_ Xihrarn of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Founded by private subscription, in 1861. NE \Lr Deposited by ALEX. AGASSIZ. Mr No. FRA | ag . EI NEE .. N ” | = 2 7 ü { | A er < u ” 2 ar . | i Zu c . Ä 5 j & Ir | , = = Br i | . Du ” 4 3 Da - ö = 5 er m f i (} “ i u u 3 | | | | | | ' . ‘ . 2077 | E e | . > ö . f N lt IN x 5 N j ” j | e . | “ | 5 | . 24 Pr er en % u rg Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. In Inn nnnNn Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Narınnnnny Zweiunddreissigster Band. “Mit 27 Tafeln und 17 Holzschnitten. Bonn Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) f 188 nn Inhalt. Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Von W. Waldeyer. Hierzu 14 Holzschnitte 1 Ueber eine neue Art von fettbildenden Organen im lockern Bindersvebei Von Stud. med. P. Poljakoff. (Aus dem histologischen Labo- ratorium von Prof. Th. Zawarykin in St. ee Hierzu Tafel I-II. 0% Ä Ein. : ; Fettzellen von eigenthümlicher Form. on Pr of. Dr. Bien mann R ae l- Rückhard, Berlin. Hierzu 2 Holzschnitte BR Zur Entwickelung der Rachentonsille.e Von Dr. Schwabach in Berlin. (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Hierzu Tafel IV. Ueber histologische Vorgänge an der Össificationsgrenze mit besonderer Be- rücksichtigung des Verhaltens der Knorpelzellen. VonDr.E. Leser, Docent für Chirurgie an der Universität Halle. Hierzu Tafel V. Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Oberkieferhöhle. Von Dr. E. Paulsen in Kiel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel VI ee Ueber die Flossenmuskeln des ehferdihen; (ih pocanens nn und über Muskelstructur im Allgememen. Von Alexander Rollett. Hierzu Tafel VII und VIII RER Die Verknöcherung des Unterkiefers und die abe Ein Bei- trag zur Lehre der Osteogenese. Von Dr. Josef Schaffer, Assistent am Institute für Histologie und Embryologie in Graz. _ Hierzu Tafel IX bis XII RER A 2 = Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den een Von Dr. H. Ernst Ziegler, Privatdocent in Freiburg in B. Hierzu Tafel XII BR ne EUER Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön, zugleich ein Bei- trag zur Lehre vom feineren Bau der contraktilen Elemente. Von Dr. med. E. Ballowitz, Prosector am anatomischen Institut zu Greifswald. Hierzu Tafel XIV bis XVII . ME FRE Ueber eine eigenthümliche Kolbenform des Ken körBerehens! Von S. M. Lukjanow (Warschau). Hierzu Tafel XIX . Pe Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. Von Kasimir von Kostanecki. (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Seite 213 266 918 401 474 479 IV Ueber die Lymphbahnen der Cornea. Von Dr. G. Gutmann, Augen- arzt in Berlin. (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Hierzu Tafel XX. XXI. XXI . Die Theilung der rothen Blutzellen bei N Ton Dr. Lodeis Török. (Aus dem anatomischen Institut des Prof. W. Flemming in Kiel.) Hierzu Tafel XXIII BRrMe Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von on Dereri Von A.A.Böhm. (Aus dem histiol. Laboratorium in München.) Hierzu Tafel XXIV und XXV . EN re RR Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata. Von Dr. med. N. Kultschitzky, Prosector der Histologie an der Universität zu Charkow. Hierzu Tafel XXVI und XXVI . . Eine neue Beleuchtungsmethode mittelst eigenthümlich geformter Glas- körper. Von Dr. W. Kochs, Docent a. d. Universität Bonn. (Aus dem Pharmakologischen Institut zu Bonn.) Hierzu 1 Holzschnitt Seite 393 503 613 671 683 Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Von W. Waldeyer'). Mit 14 Holzschnitten. T: Die Erscheinungen, welche wir unter dem Namen der „Kary o- kinese‘ begreifen, beruhen im Wesentlichen in dem Auftreten von deutlich siehtbaren, leicht färbbaren, fadenähnlichen Structuren wechselnder Gestalt in den Zellkernen während der Theilung der- selben. Diese Structuren sind, bevor sie als allgemeines, wichtiges Vorkommniss erkannt und registrirt wurden, bereits mehrfach ge- sehen und abgebildet worden. So weit wir wissen, hat Henle in seiner Splanchnologie (1865, S. 355) bei den Hodenzellen die erste Abbildung karyokinetischer Figuren gegeben. Auch Heller und A. Kowalevsky (1869), dann W. Krause (1370) fügen, wenn wir hier die botanischen Arbeiten zunächst unberücksichtigt lassen, sich als Beobachter karyokinetischer Thatsachen, ohne jedoch eine richtige Deutung derselben zu liefern, an. 1) Der Inhalt dieses Aufsatzes bildete den Gegenstand zweier Vorträge, gehalten im „Verein für innere Mediein“ (Berlin) 1886 und 1887. Dieselben wurden veröffentlicht in dem Organe des Vereins, der „Deutschen medicini- schen Wochenschrift“, der erste Vortrag (Ueber Karyokinese) ausserdem noch — auf Wunsch meines verehrten Collegen, Herrn E. du Bois-Rey- mond — in der physiologischen Abtheilung des „Archivs für Anatomie und Physiologie 1857.“ Wenn ich mich entschlossen habe an dieser Stelle einen abermaligen Abdruck zu bringen, so geschah dies wesentlich aus dem Grunde, weil beide Vorträge zusammengehören und ich sie deshalb in ihrem Zu- sammenhange zu geben wünschte. Ich habe dabei eine eingehende Um- arbeitung und stellenweise völlige Neugestaltung einzelner Abschnitte ein- treten lassen, so wie die wichtigsten später erschienenen Veröffentlichungen berücksichtigt. Endlich sind die Resultate einer im hiesigen anatomischen Institute ausgeführten Untersuchung von Dr. N. Kultschitzky über den Befruchtungsvorgang von Ascaris megalocephala mit aufgenommen worden. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Ba. 32. 1 2 W. Waldeyer: Die Ehre der Entdeckung der karyokinetischen (indireeten, metamorphotischen, mitotischen) Kerntheilung als eines regel- mässigen Phänomens, mit allen den drei Haupterscheinungen: der chromatischen Kernfigur, der achromatischen Spindel und den Polsternen, gebührt dem Breslauer Zoologen A. Schnei- der, damals in Giessen. In seiner Abhandlung: „Untersuchungen über Plathelminthen“ in den Jahrbüchern der Oberhessischen Ge- sellschaft für Natur- und Heilkunde (1873), bringt er für die Thei- lung von Ei- und Spermazellen, aber auch von Gewebszellen ge- wisser Plattwürmer (Mesostomum) die hierhergehörigen Daten bei. Die Sehneider’sche Arbeit wurde, ihrer Publication in einer wenig verbreiteten Zeitschrift halber, kaum bekannt, und so konnten denn seine Entdeckungen kurze Zeit darauf in ganz un- abhängiger Weise zum zweiten Male von Bütschli (41, 42) und H. Fol (65) gemacht werden. Dr. Schleicher, ein Schüler van Bambeke's in Gent, führte 1878 (179) den Namen „Karyo- kinesis“, d. h. Kernbewegung, für die Summe der hier in Rede stehenden Erscheinungen ein, während Mayzel (133, 134) in Warschau, besonders aber Strasburger (190—194) in Bonn, W. Flemming (57—63) in Kiel, E. van Beneden (18—24) in Lüttich und neuerdings Rabl (165) in Prag unsere Kenntniss der betreffenden Vorgänge am meisten gefördert haben. Vor Allen ist Flemming zu nennen, dessen Darstellung bei dem Streite der Meinungen meist den Sieg davon getragen hat. Für einzelne weitere Daten der Entwicekelung unseres Wissens über die karyo- kinetischen Vorgänge wird sich im Laufe der Darstellung noch Platz ergeben. Genauere literarhistorische Angaben finden sich bei Strasburger, Flemming und E. van Beneden in deren monographischen Darstellungen: „Zellbildung und Zellthei- lung, 3. Aufl. 1850° — „Neue Untersuchungen über den Befruch- tungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung, 1334“ — „Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzen- reiche, nebst einem Anhange über Befruchtung, Jena, 1888“ (Stras- burger), „Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung“, Leipzig, 1882 (Flemming) und „Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecondation et la division cellulaire, Gand, Leipzig et Paris, 1883 (E. vanBeneden), ferner bei Rabl („Ueber Zelltheilung‘, Morphologisches Jahrbuch, Bd. X) Mark, ‚Maturation, feeundation and segmentation of Limax campestris“, Bulletin of the Museum of ) Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 3 Comparative Zoology at Harvard College, Cambridge Mass. U. St. A. Vol. VI Nro 12, und Carnoy, in dessen Zeitschrift „La Cellule“ Vol. I, IL, III, IV, auf welche Arbeiten hier verwiesen sein mag. Dass die Zellen und deren Kerne sich durch Theilung ver- mehren, hat, wenn wir von dem 1824 durch Pr&vost und Du- mas entdeckten Furchungsprocesse absehen, für die Pflanzen und überhaupt zuerst H.v. Mo h1(140) in Tübingen 1835 gezeigt, für die Thiere, und zwar für embryonale Blutzellen, Remak (171) in Berlin im Jahre 1841. Es ist bekannt, dass Letzterer und R. Virchow dureh zahlreiche Untersuchungen auf normalem und pathologischem Gebiete der Zelltheilung, gegenüber der Lehre von einer Generatio spontanea der Zellen, allmählich das Feld er- obert haben, so dass heute R. Virchow’s Satz: „Omnis cellula a cellula* (199), was die überhaupt vorliegenden Thatsachen an- langt, unbestrittene Geltung hat. Aber, wie erfolgt die Zell- theilung? Das von Remak entworfene Theilungs-Schema nimmt an, dass sich die Sache in der Reihenfolge vom Kernkörperchen durch den Kern zum Zellenleibe fortschreitend abwiekele. Zunächst zer- falle der Nucleolus in zwei Stücke, dann der Kern und endlich der Zellkörper. Der Vorgang wäre also, wenigstens seiner äusseren Erscheinung nach, ein sehr einfacher. Selbstverständlich hat man sich bei der Betrachtung dieser Theilungsform nicht verhehlt, dass man nichts vom Wesen des so hochwichtigen Processes wisse, nichts von den Kräften, welche dabei wirksam sind, noch von den Ursachen, welche eine Zelle zur Theilung bringen. Man war sich vollkommen darüber klar, dass auch die Beobachtungen der in Rede stehenden Vorgänge noch sehr primitive seien, und hier musste zunächst die weitere Forschung einzusetzen haben. Als namhafter Fortschritt darf es bezeichnet werden, dass durch Strieker (195) und Klein (102), dann besonders durch Franz Eilhard Schulze (154) und Ranvier (166) der Theilungs- vorgang bei einzelligen Thieren (Amoeben) und farblosen Blutzellen (Leucoeyten) direet unter dem Mikroskope von Anfang bis zu Ende verfolgt wurde. Nach den Schilderungen F. E. Schulze’s bei Amoeba polypodia streckte sich zuerst der Nucleus in die Länge, dann erschien er hantelförmig, dann liess sich zwischen den bei- den Hantelknöpfen nur noch ein dünner Verbindungsfaden wahr- nehmen, dieser riss durch und nun sah man zwei Nucleoli im 4 W. Waldeyer: Thier. Ganz gleichzeitig gingen damit dieselben Veränderungen an dem hellen Kernhofe um den Nucleolus einher. Der ganze Vorgang der Kern- und Kernkörperchentheilung, welcher also hier in einem Acte zusammen ablief, dauerte etwa 11/, Minuten. Darauf begann sich der Zellenleib zu strecken in derselben Richtung, wie vordem die Nuclei und Nucleoli, und es erfolgten nun in ganz ähn- licher Weise: Einschnürung, bandartiges Ausziehen der Verbindungs- brücke und endlich das Durchreissen derselben. Von anderweiten besonderen Erscheinungen war nichts wahrzunehmen; nur ist hervor- zuhehen, dass an der Verbindungsbrücke des Zellkörpers keine Pseudopodien sichtbar wurden, während sie an den beiden Theil- stücken in entgegengesetzter Richtung, wie auseinanderstrebend, recht deutlich hervortraten. Die Theilung des Zellkörpers bean- spruchte 81/, Minuten, so dass der ganze Vorgang in etwa 10 Minuten abgespielt hatte. Ich habe den Vorgang in ähnlicher Weise bei einer Infusorienart aus dem Rectum des Frosches wiederholt be- obachtet; er verlief nur noch etwas schneller, in 7 bis 8 Minuten. Ranvier gibt für die Leucocyten des Axoloti, deren Thei- lung er beobachtete, eine Dauer des Vorganges von nahezu 1!/, Stunden an (bei gewöhnlicher Zimmertemperatur); am Kern wur- den auffallende Formveränderungen wahrgenommen, die von Ran- vier jedoch als passive, einzig und allein durch die amöboiden Be- wegungen des Protoplasma’s bedingt, angesehen werden. J. Ar- nold (4) sah an amöboiden Zellen aus dem Lymphsacke von Fröschen einen allerdings schon eingeschnürten Kern binnen 5 Minuten sich völlig theilen; die Theilung der Zelle beanspruchte in diesem Falle eine halbe Stunde, in anderen Fällen erheblich mehr. Formverände- rungen an Kern und Protoplasma wurden dabei ebenfalls festgestellt. Auf die Beobachtungen von Stricker und E. Klein gehe ich hier nicht näher ein, da sie zwar die Ersten sind, welche durch direete Beobachtung den Vorgang der Theilung des Zellenleibes feststellen, jedoch über das Verhalten des Kerns beim Theilungs- acte keine Aufschlüsse bringen. — Noch eines Umstandes ist hier Erwähnung zu thun, der bereits von Strieker besprochen wird, später auch von Flemming (58), Frommann (73) und J. Ar- nold (4). Es ist das zeitweise Unsichtbarwerden des Kerns während des einfachen nicht karyokinetischen Theilungsvorganges. Eine be- friedigende Erklärung ist für diese bemerkenswerthe Erscheinung noch nicht gefunden worden. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 5 Ich habe absichtlich diesen einfachen Vorgang der Kern- und Zelltheilung, wie er also durch Remak erschlossen und durch die eben genannten Autoren direet beobachtet worden ist, hier vorangestellt, zunächst um das Eigenthümliche der nunmehr zu schildernden karyokinetischen Theilung um so besser hervorheben zu können und dann, weil wir später sehen werden, dass dies alte Schema der Kerntheilung im Wesentlichen auch bei den karyo- kinetischen Formen unverändert zu Recht bestehen bleibt. Diesem Remak'’schen Schema, welches wir mit Flem- ming als „directe Kerntheilung“ bezeichnen wollen, oder auch als „amitotische Theilung“ nach demselben Autor, ist nun in der „mitotischen Theilung“ („Karyo- mitosis‘, „Mitosis“, „indireeten Theilung“ Flem- ming — „karyokinetischen Theilung“, „Karyokine- sis“ Schleicher) eine andere Form der Theilung gegenüber- gestellt worden, deren äussere Erscheinung in vielen Punkten von der directen abweicht. Das Auffallende und Charakteristische dieser Theilungsform besteht darin, dass das Kernkörperchen, so wie der äussere Umriss des Kerns schwinden — oder sagen wir lieber „zu schwinden scheinen“ — dafür aber, wie schon ein- gangs bemerkt, höchst eigenthümliche Fadenfiguren an der Stelle des Kerns auftreten, die in bestimmter gesetzmässiger Folge Ge- stalt und Lage verändern, dann nach zwei Seiten auseinander- rücken und die Grundlage zweier Tochterkerne bilden. Da wo diese entstehen, treten auch im Protoplasma schon frühzeitig eigen- thümliche strahlige Figuren, „Sterne“, „Ästern“, ‚„Sonnenfiguren‘, auf; der Kerntheilung folgt dann in gewöhnlicher Weise die Zell- theilung nach. Der Lage- und Gestaltveränderung der Kernfäden wegen, hat Schleicher, wie bemerkt, dem ganzen Vorgange den Namen der „Karyokinesis‘“ oder der „karyokinetischen“ Thei- lung gegeben, während die von Flemming vorgeschlagenen Be- zeichnungen: „Mitosis‘‘, „Karyomitosis“ sich auf die Erscheinung des genannten Fadenwerkes beziehen!). Der Name „indireete“ Kerntheilung ist wohl nur im Gegensatze zur „direeten“ Kernthei- lung gegeben worden, sonst erscheint er, wie auch Flemming zugiebt, wenig passend. Ich schildere nun zunächst an der Hand einiger grösstentheils 1) x«ovov, Nuss, Kern; xfvnoıs, Bewegung; wiros, Faden. 6 W. Waldeyer: nach Rab1(165) eopirten Abbildungen, sowie nach dessen Darstellung den Gang einer Karyomitosis, muss aber in Kürze das Wesent- lichste vom Baue eines nicht in Theilung begriffenen, sogenannten „ruhenden“ Kerns voraufschicken. Man unterscheidet an den meisten solcher Kerne (s. Fig. 1): das „Kerngerüst“ (Netzwerk), die „Kernkörperchen“ (Nucleolen), den Kernsaft (R. Hertwig) — Zwischensubstanz (Flemming) — und vielfach noch eine äussere Hülle, die „Kernmembran“. sogenannte - chromatische Kernmembran Nucleolus __— Kernsaft Netz- — nen Kerngerüst Schema eines ruhenden Kerns. Ohne auf die ansehnliche, an Controversen reiche Literatur über diese Dinge weiter hier einzugehen, ist es doch nöthig, einige Details näher zu erörtern: Das Kerngerüst stellt unter gewöhnlichen Verhältnissen (im sogenannten Ruhestande) des Kerns ein Netzwerk von deut- lichen, theils schwächeren, theils stärkeren Fäden oder Strängen dar, deren Anordnung nach den vorhandenen Beschreibungen und Abbildungen der meisten Autoren eine bestimmte Regelmässigkeit und Gesetzmässigkeit nicht verrathen. Einige Beobachter dagegen, wie zuerst wohl Balbiani (9), dann Flemming (58), Bütsehli (44), Rab1l(165) u. A. haben auf eine besondere und regelmässige Anord- nung der Gerüstfäden in Kernen bestimmter Organe und bei be- stimmten Thieren aufmerksam gemacht. Balbiani und Rabl gehen so weit, eine regelmässige Anordnung als etwas Allgemeines, allen ruhenden Kernen Zukommendes anzunehmen; aber es lässt sich in dieser Beziehung noch nichts Allgemeingültiges aussagen. Balbiani hat z. B. bei den Chironomuslarven in den ruhenden Kernen nur einen einzigen, vielfach verschlungenen Faden Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 7 gefunden. Flemming ist geneigt dies als ein weit verbreitetes Vorkommniss anzusehen; Andere bestreiten dies (s. darüber weiter unten). Ferner ist es noch zweifelhaft, ob nur ein oder mehrere viel- fach gewundene, aber nicht anastomosirende Fäden vorhanden sind, oder ob netzförmige Anastomosen zwischen den einzelnen Windungen, mit andern Worten: ein Netzwerk, wie in Fig. 1, vor- liest. Wäre eine regelmässige Fadenanordnung in allen ruhenden Kernen festzustellen, so wäre dies für die Deutung der Erschei- nungen der Karyokinese sehr wichtig; Rabl hat in der That auf eine derartige Bedeutung der Gerüstfigur der ruhenden Kerne ausdrücklich hingewiesen. Er unterscheidet „primäre‘“ Kernfäden von „seeundären“. Die ersteren sind stärker und meist excentrisch im Kern angeordnet und laufen so um die Oberfläche des Kerns herum, dass sie an einer Stelle desselben, dem „Polfelde* (Rab) Schlingen bilden, deren Scheitel eben dieses Polfeld umkreisen, während sie an der ungefähr gegenüberliegenden Seite frei mit den Schlingenschenkeln auslaufen, und zwar ohne dass hier eine besondere Anordnung der letzteren erkennbar wäre. Diese Seite des Kerns, an der also ein besonderes Polfeld nicht vorhanden ist, nennt Rabl die „Gegenpolseite“. Zur Erläuterung mögen Fig. 2, 3 und 4 dienen. In Fig. 2 sieht man die zum Polfelde gekehrten Schlingenscheitel, in Fig. 3 ist die Gegenpolseite wiedergegeben. Beide Figuren entsprechen jedoch nicht dem Zustande des ruhen- den Kerns, sondern dem I. Stadium der Karyokinese, dem soge- nannten ‚dichten Knäuel“‘, wobei die seeundären Fäden geschwun- den sind und nur die primären hervortreten, so dass die ganze Anordnung deutlicher wird. Fig. 4 gibt an der rechten Seite des dargestellten Kerns das Schema der Fadenordnung beim ruhenden Kern nach Rabl’s Vorstellung; links sind nur die primären Fäden gezeichnet. Der Kern ist in der Seitenansicht gedacht, das Polfeld (P.) oben, die Gegenpolseite unten. Rechts, dem Ruhe- zustande des Kerns entsprechend, lassen sich noch zwei primäre Fadenschlingen einigermaassen erkennen, jedoch gehen von ihnen zahlreiche netzförmig untereinander und mit den primären Fäden verbundene secundäre Fäden aus und an einzelnen Stellen hat sich die Fadensubstanz in kleinen knotenförmigen Massen (Netzknoten) zusammengeballt.e Auch ein runder Nucleolus ist sichtbar. Man sieht leicht ein, dass die primären Fäden desto schwerer erkenn- bar sein müssen, je mehr die Substanz, aus der sie bestehen, 8 W. Waldeyer: eXC. eXC. Ex. (0 Fig. 2. Kern: I. Stadium der Karyokinese, „Dichter Knäuel“ — Kern vom Polfelde aus gesehen. exc. = excentrisch gelegene Fadenschlingen. — c = centrale, aus der Tiefe des Kerns auftauchende Schlingen. I. Stadium der Karyokinese, „Dichter Knäuel“. — Kern von der Gegenpolseite aus gesehen. primärer Nucleolus. Faden. primärer Faden. . .. \T — primärer - ——Netzknoten. Faden. Netzknoten. Fig. 4. Schema eines ruhenden Kerns nach Rabl; links nur die primären Fäden, rechts auch die secundären, welche die netzartige Verbindung herstellen, gezeichnet. Auch eine nucleolenförmige Bildung und Knoten rechts. Seitenansicht; Polfeld = P. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 9 in die secundären Fäden ausstrahlt und in Knotenpunkten sich anhäuft. So komme es, meint Rabl, dass im ruhenden Kerne die regelmässige Anordnung in Fadenschlingen mit Polfeld und Gegenpolseite verwischt erscheine; sie könne aber jeden Augen- blick wieder hergestellt werden, wenn auf irgend eine Weise die Filarsubstanz veranlasst werde, in die Hauptbahnen der primären Fäden zurückzukehren. Hierin eben liegt die Wichtigkeit der be- sprochenen Regelmässigkeit der Fadenstructur für die Karyokinese. Wir werden später darauf zurückkommen. Eigenartig ist die Structur des Kerngerüstes bei gewissen Cilioflagellaten, wie z. B. bei Ceratium Tripos. Bütschli (44) findet hier einen wabenartigen Bau mit vollkommenem Abschluss der Waben, so dass der Kernsaft, obwohl eine Kernmembran in toto nicht vorhanden ist, nicht mit dem Protoplasma in directer Commu- nication stehen kann. Bei den Pflanzenzellen fand Strasburger (191) keine sog. secundären, eine Netzstructur herstellenden Fäden, auch lässt sich ihm zu Folge nicht mit Sicherheit ausmachen, ob hier während des Ruhezustandes nur ein, oder mehrere Fäden vorhan- den sind und ob eine bestimmte Anordnung der letzteren vorliegt. Wir müssen nun noch gewisser Eigenthümlichkeiten in dem Verhalten des Kerns und seiner Bestandtheile zu chemischen Rea- gentien und Farbstoffen gedenken, so wie auch die ausser dem Gerüst noch vorhandenen Bestandtheile: Kernkörper, Kernmem- bran und Kernsaft kurz besprechen. Verdünnte Säuren, Essigsäure, Ameisensäure u. A. lassen das Gerüst sowie die Kernkörper deutlich hervortreten, chromsaure Salze machen dagegen beiderlei Bildungen undeutlich, Wasser macht sie quellen. In fast allen Farbstoffen — von den gewöhn- lich gebrauchten nenne ich: saures Carmin, Hämatoxylin, Saffra- nin — färben sich die Gerüstfäden wie die Nucleolen sehr inten- siv, während die übrige Masse des Kerns, der zwischen den Ge- rüstfäden liegende sogenannte „Kernsaft‘“‘, ungefärbt bleibt, oder doch nur eine ganz schwache Färbung wahrnehmen lässt. Dieser Unterschied im Verhalten gegen Farbstoffe hat Flem- ming (l.1. ce. e.) veranlasst im Kern sogenannte „chromatische Sub- stanzen“ von den „achromatischen‘‘ zu unterscheiden. Zu den ersteren rechnet er die in Alauncarmin und in Anilinfarben tief und inten- siv färbbare Substanz der Gerüstfäden und der Nucleolen, zu den letzteren die nicht färbbaren geformten Theile, wie z. B. die später 10 W. Waldeyer: zu besprechende bei der Theilung auftretende „Spindelfigur“. Er nennt die färbbare Substanz des Kerngerüstes geradezu „Chro- matin“). Das Chromatin, meint er, gestüzt auf Versuche von E. Zacharias, sei vielleicht identisch mit dem Nuclein, oder einem Derivat des letzteren. Wichtig erscheint die von Balbiani (8) und Pfitzner (155 entdeckte Thatsache, dass die chromatischen Fäden — und es ist dies namentlich deutlich während der Karyokinese zu beobachten — aus regelmässig angeordneten Körnchen (Kügelchen) von der Gestalt kurztonnenförmiger Scheiben (Strasburger) — Chro- matinkugeln (Pfitzner), Mikrosomenscheiben (Stras- burger) (194), — zusammengesetzt sind. Wohl allgemein wird jetzt angenommen, dass ausser diesen „Chromatinkörpern‘‘ noch eine die- selbe zu den Fäden verbindende achromatische Zwischensub- stanz (Nucleo-Hyaloplasma Strasburger) vorhanden sei. Carnoy (47) meint, dass bei den Arthropoden der im Kerne vor- kommende, einzige, stark gewundene Chromatinfaden noch eine „Plastinhülle“ habe, im übrigen aus Nucleinsubstanz bestehe, welche Ansicht Ch.vanBambeke (12), ohne sich über die chemische Beschaffenheit der Hülle näher zu äussern, bestätigt. Was die Form der Balbiani-Pfitzner’schen Chro- matinkörper anlangt, so ist dieselbe, wie mir scheint, noch nicht endgültig festgestellt. Pfitzner nannte sie „Kugeln“; Stras- burger beschreibt sie in der eben eitirten früheren und auch in seiner neuesten Mittheilung (191) als kurz-tonnenförmige „Scheiben“, ebenso schildert sie Carnoy bei den Arthropoden. Die Kernkörperehen (Nucleoli) bieten in ihrer Deu- . tung noch manche Schwierigkeiten dar. Allgemein bekannt ist, 1) Pfitzner ist im Gebrauche der Worte Chromatin und Achromatin noch weiter gegangen. Als „Chromatin“ bezeichnet er mit Flemming die färbbare Substanz des Kerngerüstes. Da die Nucleolen sich bei den Tinc- tionen etwas anders verhalten und auch sonstige Verschiedenheiten zeigen, nannte er deren Substanz „Prochromatin“, womit zugleich angedeutet wer- den soll, dass dieselbe eine Vorstufe des Chromatins bilde. Später wählt er dafür die Bezeichnung „Pseudochromatin“, da ein bestimmter Zusammenhang mit dem Chromatin nicht nachweisbar sei. Für den „Kernsaft“, der übrigens in gewissen Farbstoffen tingirbar ist, behält er den von Flemming für diesen aufgegebenen Namen „Achromatin“ bei, gibt dagegen der Substanz der Spindelfigur, da diese sich anders verhält als der Kernsaft, auch einen anderen Namen: „Parachromatin“. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 11 dass sie meist rundliche Bildungen sind, die sich scharf von den übrigen Bestandtheilen des Kerns abheben, und die, wie wir oben erwähnten, sich ebenfalls intensiv färben lassen. Zweifelhaft ist aber ihre Beziehung zum Kerngerüst. Die Einen — ich nenne Fiemming und Pfitzner — halten die Nucleolen für ver- schieden vom Kerngerüst; sie seien als besondere Bildungen inner- halb des letzteren aufzufassen, hingen nicht mit den Gerüstfäden zusammen, sondern seien von ihnen getrennt, wenn sie ihnen auch „angelagert“ erschienen. Die Anderen — z. B. E. Klein (103) in London, dem ich mich anschliessen möchte, und zwar auf Grund des Verhaltens der Nucleolen bei der Karyokinese — halten dafür, dass die Nucleolen nur stark verdickte Knotenpunkte des Netzwerkes der Gerüstfäden, also mit den letzteren identisch seien. Thatsache ist, dass solche verdickten Knotenpunkte innerhalb des chromati- schen Kerngerüstes vorkommen. Diese müssen jedoch nach Flem- ming (58) von den ächten Nucleolen unterschieden werden. Man vergleiche Fig. 1, welche neben solchen Knotenpunkten — „Netz- knoten“ werden sie zum Unterschiede von den Nucleolen genannt — einen gut begrenzten rundlichen Nucleolus zeigt. Nach Pfitzner sollen die ächten Nucleoli nie eine Verbin- dung mit dem Chromatingerüst zeigen sondern frei in den Maschen desselben liegen. Abgesehen hiervon findet Flemming auch noch Unterschiede im Liehtbrechungsvermögen und im Verhalten gegen gewisse Farbstoffe. — Bei Ceratium tripos fand Bütschli die mitunter in den Kernen gelegenen Nucleolen wieder aus einem feinen Netzgerüst aufgebaut. E. Zacharias (209) gibt für Pflanzen- zellen an, dass die Nucleolen des wesentlichsten Kernbestandtheils, des Nucleins, entbehrten, dagegen ein Gerüst aus Plastinsubstanz enthielten, in dessen Maschen andere Biweissstoffe aufgenommen seien. Dies würde für die Selbständigkeit der Nucleolen sprechen. Carnoy (47) will vier verschiedene Formen von Nucleolen (bei den Arthropoden) unterschieden wissen; ob es aber richtig ist, so ver- schiedene Dinge, wie er sie beschreibt, mit einem und demselben Namen zu belegen, bleibt mir fraglich. Untersuchungen aus Gaule's Laboratorium von Ogata (151) und Lukjanow (129), ferner von Stolnikow (189) haben ein sehr verschiedenes Verhalten der nucle- olenähnlichen Körper gegen Farbstoffe (Eosin, Saffranin, Nigrosin und Hämatoxylin) ergeben. Demnach werden von den genannten Au- toren unterschieden: a) als Karyosomen die sich blau färbenden 12 W. Waldeyer: Körper, b) als Plasmosomen die sich roth färbenden Körper, c) als Hyalosomen ungefärbt bleibende (s. Lukjanow). Wie Ogata zuerst behauptet hat, können diese Körper auch aus den Kernen in den Zellenleib auswandern; die auswandernden Plas- mosomen bilden die sogenannten „Nebenkerne“, denen ein wichtiger Antheil an der Regeneration der Zellen zugeschrieben wird. Die Bedeutung aller dieser Dinge für das Zellenleben ist noch fast vollkommen dunkel. Strasburger und Pfitzner (l. c.) sind geneigt in den Nucleolis Ablagerungsstätten für sogenannte „Reservestoffe“ zu erblicken, wofür allerdings ihr Verhalten bei der Karyokinese spricht. Sie lösen sich nämlich während- der- selben auf, um sich erst nach der Theilung in den neuen Kernen wieder zu bilden. Auch scheinen sie für die Membranbildung um die jungen Kerne Stoffe herzugeben. A. Brass (39) bringt'ebenfalls die Kernkörperchen in Beziehung zu den Ermährungsvorgängen am Kerne. Bei Spirogyra ist nach Meunier (136) alles Chromatin im Nucleolus enthalten und geht ausschliesslich von hier in die mi- totische Figur über. Der „Kernsaft“ ist keineswegs als eine einfach wässerige Flüssigkeit anzusehen; alles spricht vielmehr dafür, dass er eben- falls Eiweisskörper enthält. Nach Einwirkung von verschiedenen Reagentien treten feinkörnige Trübungen im Kernsaft auf; nach Flemming (53) müssen diese aber wohl als Gerinnungserscheinungen — besser wohl „Niederschläge‘‘ — gedeutet werden und ist vor der Hand an Structurverhältnisse nieht zu denken. Carnoy (47) nimmt indessen ein solches an, indem er dem Kernsafte ein feines Plastingerüst mit einem mehr flüssigen Inhalte (Enchylema) zu- schreibt, während van Bambeke (l. e.) und Platner (161) sich segen diese Annahme aussprechen. Schwierig ist die Frage nach dem Verhalten der Kern- hüllen. Von allen Seiten wird zugestanden — und muss ich dem ebenfalls zustimmen — dass die Kerngerüstbalken an der Peripherie dichter zusammenschliessen und somit eine durchbro- chene, korbgeflechtartige Begrenzungsschicht bilden. Von Anderen wird noch eine nicht färbbare (achromatische) Kernmembran für manche Kerne angenommen, so z. B. von Flemming (58), während Manche, wie Strasburger und Pfitzner (154), auch eine mem- branartige Abschliessung des an den Kern zunächst anstossenden Zell- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 15 protoplasma’s, „innere Zellmembran“, zulassen. In seiner neuesten Arbeit (191) p. 30, lässt Strasburger mit Guignard (84) die gesammte Kernmembran genetisch dem Zellprotoplasma ange- hören; sie sei also eine Grenzschicht des Zellprotoplasmas gegen die Kernsubstanz hin. Dieselbe erlange allerdings bei vollstän- diger Ausbildung gegen das übrige Zellprotoplasma eine morpho- logische Selbständigkeit. Dass die Kernwandung dem Zellproto- plasma genetisch angehöre gehe daraus hervor, dass sie sich — bei Pflanzenzellen — während der Karyokinese dem Protoplasma wieder zugeselle, und aus dem letzteren um die jungen Tochter- kerne wieder angelagert werde. Bezüglich der chemischen Zusammensetzung der Zell- und Kernsubstanzen, welche für eine richtige Auffassung der mito- tischen Vorgänge von Tag zu Tage wichtiger wird, haben neuere Untersuchungen namentlich aufbotanischem Gebiete manches ergeben. Ausser dem von Miescher (137) entdeckten „Nuclein“, welches einen wesentlichen Bestandtheil der Kernmasse ausmacht, fanden ReinkeundRodewald(170) das „Plastin“, Kossel(111—113) das „Histon“ und das „Adenin“. Nach allen bisherigen Angaben ist das Nuclein vorzugsweise in den chromatischen Kernsubstanzen enthalten — s. bes. E. Zacharias (208, 209). Frank Schwarz (185) schlägt folgende Termini zur Bezeichnung der verschiedenen Zellen- leib- und Kernbestandtheile vor: 1) Das Chromatin; dies bildet die Substanz der Balbiani-Pfitzner’schen Chromatinkörper, von denen schon vorhin die Rede war. Es ist identisch mit Stras- burger’s „Nucleomikrosomen‘“, eine Bezeichnung, die ihr Autor in seiner neuesten Publication (191) wieder verlässt aus dem Grunde, weil diese Chromatinkörper chemisch und auch morphologisch völlig verschieden sind von denjenigen „Mikrosomen“ (Cytomikro- somen), welche wir als einen der Hauptbestandtheile des Zellleibes ansehen müssen. 2) Das Linin (Awov-Faden). Diese Substanz ist identisch mit Strasburger’s „Nucleohyaloplasma“ und mit Pfitz- ner’s Parachromatin; sie ist die kaum färbbare Grundsubstanz der Chromatinfäden, in welcher die wiederholt erwähnten, sich lebhaft färbenden Chromatinkörper eingebettet sind. Der Name „Linin“, wird sich, seiner Kürze wegen, wohl leichter einbürgern, als die unbequemen Ausdrücke ‚Nucleo-Hyaloplasma“ und „Parachroma- tin.“ Strasburger verwendet ihn bereits in seiner neuesten Ar- beit. 3) Das „Paralinin‘; darunter soll die mehr flüssige Sub- 14 W. Waldeyer: stanz des Kerns, die zwischen den Fäden befindlich ist, verstan- den sein. Synonyma sind: Kernsaft (0. Hertwig), Zwischensub- stanz, Achromatin (Flemming), Karyochylema (Strasburger). 4) „Pyrenin“ (6 zug» —= Kern) bezeichnet den Stoff, aus wel- chem das Kernkörperchen besteht. Ob Frank Schwarz im Rechte ist, eine einheitliche Kernkörperchensubstanz hinzustellen, mag mit Fug wie z. B. von Strasburger (191) bezweifelt werden. 5) Amphipyrenin = dem die Kernmembran bilden- den Stoffe. Dasselbe ist dem Pyrenin sehr ähnlich (vgl. das vor- hin über die Bezienungen des Kernkörperchens zur Kernmembran Gesagte), jedoch nimmt das Pyrenin leicht Farbstoffe an, das Amphi- pyrenin nicht; beide zeigen vom Chromatin abweichende Reactionen. Am meisten dem Nuclein entspricht, nach Schwarz, in seinen Reactionen das Linin, nicht (entgegen der bisherigen Annahme, s. vor- hin) das Chromatin; das Paralinin steht dem Globulin am nächsten. Es ist dies Paralinin jedoch keine Flüssigkeit im gewöhnlichen Sinne, daher empfiehlt sich nicht die sonst so passende und gute Bezeich- nung „Kernsaft“‘; auch ist es nicht achromatisch. -Einen wirk- lichen „Saft“ als „Karyochylema“ kann man nur in etwaigen Va- cuolen annehmen. Wie weit diese Angaben mit der vorhin er- wähnten Ansicht Carnoy’s stimmen, müssen erst weitere Unter- suchungen lehren. Entgegen den meisten neueren Angaben nimmtFrank Schwarz (l. e. p. 136) an, dass im Zellprotoplasma keine präformirten Netze und Gerüstwerke vorhanden seien, dass aber wohl ein Theil desselben sich zu Fäden und Strängen umbilden könne; es sei das Cytoplasma eben eine Mischung, in welcher unter Umständen eine Trennung von festerer, zäher und flüssiger (gelöster) Substanz ein- treten könne. Auf einer solchen Trennung (Entmischung) beruhe z. B. die Vacuolenbildung. Als chemische Bestandtheile des Cyto- plasmas nennt Frank Schwarz: 1) das Plastin (Reinke) (Cytoplastin) eine zähe, dehnbare Masse, welche der Pepsin- und Trypsin-Verdauung widersteht. 2) Die in Wasser und auch im Cytoplasma unlöslichen „Mikrosomen“. Diese sind aber unter Umständen verschieden zusammengesetzt und daher mit den che- misch einheitlichen Chromatinkörpern des Kerns nicht zu verglei- chen. 3) Die in den Vacuolen gelösten Stoffe. Die Mikrosomen können fehlen, 1 und 3 sind aber immer vorhanden. — Das hier Vorgebrachte gilt natürlich in erster Linie für Pflanzenzellen. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 15 Wir wenden uns nunmehr zu einer Darstellung der karyo- kinetischen Vorgänge selbst, und zwar nach der Schilde- rung, welche Rabl (165) jüngst von ihnen geliefert hat, welche aber, wie bemerkt, in fast allen wesentlichen Punkten mit der von Flemming (58) gegebenen übereinstimmt. Gehen wir von dem ruhenden Kerne aus, wie er in Fig. | dargestellt ist, so würde als erstes Stadium der Karyokinese das- jenige zu bezeichnen sein, in welchem alle secundären Fäden des Kerngerüstes, wie auch die Nucleolen und Netzknoten schwinden, indem ihre Substanz in die primären Gerüstfäden übergeht. Fig. 4 zeigt uns, wie schon vorhin bemerkt, ein Kernschema, in welchem rechts, ausser zwei primären Fadenschlingen, noch die secundären Fäden, Netzknoten und ein Nucleolus sichtbar sind, links dagegen fehlen. Denkt man sich auch rechts die secundären Fäden, Knoten und den Nucleolus in die primären Fadenschlingen aufgenommen, so wird dann das erste Stadium der Karyokinese gegeben sein, wie es in Fig. 2, und zwar vom Polfelde aus gesehen, gezeichnet ist. Mit Flemming nennen wir dieses das „Knäuelsta- dium“ oder de Knäuelform, kurz: Knäuel, ‚„Spirem‘), Mutterknäuel. E.vanBeneden war derErste (23), welcher für die Eizellen zeigte, dass die chromatischen Fäden, mit deren deutlichem Auftreten die Karyokinese beginnt, nur Theilstücke eines im Kern befindlichen zusammenhängenden Gerüstes sind und dass sie durch stärkere Chromatinansammlung deutlich werden. Rabl hat dies denn auch für andere Zellen nachgewiesen und verallgemeinert. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen bemerkt man eine Ver- grösserung des gesammten Kerns. Balbianiund Strasburger haben, wie erwähnt, die An- sicht ausgesprochen — und Flemming’s wieCarnoy's Darstel- lung lautet hierin beistimmend —, dass im ruhenden Kern und zu An- fang des Knäuelstadiums nur ein einziger Faden vorhanden sei, der sich vielfach winde und so eine grössere Anzahl von einander ge- trennter Fadenschlingen vortäusche. So schwierig es ist, wie ich nach eigener Erfahrung sagen kann, sich über diesen Punkt bestimmt zu äussern, so möchte ich doch Ra b1 beipflichten, wenn er meint, dass gleich von Anfang an mehrere — bei thierischen Zellen bis 1) oreionue, Windung, Knäuel. 16 W. Waldeyer: zu 20 — getrennte Fadenschlingen vorhanden sind. Auch Stras- burger hat in seiner neuesten Mittheilung (191) seine frühere Ansicht von dem Vorhandensein nur eines einzigen Fadens aufgegeben. Bei den Zellen der Chironomuslarven, wo ihn Balbiani zuerst nachge- wiesen hat, lässt auch Strasbnrger diesen einen Faden noch gelten. Rabl beschreibt, abweichend von seinen Vorgängern, den bereits erwähnten typischen Verlauf der Fadenschlingen meist quer zur Längsaxe des Kerns mit einem freien „Polfelde‘“ an der „Pol- seite“ und mit der „Gegenpolseite‘“, und hebt hervor, dass die Fäden in der Mehrzahl der Fälle an der Oberfläche des Kerns verlaufen. S. Fig. 2 und 3. | Polare Strahlungsfiguren im Protoplasma der Zelle, s. Fig. 7 (Cytaster) findet Rabl in diesem Stadium noch nicht, während Flem- ming sie bei Eizellen zu dieser Zeit schon bestimmt gesehen hat und auch für die übrigen zur Theilung sich anschiekenden Gewebs- zellen als früheste Erscheinung eine „dicentrische Anordnung“ des Protoplasma’s annimmt, ungeachtet eine deutliche strahlige Grup- pirung desselben an zwei einander gegenüberliegenden Polen noch nicht erkennbar ist. S. weiter unten E. van Beneden’s Angaben. Die beschriebene erste Knäuelfigur, die man auch als „dichten Knäuel‘“ bezeichnet, geht nun zunächst in den „lockeren Knäuel“ über (Fig. 5). Dieser kommt dadurch zu Stande, dass die Fäden dieker und kürzer werden und nicht so stark gewunden verlaufen. Gleichzeitig tritt aber an einigen Fäden eine quere Theilung auf, so dass die Zahl der einzelnen Schlingen etwas grösser wird. Rabl schliesst aus Flemming’s Zählungen und aus eigenen, dass bei ein und derselben Thierspecies und Zellenspecies die Zahl der Fadenschlingen in diesem Stadium eine constante sei. So betrug sie z. B. bei den Epithelzellen von Salamandra stets 24. Bestimmte Zahlen für gewisse Pflanzenzellen werden auch von den Botanikern, namentlich von Strasburger und Heuser (97), ange- geben; doch meint neuerdings der Erstere, dass eine absolute Con- stanz nicht vorhanden wäre, wenigstens nicht bei allen Zellenarten. Nur die generativen Zellen sollen bemerkenswerther Weise stets dieselbe Schleifenzahl (bei einer und derselben Species) auf- weisen. Vgl. hierzu Boveri, w. u. pag. 103. Diejenigen, welche, wie Flemming, einen einzigen Faden im vorigen Stadium an- nelımen, lassen denselben sich nun im Stadium des lockeren Knäuels in die einzelnen Segmente (Fadenschlingen) spalten. Wie Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 17 wir sahen, lässt auch Rabl eine solehe Theilung einzelner Faden- schlingen zu, da er ja aber von Anfang an mehrere Schlingen annimmt, so ist für ihn die Theilung eine viel beschränktere. Auf den „lockeren Knäuel‘ folgt nun als dritte Unterord- nung des ersten Stadiums der Karyokinese der sogenannte „seg- mentirte Knäuel“ — so bezeichnet nach einer der wichtigsten, von Flemming entdeckten und jetzt wohl allgemein angenom- menen Erscheinungen der Karyokinese, nämlich der Längsthei- lung sämmtlicher Fadenschleifen, s. Fig. 6 und 7. Wie sich mit dem weiteren Ablaufe der Dinge herausstellt, wird durch diese Theilung der einzelnen Fäden eine Zerlegung der gesammten chromatischen Masse des Kerns in zwei gleiche Hälften be- wirkt und die nachkommenden Erscheinungen haben nur noch den Erfolg, dass die Theilstücke auseinanderrücken und sich zu den beiden Tochterkernen neu gruppiren. Rabl gibt aus- drücklich an, dass er die Längstheilung der chromatischen Fäden mit dem Schlusse der Knäuelphase stets vollendet gefunden habe. — E. van Beneden (bei Ascaris megalocephala) legt ent- schiedenen Werth darauf, dass die beiden Schwesterfäden bis in die kleinsten Einzelnheiten einander gleich seien. Die Längs- theilung ist, ihm zufolge, anfangs keine vollständige, so dass an den beiden Enden die Schwesterfäden noch eine Zeitlang durch eine minder stark sich färbende Substanz zusammenhängen. Dieser Zusammenhang erhält sich auch noch, wann die zusammenge- hörigen Schwesterfäden nach den beiden Polen hin auseinander- rücken. Man sieht dann, wie es zuerst E. van Beneden — später Rabl — beschrieben hat, von den Enden der auseinanderstreben- den Fadenschleifen feine achromatische Fäden (filaments reunis- santes, E. van Beneden) ausgehen, die noch eine Zeitlang die chromatischen Schleifen der beiden Tochterkerne (Dyasteren) mit einander verbinden. Man muss diese Fäden sehr wohl von denen der Spindelfigur unterscheiden (van Beneden, s. Fig. 11). Ausser der Längstheilung der Fäden zeigt aber das in Rede stehende Endstadium des „Knäuels“ noch eine Reihe anderer be- merkenswerther Erscheinungen, und zwar zunächst das Auftreten der sogenannten „achromatischen Kernspindel“ und die beginnende Anordnung der chromatischen Fadenschlingen in eine bestimmte Stellung zu dieser Spindel. Die vollentwickelte Kernspindel ist in Fig. 7 dargestellt; Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 32, 2 18 W. Waldeyer: sie zeigt deutlich zwei Pole und einen Aequator. Die feinen Fäden, aus denen sie sich zusammensetzt, färben sich, wie bereits vorhin bemerkt, viel schwächer als die diekeren Fäden der chromatischen Figur, wenigstens in den von Flemming sogenannten reinen Kernfärbungsmitteln (Alauncarmin, Anilin, Bismarckbraun, Gen- tianaviolett, Methylgrün u. A.), während sie dagegen in manchen Carmingemischen, wie auch in Hämatoxylin, Färbungen annehmen. Die Fäden sind viel zarter als die der chromatischen Figur, nament- lich ist dies bei thierischen Zellen der Fall; bei pflanzlichen Ele- menten dagegen erscheint die Spindelfigur meist ohne weiteres Polfeld. __ Kern: Lockerer Knäuel; erstes Auf- Kern: Beginnende Längstheilung der treten der Spindelfigur. Fäden; Ende des Knäuelstadiums. Polstrahlung (Cytaster). Polkörperchen. chromatische Figur; Länestheilung der Fäden vollendet. Zellsubstanz, dunk- Zellsubstanz, lere Schicht. hellere Schicht. Polstrahlung (Cytaster). Polkörperchen. Zelle und Kern: Mutterstern (Monaster), Spindelfigur (Karyaster) und Pol- strahlung (Cytaster). Ueber Karyokinese u. ıhre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 19 sehr deutlich!). Nach Carnoy sollen sie auch noch über die beiden Pole hinaus in das Zellprotoplasma sich fortsetzen. (Vgl. darüber van Beneden weiter unten und Fig. 7 Uytaster.) Weitere Unterschiede von den chromatischen Fäden liegen darin, dass die Spindelfäden in Pepsinlösungen schwinden und in verdünnten Säuren, namentlich Salzsäure, verschärft hervortreten. Nicht immer hat die Figur eine deutliche Spindelform, son- dern zeigt, bei Pflanzen namentlich, nicht selten eine ceylindrische Gestalt (eylindrisches Fadenbündel), so dass sie von den Polen angesehen, nicht einem Sterne, sondern einer punktirten Scheibe gleicht. Ueber ihre Herkunft und Bedeutung gehen die Meinungen noch auseinander. Ich komme später auf diesen Gegenstand zurück. Die Untersuchungen Rabl’s zeigen nun des Weiteren, dass die Spindelfigur ihre Lage während des Ablaufs der Theilungser- scheinungen ändert, und, was besonders merkwürdig ist, dass die Fadenschlingen der chromatischen Figur dieser Lageänderung folgen. Dass sich die Fäden der Tochterkerne nach geschehener Theilung um die Pole der Spindelfigur gruppiren, ist zwar seit der Ent- deckung der karyokinetischen Zelltheilung bekannt, ebenso lehren bereits Flemming und E. van Benedenl.l. c.c., dass die Tochter- füden den Fäden der Kernspindel entlang sich verschieben, um zu deren Polen zu gelangen; Rabl indessen hat gezeigt, dass schon vom ersten Auftreten der Spindelfigur an ein gleichsam richtender Einfluss derselben auf die chromatischen Fäden erkannt werden kann, und diese Erscheinungen spielen sich eben in der Phase des „segmentirten Knäuels“ ab. Wann die Spindelfigur zuerst sichtbar wird (bei Salamandra), so wird sie von Rabl in der Nähe des Polfeldes gefunden, so 1) Die deutlichsten Spindelfiguren bei thierischen Zellen habe ich vor Kurzem in sehr schönen Präparaten Mayzel’s zu sehen Gelegenheit gehabt. Dieselben betrafen das Endothel der Deseemet’schen Haut des Frosches (R. escul.); sie waren mit schwacher Chromsäure behandelt, mit Carmin ge- färbt und schon seit Jahren in Glycerin aufbewahrt, ohne an Deutlichkeit zu verlieren. (Vgl. Mayzel’s(134) Arbeit in der zu Ehren Hoyer’s erschienenen Festschrift, Warschau 1855.) Neuerdings beobachtete ich sie in vollendetster Form an Präparaten Kultschitzky’s über die Eier von Ascaris megalo- cephala im hiesigen Laboratorium. 20 W. Waldeyer: dass ihr Aequator im Polfelde steht, während ihre Längsaxe schief zur Längsaxe des Kerns gerichtet ist. Später senkt sie sich tiefer in die Kernsubstanz ein und nimmt eine Lage der Art an, dass ihr Aequator in diejenige Ebene fällt, in der später die Theilung des Kerns erfolgt (Theilungsebene). Die Längsaxe der Spindel- figur fällt dann mit der ‚‚Theilungsaxe‘“ des Kerns zusammen. Fügen wir hier gleich an, dass die Theilungsaxe der Kerne nicht immer mit deren eigener Längsaxe und mit der Längsaxe der Zelle dieselbe ist, dass also z. B. eine Cylinderzelle sich nicht nur der Quere, sondern auch der Länge nach theilen kann, wie dies u.A. Arthur Kollmann in seiner schönen Arbeit über den Tast- apparat der Hand (110) von den tiefliegendsten Zellen des Rete Mal- pighii gezeigt und Rabl bei Salamandra bestätigt hat. Auch schiefe Theilungen scheinen vorzukommen. In vielen Fällen liegt die Sache so, dass (Rabl, Strasburger) die Theilungsaxe durch Polfeld und Gegenpolseite des Mutterkerns läuft; bei der späteren Theilung würde demnach das Polfeld des einen Tochterkerns mit dem ursprünglichen Polfelde des Mutterkerns zusammenfallen, das Polfeld des anderen Tochterkerns dagegen mit der ursprünglichen Gegenpolseite (s. Fig. 12). Doch ist dies nicht immer der Fall (Strasburger). Bei Pflanzen soll es sogar häufiger sich so ver- halten, dass die Theilungsaxe parallel dem Poltelde liegt. Bezüglich der Lage der chromatischen Fadenschlingen zur Kern- spindel sahen wir bereits, dass die Schlingenwinkel anfangs grossen- theils zum Polfelde, d. h. zum Aequator der noch schief gelagerten Kernspindel hin geneigtsind. Wenn nun dieSpindel sich senkt, so dass ihr Aequator mehr in die Mitte des Kerns zu liegen kommt, so folgen — und das ist eine der Haupterscheinungen dieser letzten Phase des Knäuelstadiums — die Fadenschlingen dem Aequator der Spindel, gleichsam als würden sie von ihm angezogen, und gruppiren sich dann allmählich rings um diesen Aequator, ihm ihre Scheitel zu- kehrend. Es ist klar, wie das auch Rab] hervorhebt, dass damit die Unterscheidung von Polseite und Gegenpolseite wegfällt und nunmehr zwei Pole am Kern auftreten, die den Polen der Spindel- figur entsprechen. S. Fig. 5, 6, 7. Noch zweier Vorgänge, welche dem in Rede stehenden End- stadium des Knäuels angehören, muss hier gedacht werden, es sind dies die Polstrahlungen im Zellprotoplasma und das Schwinden des äusseren Kerneontours. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 21 Die Sternfiguren (Polstrahlungen, Astern) im Zellproto- plasma wurden bereits vorhin berührt. Bei manchen Zellen, z. B. den Eizellen, treten sie, wie besonders Flemming (58) hervorhebt, sehr früh auf. Bei den meisten Zellen scheinen sie aber erst mit dem End- stadium des Knäuels deutlich zu werden; die Strahlung geht von den Polen der Spindelfigur aus (Fig. 7, 9, 10, 11). — Von allen Beoh- achtern wird übereinstimmend angegeben, dass die Kernmembran gegen das Ende des Knäuelstadiums unsichtbar werde. Ueber ihren Verbleib sind indessen bestimmte Angaben nicht vorhanden. Stras- burger hat sich am eingehendsten mit dieser Seite der Sache beschäftigt. Seiner Meinung nach, welche bereits vorhin ange- deutet wurde, tritt mit dem Schwinden der Kernhülle Zellplasma in den Kernraum ein und vermischt sich hier mit dem Kernsafte, so dass der ursprüngliche Contour des Kerns ganz verloren geht und als körperlicher Ausdruck des Kerns nur die chromatische und die Spindelfigur übrig bleibt. Ja, wenn wir mit Strasburger annehmen wollen, dass die Spindelfigur auf Rechnung des einge- drungenen Zellprotoplasma’s zu setzen wäre, so würde der Kern formell, von diesem Stadium an, nur noch durch die chromatische Figur repräsentirt sein. Demgemäss geben auch die Zeichnungen Strasburger’s, wie auch Flemming’s, Rabl’s u. A, vom Endstadium des Knäuels an gerechnet, keinen Totalumriss des Kerns mehr, sondern nur einen hellen Hof um die Fadenfiguren, der aber auch mehr oder minder von der früheren Kernumrissforn abweicht. Was die Vermischung von Kernsaft und dem betreffen- den Antheile des Zellprotoplasma’s anlangt, so sprechen sich, ab- gesehen von Strasburger, die Meisten darüber nicht mit Ent- schiedenheit aus. Die erwähnten hellen Höfe, in welchen nach Schwund der Kernmembran Kern- und Zellsubstanz aneiander- stossen (Fig. 7), werden namentlich von Flemming und Rabl eingehend beschrieben. Wir werden später auch auf diese Frage noch zurückkommen. Es ist endlich noch der sogenannten „Polkörperchen“ van Beneden’s Erwähnung zu thun, welche mit der völligen Aus- bildung der Spindelfigur an deren Polen auftreten (Fig. 7 u. 8). Er entdeckte dieselben bei den Dieyemiden-Eiern (19). Es sind kleine glänzende Körperchen, die als selbständige Bildungen anzusehen sind, nicht etwa als Ausdruck der Vereinigung der Fäden der Spindelfigur. Ihre Herkunft und Bedeutung ist noch unbekannt. Car- 99 __W. Waldeyer: noy (47) glaubt inihnen Aufspeicherungen von Nucleinelementen sehen zu sollen, die sich zum Theil aus dem Cytoplasma bilden und nachher bei der Reconstruirung der Tochterkerne Verwendung finden. — Bei den Pflanzenzellen sind Polkörperchen bis jetzt noch nicht gefunden worden (Strasburger). Polare Strahlungen treten indessen auch hier auf, jedoch seltener. — (Weiter unten mehreres über alle diese Strahlenbildungen und polaren Körperchen, sowie über eine bisher noch nicht besprochene Bildung, die sog. Attrac- tionssphären van Beneden.) Auf das Stadium des Spirems, das wir bislang betrachteten und das mit der vollendeten Längstheilung der chromatischen Fäden sein Ende erreicht (Fig. 6), folgt nun das Stadium, welches als „Mutterstern“, „Aster“, „Monaster‘“ bezeichnet wird (Fig. 7). Das Charakteristische desselben beruht in der Fertigstellung der Anordnung der chromatischen Fadenschlingen um die Aequatorial- ebene der Spindelfigur, dergestalt, dass die Schlingenscheitel sämmtlich zur Spindelfigur centralwärts gekehrt sind, die Schenkel der Schlingen zur Peripherie. Flemming hat die einschlägigen Vorgänge zuerst beschrieben. Wenn wir vorhin schon darauf hin- wiesen, dass die Aequatorialregion der Spindelfigur eine Art Attractionsfeld für die chromatischen Schlingen sei, so wird eben mit dem Beginn dieses Stadiums das vollendet, was im vorigen sich einleitete und zwar in einer höchst bemerkenswerthen und interessanten Form. Die chromatischen Fadeuschlingen folgen, wie gesagt, dem Aequator der Spindelfigur und gruppiren sich hier dicht zusammen in der erwähnten Weise. Beschaut man einen Kern vom Pol einer Spindelfigur her, so muss die chromatische Figur als Stern mit heller Mitte erscheinen, in dieser Mitte steckt als zweiter Stern die blasse Spindelfigur, deren Pol dem Beschauer zugewendet ist, s. Fig. 8. — Die längsgetheilten chromatischen Fäden erfahren zugleich eine Verdickung und Verkürzung. Dieses Stadium ist nur von kurzer Dauer und geht rasch über in das folgende, welches gegenwärtig (nach Flemming) als das der „Metakinesis‘ bezeichnet wird!). In diesem vollzieht 1) Der Ausdruck „Aequatorialplatte“ (Flemming), „Kernplatte‘“ (Stras- burger) passt wegen des Wortes „Platte“ wohl am besten für das Ende des Muttersternstadiums, wann nämlich die chromatischen Elemente am Aequator so ziemlich in eine Ebene zusammengerückt sind. Das Wort „Metakinesis“ findet bessere Verwendung für das beginnende folgende Stadium, in welchem Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 23 sich im Wesentlichen das Auseinanderrücken der aus der früheren Längstheilung hervorgesangenen chromatischen Schwesterfäden. E. van Beneden (23) hat zuerst für thierische Zellen (Eifurchungs- zellen von Ascaris megaloceph.), Heuser (97) gleichzeitig für pflanz- liche, mit Bestimmtheit gezeigt, dass von den beiden secundären Fäden, welche aus einem früheren chromatischen Primärfaden hervorgehen (Sehwesterfäden), der eine zu dem einen Pole der Kernspindel, der andere zum anderen Pole hinwandert. Nächst dem Nachweise der Längsspaltung der Fäden durch Flemming dürfte dieser Fund E. van Beneden’s und Heuser’s wohl der bedeutendste sein, der in der neueren Zeit in Sachen der Karyokinesis gemacht wurde; durch ihn hat Flemming’s Entdeckung erst ihren vollen Werth erhalten, wievan Benedenl.c.p.328, 379 und 380 schon ein- sehend würdigt. Bereits bei Flemming (58) finden sich viele genaue Detailangaben über diese Vorgänge, und Rabl (165) hat in jüngster Zeit eine sehr eingehende Schilderung der Metakinesis bei den Gewebszellen von Salamandra geliefert, bezüglich derer ich jedoch auf das Original verweisen möchte. Die nach Rabl copirten Fig. 9 und 10 (bei denen, wie auch in Fig. 11, der Totalumriss des Kerns nicht mehr angedeutet ist) geben eine ungefähre Vorstellung vom Gange der Dinge. Die Metakinesis führt nun zum folgenden (4.) Stadium, dem der „Tochtersterne‘“ (Dyaster) Fig. 11. Dasselbe be- sinnt von dem Augenblicke an, wann die offenen Schlingenschenkel der zu beiden Polen, der Spindelfigur entlang, wandernden chro- matischen Fäden sich nicht mehr in der Aequatorialebene berühren. Die Schlingenwinkel jeder Polhälfte nähern sich dann einander immer mehr, die offenen Schenkel gehen aus der der Spindelfigur das Auseinanderrücken der Fadenhälften beginnt; es deckt sich also nicht völlig mit dem Ausdrucke: Aequatorial- oder Kernplatte. Das Wort: „Platte“ ist übrigens nicht besonders bezeichnend für ein aus Schlingen zusammenge- setztes Gebilde; doch kommen, namentlich bei Pflanzenzellen, Fälle vor, in denen die chromatischen Fäden sehr kurz sind, so dass sie Körnern gleichen; liegen solche Fadenelemente nahezu in derselben Ebene dicht aneinander, so kann allerdings der Eindruck einer „Platte“ entstehen. Mayzel in der ge- nannten Festschrift bildet ein derartiges Verhalten bei den Spermatocyten von Liparis- und Sphynx-Raupen, also bei thierischen Zellen ab. Er hat dasselbe schon früher (1881) beschrieben. Neuerdings hat Platner in einer eingehenden Arbeit über die Karyokinese bei den Lepidopteren (161) ähnliche Bil- der gegeben. . 24 W. Waldeyer: parallelen Richtung, die sie bei der Trennung annahmen, wieder mehr in die der Aequatorialebene entsprechende über, so dass man wiederum an jedem Pol, bei der polaren Ansicht, das Bild eines Sternes, des Tochtersternes, erhält. Da die Schleifenwinkel sich hier nicht berühren, so zeigt auch jeder Tochterstern einen Umriss des Kerns. Schleifen der chromati- Spindelfigur mit schen Figur. Polkörperchen Ri028. Fig. 9. Fig. 10. Chromatische Figur, Spindel, Pol- Dasselbe wie in Fig. 9 in einem strahlung (Metakinesis I). späteren Stadium (Metakinesis IN). HR ie —Verbindungsfäden (filaments Wi röunissantesvanBeneden). Hipaadat Dasselbe wie in Figg. 9 und 10. Tochtersterne. (Dyaster). Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 25 polaren lichten Fleck, der wie eine Delle erscheint (Hilus, Retzius, 172). Flemming nimmt an, dass die Fädenschleifen der Tochter- sterne alle gleichlang und gleichschenkelig seien, worin ihm Rabl widerspricht. Man vergl. die hier nach Rab gezeichneten Figuren. Als letzte Phase erscheint dann, unmittelbar aus dem Tochter- stern hervorgehend, der „Tochterkäuel“, Dispirem, Flem- ming. Die Schleifenfäden verkürzen und verdicken sich noch mehr, und wenn wir der Darstellung Rabl’s folgen, würde die polare Fläche des Tochterkerns, da, wo die eben erwähnte Delle liegt, zum Polfelde; die Schleifenschenkel biegen zum ehemaligen Aequator hin um und begegnen sich an der dorthin gewendeten Kernfläche, welche zur Gegenpolseite wird. Bei den Pflanzenzellen haben Heuser und Strasburgerähnliches constatirt; doch kann, wie Guignard (84) und Strasburger (191) angeben, die Delle (Hilus) auch fehlen. In diesem Stadium erfolgt dann auch, wenn es zur Zelltheilung kommt, was in den meisten Fällen eintritt, die Thei- lung des Zellplasma’s, weıcne im Wesentlichen unter den Erscheinungen einer immer tiefer durchgreifenden Einschnürung in der Aequatorialebene vor sich geht. Vergl. über den Process der Theilung des Zellkörpers weiter unten. Erst, wann die Zelle in zwei Hälften getheilt ist, beginnt die Umwandlung des Tochterknäuels zum ruhenden (Tochter-) Kern. Die ersten Spuren einer neuen Kernmembran treten in- dessen an den Tochterkernen schon vor Beginn der Zelltheilung auf, bereits mit dem Zustandekommen des Tochterknäuels. Woher sie stammt, ist bis jetzt ebensowenig festgestellt wie der Modus des Schwindens der Mutterkernmembran. Nach Ra bl soll eine Tochter- kernmembran zuerst an der Gegenpolseite sichtbar werden. Das Polkörperchen schwindet ebenfalls mit dem Beginne des Tochter- knäuels. Was die chromatischen Fäden des Tochterknäuels an- langt, so beginnen sie bald zackig zu werden und Fortsätze aus- zusenden, mit denen sie sich unter einander verbinden, so dass wieder eine Netzform des Gerüstes herauskommt; sie verlieren dabei ihr gleichmässiges Kaliber. Rabl giebt zu, dass auch einzelne dickere Fäden mit ihren Schenkeln unter einander zu längeren Fäden verschmelzen, stellt aber, in Uebereinstimmung mit seiner Auffassung vom Baue des ruhenden Kerns, in Abrede, dass alle dieken Fadenschlingen untereinander an ihren Enden zu einem Faden verschmelzen, so dass ein einziger stark ge- 26 W. Waldeyer: wundener Tochterkernfaden entstehe, wie es Flemming, Retzius und Heuser wollen. So geht dann aus dem Tochterknäuel wieder der „ruhende Tochterkern“ hervor, der inzwischen sammt seinem Zellprotoplasma an Grösse zugenommen hat und in allen wesentlichen Stücken dem ruhenden Mutterkerne gleicht. Auch bei ihm sind, man vergl. Fig. 12, Hauptfäden und Nebenfäden, Rest der Spindelfigur im sogen. „Hilus‘‘ der chrom. Figur. Heller Hof um den EHI Kern. HERRN Glänzende Linie, die N Theilungsebene der N Zelle andeutend. B — Zellprotoplasma. Gegenpolseite des _ Tochterkerns.