Schwester- hälften nach den Polen zu, ganz in derselben Weise wie bei der typischen einfachen Mitose. In der vorliegenden Flächenansicht sind fast sämmtliche Schleifen schon von einander getrennt; die Hauptkrümmung ist mit wenigen Ausnahmen schon den entspre- Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 21, 29 64 Dr. J. Schottländer: ehenden Polen zugewendet. Leider waren an den letzteren die Spindelfasern nicht sichtbar; über den Verlauf, den die folgenden Schemata zum Ausdruck bringen, kann indessen ein Zweifel nicht bestehen; man braucht nur die Scheitelrichtung bei den acht Schleifengruppen genauer ins Auge zu fassen. Was die Schleifen- zahl betrifft, so müssen bei regulärem Ablaufe der Theilung nach unserer Supposition auf jeden der in Bildung begriffenen Tochter- kerne 24 entfallen, indem derselbe von jeder Seite 12 erhält, im Ganzen also 96 Spalthälften existiren. Unterwirft man die Figur in dieser Beziehung einer Schätzung, so lässt sich in den Gruppen a und a, eine Minderzahl, in den Gruppen 5b und d (Schema 2) Schema 2. Schema 3. a a d b d c c eine Ueberzahl von Schleifen, die, wie wir sehen werden, ihren guten Grund hat, constatiren. Es ist demnach zwar die Zahl von 96 Schwesterhälften, wie es scheint, erreicht, aber die im Anschluss an den besprochenen Mutterstern zu erwartende Regelmässigkeit in der Vertheilung derselben ist ausgeblieben. Wir haben eine der nicht seltenen Varianten, mit denen wir uns noch beschäftigen müssen, vor uns. Fig. 14 wurde allein deshalb schon jetzt in den Kreis der Besprechung gezogen, weil sie die einzige mir in dieser Phase zu Gebot stehende ist. In Betreff ihrer übrigen Charaktere ist nur Weniges hinzuzufügen. Ebenso wie die Spindeln fehlten naturgemäss auch die Verbindungsfäden zwischen den zusammen- gehörigen Schleifengruppen. Die einzelnen Schleifen waren von. einem hellen Hofe umgeben, nicht dagegen die ganze Kernfigur. Das Protoplasma war überall ziemlich gleichmässig tingirt; die Zellgrenzen verhielten sich wie bei Fig. 13. Die Phase der Tochtersterne erläutert uns die Flächenansicht Figur 15. Die zu je einem Tochtersterne sich anordnenden Schleifen haben sich im Grossen und Ganzen regelmässig um den an der Delle und der helleren Färbung kenntlichen Pol, dessen Spindel- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 465 fasern zerstört oder geschwunden sind, gruppirt. Der Weg, den seiner Zeit die Schwesterhälften bei ihrer Wanderung nach den Polen zurück gelegt haben, ist durch die schön sichtbaren Ver- bindungsfäden angegeben, ausserdem berühren sich noch mehrere Schleifen mit ihren Enden. — Ueber die Schleifenzahl lässt sich weder bei dieser noch bei vier oder fünf analogen Figuren etwas Bestimmtes ermitteln. Jedenfalls wird aber meine Annahme durch sie nicht negirt. In Figur 15 scheint der links gelegene Tochter- stern im Vergleich zu den übrigen allerdings eine etwas geringere Schleifenzahl zu besitzen. Doch ist derselbe in seiner Entwicklung gegenüber den anderen noch etwas zurückgeblieben, wozu bei der mehrfachen Theilung leichter ein Anlass gegeben ist als bei der einfachen; seine Schleifen stehen noch etwas mehr auseinander, und es kommen ihm solche, wie die Abbildung klar zeigt, noch von verschiedenen Seiten zu gut. Allein selbst wenn er sich später als mit geringerer Schleifenzahl bedacht ausweisen sollte, so wird dadurch der Satz, dass sich vier regelmässige mit der bekannten Schleifenzahl ausgestattete Tochterkerne bilden können, noch im- mer nicht umgestossen; derselbe unterliegt im Hinblick auf die anderen Figuren, in deren Auswahl ich durch verschiedene Gründe geleitet wurde und beschränkt war, meiner Ansicht nach keinem Zweifel. — Für alle übrigen Einzelheiten der Figur gilt das bei Figur 13 zum Schluss Bemerkte. Viertheilungen in diesem Stadium beschreiben und bilden sowohl Arnold wie Martin und manche Neuere ab. Eberth’s viel urgirte Figur entspricht mehr der folgenden Phase. Bei Mar- tin fällt sofort die vierzipflige Gestalt der Zelle auf, die ich um diese Zeit stets noch vermisste. Die an den Ecken eines ziem- lich regulären Quadrats belegenen Kerne sind alle durch Fäden verbunden; ausserdem ziehen solche bisweilen durch die Mitte. Da dieselben meist dunkel und aus stark tingirten Körnern zu- sammengesetzt sein sollen, so sind sie wohl als noch in Contrakt stehende Chromatinschleifen anzusprechen. Der weitere Bericht Martin’s deckt sich im Wesentlichen mit dem von mir bereits Mitgetheilten. In Figur 16, gleichfalls einer Flächenansicht, ist die Phase der Tochterknäule dargestellt. Die Fadensegmente, die ihre Schleifenform grösstentheils eingebüsst haben, sind locker unter- einander verknüpft und so disponirt, dass eine Zählung nicht 466 Dr. J. Schottländer: möglich ist. Die einzelnen hell umsäumten Knäule, zwischen denen Verbindungsfäden ausgespannt sind, haben eine ausgespro- chene polare Delle; innerhalb der obersten befinden sich die Reste der Spindelfasern. Die Zellgrenze ist links ziemlich geradlinig, rechts mehr wellig, ungleichmässig. Die Furchung des Zellleibs hat links und rechts unten begonnen, ist jedoch links weiter cen- tralwärts fortgeschritten. Bis auf die vierzipflige Gestalt der Zelle und das Fehlen der Furchen lässt sich Eberth’s Figur mit der meinigen vollständig parallelisiren. Nach seiner Angabe besitzt jeder der vier Fortsätze des alten Kerns, für welchen er offenbar den von den chromatischen Figuren oceupirten Raum sammt dunkler Innenportion des Zellleibs hält, einen länglichen Haufen von Fä- den, die, nachdem ihre im Kerncentrum gelegenen Verbindungs- fäden gelöst sind, die Gestalt einer mit der Spitze nach innen ge- kehrten Birne annehmen. Die weiteren. Veränderungen sind die- selben wie bei der Zweitheilung. Aus den lockeren entwickeln sich in bekannter Weise die dichten Knäule; schliesslich gehen die Tochterkerne in den Ruhezustand über. Inzwischen sind die Furchen des Zellleibs bis zu ihrer Berührung im Centrum vorge- drungen, die Verbindungsfäden schwinden, und schliesslich sind vier gesonderte Tochterzellen mit wiederum bohnenförmigen Kernen vorhanden. Derartige Endstadien habe ich theils wegen Raum- mangels, theils wegen der ausserordentlichen Schwierigkeit, welche die Zeichnung der chromatischen Figur bereitet, bei der Vierthei- lung nicht abgebildet (vergl. Fig. 18 der Dreitheilung); in meinen Präparaten ist indessen eine ganze Reihe solcher zu finden. Ueber die unzweifelhaft meist ganz analog sich vollziehende Dreitheilung, welche unter den mehrpoligen Figuren weitaus am zahlreichsten beobachtet worden ist, berichten ausführlicher nur Arnold, Martin und in der neuesten Zeit Cornil, dessen be- reits genannte Arbeit!) mir leider nicht im Original zugänglich gewesen ist. Ebertlhi hat eine Dreitheilung augenscheinlich nicht vorgelegen. — Die ersten Anzeichen derselben sind nach Martin die schon in der Knäulphase des Kerns ausgeprägte dreieckige Gestalt der Zelle, deren Ecken eingeschnürt sind. Ich habe wie bei der Viertheilung, so auch hier nie etwas Aehnliches geschen. Ist die Theilung bis zur Bildung der Aequatorialplatte gediehen, 1) Anhang Nr. 16. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhant. 467 so entsteht ein ehromatischer Dreistrahl; der eine Strahl ist nicht selten länger als der andere. Ueber die zwischen den Strahlen gelegene Substanz gilt das bei der Viertheilung Angeführte. — Ich besitze leider nur eine dieser Phase nahestehende Kernfigur (Fig. 17); ich deute dieselbe als die mehr von der Fläche sich darstellende Ansicht eines dreitheiligen Muttersterns!. Während im Centrum die Schleifen des Dreistahls dichter stehen und ihre Scheitel nach drei verschiedenen Richtungen wenden, ist ihre An- ordnung an den Flügeln eine lockerere und die Scheitel wenden sieh nur nach zwei Richtungen. Die Zahl beträgt sicher mehr als 24, annähernd sogar 36. Eine der Zahl nach regelmässige Vertheilung auf die Strahlen ist nicht ausgeschlossen — wenn man vom Centrum aus abschätzt, mögen ca. 12 auf jeden derselben entfallen. Längsspaltung scheint mir im Gegensatz zu Fig. 13 stellenweise hier angedeutet zu sein. — Der Verlauf der Metaki- nese ist leicht verständlich. In Ermangelung direkter Beobach- tungen mögen die beigefügten Schemata 4 und 5 Beachtung finden. Schema 4. Schema 5. Das Stadium der Tochtersterne und Tochterknäule beschreibt Martin mutatis mutandis wie bei der Viertheilung. In dem von mir halbschematisch abgebildeten Falle (Fig. 18) handelt es sich um drei Tochterknäule, die durch bereits weit fortgeschrittene Zelltheilung gesondert sind. Besonders hervorzuheben ist, dass hier d. h. in dem letzten Stadium der Theilung noch die Reste der Verbindungsfäden erhalten waren. Es erübrigt die Besprechung der einzigen sich auf Spaltung in mehr als vier Abschnitte beziehenden Figur, die ich beobachtet habe. Da das sie enthaltende Präparat leider in vieler Hinsicht zu wünschen übrig liess, musste ich auch hier eine halbschemäatische Darstellung 1) Vergl. oben S. 461. 468 Dr. J. Schottländer: wählen. Ueber analoge Kernbilder berichten meines Wissens wie- derum nur Eberth und Martin. Ersterer schreibt: „Für eine noch ausgiebigere Kerntheilung (sc. als die Viertheilung) dürften solche Zellen sprechen, die einen hellen, in 6—7 ungleich grosse Strahlen sich fortsetzenden Kern enthalten, der sehr regelmässig angeord- net, bald in den Kernfortsätzen liegende Fadenballen, bald schräg durch den Kern verlaufende Fadenzüge enthält.* Martin nimmt in seinem Falle eine mindestens sieben-, wenn nicht achttheilige Kernplatte an. Es existirt zwischen seiner und meiner Figur (Fig. 19) eine unverkennbare Aehnlichkeit; meine Auffassung der- selben weicht jedoch wesentlich ab. Nach genauer Erwägung der einschlägigen Verhältnisse bin ich nämlich zu der Ueberzeugung gelangt, dass hier die Polansicht eines sechstheiligen Muttersterns vorliegt, bei dem die Spindeln unregelmässig und verschieden ge- stellt sind. Während alle übrigen Spindeln, deren Pole mit 1—6 be- zeichnet seien, schräg zur Theilungsachse stehen, ist die Richtung von Spindel 6 eine senkrechte, mit der Theilungsachse zusammen- fallende. Hieraus folgt unmittelbar, dass die von 6 ausstrah- lenden lichten Fäden fast ausschliesslich auf Rechnung des Cy- tasters zu setzen sind und nur zum kleinsten Theile den Spindel- fasern entsprechen, während bei 1—5 letztere gegenüber dem ersteren hervortreten. Weiter erklärt sich daraus ungezwungen das Bestehen eines fast vollständigen Schleifenkranzes bei 6, wäh- rend 1—5 nur von einem Halb- oder höchstens Dreiviertelkreis von Schleifen umgeben sind. Im Centrum ergibt sich dadurch natur- semäss ein von Schleifen frei blei- bender Raum. Derselbe würde un- zweifelhaft wegfallen, sobald, wie Schema 6 ausdrücken soll, ein voll- ständig regulärer Bau etwa nach Ana- logie von Fig. 17 vorhanden wäre. Ob derselbe bei der höheren, mehr als vierfachen, Theilung de facto in der Weise bestehen kann, dass sämmt- liche Spindelpole eorrespondiren und dass alle von den Schleifen- strahlen erzeugten Winkel etwa 60° betragen, muss erst die Zu- kunft lehren. Hier sind die letzteren jedenfalls äusserst ungleich; die Spindelpole eorrespondiren nieht. — Ueber Lagerung, Zahl der Schema 6. n w EN N VE N, Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 469 Schleifen und sonstige Einzelheiten mangeln mir alle Daten voll- kommen, weil, wie mitgetheilt, das Präparat und zwar durch zu lange Einwirkung von Platinchlorid verdorben ist. Ich kann diese durch noch ungenügende Erfahrung verschuldete technische Unvoll- kommenheit im Hinblick darauf nicht genug bedauern, dass ge- rade hier nähere Aufschlüsse vor Allem wünschenswerth gewesen wären. Vorläufig halte ich mich indessen davon überzeugt, dass hier ca. 72 in 144 Schwesterhälften gespaltene Fadenstücke sich bilden, aus denen schliesslich sechs Tochterkerne mit je 24 Seg- menten resultiren oder wenigstens resultiren können. Im Anschluss an das Gesagte habe ich nochmals der Befunde Denys’!) zu gedenken. Dieser Forscher führt die Entstehung der zahlreichen, in ihrer Menge ausserordentlich wechselnden Tochter- sterne (couronnes polaires), welche er im Knochenmark beobach- tete, auf mehrfache Theilung einer einkernigen Riesenzelle zurück, und zwar aus folgenden Gründen. Da eine Betheiligung der viel- kernigen Osteoklasten wegen ihrer Lagerung mehr in der Rinden- schicht des Knochens ausgeschlossen ist, so wäre nur noch die Möglichkeit offen, dass die Tochtersterne von Zellkernen abstam- men, welche, ursprünglich in der Einzahl vorhanden, sich zuerst durch Stenose (direkte Fragmentirung), dann durch typische Mitose vermehrt haben. Die Zahl der Fragmente ist nun niemals eine so beträchtliche, als die Zahl der Tochterkerne; für wiederholte nach einander erfolgende mitotische Zweitheilung fehlen Anhalts- punkte — direkt für mehrfache Theilung sind die reguläre und typische Anordnung zu verwerthen. Ich kann mir selbstverständ- lich hier kein Urtheil erlauben und möchte nur die Thatsache hervorheben, dass Denys auffallender Weise über frühere Phasen der Mehrtheilung gar nichts erwähnt, sowie dass er niemals Spin- delfasern wahrgenommen hat. Wohl nicht so häufig als bei der höheren Theilung und ent- schieden nicht als Regel sind bei der Viertheilung — über die Dreitheilung habe ich in dieser Beziehung keine Erfahrung — die Fälle zu betrachten, in denen im Verlauf der Metaphasen Ab- weichungen in Schleifenvertheilung und -Anordnung auftreten, welche bisweilen nicht unwesentliche Abnormitäten während der Anaphasen nach sich ziehen. Man vergleiche diesbezüglich zu- Kllie 470 Dr. J. Schottländer: nächst Fig. 20, offenbar wiederum die Polansicht eines vierthei- ligen Muttersterns mit schräg liegenden Spindeln. (Die letzteren sind nach einer zweiten analogen Figur nachträglich eingezeichnet.) Auf den ersten Blick erkennt man, dass, während im Bau sonst voll- ständige Gesetzmässigkeit herrscht, die zwei horizontalen Strahlen zwar annähernd je 12 Schleifen mit 24 Schwesterhälften (vielleicht mehr), die beiden senkrechten dagegen weniger, nur gegen 6 mit 12 Hälften besitzen. In einer zweiten analogen Figur entfallen auf den oberen senkrechten Strahl nur 6 mit 12 Hälften, auf den un- teren sogar nur 3 mit 6 Hälften. Wären nicht gerade hier die Spindelpole besonders deutlich, so könnte man versucht sein eine irreguläre Dreitheilung mit verirrten Schleifen zu supponiren; denn ebenso wie bei Figur 20 im oberen, waren hier in beiden senk- rechten Strahlen die Schleifen, deren Gruppirung in den verschie- denen Aequatorialebenen eine ungleichmässige ist, ausser allem Zusammenhang mit den übrigen. — Denken wir uns beide Figuren in das Stadium der beendeten Metakinese gelangt, so existiren, was die Schleifenzahl der neu entstehenden Tochtersterne betrifft, zwei Möglichkeiten. Entweder — wohl die häufigere -- es wird der Schleifendefekt des einen oder zweier Strahlen durch Ueber- schuss in den anderen nahezu oder vollständig gedeckt; oder es entwickeln sich mehrere ganz unregelmässige Tochterkerne. In der zuletzt genannten Figur scheinen in der That die horizontalen Strahlen mehr als je zwölf Schleifen einzuschliessen. Wenn in- dessen der senkrechte untere wirklich nur drei besitzt, so ist gleichwohl eine gesetzmässige Configuration nicht möglich, da eine ungerade Zahl von (21) Schwesterhälften natürlich von ersteren nicht abgegeben werden kann. Andererseits wird, wie mich dünkt, durch Figur 14 resp. Schema 2 (S. 464) bewiesen, dass ein regu- lärer Ersatz öfters statt hat. Die Ergänzung der mit nur je sechs statt mit zwölf Schleifen bedachten Gruppen a und a, wird durch die Gruppen 5 beziehungsweise d besorgt, denen je 18 Schleifen zukommen. — Ein anderer Modus der Herstellung von in bekanntem Sinne normalen Tochtersternen wäre allerdings nicht undenkbar: es könnte z. B. die Längsspaltung in der einen der oben geschil- derten Figuren bei einer der drei Schleifen des senkrechten Strahls ausbleiben; es könnten die Schwesterhälften in abnormen Richtun- gen auseinanderweichen, es könnte eine Schleife zu Grunde gehen bei hinreichendem Ueberschuss in den horizontalen Strahlen, end- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 471 lich es könnten sich nachträgliche Verbindungen etabliren. Viel wahrscheinlicher ist indessen, dass abnorme Tochtersterne ent- stehen, und dass die eben angeführten Modalitäten gerade in dieser Art mitwirken. — Einige meiner Viertheilungsanaphasen lassen sich hier direkt verwerthen. Unter vier Tochtersternen, deren Zusammengehörigkeit sich durch Verbindungsfäden documentirte, boten bisweilen zwei oder mehr einen verzerrten Habitus, im Ver- gleich zu den übrigen und zu einander abnorme Grössenverhält- nisse, einen unregelmässigen Abstand vom Centrum u. s. f. Ein- mal lagen ungefähr an den Ecken eines Dreiecks drei anschei- nend normale Tochtersterne und in die Verbindungslinie von zwei derselben hineingerückt war ein vierter grösserer, dessen fast vollständiger Schleifenkreis wiederum senkrechte Spindelstellung vermuthen liess. Eine nachträgliche Verbindung von zwei Tochter- sternen einer Fünftheilung ist mir weniger plausibel. Aehnliches gewahrte ich bei der Tochterknäulphase; ausserdem u. A. einige Male isolirt liegen gebliebene Fadenstücke, also Atypien, wie sie bei der einfachen Mitose oben auf S. 457 u. ff. geschildert worden sind. Wie dort so ist auch hier die Reagentienwirkung gewiss nicht zu unterschätzen. Wir haben uns nun in einem letzten Abschnitte noch mit der Frage zu beschäftigen, ob die im Vorigen der mehrfachen Kern- theilung zugesprochenen Figuren einer anderen Deutung fähig sind oder nicht. In Betreff der Prophasen kann ieh mich kurz fassen, da mir selbst absolut sichere Anhaltspunkte fehlen. Mit der grössten Wahrscheinlichkeit sind jedoch die notorisch beob- achteten abnorm grossen Mutterknäule in diesem Sinne zu ver- werthen, da andernfalls in den Anaphasen Mitosen von ausserge- wöhnlichem Caliber sich entwickeln müssten — damit in Einklang zu bringende Befunde habe ich indessen nie gehabt. Während der Metaphasen ist an verschiedene Eventualitäten zu erinnern. Zunächst könnten, wie schon Martin erwähnt, sich mehrere ein- fache Mitosen zufällig aneinanderlagern. Dagegen wird die symmetrische Anordnung der Kernfigur ins Feld geführt. Nach meiner Erfahrung, vor Allem in Anbetracht der Figur 21, die ich als Polansicht zweier einfacher Muttersterne aufzufassen geneigt bin, deren schräg gestellte Spindeln mit je einem Pole, im Centrum, jedoch nicht deutlich sichtbar, sich berühren, möchte ich betonen, dass durch Aneinanderlagerung einfacher Mitosen zwar an sich 472 Dr. J. Schottländer: reguläre, aber niemals dem Typus der Mehrtheilung völlig ana- loge Kernbilder erzeugt werden können. — Sollten sich, was weiterhin denkbar wäre, zwei einfache Muttersterne rechtwinklig übereinander gelagert kreuzen und bei schrägem Spindelverlaufe in Polansicht erscheinend, zu Täuschungen Anlass geben, so würde zur Enthüllung derselben in der Mikrometerschraube das beste Hilfsmittel zur Hand sein. — Ein den Fig. 13 und 20 der Vier- theilung, Fig. 17 der Dreitheilung, endlich Fig. 19 der Sechsthei- lung sehr ähnliches Bild, könnte, wie Martin richtig hervorhebt, nur durch reguläre tangentiale 'Aneinderlagerung im ersten Fall von 4, im zweiten von 3, im letzten von 6 in derselben Phase befindlichen einfachen Muttersternen zu Stande kommen. Es müsste dazu eine entsprechende Zahl von Kernen einer Zelle gleichzeitig in Kinese gerathen. Nun_ habe ich allerdings nicht selten 3, ja bisweilen 4 (nie 6) Kerne in einer Zelle, niemals aber, gleich Martin, sie zu derselben Zeit sich theilen sehen. Noch andere Gründe sprechen ausserdem dagegen. Vor Allem müssten dann zwischen den Schleifenstrahlen je zwei Spindelpole sichtbar sein; ferner wäre eine schärfere Abgrenzung der Spindelfasern an ihrer Contaktlinie, eine genauere Congruenz diesseits und jenseits des Sehleifenstrahls zu erwarten; endlich würden wohl schwerlich in diesem Falle die Schleifenscheitel sich in den Strahlen statt nach einer, nach zwei Richtungen wenden; auch im Centrum dürfte ihre Anordnung weniger complieirt sein. Der durch die verschiedene Länge!) sich kundgebende ungleiche Schleifengehalt der Strahlen lässt sich gleichfalls nur durch unsere Auffassung befriedigend erklären. Bei Figur 14 ist ausser mit der dargelegten nur noch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die vier Kerne einer Zelle sich gleichzeitig?) getheilt haben und, augenblicklich im Stadium der Metakinese befindlich, mit ihren Spindeln wiederum tangential an- einander liegen. Es würden daraus entweder acht?) oder durch Verschmelzung je zweier Schleifengruppen vier neue Tochterkerne entstehen. In Folge der Zerstörung der Spindelfasern bin ich auf folgende theoretische Erwägung angewiesen. Ausser dem früher 1) Cfr. Martin. 2) Eine hintereinander erfolgende Theilung kann wohl ausser Acht bleiben. 3) Dieser Fall ist an sich unwahrscheinlich. Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge 1. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 475 über simultane Theilung mehrerer Kerne in einer Zelle Gesagten ist gerade hier die ungleiche Schleifenzahl der verschiedenen Gruppen ein gewichtiges Moment, das gegen diese Auslegung in die Wagschale fällt. Gruppe a und a, (Schema 2 S. 464) vereinigt gedacht, würden einen Kern mit nur ea. 12 Segmenten voraussetzen, Gruppe 5 + b, sowie d + d, einen solchen mit stark über 24, viel- leicht 30, Grupp e + c, einen solehen mit 24. Dass aber in einer Zelle von vornherein vier so ungleiche durch typische Mitose ent- standene Kerne sein sollten, das widerspricht den über einfache Mitosen erhobenen Befunden. Dieauf S. 471 erwähnten ungleichen Tochterkerne verdanken ihr Dasein offenbar mehrfacher Theilung; denn zwischen ihnen verlaufen stets die Verbindungsfäden. Gerade die Verbindungsfäden liefern uns für die späteren Stadien der Mehrtheilung ein treffliches Beweismittel an die Hand. Ihre sekundäre Entstehung, sowie eine nachträgliche Verbindung mehrerer einfacher Mitosen durch dieselben, steht so wenig mit den Thatsachen im Einklang, dass mit diesem Faktor wohl nicht gerechnet zu werden braucht. Wenn nun Jemand speciell bezüg- lich der Viertheilungsanaphasen trotz dem Gesagten, trotz der Rich- tung der chromatischen Tochterknäule mit der Spitze nach dem- selben Centrum darauf beharrt, dass dieselben durch zweimal hintereinander erfolgende Zweitheilung eines Kernes und seiner Produkte, oder durch gleichzeitig erfolgende Zweitheilung zweier Kerne, oder endlich durch solche von vier Kernen einer Zelle mit sekundärer Verschmelzung je zweier Hälften zu erklären seien, so bleibt noch immer der Analogieschluss von der ungeraden Mehr- theilung übrig. Bei der Dreitheilung und mutatis mutandis bei der höheren ungeraden, muss nämlich mit Martin vorausgesetzt werden, dass entweder durch einfache Theilung sieh zunächst vier Kerne bilden, von denen einer später zu Grunde geht, oder aber dass, da alle Tochterkerne die gleiche Entwicklungsstufe zeigen, von zwei durch einfache Theilung entstandenen Kernen nur der eine sich anfangs weiter vermehrt und seine Produkte (demnach Enkelkerne) in raschem Phasenwechsel die Form des erst später in Theilung übergegangenen anderen Tochterkernes erreichen. Dass diese Erklärung nur wenig für sich hat, wird wohl Niemand bestreiten. Die Zelltheilung muss unzweifelhaft bisweilen ausbleiben, da sonst der Befund von 3-4 Kernen in der ruhenden Zelle unver- 474 Dr. J. Schottländer: ständlich wäre. Ob dieser Umstand nur bei der einfachen, nur bei der mehrfachen, oder was am wahrscheinlichsten ist, bei bei- den Geltung hat, muss dahingestellt bleiben. Ich habe indessen vornehmlien gegenüber Podwysocki!) zu betonen, dass nach meinen, mit denjenigen Arnold’s und Martin’s übereinstimmen- den Erfahrungen bei der mehrfachen Mitose die Zelltheilung in der Regel eintritt. Ein Blick auf Fig. 16 der Viertheilung, wo die Zellfurchung beginnt und auf ähnliche Bilder, wo sie weiter fortgeschritten , die Betrachtung der Figur 18 der Dreitheilung, wo sie fast vollendet ist, ertheilt uns über diesen Punkt genügen- den Aufschluss. In den vorstehenden Auseinandersetzungen ist, wie ich hoffe und wünsche, ein genügendes Beweismaterial für die Thatsache vorhanden, dass mehrfache Kerntheilung in entzündeten Geweben wirklich vorkommt. Ich möchte das Capitel nicht schliessen, ohne noch einmal meine Auffassung dieses Vorgangs klar gestellt zu haben. Wie schon erwähnt, berichtet Flemming in seiner neuesten Arbeit von einer Uebergangsreihe zwischen einer nor- mal bipolaren und einer abnorm tripolaren Spindel; er ordnet, wie aus dem eben Gesagten und aus der Eintheilung des Stoffes hervorgeht, gleich vielen früheren Forschern die mehrfache Kern- theilung der atypischen Mitose vollständig unter. Ich kann nach meinen Befunden dem nicht beipflichten. Ich halte zunächst ein- mal die einfache und mehrfache Mitose für gänzlich getrennte Dinge, zwischen denen, wie die Betrachtung der beigefügten Ta- feln mühelos lehrt, ein Zusammenhang in dem Flemming’schen Sinne in keiner Weise existirt. Des Weiteren bin ich durch ein sorgfältiges Studium und durch wiederholte Vergleichung der be- treffenden Kernbilder, die zum Theil mit fast positiver Gewissheit für eine fortschreitende Entwicklungsreihe sprechen, mehr und mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass in der mehrfachen, vor- nehmlich der Vier- und Dreitheilung, wenigstens unter den gege- benen Verhältnissen, nicht blos eine Atypie, eine Abnormität, son- dern eine jener Fortpflanzungsweisen zu suchen ist, die zwar selten sind, nichts destoweniger aber einen in ihrer Art regulären und typischen Ablauf nehmen können, thatsächlich auch oft nehmen. Zur Erklärung der geringeren und hochgradigeren Abweichungen, 1) Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 475 die sich hier relativ häufiger wie bei der einfachen Mitose gel- tend machen, ist der Umstand zu berücksichtigen, dass gegen- über der letzteren complieirtere, mit Verschiebung grösserer Chro- matinmassen einhergehende Mechanismen in Aktion treten: es wird daher zu Aberrationen entschieden auch mehr Gelegenheit gegeben sein. Möge die Zukunft aus noch ergiebigeren Quellen schöpfend für meine Ansicht über die mehrfache Kerntheilung, deren Be- deutung für normale Verhältnisse auf Grund des bisher Bekannten vielleicht unterschätzt wird, den absolut sicheren Beleg erbringen! Jedenfalls liegt in dem Mitgetheilten, denke ich, eine Anregung zu erneuten Forschungen auf diesem Gebiete. > Geuppe...Indireete Frasmentisuns. Während bei der indirekten Segmentirung (typische Mitose) die Spaltung des Kerns in zwei oder mehr stets gleiche Abschnitte in der Aequatorialebene oder den Segmentalebenen erfolgt, handelt es sich bei der indirekten Fragmentirung bekanntlich um Spaltung des Kerns an beliebigen Stellen in zwei oder mehr gleiche oder öfters ungleiche Abschnitte, welche sich nicht durch regelmässige Theilungsflächen abgrenzen. In beiden Fällen nimmt die chroma- tische Kernsubstanz zu und erfährt eine veränderte Anordnung. In der ersten Phase der Fragmentirung, welche für mich be- sonders ins Gewieht fällt, bilden die chromatischen Fäden, deren Grösse eine sehr verschiedene ist, Knäule, Gerüste oder Netze, die sich gegen Ende derselben gegensätzlich zur Seg- mentirung mehr gleichmässig an der Oberfläche des Kerns ver- theilen. — Prüfe ich einige der innerhalb und ausserhalb des Aetzbezirks sich findenden Kernbilder in Bezug auf diese Defini- tion und Darstellung, vergleiche ich sie mit den dazu gehörigen Abbildungen, so scheint mir die Annahme, dass hier beginnende indirekte Fragmentirung vorliegt, durchaus zulässig. Von einer sicheren Entscheidung muss ich allerdings abstrahiren, da dieselbe, wie Arnold selbst angibt, in den Anfangsstadien ausserordent- lich schwierig, oft überhaupt unmöglich ist. Ich beschränke mich auf Wiedergabe einer Figur, da ausführlichere Mittheilungen über diesen Gegenstand einer besonderen Arbeit vorbehalten bleiben müssen. Im ersten Augenblick imponirt Figur 22 durchaus als die Polansicht eines Muttersterns der typischen Mitose. Bei ge- 476 Dr. J. Schottländer: nauerer Betrachtung erscheinen indessen die noch nicht zu Schleifen umgebildeten chromatischen Segmente mit einander verbunden, die ursprüngliche durch eine Membran dargestellte Begrenzung, und so- gar das Kernkörperchen noch erhalten, das Centrum, statt mit Spindel- fasern oder dem Cytaster, mit einem feinkörnigen, demjenigen des Zellleibs völlig identischen Protoplasma erfüllt. Da die Vermuthung degenerativer oder artificieller Veränderungen durch nichts berech- tigt ist, gegen deren Mitwirkung der regelmässige Bau, die scharfe Begrenzung des Chromatingerüsts, die normale Beschaffenheit des Zellleibs ins Gewicht fällt, so könnte die Figur allein noch als atypisch gebauter zur Gruppe 1 zu rechnender Mutterknäul angesehen werden; von dieser Interpretation möchte ich indessen nach meiner Erfahrung anlässlich der Figur 12 und anderer ähnlicher Abstand nehmen. Ge- rade die ringförmige Vertheilung der chromatischen Substanz an der Oberfläche dürfte auf indirekte Fragmentirung hinweisen. Es sei mir gestattet die Ergebnisse meiner Arbeit in folgen- den sieben Hauptsätzen zu resümiren: 1) Nach Application eines in Chlorzinklösung von bestimmter Concentration getauchten Seidenfadens auf das Centrum der Frosch- hornhaut, tritt in der einen Reihe der Fälle (langdauernder Reiz, resp. unkräftiges Thier) schnelle Decomposition des Endothels innerhalb des Aetzbezirks ein. Erscheinungen, welche für all- mähliche nucleäre Degeneration in demselben sprechen, fehlen ebensowohl wie Regenerationsprocesse. 2) In anderen Fällen (mässiger Reiz, kräftiges Thier) finden sich schon vom zweiten Tage nach der Aetzung an innerhalb des Aetzbezirks Metamorphosen, welche höchst wahrscheinlich nicht allein als regressive, sondern zum Theil auch als progressive zu deuten sind. (Amöboide Wanderung der Zellen? direkte Seg- mentirung? direkte Fragmentirung?) 3) Erst vom siebenten Tage nach der Aetzung an treten inner- halb und besonders in der nächsten Umgebung des Aetzbezirks Mitosen auf, welche unzweifelhaft der Regeneration dienen, wahr- scheinlich dieselbe nur fortsetzen. Nach dem fünfzehnten Tage ist die Regeneration beendet. Der Aetzbezirk zeigt wiederum nor- male Configuration. 4) Die Mitosen sind grösstentheils den unter normalen Ver- hältnissen beobachteten und beschriebenen analog; besonders her- Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 417 vorzuheben ist, dass die Schleifenzahl meist 24 beträgt. Während die Prophasen nur wenig Besonderheiten bieten (Lagerung der Chromatinfäden in Beziehung zum Polfeld; spätes Verschwinden des Kernkörperchens; späte Längsspaltung), zeichnen sich die Ana- phasen aus durch die höchst wahrscheinlich mit der vollendeten Zelltheilung zugleich erfolgende Spaltung der achromatischen Ver- bindungsfäden, die mit den Spindelfasern identisch zu sein scheinen. Der Modus der Zelltheilung erinnert an die Zellplattenbildung bei Pflanzen. 5) Unter den Abweichungen von der typischen Mitose sind zunächst die irregulären abnormen Zweitheilungsfiguren zu nennen, bei denen vornehmlich Veränderungen in der Schleifenlagerung charakteristisch sind. 6) Eine weitere jedoch von der vorigen Kategorie scharf zu trennende Abweichung wird durch die mehrfache Kerntheilung repräsentirt, welche, unzweifelhaft als solche aufzufassen, unter den gegebenen Umständen zwar selten auftritt, aber eine vollständig gesetzmässige, dem Typus der einfachen Mitose mutatis mutandis entsprechende Entwicklung erfahren kann. Wie bei der einfachen Mitose, so existiren auch hier, nur relativ zahlreichere Irregulari- täten, Atypien, welche sich durch Uebergänge auf die typische mehrfache Kerntheilung zurückführen lassen. 7) Unter den Abweichungen von der typischen Mitose haben wir endlich einige Figuren, welche vielleicht als der indirekten Fragmentirung angehörig anzusehen sind. Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Rath Arnold für seine gütige Unterstützung, für die mir an Zeit und Mühe gebrachten Opfer meinen ergebensten und wärmsten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXTI. Sämmtliche Figuren sind Endothelzellen der Hornhaut entnommen. Fig. 1. Ein Theil des Aetzbezirks. Schwache Vergrösserung (Z. DD. Oc. 2 Tubusl. 19). Chromameisensäure. Hämatoxylin. Zehn Tage nach der Aetzung. Nat. Gr. Zellen und Kerne sind der Schilderung im Text S. 444 ff. entsprechend verändert. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 9. Dr. J. Schottländer: Normale Endothelzelle mit ruhendem Kerne. (Vergr. Zeiss 1/jg h. J. Oc. 2 Tubusl. 19. Nat. Gr. Härtung, Färbung, Termin der Tödtung wie oben.) Phase des dichten Mutter-Knäuls. (Vergr. wie oben. Nat. Gr. Här- tung, Färbung wie oben. Sieben Tage nach der Aetzung.) Die grösstentheils noch mit einander verbundenen chromatischen Fäden verlaufen im Ganzen quer zur Längsachse des Kerns. Das Kern- körperchen, ebenso die Gesammtform des Kerns, der von einem lichten Hofe umgeben ist, zeigt sich noch erhalten. Die Kernmem- bran ist geschwunden. Lockerer segmentirter Mutterknäul. (Vergr. wie oben, nur Tubusl. 19, 5 Nat. Gr. Härtung wie oben. Hämatoxylin-Saffranin. Neun Tage nach der Aetzung.) Die Gesammtform des Kerns ist gleich- falls noch erhalten. Die einzelnen von einem hellen Hofe umsäumten Fadensegmente sind verschieden lang und besitzen ungleiche Schenkel. Ein von den Fäden freigelassener Raum ist als Polfeld kenntlich. Die Schleifenzahl beträgt sicher 24. Längsspaltung, ebenso die achromatische Figur sind nicht sichtbar. Mutterstern. Flächenansicht. (Vergr. wie oben. Tubusl.19. Nat. Gr. Platinchlorid. Hämatoxylin. Neun Tage nach der Aetzung.) Die Schleifen beginnen sich im Aequator aufzustellen. Nicht alle wenden ihre Winkel demselben zu. Die Schenkel zeigen noch sekun- däre Krümmungen, sind ungleich. ‚Längsspaltung zum Theil voll- zogen, zum Theil angedeutet. Zahl der Schleifen 24. Spindeln sichtbar. — Innen- und Aussenportion des Zellleibs deutlich zu unter- scheiden. Mutterstern. Polansicht. (Vergr., Härtung und Färbung wie oben. 71/, Tage nach der Aetzung. Nat. Gr.) Radiäre Aufstellung der Schleifen mit centralwärts gewendeter Hauptkrümmung. Schenkel- länge mehr ausgeglichen. Cytaster, resp. Spindel zerstört. Längs- spaltung fehlt. Mutterstern. Polansicht. Schräggestellte Spindeln. (Vergr., Här- tung, Färbung wie oben. Neun Tage nach der Aetzung. Nat. Gr.) Zellgrenzen abnorm deutlich. Cytaster. Spindelfasern. Unten Pol- körperchen. Längsspaltung der sehr ungleichen Schleifen ange- deutet (?). Zahl mindestens 24. Metakinese. Flächenansicht. (Vergr. wieoben. Chromameisensäure. Hämatoxylin. Acht Tage nach der Aetzung. Verkleinert.) Zell- grenzen unscharf. Innenportion des Zellleibs dunkler. Polare An- ordnung der jungen Tochterkerne, deren Schleifen im Aequator noch theilweise zusammenhängen. Verbindungsfäden im Aequator, Reste der Spindelfasern an den Polen. Zwei Tochtersterne. Flächenansicht. (Vergr., Härtung, Färbung. Termin der Tödtung des Thieres wie oben. Unter nat. Gr.) Die Ueb. Kern- u. Zelltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 479 Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13 Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Schleifen im Aequator separirt. Verbindungsfäden deutlich. An den Polen noch Spindelreste. Die chromatische Figur hell umsäumt. . Zwei lockere Tochterknäule. Flächenansicht. (Vergr. Zeiss homog. J. 1/s Oc. 2. Tubusl. 19, 5. Nat. Gr. Härtung wie oben. Häma- toxylin-Saffranin. Neun Tage nach der Aetzung.) Zelltheilung vollendet, indessen Zusammengehörigkeit beider Tochterzellen, deren Grenzen noch unscharf, kenntlich. Verbindungsfäden geschwunden. An der chromatischen Figur deutlicher Hilus. Atypische Kernfigur. (Vergr. Zeiss h. J. 1/;s Oc. 2. Tubusl. 18. Härtung wie oben. Hämatoxylin. 8%/, Tage nach der Aetzung. Nat. Gr.) Zwischen den vollständig getrennten Tochtersternen be- steht ein continuirliches chromatisches Verbindungsstück, das von einem hellen Hofe begrenzt ist. Dasselbe setzt sich aus zwei im Aequator zusammenhängenden Schwesterhälften, die die Pole nicht erreicht haben, zusammen. Die Krümmungen scheinen zum Theil ausgeglichen. Atypische Kernfigur. (Vergr. wie oben, nur Tubusl. 19. Nat. Gr. Härtung wie oben. Hämatoxylin-Saffranın. Neun Tage nach der Aetzung.) Lockerer Mutterknäul. Die Segmente sind zu zwei ver- schieden voluminösen Gruppen, die durch ein Fadenstück verbun- den sind, angeordnet. Mehrfache Theilung. Polansicht eines viertheiligen Muttersterns. (Vergr. wie oben Oc. 3, Tubusl. 19,5. Nat. Gr. Härtung wie oben. Hämatoxylin. Zehn Tage nach der Aetzung.) Beschreibung s. Tex# S. 461 ff. Mehrfache Theilung. Flächenansicht einer Viertheilungsfigur in fortgeschrittener Metakinese. (Vergr. wie oben. Platinchlorid. Hämatoxylin-Saffranin. Neun Tage nach der Aetzung.) Beschrei- bung s. Text S. 465 f. Mehrfache Theilung. Vier Tochtersterne. (Vergr. wie oben, nur Oc. 2 Tubusl. 18. Nat. Gr. Chromameisensäure. Hämatoxylin. 83/, Tage nach der Aetzung.) Beschreibung s. Text S. 464 ff. Mehrfache Theilung. Vier Tochterknäule. Uebergang vom lockeren zum dichten Knäul. (Vergr. Zeiss Y/ıg h. J. Oc. 4. Tubusl. 19, 5. Nat. Gr. Härtung, Färbung wie oben. Neun Tage nach der Aetzung.) Beschreibung s. Text S. 465 #f. Mehrfache Theilung. Flächenansicht eines dreitheiligen Muttersterns. (Vergr. Zeiss Y/ıg h.J. Oc. 2. Tubusl. 19. Nat. Gr. Härtung, Färbung wie oben. 8°%/, Tage nach der Aetzung.) Beschreibung s. Text S. 467. Mehrfache Theilung. Halbschematische Darstellung von drei Tochter- knäulen. (Vergr. Zeiss DD. Oc.2. Nat. Gr. Härtung u. s. w. wie oben.) Beschreibung s. Text S. 467. 2 Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 50 450 Fig. Nr. Dr. J. Schottländer: 19. Mehrfache Theilung. Sechstheiliger Mutterstern mit verschiedener Spindelrichtung in Polansicht. Halbschematisch. (Vergr. wie oben. Platinehlorid. Hämatoxylin. 73/, Tage nach der Aetzung.) Be- schreibung s. Text S. 468 ff. . 20. Mehrfache Theilung. Polansicht eines atypischen viertheiligen Mutter- sterns mit schräg gestellten Spindeln. (Vergr. Zeiss h. J. Y/ıg Oc. 2. Tubusl. 19. Nat. Gr. Platinchlorid. Hämatoxylin. Neun Tage nach der Aetzung). Beschreibung s. Text S. 470. . 21. Einfache Theilung. Aneinanderlagerung zweier einfacher Mutter- sterne. Polansicht. Schrägstehende Spindeln. (Vergr. wie oben nur Oc. 3. Tubusl. 20. Nat. Gr. Härtung u. s. f. wie oben.) Be- schreibung s. Text S. 471. Indirekte Fragmentirung. 1. Phase. (Vergr. Z. DD. Oc.4. Tubusl. 19. Nat.Gr. Härtung u. s. f. wie oben.) Beschreibung s. Text S. 475 ff. IV IV Verzeichniss der nach 1884 erschienenen Litteratur über Kerntheilung unter pathologischen Bedingungen. . 1. Aoyama, Pathologische Mittheilungen. Virch. Arch. Bd. 106. 3. H. .2. Arnold, Weitere Beobachtungen über Theilungsvorgänge an den Knochenmarkzellen und weissen Blutkörpern. Virch. Arch. Bd. 97. Derselbe, Ueber Kerntheilung und vielkernige Zellen. Virch. Arch. Bd. 98. © . 4 Derselbe, Untersuchungen über Staubinhalation und Staubmetastase. Heidelberg. .5. Derselbe, Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, ihre progressiven und regressiven Metamorphosen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. II. 2. .6. Baumgarten, Ueber Tuberkel und Tuberkulose. Königsberg 1885. . 7. Beltzow, Regeneration des Harnblasenepithels. Virch. Arch. Bd. 9%. .8. Bizzozero, Ueber die Regeneration der Elemente der Gewebe unter pathologischen Bedingungen. Centralbl. f. d. med. Wissensch. Nr. 5. 1886. .9. Bockendahl, Drews, Moebius, Paulsen, Schedel, Flem- ming, Studien über die Regeneration der Gewebe. Arch. f. mikr. Anat. 10. Brigidi, Della moltiplicazione nucleare studiata nei neoplasmi ed in particolare in un sarcoma a nuclei giganti ed in un leiomioma cutaneo. Lo sperimentale 1886. Maggio. . 11. Busachi, Ueber die Regeneration der glatten Muskelfasern. Central- blatt f. d. med. Wissensch. Nr. 7. 1887. . 12. Cattani, Sulla fisiopatologia del gran simpatico. Gaz. degli Ospe- dali Nr. 30. . 13. Derselbe, Sulla Pneumonite catarrale etc. Roma 183%. Ueb. Kern- u. Zeiltheilungsvorgänge i. d. Endothel d. entzünd. Hornhaut. 481 Nr. 14. Colucei, Della neoformazione e reproduzione epith. Mem. dell Nr. Nr. 15. 16. a7 acad. delle science. Bologna 1884. Cornil, Sur le procede de division indirecte des noyaux et des cellules epitheliales dans les tumeurs. Arch. de phys. norm. et path. Nr. 8. 1886. Derselbe, Sur le procede de division indirecte des cellules par trois dans les tumeurs. Compt. rend. de l’acad. des sciene. B. 103. 1557 und Journ. de mierographie. Ann. X. Nr. 11. Derselbe (und Toupet), Sur la karyocinese des cellules epitheliales et de l’endothelium vasculaire observee dans le rein & la suite de l’empoisonnement par la cantharidine. Arch. de Phys. norm. et path. 194 Jahre. Nr29: . Derselbe, Sur la multiplication des cellules de la moölle des os par division indirecte dans l’inflammation. Ibid. . Dinkler, Ueber Bindegewebs- und Gallengangneubildung in der Leber bei chronischer Phosphorvergiftung und sog. acuter Leber- atrophie. Imaug.-Diss. 1887. Fraisse, Regeneration von Geweben und Organen bei Wirbelthieren, besonders Amphibien und Reptilien. . Giovanni, Cariocinesi delle cellule dello strato di Malpighii in alcune lesione path. et esperimentale. Gaz. degli Ospedali Nr. 21. . Derselbe, Sull’ attivita degli elementi del derma (cariocinesi) in alcune affezione infiamentoria ed neoplasmi delle pelle. Ibid. Nr. 35. . Derselbe, Intorno alla mitosi delle cellule dello strato di Malpighii. Commun. prevent. Ibid. Nr. 38. Geelmuyden, Das Verhalten des Knochenmarks in Krankheiten und die physiologischen Funktionen desselben. Virch. Arch. Bd. 105. 1886. . Golgi, Regeneration des Epithels der Harnkanälchen. Arch. p. les seiene. medic. 1584. Nr. 8. ». Griffine, Contribuzione all Patologia del tessuto epit. eyl. Arch ıtal. de biol. Nr. 5. . Heucking, Ueber die Organisation des Thrombus. Inaug.-Diss. Dorpat 1886. . Heukelom, Sarkome und plastische Entzündung. Virch. Arch. Bd. 107. 1887. . Karg, Ein Beitrag zur Lehre von der Entzündung und Regenera- tion. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Bd. 25. H. 4. 1887. . Kraft, Zur Histogenese des periostalen Callus. Beitr. zur path. Anat. u. Phys. von Ziegler u. Nauwerck. 1. Bd. H. 1. 1884. . Mayzel, Festschrift für Professor Hoyer (polnisch). 2. Mondino, Sulla cariocinese delle cellule del Purkinje consecutiv. ad irritazione cerebellare. Commun. alla R. Acad. di medic. di Torino. 3. Peters, Ueber die Regeneration des Cornealepithels. Inaug.-Diss. Bonn 1885. 482 . 3. 39% . 40. \ Dr. J. Schottländer: Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge etc. . 34. Petrone, Regeneration in Leber, Lunge und Niere. Arch. ital. de biol. Nr. 25. Pfitzner, Zur pathologischen Anatomie des Zellkerns. Vortrag 30. Mai 1885. Strassburg. ). Pinto, Untersuchungen über intraoculare Tumoren. Heidelberg 1886. 