“ Delle (Hilus) Polfeld. Zelle und Kern: Vollendete Kerntheilung, beginnende Zelltheilung. Der eine Tochterkern (in A) im Zustande des Tochterknäuels; der andere (in B) wieder im Zustande des ruhenden Kerns. Polfeld und Gegenpolseite zu unterscheiden. Die Unterscheidung dieser letzteren beiden Abschnitte am ruhenden Kern wird ja, wie man sieht, gerade durch den Vorgang der Karyokinese erklärlich. Wann das Kernkörperchen auftritt und wie es entsteht, darüber fehlen uns bis jetzt übereinstimmende und verlässliche Angaben. Fassen wir Alles zusammen, was bis auf unsere Tage über die karyokinetischen Vorgänge bekannt geworden ist, so können wir das Wesentliche derselben wohl am einfachsten mit den folgenden Worten Boveri’s (36) wiedergeben: ‚„„Zusammenziehung des chro- matischen Kernmaterials in eine (bestimmte) Anzahl isolirter Stücke von charakteristischer, nach der Zellart wechselnder Form: .die chromatischen Elemente; Ausbildung einer achromatischen Fadenfigur, sei es aus Kern-, sei es aus Zellsubstanz mit 2 Polen; Lagerung der chromatischen Elemente, so weit dies ihre Zahl, Grösse und Form gestattet, in der Aequatorialebene der achro- matischen Figur; Theilung der chromatischen Elemente in 2 Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 27 Hälften, von denen jede einem anderen Pol zugeführt wird; Auf- lösung der Tochterelemente in das Gerüst zweier neuer Kerne.“ Wir haben nun noch einige Punkte genauer zu besprechen, die bisher nur flüchtig berührt worden waren, andere, die noch nicht erwähnt wurden, nachzutragen. In erster Linie möchte ich mir jedoch den Vorschlag erlauben, diejenigen Dinge, welche soeben mit Boveri als „chromatische Elemente‘ bezeichnet wurden, an denen sich einer der wichtigsten Akte der Karyokinese, die Flemming’sche Längs- theilung vollzieht, mit einem besonderen terminustechniceus „Chromo- somen“zu belegen. Der Name „primäre Schleifen“ passt nicht, da wir bei weitem nicht immer eine Schleifenform für diese Dinge haben. „Chromatische Elemente“ ist zu lang. Andererseits sind sieso wichtig, dass ein besonderer kürzerer Name wünschenswerth erscheint. Plat- ner (160) gebraucht den Ausdruck „Karyosomen‘; da dieser aber zu sehr an Kernkörperchen erinnert, dürfte eine andere Bezeichnung vorzuziehen sein. Ist die von mir vorgeschlagene praktisch ver- wendbar, so wird sie sich wohl einbürgern, sonst möge sie bald der Vergessenheit anheimfallen. In zweiter Linie gilt es der Spindelfigur und den Strablen- fisuren im Protoplasma. Beide sind hier in den Abbildungen Nr. 5—11 dargestellt. Die Spindelfigur wurde zuerst abgebildet und kurz beschrieben von Alexander Kowalevsky, damals in Kiew, in dessen berühmter Abhandlung (114): „Embryologische Studienan Würmern und Arthropoden“. Die Polarstrahlungen des Zell- protoplasma’s, welche von den beiden Polen der Spindelfigur ausgehen, zeigten unszuerst Hermann Folin Genf(64) und A.Schneider (181). Während Fol und Schneider die Polarstrahlung von vorn herein gut abbilden und beschreiben, ist Kowalevsky’s Spindelfigur nur unvollständig und deutet er sie als auf einer Theilung des Kernkörperchens beruhend. Dass sich die Nucleolen an der Bildung der Spindelfäden betheiligen, nimmt neuerdings wieder Carnoy (47) an. Erst Bütschli (41, 42) gab uns genauere Daten. Unge- achtet zahlreicher Untersuchungen, die auf diesen Punkt nament- lich von Flemming, Strasburger und Mayzel gerichtet wur- den, sind wir jedoch über die Herkunft und Bedeutung der Spindel- fäden und Polstrahlungen noch im Unklaren. Auch über das End- schieksal beider Bildungen wissen wir nichts Bestimmtes. Un- streitig ist aber die „Kernspindel“ eine der wichtigsten Erschei- nungen bei der Karyokinese und ich glaube nicht fehl zu greifen, 28 W. Waldeyer: wenn ich mir wesentliche weitere Fortschritte in der Erkenntniss des Wesens der mitotischen Theilung hauptsächlich von der Autfhellung der Entstehung und des Verbleibs der Spindelfäden verspreche. Wenn wir von den eben erwähnten vereinzelt dastehenden Behauptungen, dass die Nucleoli sich an der Bildung der Spindel- figur betheiligen, absehen, so sind zur Zeit drei Ansichten über deren Herkunft vertreten: 1) Die achromatischen Spindelfäden ent- stehen der Hauptsache nach aus dem Zellprotoplasma (Stras- burger, Guignard u. A., namentlich die Botaniker). 2) Sie ent- stehen aus der achromatischen Fadensubstanz des Kerns (Bütschli, Flemming, Pfitzner, Carnoy, Rabl, O. Zacha- rias und Schewiakoff). 3) Sie entstehen sowohl aus achroma- tischen Kernbestandtheilen, wie auch aus dem Zellprotoplasma (E. van Beneden, Heuser, Platner u. A.). Bezüglich der An- gaben Platner’s sei bemerkt, dass derselbe bei Arion (160) nur die achromatische Kernsubstanz betheiligt sein lässt. In einer zweiten Abhandlung (161) dagegen leitet er den polaren Theil der Fäden aus dem Zellprotoplasma, den äquatorialen aus der Kernsubstanz ab. Er schliesst sich hiermit an E. van Beneden an, welcher angibt (23, 24), dass bei der ersten Anlage die beiden Spindelhälften im Aequator getrennt wären, so dass wir also, statt einer Faden- Spindel, zwei Faden-Kegel hätten. Dieser Darstellung stimmt für Ascaris megalocephala auch Boveri (34) zu, während Flem- ming (63) sich dahin äussert, dass dies Verhalten keineswegs An- spruch anf allgemeine Gültigkeit habe. Eigenthümlich und widerspruchsvoll lautet die Angabe Bo- veri’s (34), dass die Spindelfäden bei der Bildung der sogenannten „Riehtungskörper“ — s. darüber weiter unten — aus den achro- matischen Kernbestandtheilen, bei der Furchung der Eizelle da- gegen aus dem Zellprotoplasma hervorgehen sollen (Ascaris megalo- cephala). Strasburger (191) weist bei Spirogyra polytaeniata nach, dass sich der bei weitem grösste Theil der Spindelfigur aus dem Zellprotoplasma bildet, und zwar treten, entspreehend der Ansicht E. van Beneden’s, die beiden Hälften der Figur anfangs ge- trennt auf, um sich erst später zu einem Theil im Bereiche der Aequatorialplatte zu vereinigen. Der andere Theil der Spindelfäden heftet sich an die Chromatinschleifen der Aequa- torialplatte an. Wenn die Kernmembran während der Bildung der Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 29 Spindelfigur noch erhalten bleibt, so durchbrechen die Spindel- fäden die Membran, welche somit siebartig durehlöchert wird. So erkläre sich, meint Strasburger, die Angabe Flemming’s, dass die Spindelfäden innerhalb einer unversehrt erscheinenden Kernmembran auftreten können. Innerhalb der Kernmembran fin- den sich aber ausser den Chromatinschleifen noch einige sehr zarte Fäden, welche die Chromatinschleifen mit der Kernmembran verbinden. Woher diese feinen Fäden stammen, ob sie ursprüng- lich dem Kern angehören, oder aus der Umgebung eingedrungen sind, was aus ihnen schliesslich wird, ob sie sich mit den chro- matischen Schleifen, oder mit den Spindelfäden vereinigen, muss Strasburger vor der Hand unentschieden lassen. Er neigt dazu, sie von der Umgebung des Kerns —d. h. also vom Cytoplasma — abzuleiten und sie später mit den Spindelfäden sich vereinigen zu lassen. Wie bei Spirogyra, so verhalten sich, hinsichtlich ihres Verlaufes, auch die Spindelfäden bei Ascaris megalocephala(E. van Beneden und Boveri). Die Fäden erreichen später zum srössten Theile von beiden Seiten her die Aequatorialplatte; aber nur ein kleiner Theil derselben verbindet sich direkt, so dass nur einige wenige Fäden von Pol zu Pol verlaufen. Boveri findet dasselbe in den Hodenzellen des Krebses. — CGarnoy (47) lässt da- gegen bei sämmtlichen von ihm untersuchten Arthropoden die Fä- den alle von Pol zu Pol ziehen, ebenso Flemming für die Hoden- zellen von Salamandra, wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit. So nun soll es sich auch nach Went (205) und Strasburger (191) für die höheren Pflanzen verhalten, während Berthold (Proto- plasmamechanik) wiederum nur einen Theil der Fäden (bei Pflanzen) von Pol zu Pol sich erstrecken lässt. Strasburger ist jedoch in seiner Ansicht über die Bildung der Spindelfigur nicht exelusiv; bei Besprechung der Arbeit von Schewiakoff (178) gibt er die Möglichkeit zu, dass bei den Proto- zoen die Spindelfasern der Kernsubstanz entstammten; es hänge dies mit der dauernden Abgrenzung des Kerms gegen das Cytoplasma zusammen. Bei Spirogyra bleiben diejenigen Spindelfäden, welche in der Aequatorial-Ebene mit einander sich vereinigt hatten, während des Auseinanderrückens der Tochterkerne noch eine Zeitlang als „Ver- bindungsfäden“ erhalten. (Von den „filaments r&unissantes“ E. van Beneden’s, die ja von den Spindelfäden verschieden sein sollen, spricht Strasburger nicht). Schliesslich lässt Letzterer alle 30 W. Waldeyer: Spindelfäden in das Zellprotoplasma übergehen; aber dieser Theil des Protoplasma’s werde alsbald wieder zur Ernährung, bezw. zum Wachsthum der Tochterkerne aufgebraucht. Als sicher bezüglich des Verbleibs der Fäden sieht auch Flemming (63) an, dass ein grosser Theil derselben in das Proto- plasma der Tochterzellen übergehe. Daraus folge aber noch nicht, dass die Fäden auch aus dem Protoplasma hätten abstammen müssen. Man könne vielmehr, falls die Fäden vom Mutterkern abstammten und später in die Zellsubstanz übergingen, darin ein wichtiges Moment für den Vorgang der Vererbung sehen: „Es könnten damit dem Zellkörper gewisse Prädisposi- tionen übertragen werden.“ Ausdrücklich verwahrt sich Flem- ming bei dieser Gelegenheit dagegen, dass er jemals das Chro- matin allein als die wesentliche Kernsubstanz angesehen habe. Wichtig sind auch die Beziehungen der Spindelfigur zur Bil- dung der Zellmembran. Im Aequator kommt es, namentlich bei Pflanzenzellen, bei der beginnenden Zelltheilung zur Bildung kleiner knötehenförmiger Verdickungen der Spindelfäden. Die Summe dieser Knötchen (,„Dermatosomen“ — Wiesner (207) (inanderer Bedeutung) und Strasburger) bildet Strasburger’s „Zellplatte“; sie be- zeichnen die Theilungsebene des Kerns und der Zelle und gehen später in die Zellwand (Scheidewand) der Pflanzenzellen, welche im Wesentlichen aus einer Verschmelzung dieser sich allmählich vergrössernden Dermatosomen entsteht, über. Während der Mem- branbildung entwickeln sich, wie Strasburger in seiner neuesten Mittheilung (191) mit Entschiedenbeit vertritt, auch noch zahlreiche weitere Verbindungsfäden. Da bei der Theilung thierischer Zellen Scheidewandbildungen nicht vorkommen, so lassen sich knötchen- törmige Verdickungen der Spindelfäden hier nicht in der Weise wie bei Pflanzenzellen erwarten. Doch sprechen Mayzel bei den Theilungen der Endothelzellen der vorderen Augenkammer und E. van Beneden bei den Theilungen der vorbin erwähnten „Dieye- miden“, einer niederen Thierform, von ähnlichen Erscheinungen; auch Flemming (58), S. 246, berichtet, dass bei beginnender Ein- schnürung der Zelle an manchen Exemplaren im Aequator deut- lichere Fäden auftreten; er vermochte jedoch nicht zu entscheiden, ob diese Fäden mit den ursprünglichen Spindelfäden zusammen- hingen. Vgl. hierüber besonders Carnoy (47) u. w. u. bei Be- sprechung der Richtungskörper, S. 46. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen’ zu den Befruchtungsvorgängen. 31 Bei Rab 1 (165) lesen wir (S. 282), dass an den Polen der Tochter- sterne eine helle, stark liehtbrechende Masse erscheine, die wohl „unzweifelhaft“ aus dem Reste der Spindelfasern hervorgegangen sei. Sehr beachtenswerth sind die Angaben von Platner 159) und von v. La Valette St. George (121), dass bei der Bildung der Samenfäden während der letzten der hier vorkommenden mitotischen Theilungen die Spindelfasern in den sogenannten „Nebenkern“ über- singen. Man vergleiche hierüber auch die sehr genauen und ein- sehenden Untersuchungen von Prenant (163). Mit den Polarstrahlungen haben sich nur wenige Autoren eingehend beschäftigt und doch glaube ich mit Fo1 (68), dass dieselben eine grosse Bedeutung beanspruchen dürfen. Auerbach (5), einer der Ersten, welche diese Strahlungen beobachteten, hielt sie für den Ausdruck einer Auflösung des Kerns und einer Verbreitung der aufgelösten Kernmasse im Zellprotoplasma; er nannte sie des- halb „karyolytische Figuren“. Einer Vermischung von Zellsaft und Kernsaft bei der Karyokinese redet auch, wie wir sahen, noch heute Strasburger das Wort; doch dürfen wir wohl die strahligen Polfiguren nicht darauf beziehen. Die ausführlichsten Angaben liefern uns jüngst über diesen wichtigen Punkt E. van Beneden und Platner. Der Erstere hat überhaupt den Vorgängen im Zellprotoplasma während der mitotischen Theilung vom Beginne seiner Untersuchungen an die grösste Aufmerksam- keit geschenkt. So zeigte er, dass das Protoplasma der Zellen, deren Kerne sich zu karyokinetischer Theilung anschicken (wie z. B. die Zellen der Keimblätter des Kaninchens), stärkeren Glanz und ein stärkeres Färbungsvermögen gewinnen. Dass dies auf der Ausbildung einer stärker lichtbreehenden Rindenschicht be- ruhe, wie Flemming gemeint hat, möchte E. van Beneden nicht annehmen. Ist die Theilung vorüber, so verlieren sich die genannten Eigenthümlichkeiten wieder. Ferner entdeckte E. van Beneden (23), wie wir bereits er- wähnten, die „Polkörperchen“ und die von ihm sogen. „spheres attrac- tives‘“ (Attractionssphären Strasburger), über welehe nunmehr das Nähere beigebracht werden soll. NachE. van Beneden’s und Neyt’s neuen Untersuchungen (24) erscheinen die „spheres attractives“ bei Ascaris megalocephala bereits sehr früh, schon zur Zeit, wann die beiden sogen. pronuclei, S. darüber weiter unten im II. Theile, noch eine retienlirte Structur haben € y 32 W. Waldeyer: und weit von einander entfernt liegen. Sie stellen zwei anfangs nahe beieinander gelagerte, sphärisch gestaltete und sich dunkler tingirende Stellen im Protoplasma dar. Im Centrum derselben zeigt sich das be- reitserwähnte, von einemlichteren Hofe umgebene Polkörperchen (oder „Centralkörperchen‘“, wie E. van Benedenes nunmehr zu nennen vorschlägt). Später rücken sie in eine polare Stellung auseinander und von ihnen gehen die verschiedenen Strahlungen aus, die man während der Theilungsvorgänge im Eiprotoplasma und an der Stelle des Kerns beobachtet. Die dunkle Partie der „Sphere attraetive“ heisst die „Rindenzone“, der helle Hof um das Central- körperehen die „Markzone“. DieStrahlungen zeigen sich 1) als die bekannte Spin- delfigur, deren polare Spitzen sich an beide Centralkörperchen anheften, 2) als der als „cöne antipode“ bezeichnete Strahlen- kegel (s. Fig. 13), der in umgekehrter Richtung — mit der Basis Polarkreis Wendekreis Helle Markzone Dunklere Rinden- ie Aequatorialplatte der chromatischen Figur Spindelfigur Strahlenfreier N BR (cöne prineipal) Theil des Eies (Aequatorial-Ring) Polkörperchen Rio. 13. Ei von Ascaris megalocephala im Stadium der sogen. Aequatorialplatte nach E. van Beneden. 4 chromat. Schleifen im Aequator der Spindelfigur ; Polkörper, Spheres attractives, Sternstrahlung (Aster), Polarkreise, Wendekreise, Aequatorialring, (Halbschematisch). zur Peripherie gewendet — zieht und 3) als die Hauptstrah- lungimProtoplasma, dieSternfigur (Aster). Alle diese drei Strahlungen kommen im Centralkörperchen zusammen; der „cöne antipode‘ ist ein Theil der Hauptsternfigur, durch stär- kere Strahlen von ihr abgesetzt. Da, wo der „eöne antipode“ die Eioberfläche trifft, markirt sich ein Kreis, der „Polarkreis“; zu- weilen ist dieser als seichte Furche erkennbar. Eine ähnliche Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgüngen. 33 Furche begrenzt jederseits zum Aequator hin die Asterfiguren; van Beneden nennt sie den „Wendekreis“ (cerele sub&qua- torial). Zwischen beiden Wendekreisen bleibt eine äquatoriale Zone frei von Strahlen; dieselbe (bourrelet &quatorial) springt ein wenig vor. In dieser Zone liegt der äquatoriale Bezirk der Spin- delfisur und die chromatischen Schleifen während des Stadiums der Aequatorialplatte und der Metakinese. Ich habe eine Figur nach E.vanBeneden wiedergegeben (Fig. 13), welche die hier beschriebenen Dinge zu klarer Anschauung bringt. Wichtig ist die Angabe van Beneden’s (24), dass die spheres attractives bleibende Bildungen seien, welche bei den successiven Theilungen der sich furchenden Eizelle sich mit theilen und zwar zuerst, selbst vor der Theilung des Kerns. Die Theilung der sphere attracetive beginnt mit dem Centralkörperchen, dessen beide Theilstücke ein wenig auseinanderrücken; es folgt dann die Theilung der sphere nach, so dass die beiden Tochter- sphären naturgemäss zunächst nahe bei einander liegen. Denkt man sich -— vgl. Fig. 13 — die erste Theilung der Eizelle in deren Aequator: vollzogen, so würden dann, bei der nächstfolgenden Theilung, in jeder der beiden ersten zur Theilung sich an- schiekenden Blastomeren (Furchungskugeln) die zusammengehören- den beiden Tochtersphären dicht nebeneinander in der Gegend des Polarkreises gelegen sein. Zieht man nun die Zellenaxe jeder Furehungskugel von der Mitte des Polarkreises zwischen den beiden neuen Centralkörperchen hindurch zum entgegengesetzten Ende der Zelle, so hat diese Axe offenbar zwei ungleiche Pole, denn an dem einen Pole liegt der eine der Polarkreise und beide Tochter- sphären nebst beiden Centralkörperchen, während an dem andern Ende dieser Axe nichts dem entsprechendes zu finden ist. Jede Furchungskugel ist also um diese Zeit ihrer Existenz einaxig, aber von bilateral symmetrischer Structur, denn man kann sie ja mit- telst einer in der genannten Axe zwischen beiden Sphären durch- gehenden Ebene in zwei gleichgebaute Hälften zerlegen. Dieselbe bilaterale Symmetrie muss aber jede weitere Furchungszelle auf- weisen und schliesst Evan Beneden hieraus auf einen bilateral symmetrischen Bau aller Zellen und möchte darin die Grundlage der bilateralen Symmetrie der Organismen erblicken. In Folge des genannten Verhaltens der Sphären bei der Thei- lung muss diesen eine wichtige Bedeutung zugeschrieben werden. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 22, O 34 W. Waldeyer: (Nous sommes done autoris6s, sagt van Beneden (24), & penser que la sphere attractive avec son corpuscule central constitue un organe per- manent, non seulement pour les premieres blastom£res, mais pourtoute cellule; qu’elle constitue un organe de la cellule au m&me titre que le noyau lui-meme; que tout corpuscule central derive d’un corpus- eule anterieur; que toute sphere procede d’une sphere anterieure, et que la division de la sphere prece&de celle du noyau cellulaire.) Man könne daher, meint E. van Beneden, die Theilungsur- sache nicht in den Kernen suchen, sondern es müsse diese vielmehr in den Centralkörperchen und in den Sphären ge- legen sein. | Platner (161) hat bei einem anderen Objeete, bei den Lepi- dopteren, sehr eingehend die Strahlenfiguren im Zellprotoplasma be- schrieben. Auch er schildert den Zusammenhang der Astern (Cyt- astern), welchen offenbar der cöne antippde van Beneden’s entspricht, mit dem Centralkörperchen und mit der Spindelfigur; er lässt ferner aber von beiden Astern grosse bogenförmige Strah- lungszüge das ganze Protoplasma durchsetzen und einander im Aequator begegnen; eine strahlenfreie Zone finde ich bei ihm nicht erwähnt. Ich gehe jetzt auf einen Punkt ein, der bis auf die neuere Zeit kaum beachtet worden ist, ich meine auf das Verhalten des Kernsaftes während der Theilung. Wir haben schon erwähnt, dass, wenn man von den Protozoen absieht, zur Zeit der Mutterstern- bildung jede Spur einer Kernmembran, man mag diese nun auffassen, wie man will, schwindet. Es berühren sich dann unmittelbar Kernsaft und Zellprotoplasma (Zellsubstanz), und der Gedanke liegt nahe, dass eine Mischung beider stattfinde, und dass darin die Bedeutung des Schwindens der äusseren Kernhülle zu suchen sei. In der That betont namentlich Strasburger, wie wir mehrfach hervorhoben, das Eindringen von Bestandtheilen des Zell- leibes in die Kernmasse und leitet von diesen eingedrungenen Be- standtheilen die Spindelfigur ab. Auch Carnoy (47) und Sche- wiakoff (178) nehmen das Eindringen von Cytoplasma in den Be- reich des Kerns und Carnoy umgekehrt von Karyoplasma in den Bereich der Zelle an. Aus den Abbildungen und Beschreibungen fast aller Autoren ist ferner ersichtlich, dass sie die Totalform des Kerns mit dem Schwinden der Membran ebenfalls vergehen lassen und Vielen mag die Meinung vorgeschwebt haben, dass dann der Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 35 Kern nur durch die Spindelfigur und die chromatische Figur repräsentirt sei; wenigstens sieht man an den in der üblichen Weise hergestellten Präparaten nichts von dem Kernsaft und den früheren Umrissen des Kerns, und es wurde dem Kernsafte, der doch auch seiner Masse nach einen so wesentlichen Bestandtheil bildet, im Ganzen wenig Beachtung geschenkt. E. Sattler (177) und mir, die wir im Jahre 1882 die Frosch- hornhaut unter Anwendung des Lapisstiftes auf Kerntheilungen unter- suchten, fiel es auf, dass wir dabei stets nur Kerntheilungsfiguren nach dem früheren Remak’schen Schema erhielten, niemals karyokinetische Figuren, während wir letztere jedoch an anders behandelten Froschhornhäuten leicht darzustellen vermochten. Wir versuchten vergebens in den Theilungsbildern der Silberkerne auch die chromatischen Figuren zu bekommen; es gelang uns nicht. Schon damals äusserten wir uns a. a. O. S. 675 folgendermaassen: „Sucht man die Differenzen der Bilder wie sie die Silberbehand- lung und die Kernfärbungsverfahren ergeben, zu erklären, so scheint nur die Annahme zulässig, dass das andere Aussehen der Silberkerne auf Rechnung der achromatischen Substanz Flemming’s — heute möchte ich vorziehen präciser zu sagen, des „Kernsaftes“ — zu setzen sei. Diese lässt sich bei den Kerntinctionen nicht deutlich machen, verschwindet wenigstens gegenüber den auf- fallenden Zeichnungen, wie sie die chromatischen Bestandtheile des Kerns während der Theilnng zeigen. Das Silber zeigt stets das Bild des Gesammtkerns mit seiner chromatischen und achro- matischen Substanz und man ersieht aus den geschilderten Bildern, dass die achromatische Substanz auch amöboide Bewegungen während der Theilung zeigt, im übrigen aber bei der Theilung sich in einfacherer Weise, nach Art der früher gegebenen Thei- lungsschemata gerirt. Man muss daher aus den Ergebnissen der Tinetions- und der Silberbilder den Schluss ziehen, dass die mehr flüssige achromatische Kernsubstanz stets um die Kernfäden er- halten bleibt, sich nicht etwa im Zellprotoplasma auflöst, sondern sich mit dem chromatischen Kerngerüste theilt; während dabei aber das Chromatin des Kerns successive die bekannten auffallen- den Gestalt- und Lageveränderungen durchmacht, theilt das Achro- matin sich in einfacher Weise, indem es immer eine Art Hille um die Chromatinfiguren bildet.“ Neuerdings hat nun Pfitzner (157) in einer sehr bemerkens- 36 W. Waldeyer: werthen Arbeit den factischen Beweis dafür erbracht. dass es sich in der That so verhalte. Es gelang ihm gleichzeitig die chromatischen Fadenfiguren und die übrigen Bestandtheile des Kerns — er fasst sie, abgesehen von der Spindel, jetzt unter dem Namen „Kern- srundsubstanz“ zusammen — während der Theilung sichtbar zu machen und er sah nun par: passu eine einfache Theilung der Grundsubstanz, in Form einer Durchschnürung, neben den kine- tischen Vorgängen an der Fadenfigur ablaufen. Er kommt dem- nach zu folgenden Schlüssen: 1. Der Kern ist zu jeder Zeit ein vollständig selbständig innerhalb der Zelle gelegenes abgeschlossenes Gebilde. 2. Die Karyokinese ist der Ausdruck eines innerhalb des Zellkernes ablaufenden Vorganges, bei welchem keine morpho- logischen Bestandtheile des Zellleibes activ eingreifen. Uebrigens beobachtete Pfitzner, dass die Configuration des Kernsaftes (Kerngrundsubstanz) sich stets eng an die chromatische Figur anschloss, so dass er zu der Annahme gelangt, die Be- wegungen des Chromatins seien das Primäre. Mit dem hier Berichteten stimmen die Angaben von E. Za- charias (209), dass stets die Abgrenzung des Kerns gegen das Zellprotoplasma deutlich sei. Auch Strasburger (190, 194) hatte sich dahin geäussert, dass zwischen den auseinanderweichenden Hälften der chromatischen Figur stets Substanz sei und bleibe, dass sie sich mit theile und zum Theil zu dem einen, zum Theil zu dem anderen Tochterkerne trete; ausserdem aber nahm er dabei, abweichend von Pfitzner, ein Hineintreten von Bestandtheilen des Zellprotoplasma’s zwischen die Fadenbestandtheile des Kerns an. Einer solchen Vermischung der Interfilarmasse des Zellleibes mit dem Kernsafte während der Mitose redet neuerdings wieder Tangl in einer aus Flemming'’s Laboratorium hervorgegangenen Arbeit (196 a) das Wort, indem er sich speeiell gegen die Beweiskräftigkeit der nach dem Verfahren von Pfitzner erhaltenen Präparate wendet. In seiner neuesten Mittheilung (191) spricht sich Strasburger in ähnlicher Weise aus und bekräftigt seine eben mitgetheilten früheren Aeusserungen, so dass wieder gewichtige Zweifel gegen die Richtigkeit der von Pfitzuer, Sattler und mir vertretenen Ansicht laut geworden sind. Ich möchte indessen die Sachenicht fallen lassen, denn für diese ganze Frage sehr wichtig ist zweifellos der wiederholt gemachte Deber Karvokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 37 y g & gang Befund von ächt mitotischen Kerntheilungen bei Protozoen, wobei nach der übereinstimmenden Angabe aller Beobachter (Bütsehli (43), R. Hertwig (94), Pfitzner (156), Gruber (82), insbesondere Sch e- wiakoff (178) die Kernmembran während der ganzen Dauer des Vor- sanges erhalten bleibt, und erst gegen den Schluss desselben sich durch- schnürt, während alles übrige im Wesentlichen in derselben Weise, wie bei den gewöhnlich studirten Objeeten sich vollzieht. Strasburger (191) meint freilich hierzu, dass dies nur dann möglich sein dürfte, wenn der Kerntheilung, wie bei den genannten Protozoen, keine Zelltheilung folgt. Doch passt diese Bemerkung nicht zu Schewia- koff’s Object, bei welchem der Process ganz typisch verläuft und eine reguläre Zelltheilung eintritt. Schewiakoff kommt auch zu dem Schlusse, dass das Nichtsichtbarwerden der Kernmembran nicht zur Annahme berechtige, dass dieselbe zu einer gewissen Zeit während der Karyokinese schwinde; er ist sogar geneigt mit Pfitzner das Gegentheil zu vermuthen, will es jedoch nicht als feste Behauptung hinstellen. Ich, für meinen Theil, lege auf das Be- stehenbleiben einer Kernmembran kein Gewicht, wohl aber auf die Erhaltung des Kernumrisses, worunter ich verstehe, dass auch die mehr flüssigen Bestandtheile des Kerns ihre Selbständig- keit gegenüber dem Zellleibe wahren. Vergl. das vorhin gelegentlich der Arbeit Sattlers Bemerkte. In der ersten Bearbeitung dieser Gegenstandes (s. Deutsche med. Wochenschrift 1886 und „Archiv f. Anatomie und Physiologie“, Physiologische Abtheilung, herausg. v. E. du Bois-Reymond) hatte ich auf Grund der Angaben vom Bestehenbleiben des Kern- umrisses bei der Mitose mich folgendermassen geäussert: „Ich möchte nach eben diesen Befunden jetzt die Schranke zwischen einer „direeten“ und „indireeten“ Kerntheilung ganz fallen lassen. Es giebtnur eine Art der Kerntheilung und zwar, wenn wirvonden Kernkörperchen ab- sehen, nach dem Remak’schen Schema, wobei der Kern, wiespäter die Zelle, in einer bestimmten Ebene,der Theilungsebene, in zwei meist gleiche Hälftendurchgeschnürt wird. Wir haben nur jetzt, Dank den verbesserten technischen Verfahrungsweisen, kennen gelernt, dass dabei gewisse Bestandtheile des Kerns, die soge- nannten Kerngerüste, besondere Umformungen erleiden, sich be- sonders gruppiren und auf ihre Art in zwei Hälften zerlegen; 38 W. Waldeyer: alles diesesaber stets innerhalb des Rahmens dersichinalter Weise theilenden Gesammtfigur“. „Wenn noch vielfach die Rede davon ist, dass man bei Kern- theilungen gewisser Zellen — namentlich die Leucocyten werden senannt — die chromatischen Figuren vermisse, so muss doch betont werden, dass solche Befunde von Tag zu Tag seltener werden. Namentlich ist hier auf die schönen Untersuchungen Flemming’s und seiner Schüler (60) zu verweisen, die gerade bei allen Iymphoiden Zellen die karyokinetischen Figuren als die Regel erwiesen haben“. „Sollte es nun auch einzelne chromatinarme Kerne mit schwach entwickelter Gerüstsubstanz geben, bei denen unsere bisherigen Hülfsmittel nicht ausreichen die Umgestaltungen des Gerüstes bei der Theilung nachzuweisen, so kann das keinen Grund abgeben, zwischen einer direeten und indirecten Kerntheilung — die Aus- drücke sind ohnehin nicht glücklich gewählt — zu unterscheiden. Es würde dies vielmehr nur erweisen, dass die alte von Remak festgestellte einfache Form die Grundform ist, bei der nur Modi- fieationen auftreten in den Fällen, wo die Kerne ein deutliches Gerüst mit chromatischer Substanz enthalten“. Inzwischen haben sich nun freilich die Befunde von amitotischen Zelltheilungen in bedenklicher Weise gemehrt und kann ich den Satz, den ich am selben Orte einige Seiten später hinstellte: „Man kann fast sagen, dass man nach direeten Theilungen suchen muss und dass sicher constatirte Beispiele dafür sehr selten berichtet sind und immer seltener berichtet werden“, füglich nicht mehr wiederholen. Im Uebrigen aber möchte ich aus Gründen, die ich weiter unten angeben werde, an dem eben Citirten festhalten. Vorher mögen Beispiele amitotiseher und mitotischer Theilungen gewöhnlicher und abweichender Form angeführt werden. Flemming (58) und Rabl (165) halten die direete (amitotische) Theilung noch für einen Theil derLeueocyten fest. Mayzel(Hoyer’s Festschrift, Taf. II, Fig. 49) vermisste die Mitosen bei der Bildung von Riesenzellen in dem sich regenerirenden Cornealepithel beim Frosch; auch bei Pflanzen, namentlich bei den Characeen, sind von Johow (101) und Anderen dahin lautende Angaben gemacht worden. Directe Kerntheilung fand Frenz el (71)im Darmepithel von Krustern; bei Insecten zeigte sich dasselbe, auffallender Weise zugleich eine indirecte Theilung bei den specifischen Drüsenzellen der Darm- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 39 krypten. — Fraisse (70) vermisst bei der Regeneration der ver- schiedenen Gewebe sehr häufig die Karyokinese und constatirt hier wieder fast überall die einfachen direeten Theilungen; er meint so- sar, dass die typischen Kerntheilungsfiguren nur da auftreten, wo es zur Bildung eines bestimmten Organs kommt. Die Mitosen vermissten ferner: Overlach (152) im Epithel der cervix uteri, unge- achtet lebhafter Kernvermehrung, daun Nissen (143) in den Epithel- zellen der Milchdrüse. — Berggrün (25) fand zahlreiche amitotische Kerntheilungsbilder im Froschlarvenschwanz und in der Frosch- Cornea nach mechanischer Reizung der betreffenden Theile. Car- noy (47) findet directe neben indirecter Theilung in den verschieden- sten Geweben der Arthropoden — Theilung eines Infusoriums (Euplotes harpa Stn.), ohne das Auftreten von mitotischen Figuren im Kern, beobachtete K. Möbius (159), während wir wiederum von anderen Protozoen — s. die vorhin gegebenen Beispiele — die ächten mitotischen Kerntheilungen kennen. Besonders merkwürdig sind die namentlich in letzter Zeit zahlreich mitgetheilten Befunde bei der Spermatogenese: A. Bolles Lee (32, 33) fand amitotische Theilungen bei der ersten Generation der Samenbildungszellen, den sogenannten „Spermatogonien“ von La Valette St. George’s, während bei den folgenden Genera- tionen regelmässig mitotische Theilungen nachzuweisen waren. Dieselben Verhältnisse zeigte mir Dostojewski an seinen im hiesigen anatomischen Institute angestellten Untersuchungen über die Samenbildung bei den Amphibien. Auch bei La Valette St. George (121, 122), bei Gilson (79), Sabatier (175) u. A. finden wir gleichlautende Angaben. Nur Platner (161) constatirte bei den Pulmonaten sowie bei den Lepidopteren ausschliesslich mitotische Theilungen; allerdings sollen Abweichungen von dem gewöhnlichen Schema vorkommen. Wie wir diese Verschiedenheiten erklären sollen und wie wir überhaupt das Verhalten der mitotischen zur amitotischen Thei- lung auffassen sollen, darüber lässt sich etwas Bestimmtes zur Zeit nicht sagen. Es fehlt zwar nicht an Aeusserungen der Autoren in dieser Beziehung. So meinen Pfitzner (155) und E. Zacharias, dass wahrscheinlich die amitotischen Theilungen nur bei solchen Zellen vorkämen, die als allmählich dem Untergange entgegen- gehend betrachtet werden müssten. Hochinteressant erscheint für die in Rede stehende Frage auch die weiter unten genauer mitzu- 40 W. Waldeyer: theilende Erfahrung Boveri’s (35), dass unter den Furchungskugeln von Ascaris megalocephala immer eine beschränkte Anzahl sich vor- finden, welche bei der Theilung stets sehr deutlich die chroma- tischen Schleifen wahrnehmen lassen, während diese bei der Mehr- zahl der Furchungszellen nicht gut sichtbar sind und das Chro- matin nur in Gestalt zahlreicher Körnchen auch bei der Theilung zeigen. Boveri spricht die Ansicht aus, dass die Zellen mit den deutlichen Mitosen die Anlagen der späteren Geschlechtszellen seien. Den Beobachtungen über die direceten Theilungen stehen nun sehr zahlreiche Erfahrungen über mitotische Theilungsprocesse gegenüber, die sich von Tag zu Tage mehren. Für die normalen Karyokinesen liefern die allbekannten Werke von Strasburger(190, 191, 195) und Flemming (58—60) die reiehste Casuistik. Den hier zahlreich aufgezählten Fällen möchte ich aus der neueren Literatur noch hinzufügen: Die Karyokinesen bei der Ver- mehrung und Regeneration der glatten Muskelfasern (Pfitzner u. H. Stilling, dies. Arch. 28. Bd. p. 396), Cattani (Gazzetta degli ospitali 1885), Paladino (Riforma medica 1886), Busachi (Estratto Giornale della R. Accad. di Medic. di Torino 1886, Nro. 3e 4), die Karyokinesen bei den quergestreiften Muskelfasern (Nikolaides, Archiv für Anat. und Physiologie, Physiol. Abtheilung, herausgeg. v. E. du Bois Reymond 1883, p. 441) — bei den zahnbildenden Geweben (Canalis, Anatomischer Anzeiger 1386, 7) — bei den Leberzellen (Podwyssotzki in: Ziegler und Nauwerck, Beiträge zur pathol. Anat. und Physiologie Bd. I und Canalis: Internationale Monatsschr. f. Anat. und Histologie IM. Bd. p. 205). Wie im Thierrreiche so ist es auch im Pflanzen- reiche: fast jede histologische und entwicklungsgeschichtliche Arbeit bringt neue Belege für das Vorkommen der Mitosen. Auch bei den pathologischen Zellvermehrungen tritt die mi- totische Form in den Vordergrund. Namentlich J. Arnold in seiner Arbeit über die Theilungsvorgänge an den Knochenmarkzellen, Vir- chow’s Archiv 97. Bd. 1884, gibt schon ein stattliches Verzeichniss der bis dahin erschienenen einschlägigen Abhandlungen; wir finden dies noch ansehnlich vermehrt in einer der jüngsten Arbeiten desselben Verfassers: Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, ihre progressiven und und regressiven Metamorphosen (Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 30 8. 205, 1887) und bis zum heutigen Tage fort Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 41 gesetzt in der aus J. Arnolds Laboratorium hervorgegangenen Arbeit von Schottländer (181a). Auch Unna (Neuere Arbeiten über Kern- und Zelltheilung, Monatssehrift für prakt. Dermatologie 1884, III Nr. 1) besprieht das Vorkommen der Karyokinese bei pathologischen Zellbildungsprocessen. Hier ist der Ort, die eigenthümlichen und in mehrfacher Beziehung abweichenden Formen der Karyokinese zu besprechen, die wir bei den Wanderzellen und bei den sogenannten Riesen- zellen des Knochenmarks antreffen. Die Wanderzellen und deren ganze Sippe, die wir einmal zusammenfassend mit dem Namen „Iymphoide Zellen“ belegen wollen, schienen lange Zeit der Karyo- kinese nicht unterthan. Erst den sorgfältigen Untersuchungen Flemming’s (l. e.) und seiner Schüler ist es zu danken, dass wir auch diese wichtige und eigenartige Zellengruppe in diesem Punkte als eine den übrigen Zellen sich gleich verhaltende anzu- sehen haben. Immerhin sind aber grade bei diesen Zellen die direkten Kerntheilungen häufig und eine völlige Einigung unter den Autoren ist noch nicht erzielt, wobei zu beachten ist, dass es augenscheinlich eine Menge verschiedener Arten oder Spielarten von Iymphoiden Zellen giebt, die sich bezüglich ihrer Theilungs- erscheinungen verschieden verhalten mögen. Wir kennen z. B. von Iymphoiden Zellen: die Wanderzellen in den Geweben, die farblosen Blutkörper, von denen wieder verschiedene Unter- arten unterschieden werden müssen (vgl. die Arbeiten von Ehr- lich und dessen Schüler Einhorn, cf. d. Letzteren Dissertation: Ueber das Verhalten der Lymphocyten zu den weissen Blutkör- perchen, Berlin 1884), die runden Zellen der Lymphdrüsen und der Milz, die Thymuszellen, wie sie sich postembryonal in diesem anfangs epithelial angelegten Organe entwickeln, die Markzellen. Wie alle diese verschiedenen Zellarten sich zu einander verhalten ist keineswegs völlig klar gestellt. Besonders heben Löwit (127) und J. Arnold (4) hervor, dass die Natur der Iymphoiden Zellen, an wel- chen man die Mitosen beobachtet hat, noch nicht mit wünschens- werther Sicherheit festgestellt sei. Es könne sich z. B. bei den mitotisch sich theilenden, im Blute beobachteten farblosen Zellen nicht um ächte Wanderkörperchen, sondern um Vorstufen rother Blutkörperchen oder losgelöste, in mitotischer Theilung begriffene Endothelzellen gehandelt haben. 42. W. Waldeyer: Sicher ist, dass an farblosen, im Blute eireulirenden Zellen Mito- sen beobachtet wurden (J. Arnold (4), Peremeschko, Flemming, Lavdowsky (123), Bizzozero, Kultschitzky -— Letzterer bei neugeborenen Hunden (Centralbl. f. d. med. Wissenschaft 1835, 9. Jan. und Archives slaves de Biologie T. IV. fase. 2 p. 230), ferner an den ähnlich geformten Zellen des Knochenmarkes (Flem- ming, Werner, Loewit, Denys, Geelmuyden, Cornil und J. Arnold; bei Letzterem sind auch die hier genannten Autoren eitirt.) Zweifellos sind auch Mitosen an den Zellen der Lymphdrüsen nachge- wiesen worden (Flemming, J. Arnold). Flemming (60) ist, wie Eingangs dieses Abschnittes hervorgehoben wurde, der Ansicht, dass es sich dabei um ächte lymphoide Zellen gehandelt. habe, während Baumgarten (16) meint, dass die Mitosen an den fixen, sogenannten Stromazellen der Lymphdrüsen sich abspielten. J. Arnold kommt in seinen wiederholt angeführten Arbeiten (4) zu dem Schlusse, dass Wanderzellen, farblose Blutzellen, Lymph- zellen und die entsprechenden Zellformen des Knochenmarkes, der Milz und der Lymphdrüsen sich nach dem Typus der Mitose ver- mehren können, dass aber der stringente Beweis dafür noch nicht erbracht sei, jedenfalls sei es zurückzuweisen, dass diese Zellen nur mitotisch sich theilten. Darin stimmt ihm auch Loew it zu. An derartigen Zellen, an Bindegewebszellen, namentlich aber an Zellen von Neubildungen und an den sogenannten Riesenzellen des Knochenmarkes sind nun allerlei Abweichungen von dem gewöhnlichen Verhalten der Karyokinese beobachtet worden. So wurden wiederholt drei- und mehrpolige Figuren (pluripolare) ge- sehen, z. B. in pathologischen Neubildungen von J. Arnold undMar- tin(132); auch Rab1(165) beschreibt solche von einem Hämatoblasten aus der Milz von Proteus. Mayzel (134) verfolgte bei einer Axolotl- Larve die mitotische Theilung einer Bindegewebszelle in vier Stücke in vivo. Denys (55) schildert die mehrfachen Mitosen bei Riesenzellen, Cornil(49) bei Sarkomen und Careinomen. Desgleichen sind drei- polige Kernspindeln bei Pflanzen beobachtet worden. Ungleich grosse Tochtersterne erwähnt Rab 1. Insbesondere hat aber J. Arnold aus dem Knochenmarke und der Milz sehr von dem Gewöhnlichen sich unterscheidende Formen geschildert. Arnold möchte auf Grund seiner Befunde eine neue Eintheilung der Kerntheilungs- formen aufstellen und zwar unterscheidet er: 1)Segmentirung mit den beiden Unterarten: direete und indirecte Segmen- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 43 tirung, 2) Fragmentirung, ebenfalls eine directe und in- direete. Erfolgt die Theilung des Kerns in der bisher bespro- chenen Weise, oder wie sie bei der Eifurchung geschieht, d. h. theilt sieh der Kern entweder in der Aequatorialebene oder in den Meridianen (Segmentalebenen) und trennen sich dabei die meist vollkommen gleichen Theilstücke in ebenen Flächen, so haben wir die „Segmentirung“. Dieselbe ist eine „indirecte‘‘, wenn sie von karyokinetischen Erscheinungen begleitet ist, anderenfalls eine direete. Bei der „Fragmentirung‘“ (die Bezeichnung wurde ur- sprünglich von E. van Beneden für die direete gewöhnliche Theilung verwendet, Strasburger gebraucht sie für „Kernzer- fall“) ist die Trennungsfläche der Tochterkerne eine ganz belie- bige unregelmässige; es werden Stücke von aussen her in unregel- mässigen Trennungscontouren abgeschnürt, oder sondern sich im Inneren ab, hängen noch längere Zeit brückenartig mit dem Mutter- kern zusammen. Dabei brauchen die Stücke, in die der Kern zer- fällt, nicht immer ungleich gross zu sein, obgleich sie es meistens sind. Auch hierbei kommen karyokinetische Erscheinungen vor (indirecte Fragmentirung) oder sie fehlen (direete Fragmentirung). Wenn karyokinetische Erscheinungen bei der Fragmentirung ge- funden werden, so bezieht sich das auf eine Vermehrung der chro- matischen Substanz, auf das Auftreten von chromatischen Schleifen und Körnern in grösserer Deutlichkeit und Zahl; bei allem diesem, und darin liegt der Hauptunterschied zwischen direeter Fragmen- tirung und directer Segmentirung, kommt es aber im Falle der Fragmentirung zu keiner äquatorialen Anordnung. Weitere Unterschiede liegen noch in der mehr wechselnden und unregel- mässigen Form der Chromosomen, seien dies nun Körner, Fäden oder Bänder. Eine bandartige Gestaltung der Chromosomen fand Arnold häufig in der Milz. Ferner ist die ‚Aufstellung‘ der Chromosomen unregelmässig, oft wird die polare Orientirung vermisst; ob stets die typische Längstheilung eintritt, lässt Arnold unent- schieden. Sehr lange erhält sich die Kernmembran und schon in den frühesten Phasen kommen Abschnürungen an den Kernen vor. Wie man sieht, läuft die Fragmentirung im Wesentlichen wohl auf Sprossungs- oder Knospungsvorgänge hinaus; auch sprechen Arnold’s Abbildungen dafür. Dass derartige abweichende Thei- lungsformen, die an Sprossungs- und Furchungsvorgänge erinnern, namentlich bei pathologischen Neubildungen sehr häufig sind, hat 44 W. Waldeyer: bereits Virchow wiederholt hervorgehoben, so z. B. 1857 im Archiv für pathologische Anatomie, Bd. XI, S. 89 und besonders in seinem Artikel über Reizung und Reizbarkeit, ebenda Bd. XIV, 1855, allerdings jedoch ohne Kenntniss der karyokinetischen Erschei- nungen. Indirecte und directe Fragmentirung istnun nach J. Arnold die bei den iymphoiden Zellen sowohl, wie bei den Riesenzellen am häufigsten vorkommende Kerntheilungsform. Die Riesenzellen zeigten dies ebenso bei ihrem natürlichen Vorkommen im Knochenmarke, wie bei künstlicher Züchtung nach Einbringen von Hollundermarkstück- chen in einen Lymphsack oder in eine seröse Körperhöhle, wie dies (behufs der Zücktung von Riesenzellen) auf meinen Vorschlag zuerst von Bernhard Heidenhain (87) ausgeführt und neuerdings von J. Arnold in sehr vervollkommneter Weise in Anwendung gebracht wurde. Bezüglich der Riesenzellen des Knochenmarkes haben Arnold’s Angaben von Denys, Cornil (49) und Fütterer (74) Widerspruch erfahren. Denys (54) vermag die sog. indirecte Fragmen- tirung Arnold’s, d. h. also eine Fragmentirung mit mitotischen Erscheinungen, nicht anzuerkennen. Er findet entweder nur eine „Division direete“ (ohne jede Vermehrung oder Veränderung des Chromatins), oder eine ächte Mitose (indirecte Segmentirung im Sinne Arnold's, wobei der Kern unter Auftreten regulärer V-för- miger Chromatinschleifen, Längstheilung derselben, Tochterkränzen ete. sich in eine mehrfache Anzahl gleichgrosser Tochterkerne mit entsprechender Zellsegmentation theilt. Die von Cornil beschrie- benen abweichenden Formen vermag Denys ebenfalls nicht an- zuerkennen. Wie Letzterer seine „Division directe‘ schildert, so werden wir in allen Stücken an einen Sprossungs-Vorgang erinnert und sehe ich nicht ein, weshalb man diesen ganz bezeichnenden altgewohnten Namen nicht beibehalten will. Ich habe nunmehr dieFrage nach denBeziehungen zwischender direeten undindirecten Kernthei- lung wieder aufzunehmen. Gibt es in der That zweiver- schiedene Theilungsformen, die keine vermittelnden Ueber- gänge haben oder gibt es nur eine Grundform der Kerntheilung, die aber, wie fast alle verwickelten organischen Vorgänge unter verschiedenen Bedingungen mannichfach abändert, so dass alle diese verschiedenen Abänderungen nur Glieder einer Reihe dar- stellen, die alle von einer Grundform und eins vom andern ableit- bar sind? Die reguläre einfache amitotische Theilung würde dann Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Ab das Anfangsglied, die reguläre vollkommene Mitose das Endglied darstellen. [eh muss gestehen, dass ich, wie bemerkt, auch nach den Ein- wänden Tangl’s undStrasburger’s mich nieht von dem Ge- danken losmachen kann, dass die Kermtheilung ein einheitlicher Vorgang sei mit der einfachen Remak’schen amitotischen Thei- lung als Grundform. Die positiven Präparate von Pfitzner und Sattler liegen vor, und wenn auch eine Vermischung von Kernsaft und Zellprotoplasma eintritt, so wird dadurch doch sicher- lich nieht die Existenz des Kerns allein auf seine chromatischen Bestandtheile beschränkt. Im Gegentheil, wir finden sofort bei dem Wiederaufbau der Tochterkerne die achromatischen Kernbe- standtheile mit den chromatischen vereinigt. Dazu kommen die vielerlei Uebergangsformen z. B. bei Spirogyra, wo die Kernmem- bran erst spät, nach Bildung der Spindelfigur schwindet; auch Flemming theilt ähnliche Beobachtungen mit, die er gegen die Lehre von der Abstammuug der Spindelfäden vom Zellprotoplasma verwerthet, wie wir vorhin anführten.. Es gehören dahin ebenfalls die bei verschiedenen Protozoen nachgewiesenen Fälle von Mitosen bei Erhaltung der Kernmembran, wie sie pag. 37 aufgezählt wur- den. Auch der Arnold’schen Beobachtungen der mitotischen Segmentirung und Fragmentirung muss hier nochmals gedacht werden. Arnold selbst (briefl. Mittheilung) erblickt in der mito- tischen Fragmentirung Uebergangsformen. Ich möchte die Sache so auffassen, dass wir in der einfachen amitotischen Theilung, die ja nun an vielen Beispielen festgestellt ist, die Grundform zu erblicken haben; sie tritt überall dann auf, wann die Kerne ent- weder chromatinarm sind, oder wann es auf eine genaue Halbirung des Chromatins nicht ankommt. Soll letzteres erreicht werden, so treffen wir die Mitosen, denn diese sind der geradeste, sicherste und einfachste Weg die exacte Zweitheilung der chromatischen Substanz herbeizuführen; dies wird wohl als das Ziel der Karyo- kinese betrachtet werden müssen). S. über dieses Ziel weiter unten bei der theoretischen Betrachtung der Mitose. Ehe ich zu dieser Betrachtung übergehe, seien erst noch einige andere abweichende Formen der Karyokinese hervorgehoben und gewisse Besonderheiten zusammengestellt, die sich, ohne zu grosse 1) Vergleiche hierzu auch die wiederholt eitirte Arbeit von Carnoy, La cellule, I, Arthropodes, p. 395 — Rapports entre les deux modes de Division. 46 W. Waldeyer: Abschweifung, in den Rahmen der bisherigen Darstellung, nicht gut einreihen liessen. Auch muss der Vorgang der Zell- Theilung vor- erst noch gebührende Berücksichtigung finden. Einen eigenartigen Gang der Mitose bei der Spermatogenese be- schreibt Sanfelice (176). Es soll sich eine achromatische Spindel bilden, an deren beiden Polen sich das Chromatin aufhäuft; dann soll letzteres in Form eines kugeligen Körpers von jedem der Pole sich lostrennen und frei im Zellenleibe lagern; weiter folge die Theilung der Spindel und die Wiedervereinigung jeder Chromatin- kugel mit einer Halbspindel, darauf die Theilung des Zellleibes. Was die so wichtige Frage nach der Ursache der Be- wegung der chromatischen Schleifen vom Aequator zu den Polen (Metakinesis) anlangt, so sei hier hervorgehoben, dass E. van Be- neden (23, 24) die Fadenstructuren des Protoplasmas mit der Fi- brillenstructur des quergestreiften Muskelgewebes vergleicht. Er hält die achromatischen Fäden der Spindelfigur für contractil, zumal er die kleinen Granula, welche sie enthalten, häufig einander sich nähern und wieder von einander entfernen sah; er ist der Ansicht, dass die Fäden der Spindelfigur in Verbindung stehen mit den Polkör- pern einerseits und den chromatischen Fäden andererseits, so dass nun die letzteren durch eine Contraction der Spindelfäden zu den Polen hingezogen würden. Diese Anschauung theilt auch Boveri(34). — E. van Beneden geht überhaupt, wie hier eingeschaltet wer- den mag, in seinem öfter eitirten Werke sehr genau auf die Proto- plasma- und Kernstruetur ein. Ebenso Platner (161). Mit Rücksicht auf die jetzt wiederum beginnende Bewegung bezüglich der Frage, welches dann die eigentlichen Elementarorganismen seien, ob die Zellen und die Kerne, oder deren kleinste Theile, die von Hanstein (86) zuerst so benannten Mikrosomen (Mikrozymas Bechamp), Granula (Altmann, 2), möchte ich hier ausdrücklich darauf hingewiesen haben. Nicht wenige Abweichungen von der bislang geschilderten Weise der Karyokinese finden wir bei Carnoy (46—48). Er war wohl der Erste, der die in nicht seltenen Fällen noch in den Tochterkernen eintretende Längstheilung der Fäden bestimmt be- hauptet hat. E. van Beneden hatte sie freilich schon als sehr wahrscheinlich hingestellt, da er faetisch die Zahl der Fäden grösser dort fand, als sie nach einmaliger Längsspaltung hätte sein dürfen. Flemming bestätigt jetzt diese Angaben; aber in der Deutung Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgrängen. 47 weichen Carnoy und Flemming erheblich von einander ab, wie ich alsbald erörtern werde. Wichtig ist ferner, dass Ba: bei der Bildung der soge- nannten Riehtungskörper, s. w. u., stets eine echte „Zellplatte” im Sinne Strasburger’s BR hat; es ergibt sich daraus, dass die Bildung der Riehtungskörper als eine echte Zelltheilung anzusehen ist. Auch Boveri kommt zu diesem Ergebnisse. Das Hauptresultat der Carnoy’schen Untersuchungen, welche wohl einen grösseren Leserkreis finden würden, wenn sie in grös- serer Kürze in einer mehr verbreiteten Zeitschrift niedergelegt wor- den wären, liegt nun darin, dass er gegen die Regelmässigkeit des von Flemming (58) aufgestellten sogenannten karyokine- tischen Gesetzes Verwahrung einlegt. Die karyokinetischen Vor- eänge unterlägen so zahlreichen Abweichungen, dass es bis jetzt nieht möglich sei, eme allgemein gültige Regel zu geben. Jeden- falls sei keine der verschiedenen bei der Karyokinese auftreten- den Phasen obligatorisch, jede könne in Wegfall kommen oder abgeändert werden. Carnoy wiederholt auch in seiner neuesten Publication, La Cellule, T. IH p. 311 den Satz: „Tous les phenomenes earyoeynötiques sont variables; aucun d’eux ne parait essentiel“. Besonders schwer träfe dies das wichtigste Phänomen der Karyokinese, die Längstheilung und die gleiche Vertheilung der Scehwesterfäden auf beide Pole, worin ja die ganze Ratio der Karyo- kinese zu liegen scheint, denn nur so können wir die gleiche Ver- theilung der chromatischen Substanz auf beide Tochterkerne als völlig gesichert ansehen. Möglich wäre sie auch durch eine Quer- theilung gleichmässig starker Fäden am Aequator, wenn daraus gleich grosse Theilstücke hervorgingen ; aber das ist schwierig durch die Beobachtung festzustellen. Carnoy nimmtnun dies in der That als eine Form der Karyokinese an, z. B. bei Astacus, Forficula und Seolopendra (La cellule 1885, T. I, fase. II, pag. 334). In manchen Fällen ordnen sich nach ihm die chromatischen Seg- mente, ohne vorherige Längstheilung, in der Axe der Spindel- figur in langen Stäben an (Tonnenform, couronne ä bätonnets, Carnoy), dann erfolgt die Quertheilung dieser Stäbe im Aequator und das Zurückweichen der beiden Hälften nach den Tochterpolen. Dies wäre ganz abweichend von allem bisher Angegebenen; es würde sich dabei die chromatische Figur ganz wie die Spindel- figur verhalten. 48 W. Waldeyer: Nach Carnoy soll ferner eine karyokinetische Verlagerung der Chromatinfäden nach beiden Tochterpolen ohne jede Längs- und äquatoriale Quertheilung vorkommen können, z. B. 1. e. Pl. V. Fig. 178 bei Clubiona (Arachniden). Dasselbe nimmt neuerdings Arthur Bolles Lee (165) für die Karyokinesen bei der Sperma- togenese der Chaetognathen an. — Von La Valette St. George (briefl. Mitth.) hat bei Forficula keine Längstheilung der äquatorialen Chromatinelemente (Chromosomen) gesehen; viel- mehr wiesen seine Bilder — s. Festschrift für A. v. Kölliker, Taf. III, Fig. 35, 36 ete. — auf eine Quertheilung hin. Ebenso äussert sich Prenant. Bei allen derartigen Vorgängen wäre die gleiche Vertheilung unsicher. Wie wir erwähnt haben, fand Carnoy, dass die Längsspaltung, die er an sich keineswegs leugnet, auch erst während des Stadiums der Tochterkernbildung vor sich gehen könne. Ist dies richtig (Askaris megalocephala, Carnoy), so bekommt damit die Längspaltung nur einen sehr untergeordneten Werth. Flemming (63) hat gegen diese Herab- setzung der Längspaltung zu einem variablen Phänomen von unter- geordneter Bedeutung neuerdings entschieden Stellung genommen. Er fand bei der Spermatogenese der Salamandrinen abweichende Formen, die Carnoy’s Behauptungen auf den ersten Blick Recht zu geben schienen. Nur tritt hier dennoch überall eine Längs- theilung der Fäden ein, und zwar schonim Anfange der Karyo- kinese, imsogenannten Spirem-stadium (s. meine früheren Figuren). Die beiden Schwesterfäden bleiben zu einem langgestreckten Ellipsoid verbunden, strecken sich und alle diese Ellipsoide, stark gestreckt, ordnen sich nun in der „Tonnenform* (Couronne & bä- tonnets Carnoy) um den Aequator der Spindelfigur. Nur sind das nichteinzelne primäre (E.vonBeneden) Stäbe (Fäden, Chromosomen), sondern ellipsoidisch lang gestreckte Ringe, , von denen jeder aus 2 durch Längstheilung entstandenen, aber an den Enden ver- bunden gebliebenen Schwesterfäden besteht und schon in einem früheren Stadium gebildet worden ist. Vergl. hierzu auch die Angaben E. van Benedens, S. 17. — Wenn jetzt die Quertheilung am Aequator eintritt, so wird damit an dem Flemming’schen Prineipe der Karyokinese nichts geändert und es kann auch, unbeschadet dieses Prineipes, wie E. van Beneden und Flemming zeigen, noch im Dyaster-Stadium die von Carnoy beschriebene Längstheilung folgen, diese ist dann aber nicht die erste, für die Karyokinese so be- deutungsvolle, sondern eine zweite, seeundäre, welcher vielleicht Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 49 gar keine allgemeine Bedeutung zukommt, da sie offenbar nur bei wenigen Zellarten (Geschlechtszellen) bis jetzt geschen worden ist (vergl. darüber Weismann, Richtungskörperchen, p. 39 ff.). Auch bei einer anderen Abweichung, die Flemming als die homöotypische Form (will sagen „eine mehr der gewöhnlichen ähnliche Form — die ebenbeschriebene nennt er die heterotypische“) bezeichnet, könnte es scheinen, als ob Carnoy mit seiner Behaup- tung, die Längsspaltung könne ganz fehlen, im Rechte wäre. Auch hier tritt indessen die Längsspaltung schon im Spiremstadium ein: die Schwesterfäden trennen sich rasch völlig von einander, werden kurz und dick, so dass sie primären Fäden (Chromosomen) ähnlich sehen und leicht für solche genommen werden können. Auch bildet sich kein regelmässiger Monaster am Aequator, sondern sofort mit der Bildung desselben wandern auch schon einige Fäden nach den Polen hin, die Metakinese fällt also mit ihrem Beginn schon in die Monasterform. | Da nun bei der Tochterkernbildung hier keine Längsspaltung vorkommt, so kann man, falls man die erste Längstheilung im Spiremstadium nicht beachtet hat, wohl der Meinung sein, dass hier eine Karyokinese ohne Längstheilung vorliege. Flemming ist gewiss im Rechte, wenn er mit der ihm eigenen Ruhe und Objectivität, die alle seine Arbeiten in so vor- theilhafter Weise auszeichnet, die Vermuthung hinstellt, Carnoy habe bei seinem abweichenden Befunde die erste Längsspaltung übersehen. Andererseits kann man es Carnoy nicht verargen, wenn er dies nicht ohne Weiteres zugiebt, sich vielmehr mit Ent- schiedenheit dagegen verwahrt und die Forderung aufstellt, dass man, wenn man ihn widerlegen wolle, dieselben Objecte untersuchen müsse. Ehe dies geschieht, wird der Streit auch nicht entschieden werden. Freilich, darf ich wohl hinzufügen, sind auch geeignete Objekte zu wählen. Es wäre zu wünschen, dass die wissenschaftlichen Versammlungen, speciell die Zusammenkünfte der neugegründeten anatomischen Gesellschaft, noch mehr als bisher dazu benutzt würden, durch die Vorlegung der betreffenden Prä- parate derartige Differenzen zum Austrage zu bringen. Ich bemerke Carnoy’s Auffassung gegenüber, dass Stras- burger in seiner neuesten Arbeit (191), wenigstens für die höheren Pflanzen und Thiere, mit Flemmingdie Längsspaltung der Mutterseg- mente (Chromosomen) und die Vertheilung der aus dieser Spaltung Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32. & 50 W. Waldeyer: hervorgegangenen Fäden auf beide Tochtersegmente für einen allgemein gültigen Vorgang und für den Höhepunkt der mitotischen Kerntheilung hält (1. e. p. 135). Platner (161) fand zwar, wie Carnoy, bei Lepidopteren zuweilen ein ganz unregelmässiges Auseinanderweichen der Chro- matinkörper, ohne vorherige Bildung einer Aequatorialplatte und ohne Längstheilung; doch will er nicht entscheiden, ob man diesen Vorgang für einen normalen und nicht vielmehr für ein Zeichen von Entartung der betreffenden Zeilen halten solle. Jedenfalls sehen wir, wie die Sachen z. Z. liegen, dass die meisten Autoren in der aequatorialen Flemming'schen Längstheilung noch das wesentlichste Phänomen der Karyokinese erblicken, und, wie ich nach meinen eigenen Befunden sagen zu dürfen giaube, mit Reeht. Abweichende Verhältnisse schildert ferner vor Kurzem Oskar Schuitze (183) in Bestätigung früherer Angaben von Bellonei(16b) bei den Furchungszellen vom Axolotl. Hier soll der gewundene Fadenknäuel nicht durch direete Umwandlung der (gestreckten) Fäden des Kerngerüstes entstehen, sondern in der: Weise, dass man in der Kernwandung, in welcher bei diesem Öbjecte aus- schliesslich der Fadenknäuel liegt, kleine Chromatinkörnchen (Pfitzner’sche Körnchen O. Schultze) auftreten sieht, die sich später verbinden und in gewundene Reihen ordnen. Wir haben vorhin erwähnt, dass der Kern so wie die von ihm ausgehende Spindelfigur während des Ablaufs der karyokinetischen Theilung eine Lageveränderung durchmacht. Besonders deutlich ist dies bei der Bildung der Richtungskörperchen, s. w. u. Abschnitt II. Wichtig wird die Betrachtung dieser Dinge vor Allem bei der Unter- suchung des Eifurchungsprocesses. Bezüglich der hier in Frage kommenden Kräfte hat Pflüger an einen Einfluss der Schwerkraft gedacht, während O. Hertwig in seiner Schrift: „Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen“ ? Jena, 1884, dies zurückweist und als Grundsatz hinstellt, dass der Kern allemal in der Zelle diejenige Lage einzunehmen bestrebt sei, welche der Mitte seiner Wirkungssphäre entspricht. In einer kugligen rein protoplasmatischen Eizelle wird er demnach z. B. genau im Centrum liegen; bei einem meroblastischen Eie, in welchem das die Wir- kungssphäre des Kerns darstellende Protoplasma wie eine Calotte auf dem Nahrungsdotter ruht, wird er in der geometrischen Mitte dieser Calotte liegen und sich bei der Spindelfigur in der Längs- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. »1 riehtung des Protoplasma’s strecken müssen. Da nun die Theilung des Kerns stets senkrecht zur Längsaxe der Kernspindel erfolgt, wird durch die Lagerung des Kerns nach dem Hertwig'’schen Gesetz auch die Richtung der Theilungsebene bei der Furchung bestimmt. — Was die eigenthümlichen Lagerungen der Spindelfigur bei der Rich- tungskörper-Bildung belangt, so hat ©. Schultze (132, 183) sie zu erklären versucht; ich verweise hier auf seine interessante Darstellung. Endlich sei der Wiederherstellung der Kernkörperchen in den Tochterkernen gedacht, sowie der eigentlichen Zellthei- lung. Ersteres anlangend, so sah Strasburger (191), dass in den Toehterkernen an den chromatischen Fäden, diesen dicht anliegend, eine Anzahl kleiner Körperchen auftreten, die erst später unter einander zu 1—2 grösseren Nucleolen verschmelzen (Spirogyra). Meunier (136), entsprechend seinem vorhin mitgetheilten Befunde, gibt an, dass sich alles Chromatin (Nuclein) der Tochterkerne wieder im Nucieolus vereinige; dieser habe auch eine eigene Mem- bran. -— Ich übergehe die sonstigen nur sehr vereinzelten und dürf- tigen Angaben, welche in der Literatur über die Nucleolen und deren Bildung bei der Karyokinese vorliegen, indem sie noch nicht ausreichen, um eine nur einigermassen gesicherte Meinung sich bilden zu lassen. ich erwähnte vorhin, dass die Zelltheilung in der Phase der Tochterknäuelbildung einzutreten pflege. Was nun das Nähere über die Erscheinungen der Zelltheilung anlangt, so mag hier in der Kürze gesagt sein, dass bei thierischen Zellen, nach Flem- ming’s Schilderung (58) dem Aequator der Spindelfigur ent- sprechend, zunächst eine Einschnürung im Zellprotoplasma erscheint. Um diese Zeit zeigt sich, wie besonders Rabl (165) hervorhebt, das Protoplasma sehr deutlich in zwei Zonen, eine äussere dunklere und innere lichte getheilt (s. Fig. 12). Die innere Zone umgiebt den Kern bez. die Tochterkerne, ohne scharfe Abgrenzung. Die Einschnürung be- ginnt meist einseitig und ihr entsprecheud gewahrt man eine stärker lichtbrechende Substanz, die während der ganzen folgenden Durch- schnürung fortbesteht und sich in Haematoxylin stärker färbt (s. Fig. 12). Der Theilungsprocess des Zellenleibes muss, wie Rabl be- merkt, verhältnissmässig rasch von Statten gehen, da er mit dem Tochterknäuelstadium beginnt und bereits abgelaufen ist, bevor der Ruhezustand der Tochterkerne eintritt. Ich hatte schon Gelegenheit bei der Besprechung der Spindel- figur hervorzuheben, dass an deren Fäden im Aequator bei Pflanzen- 52 W. Waldeyer: zellen besondere knotenförmige Verdiekungen auftreten. Dabei soll sich auch die Zahl der Spindelfäden vermehren, und, indem die Verdiekungen aneinanderschliessen und sich bis zur Oberfläche der Zelle hin ausbreiten, entsteht das, was Strasburger die „Zellplatte‘‘ nennt, und welche später die ‚Scheidewand“ zwischen den beiden Tochterzellen darstellt. Da nun, wie schon früher bemerkt, eine derartige Scheidewand bei den thierischen Zellen nieht vorkommt, so finden wir auch keine Zellplattenbildung, höchstens Anklänge derselben, von denen bereits die Rede war. Hierin liegt denn ein Unterschied zwischen dem Ablauf der Thei- lungsvorgänge bei Thieren und Pflanzen. Ich wiederhole aber, was S. 47 gesagt wurde, dass, nach Carnoy’s Beobachtungen, bei der Bildung der Richtungskörperehen von Ascaris megalocephala eine deutliche Zellplatte in Gestalt der beschriebenen Verdieckungen auftritt. An Präparaten, welche mir van Gehuchten vorlegte, konnte ich mich davon überzeugen. Es hat natürlich nicht an Versuchen gefehlt, den auffallen- den Erscheinungen der Karyokinese von der theoretischen Seite her beizukommen. Es sind hier vor Allem — abgesehen von den Schriften Bütschli’s (43), Fol’s (67) und Mark’s (131), welche das Problem der Zelltheilung und der hier in Betracht zu ziehenden physikalischen Kräfte auf breiter Grundlage be- handeln — die Arbeiten von Roux (174), Pfitzner (153, 154), Carnoy (47) und Platner (161) zu erwähnen. Dass die ge- gebenen Theorien glückliche seien, wird schwerlich behauptet werden. Es ist immer eine missliche Sache zu theoretisiren, wenn die Thatsachen selbst noch ungenügend bekannt sind. Die neueren Mittheilungen haben gezeigt, dass in der Erforschung des That- sächlichen noch manches zu leisten war und, da wir über die Entstehung der Kernspindel und der Polstrahlungen, über deren Verbleib, über die Kernmembran, über das Verhalten des Kernsaftes, über die chemische und physikalische Constitution der chromatischen und achromatischen Substanzen noch so gut wie gar nichts wissen, da es noch eine unausgeglichene Controverse zwischen den beiden ersten Autoritäten auf diesem Gebiete, Flemming und Stras- burger, ist, in wie weit die Substanzen des Zellenleibes bei der Karyokinese betheiligt sind, da selbst die äquatoriale Längstheilung als typisches Phänomen noch bestritten wird: so sind wir auch jetzt noch nicht in der Lage irgend etwas gut Begründetes über die theoretische Seite der Karyokinese auszusagen. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 53 Indessen möchte ich doch Denen entgegentreten, welche, wie Brass (38, 39), Fraisse (69) und Fo1(68) der chromatischen Kern- figur jegliche wesentlichere Bedeutung absprechen wollen, Brass be- hauptet, dass die chromatische Substanz lediglich Ernährungsmaterial für die übrigen Theile des Kerns und der Zelle sei, welches sich im Kerngerüst aufspeichere, um bei den Lebensprocessen und dem Wachs- thum der Zelle und des Kerns ihre Verwendung zu finden. Der Sitz der Kräfte, welche die Vorgänge der Kerntheilung beherrschen, sei in den beiden Polen der Kernspindel su suchen. Dem hellen Plasma des Kerns (Kernsaft) schreibt er die wichtigste active Rolle bei allen Lebenserscheinungen der Zelle und des Kerns, _ hamentlich auch bei der Theilung zu. Die ehromatischen Sub- stanzen verhielten sich als passive Massen; sie würden von den beiden Kernpolen her angezogen und folgten den Bewegungen des Kernplasma’s. Gewiss war es eine Uebertreibung, in den chro- matischen Figuren die Hauptsache bei der Kerntheilung zu suchen, die treibenden Kräfte vorzugsweise in die sie zusammensetzende Substanz zu verlegen. Doch mag man sich auch vor dem Fehler hüten, ihr jegliche active Bedeutung bei der Kerntheilung ab- sprechen zu wollen. Die vorliegenden Thatsachen, auf welche Brass z. B. sich stützt, berechtigen wenigstens hierzu noch nicht. Seine Angabe, dass in hungernden Zellen die chromatischen Kern- figuren fehlen oder unvollkommen auftreten, scheint nicht durch- weg richtig, insofern Ra b1(165) bei Salamandern, die fünf Monate ohne Nahrung geblieben waren, reichlich chromatische Substanz bei den Theilungsfiguren antraf. Ist es richtig, was Rabl angiebt, dass nämlich ein Grundplan der chromatinhaltigen Fadenfigur auch im völlig ruhenden Kerne bestehen bleibt mit Pol- und Gegenpol- seite, so ist es schwer, sie als völlig bedeutungslos hinzustellen und dem Kernsafte allein die active Rolle zuzuschreiben. Vor allen Dingen muss hier aber das merkwürdige Verhalten der chro- matischen Elemente bei den Befruchtungserscheinungen herange- zogen werden, worauf weiter unten genauer eingegangen werden soll. Vieles spricht freilich dafür, dass wir in den Polen der Spindel- figur sowie in den Attractionssphären E. van Beneden’s (Rich- tungssonnen, Kultschitzky) höchst bedeutungsvolle Punkte, sagen wir auch „Centren‘“, für die Kerntheilungserscheinungen an- nehmen dürfen, wie fast Alle, die diesen Gegenstand behandelten, anerkannt haben. Ich möchte aber davor warnen, dass wir uns 54 W. Waldeyer: nun in den Wahn einwiegen, damit sei alles Wesentliche gesagt, und wir vermöchten nun, von diesem Standpunkte aus, sämmtliche Erscheinungen theoretisch zusammenzufassen und einheitlich ab- zuleiten. Die so verschieden ausgefallenen Meinungen der Autoren, welche Alle die in Rede stehenden Pole als bedeutungsvoll aner- kennen, zeigen, dass dies zur Zeit noch unmöglich ist. Mit Flem- ming und Rabl halte auch ich daher den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, in welchem wir uns eine erfolgreiche theoretische Behandlung der Karyokinese versprechen dürfen. Eines, worauf Rab] (165) hinweist, möchte ich jedoch nicht un- erwähnt lassen, und ich knüpfe damit an einen bereits früher be- tonten Umstand an: Wenn es richtig ist, wie Rabl es darstellt; dass bereits im ruhenden Kerne die Hauptfadenstructuren in ty- pischer Form vorhanden sind — vgl. die Fig. 2, 3, 4, 12 — so muss man gestehen, dass der gesammte Formenwechsel der ka- ryokinetischen Figur sich einfach unter dem Probleme einer ge- forderten genauen gleichmässigen Theilung einer solchen Faden- structur begreifen lässt. Man kann sich dann kaum eine ein- fachere Lösung dieses Problems denken, als die Natur sie in der Karyokinese vollzieht: die unter Auftreten eines Polfeldes und einer Gegenpolseite im ruhenden Kerne typisch angeord- neten Hauptfäden ziehen zunächst die in Form von Nebenfäden, Fortsätzen und Nucleolen ausgesendeten Bestandtheile wieder an sich, dann ordnen sie sich in einer sehr regelmässigen Figur — sammeln sich gleichsam — in der Mitte (Theilungsebene) des Kernes (Mutterstern); jeder (Mutter-)Faden (Chromosom), theilt sich der Länge nach in zwei (Tochter-)Fäden, je zwei aus einem Mutter- faden hervorgegangene Tochterfäden rücken einfach auseinander nach den entgegengesetzten Kernpolen, um sich dort in der typischen Grundfigur wieder zur Ruhe zu begeben). Vor der Hand können wir nicht mehr hinter dem Formenspiel der karyokinetischen Figur suchen; wenigstens ist es rein hypothetisch, wenn Carnoyl. e. p- 402 ausserdem noch als Ziel der Karyokinese angiebt, dass sie zur 1) Für die Pflanzenzellen stellt Stra sburger in seiner neuesten Mitthei- lung (191) esals ein allgemeines Vorkommniss hin, dass die Chromatinschleifen sich aufbauen aus regelmässig alternirenden dicken tonnenförmigen Chro- matinscheiben und dünnen Lininscheiben. Während des Ablaufes der Karyokinese sehe man, wie beim Uebergange aus der ruhenden in die kine- tische Knäuelform allmählich die kleinen Chromatinkörner zusammenrücken Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 55 Herstellung der Dicentricität der Zelle beitrage, dass sie eine totale Regeneration der Kernbestandtheile ermögliche und dem Zellproto- plasma neue Plastinelemente zuführe. Schwer verständlich bleiben die Polstrahlungen und die Spindelfigur; auf diese wird sich die Aufmerk- samkeit der künftigen Forschung insbesondere zu concentriren haben. Dass die Kernmembran schwindet, scheint wohl begreiflich, wenn wir bedenken, dass solche Hüllen einer Theilung des Gesammtkerns leicht hinderlich sein können. Es ist dies übrigens ein Punkt, der ebenfalls noch weiterer Aufklärung bedarf, zumal wir ja, wie bemerkt, noch nicht einmal recht wissen, wie es mit der Kernmembran steht. Wir ersehen aus dem zuletzt Besprochenen, dass es mit der theoretischen Verwerthung der karyokinetischen Erscheinungen noch recht dürftig bestellt ist, und dass wir ihnen von dieser Seite her noch keine besondere Bedeutung abzugewinnen vermögen. Dagegen lassen sich dieselben in ausgezeichneter Weise nach einer anderen Richtung hin verwerthen und sind auch bereits hier ver- werthet worden: ich meine bei allen auf die Beurtheilung von Wucherungs-, Neubildungs- und Ersatzvorgängen im thierischen und pflanzlichen Organismus auslaufen- den Fragen. Wollte man früher entscheiden, welche zelligen Elemente bei derartigen Vorgängen betheiligt waren, von welchen Orten und Zellen aus z. B. das normale Wachsthum oder die Re- generation eines Gewebes vor sich ging, so war man fast aus- schliesslich auf den Befund eingeschnürter Zellen und Kerne oder zwei- und mehrkerniger Zellen angewiesen. Die Schlüsse aus solchen Befunden waren aber in vielen Fällen zweifelhafter Natur, zumal die Frage aufgeworfen worden war, ob denn überhaupt eine zwei- oder mehrkernige Zelle den Beweis für eine statthabende Zelltheilung abgeben könne? Durch die Karyokinese haben wir für die entscheidende Beurtheilung gerade dieser so ausserordent- lich wichtigen Dinge eine gute Grundlage gewonnen, und da die karyokinetischen Erscheinungen so klar und bestimmt auftreten, sind die betreffenden Untersuchungen von dieser Seite her be- und zu den genannten Scheiben verschmelzen; dabei nimmt die Masse des Chromatins zu, während die des farblosen Bindemittels, des Linin’s, abnimmt. Das Umgekehrte findet wiederum bei der Bildung der Tochterkerne statt. Strasburger vermuthet, dass in dieser der Längstheilung der Fäden vorauf- gehenden regelmässigen Aufspeicherung des Chromatins eine weitere Vorrich- tung zur möglichst genauen Halbirung desselben bei der Theilung gegeben sei. 56 W. Waldeyer: deutend erleichtert und gefördert worden. Die genannten Arbeiten von Flemming (60)und A.Kollmann (110), die Arbeiten von Köl- iiker (107), Altmann (1), Merk (135), Podwyssotzki (162), Bizzozero und Vassale (29), Rauber (168) u. A. die aus meinem Laboratorium hervorgegangenen Untersuchungen von Ko- sanei (109), Uskow (198), Simanowsky (187), Beltzow (17) und Biondi (26) zeigen, wie die Karyokinese in dieser Richtung hin fruchtbringend verwerthet werden kann. Namentlich möchte ich an dieser Stelle auf die Untersuchungen über die Herkunft und das Wachsthum der Neoplasmen und der zelligen Entzündungs- producte aufmerksam machen, worüber wir von Homen, Klemen- siewicz, Eberth, Mayzel, J. Arnold, Ostry, Unna, Belt- zow, Simanowsky u. A. (vgl. die Literaturnachweise bei J. Arnold(4)undSchottländer181a) bereitsMittheilungen vorfinden. Ungeachtet der kurzen Zeit, seit der wir über die Karyo- kinese etwas wissen, haben sich doch schon nach altem deutschen Gelehrtenbrauch — den übrigens auch die übrigen wissenschaftlich arbeitenden Völker nachzuahmen beginnen — eine stattliche Fülle von verschiedenen Benennungen eingebürgert, von denen ich hier die am meisten gebrauchten, so weit sie bisher nicht zur Sprache kamen, noch kurz erklären möchte. Will man den Gesammtleib einer Zelle bezeichnen (abgesehen vom Kern), so gebraucht man jetzt den Ausdruck: Zellleib, Zell- körper, Zellsubstanz. In dieser werden nun zwei Hauptbe- - standtheile unterschieden, die von Kupffer seiner Zeit mit den Namen „Protoplasma“ und „Paraplasma“ belegt wurden. Unter dem ersteren versteht er die festeren Massen der Zellsubstanz, deren Anordnung in Fäden, sei es nun mit oder ohne netzförmige Verbindung, man neuerdings — Dank den Untersuchungen von Heitzmann, Frommann (73), Kupffer, Flemming, Leydig(156) u. A. — kennen gelernt hat. Flemming hat dafür die vielfach an- genommene Bezeichnung: „Filarmasse“ oder „Mitom‘‘ vorgeschlagen, Hanstein und Strasburger wollen sie als „Cyto-Hyaloplasma“, Leydig als „Substantia opaca“ bezeichnet wissen. Das Kupffer’sche „Paraplasma‘ umfasst die mehr flüssige Substanz des Zellleibes, welche die Räume zwischen den Gerüst- fäden des Protoplasma’s (Mitoms) ausfüllt. Synonyme sind: „Inter- filarmasse“, „Paramitom“ (Flemming), „Substantia hyalina“ (Ley- dig), „Cytochylema“ (Strasburger). Letzterer unterscheidet aber Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 57 beim Cytochylema wieder zwei verschiedene Bestandtheile: das „Plasmochym“, und das „Cytochym“, indem er unter „Plasmochym“ den diekflüssigeren eiweissreichen Bestandtheil des Zellleibes, unter Cytochym dagegen den wässrigen Saft, wie er in den sogenannten Vacuolen von Pflanzenzellen vorkommt, versteht. Die gebräuchlichen Namen für die Bestandtheile des Kerns haben wir bereits früher anführen müssen. Hier sei nun bezüglich der Nomenelatur Strasburger’s noch nachgetragen, dass er das Kerngerüst mit dem Namen „Kernprotoplasma‘‘ oder „Nucleo- plasma“ belegt. Es besteht dieses jedoch wieder aus einer hyalinen Grundsubstanz = „Nucleo-Hyaloplasma“ und den darin abgelager- ten Balbiani-Pfitzner’schen Chromatinkügelchen, die, wie wir bereits erwähnten, von Strasburger als „Nucleo-Mikrosomen“ bezeichnet werden. Den die Maschenräume des Nucleo-Hyaloplasma’s erfüllenden „Kernsaft‘“ nennter: Nucleo-Chyma“. Falls, wie das öfter vorkommt, auch in Gerüstfäden des Cyto-Hyaloplasma’s Mikrosomen vorkommen, so werden diese als „Cyto-Mikrosomen‘ aufgeführt. Bezugnehmend auf den Namen „Mitom‘“, hat Flemming für die Schleicher’sche Bezeichnung ‚„Karyokynesis“, wie wir schon Eingangs anführten, das Wort: „Karyomitosis“ vorgeschlagen. Unter dem Namen „Kernspindel“ verstehen Flemming und Pfitzner ausschliesslich die achromatische Spindelfigur, Strasburger schliesst sich neuerdings (191) dieser Auffassung an. Die „Kernplatte“ wieder ist für Strasburger die Muttersternform der ehromatischen Fäden, s. Fig. 7. Den Namen „Kernplatte‘ an Stelle des Flem- ming’schen ‚„Monaster‘ oder „Mutterstern“ wünscht Strasburger mit Rücksicht auf die Verhältnisse der Pflanzen beizubehalten, in- dem hier häufig keine klare Sternform auftritt, sondern auch in der Mitte des sogenannten Aster noch dichtgestellte Fadenschlingen erscheinen, so dass derselbe, vom Pol aus gesehen, nicht das Bild eiues Sterns mit leerer Mitte, sondern das einer Platte, die aus dicht in einer Ebene zusammengelegten Fäden besteht, darbietet. Was unter ‚„Aequatorialplatte“ bezw. „Metakinesis“ zu verstehen sei, wurde bereits angegeben (s. besonders die Anmerkung zu S. 22). Schliesslich sei bemerkt, dass neuerdings Strasburger dieSumme der karyokinetischen Erscheinungen, welche bis zu der entschei- denden Längstheilung der Fäden ablaufen, ‚„Prophasen“, den Zu- stand der Theilung selbst bis zum vollendeten Auseinanderrücken der Tochterfäden „Metaphase“, und den Rest der Erscheinungen bis 58 W. Waldeyer: zur Herstellung der ruhenden Tochterkerne als „Anaphasen“ bezeich- net. — Für die Sternfiguren desZellleibes, die sogen. „Polstrahlungen“ könnten wirmit Flemmingdie Termini: Cytaster (Helioma, Aure- ola), für die des Kerns, d.i. der Spindelfigur (Kernspindel im Flem- ming’schen Sinne) den Namen: „Karyaster‘“ in Anwendung bringen. Carnoy gebraucht den Namen: Cytodierese (nach Henne- guy, 92) für Zelltheilung. Strasburger (191) stellt jetzt — wesentlich im Anschlusse an Flemming — für die höheren Pflanzen folgende Reihe der mi- totischen Erscheinungen auf: I. Prophasen. 1) Gerüstwerk des ruhenden Kerns, 2) Dichtes Knäuelstadium, 3) Lockeres Knäuelstadium, 4) Umlagerung zur Kernplatte, 5) Kernplatte (Aequatorialplatte — Mutterstern). II, Metaphase. . 6) Trennung und Umlagerung der secundären Segmente (Metakinese). III. Anaphasen. 7) Stern (Tochterstern, Doppelstern, Dyaster), 8) Lockeres Knäuelstadium (lockerer Tochterknäuel), 9) Diehtes Knäuelstadium (diehter Tochterknäuel). 10) Gerüstwerk des ruhenden Tochterkerns. Carnoy gebraucht die Ausdrücke: (Spirem) — ]) Seission du boyau, ou du peloton, (Aster) —= 2) Öouronne &quatoriale, (Metakinese) = 3) Ascension polaire, (Dyaster) = 4) Couronnes polaires, (Dispirem) = 5) Reconstitution du noyau. Es wäre nur zu wünschen, dass bei den Eintheilungen der mitotischen Vorgänge in verschiedene Stadien, das wichtigste der- selben, die Längstheilung der Segmente, sowie das Auf- treten der Kernspindel, einen besonderen Platz erhielt. Man könnte vielleicht, um eine alle Fälle umfassende Eintheilung zu haben, folgende Reihe aufstellen: I. Ruhender Mutterkern, N In Mutterknäuel (Spirem), \ III. Schleifentheilungs- und Spindelstadium, IV. Mutterstern (Monaster). Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 59 B. ! V. Metakinese. VI. Tochtersterne (Dyaster), GC. ı VII. Tochterknäuel (Dispirem), | VIII. Ruhende Tochterkerne. Ein paar Worte zur Erläuterung dieses Eintheilungsvorschlages mögen noch Platz finden: Alle Beobachter stimmen darin überein, dass auf den Ruhe- zustand (I) ein anderer zunächst folgt, der das Chromatin in Form eines deutlichen Knäuelfadens angeordnet zeigt. Mit den Worten „Knäuelstadium“ oder ,„Mutterknäuel“, „Spirem“ istnichts präjudieirt, ob dabei nur ein Faden, oder ob mehrere Fäden, die zunächst noch unentwirrbar in einander verschlungen erscheinen, vorhanden sind. Mir scheint es unwesentlich von einem lockeren und von einem dichten Knäuelzu sprechen. Dagegen ist es unbestreitbar sehr wesent- lich, dass im weiteren Verlaufe der Mitose deutlich getrennte Seg- mente (Chromosomen) in Stäbchenform oder in Schleifenform auftreten, dass diese eine Längstheilung erfahren und dass in diesem Sta- dium die Kernspindelfigur auftritt. Wir wissen freilich, dass die Längstheilung bald früher, bald später vor sich gehen kann, dass sie sich bis an die Muttersternbildung erstrecken kann; immer aber liegt sie zwischen dem ersten Auftreten eines deutlichen Knäuels und dem vollendeten Mutterstern. Wir wissen ferner, namentlich aus Strasburger’s neuester Arbeit, dass wahrscheinlich in den meisten Fällen auch im ruhenden Kern und im Knäuelstadium mehrere Fäden vorhanden sind, vielleicht stets ebensoviele als man später deutlich getrennte Segmente sieht; indessen kann man eben im Knäuelstadium die einzelnen Segmente noch nicht deutlich von einander sondern. Unbestritten ist aber in allen Fällen, dass später zwischen Knäuel- und Muttersternstadium sehr deutlich die einzelnen Segmente (Chromosomen), und zwar meist in Schleifenform, hervor- treten, und dass in dieselbe Zeit auch die so wichtige Erscheinung der Kernspindel fällt. Dies sind die Gründe, welche mich bewegen, statt des „lockeren Knäuelstadiums“ und des Stadiums der „Umlagerung zur Kernplatte“ zur Bezeichnung der entsprechenden Abschnitte der Mitose die wichtigsten Vorgänge zu wählen und zu sagen: „Schleifen- bildungs-Theilungs- und Spindelstadium“. Da ein kürzerer Ausdruck wünschbar ist, so kann man auch, wiein der Tabelle, sagen: „Schleifentheilungs- und Spindelstadium“. Die Worte: „Kernplatte“, „Aequatorialplatte“ passen nicht 60 W. Waldeyer: gut auf manche Fälle; es wird sich meines Erachtens Flemmings „Mutterstern“ (Monaster) oder auch „Aequatorialstern“ (couronne equatoriale Carnoy) besser empfehlen. Für „Metakinese“, welches in seiner Bedeutung nicht ohne weiteres klar ist, würde man vielleicht besser: „Trennungsstadium‘ sagen können. Es passt dies Wort auch für alle Fälle, indem ja, wie z. B. bei Spirogyra, keine besondere Um- lagerung und Umgestaltung der Fäden vorzukommen braucht. Man vergleiche bezüglich der Namengebungnoch die Mittheilung Flem- mings: Zur Orientirung über die Bezeichnung der verschiedenen Formen von Zell- und Kerntheilung, Zoolog. Anzeiger 1886, Nro. 216. 1. Was die Beziehungen der karyokinetischen Vorgänge zu der Lehre von der Befruchtung und der Vererbung anlangt, so werde ich mich hierbei vorzugsweise auf zwei Arbeiten einlassen, von denen die eine schon wiederholt angeführt wurde: Recherches sur la matu- ration de l’oeuf, la fecondation et la division cellulaire par Edouard van Beneden, Gand, Leipzig et Paris 1383, die andere in den jüngsten Tagen erschienen ist: A. Weismann: Ueber die Zahl der Riehtungskörper und über ihre Bedeutung für die Ver- erbung, Jena, 1887. Eduard van Beneden’s Werk, welches zu den hervorragendsten Erscheinungen unserer heutigen biologischen Literatur gehört, verfolgt die Sperma- und Eibildung, dann die Be- fruchtungserscheinungen bei dem grossen Spulwurme der Pferde, Ascaris megalocephala, welcher in der That, nach van Beneden’s Ausspruch, bestimmt zu sein scheint, für diese Dinge ein klas- sisches Objeet zu werden. Ich übergehe hier die auf die Sperma- und Eibildung bezüglichen Angaben, obgleich sie des Neuen und Wissenswerthen einen reichen Schatz enthalten, um eingehender mich mit den Befruchtungserscheinungen und mit der bedeutsamen Rolle, welche die Karyokinese dabei spielt, zu befassen. DieBefruchtungserscheinungenanlangend, so warbisdahin bekannt geworden, dass eine „Verschmelzung“ (Copulation) zwischen dem Kopfe des in das Ei eingedrungenen Samenfadens in dem in eigentümlicher Weise redueirten Kerne der reifen Eizelle statthabe. Es mag hier in Kürze die geschichtliche Entwicklung unserer Kenntnisse dieses so hoch bedeutsamen Vorganges besprochen werden. Alle Diejenigen, welche, wie z. B. Purkyne (164), Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 61 v. Baer (6, 7), Oellacher (150), Götte (8), Reichert (169), Kleinenberg (104, Loven (128) u. A. vor der Befruchtung das ganze Keimbläschen sammt dem Keimflecke schwinden liessen, mussten natürlich das Wesen des Befruch- tungsvorganges in ganz etwas Anderem suchen, als in einer morphologischen Copulation von Samenkörper und Keimbläschen. Es fehlte indessen auch früher nicht an Forschern, welche das Keim- bläschen erhalten bleiben liessen. So wird immer als klassisches Beispiel J. Müller (142) bei Entoconcha mirabilis, einer Molluskenatt, eitirt; ihm gesellen sich Leydig (124, 125), Gegenbaur (75, 76) und vor Allen E, van Beneden in seiner grossen Abhandlung über das Ei (Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. Mem.couronne&del’Academie royaledesSe.de Belgique, Bruxelles1870). Von den Meisten dieser Beobachter wird jedoch angegeben, dass die persistirenden Keimbläschen vor dem Beginne ihrer Theilung bei der Furchung sich gegen ihren früheren Zustand mehr oder minder verändert zeigen, namentlich lassen Manche den Keimfleck schwinden; wir finden aber auch Angaben (Kölliker (106), Gegen- baur (76), Haeckel(85) und speciellE.vanBeneden bei Distomum eygnoides), dass Keimbläschen und Keimfleck bis zur Theilung intact erhalten blieben. Fol (Recherches sur la fecondation et le commen- cement de !’'henogenie chez divers animaux, M&m. de la Societe de Phy- sique et d’Histoire naturelle, Geneve, T. XXVI. 1875—79) hat die präliminaren, der Befruchtung voraufgehenden Veränderungen des Keimbläschens am eingehendsten geschildert. — Endlich lassen eine dritte Reihe von Autoren: Derbes (55), v. Baer, Leydig, Bischoff (27, 28), Fol (65), für verschiedene Fälle zwar das Keim- bläschen zu Grunde gehen, den Keimfleck indessen bestehen bleiben. Allerdiugs spricht sich nur Derb&s ganz positiv aus, die Uebrigen sehr reservirt; Bischoff gar hat diese seine Vermuthung später ausdrücklich zurückgenommen. ©. Hertwig (93) ist der Meinung von Derb&s in seiner ersten Abhandlung, wo sich auch eine ein- gehende literarische Besprechung findet, — s. ferner ibid. 1876 Septbr. und 1877 Mai — beigetreten. Die Autoren der zweiten und dritten Reihe konnten also mit einer Copulation zwischen dem eingedrungenen Samenfaden und dem entweder ganz oder nur rudimentär erhaltenen Kerne rechnen; es waren indessen erst Ö. Hertwig und E. van Beneden (20), welehe 1875 diese wichtige Thatsache erkannten. [op} ID W. Waldeyer: Es muss übrigens erwähnt werden, dass das Auftreten zweier Kerne (oder kernähnlicher Gebilde) und eine Copulation derselben unmittelbar nach dem Zutritt der Samenfäden zum Ei und vor der beginnenden Furchung schon von Warneck (201), Bütschli (40) und Auerbach(5) gesehen und behauptet worden war. Warneck’s Angaben bei Lymnaeus und Limax sind etwas unbestimmt ge- halten; er sagt, dass vor der Theilung (Furchung) im Eie zwei kernähnliche Körper vorhanden seien, die zu einem einzigen ver- schmelzen, der dann bei der beginnenden Theilung des Eies eine biseuitförmige Gestalt annehme. Bütschli (Beiträge zur Kenntniss derfreilebenden Nematoden) beschreibt ebenfalls die Bildung zweier Kerne bei einem Faden- wurm (Rhabditis dolichura). Dieselben sollen hier an dem einen Eipole dicht nebeneinander entstehen; Bütschli lässt es unent- schieden, ob nicht etwa der eine (zweite) sich aus dem anderen (ersten) hervorbilde. Er fand, dass die beiden Kerne sich ein- ander nähern und nach dem Centrum des Dotters sich hinbewegen. Es habe, meint er, den Anschein, als seien die beiden Kerne voll- ständig verschmolzen, doch glaubt er, dass dies nicht eintrete, sondern dass nur die Uebereinanderlagerung, in derman die Kerne ge- wöhnlich zu sehen bekomme, diesen Anschein hervorrufe. Unzweifel- haft nimmt also Bütschli in dieser seiner ersten Arbeit über den be- treffenden Gegenstand eine Verschmelzung der beiden Kerne nicht an. Die positive Angabe einer unmittelbar nach der Befruchtung eintretenden Verschmelzung zweier unabhängig von einander entstandenen Kerne zu einem, der sich dann im Eidotter wieder auflöse, gebührt (nach Warneck) unzweifelhaft Auerbach (bei Ascaris nigrovenosa und Strongylus aurieularis). Auerbach, dessen Angaben viel zu wenig Berücksichtigung gefunden haben!), trug seine Beobachtungen darüber im Jahre 1374 auf der Breslauer Natur- forscher-Versammlung vor und veröffentlichte sie in demselben Jahre. Später erst (1375) hat dann Bütschli (41, 42) auch den Ver- schmelzungsprocess beobachtet, und zwar beiverschiedenen Nematoden und Schnecken; er erweitert die bisherigen Erfahrungen dahin, dass er auch 3 bis 5 Kerne bei einzelnen Thierarten an der Dotter- oberfläche entstehen und im Eicentrum mit einander verschmelzen sah. 1) So hat Auerbach z. B. die Angabe, dass die beiden bei der Kern- theilung auftretenden Sternfiguren durch ein Mittelstück verbunden sind, welches er ebenso wie die Astern vom Kern ableitet. S. 1. c. Heft 2, Taf. IV. Ueber Karyo kinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 63 Keiner der bisher aufgezählten Beobachter wies aber nach, dass der eine (oder mehrere) dieser Kerne von den Samenfäden, der andere vom Keimbläschen des Eies abstamme. Des letzteren als Vorläufer wird zwar gedacht, z. B. von Bütschli; von den Zoospermien meint derselbe indessen nur vermuthungsweise, dass ein Theil ihrer Substanz sich an der Bildung der in Rede stehen- den Kerne betheiligen könne. Für diesen fundamentalen Punkt gebührt O. Hertwig (93) das Verdienst eines ersten völlig bestimmten Ausspruches. Auch E. van Beneden (20, 21) hat gleichzeitig und unabhängig von ©. Hertwig sich dahin geäussert, aber seine Auffassung spricht nicht für eine morphologische Continuität zwischen Samenfaden und dem einen der copulirenden Kerne. OÖ. Hertwig beschreibt in seiner ersten Mittheilung den Vor- sang der Eireifung und Befruchtung in der Weise, dass das Keim- bläschen durch Contractionen des Eiprotoplasmas an die Dotter- oberfläche getrieben werde. Seine Membran löse sich auf, der In- halt zerfalle und werde vom Dotter resorbirt; der Keimfleck scheine unverändert erhalten zu bleiben und zum bleibenden Kerne des nunmehr befruchtungsfähigen Eies zu werden. OÖ. Hert- wig schliesst sich also hierin an die vorerwähnten Angaben von Derbes etc. an. Ernennt diesen, seiner damaligen Meinung nach, aus dem Keimflecke hervorgegangenen reducirten Kern den „Ei- kern“, während er dem früheren Kern den alten Namen „Keim- bläschen“ gewahrt wissen will. Den zweiten Kern, den schon Bütschli und Auerbach sahen und dessen Copulation mit dem ersten Kerne sie beschrieben, sieht nun O. Hertwig — und darin besteht sein hervorragendstes Verdienst in dieser Sache — als den Kopf eines eingedrun- genen Samenfadens an. Er schliesst dies vorzugsweise aus dem Umstande, dass diese Erscheinung eines zweiten von der Ei- peripherie her eindringenden kernähnlichen Gebildes regelmässig wenige Minuten nach der Besamung der Eier auftrete, und ferner daraus, dass er in einigen Fällen direkt von diesem Kerne einen feinen Faden abgehen und über die Dotteroberfläche hinausragen sah. Endlich beobachtete O. Hertwig, dass die beiden Kerne sich zu einander hin bewegten und sich dieht aneinander legten, und an anderen Präparaten sah er dann wieder nur einen Kern, der aber grösser war als die beiden ebenerwähnten. Er schliesst 64 W. Waldeyer: daraus, dass beide Kerne, der „Eikern“ und der „Spermakern“, wie er den vom Samenfaden abstammenden Theilkern nennt, mit ein- ander verschmelzen. Den aus dieser Verschmelzung hervorgehenden Kern nennt nun O. Hertwig den „Furchungskern“, denn der letztere ist es, welcher sich bei der alsbald nach diesem Vorgange eintretenden Befruchtung und Eifurchung theilt und zum Stammkern für sämmtliche Kerne des sich entwickelnden neuen Organismus wird. Fast gleichzeitig wit der genannten Arbeit O. Hertwig’s er- schien die erste Untersuchung E. van Beneden’s (20) über diesen Gegenstand. — Eine weitere Mittheilung (21) erfolgte im Jahre 1876. Sie (20) war völlig unabhängig von Hertwig unternommen worden und bezieht sich auf die Eier des Kaninchens, während O. Hertwig Seeigel-Eier verwendet hatte. E. van Beneden sieht auch zwei kernähnliche Gebilde auftreten, die er als „pronucleus central s. femelle“ und als „pronucleus peripherique s. mäle* bezeichnet. Auch er findet eine Conjugation dieser beiden Pronuclei und sieht darin den Befruchtungsact. (Le premier noyau embryonnaire re- sulte de l’union de ces deux pronuclei, ce premier noyau est le _ produet d’une veritable conjugaison entre un el&ment mäle (Pro- nucleus p6ripherique) et un Eel&ment femelle (Pronucleus central).) Von ©. Hertwig weicht E. van Beneden aber in folgen- den Punkten ab: 1. Der Eikern (Pronucleus femelle) ist nicht der übrigge- bliebene Keimfleck. 2. Ueberhaupt bleibt vom ganzen Keimbläschen kein mor- phologisches Element mehr erhalten. 3. Der Spermakern (Pronucleus mäle) ist nicht der Kopf des Samenfadens. Es sind vielmehr die beiden Pronuclei morphologisch neue Bildungen, substanziell aber entsteht der Pronucleus femelle aus der Eimasse; in wie weit etwa die Substanz des Keimbläschens dabei betheiligt ist, darüber lässt sich van Beneden in seiner ersten Mittheilung nicht aus. Substanziell ist auch der Samenfaden an der Bildung des Pron ucleus peripherique (mäle) betheiligt. Van Beneden fand nämlich, dass die Köpfe der Spermatozoen sich immer dieht an die Corticalzone des Eies legen, und dass sub- stanzielle Theile der Spermatozoenköpfe in die Corticalschicht der Eizelle hineingelangen. Da nun der Pronucleus p£ripherique in dieser Cortiealschieht entsteht, so ist van Beneden der Meinung: Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 65 „que le pronucleus superfieiel se forme au moins partiellement aux depens de la substance spermatique“. Van Beneden beobachtete ferner, dass beide Kerne, selbst wenn sie sich berühren, noch deutlich von einander verschieden bleiben. Doch nimmt er, wie erwähnt, eine Verschmelzung (Con- jugation) beider Kerne an. Wie wir sehen, weichen die beiden bewährten Forscher in nicht unwesentlichen Punkten von einander ab und lassen auch noch viele wichtige Fragen unentschieden. O.Hertwig kann sich nicht entschliessen, den Keimfleck ganz bestimmt als den späteren Eikern zu bezeichnen, er hat ferner den Act des Eindringens der Spermatozoen in das Ei und deren continuirliche Umwandlung in die Spermakerne nicht direkt beobachtet, ebensowenig gelang es ihm, den Act der Verschmelzung in flagranti wahrzunehmen; hier müssen bei ihm noch Schlüsse die direkte Beobachtung ersetzen. Aehnlich ergeht es van Beneden; auch bei ihm bleibt der nähere Modus der Bildung der beiden Pronuclei noch unklar, auch er hat nicht den Act der Verschmelzung direkt beobachtet, in der Er- kenntniss des spermatischen Elements beim Pronucleus mäle bleibt er hinter O. Hertwig zurück; dagegen hat er richtiger gesehen, was den Keimileck anlangt, denn Hertwig selbst hat bald darauf seine Meinung, dass der Keimfleck zum Eikern werde, wieder aufgegeben. Nun, es kann nicht Wunder nehmen, dass solche fundamen- tale Vorgänge wie das Verhalten der männlichen und weiblichen Kern-Elemente bei ihrer Begegnung in der Eizelle nicht auf ein- mal und in allen Stücken von einem einzigen Beobachter entdeckt und richtig gestellt werden. Ich stehe nicht an, die Angaben der genannten Forscher zu den wichtigsten zu rechnen, mit denen unsere Wissenschaft überhaupt bereichert worden ist. Das zeigt sich in der mächtigen Anregung, welche sie zu zahlreichen, theils speculativen, theils auf Entdeckung neuer Thatsachen und Bestätigung bezw. Widerlegung früherer Behauptungen gerichteten Arbeiten gegeben haben. Man muss es nur anerkennen, dass sich die genannten Beobachter: Bütschli, Auerbach, ©. Hertwig und E. van Beneden nicht haben hinreissen lassen weiter in ihren Specu- lationen zu gehen, als es ihre äusserst sorgfältig und zahlreich angestellten Beobachtungen gestatteten. Die eben angedeuteten Lücken wurden späterdurch O.u.R.Hert- wig (96) und E. van Beneden (23—24) selbst, sowie durch Archiv f, mikrosk. Anatomie, Bd. 32. 5 66 W. Waldeyer: R. Hertwig (94, 95), H. Fol (66, 67), Greeff (80a), Selenka (186), Mark (131), Calberla (45), Kupffer (117—120), Flem- ming (57, 61), Hensen (8S8—90), Giard (78), Weismann (203, 204), Nussbaum (146—148), Carnoy (47, 48), Zacharias (210), Boveri (34—36) u. A. zum Theil ausgefüllt — aber, wie es in den Naturwissenschaften geht: neue Beobachtungen, neue That- sachen schaffen neue Probleme, und gerade das in Rede stehende Gebiet eröffnet uns einen so weiten Horizont, dass mehr und mehr Virchow’s Wort (Gesammelte Abhandlungen, p. 737): „Die Ent- stehung und Entwickelung der Eizelle im mütterlichen Körper, die Uebertragung körperlicher und geistiger Eigenthümlichkeiten des Vaters durch den Samen auf dieselbe berühren alle Fragen, welche der Menschengeist je über des Menschen Sein aufgeworfen hat“, Geltung gewinnt. — Es kann hier nicht der Ort sein die Ergebnisse aller dieser einzelnen Arbeiten zu besprechen; nur das mag hervorgehoben werden, dass die ersten bestimmten Angaben bezüglich der Continui- tät des Hertwig’schen Spermakerns mit dem Kopfe des einge- drungenen Samenfadens sowie die Beobachtung des Actes des Ein- dringens dieses letzteren selbst Fol!) zukommen. Jedenfalls sind jetzt alle Autoren, wenn wir A. Schneider (181) ausnehmen, darin einig, dass erstens der Spermakern (Pronucleus mäle van Be- neden) morphologisch auf den Kopf, bez. den Kernbestandtheil eines Samenkörpers zurückzuführen ist. Namentlich hat gerade 1) Wenn ich hier Fol als denjenigen nenne, der zuerst und zwar bei Echinodermen die morphologische Continuität zwischen dem frisch einge- drungenen Spermatozoon und dem Spermakern Hertwig’s zweifellos nach- gewiesen hat, so weiss ich sehr wohl, dass von vielen Beobachtern, z. B. Bischoff (Bestätigung etc., Giessen, 1854), Meissner (Z. für wiss. Zool. V]), Weil (Med. Jahrb., herausgegeben von S. Stricker, 1873, Hensen (Zeitschr. f. Anat. u. Entw.-Geschichte I, 1876), E. van Beneden (Bull. 1. ce. 1875) bei Säugethieren, Newport (London Philos. Transact. T. 144, 1854) bei Fröschen, Calberla (Zeitschrift f. wiss. Zool. 1877, XXX. Bd.) bei Petro- myzon, Nelson (London Phil. Transact. 18552), Meissner (Zeitschrift für rat. Med., 1853, und Zeitschr. f. w. Zool. VI, 1855), Leuckart (Die mensch- lichen Parasiten, Cap. Nematoden) und A. Schneider (Monographie der Nematoden, 1866) bei Nematoden frühere Angaben über das Eindringen der Spermatozoen in das Ei, oder wenigstens durch die Eihaut hindurch, vor- liegen — nicht zu vergessen M. Barry’s (Lond. Philos. Transact. 1843) allerersten Fundes von Spermatozoen innerhalb der Dotterhaut von Kanin- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 67 E. van Beneden dies bei Ascaris megalocephala in überzeugen- der Weise dargelegt und den Vorgang des Eindringens am ge- nauesten geschildert. Zweitens ist man darüber einig (Hert- wig, Fol, Flemming, Selenka, Platner, E. van Beneden), dass bei niederen Thieren ein einziger Samenfaden zur Be- fruchtung genügt, ja, dass das Eindringen mehrerer die normale Entwickelung hindert oder stört. (Polyspermie, O. Hertwig.) Besonders interessant sind in dieser Beziehung die neueren experimen- tellen Untersuchungen von O.und R. Hertwig (96). Abnorme Befruchtung, gefolgt von anomalen Entwicklungserscheinungen, tritt ein bei Bastardirung und bei Polyspermie. Was die Bastardirung anlangt, so fanden die Brüder Hertwig, dass die Samenfäden, wie sie sich ausdrücken, nicht wählerisch sind, sondern die Tendenz haben, in jedes beliebige Ei jeder anderen Thier- species einzudringen. Wenn ihnen dies nun nicht gelingt, was ja in den weitaus meisten Fällen bei Bastardirungsversuchen der Fall ist, so müssten, meinen O.und R. Hertwig, die Hindernisse im Ei gelegen sein. Ich glaube, dass von den genannten Forschern hier zu sehr die Eizelle betont wird. Meines Erachtens ist auch die verschiedene Form und Grösse der Spermatozoen in Be- tracht zu ziehen, worauf bereits His (98) und später C. K. Hoffmann (99) auf- merksam gemacht haben. Die Mannichfaltigkeit der Samenfäden nach Form und Grösse ist ja erstaunlich; mir wenigstens ist kein einziger Fall bekannt, dass die Samenfänden anerkannt verschiedener Thierspecies völlig gleichgestaltet wären, und möchte ich darauf hinweisen, dass man mit Vortheil bei der Frage nach der Bestimmung und Feststellung der Species auch die Form der Samenfäden verwerthen könnte. Bei der regelrechten Befruchtung innerhalb derselben Species liegen nach O. und R. Hertwig die Gründe, dass normaler Weise nur ein Samen- körper eindringt, einmal in der raschen Bildung einer Art Dotterhaut, wohl veranlasst durch den Reiz des ersten eingedrungenen Spermatozoons (Echino- dermen, Fol, Hertwig); es müssen aber auch, da nicht überall eine der- chen — aber Barry, eben so wenig wie später Keber (Untersuchungen über die Porosität der Körper, Königsberg, 1854) und Bischoff (Bestäti- gung des von Dr. Newport bei den Batrachiern und Dr. Barry bei den Kaninchen behaupteten Eindringens der Spermatozoiden iu das Ei, Giessen, 1854) sahen den Act des Eindringens, noch gelang es den übrigen, zeitlich vor Fol zu nennenden Forschern, über das Schicksal der eingedrungenen Spermatozoen in’s Klare zu kommen und die morphologische Continuität des Hertwig’schen Spermakerns mit dem Kopfe, bezw. Kernelemente des Samenkörpers zur Evidenz zu bringen. Fol gebührt auch, wie hier nebenbei bemerkt werden mag, die Entdeckung des von ihm sogenannten „cöne d’attraction“ (Empfängnisshügel O.Hertwig), d. h.eines kleinen konischen Vor- sprunges, den das Eiprotoplasma dem eindringenden Zoosperm entgegenstreckt 68 W. Waldeyer: artige bei der Befruchtung sich bildende Hautschicht vorhanden ist, noch andere abweisende Kräfte des Eiprotoplasmas vorhanden sein. Lässt man auf die Eizellen vor der Befruchtung störende oder schwächende Agentien einwirken, wie Chloral, kühlt man die Eier ab oder erwärmt sie über das Normale, chloroformirt man dieselben, so dringen meist mehrere Sperma- tozoen ein. Bei allen überfruchteten Eiern gestaltet sich, wenn es überhaupt zu einer nachfolgenden Entwicklung kommt, diese letztere anomal. Von Fol ist die Hypothese ausgesprochen worden, dass die Mehrfachbildungen mit der Polyspermie im Zusammenhange stehen möchten. Hier würde sich vielleicht zur Prüfung, die OÖ. Hertwig (Lehrbuch der Entwickelungsge- schichte p. 34) dringend empfiehlt, der von Kleinenberg (105) untersuchte Lumbricus trapezoides empfehlen, bei welchem Wurme aus jeder Eizelle sich regelmässig zwei Embryonen entwickeln. Es erscheint übrigens noch ver- früht derartige Hypothesen für weitere Kreise der Thierwelt aufzustellen, denn für mehrere Wirbelthierarten (Batrachier, Neunauge, Forelle) ist es nach den höchst beachtenswerthen und genauen Untersuchungen von Kupffer (117 — 120) sicher anzunehmen, dass eine physiologische Polyspermie besteht, d. h. dass mehrere Zoospermien in das Ei eindringen, und ihre Substanz mit der des Eies sich mischt. Beim Neunauge z. B. fand Ku pffer (117) den Vorgang fol- gendermassen: Es dringt zuerst ein Spermatozoon mit Kopf und Schwanz in den Dotter ein. In der Nähe dieses bevorzugten Spermatozoons bohren sich noch mehrere andere durch die Eihülle hindurch, treten aber nicht weiter in den Dotter ein, sondern ihre Köpfe quellen zu hyalin erscheinenden tropfen- förmigen Gebilden auf, die an der inneren Fläche der Eihaut, zwischen dieser und dem Dotter, zu finden sind. Nunmehr erhebt sich vom Eiprotoplasma aus ein zapfenförmiger Fortsatz (= einem cöne d’attraction, Fol, s. S. 67 Anm.), gleitet an der inneren Eihautfläche entlang und nimmt dabei die eben erwähnten hyalinen Spermatropfen in sich auf, welche dann in der Substanz des Zapfens sich auflösen. Allerdings, das hebt Kupffer ausdrücklich hervor, entstehen auch in allen diesen Fällen nur zwei Vorkerne die sich zum neuen Kern des befruchteten Eies conjugiren. Auch E. van Beneden sah bei Kaninchen, selbst wenn mehrere Spermatozoen mit der Dotterperipherie verschmolzen waren, stets nur einen männlichen Vorkern, sich bilden, der dann mit dem zweiten, dem weiblichen Vorkern zum „Furchungskern‘“ verschmilzt. Dieser „Furchungskern“ im Sinne Hertwig’s könnte freilich sehr wohl, wie ich meine, Bestandtheile von „mehreren‘‘ Spermatozoen enthalten, aber auch nur von „einem“. Man kennt die Vorgänge bei der Vorkern- bildung der Wirbelthiere noch nicht genau. Jedenfalls wird aber durch das Eindringen mehrerer Spermatozoen bei den Wirbelthieren die Entwickelung nicht gestört. Auch bei Wirbellosen haben Selenka (l.c.) und Schneider (l. e.) überfruchtete Eier normal sich entwickeln gesehen. Ueber einen dritten wichtigen Punkt indessen, über die Verschmelzung, ist man auch heute noch nicht in’s Reine ge- kommen. Es bietet freilich diese „Conjugation‘“, „Verschmelzung“ Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 69 der beiden „Kerne“, „Vorkerne‘“ oder „Pronuclei“, wie wir sie nun nennen mögen, auch nicht geringe Schwierigkeiten dar. Offenbar haben die ersten Beobachter, Warneck und Auer- bach, welche eine Verschmelzung annahmen, sich die Verhältnisse hierbei am meisten dem Sinne des Wortes „verschmelzen“ ent- sprechend gedacht. Wenigstens lässt Auerbach die verschmolze- nen Kerne sich im Protoplasma der Zelle lösen (Karyolysis). Eine solche Vorstellung war auch die natürliche, so lange man von den karyokinetischen Vorgängen nichts wusste und die bei allen Kern- theilungen sich zeigenden Fadenstructuren nicht kannte. Wie ver- halten sich nun diese bei der fraglichen Verschmelzung? Ich habe vorhin (I.) erwähnt, dass bei jedem Kerne, ausser der leicht tingirbaren sogenannten chromatischen Substanz (Chro- matin, Flemming), von den Autoren noch die Kernmembran und das sogenannte „Achromatin“, welches im Wesentlichen dem „Kern- saft“ entspricht, unterschieden werden müssen. Ich erwähnte fer- ner, dass Balbiani und Pfitzner die Zusammensetzung der chromatischen Fäden aus kleinen, nahezu gleich grossen Stück- chen, den sogenannten „Mikrosomen“, dargethan haben, und dass bei der Kerntheilung noch zwei weitere Bildungen, die „Polkör- perchen‘“ und eine zweite, in Spindelform angeordnete Fadenfigur, die sogenannte „Kernspindel“, „Spindelfigur‘‘ nebst den „Attractions- sphären“ auftreten. Die Fäden der Spindelfigur unterscheiden sich von den chromatischen Fäden durch ihre geringere Färbefähigkeit, ihre Feinheit und durch ihre charakteristische Anordnung. Wenn wir nun heutzutage von einer „Verschmelzung“, „Copu- lation“, „Conjugation“ — oder wie immer wir es nennen wollen — der Kerne sprechen, so darf verlangt werden, dass man das Ver- halten der einzelnen hier auf&ezählten Bestandtheile des Kernes prüfe, wenn anders wir uns eine klare Vorstellung von dem Vor- gange machen wollen. Mit anderen Worten: wir müssen zu er- gründen suchen, wie sich bei dem Verschmelzungsacte die chroma- tischen Fäden, der Kernsaft, die achromatischen Spindelfäden ete. zueinander verhalten, und müssen dabei auch den Mikrosomen Rech- nung tragen. Boveri in einer neueren Mittheilung (34) spricht sich in gleichem Sinne aus. Für den Spermakern würde sich die Frage insofern vereinfachen, als Flem ming (Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XVIIL S. 233 ff.) bei Salamandra nachgewiesen hat, dass nur das Chromatin zum Köpfe des Samenfadens wird. Indessen bedarf diese Angelegenheit offenbar noch weiterer Untersuchungen. 70 W. Waldeyer: Bevor ich auf das, was man von dem Verschmelzungsacte weiss, genauer eingehe, ist es nun erforderlich, noch eines anderen Actes zu gedenken, der mit dem Befruchtungsvorgange in einer innigen Beziehung zu stehen scheint, ich meine die Bildung der ; sogenannten „Richtungskörperchen“. | Man versteht unter „Richtungskörperchen‘“, „Globes polaires (Robin) kleine rundliche Gebilde, welche von den völlig ausge- bildeten Eizellen meist schon vor der Befruchtung und (in vielen Fällen sicherlich) unabhängig von dem Eintritte der Samenfäden in das Ei, ausgestossen werden. Diese Richtungskörperehen sind von bedeutend geringeren Dimensionen, als die betreffenden Ei- zellen selbst (s. Figur 14). [24 5 Fig. 14. Ei von Ascaris megalocephala in der Ausstossung des zweiten Richtungs- körpers begriffen. (Nach E. van Beneden.) 1) Couche perivitelline externe. 2) Liquor perivitellinus (hier bildet sich später die couche periv. interne). 3) Eidotter (vitellus). 4)'Erstes, bereits ausgestossenes Richtungskörperchen mit dunklen Chromatinkörpern. 5) Der Spermakern (pronucleus mäle) aus dem eingedrungenen Zoosperm entstanden. 6) Das in der Ausstossung begriffene zweite Richtungskörperchen; dasselbe zeigt zwei dunkle körnige (Mikrosomen) Chromatinanhäufungen und steht durch feine Fäden mit dem Rest des Keimbläschens, dem 7) Eikern (pron. femelle), der auch 2 Chromatinkörper hat, in Verbindung. Es hat einer langen Reihe von Forschungen bedurft (ich nenne be- sonders Fr. Müller (141), Robin (173), Bütschli (40—43), Loven (128), Flemming (63a), Bellon ci (16a, 16b), F ol (66, 67), O.Hert- wig(93), Hen sen (88—90), Oellacher (150), Calberla (45), Kupf- fer(117—120), Oskar Schultze (182) und E. van Beneden (23), Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 7I bis wir über den Vorgang der Bildung der Richtungskörper in’s Reine gekommen sind, und noch immer sind nicht alle Punkte aufgeklärt. Ueber ihre physiologische Bedeutung bestehen noch sehr erhebliche Differenzen, und auf diese werde ich später genauer einzugehen haben. Den Namen „Ricehtungskörperchen‘“ (eigentlich: „Richtungsblasen‘“) gab ihnen Fr. Müller deshalb, weil ihre Austrittsstelle zu dem Punkte, wo später die erste Furchung des Eies einzuschneiden be- sinnt, in Beziehung steht. Wir wissen jetzt, dass diese Körper- chen zum Untergange bestimmt sind und dass sie auch nicht durch den Befruchtungsact selbst zum Ausstossen kommen, denn, wie - u. A. Hensen nachwies, treten sie bei den Säugethier-Eiern be- reits vor dem Eindringen der Zoospermien in das Ei aus, während sich die Eier noch in den Graaf’schen Follikeln befinden. Das Ausstossen der Riehtungskörperchen ist also ein Act, der zur vol- lendeten Ausbildung der Eizelle gehört, einerlei, ob dieselbe dann später befruchtet wird, oder nicht. Ob aber in allen Fällen keine Beziehungen zwischen Eintritt der Spermatozoen und dem Aus- stossen der Richtungskörper bestehen, steht noch dahin, denn für die Neunaugen haben Kupffer und Böhm (31) gezeigt, dass ein Körperehen vor, das zweite aber immer erst nach dem Zoosperm- Eintritte ausgestossen wird. Bei Ascaris megalocephala treten beide erst nach dem Eindringen des Spermatozoon aus (E. van Beneden). Vor Fr. Müller haben schon K. E. v. Baer und dann Dumortier, P. J. van Beneden und Kölliker bei Mollusken die Richtungskörper ge- nannt (vgl. die Citate in dem unter Nro. 131 angeführten Werke von Mark)!}). Dumortier und P. J. van Beneden sahen bei Limnaeus und Limax zwei Körperchen aus dem Eie austreten, Kölliker bei Doris drei, die Drei- zahl finden auch Trinchese, Blochmann und Platner (160) bei Mollusken; von den beiden ursprünglich gelieferten Körperchen zerfällt nämlich das eine wieder in zwei. v. Baer hielt den von ihm bei Anodonta gesehenen kleinen Körper, der aus dem Dotter, einem kleinen Hügel gleich, unter der Dotterhaut hervorragte, für das gesammte Keimbläschen; Dumortier und P. J. van Beneden sahen ihre Körperchen für Abkömmlinge der Keimbläschen an. Bei Säugethiereiern haben Barry und Bischoff die Körperchen zuerst ge- sehen, ohne jedoch über ihre Bedeutung in’s Klare zu kommen; Bischoff 1) Robin (l. ec.) und Platner (d. Arch. 27. Bd.) citiren Carus, der 1828, Bulletin de Ferussac, Paris, T. XIV, p. 132 „Sur la rotation de l’embryon dans l’oeuf des mollusques gasteropodes“ die Richtungskörper entdeckt haben “soll, Platner lässt es aber zweifelhaft, ob die Entdeckung mit Recht ihm gebührt. Ich konnte mir die betreffende Abhandlung z. Z. nicht verschaffen. 