37. Pisenti, Sulla rigenerazione di alcuni elementi del midollo della ossa. Gaz. degli. Osped. Nr. 25. . v. Podwysocki, Experimentelle Untersuchungen über Regeneration des Drüsengewebes. Beitr. z. path. Anat. u. Physiol. von Ziegler u. Nauwerk. 1. Bd. (2. u. 3. Heft) 1884. Ritschl, Ueber Heilung von Wunden des Magen-Darmkanals und des Uterus mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltens der glatten Muskelfasern. Inaug.-Diss. Göttingen 1887. Robinsky, Das Epithel der Augenlinsenkapsel, dessen Zellkern- theilung und Umwandlung in Linsenschläuche. Berl. klin. Wochen- schrift Nr. 39. 1886. . Sachs, Zur Kenntniss der Magenschleimhaut in krankhaften Zu- ständen. Arch. f. exper. Path. u. Pharmakol. Bd. 22. S. 125. . Stilling und Pfitzner, Ueber Regeneration der glatten Muskel- fasern. Arch. f. mikr. Anat. 28 Bd. H. 4. 1886. 3. Tizzoni, Sulla fisiopatologia del tessuto muscolare striato. Gaz. degli Osped. Nr. 31. 4. Derselbe und Poggi, Sulla histogenesi del cancro dei testicoli. Rivista celinica di Bologna 1886. 5. Vassale, Regeneration des Drüsengewebes. Centralblatt f. d. med. Wissenschaft. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Einchytraeiden-Fauna. Von Dr. W. Michaelsen in Hamburg. Hierzu Tafel XXIL. Stercutus nov. gen. In Fischdünger leben Enchytraeiden, die eine so eigen- artige Organisation besitzen, dass ich sie keiner der bekannten Gattungen zuordnen darf, und für die ich deshalb die Gattung Stercutus aufstelle. Eine eingehende Besprechung dieser inter- essanten Organisationsverhältnisse knüpfe ich an die Beschreibung der Art und beschränke mich an dieser Stelle auf eine kurze Gattungsdiagnose: Die Stereuten sind Enchytraeiden mit S-förmig gebogenen Borsten. Einen Kopfporus in der Art, wie er für die Mesenchy- traeen characteristisch ist, besitzen sie nicht; wahrscheinlich stim- men sie in dieser Beziehung mit den Pachydrilen überein. Das Rückengefäss entspringt vor den Gürtelsegmenten und ist von einem Herzkörper durchzogen. Das Blut ist farblos. Speichel- drüsen sind nicht vorhanden. Der Darm ist eigenartig modifieirt, nur für die Aufnahme flüssiger oder gallertiger Nahrung geeignet, hinten blind endigend. (Der Enddarm ist in einen compaeten Zellstrang verwandelt. Das Epithel des Magendarms hat sich in ein unregelmässiges, das ganze Darmlumen durchsetzendes Zell- gerüst aufgelöst. Im blinden Ende des Magendarms liegen eitronen- selbe, von Zellen umschlossene Körnerballen.) Die Samenleiter sind lang. Stereutus niveus nov. spec. Stereutus niveusist der seltsamste der Enchytraeiden, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte. Die ersten, noch jungen und Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 31. Sl 484 Dr. W. Michaelsen: gürtellosen Thiere liess ich entschlüpfen, da ich sie für Fliegen- larven hielt. Erst als sich bei einigen der Gürtel ausgebildet hatte, erkannte ich ihre Oligochaeten-Natur und bei der folgenden mikroskopischen Untersuchung ihre Zugehörigkeit zu der Familie der Enchytraeiden. Stereutus niveus ist ein Wurm von blendend weissem, schnee- artigen Aussehen. Er wird bis 6 mm lang und erreicht dabei in der Mitte des Körpers eine Dieke von 0,6 mm. Der Kopf ist aus- nehmend schlank. Bis zu den Gürtelsegmenten nimmt die Körper- dieke stetig zu. Hinter dem Gürtel folgen dann nur noch wenige (10—16), gleichmässig dicke Segmente. Ein stumpf kegelförmiges Endsegment bildet den Abschluss. Die Kürze des postelitellialen Theils hat zur Folge, dass der Gürtel fast in der Mitte der ganzen Körperlänge zu liegen kommt. Sie bedingt ferner das für einen Enchytraeiden abnorme Verhältniss von Länge zu Dicke (10 zul) und in Verbindung mit dem schneeartig undurchsichtigen Aus- sehen der Thiere deren Aehnlichkeit mit gewissen Fliegen- larven. Bei oberflächlicher Betrachtung machen die Thiere den Eindruck, als seien sie nur die abgeschnittenen Vorderenden nor- mal ausgebildeter Enchytraeiden. Ich fand Stereutus niveus in Erde, die mit Fischdünger versetzt war. Der Fischdünger muss als sein eigentlicher Aufenthaltsort angesehen werden; denn in der Erde, von der ein Theil zu jener Mischung benutzt worden war, kommt er nicht vor. Die Borsten sind S-förmig gebogen und stehen in der Regel zu 3 oder 4 in einem Bündel. Häufig findet man jedoch eine grössere Anzahl zusammenstehend, dann aber in zwei Querreihen geordnet, von denen die eine als Ersatzborstenreihe anzusehen ist. Einen Kopfporus habe ich nicht erkennen können. Wahr- scheinlich stimmt unser Wurm in dieser Beziehung mit den Pachy- drilen überein; jedenfalls besitzt er keinen soleh grossen Kopf- porus an oder nahe der Spitze des Kopflappens, wie er für die Mesenchytraeen und Anachaeten characteristisch ist. Rückenporen sind nicht vorhanden. Das Gehirn (Fig. 1 a) ist hinten und vorne tief ausgeschnit- ten, mit convexen, nach vorne stärker convergirenden Seitenrän- dern. Der tiefe Ausschnitt am Hinterrande entsteht dadurch, dass die dorsale, hintere Partie des Gehirns in zwei gerade nach hinten gerichtete, ziemlich flache, von oben gesehen fast gleichseitig drei- Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 485 eckige Lappen ausgezogen ist. Lateral und ventral sind diese beiden Lappen durch einen stufenförmigen Absatz scharf von der Hauptpartie des Gehirns abgegrenzt. Die beiden hinteren Gehirn- muskeln setzen sich rechts und links von den beiden Lappen an diesen Absatz an. Die beiden vorderen Gehirnmuskeln gehen un- gefähr von der Mitte der Seitenränder des Gehirns aus. Der Bauchstrang ist durch das Vorkommen riesiger Ganglienzellen ausgezeichnet. Dieselben zeigen am lebenden Thier einen dunk- len, graubraunen Farbenton, und sind im übrigen ähnlich den- jenigen, die Vejdovsky von Anachaeta bohemica beschreibt). Die Segmentalorgane (Fig. 1 b) sind ziemlich plump gebaut. Durch ein mässig angeschwollenes, mit langen Randwimpern aus- gestattetes Anteseptale führt der Flimmerkanal nach geringen Win- dungen in ein abgeplattetes, im Umriss gerundet viereckiges Post- septale hinein, welches er in vielen Windungen durchzieht, um schliesslich vorne, in der Nähe des dissepimentalen Halses, in einen dicken Ausführungsgang überzugehen. An Schnitten erkennt man sehr gut die Zellgrenzen im Segmentalorgan. Das Blut ist farblos. Das Rückengefäss entspringt im IX. Segment aus dem Darmblutsinus. Es wird von einem Herzkörper durchzogen, der dieselbe Struktur und Lagerung besitzt -wie die Herzkörper der Mesenchytraeen (vergl. Fig. 2 f: hk. mit 2) pag. 370 u. Taf. XXI. Fig. 1 ec). Ueber die Bedeutung der Herz- körper habe ich mir neuerdings eine Ansicht gebildet, die ich bei dieser Gelegenheit mittheilen will. Es ist leicht ersichtlich, dass wellenförmig fortschreitende Contractionen eines Schlauches die in demselben enthaltene Flüssigkeit um so energischer vor- wärts treiben, je stärker das Lumen des Schlauches bei der Pul- sation eingeengt wird. Bleibt das Lumen beim Maximum der Contraetion noch ziemlich weit, so wird &in Theil der Flüssigkeit einen Ausweg nach der entgegengesetzten Richtung finden. Voll- kommen vermieden wird dieser Rückfluss nur, wenn die Con- traction das Lumen des Schlauches vollkommen verschwinden lässt. Es ist andrerseits ersichtlich, dass lange bevor dieser Punkt 1) Vejdovsky: „System und Morphologie der Oligochaeten. Prag 1885; pag. W. 2) Michaelsen: Enchytraeiden-Studien, in: „Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXX.“ 486 Dr. W. Michaelsen: erreicht ist, die Contraetionsfähigkeit des Schlauches ihre Grenze sefunden haben wird. Um diese, auf der Begrenzung der Contrac- tionsfähigkeit beruhende, einer vollkommenen Pulsation entgegen- stehende Schwierigkeit zu heben, genügt die Einlagerung eines compacten Stabes in den Schlauch. Irdem die sich zusammen- ziehenden Schlauehwände den Stab fest umfassen, können sie das Lumen auf Null reduciren, ohne die Grenze ihrer Contractions- fähigkeit zu erreichen. Für einen solchen, die Energie der Rücken- gefäss-Pulsationen fördernden Stab halte ich den Herzkörper der Mesenchytraeen, Stercuten und anderer Anneliden. Ein vorzüg- liches Objekt ist Stereutus niveus für die Untersuchung des Darm- blutsinus. Da sich das Darmepithel an gewissen Stellen fast voll- ständig vom Darmblutsinus loslöst, so kommt bei diesem Thier die feine, den Darmblutsinus continuirlich umhiillende, direct in die Gefässwände übergehende Membran deutlich zum Vorschein (Fig. 1 f: bs). | Mit den ÖOrganisationsverhältnissen des Darmes haben wir uns eingehender zn beschäftigen; denn auf ihnen beruht die Eigen- artigkeit des Wurmes. Normal gebildet ist nur Munddarm und Schlund. Der Schlundkopf (Fig. 1 g: sk) ist sehr niedrig und geht vorne allmählich in das Munddarmepithel über. Der Magen- darm hat sich eigenthümlich verändert. Sein Epithel (Fig. 1 f, g, h: de) hat sich fast vollständig von seiner Unterlage, dem Darm- blutsinus, abgehoben. Der Zellverband hat sich gelockert, und fast gleichmässig durchsetzen die meistens nur noch durch Aus- läufer zusammenhängenden Zellen das Darmlumen, auf Schnitten netzartige Bilder gebend. Der Enddarm (Fig. 1 h: ed) hat sich zu einem eompaeten Zellstrange geschlossen; der After (Fig. 1 h: a) ist rudimentär, als mehr oder weniger tiefe, grubenförmige Einsenkung erkennbar. Hinter dem Schlundkopf, etwas vor dem ersten Septaldrüsenpaar liegt im Darm eine Gruppe mehr oder weniger regelmässig angeordneter, hohlraumartiger Gebilde, die von Zellen eng umschlossen sind (Fig. 1 g: hr). Eine ähnliche, in der Regel umfangreichere Gruppe füllt das blinde Ende des Magendarms aus; doch sind diese letzteren Räume prall gefüllt von einer Körnermasse, die beim lebenden Thier eine intensiv eitronengelbe Färbung besitzt (Fig. 1 h: fb). Die Körnerklumpen werden von den umschliessenden Zellen fest zusammen gehalten, wie man leicht erkennt, wenn man die ganze Masse durch Zer- Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 487 quetschen des Thieres isolirt. Der eigentliche Darm (ohne den Chloragogenzellenbelag) ist auffallend dünne, ungefähr 1/„mal so dick wie der ganze Wurm, während er bei den Enchytraeiden im allgemeinen doch 1/,-—!/;mal so diek wie der Körper ist. Um so bedeutender ist bei Stereutus niveus die Entwicklung der Chlora- gogenzellen (Fig. 1 f: chl). Dieselben füllen bei unreifen Thieren fast die ganze Leibeshöhle aus, so dass die Leibeshöhlen-Flüssigkeit auf das Minimum redueirt, und die Entwicklung von Lymphkör- perchen zum mindesten stark gehemmt, wenn nicht gar ganz unter- drückt ist. Ich habe trotz eifrigen Suckens keine Lymphkörper- chen finden können. Der Chloragogenzellenbelag beginnt direkt hinter dem Schlundkopf. Die einzelnen Zellen sind birnförmig bis lang eylindrisch. Sie besitzen einen grossen Kern und sind erfüllt von einer Masse runder, verschieden grosser Körner, die sich in Pikro-Karmin stark färben. Der Undurchsichtigkeit der Chloragogenzellen verdankt der unreife Wurm sein undurchsichtig schneeartiges Aussehen. Drei Paar Septaldrüsen sind dem Darm aufgelagert, und zwar im IV., V. und VI. Segment (Fig. 1 g: sd). Dieselben werden von grossen Zellen gebildet, in denen neben einem Kern eine mehr oder weniger grosse Masse runder, sich in Pikro-Karmin gut färbender Körner liegt. Diese Körner sind ver- schieden gross. Die grösseren zeigen eine Struktur ähnlich der von zusammengesetzten Stärkekörnern. Sie zerfallen wohl in klei- nere. Wahrscheinlich infolge einer Zusammenziehung der sich färbenden Bestandtheile erscheinen die kleinsten Körner dunkler gefärbt und von einem engen, wasserhellen Hof umgeben. In die- sem Stadium werden die Körner aus den Septaldrüsen ausgeführt. Bei alten Thieren sind die Septaldrüsen oft fast vollständig ent- leert. Man findet Körner von der letztbeschriebenen Form in den Ausführungsgängen der Septaldrüsen, im Schlundkopf und schliess- : lich auch im Darm. Im Schlundkopf sind die Ausführungsgänge der Septaldrüsen bei den meisten Enchytraeiden nur dann deut- lich zu erkennen, wenn sie gerade in Funktion treten. Meistens sind sie geschlossen und deshalb oft nicht sichtbar. Wenn ich auch schon bei Enchytraeus Möbii unregelmässige Körnermassen in der Schlundkopf-Partie der Septaldrüsen-Kanäle gesehen habe, so ist es mir doch erst durch das Studium des Stereutus niveus zur Ge- wissheit geworden, dass die Septaldrüsen einiger (?) Enchytraeiden keine Flüssigkeit, sondern eine festere Substanz ausscheiden. 488 Dr. W. Michaelsen: Was die Bedeutung der geschilderten Organisation des Dar- mes anbetrifft, so glaube ich, dass sie auf der Beschaffenheit der Nahrung beruht. Ich habe nie Pflanzenfasern, Sandkörner oder andere feste Körper im Darm des Stereutus niveus gefunden, und wegen der auffallenden Enge und Kürze des Magendarms würde das Thier auch nie genügend grosse Humusmassen bewältigen können, um sich wie andere Enchytraeiden von derartig gehalts- armen Stoffen nähren zu können. Er bedarf anderer Nahrung und ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, dass er die flüssigen und gallertigen Zersetzungsprodukte der Fisch-Cadaver aufsaugt. Der bedeutende Nahrungswerth dieser Stoffe und die intensive Absorption durch die modifieirten Darm-Epithelzellen bieten meiner Ansicht nach eine genügende Erklärung für die ab- norme Kürze des Darms. Der geringe Gehalt dieser Stoffe an un- verdaulichen Bestandtheilen verursacht die Rückbildung des Afters, da die geringen Faecal-Stoffe im blinden Ende des Magendarms aufgestaut werden können. Für derartige, sich im Laufe des Lebens ansammelnde Faeces-Ballen halte ich die eitronengelben Körnermassen. Wollte Stereutus niveus wie andere Enchytraeiden in kurzen, nach Siunden- oder höchstens Tagen zählenden Inter- vallen Faeces ausscheiden, so würde dies bei der minimalen Quan- tität derselben nicht ohne jedesmaligen Verlust von brauchbaren Darmsäften geschehen können. Bevor sich jedoch eine so grosse Faecesmasse angesammelt hat, dass der Wurm dadurch belästigt wird, verstreicht seine Lebenszeit. Dass sich der ausser Funktion gesetzte Enddarm dauernd schliesst, ist erklärlich. Die Masse der gelben Körnerballen steht ungefähr in geradem Verhältniss zur Grösse des Thieres. In einzelnen Fällen jedoch, vielleicht verur- sacht durch ungünstigere Nahrung, wurde dieses Maass über- schritten, und es erstreckten sich die Faecesballen durch eine srössere Zahl von Segmenten nach vorne. Ueber die Funktion der beschriebenen Hohlraumgruppe im Anfange des Magendarms weiss ich nichts sicheres auszusagen. Vielleicht steht sie in Be- ziehung zu den Faecesballen. So viel Thiere ieh auch untersucht habe, stets nahmen diese Gebilde den angegebenen Platz ein. Nie fand ich derartige Hohlräume in den mittleren Partien des Magendarms, so dass kaum auf eine Wanderung derselben von vorne nach hinten und eine allmähliche Umwandlung in jene Körner- ballen geschlossen werden könnte. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 489 Die bedeutende Entwicklung der Chloragogenzellen hat ihren Grund zweifellos darin, dass diese Organe als Vorrathsmagazine fungiren. Die in denselben aufgestapelten Körnermassen bilden ein Reserve-Material für die Ausbildung der dotterreichen Eier. Die Bildung der Eier geht auffallend rasch vor sich. Anfang Au- sust konnte ich noch keine Spur von Ovarien entdecken. Anfang September füllten die Eier schon die ganze mittlere Partie des Wurmleibes aus. In demselben Maasse, wie die Eier wachsen, bilden sich die Chloragogenzellen zurück, so dass die Körperenden eines geschlechtsreifen Wurmes durchsichtiger werden, während das unverändert schneeartige Aussehen der mittleren Körperpartieen seinen Grund von da ab in den körnigen, undurehsichtigen Dotter- massen der Eier findet. Die Geschlechtsorgane besitzen bei Stercutus niveus die für die Enchytraeiden normale Lagerung. Die Hoden waren bei den untersuchten Tbieren sehr klein. Die Loslösung der Spermatozoen- Bildungszellen scheint frühzeitig stattzufinden. Die reifen Sper- matozoen (Fig. 1 d) sind sehr lang. Man kann an ihnen einen Kopftheil und einen Schwanztheil erkennen. Der fadenförmige Kopftheil läuft in eine äusserst feine Spitze aus. Er scheint ver- hältnissmässig starr zu sein. Der viel feinere, ebenfalls faden- förmige Schwanztheil setzt sich an das diekere Ende des Kopf- theiles an. Durch seine peitschenartigen Bewegungen wird das Spermatozoon vorwärts geschoben. Die Ovarien bleiben ebenfalls sehr klein, da die Eizellen frühzeitig selbständig werden. Die Samentriehter sind sehr zierlich, trichterförmig bis eylindrisch, plattgedrückt (Fig. 1 e). Die Samenleiter sind lang, geknäult, die Eileiter eng und kurz. Die Samentaschen zeichnen sich da- durch aus, dass sie nicht, wie es bei den meisten Enchytraeiden der Fall ist, mit dem Darm verwachsen und in Communication treten, sondern frei in die Leibeshöhle hineinragen. Sie sind un- regelmässig birnförmig, mit einem mittellangen, einfachen Aus- führungsgang versehen, an dessen Mündung wenige, lappenförmige Drüsen stehen (Fig. 1 e). Ich beobachtete an ihnen eine lebhafte FEigenbewegung. Durch derartige schluckende Bewegungen saugen meiner Ansicht nach die Samentaschen bei der Begattung das Sperma auf, während sie es andrerseits durch auspressende Be- wegungen wieder von sich geben, und zwar in dem Moment, wo der vom Gürtel abgesonderte Cocon mit den aus den Eileiter- 490 Dr. W. Michaelsen: Oeffnungen unter ihn geschobenen Eiern über den Vorderkörper, speeiell über die Samentaschen - Oeffnungen weggeschoben wird, wie ich es andrenorts?) beschrieben habe. Stereutus niveus legt viele Eier in jeden Cocon. Die Cocons sind sehr zart, wasser- hell, mit regelmässigen Pol-Narben. Die Zeit der Geschlechtsreife beginnt für unseren Wurm Mitte August und dauert bis Ende September. Wenngleich ich die Herkunft des Fischdüngers, des Wohn- orts unseres Stereutus niveus, nicht ermitteln konnte, so glaube ich doch diesen Wurm für die Unterelbe-Fauna in Anspruch neh- men zu dürfen. Pachydrilus sphagnetorum Vejdovsky var. nov. glandulosus. Schon vor Jahren fand ich im Eppendorfer Moor bei Ham- burg einen Pachydrilen, der unzweifelhaft der Vejdovsky ’schen Species P. sphagnetorum zugeordnet werden musste, wenngleich er in der Borstenzahl nicht genau mit den Hirschberger Exemplaren übereinstimmte. Ebenso wenig wie dem Autoren dieses Wurmes wollte es mir gelingen, geschlechtsreife Exemplare zu finden, trotz- dem wohl kaum ein Monat verstrich, in dem ich nicht auf dem Eppendorfer Moor revidirte. Im Detritus der Bille und der Elbe fand ich zu gleicher Zeit eine Pachydrilus-Art, die mit dem P. 'sphagnetorum in vielen charakteristischen Punkten übereinstimmte, während sie in anderen, mehr oder weniger unwesentlichen, con- stante Abweichungen zeigte. Da ich nur diesen letzteren Wurm geschlechtsreif kannte, so wagte ich nicht, ein Urtheil über seine Verwandtschaftsbeziehungen zum eigentlichen P. sphagnetorum zu fällen. Neuerdings nun entdeckte ich unter Würmern, die ich in Westphalen bei Witten a. d. Ruhr gesammelt hatte und die zweifel- los mit dem P. sphagnetorum identisch sind, einige geschlechtsreife Exemplare. Da diese auch in der Bildung der Geschlechtsorgane mit dem fraglichen Pachydrilus übereinstimmen, so halte ich es für ausgemacht, dass dieser letztere nur eine Varietät des P. sphag- netorum ist und bezeichne ihn als var. glandulosus. Die folgende Beschreibung beschäftigt sich in erster Linie mit der var. glandu- losus, die ich besonders in Sachen der Geschlechtsorgane ein- sehender untersuchen konnte. 3) „Ueber Enchytraeus Möbii u. and. Enchytraeiden.“ Kiel 1886, p. 8. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 491 P. spagnetorum var. glandulosus ist ein 20 mm langer Wurm von weisser oder schwach gelblicher Färbung. Er unterscheidet sich vom eigentlichen P. sphagnetorum schon äusserlich durch einen kräftigeren Bau. Die Borsten sind ziemlich stark und stehen zu 3, häufig. auch nur zu 2 in einem Bündel (bei P. sphagnet. zu 3 oder nach Vejdovsky zu 3 und 4). Das Blut ist gelb bis roth- gelb gefärbt. Die Lymphkörper sind platt, mit verschieden ge- staltetem Umriss, häufig birnförmig mit lang ausgezogener feiner Spitze (Fig. 2a), im allgemeinen gröber als die des eigentlichen P. sphagnetorum. Das Gehirn ist hinten und vorne tief ausge- schnitten, viel länger als breit, mit nach vorne convergirenden Seitenrändern. Die Segmentalorgane bestehen aus einem kleinen, tricehterförmigen Anteseptale und einem platten, länglichen Post- septale, welches vorne, d. h. in der Nähe des dissepimentalen Halses, in einen langen Ausführungsgang übergeht. Kein andrer Enchytraeide eignet sich so gut zur histologischen Untersuchung der Segmentalorgane wie die in Rede stehenden Würmer. Schon Vejdovsky erkannte an seinen Exemplaren des P. sphagnetorum, dass die Segmentalorgane aus wenigen, grossen, vom Flimmerkanal durchbohrten Zellen beständen®). Eine eingehendere Unter- suchung zeigte mir, dass, die Anordnung dieser Zellen in einem ge- wissen Sinne geregelt ist. Im Postseptale nämlich stehen die Zellen in zwei ziemlich regelmässigen Reihen, von denen man die eine die Rückenreihe, die andre die Bauchreihe nennen kann. Die Zellen der Rückenreihe sind in der Längsrichtung des Postseptale gestreckt und schliessen sich vorne an die Zellen des Anteseptale an. Die Zellen der Bauchreihe sind dagegen in der Breitenrich- tung des Postseptale gestreckt und gehen vorne in die Zellen des Ausführungsganges über. Der Flimmerkanal durchbohrt das Ante- septale in gerader Linie, tritt in das Postseptale ein und durch- zieht die ganze Länge desselben in kurzen, unregelmässigen Win- dungen, sich stets dicht unter der Rückenkante haltend. Vor dem Hinterende des Postseptale wendet er sich nach dessen Bauchseite und geht dann in tiefen, durch secundäre Schlängelungen noch complieirter gemachten Windungen wieder nach vorne, in den Aus- führungsgang hinein und nach aussen. Auch im Ausführungsgang 4) Vejdovsky, Monographie d. Enchytraeiden. Prag 1879, p. 37 u. Taf. XIII, Fig. 5. 492 Dr. W. Michaelsen: beschreibt er noch enge Windungen. Es ist mir leider nicht ge- lungen, Präparate herzustellen, an denen ich zugleich die Anord- nung der Zellen und den Verlauf des Flimmerkanals beobachten konnte. Aber auch eine gesonderte Betrachtung lässt keinen Zweifel über den Zusammenhang beider Einzelheiten. Der aus dem Anteseptale kommende Flimmerkanal hält sich auf der ersten Strecke im Postseptale beständig innerhalb der Zellen der Rücken- reihe, tritt dann hinten in die Zellen der Bauchreihe über, deren Streckung in der Breitenrichtung des Postseptale ihm den nöthigen Spielraum für jene tiefen Windungen gewährt, die er auf seinem Rückgang durch den Bauchtheil des Postseptale beschreibt. Vorne wieder angelangt, tritt er schliesslich in die Zellen des Ausfüh- rungsganges ein. Aus dieser Erkenntniss lässt sich folgern, dass jede Zelle des Segmentalorgans nur ein einziges Mal vom Flimmer- kanal durehbohrt wird, dass derselbe also nicht an einer Stelle aus einer Zelle heraustritt, um später an einer andern Stelle in dieselbe Zelle wieder einzutreten. Man kann sich also ein solches Segmentalorgan aus einer einfachen, von einem Flimmerkanal durchzogenen Zellreihe entstanden denken, die sich auf bestimmte Weise zusammengelegt, und durch Verwachsung zu jener compacten Form ausgebildet hat. Der Hauptunterschied zwischen P. sphagnetorum und P. spagn. var. glandulosus liegt in der Ausbildung der Septaldrüsen. Während bei P. sphagnetorum 4 oder 5 Paare von Septaldrüsen und zwar je 1 Paar in jedem der 4 oder 5 Septaldrüsen-Segmente beobachtet werden, steigt die Zahl der Septaldrüsenpaare bei P. sphagn. var. glandulosus bis auf9, und zwar dadurch, dass die Sep- taldrüsenstränge zwischen je 2 eigentlichen Septaldrüsen zu secun- dären Drüsen anschwellen, die dieselbe Grösse erreichen wie jene, sich aber dadurch auszeichnen, dass sie sich nicht an ein Dissepi- ment anlehnen, sondern frei in die Leibeshöhle hineinragen. Die Geschlechtsorgane der beiden Formen des P. sphagnetorum zeigen nur Grössenunterschiede; deshalb kann sich die folgende Be- schreibung, in der keine Maasse angegeben sind, auf beide be- ziehen. Es tritt uns hier die eigenthümliche Erscheinung entgegen, dass die Geschlechtsorgane die für die Enchytraeiden normale Lage aufgegeben haben und nach vorne gerückt erscheinen, ebenso wie ich es von denen der Buchholzia appendiculata constatiren konnte. Während jedoch bei diesem letzteren Wurm die Weite der Ver- Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 493 schiebung constant geworden zu sein scheint (4 Segmente betr.) differirt dieselbe bei verschiedenen Exemplaren des P. sphagneto- rum um 1 Segment. Sie beträgt 3 oder 4 Segmente. Die Samen- taschen haben ebenso wie die von B. appendieulata ihre normale Ausmündung zwischen dem IV. und V. Segment beibehalten. Die übrigen Geschlechtsorgane zeigen folgende Lagerung: Verschieb. Verschieb. um 3 Segm. um 4 Segm. Hoden am Dissepiment VAT NANDT® V1./V1. Övarien am Dissepiment VIL/IX. VI/VII. Samentrichter vor dem Dissepiment VIL/IX. VIT. /NIEI: Ausmündung der Samenleiter im Segment IX. VI Eileiter am Dissepiment IX./X. vI1./IX. Ausmündung der Eileiter im Segment X. IX. Gürtel an Segment IX.u.16 x. 7 VIH.u UI Hoden und Ovarien sind compaete Massen. Die Samentrichter sind regelmässig eylindrisch, ungefähr dreimal so lang wie dick, mit umgeschlagenem Rande. Die Samenleiter sind lang, zu un- regelmässigen Knäulen aufgewickelt und münden durch abgerundet kegelförmige Penisse nach aussen. Die Eileiter sind paarige Ein- stülpungen des Dissepiments IX./X. resp. VIIL/IX. in das folgende Segment hinein, an dessen Ventralseite sie ausmünden. Sie sind eng und kurz und treten oft bruchsackartig aus der Eileiteröffnung aus. Die Samentaschen (Fig. 2e) sind nicht mit dem Darm ver- wachsen, sondern hängen frei in die Leibeshöhle hinein. Sie sind folgendermaassen gestaltet. Ein langer, enger Schlauch ist an seinem innern Ende zu einer grossen Blase aufgeschwollen, die nach der Begattung prall mit Sperma gefüllt zu sein pflegt. Dicht vor seiner Ausmündung besitzt dieser Schlauch eine fast kuglige Anschwel- lung, deren Lumen durch eine von aussen nach innen vorspringende, vom Kanal durchbohrte Eintreibung auf einen eirculären Spalt re- dueirt ist. Eine derartige, wahrscheinlich einen Verschluss be- werkstelligende Einrichtung findet man bei den Samentaschen an- derer Enchytraeiden, z. B. Enchytraeus hegemon Vejd., E. Ley- digii Vejd., beim Uebergang des Ausführungsganges in den Haupt- theil. Man ist also wohl berechtigt, bei P. sphagnetorum jenes Stück der Samentasche, das vor der kugligen Anschwellung liegt, als Ausführungsgang zu betrachten. Der Ausführungsgang mündet hinter einer compacten Drüsenmasse nach aussen. Die Samen- 494 Dr. W. Michaelsen: taschen sind sehr lang, und ragen, trotz mannigfacher Schlänge- lung, oft bis in das VII. Segment. Die Zeit der Geschlechtsreife ist sehr kurz. Ich fand reife Thiere nur in der letzten Hälfte des August. Mesenchytraeus setosus nov. spec. In Gesellschaft des M. Beumeri fand ich Mesenchytraeen, die bei der ersten mikroskopischen Betrachtung erkennen liessen, dass sie zu keiner der beschriebenen Arten gehören. M. setosus, so nenne ich die neue Art, ist ein weisslicher oder grauer Wurm von ungefähr 15 mm Länge. Er ist durch eine sehr charakteristische, gesetzmässige Verschiedenheit in der Grösse der Borsten verschie- dener Bündel ausgezeichnet, und zwar sind es geschlechtliche Verhältnisse, welche diese Grössenunterschiede bedingen. Es sind nämlich die lateralen Borsten des V. Segments und einiger folgen- den, also der Segmente, die dicht hinter den empfangenden Ge- schlechtsöffnungen liegen, fast noch einmal so lang und dick, un- sefähr 6mal so voluminös wie die übrigen Borsten. Fig. 3b, die Zusammenstellung einer lateralen Borste des V. Segments mit einer lateralen des IV., bringt diesen beträchtlichen Unterschied zur An- schauung. Vom VII. oder VIIL. Segment an nimmt die Grösse der lateralen Borsten allmählich ab, bis dieselben wieder den normalen Umfang erreichen. In Zusammenhang mit der Vergrösserung der Borsten findet eine Verminderung ihrer Anzahl statt. Während die lateralen Borsten in den ersten Segmenten zu 3 oder 4 in einem Bündel vereinigt zu sein pflegen, stehen die vergrösserten Borsten einzeln oder zu zweien zusammen. Die Bedeutung dieser Riesen- borsten ist wohl nieht zweifelhaft. Sie verstärken höchst wahr- scheinlich den Zusammenhang zweier sich zur Begattung vorbe- reitender Würmer. Noch in anderer Beziehung sind die Borsten- verhältnisse des M. setosus interessant. Von keinem anderen En- chytraeiden ist das Vorkommen einer so grossen Zahl von Borsten in einem Bündel bekannt, wie ich es von dieser Art feststellen konnte. Vejdovsky biebt als höchste von ihm beobachtete Bor- stenzahl 10 an°). Ich zählte in einzelnen Bündeln des M. setosus deren 12. Die Variabilität der Borstenzahl verschiedener Bündel eines Thieres ist also bei dieser Art noch bedeutender als bei dem 5) Vejdovsky, Monographie der Enchytraeiden. Prag 1879, p. 20. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 495 nahe verwandten M. Beumeri®), schwankt diese Zahl doch von 1 bis 12. Wie in der folgenden Tabelle zu sehen ist, sind die ven- tralen Bündel aus einer viel grösseren Zahl von Borsten zusammen- gesetzt als die lateralen, besonders in den vorderen Segmenten, während sich der Unterschied nach hinten zu verringert. Rare DR are N . Ile = Ns = False 5 | -|IZ | 4 || Segment: Ale &\. 18 /EE sElsalge 2 15 | nu « 5 TI r. later. B. 3 0 2 Ba r2z raue, ar de ie BAR En TaventreB. (1010 AO 10) 91014710: 92 587] 08037 E92 Sn re 9259 IeventreBa | 97121912) 1710.108712.925101 288212921202 582682 25: [E9E BEN ES 1. later. B. #3 RA DIE 6227221317425 023 A A GE Ann Der Kopfporus ist gross und deutlich. Er liegt dicht hinter dem Vorderrande des von oben gesehen abgerundet viereckigen Kopflappens. Rückenporen sind nicht vorhanden. Die Frage über die Bedeutung der Poren ist noch nicht vollständig gelöst. Dass die Rückenporen die Aufgabe haben, den Körper durch Auslassen von Leibesflüssigkeit feucht zu erhalten, geht wohl sicher daraus hervor, dass sie nur bei jenen Oligochaeten vorkommen, die in Erde leben, denen dagegen fehlen, die ein feuchteres Medium be- wohnen. Die Kopfporen finden sich auch bei den echten Wasser- bewohnern. Sie dienen meiner Ansicht nach als Sicherheitsventil gegen zu starken Druck der Leibesflüssigkeit auf das Gehirn. Es tritt ja regelmässig bei den Oligochaeten der Fall ein, dass die Leibesflüssigkeit stark nach dem Vorderende des Wurmes ge- drängt wird, nämlich bei der Eierablage. Ich habe den Vorgang der Eierablage in einer früheren Arbeit geschildert”) und erinnere an dieser Stelle nur daran, dass die scharf spannenden Ränder der vom Gürtel abgesonderten und mit sammt den Eiern über das Vorderende des Wurmes weggeschobenen Haut (des späteren Co- cons) nur ein unvollkommenes Zurückfliessen der Leibesflüssigkeit gestatten, so dass dieselbe zum Kopf hingedrängt wird und das vordere Körperende in geringem Maasse auftreibt. Erreicht nun infolgedessen der Innendruck einen gewissen Grad, so muss sich der Kopfporus öffnen und die Leibesflüssigkeit findet einen Aus- 6) Ueber Enchytraeus Möbii u. and. Ench. Kiel 1886, p. 44. 7) Ebendaselbst p.8 und Taf. III, Fig. 2. 496 Dr. W. Michaelsen: weg. Es wird dadurch das Gehirn wie alle Organe des Vorder- körpers entlastet. Vielleicht tritt auch ein Quantum Leibesflüssig- keit beim Uebergang des Cocons über den Kopfporus in den Co- con ein und vergrössert somit den Nahrungsvorrath, der den Eiern für ihre Entwicklung mitgegeben wird. Dass das Gehirn gegen irgend welchen Druck sehr empfindlich ist, erkennt man an Wür- mern, deren Kopf man unter einem Deckglase drückt. Die Wür- mer werden matt und sterben ab, falls der Druck zu stark und andauernd ist. Bei leichtem Druck pflegen sie sich nach einiger Zeit wieder zu erholen. Die Lymphkörper des M. setosus (Fig. 3a) sind platt, läng- lich, navicellenähnlich, mit hellem Kern und gleichmässiger, ziem- lich feiner Granulation. Das Gehirn ist ähnlich dem desM. flavidus. Es ist ungefähr so breit wie lang, mit parallelen Seitenrändern, vorne tief, hinten schwach ausgeschnitten. Eine interessante Ausbildung zeigt das Schlundnervensystem unseres Wurmes. Neben zwei freien, birn- förmigen Ganglien, die vom hinteren Rande des Schlundkopfes in die Leibeshöhle hineinhängen, befinden sich eingeschlossene gang- liöse Elemente in dem Septaldrüsen-Apparat. Dieselben beschränken sich jedoch nicht wie bei den meisten anderen Enchytraeiden auf die Septaldrüsenstränge. Sowohl die Hauptseptaldrüsen als auch die (für die Mesenchytraeen so charakteristischen) secundären Drüsenwucherungen der Verbindungsstränge sind von Ganglien- zellen durchzogen. Fig. 3d zeigt einen Schnitt durch ein Stück einer Septaldrüse. Die äusseren Partien werden von den Septal- drüsenzellen gebildet. Der innere Raum ist erfüllt von einer Masse, die ein faseriges Aussehen besitzt, und die direct in die Stränge übergeht (Ausführungskanäle). In diese Masse sind zahlreiche, deutlich multipolare Ganglienzellen eingestreut. Eine derartige Aus- bildung des Schlundnervensystems mag Ratzel zu der Ansicht ge- bracht haben, dass die ganzen, von Vejdovsky zuerst als Drüsen erkannten Gebilde Schlundganglien seien®). Die Irrthümlichkeit dieser Ansicht zeigt sich deutlich, wenn man die betreffenden Organe des Stereutus niveus betrachtet (vergl. oben p. 487 u. Fig. 1 d: sd). Bemerkenswerth ist jedenfalls, dass gewisse Thatsachen leicht zu 8) Ratzel, Beitr. z. Anatomie v. Ench. vermicularis; in Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVIII, p. 99. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Enchytraeiden-Fauna. 497 jenem Irrthum führen konnten. Im Munddarmepithel und im Schlundkopf sind nämlich die Schlundnervenstämme deutlich aus- geprägt und auch von Ratzel richtig gedeutet worden, wie aus der zutreffenden Beschreibung ihrer Verbindung mit den Schlund- commissuren hervorgeht. Bei ihrer Verzweigung in die verschie- denen Aeste der Septaldrüsenstränge hinein verlieren die Schlund- nervenäste ihre scharfe Ausprägung und zwar dadurch, dass die Septaldrüsenstränge durch ihr eigenartiges Aussehen eine ganz ähnliche Structur vortäuschen. Es ist somit erklärlich, dass Ratzel die ganzen Septaldrüsenstränge für Schlundnervenäste und in di- recter Folgerung die Septaldrüsen für Schlundganglien hielt, wäh- rend diese Organe nur die Träger eines mehr oder weniger be- deutend ausgebildeten Schlundnervensystems sind. Ein gleiches Schlundnervensystem besitzt auch M. Beumeri. Die Segmentalorgane besitzen in ihrer Ausbildung nichts, was sie von denen anderer Mesenchytraeus-Arten unterschiede. Die Abbildung des Segmentalorgans von M. flavidus’) könnte auch für die des M. setosus gelten. Auch die Geschlechtsorgane zeigen die für die Mesenchytraeen charakteristischen Eigenschaften. Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Geschlechtsprodukte lösen sich frühzeitig von ihrer Bildungsstätte los und fallen in die dissepimentalen Säcke hinein. Wie bei M. Beumeri sind zwei Spermatozoensäcke und ein un- paarer Eiersack vorhanden. Die Spermatozoensäcke, rechts und links neben dem Darm gelegen, sind ziemlich eng und kurz und erreichen kaum das nächste Dissepiment (Dissep. XIL/XIIL). Der Eiersack erstreckt sich unterhalb des Darms bis in das XVII. Seg- ment hinein. Die Samentrichter sind zierlich, tonnenförmig, mit umgeschlagenem Rande; die Samenkanäle sind kurz und münden durch eine länglich ovale Penis-Anschwellung nach aussen. Um ihre Mündung herum stehen viele birnförmige Drüsen. Die Eileiter sind eng und kurz. Der Gürtel besitzt eine weitere Ausdehnung, als ich sie bei einem anderen Enchytraeiden beobachten konnte. Er nimmt nicht nur wie bei den übrigen Mesenchytraeen die hintere Hälfte des XL, das ganze XII. und XIII. Segment in Anspruch, sondern erstreckt sich noch ein geringes auf das XIV. Segment. 9) Michaelsen, Enchytraeiden-Studien; in Archiv f. mikr. Anatomie, NXX, Taf. XXI, Big. 2e 498 Dr. W. Michaelsen: Beiträge zur Kenntniss etc. Die Samentaschen sind so eigenartig gebildet, dass sie schon allein genügende Merkmale für die Identifieirung dieses Wurmes liefern könnten. Ein einfacher, enger Schlauch, der einerseits zwischen dem IV. und V. Segment nach aussen mündet und andrerseits mit dem Darm in Communication tritt, trägt nicht weit von seinem inneren (dem Darm-) Ende eine einzige, kleine, ovale Seitentasche, die nach der Begattung prall mit Sperma gefüllt ist (Fig. 3). M. setosus lebt bei Hamburg am Elbstrande (Steinwärder, Blankenese) zwischen Detritus und faulendem Laub sowie an mo- dernden Baumstümpfen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Fig. 1. Stercutus niveus noy. spec. a Gehirn von oben gesehen. ?00/.. b Segmentalorgan. ?%/,. c Samentrichter. 20/,. d Reifes Spermatozoon. 00). e Samentasche. 20/,. f Querschnitt durch den Darm im VIII. Segment. 3%/,. - bg = Bauchgefäss, bs = Darmblutsinus, chl = Chloragogenzellen, de = Darmepithelzellen, hk = Herzkörper, rg = Rückengefäss. g Sagittalschnitt durch den Schlund. 30%/,. chl = Chloragogenzellen, de = Darmepithelzellen, ds = Disse- piment, hr = Hohlraumartiges Gebilde, mh = Mundhöhle, sa = Septaldrüsen- Absonderung, sd = Septaldrüse, sg = Schlund- ganglion, sk = Schlundkopf, sm = Schlundkopf-Muskeln. h Sagittalschnitt durch den Enddarm. ?0/,. a — Rudimentärer After, bg = Bauchgefäss, bm = Bauchstrang, bs = Darmblutsinus, chl = Chloragogenzellen, de = Darm- epithelzellen, ds = Dissepiment, ed = Rudimentärer Enddarm, fb = Faeces-Ballen, hp —= Hypodermis. Fig. 2. Pachydrilus sphagnetorum var. nov. glandulosus. a Lymphkörperchen. ?%0).. b Segmentalorgan. 29/,. c Samentasche. 2%/,. Fig. 3. Mesenchytraeus setosus nov. spec. a Lymphkörperchen. 380/,. b Borsten a. d. Lateral-Bündeln IV und V. %%/,. c Samentasche. ?%/.. d Schnitt durch ein Septaldrüsenstück. ?0%,. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. Von Prof. Max Weber in Amsterdam. Hierzu Tafel XXIV. Jedem, der sich eingehender mit der Haut der Säugethiere beschäftigt hat, ist die Vielseitigkeit der Hautdrüsen bekannt. Innerhalb eng begrenztem Formenkreise sich bewegend, ist die Verschiedenartigkeit ihrer Anordnung, die Art der Ausmündung, Grössenverhältnisse und Verschiedenheit in der Lage doppelt über- raschend, da es sich nur um zwei Drüsenarten handelt, einer aci- nösen und einer tubulösen. Noch überraschender ist aber bei der Gleichartigkeit der Formelemente, die gleichem Mutterboden entstammeu, die Ver- schiedenartigkeit der Secrete, die diese Drüsen absondern. Dass in dieser Richtung noch vieles unaufgedeckt ist, wird abermals deutlich werden durch die nachfolgende Mittheiluug, die den Zweck verfolgt, einige neue Hautsecrete von Säuge- thieren bekannt zu machen. Hierbei sollen in erster Linie die Organe beschrieben wer- den, die die Quelle dieser Secrete sind. Doch auch diesen selbst habe ich getrachtet möglichst viel abzugewinnen. Es gilt zunächst ein roth gefärbtes Hautseeret vom rothen Känguruh (Halmaturus rufus); weiter ein eigenthüm- lichesSecret, das eineZwerg-Antilope (Cephalolophus pyg- maeus) durch eine Gesichtsdrüse, die in die Verwandtschaft der sogenannten Thränengruben gehört, abscheidet. Bestrebt die chemische Natur dieses Stoffes zu ergründen, hatte mein College Prof. J. H. van ’t Hoff die Freundlichkeit mir mitzutheilen, dass derselbe eiweisshaltig sei. Das Interesse für dieses aussergewöhnliche Secret musste noch reger werden, als ich erkannte, dass dasselbe beim Weibchen indigoblau gefärbt sei. Als sich daher später Gelegenheit bot, mehr Material zu er- halten, nahm Herr H. P. Wissman, phil. doct., der Zeit Laborant Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22. 32 500 Max Weber: auf meinem Laboratorium, auf mein Ersuchen mit dankenswerther Bereitwilligkeit eine genaue Analyse des Secretes vor, wobei zwei Eiweisskörper als Constituenten desselben erkannt wurden. Der Tod einiger Zwergantilopen im hiesigen zoologischen Garten bot alsbald die Gelegenheit, auch die Untersuchung der verschiedenen Drüsen selbst vornehmen zu können, wofür Hrn. Dr. G. F.Wester- man, dem Direktor genannter Einrichtung, mein Dank abgestattet sei. Bei diesem Studium wurden auch andere Antilopen nicht ausser Acht gelassen, um eine breitere morphologische sowie auch biologische Basis zu erhalten. Der Uebersichtlichkeit halber wurde der ganze Stoff folgen- dermaassen vertheilt: I. Ueber ein rothes Hautseeret bei Halmaturus rufus. II. Ueber ein eiweisshaltiges und blau gefärbtes Secret bei Gephalolophus pygmaeus. 1) Ueber die Gesichtsdrüsen der Wiederkäuer, besonders der Antilopen. 2) Eigene Untersuchung an Cephalolophus pygmaeus. a. Drüse des Weibchen. b. Drüse des Männchen. e. Chemische Untersuchung des Secretes. 3) Verhalten der Gesichtsdrüsen bei anderen Antilopen. 4) Historisches über das Drüsen-Seeret. 5) Ueber die Bedeutung des Secretes. 6) Einige allgemeinere Resultate. 7) Literatur-Verzeichniss. III. Ueber den Ursprung von gefärbten Haut-Secreten bei Säugethieren. I. Ueber ein rothes Hautsecret bei Halmaturus rufus. (Fig. 1, 2 und 3.) Bei dem rothen Känguruh (Halmaturus rufus), einem der ge- wöhnlichen Gäste unserer modernen zoologischen Gärten, ist das erwachsene Männchen in der Farbe seines Haarkleides nicht un- erheblich verschieden vom Weibehen. Mit den Worten von Water- house!), dem bekannten Monographen dieser Thiergruppe, sei an 1) Waterhouse: A Natural history of the Mammalia I. London 1846. pag. 105. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 501 diese auffallende Geschlechtsverschiedenheit erinnert. Es heisst bei ihm: „The female is particularly attractive from her graceful, slender, and elegant form, and from the snowy whitness of her legs, and of the under part of the body, eontrasted with the blue- grey tint of her sides and back. The male, especially when adult, has the red and white more blended into each other, the blue-grey, which distinguishes tne female, being rarely, if ever, pereeptible; henee has arisen the names of red buck and blue doe for the two sexes respeetively.“ Der Name „rufus“ passt mithin eigentlich nur für das Männchen. Hat man nun ein lebendes erwachsenes Männchen vor Augen, so fällt alsbald auf, dass hauptsächlich in der Brust- und Bauch- gegend an manchen Stellen das Haar einen eigenthümlichen rothen Farbenton hat, wie er bei anderen Säugethieren nicht be- obachtet wird. Die Farbe ist deutlich krapproth und dem Haare wie auf- oder eingepudert. Man überzeugt sich bald, dass an solehen Stellen diese Farbe sehr leicht, ohne erheblichen Druck auszuüben, abgerieben werden kann und alsdann Tuch oder Papier, das zum abreiben benutzt wurde, gleichfalls tief krapproth färbt. In Alcohol wird die Farbe leicht vom Haare abgespült; dasselbe hat alsdann seine eigene braunrothe bis gelbliche Farbe. Beim Auseinanderlegen der Haare zeigt sich die Oberfläche der Haut selbst mit einer gleich gefärbten unterbrochenen Lage dieses Farbstoffes überdeckt; hauptsächlich in den Furchen und Gruben, die den Haarfollikeln entsprechen oder sich an diese an- schliessen. Auch an Hautstücken, die mit Alkohol behandelt wur- den, bleibt diese rothe Masse als Ueberzug der Haut bewahıt. Man kann sie theilweise mit der obersten Lage der Epidermis ab- kratzen. Unter dem Mikroskop erscheint sie in der Form von intensiv roth gefärbten Körnchen und Plättchen von äusserst ge- ringem Ausmaass bis zu solcher Grösse, dass sie schon bei schwa- cher Vergrösserung erkannt werden können, wie sie den ver- hörnten Epidermisszellen als Kruste aufliegen. Da man es mithin hier mit einer der Haut aufliegenden Sub- stanz zu thun hat, die demgemäss mit der Epidermis als solcher nichts zu schaffen hat und kein den Epidermiszellen zugehöriges Pigment ist, wird man die Herkunft dieses Farbstoffes in Haut- drüsen suchen müssen. Man wird erwarten, dass denselben ein 502 Max Weber: rothes Secret entströmen wird, oder ein Secret, das bei Zutritt der Luft eine krapprothe Farbe annimmt, beim Eintrocknen die rothe Lage auf der Haut bildet und endlich das Haar färbt. Im Hin- blick auf letzteres wird durch Kratzen, eine Manipulation, welche unser Thier mit seinen Vorderfüssen mit grosser Virtuosität ver- richtet, das Einpudern der Haare mit dem von der Haut abge- kratzten Färbemittel sehr befördert. Wie bereits bemerkt, findet sich die rothe Masse auf der Haut, namentlich in der Umgebung der Ausmündung der Haar- follikel, was darauf weist, hier nach der Herkunft der Farbe zu suchen. Was die Haare angeht, so treten neben, im Mittel, einem bis drei Haaren mit dorniger Oberfläche zahlreiche, fünf bis sie- ben, von ersteren in Form und Ausmaass verschiedene, theil- weise dünnere Haare durch eine gemeinschaftliche Mündung nach Aussen. Thatsächlich vereinigen sich eine der Anzahl Haare entsprechende Anzahl Haarfollikel, um gemeinschaftlich auszumün- den. Die Vereinigung dieser selbstständigen Haarfollikel geschieht oberhalb der Einmündung der Talgdrüsen in die respektiven Haarbälge. In der Abbildung eines Schnittes durch die Haut sind drei austretende Haare im Längsschnitt dargestellt (Fig. 1. Man er- kennt die drei gesonderten Haarbälge, die erst oberhalb der Talg- drüsen t sich vereinigen. Die beiden Haararten sind in Fig. 2 und 3 stärker vergrössert dargestellt. Das an seiner Oberfläche mit Dornen besetzte Haar (Fig. 2) hat einen einzeiligen Markstrang, dessen regelmässige kubische bis eylindrische Zellen, zuweilen erst sehr weit von der Hautoberfläche entfernt, lufthaltig werden. Die Rinde ist glashell und trägt die Dornen, deren Anordnung am besten aus der Abbildung erhellen wird. Die zweite Haarart (Fig. 3) hat gleichfalls ein einzeiliges Mark, jedoch aus abgeplat- teten Zellen bestehend; auch ist die Rinde pigmentirt und zeigt an ihrer Oberfläche das fein gesägte Wesen des Oberhäutchens. Auch hier kann sich das Mark weit in den Schaft fortsetzen ohne lufthaltig zu werden. Die nach diesem Typus gebauten Haare kommen in verschiedener Grösse vor, sie können dicker oder dünner als die dornigen Haare sein. In die verschiedenen Haar- bälgen gemeinsame Ausmündung tritt nun eine grosse Drüse ein von tubulösem Baue, die in ihrem histologischen Verhalten so Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 503 sehr mit den tubulösen oder Knäueldrüsen übereinstimmt, dass es mir überflüssig erscheint weitere Abbildungen zu geben. Eine Figur zur Darstellung der Form und Lagebeziehungen der Drüsen möge genügen. Durch folgende Punkte sind diese Drüsen ausgezeichnet. Zu- nächst durch ihre Grösse, wodurch sie sich tief unter das Niveau der proximalen Haarbalgenden in die Subeutis hinein erstrecken und hier mit ihrem, stets breiter werdenden Knäuelende so viel Raum in Anspruch nehmen, dass in der tiefsten Cutislage eine Drüsen- schicht entsteht. Weiter ist die Art der Knäuelung der Art, dass die einzelne Drüse eine spitz dreieckige Form annimmt. Im proximalen Theil wird das Lumen der Canäle sehr weit, wogegen es sich nach der Ausmündung sehr verengert. In letzterem Theil ist der Epithelbelag niedriger, während in dem mehr in Sonderheit secretorischen Theil der Drüse das Epi- thel, wenigstens theilweise, höher ist und gewöhnlich eine kubische Form hat. Vor allem in den proximaleren Partien ist die bekannte Muskellage sehr deutlich. Nach Aussen folgt eine Tunica propria und zwischen die Windungen der Knäuel schiebt sich eine Ad- ventitia ein. Wie bereits gemeldet, fehlt bei dem blaugrauen Weibehen neben dem rothbraunen Haar des Männchen auch die krapprothe Färbung mancher Haarpartien. Es musste daher von besonderem Interesse sein auch ein Weibchen untersuchen zu können. Glücklich bot sich mir hierzu Gelegenheit, als ein erwachsenes Weibchen im hiesigen zoologischen Garten starb. Auch hiervon konnte ich ebenso wie vom Männchen nur schmale Streifen der Hals-, Brust- und Bauchhaut untersuchen; doch dürfte dies wohl genügen zur Beantwortung der Fragen, worauf ich den Schwer- punkt lege. Auf Schnitten erscheint die Haut des Weibehen in allen Theilen feiner. Die Haare bieten das gleiche Verhalten dar, nur treten im Allgemeinen weniger zahlreiche Haare aus der Mündung der vereinigten Follikel.e. Uebrigens gab es auch hier wieder die dornige Haarsorte und daneben zahlreicher die andere Art, die aber beim Weibchen ganz oder nahezu ohne Pigment ist. Die Haut ist viel dünner, der Art, dass der Boden der Haar- bälge fast an den Hautmuskel grenzt. Demnach gibt es kaum 504 Max Weber: Raum für Drüsen in der Subeutis, jedenfalls können sie keine irgendwie diekere Lage unter den Haaren bilden, wie dies ja beim Männchen der Fall ist. In der That macht denn auch der Drüsengang der auf gleiche Weise in den Haarbalg ausmündet, einige Spiralwindungen, um sich alsdann seitlich auszubreiten. Im feineren Bau gleicht die weibliche Drüse durchaus der männlichen. Meine Ansicht geht nun dahin, dass wir in den tubulösen Drüsen die Quelle des rothen Farbstoffes suchen müssen, der aus- schliesslich dem Männchen eigen ist. Wenn ich allerdings weder in den Drüsenkanälen ein ge- färbtes Secret, noch auch etwa in den Drüsenzellen den Farbstoff entdecken konnte, noch endlich denselben den Drüsenmündungen entströmen sah, so sprechen doch folgende Ueberlegungen für die Richtigkeit meiner Auffassung. Zunächst ist der Farbstoff kein Hautpigment. Uebrigens liegt er auch der farblosen Epidermis nur vonAussen auf. Er findet sich in Form von kleinsten Plättehen und Krümeln hauptsächlich in der Mündung der vereinigten Haarbälge oder in deren Um- gebung; somit kann er wohl nur in flüssiger Form abgeschie- den sein, um späterhin einzutrocknen. Das spricht schon gleich dafür, dass die tubulösen Drüsen die Quelle sein werden. Die aci- nösen Drüsen können wohl kaum in Anmerkung kommen; einmal wegen ihrer geringen Grösse, ferner weil das Secret flüssig ge- wesen sein muss, um sich von der Mündung der Haarbälge aus über die Haut weiterhin ergiessen zu können. Von weiteren Grün- den, die später noch zur Sprache kommen sollen, sei nur noch auf folgenden gewiesen. Die Haut ist beim Männchen wohl doppelt so dick als beim Weibehen und zwar ist es gerade der unter den Haarzwiebeln liegende Theil des Corium, der sich solch starker Entwickelung erfreut, mithin der Theil, der den enorm entwickelten Drüsen- körper des Männchen enthält. Dies diene zur Andeutung des grossen Unterschiedes in Massenentwicklung der männlichen und weiblichen Drüse. In dieser ausserordentlichen Entwicklung der Drüse des Männchen wird aber gleichzeitig der Grund liegen, für eine solch starke Abscheidung von Secret, dass dasselbe — auch wenn es den Farbstoff nur stark diluirt enthält — schliesslich doch genügend Farbstoff beim Eintrocknen liefert, um die Haut Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 505 mit einer unterbrochenen rothen Lage zu überziehen und um das Haar theilweise roth einzupudern. Eingehendere Prüfung des Secretes selbst konnte ich leider nicht anstellen, da ich nur über schmale Hautstreifen verfügte, wie solche sich dem Balge, dort wo er an der Ventralfläche ge- öffnet war, entnehmen liessen. Weiterhin hatte ich zu meiner Ver- fügung eine geringe Menge auf Papier abgeriebenen Farbstoffes. Immerhin kann folgendes zur Charakterisirung des Farbstoffes dienen. Zunächst ist er lichtbeständig. In Alcohol, Glycerin und Chromsäure wird er nicht aufgelöst. Kalilauge vernichtet ihn fast augenblicklich, wohingegen 1°/, Salzsäure ihn gelb verfärbt. Kleinste Farbstoffkörnehen, die ich der vorher in Alcohol conservirten Haut abkratzte, wurden in Wasser nicht aufgelöst, auch wenn sie längere Zeit darin verblieben. Am Schlusse dieser und der folgenden Mittheilung soll noch zusammenfassend auf einzelne Resultate und Schlüsse näher ein- gegangen werden, die sich aus vorstehender Untersuchung ergeben. Hier möge aber schliesslich noch auf einzelne biologische That- sachen hingewiesen werden, die sich von selbst an unser rothes Secret anknüpfen. Es ist bekannt, dass Geschlechtsunterschiede in der Fär- bung des Haarkleides bei Säugethieren im Allgemeinen nicht sehr erheblich sind. Wie in anderen Punkten so bewahrt auch in der Haarfärbung das Weibchen häufig das Kleid der Jugend. Solches trifft denn auch bei Halmaturus zu; die dem Männchen eigenthümliche Farbe bildet sich erst allmählich heraus. Dies be- zieht sich mithin auf die dem Haare des Männchen angehörige braun- oder gelbrothe Eigenfarbe. Es ist weiter bekannt, dass die Farbe des Haares entweder durch Pigmentirung zu Stande kommt, oder nebenher durch Luft- haltigkeit des Haares — für die weisse Farbe —,’oder endlich spielen Interferenzerscheinungen eine Rolle. In letztere Rubrik gehören auch vereinzelte Fälle (Chrysochloris nach Leydig), in denen Körner mit Metallglanz, vielleicht von Krystallform, den Metallglanz des Haares verursachen. Die gewöhnliche Ursache der Haarfarbe ist mithin Pigmentirung. Sitz des Pigmentes in diffuser oder körniger Form ist die verhornte Zellwand, der Zwischenraum zwischen den Zellen, oder die Zellen selbst. In 506 Max Weber: erster Linie gilt dies für die Zellen der Rindensubstanz, erst in zweiter für die des Markes. Neben den gelösten oder körnigen Farbstoffen spielen in der Regel Lufthaltigkeit und Interferenz gleichzeitig eine Rolle. In unserem Falle haben wir es mithin beim Männchen von Halmaturus rufus mit einem neuen Mittel der Haarfärbung zu thun, mit einem Pigment, das von Drüsen abgeschie- den wird und sich dem Haare von Aussen anhängt. Von einem allgemeineren Gesiehtspunkt aus betrachtet, findet sich eine Haut-Färbung durch Drüsenseerete — soweit mir be- kannt — nur sparsam in der Thierwelt. Ich sehe ab von solchen Fällen, wo ein gefärbtes Drüsenseeret noch in der Drüse oder in einem damit verbundenen Behälter einfach durch die Haut durch- scheint. Solches findet sich z. B. in den Drüsentaschen, die sich bei Myriapoden an die foramina repugnatoria anschliessen: unter anderen bei Allajulus und Blanjulus.. Wohl aber gehört hierher der abwischbare Farbstoff vieler Limaeinen, der in der Haut lie- senden Farbdrüsen entstammt!). Auch die abreibbaren Farben, die wie ein Puder oder Reif der Hautdecke mancher Insekten aufliegen und auf die Leydig?) wiederholt die Aufmerksamkeit gelenkt hat, könnten vielleicht in einzelnen Fällen Hautdrüsen ihren Ursprung verdanken. Genannter Forscher?) erinnert endlich an eine alte Beobachtung, wonach bei Vipera berus die Grund- farbe am Rücken und den Seiten zuweilen noch mit einer Art abstreichbarer Puderfarbe überzogen sei. Derselbe wird aber wohl kaum Hautdrüsen entstammen können. Erklärung der hierhergehörigen Figuren auf Tafel XXIV. Fig. 1. Schnitt durch die Haut von Halmaturus rufus, Männchen. hh Einfache Haare. d Haare mit dorniger Oberfläche, die gemein- schaftlich zu Tage treten, die aber gesonderte Haarbälge haben. t Acinöse Drüsen der Haarbälge. md Gemeinschaftliche Mündung. 1) Leydig, Archiv f. Naturgeschichte XXXXI. 1. p. 21. 2) Leydig, Arch. f. mikrosk. Anat. XII. 1876. (Ueb. Farben d. Haut- decke etc. bei Insecten.) 3) Leydig, Arch. f. mikrosk. Anat. XII. 1876. (Ueb. d. allg. Be- deckungen d. Amphibien). m Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 507 von verschiedenen Haarbälgen. dr Mündung der tubulösen Drüse. s Tubulöse Drüse, ‘die sich bis zum hm Hautmuskel erstreckt. Fig. 2. Stück eines Haares mit dorniger Oberfläche. Fig. 3. Stück eines pigmentirten Haares; der obere Theil desselben im opti- schen Längsschnitt zur Veranschaulichung der einzeiligen Markzellen. II. Ueber eiweisshaltiges und blaugefärbtes Hautseeret bei Cephalolophus pygmaeus. 1. Ueber die Gesichtsdrüsen der Wiederkäuer besonders der Antilopen. Am Kopfe zahlreicher Ungulaten, vor allem aber bei den Artiodaetyla ruminantia, kommen gehäufte Hautdrüsen vor, die ihrer Lage nach meist Gesichtsdrüsen sind. Nur ausnahms- weise finden sie sich auch am Unterkiefer bei Tragulus javanieus oder hinter den Ohren, als „aurieulare Kopfdrüsen“ bei der Gemse (Rupicapra rupicapra). Die eigentlichen Gesichtsdrüsen können nach ihrer Lagerung, theilweise auch nach der Art ihrer Ausmündung, sowie nach der Art ihres Zusammenhanges mit der Haut in verschiedene Gruppen zerlegt werden. Ich möchte die folgenden unterscheiden. 1. Oberhalb der Orbita gelegene, supraorbitale Drüsen bei Rusa equina und Cervulus muntjac. 2. Drüsen vor den Augen; diese können wieder von zweierlei Art sein: a. solehe, die direkt vor dem inneren Augenwinkel liegen und eine mehr oder weniger tiefe Einsenkung des os lacrymale verursachen können. Dies sind die sogenannten Thränen- sruben, „Hirschthränen“, Cruminae, follieuli und sacei lacry- males; larmier der Franzosen, suborbital pit oder sinus der Engländer. Wir wollen diesen in seinem Auftreten und Aeusseren sehr variabalen Drüsenapparat mit dem Namen „suborbitale Drüse“ belegen. b. Die zweite der vor den Augen gelegenen Drüsen ist vom inneren Augenwinkel weiter entfernt. Bei stärkerer Ent- 508 Max Weber: wickelung kann sie nicht nur das os lacrymale, sondern auch das supramaxillare mit einem Eindruck oder einer Grube ver- sehen. Owen, Ogilby und Andere sprechen daher von „maxillary pits“ und „sinus“. Es wird zweckmässig sein, solche Drüsenapparate „maxillare Drüsen“ zu nennen. Während die inframaxillare, postaurieulare und supraorbitale Drüse selten vorkommt, findet sich der suborbitale und maxillare Drüsenapparat vielfach bei Antilopen und Hirschen. In sehr ein- zelnem Falle scheinen beide zusammen gleichzeitig aufzutreten. Am häufigsten findet sich die suborbitale bei Hirschen und ein- zelnen Antilopen, weniger allgemein ist die. maxillare Drüse bei Antilopen. Art des Vorkommens und scharfe Umgrenzung der maxillaren und suborbitalen Drüsen erheischt noch eingehende Untersuchung; bisher ist erst sehr wenig in dieser Richtung geschehen. Vielleicht wird bei genauer Untersuchung eines reichen Materiales der Unter- schied zwischen suborbitalen und maxillaren Drüsen, wie ich ihn hier aufgestellt habe, ganz verschwinden. Ohne Zweifel haben wir es wohl stets mit mehr oder weniger zahlreichen und verschiedentlich stark entwickelten gehäuften aci- nösen und tubulösen Hautdrüsen zu thun, die entweder auf einer nackten oder behaarten Einsenkung der Haut ausmünden, wodurch nach Aussen mehr oder weniger offene Drüsensäcke entstehen. In einzelnen Fällen sind solche Drüsensäcke nach Aussen ausstülp- bar. Andererseits können solche Drüsen auf einem nackten Haut- streifen ausmünden und bei starker Entwickelung einen bedeuten- den Drüsenkörper bilden. In welcher Weise diese verschiedenen Stufen und Arten der Drüsen-Ausbildung bei den verschiedenen Antilopen und Hirschen (Ziegen und Schafe verdienen hierbei auch Berücksichtigung) sich finden, ist zur Zeit noch eine ganz offene Frage. Wie vorsichtig man bei Beurtheilung dieser Verhältnisse sein muss, wenn man das Thier nur von Aussen inspieirt oder nur über einen Balg ver- fügt, möge durch ein Beispiel illustrirt werden. Rütimeyer, gewiss ein genauer und scharfsichtiger Beob- achter, meint in einer kurzen Bemerkung über die Eindrücke, die unsere Drüsenapparate am Schädel hinterlassen, dass dieselben nicht allzuviel diagnostisches Gewicht verdienen, „da z. B. Strep- siceros, das Thränengruben besitzt, am Schädel keine Spur von Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 509 solehen erkennen lässt, während Cephalophus mit äusserst tiefen Knochengruben äusserlich nur einen nackten Streif darbietet!).“ Allerdings äusserlich; an diesen nackten Streifen schliesst sich aber eine excessiv grosse Drüse an, die eben die tiefe Knochen- grube zu Stande bringt. Solche Gruben oder Eindrücke finden sich nun von verschiedener Tiefe und Ausdehnung je nach der Entwickelung der Drüse in dem Laerymale. Liegt eine maxillare Drüse von grosser Ausdehnung vor, so kann sich der Eindruck auch auf den Oberkiefer ausdehnen. Am ausführlichsten hat sich Ogilby?) über die fraglichen Drüsenapparate ausgelassen. Er unterscheidet zunächst, als die am allgemeinsten vorkom- menden, die „laerymal sinuses“ oder tear-pits“, die er mit den Namen „erumen“ belegt, „first applier to them by Dr. Flemming“. Sie liegen nach ihm wenig entfernt vom inneren Canthus der Lider und sind in einer tiefen Grube oder Aushöhlung des Laery- male aufgenommen. An ihrem Boden findet sich eine Drüse, die durch eine Anzahl kleiner Oeffnungen in das Crumen ausmündet und abscheidet ‚a viscous substance of the consistence of ear- wax“. Ogilby gibt eine Beschreibung vom Verhalten dieses Drüsenapparates von einigen Antilopen, die hier wohl eine Stelle verdient. „In the Common Gazelle (Gazella doreas) this gland is about the size of a hazelnut, and has 5 apertures arranged in a quin- cunx form, through which, upon pressure, a dark tenacious clammy substance oozes out in threads about the thikness of a common, knitting-needle. The external opening of the crumen of various forms, sometimes large and oblong, as in the Gazella and Indian Antilope, sometimes smaller and of a eircular form, as in the Thar and other Capricornes; sometimes also the gland itzelf is superficial, without the existence of an actual erumen, as in the Bubals; but in all cases, the Sheep only excepted, the lips of the crumen are furnished with voluntary muscles, and may be opened and shut as the will of the animal. These organs are developed 1) Rütimeyer, Versuch einer natürlichen Geschichte ‘des Rindes. 1. Abtheilung, p. 20. 2) Ogilby, Transactions Zool. Soc. of London III. 1849, p. 60. 510 Max Weber: to a greater or less extent in most deer and about half the Ru- minants hitherto called Antelopes....“ Er fährt weiter fort, dass es eine eigenthümliche Modifica- tion dieser Suborbital-Drüsen bei Philantomba gäbe, von der er trotz der verschiedenen Lage und weiterer Verschiedenheiten aus- drücklich hervorhebt, dass sie nicht als ein von den erst bespro- chenen Drüsen verschiedenes Organ betrachtet werden dürfe. Wir werden später auf diese Drüsenart, die wir oben als ma- xillare von der suborbitalen unterschieden, zurückkommen. Doch sei hier schon hervorgehoben, dass Ogilby in einem früheren Ar- tikel!) als Unterschied zwischen den maxillaren und suborbitalen Drüsen meinte angeben zu können, dass das Secret der ersteren sei „of a thin watery consistence“, während er von der suborbi- talen Drüse (erumen) sagt, dass sie abscheide: a viscous substance of the consistence of ear-wax.“ Dieser Unterschied ist aber durchaus nicht durchgreifend, wenn er überhaupt besteht. Bei den Genera Grimmia und Cephalophus, die uns weiter- hin besehäftigen werden und die ausgezeichnet sind durch eine stark entwickelte maxillare Drüse, ist die Consistenz des Secretes durchaus viscös um alsbald zu einer zähen, schliesslich ganz festen Masse einzutrocknen. Ferner finde ich, dass bei Antilope (Damalis) pygarga, die gleichfalls maxillar gelegene Drüse ein ebenfalls zähes, schleimiges Secret abscheidet, das in kurzer Zeit zu einer zähen Masse eintrocknet. Neben Ogilby hat Owen?) ausführlicher über den Drüsen- apparat sich ausgelassen ohne jedoch näher auf dessen Bau ein- zugehen. Er unterscheidet gleichfalls maxillare und suborbitale Drüsen und weist bald die eine, bald die andere Drüse, bald beide gleichzeitig verschiedenen Antilopen zu, die er danach einiger- maassen in Gruppen bringt. In wie weit mit Recht, bedarf gewiss neuer und eingehender Untersuchung. Ausser Hand- und Lehrbüchern der Zoologie und vergleichen- den Anatomie, die eompilatorische Angaben enthalten, finden sich 1) Ogilby, Proceed. Zool. of London 1840, p. 10. 2) R. Owen, Comparat. Anatomy. III. 1868, p. 632. Die Tabelle, die Owen hier gibt, ist ein nur wenig veränderter Abdruck einer Tabelle O wen’s, die in den Proc. Zool. Soc. London 1836, p. 36 erschien. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 5li hier und da noch zerstreute Mittheilungen, die sich aber auf die Drüsenapparate einzelner Arten beschränken; so von Turner, Hodgsen, Jacob, Grimm, Pallas, Vosmaer, Geoffroy St. Hilaire, F. Cuvier und Bennet, die theilweise später noch be- sprochen werden sollen. Originale oder ausführlichere compilatorische Mittheilungen, die mir bekannt geworden sind, finden sich am Ende dieser Ab- handlung in einem Literaturverzeichniss zusammengestellt. 2. Eigene Untersuchung an Cepbalolophus pygmaeus. Im Zoologischen Garten zu Amsterdam hatte ich Gelegenheit mehrere Cephalophus pigmaeus Pall., einer Zwerg-Antilope vom Congo, beobachten zu können. Hierbei fiel alsbald auf, dass der grossen maxillaren Drüse, die diesem Genus eigen ist, beim Männ- chen ein wasserklares, äusserst zähes Secret entströmt, das alsbald hart wird und theilweise sich dunkel färbt. Beim Weibchen hatte das Secret eine indigoblaue Farbe, war aber übrigens von gleicher Consistenz wie beim Männchen. Waren Männchen und Weibchen getrennt, so rieb namentlich das Männchen sein Secret an bestimm- ten Stellen seines Käfigs ab und zwar in solchen Mengen, dass in kurzer Zeit Reagens-Gläser voll davon gesammelt werden konnten: reichliches Material mithin für eine chemische Untersuchung, die Herr Wysman, phil. doctorandus, derzeit Laborant auf meinem Laboratorium, freundlichst auf sich nahm und worüber weiter unten Näheres mitgetheilt werden soll. Der Tod einiger Exemplare gab alsbald gewünschte Gelegenheit die Drüse und Art und Ort der Bildung des merkwürdigen Secretes näher untersuchen zu können. Für den Drüsenapparat des Männchen und Weibchen gilt zunächst Folgendes. Kurz vor dem vorderen Augenwinkel liegt eine ovale An- schwellung — mit ungefähr horizontaler Längsachse — die beim jungen Thier und beim Weibehen weniger, beim Männchen da- gegen sehr stark vorspringt, wie aus Fig. 4 ersichtlich ist, auf der ein Kopf von einem erwachsenen Männchen dargestellt ist. Auf ihrer höchsten Fläche ist diese Anschwellung nur sparsam behaart und sie trägt ebendort einen beim Weibehen einfach, beim Männ- 512 Max Weber: chen schwach S-förmig gebogenen haarlosen Streifen, der zahl- reiche feine Löcher aufweist. Dieser „Drüsenstreifen“, wie ich ihn nennen will — auch wohl bekannt unter dem gewiss verwerflichen „Thränenstreifen“ — tritt offenbar schon sehr frühe auf. An einem mir vorliegenden männlichen Embryo, dessen Kopf in Fig. 5 abgebildet ist, von nur 8,2 cm Scheitel-Steiss-Länge, hat der gebogene Drüsenstreifen be- reits eine Länge von 5 mm. Eine Drüsenerhebung fehlt noch. Weitere Geschlechtsverschiedenheiten am Drüsenstreifen sollen später bei gesonderter Behandlung des männlichen und weiblichen Drüsenapparates besprochen werden. Hier sollen noch einige Angaben folgen, die gleicherweise für Männchen und Weibchen gelten. Die Drüse ist ein durchaus compacter Drüsenkörper von ovaler Form und einigermaassen halbkreisförmig auf dem Querschnitt. Mit der Epidermis hängt sie eigentlich nur längs dem Drüsen- streifen zusammen, übrigens ist sie durch loses Bindegewebe von dieser geschieden. Mit anderen Worten: die Drüse liegt im Co- rium und steht nur vermittelst ihrer zahlreichen Ausmündungen mit der Epidermis in Verbindung. Um Platz zu finden, liegt sie in einer tiefen Aushöhlung des laerymale und maxillare, und zwar dem Periost theilweise so innig an, dass sie nur mit Mühe davon frei zu präpariren ist. Die hin- tere, diekere Partie der Drüse wird an ihrer, dem Schädel zuge- kehrten Fläche von einem Muskel überdeckt, der als selbständige Portion des Musculus subeutaneus faciei muss betrachtet werden, die an der Drüse inserirt. Durch Contraction dieses Muskels wird die Drüse gegen die Haut angedrückt, wodurch die Abfuhr des Seeretes wird befördert werden. Dieses häuft sich an in kleinen Cysternen, die auf dem Querschnitt der Drüse zu zweien oder dreien neben und theilweise übereinander liegen (vgl. Fig. 6 und 7) und einestheils durch die Oeffnungen des Drüsenstreifens nach Aussen münden, anderntheils das Secret aufnehmen, das gebildet wird durch die Drüsenröhren, die in genannte Cysternen aus- münden. Zum Vergleiche mögen hier einige Angaben über Maasse und Gewichte des Drüsenapparates folgen: Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 513 Erwach- pwach- |Erwach- | Erwach- ] Be senes senes senes Werh- Woet a a en I (abge | chen chen chen ne magert) | Rumpflänge 62 cm | 60 em | 68 cm | 63 cm !41,5 cm |8,2 Steiss ke} , I Schwanzlänge 6 cm 7 cm 8 cm 3 cm 5 cm | Scheitellänge Oo o Körpergewicht 2463 gr |3130 gr \:3780 gr | 3430 gr | 1202 gr —_ Grösste Länge der Drüse!) | 3,5 cm | 3,82 cm| 3,6 em | 3,1cm | 2,3 cm — Grösste Breite der Drüset) | 2,1 cm | 1,8 cm | 1,8 cm | 1,8 em | 1,2 cm — Gewicht der Drüse?) 4,95 gr | 3,75gr | 2,5 gr _ _ = Länge des Drüsenstreifens®)| 2,5 cm | 2,6 cm | 2,7 cm | 2,5 cm | 2 cm | 0,5 cm Das enorme Gewicht der Drüse erhellt wohl am besten, wenn man beim Männchen das Gewicht der Drüse vergleicht mit dem Gewicht der Niere. So fand ich beim Männchen, dessen Drüse 4,95 gr schwer war, die Niere 9,7 gr schwer. Drüse des Weibehen. (Fig. 6, 7, 8 und 9.) Der Drüsenapparat stellt einen lang gestreckten ovalen Kör- per dar, dessen Länge oben von einem jungen Thiere zu 2,3 em, dessen Breite zu 1,2 em angegeben wurde, während für zwei er- wachsene Weibchen als Länge 3,6 respective 3,1 em gefunden wurde und als grösste Breite beide Male 1,35 em. Beim Weibchen mit der längsten Drüse betrug deren Gewicht 2,5 gr. An dem frischen, freipräparirten Drüsenkörper kann man sehr leicht zwei Abtheilungen unterscheiden, die durch eine un- tiefe Furche an der dem Schädel zugekehrten Seite von einander geschieden sind. Der hintere Theil der Drüse, auf Fig. 8 mit b bezeichnet, ist nämlich nicht nur dieker als der vor der Furche liegende, sondern hat auch eine glatte Oberfläche; wogegen der vordere (w) eine untiefe netzförmige Furchung aufweist, mithin nicht eigentlich glatt ist. Daneben ist er zwar länger, jedoch weniger dick und breit. Eine starke Arterie läuft über diesen a. 1) Gemessen an der dem Schädel zugekehrten Fläche. 2) Das Gewicht der Drüse wurde gewogen, nachdem die Drüse von der Haut abpräparirt und Bindegewebe und Muskel entfernt war. 3) Der Drüsenstreifen wurde in gerader Linie gemessen. 514 Max Weber: Theil weg. Wogegen an das hintere Stück ein quergestreifter Muskel sich ansetzt, von dem schon mitgetheilt wurde, dass er als Portion des Museulus subeutaneus faciei aufzufassen sei. Namentlich an der frischen Drüse, doch kaum weniger deut- lich an der in Aleohol bewahrten, macht sich ein weiterer, recht auffallender Unterschied sehr bemerklich. Das hintere Stück näm- lich ist intensiv blau gefärbt, bei dem einen Indivuum allgemein, bei dem anderen mehr fleckig, stets aber mit derselben Indigo- Farbe, die dem Seerete eigen ist; wohingegen das vordere Stück die bleichrothe Farbe hat, die so vielen Drüsen eigen ist. Auf einem Querschnitt durch die Drüse wird dieser Unterschied noch deutlicher, indem die blaue Farbe auch im Drüsenkörper sich findet namentlich in dessen centralem Theile und von hier nach der dem Schädel zugekehrten Peripherie der Drüse ausstrahlt, in der Art, wie dies in Fig. 6 angedeutet ist. Die Rindenschicht des Drüsenkörpers ist zum grossen Theile ohne diese blaue Farbe. Auf einem Querschnitt durch den vorderen Theil der Drüse ist keine Spur von dieser blauen Farbe zu entdecken. Gleich hier sei mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sich diese blaue Farbe unverändert in Alcohol erhält; selbst auf mikros- kopischen Schnitten, die zum Beispiel in Harz bewahrt werden, bleibt sie, wodurch es möglich wird die Herkunft dieses blauen Secretes genau festzustellen. Der oben genannte Farbenunterschied im vorderen und hin- teren Stück der Drüse stimmt nun genau zu dem, was früher von der Art des Secretes gemeldet wurde, das aus zahlreichen Oeff- nungen in dem Drüsenstreifen ausströmt. Dort wurde nämlich festgestellt, dass nur aus den im hinteren Theile des Drüsen- streifens liegenden Oeffnungen ein blaues Seeret zu Tage tritt. Mehr in der Mitte hat das Seeret einen bläulichen Ton, im vor- deren Theil der Drüse aber ist das Secret farblos. Der Drüsenstreifen wurde früher bereits als ein haarloser schmaler Streifen beschrieben, der jederseits begrenzt wird durch äusserst kurze Haare, die erst allmählich übergehen in das ge- wöhnliche Haarkleid des Kopfes. In der Hauptsache ist dies auch richtig; denn nur ganz sporadisch findet sich ein einzelnes Haar im Bereich des eigentlichen Drüsenstreifens. Seine nackte Haut besteht aus einer dünnen Epidermis mit breiten aber kurzen Pu- pillen, die in die Lederhaut vorspringen. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 515 In ziemlich regelmässigen Abständen wird der Drüsenstreifen von den Drüsenöffnungen durchbohrt, indem auf die Länge von 2,9—2,7 cm ungefähr zwanzig Gruppen von Oeffnungen kom- men. In der Regel nämlich liegen jedesmal drei feine Oeffnungen in dorso-ventraler Richtung neben einander und zwar so nahe, dass eine solche kleine Gruppe von Oeffnungen bei oberflächlicher Untersuchung wie eine Oeffnung erscheint. An diese Oeffnungen schliessen sich die oben bereits kurz angedeuteten Cysternen an, in die sich die Epidermis fortsetzt. Im frischen Zustande sind diese neben einanderliegenden Cysternen mit flüssigem Secret erfüllt. Auf dem Querschnitt durch eine in Aleohol gehärtete Drüse lässt sich der Inhalt der Cysternen ge- nauer untersuchen. Man kann sich alsdann bereits mit blossem Auge überzeugen, dass der Inhalt verschieden sein kann, insofern als die eine der Cysternen eine weissliche, die andere eine bläu- liche Masse enthalten kann, die — in Alcohol hart geworden — ungefähr die Grösse eines Stecknadelknopfes erreichen kann. Blauen Inhalt findet man natürlich nur im hinteren, blauen Theil der Drüse. Es ist jedoch durchaus nicht immer der Fall, dass neben einanderliegende oder auf einander folgende Cysternen verschieden gefärbtes Secret enthalten. In die genannten Cysternen ergiessen nun direkt oder in- direkt zweierlei Drüsenarten ihr Secret. Selbstredend sind dies tabulöse und acinöse. Was zunächst die tubulösen angeht, so ist deren Verhalten folgendes. In die Cysternen münden weite Gänge ein, in welche Drüsenkanäle eintreten, die geschlängelt verlaufend sich gabelig theilen. Die Gabeläste entfernen sich von einander, um sich alsbald in ihrem geschlängelten, spiraligen Laufe wiederum zu theilen, was sich abermals, selbst noch zwei- mal wiederholen kann. Auf diese Weise können aus dem ursprüng- lichen Drüsenkanale im Mittel etwa sechszehn Kanäle entstanden sein, was natürlich kein Axiom ist, da ihre Zahl kleiner oder grösser sein kann, aber der Deutlichkeit der Vorstellung halber als allgemeiner angenommen werden möge. Solchergestalt hat sich der Ausführungsgang, von dem wir ausgingen, zu einem Baume mit spitzwinkeliger Verzweigung ent- wickelt, dessen Aeste der dem Schädel zugekehrten Peripherie der Drüse zustreben. Ungefähr in gleichem Niveau gehen alle diese Aeste, die sämmtlich gewunden verlaufen, plötzlteh in sich thei- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32, 33 516 Max Weber: lende Endkanäle über, die auf’s engste in einander geschlungen sind und so eine eompaete Rindenschicht zu Stande brin- gen, die ausschliesslich aus knäuelförmig durch einander geschlun- genen Drüsenkanälen besteht. Diese tubulöse Rindensubstanz be- srenzt die dem Schädel zugekehrte Fläche der Drüse und nimmt ungefähr ein Fünftel bis ein Sechstel der ganzen Dicke des Drüsen- körpers in Beschlag. Im blauen Theil der Drüse fand ich ihre Dicke zu ungefähr 2 mm, im vorderen nicht blauen erschien sie etwas schmäler. An dem Aufbau unseres Drüsenapparates nehmen mithin tubulöse Drüsen einen sehr erheblichen Antheil; wir werden nicht irre gehen, wenn wir ihnen hierbei den Löwenantheil zuerkennen. Ihre Eigenthümlichkeiten sind folgende. Von den Cysternen aus- gehend finden wir in diese die Drüsen-Tubuli entweder direkt oder dureh Mithülfe von kurzen Sammelgängen ausmünden. Jeder Drüsenkanal theilt sich weiterhin wiederholt gabelig, um schliess- lich alle seine Gabeläste in knäuelförmig auf- und theilweise durch- einander gewundene Kanäle feineren Kalibers endigen zu lassen. Durch dieses Verhalten erinnert diese zusammengesetzte Knäueldrüse an die früher von mir!) von Hippopotamus amphi- bius beschriebene, nur mit dem Unterschiede, dass dort jede Drüse für sich ausmündet auf der Oberfläche der Haut und dass bei der Antilope die Verzweigung eine viel reichere ist. Den an genanntem Orte ausgesprochenen Ansichten allgemei- nerer Art über tubulöse Drüsen wüsste ich hier nichts hinzuzu- fügen; sie gelten auch wörtlich für die vorliegende Art von tubu- lösen Drüsen, die gleichfalls durch ihren feineren Bau sich voll- ständig anschliessen an das bekannte Schema der tubulösen Haut- drüsen. — Die Weite der Kanäle nimmt nach der Peripherie ab. In der Rindenschicht haben die knäuelförmigen Endkanäle einen Durchmesser von 46u, näher der Ausmündung 67 u, endlich 80 Durchmesser. Diese Maassangaben wurden wie alle folgende, bei denen das Gegentheil nicht ausdrücklich vermeldet wird, Prä- paraten entnommen, die in Alcohol gehärtet, in saurem Karmin gefärbt und schliesslich in Balsam bewahrt wurden. Das Drüsenepithelium besteht aus kubischen, polygonalen Zellen von 10—11u Länge, mit grossen (6 höchstens 9u) runden 1) Max Weber: Studien über Säugethiere. Jena 1886. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 517 oder ovalen Kernen, die zahlreiche Kernkörperchen enthalten, die der Wand des Kernes ansitzen und mit Karmin sich intensiv färben. Auf dieses Epithelium folgt nach Aussen die für tubulöse Hautdrüsen charakteristische Muskelschicht, deren Kerne hier enorm lang werden können (bis zu 18u) und zahlreiche Kernkör- perchen enthalten. Der Drüsenschlauch endlich wird umgeben von einer Tunica propria, der sich von Aussen eine dünne, bindegewebige Tunica adventitia anlegt. Die Drüsenkanäle enthalten meist ein in Alcohol geronnenes, krümeliges oder vielfach wie aus kleinsten Tröpfehen zusammen- gelaufenes Secret, das zuweilen einen Kanal über eine weite Strecke hin ganz anfüllt. In den knäuelförmigen Endkanälen des Weibehen findet sich das Secret nicht in solchen Massen. An Schnitten durch den in Alcohol gehärteten blauen Theil der Drüse, die direkt in Balsam gebracht oder in Glycerin unter- sucht werden, zeigt sich nun äusserst schön dieses Secret hier und da indigoblau gefärbt, wodurch festgestellt werden konnte, dass die tubulösen Drüsen den blauen Farbstoff abschei- den. Warum solches nicht auch im vorderen Theil der Drüse geschieht, wo blaues Secret ja fehlt, obwohl die Drüsenschläuche den gleichen Bau aufweisen — ich konnte wenigstens keinen Unterschied entdecken — weiss ich nicht zu beantworten. Von der zweiten Drüsenart, den acinösen, kann man sagen, dass sie den von den tubulösen Drüsen freigelassenen Raum des Drüsenkörpers ganz in Beschlag nehmen. Acinöse Drüsen fehlen demnach ganz in der Rindenschicht, einfach schon desshalb, weil dort kein Raum mehr für sie ist. Nach Innen von der Rindenschicht aber finden sie sich überall zwischen den Drüsenkanälen, um schliesslich bald vereinzelt bald zu mehreren vereinigt in die Cysternen auszumünden. — Ent- fernten die tubulösen Drüsen, durch ihre starke Verästelung, sich einigermaassen von dem bekannten Typus der schlauchförmigen Hautdrüsen, so weichen die acinösen Drüsen gleichfalls insofern ab vom gewöhnlichen Schema acinöser Hautdrüsen, als ihr trau- biger Charakter vielfach getrübt wird. Zum Theil doch müssen sie die Form eines geschlängelten Kanales annehmen, dem zahl- reiche unregelmässige Läppcehen und Ausbuchtungen ansitzen, die überall zwischen den tubulösen Drüsengängen sich ein Plätzchen suchen müssen. 518 Max Weber: Dichter bei den Cysternen wird ein Lumen sichtbar, das mit einem ungefärbten Seeret erfüllt ist, das in Alcohol gleichfalls hart wird und kein Fett ist. Die Zellen der acinösen Drüsen lassen sich nicht in anato- misch verschiedene Lagen zerlegen. Es sind gleichartige polyo- nale Zellen, deren grösster Durchmesser von 14 bis 25u, deren kleinster Durchmesser von 10 bis 18« varürt. Ihr Protoplasma ist körnig, der Kern rund oder oval, vielfach ohne glatten Contur. Die Maasse der Kerne spielen zwischen 5 bis 7«. Nach Aussen folgt eine Tunica propria, darauf eine äusserst feine bindegewe- bige Adventitia. Eine Muskelschicht fehlt. Noch sei zum Schlusse gemeldet, dass die Wand der Cyster- nen, die eine Fortsetzung der Epidermis ist und als eine Einstül- pung der letzteren aufgefasst werden muss, theilweise dunkel pig- mentirt ist. Das Pigment erfüllt die wandständigen Epithelzellen theilweise so vollständig, dass nur der Kern frei bleibt. Die Haut in nächster Umgebung des haarlosen Drüsenstrei- fens trägt kurze, oval angeschwollene Haare, in deren Follikel srosse tubulöse und acinöse Drüsen einmünden. In nächster Nähe des Drüsenstreifens treten einzelne dieser Drüsen auch ohne Ver- mittelung eines Haarfollikels direkt nach Aussen, gleichsam den Zustand der Drüsen vorbereitend, die zusammen den maxillaren Drüsenapparat zusammensetzen. b. Drüse des Männchen. (Fig. 4 und 10.) Am Anfang unseres Berichtes über die eigene Untersuchung wurden bereits Maasse und Gewicht der frei gelegten und von der Haut entfernten Drüse des Männchen angegeben. Bei einem Exem- plar fanden wir für den Drüsenapparat 3,3 cm, bei einem anderen 3,52 cm Länge, während die grösste Breite 2,1 cm respective 1,8 cm betrug, Das Gewicht war im ersten Falle 4,95 gr, im zweiten 3,75 gr. In Folge dieser starken Entwickelung des Drüsenkörpers liegt rechts und links am Maxillartheil des Kopfes eine einför- mige, sehr stark vorspringende Erhebung von 4,2 em Länge und 2,5 em grösster Breite, die ungefähr in der Mitte zwischen vor- derem Augenwinkel und Nasenspitze anfängt und sich bis unter das Ange fast bis zu dessen Mitte erstreckt (Fig. 4). Die Peri- Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 519 pherie dieser eiförmigen Erhebung ist in gewöhnlicher Weise von den gleichen Haaren bedeckt, die den übrigen Gesichtstheil des Kopfes bekleiden; im Centrum dagegen werden sie kürzer und auf einer einigermaassen schwach S-förmig gekrümmten Linie fehlen sie. Auf diese Weise entsteht auch hier wieder ein haar- loser Streifen, am Rande von kleinen Haaren begrenzt. Genannter Drüsenstreifen, der mithin keine Furche ist und bei einem Exemplar 26,5 mm lang war, wird von eirca 23 Reihen von Löchern durchbohrt. Jede Reihe besteht, wie beim Weibchen, aus drei in dorso-ventraler Richtung meist so eng neben einander liegenden Löchern, dass sie bei oberflächlicher Unter- suchung wie eine Oeffnung erscheinen mit einem Durchmesser von nahezu 1 mm. Ob auch hier jeder Drüsenporus in eine ge- räumige rundliche Höhlung (Cysterne) führt, war ich leider ausser Stand auszumachen, da ich nur von der Haut abpräparirte Drüsen untersuchen konnte, wobei natürlich etwaige Cysternen durch- schnitten wurden. Hierbei wurden nur einfache sehr grosse, in einer Reihe liegende Höhlungen bloss gelegt, in die vielleicht alle drei Poren einer Reihe gemeinschaftlich einmünden. Der Drüsenkörper bildet eine compacte Masse, die in fri- schem Zustande, auf dem Querschnitt zunächst eine dem Schädel zugekehrte Lage aufweist, die ein ganz homogenes, blassrothes Aussehen hat. Der Haut näher liegend und die genannten grossen Höhlen theilweise umschliessend, findet sich eine zweite Schicht, von dunklem, grünlichgrauem Aussehen, die mit dunklen Streifen und endlich Körnchenreihen eindringt in den inneren Theil der homogenen, blassrothen Aussenlage. Dies Bild des frischen Querschnittes kommt dadurch zu Stande, dass in der Umgebung der Höhlen (Cysternen) in den einzelnen Drüsen Secret, theilweise pigmentirt, sich aufhäuft und hierdurch den grünlichgrauen Ton verursacht. Von hier strahlen dunkle Streifen in die Peripherie aus: dies sind die acinösen Drüsen. Der periphere Theil dessen, was ich soeben Aussenlage nannte, ist nun die bereits vom Weibehen beschriebene Rinden- schicht tubulöser Drüsen. Damit ist eigentlich schon gesagt, dass in Hauptsache beim Männchen dieselben Verhältnisse zurückgefunden werden, die wir vom Weibchen her kennen. Dies ist in der That so; über den feineren Bau der Drüse des Männchen können wir daher kürzer sein. 520 Max Weber: Auch hier sind es wieder acinöse und tubulöse Drüsen, die den ganzen Apparat zusammensetzen. Die tubulösen bilden abermals eine durchaus compaete Rindenschicht aus knäuelförmig sewundenen Drüsenschläuchen, die als Endkanäle weiteren, sich theilenden Kanälen ansitzen, sodass auch hier wieder jede einzelne tubulöse Drüse die Gestalt eines Baumes hat, dessen zahlreiche Gabeläste nach der Peripherie der Drüse zu stets zahlreicher wer- den, während der Stamm vereinzelt oder mit anderen vereinigt in die Cysternen ausmündet. Die Dieke der Rindenschicht nimmt nach vorn relativ zu. Sie betrug an einer in Alcohol conservirten Drüse reichlich 2 mm Dicke. Schon für das blosse Auge hebt sich auf dem mikroskopi- schen Schnitt hiervon der übrige Theil der Drüse scharf ab, der ausser den Ausführungsgängen der tubulösen Drüsen auch die acinösen enthält. Diese erreichen beim Männchen eine stärkere Entwickelung. In der Umgebung der Seeret-Höhlen beginnend, füllen sie jeglichen Raum aus zwischen den tubulösen Gängen und endigen mit Terminalaeini von rundlicher Form (Fig. 10), die alle in gleichem Niveau an der Grenze der Rindenschicht liegen. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass die Zellen sowie das übrige Baumaterial von beiderlei Drüsen übereinstimmt mit den gleiehen Theilen des Weibchen. Es mögen hier noch einige Maasse folgen nach Präparaten in Glycerin. Das verschieden geformte Epithelium der acinösen Drüsen hatte einen maximalen Durchmesser von 27—29u:; vereinzelt konnten die Zellen sehr schmal und lang gestreckt sein. Der runde Kern hatte einen Durchmesser von 8«. In den tubulösen Drüsen erreichten die Zellen 10—13u, die Kerne 8 bis 9u. Maasse von Präparaten in Balsam stimmten mit den früheren Maassangaben von der weib- lichen Drüse überein. Fehlt auch beim Männchen ein so auffallender Farben- unterschied im Secret der tubulösen und acinösen Drü- sen, wie er dem Weibchen eigen ist, so erkennt man doch hier gleichfalls sofort zwei Seeretarten innerhalb des Drüsenkör- pers. Werden einer in Alcohol gehärteten Drüse Querschnitte ent- nommen, die ungefärbt z. B. in Kanadabalsam gebracht werden, so erscheinen die tubulösen Drüsen mit einer das Licht stark bre- chenden Masse erfüllt, die aus theilweise aufeinandergepackten Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 521 kleinsten runden oder unregelmässig geformten Tröpfehen besteht mit scharfen Contouren. So finden sie sich in den Endkanälen und in den kleinsten Kanälen, die wenigstens theilweise hiermit ganz angefüllt sind. In den grösseren Kanälen wird die Masse compacter und homogener und füllt in gleichem Zustande die Cy- sternen an. Natürlich ist dies Seeret durch Alcohol-Einwirkung in geronnenem Zustand übergeführt. In angesäuertem Carmin färbt sich dasselbe schön roth. Das Secret der aeinösen Drüsen ist nichts anderes, als die abgestossenen Drüsenzellen selbst, die zunächst eine Abänderung erfahren, wobei sie mit kleinsten, lichtbrechenden Tröpfchen er- füllt sind und schliesslich in eine glasartige Masse übergehen, in der Zellformen nicht mehr erkennbar sind und die man nicht eigentlich lichtstrahlend nennen kann. Hier und da —, vor Allem bei einem Exemplar war dies sehr auffällig, — enthalten die Zellen der acinösen Drüsen schwarze Pigmentkörnchen, theils staubartig fein in den Zellen vertheilt, theils in Form von kleinsten Klümpchen, die schliesslich eine Zelle ganz anfüllen können. Im Zelldetritus, der zum Schlusse das Se- eret dieser Drüsen bildet, ist das Pigment erhalten geblieben und gibt demselben einen dunkleren Ton, der zuweilen schon für das blosse Auge entschieden schwärzlich ist. Wohl zu unterscheiden hiervon sind verzweigte Pigmentzellen, ganz vom Wesen echter Chromatophoren, die mit theilweise ex- cessiv langen Ausläufern aus dem kleinen, den Kern umschliessen- den Zellkörper hervortretend, die Acini umspinnen. In Sonderheit an den kleinen acinösen Drüsen in nächster Nähe der Cysternen sind diese Chromatophoren bedeutend entwickelt. An den Ter- minalacini sah ich sie nicht. Diesen fehlt auch meist das Pig- ment in den Drüsenzellen. Das Secret der acinösen Drüsen färbt sich nicht mit saurem Karmin. Es spielt bei der Bildung der ganzen Secretmasse des Drüsenapparates dem Secret der tubulösen Drüsen gegenüber eine untergeordnete Rolle. So erklärt es sich auch, dass das den Drüsenporen entströmende Secret wasserklar ist. Die theilweise schwärzlich, wenigstens dunkler gefärbte Secretmasse der acinösen Drüsen ist zu unbedeutend, um diesen Farbenton irgend wie be- merklich dem wasserklaren Secret der tubulösen Drüsen mitzu- theilen. 522 Max Weber: c. Chemische Untersuchung des Secretes nach Mittheilung von Herrn H. P. Wysman, phil. doct. Oben wurde bereits mitgetheilt, dass das Secret im frischen Zustande eine wasserklare, dieke, syrupartige Masse darstellt, die rasch zu hornartigen, durchsichtigen Stückchen eintroeknet. Seiner Consistenz nach ist es mehr diekflüssig als schleimig zu nennen, auch ist es nicht eigentlich fadenziehend, namentlich nicht, nach- dem es dünn ausgestrichen wurde. Beim Männchen reagirt es sauer, auch besitzt es hier einen eigenthümlichen Geruch, echt animaler Art, der wahrscheinlich einer der höheren Fettsäuren zu danken ist. Wie das Weibchen sich in dieser Beziehung verhält, soll weiter unten mitgetheilt werden. Seeret zur chemischen Untersuchung konnte leicht in genü- gender Menge erhalten werden. Eingangs wurde bereits mitge- theilt, dass die isolirten Männchen die Gewohnheit haben, das Secret an bestimmter Stelle abzustreichen. Dies geschieht in solch dünnen Lagen übereinander, dass es sofort eintrocknet, ohne wesent- liche Veränderung zu erleiden. Allmählich entstehen auf diese Weise hornartige Stücke, theilweise mit glasartigen Rändern von mehreren em Durchmesser und einer Dicke”von einigen mm. Sie bestehen aus dem unveränderten trocknen Secret, dem Haare, ein wenig Sand und Spuren von Rost von dem Draht des Käfigs bei- gemengt sind. Die Hauptmasse des auf diese Weise gewonnenen Secretes lässt sich bequem durch die gewöhnlichen, allgemeinen Reactionen als zu den Eiweisskörpern gehörig nachweisen. Nachweisbare Mengen von Fett fehlen. Eine nähere Untersuchung lehrt zwei verschiedene Ei- weisskörper unterscheiden: ein Albumin und ein Globulin. Das erste stimmt in seinen Eigenschaften am meisten mit gewöhnlichem Hühnereiweiss überein, das letztere ist Vitellin. Da nun Vitellin in Wasser unauflöslich ist, in schwachen Salzlösungen dagegen sich auflöst und unser Secret als klare. Flüssigkeit abgeschieden wird, müssen Salze ein dritter essentieller Bestandtheil des Secretes sein. Thatsächlich lassen sich denn auch Magnesium und, Natrium nachweisen in der Form von Chlorverbindungen; wahrscheinlich auch als Salz einer organischen Säure. Diese Schlüsse gründen sich auf folgende Reactionen. Wird das trockne Secret mit sehr wenig Wasser angemengt, 0) Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 523 so glückt es die diekflüssige Auflösung darzustellen, die das frische Seeret bildet. Vor allem mit Secret, das sofort nach dem Tode aus der Drüse ausgedrückt, auf Glas ausgestrichen und darauf getrocknet wird, mithin vollkommen rein_ist, gelingt dies sehr gut. Wird dieser diekflüssigen Auflösung jedoch mehr Wasser zu- gesetzt, so entsteht ein Präeipitat. Ein solches Präeipitat kann man darstellen, wenn man die diekflüssige Auflösung dialysirt. Offenbar enthält mithin das Secret einen in Wasser unlös- lichen, in Salzen löslichen Eiweisskörper. Wenn man nun die Verdünnung der diekflüssigen Auflösung, von der wir ausgingen, so lange fortsetzt, bis kein Präcipitat mehr entsteht und letzteres abfiltrirt, so enthält das Filtrat doch noch Eiweiss. Dies ist demnach ein Albumin, das in Wasser löslich ist und kein Salz bedarf, um gelöst zu bleiben. Diese beiden Eiweisskörper seien jetzt näher dargelegt in ihren Eigenschaften. Der erste, das Globulin, entweder erhalten durch Verdün- nung und wiederholtes Auswaschen mit Wasser, oder niederge- schlagen durch Dialyse und demnach noch vermengt mit dem Albumin, — kann wieder in schwacher Salzlösung z. B. von Chlor- natrium und Magnesiumsulfat aufgelöst werden. Bei Sättigung dieser Auflösung mit Chlornatrium bleibt sie klar. Diese Reaction ist charakteristisch für Vitellin. Bei Sättigung mit Magnesium- sulfat aber entsteht bei 30° ein Präeipitat, das die Eigenschaften des Vitellin vor der Präeipitation bewahrt hat: nämlich bei Ver- dünnung sich wieder auflöst, bei sehr starker Verdünnung oder bei Dialyse wieder ausfällt u. s. w. Was die Coagulations-Temperatur anlangt, so fängt in Salz- auflösungen eine partielle Coagulation schon bei 66° an; weitere Coagulation tritt bei höherer Temperatur, bis ungefähr 75° ein. Diese Zahlen schliessen sich wohl genügend an die Angaben von Weyl!) an, der 75° als Coagulations-Temperatur von Vitellin nennt, jedoch schon bei 70°, bei langsamer Erwärmung theilweise Coagulation wahrnahnm. Auch die weiteren Eigenschaften unseres Eiweisskörpers stim- men ganz überein mit den Eigenschaften, die von Vitellin beschrie- ben werden. Wir nennen nur die Umsetzung zu Acidalbumin unter 1) Weyl: Zeitschrift für phys. Chemie I. 72. 524 Max Weber: Einwirkung von sehr verdünnter Salzsäure. Dies Acidalbumin kann mit Chlornatrium praeeipitirt werden, was mit dem ursprüng- lichen Vitellin nicht ausführbar ist. Ferner die Bildung einer lös- lichen Verbindung mit Magnesia und dergleichen mehr. Was den zweiten Körper, das Albumin anlangt, so kann dies erhalten werden durch starke Verdünnung der ursprünglichen Auf- lösung, wodurch Vitellin ausfällt oder dadurch, dass das Vitellin durch Sättigung mit Magnesiumsulfat bei 30° entfernt wird. Ver- fährt man auf letztgenannte Art und hält man die mit Magnesium- sulfat versetzte Auflösung so lange auf dieser Temperatur bis sich kein neuer Niederschlag bildet, was einige Stunden dauert, dann enthält die klare, abfiltrirte Flüssigkeit noch Eiweiss, unser Albu- min, das hieraus durch Sättigung mit Natriumsulfat niedergeschla- gen werden kann. Die von diesem Praeeipitat abfiltrirte Flüssig- keit enthält kein Eiweiss mehr. Wird das Praeeipitat wieder in Wasser gelöst, so entsteht eine Flüssigkeit, die sich genau verhält wie eine Auflösung von gewöhnlichem Eiereiweiss, die zur Controle benutzt wurde. Namentlich ist das Verhalten beim Schütteln mit Aether für beide gleich. Anlangend die Salze, die die Eiweisskörper begleiten, so können diese entweder aus der Auflösung erhalten werden, nach- dem die Eiweisskörper durch Kochen entfernt wurden, oder durch Dialyse. In beiden Fällen bleibt eine Auflösung zurück, der noch organische Stoffe beigemengt sind und die beim Eindampfen nicht krystallisirt, vielmehr eine braune syrupartige Flüssigkeit liefert. Die Menge, die auf diese Weise erzielt wird, ist zu gering, um es möglich zu machen, zu weiteren Schlüssen über die beigemengten organischen Stoffe zu gelangen. Im Aschen-Rückstand findet man Chlor, Natrium und Magnesium; keinen Kalk, keine Phosphorsäure und keine Schwefelsäure. Ausserdem ist die Asche nicht gänzlich löslich in Wasser, wohl aber in Salzsäure. Aus diesem Befunde darf wohl mit einiger Wahrscheinlich- keit erschlossen werden, dass ein Theil des Magnesium als orga- nisches Salz vorkommt, das bei Verbrennung Magnesium-Oxyd oder Carbonat liefert. Vielleicht gelingt es noch über die Art dieser Säure Näheres zu ermitteln. Bei Erwärmung mit verdünnter Schwefelsäure ent- wickelt das eingedampfte Dialysat einen eigenthümlichen Geruch, der wahrscheinlich von der frei gewordenen organischen Säure herrührt. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 525 Diesen ausführlichen Mittheilungen des Herrn Wysman er- laube ich mir noch Einiges hinzuzufügen, «as theilweise aus ge- meinschaftlicher Untersuchung sich ergab. Anlangend das Secret des Weibchen wissen wir, dass das- selbe, in soweit es dem hinteren oder mittleren Theil der Drüse entströmt, indigoblau gefärbt ist. Dem Männchen gegenüber ist es ferner dadurch ausgezeich- net, dass es geruchlos ist und alkalisch reagirt. Dies konnte ich direkt nachweisen, wenigstens für das ungefärbte Secret, das dem vorderen Theil der Drüse seinen Ursprung verdankt. Weiter ist für die alkalische Reaktion des Secretes der blaue Farbstoff selbst ein Indicator, insofern er nämlich unter Einwirkung von Säuren sofort roth wird. Neutralisirt man die Säure und stellt die alka- lische Reaction wieder her, so schlägt der Farbstoff wieder in die blaue Farbe um, sodass es möglich war ein thierisches „Lakmus- papier“ herzustellen. Mit Lakmus hat unser Farbstoff aber nichts zu schaffen, ebensowenig mit Indigo. Gerade an diesen Farbstoff wurde zuerst gedacht, nicht allein wegen der Uebereinstimmung in der Farbe; der Gedanke an Indigo drängte sich auch sofort auf im Hinblick auf das Vorkommen von Indiecan im Harn und ausnahmsweise auch im Schweiss. Dieser Gedanke an Indigo musste aber sofort fahren gelassen werden, als das Umschlagen der Farbe bekannt wurde. Zum Ueberfluss wurde leicht nachge- wiesen, dass bei Zusatz von Natriumhyposulfit (Schützenberger), wodurch Indigo entfärbt wird, die blaue Farbe des Secretes be- stehen blieb. Hier liegt mithin ein neuer thierischer Farbstoff vor. Die zweite auffallende Erscheinung: die Geruchlosigkeit des Seeretes des Weibehen, stimmt gut zu der Thatsache, dass das Secret alkalisch reagirt. Wir vermuthen ja, dass der Geruch des männlichen Secretes von Fettsäuren herrührt. Beim Weibehen nun fehlen diese oder sie sind neutralisirt und damit ist das Secret geruchlos. Im Hinblick auf letztere Möglichkeit wurde folgendes ver- sucht. Ein Tropfen frischen blauen Secretes wurde mit einer'ge- ringen Menge verdünnter Schwefelsäure versetzt und darauf er- wärmt, jedoch ohne Erfolg; das Secret blieb geruchlos. H 526 Max Weber: 3. Verhalten der Gesiehtsdrüsen bei anderen Antilopen. Die Gelegenheit, die reiche Sammlung des naturhistorischen Museums zu Leyden durchmustern zu können, wurde Anlass, die in näherer oder entfernterer Verwandtschaft mit dem von uns untersuchten Cephalolophus pygmaeus stehenden auf den Drüsen- apparat hin zu untersuchen. Hierbei stellte sich heraus, dass derselbe theilweise systematisch zu verwerthen ist. Ich fand nämlich folgendes bei verschiedenen Arten, wobei man berücksichtigen möge, dass ich grösstentheils nur alte Bälge untersuchen konnte. Cephalolophus. C. pygmaeus Pallas. Wir fanden oben bei beiden Geschlechtern einen grossen haarlosen Drüsenstreifen; beim Männchen stark gebogen. Die Drüse ist sehr gross und scheidet ein eiweiss- haltiges, beim Weibehen blaugefärbtes Secret ab. C. Maxwelli H. Smith. Anlangend den Drüsenapparat liegt hier gleiches vor. Bei einem Männchen, das ich lebend unter- suchen konnte, bot das Secret gleiches Verhalten dar wie bei C. pygmaeus. Eingetrocknet wich es nur insofern ab, als es heller von Farbe war. Demselben war mithin kein Pigment oder nur in Spuren beigemengt. C. rufilatus Gray. Männchen und Weibchen haben einen deut- lichen breiten haarlosen Streifen, der umgebogen scheint. C. natalensis H. Smith. Nur ein Männchen konnte ich unter- suchen, das einen deutlichen, geraden, haarlosen Streifen hatte. C. niger Gray. Das Männchen hat einen langen, gebogenen Drüsenstreifen, beim Weibchen ist er kürzer und mehr gerade. C. dorsalis Gray. Beiden Geschlechtern kommt ein gerader, verhältnissmässig kurzer Streifen zu. C. Ogilbyi Gray. Der Drüsenstreifen ist bei beiden Geschlech- tern sehr kurz. C. doria Ogilby. Beim Männchen weist der Drüsenstreifen eine gebogene, beim Weibchen eine gerade Reihe von Löchern auf. Grimmia. Gr. oeularis Peters. Ein Weibchen lag vor mit schwach ge- bogenem Streifen. Derselbe wurde kürzlich auch von Noack!) 1) Th. Noack: Zoolog. Jahrbücher. Bd. II. 1887, pag. 219. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 527 von einem jungen Weibchen zu 15mm Länge angegeben. Noack spricht dort von einer „Längenfurche‘‘; ich meine, dass nach un- serer jetzigen Einsicht dieser Terminus nicht ganz richtig ist. Gr. madoqua Bruce. Bei beiden Geschlechtern fand ich ähn- liches Verhältniss wie bei Gr. ocularis. Gr. mergens Blainv. Später soll dargelegt werden, dass Drüsen- streifen und Seeret von dieser Antilope schon im Jahre 1685 von Grimm beschrieben wurden. Beiden Geschlechtern kommt ein deutlicher Drüsenstreifen zu. Ich konnte drei Weibchen lebend untersuchen. Bei allen entströmte dem Drüsenstreifen ein Secret, das bezüglich seiner Consistenz vollständig mit dem Secret von Cephalolophus pygmaeus übereinstimmte. Bei Druck auf den Drüsenapparat trat zunächst ein wasserklares Seeret von bekannter Consistenz zu Tage, darauf eine zähere Masse, deren Farbe die Mitte hielt zwischen chinesischer Tusche und Sepia. Man darf somit das Secret „schwarz“ nennen. Ich ver- muthe, dass der schwarze Farbstoff den acinösen Drüsen seinen Ursprung verdankt. Gr. grimmia Pallas. Diese Antilope konnte ich nicht selbst untersuchen. Von deren Secret und Drüsenstreifen liegen aber, wie wir später sehen werden, gute Beschreibungen vor von Pallas und Vosmaer. Nanotragus. N. spinigerus Temm. An dem vorliegenden Männchen war nicht mit Gewissheit auszumachen, ob ein Drüsenstreifen besteht. Es war aber sehr wahrscheinlich. Nesotragus. N. moschatus Sundevall. Ein Weibehen mit deutlicher „Thrä- nengrube“. Pediotragus. P. tragulus Forsh. Runde Thränengrube. P. rufescens Burch. Ein Weibchen mit deutlicher, tiefer, runder Thränengrube. Scopophorus. Se. scoparius Schreb. Das Männchen hat eine tiefe Thränen- grube, die dem Weibchen zu fehlen scheint. Letzteres hat aber eine nackte Stelle vor dem Auge. Se. montanus Rüpp. Das Männchen hat eine länglich ovale Thränengrube, die mit ihrer Längsachse vertikal steht. 528 Max Weber: Calotragus. C. melanotis Rüpp. Aehnlich wie bei Scopophorus scoparius hat das Männchen eine runde Türänengrube, während dem Weibehen nur eine nackte Hautstelle zukommt, die vor dem Auge liegt. Neotragus. ; N. hempriehianus Ehr. Insonderheit das Männchen hat eine tiefe runde Thränengrube. Tetraceras. T. quadriecornis. Das Männchen hat eine lange, spaliförmige Thränengrube. Aus obiger Zusammenstellung geht hervor, dass von den Feld- Antilopen Gray’s die Gruppe der „eigentlichen Antilopen‘‘ in zwei Abtheilungen zerlegt werden kann. Die eine derselben, die Genera: Cephalophus und Grimmia umfassend, ist charakterisirt durch einen haarlosen Drüsenstreifen, auf dem durch Löcher ein darunter liegender Drüsencomplex sein Secret abscheidet. Thrä- nengruben, von welcher Art auch, fehlen. Soweit mir bekannt ist dieser Apparat bei Cephalophus Ogilbyi Gray am wenigsten ent- wickelt, während er bei ©. pygmaeus und Maxwelli sein Maxi- mum erreicht; übrigens auch bei Grimmia bedeutend ist. Anläss- lich Nanotragus spinigerus Temm. bin ich zu keiner Sicherheit gelangt; doch scheint auch diese Antilope hierher zu gehören. Die zweite Abtheilung, die Genera Nesotragus, Pediotragus, Seopophorus, Calotragus, Neotragus und Tetraceras umfassend, ist bezeichnet dureh den Besitz von Thränengruben; bald rund, bald länglich oder schlitzförmig. Dies gilt gleichfalls für Neotra- gus hemprichianus Ehr., die man auch wohl zu Cephalophus ge- bracht hat. Der Besitz von Thränengruben spricht nicht hierfür. 4. Historisches über das Drüsen-Seecret. Das auf den vorhergehenden Seiten näher beschriebene Se- cret ist bisher nicht ganz unbeachtet geblieben — wenn auch nicht von derselben Species, dann doch von sehr nahe verwandten Arten. Es ist denn auch so auffallend, dass es Niemandem, der Gelegenheit hatte die Thiere auch nur etwas genauer zu beob- achten, entgehen konnte. Es verlohnt sich wohl der Mühe in wenigen Zeilen der Ge- schichte ihr Recht widerfahren zu lassen. Beim Nachforschen der Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 529 älteren Literatur fand sich alsbald, dass Dr. Grimm, der als Arzt der niederländisch-ostindischen Compagnie sich einige Zeit am Kap der guten Hoffnung aufkielt und als wissenschaftlicher Entdecker und erster Beschreiber einer Art unseres heutigen Genus Cephalophus oder Grimmia gelten mag, bereits im Jahre 1635 in den Ephemerides naturae curiosorum eine ausführliche Beschrei- bung eines ähnlichen Secretes gab. Grimm hatte es mit einem weiblichen Exemplare einer Antilope zu thun, die sehr oberflächlich beschrieben und — im Geiste jener Zeit — noch schlechter abgebildet ist!). Eine einiger- maassen sichere Deutung ist daher nicht leicht, wie bereits Tem- mink?) kritisch hervorhob. Am walırscheinlichsten war es wohl ein Weibehen unserer heutigen Grimmia mergens, dem ja bekannt- lich die Hörner fehlen. Ich meine, dass hierfür auch Grimm’s Beschreibung des Secretes der maxillaren Drüse spricht. Diese Beschreibung möge hier folgen, nicht bloss historischer Gründe wegen; sie ist immer noch die beste, die wir bisher vom Secret einer «Antilope aus dieser Gruppe besitzen. Ist unsere Deutung richtig, dass Grimm eine Grimmia mergens lebend beobachten konnte, so hat seine Mittheilung erhöhten Werth, da sie alsdann — soweit mir bekannt — die einzige ist, die wir von dieser Antilopenart besitzen. Er schreibt von seiner „Capra sylvestris africana“, „in utra- que latere, nasum inter et oculos, duas cavitates exhibet, quae pinguem vel oleosum flavum liquorem continent, qui in nigram materiam coagulatur; cavitates hae nullam cum oculis habent com- munionem, sed, quod probe notavi, separatae ab iis existunt, ut ita in Lachrymis cervi aliorumve animalium omnino differat. Cer- tum itaque est, materiam hane a dictis cervinis Lachrymis virtute et natura differre, dubioque procul singularem suam praeelaram virtutem obtinet; optassem ut quantitatem ejus aliquam colligere lieuisset, sed, cum iter in patriam instituere cogerer, occassio me deficiebat*. Meine Beobachtung, die ich oben bereits mittheilte, dass das Weibchen von Grimmia mergens ein schwarzgefärbtes Seeret ab- 1) Miscellania curiosa sive Ephemeridum med.-phys. germanicarum acad. nat. Ourios. dec. II. Norimbergi 1686. Observat. LVII. pag. 131. 2) Temmink: Esquisses Zoologiques s. 1. cöte de Guine 1. partie mammiferes. Leyden 1853. 530 Max Weber: scheidet, spricht — nach diesem Berichte Grimm’s — gewiss zu Gunsten der Auffassung, dass Grimm es gleichfalls mit einer Grim- mia mergens zu thun hatte. Ungefähr achtzig Jahre später erschien abermals eine Notiz über das Seeret der maxillaren Drüse, das gleichfalls an einem lebenden Exemplar einer Antilope, zur Gruppe Cephalophus ge- hörig, wahrgenommen wurde. Zu der Zeit befand sich in der Nähe vom Haag der zoolo- gische Garten des Prinzen von Oranien, in welchem ein männ- liches Exemplar einer Antilope gehalten wurde, die Pallas Ge- legenheit hatte zusehen und zu beschreiben!). Ausführlicher kam er hierauf zurück in seinen Spieilegia Zoologiea. Er bildet hier eine Antilope ab, die er für identisch hielt mit Grimm’s Antilope und die er Grimmia nannte?). In denselben Fehler verfiel Vosmaer?), der Direktor des obengenannten zoologischen Gartens, der aber eine weit bessere Abbildung als Pallas von demselben Thiere gab. Aus Abbil- dung und Beschreibung erhellt, dass hier ein männliches Exem- plar einer Grimmia grimmia Pallas — nach heutiger Nomenclatur — vorlag, mithin ein anderes Thier als Grimm’s Antilope. Pallas lässt sich nun in .den Spieilegia folgendermaassen aus über das Secret: „Quo autem maxime ab Antilopibus reliquis differt, est convallis illa ante oculos nigra, sebifera, sinuum lacry- malium cervinorum succedanea, ob quam et ob exsudantem illie praecipue materiam animal celebravit Grimmius. In area illa calva et cavula, tantum medius suleus liquorem suppediat, qui recens olei instar fluidus est, successu autem temporis in sordes atras, satis insigni semper quantitate eirca suleum collectas, dures- eit. Grimmius odore hance materiam inter moschum et casto- reum medio pollere prodidit, atque ideo medicam virtutem forsitan inesse speravit. Et fieri omnino potest, ut in calido Africae elimate exerementitia illa sordes fragantior ab animali exsudet; verum in speeiminibus Vivarii Hagani ita debilis est odor, ut saniem illam diu inodoram erediderim. Aliquem tamen sperat, frigida temperstate 1) Pallas: Miscellanea Zoologiea. 1766, pag. 12, Tab. TI. 2) Pallas: Spieilegia Zoologica fasc. I. Berol. 1767, pag. 40. 3) Vosmaer: Natuurkundige Beschryving.. — van zeldsame gedier- ten.... voor A. Vosmaer. Amsterdam 1804. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 531 vix pereipiendum, volatilem, subtilem et odori ferme Geraniorum quorundam comparabilem.“ Bei Vosmaer findet sich nichts, was dieser Beschreibung beigefügt werden müsste. Nur sagt er, dass er niemals im Stande gewesen sei, den geringsten Geruch an diesem Secrete wahrzu- nehmen. Weiterhin findet sich eine Notiz über hierhergehörige Secrete bei Geoffroy St. Hilaire und F. Cuvier!). Glücklicherweise hatten sie Gelegenheit wieder andere Arten, als die eben beschrie- benen, lebend beobachten zu können und zwar Cephalolophus rufi- latus und Cephalophus Maxwelli. Von der erstgenannten Art heisst es: „Au-dessu du mufle, ä peu-pres_& egale distance entre lui et l’oeil, se trouve de chaque cöt& du museau une tache noire, lisse et nue, longue et 6troite, qui, etant examine de plus pres, presente les orifices d’un organ seereteur et une matiere noire et onetueuse dont l’animal cherche souvent A se debarasser en se frottant contre les corps qu'il ren- contre. Cette matiere, qui est & peu pres inodore pour nous, parait &tre tr&s odorante pour le Grimm, qui semble se complaire a la sentir, lorsqu’il s’en est attach&e aux corps contre lesquels il s’est frotte. Il n’y a presque aucune trace de larmier.“ Die französischen Forscher beschreiben alsdann eine Anti- lope, die sie Guevei nennen und die wohl Cephalolophus Maxwelli Smith ist. Von dieser heisst es bei ihnen, dass sie ebenso wie „le Grimm: tous deux presentent cet organe particulier, qui semble remplacer les larmiers, et qui secretent une matiere odorante et visqueuse que le contact de l’air colore en noir.“ Von den Bemerkungen Ogilby’s über Cephalolophus Max- welli, eine Antilope, die er Phylantomba nennt, war früher schon die Rede; hier interessirt uns nur, dass nach Ogilby?°) der Drüsenapparat „secrets a thin watery-looking fluid, which oozes out through numerous minute pores and thikens on exposure to the air.“ 1) Geoffroy St. Hilaire et F. Cuvier: Hist. nat. des mammiferes. Fol. Paris 1519—1855. T. VII. 2) Ogilby: Transaet. Zool. Soc. London. III. pag. 62. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 34 532 Max Weber: 5. Ueber die Bedeutung des Secretes. Die Rolle, die das Secret der Gesichtsdrüsen überhaupt im Haushalte der Thiere spielt ist noch recht dunkel. Weiter hinter uns liegt zwar die Zeit, in der man die Gemse durch die postau- rieularen Drüsen athmen liess; aber noch im Jahre 1836 sah sich Jacob!) veranlasst, eigens durch Experimente nachzuweisen, dass die Thränengrube der Hirsche mit der Athmung nichts zu schaffen habe. Diese Dinge dürfen wir, als gänzlich überwunden, wohl weiter unberücksichtigt lassen, ebenso wie die Annahme, dass die Thränengrube die Thränen aufzunehmen hätte und ähnliche dunkle Vorstellungen. Schon in genanntem Jahre blieb Jacob nicht viel anderes übrig, als die Bedeutung der Gesichtsdrüsen in Sexualleben der Thiere zu suchen, vielleicht auch ihm einige Bedeutung zuzu- erkennen beim Zusammenleben der Thiere in kleineren und grös- seren Gemeinschaften (Paare, Rudel, Heerden).. In demselben Jahre wurde im Schoosse der London Zoologieal Society?) zwi- schen Owen, Bennett, Ogilby und Hodgson dieselbe Frage ventilirt, ob das Secret direct Beziehung habe zum Sexualleben der beiden Geschlechter oder aber mehr dazu diene, die einzelnen Individuen solcher Arten, die in Heerden oder wenigstens gesellig leben zusammen zu halten. | Dass erstere Fragestellung bis zu einem gewissen Grade be- jaht werden müsse, dafür sprach schon im Jahre 1836 die That- sache, dass beim erwachsenen Männchen die Drüse grösser ist als beim jungen Männchen und beim Weibehen. In stärkerem Maasse noch die hierher gehörige Beobachtung von Bennert?) dass bei einem erwachsenen castrirten Bock von Antilope cervicapra, der in Haarkleid und Hornbildung die Charactere be- wahrt hatte, die ausser dem Weibchen auch das junge Männ- chen aufweist, der suborbitale Drüsenapparat noch einen weib- lichen, respective jugendlichen Charakter trug. Im Gegensatz zum normalen reifen Männchen, wo die Drüsenspalte sehr auffällig wird und der grosse Drüsensack ausgestülpt werden kann, um das 1) Jacob: Report British Assoc. Adv. Sc. 1835 (1836) pag. 208. 2) Proc. Zool. Soc. of London 1836, pag. 34 sqq. 3) Bennett: Proc. Zoolog. Soc. of London 1836, pag. 34. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 590 Secret, das sich an dessen Innenfläche angehäuft hat, abzureiben, waren bei dem entmannten Individuum alle Theile klein und wurde der Drüsensack ebensowenig wie beim jungen Männchen ausgestülpt. Von Ogilby!) wurde bei derselben Antilopenart beobachtet, dass während der Brunst auch das Weibchen seinen gereizten Zu- stand, in gleicher Weise wie das brünstige Männchen, an seiner Thränengrube zu erkennen gab. Auch von anderen Antilopen wurde nachgewiesen, dass der Drüsenapparat einige Beziehung zum Geschlechtsleben der Thiere haben müsse und sein Secret vielleicht als Exeitans wirksam ist. Hier darf vielleicht noch eine zweite Beobachtung von Ogilby?) eine Stelle finden: „A male and a female Gazelle, occupying eontiguous compartments, were changed, and it was found that they immediately discovered the viscous deposit, and became rest- less and agitated ; the male Gazelle was some days after made to change places with an Indian Antelope, but neither animal appea- red to take the slightest notice, or to be aware of the presence of its predecessor.“ Wenn nun auch für manche Fälle gewiss nicht zweifelhaft ist, dass das Secret bei der Bewegung der Thiere im Freien hier und da abgerieben wird, und so das Männehen auf die Fährte des Weibehen bringen kann oder umgekehrt, so folgt daraus noch nicht, dass der Drüsenapparat Beziehung habe zu der Gewohnheit vieler Antilopen, gesellig zu leben. Owen?) hat ‚bereits nachge- wiesen, dass diese Gewohnheit nicht Hand in Hand geht mit Anwesenheit oder stärkerer oder schwächerer Entwickelung des uns interessirenden Drüsenapparates: Beide brauchen sich nicht zu decken. Diese Thatsache geht aus einer Liste hervor, die Owen‘) bereits 1840 veröffentlichte, um sie später, wenig verändert, in seiner Comparative Anatomy nochmals bekannt zu machen. Er vergleicht hier das Vorkommen der Drüse mit der Lebensweise der betreffenden Thiere; und wenn auch diese Liste manche Un- 1) Ogilby: Proc. Zoolog. Soc. of London 1836, pag. 38. 2) Ogilby: Proc. Zoolog. Soc. of London 1840, pag. 9. 3) Owen: Proc. Zool. Soc. of London 1836, pag. 36. 4) Owen: Comparative Anatomy III. 1868, pag. 632. 534 Max Weber: genauigkeit enthält, so macht sie doch wohl deutlich, dass eine 3eziehung der Drüse zur isolirten oder geselligen Lebensweise nicht nachgewiesen ist. Für die von uns untersuchte kleine Antilope müssen wir wohl annehmen, dass das Secret wenigstens einigen Zusammen- hang mit dem Geschlechtsleben haben muss. Wir sehen, dass das Männchen sein Secret am Weibchen abreibt. Vom Weibchen ge- sondert muss es sein Secret an anderer Stelle abstreichen, merk- würdig genug in Hauptsache immer an derselben Stelle, sodass ohne grosse Mühe eine grosse Menge dieses Secretes gesammelt werden kann. Will man diese letzte Thatsache weiter verwerthen, so muss man allerdings im Auge behalten, dass bei Uebertragung der Gewohnheiten solcher Thiere, die in Gefangenschaft gehalten werden, auf den freien Zustand Vorsicht geboten ist. Doch sollte man meinen, dass, wäre bei dieser Art das Secret wirklich ein Mittel, um versprengte Gefährten wieder auf die richtige Fährte zu den Genossen zu lenken, in diesem Falle das Männchen sein Secret gerade bald hier bald da in seinem Käfig abreiben würde. Möglich aber ist es immerhin, dass die Gewohnheit, im gegebenen Falle das Secret an fester Stelle abzustreichen einfach Sache der Bequemlichkeit ist, indem das Thier gerade den Platz ausgesucht haben könnte, der besonders geeignet ist, um das zähe Secret los zu werden. In der That ist dies der Wunsch des Thieres. Zahm geworden, lässt es sich alsbald gerne gegen seine Drüse reiben und drücken und hilft durch Gegendruck mit, das Secret zu entleeren. Hier ist gewiss der Ort, nochmals daran zu erinneren, dass das Secret des Männchen in lebenswarmem Zustande einen eigen- thümlichen, penetranten, lang haften bleibenden, echt thierischen Geruch hat, der in der That als Exeitans fungiren könnte. Wir schrieben früher diesen Geruch einem oder mehreren Körpern aus der chemischen Reihe der Buttersäuren zu. Entsprechend dieser organischen Säure reagirt denn auch das männliche Secret sauer. Das Seeret des Weibchen hingegen ist für unser Geruchs- organ geruchlos. Das will nun an und für sich nicht viel sagen, da wir uns diesbezüglich keiner besonderen Feinheit berühmen können; doch deckt es sich gut mit anderer Beobachtung. Beim Weibehen nämlich reagirt das Secret alkalisch und muss so rea- giren, da es anders nieht blau, sondern höchstens roth sein könnte. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 535 Wir wissen ja, dass das blaue Secret wie Lakmus sich verhält, insofern als es sich bei saurer Reaktion roth färbt. Beim Weibchen würden mithin die oben genannten organi- schen Säuren fehlen und damit auch die saure Reaction und der dem männlichen Secrete eigenthümliche Geruch. Es will mir scheinen, dass diese Thatsache zu Gunsten der vorgetragenen Ansicht spricht, dass nämlich das Seeret des Männ- chen als Exeitans auf das Weibehen wirken muss. Dabei bleibt allerdings das Seeret des Weibchen dunkel in seiner Bedeutung; von der blauen Farbe ganz zu schweigen. 6. Einige allgemeinere Resultate. Der im Vorhergehenden erbrachte Nachweis, dass eine tubu- löse Drüse ein Seeret absondert, das aus Eiweiss besteht, scheint mir eine Thatsache zu sein, die gewiss von ganz unerwarteter Seite Lieht wirft auf die geistvollen Deductionen, die Gegen- baur!) vor Kurzem über das Mammarorgan der Monotremen und den Ursprung der Milchdrüse der Säugethiere entwickelte. Gegenbaur kam zum Schlusse (pag. 33), „dass die Mammar- drüsen der Monotremen aus tubulösen Drüsen des Integumentes ent- standen seien, denselben Drüsen, die man sonst als Schweissdrüsen aufzuführen pflegt.“ Von diesen Drüsen sagt er: „Ihr Secret ist bis jetzt so gut wie unbekannt.“ Weiterhin fährt er fort: „Mir scheint, dass man, auf den Bau der Drüsen gestützt, wenig Aus- sicht hat, „Milch“ als Secret erwarten zu dürfen. Welcher Art es wirklich ist, muss für jetzt noch unbeantwortet bleiben. Sind es doch vielerlei Produkte, welche bei Säugethieren durch tubulöse Drüsen ihre Abscheidung finden.“ Trotz aller Verschiedenheit in der Art des Secretes der tubu- lösen Drüsen, war doch bisher kein Seeret von diesen bekannt geworden, dem man eine Rolle bei der Ernährung von Jungen zu- erkennen konnte — und eine solehe werden doch wohl zweifelsohne die Mammardrüsen der Monotremen erfüllen. Bei unserer Antilope sondern nun in der That echte tubulöse Drüsen ein Secret ab, das in dieser oder einer ähnlichen Form gewiss die Ernährung eines Jungen besorgen könnte. Der Schluss ist daher nicht uner- 1) €. Gegenbaur: Zur Kenntniss der Mammarorgane der Monotre- men. Leipzig 1886. 536 Max Weber: laubt, dass ebensogut wie die tubulösen Drüsen vor dem Auge der Antilope, so auch die tubulösen Drüsen des Manımarorgans der Monotremen ein eiweisshaltiges Secret abscheiden können von zäher Consistenz. Damit wäre auch die Aufmerksamkeit gelenkt in eine zweite Richtung, in der vielleicht die Beantwortung einer zweiten Frage liegt, die Gegenbaur aufwirft. Auf die oben eitirten Mittheilungen lässt er nämlich folgen: „Wie die Qualität des Secretes, ist auch die Art der Aufnahme durch das Junge ab- solut dunkel. Dass das Seeret reichlich und in flüssigem Zustande abgesondert werde, erscheint desshalb zweifelhaft, da das Junge doch nicht wohl von einer Flüssigkeit umspült sein kann, denn es hat Luft zu athmen!“ Diese Schwierigkeit wäre aus dem Wege geräumt, wenn das supponirte eiweisshaltige Secret zähe ist wie bei der Antilope, sodass selbst mechanischer Druck — der im anderen Falle durch das Junge angebracht würde — zum Aus- pressen des Secretes benutzt wird. Diese soeben angestellte Betrachtung enthält theilweise auch schon den zweiten allgemeinen Punkt, den ich noch zur Sprache bringen möchte. Abermals möchte ich eine Lanze dafür brechen, dass bei Besprechung der Integumentaldrüsen der Säugethiere die Ausdrücke: Schweiss- und Talgdrüsen verbannt werden, um Platz zu machen für „tubulöse* und „acinöse“. Früher schon sprach ich mich nach dem Vorgange Graff’s in dieser Richtung aus. Jetzt möchte ich, mit erweitertem Beweismaterial nochmals dar- legen, dass bei verschiedenen Säugethieren der Begriff Schweiss- drüse durchaus nicht am Platze ist, obwohl denselben tubulöse Drüsen durchaus nicht abgehen. Schweiss nennt man doch eins der wasserreichsten, tropfbarflüssigen, farblosen Seerete, das ent- weder sauer oder alkalisch reagirt. Schon der sogenannte Ohren- schmalz, das Seeret tubulöser Drüsen, verdient den Namen Schweiss nicht mehr, ebensowenig das schleimige Hautseeret tubulöser Drü- sen, das ich früher von Hippopotamus amphibius beschrieb. Gleich- falls widersetzt sich dem Begriffe Schweiss die eiweisshaltige Ab- scheidung, die wir von der Antilope kennen lernten. Der Begriff Schweissdrüse ist somit der engere, tubulöse Drüse der weitere. Auch acinöse Drüse und Talgdrüse decken sich nur theil- weise; denn auch tubulöse Drüsen können eine talgartige Masse abscheiden und umgekehrt bereiten die solitären aeinösen Drü- sen im Flotzmaul der nacktnasigen Ungulaten ein schleimiges Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 537 Secret. Weiter darf die Masse, die durch die acinösen Drüsen unserer Antilope geliefert wird, gewiss nicht „Hauttalg* genannt werden, auch nicht seiner Consistenz nach. Wenn demnach die Ausdrücke Schweiss- und Talgdrüsen mit den Thatsachen in Collision kommen können und zu Verwir- rung Anlass geben, so ist das mit den Termini „tubulöse* und „acinöse“ Drüsen nicht der Fall. Gewiss wird es gerade bei Säugethieren hier und da seine Schwierigkeiten haben, auszumachen, ob eine Drüse echt acinös oder tubulös ist, sodass man mit Gegenbaur!) von Mischformen sprechen kann und zugeben wird, dass „nichts zum starren Fest- halten an den beiden traditionellen Typen zwingt“. Bei den echten Integumentaldrüsen der Säugethiere scheint es mir aber stets ein leichtes auszumachen, mit welchem Typus man es zu machen hat. Gerade die verwickelten Formen von Hautdrüsen, die ich in letzter Zeit bekannt machen konnte, bei denen die tubulösen sich vielfach verzweigten und leicht Anlass hatten den deutlichen tubulösen Charakter zu verlieren, blieb doch niemals Zweifel, welche Drüsenart vorlag. 7. Verzeichniss von Schriften, die originale oder ausführlichere Mittheilungen über die Kopf- drüsen der Antilopen und anderer Wiederkäuer enthalten. 1. Grimm: Miscellanea curiosa sive Ephemeridum medico-phys. Germani- carum acad. nat. curios. dec. II. Norimbergi 1686, observat. LVII, pag. 131. . Pallas: Miscellanea Zoologica 1766, pag. 12. Tab. 1. 3. Pallas: Spieilegia Zoologica Fasc. I. Berol. 1767, pag. 40. A. Vosmaer: Natuurkundige beschryving .... van zeldsame gedierten. Amsterdam 1804. 5. Geoffroy St. Hilaire et F. Cuvier: Hist. nat. des mammiferes. Fol. Paris 1819—1835. Tab. VII. Artikel „le Grimm“, „le Guevei“. 6. Ducrotay deBlainville: De l’organisation des animaux I. 1822, pag. 71. [&o} > 7. R. Owen: Remarks on the Secretion of the suborbital sinus. Proc. Zool. Soc. of London 1836, pag. 36. 8. Bennet: Remarks upon a series of the Indian Antilope. Proc. Zool. Soc. of London 1836, pag. 34. 1) ©. Gegenbaur: Zur Kenntniss der Mammarorgane der Monotre- men. Leipzig 1886, pag. 15. 538 Max Weber: 9, Hodeson: On the laerymal sinus in Antilope Thar. Proc. Zool. Soe. of London IV. 1836. 10. Ogilby: On the general characters of the Ruminants. Proc. Zool. Soe. of London 1836. 11. A. Jacob: On the infraorbital Cavities in Deers and Antilopes. Report British Ass. Advanc. Sc. 1835 (1836) pag. 208. 12. Ogilby: Monograph of the hollow horned Ruminants. Proc. Zool. Soc. of London 1840. 3. Ogilby: Transactions of the London Zool. Soc. III. 1842. 14. G. Cuvier: Anat. comparee 1846. VIII, pag. 657. 15. Sundevall: Kgl. Vetensk. Akad. Handl. Stockholm 1844. 16. Turner: Note on the suborbital gland of the Nylghan. Proc. Zool. Soc. of London XIX, 1851. 17. v. Hessling: Zeitschr. f. wiss. Zoologie VI. 1855. 18. R. Owen: Comparat. Anat. III. 1868, pag. 632. 19. Milne Edwards: Lecons s. la physiologie X. 1874, pag. 45. 20. Pagenstecher: Allg. Zoologie IV. 1881, pag. 903. 21. Leisering u. Müller: Handb. d. vergl. Anat. d. Haussäugethiere 1885, pag. 857. 22, Ellenberger: Vergl. Histologie der Haussäugethiere 1887, pag. 426 u. 433. III. Ueber den Ursprung von gefärbten Hautseereten bei Säugethieren. In den vorhergehenden Zeilen haben wir zwei gefärbte Haut- seerete von Säugethieren näher kennen gelernt, ein drittes wurde nur eben erwähnt. Nach verschiedener Seite hin wurden dieselben näher beleuchtet, um die Aufmerksamkeit auch auf das biologisch Interessante hinzulenken. Ein Punkt scheint mir schliesslich noch ganz besonders der Besprechung werth. Mir sind bisher vier gefärbte Hautsecerete von Säugethieren bekannt geworden. Zunächst der sogenannte rothe Schweiss von Hippopotamus amphibius, worüber ich!) früher Gelegenheit hatte Folgendes mitzutheilen. Zusammengesetzt tubulöse Drüsen von grossem Ausmaass scheiden eine fadenziehende, schleimige Flüssig- keit ab, die die Farbe von verdünntem Portwein hat. „Mit Blut hat dieselbe nichts zu thun, wie die speetroskopische Unter- suchung ergab; ebensowenig ist es etwas Pathologisches wie der 1) Max Weber: Studien über Säugethiere. Jena 1886, pag. 9. Ueber neue Haut-Secrete bei Säugethieren. 539 blutige oder anders gefärbte Schweiss, der in ganz vereinzelten Fällen vom Menschen bekannt wurde.“ Hiergegen spricht schon, dass dieses rothe Secret fortwährend durch vollkommen normale Thiere abgeschieden wird. Im Hinblick auf meine frühere Unter- suchung am genannten Orte ist es überflüssig, weiter hierauf ein- zugehen; wir müssen für jetzt nur festhalten, dass bei Hippopo- tamus amphibius normal ein rothes Secret durch tubulöse Haut- drüsen abgeschieden wird. An zweiter Stelle wäre alsdann das rothe Hautseeret vom Männchen von Halmaturus rufus zu nennen, das, obwohl es durch seine krapprothe Farbe und seine Consistenz gänzlich abweicht vom „rothen Schweiss* Ues Hippopotamus amphibius, dennoch gleichfalls durch eine tubulöse Drüse und zwar eine echte Knäuel- drüse secernirt wird. An dritter Stelle fanden wir, dass die maxillare Gesichts- drüse des Weibehen von Cephalolophus pygmaeus Pall. ein blaues Secret liefert und zwar konnte überzeugend nachgewiesen werden, dass auch hier wieder zusammengesetzte tubulöse Drüsen die Quelle des Secretes waren. Endlich konnte ich von Grimmia mergens ein schwarz ge- färbtes Secret der maxillaren Drüse namhaft ınachen. Doch dabei musste es leider bleiben, da ich keine Gelegenheit hatte, die Drüse selbst zu untersuchen und nur die Vermuthung aussprechen konnte, dass die acinösen Drüsen die Quelle dieses schwarzen Farbstoffes seien. Dies scheint mir um so wahrscheinlicher, als wir früher be- reits sahen, dass zuweilen die Zellen der acinösen Drüsen bei Ce- phalolophus pygmaeus schwarzes Pigment enthalten, das sich dem Secret nothgedrungen beimischt. Weitere Beispiele von gefärbten Hautseereten sind mir nicht bekannt. Halten wir uns nun an die drei genauer untersuchten von Hippopotamus, Halmaturus rufus und Cephalolophus pygmaeus 2, in denen es sich um andere als schwarz gefärbte'Seerete handelt. Trotzdem es hier drei so sehr auseinandergehende Thierarten be- trifft und drei Arten von Secret von so grosser Verschiedenheit sowohl nach Farbe als anderen Eigenschaften, so sind es doch stets tubulöse Drüsen von durchaus typischem Bau, die diese far- bigen Secrete liefern. Dies scheint mir ein Punkt zu sein, der alle Beachtung verdient. 