72 W. Waldeyer: neigt am meisten zu der Deutung Loven’s, der sie für den ausgetretenen Keimfleck hielt. Weitere Abbildungen von Säugethieren (Vespertilio murinus und Lepus cuniculus) gab dann 1870 E. van Beneden in seinem vorhin angeführten grossen Werke (18). Die Figuren (Taf. XII) zeigen in den bläschen- förmigen Körperchen kleine kernähnliche Gebilde. E. van Beneden be- zeichnet sie mit dem ihnen von Robin gegebenen Namen „Vesicules s. glo- bules polaires“. Rathke (167), welcher bereits zur selben Zeit. wieFr. Müller und am selben Orte auf die Richtungskörper zu sprechen kommt, streitet ihnen jede besondere Bedeutung ab, sie seien Tropfen von Dottersubstanz, welche etwa durch Contractionen aus dieser letzteren herausgetrieben wären. Oellacher glaubte beim Hühnerei und Forellenei sich überzeugt zu haben, dass der ganze Kern (Keimbläschen) ausgestossen werde, und dass dieser ausgestossene Kern das Richtungskörperchen darstelle. Schon Purkinje (164), v. Baer (wie erwähnt), Wagner (200), Bischoff (27, 28), Coste (50—52) und Allen Thom- son (197) hatten darauf hingewiesen, dass bei völlig entwickelten Eiern das Keim- bläschen an die Oberfläche rücke und verschwinde; wie esaber zum Schwinden komme, klärten sie nicht auf. Manche Forscher, wie u. A. van Bambeke (11), haben die Meinung geäussert, dass die Substanz des Keimbläschens im Ei- protoplasma sich vorübergehend fein vertheile (repandre), um sich später unter dem Einflusse der Befruchtung wieder zu einem neuen Kerne zu sammeln. Auerbach (wie erwähnt) dachte an eine wirkliche Lösung der Kernsubstanz. E. van Beneden kommt in seinem genannten Werke über die Eibildung (18), s. besonders p. 239 ff., zu dem Schlusse, dass mit dem Um- stande des Unsichtbarwerdens des Keimbläschens noch nicht erwiesen sei, dass es wirklich verschwinde, im Dotter sich auflöse. Es seien wahrschein- lich Veränderungen des Dotters, welche dieses Unsichtbarwerden zur Folge hätten — aber, meint er, es könnten auch ebensogut Veränderungen an Keimbläschen selbst diesen optischen Effect herbeiführen. Wie recht er da- mit hatte, sollte bald die Folge lehren. Weder an eine Vertheilung, noch Auflösung, noch Ausstossung glaubt A. Brandt (97); er führt vielmehr das scheinbare Schwinden des Keimbläschens auf lebhafte amöboide Bewegungen zurück, welche vor der Befruchtung vom Keimbläschen und Keimflecke aus- geführt würden. Aehnlich äussert sich Schneider (181). Die neueren Untersuchungen von Bütschli, dann Fol, Flemming, Hertwig, zuletzt und besonders ausführlich von E. van Beneden und Oskar Schultze zeigen indessen, dass bei der Bildung der Richtungskörper doch ein Theil des Keimbläschens ausgestossen wird, um eben die Richtungskörperchen zu bilden, und dass bei diesem Processe derartige Veränderungen an dem Keimbläschen auftreten, dass dadurch sehr wohl das zeitweilige Unsichtbar- werden erklärt werden kann. O0. Hertwic liess Anfangs, wie erwähnt, den grössten Tbeil des Keimbläschens schwinden und den Keimfleck als neuen Eikern bestehen bleiben, änderte aber später seine Meinung im der ange- deuteten Weise. Bütschli zeigte zuerst den Zusammenhang zwischen dem Schwinden des Keimbläschens und dem Auftreten der Richtungskörper, sowie Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 73 die Bildung von Spindelfiguren bei der Entstehung der letzteren, so dass damit die jetzt fast alleemein angenommene Auffassung, als sei die Aus- stossung der Richtungskörperchen morphologisch als eine karyokinetische Theilung der Eizelle mit sehr ungleich grossen Theilungsproducten anzu- sehen, ihre erste sichere Begründung erhielt. Diese Ansicht hat dann Car- noy durch die Angabe einer Zellplattenbildung bei dem in Rede stehenden Processe unterstützt (s. S. 47 u. 52) — Vgl. über die Geschichte der Rich- tungskörperchen auch die angezogenen Abhandlungen von Platner und Robin. Die genauesten Schilderungen des ganzen Vorganges geben 0. Hertwig (l. e.) und Fol (l. e.) bei Würmern und Echinoder- men, Schneider (l. c.), Nussbaum (l. e.), E.van Beneden (l. ce.) bei Ascaris megalocephala, Carnoy (l. e.), Zacharias (l. e.) und neuerdings Boveri (36) bei demselben Objecte. Für die Wirbel- thiere hat Oskar Schultze (182) bei Amphibien eine eingehende Untersuchung angestellt. Ich theile die Resultate dieser letzteren in Kürze mit, um wenigstens an einem Beispiele den Vorgang zur genaueren Kenntniss zu bringen. Es werden bei den Amphibien z w ei Riehtungskörperchen aus- sestossen, bei Rana das eine vor, das andere nach der Besamung (vgl. die Angaben von Kupffer bei Petromyzon s. vorh.). Bei Rana sind die beiden Körperchen schon mit der Lupe als kleine weisse Fleckchen oder Körnchen in der als fovea germinativa be- kannten Vertiefung des Eies zu erkennen. O. Schultze stellte fest, dass sich schon vor der Befruchtung (conform den früheren Angaben von Götte, Oellacher, E.vanBeneden, v.Bam- beke u. A.) der bei weitem grösste Theil des Keimbläschens, sammt Keimfleck und Membran, im Eidotter „vertheilt‘“ — dieses dürfte nach der Schilderung des Autors wohl das richtigste Wort sein — damit schwinden allerdings eine grosse Menge der Chro- matinbestandtheile, indem sie anfangs in grössere und kleinere Partikel zerfallen und schliesslich unsichtbar werden. Wenn man hier den Ausdruck, „es lösen sich diese Theile im Kernsaft oder im Protoplasma auf‘, anwenden will, so dürfte dagegen wohl kaum etwas einzuwenden sein. Da der grösste Theil des „Festen“ des Keimbläschens somit flüssig wird und sich im Eidotter ver- theilt, der ja auch zum Theil flüssig ist, so darf man, wie ich meine, wohl sagen, dass der grösste Theil der Kernsubstanz mit der Dottersubstanz sich mische. Alle die älteren Angaben, die 74 W. Waldeyer: vorhin erwähnt wurden und von „Vertheilung des Keimbläschens im Ei, Auflösung desselben“ sprechen, sind daher bestätigt wor- den, und scheint mir dies, wie auch OÖ. Schultze hervorhebt, mit Recht ein sehr wichtiger Punkt. Eswirdabernicht das ganze Keimbläschenin dieser Weise morphologisch zu Grunde gebracht und mit dem Dotter gemischt, ein kleiner Theil erhält sich auch morphologisch und besteht dann, nach Schwund des übrigen, aus einer achromatischen Spindelfigur, mit chromatischen Fäden oder rundlichen Körnern, die zur Spindel gelagert sind, wie bei der karyokinetischen Theilung im Stadium des sog. Muttersterns (Flemming). Nunmehr tritt eine einfache karyokinetische Theilung dieser Spindel (Riehtungsspindel, Bütschli) ein; der eine Theilkern ver- ‚bleibt in der Eizelle, der andere wird, und zwar mit einem kleinen Theile des Eidotters, als erstes Richtungskörperchen aus- gestossen. Dann wandelt sich der im Ei zurückgebliebene Kern abermals in eine Richtungsspindel um (man könnte also von einer primären und secundären Richtungsspindel sprechen), und es wird in derselben Weise das zweite Richtungskörperchen ausgestossen. Zur Veranschaulichung des Vorganges möge man den beigegebenen Holzschnitt (Fig. 14) vergleichen; derselbe bezieht sich zwar nicht auf Rana, sondern auf Ascaris megalocephala, kann aber doch zu der voranstehenden Beschreibung verwerthet werden. Man sieht, dass der ganze Vorgang als karyokinetische Thei- lung der gesammten Eizelle mit sehr ungleichen Theilproducten — wenigstens was die Zellsubstanz betrifft (s Flemming Biol. Centralblatt II, Bd. pag. 641) — in der That aufzufassen ist (Hertwig, Fol, Schneider, Nussbaumu. A.), und es haben diese Untersuchungen O. Schultze’s gezeigt, dass in allem Wesentlichen der Vorgang bei den Wirbelthieren überein- stimmt mit dem, was wir durch Bütschli, Fol, ©. Hert- wig, E van Beneden u. A. von den Wirbellosen kennen ge- lernt hatten. Genauere Angaben über die Bildung der Richtungskörper bei Wirbelthieren liegen sonst nicht vor, obgleich dieselben schon von vielen Beobachtern (vgl. einzelnes vorhin erwähnte und die Zu- sammenstellung bei Oskar Schultze) bei allen Wirbelthier- klassen, mit Ausnahme der Vögel und Reptilien, gesehen worden Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 75 sind!). Nur haben Flemming (63a) und Bellonei (16a) (bei Säuge- thier-Eiern), C. K. Hoffmann (bei Knochenfischen) und Böhm (l. e.) bei Petromyzon schon die Riehtungs spind eln aufgefunden. Ueber die Bildung der Richtungskörperchen bei Ascaris stellte E. van Beneden (23) eine Reihe neuer und wichtiger Thatsachen fest. Ich rechne hierher: den sicheren Nachweis der Hervorbildung der Spindelfäden aus einem Theile der Kernsubstanz und aus der Kernmembran, die Zusammensetzung der chromatischen Figur aus zwei Gruppen von je vier Chromatinkügelchen, das Hervorgehen dieser 8 Kügelchen aus dem Keimfleck (Corps germinatif van Be- neden), die Ausstossung von 4 Chromatinkügelchen zur Bildung des ersten Richtungskörpers, die Bildung einer zweiten Richtungs- spindel wiederum mit 2 Gruppen chromatischer Kügelchen, die sich wieder so theilen, dass die Hälfte der Kügelchen jeder Gruppe in das zweite Richtungskörperchen, die andere Hälfte in den im Ei zurückbleibenden weiblichen Pronucleus (Eikern, OÖ. Hertwig) übergeht. In einem wichtigen Punkte nun gibt uns E. van Beneden hier abweichende Ansichten, indem er meint, dass bei der Bildung des ersten Richtungskörperchers ganze Kernfäden oder Schleifen ausgestossen würden. Auch Carnoy (l. c.) hat diese Ansicht vertreten. Dies ist aber nach Nussbaum ’s (147, 148), Zacharias’ (210), Bo- veri’s (36) und Kultschitzky’s (115, 116) Untersuchungen nicht haltbar; es werden immer nur nach vorheriger Spaltung der Segmente oder Chromosomen wie bei einer gewöhnlichen mitoti- schen Theilung je die Hälfte der seeundären Fäden (also Halb- fäden) zur Bildung der Richtungskörperchen verwendet. Neuer- dings hat van Gehuchten (77) sich wieder für die Angaben Carnoy’s ausgesprochen, die, wenn sie auch in anderen Punk- ten abweichen, doch in dem wesentlichsten, d. h. in der Ausstos- sung ganzer Ohromosomen, mit E. van Beneden’s Darstel- lung übereinstimmen. Carnoy und van Gehuchten dehnen dies auf beide Richtungskörperchen aus. Wären diese Angaben 1) In der von O. Schultze und auch in der von Weismann und Ischikawa (204a) gegebenen Zusammenstellung fehlen die Selachier. Ich bemerke deshalb, dass Kastschenko in der mir während der Correctur dieses Bogens zugegangenen Nummer des „Anatomischen Anzeigers“ (Nr 16, 1. Juli 1885) die Richtungskörperchen bei verschiedenen Selachier-Spezies beschreibt und zwar meist 2, einmal 1 und einmal 3 an der Zahl. 76 W. Waldeyer: richtig, so würde in der That die Bildung der Richtungskörper- chen nicht mit einer gewöhnlichen Mitose verglichen werden kön- nen, wenigstens nicht für Diejenigen, welche in der Spaltung der pri- mären Chromatinelemente (Chromosomen) vor dem Stadium der Meta- kinese eine wesentliche Phase der mitotischen Theilung erblicken; so hat denn auch E. van Beneden die Sache angesehen. Für Carnoy würde das Fehlen der Spaltung freilich kein Hinderniss sein, da er ja, wie wir angeführt haben, die Flemming’sche Längstheilung nicht als typisch anerkennt. vanGehuchten stützt sich haupt- sächlich darauf, dass schon in den jüngsten Eiern von Ascaris, so- bald der Fadenknäuel sich in Segmente zu theilen beginnt, sofort acht Segmente entstehen, von denen nun 6 nach und nach ausge- stossen werden und die bekannten 2 zurückbleiben. Ich hatte vor Kurzem Gelegenheit die Präparate van Ge- huchtens zu sehen; sie zeigten deutlich, wie van Gehuchten es beschrieben und abgebildet hat, dass vor der Ausstossung des ersten Richtungskörpers acht völlig getrennte kurze, leicht gebogene Stäbehen vorhanden sind; vier von diesen Stäbehen- werden aus- gestossen für das erste Körperchen, zwei für das folgende. Schon in ganz jungen Eiern von Ascaris waren diese 8 Stäbchen zu sehen. Ich bin vor der Hand ausser Stande, die Unterschiede, welche zwischen den Präparaten von Kultschitzky, die ich gleichfalls kenne und denen van Gehuchtens bestehen, aufzu- klären; allerdings haben Beide mit verschiedenen Verfahren ge- arbeitet. E. van Beneden lässt es zweifelhaft, ob auch von dem Ei- protoplasma irgend etwas zu den Richtungskörperchen hinzutrete, Fol, Hertwig und O. Schultze, wie wir gesehen haben, nehmen dies an. Kommt kein Protoplasma hinzu, so können wir den ganzen Process nur einer mitotischen Kerntheilung, nicht aber einer Zelltheilung vergleichen. ) Schliesslich sei noch besonders darauf aufmerksam gemacht, dass mit einer Ausnahme, auf die wir nachher zurückkommen wer- den, überall mindestens zwei Richtungskörper ausgestossen werden!). 1) Als geschichtliche Notiz möge hier noch Platz finden, dass Bütschli anfangs der Meinung war, es werde die ganze von ihm gefundene und be- nannte Richtungsspindel ausgestossen. Erst Hertwig und Fol deckten den wahren Sachverhalt, insbesondere bei den Echinodermen, deren Rich- tungskörper E. van Beneden nachgewiesen hatte, auf. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 77 Halten wir nun die fundamentale Thatsache fest, dass das, was nach Ausstossung der Riehtungskörperchen vom Keimbläschen und Keimfleck morphologisch übrig bleibt, der weibliche Pronu- cleus oder der Eikern Hertwig’s ist, welcher zur Verschmelzung mit dem Spermakern bestimmt ist. Es zeigt sich also, dass aus dem ursprünglichen Keimbläschen erhebliche Theile entfernt wer- den müssen, bevor dasselbe copulationsfähig wird. Am klarsten geht dies wiederum aus den Angaben E. van Beneden’s hervor. Letzterer fand nämlich, wie bemerkt, dass die Ausstossung der Richtungskörperehen bei Ascaris ausnahmslos erst dann statt- findet, wann das betreffende Zoosperm schon in den Eidotter ein- sedrungen ist. Letzteres schickt sich, obgleich es in unmittelbarer Nähe des Keimbläschens liegt, doch nicht eher zur Vereinigung mit diesem an, als bis die Richtungskörperchen beide ausgestossen sind. Es erscheint also die Bildung dieser letzteren als ein noth- wendiges Glied in der Kette der gesammten Befruchtungsvorgänge. Wir werden später sehen, wie man die Bedeutung der Richtungs- körperchen aufgefasst hat; kehren wir jetzt erst zur Frage nach den intimeren Vorgängen bei der Verschmelzung des männ- lichen und weiblichen Vorkerns zurück. Die früheren Bearbeiter dieser Frage, mit Ausnahme Flem- ming’s, kommen, wie bemerkt, über den einfachen Begriff der „Verschmelzung“ nicht hinaus, und es wird bei ihnen den einzelnen Bestandtheilen der zu verschmelzenden Kerne keine weitere Rechnung getragen. (So dieälteren Angaben O.Hertwig’s, Fol’s u.A.) Flem- ming (57) unterscheidet schon genauer zwischen den verschiedenen Substanzen der copulirenden Kerne und beschreibt eingehend den Co- pulationsvorgang. Ihm zu Folge würde wesentlich das Chromatin des männlichen Vorkerns in den weiblichen Vorkern übergeführt und damit dessen Chromatinvorrath vermehrt. Er hat auch sein Augen- merk auf die helle Substanz gerichtet, welche in Form eines Hofes das Chromatin des männlichen Vorkerns umgiebt und sich auch noch im Augenblicke der Copulation nachweisen lässt; doch ge- lang es ihm nicht über deren Verbleib in’s Reine zu kommen. Schneider (181), welcher nach H. Munk (143) zuerst den Pferdespulwurm wieder für embryologische Untersuchungen verwendet und empfohlen hat, gelangt für diesen und andere Geschöpfe gar zu dem Ergebnisse, dass überhaupt keine Verschmelzung zwischen einem vom Spermatozoon abzuleitenden männlichen Vorkerne und 78 W. Waldeyer: einem weiblichen Vorkerne stattfinde, sondern dass das Spermato- zoon im Eidotter „wie eine Wolke‘ zerfliesse. Er kommt damit wieder auf den älteren Stand der Dinge zurück. Eberth und Nussbaum unternahmen dann eine Prüfung der Scehneider’schen Angaben an Echinodermen und Würmern. Von Eberth (56) liest, so viel ich weiss, bis jetzt nur.eine kurze Mittheilung vor, die zwar den Verschmelzungsprocess, Schneider gegenüber, wiederum feststellt, uns über das Wesen desselben je- doch nichts Neues giebt. Eberth sah bei Echiniden und einem Spatangus, dass beim Aufeinandertreffien von Eikern und Sper- makern die feine Scheidewand zwischen ihnen schwindet, und dass dann beide „verschmeizen“. Hiermit habe sich „eine Mischung des Chromatins und des Achromatins‘‘ der beiden Kerne vollzogen. Der Eikern habe einen Zuwachs von Chromatin und wahrschein- lich auch von Prochromatin (siehe über das ‚letztere Abschnitt I) er- halten, denn man sehe im Furchungskern eine viel grössere Masse von Chromatin-Körnern und -Fäden. Nussbaum brachte seine erste Mittheilung (149) im Au- gust 1883. Er constatirte die Ausstossung zweier Richtungskör- perchen und die Umbildung des darnach verbliebenen Restes des Keimbläschens in ein Gebilde von der Form eines ruhenden Kerns, desgleichen die Umbildung des eingedrungenen Samenfaden- kopfes in einen zweiten Kern der sogenannten „ruhenden Form“. Er stellte nun mit Bestimmtheit wiederum die „Verschmelzung“ dieser beiden Kerngebilde fest, kam aber über die feineren Vor- sänge bei dem Verschmelzungsacte ebenfalls nicht weiter als die ersten Entdecker desselben; nur muss erwähnt werden, dass er beim „Furchungskerne“, d. h. bei dem aus der Verschmelzung her- vorgegangenen Kerne, bereits die Fadenfigur sah. Neben der Ver- schmelzung der Kerngebilde legt aber Nussbaum, und das sei ausdrücklich hervorgehoben, eben so viel Gewicht auf die Ver- schmelzung der protoplasmatischen Antheile von Eizelle und Samenkörper. Er sagt darüber in seiner vorläufigen Mitthei- lung: „Demgemäss ist auch bei Ascaris megalocephala die Be- fruchtung: die Conjugation zweierZellen, deren Proto- plasma mit allen aus ihm hervorgegangenen Bildungen sich ver- mischt, deren Kerne nach Ausstossung der Richtungskörper sich vereinigen und den Kern des befruchteten Eies darstellen.“ Aechn- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 79 lich fasst er seine Meinung in seinen vorhin eitirten beiden nach- folgenden Abhandlungen (147, 148). Zu einer noch weiter gehenden äusserst wichtigen Folgerung ge- langte indessen Nussbaum (149) bei Leptodera nigrovenosa (Schnei- der). Hier sollen sich die beiden Pronuclei, der männliche und der weibliche, bei ihrer Vereinigung in die Längsaxe des Eies einstellen und so der Länge nach mit einander verschmelzen. Die erste Furchung tritt nun aber senkrecht zur Längsaxe des Eies und also auch senkrecht zur Verschmelzungsfläche der beiden Pronuclei ein; es folgt daraus, dass jeder Kern der bei- denersten Furchungskugeln je eine Hälfte des Spermakernsund desweiblichenKerns enthalten muss. Auf die Wichtigkeit dieser Beobachtung für die Frage nach der Vererbung weist Nussbaum ausdrücklich hin. Alle Zellen unseres Körpers stammen von den beiden ersten Furchungs- kugeln ab; es liegt ausserordentlich nahe anzunehmen, dass bei der weiteren Theilung der ersten Furchungszellen auch deren Ab- kömmlinge jede gleich viel weibliche und männliche Kernbestand- theile erhalten, wenn wir auch bei den weiteren Furchungsvor- sängen die Vertheilung der beiderlei Kernbestandtheile nicht mehr zu verfolgen im Stande sind. Viel eingehender und genauer nun, als alle seine Vorgänger, unterrichtet uns E. van Beneden (Recherches sur la feconda- tion ete. (23) über den Vorgang der befruchtenden Kerncopulation. Die seit 1881 begonnenen!) Untersuchungen E.vanBeneden’s über Ascaris megalocephala und den Befruchtungsvorgang sind zweifellos gleichzeitig und unabhängig mit den genannten Arbeiten vonNussbaum und den letzten vonSchneider unternommen worden. Des Letzteren vollständiges Werk (Breslau 1883) ist in- dessen die erste Publikation. Nussbaum’s vorläufige Mitthei- lung datirt vom 5. August 1883. E. van Beneden veröffent- lichte 1883 seine erste Mittheilung über den Sexualapparat von Ascaris megalocephala in den Archives de Biologie Vol. IV; Nuss- baum’s erste ausführliche Abhandlung erschien im Archiv für mikroskopische Anatomie, Februar 1884, van Beneden’s voll- ständiges Werk im April 1884. Vorerst stellt E.vanBeneden klar, dass das „Eindringen“ 1) Nach einer brieflichen Mittheilung Evan Beneden’s, 80 W. Waldeyer: eines Spermatozoons in das Ei, „la penetration“, noch nicht den Be- fruchtungsact darstelle. Dieser selbst vollziehe sich erst durch die vollständige Ausbildung der beiden Vorkerne Mit der Fertigstellung der Vorkerne sei die Befruchtung gegeben. E. van Beneden unterscheidet demgemäss die „Feconda- tion“, deren kurze Definition wir später geben wollen, von der „Copulation des produits sexuelles“, unter der er das Eindringen eines Spermatozoons in das Ei begreift (p. 128 £f.). Die eigenthümlich gebauten Spermatozoen von Ascaris megalo- cephala bestehen im Wesentlichen aus einem protoplasmatischen. Antheile, der an einem Ende von einer Membran umgeben ist, einem eigenthümlichen glänzenden Körper, und aus einem chro- matophilen kernähnlichen Elemente, welches von einer hellen Sub- stanz in Gestalt eines Hofes umsäumt ist. Sie sind im allgemei- nen, sobald sie reif geworden sind, kegelförmig. Das dickere Ende ist das vordere, welches auch zuerst in das Ei eindringt und den chromatophilen Körper nebst dessen Hof enthält; der sogenannte glänzende Körper sitzt im Schwanzende des Zoosperms. Van Beneden behauptet nun, dass am Ascaris-Ei das Ein- dringen des Samenfadens stets an einer ganz bestimmten Stelle stattfinde. Es sei diese gekennzeichnet durch eine radiärstreifige scheibenförmige Verdickung des Eiprötoplasmas (Disque polaire)}). Die Mitte dieses Discus zeige eine rundliche Oeffnung, durch welche das bewegliche unveränderte Eiprotoplasma in Gestalt eines Pfro- pfes bis an die Oberfläche des Discus vorrage (Bouchon d’impre&g- nation). An dieser Stelle habe auch die Eimembran, die sonst den Discus mitbedeckt, eine entsprechende Unterbrechung. Das vor- dere protoplasmatische, nicht von der Membran umhüllte Ende des eindringenden Zoosperms setze sich nun durch diese, eine Mikropyle darstellende Oeffnung fest an den Bouchon d’impregna- tion an, verbinde sich mit dem letzteren und werde nun durch dessen Retraction in das Innere des Eies hineingezogen. Dabei verschmelze dann die Membran des Samenkörpers, während dessen hinteres zugespitztes Ende durch die Mikropyle hindurchgeht, mit der Eimembran, ziehe sich vom Samenkörper ab und es werde so die Mikropyle verschlossen und eine Barriere gegen das weitere 1) Dem Disque polaire vergleichbare Bildungen wies später Kupffer beim Forellen-Eie nach, hier aber in der Mehrzahl (120). Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 81 Eindringen von Samenfäden gebildet. In 6 Fällen unter vielen tausenden sah E. van Beneden zwei Samenkörper eingetreten; wahrscheinlich waren diese bei der Fixation am Bouchon l’impreg- nation mit einander verklebt gewesen. Mehr als zwei wurden nie- mals im Ei gefunden. Die Mikropyle entspricht stets einem der Endpunkte der organischen Axe des Eies. Ich will hier gleich einschalten, dass OÖ. Zachariasin Hirschberg (210), welcher im vorigen Jahre die Befruchtungsvor- gänge bei Ascaris megalocephala auf’s Neue untersuchte, keine solehe bestimmte Mikropyle, weder bei Ascaris megalocephala noch bei Ascaris suilla finden konnte. Er lässt desshalb die Sper- matozoen an beliebigen Stellen eindringen und schreibt ihnen die Fähigkeit zu, dass sie die Dotterhaut aufzulösen im Stande seien. So äusserte sich auch schon früher Carnoy (48) und van Ge- huchten (77) bestätigt dies. Es ist in diesem Falle sehr schwer zu erklären, warum dann der Regel nach, wie Zacharias be- stätigt, immer nur ein Zoosperm seinen Weg in das Ei-Innere findet. Von dem Augenblicke der Fixation des Samenkörpers am Bouchon d’impregnation an zeigt derselbe sich stärker lichtbrechend und wird, auch in seinem protoplasmatischen Theile, in auffallen- der Weise stärker tinetionsfähig. Es ist dies, wie van Beneden hervorhebt, ein vortreffliches Mittel, die eindringenden von den bloss angeklebten Samenkörpern zu unterscheiden. Ich will nun, um die Darstellung der am männlichen Ele- mente sich vollziehenden Veränderungen nicht zu unterbrechen, diese bis zum sogenannten Copulationsacte schildern, bemerke aber wiederholentlich, dass das eingedrungene Spermatozoon so lange keine bemerkenswerthen Veränderungen zeigt, als nicht die beiden Richtungskörperchen vom Keimbläschen abgestossen sind. Das Protoplasma des Zoosperms und der glänzende Körper (der Verbleib der Membran wurde bereits angedeutet) trennen sich von dem chromatophilen Körper und dessen hellem Hofe ab und vermischen sich mit dem Eiprotoplasma; mitunter fand vanBe- neden auch Reste des glänzenden Körpers in der sogenannten „perivitellinen Flüssigkeit“, die sich ebenfalls während dieser Vor- gänge aus dem Ei abscheidet (vgl. Fig. 14). Das Protoplasma löst sich erst später ab und umgibt noch in Form einer Calotte eine Zeitlang den pronueleus maseulinus während dessen Bildung. Was nun aus diesen vom Zoosperm abgestossenen Theilen wird, Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 6 89 W. Waldeyer: ob dieselben einfach als Auswürflinge zu betrachten sind, die vom Ei assimilirt werden (van Beneden gebraucht den Ausdruck „Digestion“) oder ob ihre Mischung mit dem Eiprotoplasma auch ein für die Befruchtung nothwendiger Act ist, das lässt sich zur Zeit nicht entscheiden. Ich komme später noch auf diesen Punkt zurück. Die vom Zoosperm übrig gebliebenen Theile, das Chromatin- körperchen und die dasselbe umgebende helle Substanz, die van Beneden auch als eine Kernsubstanz ansieht, wandeln sich dann in den männlichen Vorkern um. Das Chromatinkörperchen zeigt sich dabei oft aus zwei distineten Portionen zusammengesetzt. Die Art der Umwandlung wird von E. van Beneden sehr genau be- schrieben. Im Wesentlichen sieht man dabei das Chromatinkör- perchen zunächst in ein feines Netzgerüst, in welchem später ein ein- ziger verschlungener Faden auftritt, sich umwandeln; der Faden besteht aus einer achromatischen Grundsubstanz und varicös in die- ser aufgereihten Chromatinkörnchen; auch bildet sich eine eben- falls aus kleinen achromatischen Granulis bestehende Hülle um das Ganze. Von dem Hauptfaden aus gehen aber innerhalb der Hülle noch feine zarte Fäden an verschiedenen Stellen ab, die unter sich ein feines Netzwerk bilden. Dies alles ist ausgefüllt mit einer hellen flüs- sigen Substanz. Da die Masse des sich ausbildenden Pronucleus stetig zunimmt, so muss angenommen werden, dass sie aus dem umgebenden Eiprotoplasma Theile sich assimilirt. Genau in derselben Weise, wie der Pronucleus maseulinus aus dem Kernantheile des Zoosperms. bildet sich nun auch, nach Abstossung der Richtungskörperchen, aus dem Kernreste des Eies der Pronuceleus femininus. Dieser Kernrest enthält nach der Aus- stossung beider Richtungskörperchen nur noch ein Viertel der ur- sprünglichen chromatischen Substanz des Keimbläschens. Aber auch hier tritt ein, was beim männlichen Pronueleus gesagt wurde, die Substanz des weiblichen Pronucleus wächst während seiner Ausbildung, wahrscheinlich auf Kosten des umgebenden Eiproto- plasmas. E. van Beneden sagt in dieser Beziehung ausdrück- lich, Recherches ete. l. ec. p. 287: „Le but de l’elimination qui se fait dans les globules polaires ne peut done &tre de diminuer la quantit& de substance chromatique du nucl&eole de l’oeuf; cette expulsion ne peut Etre congue que comme une Epuration.“ Eine sehr bemerkenswerthe Thatsache ist die vollständige Gleich- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 83 heit der beiden Pronuclei. Schon E. van Beneden betont dieselbe. Kultschitzky, l.c. gelang es in dieser Beziehung noch einige interessante neue Einzelheiten aufzudecken. So fand er jeden Pronucleus mit einem Kernkörperchen ausgerüstet. In einer Anzahl von Fällen finden sich in jedem Pronucleus zwei Kernkör- perchen, selten drei, allemal aber ist die Zahl der Kernkörperchen in den beiden Pronucleis dieselbe. Die vollständige Gleichheit von Spermakern und Eikern ist von Strasburger(191) auch fürmanche Phanerogamen nachgewiesen worden. Im Gegensatze dazu fand Platner (160) bei Arion em- piricorum eine auffallende Ungleichheit. Aber nicht allein der Kern der Eizelle stösst Elemente ab, sondern auch von dem Protoplasma des Eies sondern sich zur selben Zeit, wann die Richtungskörper austreten, Massen ab, welche in zwei peripheren Schichten um den Rest des Eies abgelagert werden und wie zwei Hüllen um diesen Rest erscheinen (couches perivitel- lines, s. Fig. 14); dieselben nehmen an den weiteren Entwicklungs- vorgängen keinen Antheil. E. van Beneden weist darauf hin, dass auch bei anderen Eiern die Absonderung einer ähnlichen Sub- stanz, des Liquor perivitellinus, constatirt ist, und vergleicht mit diesem die Couches perivitellines des Ascaris-Eies. Wann nun beide Pronuclei aus dem Zoospermreste und dem Keimbläschenreste gebildet worden sind, dann soll nach der Darstel- lung der Meisten der eigentliche Befruchtungsact, die Verschmelzung der beiden Pronuclei zum Furchungskern vor sich gehen. In der Darstellung dieser sogenannten „Verschmelzung“ weicht aber E. van Beneden völlig von allen übrigen Autoren ab. Ihm zu- folge gestaltet sich dieser wichtige Act folgendermaassen: Der varicöse Chromatinfaden beider Pronuclei, die sich inzwischen dicht aneinander gelegt haben, ohne zu verschmelzen, theilt sich (quer) in zwei gleich lange Stücke, die jedes eine ungefähr U-förmige Schlinge bilden. Vor dieser Quertheilung treten an dem varikösen Chromatinfaden noch einige Veränderungen seiner Gestalt und Grösse auf; auch lagert er sich von der Oberfläche, welche er im Beginn einnimmt, mehr in das Centrum der Pronuclei. Wir haben alsdann vier solcher Schlingen (Chromosomen), zwei männ- liche und zwei weibliche. Dann spaltet sich jede Schlinge der Länge nach in zwei Schwesterfäden, von denen jeder bis in die kleinsten Einzelheiten das getreue Spiegelbild seines Partners ist. Vorher schon 34 W. Waldeyer: tritt, wie bei der karyokinetischen Theilung jeder gewöhnlichen Zelle, eine Spindelfigur auf, zusammengesetzt aus Fäden, die nach zwei entgegengesetzten Polen (den spheres attractives) zusammen- laufen. Dabei schwinden die Umrisse der bis jetzt noch völlig getrennten beiden Pronuclei. In der Mitte zwischen beiden Polen der Spindelfigur, also am Aequator derselben, liegen die nunmehr (durch die genannte Längsspaltung) auf die Zahl 8 gebrachten chromatischen Fäden, vier männliche und vier weibliche. An den beiden Polen der Spindel zeigt sich das glänzende Polkörperchen und die Polstrahlung. Jetzt rücken die beiden aus je einem pri- mären Faden entstandenen Schwesterfäden auseinander nach den Polen der Spindelfigur hin und zwar so, dass der eine Faden zum Pole a, der andere zum Pole b wandert und auf diese Weise dann zwei männliche Fäden und zwei weibliche zum Pole a, und ebenso zwei männliche und zwei weibliche Fäden zum Pole b gelangen. Dort entsteht aus diesen Fäden wieder die chromatische Substanz je eines Tochterkerns, es folgt zwischen den beiden Tochterkernen die Theilung der Eizelle und damit sind die beiden. ersten Fur- chungskugeln gegeben, deren jede nun gleich viel männliche und gleich viel weibliche Kernelemente enthält. Ich will hier, da es in kurzer Darstellung nicht gut möglich ist, zumal ohne Abbil- dungen, sich leicht verständlich zu machen, auf die weiteren An- gaben E. van Beneden’s bezüglich des Verhaltens der chroma- tischen Schlingen bei der Reconstruirung der Tochterkerne nicht näher eingehen. Nur sei bemerkt, dass von den vier secundären Schlingen, aus denen jeder Tochterkern sich aufbaut — nennen wir sie mit van Beneden: a, b, ce und d, — je zwei sich im ruhen- den Tochterkern vereinigen, somit zwei Gruppen a b und e d ent- stehen, dass diese beiden Gruppen aber unabhängig von einander blei- ben. Theilt sich nun der Tochterkern aufs neue bei der zweiten Furchung in vier Schlingen — seien es m, n, p, q — so geschieht dies nicht in der Weise, dass etwa die früheren Schlingen a, b, e, d wieder hergestellt würden, dass also metw=a,n=bu.s.f. wäre, sondern so, dass m = 1, ab, n=!,ab, p= cd, q=Y cd wird. Man kann nun nicht durch die Beobachtung entscheiden, ob die Gruppe ab die beiden männlichen Schlingen, ed die beiden weiblichen enthält, oder ob in jeder Gruppe eine männliche mit einer weiblichen Schlinge vereinigt ist, dass also a und ce die männ- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 85 lichen, b und d die weiblichen wären. Freilich, meint van Be- neden, sei das erstere (a b = mämliche, e d = weibliche Schlingen) das wahrscheinlichere, da ja in der befruchteten Ei- zelle mit getrennten männlichen und weiblichen Pronucleis die Saehe so wäre, und man nicht gut annehmen könne, dass die Tochterzellen sich in diesem Punkte anders verhielten wie die Mutterzelle. Wie wir sehen, handelt es sich nach dieser Darstellung durch- aus nicht mehr um einen Verschmelzungsprozess, sicher- lich nicht der chromatischen Substanz. Diese wird nur an die beiden, bei der ersten Furchung zu bildenden Tochterkerne gleich- mässig vertheilt. Es ist daher auch schwer den Augenblick der eigentlichen Befruchtung nach dieser Darstellung zu fixiren. E. van Beneden verlegt ihn, s. darüber noch w. u., in den Moment, wann die beiden Pronuclei fertig werden. In seine Definition der Befruchtung legt er aber noch etwas Weiteres hin- ein. Da die Samenzelle nach Abstossung eines Theiles ihrer Ele- mente etwas anderes ist als vorher, so nennt sie van Beneden nicht mehr Zelle, sondern: „männlicher Gonocyt“, ebenso bezeichnet er die Eizelle nach Abstossung der Richtungskörperchen und der Couches perivitellines als „weiblicher Gonoeyt“. Führen wir diese Namen ein, so kann man die Befruchtung mit E. van Beneden definiren als: den Ersatz gewisser, dem weiblichen Gonocyten verloren gegangener Theile durch Theile des männlichen Gonocyten (remplacement par certains &l&ments derives du gonocyte mäle des parties &limindes par l'oeuf lors de la formation des globules polaires et 'des cou- ches perivitellines, s. 1. ec. 23, p. 312 und p. 402). E. van Beneden findet also, wenn auch in anderer Weise, bei Ascaris megalocephala denselben wichtigen Vorgang, wie ihn Nussbaum von Leptodera nigrovenosa annimmt, d. h. die gleich- mässige Vertheilung männlicher und weiblicher Kernelemente auf die beiden ersten Tochterkerne. Hat van Beneden mit seinen Schilderungen Recht, dann würden wir damit einen tiefen Einblick in die Bedeutung der karyokinetischen Erscheinungen gewinnen. Ich habe schon vorhin (I) gegen die absprechenden Meinungen von Fol, Brass und Fraisse, die den Figuren der chromati- schen Fäden nur eine untergeordnete Bedeutung vindieiren wollen, meine Bedenken hervorgehoben. Angesichts des von van Bene- = 36 W. Waldeyer: den Vorgebrachten muss man den Erscheinungen und Verände- rungen der chromatophilen Substanz die höchste Bedeutung zu- schreiben. Van Beneden zieht auch ebenso wie Nussbaum den Schluss, dass diese Vorgänge für die Vererbungsthat- sachen ausserordentlich wichtig seien, denn man dürfe anneh- men, dass derselbe Vorgang, wie bei der ersten Zelltheilung, sich auch bei allen folgenden vollziehe, dass bei jeder Theilung näm- lich die männlichen von den weiblichen chromatophilen Elementen getrennt blieben und sich gleichmässig auf die Tochterzellen ver- theilten. Daraus folge dann unmittelbar, dass jede Zelle unseres Körpers männliche und weibliche Elemente enthielte und somit hermaphroditischer Natur sei. Damit würde auch die Meinung von Hensen stimmen, welche bekanntlich (s. Physiologie der Zeu- sung) dahin geht, dass die Urform der-Zeugung die geschlecht- liche und nicht die ungeschlechtliche sei. E. van Beneden geht aber weiter und stellt auch eine sehr ansprechende Hypothese über die Bedeutung der Richtungskörper auf. Ist die Eizelle als hermaphroditischer Körper, wie alle Zellen, mit männlichen Elementen versehen, so muss sie dieselben vor der Befruchtung ausstossen, um eine neue weibliche Zelle zu werden. In den Richtungskörperchen nun erblickt E. van Beneden die ausgestossenen männlichen Elemente der Ei-Zelle. — Ist diese An- schauung richtig, dann müssen aber auch bei der Bildung der Samenfäden Richtungskörperchen, welche hier die weiblichen Elemente repräsentiren würden, ausgestossen werden. E. van Beneden und Julin (22) haben dies in der That bei Ascaris me- galocephala nachgewiesen. Sie betrachten die von ihnen sogenannten ‚corpuseules residuels“, die bei der Theilung der samenbildenden Zellen abfallen, als die Richtungskörper der Samenfäden. Ich selbst habe früher (s. Renson, Spermatogenese, Arch. de Biologie 1879) die Meinung geäussert, als ob die sog. Nebenkerne, die bei der Bildung der Spermatozoen erscheinen, als Aequivalente der Richtungskörper aufzufassen seien. Ich sehe, dass Weismann (Zahl der Richtungskörper 1. c. p. 62) derselben Ansicht ist; er möchte indessen den Nebenkern als „ersten Richtungskörper“ auffassen. Es konnte nicht fehlen, dass eine so bedeutende und unsere bisherigen Vorstellungen vielfach umwälzende Arbeit wie die be- sprochene, zu Nach-Untersuchungen und Widerspruch herausfor- derte. Vieles, was E. van Beneden gewonnen hat, kann als ge- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 87 sichertes Eigenthum der Wissenschaft angesehen werden. Die ein- schneidendste Behauptung indessen, dass es sich bei der Befruch- tung nicht um eine Verschmelzung, sondern um eine Ver- theilung der achromatischen Kernsubstanz handle, sowie die daran geknüpften Folgerungen von dem Hermapbhroditismus der Zellen und der Bedeutung der Richtungskörperchen, ist lebhaft bekämpft worden. Wenden wir uns zunächst zu den Angaben, welche die von E. van Beneden vorgebrachten Thatsachen be- stätigen, so sei zunächst die in Gemeinschaft mit A.N eyt veröffent- lichte neuere Arbeit E. van Beneden’s (24) selbst hervorgehoben. Für eine verschwindend kleine Anzahl von Fällen wird hier aller- dings zugestanden (p. 28), dass eine „fusion“ der beiden pronuclei stattfinde; es wird jedoch mit Recht hervorgehoben, dass dieser Vorgang völlig bedeutungslos sei angesichts der Thatsache, dass man sie nur ganz ausnahmsweise beobachten könne. („Les deux elements (pronuclei) reprösentent ensemble un noyau complet, et il est absolument indifferent qu’ils s’accolent et se fondent ou non l’un avec l’autre puisque, chez l’Ascaris, cette fusion n’a pas lieu dans l’immense majorit& des oeufs“.) Weiterhin, p. 36, hebtE.van Beneden ganz richtig die Schwierigkeiten hervor, welche in denjenigen Fällen vorliegen, wo beide Pronuclei dicht aneinander gelagert sind; hier kann es unmöglich sein, zu entscheiden, ob das Chromatin beider Pronuclei irgendwie zusammengeflossen, ver- einigt worden ist, oder nicht; es ist natürlich dann aber auch nicht zulässsig in solchen Fällen eine stattgehabte wirkliche Ver- schmelzung zu behaupten. Allen diesen unbestimmt bleibenden Fällen steht immer die grosse Mehrzahl derer gegenüber, in wel- chen man ganz bestimmt zu keiner Zeit von einer Verschmelzung reden kann. Boveri(34)spricht sich bezüglich der Verschmelzung ganz im Sinne von E.vanBeneden aus; ebenso Kultschitzky (115, 116), dessen Präparate mir vorgelegen haben und dem ich darin völlig zu- stimmen kann. Wir vermochten nichteinen einzigen Fall von Verschmelzung festzustellen. Besonders werthvoll erscheint mir, dass auch an einem an- dern Objekte, bei Arion empiricorum, die Angaben van Bene- den’s in allem Wesentlichen bestätigt werden konnten. Ich lasse deshalb den Inhalt der betreffenden Arbeit von Platner (160), so 88 W. Waldeyer: weit er sich auf die hier in Rede stehenden Vorgänge bezieht, auszüglich folgen: Bei Arion findet das Eindringen der lang fadenförmigen Samen- körper an keiner bestimmten Stelle statt. Der Eikern (pronucleus femininus) bleibt an der Austrittsstelle der Richtungskörper (Rich- tungspol) liegen. Während der Samenfaden sich dem Eikern nähert, entsteht ein heller Hof um die chromatische Substanz des Kopfes; letztere, so wie der Schwanzfaden nehmen an Färbefähig- keit zu, der Faden aber nur, soweit er im Ei liegt, nicht auch das etwa aussen noch vorragende Ende. Niemals dringen mehrere Samenkörper gleichzeitig ein; ge- langt ein solcher später noch in das Ei, nachdem bereits ein Faden vom Ei Besitz genommen hat, so geht der spätere, ohne dass man weitere besondere Veränderungen an ihm wahrnimmt, zu Grunde. Falls das Spermatozoon eindringt, bevor die Richtungskörper ausgestossen sind, bildet sich aus dem Kopfe ein grosser Sper- makern, im anderen Falle nur ein kleiner. Diese Beobachtung OÖ. Hertwig’'s hier bestätigend, nimmt Platner zur Erklärung derselben mit Hertwig an, dass im ersteren Falle der sich bildende Spermakern noch von dem während der Richtungskörper- Bildung im Eiprotoplasma sich auflösenden Kernsafte Theile auf- nehmen könne. Der Keimbläschenrest (Eikern) erleidet folgende Umwand- lungen: Es treten in ihm eine Anzahl keimfleckähnlicher Körper von unregelmässig eckiger Form auf, die anfangs sich durchweg gleich färben. Ihre Form wird später kugelig und lässt dann jede Kugel drei Stücke erkennen, ein mittleres blasses, welches keinen Farbstoff annimmt, und zwei demselben polar anhängende stark sich färbende Chromatinkügelchen. Jede solche blasse Kugel mitihren zwei Chromatinkügelchen nennt Platner ein „Ka ryosoma“. Es bilden sich nun zwei Astern am Eikern und geht dessen Membran verloren. Um diese Zeit dringt der umgewandelte Sperma- tozoenkopf, um den ebenfalls ein Aster sichtbar wird, in den mem- branlosen Eikern ein und verliert dabei seinen Aster. Man könne jetzt, meint Platner, das im Ei vorhandene Kerngebilde, in welchem nunmehr männliche und weibliche Elemente zusammenliegen, als „Furchungskern‘‘ bezeichnen. Die blassen Bestandtheile der (weiblichen) Karyosomen wandeln sich nun zu den achromatischen Fäden einer Kernspindel um, Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 89 während die Chromatinkügelchen sich im Aequator der Kernspindel ansammeln. Gleichzeitig entstehen durch Theilung des hellen Hofes sammt der chromatischen Substanz des Spermakerns zwei männliche Karyosomen, welche aber vorerst die Veränderungen der weiblichen Karyosomen nicht mitmachen. Alle nachweislich aus dem Protoplasma und dem Nebenkern der Samenbildungszellen (Spermatiden, v. La Valette St. George) hervorgegangenen Theile: Faden und ein kleines blasses an der Grenze zwischen Kopf und Faden befindliches Körperchen, werden abgestossen und nach und nach im Protoplasma der Eizelle aufgelöst; also entstehen die beiden männlichen Karyosomen nur aus dem Kernantheile des Samenkörpers. Die blasse Substanz der männlichen Karyosomen wird nun wahrscheinlich auch zu achromatischen Spindelfäden, während die Chromatinkügelchen sich theilen, so dass wir 8 Kügelchen erhalten, von denen wieder je 2 zu einem Doppelkügelchen verbunden sind. Diese 8 oder (wenn man die Doppelkügelchen rechnet) 4 männ- lichen chromatischen Elemente gesellen sich den weiblichen Chro- matinkügelchen zu und es ordnen sieh dann alle vorhandenen Chro- matinkügelchen zu einer Aequatorialplatte (Mutterstern) an, indem je vier Kügelchen eine Gruppe bilden. Solcher Gruppen sind — ge- naue Zählungen waren nicht möglich — 16—20 in der Aequatorial- platte vorhanden. Eine Verschmelzung männlicher und weiblicher Chromatinkügelchen findet dabei nicht statt; Plattner sagt hier- über p. 67 wörtlich: „Auch bei Arion gerathen zwar die aus dem Kopf des Spermatosoms hervorgegangenen beiden Karyosomen anscheinend in die Höhlung des Eikerns, aber zu einer Verschmel- zung mit den Bestandtheilen desselben kommt es nicht, vielmehr betheiligen sich männliche und weibliche Kerntheile gesondert an dem Aufbau der Furchungsspindel.“ Jede Vierer-Gruppe verschmilzt nun zu einer grösseren Chro- matinkugel (Chromosoma m.). Diese Chromosomen strecken sich sammt der Spindelfigur in die Länge und werden so zu kurzen ‚Stäbchen umgeformt; dann folgt die typische Flemming'’sche Längstheilung der Chromosomen zu je zwei Halbstäbehen, die nun wie bei einer regelrechten Mitose zu beiden Polen auseinander- weichen, um in das Chromatin der beiden ersten Furchungskugeln einzugehen. — Bezüglich der Verschmelzungfrage stimmen, wie man sieht, die Beobachtungen Platner’s bei Arion sehr gut 90 W. Waldeyer: mit denen van Beneden’s bei Ascaris überein; nur ist die auffallende Abweichung hervorzuheben, dass die Masse des männ- lichen und weiblichen Chromatins so ungleich ist, während bei Ascaris, wie ausdrücklich bemerkt wurde, eine völlige Gleichheit besteht. Carnoy (l.l.c.c.) steht so zu sagen in der Mitte zwischen den Anhängern und Gegnern E. van Beneden’s. In seinen beiden Abhandlungen: „La vesieule germinative et les globules polaires de l’Ascaris mögalocephale“ und „La vesicule germinative et les globules polaires chez quelques n@matodes“, s. die von ihm herausgegebene Zeitschrift: La cellule, T. II et III, 18586, kommt er zu dem Ergebnisse, dass in manchen Fällen eine Verschmelzung, also ein wirklicher Furchungskern im Sinne OÖ. Hertwig’s zu Stande komme, in manchen jedoch nicht, und dass in diesen Fällen die Furchung beginne, ehe eine Conjugation der Pronuclei stattgefunden habe. Wäre dem so, so würde auch die Verschmelzung keine besondere Bedeutung haben. Dem gegenüberhalten Nussbaum(148)undO.Zacharias(2]0) an dem regelmässigen Eintritteeiner Verschmelzung fest. Zacharias, welcher gerade den Befruchtungsvorgang bei Ascaris megalocephala nach E. van Beneden und Carnoy am eingehendsten ver- folgt hat, meint, dass van Beneden das Verschmelzungstadium übersehen habe. Es kämen bei der genannten Species zwei Fälle vor. Im ersten Falle blieben nach Ausstossung der beiden Rich- tungskörper von der chromatophilen Substanz des Keimbläschens zwei Chromatinkügelchen übrig, ebensolche zwei Kügelchen zeige der eingedrungene Samenkörper und wird darin van Beneden’s Angabe bestätigt. Es treten aber nun je ein männliches und je ein weibliches Kügelchen, nach Bildung einer Membran um die- selben, zu einem kernähnlichen Gebilde zusammen. Dieses zerfalle in eine grosse Menge von Mikrosomen, die sich mit einander der- artig vermengen und in einen Fadenknäuel zusammenlegen, dass es unmöglich sei, darin die männlichen und weiblichen Elemente auseinander zu halten. Offenbar sind diese beiden so umgestalteten kernähnlichen Gebilde die beiden Pronuclei Evan Beneden’s. Wenn es nunmehr im weiteren Ablaufe der Erscheinungen zur ersten Furchung komme, so trete keine weitere Verschmelzung der chromatischen Fadenknäuel dieser beiden Pronuclei mehr ein. Die Kernmembran um jeden chromatischen Knäuel schwinde, jeder Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 91 Knäuel zerfalle in zwei V-förmige Fadenschlingen, jede dieser Schlingen spalte sich durch Längstheilung in zwei Schwester- fäden, die nun vorhandenen 5 Schlingen oder Schleifen ordneten sich zu einem Mutterstern um die inzwischen aufgetretene Spindel- figur, je vier der Schleifen gingen als Bestandtheile je eines der beiden Tochterkerne zu dem einen und dem anderen Pole der Spindelfigur und es folge nun die Zelltheilung. Den Ablauf der Erscheinungen schildert also, wie man sieht, Zacharias, wie van Beneden; nur soll der Letztere übersehen haben, dass in jedem seiner Pronuclei die Verschmelzung zwischen den männ- lichen und weiblichen Chromatinelementen bereits stattgefunden hatte, als sie ihre Umbildung zu den Fadenstructuren begannen. Im zweiten Falle läuft der Befruchtungsvorgang nach Za- charias in folgender Weise ab: Entweder werden alle vier chromatischen Befruchtungsgranula (die 2 männlichen und die 2 weiblichen) zusammen in eine gemeinsame Kernmembran einge- schlossen, oder die zwei männlichen für sich und die zwei weib- lichen für sich. Sind alle vier zusammen in eine Membran ein- geschlossen, dann erfolgt der Zerfall in Mikrosomen und eine Ver- mengung derselben nebst Ausbildung der Fadenstructur, der vier Schleifen, deren Längstheilung u. s. w., wie eben angegeben. Zacharias betrachtet nun die Vermengung der Mikrosomen, so dass man die männlichen und weiblichen Elemente nicht mehr auseinander halten könne, als den Verschmelzungsact. Werden die zwei männlichen Granula und die zwei weiblichen separat einge- schlossen, dann liegt die Sache so, wie sie van Beneden als ausnahmslose Regel geschildert hat, und muss nun der weitere Ablauf der Dinge die Probe auf das Exempel geben. Zacharias fand nun, dass zwar in der That, wie E. van Beneden ange- seben hat, jeder der beiden jetzt geschlechtlich differenzirten Pro- nuclei sich in der geschilderten Weise fadig ausbilden kann, dann aber tritt nicht, wie es van Beneden schilderte, nur ein ein- facher Austausch der Fäden ein, wobei sich die stets wohl unter- scheidbaren männlichen von den weiblichen getrennt hielten, son- dern beide Pronuclei verschmelzen noch vor der Ausbildung der deutlichen Fadenschlingen, im einfachen Mikrosomenstadium, so dass es bei den weiter ablaufenden Processen nieht mehr mög- lich ist, die männlichen und weiblichen Elemente auseinander zu halten. -— Van Gehuchten hältauch an der Verschmelzung der 92 W. Waldeyer: männlichen und weiblichen Kernelemente fest, doch glaubt er die erste der von Zacharias beschriebenen Modalitäten nicht zu- lassen zu können. O. und R.Hertwig (96) kommen ebenfalls zu demSchlusse, dass derEikern und derSpermakernsich ganz „durchdringen“ müssen, ein einfacher Austausch getrennt bleibender Chromatinfäden im Sinnevan Beneden’sentsprechenicht den vonihnen beobachteten Verhältnissen. Sie fanden dabei, dass, wenn ein Spermatozoon in ein kernloses, aber noch lebendes Bruchstück des Eiplasmas eindringt, das erstere sich in eine Fadenspindel umwandeln kann. Auch wenn das Zoo- sperm und der Eikern nicht zur Vereinigung kommen, erlangen sie die Fähigkeit, sich karyokinetisch zu differenciiren, sobald sie nur im Eiplasma liegen. OÖ. und R. Hertwig schliessen daraus, dass die Plasmasubstanz der Eizelle, sowie die Substanz der Sper- matozoon mit eigenartigen Kräften ausgerüstet sein müssen, die aufeinander wirken, wenn beide Theile in Berührung kommen. Auch Kölliker (108) theilt verschiedene Bedenken mit, die namentlich darin wurzeln, dass einzelne der Abbildungen E. van Beneden’s selbst für eine Verschmelzung sprächen, und dass die Aufrechterhaltung der Trennung von männlicher und weiblicher Kernsubstanz in den auf die ersten folgenden Tochterzellen doch thatsächlich noch nicht nachgewiesen sei. Eine Verschmelzung lehren uns ferner die wichtigen Beob- achtungen A. Schneider’s (180). Bei der Conjugation von Ano- plophyra circulans (Infusorium) erscheinen die beiden Kerne als zwei quer gelegte parallele Stränge, die von der Mitte des einen Individuums zu der des andern ziehen. Nach der Conju- gation enthält jedes der beiden Individuen zwei halbe Kerne, d.h. eine Hälfte seines früheren eigenen Kerns und eine Hälfte des Kerns seines Partners. Die beiden Kernhälften sollen nun völlig zu einem neuen Kerne verschmelzen. Eigenthümlich sind die Angaben Schneider’s über die Nucleolen, deren jedes der copulirenden Thiere 4 besitzen soll; ob diese auch ausge- tauscht werden, liess sich nicht entscheiden, dagegen verschwanden 3 Nucleolen nach der Copulation, nur einer blieb erhalten. — Handelt es sich hier vielleicht um Richtungskörperchen ? Ich muss hervorheben, dass die Anhänger einer „Verschmel- zung“ uns bisher noch keine klare Vorstellung von dem, was dar- unter zu verstehen sei, gegeben haben. Auch der von den Brüdern } Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtunsesvoreängen. 93 » » Hertwig gebrauchte Ausdruck „Durchdringung“ trägt nicht dazu bei, die Sache zu lichten. Bei allen Beobachtern finden wir erwähnt, dass die chromatophilen männlichen und weiblichen Ele- mente in „Mikrosomen“ im Balbiani-Pfitzner’schen Sinne zerfallen. Diejenigen, welche eine ‚Verschmelzung‘ annehmen, können höchstens aussagen, dass eine „Vermengung“ der Mikrosomen unter- einander stattfinde, derart, dass es unmöglich sei, die weiblichen von den männlichen bei den Vorgängen zu unterscheiden. In der That kommen wir von den van Beneden’schen männlichen und weib- lichen Fadenschleifen zu den männlichen und weiblichen Mikrosomen, und wir werden die Frage nach den intimeren Vorgängen der Befruch- tung und nach dem Hermaphroditismus der Zellen, wie gesagt, erst dann lösen können, wenn es uns gelingt, durch irgend ein Reagens die männlichen von den weiblichen Mikrosomen zu unterscheiden. Sehr beachtenswerth sind in dieser Beziehung die neuesten Angaben von Böhm (31) aus dem Kupffer’schen Laboratorium in München. Ihm zufolge zerfallen bei den Neunaugen der männ- liche und weibliche Vorkern, die sich nach dem Eindringen der Spermatozoen bilden, in Stücke (Spermatomeriten-Karyomeriten). Diese Stücke bilden zunächst zwei noch getreunte Gruppen, wenn auch eng aneinanderliegend, und man kann beiderlei Meriten, die männlichen und die weiblichen, eine Zeit lang mikrochemisch bequem unterscheiden. Jeder Merit besteht aus einer chro- matinarmen Hülle und einem darinliegenden chromatinreichen Kern, dem „Mikrosom“. Der definitive Furchungskern — ich eitire textuell — entsteht dadurch, dass die Hüllen (Körper) der Karyo- und Spermatomeriten zu einer gleichartigen Masse verschmelzen, in welche die Mikrosomen, die man nun nicht mehr ihrer Abkunft nach auseinanderhalten kann, zu liegen kommen. Aus den Mikro- somen baut sich der chromatische Antheil der karyokinetischen Figur auf. Wir haben hier eine klare Beobachtung von einer Verschmel- zung der achromatischen Bestandtheile, aber an den männlichen und weiblichen Mikrosomen ist die Untersuchungstechnik bis jetzt noch gescheitert! Ganz neue Gesichtspuncte eröffnet eine Arbeit von Weis- mann und Ischikawa (204 a), welche mir erst während des Druckes dieser Zeilen zuging. Sie fanden, dass bei Moina para- doxa der eingedrungene Samenfaden erst mit einer der 4 Fur- chungszellen, die aus dem zweiten Furchungsacte hervorgehen, 94 W. Waldeyer: verschmilzt und nicht mit der ganzen noch ungefurchten Eizelle. Bei Sida erfolgt die Copulation auch erst nach der Furehung, aber schon im 2. Zeilen-Stadium, bei Daphnia pulex dagegen erst im 8. Zellenstadium. In der ganz kurzen vorläufigen Mittheilung (Ber. d. naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B., Bd. IV, Heft. 1, 1888) ist nicht näher angegeben, wie die Verschmelzung erfolge, ob nur die Kerngebilde, oder ob auch die zelligen Antheile conjugiren. Verff. vermuthen, dass die aus der Copulation hervorgegangenen Zellen zn Geschlechtszellen werden. Insofern als es sich bei den Copulationsvorgängen in augen- fälliger Weise um Kerngebilde handelt, liegt der Gedanke nahe, das vererbende Princip in den Kernen zu suchen. In der That haben sich Viele nach dem Bekanntwerden der Hert- wig-van Beneden’schen Copulationsbeobachtungen rasch ent- . schlossen die Kerne als alleinige Träger der Vererbungssubstrate anzusehen. Hier ist vor Allem OÖ. Hertwig (93) als Begründer dieser Auffassung, dann Kölliker (108) und neuestens W eigert(202) in seinem vortrefflichen Artikel: ‚Neuere Vererbungstheorien“ zu nennen. Insbesondere hat Kölliker eingehend die Gründe für und wider erörtert, welche bei der Lehre von den Kernen als Ver- erbungsträgern ins Gewicht fallen. Ich erkenne voll und ganz an, dass für die Kerne schwerwiegende Gründe in Menge vorgebracht werden können, verweise auch auf die Wichtigkeit, welche die Kerne für die Formgestaltung und Regeneration der niederen Or- sanismen haben!), muss aber dennoch zu bedenken geben, dass ein entscheidender Beweis noch nieht geliefert ist. Dieser wäre erst dann geliefert, wenn wir für eine Spermatozoenart ab- solut sieher wüssten, dass in ihre Constitution kein Theil des Protoplasmas der betreffenden Bildungszelle übergeht, oder dass, falls auch Protoplasma überginge, dieses nicht mit in den Be- fruchtungsvorgang einbezogen würde. Wir sind aber weder mit der Spermatogenese noch mit der Analyse der Befruchtungserscheinungen, selbst wenn ich die schönen Untersuchungen Strasburger’s über die Befruchtung der Phanero- 1) Um nur eins zu ceitiren, nenne ich die schönen Untersuchungen A. Gruber’s an Stentor coeruleus (83). Blieb in einem, wenn auch nur sehr kleinen abgeschnittenen Stücke dieses Thieres ein Fragment des Kerns er- halten, so wuchs dies Stück wieder zum vollkommenen normal gestalteten Thiere aus, welches ohne einen Kernantheil nicht der Fall war. Zu gleichem Resultate gelangteN ussbaum (147) bei Gastrostyla vorax, einer Oxytrichine. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 95 gamen, Jena, 1384, mit heranziehe, schon so weit, um das Eine, wie das Andere mit völliger Sicherheit aussagen zu: können. Vgl. auch darüber Flemming’s Aeusserungen (61) und Pringsheim’s Angaben, Sitzungsber. der K. Preuss. Akd. der Wissenschaften zu Berlin, 1882. 8. Juni. Nussbaum (ll. e.c.) fasst die Befruchtung wesentlich noch als eine Conjugation von Zellen auf. Ich glaube wenigstens nicht, dass man Nussbaum als entschiedenen Verfechter der reinen Kernbefruchtung eitiren kann, wie es Kölliker thut (Zeitschr. f. w. Zool. 42. Bd., p. 516). E.van Beneden spricht sich, wäh- rend er es früher noch etwas zweifelhaft liess, in seiner jüngsten Mittheilung ganz entschieden dahin aus, dass der protoplasmatische Antheil des Spermatozoon bei Ascaris meg. keinen Antheil an der Befruchtung habe. („ll resulte avee une absolue certitude de l’etude du developpement de l’Ascaris, que le corps protoplasmique du Spermatozoide degenere et nm’intervient pas dans l’edification du corps: protoplasmique de la premiere cellule embryonnaire, que le noyau du zoosperme est le seul el&ment paternel fourni & l’oeuf feconde“.) Wenn es aber in der That sich so verhält, wie E. van Beneden schildert (s. vorhin), dass der protoplasmatische Antheil des Zoosperms sich im Protoplasma der Eizelle spurlos auflöst, so gesellt sich doch männliches Protoplasma, wenn nicht formell, so doch materiell dem weiblichen Protoplasma hinzu. Sollte dies ganz bedeutungslos sein? Anders läge die Sache, wenn beim Eintritt des Spermatozoon in das Ei der protoplasmatische Bestandtheil des ersteren etwa abgestreift würde und gar nicht mit in das Ei hin- eingelangte. — Auch bei Platner finden ‚wir, wie vorhin mit- getheilt, die Angabe, dass die protoplasmatischen Antheile der Sper- matozoen mit in das Ei hineingelangen; sie verhalten sich dort conform den von E. van Beneden bei Ascaris gemachten An- gaben, d.h. sie trennen sich völlig von den Kernelementen des Zoo- sperms los und lösen sich im Eiprotoplasma auf; eine materielle Ver- schmelzung des beiderseitigen Protoplasma findet also auch hier statt. J. Frenzel stützt sich, indem er auch dem Protoplasma einen Antheil bei der Befruchtung vindieiren möchte, auf das Vor- kommen kernloser niederer Individuen, als welche er besonders die Bacterien ansieht. Ich muss indessen bekennen, dass mir hier Weigert mit den Gründen, die er gegen Frenzelin dieser Beziehung anführt, völlig im Recht zu sein scheint. 0%] 96 W. Waldeyer: Aber die ganze Frage erhält ein anderes Gesicht, wenn wir die neuesten. Bestrebungen, einen anderen Elementarorganismus als die Zelle zu finden, mit in Rechnung ziehen. Dass Zellen und Kerne nieht mehr den Anspruch auf die Benennung „Elementar- organismen“ machen können, das dürfte wohl ausser Zweifel sein. Ieh will hier nieht untersuchen, ob Beehamp-Estor und Alt- mann mit den von ihnen beschriebenen „Granulis“ im Rechte sind, und ob wir hierin die ächten Elementarorganismen zu suchen haben. Ich will nur auf die ausserordentliche Wichtigkeit hinweisen, welche die von Hanstein (86) zuerst so benannten, von Bal- biani und Pfitzner in den chromatischen Fäden nachgewiesenen „Mikrosomen“ (s. Thl. 1) für die Karyokinese erlangt haben. Gerade das van Beneden’sche Werk bietet eine Fülle von Be- legen dafür. Wenn es nun richtig ist, was auch van Beneden wiederholt hervorhebt, dass die Granula der Kerne mit den Granulis des Protoplasma durch Fäden vereinigt sind, wenn von anderen Beob- achtern, wie u.A. Leydig (126) und Strieker (196), auf das Entschiedenste die Continuität zwischen Kern- und Zellplasma-Be- standtheilen hervorgehoben wird, wo bleibt da die Möglichkeit mit dem uns jetzt zu Gebote stehenden Wissen schon solche wichtigen Fragen, wie die nach dem Träger der vererbenden Eigenschaften, entscheiden zu können ? Ich erkenne die Berechtigung der darüber aufgestellten Hypothesen gern an, denn gute Hypothesen fördern die Sache; aber wir wollen uns den Schwierigkeiten nicht ver- schliessen, die immer noch bestehen bleiben und uns die weitere Aussicht, die wir erstreben müssen, damit nicht versperren. Am meisten Widerspruch hat die Lehre von dem Herma- phroditismus der Zellenund der Bedeutungder Riechtungskörper als ausgestossene männliche oder weibliche Elemente erfahren. So viel ich weiss, ist diese Lehre zuerst von Ch. Sedgwick Minot aufgestellt worden. Sie wurde später von Balfour (10) acceptirt. Minot (135) stellt folgende Betrachtung an: Das Ei stösst zu einer gewissen Zeit seiner Existenz die Richtungskörper unter be- sonderen Erscheinungen (Amphiasterbildungen) ab. In ähnlicher Weise wie die Richtungskörper werden von einer Mutterzelle aus die Samenfäden (resp. deren Bildungszellen) abgestossen und die Mutter- zelle, der Eizelle vergleichbar, bleibt zurück; auch hierbei treten Amphiasterbildungen auf. Also bei beiderlei Geschlechtszellen Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 9 (Gonoblasten, Minot) dieselben auffallenden Erscheinungen des Auftretens von zweierlei zelligen Elementen unter sehr deutlichen karyokinetischen Processen ! Da nun, sagt Min ot, in dem einen Falle die grössere zu- rückbleibende Zelle, das Ei, weiblich ist, so schliessen wir, dass auch der zurückbleibende Rest der Samenmutterzelle weiblich sei; da ferner die abgestossenen Samenbildungszellen männlich sind, so schliessen wir auf die männliche Natur der Richtungskörper- chen. Minot parallelisirt also die Richtungskörper des Eies mit den Spermatozoen und differirt darin mit Evan Beneden, der als Richtungskörper bei der Samenbildung eigenartige Gebilde, die früher erwähnten corps residuels, angesprochen hat. Zu dem Schlusse vom Hermaphroditismus der Zellen gelangt Minot nun weiter durch die einfache Ueberlegung, dass wir seit Martin Barry bei der Befruchtung die Vereinigung von Ei und Spermatozoon kennen, also die befruchtete Eizelle zweigeschlechtlich sein muss. Von dieser stammen durch Theilung alle übrigen Zellen ab, ergo sind auch diese hermaphroditisch. Die Minot’sche Auffassung ist sicher von Interesse und logisch consequent, doch entbehrt sie zwingender thatsächlicher Grundlagen; sie wird eben aus dem Vor- kommen der Richtungskörper einfach erschlossen und für diese sind doch noch eine Reihe anderer Deutungen zulässig. Sind aber E. van Beneden’s Beobachtungen richtig gedeutet, dann ist für die doppelgeschlechtliche Natur der beiden ersten Furchungs- zellen eine feste Unterlage gegeben und damit ein bedeutender Schritt weiter gewonnen. E.vanBeneden muss dann zweifel- los als der thatsächliche Begründer der Lehre vom Zellen- hermaphroditismus gelten !). Minot schon sagt sich mit Recht, dass man auf Grund der Lehre von der Bisexualität der Zellen und der Bedeutung der Riehtungskörperchen als ausgestossener Samenfaden-Aequivalente annehmen müsse, dass bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern keine Richtungskörperchen zu finden sein 1) Bezüglich des Zellenhermaphroditismus wolle manferner Sabatier(175) vergleichen. Nach ihm repräsentirt das Keimbläschen das weibliche Element der Eizelle; als männliches sind die Follikelepithelzellen anzusehen, welche nach Sabatier vom Ei abgestossen werden. Die Spermatozoen der von ihm untersuchten Decapoden entstehen in grossen Zellen, den Protospermatoblasten und sind den Epithelzellen der Graaf’schen Bläschen homolog. Archiv f,. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 7 98 W. Waldeyer: dürften. Denn das parthenogenetisch sich entwickelnde Ei erhält keinen Samenkörper, da es sich ja ohne Befruchtung entwickelt, hat daher sicherlich nieht nöthig, sein männliches Zwitterelement auszustossen. In der That waren auch bis dahin keine Riehtungs- körper bei parthenogenetischen Eiern gefunden worden. An dieser Stelle erhielt nun neuerdings durch Weismann und Bloehmann die Lehre vom Zellenhermaphroditismus und von der Bedeutung der Richtungskörper als ausgestossener männlicher Elemente den ersten und, man muss sagen, sehr harten Stoss. Weis- mann und Ischikawa (203, 204) fanden, dass bei verschie- denen parthenogenetisch sich entwickelnden Krebsen, z. B. Poly- phemus, Oculus, Moina paradoxa, Daphnia longispina u. A. sich Richtungskörperchen bilden, und zwar, was als ein sehr merkwür- diges Factum angesehen werden muss, stets nur ein ein- ziges, während, wie wir für die übrigen Geschöpfe hervorgehoben haben, bei diesen stets zwei (selten drei) entstehen. Sehr beach- tenswerth sind in dieser Beziehung noch die Erfahrungen von Blochmann (Biol. Centralbl. 1887 u. Nro. 30), der feststellte, dass bei den Blattläusen deren parthenogenetisch sich entwiekelnde Eier nur ein, die durch Befruchtung sich entwickelnden aber zwei Richtungskörper liefern. Weismann, dem wir schon eine ganze Reihe ausgezeich- neter, äusserst anregender Schriften über allgemein biologische Probleme, namentlich der Artenbildung, der Befruchtung, der Ver- erbung verdanken!), hat nun auch nieht gezögert, mit einer an- deren Auffassung der Richtungskörper hervorzutreten (Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Ver- erbung, Jena, Fischer, 1837). Ich muss, um die hochinteressante Weismann’sche Deutung der Richtungskörperchen leicht verständlich wiedergeben zu können, ein wenig zurückgreifen auf das unten eitirte frühere Werk unseres Autors: „Die Continuität des Keimplasmas u. w.“ Nach Weismann, mit dessen Ansicht in ihrem wesentlichen Grundzuge die Nägeli’sche Lehre (144) vom „Idioplasma‘ über- 1) Ueber die Dauer des Lebens, Jena, 1882. — Ueber die Vererbung, Ibid. 1883. — Ueber Leben und Tod, eine biologische Untersuchung, Ibid. 1884. — Die Continuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung, Ibid. 1885. — Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Seleetionstheorie, Ibid. 1886. Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 99 einstimmt, müssen als Grundlage aller organischen Zellen — und damit aller organischen Wesen -— zwei verschiedene Arten von lebendiger Substanz (Plasma) angenommen werden, die den Zellen- leib und den Kern im Wesentlichen zusammensetzen. Die eine Substanz ist die zeugende, formende, dirigirende, vererbende, das sogenannte ‚„Kernplasma“ (entsprechend im Wesentlichen dem Nägeli’schen „Idioplasma‘), die andere (Ernährungsplasma) die seformte, ernährende, assimilirende, mechanisch etc. wirksame. Die erstere, das Kernplasma, müssen wir nach den neueren vor- hin mitgetheilten Erfahrungen im Kern suchen, die andere wesent- lich im Zellenleibe. Weismann denkt sich, dass das Kern- plasma gleichsam das ganze Werden der Zellen leite, ihre Thei- lung, ihre Ausbildung zu einer bestimmten Form veranlasse, wäh- rend das „Ernährungsplasma‘ wesentlich die Aufnahme von neuem Material zur Unterhaltung und zum Wachsthum der Zellen zu be- sorgen habe und zu gleicher Zeit als Muskelplasma, Nerven- plasma etc., zu mechanischen und anderen Verrichtungen da sei. Das Kernplasma muss als formgebendes, wesentlich belebendes Element in jeder Zelle zu finden sein. Besonders reichlich ist es in der Eizelle vorhanden, wie dies natürlich ist. Bei der succes- siven Theilung der Eizelle nun geht es selbstverständlich zu einem gewissen Antheile, indem es durch die Thätigkeit des zweiten, er- nährenden Bestandtheiles, des Ernährungsplasmas, stetig wächst, schliesslich in jede Körperzelle über. Weismann denkt sich aber ferner, hiermit an einen zuerst von Nussbaum (146) for- mulirten Gedanken anknüpfend, dass auch das Kernplasma zwei Modificationen zeige. Die eine als die Urform des Kernplasmas sei nur geschlechtlicher Natur, stehe nur der Zeugung vor; sie finde sich auch nur in den Geschlechtszellen; die zweite gehe aus dieser ersten Art hervor und sei es, welche später die T'heilung, das Wachsthum und die Formengebung der einzelnen Körperzellen, aber auch der Geschlechtszellen (d. i. Ei und Samenzellen) übernehme; sie habe histogene Eigenschaften, die Urform des Kernplasmas dagegen geschlechtliche, diese letztere sei auch Trägerin der Vererbungserscheinungen. Haben nun die Ei- und Samenzellen beide Arten des Kern- plasmas, die histogene und die sexuale, so fragt es sich, ob es zweckmässig sei, dass sie auch in dem Augenblicke, wo sie sich zur Befruchtung anschicken, noch diese beiden Arten behalten? 100 W. Waldeyer: Weismann glaubt diese Frage verneinen zu sollen. Es könne den Befruchtungs- und Entwickelungserscheinungen nur förderlich sein, wenn dann nur die ursprüngliche geschlechtliche Form des Kern plasmas („Keimplasma“ nennt es Weismannim Gegensatze zu dem „histogenen Kernplasma‘) vorhanden wäre. Und so werde dann das histogene Plasma der Eizelle als erstes Richtungskörperchen ausgestossen. Dies sei nun begreiflicher Weise auch der Fall bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern, und daher müssten wir auch bei ihnen mindestens ein Richtungskörperchen antreffen. Was nun das zweite Richtungskörperchen betrifft, so kommt Weismann zu folgenden Schlüssen: Wenn bei den geschlecht- lich sich entwickelnden Eiern das Sperma zur Eizelle kommt, so bringt es natürlich sein Keimplasma zur Eizelle hinzu. Nennen wir das weibliche Keimplasma, welches in der Eizelle einer einmal ange- nommenen ersten Generation steckt, a, das hinzukommende männliche = a,, so hat die befruchtete Eizelle ein Keimplasma von der Zusammensetzung a + Aa. In dieser Zusammensetzung geht das Keimplasma nun in die Geschlechtszellen. (Eier und Samenzellen) der Kinder über, die in der nachfolgenden (zweiten) Generation sich entwickeln. Dasselbe würde für eine Spermazelle dieser selben Generation folgen, die, wenn von anderen Eltern stammend, wie wir einmal annehmen wollen, etwa der Plasmaformel b + b, entspräche. Kommt nun ein Ei mit a + a,-Plasma zur Befruchtung mit einem Sperma b + b,, so wird also ein Keim- plasma der dritten Generation die Zusammensetzung haben: a-+ a, + b + b,. Nehmen wir noch die vierte Generation in der zu einem Eie mit dem Keimplasma von dem Wertea+a,+b-+b; ein Spermatozoon derselben Stufe in der Zusammensetzung seines Keimplasmas, sagen wir einmal von der Formel: c+c+ d + d,, käme, so würden die aus dieser Befruchtung hervor- gehenden Eizellen und Samenfäden schon ein Keimplasma von der Zusammensetzung: a + a +b+b, te +a +d+d haben müssen. Und so ergiebt sich leicht, dass, wenn wir auch nur das biblische Alter des Menschengeschlechts gelten lassen wollen, die Ei- und Samenzellen unserer heutigen Menschen eine ansehnliche, geradezu unübersehbare Complication in der Zusammen- setzung ihres Keimplasmas haben müssten. Nun kommt aber noch eine andere Erwägung hinzu: In jedem Kern von einer bestimmten Grösse kann offenbar nur eine bestimmte Menge Keimplasma Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 101 vorhanden sein. Wenn also das Keimplasma der Mutter der aller- ersten Generation = a war, das des Vaters = a,, wenn demnach das Keimplasma des Kindes die Constitutionsformel a + a, hat, so müssen wir bezüglich der Menge des letzteren aber sagen, dass es ; a a] at die Formel AL — 2 2 2 a i BEE — habe, denn sonst würden ja die Generationszellen der betreffenden Kinder doppelt so viel Keim- plasma führen, als die ihrer Eltern. In gleicher Weise müssen wir, wenn wir den Massenverhältnissen Rechnung tragen wollen, dem Keimplasma der Geschlechtszellen in der dritten Generation ana ebd 1 die Formel geben: Und so muss mit jeder weiteren Generation eine weitere Halbirung des überkommenden „Ahnenplasmas“, wie Weismann das von den Vorfahren vererbte Keimplasma nennt, eintreten, d. h. die Masse jedes einzelnen der verschiedenen Ahnenplasmen muss in geometrischer Progression ab- nehmen. Wenn wir wiederum nur das biblische Alter des Menschen- geschlechts zu Grunde legen (5000 Jahre rund) und auf je 100 Jahre 3 Generationen rechnen, so würde der Mengenwerth, welcher von irgend einem Ahnenplasma, z. B. a, in einer heutigen Generation noch vorhanden sein könnte, ausgedrückt werden müssen durch die Formel Ve eine Menge, deren Kleinheit gar nicht mehr vorstellbar ist. Wenn wir auch annehmen, die Ahnenplasmen beständen aus noch so kleinen „Einheiten“, d. h. Körperchen, die nicht mehr theil- bar sind, ohne ihre Natur als Vererbungssubstanz zu verlieren, so wären wir sicher schon an dieser Theilungsgrenze angelangt, mit anderen Worten: Die Geschlechtszellen jeder heute lebenden Art von Thieren oder Pflanzen enthalten schon so viel verschiedene Ahnenplasmen, als sie überhaupt aufnehmen können. Wie kann also nun heute noch eine Zeugung mit Vererbung stattfinden, da sich ja, wenn wir die Einheiten nicht mehr redueiren können, jetzt bei jeder Befruchtung die Masse des Keimplasma verdoppeln muss, dies aber wieder nicht annehmbar ist, da ja jeder Kern nur eine bestimmte Menge Keimplasma enthalten kann? Hier liegt nun nach Weismann’s Hypothese die Abhülfe in der Ausstossung des zweiten Richtungskörperchens. Dadurch wird jedesmal so viel „Ahnenplasma‘ eliminirt, als durch die Be- fruchtung hinzukommt, und wird hiermit das nothwendige Correctiv 102 W. Waldeyer: gesetzt. Aber es wird zugleich etwas Anderes damit erreicht und erklärt: Das aus einer beliebigen Eizelle eliminirte Ahnenplasma ist nicht immer gleich dem aus einer anderen Eizelle derselben Mutter eliminirten, braucht es wenigstens nicht zu sein. Setzen wir also: bei einer Mutter sei die Formel des Keimplasmas: at +b5b+b, +c+a+d+d tete +f+ fı, es hätten also alle von ihr erzeugten Eier in sich ein Keimplasma dieser Constitution. Es würden bei ihr drei Eier befruchtet, resp. von ihr drei Kinder geboren, und zwar durch ein Sperma, dessen Keim- plasmaformel wäreo +0, +» + pı +q + q (es braucht ja nicht gleicher Generation zu sein, wie das der Eier, kann also eine weniger complieirte Zusammensetzung haben). Es könnte dann aus dem ersten Ei ein zweites Richtungskörperchen ausgestossen werden etwa von der Formel: a +b+c+d-+te+ ff, bei dem zweiten von der Formel: „+4, +4 +dı +& + fı, bei dem dritten von der Formel: at, +ce+ca+d+d,. Dann würden nach der Befruchtung die 3 Eier ein Keimplasma haben zwar gleicher Dignität nach dem Grade der Zusammensetzung: H Eizelle I: „+4, ta +dh ta +fh tot +pr +9 + q 915 Eizelle I:a +d5+c+d+e+f+to+a+tp+m + q Ar 91; Eizelle I:5 +5, te+ta +f+ fh tot +p ++ q + q, aber, wie man sieht, nicht gleicher A rt der Zusammensetzung. Weismann zieht nun den Schluss, dass sich hiermit viel- leicht die individuellen Verschiedenheiten erklären möchten, welche die Kinder eines und desselben Elternpaares erfahrungsgemäss zeigen. Auch an das Verhalten der Zwillinge erinnert er. Es giebt bekanntlich Zwillinge, die sich zum Verwechseln ähneln. Für diese müsste die Entstehung aus einem Ei als wahrscheinlich angenommen werden, während andere Zwillinge, die sich nicht ähneln, wahrschein- lich zweien gleichzeitig befruchteten Eiern ihr Dasein verdanken. Der Gedanke Weismann’s ist ausserordentlich anregend und gestattet wohl noch mancherlei Anwendungen. Eins soll noch- mals hervorgehoben werden: er erklärt, warum bei den parthenoge- netischen Eiern nur ein Richtungskörperchen ausgestossen wird, denn diese besitzen ja kein Ahnenplasma, und dies ist es ja, welches durch das zweite Richtungskörperchen entfernt wird. Weismann und vor ihm schon Strasburger und Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 103 Hensen(90) haben noch auf eine Schwierigkeit aufmerksam ge- macht, die sich der Lehre Minot’s, Balfour’s und E. van Beneden’sals eine unüberwindliche entgegenstellt. Es ist das die einfache Thatsache, von der es Wunder nehmen muss, dass die be- treffenden Autoren sie sich nicht entgegengehalten haben, der Ver- erbung männlicher Ahneneigenschaften durch die Mutter; wie oft 4. B. zeigen Kinder Erbstücke ihres Grossvaters mütterlicher Seits! Das wäre nach Minot-Balfour-v. Beneden nicht möglich, denn ihnen zufolge hätte ja die Mutter aus ihren Eizellen alle männ- lichen Bestandtheile, die ihr von ihrem Vater her überkommen waren, in den Richtungskörperchen ausstossen müssen. Die Ver- treter des ursprünglichen Bisexualismus der Eizelle müssten sonst annehmen, dass jedesmal ein kleiner Rest zurückbleibe; dann aber hätte es ja keinen Sinn überhaupt etwas zu eliminiren. Auch findet bei ihrer Theorie das zweite Richtungskörperchen keine be- friedigende Erklärung. Um bezüglich der Riehtungskörperchen möglichst. vollständig zu sein, will ich noch der älteren Theorieen gedenken, welche über ihre Bedeutung aufgestellt worden sind. In der ersten Zeit war man geneigt sie einfach als Exeretstoffe zu betrachten, die das Ei abwerfe, um sich vor der Befruchtung möglichst zu reinigen. So früher unter Anderen z. B. O. Hertwig (l. e.), Andere wieder, wie v. Jhering (100) und Kölliker (108) sahen darin ein Mittel, um die Ungleichheiten in der Grösse zwischen Keimbläschen und Spermakopf zu beseitigen. Whitman (206), dem Flemming (61) sich anschloss, hielt den Process für ein phylogenetisches Ueberbleibsel einer bei unseren Vorfahren früher allgemein vorhanden gewesenen parthenogeneti- schen Fortpflanzung durch einfache Theilung der Eizellen. Bütschli’s (43) Ansicht, welche neuerdings auch von O. Hert- wig in seinem trefflichen Lehrbuche der Entwickelungsgeschichte als die ihm zusagendste angenommen worden ist, beruht auf Fol- gendem: Seit langem steht der Satz fest, dass ihrer Entwickelung nach eine Samenmutterzelle (Ursamenzelle) völlig gleichwerthig ist einer Ur-Eizelle. Wenn wir auch mit Pflüger (158) annehmen, dass die Ureier sich noch theilen könnten und erst die Produete wieder- holter Theilungen die definitiven Eier darstellten, was noch nicht für alle Fälle sicher ist, so ist doch die Zahl der Theilungen einer Ur-Eizelle gering im Verhältnisse zu der Zahl der Theilun- 104 W. Waldeyer: gen, welche eine Ursamenzelle eingeht, bis die Endproducte schliess- lich die Samenfäden werden. Bütschli meint nun in der Aus- stossung der Richtungskörper Seitens der Eizelle noch einen An- klang an das Verhalten der gleichwerthigen Ursamenzelle finden zu sollen. Es wird indessen diese Meinung Bütschli’s hinfällig, wenn feststeht, dass auch die Samenbildungszellen Richtungskörper aus- stossen. Dies ist ein Postulat sowohl, wenn wir die Bisexualität der Zellen nach der Fassung E. van Beneden’s (nicht nach der Minot’s) annehmen, als auch für Weismann’s Lehre. Ich habe nun vorhin bereits angegeben, dass E. van Beneden bei Ascaris megalocephala Thatsachen beschrieben hat, die sich am einfachsten als eine Ausstossung von Richtungskörperehen bei der Samenfaden- bildung deuten lassen. So haben denn diese anfänglich kaum beachteten Körperchen sich als vielleicht sehr wichtige Dinge herausgestellt, mögen wir nun die Ansicht van Beneden’s theilen oder uns zu der von Weismann bekennen. Die Schwierigkeiten, welche sich E. van Beneden’s Deutung entgegenstellen, habe ich erwähnt. Ob die Hypothese Weismann’s bei weiteren Forschungsergebnissen sich stichhaltig erweisen wird, bleibt abzuwarten. Es mag hier indessen angefügt werden, dass die Annahme zweier Modificationen des Kernplasma’s, d. h. eines „Keimplasma’s“ und eines „histogenen Kernplasma’s“ durch sehr interessante Untersuchungen A. Grubers über den Conjugationsvorgang bei Paramaecium aurelia (81) eine wesentliche Unterstützung erhalten hat. Man unterscheidet bei diesen Thieren den Hauptkern und den Nebenkern; nur der letz- tere betheiligt sich bei der Conjugation. Bei und nach der Con- jugation gehen aus dem Nebenkern acht junge Kerne hervor, der Hauptkern zerfällt in zahlreiche kleine Stücke. Vier der jungen Nebenkernabkömmlinge vereinen sich wieder zu dem neuen Neben- kern, die vier andern nehmen die Trümmer des alten Hauptkerns auf und bilden dann durch Verschmelzung den neuen Hauptkern. Die Annahme Gruber’s, dass der Nebenkern das Keimplasma, der Hauptkern im Wesentlichen das histogene Kernplasma enthalte, erscheint wohl berechtigt. Hier ist auch die neuerdings veröffentlichte hochwichtige Be- obachtung Boveri’s (35) anzuführen, dass bei der fortschreitenden Furchung des Eies von Ascaris megalocephala sich alsbald eine Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 105 Verschiedenheit in der Struetur der Kerne herausstellt. Schon die beiden ersten Furchungskugeln unterscheiden sich, sobald sie sich zur weiteren Theilung vorbereiten. Die eine Kugel (A) zeigt wie- der deutlich die besprochenen vier Chromatinschleifen, die andere (B) nur undeutlich und später lässt sie ihr Chromatin nur in Ge- stalt von zahlreichen isolirten Körnchen wahrnehmen. Die von der Kugel B in allen Generationen abstammenden Furchungszellen zeigen bei der Theilung nun immer dieses Verhalten, während aus der Kugel A wieder zwei Kugeln mit je vier Schleifen her- vorgehen, A, u. B..— B, verhält sich nun weiterhin wie B, A, wie A. Boveri sieht hierin mit Recht eine starke Stütze der Nuss- baum-Weismann’schen Lehre von der Besonderheit der Ge- schlechtszellen, indem er die immer nur in der Einzahl bis höchstens Zweizahl vorhandenen Zellen mit deutlichen Schleifen als die Urformen der „Geschlechtszellen‘“ ansieht. Vergegenwärtigen wir uns zum Schlusse noch den Gewinn, den wir für die Lehre von der Befruchtung aus den neu erbrachten Thatsachen schöpfen können, so wird der Fortschritt am besten ersichtlich, wenn wir in aller Kürze die verschiedenen sogenannten Befruchtungstheorien, welche im Laufe der Zeit geäussert worden sind, überblicken. Immer hat man unter „Befruchtung‘ denjenigen Einfluss des männlichen Zeugungsstoffes verstanden, der das weibliche Zeu- gungssubstrat, die Eizelle, völlig entwicklungsfähig macht. So gefasst, gilt diese Erklärung auch für die parthenogenetisch sich entwickelnden Eier, denn wir erfahren, dass in einer aufeinander- folgenden Reihe parthenogenetischer Entwicklungen von Zeit zu Zeit einmal ein männlicher Zeugungsstoff eingreifen muss. Es reicht hier offenbar eine einmalige Befruchtung für eine ganze Reihe von Generationen aus. Wir wissen, dass noch Spallanzani (183) die Lehre von dem befruchtenden Einflusse der „aura seminalis“ zu widerlegen hatte und seit seinen berühmten Untersuchungen stand es fest, dass, um eine Befruchtung zu erzielen, eine unmittelbare materielle Berüh- rung zwischen den weiblichen und männlichen Zeugungsstoffen nothwendig war. Ein bedeutender Fortschritt wurdenun 1843 mit Martin Bar- ry’s berühmter Entdeckung (14) gegeben, dass die Samenfäden ins Innere des Eies eindringen. So war es ersichtlich, dass der be- 106 W. Waldeyer: fruchtende Einfluss an das Zoosperm geknüpft war; vollends evi- dent wurde dies indessen erst durch die im Vorigen eingehender erörterten Untersuchungen von O. Hertwig, E. van Beneden, Fol, Selenka u. A., dass ein einziges Zoosperm genügt, um die Befruchtung perfect werden zu lassen, ja, dass sogar mehrere ein- dringende Spermatozoen vom Uebel seien. Die Wirkung des Spermatozoon auf die Eizelle war allerdings auch nach der Erkenntniss des Eindringens nicht klar geworden; die Einen nahmen eine an sich unverständliche „dynamische“, die Anderen eine „chemische“ Einwirkung an, welche ja aber auch wie- der an sich nicht näher zu bestimmen war. Die Erfahrung, dass das eingedrungene Spermatozoon zu einem Kerngebilde werde, welches in innige Beziehungen zum Kern der Eizelle zu treten habe, damit die Befruchtung sich vollziehe, bildet den letzten that- sächlichen Fortschritt in unsern Kenntnissen auf diesem Gebiete. Im Vorigen sind die diesbezüglichen Forschungen eingehend gewürdigt worden und wir haben gesehen, dass dieser Fortschritt sich wesentlich an die Namen O. Hertwig und E. van Bene- den knüpft. Beide haben freilich die genannten Beziehungen zum Ei-Kern verschieden dargestellt und demgemäss das Wesen der Be- fruchtung, so weit wir dasselbe nach den bis heute vorliegenden Thatsachen überhaupt erfassen können, verschieden erklärt. Die Meinung OÖ. Hertwig’s können wir als die „Verschmelzungs- theorie“, die van Beneden’s als die „nucleare Ersatztheorie“ be- zeichnen. In der That erblicken OÖ. Hertwig und seine Anhänger in der „materiellen Verschmelzung‘ des männlichen und weiblichen Kerngebildes zu einem einzigen Kern, der dann der Kern der be- fruchteten, nunmehr völlig entwieklungsfähigen Eizelle wird, den wesentlichen Act der Befruchtung. E. van Beneden legt auf die Verschmelzung kein Gewicht, da er thatsächlich bei Ascaris megalocephala nachweisen konnte, dass in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei diesem Thiere keine Verschmelzung stattfindet. Er gibt ausdrücklich an, dass die Befruchtung perfeet sei mit dem Augenblicke, wann aus dem Reste des Keimbläschens und aus dem Kernbestandtheile des eingedrungenen Samenfadenkopfes je ein neuer Kern (Pronucleus) entstanden sei. Eine Verschmelzung dieser beiden Kerngebilde sei unnöthig, da sie thatsächlich in so sehr vielen Fällen bei Ascaris nicht stattfinde. E. van Beneden hat offenbar völlig Recht die Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 107 Verschmelzung als etwas nicht wesentliches zu erklären, wenn sie thatsächlich auch nur bei einem einzigen Geschöpfe nicht vorkommt. E. van Beneden geht aber in der theoretischen Erörte- rung der Befruchtung noch weiter, indem er die Bildung der Richtungskörperchen mit heranzieht. Mit der Bildung der Rich- tungskörperchen verliert der ursprüngliche Kern der Eizelle einen Theil seiner Substanz; einen ähnlichen Verlust erleiden die Kerne der Samenbildungszellen, so dass der Kernantheil des fertigen Zoo- sperms ebenfalls gegenüber dem Kerne der ursprünglichen Samen- bildungszelle reduecirt ist. Die beiden in der Eizelle zusammen- treffenden Kerngebilde sind deshalb, nach E. van Beneden, nicht ganz vollkommene Kerne — und darin liegt wohl auch der Grund, wenn ich recht verstanden habe, warum E. van Beneden diese Kerngebilde nicht als ‚„nuclei“, sondern als „pronuclei“ be- zeichnet hat, — man vergleiche auch, was w. u. über die Zahl der ehromatischen Schleifen noch mitgetheilt ist. Indem beide pro- nuclei der Eizelle einverleibt werden, ergänzen sie einander zu einem ganzen Kern, ohne dass es nöthig ist, dass sie materiell verschmelzen. Beide können vielmehr getrennt in die die erste Furchung begleitende Karyokinese eintreten. So gelangt denn E. van Beneden noch zu einer näheren Erklärung der Befruch- tung in den von uns vorhin mitgetheilten Worten: „remplacement par certains &el&ments derives du gonocyte mäle des parties &limi- nees par l’oeuf lors de la formation des globules polaires et des couches p£rivitellines.“ Ich glaube deshalb die Auffassung E. van Beneden’s alsdie ‚„nucleare Ersatztheorie‘“ bezeichnen zu sollen. Eine dritte Meinung, die wir kurz als die „reine Nucleartheorie‘ benennen können, hat jüngst Kultschitzky (115, 116) ausgespro- chen. Sie ruht, wie hier ausdrücklich hervorgehoben sein soll, auf den Ergebnissen E. vanBeneden’s, dieKultschitzky in allen wesentlichen Dingen zu bestätigen vermochte. Kult- schitzky adoptirt die Ansieht E. van Beneden’s, dass die Befruchtung in dem Augenblicke perfect sei, in welchem beide Pronuclei fertig geworden sind. Dem Sinne des Wortes „Befruch- tung“, mit dem immer das verstanden wurde, was der männ- liche Zeugungsstoff an der Eizelle auszuüben hat, entsprechend, zieht es Kultschitzky vor zu sagen, die Befruchtung sei mit dem Momente gegeben, wann der „männliche“ Pronucleus fertig gestellt ist. 108 W. Waldeyer: Die nähere Definition EE van Beneden’s, das „rempla- cement“, schliesst Kultschitzky bei seiner Auffassung des Befruchtungsactes aus. Hierauf komme es nicht an. Die Bedeu- tung der Richtungskörperchenbildung lässt er ganz bei Seite, wenn es sich um eine Bestimmung dessen handelt, was man „Befruch- tung‘‘ zu nennen habe. So glaube ich den Unterschied, der zwischen E. van Beneden’s und Kultschitzky’s Definitionen besteht, richtig wiedergegeben zu haben. Zweifelles ist in dem E. van Beneden’schen Satze: „die Befruchtung sei vollzogen mit dem Augenblicke der Fertigstellung der beiden Pronuclei“ die Grund- lage der Kultschitzky schen Auffassung des Befruchtungsactes gegeben; nur hat hier der Letztere Halt gemacht, während E. van Beneden noch weiter geht. Die Erwägungen, welche Kultschitzky bestimmten, bei dem genannten Punkte stehen zu bleiben und nicht noch ein weiteres Element in die Lehre von dem Wesen der Befruchtung aufzunehmen, sind in Kürze folgende: Zunächst gelang es Kul- tschitzky, wie wir erwähnten, zu zeigen, dass beide Pronuclei bei Askaris regelmässig ein Kernkörperchen ausbilden, womit dargethan wird, dass die Pronuclei morphologisch völlig ent- wickelte ruhende Kerne sind und man den Namen „Pronuclei“ nieht so verstehen darf, dass ihnen zur Constitution eines Kernes etwas fehle, denn auf ein Mehr oder Weniger von chromatischer oder achromatischer Substanz kommt es ja dabei nicht an. Dann wissen wir, das der Kern das hauptbestimmende Element für das Leben der Zelle ist und dass er, wenn vielleicht auch nicht der alleinige, so doch der Hauptträger der zu vererbenden Eigenschaften ist. Ist also ein männlicher Kern in die Eizelle eingeführt und wird er zum integrirenden Bestandtheile derselben, so ist damit der männliche Einfluss auf die Eizelle und deren Abkömm- ling, den Embryo, gesichert; darin, also in der Herstellung und Siche- rung dieses Einflusses, liegtnach Kultschitzky das Wesen der Be- fruchtung; wir hätten dazu eine Verschmelzung nicht nöthig und der „Ersatz“, von dem E. van Beneden spricht, seizwarthatsächlich vor- handen, könne aber für die Definition der Befruchtungentbehrt werden. Was die Ersatzlehre E. van Beneden’s anlangt, so will ich hier gebührend hervorheben, dass E. van Beneden und A. Neyt in ihrer neuesten Arbeit (24) besonders darauf aufmerksam machen, dass bei den übrigen Körperzellen von Ascaris meg. bei Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 109 jeder Zelltheilung vier primäre chromatische Elemente (Chro- mosomen, Schleifen) auftreten, die sich vor der Metakinese durch Längsspaltung auf acht (secundäre) erhöhen, so dass wiederum jedem Tochterkerne vier Schleifen, die für diesen dann wieder die primären Sehleifen (Chromosomen) bedeuten, mitgegeben werden. Wie wir gesehen haben, behält aber der pronucleus femininus bei Ascaris meg. nur zwei chromatische Schleifen, die für ihn, An- gesichts der bevorstehenden weiteren Theilungsvorgänge, den Rang primärer chromatischer Elemente (Chromosomen) haben. Er liefert auch nur diese zwei Schleifen zur ersten Furchung. Genau auf zwei redueirt ist auch die Zahl der Schleifen beim männlichen Vorkern. So ergänzt denn letzterer in der That den weiblichen, da beide zusammen wieder vier Chromosomen haben, zu einem „Ganzkern“, während beide, einzeln genommen, mit Rück- sieht auf die Schleifenzahl, gegenüber den Körperzellen von Ascaris nur „Halbkerne‘“ darstellen. Die drei besprochenen Theorien haben selbstverständlich nur dann Anspruch auf eventuelle volle Geltung, wenn wir in der That das Protoplasma bei dem Befruchtungsacte gänzlich vernach- lässigen dürfen (s. Seite 93 u. 94). Da wir in dem Befruchtungsvorgange einen Process vor uns haben, der den Thieren und Pflanzen gemeinsam ist und in seinem Wesen bei beiden organischen Reichen sicherlich dasselbe bedeutet, so müssen die Forschungen der Botaniker gleicher Weise berück- sichtigt werden. Ich lasse hier zum Schlusse daher noch die An- sicht Strasburger’s folgen, der auf diesem Gebiete wohl die meisten Untersuchungen unter den Botanikern aufzuweisen hat. In seinem umfassenden Werke (193) gibt Strasburger an, dass bei den höheren Pflanzen eine Verschmelzung stattfinde. „Spermakern und Eikern legen sich aneinander, die Kernwandungen werden an der Contactstelle aufgelöst und die beiden Kernhöhlen vereinigen sich zu einer einzigen. Man kann feststellen, dass mit diesem Vorgange eine Vermischung des Kermsaftes beider Kern- höhlen verbunden ist, und meist sieht man auch die Nucleolen beider Kerne mit einander verschmelzen“. Gegenüber dieser Aeusse- rung möchte ich die neuerdings (191) von demselben Autor stark betonte Thatsache, dass in den ruhenden Kernen die Fäden nicht verschmelzen, sondern stets in der Zahl der bei der Theilung auf- getretenen Segmente erhalten bleiben, nicht unerwähnt lassen. Es 110 W. Waldeyer: sprieht dies, wie mir scheint, sehr für Evan Beneden’s Mei- nung, dass eine Verschmelzung nicht erforderlich sei. Strasburger glaubt nun, dass sich die verschiedenen Auffassungen des Befruchtungsvorganges unter einen Gesichtspunkt bringen liessen, wenn man festhalte, dass die Vereinigung der Kerne, je nach den Objecten, in verschiedenen Entwicklungssta- dien erfolge. So finde bei Ascaris megalocephala die Vereinigung erst in einem vorgerückten Stadium der Mitose statt, wann die Furchungsspindel sich bilde, bei den Echinodermen dagegen (Stron- gylocentrotus, den die Brüder Hertwig untersuchten) und bei den Pflanzen schon im Ruhezustande. Je nach dem Stadium müssten natürlich auch die äussern Merkmale der Vereinigung ver- schieden sein. Eine Vereinigung der beiden Kerne zu einer Theilungsfigur trete aber allemal, auch bei Ascaris ein. — Strasburgersagt dann, pag. 230 1. e.. wörtlich: „Den Befruch- tungsvorgang möchte auch ich in die Vereinigung der Fäden vom Spermakern und Eikern verlegen, doch die Weiterentwicklung des Keimkerns von der Vermischung des Products beider Kerne ab- hängig machen. Aus letzterem Umstande erklärt sich ungezwungen die Copulation der Kernhöhlen, welche ja fast an allen Objeeten in der auffälligsten Weise sich vollzieht. — Das Wesen des Kerns liegt ausserdem in den Kernfäden begründet, so dass es bei der Vereinigung von Kernfäden doch stets auf eine Copulation der Kerne hinauskommt, auch wo die beiden Kerne bei ihrer Vereinigung nicht mehr von einer Kernwandung umgeben sind. Daher dürfte es wohl auch inZukunft bei der Definition bleiben, dass das Wesen der Befruchtung auf der Copulation von Spermakern und Eikern beruht.“ Es ist unmöglich hier alles das anzuführen, was Stras- burger sonst noch zu Gunsten seiner Auffassung vorbringt, ich muss da auf seine so wichtigen vielfach eitirten Abhandlungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen und „Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche“ (193, 191), verweisen. Ich kann mich indessen von der Stichhaltigkeit seiner Argumen- tation nicht überzeugen. Er sagt selbst, dass das Wesen des Kerns in den Kernfäden begründet sei, und diese Kernfäden vereinigen sich eben bei Ascaris megalocephala nicht. Sie kommen zwar vorübergehend in eine Theilungsfigur zusammenzuliegen; aber diese Theilungsfigur beweist eben, dass dann nicht mehr eine einfach befruchtete, sondern eine schon auf dem Wege der Theilung be- Ueber Karyokinese u. ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. 111 findliche Eizelle vorliegt, in der bereits die beiden Theilungspole sich markirt haben. Wir müssen aber den Befruchtungsaet doch vor die beginnende Furchung verlegen. Ich glaube daher mich bezüglich der Verschmelzungsfrage der Auffassung E. van Be- neden’s und Kultschitzky’s anschliessen zu sollen. Litteratur. 1) Altmann, R., „Ueber embryonales Wachsthum“, Sitzungsber. der naturf. Gesellsch. zu Leipzig, 6. April 1881. 2) Altmann, „Studien über die Zelle“ I. 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Waldeyer:. 15) Baum, H., „Zur Lehre von der Structur und der Physiologie der Leberzellen“, Bericht über das Veterinärwesen im Königsreich Sachsen f. d. Jahr 1884. (Mittheilungen aus dem physiol. und histol. Laboratorium von Prof. Dr. Ellenberger.) 16) Baumgarten, „Zur Lehre von der sogen. Organisation des Throm- bus“, Virchows Arch. f. pathol. Anat. Bd. 78, 1879. 16a) Bellonci, @., „Intorno al modo di genesi die un globulo polare nell’ ovulo ovarico di alcuni mammiferi“ — „Intorno ad un principio di seg- mentazione e ad alcuni fenomeni degenerativi degli ovuli ovarici del topo e della cavia“. Memorie della R. Accademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna T. VI, 1885, p. 363. 16b) Bellonci, @., „Intorno alla cariocinesi nella segmentazione dell’ ovo di Axolotl“. Atti della R. Accad. dei Lincei. Ser. III, Vol. 19, 1885. 17) Beltzow, A., „Untersuchungen über die Entwickelung und Rege- neration der Sehnen“. Arch. f. mikrosk. Anat. 22. Bd. 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Hierher gehören die Arbeiten von Virchow, Kölliker, Wal- deyer, Ranvier, Klein, Toldt, Löwe und Flem- ming. Flemming hat die kritisch-litterar-historische Uebersicht dieser Frage in seinen classischen Abhandlungen so erschöpfend durchgeführt, dass mir bei der Zusammenstellung einer solchen Skizze nur übrig bliebe, einen Auszug zu machen. Ich gestatte mir daher in dieser Beziehung auf Flemming zu verweisen. Prof. Zawarykin zeigte mir vor zwei Jahren ein Präparat vom subcutanen Bindegewebe einer weissen Ratte, welches mittelst einer interstitiellen Einspritzung von Pikrokarmin von ihm bei Ge- legenheit seines akademischen Cursus verfertigt war, mit eigen- artigen kugelförmigen Zellen, welche er kurz vorher entdeckt hatte ; derselbe war so gütig, mir die Untersuchung dieser Zellen zu überlassen. Die vorliegende Arbeit stellt die Ergebnisse dieser Untersuchung dar. Die soeben erwähnte kugelförmige Zelle erinnert sehr an die Em- bryonalzelle ; an Grösse übertrifft dieselbe ein Lymphkörperchen um 1!/, —2 Mal; dieselbe besteht aus einem verhältnissmässig grossen kuglförmigen Kerne mit einem oder mehrern Körnchen (Kernkörper- chen); der Kern ist von einer unbedeutenden durchsichtigen Proto- 124 P. Poljakoff: plasmaschicht umgeben, in welcher man keine Spur von Körn- chen entdecken kann; dieselbe zeichnet sich durch starke Licht- brechung und Mangel an Färbefähigkeit bezüglich aller Farbstoffe aus, während der Kern sehr leicht gefärbt wird (Fig. I, 1). Diese Zellenform findet sich in allen aus lockerem Bindegewebe bestehen- den Theilen des Organismus, als: im lockern subeutanen Binde- sewebe, im grossen Netz, im Gekröse u. s. w., besonders aber an Stellen, wo Fettablagerungen vorhanden sind. Bei der Beobach- tung des Lebens dieser Zelle unter verschiedenen Ernährungsbe- dingungen (bei reichlicher, gewöhnlicher und ungenügender Nah- rung und bei acuter Inanition) sowie bei verschiedenen Thieren in verschiedenen Altersstufen, war es nicht schwer zu bemerken, dass die kugelförmige Zelle äusserst empfindlich auf den Stand der Ernährung des Organismus reagirt. Diese Zellen nämlich beginnen bei gewissen Bedingungen unter Vergrösserung ihrer Protoplasmamasse zu wachsen, wobei sie im Durchmesser die Grösse von 2—6 Diametern eines Leuko- cyten erreichen (Fig. I, 2— 11); zugleich gehen Veränderungen im Zellkerne vor sich; das früher deutlich sichtbare Kernkörperchen wird unsichtbar, hierauf tritt die Theilung des Kernes auf in- directem Wege und die darauf folgende Zertheilung des Proto- plasma ein, welches sich um jeden Kern gruppirt (Fig. I, 5— 13). Auf diese Weise kann man die Theilung der kugelförmigen Zelle in zwei Tochterzellen beobachten; jedoch kann man auch kolossal gewachsene Zellen mit drei und mehr (bis 7) Kernen mit einem oder mehrern Kernkörperchen sehen, darauf die allmähliche Diffe- renzirung des Protoplasma um jeden Kern, während noch eine ge- meinsame Schicht die einzelnen Tochterzellen umgiebt. Darauf wird das Protoplasma an den Grenzen immer dünner, die Tochter- zellen bilden deutlich abgetheilte Segmente der vergrösserten Mutter- zelle; dann verschwindet der Zusammenhang immer mehr, und wir erhalten schliesslich freie junge kugelförmige Zellen. In manchen Fällen unterliegt das Protoplasma der kugelförmigen Zelle noch vor der Theilung einer Veränderung; es tritt eine Körnelung ein, welche von der feinsten, kaum bemerkbaren Granulirung (bei ?/s Hartnack) an bis zur Grösse deutlich sichtbarer auf der Peripherie des Protoplasma liegender Kügelchen schwankt; die glänzende Granulirung vermindert sich mit fortschreitender Theilung und vertheilt sich an den Grenzen der Abschnürung des Protoplasma. Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 125 B B Diese Granulirung wird durch die Anwesenheit glänzender Fett- molekeln im Protoplasma herbeigeführt, welche sich zum Theil zu srössern Tropfen vereinigt haben. Das Fett, welches Anfangs zur Ernährung der in der Verschmelzung begriffenen Zellen diente, vertheilt sich später auf die Theilungsgrenzen des Protoplasma und erleichtert dadurch die Äbschnürung der einzelnen Tochter- zellen. Die kugelförmige Zelle, durch das Wachsthum des Proto- plasma, welches eine geringere Lichtbrechung annimmt und zarter wird, in ihrem Umfange vergrössert, zeichnet sich durch bemer- kenswerthe Elastieität aus, welche ihr unter verschiedenen Bedin- gungen alle möglichen Formen anzunehmen gestattet; die Elasti- eität ist fast grösser, als die eines farblosen Blutkörperchens. Wenn die Zelle in den breiten Maschen des subeutanen Bindege- webes liegt und von keiner Seite eingeengt wird, ist sie von sphärischer Gestalt; geräth dieselbe aber zwischen die Faserbündel des Bindegewebes, welche sie zusammenpressen, so nimmt sie eine ovale Form mit abgeplattetem Protoplasma an, wobei der Kern aus einem kugelförmigen allmählich eilipsoidisch wird. Bei einer äusserst feinen Structur ihres Protoplasma besitzt die kugelförmige Zelle die Fähigkeit der amöboiden Bewegung (Fig. IV). Die Anwesenheit dieser Zellen in den Blutgefässen, auf denselben und in dem umliegenden Gewebe lässt voraussetzen, dass dieselben bei ihrer Elastieität und ihrer Fähigkeit zu amöboiden Bewegungen, gleich den Leukoeyten durch die Blutgefässwände durchdringen können. Wenn wir die kugelförmige Zelle in den verschiedenen Phasen ihres Lebens beobachten, so können wir uns davon überzeugen, dass das Protoplasma nicht immer seine zarte Struetur, ohne jeg- liche Granulirung bewahrt; unter gewissen Bedingungen z. B. bei reichlichem Zuflusse von Nahrungsmaterial nimmt das Proto- plasma an Menge zu, wobei zugleich eine mattglänzende Granu- lirung eintritt, welche hauptsächlich die Peripherie der Zelle ein- nimmt, während der Kern im Centrum liegt. Wenden wir nun in dieser Zeit unsere Aufmerksamkeit auf das Verhalten der Zelle zum Pikrokarmin, so bemerken wir, dass das Protoplasma vor dem Eintritte der Granulirung entweder gar keine Färbung an- nahm, oder nur schwach rosa gefärbt wurde (Fig. I, 14, 15), wäh- rend dasselbe zur Zeit des reichlichen Zuflusses an Nahrungsma- terial eine gelbliche Färbung gewinnt (Fig. I, 16, 17); die eintre- 126 P. Poljakoff: tende mattglänzende Granulirung nimmt nur eine intensivere Fär- bung von derselben Farbe an (Fig. I, 18). Allmählich wächst die Grösse und Zahl der Körnehen, welche jedoch mattglänzend blei- ben, wodurch ihre Unterscheidung von den zu dieser Zeit zum Vorschein kommenden Fettmolekeln ermöglicht wird (Fig. I, 19); auf diese Weise wächst, während die mattglänzende zu verschwin- den beginnt, allmählich die hellglänzende Granulirung des Fettes. Von diesem Auftreten der Fettmolekeln kann man sich durch An- wendung der bekannten Manipulationen zur Constatirung der fet- tigen Granulirung überzeugen (z. B. durch Färbung mit Osmium- säure, Alkanna, Chinolinblau, durch Extrahirung mit Hülfe von Spiritus und Aether). Die Fettmolekeln vertheilen sich im Laufe ihres Entstehens im Protoplasma, ohne sogleich mit einander zu grössern Tröpfchen zu verfliessen; dieses geschieht vielmehr all- mählich, so dass man in der kugelförmigen Zelle gleichzeitig Fett- kügelchen der verschiedensten Grössen wahrnehmen kann (Fig. I, 20—22). Dieses allmähliche Auftreten der Fettgranulirung, welches wir unter gewissen Bedingungen in den kugelförmigen Zellen wahr- nehmen, lässt auf einen bestimmten, vor unsern Augen vorgehen- den physiologischen Process schliessen Weitere Beobachtungen lehren, dass dieser Process in der Fettbildung besteht, welche im Protoplasma auf Kosten der vom Blute zugeführten eiweisshaltigen Nährstoffe vor sich geht. Aller Wahrscheinlichkeit nach produeirt die kugelförmige Zelle zuerst einen Stoff, welcher seiner chemi- schen Zusammensetzung nach dem Fett vielleicht nahe steht, aber noch kein eigentliches Fett ist; erst später wird aus diesem Stoffe Fett ausgearbeitet. Jedoch kann man eine solche allmählich fort- schreitende Ansammlung des Fettes in der Zelle nicht immer wahr- nehmen; zuweilen beobachten wir direct das Auftreten von Fett- molekeln im Protoplasma. Wenn wir die Umstände berücksich- tigen, dass die kugelförmige Zelle durch Verarbeitung der Eiweiss- theile des Blutplasma Fett produciren kann, dass sie andrerseits wegen ihrer Fähigkeit amöboide Bewegungen auszuführen, Fettmolekeln aus dem emulgirten Fette des Blutes und des Chylus ergreifen kann, während sie sich in den entsprechenden Gefässen befindet, so wird die Mannigfaltigkeit der Bilder begreiflich, welche sich der Beobachtung darbieten. Im ersten Falle können wir eine vor- her eintretende mattglänzende Granulirung beobachten, im zweiten — das Erscheinen von Fettmolekeln. In dem Gewebe und den Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 127 Blutgefässen kann man, besonders bei reichlichem Zuflusse von Nahrungsmaterial, kugelförmige Ansammlungen eines den Ueber- gang vom Eiweisse zum Fett bildenden Stoffes wahrnehmen, wel- cher vor seiner Verwandlung in Fett von den kugelförmigen Zellen produeirt wird. Diese kugelförmigen Ansammlungen sind von ver- schiedener Grösse, angefangen von solchen, welche den Umfang einer solchen Zelle nicht überschreiten, bis zu dem Umfange einer Fettzelle mittlerer Grösse (Fig. I, 28, 29). Die Entstehung solcher Fettansammlungen ist, wie ich zu beobachten Gelegenheit hatte, folgende: Der von der Zelle erzeugte Stoff, welcher sich dem Beob- achter als mattaussehende Granulirung darstellt, wird aus mir nieht näher bekannten Gründen von dem Protoplasma der Zelle, welches denselben als sehr dünne Schicht umgibt, nach aussen ge- drängt, so dass der Zusammenhang der Zelle mit der herausge- drängten mattglänzenden Kugel, welche letztere gleichsam einen Anhang der Ersteren zu bilden scheint, in der ersten Zeit erhalten wird. Nachdem die Zelle die grösste Kugel herausgedrängt und dabei mit einer dünnen Protoplasmaschicht umkleidet hat, be- ginnt sie sich allmählich auch der Andern zu entledigen, indem sie dieselben in der gleichen Richtung, wie die Erste herausstösst, in Folge dessen sie alle in die zuerst herausgedrängte Kugel ge- langen (Fig. I, 23-26). Da jede derselben von einer eigenen Ei- weisshülle umgeben ist, so tritt die Vereinigung mit der ersten Kugel sowie die der einzelnen Kugeln unter einander nicht so- - fort, sondern erst später ein; wahrscheinlich dann, wann die Ei- weiss-Hülle sich mit der übrigen Masse assimilirt hat. Warum drängt die Zelle noch vor beendigter Fettbildung die Stoffe nach aussen, aus welchen sie dasselbe hervorbringt? Ist es vielleicht, um mich bildlich auszudrücken, die Abneigung der Zelle, das Nomadenleben aufzugeben, welches sie so lange im Organis- mus führt, bis sie eine zu grosse Fettmenge in sich angesammelt hat, worauf sie unbeweglich wird; oder findet darin die Habgier der kugelförmigen Zelle ihren Ausdruck, welche immer noch einen neuen Vorrath an Nahrungsstoffen ergreifen möchte, so lange ein reichlicher Zufluss derselben fühlbar ist? Andererseits drängt sich diese Frage auf: was stellen diese kugelförmigen Ansammlungen eines aller Wahrscheinlichkeit nach den Charakter des Eiweisses tragenden Stoffes vor? Ist es etwas in der Art eines gemeinsamen Vor- 128 P. Poljakoft: rathsmagazins, wo jede Zelle ihren Ueberschuss bei reichlichem Zuflusse an Nährstoffen niederlegen und von wo sie im Nothfalle Material zu ihrer Thätigkeit entnehmen kann, oder ist es etwas Anderes? Nachdem die kugelförmige Zelle eine gewisse Menge von Fettkörnchen producirt hat, kann sie entweder fortfahren sich in dem Gewebe und den Gefässen zu bewegen, indem sie beständig Fett produeirt und sozusagen ein Wanderleben führt, oder sie be- ginnt sich zu theilen, wovon bereits die Rede war. Andernfalls aber bleibt die Zelle an irgend einer Stelle im Gewebe liegen, fixirt sich, indem sie ihr Protoplasma über diejenigen Faserbündel und elastischen Fasern ausbreitet, welche ihr anliegen, um für sich mehr Stützpunkte zu finden, deren sie in ihrer neuen Lage bedarf (Fig. VI. Nachdem sie sich festgesetzt hat, fährt die Zelle fort Fett zu produeiren, indem sie sich ganz dieser Aufgabe wid- met. Unter diesen Zellen kann man nur äusserst selten eine Zelle treffen, welche ein Bild der Theilung darbietet. Allmählich wächst in einer solchen fixirten Zelle die Zahl der Fettmolekeln wie auch deren Grösse durch Vereinigung derselben mit einander. Das Wachsthum des Protoplasma schreitet in dieser Zeit zwar fort, jedoch nicht in dem Maasse, wie die Ansammlung des Fettes vor sich geht; in Folge dessen kommen die an Zahl wie an Grösse beständig zunehmenden Fetttröpfehen einander immer näher, die Protoplasmaschichten, welche dieselben von einander abtheilen, werden immer dünner, so dass schliesslich eine unbedeutende Be- wegung des Protoplasma genügt, um die Tröpfehen sich mit ein- ander zu grössern vereinigen zu lassen. Mit zunehmender An- sammlung und Vereinigung der Fetttropfen wird der Kern immer mehr zur Peripherie hingedrängt, indem er zugleich eine zusammen- gedrückt-ovale Form gewinnt (Fig. III, 14). Schliesslich haben sich alle Fetttröpfehen zu einem grossen vereinigt; nur irgendwo neben dem Kerne können sich einige feststehende Fettmolekeln befinden; jedoch auch ihr Geschick ist dasselbe, auch ihnen steht bevor, von dem grössern Fetttropfen verschlungen zu werden. Schliesslich erblicken wir die vollkommen entwickelte Fettzelle, welche aus einem von protoplasmatischer Masse umgebenen Fett- tropfen besteht; das Protoplasma enthält einen ovalen, mehr oder weniger zusammengedrückten Kern mit einem oder mehrern Nu- cieolen (Fig. Ill, 15, 16). Eine Membran der Fettzelle, nicht als Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen ım lockern Bindegewebe. 124 den Fetttropfen umgebende Schicht, sondern als Zellmembran, habe ich nicht beobachtet; ebensowenig habe ich die seröse Flüs- sigkeit gesehen, welche nach Ranvier undLöwe den Fetttropfen umgeben und denselben als dünne Schicht vom umgebenden Proto- plasma abtheilen soll. Das Protoplasma hat ein verschiedenes Aussehen, je nach dem, ob die Zelle isolirt im Gewebe liegt, oder ob sie in einem Fettläppchen eingeschlossen und von Capillaren und andern Fett- zellen umgeben ist. Im ersteren Falle bewahrt die Zelle die flügel- förmigen protoplasmatischen Fortsätze von unregelmässiger Form, welche sie zur Fixation vorgestreckt hat (Fig. II, 15); im letz- teren Falle verliert die Zelle diese Fortsätze, indem sie dieselben einzieht, da sie, von Gefässen und andern Zellen umgeben, einer besondern Fixation nicht bedarf. In diesem Falle erhalten wir einen Fetttropfen, welcher von einer mehr oder weniger gleich- mässigen Protoplasmaschicht umgeben ist, mit einer grössern An- sammlung desselben um den Kern, welcher sich irgendwo an der Peripherie der Fettzelle befindet; das ist die unter dem Namen „siegelringförmig“ bekannte Gestalt (Taf. III, Fig. 16). Bei der Darstellung der Entwicklung der Fettzelle habe ich mich dahin ausgesprochen, dass jede Fettzelle isolirt von den andern stehen kann, ohne von Gefässen umgeben zu sein oder sich in einem Fettläppchen zu befinden, was nach den herrschenden Theo- rieen nicht zulässig wäre, da alle Autoren das Befinden der Zelle in der Nähe der Blutgefässe selbst als eine unerlässliche Bedin- sung für die Entstehung derselben betrachten, obwohl sie selbst ohne Zweifel gesehen haben, dass zuweilen (und zwar nicht gar zu selten) Fettzellen ganz isolirt, ohne jeden Zusammenhang mit dem Fettläppchen und den Gefässen dastehen; hierauf weisen zwar Ranvier u.A. hin, lassen aber die Frage ihrer Entstehung offen. Die Fettzellen entwickeln sich unabhängig von dem Umstande, ob sie sich nahe oder entfernt von einem Blutgefässe befinden; auch ist die Entwicklung der Fettzellen in den meisten Fällen eine primäre Erscheinung, worauf erst später die Bildung des die- selben umgebenden Gefässnetzes als secundäre Erscheinung vor sich geht. Ich will jedoch damit nicht gesagt haben, dass wir zu- erst ein vollständig formirtes, aus erwachsenen Fettzellen bestehen- des Fettläppchen sich bilden sehen und dass erst dann die Ent- wicklung der Gefässe ihren Anfang nimmt. Keineswegs; ich be- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 9 130 P. Poljakoft: haupte nur, dass das Wachsthum der Gefässe erst dann beginnt, wann die Fettzellen schon eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht haben, und erkläre den umgekehrten Vorgang für unmög- lich, dass nämlich zuerst die Entwicklung eines Gefässnetzes und zwar eines capillaren, und dann die darauf folgende Entwicklung der Fettzellen beobachtet werden könnte Man kann die Ent- wicklung der Fettzellen inmitten des schon fertigen Gefässnetzes nur in dem ausschliesslichen Falle a priori zulassen, wenn sich die Fettzellen an einer Stelle entwickeln, wo soeben ein Fettläpp- chen, dessen Gefässnetz noch unversehrt ist, der Atrophie ausge- setzt war. Ich habe bereits vorher erwähnt, dass die bewegliche fettbildende Zelle nach begonnener und in genügender Menge be- wirkter Fettablagerung sich im Gewebe ohne Rücksicht darauf fixirt, ob sie sich neben der Wand eines Gefässes, in der Adven- titia desselben, oder in einiger Entfernung von ihm befindet. In den meisten Fällen bietet sich die Entwicklung der Fettzellen in einiger Entfernung von dem Blutgefässe der Beobachtung dar. Die fettbildenden Zellen vereinigen sich zu Gruppen mit den zum Durchgange der Capillaren nöthigen Zwischenräumen, die andern aber liegen fest an einander gefügt, erst nachdem die Zellen eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht haben, beginnt die Bildung des Capillarnetzes. Nun erhebt sich die Frage: wie geht es zu, dass die unbeweglich gewordene fettbildende Zelle zu wachsen und Fett zu produciren fortfährt, während sie von dem Gefässe ent- fernt ist? Sie kann sich doch nicht für ihr ganzes Leben oder wenigstens bis zur Bildung des Gefässnetzes mit Nahrungsmaterial versehen haben! Zur Erklärung aller dieser sowie anderer Vor- sänge, welche bei der Ablagerung und der Atrophie des Fettes stattfinden und welche wir später betrachten werden, lasse ich hier meine Beobachtungen über die Entwicklung und Structur der Blut- gefässe des Fettgewebes folgen. Bei der Beobachtung der Structur der Gefässe des Fettge- webes ıst es nicht schwer zu bemerken, dass dieselbe in vielem von dem Bau der Gefässe der andern Gewebe abweicht. Der hauptsächlichste Unterschied besteht darin, dass sowohl die Arte- rien als auch die Venen vom feinsten Kaliber sehr lange Zeit in ihrem ersten Entwicklungsstadium verbleiben; dasselbe kann ebenso bei Thieren in den ersten Tagen des extrauterinen Lebens, wie auch bei vollständig Erwachsenen beobachtet werden. Betrachten Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 131 wir das grosse Netz oder das Gekröse eines jungen Thieres, z. B. eines Hundes in der ersten Woche des extrauterinen Lebens, so können wir sehen, dass nur die grössten Gefässe so weit differen- zirt sind, dass man Arterien von Venen unterscheiden kann; den feinern Gefässen kann man streng genommen diesen Namen gar nicht beilegen, da sie nicht hohle Röhren, in denen Blut oder Lympbhe fliesst, bilden, sondern blosse Ansammlungen von zelligen Elementen sind, welche in der Richtung liegen, wo später ein Blutgefäss durchgehen soll; zwischen diesen zelligen Elementen fliesst nun das Blut hin. Durch einen ununterbrochenen Andrang und dadurch hervorgerufenen Druck auf die Zellen bahnt sich der Blutstrom endlich einen bestimmten Weg; von dieser Zeit an besitzt das Gefässchen ein bestimmtes Lumen von noch sehr unregelmässiger Form, da viele die Wandung bil- dende Zellen weit in den Canal hineinragen und denselben da- durch fast gänzlich absperren; dagegen kann der Hohlraum an einer andern Stelle des jungen Gefässchens sehr weit sein (Fig. VI). Zu dieser Zeit kann von einem Gefäss-Endothelium noch gar nicht die Rede sein. Die sich von einem solchen Gefässe abzweigenden Capillaren bilden eine Kette in eine Reihe gelegter Zellen, welche sich am einen Ende an eine der die Gefässwand bildenden Zellen an- schliesst oder von einem Zwischenraume zwischen denselben aus- geht (Fig. VII). Bei diesem Bau der Capillaren geht eine Ueber- gabe der Bestandtheile des Blutes von Zelle zu Zelle vor sich; ein beständiges Lumen existirt jedoch nicht, da sich das Proto- plasma der Zellen sogleich wieder zusammenzieht, nachdem es die festen Bestandtheile des Blutes durchgelassen hat. Die Zellen, welche die Wände dünner Gefässe und Capillaren bilden, sind von kugelförmiger Gestalt und unterscheiden sich in Nichts von den oben beschriebenen kugelförmigen Zellen. Dennoch kann man bei der Beobachtung von Objecten, welche jungen Thieren entnommen sind und in denen viel kugelförmige Embryonalzellen verschiedener Typen angetroffen werden, an der Identität der wahrgenommenen kugelförmigen Zellen und der bereits beschrie- benen Bindegewebszellen zweifeln, welche Letztere Fett aus dem vom Blute zugeführten Material zu produeiren fähig sind. Zur Vermeidung aller Missverständnisse braucht man nur irgend ein Stück lockern Bindegewebes, welches Fett enthält und von einem erwachsenen Thiere herstammt, zu untersuchen, um die 132 P. Poljakoff: Ueberzeugung zu gewinnen, dass die Zellen, welche das Fett pro- duciren, und die, welche bei der Entwicklung der Gefässchen und Capillaren die Gefässwände bilden, identisch sind. Bei den erwachsenen Thieren ist die Structur der feinen Ge- fässe und Capillaren ganz dieselbe, wie wir sie bei den jungen gesehen haben, mit dem einen Unterschiede, dass die Gefässe und Capillaren von früherer Bildung, d.h. die in den alten Fettläpp- chen liegenden Gefässe und Capillaren, ein bereits vollendetes oder nahezu vollendetes Aussehen haben. Bei einer solchen Struetur des Gefässnetzes ist es verständlich, dass die dasselbe bildenden Zellen beim Durchflusse des Blutes von den flüssigen Bestand- theilen des Letztern imbibirt werden und dass eine andere proto- plasmatische Zelle mit einem solchen Gefässe nur in Berührung zu kommen braucht, um Nährstoffe in sich aufzunehmen. Andrer- seits fällt es der kugelförmigen Zelle bei dem geringen Wider- stand der die Gefässwand bildenden Zellen nicht allzu schwer, in das Innere des Gefässes einzudringen. Nach dem Gesagten wird es verständlich sein, aus welchem Grunde ein Gefäss des Fettgewebes immer mit den verschiedenartigsten kugelförmigen Zellen gleichsam besäet erscheint. Wir haben bereits gesehen, wie sich die kugelförmigen Zellen, nachdem sie bei reichlieher Nahrung Fett ausgearbeitet und dasselbe in ihrem Protoplasma in Form von Molekeln und Tröpfchen ab- gelagert haben, an irgend einer Stelle festsetzen, indem sie sich auf diese Weise in unbewegliche junge Fettzellen verwandeln; der grösste Theil der kugelförmigen Zellen bleibt jedoch wandernd, beweglich und um bei ihren Bewegungen nicht zu sehr beengt zu sein, entledigen sie sich, wie wir gesehen haben, der Substanz, aus der sie das Fett produciren, noch vor Beendigung dieses Pro- cesses, um im Stande zu sein, weitere Mengen von Nahrungsma- terial aufzunehmen, so lange sich dasselbe im Ueberflusse im Orga- nismus befindet. Auf diese Weise entstehen die schon früher er- wähnten kugelförmigen Ansammlungen des Stoffes, welcher die Lichtstrahlen schwächer bricht, als das Fett; diese Ansammlungen sind aller Wahrscheinlichkeit nach das Product nicht einer, son- dern mehrerer Zellen. Indem ich zur Beschreibung der Veränderungen und Func- tionen der freien, nomadisirenden, fettbildenden Zellen übergehe und ich zugleich daran erinnern möchte, dass sie eben dieselben ib Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 133 kugelförmigen Zellen sind, von denen früher die Rede war, und dass sie nur gewisser Umstände halber freie Elemente geblieben sind, welche sich jeden Augenblick in unbewegliche verwandeln können, benutze ich eine kurze Wiederholung zur Erreichung eines möglichst vollständigen Gesammteindruckes meiner Darstellung. Die kugelförmige fettbildende Bindegewebszelle, welche die Fähigkeit der Bewegung besitzt, misst 11/,—2 Diameter eines Leu- koeyten im Durchmesser, je nach dem Alter der Zelle und der Menge der zugeführten Nahrungssubstanz. Je jünger die kugel- förmige Zelle ist, desto kleiner ist sie, desto heller und glänzen- der ihr Protoplasma und desto mehr Aehnlichkeit mit einer Em- bryonalzelle besitzt sie; vom Pikrokarmin werden nur die Kerne leicht rosa gefärbt, während das Protoplasma im optischen Durch- schnitte der Zelle in Form eines glänzenden, den Kern gleich- mässig umgebenden Ringes erscheint (Fig. I, 1). In späterem Alter, wenn die Zelle schon zur Fettproduction fähig ist, erreicht ihre Grösse 2—4 Diameter eines Leukocyten; der Kern nimmt vom Pikrokarmin eine gesättigte rosa Färbung an, das Protoplasma wird entweder gar nicht gefärbt oder es ge- winnt eine sehr zarte rosa Schattirung (Fig. I, 14, 15). Der Kern der Zelle ist, von diesem Entwicklungsstadium angefangen, nicht immer von kugelförmiger Gestalt, sondern es kommt die des Ellip- soids vor, was zu beachten ist. Haben nun diese Zellen zur Pro- duction von Fett Nahrungsmaterial im Ueberflusse aufgenommen, so kann man sie leicht an ihrem Verhalten zu Pikrokarmin er- kennen, während Grösse und Gestalt noch unverändert geblieben sind; an Stelle der frühern rosa Schattirung nimmt das Protoplasma eine blassgelbe Färbung an, wobei der Kern wie früher rosa bleibt (io eelo, 17). In der nun folgenden Periode, der Periode der Production von schwächer lichtbrechenden Substanzen, als Fett, welche den Uebergang vom Eiweisse zum Fett bilden, wird das Protoplasma vermittels desselben Reactives hellgelb gefärbt, mit intensiverer Färbung der Körnchen; der Kern bleibt jedoch rosa (Fig. I, 18). In dieser Periode beginnt eine glänzende, keine Färbung anneh- mende fettige Granulirung sichtbar zu werden. In der nächsten Periode verliert der Kern die Eigenschaft, vom Pikrokarmin rosa gefärbt zu werden, und die Zelle erscheint nun in allen Theilen gelb gefärbt mit deutlich hervortretendem Kerne von dunklerer 134 P. Poljakoff: Färbung und mit einer Menge von Fetttropfen aller möglichen Grössen (Fig. I, 21). In allen diesen Stadien der Entwicklung ist die Zelle zur Vermehrung fähig, wenn sie nur nicht zu stark mit Fett belastet ist. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit auf die physiologischen Eigenschaften der kugelförmigen fettbildenden Bindegewebszelle, so nehmen wir wahr, dass dieselbe in hohem Maasse Contraectilität besitzt; die Fähigkeit dieser Zelle zu amöboiden Bewegungen ist staunenswertb, worauf man aus der Beobachtung frischer, auf fol- sende Weise angefertigter Präparate schliessen kann: aus einem subeutanen Oedem, welches nach Ranvier’s Verfahren durch Ein- spritzen irgend einer indifferenten Flüssigkeit (z. B. einer Lösung von 0,7%, Cl.Na) hervorgebracht ist, wird ein kleines Stück des ödematösen Gewebes mit einer in der Ebene gebogenen Scheere herausgeschnitten, sofort in einen Tropfen Pikrokarmin gelegt und mit einem Deckgläschen bedeckt. Zur Hervorbringung eines mehr demonstrativen Präparats ist es nothwendig, ein Stückchen des ödematösen Gewebes mit Fett oder aus der Nähe einer fetthal- tigen Stelle zu nehmen; in diesem Falle haben wir immer noma- disirende fettbildende Zellen in verschiedenen Stadien der Ent- wicklung und von verschiedener Färbung vor uns. Am leichtesten sind die amöboiden Bewegungen am Rande des Präparates, be- sonders an der Stelle, wo ein Blutgefäss (z. B. Vene) durchschnitten ist, zu beobachten: das Gefäss ist mit diesen Zellen dicht gefüllt. Hier strömen die Zellen aus dem Blutgefässe in grosser Menge hervor und eine jede kriecht, so lange sie Kraft und Leben hat, fort. Es ist bemerkenswerth, dass die Richtung der Bewegung der meisten Zellen fast die gleiche ist, und zwar die vom Präparate seitwärts, zum Rande des Deckgläschens führende — wahrschein- lich streben alle Zellen dem Sauerstoff zu; ein zufällig in der Nähe befindliches Luftbläschen füllen die Zellen massenweise an. Ein besonders interessantes Bild bieten in einem solchen Präpa- rate die in der Theilung begriffenen Zellen. Eine Zelle mit zwei und mehr Kernen und um dieselben schon abgesondertem Proto- plasma, wobei jedoch immer noch eine gemeinsame Protoplasma- schicht die einzelnen Kerne zu einer Masse vereinigt, fängt sich zu bewegen an, indem sie Fortsätze hervorstreckt; das Protoplasma eines jeden Kernes schickt seine eigenen Fortsätze aus, und die Bewegung der Kerne geschieht zuweilen in entgegengesetzter Rich- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 135 tung oder in einem Winkel von verschiedener Grösse; dadurch wird herbeigeführt, dass die beide Tochterzellen mit einander ver- bindende Protoplasmaschicht mit der Entfernung der Kerne von einander immer dünner wird und eine dünne Brücke bildet, welche zwischen ihnen gezogen ist oder sich umbiegt; schliesslich kann eine vollständige Trennung der Kerne mit dem sie umgebenden Protoplasma eintreten. Diese Fähigkeit zu amöboiden Bewegungen ist besonders in dem dritten und vierten Entwicklungsstadium der Zellen, d. i. zur Zeit der Fettproduction, vorhanden. Wenn es bei dem oben beschriebenen Verfahren der Anfertigung von Präparaten bisweilen auch nicht gelingt, die Bewegungen selbst zu beobachten, da die Zellen sterben können, bevor es möglich ist das angefer- tigte Präparat zu untersuchen, so kann man sich dennoch nach den vorliegenden Bildern die Fähigkeit der Zellen, amöboide Be- wegungen zu vollführen, lebhaft vergegenwärtigen. Jede Zelle ist in der Form erstarrt, in welcher sie der Tod überrascht hat; die Mannigfaltigkeit in den Formen der sich dem Auge darbietenden Zellen spottet der Beschreibung (Fig. IV). Inmitten dieser ihre Lebenskraft entfaltenden Zellen kann man auch solche treffen, welche offenbar ein Bild des Zerfalles, der Zerstörung, des Todes bieten. Es finden sich Zellen, welche nur Fetzen des die Fetttröpfehen einschliessenden Protoplasma aufweisen; das Protoplasma ist augenscheinlich im Zustande des Zerfalles; ringsum sind Spuren der Auflösung desselben und end- lich auch freie Fetttropfen sichtbar. Der Kern einer solchen, ihrer Auflösung entgegengehenden Zelle wird vom Pikrokarmin rosa gefärbt; er unterscheidet sich von dem Kerne einer lebens- kräftigen Zelle dadurch, dass der Letztere unserer Beobachtung in allen Theilen zugänglich ist — er ist durchsichtig, und man kann in demselben deutlich die Anwesenheit der Kernkörperchen erken- nen; hingegen ist der Erstere undurchsichtig; es ist unmöglich in ihm etwas zu unterscheiden, da derselbe trübe granulirt ist. Eben- daselbst kann man kugelförmige Ansammlungen eiweiss-fetthaltiger Substanzen sehen, welche von den kugelförmigen Zellen ausge- arbeitet und vor der endgiltigen Verwandlung in Fett abgesondert sind. Oft kann man auch die Entstehung solcher freier kugel- förmiger Bildungen selbst beobachten, welche vom Pikrokarmin gewöhnlich gelb gefärbt werden und undurchsichtig, mattglänzend sind. Ich füge zur Vervollständigung des Bildes hinzu, dass unter 136 P. Poljakoff: allen diesen Zellen auch freie, nackte Kerne angetroffen wer- den; die Einen von diesen sind zum Leben nicht mehr fähig, grobgekörnt, während Andere noch jung und lebenskräftig erschei- nen; manche derselben besitzen schon eine kaum bemerkbare Proto- plasmaschicht. Die Entstehung dieser freien Kerne ist verschieden, ebenso wie ihre Form: die Einen derselben sind kugelförmig, die Andern ellipsoidisch. Die Ersteren bilden sich aus den kugelför- migen Zellen, wenn diese sich theilen, und besitzen nur eine un- bedeutende Menge von Protoplasma, welches während der Theilung aufgebraucht wird, sodass die getheilten Kerne nackt, ohne eine sichtbare Protoplasmamasse erscheinen; später jedoch beginnt das- selbe anzuwachsen und den Kern zu umkleiden, sodass ‚nach einiger Zeit eine echte kugelförmige Zelle entsteht. Die Art der Entstehung der freien ellipsoidischen Kerne werden wir in der Folge kennen lernen. Die unter unsern Augen vorgehende Auflösung der Zellen, welche sowohl durch Alter, als auch von andern Gründen bedingt ist, ruft unwillkürlich den Gedanken wach, auf welche Weise dieser Verlust an Zellen denn ersetzt werden möchte. Es ist selbstverständlich, dass der Process der Theilung, wel- cher beständig an den kugelförmigen Zellen vor sich geht, den ersten Platz bei der Beantwortung dieser Frage einnimmt. Doch gibt es noch eine Quelle, aus welcher die fehlenden fettbildenden Zellen ergänzt werden können und welche wahrscheinlich zur Zeit des reichlicheren Zuflusses an Nährstoffen zu funetioniren beginnt, wenn die gegebene Anzahl der fettbildenden Zellen, welche der gewöhnlichen Nahrung angepasst ist, dem in grösserer Menge zu- fliessenden Nahrungsmaterial nicht mehr entspricht. Zugleich sind die kugelförmigen Zellen, wie wir schon zu beobachten Gelegen- heit hatten, in dieser Zeit stark mit Fett belastet und wenig zum Processe der Vermehrung fähig; es wäre also ein um so grösserer Mangel an fettbildenden Zellen fühlbar, wenn diese andere Quelle nicht existirte. Diese Quelle bilden die platten Bindegewebszellen. Nur muss man nicht glauben, dass die unbewegliche Ranvier- sche platte Bindegewebszelle als solche, ganz unverändert, zur Ab- lagerung von Fett in dem protoplasmatischen Theile ihrer Platte fähig sei, wie es viele Autoren behaupten. Durchaus nicht; um zur Fettablagerung fähig zu sein, muss sie eine ganze Reihe von Metamorphosen durchmachen und sich in eine bewegliche kugel- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 137 förmige Zelle verwandeln. Beim ersten Anblicke scheint es ziem- lich schwer, sich damit einverstanden zu erklären; so wenig Ge- meinsames finden wir zwischen der zur Fettproduetion fähigen be- weglichen kugelförmigen Zelle mit kugelförmigem Kerne und der unbeweglichen platten Bindegewebszelle, welche aus einer Proto- plasmaplatte mit einer Verdiekung um den zusammengedrückt- ellipsoidischen Kern besteht. Wenden wir uns jedoch zur Ent- wicklungsgeschichte der platten Bindegewebszellen, so können wir schen, dass dieselben aus embryonalen kugelförmigen Zellen mit gleichfalls kugelförmigem Kerne entstehen, d. h. aus Zellen, welche in Allem den fettbildenden kugelförmigen Zellen ähnlich sind; nur die besondere Lage, vielleicht auch die besondere Function dieser Zellen lässt sie, indem sie sich derselben anpassen, eine Form annehmen, welche so wenig an die Form der Zelle erinnert, aus der sie entstanden sind. Eine solche Umwandlung findet, wie es mir bei Betrachtung der entsprechenden Präparate scheint, nicht nur in der Embryonalperiode statt, während die Differen- zivung der Gewebselemente und der Aufbau der Gewebe selbst vor sich geht, sondern man kann sie unter gewissen Bedingungen auch in spätern Lebensphasen beobachten. In manchen Fällen kann man bei der Betrachtung von Präparaten, welche nach Ran- vier’s Verfahren angefertigt sind, nach der Einspritzung irgend einer indifferenten Flüssigkeit in das subeutane Bindegewebe zu- gleich mit dem energischen Processe der Bildung von Fettzellen, welche in allen Entwicklungsstadien zu sehen sind, auch einige Veränderungen, welche in den platten Bindegewebszellen ein- treten, wahrnehmen. Diese Veränderungen bestehen darin, dass die platte Bindegewebszelle an Stelle ihrer frühern Form eine ovale oder runde, scheibenförmige Gestalt mit ovalem, mehr oder weniger central gelegenem Kerne annimmt (Fig. II, 1—4). Nach einer solchen Umgestaltung erleidet die Zelle in Folge des Theilungs- processes noch weitere Veränderungen. Hierbei findet die Thei- lung des Kernes nicht nach den bisher geschilderten Typen, son- dern etwas anders statt. Der zusammengedrückt-ellipsoidische Kern beginnt sich mehr abzurunden. Die Substanz des Zellkernes zieht sich mehr zur Peripherie hin, während dieselbe im Centrum immer dünner wird und schliesslich ganz von dort verschwindet. In Folge einer sol- chen Umwandlung des Zellkernes treten nachstehende Verände- 138 P. Poljakoff: rungen in seinem optischen Bilde ein. Zuerst hat die platte Binde- gewebszelle, welche ihre plattenartigen Fortsätze zu einer mehr runden Form zusammengezogen hat, in den mit Pikrokarmin ge- färbten Präparaten folgendes Aussehen: das den Kern mehr oder minder gleichmässig umgebende Protoplasma wird leicht gelblich gefärbt, bleibt jedoch bisweilen auch ungefärbt, während der Kern eine ziemlich intensive rosa Färbung annimmt. Bei sorgfältigerer Betrachtung der Nüancen des gefärbten Kernes ist es nicht schwer zu bemerken, dass die Färbung der Kernsubstanz von der Peri- pherie zum Centrum an Intensität zunimmt, was vollkommen natürlich und verständlich ist, da auch die Kernsubstanz von der Peripherie zum Centrum immer dicker wird. Beobachten wir nun den Zellkern in der Tiheilmmesperiodte en face, so können wir folgende Veränderungen desselben wahr- nehmen: 1) Schwindet der Unterschied in der Intensität der Fär- bung der centralen und peripherischen Theile allmählich, bis er schliesslich unmerklich wird. 2) Nehmen die peripherischen Theile der Kernsubstanz eine stärkere Färbung an, während der centrale immer blasser wird, bis er zuletzt jede Färbung verliert. Dabei ist zu bemerken, dass von dem Moment an, wo ein ziemlich be- deutender Unterschied in der Färbung der Peripherie und des Centrums bemerkbar wird, es unmöglich wird zu gleicher Zeit die Peripherie und das Centrum mit gleicher Deutlichkeit zu sehen. Um den centralen Theil mit gleicher Deutlichkeit, wie den peripherischen zu sehen, muss man bei der Beobachtung des Ersteren das Objectiv des Mikroskopes senken. Mit einem Worte, es treten bei der Beobachtung des Kernes in diesem Stadium der Theilung dieselben optischen Erscheinungen ein, welche ein Jeder bei der Beobachtung en face eines rothen Säugethier-Blutkörper- chens wahrnehmen kann. Wenn die Färbung des Centrums voll- ständig verschwunden ist, erscheint uns der Kern in Form eines Ringes (Fig. IL, 5—7). Darauf bemerken wir irgendwo in dem gleichmässig gefärbten Ringe einen engen weissen Streifen, an- fangs an einer Stelle, bisweilen auch zugleich an zwei mehr oder minder diametral entgegengesetztliegenden Stellen. Diese weissen Streifen, welche immer breiter werden, theilen den ringförmigen Kern in zwei Halbringe (Fig. III, 1—6). Ferner gruppirt sich die Kernsubstanz in jedem der abgesonderten halbringförmigen Theile um die Centra derselben; darauf erhalten wir zwei junge Kerne Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 139 von ellipsoidischer Form, jedoch kann man auch jetzt noch unge- färbte, zwar schon sehr dünne, aber immer noch die Pole der langen Achsen der jungen Kerne verbindende Streifen wahrnehmen. Alsdann tritt die Theilung des Protoplasma ein, welches sich um jeden Kern gruppirt, und am Schlusse des Processes haben wir zwei junge Zellen, welche dem Aeussern nach der Mutterzelle gar nicht ähnlich sind. Diese erscheinen kugelförmig, mit zartem Protoplasma und ellipsoidischem Kerne mit Kernkörperchen; kurz, wir erhalten zuletzt Zellen, welche sich durch nichts, ausser durch die Form der Kerne von den kugelförmigen fettbildenden Binde- gewebszellen unterscheiden, da sie zugleich die Fähigkeit der Fort- bewegung erwerben und, was die Hauptsache ist, Fett produeiren (BisEl 647,11). Manchmal kann man nach der Theilung in den jungen Zellen missgestaltete Kerne wahrnehmen; der Kern bleibt unentwickelt, indem erin dem Entwicklungsstadium verharrt, wo der Mutterkern sich in zwei Halbringe getheilt hat; in Folge dessen werden kugelförmige Zellen mit einem halbringförmigen Kerne angetroffen (Kis. II, 12,13). Der Unterschied zwischen den soeben erwähnten kugelför- migen Zellen und den wandernden fettbildenden Zellen, welcher nur in der Gestalt der Kerne besteht, kann nicht hinderlich sein, die Verwandtschaft dieser beiden Zellenformen anzuerkennen und sie zu einer Kategorie zu rechnen. Der Kern sowie die Zellsubstanz sind nicht von grosser Be- ständigkeit in ihrer Form; wenigstens gilt dieses für die zelligen Elemente der Gewebe, welche verschiedenen mechanischen Ein- flüssen unterworfen sind. Eine ganze Menge von Zellen des thie- rischen Organismus haben ellipsoidische oder ovale Kerne, wäh- rend sie alle aus kugelförmigen Embryonalzellen mit gleichge- formten Kernen entstanden sind. Noch ein Beispiel: Verfolgen wir die Entwicklung der Fett- zelle, so sehen wir zuerst eine kugelförmige Zelle mit gleichfalls kugelförmigem Kerne; diese nimmt, indem sie unbeweglich wird und dabei fest an den als Unterlage dienenden Faserbündeln an- liegt, eine abgeplattete Form mit ellipsoidischem Kerne an, wel- cher in dem Maasse, als sich Fett in der Zelle ansammelt, mehr und mehr zur Peripherie hingedrängt wird und eine zusammenge- drückt-ovale Gestalt gewinnt. Bei der Atrophie der Fettzelle er- 140 PaPo llarkiortde wirbt der Zellkern, wie wir später sehen werden, umgekehrt eine mehr abgerundete Form, und nach der Theilung der Zelle ent- stehen zwei Zellen mit nunmehr kugelförmigen Kernen. Aus den angeführten Beispielen ist ersichtlich, bis zu wel- chem Grade sowohl die Zellsubstanz als auch der Kern, je nach den Bedingungen, unter denen sich die Zelle befindet, zur Ver- änderung der Gestalt fähig sind. Folglich kann der allein in der Form der Kerne bestehende Unterschied der Zellen, welche im Uebrigen ein und dieselben Eigenschaften besitzen, im vorliegen- den Falle nicht als gewichtvoller Gegenbeweis gegen das hier Aus- gesprochene dienen, und das um so weniger, als wir hier auf eben- demselben Präparate bei genauerer Betrachtung kugelförmige Zellen mit Fettmolekeln sehen können, welche nicht allein kugelförmige Kerne, sondern auch Kerne in allen Uebergangsformen von der des Ellipsoids bis zu der der Kugel haben. Man muss nicht glauben, dass den beobachteten Zellen Kerne von nur zwei Formen eigen seien, nämlich die kugelförmigen und die ellipsoidischen oder sogar nur die Letzteren, dass aber die ganze Mannigfaltigkeit der Formen, welche uns entgegentritt, nur eine optische Täuschung sei, davon herrührend, dass die lange Achse des beobachteten, in Wirklichkeit ellipsoidischen Kernes in verschiedenem Maasse von der optischen Achse abweicht. In der That, wenn wir einen ellipsoidischen Kern betrachten, dessen lange Achse mit der optischen Achse zusammenfällt, so wird er uns gleichsam kugelförmig erscheinen; beobachten wir ihn jedoch in Stellungen, welche von der vorhergehenden immer mehr, bis zu einem Winkel von 90° abweichen, so können wir alle Uebergangs- formen von der Kugel zum Ellipsoid sehen. Um uns zu überzeu- sen, dass wir im gegebenen Falle nicht Opfer einer derartigen optischen Täuschung sind, brauchen wir nur mit der Nadelspitze leicht auf das Deckgläschen zu drücken — die dadurch in ver- schiedene Lagen gebrachten Zellen lassen uns die verschiedenen Kernformen sehen. Ein mehr delicates Verfahren besteht darin, dass wir den Tubus allmählich senken und dadurch eine ganze Reihe auf einander folgender optischer Durchschnitte des Kernes erhalten; stellen wir nun die dabei erhaltenen Abbildungen des Zellkernes zusammen, so können wir uns eine genaue Vorstellung von der wirklichen Gestalt des Kernes machen. Den oben geschilderten Theilungsprocess des Zellkernes der Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen ım lockern Bindegewebe. 141 platten Bindegewebszellen kann man am besten an Präparaten be- obachten, welche aus dem subeutanen Bindegewebe bei künstlichen Pikro-Carmin-Oedem angefertigt sind. Die Theilung der unbeweglichen platten Zellen geht nicht immer nach dem soeben geschilderten Typus vor sich; in andern Fällen erhalten wir Zellen mit 3—4—6 Kernen mit um dieselben herum abgesondertem Protoplasma und fettiger Granulirung an den Grenzen; die Kerne sind ausserdem noch von einer gemein- samen Protoplasmaschicht umgeben; dann werden wir auch des Zerfalles solcher Zellen in Tochterzellen gewahr, wobei kugel- förmige Zellen mit ellipsoidischem Kerne entstehen. In manchen Fällen, wenn das Protoplasma der platten Zellen so weit rück- gebildet ist, dass es schon aufhört auf den reichlichen Zufluss von Nahrungssubstanz durch Theilung zu reagiren, quillt der Kern, welcher lebensfähig bleibt, auf, nimmt eine abgerundete Ge- stalt an und zerreisst die ihn umgebende Protoplasmaschicht, wo- durch er frei wird, ohne eine Spur von einer Protoplasmahülle zu behalten; jedoch mit der Zeit umwächst den Kern zartes Proto- plasma, und derselbe verwandelt sich in eine kugelförmige Zelle; oder, wenn er noch keinen genügenden Vorrath an Protoplasma gesammelt hat, unterliegt der Kern der Theilung nach dem oben ausführlich geschilderten Vorgange (Fig. II, S—13). Wir sehen so, auf welche Weise die nackten ellipsoidischen Kerne entstehen, welche wir unter gewissen Bedingungen in dem lockern Bindegewebe beobachten. Ferner erfahren wir, wie sich Ranvier’s unbewegliche platte Zellen in bewegliche fettbildende Zellen verwandeln, ohne sich von den Letztern durch die äussere Form oder durch ihre Eigenschaften und physiologische Function zu unterscheiden. Nach dem Angeführten kann man, wie ich glaube, ohne Schwierigkeit zugeben, dass die platten Bindegewebszellen zur Er- sänzung der etwa mangelnden beweglichen fettbildenden Zellen dienen, indem sie die geschilderten Veränderungen erleiden. Erklärt man sich damit einverstanden, so ist die weitere Zu- lassung schon nicht schwer, dass auch die platte unbewegliche Bindegewebszelle ihrerseits aus der kugelförmigen Zelle entsteht, wobei ein dem beschriebenen entgegengesetzter Process abläuft. Die kugelförmige fettbildende Bindegewebszelle, welche aus irgend einem Grunde in Unthätigkeit ist, bleibt zwischen den Fa- 142 P2Poljakortt: sern des Bindegewebes und gewinnt allmählich alle Eigenschaften einer unbeweglichen platten Zelle, indem sie so lange in diesem Zustande verharrt, bis wieder eine grössere Menge fettbildender Zellen erforderlich wird. Folglich ist Ranvier’s platte unbewegliche Bindegewebszelle nichts Anderes, als eine Zelle desselben Gewebes im Zustande der Unthätigkeit. Wir haben uns also mit dem Uebergange der platten Binde- sewebszeilen in kugelförmige bewegliche Zellen bekannt gemacht, haben die fünf Entwicklungsstadien der Letztern gesehen, in denen sie verschieden auf das Pikrokarmin reagiren; wir haben ferner die Art ihrer Vermehrung kennen gelernt, wissen von ihrer Elasticität und haben einen Begriff von ihrer grossen Fähig- keit zu amöboiden Bewegungen erhalten. Indem wir alles dieses berücksichtigen, dem entsprechend angefertigte Präparate unter- suchen und die kugelförmigen fettbildenden Zellen im Gewebe weit und nahe von den Gefässen gelegen, die Gefässe selbst mit denselben dicht gefüllt sehen, ist der Schluss unvermeidlich, dass diese Zellen, gleich den farblosen Blutkörperchen, die Fähigkeit besitzen, durch die Wände der Blutgefässe durchzudringen. Die im höchsten Grade entwickelte Fähigkeit eben derselben beweg- lichen kugelförmigen Zellen zu amöboiden Bewegungen berechtigt zu einer solehen Annahme; erinnern wir uns aber an die beson- dere Structur der kleinen Gefässchen des Fettgewebes, so befestigt sich in uns die Ueberzeugung, dass die kugelförmigen Zellen in die Blutgefässe eindringen und dieselben verlassen können (einst- weilen mit dem Zusatze: „nur im Fettgewebe“, da ich bisher nicht Gelegenheit hatte, das Eindringen in die Blutgefässe anderer Ge- webe zu beobachten und überhaupt nicht das Durchdringen der- selben durch die Wand eines Blutgefässes von vollendeter Ent- wicklung gesehen habe; gleichwohl lasse ich die Möglichkeit des Letzteren auf Grund der oben erwähnten Eigenschaften der kugel- förmigen Bindegewebszelle zu). Nachdem wir nun die Formen der fettbildenden Zellen, ihre Eigenschaften und die Grenzen ihrer Verbreitung im Organismus kennen gelernt haben, gehen wir zur Darlegung ihrer physiologi- schen Functionen über. Die kugelförmigen Zellen besitzen, wie uns schon aus dem Vorhergehenden bekannt ist, die Fähigkeit Fett aus den Nahrungs- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 143 substanzen zu produeiren, sei es, dass die Letzteren in Form von Fetten oder Eiweisssubstanzen darin enthalten sind. Um einen senügenden Vorrath an Nährstoffen zu sammeln, wenden sich die kugelförmigen Zellen während des Processes der Verdauung zu einer Capillare oder einem Blutgefässe von kleinem Kaliber und erhalten, an der aus eben solchen wohlgenährten kugelförmigen Zellen bestehenden Wand desselben anliegend, durch Vermittlung dieser Zellen den nöthigen Vorrath an Nahrung. Darauf verar- beiten die kugelförmigen Zellen an Ort und Stelle, neben dem Blut- gefässe das gesammelte Material, indem sie unbeweglich werden (Fig. VD); dann nehmen sie eine neue Ladung nährender Substanzen entgegen, welche sie wieder verarbeiten, und verwandeln sich, nachdem der Process eine bestimmte Zeit lang gedauert hat, in junge Fettzellen. Andere dagegen bleiben nicht neben der Gefäss- wand, sondern entfernen sich von dem Blutgefässe und machen im Gewebe Halt, ohne in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Blutgefässsystem zu sein, worauf sie sich, Fett produeirend, in unbewegliche junge Fettzellen verwandeln. Unter solchen Um- ständen verbleibt die Zelle so lange in Form einer jungen Fett- zelle, bis die kugelförmigen Zellen sich an einander anreihend eine Kette bilden, welche dieselbe mit dem nächstliegenden Ge- fässchen vereinigt, indem sie ihr auf solche Weise die zur Fett- production nothwendigen Nahrungssubstanzen zuführen; später bildet sich aus dieser Kette von Zellen ein wirkliches Capillarge- fäss. Längs dieser neugebildeten Capillare fixiren sich andere fettbildende Zellen, und auf solche Weise wird der Grund zu einem Fettläppchen gelegt. Andernfalls setzt die junge unbewegliche Fettzelle ihre Existenz ohne Zusammenhang mit dem Gefässsystem fort, vergrössert sich und sammelt mit Hülfe anderer fettbildender Zellen, welche die Fähigkeit der Bewegung bewahrt haben, Fett an. Eine solche bewegliche Zelle nimmt die nährenden Substanzen ‚des Blutes, wie schon früher gesagt, entweder durch Vermittlung anderer kugelförmiger Zellen, welche die Wand des Blutgefässes bilden, oder unmittelbar in sich auf, indem sie zu diesem Zwecke einen protoplasmatischen Fortsatz in das Lumen des Gefässes vor- streckt, wobei sie auch die in der Nähe befindlichen Fettmolekeln ergreifen kann; endlich kann sie ebenfalls Nahrungssubstanzen aufnehmen, indem sie vollständig in das Innere des Blutgefässes eindringt. Alsdann verlässt die kugelförmige fettbildende Zelle, 144 P. Poljakoff: nachdem sie auf die eine oder die andere Weise Nahrungsmaterial aufgenommen hat, das Blutgefäss, wendet sich zu einer jungen Fettzelle, welche sich im Gewebe festgesetzt hat, und übergiebt ihr allmählich, indem sie sich fest an dieselbe anlegt, ihr ausge- arbeitetes Fett, welches sie durch Bewegungen des Protoplasma herausstösst. Wenn die Abgabe geschehen ist und die bewegliche Bindegewebszelle sich des ihr zur Last fallenden Fettes entledigt hat, tritt sie den Rückweg nach Nahrungsmaterial an. Auf diese Weise verwandeln sich die jungen Fettzellen, wenn sie sich auch fern von dem Blutgefässe befinden, mit der Zeit in entwickelte Fettzellen.. Nach dem soeben beschriebenen Typus geht die Fett- ablagerung auch in denjenigen Fettzellen vor sich, welche sich zwar neben einem Blutgefässe befinden, jedoch in Folge der be- deutenden Ausdehnung des Protoplasma durch das Fett zur selbst- ständigen Fettproduction unfähig werden. Das Nahrungsmaterial wird von der kugelförmigen Zelle nicht nur den Blutgefässen, sondern auch den Chylusgefässen des Mesenterium entnommen; hier ist der Process sogar noch energi- scher. An solchen Stellen des Gewebes entstammenden Präparaten, wo der Process der Fettablagerung sehr energisch geschieht, kann man beobachten, dass die Gefässe von kugelförmigen Zellen über- füllt und von aussen mit denselben besäet sind, ebenso wie das Gewebe selbst; es ist zu sehen, wie die jungen Fettzellen und die in der Fettbildung mehr fortgeschrittenen Zellen mit beweglichen kugelförmigen Zellen gleichsam besetzt sind; nur die Fettzellen von allerspätester Entwicklung sind von ihnen frei, ebenso wie ‘die in der frühesten Periode stehenden Zellen, da die Letzteren noch einstweilen nicht fremder Hülfe bedürfen, indem ihr Vorrath an Material noch nicht ganz zu Fett verarbeitet ist. Hierselbst kann man unter den jungen Fettzellen zwei oder drei kugelförmige Zellen antreffen, welche ikr Wanderleben aufgegeben und sich zur ruhigen Lebensweise der unbeweglichen Fettzellen gewandt haben; das Ausbreiten des Protoplasma auf den benachbarten Faserbün- deln ist schon bemerkbar, und die Zelle besitzt bereits mehr Aehn- lichkeit mit einer platten, als einer kugelförmigen. Beim ersten Anblicke eines solchen vor uns liegenden Präparates kann man die eng an den Fettzellen anhängenden kugelförmigen Zellen leicht für die Kerne der Ersteren halten; aber bei genauerer Betrachtung Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 145 kann man sich überzeugen, dass dieses wirklich Zellen und keine einfachen Kerne sind. Also besteht der zweite Theil der Lebensaufgabe der kugel- förmigen Zelle darin, das Nahrungsmaterial von den Orten, wo es sich im Ueberflusse befindet, den Heerden der Fettablagerung zuzustellen, indem diese Zellen dabei Fett produeiren und dasselbe den Fettzellen zur Aufbewahrung übergeben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müssen die kugelförmigen Zellen bisweilen einen ziemlich langen Weg zurücklegen. — Aus dem oben Dargelegten wird es verständlich, auf welche Weise die Ansammlung von Fett in den Fettzellen geschieht und wie eine junge Fettzelle fern von den Blutgefässen existiren und dabei Fett produeiren, sich mit dem- selben anfüllen kann. Indem sich die kugelförmigen Zellen zu einer Kette verbin- den, bilden sie, wie oben erwähnt wurde, ein Capillargefäss, wel- ches die fix gewordenen jungen Fettzellen ernährt. Jetzt wollen wir zur Betrachtung des Processes der Atrophie des Fettgewebes, des Schwindens des Fettes aus den Fettzellen übergehen. Betrachten wir das Fettgewebe als das Vorrathsmagazin des Organismus, wo der Ueberschuss an Nahrungsmaterial bei reich- licher Ernährung desselben niedergelegt wird, so kommen wir natürlich auf den Gedanken, dass der Organismus bei ungenügen- der Ernährung diesem Mangel aus den Vorräthen seines Magazins — dem Fettgewebe, abhilft; zu diesem Zwecke muss aber das Fett aus den Fettzellen in die Blutbahnen, ins Blut übergehen, welches das Nahrungsmaterial im ganzen Organismus vertheilt. In Betreff dessen, wie dieser Uebergang des Fettes aus den Fett- zellen ins Blut geschieht, ist nichts bekannt. Es versteht sich von selbst, dass die Abmagerung — der Pro- cess der Atrophie des Fettes, und die Verfettung — der Process der Fettablagerung, einander vollkommen entgegengesetzte Erschei- nungen sind. Jedoch ist es bei detaillirtem Studium dieser beiden Processe nicht schwer zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass die- selben nach ein und demselben Typus geschehen, nur in einander entgegengesetzter Reihenfolge. Die Aehnlichkeit dieser beiden Processe ist so gross, dass es zuweilen schwer fällt auf dem Präparate zu unterscheiden, ob. wir es mit Fettablagerung zu thun haben, oder ob eine Fett-Atrophie der Zellen vorliegt. Wenn Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 10 146 P. Poljakoff: wir wissen, auf welche Weise die Fettablagerung in den Feitzellen geschieht, können wir uns ohne Schwierigkeit einen Begriff von den Wegen des Verschwindens des Fettes aus denselben bilden. Dieselben zelligen Elemente des lockern Bindegewebes, welche so thätigen Antheil an der Ablagerung von Fett in den Fettzellen nehmen — die beweglichen kugelförmigen Zellen, spielen auch hier die Hauptrolle. Beobachten wir ein Präparat, welches aus dem Gewebe eines dem Hungern ausgesetzten Thieres in der Anfangsperiode des Hungerns angefertigt ist, so können wir bemerken, wie die Fett- zellen fast sämmtlich mit kugelförmigen Zellen besäet sind, die Gefässe gleichfalls von ihnen angefüllt und von aussen bedeckt sind; ebendaselbst kann man auch Leukocyten in grosser Menge sehen. Alle diese Zellen liegen nicht ohne jede Nothwendigkeit inmitten der Fettzellen, sondern man sieht dieselben in so innigem Zusammenhange mit den Fettzellen, dass es schwer wird das Proto- plasma der Fettzelle von dem der kugelförmigen Zelle zu unter- scheiden, das Protoplasma der Letzteren entbält Fettmolekeln. Die Fettzelle gewinnt ein im Vergleich zum frühern etwas ver- ändertes Aussehen. Der Fetttropfen ist nicht ein einziger wie früher; wir sehen im Gegentheil einen grösseren Haupttropfen von einer Menge von Fettkügelchen unbedeutenderer Grösse umgeben; diese Letzteren ragen in das umliegende Protoplasma hinein, welches die Fett- masse in Form einer ziemlich dieken Schicht umhüllt. Diese ganze Protoplasmahülle ist von einer Menge von Fettkügelchen verschiedenster Grösse durchsetzt vom Durchmesser eines rothen Blutkörperchens bis zu den kleinsten Fettmolekeln; hierbei ist zu bemerken, dass die grössern Kügelchen näher zum Hauptfett- tropfen liegen, so dass die Grösse der Fetttheilchen mit der Ent- fernung von diesem Letztern abnimmt, bis sie als äusserst kleine Fett- molekeln an der Peripherie des Protoplasma erscheinen (Fig. VII). Hier sehen wir Fettzellen in allen möglichen Stufen der Anfüllung mit Fett; neben einer ganz vollen Zelle mit bis zum äussersten ausgedehntem Protoplasma können wir auch Zellen mit geringerem Fettgehalte wahrnehmen, wo das Fett sich in einzelne Kügelchen vertheilt hat; ihr Protoplasma tritt deutlich hervor, und der vom Fett nun nicht mehr gedrängte Kern liegt frei, von einer bedeu- tenden Protoplasmaschicht umgeben. Auf demselben Präparate Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 147 sieht man auch ganz von Fett freie Zellen oder solche, in deren Protoplasma sich nur eine unbedeutende fettige Granulirung er- halten hat. Die letztgenannte Art von Zellen erscheint abgeflacht, von unregelmässiger Form mit abgerundeten Vorsprüngen und central liegendem Kerne; allmählich werden diese protoplasmati- schen Vorsprünge eingezogen und die Zelle nimmt eine kugelför- mige Gestalt mit ellipsoidischem Kern an. Manche von ihnen ent- halten in dieser Zeit zwei Kerne, sie sind augenscheinlich im Thei- lungsprocesse begriffen. Das Verhalten der atrophirten Fettzellen zum Pikrokarmin erinnert bis zu einem gewissen Grade an die Wirkung desselben auf die alten, abgelebten kugelförmigen fett- bildenden Zellen, welche bereits Spuren des Zerfalles des Proto- plasma an sich tragen. Zu der Zeit, wann die atrophirte Zelle eine kugelförmige Ge- stalt annimmt, wird sie schon ebenso gefärbt, wie alle übrigen kugelförmigen Zellen, indem sie sich durch gesättigtere Färbung des Kernes und durch Granulirung im Protoplasma auszeichnet. Ist die Zelle erst kugelförmig geworden, so unterscheidet sie sich in nichts von der beweglichen fettbildenden Zelle. Die Zelle kann nach Belieben den Ort wechseln. In der That sehen wir auch auf den Präparaten neben den Zellen, welche ihre frühern Plätze ein- nehmen, leere von Capillaren umgebene Stellen, welche von den Zellen verlassen sind. Wenn wir ein derartiges Präparat genauer betrachten, können wir bemerken, dass die Grenzschicht der von den Zellen verlas- senen leeren Stellen ein ganz characteristisches Aussehen hat; dieses ist dermaassen bezeichnend, dass man diese Grenzschicht für die Membran einer atrophirten Fettzelle zu halten geneigt sein könnte. Wir haben nämlich eine begrenzte, von Capillaren umgebene leere Stelle von mannigfaltiger Form; die Grenzschicht, welche dem unterliegenden Gewebe angehört und zwischen den Capillaren sich ausbreitet, bildet eine Art von dünnem Häutchen von un- ebener Oberfläche mit Biegungen, Erhöhungen und Falten. Hier ist jedoch nichts zu finden, was an den Zellkern, das Proto- plasma oder auch nur an die Membran einer Fettzelle erinnerte. Um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass diese Grenzschicht keine Membran ist, genügt es, die benachbarte Stelle zu betrachten, auf welcher sich noch eine des Fettes beraubte Zelle befindet, die das oben geschilderte Aussehen hat und im Umfange abgenommen 148 P. Poljakoft: hat, so dass sie nur einen Theil ihres früheren Platzes ein- nimmt; in Folge dessen stehen nun die Capillaren, welche dieselbe früher dicht umgaben, in einiger Entfernung von ihr ab. Der so entstandene Zwischenraum bildet einen Theil der Grenzschicht der leeren Stelle, d. h. einen Theil des Bodens, wo die Fettzelle liegt. In diesem Zwischenraume sieht man aber jetzt nur das unterliegende Gewebe — die collagenen Bündel, welche eine Art dünnes Häutchen bilden. Eine solche Auffassung dieser Verhält- nisse findet ihre Bestätigung in den Resultaten der Färbung: das Häutchen wird rosa gefärbt, wie auch die collagenen Bündel selbst, während die protoplasmatische Membran der Fettzelle niemals diese Färbung annimmt, indem sie entweder ungefärbt bleibt oder eine gelbliche Färbung gewinnt. Solche Häutchen sind überhaupt nur in dem compacten Bindegewebe zu sehen (Corium), nicht aber im lockern Bindegewebe, so dass dieselben zum Beispiel im Omen- tum und Mesenterium nicht angetroffen werden. Indem Frey auf solche Bildungen hinweist, welche in Folge des beständigen Druckes der Fettzellen auf das umliegende Bindegewebe entstehen, erkennt er die Existenz einer Hülle der Fettzellen im Sinne einer Zell- membran nicht an, indem er sagt: „Die sogenannte Zellenmembran halten wir für eine vom benachbarten Bindegewebe ausgebildete Grenzschicht.“ Mit besonderer Energie können wir den Process der Atrophie des Fettes in dem Netze der Thiere vorgehen sehen. Hier kann man Fettläppchen wahrnehmen, welche buchstäblich unter den kugelförmigen Zellen verschüttet sind, sodass es zur vollkommenen Unmöglichkeit wird irgend etwas genauer daran zu unterscheiden. Man kann sich nur dann einen Begriff von dem hier vorgehenden Processe machen, wenn man sich zu benachbarten Fettläppchen hinwendet, wo der Process des Raubes des Fettes schon in grös- serem Maassstabe geschehen ist; in welchen aber hie und da noch Zellen mit Fettüberresten geblieben sind. Vielleicht harrt ihrer das gleiche Geschick. Von dem frühern Fettläppchen bleibt nur das Netz der Capillargefässe, einige Fettzellen mit Fett und des Fettes beraubte Fettzellen übrig. Der Process des Fettraubes geschieht auf folgende Weise: Zu einer Zeit, wo das Blut arm an nährenden Substanzen und be- sonders arm an Fett ist, welches für die Bedürfnisse des Organis- mus nothwendig ist — worauf man aus dem constanten, sogar im Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 149 Momente der Verdauung nur unbedeutenden Schwankungen unter- worfenen Fettgehalte des Blutes schliessen kann — tritt die kugel- förmige Zelle zur Durchführung einer etwas andern Rolle auf, als die, in welcher wir sie bei der Betrachtung des Fortbildungsprocesses gesehen haben. Unter den genannten Umständen stürzen sich näm- lich die kugelförmigen Zellen auf die Fettzellen und saugen, fest an die Protoplasmahülle derselben anhaftend, das Fett auf; dieses nimmt in ihnen die Form von Fettmolekeln an, welche nicht mit einander verfliessen; hierbei erscheint die fettige Granulirung einer solchen kugelförmigen Zelle, welche Fett in sich aufgenommen hat, sowohl nach der Grösse der Körnchen als auch nach deren Vertheilung im Protoplasma, der Granulirung eines Leukocyten, welcher Fett aufgenommen hat, vollkommen ähnlich. Nachdem die kugelförmigen Zellen Fett eingesammelt haben, gelangen die- selben durch die ihnen eigenen Bewegungen in die Blutgefässe oder zuerst in die Lymphgefässe und entledigen sich dort des Fettes; gleichwohl können sie das Fett auch unmittelbar in die Capillargefässe ausstossen, indem sie einen Protoplasmafortsatz in dieselben hineinstrecken und die Fettmoleküle durch Bewegungen des Protoplasma ins Blut treiben. Ich bemerke hierbei, dass die kugelförmigen Zellen, welche ihr Fett selbstständig produeirt haben, sich nur dadurch von ihren Brüdern, welche fertiges Fett in sich aufgenommen haben, unter- scheiden, dass diese Letzteren Fettmolekeln von gleicher Grösse und meistens excentrisch gelegen enthalten, indem der Kern das Centrum einnimmt, während die Ersteren Fetttröpfehen von ver- schiedener Grösse enthalten, welche im ganzen Protoplasma zer- streut sind und vorzugsweise im Centrum liegen, indem sie den Kern zur Peripherie hindrängen. Die Einen wie die Andern rea- giren in gleicher Weise auf das Pikrokarmin. Beim Anblicke eines mit kugelförmigen Zellen und Leuko- cyten derartig besäeten Fettläppchens, so dass die Unterscheidung der einzelnen Zellen vollkommen unmöglich wird, kann man sich eine deutliche Vorstellung von dem raschen Schwinden des Fettes aus den Fettzellen machen, welcher bei schneller Abmagerung, gleichgiltig aus welchen Gründen, beobachtet wird. Wenn es soweit gekommen ist, dass die Fettzellen ihr Fett verloren haben und selbst vielleicht schon die früher von ihnen eingenommenen Plätze verlassen haben, verbreitet sich der 150 P. Poljakoff: Process der Atrophie auch auf das Gefässnetz. Das Capillarnetz wird leer und zerfällt allmählich selbst; das Lumen der Capillaren verringert sich bis zur völligen Vernichtung; die Kerne der das Capillarnetz bildenden Zellen quellen auf, nehmen an Umfang zu und werden kugelförmig; zu dieser Zeit umgiebt auch das Proto- plasma, welches allmählich seine Fortsätze eingezogen hat, den Kern mehr oder minder gleichmässig. Auf diese Weise löst sich das Capillarnetz wieder in kugelförmige Zellen auf, aus denen es am Anfange entstanden ist. Oftmals wurde die Frage berührt, ob die farblosen Blutkör- perchen irgend welchen Antheil an dem Verfettungsprocesse neh- men. Indem wir die Thatsache, dass die Leukocyten sich des Fettes aus dem Darmkanal bemächtigen, als zweifellos bewiesen‘ vor uns haben und die Eigenschaften derselben kennen, liegt uns a priori der Gedanke nahe, dass sie fähig sind auch beim Ver- fettungsprocesse eine Rolle zu spielen. Wenn wir an den ge- schilderten Präparaten zwischen den Fettzellen, auf denselben, in grösserer Entfernung von ihnen Leukocyten bemerken, welche sämmtlich mit Fett (fettiger Granulirung) angefüllt sind, so gelangen wir noch mehr zu der Ueberzeugung, dass diese aprioristische Voraussetzung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Untersuchungen, welche bis jetzt unternommen sind, diese Wahr- scheinlichkeit als Thatsache zu erweisen, haben einstweilen bei allen Experimentatoren ein negatives Resultat geliefert: Niemand hat je einen Leukocyten sich in eine Fettzelle verwandeln sehen. Flemming lässt in manchen Fällen die Entstehung von Fettzellen aus Leukocyten zu, hält dieses aber nicht für die gewöhnliche Er- scheinung. Indem ich die Thätigkeit der kugelförmigen Zellen verfolgte und dort zwischen den Fettzellen, im Bindegewebe, auf den Zellen, mit einem Worte überall, wo man nur kugelförmige Zellen treffen kann, auch Leukocyten fand, war ich in grosser Verlegenheit darüber, was ich nun den kugelförmigen Zellen und was den Leukocyten zuschreiben sollte. Später aber, als mir die Rolle der kugelförmigen Zellen allmählich klar wurde, war es mir nicht mehr schwer, mich über die Rolle der Leukocyten zu verge- wissern. Ä Nehmen wir ein frisches Präparat aus dem subcutanen Binde- gewebe oder aus dem Netz, dem Gekröse und dergleichen Stellen, welche lockeres Bindegewebe mit Fett enthalten, von einem dem Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 151 Hungern ausgesetzten Thiere und färben es mit Pikrokarmin, so können wir ausser den bislang geschilderten Zellen auch Leuko- cyten bemerken, welche ganz dieselbe Lage einnehmen, wie die kugelförmigen Zellen. Viele unter diesen selbst haben Fett in sich aufgenommen und liegen abseits. Besonders an den vereinzelt liegenden Fettzellen ist es nun sichtbar, wie ein Leukoeyt in das Protoplasma der Zelle eindringt und durch die gewohnten Mani- pulationen Fett in sich aufnimmt, welches in seinem Protoplasma in Gestalt von einzelnen Fettmolekeln erscheint. Dies Bild kann man, wie gesagt, nur an Fettläppchen beobachten, welche der Atrophie unterworfen sind; in denjenigen, wo der progressive Process vor sich geht, werden keine Leukocyten mit Fett ange- troffen, ausser wenn sich einer oder zwei aus benachbarten Fett- läppchen, wo die Atrophie des Fettes vor sich geht, zufällig zu- gesellt haben, was man oft genug wahrnehmen kann. Da der Process der Fettablagerung dem der Atrophie analog ist, so scheint beim ersten Anblicke die Unterscheidung schwierig. Bei näherer Betrachtung jedoch kann man bemerken, dass in den Fett- läppchen, wo die Fettansammlung geschieht, neben den vollkommen entwickelten Fettzellen auch in allen Entwicklungsstadien stehende Zellen zu sehen sind, angefangen von der kugelförmigen Zelle, welche im Begriffe ist sich in eine unbewegliche fettbildende Zelle zu verwandeln, bis zu der völlig formirten Fettzelle. Die beweg- lichen kugelförmigen Zellen enthalten Fett in Form von Fetttropfen von verschiedener Grösse, von den kleinsten bis zu der Grösse eines rothen Blutkörperchens; ebendaselbst ist das äusserst charakteri- stische Bild der Entwicklung des Gefässnetzes zu sehen. In den Fettläppchen, welche ihres Fettes beraubt werden, sehen wir ausser vielem den soeben beschriebenen Erscheinungen Gemeinsamen, auch Fettzellen mit weniger ausgedehntem Proto- plasma, welches mit Fetttröpfehen angefüllt ist; andere Zellen ent- halten nur eine unbedeutende Menge Fettes, und neben diesen treten die charakteristischen leeren „Räume“ auf; nahe dabei, zwischen den Capillaren liegen eigenartige abgeflachte, des Fettes beraubte Zellen; auch die Maschen des Capillarnetzes, welche den früher von einer Fettzelle eingenommenen ‚Raum‘ umgeben, wer- den angetroffen; nebenbei sehen wir vielleicht auch die kugel- förmigen Zellen mit fettiger Granulirung und zwei Kernen, welche nach Verlust des Fettes aus eben diesem „Raume‘“ herausgekro- 152 P. Poljakoff: chen und nun in der Theilung begriffen sind; das Capillarnetz ist noch intact; die hier befindlichen kugelförmigen Zellen enthalten eine gleichmässige fettige Granulirung; ausser alle dem treffen wir hier nun noch eine Menge Fett enthaltender Leukocyten. Die sichtbaren Veränderungen, welche in den Fettzellen bei ihrer Atrophie vorgehen, werden von allen Autoren bis zu einem gewissen Grade übereinstimmend beschrieben. Aber in den meisten Fällen begnügen sich dieselben mit der Constatirung des Faktums der ge- schehenden Veränderungen, indem sie sowohldie Arten der Entstehung dieser Veränderungen, als auch die Aufeinanderfolge derselben un- erklärt lassen, obwohl die Beachtung dieser Umstände das Verständ- niss der Natur des vorgehenden Processes bedeutend erleichtern. Bei unzureichender Ernährung gehen die Fettzellen, welche der Atrophie ausgesetzt sind, allmählich aus vollkommen entwiekel- ten Fettzellen in bewegliche kugelförmige Zellen über, wobei man auf einem Präparat bisweilen alle Uebergangsformen sehen kann. Der Process der Atrophie geschieht mit geringerer Energie, und das Protoplasma der Zellen hat Zeit sich zusammenzuziehen, in- dem die Contraction desselben mit der Verringerung der Fetitmasse in der Zelle gleichen Schritt hält. Dasselbe kann auch von allen jungen Fettzellen von späterer Entstehung gesagt werden, so lange diese noch nicht bis zum Aeussersten mit Fett überfüllt sind. Dieses ist der gewöhnlichste Gang der Atrophie der Fettzellen (Fig. XD). Zu der Zeit, wann der Process der Atrophie der Fett- zellen mit grösserer Intensität vor sich geht, wie z. B. bei acuter Inanition, kann man neben den Zellen, deren Atrophie den eben be- schriebenen Gang nimmt, auch solche finden, deren Protoplasma sichtlich danach strebt, seine frühere Ausdehnung zu bewahren; dasselbe befindet sich vielleicht in einem krankhaften Zustand, in Folge dessen in ihm Vacuolen von meist abgerundeter Form mit scharf bezeichneten Grenzen auftreten, welche mit einer serösen Flüssigkeit angefüllt sind. Zu dieser Zeit kann die Zelle noch ein bedeutendes Fettquantum in einem oder mehrern Tropfen ent- halten. Die Erklärung dieser Erscheinung wird angesichts dessen ziemlich schwierig, dass nicht nur diejenigen Fettzellen in einen solchen Zustand übergehen, deren Protoplasma sich lange in aus- gedehntem Zustande befand, worauf man die Erklärung der Ent- stehung der sogenannten serösen Blasen in den Zellen gründen könnte, sondern dass derselbe Process auch in denjenigen Fett- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 153 zellen geschieht, deren Protoplasma noch von genügender Elasti- eität ist, um mit dem Verschwinden des Fettes aus der Zelle zu- sammenfallen zu können; dasselbe beobachten wir sogar in ganz jungen Fettzellen, deren Protoplasma ohne allen Zweifel noch contractil ist — auch in diesen bemerken wir, wie gesagt, unter gewissen Bedingungen mit seröser Flüssigkeit gefüllte Vacuolen und Hohlräume. Streng genommen kann in den meisten Fällen von „serösen Blasen“ gar nicht die Rede sein, da das Protoplasma der Zelle stets das überwiegende Element bildet; und somit kann man eher einen blossen hydropischen Zustand der Zelle in Folge sewisser Gründe, nicht aber eine Degeneration derselben zu einer „serösen Blase“ zulassen. Einen solchen Zustand bemerken wir nun nichtanallen Fettzellen ; manche derselben erleiden totale Atrophie, und nur die Zellen des Netzes, des Gekröses und des Fettgewebes, welches einige innere Organe umgibt, sowie die Zellen, welche längs den Nerven und Blutgefässen in dem subeu- tanen Zellgewebe liegen, sind einem solchen hydropischen Zustande unterworfen. Wir finden bei genauerer Erwägung, dass das Fett- gewebe an allen diesen Stellen, wo es hydropisch wird, nicht nur als Vorrathsmagazin, sondern auch zu mechanischen Zwecken dient, indem es die von ihm umhüllten Theile vor Erschütterungen und Verletzungen bewahrt. Somit dürfen wir annehmen, dass die Fettzellen nach dem Verluste des Fettes eben dazu mit seröser Flüssigkeit gefüllt werden, um die eine flüssige Substanz durch die andere zu ersetzen und damit die Zellen wenigstens einen Theil ihrer Aufgabe weiter erfüllen zu lassen. Selbst bei den ferneren Veränderungen, denen die Fettzellen unterworfen sind, bleiben diese doch grösstentheils auf den von ihnen eingenommenen Plätzen, und erinnern durch ihr Aussehen an Drüsenbildungen; bei der einfachen Atrophie dagegen verlassen die Zellen, nachdem sie ihr Fett eingebüsst haben, meistens ihre frühern Plätze. Die weiteren Veränderungen der hydropischen Zellen bestehen darin, dass das Zellprotoplasma gleichsam flüssiger zu werden an- fängt, und die in demselben eingeschlossene Flüssigkeit Opales- cenz gewinnt; die Grenzen des die Flüssigkeit umgebenden Proto- plasma bekommen statt der früher scharfen (in Folge der grössern Verschiedenheit der Brechungs-Exponenten in den beiden benach- barten Substanzen, also auch in Folge ihrer verschiedenen chemi- schen Zusammensetzung), deutlich bezeichneten Umrisse weniger 154 P. Poljakoff: scharfe Conturen, indem ein mehr allmählicher Uebergang aus einer Substanz in die andere hergestellt wird. Betrachten wir solche Zellen auf einem mit Pikrokarmin ge- färbten Präparate, so bemerken wir, dass die Fettzelle am An- fange ihres hydropischen Zustandes bei genügendem Fettgehalt einen oder mehrere Hohlräume mit deutlichen Conturen und einen rosa gefärbten Kern hat; das Protoplasma der Zelle nimmt eine ziemlich gesättigte gelbe Färbung an; der Inhalt des Hohlraumes bleibt ebenfalls ungefärbt und durchsichtig. Beobachten wir aber die Zellen in einer ferneren Periode, wann nur noch Spuren von Fett übrig sind, so können wir wahrnehmen, dass die Conturen der Hohlräume mehr oder weniger verwischt sind; das Protoplasma der Zelle ist wie früher gelb, der Kern rosa gefärbt, der Inhalt der Hohlräume wird trübe und bereits leicht gelblich gefärbt; weiterhin nimmt der Kern gleichfalls eine gelbe Färbung an. Zu dieser Zeit beginnt die Theilung des Kernes; das Protoplasma theilt sich inzwischen in zwei Schichten: in eine dichtere, gelb gefärbte, welche den Kern (oder die Kerne, nach geschehener Theilung) umhüllt, und in eine zweite flüssigere mit leicht gelb- licher Färbung, welche die erste Schicht umgibt und folglich an der Peripherie der Zelle liegt. Darauf tritt eine Ausgleichung der Zellsubstanz hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung und der Dichtigkeit ein, und die Zelle verwandelt sich in eine kugel- förmige Zelle mit vollständig gleichartiger Zellsubstanz (Fig. XD). In andern Fällen dagegen beginnt eine Kerntheilung, wobei die jungen Kerne fast die ganze Mutterzelle anfüllen. Alsdann son- dert sich nach geschehener Theilung der Kerne das Protoplasma um jeden Kern herum ab; auf diese Weise erhalten wir an Stelle der frühern Fettzelle eine ganze Gruppe kugelförmiger epithel- artiger Zellen mit kugelförmigen Kernen; diese Zellen liegen ohne jede Zwischensubstanz neben einander, und die ganze aus einer und derselben Fettzelle entstandene Gruppe ist von derjenigen Masche des Capillarnetzes umgeben, welche früher die Mutterzelle umschloss. In dieser Phase ist es ziemlich schwierig das sich regenirende Fettgewebe von einer acinösen Drüse zu unterscheiden. Das weitere Schicksal der so entstandenen jungen kugelförmigen Zellen besteht darin, dass sie im Gewebe auseinanderkriechen, ohne sich von den kugelförmigen fettbildenden Bindegewebszellen zu unterscheiden, und dass sie sich unter günstigen Umständen Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 155 wieder der Fettproduetion widmen. Aber eine bedeutende Anzahl dieser Zellen bleibt dennoch auf den Plätzen der Fettzellen, aus denen sie entstanden sind, indem sie innerhalb der Maschen des -Capillarnetzes des frühern Fettläppchens liegen. Dieses sind die Veränderungen, welche das Fettgewebe bei seiner Atrophie er- leidet. Werfen wir nunmehr einen Blick auf das Fettgewebe im Allgemeinen, sosehen wir, dass dasselbe seiner functionellen Be- stimmung nach in zwei Categorien getheilt werden kann. Zu der Einen ist der Theil des Fettgewebes zu rechnen, welcher haupt- sächlich als Vorrathsmagazin zur Aufspeicherung des überflüssigen Nahrungsmaterials des Organismus dient; zu der Andern gehört der Theil des Fettgewebes, welcher ausser dieser dem ganzen Fettgewebe gemeinsamen Rolle noch eine andere mechanische Be- stimmung hat, indem er entweder als elastische Unterlage, welche die für das Leben wichtigen Organe vor Erschütterungen bewahrt oder als weiche Füllung dient, welche die Reibung der Organe an einander bei deren Bewegung verhindert. Zu dieser zweiten Gruppe ist auch die „Fettdrüse* (Rudolphi), die „Winterschlafs- drüse“ einiger Nagethiere hinzuzurechnen. Diese beiden Gruppen des Fettgewebes unterscheiden sich nicht nur durch ihre physio- logische Bestimmung, sondern auch durch ihre Entwicklung und ihre Atrophie. Am wahrscheinlichsten ist, dass die verschiedenen physiologi- schen Functionen auch die Verschiedenheit in der Entstebungsart des Gewebes sowie der Atrophie desselben bedingt haben. Nehmen wir die Entstehung und die Atrophie der ersten Ca- tegorie des Fettgewebes. Da die allgemeine physiologische Be- stimmung des Fettgewebes darin besteht, als Nahrungsmagazin zu dienen, und es selbstverständlich ist, dass ein etwa aufzuspei- chernder Ueberfluss in der Nahrung nur zur Zeit des extrauterinen Lebens, nicht aber in der Embryonalperiode eintreten kann, so besitzt der Embryo im Mutterleibe nicht nur kein entwickeltes Fettgewebe, sondern auch keine mehr oder weniger bestimmten Ansammlungspunkte der fettbildenden Zellen als bildender Ele- mente. Da sich die Fettzellen an einer beliebigen Stelle des lockern Zellgewebes entwickeln können und dieses Letztere im ganzen Organismus verbreitet ist, liegt gar keine Nothwendigkeit dafür vor, dass sich die fettbildenden kugelförmigen Zellen an be- 156 P. Poljakoff: stimmten Punkten ansammelten, indem sie sich zu ihrer Thätigkeit vorbereiten. Die genannten Zellen bilden auch in dem entwickelten Orga- nismus keine bestimmten Ansammlungen, obwohl viele Autoren, indem sie dieselben in viel grösserer Zahl neben den Gefässen als im Gewebe beobachten, diese Ansammlungen als Keime der künftigen Fettläppchen betrachten; diese Ansicht ist jedoch nicht ganz richtig, da sich die Zellen in den meisten Fällen in der Ab- sicht Nahrung aufzunehmen und durchaus nicht, um gerade hier zu Fettzellen zu werden, neben dem Blutgefässe angehäuft haben; es kann sein, dass die Mehrzahl der Zellen, welche sich neben einem Blutgefässe angesammelt haben, ihr ganzes Leben als noma- disirende fettbildende Zellen zubringen und sich niemals in unbe- wegliche Fettzellen verwandeln werden. Für die Entwicklung von Fettzellen des Fettgewebes von dem soeben betrachteten Typus ist es nicht geradezu nothwendig, dass sich die fettbildenden Zellen neben einem fertigen Fettläpp- chen oder zwischen mehrern Fettläppchen festsetzen, die Fettzellen entwickeln sich selbständig in dem bis zu der Zeit von Fettzellen freien Gewebe, obwohl ihnen natürlich nichts hinderlich ist, sich auch unter fertigen Fettläppchen und neben denselben zu entwickeln. Die Atrophie des Fettgewebes dieser Categorie geschieht nach dem Typus, bei dem die allmählich ihr Fett verlierenden Fett- zellen sich zusammenziehen und sich mit der Zeit in bewegliche kugelförmige Bindegewebszellen verwandeln. Die Capillaren solcher Fettläppchen gehen zugleich mit der Befreiung der Fettzeilen vom Fett, in den meisten Fällen sogar früher zu Grunde, sodass man Fettzellen mit noch bedeutendem Fettgehalte und unter diesen kugelförmige Zellen sehen kann, welche einst ein Capillarnetz bil- deten; manche der Letztern hatten noch nicht die Zeit eine kugel- förmige Gestalt anzunehmen und erscheinen stabförmig mit elli- psoidischem Kern in der Mitte. In den meisten Fällen bleiben die atrophirten Zellen dieses Typus des Fettgewebes, wie auch die Zellen, welche die Capillaren bildeten, nicht auf ihrem alten Platze, sondern entfernen sich, indem sie ihre Thätigkeit an andern Stellen aufnehmen, wo ein Mangel an denselben fühlbar ist. Das Fett des Fettgewebes von diesem Typus ist von grosser Beweglichkeit: mit der gleichen Leichtigkeit, mit der es sich in den Fettzellen Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 157 ablagert, verlässt es dieselben, um den Bedürfnissen des Organismus zu genügen. Wenden wir uns nun zu der Entstehung und der Atrophie der andern Categorie des Fettgewebes, welche nicht nur als Nieder- lage der überflüssigen Nahrungssubstanzen, sondern auch zu ver- schiedenen mechanischen Zwecken dient, so bemerken wir einige Verschiedenheit hinsichtlich des Einen wie des Andern im Ver- gleich zu dem soeben betrachteten Theile des Fettgewebes. Es ist nicht zu verwundern, dass Toldt, die Embryonen verschie- dener Säugethiere untersuchend, an denselben bestimmte Punkte (Heerde) fand, an denen sich das Fettgewebe entwickelte; an diesen Stellen bemerkte er „kugelige oder wenig abgeplattete, kernhaltige Zellen, welche sich manchmal nur durch ihre etwas bedeutendere Grösse und durch die deutlichere Granulirung ihres Zellkörpers von lymphoiden Zellen unterscheiden“; aus ebendiesen entwickeln sich die Fettzellen. Wie wir bereits gesehen haben, hat das Fettgewebe an einigen Stellen eine besondere physiologische Be- stimmung. So lange sich jedoch der Organismus im Mutterleibe befindet, ist die Existenz eines besondern Gewebes, welches die Organe vor mechanischer Verletzung bewahrt, nicht nothwendig, da der ganze Organismus des Embryo zu dieser Zeit von Seiten der Mutter genügend geschützt ist, indem er sich in der amnio- tischen Flüssigkeit badet. Folglich tritt die Nothwendigkeit eines besondern Schutzgewebes erst in dem extrauterinen Leben ein, wenn das junge Thier ein selbständiges Leben führt. Es ist be- greiflich, dass erst zu dieser Zeit Gruppen kugelförmiger fettbil- dender Zellen an mehr oder weniger bestimmten Stellen auftreten. Schon Rollett hat die Beobachtung gemacht, dass dort, wo die Neubildung des Fettgewebes vor sich geht, zuerst der die Ge- webe bildende Stoff in Gestalt von jungen Zellen erscheint und später das zum Wachsthum dieser Zellen nöthige Nahrungsmaterial hinzutritt. Die „Fettdrüse“, „Winterschlafsdrüse‘‘, welche fast ausschliess- lich als Niederlage für den Ueberschuss an Nahrungsmaterial dient, hat u. A. ihre bestimmten Keime in der Embryonalperiode und gehört zu den beständigeren Fettbildungen; dieses hat man- chen Forschern Anlass gegeben das Fettgewebe den organoiden Bildungen zuzuzählen, welche in gar keinem Zusammenhange mit dem Bindegewebe stünden. Der Grund dafür, dass das gewöhn- 158 P. Poljakoff: liche, als Niederlage für den Ueberfluss an Nährstoffen dienende Fettgewebe bei manchen Thieren aus der Classe der Nagethiere ebenfalls seine bestimmten embryonalen Entwickelungsheerde be- sitzt, welche immer an mehr oder weniger bestimmten Stellen der hintern Hälfte des Körpers liegen, ist in dem Umstande zu finden, dass diese Fettbildung zu einem nothwendigen Theil des Organis- mus geworden ist, ohne welchen das Thier unfähig ist, eine län-, gere Zeit bei der gewohnten Lebensweise zu existiren. Die Un- möglichkeit eine genügende Menge passender Nahrung während des langen, strengen und schneereichen Winters zu finden, hatte den Umstand zur Eolge, dass diese Thiere ihn nur mit Hülfe eines grossen Fettvorrathes im lockern Bindegewebe überlebten; also hatte jedes Thier mit reichlichem Vorrathe an Fett mehr Chancen diese Jahreszeit zu überleben. Jedoch mit der Zeit, als die Thiere die Fähigkeit erlangt hatten, grössere Fettvorräthe in ihrem Zell- sewebe anzusammeln und ihre nersten Feind — den Hunger — über- wunden hatten, erhob sich gegen sie ein neuer Feind — ihre eigene Beleibtheit und die davon herrührende geringe Beweglichkeit. Selbstverständlich war ein solches gemästetes Thier, wie es gegen das Ende des Herbstes wurde, ein Leckerbissen für Raubthiere verschiedener Art, zudem war auch die Erbeutung desselben fast ganz mühelos. Das ausgemästete, schwerfällige, zu Bewegungen fast gänzlich unfähige Thier hatte im Kampf ums Dasein sehr wenig Chancen auf seiner Seite; nur die beweglicheren und ge- wandteren Individuen, welche dabei dennoch eine genügende Menge an Fett besassen, blieben am Leben. Die Vertheilung der Punkte der Fettablagerung, welche wir jetzt bei manchen Thieren aus der Classe der dem Winterschlaf unterworfenen Nagethiere beobachten, entspricht gerade den genannten Forderungen. Bedeutende Fettansammlungen, welche sich vorzüglich in der hintern Körperhälfte bilden, ermöglichen es dem Thier im Verlaufe vieler Monate zu hungern und berauben dasselbe dennoch nicht der Beweglichkeit und einiger Gewandtheit, welche ihm bei der Vertheidigung gegen die Ueberfälle seiner Feinde zu Statten kommt. Alle derartigen Eigenheiten in der Organisation, welche durch Ver- erbung erworben sind, werden wie bekannt auf die gleiche Weise auf die Nachkommenschaft übertragen; also ist es kein Wunder, dass das gewöhnliche Fettgewebe seinen bestimmten Keim in der embryonalen Lebensperiode mancher Thiere besitzt. Dessen un- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen ım lockern Bindegewebe. 159 geachtet liegt kein besonderer Grund dazu vor, das Fettgewebe als besonderes Organ zu elassifieiren, da dasselbe, auch in den Fällen, wo es seine besonderen Heerde bei der embryonalen Ent- wieklung besitzt, aus denselben beweglichen kugelförmigen Zellen des Zellgewebes entsteht, aus denen sich auch später dasjenige Fettgewebe entwickelt, welches keine bestimmten Keime in der Embryonalperiode hat. Das Fettgewebe der zweiten Kategorie erscheint, sobald es seine volle Entwicklung erreicht hat, als eine Bildung von grös- serer Widerstandsfähigkeit im Vergleich zu dem Fettgewebe der ersten Categorie; das Fett erhält sich in den Fettzellen mit grös- serer Standhaftigkeit. Die Fettzellen entwickeln sich hauptsäch- lich zwischen den fertigen Fettläppchen und um dieselben; aus den Gefässen derselben gehen die sich entwickelnden Capillaren hervor. Bei der Abmagerung (Atrophie) bewahren die Fettzellen ihr Fett längere Zeit, indem sie erst nach dem Verschwinden des Fettes aus den beweglicheren Fettansammlungen, von denen früher die Rede war, der Atrophie verfallen. Während der Atrophie eines solchen Gewebes gehen die vom Fett befreiten Fettzellen in den hydropischen Zustand über; indem sie auf diese Weise wenig an Umfang verlieren und einen flüssigen Inhalt durch den andern ersetzen, behalten sie die Fähigkeit den zweiten Theil ihrer phy- siologischen Bestimmung auch ferner zu erfüllen. Aber selbst nach völliger Befreiung vom Fett und nach der Verwandlung in kugelförmige Zellen bleibt das atrophirte Gewebe, wie wir gesehen haben, mit allen seinen Elementen auf seinem alten Platze, um eine günstigere Zeit zu seiner Regeneration abzuwarten. Bei dem Eintritte einer bessern Ernährung füllen sich die kugelförmigen Zellen, welche sich unter den günstigsten Umständen zur Fett-Pro- duction befinden, rasch und ohne jede Hülfe von aussen mit Fett. Andere von ihnen theilen sich zuerst und geben einen grossen Zu- wachs an kugelförmigen Zellen. Zeitweiliges Ungemach und Entbehrungen tödten nicht nur das Gewebe nicht, sondern tragen im Gegentheil zu einem viele Male stärkeren Vortreten der Energie und Lebenskraft in dem- selben bei. Diese Eigenschaft ist für das ganze Fettgewebe ohne Ausnahme charakteristisch; in Folge dessen wird die aus der pathologischen Physiologie bekannte Erscheinung verständlich, dass eine nicht lange andauernde, in bestimmten Zwischenräumen an- 160 P. Poljakofft: gewandte acute Inanition ein schnelles Anwachsen im Gewichte des zu diesem Experiment gebrauchten Thieres herbeiführt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass das Fettgewebe der zweiten Categorie zu den beständigeren Bildungen gehört, weniger leicht der Atrophie unterliegt und sich schnell wieder mit Fett füllt. Zu diesen mit mehr Dauerhaftigkeit begabten Bildungen gehört nun die sogenannte „Fettdrüse‘“ oder „Winterschlafsdrüse“, von welcher oben die Rede war. Desgleichen gehören hierher die Fettgeschwülste (Lipoma), welche ebenso stabile Bildungen sind und sich in ihrer Structur und Entwicklung durch nichts von dem gewöhnlichen Fettgewebe unterscheiden, das z. B. die Fettdrüse bildet, welehe ihrerseits nichts Anderes, als eine recidivirende Fett- seschwulst ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Fettge- schwülste, wie auch die andern stabilen Fettbildungen, ihre Keime noch in der Embryonalperiode des Organismus, was zum Theil dadurch bestätigt wird, dass Fettgeschwülste in manchen Fällen erblich sind, wobei sogar die Lage der Geschwulst unverändert bleibt. Solche Fälle sind u. A. in Virchow’s „Lebre von den Geschwülsten“ eitirt. Nunmehr scheint es mir am Platze, die Frage zu beantworten, ob das Fettgewebe ein besonderes drüsenartiges Organ bildet, als welches Toldt und andere Autoren es betrachten, oder ob es ein- fach lockeres faseriges Bindegewebe ist, in dessen Zellen sich Fett abgelagert hat, wie die Mehrzahl der Autoren es annimmt. Nach den obigen Erörterungen wird es klar, dass Toldt, indem er vorzugsweise Fettbildungen von .‚grösserer Stabilität unter- suchte, zu dem Schlusse kommen musste, dass das einmal formirte Fettgewebe seine charakteristischen Eigenschaften bewahrt, wenn auch alles Fett aus demselben verschwindet, und niemals in Binde- gewebe übergeht. Es ist vollkommen verständlich, dass Toldt nach vollführter Injection der Gefässe eines solchen atrophirten Gewebes das Skelett der frühern Fettläppchen mit vollständig con- servirtem Gefässnetz, welches für das Fettgewebe charakteri- stisch ist, deutlich sehen konnte. Auch der Umstand ist begreif- lich, dass dieser Forscher beim Embryo besondere Heerde der Fettbildung gefunden hat. Alles dieses konnte Toldt beobachten, indem er das Fettgewebe unter gewissen Bedingungen untersuchte; aber seine Behauptung, dass die Ausgangspunkte der Entwicklung der Fettbildungen aus Ansammlungen besonderer, von den Binde- Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 161 gewebszellen ganz verschiedener Zellen beständen, ist, wie wir be- reits zu bemerken Gelegenheit hatten, nicht annehmbar. Im Gegen- theil, wenn wir das Fettgewebe in allen seinen Formen und Existenz- phasen betrachten, so kommen wir unvermeidlich zu dem Schlusse, dass das Fettgewebe gleichfalls lockeres Bindegewebe ist, dessen Zellen sich unter gewissen Verhältnissen eine lange Zeit im Zu- stand produetiver Thätigkeit befanden und zu der Ansammlung von Fett in demselben beigetragen haben; die Fettzelle ist aber das Re- sultat der productiven Thätigkeit der gewöhnlichen Bindegewebszelle. Das Fett ist im thierischen Organismus in mehrern Formen enthalten; so haben wir das Fett, welches im Blute in Gestalt ver- schiedener verseifter Fette circulirt; gleichfalls im Blute findet sich auch emulgirtes neutrales Fett; im Blut und im Gewebe treffen wir Leukocyten und kugelförmige fettbildende Bindege- webszellen, welche Fett enthalten; die Letzteren produciren das- selbe aus den Eiweisstheilen des Blutes, die Ersteren fangen es im Darmkanal während der Verdauung auf; dann folgt das Fett der jungen Fettzellen und das des Fettgewebes von minder stabiler Natur; darauf kommt das Fett der stabileren Fettbildungen und schliesslich das Fett der Fettgeschwülste, falls solche vorliegen. In der oben genannten Reihenfolge wird das Fett für die Bedürfnisse des Organismus verbraucht; also wird vor Allem das in Form verseifter Fette enthaltene Fett consumirt, dann das neu- trale Fett in Gestalt einer Emulsion u. s. w., bis zu dem Fette der Fettgeschwülste, welche schon als Bildungen von solcher Sta- bilität auftreten, dass sie nichts oder fast nichts für die Bedürf- nisse des Organismus abgeben, indem sie auf solche Weise die Rolle von Parasiten spielen. Betrachten wir die Fettbildungen des Organismus hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Oxydation, zum Uebergang in andere Bildun- gen, so können wir sie in zwei Abtheilungen gruppiren; zu der Ersten kann man alle stabilen Bildungen rechnen, welche ihr Fett mit grosser Standhaftigkeit bewahren, indem dasselbe zur Er- füllung gewisser Functionen dient, — dieses ist das „organische Fett‘; zu der Zweiten gehören alle übrigen Bildungen, deren Fett sich dureh grössere Beweglichkeit und leichtern Uebergang für die Bedürfnisse des Organismus auszeichnet, — das „circulirende Fett‘, wenn wir die Analogie mit den Eiweissstoffen beibehalten, Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. Jul 162 P. Poljakoff: welche in „Organ-Eiweiss“ und „eireulirendes Eiweiss“ getheilt werden (Voit). Indem wir das Obengesagte resumiren, kommen wir zu fol- genden Betrachtungen. Die zelligen Elemente des lockern Binde- gewebes von abgeschlossener Entwicklung bestehen aus den un- beweglichen plattenförmigen Ranvier’schen Zellen, Fettzellen und mehrern Arten von kugelförmigen Zellen, den Plasmazellen und sranulirten Zellen. Alle diese Zellen, die beweglichen wie die un- beweglichen, sind das Product der Metamorphose einer und der- selben Zelle. Das Prototyp derselben ist die der Embryonalzelle ähnliche Zelle, von grösserem Umfange als ein Leukocyt und von kugelförmiger Gestalt, mit hellglänzendem Protoplasma, welches den grossen kugelförmigen Kern mit einem oder mehreren Nu- cleolen in Form einer unbedeutenden Schicht umgibt; durch Pikro- karmin wird nur der Kern gefärbt. Je nach dem Alter, der phy- siologischen Function und dem Stande der Ernährung verändert sich sowohl die Grösse dieser Zelle als auch das Aussehen der- selben und ihr Verhalten zum Pikrokarmin. Bei reichlicher Nah- rung vergrössert sich die Zelle auf Kosten ihres Protoplasma bis zu 2—4 Diametern eines Leukocyten im Durchmesser; das Proto- plasma ist durchsichtig und ohne Granulirung; durch Pikrokarmin wird der Kern rosa gefärbt, während das Protoplasma nur eine zarte rosa Schattirung annimmt. In der nächsten Periode der Entwicklung fängt der Kern bei gleicher Ernährung sich entweder zu theilen an oder die Zelle be- ginnt Fett zu produciren. In der folgenden Periode theilt sich die Zelle nach dem Typus der indirecten Theilung und nach Beendigung derselben entstehen aus einer Mutter-Zelle 2—4 sogar bis 7 junge Zellen, welche sich in keiner Beziehung von ihrem Prototyp — der Embryonalzelle unterscheiden. Im zweiten Falle, wenn die kugelförmige Zelle in Folge der ihr eigenen Fähigkeit aus den Nahrungssäften Fett aus- zuarbeiten, zu functioniren beginnt, treten folgende Veränderungen ein: Die gemästete Zelle, welche noch keinen optischen Unter- schied bietet, hat schon einen chemischen. Bei gleicher Grösse und optischemCharakter des Protoplasma (durchsichtig, ohne Granu- lirung) verändert sich das Verhalten zum Pikrokarmin; der Kern bleibt wie früher rosa, das Protoplasma hingegen gewinnt eine blassgelbe Färbung. Die weiteren Veränderungen bestehen darin, u a hun En Ali un u 2 2 Du Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 163 dass in den Zellen eine Granulirung auftritt, welche durch das Erscheinen von matt- und hellglänzenden Körnchen im Protoplasma bewirkt wird, indem bald die Einen, bald die Andern überwiegen. Die hellglänzenden gehören ohne Zweifel den Fettmolekeln, die matten aller Wahrscheinlichkeit nach den chemischen Substanzen, welche den Uebergang vom Eiweiss zum Fett bilden. Das Pikro- karmin hat die gleiche Wirkung wie früher, indem es den Kern rosa, das Protoplasma und die matten Körnchen gelb färbt. Im nächsten Stadium beobachten wir nur ein Anwachsen der hell- glänzenden fettigen Granulirung bei allmählichem Verschwinden der matten; das Verhalten zum Pikrokarmin verändert sich etwas; bei der frühern gelben Färbung des Protoplasma nimmt der Kern ebenfalls an Stelle der frühern rosa Farbe eine gelbe an, indem er dabei deutlich sichtbar bleibt. In allen genannten Stadien ist die Zelle zur Vermehrung fähig, wenn sie nur nicht stark mit Fett belastet ist. Die Gestalt ist nicht nur eine kugelförmige, son- dern wir beobachten auch alle möglichen von der ellipsoidischen Form bis zu der kugelförmigen. Die Gestalt der Zelle ist mit Ausnahme der allerersten eine sehr mannigfaltige, was theils von dem Umstande herrührt, dass diese Zelle die Fähigkeit zu amoe- boiden Bewegungen besitzt, theils davon abhängig ist, unter welche Bedingungen die Zelle geräth. Wenn von Seiten der umliegenden Gewebe ein mehr oder minder lange andauernder Druck auf die Zelle ausgeübt wird, nimmt die Letztere eine immer mehr abge- flachte Form an; ihr Kern verändert sich ebenfalls, indem er irgend eine der Uebergangsformen von dem Ellipsoid zur Kugel annimmt. Also kann man in dem lockern Bindegewebe Zellen von allen Gestalten beobachten, angefangen von der kugelförmigen bis zu der scheibenförmigen und der plattenförmigen Ran vier’schen Zelle; sie stammen alle von einer und derselben Zelle ab, worin ihre gemeinschaftliche Fähigkeit zur Fett-Production ihre Erklärung findet. Andrerseits machen wir unter gewissen Bedingungen die Wahrnehmung, dass sich sogar Ranvier’s plattenförmige Zellen in kugelförmige verwandeln, sich theilen, wobei aus ihnen junge kugelförmige Zellen entstehen, welche sich in der ersten Zeit nur durch ihren ellipsoidischen Kern unterscheiden. Sobald die fett- bildende kugelförmige Zelle ein solches Fettquantum ausgearbeitet hat, dass ihr die Bewegung beschwerlich wird, verwandelt sie sich in eine unbewegliche Zelle, wobei ihre Form mehr abge- 164 P. Poljakoff: flacht wird — sie strebt gleichsam danach, sich dauernder auf den nächstliegenden Bündeln des Bindegewebes zu befestigen; der Kern gewinnt hierbei eine ellipsoidische Form. Eine solche sess- haft gewordene Zelle verwandelt sich durch Ansammlung von Fett in eine Fettzelle. Solange das Protoplasma der Zelle wenig durch Fett ausgedehnt ist und eine genügende Menge von Nahrungs- säften zugeführt wird, kann dieselbe selbst Fett ablagern; wenn . dagegen diese Bedingungen nicht erfüllt sind, geschieht die Fett- ansammlung durch Vermittlung anderer kugelförmiger beweglicher Zellen, welche Fett produeiren und dasselbe in Form von Molekeln der Fettzelle übergeben, welche von dieser Zeit an eine Art von Vorrathsmagazin bildet. | Bei der Atrophie des Fettes beobachten wir den entgegenge- setzten Vorgang: dieselben beweglichen kugelförmigen Zellen be- mächtigen sich des in den Fettzellen enthaltenen Fettes und über- bringen es den Gefässen; das gleiche thuen auch die Leukoeyten. Das ungehinderte Eindringen der kugelförmigen Zellen wie der Leukocyten in die Blutgefässe zum Zwecke der Entledigung vom Fette und der Aufnahme von Nahrungsmaterial ist nach der ge- schilderten embryonalen Structur der Blutgefässe im Fettgewebe vollkommen begreiflich und zulässig. Die Blutgefässwände bestehen aus denselben reihenweise liegenden kugelförmigen Zellen, zwi- schen welchen ein Lumen von unregelmässiger Form entsteht; in diesem Letztern eireulirt auch das Blut mit allen seinen Bestand- theilen. In leerem Zustande besitzen die Capillaren gar kein Lumen, indem sie aus ebendenselben in eine Reihe gelegten Zellen bestehende Züge bilden, wobei eine Uebergabe der nährenden Sub- stanzen des Blutes von Zelle zu Zelle geschieht. Bei ununter- brochenem Durchflusse des Blutes durch diese Zellenkette bildet sich ein Lumen, welches sich mit Aufhören des Blutumlaufs schliesst. Dabei geschieht ohne Zweifel die Durchtränkung der das Gefäss bildenden Zellen mit den flüssigen Bestandtheilen des Blutes, und es genügt einer andern Zelle von protoplasmatischem Körper mit einem solchen Gefäss oder Capillare in Berührung zu kommen, um Nahrungsmaterial in sich aufzunehmen. Es ist ebenfalls vollkom- men verständlich, dass ein Leukocyt ohne Schwierigkeit eine solche Wand durchdringen kann. Die beweglichen kugelförmigen Zellen, die mit allen den Eigenschaften reich begabt sind, welche dem Leukoeyten das Durchgehen durch eine Gefässwand selbst Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 165 von vollendeter Entwicklung ermöglichen, können selbstverständ- lich mit gleicher Leichtigkeit die Wände der Gefässe des Fettge- webes durchdringen, was auch wirklich beobachtet wird. In Folge einer solchen Einrichtung des Gefässnetzes im Fettgewebe wird das schnelle Verschwinden des Capillarnetzes verständlich, welches wir bei der Atrophie des Fettgewebes beobachten. Bei der Atrophie dieses Gewebes verwandelt sich die Fettzelle nach Verlust ihres Fettes in eine bewegliche kugelförmige Zelle, welche sich durch nichts von den oben beschriebenen unterscheidet. In andern Fällen bilden sich zugleich mit der Verminderung des Fettes in dem Protoplasma der Fettzelle mit einer serösen Flüssigkeit gefüllte Vacuolen, worauf die Verdünnung des Proto- plasma der Zelle eintritt und dasselbe im Ganzen ein einförmiges Aussehen gewinnt. Die Zelle ist zu dieser Zeit eine grosse plas- matische Zelle mit einem oder mehrern Kernen. In letzterem Falle findet eine Bildung freiwerdender Tochterzellen statt. Indem ich hiermit die Darlegung meiner Beobachtungen der Metamorphose der Fettzellen, welche ein unbestreitbares Zubehör des lockern Bindegewebes bildet, beschliesse, erlaube ich mir in Kurzem meine Ansicht über dieses Gewebe selbst auszusprechen, welche theils auf den angeführten Beobachtungen, theils auf noch nicht erwähnten gegründet ist. Das lockere Bindegewebe, welches im thierischen Organismus so verbreitet ist, bildet ein wenig differenzirtes Gewebe, welches unter allen andern dem Embryonalgewebe am nächsten steht. Wir bemerken, dass die zelligen Elemente desselben nach der herrschenden Ansicht aus mehrern Arten von Zellen bestehen: aus den unbeweglichen platten Ranvier’schen Zellen, Waldeyer’s Plasmazellen, Ehrlich’s Mastzellen, den Fettzellen und Leu- kocyten. Erinnern wir uns aller Abstufungen, welche die Fett- zelle bei ihrer Metamorphose durchgeht, so sehen wir, dass die genannten Zellen des lockern Bindegewebes zwar als besondere, vollkommen selbständige morphologische Elemente beschrieben werden, es aber nicht sind. Sie bilden nicht vollkommen selb- ständige Elemente mit besonderer Entwicklungsgeschichte und physiologischer Bestimmung, was sie nach der herrschenden An- sicht sein müssten, sondern erscheinen nur als Varietäten einer und derselben Zelle, welche Varietäten abhängig von den Bedin- gungen auftreten, unter denen sich diese Zelle befindet. Diese 166 P. Poljakoff: Zelle ist die bewegliche kugelförmige Bindegewebszelle, welche dureh ihre Eigenheiten an die Embryonalzelle erinnert. Die kugelförmigen Bindegewebszellen, welche in erwachsenem Zustande granulirt, am Ende ihrer vitalen Thätigkeit grobgekörnt erscheinen, repräsentiren diejenigen Zellen, deren allgemeineres Vorkommen Waldeyer festgestellt und sie unter dem Namen Plasmazellen beschrieben hat, wobei er zugleich auf die Fähigkeit derselben zur Fettproduction hinweist. Die Zellen dagegen, welche von Ehrlich unter dem Namen Mastzellen geschildert sind, sind nichts anderes als atrophische Fettzellen; dieselben sind grobgekörnt, zur Fettproduction bereits nicht mehr fähig und haben zuweilen das Aussehen von Zellen, die in der Theilung begriffen sind, was darauf hinweist, dass der Zellkern in seiner Function (Theilung) die Zellsubstanz überlebt; dieses eigenartige Verhalten des Kernes haben wir schon früher bei den platten Bindegewebszellen angegeben. Die zur Fettproduction unfähige atrophirte Fettzelle, deren Kern zwar in der Theilung begriffen, oder schon getheilt erscheint, trägt untrügliche Anzeichen des nahenden Todes an sich; die Thei- lung wird nicht ihr Ende erreichen, und falls sie sogar zu Ende geführt würde, so würde sie zu den vitalen Functionen unfähige Zellen hervorgehen lassen. In Wirklichkeit können wir beobachten, dass sowohl die Kerne als auch die Zellsubstanz dieser atrophirten Fettzellen alsbald dem moleculären Zerfalle unterworfen wird. Aus dem Gesagten wird die Fähigkeit der Ehrlich’schen Zellen, von Farbstoffen lebhaft gefärbt zu werden, verständlich. Die Lymphkörperchen (Leukocyten), welche beständig im lockern Bindegewebe getroffen werden, betrachtet man aus mir unerklärlichen Gründen bis jetzt als hauptsächlich dem Blute zu- gehörig, während sie in dem Ersteren nur als Gäste anerkannt werden — als „temporäre Elemente“ ; indessen ist dieses Gewebe ihre Geburtsstätte, hauptsächlich der Ort ihrer Vermehrung, auf gleiche Weise wie die adenoide Substanz und zu gleicher Zeit das Hauptgebiet ihrer Thätigkeit. Das lockere Bindegewebe besteht aus Faserbündeln und elasti- schen Fasern, welche nach allen möglichen Richtungen gehen und sich unter einander verflechten; in den Maschen derselben aber liegen platte unbewegliche Zellen, bewegliche kugelförmige und alle von denselben abstammenden Varietäten, wie auch Leukocyten. Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 167 Die Hauptelemente bilden folglich die beweglichen Embryonalzellen — wir haben sie kugelförmige Zellen benannt — und die Leuko- eyten. Die Ernährung dieses Gewebes geschieht nach der Art der Embryonalgewebe; eigene Blutgefässe besitzt das lockere Binde- gewebe nicht, mit Ausnahme der Ablagerungsplätze des Fettes; die Ernährung geschieht vorzugsweise auf Kosten der das ganze Gewebe durchtränkenden Lymphe, welche sich in zwar langsamer, aber beständiger Bewegung befindet. Die Gefässe des Fettgewebes hingegen, welche im ganzen lockern Bindegewebe verbreitet sind, befinden sich, wie wir gesehen haben, im Anfangsstadium der Entwicklung, entsprechend dem Charakter des ganzen Gewebes. Ein derartiger Zustand der feinsten Gefässe (grosse, dem lockern Bindegewebe speciell zugehörige Blutgefässe gibt es überhaupt nicht) dieses Gewebes macht uns begreiflich, warum verschiedene in das subeutane Zellgewebe eingespritzte Flüssigkeiten so schnell in den gemeinsamen Strom des Blutes übergehen. Um die Elemente des soeben betrachteten Gewebes zur Thätig- keit anzuregen, existiren, wie auch in den Embryonalgeweben, keine besondern Nerven. Obwohl die Existenz derselben nicht für jedes Gewebe nothwendig ist, so beweist doch ihre Abwesenheit, dass wir es mit einem wenig differenzirten Gewebe zu thun haben. Auf die Frage, woher denn in diesem Gewebe die Anregung zur Thätigkeit der Gewebselemente herkommt, kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit antworten, dass dieselbe von chemischen Er- regern ausgeht. Wir haben bereits gesehen, mit welcher merk- würdigen Genauigkeit alle Zellen des lockern Bindegewebes, so- wohl die verschiedenen von den kugelförmigen Zellen abstammen- den Formen, als auch die Leukocyten, auf die geringste Verände- rung in der chemischen Zusammensetzung der durchfliessenden Lymphe reagiren. Es genügt die unbedeutendste Veränderung (z. B. Erhöhung der Nahrhaftigkeit) in der chemischen Zusammen- setzung der Lymphe, damit die kugelförmigen Zellen zu wachsen und sich zu vermehren beginnen, indem sie einen reichlichen Zu- wachs an jungen Zellen geben, oder damit sie anfangen Vorräthe von Eiweisssubstanzen zu sammeln und dieselben zu Fett zu ver- arbeiten; wenn ein noch grösserer Zufluss an Nahrungsmaterial eintritt, so stellt sich sogar bei so entfernten Nachkommen der kugelförmigen Zelle, wie die Ranvier’schen platten Zellen es 168 P. Poljakoff: sind, ein Zustand der Erregung ein; sie theilen sich und gehen an die gemeinsame Arbeit. Also sehen wir, dass die Zellen des lockern Bindegewebes (die kugelförmigen Zellen und Leukocyten) noch wenig differen- zirte embryonale Elemente bilden; die weitere Differenzirung ge- schieht unter unsern Augen während des ganzen Lebens des Organismus. Die Ernährung geschieht nach dem Typus der Embryonal- zellen; jede Zelle findet die ihr nothwendige Nahrung immer in ihrer nächsten Umgebung; sie badet sich sozusagen in Nahrung; wenn auch Blutgefässe da sind, so befinden sie sich in dem An- fangs-Stadium der Entwicklung. Die Impulse zur Thätigkeit erhalten die Gewebselemente nicht durch Nervenleitung, sondern gleich den Embryonalelementen und den auf der niedrigsten Stufe der Entwicklung stehenden ein- zelligen Organismen, durch den chemischen, thermischen u. s. w. Zustand der Umgebung. Alles soeben Gesagte berechtigt uns, das lockere Bindege- webe als ein embryonales noch wenig differenzirtes Gewebe zu betrachten. Aus dem Gesagten wird ferner verständlich, warum dieses Ge- webe mitsolcher Leichtigkeit auf verschiedene von aussen einwirkende Einflüsse und Reizungen reagirt; es ist nun begreiflich, warum es die Matrix von einer solchen Menge von Neubildungen ist, wie es kein anderes Gewebe des Organismus aufweist; endlich ist es ver- ständlich, warum fast kein einziger, könnte man sagen, patholo- gischer Process geschieht, auf welchen das genannte Gewebe nicht in grösserem oder geringerem Maasse reagirte. Betrachten wir nun einen äusserst wichtigen pathologischen Process — den der Entzündung. Wo und aus welchem Grunde eine Entzündung auch entstehen mag, so nimmt doch das lockere Bindegewebe in Folge seiner all- gemeinen Verbreitung in den Geweben des Organismus an derselben thätigen Antheil; desswegen bemerken wir auch keine grosse Ver- schiedenheit in den Hauptzügen der Entzündungserscheinungen, in welchem Theile des Organismus sie sich auch entwickeln mögen. Eine ganze Menge von aetiologischen Momenten, welche eine Ent- zündung hervorrufen, als: Trauma, das Eindringen eines fremden Körpers, thermische und chemische Einwirkungen, Infectionen u. A., Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 169 lassen sich auf zwei allgemeine Categorien zurückführen. Zu der ersten Categorie gehört die Entzündung, welche durch einen der zahlreichen auf eine Veränderung in der Ernährung der Gewebs- elemente (eine Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Lymphe) einer bestimmten Stelle einwirkenden Gründe herbeige- führt wird; die zweite umfasst die Entzündungen in Folge des Ein- dringens fremder Körper in den Organismus. Die von der Ein- wirkung eines Faktors, welcher z. B. zu der ersten Categorie ge- hört, herrührende Entzündung eines Theiles des Körpers, sagen wir der Haut, wird durch folgende von vielen Autoren überein- stimmend geschilderte Erscheinungen charakterisirt, wobei jedoch für die Natur dieser Erscheinungen verschiedene Erklärungen ge- geben werden. Anfangs tritt eine Erweiterung der Blutgefässe — der Arte- rien, Venen und Capillaren — und ein beschleunigter Blutumlauf in denselben ein. In Folge nutritiver oder anderer Veränderungen der zelligen Elemente, welche die Wände der Capillaren und feinsten Gefässe bilden, fangen diese an, die flüssigen Bestandtheile des Blutes in weit ausgedehnterem Maasse als gewöhnlich durchzu- lassen; dieser Umstand führt die Verdieckung des durchfliessenden Blutes herbei, was seinerseits eine Verringerung der Schnelligkeit des Blutumlaufes bewirkt. Zugleich mit den flüssigen Bestand- theilen des Blutes geht die Extravasation der farblosen Blutkör- perchen vor sich. Ausser dem von aussen einwirkenden und auf solche Weise eine Entzündung hervorrufenden Faktor versetzt noch der reich- liche Zufluss an Nahrungsmaterial die Bindegewebszellen in einen Zustand der Erregung, indem er dieselben zu sich anzieht; hier unterliegen sie zusammen mit den Bindegewebszellen, welehe sich an dem Heerde der Entzündung befinden, der Theilung, indem sie eine zahlreiche Nachkommenschaft in Gestalt von kugelförmigen Zellen hervorbringen. Diese kugelförmigen Zellen ernähren sich unter dem Einflusse einer reichlichen Ernährung und füllen die Zwischenräume im Gewebe aus, welche durch das Exsudat er- weitert sind. Bei längerer Dauer dieses Processes erscheinen die kugel- förmigen Zellen in verschiedenen Stadien der Entwieklung. Wir treffen eine Menge typischer junger kugelförmiger Zellen, welche an Grösse die farblosen Blutkörperchen um etwas übertreffen; viele 170 P. Poljakoff: von diesen befinden sich in vorgeschrittenen Entwicklungsstadien die einen haben sich auf Kosten des Protoplasma vergrössert, in- dem sie kugelförmige Plasmazellen ohne jede Granulirung und mit grossem kugelförmigen Kern bildeten, die Andern sind gleichmässig sranulirt; ein dritter Theil zeigt einstweilen eine noch den Cha- rakter des Eiweisses tragende Granulirung, während ein vierter schon Fetttröpfehen enthält; mit einem Worte, es treten auch hier wieder dieselben kugelförmigen Zellen auf, welche wir schon früher kennen gelernt haben. Eine Menge von Zellen steht in der Thei- lungsperiode: diese enthalten zwei Kerne, jene 3—5—7 und mehr, in den Einen bietet das Zellprotoplasma noch gar keine Anzeichen der Theilung, in den Andern hat sich dasselbe deutlich um jeden » Kern herum abgesondert, wobei jedoch immer noch eine gemein- same Protoplasmaschicht fortbesteht, welche die Fettzellen umhüllt; solche Zellen können, wie wir gesehen haben, einen sehr bedeu- tenden Umfang erreichen. Indem sich nun die Zellen stark ver- mehrt haben und alle Zwischenräume im Gewebe anfüllen, er- schweren sie dadurch selbst den Zufluss des ihnen bestimmten Nahrungsmaterials; diejenigen von ihnen, welche sich unter un- günstigen Bedingungen befinden, erleiden hierbei eine regressive Metamorphose und erscheinen als das, was man Eiterkörperchen und, mit flüssigen Theilen gemischt, Eiter nennt. Andere näher zu den Capillargefässen, welche nun von Zellen mit geschwollenem Protoplasma und Kern umschlossene Canäle bilden, liegende Zellen fangen an, sich in regelmässige Reihen zu legen; so bilden sie Schnürchen, welche mit dem einen Ende von der Capillare ausgehen und mit dem Andern in das Innere der Ansammlungen von Zellelementen eindringen, worauf sie wieder zur Capillare zurückkehren; auf solche Weise entwickeln sich nach der Art der Entstehung von Capillaren im Fettgewebe die Capillaren inmitten der Zellenmassen, indem diese das Nahrungs- material zuerst in Form von langsam durchsickernder Lymphe und dann in Gestalt von Blut mit allen seinen Bestandtheilen zu- führen. Von dieser Zeit an beginnen die Zellen Nahrung zu er- halten, indem sie dicht um das neugebildete Capillarnetz herum- liegen und zusammen genommen das bilden, was unter dem Namen von Granulationen — Granulationsfläche — bekannt ist. Auf solche Weise isolirt die Letztere die gesunden Theile der Gewebe von den in Folge der Entzündung abgestorbenen Theilen (falls solche Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 171 vorhanden sind; ebenso theilt sie die Ersteren auch von denjenigen Zellen ab, welche in Folge des Mangels an Nahrungsmaterial abge- storben sind und Eiter gebildet haben. Die neugebildete Granulations- fläche blutet stark bei Berührung derselben, da ihre Capillaren, wie wir gesehen haben, sich noch im embryonalen Zustande befinden. Aus demselben Grunde werden die Flüssigkeiten, welche mit der Granu- lationsfläche in Berührung kommen, leicht aufgesogen, selbstver- ständlich unter der Voraussetzung, dass sie nicht das Gerinnen der Eiweisstheile des Zellprotoplasma herbeiführen; für das Ein- dringen von festen Theilchen (verschiedene Arten von Mikroorga- nismen) in’s Blut und das Gewebe bildet aber eine solche unver- letzte Oberfläche ein bedeutendes Hinderniss. Die ferneren Veränderungen bestehen darin, dass das Granula- tionsgewebe sich in Narbengewebe — eine stabile Bildung des Binde- gewebes — verwandelt. Die früher kugelförmigen Zellen nehmen eine mehr und mehr längliche, unregelmässige Gestalt an; der Zellkern wird aus einem kugelförmigen ellipsoidisch; darauf werden die Zellen spindelförmig, verzweigt, indem sie mehr oder minder regelmässige Reihen bilden; zwischen denselben wird eine faserige Substanz be- merkbar, in Folge der collagenen Metamorphose der Zellen; diese Sub- stanz bildet Faserbündel, zwischen welchen sich die Zellkerne mit den Ueberbleibseln des Protoplasma festsetzen. Der grösste Theil der Gefässe verödet zu dieser Zeit in Folge des Zusammenziehens des Zellprotoplasma und schliesslich bekommen wir ein beständiges faseriges Bindegewebe, welches unter dem Namen Narbengewebe bekannt ist. Bei der Beschreibung der Entzündungserscheinungen, welche wir mit der Vorführung der sogenannten productiven Entzündung gegeben haben, war der Umstand erwähnt, dass nach dem Trans- sudiren der flüssigen Bestandtheile des Blutes das Auswandern von Blutkörperchen, vorzugsweise der farblosen, beginnt; weiter sind diese noch mit keinem Wort berührt worden, als ob sie gar keinen Antheil an den folgenden Phasen des Entzündungsprozesses nehmen. Dieses ist natürlich nicht aus dem Grunde geschehen, weil wir die Leukocyten von jedem Antheil an den Entzündungs- erscheinungen ausschliessen. Keineswegs! Die farblosen Blutkör- perchen nehmen an diesem Processe Antheil und zwar einen ziem- lich regen; nur ist die überwiegende Bedeutung, welche man ihnen 172 P. Poljakoff: bis jetzt bei diesen Vorgängen beigelegt hat, allzu übertrieben und in manchen speciellen Fällen geradezu ein Absurdum. Ueberblicken wir die ganze Lehre vom Blute und den Blut- körperchen, die normale Histologie und Physiologie der Letzteren, so bemerken wir, dass wir, ungeachtet des gründlichsten Studiums ihres Lebens und ihrer Eigenschaften nirgends auch nur einen leichten Hinweis auf die Eigenheiten finden, welche ihnen die Pathologen bei Entzündungserscheinungen zuschreiben. Der Leu- kocyt entsteht, lebt und stirbt, wie bekannt, fast ohne sich in seiner Grösse zu verändern; im pathologischen Processe je- doch hat man ihm die Fähigkeit zugeschrieben bis zu einer bedeutenden Grösse anzuwachsen, da man in dem Produete der Entzündung kugelförmige Zellen von viel grösserem Umfang, als die Leukocyten gesehen hat, welche dabei die Fähigkeit zu amö- boiden Bewegungen besassen. Indem die Beobachter kugelförmige Zellen mit zwei, drei und mehr Kernen sahen und sich auf die Fähigkeit der farblosen Blutkörperchen zum Ergreifen fremdartiger Theilchen (Phagocytose) stützten, machten sie die Folgerung, dass ein Leukocyt den andern verzehrt, in Folge dessen Zellen mit zwei Kernen erscheinen; wenn diese Zelle noch ein farbloses Blut- körperchen ergreift, so entsteht eine Zelle mit drei Kernen u. s. w., sodass wir auf diese Weise bis zu der Grösse von Riesenzellen mit vielen Kernen gelangen. Andere Autoren hingegen nehmen an, dass die Entstehung von Zellen mit 2—3—4 Kernen die Folge eines einfachen Zusammenklebens einer entsprechenden Zahl von Leukocyten sei. Für Jeden ist es klar und verständlich, wie künstlich und gezwungen die Erklärungen des bei Entzündungen beob- achteten anatomischen Bildes sind. Am meisten leidet an dem ge- nannten Fehler die Erklärung, in der behauptet wird, dass die Allen bekannten farblosen Blutkörperchen feste Gewebe zu bilden fähig seien. Die farblosen Blutkörperchen sind, wie behauptet wird, pro- gressiven Veränderungen unterworfen. Diese Zellen sollen an Umfang zunehmen, ihr Protoplasma soll stärker granulirt werden, die Kerne auswachsen, sie sollen das Aussehen von Bläschen mit körnigem Inhalte annehmen und sich nicht selten durch Theilung vermehren, sodass in der Zelle 2—3 Kerne erscheinen. Anfänglich seien diese Zellen rund; bald jedoch veränderten sie mannigfach ihre Gestalt, indem sie sich in sternförmige und spindelförmige Elemente mit eine grössern oder kleinern Zahl von Fortsätzen verwandelten. Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewehe. 173 Derartige Elemente sollen nicht verschwinden, sondern die Quelle der Organisirung eines neuen Gewebes werden und heissen dessweeen Bildungszellen, Fibroplasten (nach Ziegler) oder auch epithelioide Zellen. Diese Zellen tragen zu der Bildung von Ge- fässen bei, indem sie unter einander und durch Fortsätze, welche von den Wänden der bereits existirenden Capillaren ausgehen, anastomosiren. Die sich zwischen den neugebildeten Blutgefässen entwickelnden Riesenzellen nennt Ziegler hypertrophirte Fibro- plasten. Darauf folge der allmähliche oben beschriebene Ueber- sang des Granulationsgewebes in das Narbengewebe. Also sollen die farblosen Blutkörperchen durch eine Reihe aufeinanderfolgender Veränderungen Capillaren und junges Gewebe bilden und später auch in festes, compactes Bindegewebe, in anderen Fällen in Knopel- und selbstin Knochengewebe übergehe, was freilich für denjenigen, der mit dem normalen Baue der Gewebe vertraut ist, eine unerklär- liche Erscheinung ist. Das beweiskräftigste Faktum, welches die Umwandlung eines farblosen Blutkörperchens bis zu der Riesenzelle (diese mit einbe- sriffen) ad oculos demonstrirten soll, manchmal sogar noch die An- fangsperioden der Organisirung von Geweben und der Entwicklung von Gefässen umfasst, bildet Ziegler’s Experiment, welches später auf alle Arten variirt worden ist. Alle Autoren führen dasselbe als letzten und unumstösslichsten Beweis für die gewebebildende Fähigkeit der farblosen Blutkörperchen an. Dieses Experiment be- steht in Folgendem. Ziegler nahm zwei zusammengefügte Deck- gläschen, klebte sie an den Ecken zusammen und führte sie unter die Haut oder in eine seröse Höhle eines Thieres ein. Er erhielt eine reactive Entzündung um dieselben herum; herbeigeeilte farb- lose Blutkörperchen waren nach Ziegler’s und anderer Autoren Ansicht in den Zwischenraum zwischen den Gläsern hineingekro- chen, und mit der Zeit konnte man bei Beobachtung der heraus genommenen Gläser unter dem Mikroskop alle Veränderungen wahrnehmen, welche die zwischen denselben befindlichen Zellen erlitten. Diese Veränderungen stimmten mit den soeben beschrie- benen überein. Indem er nicht daran zweifelte, dass die zwischen die Gläser hineingekrochenen Zellen gerade farblose Blutkörper- chen — Leukocyten — waren, welche allein unter allen damals bekannten Bindegewebszellen zu amöboiden Bewegungen, zum willkürlichen Ortswechsel fähig sind, kamen Ziegler und Andere 174 P. Poljakoff: zu dem Schlusse, dass alle zwischen den Gläsern beobachteten Zellen verschiedene Arten der metamorphosirten Leukocyten seien. Diese unrichtige Erklärung führte zu einer unrichtigen Folgerung. Nachdem wir nun aus dem Vorhergehenden ersehen haben, dass im Bindegewebe ausser den Leukocyten noch ein anderes bewegliches, zu amöboiden Bewegungen und zum willkürlichen Ortswechsel fähiges Element existirt — nämlich die kugelförmige Bindege- webszelle, der alleinige Ahnherr aller Varietäten der Zellen dieses Gewebes (mit Ausnahme der Leukocyten) — werden wir, wie ich denke, die in Ziegler’s Experiment zwischen den Gläsern beob- achteten Erscheinungen nicht mehr der Metamorphose von Leuko- eyten zuschreiben. Untersuchungs-Methoden. Ich schicke die Bemerkung voraus, dass alle meine Bemühungen darauf gerichtet waren, die der Beobachtung unterliegenden Gewebe in möglichst unverändertem Zustande zu bewahren. Jedoch schon die ersten in diesem Sinne angestellten Versuche haben gezeigt, dass die Erfüllung dieser Be- dingung unmöglich sei, da es schwer ist, ohne gründliche Bekanntschaft mit dem Objecte der Untersuchung, in diesem Falle der kugelförmigen Zelle im lockern Bindegewebe, dasselbe im ungefärbten Gewebe zu finden; das um so mehr, da das allererste Mal, wo ich diese kugelförmigen Zellen, Dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Zawarykin, gesehen habe, dieselben ge- färbt waren. Nolens volens war ich gezwungen, mich zu andern Methoden zu wenden, um die Zellen näher zu betrachten. — Die einzige und werthvollste Methode unter allen, welche für die Untersuchung des subcutanen Zellgewebes existiren, ist unstreitig Ranvier’s Methode: die Erzeugung eines künst- lichen Oedems mittelst einer subceutanen Einspritzung irgend einer Flüssigkeit. Zur Fixirung der Elemente wählte ich Osmiumsäure. Doch war noch eine Färbung der Elemente zum Zwecke ihrer deutlicheren Unterscheidung nothwendig. Ich nahm dazu das Pikrokarmin, weil ich des Gehaltes an Pikrin- säure wegen ihm zugleich auch die Fähigkeit die Gewebselemente zu fixiren zutraute. Das käufliche Pikrokarmin genügte mir jedoch nicht. Zwei im Laboratorium vom Morgen bis zur Nacht beim Titriren, Kochen, Filtriren, Abdampfen und Fällen einerseits und am Mikroskop andererseits zugebrachte Wochen führten mich zu meiner grössten Freude zum Erfolge. Das nun er- haltene Pikrokarmin genügte den strengsten Anforderungen. Das platte der Innenseite der Wange entnommene Epithelium nahm im Verlauf von 3—5 Minuten eine prachtvolle doppelte Färbung an; die Kerne gewannen eine 43 Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 175 zarte rosa Färbung, während die Zellsubstanz der Epithelialzelle eine stroh- gelbe Farbe annahm. Die Präparate wurden zu der vorliegenden Untersuchung auf mehrere Arten zubereitet: 1) Nachdem ich eine physiologische (0,7%/,) Kochsalzlösung nach Ran- vier’s Verfahren in das subeutane Gewebe des Versuchsthieres eingespritzt hatte, legte ich von der erhaltenen Geschwulst abgeschnittene Stückchen Ge- webes in einen Tropfen Pikrokarmin auf die bereitgehaltenen Objectgläser, bedeckte sie mit Deckgläschen und legte die Einen zur Verhütung des Austrocknens vor der Untersuchung in die feuchte Kammer, während ich die Andern mit Paraffın verklebte. 2) Nachdem ich eine ganze Reihe von Objectgläsern mit Tropfen von mit Ameisensäure angesäuertem Glycerin vorbereitet hatte, machte ich eine interstitielle Einspritzung mit einer Lösung von Pikrokarmin (1°/,); die aus der so erhaltenen Geschwulst mit der Cooper’schen Scheere verfertigten Schnitte legte ich in Glycerin, andere in Tropfen von Pikrokarmin selbst. 3) Das gleiche Verfahren wurde nach der Einspritzung einer Lösung von Osmiumsäure (0,1%/,—0,30/,) angewandt, oder die nach der letzteren Me- thode bearbeiteten Schnitte wurden nach der Färbung in Glycerin untersucht. 4) Die Präparate wurden nach Einspritzung einer Lösung von Osmium- säure ohne jede andere Bearbeitung verfertigt. Die nach meinem Dafürhalten gelungensten Präparate erhielt ich immer bei Anwendung des erstens Verfahrens. Es stellte sich heraus, dass das Pikrokarmin faktisch die Eigenschaft besitzt, die Elemente der Gewebe zu fixiren, und in dieser Hinsicht gebe ich ihm sogar vor einem so verdienstvollen Reactiv, wie Osmiumsäure, den Vor- zug. Besonders bemerkbar ist dieser Vorzug in der ersten Form der An- wendung des Pikrokarmin, wo dasselbe nicht auf ein Mal, sondern allmählich, nach dem Maasse seiner Diffusion in das Gewebe auf die Elemente desselben einwirkt. Zur Untersuchung des Netzes und des Gekröses wurden diese Theile aus einem noch lebenden, chloroformirten Thiere herausgeschnitten. Ueber- haupt entnahm ich immer die Objecte der Untersuchung lebenden Thieren und nur beim Menschen benutzte ich Gewebe aus amputirten Extremitäten (den gesünderen Theilen derselben) und aus ausgeschnittenen Fettgeschwülsten, indem ich dieselben nicht später als 1—2 Stunden nach der Operation unter- suchte. Das Netz und das Gekröse, zur Verhütung des Austrocknens mit physiologischer Lösung (0,70/, ClNa) benetzt und noch nicht von dem Orte ihrer Befestigung abgetrennt, wurden ähnlich einem Trommelfelle auf einer Röhre aufgespannt und nach der Abtrennung sofort in eine Lösung von Pikrokarmin getaucht, in andern Fällen in eine Lösung von Osmiumsäure und dann erst in die Pikrokarmin-Lösung. Ich versuchte auch unmittelbar nachdem ich die Bauchhöhle geöffnet und das Omentum sowie das Mesenterium herausgeschnitten hatte, dieselben in eine Lösung von Osmiumsäure und dar- 176 P. Poljakoff: auf in eine Pikrokarminlösung zu tauchen. Doch das letztere Verfahren ist dadurch unbequem, dass es ungeachtet aller Bemühungen unmöglich wird, später unter dem Deckgläschen ein gut ausgespanntes Gewebe zu erhalten. Zu meinem Bedauern etwas spät, als die vorliegende Untersuchung bereits beendet war, kam Herr Prof. Zawarykin auf den Gedanken, die Ein- spritzung von fixirenden und färbenden Flüssigkeiten (der Lösung von Os- miumsäure und Pikrokarmin) unmittelbar in die Bauchhöhle eines lebenden Thieres auszuführen. Dieses Verfahren besitzt unbestreitbare Vorzüge vor allen andern bei der Untersuchung des Omentum, Mesenterium und anderer zarter in den Höhlen des Organismus eingeschlossener Bildungen. Ich ent- halte mich einer Aufzählung aller der Verfahren, welche von andern Be- obachtern bei Untersuchungen ähnlicher Art angewandt worden sind. Nach- dem ich viele derselben durchprobirt hatte, nahm ich von denselben Abstand, wie ich auch alle andern Färbungsmethoden von dieser Untersuchung aus- geschlossen habe. Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten über Ranvier’s Verfahren zur Erhaltung einer deutlichen Vorstellung von der Fettzelle, welches er in seinem „Technischen Lehrbruch der Histologie“ sehr rühmt, Erwähnung zu thun; dasselbe wird folgendermaassen geschildert: ‚Von einem soeben ge- tödteten Thiere, z. B. einem Hunde, nimmt man ein Stückchen Haut zusammen mit dem fetthaltigen lockern Bindegewebe, und solange die Haut noch warm ist, führen wir eine interstitielle Injection einer Lösung von Arg. nitr. (1: 1000) aus. Von dem auf diese Weise erhaltenen Oedemgewebe wird mit der Cooper’schen Scheere eine dünne Schicht abgeschnitten, auf das Objectglas gelegt und mit dem Deckgläschen bedeckt, und dann haben die Fettzellen unter dem Mikroskop ein Aussehen, welches man bei der gewöhnlichen Art der Herstellung von Präparaten gar nicht vermuthet. Die Zelle hat die Gestalt eines grossen, von einer Membran mit doppelten Conturen um- gebenen Bläschens. Das Fett, welches an seinem Glanze erkennbar ist, nimmt nur einen Theil ihres Hohlraumes ein; alles Uebrige ist mit granulirtem Protoplasma und einer durchsichtigen Flüssigkeit angefüllt; ausserdem ist der blasenartige Kern mit einem oder zwei Kernkörperchen zu sehen. „Et- was weiter stellt Ranvier die Frage: „Warum ist bei andern Methoden der Zubereitung von Präparaten diese flüssige Schicht nicht sichtbar und wo bleibt sie in solchen Fällen? Warum liegt fast in allen übrigen Fällen die Mem- bran unmittelbar an den Fetttropfen an und verdeckt auf diese Weise das Protoplasma wie den Kern? Wir besitzen bis jetzt noch keine durch das Experiment gelieferten Facta zur Lösung dieser Frage und bedürfen fernerer Untersuchungen“. Die Untersuchungen, welche ich zur Lösung dieser für Jeden das Fettgewebe Beobachtenden nicht unwichtigen Frage unternommen habe, gaben mir die Möglichkeit, dieselbe zu beantworten. Sie berechtigen mich zu der Behauptung, dass die soeben von Ranvier beschriebene Art von Fettzellen eine durch die Wirkung der Silberlösung veränderte Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 177 Form der Fettzelle ist. Nach der Einspritzung der genannten Lösung bildet das salpetersaure Silber, indem es mit der protoplasmatischen Hülle der Fettzelle in Bezührung gelangt, Silberalbuminat. Diese zarte Eiweiss- membran, welche durch den Fetttropfen auseinandergezogen ist, ändert die Eigenschaften, welche sie in lebendem, normalem Zustande besass; in Folge dessen beginnt das Fett in Form von äusserst feinen Tröpfchen die Fettzelle zu verlassen, bis der Druck des in der Zelle befindlichen Fettes und der umgebenden Flüssigkeit ins Gleichgewicht kommen. Hierauf gewinnt die Fettzelle wirklich das Aussehen, welches bei Ranvier angeführt ist. Doch ist die Haut dieser bläschenförmigen Zelle nicht eine Membran der Fettzelle in Ranvier’s Sinne, sondern eine protoplasmatische Hülle, welche den früher viel grössern Fetttropfen umgab; es ist dieses das Zellprotoplasma selbst, welches den Zellkern enthält. Jetzt dagegen, nachdem ein Theil des Fettes aus der Zelle ausgetreten ist, ist die Hülle zusammengefallen (hat sich aber nicht contrahirt, da sie todt ist) und erscheint an ihrer Biegung, wo sie eine zum Öbjectglase senkrechte Lage einnimmt, in ihrem optischen Durchschnitte und folglich mit doppelten Conturen. Ich wiederhole, dieses ist keine Zell- membran, wie Ranvier denkt, in deren Innern Protoplasma liegt und in diesem erst das Fett; sondern es ist das Protoplasma der Zelle selbst, welche von der Fettmasse bis zum Aeussersten ausgedehnt ist, und im Innern der- selben liegt. Nichts ausser Fett. Wenn in den Fettzellen des frischen ge- sunden Gewebes zwischen dem Fette und dem Protoplasma noch eine Schicht einer durchsichtigen Flüssigkeit enthalten wäre, so würde man dieselben in dem Falle sehen können, wenn die Fettzellen in einer Lösung von Pikro- karmin untersucht werden. In diesem Falle wird das den Fetttropfen mehr oder minder gleichmässig umgebende Protoplasma gelb gefärbt, der in dem- selben enthaltene Kern rosa; und wenn noch eine Schicht durchsichtiger Flüssigkeit existirte, so würde auch diese eine rosa Färbung gewinnen, wie das ganze Gesichtsfeld des Präparates gefärbt ist, und wäre auf diese Weise deutlich sichtbar; oder sie würde eine ’gelbliche Färbung, welche sich jedoch von dem Gelb des anliegenden Protoplasma unterscheidet, angenommen haben. Da ich jedoch unter keinen Bedingungen diese Schicht einer durchsichtigen Flüssigkeit beobachten konnte, so scheint mir die Existenz derselben fraglich. Die ganze Unbequemlichkeit der von mir angewandten Methoden der Unter- suchung bestand darin, dass kein Präparat, wie werthvoll es für mich auch sein mochte, mehr als 2—5 Tage erhalten blieb, da alsbald Luft in dasselbe eindrang und schnell die wirklich prächtigen Bilder vernichtete. Es ist mir beim Schlusse dieser Arbeit eine angenehme Pflicht, Herrn Professor Zawarykin für die gütige Stellung des Thema’s sowie für die warme Theilnahme, deren ich mich bei meinen Studien in seinem Laboratorium stets erfreut habe, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. ND Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 11% 178 P. Poljakoff: Verzeichniss der mir bekannten Litteratur. Virchow: Cellularpathologie, 1861. Kölliker: Handbuch d. Gewebelehre, 1863. Kölliker: Mikroskopische Anatomie. Czajewicz: Mikroskop. Untersuch. über die Textur, Entwicklung, Rück- bildung und Lebensfähigkeit des Fettgewebes (Reichert und du Bois Arch.), 1866. Frey: Handbuch d. Histologie und Histochemie d. Menschen, 1867. Rindfleisch: Lehrbuch d. pathologischen Gewebelehre, 1867. Ranvier: Elements cellulaires du tissu conjonctif. Arch. de physio- logie, 1869. Rollett: Stricker, Handbuch d. Lehre von den Geweben. Toldt: Beiträge zur Histologie und Physiologie des Fettgewebes. Wiener Sitzungsber. Bd. 62, Abth. 2, Juli 1870. Flemming: Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Binde- gewebe und Bemerkungen über die Structur des Letzteren. Arch. f. mikrosk. Anatomie, 1870, Bd. 7. Flemming: Weitere Mittheilungen zur Physiologie der Fettzelle. Arch. f. mikrosk. Anatomie, 1871. Flemming: Ueber das subeutane Bindegewebe und sein Verhalten in Entzündungsheerden. Virchow’s Archiv, 1872. Klein: The anatomy of the Lymphatie system, 1573. Ranvier: Nouvelles recherches sur la structure et le developpement des tendons. Travaux du laboratoire d’histologie du College de France. Paris 1874. Waldeyer: Ueber Bindegewebszellen. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Ba. 11, 1874. L. Löwe: Zur Histologie des Bindegewebes. Wiener med. Jahrbücher, 1574, Heft 3. Ranvier: Traite technique d’histologie, 1875. Flemming: Beiträge zur Anatomie und Physiologie d. Bindegewebes. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. 12, 1876. Toldt: Lehrbuch der Gewebelehre, 1877 und 188%. L. Löwe: Zur Kenntniss des Bindegewebes. Arch. f. Anatomie und Physiologie 1878, Heft 2 u. 3. $ 2: Die Histologie und Histogenese des Fettgewebes. Flemming: Ueber die Entwicklung der Fettzellen und des Fettgewebes. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatomische Abtheilung, 1879. Kölliker: Zur Entwicklung des Fettgewebes.. Anatomischer An- zeiger, Nro. 8, 1886. Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. 179 Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—IM. Fig. I. 1. Die kugelförmige Zelle des lockern Bindegewebes mit matt rosa gefärbtem Kern und ungefärbtem Protoplasma; 2, 14, diese Zelle ver- grössert sich durch Anwachsen des Protoplasma, welches immer noch unge- färbt bleibt oder 4, 15 eine zarte rosa Schattirung gewinnt; 3, 5, 16, 17, das Protoplasma der gemästeten kugelförmigen Zelle nimmt eine gelbliche, der Kern dagegen eine rosa Färbung an. 6-—13, kugelförmige Zellen in ver- schiedenen Stadien des Theilungsprocesses. 18—23, die kugelförmige Zelle bei Ausübung ihrer fettbildenden Function — Fettbildungszelle.. 1, 2, 14, das Anwachsen des Protoplasma der kugelförmigen Zelle; 16, 17, die ge- mästete Zelle; 18, 19, im Protoplasma der Zelle tritt eine matte Granulirung (m G) ein, welche 19, 20—22 allmählich durch eine hellglänzende — die fettige — ersetzt wird (f G); 23—29, die Bildung matter Kugeln. 23, 24, 25, das Pro- toplasma der kugelförmigen Zelle stösst die von ihm ausgearbeite eiweissfettige Substanz in Form von matten Kugeln aus (m K). 