540 Max Weber: Nur in einem Falle, bei Halmaturus rufus, konnte das Secret selbst in flüssiger Form nicht näher untersucht werden. Der ganze Bau der Drüse, die weiter nichts ist als eine sehr grosse typische Knäueldrüse, spricht aber wohl dafür, dass hier das Seeret wohl noch unter den Begriff „Schweiss“ fällt. In den beiden anderen "ällen geht mit der Complieirtheit der tubulösen Drüse Hand in Hand eine Secretform, die den Namen Schweiss nieht mehr ver- dient. Beidemale aber waren Salze ein integrirender Bestandtheil des Secretes. Von Hippopotamus amphibius konnte ich anzeigen, dass aus dem Secrete grosse Bäumchen von Chlorammonium an- schiessen beim Eintrocknen; und die Bedeutung von Salzen im Secrete des maxillaren Drüsen-Apparates von Cephalolophus pyg- maeus wurde ausführlich beleuchtet. Unser Schlussresultat lautet demnach, dass bis jetzt alle bekannten gefärbten Hautsecrete bei Säugethieren, die ihre Farbe nicht schwarzen Pigmentkörnern verdanken, — durch tubulöse Drüsen gebildet werden. Erklärung der Figuren auf Tafel XXTV. Fig. 4. Kopf des Männchen von Cephalolophus pygmaeus Pall., zwei Drittel der natürlichen Grösse, zur Demonstration der Anschwellung der maxillaren Drüse. Fig. 5. Foetus von Cephalolophus pygmaeus von 8,2 cm Scheitelsteiss-Länge zur Demonstration des Drüsenstreifens D. Fig. 6. Durchschnitt durch den blauen Theil der Drüse des Weibchen. w. w. zwei Cysternen, die mit farblosem, bl. eine Cysterne, die mit blauem Secret angefüllt ist. h. Haut. Die Schattirung deutet die mit blossem Auge sichtbare Vertheilung der blauen Farbe an. Gleichartiger Querschnitt durch den farblosen, vorderen Theil der Drüse des Weibehen. W. Cysternen, mit farblosem Secret angefüllt. Fig. 8. Linke Drüse eines Weibchen von Innen. v. vorn, h. hinten, b. blauer, w. nicht blauer Theil der Drüse, a. Arterie, m. Muskel. | Fig. Fig. 9. Stück aus einem Querschnitt des Drüsenapparates eines Weibchen. h. Haut, H. Haar, ce. Cysternen, o. deren Oeffnung nach Aussen. a. acinöse Drüsen, die in die Cysternen ausmünden, t. tubolöse Drü- sen, r. Rindenschicht von tubulösen ‚„Knäueldrüsen“. Links sind die Cysternen mit ihren Gängen nur angedeutet. Fig. 10. Stück eines Querschnittes des Drüsenapparates vom Männchen. Die Bezeichnung wie oben. a. t. Terminal-Acini. c.g. Cysternengänge. Weitere Mittheilungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz; zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der von der typischen Mitose abweichenden Kerntheilungsvorgänge. Von Prof. Dr. Jul. Arnold in Heidelberg. Hierzu Tafel XXV, XXVI, XXVIH. Als die wesentlichste Aufgabe der Erforschung karyomitoti- scher Vorgänge wurde bisher der Nachweis der Architektur und Struktur der Kerne in den einzelnen Phasen der mitotischen Zwei- theilung, sowie des Vorkommens dieser unter normalen und patho- logischen Verhältnissen betrachtet. Ob Abweichungen von diesem Typus der Zweitheilung und Uebergangsformen zwischen der mitotischen und amitotischen Kern- theilung, deren Existenzberechtigung von den Meisten allerdings in Frage gestellt wird, bestehen, darüber finden sich nur verein- zelte Angaben. Die pluripolaren Mitosen, welche zuerst in das Gebiet der Phantasie verwiesen, später als Artefacte aufgefasst wurden, bezeichnet man jetzt als „anomale‘“ oder „pathologische“ Er- scheinungen. Nachdem nachgewiesen ist!), dass diese vielpo- ligen Figuren bezüglich ihrer Architektur und Struktur nur scheinbare Abweichungen, in Wirklichkeit aber die typische An- ordnung darbieten, welche durch die gleichzeitige Theilung in mehrere Kerne vorgezeichnet ist, kann eine solche Benennung nicht mehr als zutreffend gelten. Wollte man aber dieselben als „anomale“ oder „pathologische“ Formen deshalb deuten, weil sie bis jetzt hauptsächlich unter pathologischen Bedingungen beob- achtet wurden, so genügt der Hinweis auf deren Vorkommen im 1) Vergleiche Schottländer, über Kerntheilungsvorgänge in dem Endothel der arteficiell entzündeten Hornhaut, dieses Archiv Bd. XXI. S. 426; daselbst findet sich die ganze auf diese Frage bezügliche Literatur. 542 Jul. Arnold: normalen Knochenmark, um die Berechtigung einer solchen Schluss- folgerung zu widerlegen. Ueberhaupt wäre es voreilig, aus den spärlichen Mittheilungen über pluripolare Mitosen auf ihr seltenes Vorkommen zu schliessen; es ist eben diesen Formen die Beach- tung, welche sie meines Erachtens verdienen, bis jetzt noch nicht zu Theil geworden. Ein anderes Bewandtniss hat es mit den wirklichen Ab- weichungen der Architektur und Struktur, wie sie bei’ der mitotischen Zweitheilung in den verschiedenen Phasen vor- kommen und zum Theil zuerst von Carnoy!), später von Flem- ming?) eingehend beschrieben und von dem letztgenannten Autor mit dem Namen der homöotypischen und heterotypischen Mitosen belegt worden sind. Die verzögerten Umlagerungen der chromatischen Fäden, wie sie namentlich im Stadium der äquatorialen Umordnung, ebenso die verspäteten Abschnürungen, welche in späteren Stadien ge- troffen werden, sind wohl richtiger als Aberrationen?), nicht als Abweichungen von der typischen Mitose aufzufassen. Wiederum eine andere Stellung gebührt den von mir als indirekte Fragmentirung bezeichneten Theilungsvorgängen, welche mit der echten Mitose die Zunahme der chromatischen Sub- stanz gemein haben, von dieser aber durch die Anordnung nament- lich in den späteren Phasen sich unterscheiden. Meine früheren Mittheilungen über atypische Mitosen über- haupt, indirekte Fragmentirung insbesondere sind vielfach miss- verstanden und nur von Wenigen einer sachlichen Controle unter- worfen worden. Nachdem jetzt feststeht, dass derartige Abwei- chungen und Aberrationen von der typischen Mitose vorkommen, findet der nachfolgende Bericht vielleicht geneigteres Gehör und zur objektiven Nachuntersuchung willigere Augen. — Durch die bisherigen Erfahrungen nicht gebessert, trage ich mich mit der Er- wartung, dass das Untersuchungsobjekt, welches ich zu diesem 3ehufe in Vorschlag bringe, wegen seiner Vorzüge auch bei An- deren Beifall findet. Es ist die Milz der weissen Maus wegen 1) Carnoy, les eytodieröse chez les Arthropodes 1885. 2) Flemming, neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle, dieses Archiv Bd. XXIV, H. 3, 1887. 3) Schottländer ]. c. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz etc. 543 ihrer Kleinheit sowohl, als auch wegen des Reichthums an atypi- schen Kerntheilungsfiguren sehr zu empfehlen. Man kann dieselbe ohne weitere Vorbereitungen, nachdem man sie möglichst schnell herausgeschnitter und halbirt hat, in die bei solehen Unter- suchungen gebräuchlichen Reagentien einlegen. Die Zahl der- artiger Kerntheilungsfiguren ist immer eine so beträchtliche, dass sie auf jedem Schnitt nicht nur vereinzelt, sondern in grösserer Auswahl getroffen werden: ein Verhältniss, welches darauf hin- weist, dass wir es in diesen Formen nicht mit zufälligen und nebensächlichen Vorkommnissen zu thun haben, dass sie vielmehr bei der Theilung Iymphoider Zellen eine hervorragende Rolle spielen. — Vielleicht kann an diesem Objekte bei gemeinsamer vorurtbeilsfreier Arbeit nicht nur die Frage über die Existenz der- artiger Kerntheilungsfiguren, sondern auch über deren Beziehung einerseits zur echten mitotischen, andererseits zur amitotischen Kerntheilung, sowie die Bedeutung beider für die Kerntheilungs- vorgänge an den Iymphoiden Zellen, wenn nicht gelöst, so doch wesentlich gefördert werden. Dazu einen kleinen Beitrag zu lie- fern, soll in den nachfolgenden Zeilen der Versuch gemacht werden. Einem früher ausgesprochenen Grundsatz getreu habe ich auch bei diesen Untersuchungen die wichtigsten Methoden ange- wendet. Einen besonders ausgedehnten Gebrauch machte ich von Chrom-Osmium-Essigsäure (schwaches Flemming’sches Gemisch), Chrom - Ameisensäure (Rabl), Chrom-Essigsäure 1), Platinchlorid- Chrom-Essigsäure ?) und endlich reines Platinchlorid (1/; °/,). Einen sehr wesentlichen Unterschied habe ich zwischen der Wirkung der aufgeführten Reagentien, von dem letzterwähnten abgesehen, nicht wahrgenommen. Die Chrom-Essigsäure bietet den grossen Vortheil, dass sie rascher und vollständiger die Gewebe durch- tränkt als die anderen Chromgemenge, die Chrom-Osmium-Essig- säure insbesondere. Die Objekte brauchen nicht länger wie 24 Stunden in eirca 10—15 cem dieser Conservirungsflüssigkeiten liegen zu bleiben und werden dann mit Alkohol im Dunklen in der üblichen Weise behandelt. Die in reinen (1/,°%/,) Platin- chloridlösungen gehärteten Präparate zeigen mehr das Verhalten, wie die in Alkohol eonservirten, deren Studium zur Controle un- 1) Chromsäure 0,3, Essigsäure 0,5 auf 100 Wasser. 2) Platinchlorid 0,45, Chromsäure 0,1, concentrirte Essigsäure 9,4 auf 100 Wasser. 544 Jul. Arnold: entbehrlich ist. Sehr gute Resultate erhält man auch bei der Härtung in Spiritus, dessen Concentration von 25°, an bis zu 96°/, innerhalb 36—48 Stunden gesteigert wird. — Dass bei der Einhaltung derselben Härtungsmethode doch verschiedene Effekte erzielt werden, ist eine Erfahrung, welche ich auch bei diesen Untersuchungen zu machen Gelegenheit hatte. Zum Färben der Präparate verwendete ich Hämatoxylin (schwache Lösungen) und Safranin (mit Anilinöl). Sehr empfehlenswerth finde ich die von Bizzozero angegebene Modifikation der Gram’schen Methode (Chromsäure 0,1°/, statt Jod zur Entfärbung). Da sehr feine Sehnitte erforderlich sind, ist die Einbettung in Paraffin der Durch- tränkung mit Celloidin vorzuziehen; doch erhält man auch mittelst der letzteren Methode sehr brauehbare Präparate. Von stärkeren Systemen standen mir zu Gebot Zeis Yı; und !/;s homog. Immers. und apochromat. homog. Immers. 1,30—20 mm. Bei der Darstellung der Befunde will ich so vorgehen, dass ich zunächst die verschiedenen Formen, wie sie in der Milz vor- kommen, beschreibe und dann erst prüfe, in welcher Beziehung sie zu den bekannten Typen der Kermntheilung stehen. Man trifft in der Milz der weissen Maus lIymphoide Zellen, welche in Bezug auf Grösse und Form des Zellleibes und der Kerne, sowie betreffs Architektur und Struktur der letzteren die grössten Abweichungen darbieten. Von den kleinen Zellen mit kaum nachweisbarem Protoplasma bis zu den ganz grossen finden sich zahlreiche Uebergänge. Noch variabler ist die Architektur und Struktur der Kerne sowohl bei den grossen als bei den kleinen Zellen. Es würde vielleicht möglich sein, für gewisse Gruppen von Zellen gemeinsame morphologische Eigenschaften nachzuweisen. So lange aber nicht festgestellt ist, dass diesen eine verschiedene Herkunft oder eine differente funktionelle Be- deutung zukommt, wäre eine derartige Trennung doch nur von zweifelhaftem Werthe. Dazu kommt, dass die wechselnde Archi- tektur und Struktur der Kerne, wenn nicht ausschliesslich, so doch vorwiegend zu den Theilungsvorgängen in Beziehung ge- bracht werden muss. Das sind die Gründe, warum es sich em- pfiehlt, zunächst nur zwei Formen von Iymphoiden Zellen zu unter- scheiden: die kleineren und die ganz grossen. Dass zwischen diesen alle möglichen Abstufungen und Uebergänge getroffen wer- den, will ich nicht unterlassen noch einmal zu betonen. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. 545 Die Kerne der kleinen Zellen sind im Ruhezustand hell; sie führen gewöhnlich mehrere Kernkörperchen von rundlicher Form oder mehr eckige Gebilde, welehe intensiv sieh mit Farb- stoffen tingiren, ausserdem aber helle Fäden, über deren Anord- nung, Verlaufweise und gegenseitige Beziehung bestimmte An- gaben unmöglich sind. Die Kerne insbesondere der kleinsten Zellen haben zuweilen einen eigenthümlichen Glanz und färben sich so dunkel, dass man nur bei intensiver Durchleuchtung oder nach der Behandlung mit angesäuertem Alkohol dunkle Körnchen und Fädehen in ihnen erkennen kann. Ob diese Erscheinung einer eigenartigen Struktur oder einem Contraktionszustand der Kerne entspricht oder ob die Kerne als in Vorbereitung zur Theilung begriffen angesehen werden müssen, diese Fragen habe ich schon an einer anderen Stelle erörtert !). In der ersten Phase der Theilung nehmen die rundlichen und eckigen intensiv sich färbenden Gebilde an Zahl und Umfang zu, die zwischen ihnen verlaufenden Fädchen treten zum Theil deut- licher hervor (Tafel XXV Fig. 1 bis 11) und werden dicker, slänzender und dunkler. In der Kernmembran, welche zuweilen schon in diesem Stadium die Eigenschaften einer cehromatischen angenommen hat, werden gewöhnlich in gleichen Abständen kleine glänzende Körner kenntlich, welche zu den Fäden in Beziehung zu stehen, manchmal Querschnitte derselben zu sein scheinen (Tafel XXV Fig. 2, 3, 6 u. 8). — Diese eben erwähnten Struktur- veränderungen vollziehen sich an den Kernen in ungleichartiger Weise; entweder gleichzeitig in der Ausdehnung des ganzen Kerns, gewöhnlich an der einen oder anderen Stelle früher oder an mehreren Stellen zu derselben Zeit. Die dunklen in den Ker- nen entstehenden Figuren sind bald ringförmig, bald erscheinen sie als einfache, mehrfache oder verzweigte Balken oder sonstwie gestaltete Gebilde (Tafel XXV Fig. 1—15). Einzelne dieser Balken sind so dick, dass sie überhaupt nicht wie aus einzelnen Fäden, sondern aus einer grösseren Zahl solcher zusammengesetzt erschei- nen (Fig. 4 u. 5). Die chromatische Kernmembran ist in diesem Stadium noch sehr deutlich. In derselben Weise gestaltet sich die Zunahme der chromatischen Substanz in den Kernen, welche 1) J. Arnold, über Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, dieses Archiv Bd. 30, H. 2, S. 250. 546 Jul. Arnold: in die Länge gezogen sind oder als gewundene oder aufgerollte Bänder sich darstellen (Tafel XXV Fig. 19—23). In der nächsten Phase werden die Kerne mehr gleiehmässig von Fäden durchsetzt, welche aber in ihrer Anordnung gleichfalls beträchtliche Verschiedenheiten darbieten. Die Fäden sind bald sehr fein, bald dicker oder aber es finden sich mehr bandartige Gebilde, in deren Innerem sich zuweilen mehrere Fäden nachweisen lassen. Die Aufstellung der Fäden ist zuweilen eine radiäre, häu- figer erhält man den Eindruck, als ob dieselben in netzförmiger Verbindung ständen; doch gelingt es an den kleinen Kernen nicht, darüber zu entscheiden. Die Färbung der Fäden erscheint bald als eine gleichmässige, bald sind einzelne Abschnitte derselben heller, andere dunkler tingirt; so werden z. B. in dem Kern, wel- cher in Fig. 15 abgebildet ist, die heller gefärbten Fäden durch dunkle Körner in ihrem Verlauf unterbrochen. Viele Kerne bieten in diesem Stadium bald nur eine schwache, bald eine stärkere, an verschiedenen Stellen gleichmässige oder ungleichmässige dif- fuse Färbung dar (Fig. 17, 18, 22 u. 23). An Präparaten, welche mit saurem Alkohol behandelt wurden, pflegt diese eine weniger intensive zu sein; es lässt sich desshalb an solehen der Nachweis führen, dass auch solche Kerne chromatische Fäden in mehr oder weniger grosser Zahl enthalten und dass die Kerne nicht homogen sind, wie man nach einer flüchtigen Untersuchung vermuthen möchte. Die in die Länge gezogenen, gelappten, gewundenen und aufgerollten Kerne zeigen im Wesentlichen dieselben Verhältnisse. An ihnen scheinen manehmal schon in diesem Stadium Abschnü- rungen vorzukommen. Wenigstens trifft man derartige Kernab- schnitte, welehe bald durch gefärbte, bald durch blasse Fäden untereinander in Verbindung stehen. An sehr vielen Kernen nimmt man eine oder mehrere helle Stellen von rundlicher, eekiger oder mehr länglicher Gestalt wahr. Dieselben kommen sowohl an Kernen vor, welche eine nur geringe Zunahme an chromatischer Substanz erfahren haben (Fig. 6, 7 u. 8), sowie an solehen, welche von mehr oder weniger dichten Faden- netzen durchsetzt werden (Fig. 23—36) oder aber eine radiäre Aufstellung der chromatischen Elemente aufweisen (Fig. 27 u. 40). Diese hellen Felder sind zuweilen sehr klein, anderemale werden sie so gross, dass die Kerne mehr die Form von Ringen anneh- men (Fig. 28, 31, 32 u. 41). Sind mehrere solche helle Stellen Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. 547 vorhanden, so entsteht das Bild, als ob die Kerne aus netzförmig verbundenen, verschlungenen oder aufgerollten Bändern zusammen- gesetzt wären (Fig. 36, 43, 44, 45 u. 46). Die chromatischen Fä- den sind innerhalb dieser Bänder häufig, aber nicht immer kennt- lich; dieselben haben dann ein mehr homogenes Aussehen. In den hellen Feldern trifft man eingebettet in eine lichte feinkörnige Substanz Körner und Fädehen, welehe bald ziemlich stark, bald schwach oder gar nicht gefärbt sind; die nicht gefärbten Körner, namentlich die in der Mitte gelegenen, haben einen starken Glanz, An den Fäden lässt sich manchmal eine radiäre Anordnung nach- weisen. Die Begrenzung dieser hellen Felder gegen die übrige Kernfigur ist oft eine ganz scharfe und wird zuweilen durch einen doppelten Contour bewerkstelligt (Fig. 28, 29, 30 u. 31). In an- deren Fällen erscheint die Begrenzungslinie mehr zackig und wird von abtretenden blassen und gefärbten Fäden unterbrochen (Fig. 32, 34 u. 35). Auch bei radiärer Aufstellung der Fäden kann die Begren- zung der hellen Felder bald eine scharfe, bald eine mehr ver- wischte sein. Sind die in den hellen Feldern gelegenen Fäden gefärbt, so erscheinen sie als die Fortsetzung der in der übrigen Kernfigur enthaltenen chromatischen Elemente, möge diese nun die Form von Fäden, Stäbchen oder Körnern besitzen. Dass die- selbe Beziehung zwischen den chromatischen Bestandtheilen der Kernfiguren und den in den hellen Feldern gelegenen nicht ge- färbten Fäden besteht, ist mir zwar sehr wahrscheinlich; zu einer sicheren Ueberzeugung konnte ich aber über diesen Punkt nicht gelangen. Neben den geschilderten Formen kommen auch Kerne vor, welche bei radiärer Aufstellung der Fäden solche helle Felder nicht aufweisen (Fig. 27). Von den auf Theilungsvorgänge an den Kernfiguren der klei- neu Zellen zu beziehenden Erscheinungen soll zunächst derjenigen gedacht werden, bei welchen es möglicher Weise um einfache Ab- schnürungen sich handelt. Es kommen solche bei Kernen vor, welche kaum eine wesentliche Zunahme der chromatischen Sub- stanz überhaupt, der chromatischen Fäden insbesondere aufweisen; aber auch Kerne, bei welchen eine solche sich eingestellt hat, die in Folge dessen von zahlreichen Fäden durchsetzt werden und welche ausserdem eine mehr oder weniger intensive diffuse Fär- bung darbieten, zeigen Abschnürungen der Kernfiguren bei gleich- Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bu. 31. 35 548 Jul. Arnold: zeitiger Abfurchung des Zellleibes in zwei, drei und mehr Theile. Anderemale geht ein Auftreten von hellen Feldern an einer oder mehreren Stellen in der eben geschilderten Weise voraus und dann erst kommt es zur Zerschnürung der Kernfigur. Auch an denjenigen Kernen, welche als Ringe oder Knäule von Kernbän- dern sich darstellen, erfolgt eine zur Theilung führende Scheidung. Ich darf in dieser Hinsicht auf meine früheren Beobachtungen an den Zellen des Knochenmarkes verweisen. Man vergleiche ferner die Figuren41,43,44, 45, 46 Taf. XXV u. 47 Taf. XXV1. Sehr häufig findet man Kernfiguren, welche eine bipolare oder pluripolare Anordnung der Abschnitte darbieten, bei denen aber die an den Polen ge- legenen ehromatischen Gebilde durch ein, zwei, drei und mehr dunkle Fäden unter sich in Verbindung stehen; die dazwischen gelegene Substanz ist hell und enthält blasse Fädehen und Körnchen (Fig. 48, 49 u. 50 Taf. XXVI). Auch der homogenen Kerne, welche bei netzförmiger Anordnung der einzelnen Abschnitte bereits Schei- dung des Protoplasma zeigen (Fig. 56, 57 u. 55 Taf. XXVI), darf ich nicht unterlassen zu gedenken. Dass nicht selten Kernfiguren getroffen werden, welche mit echten Mitosen in ihren verschiedenen Stadien eine mehr oder weniger weit gehende Uebereinstimmung darbieten, verdient be- sonders hervorgehoben zu werden. In den grossen Zellen finden sich verhältnissmässig selten einfache runde Kerne; meistens sind dieselben vom Rand her mehr oder weniger tief eingeschnürt oder gelappt oder sie er- scheinen als ringförmige, aufgerollte oder netzförmig verbundene Bänder; zuweilen sind die Kerne sehr stark in die Länge gezogen. Man vergleiche bezüglich der verschiedenen Formen die Figuren 59, 60, 61, 63, 65, 66, 67, 68 Taf. XXVI u. Fig. 69, 70, 71, 75, 80 und 81 Taf. XXVIIL, sowie die früheren Mittheilungen!)w2) über die grossen Zellen des Knochenmarkes, mit denen sie in vielfacher Hinsicht namentlich aber betreffs der Form vergleichbar sind. Bei der Mehrzahl der Kerne der grossen Zellen, sie mögen eine Form haben, welche sie wollen, ist eine Zunahme der chro- 1) J. Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarkes; Virchow’s Archiv Bd. 93. 1883. 2) Weitere Beobachtungen über die Theilungsvorgänge an den Knochen- markzellen; Virchow’s Archiv Bd. 97. 1884. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz etc. 549 matischen Substanz nachweisbar. Die Kerne sind von kleinen rund- lichen und eckigen intensiv sich färbenden Gebilden in wechselnder Zahl durchsetzt (Fig. 59, 66 Taf. XXVI u. 70 Taf. XXVII), dazwischen liegen blasse Fäden in einer nicht zu enträthselnden Anordnung. In anderen Kernen finden sich sehmälere und breitere Fäden, welche nach allen Riehtungen durch die Kernsubstanz ziehen und eine netzförmige Anordnung einzuhalten scheinen. Wenigstens glaube ich mich an diesen Kernen von einer gegenseitigen Verbindung der Fäden haben überzeugen zu können; dass aber selbst an die- sem Objekt ein ganz sicherer Entscheid nicht möglich ist, lässt einen Rückschluss auf die grosse Schwierigkeit der Lösung dieser Frage zu (Fig. 60, 61, 63, Taf. XXVI u. Fig. 69, Taf. XXVH). Manche Kerne werden von einem System dunkler Fäden in sehr dichter Weise durchsetzt (Fig. 62 und 64), welche dann zuweilen eine mehr radiäre Aufstellung darbieten. Gleichzeitig kann eine mehr oder weniger starke diffuse Färbung der Kerne vorhanden sein (Fig. 60, 61, 62, 63, 64 ete.), welche manchmal in den ver- schiedenen Abschnitten der Kernfigur eine ungleiche ist (Fig. 68). Die bei den kleinen Zellen in den Kernen beschriebenen hellen Felder kommen auch bei den grossen Zellen vor. Der Chromatin- gehalt und die Anordnung des Chromatins sind bei solchen Kern- figuren sehr verschieden; auch die Zahl und Grösse der hellen Felder wechselt. Der in Figur 63 Taf. XXVI abgebildete Kern ist vom Rand her mehrfach eingeschnürt und schwach diffus gefärbt, dagegen von ziemlich zahlreichen Fäden durchsetzt. In seiner Mitte findet sich eine kleine scharf begrenzte helle Stelle, in deren Centrum ein glänzendes Korn, ausserdem eine lichte schwach ge- körnte Substanz. Fig. 66, Taf. XXVl zeigt einen grossen am Rand stellenweise eingebuchteten Kern von ringförmiger Gestalt, nach der einen Seite mit einem kurzen dicken Fortsatz versehen. Die Mitte der Kernfigur wird durch eine helle feinkörnige und feinfadige Sub- stanz eingenommen. Die Form des in Fig. 69, Taf. XX VII dargestellten Kerns ist eine ähnliche; nur ist der Fortsatz nach innen gerichtet. Bei dem«Kerne, welcher in Figur 70, Taf. XXVII wiedergegeben ist, finden sich zwei helle Felder, welche durch eine ziemlich breite brückenförmige Leiste von einander getrennt werden. Manchmal sind diese Verbindungen dünner und erscheinen mehr als diekere oder feinere, heller oder dunkler gefärbte Fäden (Fig. 61 u. 72), welche die Felder in verschiedenen Richtungen durchziehen. Die Form 550 Jul. Arnold: der Felder ist keineswegs immer eine rundliche, sondern zuweilen mehr eckige oder in die Länge gezogene, wie bei Fig. 67; die Be- gsrenzung derselben gegen die Kernfigur erscheint bald scharf, bald mehr verwischt und wird nicht selten von Fäden unterbro- chen, welche man mehr oder weniger weit in die Kernfigur einer- seits, die die Felder erfüllende Substanz andererseits verfolgen kann. Bei den bisher geschilderten Kernfiguren, welehe solche helle Felder umschlossen, war der Gehalt an diffusem und fadigem Chromatin ein mittlerer; es kommen dieselben aber auch an sehr cehromatinreichen Kernen vor. In Fig. 64 Taf. XXVI ist ein ziemlich grosser Kern abgebildet, der ausser diffusem Chromatin zahlreiche dunkle Fäden enthält und in der Mitte ein scharf begrenztes helles Feld aufweist. Auch bei diesen Formen kommt es vor, dass die hellen Felder von Strängen durchzogen und getheilt werden (Fig. 76, Taf. XXVI). Sind bei solehen Kernfiguren mehrere helle Felder vorhan- den, so erscheinen dieselben aus netzförmig verbundenen oder knäulförmig aufgerollten Bändern zusammengesetzt (Fig. 73, 74, 75, 77,81 u. 82 Taf. XXVII), die sich so intensiv färben, dass man erst nach Behandlung mit saurem Alkohol die in ihnen verlaufenden chro- matischen Fäden nachweisen kann. Bei diesen Bändern ist die Begrenzung gleichfalls bald eine scharfe und glatte, bald wird die- selbe durch dunklere und hellere Fäden unterbrochen, welche mehr oder weniger weit in ihrem Verlauf durch die hellen Felder sich verfolgen lassen. Auch der äussere gegen den Zellleib gerichtete Rand ist manchmal gezackt und scheinen Fäden von ihm abzu- treten; ob und wie weit sie in das Protoplasma eindringen, darüber vermag ich sichere Angaben nicht zu machen. Was die auf Theilung zu beziehenden Erscheinungen an den srossen Zellen anbelangt, so muss zuerst auf den Befund von ab- seschnürten oder in Abschnürung begriffenen mit der Kernfigur noch durch Brücken und Fäden verbundenen Kernen hingewiesen werden. Die betreffenden Kernfiguren sind zuweilen ziemlich arm an diffusem und fadigem Chromatin, anderemal zeigen „sie sich nicht nur dunkler gefärbt, sondern sie enthalten chromatische Fäden in grösserer Menge (Fig. 78, 79 u. 80 Taf. XXVIl). Dieselben Diffe- renzen zeigen die jungen Kerne, doch sind sie im Allgemeinen ziem- lich reich an chromatischer Substanz. Diese Abschnürungen erfolgen sehr häufig zu verschiedenen Zeiten an der Kernfigur unter ent- sprechender Verkleinerung dieser; selten, wie es scheint, zertheilt Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz etc. 551 sich die ganze Kernfigur gleichzeitig in junge Kerne. Die Ab- furchung des Protoplasma vollzieht sich bald endogen, bald rand- ständig (Fig. 79 u. 85, Taf. XXVI). Auch an den chromatinreichen und sehr complieirten Kern- figuren, welche aus netzförmig verbundenen und knäulartig aufge- rollten Bändern sich zusammensetzen, tritt die Abschnürung zu- weilen gleichzeitig (Fig. 83), häufiger zu verschiedenen Perioden ein (Fig. 81, 82 u. 84, Taf. XXVII). Wenigstens trifft man sehr oft höchst complieirte Kernfiguren und neben ihnen junge Kerne, bei wel- chen eine brücken- oder fadenförmige Verbindung mit der ersteren kenntlich ist, während bei anderen eine solche nicht nachgewiesen werden kann (Fig. 82). Auch bei diesen Formen erfolgt die Ab- schnürung der jungen Kerne keineswegs in derselben Phase; we- nigstens zeigen die jungen Kerne manchmal ein sehr abweichen- des Verhalten der chromatischen Substanz. Die chromatischen Fäden sind bald mehr gerüstartig oder knäulförmig angeordnet oder bieten eine mehr äquatoriale Aufstellung dar. Die Abfur- chung des Protoplasma vollzieht sich auch bei diesen complieirten und ehromatinreichen Figuren sowohl endogen als auch randständig. Bei dem Versuche, die beschriebenen Formen auf die einzel- nen Phasen der bekannten Kerntheilungsvorgänge zurückzuführen, geht man am besten von demjenigen Stadium aus, in welchem die Kerne der grossen und kleinen Zellen eine Zunahme der chroma- tischen Substanz darbieten. Wie oben erwähnt, wird eine solche sowohl bei den runden als auch bei den in die Länge gezogenen, gewundenen und gelappten Kernen der grossen und kleinen Zellen gefunden. Das Auftreten der chromatischen Fäden erfolgt aller- dings in etwas verschiedener Weise, indem bald an dieser bald an jener Stelle, oft in unmittelbarem Anschluss an die Kernmem- bran intensiv sich färbende, rundliche, eckige und verästigte Kör- perehen wahrnehmbar werden, zwischen welchen zunächst blasse, später gefärbte Fäden verlaufen. Diese Umwandlungen vollziehen sich bald da, bald dort frühzeitiger, manchmal aber zur selben Zeit über den ganzen Kern hin. Auch die Zahl der chromatischen Fäden wechselt in den verschiedenen Kernen; die einen werden von einem dichten Fadensystem durchsetzt, während die anderen nur spärliche derartige Gebilde enthalten. — Dazu gesellen sich früher oder später eigenthümliche Veränderungen der Kernwand- schichte, in welcher gleichfalls Fäden und Körnchen zum Vor- 552 Jul. Arnold: schein kommen, bis diese schliesslich die Eigenschaften einer chromatischen Kernmembran darbietet. Dieselbe erhält sich als solche auch noch in einem Stadium, in welchem der Kern bereits vollständig von chromatischen Fäden durchzogen wird. An den Kernen der kleinen Zellen ist es schwierig über die gegenseitige Lagerung und Beziehung der Fäden ins Klare zu kommen und festzustellen, ob sie nur im Verhältniss der Contiguität zu einander stehen oder netzartig mit einander verbunden sind. Dass man bei den grossen Kernen den Eindruck erhält, als ob die Fäden in der letzterwähnten Weise angeordnet wären, ist oben hervorgehoben worden. i An manchen Kernen ist eine polare Orientirung der Fäden nachweisbar, bei anderen wird eine solche vermisst. Ferner muss noch der diffusen Färbung gedacht werden, welche viele Kerne in wechselnder Intensität zeigen. Dass sie nur der Ausdruck einer dichtereren Lagerung der Fäden sei, wie Deny’s!) behaup- tet, ist deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Kerne bei Behand- lung mit saurem Alkohol den Farbstoff abgeben und lichter wer- den. Ob der Contractionszustand der Kerne auf dieses Verhalten von Einfluss sein kann, habe ich bei einer anderen Gelegenheit ausführlich erörtert. Welchem der bekannten Kerntheilungsvorgänge sind nun diese Formen beizuzählen? der echten Mitose oder demjenigen Typus, welehen ich als indirekte Fragmentirung bezeichnet habe? Beide sind charakterisirt durch eine Zunahme der chromatischen Fäden in einem früheren Stadium der Kerntheilung. Wiederholt habe ich bei der Beschreibung der indirekten Fragmentirung darauf hingewiesen, dass die Zunahme der chromatischen Fäden, wie sie bei diesem Typus der Kerntheilung in den ersten Stadien erfolgt, in einer der echten Mitose so ähnlichen Weise sich vollziehen könne, dass es schwierig, ja in manchen Fällen unmöglich sei zu entscheiden, ob eine derartige Kernfigur der echten Mitose oder der indirekten Fragmentirung beizuzählen sei. Dies vorausge- schickt will ich es versuchen, auf einige Erscheinungen hinzu- weisen, welche in dieser Hinsicht vielleicht verwerthbar sind. In dieser Beziehung ist zunächst das Verhalten der geformten 1) Denys, la cytodiörese des cellules g&antes et des petites cellules incolores de la moelle des os. La cellule 1886, Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. 553 chromatischen Substanz zu berücksichtigen. Nach meinen Erfah- rungen ist die Gestalt der chromatischen Körner, wie sie in dem ersten Stadium der indirekten Fragmentirun g auftreten, verschieden- artiger und wechselnder wie bei der echten Mitose. Sie stellen sich bald als rundliche bald als eckige verschieden grosse Gebilde dar, zwischen denen blasse Fäden derart verlaufen, dass die chro- matischen Körner an den Knotenpunkten der letzteren zu liegen scheinen. Dazu kommt, dass das Auftreten der chromatischen Körner zu wechselnden Zeiten an den einzelnen Abschnitten des Kerns erfolgt, wodurch der Eindruck einer gewissen Ungesetz- mässigkeit, in besonders auffallender Weise allerdings an den Kernen der grossen Zellen hervorgerufen wird. Dasselbe gilt von dem Verhalten der chromatischen Fäden, welche überdies eine sehr verschiedene Dieke besitzen, nicht sel- ten auffallend plump sind, mehr die Form von kurzen und dicken Stäben annehmen, welche gerade so dick als lang zu sein schei- nen oder gar als rundliche Körner sich darstellen. Ueber ähnliche Befunde hat neuerdings Flemming bei gewissen Mitosen be- richtet. In wie weit unsere Befunde vergleichbar sind, wage ich vorerst nicht zu entscheiden. Bezüglich der sehr dicken und plumpen Gebilde, wie sie oben beschrieben und an manchen Fi- guren abgebildet sind, wird man sich ja immer die Frage vor- legen müssen, ob es sich nicht um Verklebungen mehrerer Fäden handelt. Auch die Aufstellung der Fäden ist bei der indirekten Frag- mentirung keine so regelmässige, wie bei der echten Mitose. Ab- gesehen davon, dass sie auch in späteren Stadien eine mehr ge- rüstweise oder netzförmige Anordnung zeigen, fehlt sehr häufig eine ausgesprochene polare Orientirung. Ob den Fäden bei der indirekten Fragmentirung in irgend einer Phase regelmässig eine Längstheilung zukommt oder nicht, darüber kann ich keine be- stimmten Angaben machen. Wäre dies nicht der Fall, so würde es einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen der echten Mitose und der indirekten Fragmentirung, welcher offenbar die beschriebenen Formen zum grösseren Theil zugeschrieben werden müssen, bezeichnen. — Auch die diffuse Färbung der Kerne liesse sich in diesem Sinne verwerthen, wenn sich herausstellte, dass sie bei der echten Mitose nicht getroffen wird. Eine besondere Berücksichtigung verdient aber in dieser Hin- 554 Jul. Arnold: sicht das Verhalten der Kernmembran. Es wurde darauf hinge- wiesen, dass in der Kernwandschichte glänzende Fäden und Körner auftreten und dass diese an Zahl zunehmen, bis endlich die Mem- bran die Eigenschaften einer chromatischen angenommen hat und als solehe bis in spätere Phasen hinein sich erhält. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen der typischen Mitose und der indirekten Fragmentirung wäre endlich durch das Vorkommen der Kernabschnürung schon in diesen frühen Stadien gegeben. Wie oben mehrfach erwähnt wurde, trifft man nicht selten Kerne, welche zahlreiche chromatische Fäden in gerüst- artiger Anordnung einschliessen, im Zustande der Theilung. Man könnte gegen diese Auffassung einwenden, dass die in Abschnü- rung begriffenen Kernhälften schon die Stadien bis zur Knäul- form in rückläufiger Reihenfolge durchgemacht hätten. Dagegen scheint allerdings das ganze Verhalten der in Abschnürung be- sriffenen Kernabschnitte, insbesondere die Anwesenheit einer chro- matischen Membran zu sprechen; auch der Mangel einer zwischen denselben ausgespannten achromatischen Figur ist in dieser Hin- sicht zu berücksichtigen. Insbesondere lässt aber der Befund von Kernen, welche mit eomplieirten aus chromatinreichen Bändern bestehenden Kernfiguren nur noch durch feine Fäden verbunden sind, meines Erachtens kaum eine andere Deutung zu als die, dass auch schon in früheren Phasen eine Abschnürung vorkomme. Eine besondere Berücksichtigung verdienen bei der Erörte- rung der Frage, in welcher Beziehung die geschilderten Befunde zu der echten Mitose einerseits, der indirekten Fragmentirung anderseits stehen, die oben beschriebenen hellen Felder, wie sie in den einfachen und complieirten Kernfiguren der grossen und kleinen Zellen vorkommen. — Bei Gelegenheit meiner früheren Mittheilungen hatte ich auf diese Erscheinungen und deren Be- deutung für die Erklärung der Genese der ring-, knäul- und netz- förmig angeordneten Kernfiguren, wie sie im Knochenmark, in den Lymphdrüsen, in der Milz und auch an anderen Stellen vor- kommen, aufmerksam gemacht. Ich!) sprach allerdings mit einer 1) J. Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarkes, Virchow’s Archiv, Bd. 90, 1883; ferner über Kern- theilung und vielkernige Zellen, Virchow’s Archiv, Bd. 98, 1884 und über Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, dieses Archiv, Bd. 30, 1887. Ueber Kern- und Zelltbeilungen in der Milz etc. 559 gewissen Zurückhaltung die Vermuthung aus, dass das Auftreten dieser hellen Felder auf eine eigenthümliche Umwandlung der Kernsubstanz, der Kernwandsechieht insbesondere zurückzuführen sei, indem an zwei oder mehreren Stellen die chromatische Sub- stanz zurückweiche und so ring-, knäul- oder netzförmige Bänder entstehen. Dass diese bald reicher bald ärmer an chromatischen Fäden und diffus vertheilter chromatischer Substanz sind und schon sehr frühzeitig eine mehr oder weniger scharfe Begrenzung aufweisen, wurde gleichzeitig betont. Aus dem letzteren Verhalten schloss ich insbesondere auf eine Betheiligung der Kernwandschicht. Gegen diese Mittheilungen sind verschiedene Einwände gel- tend gemacht worden. Da ich über den historischen Theil dieser Frage früher!) ausführlich berichtet habe, darf ich mich darauf beschränken an dieser Stelle nur des Wesentlichen zu gedenken. — Löwit?), welcher übrigens gleichfalls eine Zunahme der chro- matischen Substanz bei der Fragmentirung acceptirt, ist betreffs der eomplieirten Kernfiguren der grossen Zellen insbesondere der Ansicht, dass sie durch Verschmelzung von Kernen immigrirter und invaginirter Zellen entstehen und meistens dem Untergang gewidmet seien, nicht der Proliferation dienen. Diese Art der Genese durfte mit Rücksicht auf die complieirte Architektur dieser Kernfiguren, namentlich aber die Zusammensetzung derselben aus Bändern, welche chromatische Fäden enthalten und von einer eigenen Kernwandschicht bekleidet werden, als sehr wenig wahr- scheinlich bezeichnet werden. Ueberdies hatten bei der Beobach- tung des lebenden Objektes?) keine Anhaltspunkte für das Vor- kommen derartiger Verschmelzungen der Kerne immigrirter und invaginirter Zellen sich ergeben. Was die degenerativen Vor- gänge anbelangt, so hatte ich*) schon vor Löwit auf diese Mög- lichkeit aufmerksam gemacht, zugleich aber nachgewiesen, dass auch eine fortschreitende Entwicklung an ihnen beobachtet werde. Wie begründet diese Anschauung war, hat die Untersuchung am 1) J. Arnold, über Theilung der Wanderzellen, dieses Archiv. Bd. 30, 1887. 2) Löwit, über Neubildung und Zerfall weisser Blutkörper. Sitzungs- berichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. 92, 1885. 3) J. Arnold, über Theilung der Wanderzellen, dieses Archiv. Bd. 30. 4) J. Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarkes, Virchow’s Archiv Bd. 95. 1883. 556 Jul. Arnold: lebenden Objekte gelehrt, bei welcher sich feststellen liess, dass bei Zellen mit solchen Kernfiguren eine Abschnürung von Kernen und Zellen sich nachweisen lässt. Denys, welcher eine Zunahme der chromatischen Substanz bei der Fragmentirung (Stenose), bei den in Rede stehenden Kern- figuren insbesondere, in Abrede stellt und die dunkle Färbung lediglich auf einen Contraktionszustand der Kerne zurückführt, vertritt die Meinung, dass die complieirten Kernfiguren durch eine Verschmelzung der sprossenförmigen Fortsätze des Kerns entstehen. Die an der Stelle der hellen Felder gelegene Substanz betrachtet er nieht als metamorphosirte Kernsubstanz, sondern als Zellproto- plasma. — Dass eine wirkliche Zunahme der chromatischen Fäden bei solehen Figuren vorkommt, scheint mir zweifellos aus den früheren, sowie den obigen Mittheilungen hervorzugehen. Es will mir deshalb kaum erforderlich dünken, weitere Beweise dafür bei- zubringen und von Neuem zu erörtern, dass und warum die An- ordnung der ehromatischen Fäden nicht lediglich auf einen Con- tractionszustand der Kerne zurückgeführt werden kann. Mit der Möglickkeit, dass die complieirten Kernfiguren durch Verschmelzung der einzelnen Abschnitte des Kerns zu Stande kommen könnten, hatte auch ich gerechnet, ja ich bin bereit die- selbe auch heute noch zuzulassen. Auf der anderen Seite muss zugegeben werden, dass sichere Beweise für das Vorkommen sol- cher Verschmelzungsvorgänge an diesen Kernfiguren bis jetzt nicht vorliegen. Jedenfalls wird man mit Rücksicht auf die gleich zu erörternden Verhältnisse einräumen müssen, nicht nur dass an- dere Möglichkeiten in Betracht kommen, sondern auch dass für gewisse Formen die Entstehung durch Verschmelzung sprossen- förmiger Auswüchse des Kerns ausgeschlossen werden kann. Cornil!) lässt die Zellen des Knochenmarkes nur nach dem Typus der echten Mitose sich theilen. Dabei zeigen aber die Formen und Vorkommnisse, welche Cornil beschreibt, so wesent- liche Abweichungen von der echten Mitose hinsichtlich der Gestalt der Kernfiguren in den einzelnen Phasen, der Reihenfolge dieser, sowie der Zeit, in welcher die Theilung an den Abschnitten der Kernfigur sich vollzieht, dass man es viel eher mit einer indirekten 1) Cornil, sur la multiplication des cellules des la moelle des os par division indirecte dans l’inflammation, Archives des Physiologie. Bd. X etc. 1887. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. 557 Fragmentirung als mit einertypischeu Mitose zuthun zu haben glaubt. Wenn Cornil das Vorkommen der ersteren trotzdem läugnet und alle Erscheinungen auf die letztere Kerntheilungsform zurückführen will, so muss dieses auf „Missverständniss“ beruhen. Cornil hat z. B. ganz übersehen, dass es sich bei den grossen Kerntheilungs- figuren fast niemals um einfache, sondern um mehrfache Thei- lungen handelt, aber die typische Anordnung der achromatischen und chromatischen Substanz fehlt, wie sie der echten pluripolaren Mitose zukommt. Cornil betrachtet die ring- und netzförmigen Kerne, welehe wenige Fäden enthalten als ruhende. Es scheint mir dies mit Rücksicht auf die an ihnen beobachteten Abschnü- rungsvorgänge nicht zutreffend. Die Herkunft und Entstehungs- weise dieser Kernformen bleibt bei einer solchen Vorstellung räthselhaft. An Widersprüchen herrscht somit in der Frage nach der Ge- nese und Bedeutung der in Rede stehenden Kernfiguren kein Mangel: wie ich glaube, weil man die von mir früher berichtete Thatsache unberücksichtigt liess, dass die chromatinarmen und ehromatinreichen derartigen Formen aus Bändern zusammengesetzt sind, welche eine aus Kernwandschichte bestehende Bekleidung besitzen. Der Einwurf, dass die chromatischen Formen nur miss- handelte Mitosen und die Bänder nichts anderes seien als ver- klumpte chromatische Fäden, lässt eben ganz diese membranöse Bekleidung derselben ausser Acht. Ueberdies hat man übersehen, dass es sich in allen diesen Fällen um mehrfache Theilungen han- delt. Es würde ein zweifelloser Fortschritt sein, wenn es gelänge über die Entstehung dieser aus Kernwandschichte bestehenden Um- hüllung der Bänder Aufschluss zu erhalten. In dieser Hinsicht verdient, wie ich glaube, die zur Bildung der oben beschriebenen hellen Felder führende Metamorphose der Kernsubstanz in erster Linie berücksichtigt zu werden. Der Befund von solchen hellen Stellen an den Kernen ist ja auch der Grund gewesen, wesshalb mir schon früher die ausschliessliche Entstehung der ring- und netzförmigen Kerne durch Verwachsung sprossenförmiger Fortsätze zweifelhaft erschien. Wie aus den obigen Mittheilungen hervorgeht, findet man solche hellen Felder von wechselnder Grösse und in wechselnder Zahl in den Kernen und zwar sowohl in solchen mit geringem Gehalt an ehromatischer Substanz, als auch an Kernen, welche 558 Jul. Arnold: von dichten Fadensystemen durchsetzt werden (Taf. XXV—XXVM). Ob man für diese hellen Felder eine polare Orientirung annehmen darf, ist mir fraglich; zuweilen erhielt ich den Eindruck namentlich bei der Anwesenheit nur einer, beziehungsweise zweier derartiger Stellen, als ob eine solehe Anordnung bestände. Sind mehrere solche hellen Felder vorhanden, so ist es schwierig in dieser Be- ziehung eine Vorstellung, unmöglich eine Ueberzeugung sich zu verschaffen. Die Form derselben pflegt eine rundliche oder eckige zu sein; zuweilen stellen sie sich mehr als mit heller Substanz er- füllte Spalten dar, als ob es sich um eine Längstheilung der Kerne handelte. Die Begrenzung der Felder gegen die eigentliche Kern- figur ist manchmal eine sehr scharfe und wird zuweilen durch einen doppelten Contour dargestellt. Anderemal erscheint dieselbe etwas unregelmässig gezackt, durch Fäden unterbrochen und über- haupt weniger präeis. An der Stelle der hellen Felder liegt eine Substanz, deren Liehtbrechung derjenigen des Protoplasmas sehr nahe steht, manchmal vollkommen mit ihr übereinstimmt, andere- mal aber wesentlich von ihr verschieden ist. In ihr eingebettet finden sich Körner und Fädehen, welche nur selten intensiv sich ärben, meistens nur strecken- und stellenweise oder gar nicht tingirt sind; zuweilen werden die Felder von dickeren stark ge- färbten Strängen durchsetzt (Taf. XXV—XXVIH). Die Anordnung der Fäden schien mir bald eine mehr netzförmige, bald eine mehr radiäre zu sein; oder aber es liess sich eine Gesetzmässigkeit in dem Verlauf der Fäden überhaupt nicht auffinden. Diese soeben aufgezählten Befunde sind meines Erachtens nur so zu erklären, dass es sich um eine eigenthümliche Meta- morphose der Kernsubstanz handelt, bei der an gewissen Stellen das Chromatin aus den Körnchen und Fäden der Kernsubstanz, vielleicht auch aus dem Kernsaft verschwindet. Dadurch kommt es zu einer eigenthümlichen Aufhellung dieser Stellen, welche jetzt von einer lichten Substanz und blassen Körnehen und Fäden eingenommen werden. Die durch diese Metamorphose frei wer- dende chromatische Substanz scheint nach anderen Abschnitten der Kernfigur auszuweichen, welche jetzt aus Ringen und Knäulen chromatinreicher Bänder sich zusammensetzt. Die auf die An- wesenheit einer membranösen Bekleidung deutende Begrenzung dieser lässt auf eine Betheiligung der Kernwandschicht bei diesen Vorgängen schliessen. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz etc. 299 Als ich vor Jahren diese hellen Felder, namentlich die kleineren Formen beobachtet, war der erste Eindruck der, dass es sich um Vaeuolenbildung, somit um eine Degenerationserscheinung handle. Ich sah mich in dieser Anschauung durch die Wahrnehmung be- stärkt, dass wirklich einige dieser Kerne degenerativ zu Grunde gehen. Allerdings war mir immer aufgefallen, dass in der Mitte dieser hellen Felder sehr häufig ein glänzendes Korn gelegen ist und einzelne lichte Fädehen in der Substanz der vermeintlichen Vacuole eingebettet sind, deren Abgrenzung gegen die übrige Kern- substanz überdies als eine ganz ungewöhnliche anerkannt werden musste. Sehr bald überzeugte ich mich aber davon, dass diese Metamorphose nicht eine Degeneration des Kerns anzeigen könne, weil das Auftreten der hellen Felder und das Verschwinden der chromatischen Substanz an diesen Stellen von dem Auftreten einer complieirten Kernfigur begleitet bezw. gefolgt wird, deren Zu- sammensetzung aus mehr oder weniger chromatinreichen, mit eigener Kernwandschichte bekleideten Bändern auf eine fortschrei- tende Entwicklung hinwies. Selbstverständlich legte ich mir schon damals die Frage vor, ob nieht die ehromatinreichen Formen — für die ehromatinarmen wäre ja eine solche Erwägung nicht zutreffend — als Mitosen aufzufassen seien, welche in Folge mangelhafter Conservirung diese ungewöhnliche Erscheinung darböten oder ob nicht diese Kern- figuren als unwesentliche Abweichungen von der echten Mitose aufzufassen seien. In der ersteren Hinsicht muss ich betonen, dass diese Kernfiguren in allen Objekten, mochten sie mit Chrom- Osmiumessigsäure, Chrom-Ameisensäure, Chrom-Essigsäure, Platin- chlorid oder Alkohol behandelt, mit Safranin, Hämatoxylin oder nach Gram gefärbt sein, in grosser Zahl vorkommen. Den Ein- wurf, dass wir es mit „Artefacten“, „Kunstprodukten‘“ etc. zu thun hätten, konnte ich in Anbetracht der sehr zahlreichen Versuche, welche ich mit den verschiedensten Conservirungs- und Färbungs- mitteln anstellte, mir selbst nicht machen. Dass unwesentliche Abweichungen von der Mitose vorliegen, war mit Rücksicht auf die ehromatinarmen Formen, namentlich aber auch in Anbetracht des Verhaltens der Kernwandschiehte nicht wahrscheinlich. Immer- hin dürfte es sich der Mühe lohnen, in eine etwas eingehendere Erwägung dieser Frage einzutreten. Machen wir den Anfang mit den einfacheren Formen, wie 560 Jul. Arnold: sie in Fig. 48, 49 u. 50 Taf. XXVI abgebildet sind und die sehr wahrscheinlich Zweitheilungen darstellen, so liegt bei diesen offenbar die Sache nicht eindeutig. Von der echten Mitose weichen diese Bilder ab dureh die von einer Kernhälfte zur anderen verlaufenden dunklen Fäden. Nachdem aber von Rabl, Schottländer!), mir u. A. solehe verzögerte Umordnungen chromatischer Fäden be- schrieben sind, würde gegen die Deutung, dass dies unwesentliche Aberrationen von der echten Mitose seien, keine Einwendung zu machen sein. Die in Figur 39 Taf. XXV abgebildete Kernfigur könnte man sich als im Stadium der äquatorialen Umordnung be- griffen denken mit der Abweichung, dass die achromatische Spin- delfigur sehr undeutlich ist. Die in Fig. 32 Taf. XXV dargestellte Kernfigur liesse sich als Kranzform auffassen; auffallend bliebe allerdings die scharfe Begrenzung derselben gegen das lichte Mittel- feld. Noch weitgehendere Uebereinstimmung bieten ja die in Fig. 24, 25, 26, 27, sowie 40, 41 u. 42 Taf. XXV abgebildeten Formen dar; doch zeigen die meisten derselben mehr oder weniger wesentliche Abweichungen von der typischen Mitose bezüglich der Form und Anordnung der cehromatischen Gebilde und des Verhaltens nament- lich der Abgrenzung der hellen Mittelfelder. Immerhin erachte ich die Anschauung, dass es sich nur um- Abweichungen, vielleicht auch um Aberrationen von der echten Mitose handle, für durchaus zulässig. Wesentlich anders liegt die Sache bezüglich der in Fig. 28—31, 35 u. 36, sowie 43—47 abgebildeten Kernfiguren. Die scharfe Ab- srenzung der hellen Felder (Fig. 23—31) und die Zusammensetzung der Kernfiguren aus deutlich begrenzten Bändern (Fig. 36 u. 43—47), das sind Unterschiede in der Anordnung, welche auf eine einfache Abweichung von dem Typus der echten Mitose nicht zurückge- führt werden können. Noch mehr gilt das von den Kernfiguren der grossen Zellen. Will man überhaupt den Versuch eines Vergleiches machen, so würde für die meisten der angeführten Kernfiguren nur die pluri- polare Mitose in Betracht kommen, da bei der Mehrzahl derselben eine mehrfache Kerntheilung vorliegt. Bekanntlich bestehen die echten pluripolaren Mitosen in dem Stadium der äquatorialen Umordnung, welches besonders charak- teristisch ist, aus mehrschenkligen chromatischen Figuren mit 1) Schottländer |. c., daselbst die Literatur. Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. 561 typischerAnordnungder chromatischen Fäden und den dazu gehörigen achromatischen Spindelhälften. Die in Fig. 74, 77 u. 82, Taf. XXVIlL dargestellten Formen haben eine gewisse Aehnlichkeit mit pluri- polaren Mitosen. Die dunklen Bänder könnten den Schenkeln der äquatorialen Platte verglichen werden. Ein wesentlicher Unter- schied wird allerdings durch die Anordnung der Bänder, welche eine mehr netzförmige ist, durch die scharfe Begrenzung derselben (Fig. S1) und den Mangel einer achromatischen Figur bedingt; überhaupt macht der ganze Vorgang einen viel weniger gesetz- mässigen Eindruck wie bei der pluripolaren Mitose. Dazu kommt, dass man chromatinarme Formen mit derselben Anordnung, aller- dings noch zahlreicher im Knochenmark als in der Milz trifft. Die oben zwischen der pluripolaren Mitose und indirekten Fragmentirung angestellten Vergleiche haben zu dem Ergebniss geführt, dass zwischen beiden Vorgängen gewisse Achnliehkeiten, andererseits aber nicht unwesentliche Abweichungen bestehen und dass diese auf die Anordnung sowohl der chromatischen als auch der achromatischen Substanz sich beziehen. Während bei der pluripolaren Mitose der Kernfiguren eine sesetzmässige Anordnung der chromatischen und achromatischen Fäden in den verschiedenen Phasen, namentlich aber im Stadium der äquatorialen Umordnung besteht, setzen sie sich bei der in- direkten Fragmentirung aus unregelmässig gruppirten mit eigener Bekleidung ausgestatteten Bändern zusammen; an der Stelle der achromatischen Spindeln finden sich helle, von blassen Fädcehen und Körnern durchsetzte Felder. Wenn meine Vermuthung richtig ist, dass bei der Entstehung dieser die Metamorphose der chro- matischen Membran eine hervorragende Rolle spielt, so würde vielleicht auf das Verhalten dieser manche Abweichung in der An- ordnung bei der echten Mitose und der indirekten Fragmentirung zurückgeführt werden können, so z. B. bei der letzteren der Mangel einer achromatischen Spindel und die Anwesenheit einer Umhül- lung um die die Kernfigur zusammensetzenden Gebilde, seien diese nun chromatinreich oder chromatinarm. Immerhin sind diese Diffe- renzen, sowie die mangelnde Gesetzmässigkeit, mit welcher die einzelnen Umwandlungen sich vollziehen, so wesentlich, dass sie nicht als einfache Abweichungen von der echten Mitose aufgefasst werden können. Noch bestimmter treten diese Unterschiede hervor in dem 562 Jul. Arnold: Vollzug der Abschnürung der Kerne und Zellen. Bei der bipolaren und pluripolaren Mitose erfolgt die polare Umordnung und end- liche Trennung der Kerne, sowie diejenige der Zellsubstanz in ganz gesetzmässiger Weise. Allerdings hat Cornil Beobachtungen mitgetheilt, denen zufolge an einer mitotischen Kernfigur zu ver- schiedenen Zeiten Abschnürungen sich vollziehen sollen. Ich muss sestehen, dass sich meiner Auffassung nach ein derartiger Vorgang nicht mit den gesetzmässigen Erscheinungen bei der typischen pluri- polaren Mitose — eine solche kann ja nur in Frage kommen — in Einklang bringen lässt. Die Darstellungen, welche Cornil gibt, stimmen überdies so wenig mit dieser überein, dass ich viel mehr vermuthen möchte, es habe Cornil eine indirekte Fragmen- tirung vorgelegen, welche derselbe allerdings leugnet oder viel- leicht richtiger gesagt nicht kennt. Dass bei dieser ähnliche Kern- figuren vorkommen, wie bei der echten Mitose, darauf wurde oben bereits hingewiesen. Was die Abschnürungsvorgänge bei der indirekten Fragmen- tirung anbelangt, so ist zunächst hervorzuheben, dass sie in ver- schiedenen Phasen der Kernumwandlung, wie es scheint, erfolgen kann. Ich habe oben berichtet, dass man an chromatinarmen Kernen grosser und kleiner Zellen und zwar an solchen sowohl mit einfacher als auch mit complieirter Architektur Abschnürungen trifft. Es mag allerdings zweifelhaft erscheinen, ob man diese Be- funde in der Weise deuten darf, dass diese Kerntheilungsvor- gänge in eine sehr frühe Zeit zu verlegen seien. Man könnte sich viel mehr vorstellen, dass diese Kerne die verschiedenen Phasen schon durchlaufen hätten und in ihrer Umwandlung in dieses Stadium eingetreten seien, ehe es zur Abschnürung kam. Dieser Auffassung ist allerdings der Befund einer membranösen Bekleidung an solehen Kernen nicht gerade günstig. Ueberdies ist zu berücksichtigen, dass man solche Abschnürungsvorgänge an Kernen in allen Phasen der Umwandlung bei einfacher und com- plieirter Architektur und Struktur findet. Ich habe dieselben be- obachtet bei gelappten und gewundenen Kernen mit wenigen und vielen ehromatischen Fäden, sowie bei Kernfiguren, welche sich aus chromatinarmen und chromatinreichen Bändern zusammensetzten und wie oben bemerkt oft eine mehr oder weniger weit gehende Aehnlichkeit mit echten pluripolaren Mitosen darboten. Man ver- gleiche die Figuren 78, 79, 80, 81, 82 u. 84 Taf. XXVII. Dass die Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz etc. 563 Abschnürungen der Kerne manchmal gleichzeitig, sehr häufig aber zu verschiedenen Perioden eintreten, auch dafür finden sich auf Tafel XXVI und XXVII mehrere Beispiele. Dieselbe betreffen chromatinreiche und chromatinarme Formen. Auch die Abschnürung des Zellprotoplasma ist eine sehr wenig gesetzmässige, bald endogen bald randständig, gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeiten sich vollziehende. Der Unterschied in diesen Abschnürungsvorgängen der Kerne und des Protoplasma bei der echten Mitose einerseits, der indirekten Fragmentirung andererseits liegt auf der Hand. Der Zweck der vorstehenden Erörterungen war, auf die Ueber- einstimmung und die Unterschiede zwischen der echten Mitose und der indirekten Fragmentirung hinzuweisen. Da man aus ähnlichen Ausführungen schon einmal die Schlussfolgerung gezogen hat, dass ich die mitotischen Kerntheilungsvorgänge leugne, so will ich, ob- gleich mir die Logik derselben nicht einleuchtet, doch nicht unter- lassen zu betonen, dass ich wie für andere Gewebe überhaupt, die Iymphatischen Gewebe insbesondere, so auch für die Milz das Vorkommen echter Mitosen unter normalen und pathologischen Be- dingungen nicht nur nicht in Abrede stelle, sondern meines Wis- sens zuerst in Lymphdrüsen und Milz auf dasselbe hingewiesen habe. Ausserdem finden sich ja oben zahlreiche Angaben über Kern- figuren, welche ihrer Anordnung nach mit echten Mitosen mehr oder weniger vollständig übereinstimmen, für manche musste allerdings unentschieden gelassen werden, ob sie dieser oder der indirekten Fragmentirung beizuzählen seien. Auf eine ausführliche Darstellung der echten Mitosen einzugehen davon glaube ich absehen zu dür- fen. Ich will desshalb nur erwähnen, dass ich von den charakte- ristischen Phasen der Mitose nur das Stadium der äquatorialen Umordnung der chromatischen Substanz nebst den dazu gehörigen achromatischen Spindelfiguren vermisst habe. Auch typische pluri- polare Mitosen beobachtete ich nur selten. Ueberhaupt sind nach meiner Erfahrung die der indirekten Fragmentirung zugehörigen Formen in der normalen Milz der weissen Maus die überwiegenden. In der Einleitung wurden Abweichungen und Aberrationen von der echten Mitose unterschieden und zu diesen die homöoty- pischen und heterotypischen (Flemming), sowie die patholo- gischen (Rabl) Formen gerechnet. Es mag nun fraglich erschei- nen, ob nicht die indirekte Fragmentirang diesen beizuzählen sei. Archiv f. mikvosk. Anatomie. Bd. 31, 36 564 Jul. Arnold: Ueber Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. Berücksichtigt man, dass bei dieser niemals die gesetzmässige An- ordnung der ehromatischen Fäden vorhanden ist, wie sie in so charakteristischer Weise der echten Mitose in den verschiedenen Stadien zukommt, dass von einer achromatischen Spindel nichts nachweisbar ist, dass die Vorgänge der Abschnürung der Kerne und Zellen in so wenig regelmässiger Weise sich vollziehen, so wird man der indirekten Fragmentirung eine Sonderstellung zu- erkennen müssen. Damit soll nicht gesagt sein, dass Uebergänge zwischen allen diesen Formen der pluripolaren Mitose und der indirekten Fragmentirung insbesondere nicht existiren. Ich habe auf eine solche Möglichkeit schon an anderen Stellen!) hingewiesen und darf mich deshalb mit dieser kurzen Erwähnung begnügen. Wenn auch heute schon mit grösserer Sicherheit als vor kur- zem ausgesprochen werden darf, dass zahlreiche verschiedenartige und verschiedenwerthige Abweichungen von der echten Mitose vorkommen, eine präeise Olassifieirung und Bezeichnung ist leider noch nicht möglich. Man könnte daran denken die indirekte Frag- mentirung durch mitotische Fragmentirung zu ersetzen, um da- durch deren Beziehung zur Mitose Ausdruck zu verleihen. Ich habe in dieser Hinsicht nur das Bedenken, dass bei der indirekten Fragmentirung die chromatischen Elemente sehr häufig gar nicht die Gestalt von Fäden, sondern von Stäbehen oder Körner haben. Eine Registrirung dieser Formen wird eben erst möglich sein, wenn unsere Kenntnisse über Architektur, Struktur, Vorkommen, Bedeutung und Beziehung derselben zu einander dank eingehen- der Untersuchungen an Ausdehnung und Tiefe gewonnen haben werden. Ich komme damit auf die im Eingang ausgesprochene Bitte zurück, dass auch Andere diesen Abweichungen von der Mitose ihre Aufmerksamkeit zuwenden und dem Studium des oben vor- geschlagenen Objektes sich unterziehen möchten. Bezüglich der Erklärung der Abbildungen vergleiche man den Text. Sämmtliche Zellen stammen aus der Milz der weissen Maus. Die Figuren sind alle bei Zeiss Y/ h. Oe. 4 entworfen, die Einzelheiten bei stärkeren Systemen eingezeichnet. 1) J. Arnold, über Theilungsvorgänge der Wanderzellen, dieses Archiv Bd. 30, 1887. Daselbst findet sich eine ausführliche Besprechung dieser Seite der Frage. Ueber kalte Injektion mit japanischer Tusche. Von K. Taguchi, Professor der Anatomie an der Kaiserlichen Universität zu Tokio. Hierzu Tafel XXVII. Die Auswahl gefärbter Injektionsmassen macht man bekannt- lich davon abhängig, ob die Präparate bei auffallendem oder bei durchfallendem Lichte betrachtet werden sollen. Für auffallendes Licht zieht man die undurchsichtigen Metallfarben vor, während man durchsichtige Massen, z. B. Karmin, für durchfallendes Licht anwendet. Indessen hat man schon lange das Bedürfniss gefühlt Präparate herzustellen, welche beide Arten der Beleuchtung ge- statten; aber eine recht brauchbare Methode hat man bis jetzt noch nicht gefunden, denn die einander folgenden Injektionen ver- schiedener Salzlösungen, welche einen chemischen Niederschlag auf der Gefässwand erzeugen, liefern doch nur sehr ungleiehmäs- sige Bilder und vertragen selten auffallendes Licht. Vielleicht ist die Verwendung japanischer oder chinesischer Tusche ge- eignet, diesem Mangel abzuhelfen; deshalb sei es mir gestattet, meine seit 9 Jahren damit gewonnenen Erfahrungen kurz hier mit- zutheilen. Die Verwendung fein vertheilter Kohletheilchen, welche ja auch die Tusche constituiren, zu Injektionszwecken, makroskopi- schen wie mikroskopischen, ist nicht neu. Schon Fischer (An- weisung zur praktischen Zergliederungskunst, Leipzig 1791) em- pfiehlt das „Lampenschwarz“ zur Herstellung schwarzer Massen. Für mikroskopische Präparationen ist die Masse aber sehr wenig in Gebrauch genommen worden. So erwähnen z. B. die bekannten Werke von Hyrtl, Harting, Robin, Frey und Fol ihrer gar nieht. Nur v. Recklinghausen (die Lymphgefässe und ihre Be- ziehungen zum Bindegewebe, Berlin 1862) hat chinesische Tusche verwendet, ohne ihr jedoch besonders das Wort zu reden. 566 K. Taguschi: Da diese Tusche, wie bemerkt, aus äusserst fein vertheilter Kohle besteht, so leuchten von vorn herein viele von ihren Vor- theilen ein: 1. Der Farbstoff wird weder durch Licht noch durch chemische Einwirkungen verändert. 2. Die Kohletheilchen verän- dern die Gewebe ausserhalb der Gefässe nicht. 3. Der Farbstoff haftet der Gefässwand so fest an, dass die Masse auf den Schnitt- flächen nicht wieder ausfliesst. 4. Die Präparate können in Alkohol, doppeltehroms. Kalilösung, Chromsäurelösung, Pikrinsäurelösung etec. erhärtet werden, ohne ihre Farbe zu verändern. 5. Die Präparate können in Glycerin frisch untersucht werden. 6. Die von dem injieirten Präparate hergestellten Schnitte können mit einem beliebigen Farbstoffe nachgefärbt werden. Das von mir eingehaltene Verfahren ist folgendes: Man wählt eine mittelgute Sorte schwarzer Tusche. Die ja- panische ist im allgemeinen vorzuziehen, weil sie durchschnittlich härter ist, als die chinesische und deshalb beim Anreiben feinere Körnchen liefert. Die Tusche wird mit Wasser auf einem feinen Reibstein gerieben, bis man eine schwarze Flüssigkeit bekommt, welche, auf dünnes gutes Löschpapier getropft, zusammenhält und keinen grauen Ring um den Tropfen entstehen lässt. Ueber die Ausführung der Injektion ist wenig zu sagen; man wendet Handdruck, Quecksilber- oder Wasserdruck nach Belie- ben an, und man injieirt so lange, bis das Präparat ganz schwarz erscheint. Dann wird das Organ, wenn es von grösserm Umfang ist, in kleine Stücke geschnitten und in Alkohol, doppelehrom- saurer Kalilösung, Chromsäurelösung, Pikrinsäurelösung ete. er- härtet. Bis das Präparat erhärtet ist, darf es mit Wasser nicht in Berührung kommen, weil sonst ein grosser Theil der Injektions- masse in Folge der Verdünnung und wegen der Elastieität der Ge- fässe theils von der Schnittfläche ausgetrieben theils in die Gewebe selbst hineingepresst wird, so dass nachher auf dem Schnitte Alles schwarz gefärbt erscheint und die Gefässe als solche nicht mehr kenntlich sind. Die Schnitte werden in der gewöhnlichen Weise angefertigt und weiter behandelt. In allen Organen, welche ich bisher mit Tusche injieirte, ist die Masse bis in die feinsten Capillaren des Blut-Gefässsystems vorgedrungen und hat die Netze gut gefüllt, und durch das Ein- stichverfahren liessen sich die Iymphatischen Saftlücken und Saft- kanälchen der verschiedensten Körpertheile sehr gut darstellen. Ueber kalte Injektion mit japanischer Tusche 567 Um eine Anschauung von den Leistungen dieses Verfahrens zu geben, füge ich einige Abbildungen hinzu, die ich in Japan nach eigenen Präparaten möglichst naturwahr habe anfertigen lassen. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVIIH. Fig. 1. Senkrechter Schnitt der Haut aus der Palmargegend des Zeigefin- gers vom Menschen; Hämatoxylin, Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. a Epidermis, b Rete Malpighii und Papillen, c Cutis, v Gefässe der Papillen, vs Capillarnetz der Schweissdrüsenknäuel. 2 n 0) Blutgefässe der mittleren und inneren Schicht der Chorioidea eines Kaninchenauges, ausgepinselt; Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam, p. s. Epithel. Fig. 3. Ein Netz von Saftkanälchen und Saftlücken aus dem Centrum einer frischen Cornea vom Menschen, durch Einstich vom Rande her in- Jieirt; Alkohol, Nelkenöl, Canadabalsam. (Aus dem anatomischen Institute in Berlin.) Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. Von Dr. med. N. Kultschitzky, Prosektor und Privatdocent der Histologie zu Charkow. Hierzu Tafel XXIX und XXX. I. Allgemeines und Technisches. In letzter Zeit nimmt Ascaris megalocephala beim Studium des Befruchtungsprozesses eine sehr hervorragende Stelle ein. Die Deutliehkeit, mit welcher die einzelnen Momente des Befruchtungs- vorganges hervortreten, und die Leichtigkeit der Anfertigung von mikroskopischen Präparaten lassen dieses Objekt als geradezu un- ersetzbar erscheinen. 568 N. Kultschitzky: Allein bei Durchsicht der einschlägigen Literatur sehen wir, dass bisher nur wenige ganz unbestrittene Thatsachen ans Tages- licht befördert wurden und dass die Autoren selbst über die wich- tigsten und wesentlichsten Punkte nicht einig sind. In Anbetracht dessen möchte ich, soweit dies möglich sein wird, neues genaues faktisches Material liefern, ohne mich dabei auf eine lange kri- tische Auseinandersetzung bezüglich der von meinen Vorgängern vorgebrachten Ansichten einzulassen. Es ist selbstverständlich, dass zur Erfüllung dieser Aufgabe eine ganz genaue Anordnung der Versuche unbedingt nothwendig ist. Alle Autoren behaupten, dass die Eier von Ascaris megalo- cephala äusserst schwierig zu fixiren seien und dass der Mangel einer genau bestimmten Fixirungsmethode die Hauptursache der Meinungsverschiedenheiten darstelle. Wir werden im Folgenden sehen, dass dies nicht ganz richtig ist. Durch die erwähnte Ur- sache, nämlich durch die Mangelhaftigkeit unserer Fixirungs- methoden werden zwar die Resultate stark beeinträchtigt, doch ist dies nicht die einzige und vielleicht auch nicht die wichtigste Ursache. Wir müssen hier auf einen Umstand hinweisen, welcher nach unserer: Meinung in der Literatur wenig gewürdigt worden ist und in welchem vielleicht die Meinungsverschiedenheiten ihre Haupt- ursache haben. Ich meine die optischen Hilfsmittel, deren sich die verschiedenen Autoren bei ihren Forschungen bedient haben. Von welcher Wichtigkeit dies bei dem Studium der Zelle ist, er- hellt aus den Worten Flemming’s, welcher in seiner bekannten Monographie („Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung‘“ 1882) sagt: „Ich weiss, dass es noch Mikroskopiker giebt, welche glauben ohne homogene Immersion und ohne Abbe’schen Beleuchtungs- apparat mit Erfolg z. B. weitere Studien über Zelltheilung machen zu können; für solche ist dies Buch nicht geschrieben.“ Diese Worte sind gegenwärtig noch von grösserer Bedeutung als zur Zeit, als sie geschrieben wurden. Aus den für unsere Frage massgebenden Forschungen ersehen wir Folgendes: Carnoy, Boveri und E. van Beneden arbei- teten mit 1/; Zeiss (Apertur ungefähr 1.30) und natürlich mit dem Abbe’schen Beleuchtungsapparat; van Gehuchten mit Wasserimmersion G. von Zeiss, Apertur nicht über 1.17. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 569 Von den optischen Hilfsmitteln, deren sich O. Zacharias bediente, wissen wir nichts Bestimmtes. Unter solchen Umständen ist ein gegenseitiges Verständniss wohl kaum zu erzielen, denn heut zu Tage zweifelt doch Niemand daran, dass es nicht möglich ist mittelst eines Objektivs mit der Apertur 1,17 Beobachtungen zu prüfen, welche mit einem Objektiv mit der Apertur 1.30 gemacht worden sind. Durch die Benutzung von Objektiven mit so bedeutenden Apertur-Differenzen können die Forscher bei der Untersuchung der nämlichen Objekte, d. h. in dem Falle, wenn der Fixirungsfehler gar keine Rolle spielen sollte, ganz verschiedene Resultate erzielen. Ferner ist uns, wenn wir die optischen Hilfsmittel eines For- schers nicht kennen, auch der Zuverlässigkeitsgrad der von ihm erzielten Resultate nicht bekannt. Es scheint mir daher wünschenswerth, dass jeder Mi- kroskopiker, dem es daran gelegen ist verstanden zu werden und welcher die Resultate seiner Forschungen richtig beurtheilt sehen möchte, verpflichtet sei, die Leistungsfähigkeit seines Mikroskopes genau anzu- seben und seine Schlussfolgerungen bei der Beurthei- lung der von Anderen erzielten Resultate unter an- derem auch von der Apertur des Objektivs und von dem System seines Beleuchtungsapparates abhängig zu machen. Ich hatte zu meiner Verfügung ein Mikroskop von Hart- nack mit Oel-Immersion I, einen Hartnack’schen Beleuchtungs- apparat und ein Zeiss’sches Mikroskop seiner neuesten Con- struktion mit einem Abbe’schen Beleuchtungsapparat, Objektiv- apochromat Brw. 2.0; u. A. 1.40, compensatorische Oculare 4, 8, 12,.18: Ich halte es für nöthig noch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, welcher die Resultate zu beeinflussen im Stande ist. Jedermann weiss, dass die Deutung mikroskopischer Präparate einer unwillkürlichen Beeinflussung durch die dem Autor vorschwe- bende Idee unterworfen ist. In Anbetracht dessen schien mir im- mer bei der Lösung schwieriger Fragen eine strenge und unpar- teiische Controle einer unbetheiligten Person nothwendig. Meine Präparate haben stets der Controle von Prof. Waldeyer unter- legen, auf dessen Wunsch dieselben auch in einer Sitzung der 570 N. Kultschitzky: Berliner physiologischen Gesellschaft zur Demonstration gelangten. Ich verstatte mir ihm für seine unausgesetzte Theilnahme an mei- ner Arbeit hiermit meinen besten Dank auszusprechen. Zur Fixirung der Objekte bedienten wir uns einer von E.van Beneden empfohlenen Flüssigkeit, nämlich einer Mischung von Alkohol und Essigsäure zu gleichen Volumtheilen. Die reine Essigsäure, welche ebenfalls von E. van Beneden empfohlen wurde, scheint mir weniger brauchbar zu sein. Wir hielten an der erwähnten Fixirungsmethode aus mehreren Gründen fest. Dieselbe scheint auch nach theoretischen Erwägungen passender als andere Verfahrungsweisen, sie hat ferner schon E. van Beneden grosse Dienste geleistet, und endlich bin ich gerade mit einer ähnlichen Methode schon von meinen früheren Arbeiten her vertraut. Die starke Essigsäure, in Mischung derselben mit destillirtem Wasser zu gleichen Theilen, ist zum Zwecke der Fixirung schon von G. Saviotti!) empfohlen worden. Vor zehn Jahren benutzte ich ebenfalls diese Mischung mit bestem Erfolge. Es muss hervorgehoben werden, dass bei der Fixirung der Eier von Ascaris megalocephala überhaupt einige Vorsichtsmaass- regeln beobachtet werden müssen. Dieselben bestehen in Folgendem: a) Zur Untersuchung der Bildung der Richtungskörperchen und der Bildung der Pronuclei ist es unbedingt nothwendig voll- kommen frisches Material unmittelbar nach der Herausnahme des- selben aus dem lebenden Thiere zu fixiren. b) Zum Studium des Forschungsvorganges muss das bereits todte Thier (doch nicht später als 3—4 Stunden nach dem Tode) für einige Stunden in feuchte Wärme von 35—38° C. gebracht werden. Will man aber die Forschung weiter als bis zur Vier- theilung verfolgen, so muss das Objekt für 2-3 Tage oder auch noch länger dieser Temperatur ausgesetzt bleiben. Die solchen Thieren entnommenen Eier eignen sich nicht mehr für das Studium der ersten Entwickelungsstadien d. h. der Bil- dung der Richtungskörperchen und Pronuclei. Diese Vorgänge trifft man zwar auch hier an, jedoch erhält man dabei eine Menge missgestalteter Figuren, welehe nicht als Bilder normaler Prozesse angesehen werden können. 1) G. Saviotti, Untersuchungen über den feineren Bau des Pancreas. Archiv f. mikr. Anatomie T. V. 1869, 3. 410. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. a7 Betreffs der Fixirung ist nicht zu verschweigen, dass die Eier von Ascaris megalocephala als das am schwierigsten fixir- bare Objekt dargestellt werden. Dabei empfiehlt jeder Autor, welcher in der letzten Zeit eine Originaluntersuchung über die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala veröffentlicht hat, zugleich seine eigene Methode. Es gibt daher mindestens ebenso- viel Methoden, wie Forscher, und das ist mehr als genügend! Dies ist der Grund, weshalb ich glaube, dass dureh die Mangel- haftigkeit der Untersuchungsmethoden die Ergebnisse der Unter- suchungen zwar beeinträchtigt werden, dass jedoch diese Mangel- haftigkeit nicht die einzige und wahrscheinlich auch nicht die wichtigste Ursache der unter den Autoren herrschenden Meinungs- verschiedenheiten sei. Nahezu am Ende meiner Arbeit habe ich ein, wie es scheint, ganz neues Fixirungsmittel, nämlich den essigsauren Aether an- gewandt und erzielte damit sehr befriedigende Resultate. Ich habe denselben in verschiedenen Verhältnissen mit Alkohol ge- mischt, meistens in einer Mischung von 3 Theilen Aether und 1 Theil Alkohol absol. angewandt und halte dieses Verhältniss für das geeignetste. Man kann den essigsauren Aether auch mit !/, destill. Wassers gemischt anwenden. Aus theoretischen Grün- den ist die Anwendung des Aethers als Fixirungsmittel sehr wün- schenswerth. Ich wage daher der Hoffnung Raum zu geben, dass dieses Mittel von anderen Forschern versucht und der Grad seiner Anwendbarkeit im gegebenen Falle festgestellt werden wird. Färbemethoden. Während meiner ganzen Arbeit be- diente ich mich des essigsauren Carmins, welches eine vorzügliche Färbung liefert. Zuweilen benutzte ich Bismarekbraun und Mala- chitgrün nach E. van Beneden (zur Färbung der Spheres attrac- tives), sowie auch die Aurantia und in Spiritus lösliches Gentiana- violett. Alle diese letztgenannten Farben sind nicht von grössem Nutzen und wurden deshalb nicht oft angewandt. Der Bequem- lichkeit halber bediente ich mich der Lösungen von Aurantia und Gentiana in Creosot. Dabei geschieht die Aufhellung und Färbung der Präparate zu gleicher Zeit. Sind die Lösungen nicht allzu concentrirt, so ist das Auswaschen der Präparate überflüssig. Einschliessen in Balsam. Wie es scheint, haben alle Autoren, welche mit Eiern von Ascaris megalocephala zu ar- beiten hatten, ihre Präparate in Glycerin eingelegt. Obgleich. dies 572 N. Kultschitzky: technisch sehr leicht und bequem ist, so ist es doch selbstver- ständlich, dass dadurch die Bilder zuweilen an Deutlichkeit ein- büssen. Ich schloss deshalb, ohne jedoch die Untersuchung in Glycerin und selbst in Wasser zu vernachlässigen, die meisten meiner Präparate in Canadabalsam ein. In der ersten Zeit stiess ich dabei auf ernste Hindernisse, da beim Einschliessen in Balsam die Eihülle stark zusammenschrumpft und die Beobachtung zu einer sehr schwierigen und unangenehmen macht, obgleich das Ei selbst darunter nicht zu leiden hat. Es gelang mir jedoch zu erreichen, dass die Hülle beim Einschliessen in Balsam ihr nor- males Aussehen behält und die Präparate in Bezug auf ihre Schön- heit den in Glycerin eingelegten durchaus nicht nachstehen, ja sogar an Deutlichkeit gewinnen. Ich bin in der Lage zwei Ver- fahren für das Einschliessen in Balsam zu empfehlen. a) Die schon gefärbten Präparate werden sorgfältig in star- ker Essigsäure entwässert und in eine Mischung von Balsam und Essigsäure eingelegt. Die auf diese Weise hergestellten Präparate sind sehr schön, aber die Färbung wird mit der Zeit dunkler, in- dem sie einen schwärzlichen Anflug bekommt. Zur Vermeidung dieser kleinen Unbequemlichkeit dient die zweite Methode. b) Die gefärbten Präparate werden in einer Mischung von Spiritus und Essigsäure zu gleichen Volumtheilen entwässert, in Creosot aufgehellt und in mit Creosot verdünnten Balsam einge- schlossen. Auf diese Weise bekommt man leicht schöne Dauer- präparate. II. Bildung der Richtungskörperchen. Erstes Richtungskörperchen. Die ersten Verän- derufgen, weiche das Keimbläschen bei der Bildung des ersten Richtungskörperchens erfährt, blieben für mich zum Theil unaufge- klärt. Die Bilder, welehe ich beobachtet habe, waren derart un- klar und unconstant, dass ich mich nicht entschliessen kann, den- selben irgend eine bestimmte Bedeutung beizulegen. Ich kann auch meine Bedenken gegenüber der Bestimmtheit, mit welcher Boveri und Zacharias die Umwandlung der achromatischen Substanz des Kerns in die erste achromatische Spindel beschrei- ben, nicht ganz unterdrücken. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 573 Das früheste Stadium, welches ich nz bestimmt beschrei- ben kann, bietet folgendes Bild dar (Fig. 1, 2). Die Chromatin- substanz des Kerns besteht aus vier En gebogenen Stäbchen, welche in zwei Gruppen (zu je zwei Stäbchen in jeder) neben- einander liegen, und beide Stäbchen jeder Gruppe sind mit ein- ander durch dünne Chromatinfäden verbunden, deren Anzahl keine constante ist. Beide Gruppen nehmen die Aequatorialebene der schon deutlich ausgeprägten achromatischen Spindel ein. Betreffs der Spindel bin ich fast überzeugt, dass dieselbe aus zwei Theilen besteht, wie das von Zacharias, Carnoy und E. van Bene- den beschrieben wurde. Boveri hingegen sieht die achroma- tische Figur als nicht getheilt an. Wir können zwar diese Frage ganz bestimmt nicht lösen, jedoch spricht die Mehrzahl der Prä- parate für zwei Spindeln. Besonders deutlich treten sie hervor, wenn ihre Achsen nicht parallel zueinander, sondern unter einem Winkel geneigt stehen, was sehr oft vorkommt. Die Figur des Kerns mit den vier Chromatinstäbchen ist schon von Nussbaum!) beschrieben worden. Sie ist, wie wir weiter sehen werden, von sehr grosser Bedeutung für die Lösung der Frage über den Bildungsvorgang der Richtungskörperchen. Ihre Existenz veranlasst uns denjenigen Bau der Chromatinele- mente als nicht zutreffend anzusehen, welchen unlängst Boveri?) beschrieben hat, und nach welchem jedes der beiden von Boveri anerkannten Chromatinelemente aus vier Stäbehen besteht, welche miteinander durch dünne Chromatinfäden verbunden sein und ihrer Lage nach ein tetraädrisches Prisma bilden sollen (s. Boveri, Fig. 16, 17, 18, Tafel I). Die von Boveri beschriebenen Figuren habe auch ich beobachtet, doch ist deren Herkunft meiner Ansicht nach eine etwas andere. In Wirklichkeit erfährt nun jedes von unseren vier Stäbchen eine ganz typische Längsspaltung und somit entstehen zwei Gruppen von Chromatinstäbehen (je 4 in jeder Gruppe) (Fig. 3). Wir sagten bereits, dass in dem Vierstäbchenstadium dünne Verbin- dungsfäden zu sehen sind. Ebenso sind in dem Stadium, welches 1) Nussbaum, Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zur Eifurchung, dieses Arch. XXIH, Bd. 1884. 2) Boveri, Zellen-Studien. Jenaische Zeitschr, Bd. 21, 1887. 8. 14 und folgende. 574 N. Kultschitzky: wir jetzt beschreiben, alle Stäbchen einer Gruppe untereinander dureh ebensolehe Chromatinfäden nach allen Richtungen hin ver- bunden. Auf diese Weise entspricht das sofort nach der Längs- spaltung der Chromatinstäbchen entstandene Bild vollkommen dem, was Boveri als besonderen Bau der Chromatinelemente des Keim- bläschens beschrieben hat. Dass im Moment der Längsspaltung der Chromatinstäbehen dünne Fäden zwischen ihnen zurückblei- ben, darf nicht befremden. Wie Prof. Kutschin!) bewiesen hat, kommen solche Verbindungsfäden bei der Theilung der Epithel- zellen der Tritonlarven vor. In dem Maasse, in welchem der Thei- lungsprozess fortschreitet, entfernen sich die Chromatinstäbehen in der Theilungsachse von einander, wobei die Verbindungsfäden noch sehr lange (Fig. 4, 5, 6) bestehen bleiben, und endlich wer- den zwei Stäbchen von jeder Gruppe aus der Zelle ausgestossen und bilden so das erste Richtungskörperchen. Der Moment des Austrittes ist mir etwas unklar geblieben, so dass die Frage, in welcher Weise sich das erste Richtungskörperchen bildet, noch nicht erschöpfend von mir beantwortet werden kann. Es ist möglich, dass dabei die mit diesem Momentbeginnende Ausscheidung einer zweiten Hülle durch das Ei eine wichtige Rolle spielt, welche Hülle sich bekanntlich sehr rasch bildet und das erste Richtungskörperchen nach aussen verdrängt. Was die Achromatinspindel betrifft, so ist dieselbe im Moment des Austrittes des Richtungskörperchens un- deutlich, während die die Chromatinstäbchen verbindenden Fäden häufig sehr deutlich zu sehen sind. Nach Abspaltung des ersten Richtungskörperchens bleiben im Ei vier Chromatinstäbchen, welche in zwei kleinen Gruppen (zu je zwei Stäbchen) angeordnet sind. Zwischen den Stäbchen jeder Gruppe sind dünne Verbindungsfäden zu sehen. Die Stäbchen, welche nach Abspaltung des ersten Richtungskörperchens im Ei geblieben sind, können verschiedene Lagen einnehmen. Das zweite Riehtungskörperchen. Bald fangen die zurückgebliebenen Chromatinstäbchen an sich allmählich (Fig. 6, 7, 8) ganz regelmässig zu lagern, indem sie in jeder Gruppe die in Fig. 8 dargestellte Lage einnehmen. In diesem Moment pflegt die Achromatinspindel wieder ganz deutlich wahrnehmbar zu sein und hierbei kann man noch deutlicher als bei der Abspaltung des 1) Kutschin, „Russische Medicin“ Nr. 27, 1885. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 575 ersten Richtungskörperchens sehen, dass die Achromatinspindel aus zwei gesonderten Hälften besteht (Fig. 7). Dann entfernen sich die Chromatinstäbehen von einander in der Achse der achromatischen Spindel, und zwei von ihnen — eins aus jeder Gruppe — spalten sich in Gestalt eines zweiten Riehtungskörperchens ab. Es bleiben somit im Ei zwei Chroma- tinstäbehen zurück, welche später zum Pronucleus femininus wer- den (Fig. 9, 10). In der Literatur (Zacharias, Boveri, E. van Beneden) wird vielfach die Frage erörtert, wie sich die Lage der achroma- tischen Spindel zur Oberfläche verhalte Zacharias und Boveri behaupten, dass die Achse der Spindel in den meisten Fällen in der Richtung des Ei-Radius liege. Dies ist ganz richtig, obgleich die Achse der Spindel in vielen Fällen auch bedeutend vom Ra- dius abweicht. Letzterer Umstand ist jedoch meiner Ansicht nach belanglos und bildet nie ein Hinderniss für die Abspal- tung des Richtungskörperchens. In Wirklichkeit befestigt sich die achromatische Spindel mit einem ihrer Enden an die Oberfläche des Eies und, da sie selbst eine geradlinige Achse hat, so muss sie immer mehr oder weniger senkrecht zur kreisförmigen Oberfläche des Eies liegen. N Wir bemerken noch, dass wir zuweilen die achromatische Substanz in Gestalt einer wirklichen Spindelfigur mit spitzen En- den fanden, folglich in einer etwas anderen Form, als sie Bo- veril) angibt. sei Ueber das Wesen des Abspaltungsprozesses der Richtungs- körperchen sind die Ansichten der Autoren sehr getheilt. E. van Beneden hält es für unmöglich den Bildungsvor- gang der Riehtungskörperchen mit der gewöhnlichen Karyokinese zu identifieiren?) und nennt ihn „Psendokaryokinesis“. Nussbaum, Zacharias und Boveri erkennen diesen Prozess als wahre Karyoki- nesisan. Zacharias bemerktdabei: „dieAbschnürung eines Richtungs- körperchens ist keine eigentliche äquale Zelltheilung, sondern mehr eine Abspaltung, eine Fragmentirung!). Boveri hält den Abspaltungsvorgang der Richtungskörperchen für echte Karyokinese, Irle.etPp. 21. 2) E. van Beneden, Recherches sur la maturation d l’oeuf, la föcon- dation et la division cellulaire. Arch. de Biologie J. IV. 1884. 576 N. Kultschitzky: nimmt jedoch zugleich an, dass die Längsspaltung, welche das wesentliche Moment des karyokinetischen Prozesses bildet, ver- möge des von ihm beschriebenen Baues der Chromatinelemente des Kernes bereits präformirt sei?). Nach van Gehuchten sind schon in den ganz jungen Eiern, nach Ablauf des Knäuelstadiums von vorn herein 8 Chromatinstäbehen enthalten®). Wir glauben, dass, wenn dem so wäre wie Boveri und van Gehuchten mit- theilen, der Bildungsvorgang der Richtungskörperehen unmöglich als echte Karyokinese angesprochen werden könnte, da bei ihm das wesentlichste Moment der Karyokinese fehlen würde. Nur Nuss- baum beschreibt diesen Prozess als einen der typischen Karyokinese nahestehenden Vorgang). Wir haben oben gesehen, dass durch unsere Beobachtungen sowohl die Nussbaum’sche Beschreibung, als auch die sonst sehr genauen Angaben Boveri’s, dem allerdings das Vier- stäbehenstadium entgangen ist, vollkommen bestätigt werden. Die Angaben von Nussbaum und Boveri ergänzen sich gegenseitig. Ich meinerseits zähle den Bildungsvorgang der Richtungskörper- chen zu den karyokinetischen Prozessen, doch möchte ich dieses in folgender Form ausdrücken: „Der Bildungsvorgang der Riehtungskörperchen vollzieht sich nach dem Typus der echten Karyokinese“. II. Veränderungen des Spermatozoon zur Zeit der Abspaltung der Richtungskörperchen. Sehr bald nach seinem Eindringen in das Ei nimmt das Spermatozoon den centralen Theil des Eies ein und bleibt in dieser Lage während der ganzen Austrittszeit der Richtungs- körperechen. Nach meinen Beobachtungen nahm das Spermatozoon in allen denjenigen Fällen, in welchen die Eier gut fixirt waren, die eentrale Lage ein. In denjenigen Fällen hingegen, in denen ich mich bemüht hatte, den Furchungsvorgang zur Anschauung 1) Zacharias, Neue Untersuchungen über die Copulation der Ge- schlechtsprodukte und den Befruchtungsvorgang bei Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. H. 1. 1887. S. 152. 2). 6: D- 28. 3) A. van Gehuchten, Nouvelles observations sur la vesieule germi- native et les globules polaires de l’Ascaris megalocephala. Anat. Anzeiger 1887, Nro. 85. 4,1. c..p. 168. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 577 zu bringen, und in denen die mit Eiern gefüllten Gebärmütter einige Stunden lang in feuchter Wärme (35—38° C.) gelegen hatten, bekam ich augenscheinlich verzerrte Bilder und es war unter Anderem auch eine Lageveränderung des Spermatozoon zur Peripherie des Eies, sowohl in der Richtung. des Richtungskörper- chens, als auch in ganz entgegengesetzter Richtung zu constatiren. In dem im Centrum der Eizelle liegenden Spermatozoon be- ginnen sich allmählich Structurveränderungen zu vollziehen. Zuerst verliert das Spermatozoon seinen charakteristischen hellen Conus, welcher ganz allmählich verschwindet, gleichsam schmilzt (Fig. 1). Sobald der helle Conus verschwunden ist, besteht das Sperma- tozoon aus einem chromatinreichen compacten Kern, welcher von Protoplasma umgeben ist. Dieses Protoplasma ist in Balsam- präparaten nicht scharf von dem Protoplasma der Eizelle abge- grenzt. Ich muss hier bemerken, dass das Zoospermprotoplasma zu dieser Zeit nicht die Fähigkeit besitzt, sich durch Carmin oder Bismarckbraun zu färben. An gefärbten und in angesäuertem Wasser untersuchten Prä- paraten sind amöboide Fortsätze des Zoospermprotoplasma deutlich zu sehen (Fig. 1, 8). Gegen das Ende der Bildung des ersten Richtungskörperchens und während der ganzen Bildungsdauer des zweiten Richtungs- körperehens erfährt das Zoospermprotoplasma höchst interessante Veränderungen. Zuerst wird es deutlich wahrnehmbar und diffe- renzirt sich selbst in Balsampräparaten gegen das Eiprotoplasma. Ferner giebt es amöboide Fortsätze der verschiedensten Formen und Grösse ab, von denen die längeren oft in knopflörmigen An- schwellungen enden (Fig. 8). Es ist leicht sich zu überzeugen, dass letztere abreissen und frei in dem Eiprotoplasma unweit des Spermatozoon in Gestalt von Körnchen ziemlich bedeutender Grösse liegen. Dieser Vorgang scheint mir sehr wichtig, da mit Hülfe desselben sich die allmähliche Verkleinerung des Zoo- spermprotoplasmas während der Bildung der Rich- tungskörperchen vollzieht. Die erwähnten Fortsätze und die Abspaltung der Körnchen von dem Protoplasma des Spermatozoons werden nur unmittelbar vor dem Austritt des zweiten Richtungskörperchens während der Bildungsperiode der Pronunclei beobachtet. Uebrigens ist zu dieser Zeit die Menge des Zoospermprotoplasmas schon bedeutend ver- 578 N. Kultschitzky: ringert, und da der Kern zu derselben Zeit an Umfang bedeutend zu- nimmt, so umgiebt das Protoplasma denselben nicht mehr von allen Seiten, sondern nimmt nur diesen oderjenen Theil seiner Peripherie ein. Es ist bemerkenswerth, dass während der Bildung des zweiten Richtungskörperchens das Zoospermprotoplasma allmählich die Fähigkeit erhält, sich durch Carmin und Bismarckbraun zu färben, was bereits von E. van Beneden!) constatirt worden ist und durch unsere Beobachtungen völlig bestätigt wird. Was den Kern anbelangt, so befindet sich derselbe vom Ende der Bildung des ersten Richtungskörperchen an unbedingt in einem sehr thätigen Zustande und erfährt eine ganze Reihe von Ver- änderungen, deren genaue Reihenfolge zu bestimmen einstweilen noch unmöglich ist. Der Spermatozoonkern bildet, wie schon oben erwähnt wurde, ein compactes Klümpehen von Chromatin- substanz. Ferner zerfällt in demselben Maasse, wie der Befruch- tungsprozess fortschreitet, der Spermatozoonkern entweder in Stäbehen (2—3), oder in grosse oder verhältnissmässig kleine Körnchen, oder er bekommt eine ringförmige Gestalt. Daneben kann man immer noch äusserst kleine Chromatinkörnchen in allen erwähnten Veränderungen des Spermatozoonkerns beobachten. In Anbetracht der Abspaltung sehr feiner Chromatinkörnchen einerseits, und andererseits der Fähigkeit des Zoospermprotoplasmas sich zu dieser Zeit durch Carmin zu färben, gelangen wir unwill- kürlich zu dem Schlusse, dass möglicherweise der Spermatozoon- kern einen Theil seines Chromatins an sein Protoplasma abgiebt oder dass, um es mit anderen Worten auszudrücken, nicht das ganze Chromatin des Spermatozoonkerns zum Aufbau des Pronucleus masceulinus verwandt wird. Zur Austrittszeit des zweiten Richtungskörperchens hat der Spermatozoonkern fast immer eine deutlich retieuläre Struetur. Wir haben bereits früher gesagt, dass er zu dieser Zeit nur selten von seinem Protoplasma vollständig umgeben ist, so dass in den meisten Fällen der Kern jetzt nur noch theilweise mit seinem Protoplasma zusammenhängt und sich theilweise mit dem Eiprotoplasma in unmittelbarer Berührung befindet. 1) E.van Beneden |]. ce. u. Nouvelles recherches sur la feconda- tion et la division mitotique chez l’Ascaride megalocephale. Bull. de Y’aca- demie royale de Belgique. T. XIV. 1887, p. 10. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 579 IV. Bildung der Pronuclei, Bau und Zahl derselben. In Betreff der Bildung der Pronuclei ist von den Autoren, insbesondere von E. van Beneden, mit Bestimmtheit festge- stellt worden, dass der Pronueleus femininus sich aus dem Ueber- reste des Hikernes bildet, während der Pronucleus mascu- linus aus dem Spermatozoonkern entsteht, und zwar bilden sich beide Pronuclei fast gleichzeitig und ganz unabhängig von einander. Nur O. Zacharias hält in dieser Beziehung an einer ganz aus- schliesslichen Meinung fest. Er behauptet nämlich, dass zur Bil- dungszeit der Pronuclei eine Mischung des männlichen und weib- lichen Chromatins in der Weise stattfinde, dass jeder Pronucleus männliches und weibliches Chromatin zu gleichen Theilen ent- halte). Allein Zacharias führt, wie Boveri?) sehr richtig be- merkt, gar keine Beweise zu Gunsten seiner Behauptung an, sondern giebt seinen Präparaten eine ganz willkürliche Deutung. Unsere Untersuchungen haben uns aufs Deutlichste bewiesen, dass bei der Bildung der Pronuclei eine Mischung des weiblichen mit dem männlichen Chromatin nicht stattfindet und dass beide Pronuclei ganz unabhängig voneinander entstehen, was auch von den meisten Forschern, ganz besonders und zuerst von E. van Beneden (l.]. e. e.), eonstatirt worden ist. Wie bekannt, sind die Kenntnisse über die Entwickelung und Differenzirung der organischen Elemente überhaupt äusserst dürftige. Wir haben in dieser Hinsicht noch gar keine bestimmte Idee. Es darf also nicht verwundern, dass wir von dem Bildungs- prozess der Pronuclei nur sehr wenig zu sagen haben. Bei der Bildung des weiblichen Pronueleus beobachtete ich Folgendes: Rings um die zwei Chromatinstäbehen, welche nach der Abspaltung des zweiten Richtungskörperchens zurückblieben, er- scheint eine deutlich contourirte Vacuole, welche von dem Ei- protoplasma durch eine klar ausgesprochene Hülle abgegrenzt ist (Fig. 10, 11). Das ist die Hülle des zukünftigen Pronucleus. Die Chromatinstäbehen liegen der inneren Fläche der letzteren immer fest an und sind gewöhnlich an den Enden des Durehmessers der Vacuole gelegen. Allmählich beginnen sie ihre Gestalt zu ändern, indem sie zahlreiche dünne Fortsätze abgeben, welche sich ML.,.e,:P.159, Dlz,c.ip: 85: Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 31. BY 580 N. Kultschitzky: miteinander, von beiden Stäbehen kommend, begegnen. Nach einigen Präparaten glaube ich annehmen zu können, dass diese Chromatinfäden ebenfalls der inneren Fläche der Pronueleushülle fest anliegen. Sehr bald nimmt der Pronucleus den Charakter eines fertigen Kerns an, doch ist es bei unseren gegenwärtigen Kenntnissen und Methoden sehr schwierig, wenn nicht gar un- möglich, alle Uebergangsstadien zu verfolgen. Wäs den Pronucleus masculinus betrifft, so ist die Untersuchung der Entwiekelung desselben noch schwieriger. Wir haben gesehen, dass zur Abspaltungszeit des zweiten Richtungs- körperchens der Pronucleus masculinus in der Mehrheit der Fälle schon eine deutlich retieuläre Struktur zeigt. Sodann nimmt er rasch an Umfang zu und erscheint fertig ausgebildet. Bemerkens- werth sind die Beziehungen des Pronucleus sowohl zu seinem eigenen Protoplasma als auch zu dem des Eies. Das Zoosperm- protoplasma nimmt, wie wir gesehen haben, zur Bildungszeit des Pronucleus masculinus nur einen Theil seiner Peripherie ein. Der sich bildende Pronucleus steht also in unmittelbarer Berührung mit dem Eiprotoplasma, ohne jedoch die Verbindung mit seinem eigenen Protoplasma aufzugeben. In demselben Maasse, in welchem seine Verbindung mit dem Ei an Umfang zunimmt, wird die Ver- bindung mit dem eigenen Protoplasma lockerer. Endlich wirft er sein Protoplasma gänzlich ab und tritt in das Ei als ein con- stituirendes Glied desselben ein. Bau der Pronuelei. Jeder Pronucleus besteht aus fol- genden Theilen (Fig. 12): 1. aus einer ziemlich festen glänzenden achromatischen Hülle; 2. einer Chromatinsubstanz, letztere liegt dem Anscheine nach in den peripherischen Theilen des Pronucleus und bildet ein sehr dichtes Netz mit einer Menge von Knotenpunkten; 3. einer achromatischen Substanz und 4. aus Kernkörperehen. Die Kernkörperchen sind sehr cha- rakteristisch und nehmen meistens eine periphere Lage ein. Das Chromatinnetz verdichtet sich deutlich um sie herum. Die Kern- körperechen kommen in verschiedener Anzahl vor: meistens ist nur ein Körperchen vorhanden, zuweilen zwei und nur selten drei. Jedoch ist diese Anzahl in beiden Pronucleis immer eine gleiche. Befindet sich in einem Pronucleus ein Körperchen, so ist im anderen auch nur eins vorhanden, befinden sich in einem zwei, x Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 581 so sind auch im anderen zwei vorhanden. Daraus erhellt unter anderem, dass beide Pronuclei eine pedantische Gleichförmigkeit ihres Baues aufweisen. Indem wir der Kernkörperchen als eines ganz neuen Details des Pronueleusbaues erwähnen, halten wir dasselbe für sehr wichtig nach zwei Beziehungen hin: a) charakterisirt die Gegenwart des Kernkörperchens, wie angenommen wird, den Ruhezustand des Kernes, wobei wir die Clausel machen müssen, dass die Kernkörperehen auch in den Anfangsstadien der Kerntheilung erhalten bleiben können; b) beweisen die Kernkörperchen in den Pronucleis, dass diese letzteren echte, vollkommen ausgebildete, ruhende Kerne sind. Wir haben soeben erwähnt, dass beide Pronuclei ihrem Baue nach vollkommen gleichwerthige Bildungen dar- stellen. Erinnern wir uns, dass beide aus ganz verschiedenen Elementen, wie Spermatozoonkern einer-, und Keimbläschen andererseits entstanden sind, so gelangen wir zu dem Sehlusse, dass der Prozess der Pronucleusbildung als ein besonderer Vorgang, als ein Prozess sni generis betrachtet werden muss. Die Zahl der Pronuclei (maseulinus und femininus zusammen) beträgt gewöhnlich zwei, selten sind drei und nur in äusserst seltenen Fällen ist nur ein Pronucleus vorhanden. Unter welchen Bedingungen sich nur ein Pronucleus bildet, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Es scheint mir, dass dies in zweierlei Weise erklärt werden kann: entweder ist in diesem Falle das Ei nicht befruchtet worden, oder es liegt eine Bildungsanomalie vor. O. Zacharias, welcher die Hertwig’sche Befruchtungstheorie vertheidigt, legte den Eiern mit nur einem Pronucleus insofern eine besondere Bedeutung bei, als sie angeblich für die Mischung des Chromatins im Hertwig’schen Sinne sprechen und folglich die Untersuchungen über die Eier der Asearis megalocephala ebenfalls diese Theorie bestätigen sollen. Allein nach den von E. van Beneden, Boveri und von mir angestellten Beobachtungen unterliegt es keinem Zweifel, dass Fällevon Eiernmit einem Pronueleus nur aus nahmsweise vorkommen. Ist es denn möglich, dass es ein Thier giebt, bei welchem 97 unter 100 Eiern mit dem 582 N. Kultschitzky: wichtigsten Moment des Befruchtungsprozesses nicht ausgestattet wären und dennoch alle ohne Ausnahme Keime lieferten?! Was aber die mit 3 Pronucleis versehenen Eier anbelangt, so vermögen wir darüber, wie es scheint, einige Angaben zu machen. Es handelt sich hierbei darum, dass bisweilen Sperma- tozoen mit zwei Kernen vorkommen. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass ein mittelst eines solchen zwei- kernigen Spermatozoon befruchtetes Ei drei Pronuclei ent- halten wird. Y; Anfang der weiteren Entwickelung. Sind beide Pronuclei ausgebildet, so tritt ein vorläufiger Abschluss der weiteren Erscheinungen ein, solange die Eier im Uterus des lebenden Thieres verweilen. Ich fand wenigstens an den frisch aus dem Uterus lebender Thiere entnommenen Eiern keine weiteren Entwickelungsphasen; in dieser Beziehung kann ich mich mit noch grösserer Bestimmtheit als Nussbaum äussern, welcher, soviel ich weiss, zuerst darauf aufmerksam ge- macht hat!). Ein solcher Stillstand des Entwickelungsvorganges scheint sehr wichtig, da er bis zu einem gewissen Grade darauf hinweist, dass das Ei bereits das Ende der ersten Entwickelungs- periode d. h. des Befruchtungsprozesses erreicht hat. Entfernen wir hingegen den Uterus aus dem Leibe des Thieres und lassen denselben in einer günstigen Temperatur (35—38° C.), so beginnen die Eier sehr rasch ihre weitere Ent- wickelung. Dabei treten zwei Haupterscheinungen auf: a) die karyokinetischen Veränderungen der Pronuclei, und b) das Auftreten der sogenannten „Spheres attractives“ E. v. Beneden's. Was die karyokinetischen Veränderungen anbelangt, so bin ich in dieser Beziehung zu dem ganz bestimmten Schlusse gekommen, dass in allen Fällen ohne Ausnahme jeder Pronueleus seine karyokinetischen Veränderungen ganz selbstständig beginnt. Damit ergiebt sich, dass von einer Verschmelzung des Chromatins im Sinne der Hertwig’schen Theorie keine Rede sein kann, 1) ]. e. p. 166. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 983 sondern dass wir uns auf die Seite E. v. Benedens stellen müssen. Ich möchte hier nun noch die karyokinetischen Erscheinungen der Pronuclei kurz beschreiben, obgleich dies nicht direkt zu der mir vorliegenden Aufgabe gehört. Es ist dies jedoch insofern nothwendig, als einige Autoren (Zacharias) in diesen Vorgängen eine Bestätigung der Hertwig’schen Theorie erbliekten, während meine Beobachtungen in dieser Beziehung zu einem absolut ne- gativen Resultat geführt haben, da wir niemals Bilder erhielten, welche auch nur einigermaassen an die Zacharias’sche Fig. 21, Tafel V erinnerten. A. Knäuelform (Fig. 13, 14, 15, 16). Im .Beginne der karyo- kinetisehen Veränderungen macht jeder Pronucleus alle von den Autoren angenommenen Knäuelformen, und zwar die Phasen eines dichten, eines lockeren und möglicherweise auch diejenige eines segmentirten Knäuels durch. Während dieser ganzen Zeit verändert sich nur die Form des Chromatingerüstes des Kernes. Der Um- fang des Kernes, seine Hülle und das Kernkörperchen bleiben wahr- scheinlich unverändert. Uebrigens scheint das Kernkörperchen am Ende des lockeren Knäuels etwas kleiner zu werden. Bisweilen ist das Vorhandensein des Kernkörperchens in diesem Stadium sehr schwer nachzuweisen. Alsdann tritt eine auffallende Veränderung des Eies in jeder Beziehung ein. Die Membran und die Kernkörperchen ver- schwinden. Der Umfang der Kerne verkleinert sich bedeutend, wobei die Chromatinfäden oder deren Segmente sich zu einem compakten Knäuel zusammenballen (Fig. 17, 18). Dieser Moment muss besonders betont werden, da er, wie wir soeben gesehen haben, mit sehr wichtigen Veränderungen der Kerne zusammenfällt. Da in dieser Phase die Knäuelform noch beibehalten bleibt und da auf dieses Stadium ohne Zweifel die Umwandlung in Chromatinschleifen folgt, so glaube ich, dass es am zweckmässigsten wäre, die von mir beschriebene Phase Endknäuel zu benennen. O. Zacharias erwähnt diesen Moment gar nicht. Ein Ueber- gang, wie ihn die Figuren 28 und 29, Tafel X darstellen, ist nicht denkbar. Ebenso ganz unwahrscheinlich erscheinen mir die Fi- guren 22, 23 und 24 derselben Tafel?). 1) O0. Zacharias, Neue Untersuchungen etc. Arch. f. m. Anat. Bd. 30. 584 N. Kultschitzky: Bei E. van Beneden finden wir dieses Stadium, doch ist es dort etwas undeutlich ausgedrückt und wird ihm daselbst gar keine Bedeutung beigelegt. Seine Fig. 14 Tafel XIX kommt dem von uns beschriebenen Endknäuel sehr nahe!). Das von uns beschriebene Stadium wiederholt sich an ailen den betreffenden Präparaten in ganz typischer Weise und ist sehr prägnant ausgedrückt; es stellt einen ganz bestimmten Moment dar und ohne dasselbe würde der Uebergang vom Knäuel zu den ein- zelnen Schleifen als ein zu grosser Sprung erscheinen. B) Mutterstern. Aus beiden Endknäueln entwickeln sich sehr rasch die Chromatinschleifen, wie das die Fig. 19, 20 ver- anschaulichen. Gewöhnlich kommen, wie E. van Beneden ge- zeigt hat, vier Schleifen vor, ausnahmsweise bilden sich auch drei und fünf. Fünf Schleifen hat auch E. van Beneden gesehen (Fig. 23, Tafel XIX®. In normalen Fällen, d. h. da, wo vier Schleifen vorhanden sind, liefert jeder Pronucleus zwei Sehleifen. Letztere wandern allmählich zur Theilungsebene und liefern den Mutterstern, Aster. (Fig. 21, 23). Wir haben nur ein Exemplar von Ascaris megalocephala beobachtet, dessen Eier sich mit nur zwei, statt mit vier Schleifen segmentirt hatten (Fig. 22). Leider habe ich die oberen Partieen des Uterus dieses Thieres nicht aufbewahrt, und weiss daher auch nicht, wie sich in diesem Falle die Riehtungskörperchen verhielten. Ich glaube jedoch, dass die Bildung derselben so vor sich ging, wie es Boveri für die von ihm „Typus E. van Beneden’s“ benannten Eier beschrieben hat. Der ganze Prozess der Karyokinese mit zwei Schleifen spielt sich ganz ebenso ab, wie bei vier Schleifen. Im Aster-Stadium vollzieht sich die Längsspaltung der primären Schleifen, welche niemals vor diesem Zeitpunkte auftritt (Fig. 25, 26). Bei anderen Zellformen ist die Längs- spaltung bekanntlich noch im Knäuelstadium möglich. In unserem Falle beginnt die Spaltung an dem mittleren Theile der Schleifen, während die Enden noch sehr lange unge- spalten bleiben können. Dadurch entsteht eine ganz eigenartige Form, welche von E. van Beneden beschrieben worden ist. Wir geben dieselbe in Fig. 26 wieder. 1) E. van Beneden, Recherches etc. 2) E. van Beneden, Recherches etc. [371 Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 58 C) Metakinesis. Nach der gänzlichen oder theilweisen (d. h. wenn die Enden noch nicht gespalten sind) Spaltung der Chromatinschleifen beginnen die Bögen der Schlingen sich zu zwei Centren in der Theilungsachse zu verziehen, d. h. es voll- zieht sich der Vorgang der Metakinesis. Waren die Enden der Chromatinschleifen bei Eintritt der Metakinesis nicht getheilt, so entstehen sehr eigenartige Bilder, wie die Figuren 27, 283 zeigen. D) Dann gehen die Hälften der getheilten Chromatinschleifen in der Theilungsachse auseinander und es folgt das Dyaster- stadium (s. Fig. 29). E) Tochterknäuel. Die Existenz dieser Phase wurde von E. van Beneden in Zweifel gezogen!). O. Zacharias hin- gegen ist von der Existenz derselben, wie auch davon, dass sich in diesem Stadium die Form des ruhenden Kernes?) bildet, fest überzeugt. Meine diesbezüglichen Beobachtungen haben ergeben, dass die Tochterknäuelform wirklich existirt, doch unterscheidet sie sich ihrem Baue nach wesentlich von dem Knäuel bei Beginn der Karyokinese, was auch O. Zacharias bemerkt. Ueberhaupt, wenn wir auch annehmen, dass bei der Bildung von Tochterzellen beide Hälften des sich theilenden Kernes die Anfangsstadien der Karyokinese in umgekehrter Reihenfolge durchmachen, so nehmen wir dies natürlich nur bis zu einem gewissen Grade an, d.h. ohne vollkommene Identität zu beanspruchen. Unter dieser Be- dingung unterliegt die Existenz des Tochterknäuels keinem Zweifel, obgleich ich eine Form, wie sie OÖ. Zacharias in Fig.»35, Taf. X darstellt, niemals beobachtet habe. F) Ruhezustand. Die Kerne der ersten Blastomeren haben ebenfalls unbedingt eine Ruheform. In der Mehrzahl der Fälle haben die Kerne in diesem Stadium eine ziemlich sonder- bare Gestalt, sie besitzen Fortsätze, welche meistens gegen die Theilungsebene gerichtet sind. Ich muss der Ansicht van Be- nedens beistimmen, welcher diese Fortsätze als umgestaltete Enden der Chromatinschleifen ansieht. Es ist uns ausserdem ge- lungen, für dieses Stadium ein kleines neues Detail beizubringen, nämlich, dass die Kerne der Blastomeren mit einem charakteri- stischen Kernkörperchen versehen sind (Fig. 31). G) van Beneden's ‚„Spheres: attractives’. ‚Die von E. van Beneden entdeckten „Spheres attractives“ haben wir in 1) Recherches etc. p. 345. 2) lc. 586 N. Kultschitzky: sehr vielen Fällen beobachtet. Das Gesammtresultat unserer Be- obachtungen in dieser Beziehung kann in folgender Weise aus- gedrückt werden: Die spheres attractives gehören zwei- felsohne zum Protoplasma des Eies und treten als erstes Zeichen des Beginnes der mit der Theilung der Zelle verbundenen Prozesse auf. E. van Beneden hat ihnen, wie schon das Wort „spheres attractives“ selbst ausdrückt, die Bedeutung einer den Theilungs- prozess des Eies gewissermaassen leitenden Kraft beigemessen. Aus unseren Beobachtungen haben wir den Eindruck gewonnen, dass ein positiver Grund für eine derartige Annahme kaum vor- liegt. Die spheres attractives üben, wie wir sehen werden, beim Beginne ihrer Dislocation gar keinen Ein- fluss auf den Kern aus, oder wenigstens ruft ihre Dis- location keine Dislocation der Kerne hervor. Im Gegen- theil: die Dislocation der spheres attractives nach einer ganz bestimmten Stelle hin beweist, dass sie selbst einer Attrac- tionskraft unterworfen sind. Nur Eins unterliegt einst- weilen keinem Zweifel, nämlich, dass durch ihre endgiltige Lage die Theilungsachse oder diejenige Richtung be- stimmt wird, in welcher sich die beiden Hälften der setheilten Chromatinschleifen voneinander ent- fernen (Fig. 24). In Anbetracht dessen glauben wir, dass es, solange wir von dem Wesen des Theilungsprozesses noch nichts wissen, besser wäre, die van Beneden’schen „spheres attractives“ als Riehtungssonnen zu bezeichnen. In unseren weiteren Ausführungen werden wir uns erlauben diesen Terminus zu ge- brauchen. Die Richtungssonnen erscheinen schon in einem sehr frühen Stadium. Naeh unseren Beobachtungen fällt das Auftreten der- selben mit dem ersten Anzeichen des karyokinetischen Prozesses der Pronuclei zusammen. Vor diesem Zeitpunkt haben wir sie niemals beobachtet. Auch haben wir sie niemals in aus lebenden Thieren entnommenen Eiern gesehen. Es bedürfen deshalb die Figuren 1 und 2 Tafel I der van Beneden’schen „Nouvelles recherches“ meiner Meinung nach noch einer Bestätigung. Beide Richtungssonnen erscheinen zu gleicher Zeit und, wie es scheint, in der Mehrzahl der Fälle in der Nachbarschaft der Pronuelei (Fig. 17). Dann entfernen sie sich von den letzteren Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 587 zu den Polen des Eies und bestimmen somit die Theilungsachse. Sie sind ganz deutlich ausgedrückt und vollständig entwickelt schon zu der Zeit, in weleher die Pronuclei noch eine Membran und ihren normalen Umfang besitzen, d. h. noch unverändert sind. Deshalb glauben wir auch, dass die Richtungssonnen ganz zum Protoplasma gehören. Dieser Umstand ist von grosser Bedeutung. Es unterliegt, wie E. van Beneden!) richtig bemerkt, keinem Zweifel, dass die achromatische Spindel sich aus den Strahlen entwickelt, welche von den Richtungs- sonnen ausgehen, was zu Gunsten der protoplasmatischen Her- kunft der achromatischen Spindel spricht. Die Struktur der Richtungssonnen ist noch sehr unklar. Im Centrum jeder Richtungssonne liegt, wie van Beneden entdeckt hat, ein sogenanntes „Polkörperchen“. Nach unseren Beobachtungen stellen die Richtungssonnen keine von dem Protoplasma streng abgegrenzte Bildungen dar. Im Gegentheil kann man sich bei der genauen Beobachtung derselben überzeugen, dass sie mit den übrigen Protoplasmastrahlen des Eies unmittelbar verbunden sind und dass die Richtungssonnen möglicherweise nur eine lokale Concentrirung des Protoplasma, die beginnende Theilung desselben darstellen. Wir können uns jedoch nicht entschliessen auf Grund unserer Beobachtungen irgend welche positive Sätze in Bezug auf die Riehtungssonnen aufzustellen, überlassen diese Frage vielmehr zukünftigen Forschungen. Die Beziehungen der Achromatinfäden zu der Chromatinsubstanz sind bekanntlich bei Weitem noch nicht aufgeklärt. In der letzten Zeit haben E. van Bene- den und Boveri angenommen, dass die achromatischen Fäden sich an die Chromatinschleifen befestigen und ähnlich wie Muskeln wirken, indem sie die beiden Hälften des sich theilenden Kernes in der Theilungsachse auseinanderziehen. Dennoch können wir, so verlockend diese Erklärung auch erscheint, dieselbe nicht unbedingt acceptiren. Unsere Forschun- gen haben uns zu der Ueberzeugung geführt, dass die unmittel- bare Beobachtung der Beziehungen zwischen den achromatischen Fäden und den Cromatinschleifen äusserst schwierig ist. Wir 1) E. van Beneden, Nouvelles recherches p. 60. 588 N. Kultschitzky: können zwar, ohne einen Irrthum zu befürchten, annehmen, dass die achromatische Spindel in einem ganz bestimmten Verhältniss zum Kernehromatin steht, was von allen Forschern angenommen zu sein scheint, jedoch bleibt die Art dieser Beziehungen einstweilen noch unaufgeklärt. Wir haben uns die grösste Mühe gegeben die von E. van Beneden aufgeworfene Frage über den Ansatz der Fäden der achromatischen Spindel an die Chromatinschleifen zu lösen, doch haben wir keinen positiven Erfolg erzielt. Selbst unter den günstigsten Bedingungen, d. h. bei guter Beleuchtung, Färbung ete., konnte nicht mit Bestimmtheit entschieden werden, ob sich die achromatischen Fäden an die Chromatinschlingen be- festigen, oder ob sich die letzteren nur zwischen den Fäden der achromatischen Spindel verwickeln. Schon E. van Beneden!) hat darauf aufmerksam gemacht, dass ein Theil der achromati- schen Fäden von einem Ende der Spindel zum anderen frei ver- läuft, ohne sich an die Chromatinschlingen zu befestigen. Das- selbe haben wir oftmals beobachtet (Fig. 23, 24). Obgleich der- artige Präparate nicht als ernste Widerlegung der van Beneden- schen und Boveri’schen Ansicht betrachtet werden können, so veranlassen sie uns dennoch von einer bestimmten Ansicht abzu- sehen und genauere Beobachtungen abzuwarten. Theilung des Protoplasmas. Die Eier von Ascaris megalocephala bieten noch in einer anderen Beziehung grosses Interesse dar. Die Protoplasmatheilung, welche bei anderen Ob- jekten so unklar ist, tritt nämlich hier mit einer viel grösseren Deutlichkeit hervor. Das Auftreten der Richtungssonnen, die Ent- wickelung der achromatischen Spindel, deren Beziehungen zu den Chromatinschleifen und endlich die Veränderungen des allgemei- nen Aussehens des Protoplasmas im Moment des Beginnes der Theilung erscheinen hier so deutlich, dass wir mit vollem Recht zu dem Schlusse gelangen, dass das Protoplasma beim Theilungsakte eine aktive und sehr wichtige Rolle spielt, obgleich dies bei anderen Objekten noch vor Kurzem von P fitzner in Abrede gestellt wurde. Die Theilung des Protoplasmas vollzieht sich dem Anscheine nach unabhängig von der Theilung des Chromatins, wenigstens fällt sie mit keiner bestimmten Phase der Kerntheilung zusammen. Zuweilen beginnt das Protoplasma sehr früh sich zu theilen, noch 1) Nouvelles recherches p. 61. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 589 während sich die Pronuclei im Knäuelstadium befinden, bisweilen aber beobachten wir ein schon vollkommen entwickeltes Dyaster- stadium, während von der Theilung des Protoplasmas noch nichts zu sehen ist. Nicht ohne Interesse scheint mir auch eine That- sache zu sein, welche ich oftmals an Eiern von Ascaris megalo- cephala beobachtet habe, und welche beweist, dass das Proto- plasma sich auch ohne Betheiligung des Kerns spalten kann. Wie wir in Fig. 16 sehen, befinden sich die Kerne noch im Knäuelzu- stande und ein Theil des Protoplasmas ist schon gänzlich abge- grenzt. Wir haben hier folglich ein Beispiel von Zellabschnürung ohne Kerntheilung vor uns. VI. Nähere Bestimmung des Befruchtungsaktes. a) Hertwig’s Theorie. Durch seine Forschungen über die Eier von Ascaris megalocephala hat E. van Beneden die Hertwig’sche Theorie stark erschüttert, nach welcher als Be- fruchtungsprozess die Verschmelzung zweier Pronuclei und die Bildung eines sogenannten Furchungskerns verstanden wer- den muss. Unsere Beobachtungen, welche in den wichtigsten Punkten mit den E. van Beneden’schen Angaben völlig überein- stimmen, führten uns zu der Ueberzeugung, dass Ascaris megalo- cephala wirklich eine Ausnahme von der Hertwig’schen Theorie bildet. Inwieweit letztere in Bezug auf andere Thiere stichhaltig ist, wissen wir nicht, jedoch wird sie schon durch den Umstand allein, dass sie den bei einem Thiere beobachteten Thatsachen nicht entspricht, zu einer wenig wahrscheinlichen. Ich erwähne noch ausdrücklich, dass sich O. Zacharias und jüngst auch Strasburger!) auf Hertwig’s Seite stellen. b).E; van. Benedenis ‚Dheorie. u E.,wan,.Beneden stellte für den Befruchtungsprozess den sehr wichtigen und ganz neuen Satz auf, dass die Befruchtung durch den Bil- dungsprozess der Pronuclei abgeschlossen wird. Mit der Aufstellung dieses mit der Hertwig’schen Theorie nicht überein- stimmenden Satzes lieferte E. van Beneden zugleich auch eine neue Befruchtungstheorie. Dieselbe besteht in Folgendem: das Keim- bläschen wird durch den Bildungsprozess der Richtungskörperchen zu dem Zustand eines Halbkerns (demi-noyau) reduecirt, — dies 1) Strasburger, Kern- und Zelltheilung bei Pflanzenzellen. Jena Fischer, 1838. 590 N. Kultschitzky: ist der Pronucleus femininus. Es besteht nun nach E. van Beneden das Wesen des Befruchtungsprozesses in dem Ersatz (remplacement) der von dem Keimbläschen eingebüssten Substanz durch einen Theil des Spermatozoons. Auf Grund unserer eigenen Beobachtungen können wir die van Beneden’sche Theorie nicht in vollem Umfange acceptiren. ‘Sie basirt auf der Voraussetzung, dass jeder Pronueleus nur einen Halbkern (demi-noyau) darstellt. Ich glaube jedoch mit vollem Recht annehmen zu können, dass die Pronuclei, sowohl ihrem Baue, wie auch ihrer physiologischen Bedeutung nach vollkom- men ausgebildeten, ganzen Kernen entsprechen. Wir haben in der That gesehen, dass jeder Pronucleus wie jeder andere vollkommen ausgebildete Kern gebaut ist und dass er ausserdem unter günstigen Verhältnissen sein Leben (am Anfang der Segmentirung) ebenso bestimmt äussert wie jeder andere Kern. In Anbetracht dessen betrachten wir das Wesen des Befruch- tungsprozesses etwas anders, als E. van Beneden. Es steht nach den Beobachtungen E. van Beneden’s fest, dass nach der Abspaltung des zweiten Richtungskörperchens der Pronueleus maseulinus den Rest seines Protoplasmas abwirft und jede Verbindung mit demselben aufgibt. Dieser Umstand scheint, worauf auch E. van Beneden aufmerksam macht, im höchsten Grade wichtig. Von diesem Zeitpunkte ab hat nämlich der Pro- nucleus maseulinus seine eigene frühere Protoplasmahülle aufge- geben und gehört nunmehr dem Protoplasma der Eizelle an; er ist nicht mehr ein fremder, sondern vielmehr ein wesentlicher un- verkennbarer Bestandtheil des Eies. Somit erscheinen von diesem Augenblicke an alle Eigenschaften und Kräfte des Spermakernes als ein gesichertes Eigenthum des Eies und folglich. des zukünf- tigen Organismus. Diese, wie es scheint, natürliche Folgerung aus allseitig anerkannten Thatsachen lässt uns zu dem Schlusse gelangen, dass das Wesen der Befruchtung in dem Vor- gsange liege, durch welchen der demEi bisher fremde Spermakern in einen wesentlichen un- trennbarenBestandtheil des Eies, in einen Kerın desselben, umgewandelt wird. Diese Auffassung führt zu den weiteren Schlüssen, dass der Befrucehtungsakt mit der Fertigstellung des Pronueleus maseulinus beendet ist, und dass nach Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 591 diesem Zeitpunkte unter förderlichen Bedingungen die Entwickelung des Embryo beginnen muss. Die Thatsachen entsprechen diesen Schlüssen. Wir haben gesehen, dass nach der Ausbildung des Pronucleus masculinus, die unserer Ansicht nach das Ende des Befruchtungsaktes markirt, ein vorläufiger Abschluss in der Reihe der gesammten Entwicke- lungsvorgänge eintritt, falls das Ei im Leibe des lebenden Thieres verweilt, und dass ferner, sobald das Ei unter bestimmte andere Bedingungen fällt, es sehr lebhaft sich segmentirt, d. h. einer weiteren Entwickelung sich unterzieht. Schon E. van Beneden, dem ich hierin völlig zustimmen kann, hat den Zeitpunkt des Befruchtungsaktes in die vollendete Ausbildung der Pronuclei verlegt; nur glaube ich besonders die Ausbildung desPronuceleus masculinus betonen und das Wesen dieses Vorganges dahin definiren zu sollen, dass ich das „punetum saliens“ inder Umwandlung der Nucleus- formationderSamenzellezueinem Kern derEi- zelleerblicke und nicht in einem Wiederersatz abgestossener Theile des Keimbläschens durch den Pronueleus masculinus. Ist es richtig, was die neueren Forschungen lehren, dass der Kern so zu sagen das be- stimmende und beherrschende Element der Zelle ist, so werden mit dem Momente, wann der Spermakern zu einem echten Kern der Eizelle wird, auch diese und deren Abkömmlinge dem früheren Spermakern unterthan und ist mit diesem Augenblicke der Ein- fluss des männlichen Erzeugers auf den künftigen zur Entwicklung sich anschiekenden Organismus gesichert. Dieser Einfluss ist aber nach aller bisherigen Anschauung das, was man unter „Befruch- tung“ verstanden hat. Vergleicht man van Beneden’s und meine Definition, so ist völlig richtig der Moment, wann die Befruchtung vollendete That- sache ist, nämlich die Ausbildung beider Pronuclei, zuerst von E. van Beneden angegeben worden und sehe ich darin eines seiner Hauptverdienste; ich möchte nur, um dem alten Sprachge- brauche des Wortes „Befruchtung“ mehr gerecht zu werden, diesen abschliessenden Moment in die Ausbildung des Pronucleus mas- culinus verlegen. Wenn nun E. van Beneden in seine Defini- tion noch das „remplacement“ und den Begriff des „Demi-noyau“ aufnimmt, so möchte ich ihm hierin nicht folgen, indem ich meine, 592 N. Kultschitzky: dass dadurch noch etwas zur Befruchtung hinzugezogen wird, was mir nicht wesentlich erscheint, was vielleicht nur eine aceidentelle Bedeutung hat. Es fragt sich noch, was man von der Lehre der Verschmel- zung des männlichen und weiblichen Chromatins, die so lebhaften Streit hervorgerufen hat, zu halten habe? Nach allem, was bisher gesagt wurde, muss ich E. van Bene- den Recht geben und kann mit Bestimmtheit Folgendes äussern: Eine Verschmelzung der Pronuclei, wenn sie eben überhaupt existirt, wovon ich bisher mich nicht überzeugen konnte, gehört sicher nicht zum Befruchtungsvorgange. Sollte sie in der That vorkommen, was ich nach meinen Befunden — indem ich selbst nicht einmal 3°%,, wie Evan Beneden, zulassen kann — in Abrede stellen muss, so müsste sie zu den karyokinetischen Erscheinungen, welche die erste Furchung begleiten, gerechnet werden, also zur Entwickelung des Bies im engeren Sinne, nicht zur Befruchtung. Literatur. 1. Nussbaum, Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zu Eifurchung. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XXII, 1884. 2. E. van Beneden, Recherches sur la maturation de l’oeuf et la fecondation et la division cellulaire. Arch. de Biologie. T. IV. 1884. 3. Derselbe, Nouvelles recherches sur la fecondation et la divi- sion mitosique chez l’Ascaride mögalocephale. Bull. de ’Academie Royale de Belgique. 3. Serie. T. XIV. 1887. 4. J. B. Carnoy, La eytodierese, La cellule. T. II et II. 5. O. Zacharias, Neue Untersuchungen über die Copulation der Geschlechtsprodukte und den Befruchtungsvorgang bei Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30, Heft I, 1887. 6. Derselbe, Die Befruchtungserscheinungen am Ei von Ascaris me- galocephala. Anatom. Anzeiger 1887, No. 26. 7. Derselbe, Ueber Abtödtung und Färbung der Eier von Ascaris megalocephala. Ebenda 1888, No. 1. 8. A. van Gehuchten, Nouvelles observations sur la vesicule germi- native et les globules polaires de l’Ascaris megalocephala. Ebenda 1587, No. 23. 9. Th. Boveri, Ueber die Befruchtung der Eier von Ascaris megalo- cephala. Mittheilungen aus der Gesellschaft f. Morphologie und Physiologie in München 1887, p. 71. Die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. 593 10. Derselbe, Zellen-Studien. Heft I. Die Bildung der Richtungs- körperchen bei Ascaris melagocephala und Ascaris lumbricoides. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. 21, Heft 3 u. 4. 11. N. Kultschitzky, Ergebnisse einer Untersuchung über die Be- fruchtungsvorgänge bei Ascaris megalocephala. Sitzungsber. der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1888, II (Sitzung vom 19. Jan.). Erklärung der Figuren auf Tafel XXIX u. XXX. Sämmtliche Abbildungen wurden mit dem Apochromat von Zeiss (Brw. 2,0, n. A. 1,40) und compens. Ocul. 4 ‚gezeichnet. Ich gebrauchte da- bei den Abbe’schen Zeichenapparat. Einige Differenzen in der Grösse der einzelnen Abbildungen hängen von der Differenz der Tubuslänge, welche nicht immer eleich war, ab. Fig. 1. Ei von Ascaris megalocephala, a der Rest des hellen Conus. Fig. 2. Ein Stadium der Bildung des ersten Richtungskörperchens mit vier leicht gebogenen Stäbchen. Fig. 3. Ein Stadium sofort nach der Längsspaltung der vier Stäbchen. Fig. 4, 5, 6. Die Abstossung des ersten Richtungskörperchens. Fig. 7, 8, 9, 10. Die Bildung und die Abstossung des zweiten Richtungs- körperchens. Fig. 11. Die Bildung der Pronuclei, a pronucleus femininus, b pr. masc. Fig. 12. Die vollkommen ausgebildeten Pronuclei mit Kernkörperchen, a der Rest des Spermaprotoplasmas. Fig. 13, 14, 15, 16. Karyokinetische Veränderungen der Pronuclei, Stadium der Knäuelform. Fig. 17. Endknäuel und Richtungssonne im Beginn ihrer Bildung. Fig. 18, 19, 20. Die Bildung der Chromatinschleifen. Fig. 21 u. 22. Eier, die mit vier und mit zwei Ohromatinschleifen seg- mentirt werden. Fig. 23 u. 24. Richtungssonne und achromatische Spihdelfigur. Fig. 25 u. 26. Die Längsspaltung der Chromatinschleifen. Fig. 27 u. 28. Metakinetische Figuren. Fig. 29. Dyaster. Fig. 50. Der Uebergang zur Tochterknäuelform. Fig. 31. Die Kerne der ersten Blastomeren im Ruhezustande mit Kern- körperchen. . (Anatomisches Institut zu Berlin.) Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi beim Kaninchen. Von H. K. Corning. Mit vier Holzschnitten. Die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi hat noch keine eingehende und endgültige Bearbeitung gefunden. Zwar fehlt es nicht an Vermuthungen über die Herkunft ihrer Form- elemente, doch sind die Ansichten so verschiedenartig, dass es unmöglich ist, sie im Rahmen einer kleinen Abhandlung zusammen- zufassen. Ich will bloss anführen, dass Schwalbe (Lehrbuch der Neurologie 1881, p. 346) die Substantia gelatinosa aus einem „Verhornungsprozess der Bildungszellen des Rückenmarks“ herleitet, während W. His (Zur Geschichte des Rückenmarks Abhandl. d. sächs. Akademie der Wissensch. 1336, p. 508) sich dahin entscheidet, dass sie seeundär zu den Hinterhörnern hinzu- tritt und von eingewanderten Zellen abstammt. Beide Ansichten haben mehr den Charakter von Gelegenheitsäusserungen, und stützen sich nicht auf eine zur Entscheidung der Frage durch- gearbeitete Beobachtungsreihe. Der Widerspruch zwischen den Anschauungen lässt sich wohl durch die Thatsache erklären, dass man bis in die neueste Zeit ganz verschiedenartige und zum Theil unklare Vorstellungen über die Struktur der Substantia gelatinosa hatte. Die älteren Autoren stimmen darin überein, dass sie in diesem eigenthüm- lichen Gebilde nervöse Elemente, d. h. Ganglienzellen, vermissen Die erste Beschreibung, von Rolando selbst (Rolando: Ricerche sulla struttura del midollo spinale, Torino 1824) bezieht sich selbstverständlich bloss auf solche Strukturverhältnisse, die ma- kroskopisch oder mit Loupenvergrösserung zu erkennen waren. Die Bezeichnung „gelatinosa“, mit der er die späterhin allgemein als Substantia gelatinosa Rolandi angeführte Formation belegte, Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi ete. 595 darf natürlich nicht so aufgefasst werden, als ob sie einen histo- logischen Unterschied zwischen der grauen Substanz der Hinter- hörner und der übrigen grauen Substanz des Rückenmarks in sich schlösse. In diesen Fehler sind jedoch mehrere der späteren Autoren verfallen. Erst in der Arbeit von H. Gierke über die „Stützsubstanz des Centralnervensystems“ (Archiv f. mikr. Anatomie, 25. Band 1885 u. 26. Band 1886) findet sich eine richtige Schilderung der mikroskopischen Elemente unserer Formation. Er wies, im Gegen- satz zu früheren Autoren, welche das Vorkommen von Nerven- zellen in Abrede stellten!), darauf hin, dass gerade die Substantia gelatinosa Rolandi ungemein reich an nervösen Elementen sei, und sagt (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 26, p. 144): „..... sie (die Substantia gelatinosa) enthält verhältnissmässig unendlich viel mehr Nervenzellen, als die übrigen Theile der grauen Substanz .... Hier will ich mich begnügen, mitzutheilen, dass sie ziemlich kleine und sehr zarte zellige Gebilde sind, welche viel Aehnlichkeit mit den kleinen Nervenzellen in der molekulären Schicht des Klein- hirns, oder auch mit denen der Körnerschicht ebenda haben. Sie besitzen einen verhältnissmässig grossen, schön ausgebildeten Kern, der ganz das charakteristische Aussehen hat, welches die K. ie der Ganglienzellen kennzeichnet, und sie z. B. leicht von denen der Gliazellen unterscheiden lässt. Ein ungemein zartes, sehr leicht zerstörbares feinkörniges Protoplasma umgiebt ihn als eine nicht sehr breite Hohlkugel. Im Verhältniss zur Grösse des Kernes muss der Zellleib spärlich und klein genannt werden. Beim Erhärten des Rückenmarks ..... gehen auch die Fortsätze, von denen mehrere vorhanden sind, zu Grunde. Diese der gela- tinösen Substanz eigenthümlichen und für sie charakteristischen Nervenzellen liegen in Hohlräumen, welche die dichtgedrängten Gliazellen ihnen gewähren.“ Ich gebe dieses Citat in extenso, weil es für die morpholo- gische Stellung der Substantia gelatinosa ein neues Verständniss eröffnet. Um so mehr gewinnt die Frage nach ihrer Herkunft und Entwicklung an Interesse. Der Gegensatz zwischen den von 1) Es sei hervorgehoben, dass auch B. Stilling (neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes) und A. v. Kölliker (Gewebelehre) zahl- reiche Nervenzellen in der Substantia gelatinosa posterior beschreiben. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 33 596 H. K. Corning: Gierke aufgefundenen zelligen Elementen und den Ganglien- zellen der übrigen Partieen der grauen Substanz ist ferner ein so grosser, dass es angezeigt erscheint, ihr Verhalten zueinander in verschiedenen Entwicklungsperioden zu betrachten. Bei Untersuchungen auf einem so vielfach durchgearbeiteten Gebiet ist es jedoch geboten, die Fragestellung mit möglichster Genauigkeit zu präeisiren, ja einzuschränken. Ich habe dureh- wegs mehr die Morphologie der Substantia gelatinosa Rolandi, als die Histiogenese ihrer Elemente berücksichtigt und legte mir dabei folgende drei Fragen zur Beantwortung vor: 1. Aus welchen Theilen des ursprünglich einheitlichen Rücken- markskanales entsteht die Formatio gelatinosa Rolandi, oder hat die His’sche Anschauung, dass ihre Elemente aus eingewanderten Zellen entstehen, eine Berechtigung? 2. Wie frühe lässt sich eine Differenzirung der zur Substantia gelatinosa sich umbildenden Elemente erkennen ? 3. Bieten die entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge irgend eine Erklärung für die so eigenthümliche und von der übrigen grauen Substanz abweichende Struktur der Substantia gelatinosa? Was die Literatur unseres Gegenstandes angeht, so habe ich eine grosse Anzahl von Abhandlungen und Handbüchern durch- gesehen, ohne viele werthbare Angaben zu finden. Sehr nützlich da- gegen erwiesen sich die schon eitirten Abhandlungen von H. Gierke und von W. His. Letzterer hat im Archiv für Anatomie und Physiologie (Anat. Abth. 1838, p. 1) die Ergebnisse seiner Ar- beit noch. zusammengefasst. H. Virchow hat in einem in der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten ge- haltenen Vortrag die Angaben von Gierke wiederholt und er- weitert. Er betont es, dass die Zellen der Substantia gelatinosa besonders bei Kindern leichter darzustellen sind, als bei Erwachsenen und dass Kaninchen die Zellen äusserst zahlreich zeigen. Ein Referat über diesen Vortrag findet sich im Neurologischen Central- blatt 1887, p. 263. Vieles enthält eine Abhandlung von W. Vignal „sur le developpement de la moölle Epiniere“ in den Archives de Physiologie normale et pathologique. 3. serie, 4. Band 1884, p. 177—237 und p. 364—426 mit 53 Abbildungen. Ich verweise, was die ältere Literatur angeht, auf Vignal’s Arbeit. Als Untersuchungsobjekte wählte ich Kaninchenembryonen, von denen ich eine gute Serie zur Verfügung hatte. Dieselben Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi et. 597 waren in Chromessigsäure, Pikrinschwefelsäure, Alkohol, Erlicki- scher Flüssigkeit und Müllerscher Lösung gehärtet, in Paraffın oder Celloidin eingebettet und mit Boraxcarmin und Delafieldsehem Hämatoxylin gefärbt. Auch Objekte, die mit Flemmingscher Flüssigkeit und mit Osmiumsäure gehärtet waren, gelangten zur Untersuchung. Eine Anzahl Embryonen von Mäusen, Schweinen, Ratten und Meersehweinchen habe ich ebenfalls verwerthet. Meine Angaben beziehen sich durchwegs auf das Lenden- mark, indem ich es vorzog, die Entwicklung der Substantia gela- tinosa an einem bestimmten Punkte zu untersuchen. Ich habe zwar immer auch das Cervical- und Dorsalmark geschnitten und werde im Folgenden Abweichungen in der ‚Gestalt unseres Ge- bildes in dem Cervical- oder Dorsalmark von dem im Lumbal- mark sich findenden Typus anführen. Die Beschreibung der einzelnen Stadien nimmt aus nahe- liegenden Gründen einen anderen Gang, als die Untersuchung. Während ich in letzterer von neugeborenen und jungen Kaninchen ausging, bei denen sich die Substantia gelatinosa wie beim er- wachsenen Thiere darstellt, und in aufsteigender Reihe die Ent- wicklungszustände verfolgte, habe ich in der Darstellung den ent- gegengesetzten Weg eingeschlagen. Ich gehe bei meinen Betrachtungen von dem Kaninchen- embryo von 13 Tagen aus (1,2em Länge). Die Differenzirung des Medullarstranges ist schon ziemlich weit fortgesehritten (ef. Fig. 1). Der Centralkanal ist ein langer Schlitz, Figur 1. welcher in seiner dorsalen Hälfte etwas KaninchenEmbryo weiter erscheint, als im ventralen Ab- (1# Tage, 12 mm Länge) schnitt. Die graue Substanz ist von einer nebelmage) dünnen Schicht weisser Substanz umgeben, in welcher sich noch keine zelligen Ele- mente erkennen lassen. Bloss an einer Stelle fehlt die Umhüllung der weissen Substanz, nämlich dort, wo die am wei- testen dorsalwärts gelegenen Zellen der grauen Substanz unmittelbar an die aus a) Anlage der Ganglien- dem Mesoderm stammenden Elemente an- zellen der Vorderhörner. b) Anfang der Verdickung grenzen. An der grauen Substanz lassen Fu ak ® sich sehr deutlich die beiden von His (op. Anlage der subst. gelat. eit. p. 482) als „Mantelschieht“ und „Innen- Rol. 598 H. K. Corning: platte“ bezeichneten Abschnitte erkennen. Die „Innenplatte“ be- steht aus sehr dicht gedrängten, radiär gestellten Zellen, deren Grenzen wegen ihrer engen Aneinanderlagerung kaum zu er kennen sind. Ihre Kerne sind kleiner (1,5—2 u) als diejenigen der Zellen, welche die „Mantelschicht“ zusammensetzen, ferner färben sie sich mit Hämatoxylin, Boraxcarmin oder anderen Kern- färbemitteln viel dunkler. Die Zellen der Mantelschicht haben keine so typische Anordnung, wie die Zellen der Innenplatte. Ihre Kerne haben etwa eine Grösse von 2—2,5u. Die Zellen be- sitzen oft, doch nicht immer, Fortsätze, die meistens, wie His erwähnt, nach vorne gehen. Diese Zellen liegen an einer Stelle (Fig. 1a), welche der Spitze des späteren Vorderhorns entspricht, viel dichter beisammen, eine Thatsache, die in den Schnitten aus dem Lumbalmark leichter zu erkennen ist, als in denjenigen aus dem Dorsal- oder Cervicalmark. Uns interessirt zunächst die dorsale Hälfte der grauen Sub- stanz. Hier ist die Mantelschicht weniger mächtig, als in dem ventralen Abschnitt. Während sich hier die Dieke der Mantel- schicht zu derjenigen der Innenplatte etwa so verhält, wie 4 zu 1, so nimmt die Innenplatte dorsalwärts rasch an Mächtigkeit zu und übertrifft die Mantelschicht wohl um das Doppelte. Sie stellt so in der dorsalen Hälfte des Rückenmarks den weitaus grösseren Theil der grauen Substanz dar. Diese Dickenzunahme erfolgt ziemlich plötzlich an einer Stelle, die in der Fig. 1 mit b be- zeichnet ist. Die Grenze der „Innenplatte“ gegen die Mantelschicht ist in diesem dorsalen Abschnitt weniger deutlich, als im ven- tralen Theil. Ferner ist noch ein auffallender Unterschied in der Grösse der Zellkerne zu bemerken. In der dorsalen Verdiekung der Innenplatte sind die Zellkerne kleiner, und färben sich auch mit Boraxcarmin und Hämatoxylin dunkler, als im ventralen Ab- schnitt. Wenn wir diese Verhältnisse zusammenfassen, so haben wir kurz Folgendes zu verzeichnen : Die Zellen der Innenplatte sind in einem lebhaften Proliferationsprozess begriffen, der in ihrem dorsalen Abschnitt zu einer starken Verdickung geführt hat. Die Zellen der Mantelschicht zeigen eine Differenzirung, indem erstens in ihrer ganzen Ausdehnung eine Fortsatzbildung der Zellen Platz gegriffen hat und indem zweitens eine Zellengruppe sich schon jetzt abgeschlossen hat, welche die erste Anlage der Ganglien- Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 599 zellen der Vorderhörner bildet. Die Mantelschicht ist hinten, ent- sprechend der Verdiekung der Innenplatte, weniger mächtig, als vorne. Die weisse Substanz ist schon ziemlich mächtig, enthält jedoch noch keine zelligen Elemente. Fig. 2. Wir haben hier noch nichts, Kaninchen-Embryo (15 Tage, 17 mmLänge) das in der Lage unserer Sub- Lumbalmark. stantia gelatinosa Rolandi ent- spräche. Wir haben daran festzuhalten, dass sie als solche noch nicht angelegt ist, zu einer Zeit, wo die vorderen Partieen des Rückenmarks schon ziemlich weitgehende Differenzirungen aufweisen. Die Untersuchung älterer Em- bryonen wird uns jedoch zei- gen, dass die Wucherung der a) Ganglienzellen der Vorderhörner. Innenplatte in ihrem dorsalen b) Verdickung der Innenplatte. Abschnitt die Anlage der Sub- c) Substantia gelatinosa Rol. stantia gelatinosa Rolandi in sich enthält. Und diesem Abschnitt der grauen Substanz werden wir im Folgenden hauptsächlich unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Bei einem Kaninchenembryo von 15 Tagen (1,7 cm Länge) ist die Entwicklung des Rückenmarks bedeutend fortgeschritten (Fig. 2). Die weisse Substanz umgiebt auch jetzt die graue nicht voll- ständig; Kerne fehlen in ihr. Dagegen haben sich mächtige Form- veränderungen der grauen Substanz in der hinteren Hälfte des Marks gebildet. Während beim Kaninchen von 13 Tagen die Masse der grauen Substanz in der vorderen Hälfte des Rücken- marks die Entfaltung derselben im hinteren Abschnitt ganz ent- schieden überwog, so wird dies beim vorliegenden und den folgenden Embryonalstadien gerade umgekehrt. Und diese Entfaltung ist ganz besonders durch eine Zellengruppe bedingt, die ich als die Anlage der Formatio gelatinosa Rolandi ansprechen möchte (Fig. 2e), und welche auch in ihrer Lage durchaus mit derselben über- einstimmt. Schon bei schwacher Vergrösserung lässt sich erkennen, dass die Zellen in der ganzen hinteren Hälfte des Marks dichter bei- sammen stehen, als weiter vorn. Die His’sche Innenplatte zeigt 600 H.K. Corning: auch hier in ihrem hinteren Abschnitt eine grössere Mächtigkeit als im vorderen. Ferner geht sie hinten viel allmählieher in die anliegenden Zellengruppen über, als weiter nach vorne. Im Ganzen lässt sich von der Innenplatte sagen, dass die Proliferationsvor- gänge sich vorne schon abgeschlossen haben, während sie hinten noch fortdauern oder doch noch frisch sind. Diese Thatsache findet auch darin ihren Ausdruck, dass die unmittelbare Umgebung des Centralkanals in seiner ventralen Hälfte annähernd die gleiche ist, wie bei Kaninchenembryonen von 24—26 Tagen. Sie besteht nämlich aus Cylinderepithel, das vorne in einfacher Lage vor- handen ist, und nach hinten hin in jene Proliferationszone über- geht, die wir beim Kaninchen von 13 Tagen als Mutterboden für die Substantia gelatinosa bezeichneten. An der Stelle, wo die Proliferationszone am mächtigsten ist (Fig. 2b), zeigen sich am Cen- traleanal Aenderungen, die darin bestehen, dass der Canal sich allmählich verengt, und seine Wandungen sich berühren. Auf diese Stelle folgt nach Hinten ein Abschnitt, wo das Lumen des Centralcanals noch offen ist. Es deutet dieser Vorgang auf jene Obliteration der hinteren Hälfte des Centralcanals, die schon von vielen Autoren angeführt wurde, und welche bei späteren Em- bryonen noch deutlicher hervortritt. Ich finde in der Literatur keine Angaben über den Anfang dieser Obliteration. Nach vor- liegendem Präparat zu urtheilen, beginnt dieselbe nicht am hinteren Ende des Centraleanals, sondern an einer Stelle, welche der mächtigsten Ausdehung jener die Substantia gelatinosa bildenden Proliferationszone entspricht. Die Thatsache mag, beiläufig gesagt, vielleicht manche Fälle von doppeltem oder dreifachem Rücken- markscanal erklären, die nicht allzuselten vorkommen. Was die Form der Zellen in der grauen Substanz angeht, so möchte ich zu meinen früheren Bemerkungen noch Einiges hin- zufügen. Die Zellen der hinteren Partieen der grauen Substanz sind grösser, als in der Anlage der Formatio Rolandi, oder gar in der Proliferationszone, welehe sich medianwärts an dieselbe anschliesst. Doch ist durchaus damit nicht gesagt, dass in der Substantia Rolandi durchwegs kleinere Zellen vorkämen, als in den übrigen Partieen der grauen Substanz, oder umgekehrt, dass in der letzteren die Zellen und ihre Kerne durchwegs die gleiche Beschaffenheit hätten und grösser seien. Vielmehr kommeu ähn- liche Zellen, wie diejenigen, welche die Substantia gelatinosa zu- Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi ete. 601 sammensetzen, mit kleinem, dunkler gefärbtem Kern auch in den vorderen Partieen der grauen Substanz vor, während andererseits grössere Zellen mit hellerem Kerne in der Substantia gelatinosa nicht vermisst werden. Auf einer ganz anderen Stufe stehen die Zellen der Innenplatte, welche die frühste Differenzirung des Cen- tralcanalepithels darstellten. Die Zellen verändern, je weiter sie sich vom Centralcanal entfernen, desto mehr ihre Form; sie werden oval, rund, und gehen dann in die Zellen über, welche die An- lage der Substantia gelatinosa bilden. Sie stellen eine Zellenform dar, aus welcher sich alle Elemente der grauen Substanz ent- wickeln, und welche sich in der Form, wie sie in der Innenplatte auftreten, im späteren Embryonalmark nicht wiederfinden. Was die Ausdehnung jener Zellengruppe angeht, welche die Anlage der Substantia gelatinosa darstellt, so ist sie im vor- liegenden Präparate sehr mächtig. Ich habe sie der Deutlichkeit halber im Präparat allein ausgezeichnet. Sie bildet die ganze dorsale Begrenzung der grauen Substanz, bis zu einer Stelle, wo einzelne Fäserchen den Eintritt der hinteren Wurzeln bezeichnen. Wie schon hervorgehoben, ist die Grenze der Zellen unserer For- mation gegen diejenigen der Innenplatte keine scharfe. Vielmehr sehen beide allmählich in einander über. Die Entwicklung und Herkunft dieses hintersten Abschnittes der grauen Substanz bleibt uns nicht zweifelhaft, wenn wir noch die Verhältnisse beim oben besprochenen Kaninchenembryo von 13 Tagen damit in Verbindung bringen. Beim vorliegenden Prä- parat (Kaninchenembryo von 15 Tagen) hängt die fragliche, von mir als Anlage der Substantia gelatinosa bezeichnete Zellengruppe, welche sich theils durch die dichte Aneinanderlagerung der Zellen, theils durch die geringere Grösse und die dunkle Hämatoxylin- oder Boraxearminfärbung ihrer Zellkerne von der Umgebung ab- hebt, in der Weise mit der Innenplatte zusammen, dass die Zellen der letzteren allmählich in die Zellen der Substantia gelatinosa übergehen. Offenbar gehen die Zellen der Substantia gelatinosa aus einer Wucherung der Innenplatte hervor, von der wir beim Kaninchenembryo von 13 Tagen schon die Anlage bemerkten. Ueberhaupt ist von dieser Epoche (13 Tagen) an, die hintere Hälfte der grauen Substanz Sitz von starken Umwandlungen, während die Zellgruppen der vorderen Hälfte sich bis zum 21. Tage wesentlich gleich verhalten. Unter diesen Umwandlungen, die 602 H. K. Corning: wir wohl, gegenüber der Bildung der embryonalen Vorderhörner als seeundäre bezeichnen können, ist die Anlage der Rolandi’schen Substanz eine der wesentlichsten. Sehr leicht lassen sich an die Zustände beim Kaninchen- embryo von 15 Tagen diejenigen bei einem Embryo von 18 Tagen. anschliessen. Die Substantia gelatinosa ist weiter von der Median- linie abgerückt als im vorhergehenden Stadium und hat ausserdem die Verbindung durch dichtgestellte gleichartige Zellen mit ihrem Mutterboden, der zu beiden Seiten des Centralcanals liegenden Zellengruppen, aufgegeben. Die Substantia besteht aus Zellen, die noch näher zusammengedrängt sind, als beim Embryo von 15 Tagen, und die sich infolge dessen noch deutlicher von der Umgebung abheben. Der Gegensatz zwischen diesen Zellen und den übrigen Zellen der grauen Substanz ist dagegen kein so grosser, wie beim l5tägigen Embryo. Dies ist schon aus den Zellkernen zu ersehen, deren Färbung hier und da auch in der Substantia gelatinosa heller ist, als bei früheren Stadien, und so der Färbung der Zellkerne in den vorderen Partien der grauen Substanz eher entspricht. Der Centralcanal ist in seiner hinteren Hälfte geschlossen, und bloss eine die Fortsetzung seines vorderen Abschnitts bildende schmale Zone deutet auf sein früheres Vor- handensein hin. Es ist also hier die Atrophie des hinteren Ab- schnitts des Centralcanals vorhanden, deren Anfang wir beim Kaninchenembryo von 15 Tagen schon bemerkten (Fig. 2). Ich vermag nicht zu entscheiden, ob diese Thatsache in einem ur- sächlichen Verhältniss steht zu der oben schon erwähnten Trennung der Substantia gelatinosa von ihrem Mutterboden. Dieser, beim Embryo von 15 Tagen die mächtige Innenplatte bildend, wird durch zwei Zellhaufen vorgestellt, die symmetrisch auf beiden Seiten des atrophischen Centralcanals liegen. Sie haben ganz den Charakter jener Zellen der Innenplatte aufgegeben, die noch im letzten Stadium so bemerkenswerth war. In Bezug auf Dichtig- keit der Anordnung und auf dunklere Färbung der Kerne ent- sprechen sie vollständig den Zellen der Rolandi’schen Formation, von denen sie jedoch durch eine Zellschicht getrennt sind, deren Kerne sich heller färben, ähnlich wie die Kerne in der hinteren Hälfte der grauen Substanz. Hier ist also insofern ein Fortschritt in der Entwicklung unseres Gebildes zu erkennen, als sie sich von jeder Verbindung Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 603 mit ihrem Mutterboden losgesagt hat und nunmehr selbständig als das dorsale Grenzgebiet der grauen Substanz dasteht. Diese Umwandlung geht gleichzeitig mit dem Verschluss des hintersten Abschnittes des Centralcanals vor sich. Jene Innenplatte oder -Proliferationszone, welche die Substantia gelatinosa aus sich hervor- gehen liess, hat jetzt den früh-embryonalen Charakter aufgegeben und bildet bloss noch einen Zelleneomplex, der in seiner Zusammen- setzung durchaus der Anlage derRolandi’schen Substanz entspricht. Figur 3. Beim Kaninchenembryo von Kaninchen-Embryo (21 Tage, 2%/, em Länge) 91 Tagen (3 em Länge) ist wie- Lumbalmark. der ein bedeutender Fortschritt in der Entwicklung zu erken- nen (Fig.3). Auch hier tritt die Atrophie des hintersten Theiles des Centralkanals, sowie die beiden Zellengruppen, welche den Mutterboden der Substan- tia gelatinosa bildeten, klar hervor. Von dieser letzteren ist zu bemerken, dass ihre Zel- a) Ganglienzellen der Vorderhörner. len weniger dicht zusammen- c) Substantia gelatinosa Rolandi. gedrängtsind, als bei denschon d) Hintere Wurzeln, e) vordere Wurzeln. besprochenen Embryonen. Es macht sich überhaupt in diesem Stadium eine Entwicklung von Zwischengewebe und Fasern bemerkbar, welche in der ganzen grauen Substanz die Zellen weiter von einander rücken. Davon wird auch die Anlage der Substantia gelatinosa betroffen. Ihre Zellkerne sind auch hier meistens sehr dunkel gefärbt, doch kom- men zwischen diesen dunkel gefärbten Kernen auch solche vor, die eine hellere Farbe besitzen. Beide Arten von Kernen finden sich auch in den übrigen Partien der grauen Substanz, am spär- lichsten vorne, zwischen den grossen embryonalen Ganglienzellen der Vorderhörner. Wir können vielleicht am Besten die Eigen- thümlichkeiten der unsere Formation bildenden Zellen zusammen- fassen, wenn wir sagen, dass sie am längsten den embryonalen Charakter der Zellen der Innenplatte beibehalten, wenngleich im Laufe der Entwicklung doch Differenzirungen erfolgen, welche sie auf die gleiche Stufe setzen, wie die Mehrzahl der das embryonale Mark zusammensetzenden Zellen. 604 H.K. Corning: Auf Serienschnitten durch das Rückenmark eines Kanninchen- embryos von 21 Tagen tritt eine ziemlich auffällige Thatsache her- vor. Die Form und Ausdehnung der embryonalen grauen Substanz ist bekanntlich in den einzelnen Rückenmarksabschnitten sehr ver- schieden. Dazu trägt das Verhalten der Substantia gelatinosa Ro- landi wesentlich bei. Im Cervicalmark erstreckt sie sich weit lateralwärts und erreicht zugleich auch die Medianlinie. Die graue Substanz hat hier, beiläufig gesagt, etwa die Form eines Schmetter- lings mit ausgebreiteten Flügeln. Sie steht also hier in Verbin- dung mit jenen Zellgruppen, die zu beiden Seiten des hinten ge- schlossenen Centralkanals liegen, ein Verhalten, das annähernd durch Fig. 2 vom Kaninchenembryo von 15 Tagen (Lumbalmark) veranschaulicht wird. Im unteren Dorsalmark und im Lumbal- mark erreicht die Substantia gelatinosa die Mittellinie nicht; sie dehnt sich nicht so weit lateralwärts aus und besitzt eine ovale Gestalt. Die Zellgruppen, die zu beiden Seiten des Centralkanals liegen, sind jetzt selbständig geworden, wie ich oben schon hervor- gehoben habe. Wodurch diese Verschiebung der Substantia gela- tinosa zu Stande kommt, konnte ich nicht feststellen, sondern führe bloss die Thatsache als solche an. Wenn wir jetzt um drei Tage ältere Kaninchenembryonen, d. h. solche von 24 Tagen (31/, em Länge) untersuchen, so stossen wir auf Zustände, welche weniger dem embryonalen bisher be- trachteten Typus entsprechen, als den Verhältnissen beim neuge- borenen oder erwachsenen Thiere. Auffallend ist zunächst die Figur 4. Thatsache, dass die Zel- Kaninchen-Embryo (26 Tage, 3Y/; em Länge) jen der grauen Substanz, DumbaloaE abgesehen von den gros- sen Ganglienzellen der Vorderhörner, vielgleich- artiger sind, als im vor- herbesprochenen Präpa- rat vom Kaninchenem- bryo von 21 Tagen. Zu- \y.e y Wu: f TuS PR © ee ee AR. - en N { FL ir ee 4 Ex IREI SEEN, ) \ a ul N aris ( a) Ganglienzellen der Vorderhörner. c) Substantia gelatinosa Rolandi. d) Hintere Wurzeln, e) vordere Wurzeln. gleich hat die Entfaltung der Fasern und des Zwi- schengewebes, die ich oben schon besprach, noch weiter um sich ge- sriffen, und zwar in der EEE en nn en Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 605 ganzen Ausdehnung der grauen Substanz. Am dichtesten ist noch immer die Anordnung der Zellen in der Anlage der Sub- stantia gelatinosa, sowie in jener Zellengruppe, die wir als den letzten Rest der früher so mächtigen Proliferationszone im dorsalen Abschnitt der grauen Substanz zu betrachten haben. Diese beiden Zellgruppen sind durch einen ziemlich breiten Zellstrang getrennt, welcher den Typus der Epithelzellen des Centralkanals an sich trägt. Zweitens hat sich eine Differenzirung der Zellen der grauen Substanz in der Weise geltend gemacht, dass die Zahl der Gang- lienzellen ungemein zugenommen hat. Sie sind jetzt nicht mehr auf den vordersten Abschnitt der grauen Substanz beschränkt, son- dern finden sich in der ganzen Ausdehnung derselben, sogar bis zur vorderen Grenze der Substantia gelatinosa Rolandi. Diese Ganglienzellen, welche leicht daran kenntlich sind, dass sie bei ziemlich grossem, dunkel gefärbtem Kern auch eine Protoplasma- färbung annehmen, besitzen eine ovale, auch hie und da spindel- förmige Gestalt und unterscheiden sich kaum von jenen Ganglien- zellen der Vorderhörner, deren Anwesenheit wir beim Kaninchen- embryo von 13 Tagen schon bemerkten. Zwischen diesen Gang- lienzellen zerstreut finden sich auch andere Zellen, welche im Gan- zen den Typus der Zellen der Rolandi’schen Formation wahren. Der Zellleib dieser Zellen ist, wie viele Autoren bemerkt haben, ganz ausserordentlich zart und sehr schwer zu erkennen. Meistens ist, auch bei den gelungensten Präparaten, bloss ein dünner heller Hof um die dunkel gefärbten Kerne zu sehen. An einzelnen dieser Zellen zeigt sich die Andeutung einer Fortsatzbildung, indem der „Hof“ oder Zellleib einen kurzen Ausläufer zeigt, der sich jedoch in keinem Fall weiter verfolgen lässt. Diese Zellen kommen in der Substantia gelatinosa ausschliesslich vor; es sind hier keine Ganglienzellen dazwischen gelagert. Das beschriebene Bild gibt zu der Erwägung Veranlassung, ob die Substantia gelatinosa Rolandi nicht als Ueberbleibsel em- bryonaler Zustände zu betrachten sei. Die Frage der „Bildungs- zellen“ des Rückenmarks (BEichhorst, Virch. Archiv. 64. p. 429), welche so vielfache Besprechung erfahren hat, ist noch nicht ab- geschlossen, doch steht die Thatsache fest, dass in einem gewissen Stadium der Entwicklung die Zellen des Rückenmarks sich äusser- lieh nieht unterscheiden. Während sich weitergehende Differen- zirungen in den übrigen Zellen der grauen Substanz geltend 606 H. K. Corning: machen, verharren die Zellen der Substantia gelatinosa noch lange auf einer Entwicklungsstufe, die an den embryonalen Typus er- innert und sich auch beim neugeborenen und erwachsenen Kanin- chen noch zum Theile findet. Der letzte Kaninchenembryo, welchen ich untersuchte, hatte ein Alter von 26 Tagen und eine Länge von 4l/, em. Durch die fortschreitende Entwicklung des Zwischengewebes sowie dureh die Entstehung neuer Ganglienzellen werden die Zustände noch mehr denen genähert, die wir beim neugeborenen Kaninehen vorfinden. Die Form der Substantia gelatinosa ist annähernd die gleiche, wie beim neugeborenen. Ihre Zellen haben einen ähnlichen Charakter, doch sind sie nicht so gleichmässig, wie beim Embryo von 24 Tagen, indem die Kerne nicht alle die gleiche Grösse besitzen, und ausserdem die Zellgrenzen nicht an allen Zellen gleich deut- lich zu erkennen sind. Aehnliche Zellen, wie diejenigen der Sub- stantia gelatinosa, finden sich auch hier in der ganzen grauen Sub- stanz zerstreut und zeigen auch die nämliche Differenzirung der Form, indem die einen mit dunklerem Kern einen kleineren Zell- leib besitzen, während die anderen, mit grösserem hellerem Kern deutlichere Zellgrenzen aufwiesen. Ich bin geneigt, diese Unter- schiede auf die Differenzirungen der Gliazellen von den anderen Zellen der grauen Substanz zu beziehen. Ich schliesse mit einigen Bemerkungen über die Zustände, welche wir bei neugeborenen Thieren, sowie in den ersten Wochen nach der Geburt finden. Beim neugeborenen Kaninchen hat die Formatio Rolandi nahezu die Form und Ausbildung, welche sie beim erwachsenen Thiere besitzt. Sie besteht aus zweierlei Zellen, erstens aus solchen, die einen grossen Kern mit ovalem oder spin- delförmigem Zellleib aufweisen. Die Kerne dieser Zellen sind hell gefärbt und lassen meistens, genau wie die Kerne der Gang- lienzellen, ein deutliches dunkles Kernkörperchen erkennen. Zwei- tens kommen Zellen vor mit kleinerem dunklem Kern, welche in der Zwischensubstanz liegen, und deren Zellleib nicht deutlich zu erkennen ist. In der übrigen grauen Substanz finden sich eine grosse Menge von Ganglienzellen zerstreut, die sich durch einen runden hellgefärbten Kern mit deutlichem Kernkörperchen und einem dunkel gefärbten Zellleib auszeichnen. Dazwischen kommen andere Zellen vor, deren Kerne einem ähnlichen Typus angehören, deren Zellleib jedoch keine Färbung annimmt. Diese letzteren 7 Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 607 Zellen haben mit jenen der Substantia gelatinosa, welche einen deutlichen Zellleib erkennen lassen, die grösste Aehnlichkeit, doch sind sie in der Regel grösser. Eine dritte Categorie von Zellen wird durch Elemente dargestellt, die ich als Gliazellen bezeichnen möchte. Diese haben mit jenen Zellen der Substantia gelatinosa Aehnlichkeit, welche sich dureh einen dunkleren Kern und einen undeutlich abgegrenzten Zellleib auszeichnen. Ihre Kerne sind durchaus nicht von derselben Grösse, doch sind sie ausnahmlos dunkler gefärbt als die Ganglienzellenkerne, oder die Kerne jener den Ganglienzellen ähnlichen Zellen der Substantia gelatinosa. Ferner vermisse ich in ihnen das Kernkörpercehen, welehes ich für jene Zellen der Formatio Rolandi als charakterisisch hervorhob. Ich schliesse mit einer Skizze der Substantia bei einem 15 Tage alten Kaninchen. Die Zellen derselben treten sehr deut- lich auf Präparaten hervor, die mit Nigrosin und Boraxcarmin doppelt gefärbt wurden. Die Zwischensubstanz ist dunkel, ja schwarz, während die Zellkerne roth gefärbt sind. Die grösseren Zellen, mit deutlich sichtbarem Zellleib, liegen ungemein dicht beisammen. Ihre Form ist oval oder spindelförmig. In der Grund- oder Zwischensubstanz finden sich dann die anderen dunkler ge- färbten Zellkerne mit undeutlich oder selten sichtbarem Zellleib. Diese Zellkerne haben vollkommen die gleiche Grösse und Fär- bung, wie die in der ganzen grauen und weissen Substanz zer- streuten Gliakerne. Hie und da sind von diesen Zellen ausgehende Fortsätze zu erkennen, die sich jedoch bald in der dunklen Zwischensubstanz verlieren. Die grösseren Zellen der Formatio Rolandi besitzen eine Aehnlichkeit mit anderen Zellen, welche besonders im hinteren Theil der grauen Substanz vorkommen, doch spärlicher als die Ganglienzellen. Sie sind in der Regel srösser, als die Zellen der Substantia Rolandi, doch unterscheiden sie sich deutlich von den Ganglienzellen durch ihren hellen Zell- leib und von den Gliazellen durch die Grösse und helle Farbe ihres Kerns. Ich hebe die Thatsache ihres Vorkommens hervor, weil sie beweist, dass die Zellen der Substantia gelatinosa Rolandi durchaus keine diesem Abschnitt des Rückenmarks eigenen Gebilde sind. Im Ganzen lässt sich sagen, dass die Trennung der zelligen Elemente der grauen Substanz in drei Categorien, die wir oben für das neugeborene Kaninchen aufgestellt haben, sich beim Ka- ninchen von 3 Wochen p. nat. noch schärfer ausgeprägt hat. 608 H. K. Corning: Ich habe neben Kaninchenembryonen noch eine ziemlich grosse Anzahl anderer Embryonen untersucht. Da die Befunde im Ganzen sehr eintönig sind, und ich ausserdem nicht über genau bestimmte Serien verfügte, so werde ich im Folgenden bloss das hervorheben, was entweder das schon Beschriebene erläutert, oder Neues hinzufügt. Bei einem Schweineembryo von 12mm Länge treffen wir Zustände, welche zwischen denjenigen beim Kaninchenembryo von 13 Tagen und demjenigen von 15 Tagen in der Mitte stehen, Beiläufig gesagt entsprechen sie der Fig. 9 von Vignals Arbeit, welehe den Querschnitt durch das Rückenmark eines Schafembryos von 25 mm darstellt. Die frühe Entwicklung der vorderen Mark- hälfte, die darauf folgende stärkere Wucherung der hinteren Hälfte der Innenplatte, welche die Substantia gelatinosa Rolandi aus sich hervorgehen lässt; alle diese Punkte sind schon früher er- örtert worden und finden sich hier wieder. Die Entwicklung der grauen Substanz bei einem Schweine- embryo von 3em Länge entspricht der Stufe eines Kaninchen- embryos von 18—21 Tagen. Die Formatio besteht beiderseits aus dichtgedrängten Zellen, die genau so, wie beim Kaninchen von 21 Tagen in den Cerviealabschnitten eine Commissur auf- weisen, während sie im unteren Dorsalmark und noch mehr im Lumbalmark jede Verbindung mit den um den atrophischen Cen- tralcanal gelegenen Zellen aufgegeben haben. Die Ganglienzellen der Vorderhörner sind ausgebildet; es fällt an ihnen besonders die dunkle Färbung ihres Protoplasmas auf. Beim Schweineembryo von Sem Länge hat sich eine starke Entwicklung der Zwischensubstanz geltend gemacht. Die Com- missur besteht noch im Cervicalabschnitt der grauen Substanz. Bei einem Tigerembryo von ca. 3 Monaten und etwa 35 cm Länge fanden sich so charakteristische Verhältnisse, dass ich sie im Folgenden etwas ausführlicher beschreiben werde. In der ganzen grauen Substanz sind hier Zellen zerstreut, welche einen gleichartigen Charakter besitzen und am dichtesten in der Rolando’schen Formation angeordnet sind. In der Um- gebung des Centralcanals dagegen erlangen andere Zellen mit dunklerem Kern und undeutlichen Zellgrenzen das Uebergewicht. 3eide Arten von Zellen finden sich in der ganzen Ausdehnung der grauen, wie auch der weissen Substanz. In letzterer erlangen Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 609 jedoch die Zellen mit dunklerem Kerne wieder das Uebergewicht. Als dritte Zellform sind noch die grossen hellen und dunklen Ganglienzellen der Vorderhörner zu erwähnen, die jedoch noch nieht die Entfaltung gewonnen haben, die sie beim Kaninchen- embryo von 26 Tagen aufweisen. Was die erstgenannten Zellen im Weiteren angeht, so liegen sie, wie gesagt, am Dichtesten beisammen in der Formatio gelatinosa. Ihre Anordnung lässt hier noch eine weitere Eigenthümlichkeit erkennen. Die Zwischen- substanz besteht in der Anlage der Substantia gelatinosa aus Fasern, die einen radiären Verlauf nehmen. So kommt es, dass auch die Zellen radiär gestellt sind, indem die dazwischen ver- laufenden Faserzüge sie in einzelne Stränge scheiden. Am deut- lichsten ist dies in der lateralen Partie der Substantia gelatinosa zu erkennen. Neben den eigenthümlichen Zellen mit hellerm Kern und deutlicher Zellgrenze kommen auch jene anderen Zellen vor, von denen ich die dunkle Färbung ihres Zellkerns als charak- teristisch hervorhob. Mit Ausnahme der Thatsache, dass diese Zellen nicht so häufig sind, wie z. B. beim neugeborenen und beim 3 Wochen alten Kaninchen, besitzt die Formatio gelatinosa vollkommen die Struktur, wie wir sie oben für jene Stadien des Kaninchens festgestellt haben. Bei einem Meerschweinchen von Gem Länge ist die Sub- stantia gelatinosa sehr mächtig. Die Ganglienzellen der übrigen Theile der grauen Substanz sind zahlreich vorhanden, was einen höheren Grad der Entwicklung andeuten würde, als derjenige, welchen wir für den Tigerembryo festgestellt haben. Ich übergehe eine Anzahl anderer Beobachtungen, um noch die Form der grauen Substanz bei einem Mäuseembryo von 2l/, em zu schildern. Mit Ausnahme der Ganglienzellen des Vorderhorns besteht noch vollständige Indifferenz der Zellen der grauen Substanz. Die Zellen der Substantia gelatinosa liegen ziemlich dicht zu- sammen und heben sich als ganz besonderer Abschnitt von dem übrigen Theil der grauen Substanz ab. Sie vereinigen sich in einer Commissur, welche ziemlich breit ist, und in welcher sich keine Reste jenes atrophischen hinteren Abschnitts des Central- canals nachweisen lassen. Man gewinnt den Eindruck, als ob die Anlage der Substantia gelatinosa der ganzen übrigen grauen Sub- stanz als ein selbstständiger Abschnitt aufsässe. Leider konnte 610 H. K. Corning: ich wegen Mangel an Material diese Zustände nicht weiter ver- folgen, obgleich es interessant wäre, festzustellen, ob dieses eigen- thümliche Verhalten der Anlage unseres Gebildes zu Besonder- heiten in seiner Gestaltung beim erwachsenen Thiere Veranlassung giebt. Wenn ich zum Schlusse die Ergebnisse dieser Untersuchung kurz zusammenfasse, so komme ich auf jene drei Punkte zurück, deren Feststellung ich mir in der Einleitung zur Aufgabe gemacht hatte. Sie betreffen: 1. den Ursprung der Substantia gelatinosa Rolandi; 2. die Frage, zu welcher Zeit sich die ersten Entwicklungs- vorgänge an der Substantia gelatinosa zeigen; 3. die Deutung der Substantia gelatinosa im entwickelten Zustand. Was den ersten und zweiten Punkt angeht, so halte ich es für erwiesen, dass die Substantia gelatinosa aus jenen Zellen ihren Ursprung nimmt, welche den dorsalen Abschnitt der Innen- platte bilden. Der Entwicklungsvorgang ist kurz wiederholt fol- sender: Während aus den ersten Proliferationsvorgängen am Centraleanal die Vorderhörner entstehen, geht die Entwicklung des hinteren Abschnitts der grauen Substanz erst später vor sich (am 12.—13. Tage beim Kaninchen). Derselbe zeichnet sich auch dadurch aus, dass er im Allgemeinen viel später den Charakter der Indifferenz verliert, als die Zellen, welche die nervösen Ele- mente der Vorderhörner darstellen. Die Innenplatte zeigt nur in ihrer dorsalen Hälfte eine Zellenwucherung, welche sich in fol- genden Stadien bis zur Eintrittsstelle der hinteren Wurzeln in die graue Substanz erstreckt. Diese Wucherung schliesst die erste Anlage der Substantia gelatinosa Rolandi in sich. Der Charakter ihrer Zellen entfernt sich in diesem Stadium kaum wesentlich von demjenigen der Zellen der Innenplatte. Beide stehen in einem entschiedenen Gegensatz zu denjenigen Zellen, welche den grössten Theil der vorderen Hälfte der grauen Substanz bilden und in einem noch grösseren Gegensatz zu den embryonalen Ganglien- zellen der Vorderhörner. Im weiteren Verlauf der Entwicklung gehen zwei Veränderungen vor sich, die bestimmend auf die Ge- staltung der Substantia gelatinosa einwirken. Es sind dies: erstens die Differenzirung der Zellen unserer Formatio, und zweitens das Abrücken derselben von der Medianlinie und ihre Trennung R N Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi etc. 611 vom Mutterboden. Was den ersten Punkt angeht, so verlieren die Zellen der Formatio Rolandi viel später ihren früh-embryonalen Typus, als die übrigen Zellen der grauen Substanz. Es hängt dies selbstverständlich mit ihrer späten Entwicklung zusammen. Im Uebrigen ist diese Thatsache schon von Vignal in der eitirten Abhandlung an mehreren Stellen erwähnt worden, so p. 228 (von einem 10 cm langen Schafembryo), p. 365 (Schafembryo von 17 cm), p. 367 (Schafembryo von 24cm), p. 228 sagt er: „dans la corne posterieure ... on voit qu’il ne se trouvent que de jeunes cellules embryonnaires, semblables en tout point & celles, qui formaient uniquement la substance grise, lorsque l’embryon n’avait que 25 mm de long.“ Diese Angabe wiederholt er mehrmals. Es ist schwer den Zeitpunkt anzugeben, wann dieser früh-embryonale Typus sich verwischt, doch tritt er uns vom 18. Tage an viel weniger deutlich entgegen. Der früh-embryonale Charakter schwindet von diesem Zeitpunkt an, um einer gewissen Gleichförmigkeit aller Zellen der grauen Substanz, mit Ausnahme der embryonalen Gang- lienzellen der Vorderhörner Platz zu machen. Dieses Verhältniss tritt ganz besonders schön in dem Präparate vom Tigerembryo hervor. Ich sage einer gewissen Gleichartigkeit, indem sich manche Zellen durch Eigenthümlichkeiten des Kerns oder ihrer Zellgrenzen unterscheiden. Diese Eigenthümlichkeiten, welche auch in der Substantia gelatinosa auftreten, finden sich schon in frühen Stadien, doch wage ich hier nicht zu entscheiden, aus welchen Zellen die Glia und aus welchen die Nervenelemente entstehen. Ich schliesse mich an Vignal an, der sich dahin ausspricht, dass die Glia und embryonalen Ganglienzellen sich in ihrer frühesten Entwicklung nicht unterscheiden lassen. Diese Zellen sind es, welche unter dem Namen der „Bildungszellen“ eine so grosse Rolle in der Rückenmarkshistologie gespielt haben. Doch möchte ich hier bemerken, dass die Aufstellung einer be- sonderen Categorie von Zellen als Bildungszellen morphologisch kaum gerechtfertigt ist. Die „Bildungszellen“ im foetalen Kaninchen- rückenmark sind beim Embryo von 18 Tagen ganz andere Gebilde, als beim Embryo von 26 Tagen oder gar beim Neugeborenen. Denn es findet eine ständige Umbildung aller Elemente der grauen Substanz statt. Keine Zellen des Rückenmarks beim 26tägigen Embryo besitzen den gleichen Typus, wie beim l5tägigen. Sowohl die im speziellen Theil für das Kaninchen von 26 Tagen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 31. 39 612 H. K. Corning: beschriebenen hellen Zellen, als auch die dunklen leiten sich von ursprünglich gleichen Zellen ab. Und beide Zellformen finden sich in der Substantia gelatinosa Rolandi beim neugeborenen und 3 Wochen alten Kaninchen, wie beim 26tägigen Embryo. In zweiter Linie kommt bei der Entwicklung der Substantia gelatinosa noch in Betracht die Trennung derselben von ihrem Mutterboden, welche gleichzeitig mit der Atrophie und dem Ver- schluss des hintersten Abschnittes des Centralkanals vor sich geht. Die Trennung ist nieht in allen Abschnitten des Rückenmarks in gleichem Grade durchgeführt. Im Cervicalmark bleibt lange eine Verbindung mit den beiden Zellgruppen bestehen, welche dem hintersten Abschnitt des Centralkanals anlagern, und diese Ver- bindung kann sich als eine förmliche Commissur zwischen den beiderseitigen Formationen darstellen. Im weiteren Verlauf macht sich auch noch die Entwicklung von Zwischensubstanz in der For- matio Rolandi bemerkbar, welche zu weiteren Complikationen Veranlassung giebt. Ob im Laufe der späteren, postfoetalen Ent- wicklung noch eine Verhornung der Zellen auftritt, konnte ich leider nicht verfolgen. Meine Ansicht von der Entwicklung der Substantia gelatinosa steht im Gegensatz zu der Auffassung von W. His. Letzterer sagt in seinem Aufsatz „Zur Geschichte des Rückenmarks und der Nervenzellen“ p. 508: „Nicht ganz einfach ist die Substantia gelatinosa Rolandi abzuleiten. Ihr Ort entspricht dem lateralen Grenzgebiet zwischen ovalem Hinterstrangbündel und äusserer Mantelschicht. Nun gehen aber die Elemente der letzteren er- wiesenermassen in Nervenfasern über, ein Verhalten, das für die Elemente der Rolandi’schen Schicht nicht zutrifft. Da somit eine Identität beider Bildungen nicht besteht, .... so müssen die Ble- mente der gelatinösen Substanz sekundär hinzugetreten sein, und ich leite sie, gleich den Deiters’schen, von eingewanderten Zellen ab. Hiernach ist das primäre Hinterhorn in Wirklichkeit weit kürzer, als der späterhin so bezeichnete Rückenmarksabschnitt... Die Stelle übrigens, die beim Embryo Eintrittstelle der hinteren Wurzeln war, liegt späterhin nicht an der Oberfläche des Rücken- marks, sondern sie ist, infolge einer beiderseitigen Ueberwachsung durch die anstossenden Längsbündel in die Tiefe geschoben.“ Als ovales Hinterstrangbündel bezeichnet His diejenige Strecke der weissen Substanz, welche zwischen der Eintrittstelle der hinteren Ueber die Entwicklung der Substantia gelatinosa Rolandi ete. 613 Wurzeln und dem dorsalen Ende des Centralkanals liegt. Seiner Auffassung zufolge würde die gelatinöse Substanz sich in der pri- mären weissen Substanz entwickeln, eine Ansicht, welche ja durch die Annahme von der Abwesenheit nervöser Elemente in der Sub- stantia gelatinosa gestüzt wird. Wie jedoch schon in der Einlei- tung hervorgehoben wurde, bat Gierke die Anwesenheit zahl- reicher nervöser Zellen in der Substantia gelatinosa festgestellt, und uns so von der Vorstellung befreit, dass die Substantia gela- tinosa eine eigene Stelle gegenüber den anderen Theilen der grauen Substanz einnehmen müsse. Die Auffassung von His würde für die alte Anschauung eine Erklärung abgeben, jedoch nicht für die Thatsache, dass die Substantia gelatinosa Zellen enthält, welche mit anderen Nervenzellen auf einer Stufe stehen, und für welche ich den nämlichen Ursprung aus dem Zellenbelag des Central- kanals in Anspruch nehmen möchte. Noch einige Worte über das Licht, welches die Entwick- lungsgeschichte auf den eigenthümlichen Charakter der Substantia gelatinosa wirft. Ich betrachte dieselbe als ein Gebilde, welches beim Erwachsenen noch an embryonale Zustände erinnert. Diese waren in früher Zeit der Entwicklung (18, 21, 24 und 26 Tage beim Kaninchen) auf den grössten Theil der grauen Substanz aus- gedehnt, bleiben aber später auf den hintersten Abschnitt der Hinterhörner beschränkt. Ob dieser Typus während des Lebens beim Erwachsenen noch verändert wird, durch Verhornung der Zellen oder andere Prozesse, konnte ich, wie gesagt, nicht ver- folgen. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem Freunde, Herrn Dr. H. Virchow, in dessen Laboratorium diese Ar- beit ausgeführt wurde, für seine Unterstützung und freundliches Entgegenkommen meinen besten Dank auszusprechen. er Werner Winter Erarckfare ®Af. BaXAX. we OIMIC, ‚Archür fmikroskon. Anat: Sokoloif dil. Archiv K mikroskon.Anatomıe. Dad 2. I er nt ee ieh, Arıst. vw Werner ahänter, Frankfurt ®M. ” s + PA] 7 u ur NE ul Br + ie Pr. 2 se . RL Aseli. PA NE ET EFT Er Er. - N N 4 he “ er vw. 5 . Tareshl, Taf I. v9? ne 4 ee De ' era .e'r .ıo ||| lei -/eleislalelst: Lich. Ansev Werne & Wörter Fr IE anne NH) N Ch EN TTS A ZEN EIS DENE ES CH nn nom” Irchür [mikroskon Anatomie. BAXNM, ERIR rchiv f mikroskop. Anatomie. BAXNM. 7% Sich Anst. vWerners Werden Franck | Archiv fi mikroskop. Anatomie. Bal.XX. ji | r IS S S „Nucleus X. a: leus oB Nucleus en ‚Fibrae commiss mach. A ren Propriae---.. zurclei AU Re „Plbrae ropriae — Vucleus AU. nuclet XI. Nucleus MI. ------ Ibrae commiss. Fu je 3 Dez Nucleus XI. _Fibrae afferentes nuelei AT. D 1 / x Fibrae afferentes -—-—- nuclei XL. = Nucl. accessor 7 (Duval). Nucleus XL---—--- Nervus XI. Nervus XL--- Nucleus nyramidalis Central Kanal, Nervus cervicalis-——-- = Hinterstrang. "Albrae fropriae me FR nuelei KU. mE RR f ZN Ce Nucleus XI. / [ Photolith. v Werner s Winter Frankfurt M. DiEh Anse veWerner ander Franke 28. > 3 LE voo Fr VER. Archiv f mikroskon.Anatomie. Bel XXM v L& [mikroskop. Anatomie - Archiv f£ mikroskon. Anatomie. BA_XNXM. Gez. vom Verf. Lich. Anstuhermer Wü Ar ä 5 n £ e= h 2 _ Archiv {mikroskon. 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