26, dieses Ausstossen ge- schieht in ein und derselben Richtung, in Folge dessen die nachfolgenden Kugeln sämmtlich in die als Erste ausgestossene Kugel gelangen, welche, von der protoplasmatischen Membran der Zelle umhüllt (27), den Zusammen- hang mit der Letztern anfangs nicht verliert; 28, 29, später jedoch schnürt sie sich von der Zelle ab, welche sie erzeugt hat. (Aus dem subcutanen Zell- gewebe einer weissen Ratte.) Fig. OH. 1, 2, die plattenförmige Ranvier’sche Zelle des lockern Bindegewebes gewinnt (3, 4) unter gewissen Bedingungen eine mehr abge- rundete Form, indem sie die Protoplasmafortsätze einzieht; der Kern beginnt sich zu dieser Zeit zu theilen: zuerst nimmt derselbe eine scheibenförmige Gestalt an, darauf geht die Kernsubstanz (5—7) immer mehr vom Centrum zu den peripherischen Theilen des Kerns über; in Folge dessen entsteht ein ringförmiger Kern, da das Centrum desselben von Kernstoff ganz frei wird und man im Innern dieses Kernes nur Protoplasmasubstanz (P S) von der charakteristischen (gelben) Färbung sehen kann. 11—13, Kerne derselben Zellen bei anfänglicher Abwesenheit einer sichtbaren Protoplasmamasse, welche später anwächst, und oft eine Menge von Fettmolekeln enthält (FM); die Letzteren erleichtern uns die Orientirung bei der Beobachtung der ring- förmigen Kerne. 14—20, Durchschnittsfiguren des in der Theilung begriffe- nen Kernes (in der durch die lange Achse des Kerns gelegten und zu der breiten Fläche desselben senkrechten Ebene), angefangen von dem ellip- soidischen bis zum kugelförmigen, den Letztern mit einbegriffen. 21—28, das Aussehen der Hälften des gespaltenen Kerns in denselben Formen und bei gleicher Durchschnittsrichtung. (Aus dem subeutanen Zellgewebe einer weissen Ratte.) Fig. II. 1-—11, Bilder der Kerntheilung nach ihrer Aufeinanderfolge 180 P. Poljakoff: geordnet; die allmähliche Theilung der Kernsubstanz in zwei Halbringe durch das Auftreten eines keine Färbung annehmenden Streifens (S) in diametral entgegengesetzten Theilen des Kerns; 6, 7, Umformung der Kern- substanz, welche eine mehr oder weniger regelmässige ellipsoidische Ge- stalt gewinnt. 12, 13, Zellen mit missgeformten, unentwickelten Kernen in Form von Halbringen. 14, die fettbildende kugelförmige Zelle verwandelt sich mit fortschreitender Ansammlung des Fettes in eine junge Fettzelle; 15, diese völlig entwickelte Fettzelle mit zur Fixation vorgestreckten Proto- plasmafortsätzen; 16, eine Fettzelle aus dem Läppchen ohne Fortsätze (siegelringförmig). Die Fettzelle besteht (15, 16) aus dem Fetttropfen (F), welchen die Protoplasmasubstanz (P) umgiebt; in dieser Letztern ist der Zellkern (N) enthalten (Hartn. ?/). (Aus dem subcutanen Zellgewebe einer weissen Ratte.) Fig. IV. 1—14, die Abbildungen stellen kugelförmige Zellen des lockern Bindegewebes dar, welche während der amöboiden Bewegungen durch eine Pikrokarminlösung fixirt sind. (Aus einem Gefässe des Fettgewebes; Hartn. ?/;.) Fig. V. 1 (Hartn. 3/ır).. Eine in der Theilung begriffene kugelförmige Zelle, welche einen Protoplasmafortsatz mit einem Saugnäpfchen vorgestreckt hat (auf die Hälfte verkleinert); 2 (Hartn. ?/s), eine ebensolche Zelle mit Fortsatz und Saugnäpfchen; 3 (Hartn. ?/ı), eine kugelförmige Zelle mit Fortsätzen, welche Fettmolekeln (FM) enthalten. 4 (Hartn. ?/ıı), eine kugel- förmige Zelle mit neugebildetem Protoplasma (nP) von feiner Structur; Ueberbleibsel des alten granulirten Protoplasma (a P) mit Fettmolekeln. (Aus einem Gefässe des Fettgewebes.) Fig. VI. Ein Gefäss aus den Fettansammlungen des subcutanen Zell- gewebes und ein von demselben ausgehendes feineres Gefässchen; die Wände derselben bestehen aus kugelförmigen Zellen, welche sich nicht von den be- weglich gebliebenen kugelförmigen Fettbildungszellen (b Fz) unterscheiden ; längs der Gefässe haben sich kuselförmige Fettbildungszellen festgesetzt (fFz), doch enthalten dieselben noch kein Fett; im Hohlraume der Gefässe liegen rothe Blutkörperchen (rK) (Hartn. ?/,). (Aus dem subcutanen Zell- gewebe einer weissen Ratte.) Fig. VII. Ein Gefässchen eines in der Entwicklung begriffenen Fett- läppchens zerfällt in junge Capillaren, deren jede aus einer Kette von kugel- förmigen Zellen besteht; in dem Protoplasma dieser Letztern sind rothe Blutkör- perchen zu sehen (r K). In den Maschen der Capillaren liegen eine Menge fettbildender kugelförmiger Zellen, sowohl bewegliche (b Fz) als auch solche, die sich fixirt haben (fFz) (Hartn. ®/,).. (Aus dem subcutanen Zellgewebe einer weissen Ratte.) Fig. VII. Ein Capillarnetz, in dessen Maschen sich Fettzellen im An- fangsstadium der Atrophie befinden. Das Zellprotoplasma ist von einer Menge von Fettkügelchen durchsät. Hierselbst sehen wir zwischen den Fettzellen und auf denselben kugelförmige Zellen mit Fettmolekeln (b Fz) sowie Ueber eine neue Art v. fettbildenden Organen im lockern Binderewebe. 181 o Leukocyten (L), welche Fett aufgenommen haben. (Aus dem subcutanen Zellgewebe einer weissen Ratte; Hartn. ?/z.) Fig. IX. Die Atrophie der Fettzellen ist bedeutend vorgeschritten. Hier sieht man nicht nur Fettzellen, welche in ihrem Protoplasma Fettmo- leküle enthalten, sondern auch Fettzellen mit bedeutend verminderter Fett- masse, das Protoplasma fällt mit dem Abnehmen des Fetttropfens zusammen ; in andern Zellen sind nur geringe Fettreste zu sehen, während manche der Fettzellen, welche so weit atrophirt sind, dass sie zu fernerer Lebensthätig- keit nicht mehr fähig sind, als granulirte Zellen (gZ) mit gleichfalls granu- lirtem Kern erscheinen; die Granulirung der Zellen wird durch alle Farb- mittel leicht gefärbt (Ehrlich’s Mastzellen); ein gleiches Verhalten zu den Farbstoffen zeigen auch die abgelebten kugelförmigen Zellen (ak); dieselben bilden ebensolche granulirte Körper, welche sich vielleicht nur durch die Grösse von den Ersteren unterscheiden. Hierselbst kann man auch beweg- liche kugelförmige Zellen (bFz) und Leukocyten mit Fettmolekeln sehen. (Aus dem subeutanen Bindegewebe einer weisen Ratte; Hartn. ?/g.) Fig. X. Die Atrophie der Fettzellen der beständigen Bildungen. Die Fettzellen, welche einen Theil ihres Fettes eingebüsst haben, besitzen mit seröser Flüssigkeit angefüllte Vacuolen (V); die Capillaren durchziehen wie früher das Fettläppchen (F). (Aus der sogen. Fettkapsel der Niere; Hartn. ?/;.) Fig. XI. Die Fettzellen der beständigen Fettbildungen gewinnen nach seröser Atrophie in der Periode ihrer Regeneration das Aussehen von Riesen- zellen, deren Zellstoff aus zwei Substanzen (1) besteht: die eine derselben ist von festerer Consistenz, granulirt und besitzt anfangs ziemlich scharf markirte Umrisse — die Reste des alten Protoplasma (a Pl); diese Substanz ist von einer andern (n P) flüssigeren, opalescirenden, ohne Granulirung umgeben, welche durch die Auflösung (Verflüssigung) des Protoplasma der Fettzelle in der serösen Flüssigkeit entstanden ist, die genannte Flüssigkeit füllte die in der Periode der Atrophie dieser Zellen gebildeten Vacuolen an. An andern Zellen (2) kann man sehen, dass die Conturen des alten Protoplasma weniger deutlich werden; wir beobachten einen allmählichen, un- merklichen Uebergang eines Zellstoffes in den andern, worauf die Zelle ein einförmiges granulirtes Protoplasma erhält (3) und in demselben die Kernthei- lung beginnt (4). Manche der atrophirten Zellen sind zur Lebensthätigkeit nicht mehr fähig, und grobgekörntes Protoplasma, welches vom Pikrokarmin rosa gefärbt wird, ebenso wie der Kern, erscheint in verschiedenen Stadien des Zerfalles (5). Die Kerne der atrophirten Fettzellen, welche im concen- trirten alten Protoplasma eingeschlossen sind, gewinnen vom Pikrokarmin eine gelbe Färbung; wenn sich aber dasalte Protoplasma im neuen aufgelöst hat, verjüngt sich gleichsam die ganze Zelle, und die Kerne werden wieder rosa gefärbt. (Aus dem subceutanen Zellgewebe 'einer weissen Ratte; Hartn. 3/z.) Fig. XI. Die Kerntheilung ist in den atrophirten und jetzt sich re- generirenden Fettzellen bedeutend vorgeschnitten (1); es beginnt bereits die Isolirung des Protoplasma um jeden Kern herum (2); in andern Zellen kann 182 Hermann Rabl-Rückhard: man schon genau den jedem Kern zufallenden Antheil an Protoplasma be- stimmen (3); deutlich sichtbar ist auch die gemeinsame Schicht, welche die in der Formirung begriffenen Zellen umkleidet. Endlich sehen wir dieselben völlig formirt (4); noch ein Schritt und die jungen Zellen befreien sich von der mütterlichen Hülle, zu der Funktion vollkommen bereit, welche ihre Erzeugerin, die kugelförmige Zelle, ausgeübt hat. (Aus dem Gekröse einer weissen Ratte; Hartn. ?/g). Fettzellen von eigenthümlicher Form. Von Prof. Dr. Hermann Rabl-Rückhard, Berlin. Mit 2 Holzschnitten. An Durchschnitten des Kopfes von Cobitis barbatula (Schmerle), die ich zum Zweck der Erforschung des Hirnbaus angefertigt hatte, fiel mir ein eigenthümliches Verhalten des Fettgewebes auf, das meines Wissens bisher noch nicht beschrieben ist. — Sowohl die Fettzellen des Unterhautbindegewebes, wie auch besonders schön diejenigen Zellen, welche die Markhöhlen der verschiedenen Kopf- knochen ausfüllen, zeigen sich nämlich in folgender Weise fixirt!): Man sieht ansehnliche runde, blassgelbe, scharfumrandete, tropfen- artige Gebilde in. einer völlig durchsichtigen homogenen Grund- substanz ziemlich nahe aneinander liegen. Die Grösse dieser Tropfen wechselt ziemlich bedeutend. — Bei oberflächlicher Be- trachtung machen sie durchaus den Eindruck von zerstreut liegen- den Fettzellen. Man überzeugt sich aber alsbald, dass überall von der Oberfläche derselben zahlreiche, geradlinige, spitz auslaufende, meist einfache oder auch dichotomisch getheilte Fortsätze ausgehen, die dem runden Tropfen wie Spiesse oder Pseudopodien aufsitzen Stellt man den optischen Querschnitt der Tropfen ein, so erkennt man, dass diese von einer äusserst dünnen homogenen Protoplasma- schicht mantelartig rings umhüllt werden, von der jene „Pseudo- 1) Der Kopf war in 3°/, Kali biehromicum gehärtet, ausgewaschen, in Alkohol nachgehärtet und in Celloidin eingebettet worden. Die in essig- saurem Karmin gefärbten Schnitte lagen in Dammarlack. Fettzellen von eigenthümlicher Form. 183 podien* ihren Ursprung nehmen. An irgend einer Stelle, am besten dann erkennbar, wenn sie im Profil der Kugeln sichtbar werden, liegt meist eine grössere knopf- oder kugelförmige Anhäufung die- ses Protoplasmas, von der ebenfalls einige Pseudopodien entspringen können (Fig. la), während in ihr fast stets ein kernartiger Kör- per undeutlich erkennbar ist. Wechselt man die Tiefeneinstellung, so tauchen immer neue Spiesse auf, bis dann diejenigen, welche senkrecht zur Fläche des Präparats liegen, in optischer Verkürzung als dunkle Punkte scheinbar mitten in der Fettkugel sichtbar werden (Fig. 1b). Thatsächlich dringt indess niemals ein solcher Protoplasmafortsatz ins Innere der letzteren, sondern alle gehen von dem dünnen Protoplasmamantel aus. e Fig. 1. Bisweilen finden sich auch unregelmässige keulenfürmige Protoplasmamassen, wie bei Fig. lc, oder die Basen mehrerer Pseudopodien sind verbreitert und verschmolzen (ibid. d.). Je kleiner der centrale Fetttropfen, um so dieker pflegt die periphere Schieht mit ihren Fortsätzen zu sein. Hie und da liegt auch eine einfache zusammengefallene und gefaltete Fettzellenhülle, ganz von dem Aussehen derer bei höhe- ren Wirbelthieren. Was die Deutung dieser so höchst eigenthümlichen und mir wenigstens an anderer Stelle noch nicht aufgestossenen Gebilde betrifft, so habe ich dieselbe in der Schilderung des Befundes be- reits vorweg genommen: es sind zweifellos in Fettzellen verwan- 184 Hermann Rabl-Rückhard: delte Bindegewebszellen, die aber dabei eine von der typischen Fettzelle abweichende Gestaltung ihres Zellleibes darbieten, indem derselbe, statt eine glatte, runde Hülle um den Fetttropfen zu bil- den, zahlreiche spiessförmige Fortsätze nach allen Richtungen aus- sendet. So entsteht eine Form, die an eine actinophrysartige Rhizopode erinnert. Das Bild ist in der That so eigenthümlich, dass man auf den ersten Blick glauben könnte, es gar nicht mit Zellfortsätzen, son- dern mit Krystallspiessen irgend eines festeren Fettes zu thun zu haben. Ich brauche wohl kaum das Unhaltbare dieses Gedankens nachzuweisen: das ganze Aussehen der Bildungen, ihr Zusammen- hang und gleiches Verhalten mit der Rindenschicht, die Färbbar- ken mit Carmin sprechen mit Sicherheit für die von mir gegebene Deutung, ganz zu geschweigen, dass die Behandlung der Schnitte init ausolutem Alkohol, Aether, Xylol etwaige Fettkrystalle gewiss zerstört hätte. Was die Intercellularsubstanz anbelangt, in der diese Fett- zellen eingebettet liegen, so erscheint dieselbe in Balsampräparaten fast völlig durchsichtig und hell. Hie und da wird sie von fei- nen Faserzügen, die ein weitmaschiges Netzwerk bilden, durch- setzt, und trägt ausserdem sparsame Capillaren. Ziemlich zahl- reiche, unregelmässig in der Intercellularsubstanz vertheilte rund- liche Formelemente sind wohl als ausgewanderte Leukocythen an- zusehen (Fig. 1, bei e). Nachdem ich das eben beschriebene Gewebe an der einen Schnittserie einmal aufgefunden hatte, suchte ich dasselbe auch an anders gehärteten und gefärbten Präparaten weiter zu erfor- schen. Diesmal handelte es sich um Köpfe von Cobitis barbatula, die in 1°/, Chromsäure und Alkohol gehärtet und nach dem von mir an anderem Orte beschriebenen Verfahren!) mit Nigrosin ge- färbt waren. — Hier zeigte sich ein ganz anderes Bild, das aber das eben beschriebene ergänzte und erläuterte. Statt der blasigen Fettzellen fanden sich hier überall, im In- nern der Kopiknochen, am vorderen Ende der Chorda dorsalis, im interstitiellen Bindegewebe nahe den Wirbelkörpern, äusserst zierlich gestaltete Bindegewebszellen, deren mannigfache Formen 1) Arch. f. Anatomie u. Physiologie, Anat. Abth. 1883, p. 282. Fettzellen von eigenthümlicher Form. 155 Fig. 2 wiedergiebt. — Das Protoplasma hat sich an denselben dunkelblau gefärbt, es stellt sieh unter dem Bilde einer vielver- ästelten sternförmigen Bindegewebszelle dar, in deren Mitte der ungefärbte, mit einem Kernkörperchen versehene Kern liegt. Acus- serst feine Fibrillenbündel durchsetzen als unregelmässiges Maschen- werk die homogene Intercellularsubstanz in der Weise, dass immer in Mitten einer Masche eine Bindegewebszelle liegt. Wir haben es hier offenbar mit denselben Zellen zu thun, die wir im ersten Präparat unter der Form von Fettzellen trafen, während sie hier als einfache, nicht fetthaltige Bindegewebszellen verharren. — Flemming!) macht darauf aufmerksam, dass bei Fischen schon nach halbtägiger Gefangenschaft der Fettschwund eintritt, und wahrscheinlich handelte es sich auch in diesem Falle um ein schon längere Zeit gefangenes und daher fettarmes Thier. Dafür spricht auch, dass bei dem ersten Thiere das Unterhautbindegewebe mit typischen Fettzellen durchsetzt erschien, während beim zweiten darin nur die fettfreie Bindegewebszelle vertreten war. Was der sternförmigen Bindegewebszelle aus dem Knochen- mark der Schmerle ihre Eigenthümlichkeit verleiht, ist, abgesehen von ihrer bedeutenden Grösse, die Mannigfaltigkeit und Menge der Ausläufer. So entstehen Bilder, wie wir sie namentlich sonst nur an den zierlichen pigmentirten Bindegewebszellen der höheren und niederen Wirbelthiere antreffen. Am meisten ähneln ihnen noch jene complieirten Gebilde, welche W. Flemming in der Harn- blase von Salamandra maculata, nach Härtung derselben in Kali bichromicum und Färbung mit Hämatoxylin auffand und abbil- dete?). -- Auch jene zierlich verästelten Bindegewebszellen, die Hans Virchow aus dem Glaskörper beschreibt?), erinnern an unsere Zellen, doch handelt es sich bei letzteren nicht um eine mit Ausläufern versehene Zellplatte, sondern um einen unregel- mässigen Protoplasmaklumpen. Ich habe vergebens an später bezogenen Schmerlen wieder nach jenen zuerst beschriebenen Fettzellen gesucht. Immer stiess 1) Ueber Bildung und Rückbildung der Fettzelle im Bindegewebe (Arch. f. mikrosk. Anat. VII, p. 55). 2) Ueber Formen und Bedeutung der organischen Muskelzellen (Zeitschr. f. wissensch. Zool. XXX. Suppl. 1878, p. 468 u. 470, Taf. XXI. Fig. 2, 5, 6). 3) Ueber Zellen des Glaskörpers (dieses Arch. XXIV, p. 99). 186 Hermann Rabl-Rückhard: ich auf die sternförmigen verästelten Bindegewebszellen. Auch am Fettgewebe anderer Fische, die ich untersuchte, konnte ich nichts Entsprechendes entdecken. So zeigen in Sonderheit die Fettzellen in der Pia mater der Forelle, des Barsches u. A. m. nichts von jenen Formen. Nachdem ich, immer in der Hoffnung, meine Be- obachtungen zu erweitern, dieselben fast fünf Jahre ruhen liess, theile ich sie jetzt mit. Ich glaube, die Erscheinung in folgender Weise deuten zu müssen: In der gewöhnlichen typischen Fettzelle stellt das Proto- plasma der Bindegewebszelle, aus der erstern hervorgegangen, eine dünne Mantelschicht dar, an der bisher keine Anzeichen da- für erkannt werden konnten, dass dieselbe der Sitz spontaner amö- boider Bewegungen ist. Die gemästete Fettzelle verharrt gewisser- maassen in träger Ruhe. Anders bei den beschriebenen Zellen aus dem Innern der Kopfknochen der Schmerle: hier scheinen lebhafte Protoplasmabewegungen in der Hülle der Fettzellen stattzufinden, und deren Ausdruck sind jene feinen „Pseudopodien“, die, von der Oberfläche des Mantels ausstrahlend, durch das angewendete Reagens augenblicklich zum Erstarren gebracht wurden. Scheinbar ähnliche Bewegungserscheinungen sind neuerdings von Wenckebach an den Pigmentzellen pelagischer Fischeier beschrieben worden, die sich um die im Periblast befindlichen Fettzellen von eigenthümlicher Form. 137 Oelkugeln legen und im Licht sehr lange Fortsätze treiben, im Dunkeln dieselben aber fast gänzlich einziehen !). Erklärung der Figuren. Fig. 1. Schnitt durch das Mark eines Kopfknochens von Cubitis barbaula . Vergr. 350. Fetthaltige Bindegewebszellen. Fig. 2. Desgleichen. Fettfreie Bindegewebszellen. Zur Entwickelung der Rachentonsille?). (Aus dem anatomischen Institut in Berlin.) Von Dr. Schwabach in Berlin. Hierzu Tafel IV. In meiner Arbeit „Ueber dieBursa pharyngea“ (d. Arch. XXIX. Bd.) hatte ich den Nachweis geführt, dass eine Bursa ph. im Sinne Luschka’s nicht existirt, dass dagegen in der Mehr- zahl der Fälle an derjenigen Stelle, wo Luschka die Oeffnung seiner Bursa ph. beschreibt, am hintern Ende der Rachentonsille, in der Medianlinie derselben, sich eine einfache mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Einsenkung der Schleimhaut befindet, welche nirgends in die Tiefe greift und über welche die Fibrocartilago basilaris ununterbrochen hinzieht, ohne dass irgend wo eine die- selbe durchsetzende Ausstülpung dieses Recessus gegen das Hinter- hauptsbein nachzuweisen wäre. Diese Einsenkung der Schleimhaut stelle nichts anderes dar, als das Ende der an allen normalen Rachentonsillen vorhandenen mittleren Spalte oder sie zeige sich als Vereinigungspunkt der an dieser Stelle convergirenden und mit der mittleren Spalte communieirenden seitlichen Spalten resp. Laeunen. Am Schlusse meiner Arbeit hob ich hervor, dass die Frage noch zu beantworten bleibe, ob diese Einsenkung 1) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische (Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. XXVIII, p. 240). 2) 8. auch d. Sitzungsberichte der K. Acad. d. Wissenschaften zu Berlin, EFrr Sitzung der physikalisch-mathemat. Classe vom 3. Mai 1888, S. 555 (ausge- geben am 17. Mai). 188 Schwabach: überhaupt irgend welche Bedeutung in anatomischer oder physio- logischer Hinsicht habe und behielt mir vor, die Resultate meiner, diese Frage betreffenden Untersuchungen, mit denen ich noch beschäftigt war, später mitzutheilen. — Bevor ich dazu über- sehe, will ich kurz die Ansicht derjenigen Autoren anführen, die sich bisher "eingehender mit dieser Frage beschäftigt haben. Luschka (1) ist der Meinung, dass ein genetischer Zusammen- hang zwischen seiner Bursa ph. und der Hypophysis cerebri be- stehe und zwar in der Art, dass erstere den funetionell bedeutungs- losen Rest des embryonalen Hypophysenganges resp. der Rathke- schen Tasche darstelle. Einen vollgültigen Beweis für diese An- sicht hat Luschka niemals erbracht. Er beschreibt in seiner Monographie über den Hirnanhang und die Steissdrüse des Men- schen (2) ein an 8—12 wöchentlichen Embryonen zuweilen beob- achtetes kleinstes inmitten des Schlundkopfgewölbes gelegenes Grübchen, das in ein kurzes, blindendigendes Kanälchen führte, dessen Einmündung in der Richtung vor vorn nach hinten von einem zarten halbmondförmigen Schleimhautkläppchen zum Theil überlagert wurde. Im sagittalen Durchmesser durch die Mittel- linie des Schädelgrundes geführte Durchsehnitte zeigten in den zur Unterlage des Hirnanhanges dienenden, also dem Körper des Keilbeins entsprechenden Knorpelmassen allerdings „keine weiteren Reste eines solchen Bildungsherganges“. Dass aber doch ein Zu- sammenhang zwischen Hypophysis und dieser embryonalen Bursa ph. bestehe, folgert er aus dem Befunde bei einem mit Spina bifida und Hernia diaphragmatica behafteten menschlichen Fötus, bei welchem er einen von der Sella tureica in die Substanz des Keil- beins sich einsenkenden von einer fibrösen Scheide ausgefüllten Kanal und am Schlundkopfgewölbe eine °/, mm breite rundliche Oeffnung fand, welche am vorderen Umfange einen verdünnten fast klappenartigen Rand besass, nach hinten aber ohne scharfe Grenze in die übrige Mucosa sich fortsetzte. Eine feine geknöpfte Sonde konnte in der Richtung nach vorwärts aufwärts 2 mm weit einge- führt werden. Luschka hält es nun für möglich, dass durch einen sagittalen Durchschnitt, was sich durch einfaches Sondiren nicht ermitteln liess, eine, wenn auch beschränkte, Continuität beider Kanäle hätte nachweisen lassen. Zu einem solchen Eingriff konnte sich jedoch Luschka nicht entschliessen, „aus Furcht das schöne Präparat zu verstümmeln‘. Dass die em- Zur Eintwickelung der Rachentonsille. 159 bryonale Bursa ph. an diesem Präparate weiter nach hinten als der an der obern Fläche der Sella turcieca ausmündende Gang lag, hält Luschka deshalb seiner Deutung nicht für hinderlich, „weil die veränderte Lagebeziehung als die nothwendige Folge des Längenwachsthums der Schädelbasis anerkannt werden muss“. Gegenüber dieser Ansicht, mit welcher die von Landzert (3) und Rippmann (4) im Wesentlichen übereinstimmt, steht die durch zahlreiche Beobachtungen an Embryonen von Säugethieren und Menschen gestützte Auffassung Dursy’s (5), welcher niemals an der dem früheren Hypophysengange entsprechenden Stelle, also in der Mitte der Länge des späteren hinteren Keilbeinkörpers, eine von der Schlundhöhle aus sichtbare taschenförmige Aussackung be- merken konnte, welche auf die früher hier vorhandene Lücke der Schädelbasis hätte bezogen werden können. An einer andern Stelle (l. e. p. 78) sagt er ferner: „Beim Menschen habe ich nach vollzogener Abschnürung des (sc. zur Eypophysenbildung abge- schnürten) Schlundsäckcehens niemals eine Spur eines Restes des- selben in Gestalt einer in die Schlundhöhle sich öffnenden Grube oder Tasche wahrnehmen können. Sie müsste mitten unter der Sattelgrube an der ventralen Seite des hinteren Keilbeinkörpers ihre Lage haben, welche Gegend jedoch später von dem Pflug- scharbein bedeckt und überhaupt dann nicht mehr dem Schlund- gewölbe, sondern dem Nasenrachengang angehört. Die sogenannte Bursa pharyngea (Meyer) hat mit dieser Rathke’schen Ausstül- pung gar nichts zu schaffen“. Dagegen fand Dursy bei allen etwas älteren menschlichen Embryonen in der Gegend der Nacken- beuge eine von der Schlundhöhle schief rückwärts gegen den Hinterhauptskörper gerichtete Ausbuchtung, die ihre Lage in der Gegend des Ueberganges des Schlundgewölbes in die hintere Schlundwand einnimmt. „An dieser Stelle ist die anfangs völlig glatte Schleimhaut dem Hinterhauptskörper inniger angeheftet und sie macht sich bei Embryonen meist nur als ein kleines trichter- förmiges Grübchen bemerklich. Ihre Lage hat sie hinter den Mündungen der Eustachischen Trompete, während die jetzt schon längst nicht mehr sichtbare Rathke’sche Ausstülpung vor den- selben, in der Gegend der sogenannten Gesichtsbeuge, ihre Stelle hat.“ Weiter (S. 94) hebt er hervor, dass diese Tasche später wieder verschwindet, oder hie und da auch nach der Geburt zurückbleibt und zur späteren Bursa pharyngea sich ausbildet, 190 Schwabach: Gegen Luschka’s Ansicht spricht sich auch W. Müller (6) in seiner Abhandlung über Entwicklung und Bau der Hypophysis (S. 356) aus, indem er sagt: „Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Sachlage (s. oben die Angaben Luschka’s) weder der einen noch der andren Beobachtung Luschka’s irgend ein Werth für die Er- ledigung der vorliegenden Fragen beigemessen werden kann.“ Ganghofner (7), der die erste Anlage der „Bursa pharyn- gea“ an menschlichen Embryonen vom dritten Monat an beob- achten konnte und zwar in Form eines kaum stecknadelkopfgrossen Grübehens oder einer seichten Einziehung der Schleimhaut, betont mit Rücksicht auf die von Luschka und Landzert vorgetragene Lehre, wonach die Entwicklung der „Bursa pharyngea® mit dem embryonalen Hypophysisgang in Beziehung stehen soll, dass er nie- mals, weder am Fötus noch an Schädeln von Kindern irgend eine Fortsetzung der Bursa in den Hinterhauptsknochen hinein wahrge- nommen habe. Froriep (8) fand bei der Untersuchung von sechs mensch- lichen Embryonen von 1,75 bis 8,3 cm Scheitelsteisslänge eine „Bursa pharyngea“ nur einmal bei einem Embryo von 3,8 cm Scheitel- steisslänge. Die Erklärung Luschka’s, mit welcher derselbe den gegen seine Anschauung bezüglich des Zusammenhanges der Hy- pophysis mit der embryonalen Bursa ph. sofort zu erhebenden Einwurf, dass die Bursa ph. gar nicht in der Gegend liegt, wo die Hypophysentasche zu erwarten wäre, sondern beträchtlich weiter nach hinten, zu entkräften sucht, indem er behauptet, die veränderte Lagebeziehung müsse als die nothwendige Folge ‚des Längenwachsthums der Schädelbasis anerkannt werden, hält Fro- riep für nicht zulässig. Vielmehr hat er durch Messungen an vier Embyonen von 1,75, 2,3, 3,3 und 6,0 cm Scheitelsteisslänge festgestellt, dass gerade der vordere Abschnitt des Spheno-oceipital- theils des Basilarknorpels langsam wächst (in der Zeit von Mitte des zweiten bis Anfang des vierten Monates hat der Sphenoidal- abschnitt des Basilarknorpels nur um ein Drittheil seiner Länge, der Oceipitalabschnitt dagegen sich um das fünffache vergrössert), und die „Bursa ph.“ bereits bei jüngeren Embryonen in beträcht- licher Entfernung von der Hypophysengegend liegt, demnach die Erwartung Luschka’s, dass das Längenwachsthum der Schädelbasis als Ursache einer vermeintlichen Rückwärtsverschiebung der Bursa ph. sich herausstellen werde, nicht bestätigen können. Gegenüber Zur Entwickelung der Rachentonsille, 191 diesen durch sorgfältige embryologische Beobachtungen gestützten Anschauungen kann es nicht in Betracht kommen, wenn neuer- dings M&ögevand (9), ohne sich auf eigene Untersuchungen be- rufen zu können, wieder die Behauptung aufstellt, dass die An- sicht Luschka’s die meiste‘ Wahrscheinlichkeit für sich habe. Anmerkung: Dieser Ansicht entsprechend sieht M. die sogen. „Bursa pharyngea“ auch als ein besonderes von der Rachentonsille zu trennendes Or- gan an (S. 10 sagt er: C’est sur la paroi superieure ou voüte du pharynx que se trouvent la tonsille et la bourse pharyngiennes. (es deux organes, sur la nature et l’origine des quels se sont engagees bien des diseussions etc. und S. 29: Comme on le voit d’apres ces donnees la ton- sille et la bourse se d&velopperaient indöpendamment ]’une de l’autre) und es ist demnach ganz unverständlich, wenn Tornwald in seiner letzten Auslassung gegen mich (Deutsch. med. Wochenschrift No. 48, 1887) mit grosser Entschiedenheit sich dagegen verwahrt, die Bursa ph. als ein anatomisch selbstständiges Gebilde angesehen zu haben, nichtsdestoweniger aber sich auf M. beruft, der seine klinischen Beobachtungen durch anatomische Untersuchungen bestätigt habe. Trotz alledem acceptire ich, wie ich schon einmal Herrn Tornwald erwidert habe (Deutsche med. Wochenschrift Nr. 26, 1887) durchaus die wiederholte Behauptung T.’s, dass er die B. ph. nicht als ein selbstständiges anatomisches Organ bezeichnet habe, muss dann aber auch die von mir schon in meiner ersten Arbeit ausgesprochene Ansicht aufrecht erhalten, dass das, was T. als B. ph. beschrieben hat, nichts anders ist, als die normale oder pathologisch veränderte mittlere Spalte der Rachentonsille und wenn T., wie er es thut, auch dieses bestreitet, so weiss ich nicht, wie es möglich ist, mit ihm über die anatomischen Verhältnisse der fraglichen Gegend zu discutiren. Denn nur eine von den beiden angedeuteten Auffassungen ist möglich. Es kann nicht meine Aufgabe sein, alle die theoretischen Betrach- tungen, durch welche T. meine auf anatomische Untersuchungen sich stützende Anschauung zu entkräften sucht, zu widerlegen, zumal ich glaube, durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit meine früher aufgestellte Behauptung von der Zugehörigkeit der sogenannten „Bursa ph.“ zur Rachen- tonsille hinreichend bewiesen zu haben. Ich will nur noch betonen, dass T. selbst gezwungen ist, zuzugestehen (l. c. S. 5 des Sep.-Abdr.), dass es für meine Annahme beweisend sei, wenn in der That sich die „Bursa ph.“ auf das adenoide Gewebe beschränke und eine Zwischenschicht von adenoidem Gewebe zwischen Bursa und Fibrocartilago existire. Wenn er dann aber be- hauptet, dies sei nicht der Fall und in diesem Punkte wichen meine Angaben auch von Ganghofner, mit dem ich mich in Uebereinstimmung zu be- finden behaupte, vollständig ab, so ist dies thatsächlich unrichtig; denn wenn Ganghofner sagt (S. 16), dass „die adenoide Substanz gegen die Bursa zu am mächtigsten wird, um hinter und unter derselben rasch an Dicke abzu- nehmen“, so geht daraus doch deutlich genug hervor, dass die sogen. Burs, 192 Schwabach: ph. überall von adenoider Substanz, wenn auch in verschiedener Dicke, um- geben ist und ein Blick auf die Fig. 1 von Ganghofner’s Tafel und auf Fig. 4, Taf. IV meiner Arbeit (l. c.) ergiebt ohne Weiteres, dass die Dar- stellung G’s. mit der meinigen übereinstimmt. Selbst M&gevand, der Ge- währsmann, den T. gegen mich ins Feld führt, sagt S. 177: Leurs (sc. bourse et sillon central) parois sont tres irr&gulieres et leur fond est forme& par une mince couche de tissu lymphoide plus ou moins altere, qui fait separation avec la tissu conjonctif sous jacent. Ebenso unmotivirt ist die Behauptung T.’s, „dass aus den Ausführungen und Abbildungen Luschka’sund Ganghofners’s, und auch aus den Präparaten und Abbildungen Schwabach’s, wenn auch gegen dessen Willen, die Bestäti- gung meiner (sc. Tornwald’s) Auffassung von der normalen Bursa ph. hervor- geht, dass sie nämlich eine besonders tiefe und regelmässige Einsenkung in der Mitte des Rachendaches bildet“. Dass eine oft sehr ansehnliche Vertiefung, resp. Spalte in der Mitte des Rachendaches neben verschiedenen seitlichen Spalten vorhanden ist, bestreitet Niemand, der mit den anatomischen Verhält- nissen dieser Gegend nur einigermassen vertraut ist, und dass die mittlere Spalte der Rachentonsille selbst beim Erwachsenen, wo die übrigen Spalten oft verschwunden sind, sich allein noch sehr häufig erhält, habe ich in meiner früheren Arbeit (S. 67) deutlich genug gesagt. Aber diese Spalte deckt sich durchaus nicht mit dem, was Luschka „Bursa ph.“ nennt. Mit dieser Bezeich- nung verband er einen bestimmten anatomischen Begriff und verstand darunter ein selbstständiges, von den übrigen Spalten verschiedenes Ge- bilde, daser als Rest der Rath ke’schen Tasche deutete. Nachdem er.(l. c. S. 24) ausführlich die Spaltbildungen der Tons. ph. beschrieben und ihre verschiedene Form besprochen hat, welche theils als Eingänge in die Höhlen der aus ade- noider Substanz bestehenden Bälge theils als Mündungen acinöser Drüsen erkennbar sind, beschreibt er „eine grössere Mündung von wesentlich anderer Bedeutung“, welche nach ihm den Eingang in einen beutel- förmigen Anhang des Schlundkopfgewölbes (die Bursa ph.) darstellt. Auch M&gevand fasst, wie schon erwähnt, die Sache so auf, wie Luschka, und wenn Tornwald eine andere Vorstellung von derselben hat, also die Bursa ph. nur als eine besonderstiefe Einsenkung in der Mitte des Rachendaches angesehen wissen will, so stimmt er weder mit dem einen noch mit dem anderen überein und hat demnach auch gar keinen Grund, sich auf Megevand zu berufen, der ausdrücklich zwischen mittlerer Spalte der Rachentonsille und Bursa ph. unterscheidet. Ich sehe mich genöthigt, diesen Unterschied noch besonders zu betonen, weil neuerdings in einer Arbeit Bloch’s (Berl. klin. Wochenschr. 1888, Nro. 14) über die Bursa ph., welche die klinischen Beobachtungen Tornwald’s bestätigen soll, thatsächlich die mittlere Spalte der Rachentonsille als „Bursa ph.“ bezeichnet wird und die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass solche Bestätigungen über Er- krankungen der „Bursa ph.“ sich wiederholen werden, die doch, wie ich schon in meiner ersten Arbeit ausgeführt habe, nichts anders sind als Affeetionen Zur Entwickelung der Rachentonsille. 193 der Rachentonsille, wie sie Wendt (Krankheiten der Nasenrachenhöhle und des Rachens, v. Ziemssen’s Handb. d. Path. u. Ther. VII, 1. Hälfte, S. 266) schon beschrieben hat. Nachdem ich die vorliegende Arbeit bereits abgeschlossen hatte, wurde ich durch Herrn Geheimrath Waldeyer auf einen im Anatomischen An- zeiger 18857, Nro. 16 erschienenen Artikel Suchanneck’s (aus dem Züricher pathol. Instit.) aufmerksam gemacht, in welchem dieser Autor, auf Grund eines einem 4-jährigen Mädchen entstammenden Präparates, in wel- chem der Hypophysengang persistirte, ebenfalls die Irrigkeit der Anschau- ung Luschka’s betont. Bezüglich der sogenannten Bursa ph. spricht er sich in folgender Weise aus: „Ich hatte, Dank der Freundlichkeit des Herrn Dr. Tornwald, in den letzten Jahren vielfach Gelegenheit, mich von dem Vorkommen von CÖysten und schleimabsondernden Gängen am Rachen- dach zu überzeugen und bin auch von der Nothwendigkeit einer gründlichen Behandlung dieser Secretanomalien und einer diesbezüglichen erfolgreichen Therapie überzeugt; indessen bezüglich des anatomischen Zusammen- hanes‘’stehe'ich auf der Seite derer, die die sogenannte, an- geblich als unabhängiges Gebilde bestehende Bursa ph. als Pseudobursa erklären. Auch ich habe mich wohl von dem Be- stehen von Cysten und Gängen am Rachendach (auf Grund zahl- reicher mikro- und makroskopischer Untersuchungen an Erwachsenen und Kin- dern) überzeugen können, dieselben beruhten aber lediglich auf pathologischen Veränderungen derGegend derRachentonsille.“ Die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen an mensch- lichen Embryonen stimmen, soweit sie sich auf diese Frage be- ziehen, durchaus mit den Beobachtungen derjenigen Autoren über- ein, welche einen genetischen Zusammenhang zwischen der Hypo- physis und der als „embryonale Bursa pharyngea“ bezeichneten Schleimhauteinsenkung des Rachendaches, die ich als Recessus pharyng.med.(Ganghofner)bezeichnen möchte, leugnen. Ich komme auf dieselbe weiterhin noch einmal zurück. Die Frage, die von den genannten Autoren noch nicht in Erwägung gezogen zu sein scheint und die im Folgenden vor Allem erörtert werden soll, ist die, welche Bedeutungin embryologischer Beziehungder als embryo- nalen Recessus pharyngeus mediusbezeichnetenSchleim- hauteinsenkungzukommt. Meine Untersuchungen habe ich wie- derum mit Erlaubniss und unter gütiger Unterstützung des Herrn Ge- heimrath Waldeyer, wofür ich demselben hierdurch meinen verbind- lichsten Dank ausspreche, im Laboratorium des hiesigen anatomischen Institutes ausgeführt. Das Material zu denselben verdanke ich der Güte einiger Herren Collegen und zwar besonders der Herren Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22. 13 194 Schwabach: Dr. Winter, Assistenten der Königl. Entbindungsanstalt, Herrn Dr. Nagel, Assistenten der geburtshülflichen Abtheilung in der Charite, ferner den Herren Dr. Abeking, Dr. Flaischlen und Dr. Löhlein hier. Die Zahl der mir zugegangenen menschlichen Früchte betrug 45 und zwar erhielt ich dieselben entweder frisch oder in Alkohol conservirt. Da ich von einigen Embryonen nur die Köpfe ohne nähere Angaben über Grösse und Alter erhalten konnte, so wurden zur Bestimmung derselben gleichgrosse Köpfe von Em- bryonen bekannter Grösse resp. bekannten Alters herangezogen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Bestimmung keine ganz zutreifende sein konnte, doch konnten auch die dabei be- gangenen Fehler keine sehr erheblichen sein, zumal es sich bei den in der genannten Weise vorgenommenen Bestimmungen meist um ältere Früchte (jenseits des fünften Monats) handelte. Die jüngeren Embryonen, welche ich zu meinen Untersuchungen be- nutzte, lagen mir sämmtlich in toto vor. An diesen sowohl, als auch an den älteren Embryonen, welche ich ganz erhielt, wurde, da die Angaben über das Alter nicht immer ganz genau waren, die Scheitelsteisslänge gemessen, und zwar bei Embryonen bis zu 10 cm Scheitelsteisslänge mit dem Stangenzirkel, bei grös- seren Früchten mit dem Bandmaass in der Weise, dass eine gerade Linie vom Scheitel bis zum Steiss gelegt gedacht wurde. Die Untersuchungen wurden zunächst in der Weise vorgenommen, dass bei allen Früchten von 3,1 cm Scheitel- steisslänge an (im Ganzen 43) nach Entfernung des Unter- kiefers und eventueller Durchtrennung des Gaumensegels in der Medianlinie resp. nach vollständiger Abtrennung desselben vom harten Gaumen, der Fornix pharyngis makroskopisch und bei den kleineren mit der Lupe besichtigt wurde, um das Vorhandensein oder Fehlen von Einsenkungen oder Spaltbildungen an der Schleimhaut zu constatiren. Ausgenommen von dieser Art der Besichtigung wurden nur zwei Embryonen von 1,6 und 2,8 cm Scheitelsteisslänge, um nicht durch eine leicht mögliche Verletzung der kleinen Köpfe ausser Stand gesetzt zu sein, das Verhält- niss zwischen Hypophysentasche und Pharynxschleimhaut voll- ständig zu übersehen. Von diesen Köpfen sowohl, als auch von den für unsere Untersuchungen in Frage kommenden Theilen einer grösseren Anzahl (20) der übrigen Früchte (von 4,0 bis 30,0 em Scheitelsteisslänge) wurden nach Härtung in Müller’scher Flüssig- Zur Entwickelung der Rachentonsille. 195 keit und Alkohol oder in Alkohol allein und nach eventueller Ent- kalkung in 2—3°/,iger Salpetersäure, Färbung in Boraxcarmin oder Hämatoxylin und Eosin, Einbettung in Celloidin oder Paraffin, Serien von Sagittalschnitten angelegt und der mikroskopischen Untersuchung unterworfen. Von einer kleinern Anzahl von Prä- paraten (4) wurden, nachdem sie derselben Behandlung unterworfen waren, Serien von Frontalschnitten angelegt und untersucht. Die Besichtigung des Fornix pharyngis bei den jüngeren Embryonen ergab nun, dass die Schleimhaut desselben voll- ständig glatt und frei von jeder Einsenkung oder Spaltenbildung war (Fig. 1) und zwar nicht allein bei makroskopischer Besichti- sung, sondern auch bei Betrachtung mit der Lupe, soweit es sich um Früchte bis zu 6,0 cm Länge handelte. Die erste Andeutung einer Einsenkung fand ich, bei dieser Art der Untersuchung, bei einem 6,2 cm langen Embryo und zwar in Gestalt eines sehr feinen Grübchens an der Uebergangsstelle des Fornix pharyngis in die hintere Rachenwand. Dagegen zeigte sich, dass an medialen Sagittalschnitten, die in der oben beschriebenen Weise angelegt worden waren, eine, allerdings nur bei mikroskopischer Unter- suchung sichtbare, Einsenkung der Schleimhaut an der oben ge- nannten Stelle schon bei einem Embryo von 5,2 und einem solchen von 6,0 em Länge nachweisbar war. Bei kleineren Embryonen war auch bei dieser Art der Untersuchung keine Spur von Ein- senkung zu sehen und namentlich zeigte sich auch bei diesen bis herab zu dem 2,3 em langen Embryo die Oberfläche der Schleimhaut des Fornix in der Gegend unterhalb der Sella tureica vollkommen glatt, ohne Andeutung des früher hier ausmündenden Hypophysen- ganges. Dieser letztere’ zeigte sich noch deutlich an dem medialen Sagittalschnitt des 1,6 cm langen Embryos. Bei den 2,5 cm langen dagegen sieht man den Gang bereits vollständig gegen die Pha- rynxschleimhaut hin geschlossen und nur im Sphenoidalknorpel zeigt sich der schmale Rest desselben, der sich an der Grenze zwischen Knorpel und Pharynxschleimhaut etwas erweitert. Bei dem 3,1 em langen Embryo fand ich ebenso wenig wie bei älteren weder den Hypophysengang, noch in der Gegend, welche seiner Verlängerung nach unten gegen die Schleimhaut des Fornix pharyngis entsprechen würde, eine Einbuchtung dieser letztern. Dieser Umstand in Verbindung mit der schon erwähnten Beobach- tung, dass nach erfolgter Abschnürung des Hypophysenganges 196 Schwabach: zuerst bei Embryonen von 5,2—6,0 cm die von den Autoren als „embryonale Bursa pharyngea“ bezeichnete Einsenkung der Schleim- haut auftritt und zwar nicht in der Gegend der Sella tureica, sondern beträchtlich weiter nach hinten, an der Uebergangsstelle des Fornix ph. in die hintere Rachenwand, liefert aufs neue den Beweis, dass Hypophysengang und embryonale Bursa ph. oder besser Recess. phar. med. nicht in genetischem Zusammenhang stehen, und dass der letztere erst dann auftritt, wenn der erstere schon längst geschlossen ist (Dursy). — Um nun näher auf die anatomi- schen Verhältnisse des embryonalen Recess. ph. med. einzugehen, so fand ich denselben bei allen über 7,0 cm langen Embryonen an der Uebergangsstelle des Fornix pharyngis in die hintere Rachen- wand und zwar genau in der Medianlinie entweder in Form einer flachen länglichen Spalte (Fig. 2), oder eines flachen rundlichen Grübchens (Fig. 3), in welche sich selbst eine sehr dünne Sonde resp. Borste weder nach oben, noch nach vorn oder hinten vorschieben liess. Bei etwas älteren Embryonen von 9—10 cm Länge zeigte sich, dass dieses Grübchen, resp. die kleine Spalte sich um 1 bis 2 mm weiter nach vorn in der Medianlinie in eine flache Rinne verlängert hat und dass auch zuweilen schon zu beiden Seiten der Mittel- linie sich symmetrisch angeordnete Rinnen von 1—2 mm Länge entwickelt haben, die ihren Ausgang von der ersten Einsenkung nehmen und entweder nach vorn gegen die Medianlinie wieder convergiren oder aber in schräger Richtung von hinten median- wärts nach vorn lateralwärts in leichtem, mit der Convexität nach aussen gerichteten Bogen sich hinziehen (Fig. 4). An allen diesen Präparaten zeigt sich auch eine deutliche Abgrenzung des hinteren Endes der Fornix ph. von der obern Grenze der hinteren Rachen- wand durch das Hervortreten einer von der letzteren gebildeten leicht wulstigen Erhebung, welche bei jüngeren Embryonen bis zu 6 em Länge noch nicht vorhanden ist. Bei älteren Früchten (15—20 cm) reicht die von dem hinteren Grübchen ausgehende mittlere Spalte schon weiter nach vorn bis etwas über die Mitte des Fornix hinaus; sie hat sich auch bereits mehr vertieft und die zu beiden Seiten derselben vorhandenen lateralen Spalten treten ebenfalls deutlicher hervor. In Fig. 5 (20 cm) sieht man, dass die rechte seitliche Spalte nicht in dem hinteren Grübchen endet resp. von ihm ausgeht, sondern durch ein schmales Zwischenstück der Schleimhaut (a) von ihm getrennt bleibt, eine Erscheinung, die ich Zur Entwickelung der Rachentonsille. 197 auch an einigen anderen Präparaten beobachtet habe und welche zeigt, dass die einzelnen Spaltbildungen auch unabhängig von der ersten Anlage in der Medianlinie sich entwickeln können. Bei älteren Früchten, von 24 cm an, zeigt sich schon deutlich (Fig. 6) die Configuration, wie ich dieselbe als die normale Form der Ton- silla ph. in meiner früheren Arbeit beschrieben habe. Hier findet sich eine sehr deutlich ausgeprägte und jetzt auch bereits in ihrem ganzen Verlaufe beträchtlich vertiefte mittlere Spalte, zu beiden Seiten von scharf hervortretenden Leisten begrenzt, welche ihrerseits wieder lateralwärts von kürzeren und flacheren lateralen Spalten begrenzt sind. Auch die 1. e. beschriebenen mehr schräg gegen die Rosenmüller’schen Gruben hin verlaufenden Spalten und Leisten treten deutlich hervor. Aus dem Gesagten glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass diean der Ueber- gsangsstelle des Fornix ph. in diehintere Rachenwand, in der Medianlinie der Schleimhaut, bei Embryonen von 6,0—7,0 cm zuerst in Form eines flachen Grübchens oder einer flachen Spalte auftretende Einsenkung, dieembryo- nale Bursa pharyngea der Autoren (besserembryonaler Re- cessus pharyngeusmedius nach Ganghofner), nichts ande- resist, alsdie ersteAnlageder Rachentonsille, eine Auffas- sung, die durch die weiteren Beobachtungen an sagittalen Medianschnit- ten noch begründet werden soll, die aber schon jetzt umsomehr Wahr- scheinlichkeit für sich hat, als, wieKöllicker(10) nachgewiesen hat, auch dieerste Anlage der Gaumentonsillein Gestalteinereinfachen Spalte oder spaltförmigen Ausbuchtung der Schleimhaut sich zeigt und inähnlicherWeiseauchdieSchleimbälge derZungenwurzelsich bilden. — Gehen wir nun über zur Betrachtung der uns interessirenden Verhältnissean medialen Sagittalschnitten, so sehen wir hier zuweilen schon bei Embryonen von weniger als 6,0 em Scheitelsteisslänge eine Einbuchtung der Schleimhaut an der mehrfach genannten Stelle, die jedoch dann so minimal ist, dass sie bei Besichtigung von der Fläche des nicht zerlegten Präparates nicht auffallen konnte und erst bei der mikroskopischen Untersuchung sichtbar wurde. Diese Einsenkung zeigt sich in Form eines mit der etwas abgerundeten Spitze entweder gerade nach oben gegen den Sphenooceipitalknorpel oder etwas nach hinten oben, niemals nach vorn gerichteten Trichters, an dem eine vordere und hintere Wand sich deutlich abgrenzen lassen, soweit es sich um jüngere Embryonen handelt, während später eine 198 Schwabach: solehe Abgrenzung, wie wir sehen werden, nicht mehr möglich ist. Was die Tiefe dieser Einsenkung anlangt, so betrug sie bei einem 5,2 cm langen Embryo 0,2 mm (Fig. 7). Bei einem Embryo von 6,2 em zeigte sie bereits eine Tiefe von 0,64 mm, ihre Weite am Eingang maass 0,083 mm an der gegen den Sphenooceipitaltheil des Basilarknorpels hin gerichteten Spitze 0,023 mm. Bei einem 10 em langen Embryo (Fig. 5) betrugen die Maasse: 1,92 mm Tiefe, 0,6 cm Weite am Eingang. Bei einem 11 em langen Em- bryo erwies sich die Einsenkung in ihrer Gestalt bereits von den eben beschriebenen verschieden. Während an jenen auf dem Sagittalschnitt deutlich von der umgebenden Schleimhaut abge- srenzte Wandungen, eine vordere und eine hintere, zu unterscheiden sind, sieht man bei diesem Präparate (Fig. 12 bei starker Vergrösserung) bereits das beginnende Verstreichen der vorderen Wand (v. W.), die hier nurnoch eine Höhe von 0,3 mm zeigt, während diean der vordern Par- tie der hintern Rachenwand gebildete hintere Wand (h. W.) der Einsen- kung noch eine Höhe von 0,6 mm zeigt. Indem zugleich die vordere Wand beträchlich weiter nach vorn gerückt erscheint, während diehin- tere Wand an der gewöhnlichen Stelle sich findet, ist die Trichter- form geschwunden und eine sehr flache Einsenkung, deren obere Wand 0,38 mm lang ist, an ihre Stelle getreten. Bei einem 16 cm langen Fötus (Fig. 9 schwache Vergrösserung) sieht man diese Einsenkung nur nach hinten hin dureh das Hervortreten der hinteren Rachen- wand abgegrenzt, während die vordere Wand in flachem Bogen in die vordere Partie der Schleimhaut übergeht. Diese Abflachung fand sich in der grossen Mehrzahl der von mir untersuchten, über 12 cm langen Embryonen. Dass aber individuelle Verschiedenheiten vorkommen, ergibt sich daraus, dass ich bei einem 20 cm langen Fötus (Fig. 10) wieder eine 0,3 mm tiefe Einsenkung mit einer Weite am Eingang von 0,45 mm fand, während bei einem 24 em langen Embryo nur eine flache Einsenkung, deren hintere Wand 0,23 mm im Höhendurchmesser maass, vorhanden und bei einem 30 cm langen Fötus (Fig. 11) eine Tiefenbestimmung der ganz flachen Einsenkung überhaupt nicht mehr möglich war. Im Ganzen zeigte sich also, abgesehen von individuellen Verschiedenheiten, dass eine eigentlich trichterförmige Einsenkung nur bei Embryonen von pp. 5—10 cm Scheitelsteisslänge vorkommt, dass bei älteren Früchten dagegen an dieser Stelle sich lediglich eine flache Einsenkung findet, die in ihrer Form im Wesentlichen derjenigen entspricht, wie ich sie Zur Entwickelung der Rachentonsille. 199 in meiner früheren Arbeit als bei Neugeborenen und Kindern in den ersten Lebensmonaten vorkommend beschrieben und mit Gang- hofnerals Recess. pharyng. med. bezeichnet habe. Die Abflachung der anfangs trichterförmigen Einsenkung kommt, wie die oben ge- gebenen Maasse zeigen, dadurch zu Stande, dass die anfangs gegen die vordere Partie der Fornixschleimhaut in einem leicht stumpfen Winkel abgegrenzte vordere Wand der Einsenkung allmählich immer mehr verstreicht, dass also mit anderen Worten aus der trichter- förmigen ceircumscripten Einsenkung die nach und nach immer weiter nach vorn sich hinziehende mittlere Spalte sich herausbildet, deren hinteres Ende dieser Recessus also bei älteren Früchten, Neugeborenen und Kindern in den ersten Lebensmonaten schliess- lich darstellt. Dass auch jetzt noch eine mehr oder weniger deut- liche Abgrenzung dieser Einsenkung nach hinten hin nachweisbar ist, hat seinen Grund darin, dass bei älteren Embryonen mit der zunehmenden Nackenbeuge die obere Partie der hinteren Pharynx- wand mit den um diese Zeit schon beträchtlich hervortretenden Constrietoren des Pharynx eine deutliche wallartige Erhebung, einen richtigen Wulst bildet, wie dies oben schon bei Beschreibung der Flächenansicht erwähnt wurde. Das Hervortreten dieses Wulstes trägt offenbar mit zu der Vertiefung der Schleimhautein- senkung bei und bewirkt, dass nach der später erfolgenden Ab- flachung der vorderen Wand des Tricehters überhaupt noch die Rede von einer Einsenkung an dieser Stelle sein kann. Von besonderem Interesse wäre es, die Frage zu beantworten, wodurch überhaupt die uns hier beschäftigende Einziehung der Schleimhaut des Fornix ph. zu Stande kommt. Froriep (!l. c.), welcher bei einem 3,3 cm langen Embryo bereits eine 0,557 mm tiefe trichterförmige Einstülpung des Epithels an der mehrfach ge- nannten Stelle des Fornix ph. in das retropharyngeale Bindege- webe fand, hebt hervor, dass die Spitze dieses kegelförmigen Epithelzapfens gerade auf eine Chordaanhäufung im retropharyn- gealen Bindegewebe trifft und sich hier in sehr naher Beziehung zu derselben zu befinden scheint. Einen wirklichen Zusammen- hang von Epithelzellen mit Zellen der Chorda konnte er zwar mit Evidenz nicht nachweisen, doch glaubt er, dass in den Fällen, wo eine retropharyngeale Chordaanhäufung bis an das Epithel des Schlundkopfes vordringt, eine Beziehung zwischen beiden sich her- stellt, welche die berührte Stelle der Schleimhaut oder ihres Epi- 200 Schwabach: thels bei der später in Folge der vermehrten Nackenbeuge und der damit einhergehenden stärkeren Vorwulstung der Mm. long. capitis und rect. cap. antic. erfolgenden Abdrängung der Schlund- wand von der Schädelbasis, an dieser festhält und so jene trichter- förmige Ausstülpung, die sogenannte Bursa pharyngea zu Stande bringt. Ich selbst fand bei einem 6,2 cm langen Embryo, bei welchem der embryonale Recess. ph. in Form einer 0,2 mm tiefen trichterförmigen Einsenkung sich zeigte, im retropharyngealen Bindegewebe eine der von Froriep beschriebenen ähnliche Chorda- anhäufung aus meist runden, zuweilen polygonalen ohne Zwischen- substanz aneinander liegenden 14—16u grossen Zellen mit 4,5 bis 4,8u grossen Kernen bestehend. Die Anhäufung, welche dorsal- wärts dem Perichondrium dicht anliegt, ist in mehreren durch Bindegewebszüge von einander getrennten, länglichen Reihen an- geordnet, deren unterste bis nahe an den Trichter heranreicht, ohne jedoch mit dem Epithel desselben in Berührung zu treten, so dass auch dieses Präparat zum Beweise für Froriep’s Ver- muthung nicht verwerthet werden kann. An keinem einzigen der von mir sonst untersuchten Präparate, auch an solchen, wo noch deutliche Chordareste vorhanden waren, habe ich etwas ähnliches wieder gesehen. Dagegen fand ich, wenn auch nicht regelmässig so doch recht oft, ein anderes ebenfalls von Froriep bereits be- schriebenes Gebilde im retropharyngealen Bindegewebe, nämlich einen Bindegewebszug, der sich von dem übrigen Bindegewebe durch seine derbe Beschaffenheit auszeichnet und vom Hinterhaupts- körper her an die Schleimhaut herantritt und den er als Liga- mentum oceipito-pharyngeum bezeichnet. Diesen Bindegewebszug sah ich namentlich oft bei Embryonen, bei denen eine wirkliche trichterförmige Einsenkung vorhanden war, vom Hinterhauptsrande her nach vorn unten (ventralwärts) gegen die Spitze des Trichters ziehen (Fig. 7 L.oph.) und es wäre nicht unmöglich, dass die Einwir- kung, welche Frorie p dem nur ganz ausnahmsweise nachweisbaren Chordarest im retropharyngealen Bindegewebe zuspricht, nämlich die Fixirung der betreffenden Stelle bei der später erfolgenden Abdrängung, diesem Bindegewebszuge zukommt. Wenn nun auch durch die Befunde an Sagittalschnitten die oben aufgestellte Behauptung, wonach der embryonale Recess. ph. med. als erste Anlage der Rachentonsille anzusehen ist, unterstützt wird, so bleibt noch zu beweisen, dass auch die histologischen Vorgänge mit dieser Ansicht in Einklang stehen. Zur Entwickelung der Rachentonsille. 201 Nach dem ersten Auftreten der trichterförmigen Einsen- kung, also oft schon bei Embryonen von 5—7 cm, meist erst bei etwas grösseren (von 9—10 em) findet man in dem die Mucosa bildenden embryonalen Bindegewebe, das bis dahin ziemlich wenig Gefässe zeigte, eine reichlichere Vascularisation der ganzen Schleimhaut, besonders aber in der Gegend des Recess. ph. medius. Ausser den als solche leicht zu erkennenden, meist reichlich mit Blutkörperchen gefüllten Blutgefässen zeigen sich verschieden gestaltete theils spaltenartige längliche, spindel- förmige, theils unregelmässig viereckige, zum Theil auch einfach kanalartige Räume von verschiedener Weite (0,05—0,2 mm), die von einer deutlichen, spindelförmige Kerne enthaltenden zarten Haut ausgekleidet, entweder vollständig leer oder mit einem hellen Gerinnsel mehr oder weniger gefüllt sind, hie und da auch Iymph- körperchenartige Zellen enthalten (Fig. 12). Mit der Zunahme und Erweiterung der Blutgefässe tritt dann auch eine Veränderung in dem Aussehen des ursprünglich hier vorhandenen embryonalen Bindegewebes ein. Während nämlich gegen den Basilarknorpel hin dasselbe immer mehr den Character des lockigen fibrillären (f. B. Fig. 12) Bindegewebes annimmt, nähert es sich in der dem Epithel angrenzenden Partie mehr dem Aussehen des reticulären Bindegewebes und in den Maschen desselben findet man anfangs nur vereinzelt, später an Zahl immer mehr zunehmend lIymphkör- perchenartige Zellen auftreten (A. S. Fig. 12, 13, 14). Diese unter- scheiden sich von den Bindegewebszellen deutlich durch ihre Kerne, welche bei letzteren länglich, spindelförmig oder sternförmig er- scheinen, eine Länge von 11—164, eine Breite von 93—4u zeigen, während die durchaus runden, einen Durchmesser von 3—5u hal- tenden Kerne der Lymphkörperchen noch ganz besonders durch ihre viel intensivere Färbung auffallen. Zur Veranschaulichung der einzelnen Phasen der Entwicklung will ich eimige von den Präparaten, bei denen dieselben am prägnantesten hervortreten, etwas näher beschreiben; es muss jedoch bemerkt werden, dass auch bei diesen histologischen Vorgängen ebenso, wie dies oben schon bezüglich des ersten Auftretens und der weitern Entwicke- lung der triehterförmigen Einsenkung hervorgehoben wurde, indivi- duelle Verschiedenheiten vorkommen, in der Weise, dass zuweilen bei einem etwas grösseren Fötus der Entwieklungsvorgang noch etwas hinter dem bei einem kleineren nachzuweisenden, zurückge- 202 Schwabach: blieben ist. Bei einem 10 cm langen Embryo (Fig. 8), wo die Schleimhaut schon reichlicher vascularisirt ist, jedoch noch ganz den Character des embryonalen Bindegewebes mit ganz vereinzelt eingestreuten Iymphkörperchenartigen Zellen zeigt, hat die von vorn unten nach hinten oben gerichtete sehr deutlich hervortretende Einstülpung eine Tiefe von 1,92 mm, an ihrer Mündung hat sie eine Weite von 0,664 mm, sie verengt sich weiter hin auf 0,166 mm, um sich alsbald wieder bis auf 0,49 mm zu erweitern und schliess- lich in einer 0,083 mm weiten Spitze zu enden. Grade an diesem Präparate sieht man deutlich, wie durch das besonders starke Her- vortreten des durch die Pharynxmuseulatur gebildeten Wulstes an der oberen Partie der hinteren Rachenwand die hier so beträcht- liche Tiefe der Einsenkung bedingt wird. Eine Vergleichung der Figuren 7 u. 8 wird diesen Antheil des Rachenwulstes an der Ver-. tiefung der Einsenkung noch klarer erscheinen lassen. Wenn man sich vorstellt, wie bei Nr. 7 durch weitere Zunahme der hier noch wenig ausgesprochenen Wulstbildung an der hintern Pharynxwand diese letztere später wesentlich weiter hervortreten muss, dann erklärt sich die auffallende Vertiefung in Fig.8 von selbst. Es kommt dazu, dass auch die Anordnung des Epithels darauf schliessen lässt, dass die in Fig. 8 als untere Wand der Einsenkung sich darstellende Partie zum eigentlichen Recess. ph., der, wie auf Fig. 7 ersichtlich, genetisch dem Fornix ph. selbst angehört, nicht mehr zu rechnen ist. Es zeigt sich nämlich, dass das flimmernde Cylinderepithel, welches die Schleimhaut der Fornix ph. überzieht, auch da, wo ein embryonaler Recess. ph. in der Weise, wie Fig. S darstellt, vorkommt, die Wände desselben auskleidet, dass dagegen die, wie oben auseinandergesetzt, der hintern Rachenwand bereits ange- hörige Partie, welche, wie bei Fig. 8, die hintere Wand der in der gedachten Weise beträchtlich vertieften Einsenkung mitbilden hilft, stets mit mehrschichtigem Plattenepithel bedeckt ist, wie es der hinteren Rachenwand überhaupt zukommt. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch an dieser Stelle zuweilen noch das Plattenepithel durch Inseln von ceylindrischen Flimmerzellen unterbrochen wird und dass zuweilen sich hier auch ein mehr- schichtiges Epithel findet, dessen Zellen eigenthümlich länglich, kolbig oder auch spindelförmig erscheinen und oft dachziegel- förmig angeordnet sind. Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass an Zur Entwickelung der Rachentonsille. 203 einzelnen Präparaten am Formix pharyngis sich stellenweise ein Epithel fand, dessen oberste Schicht aus mit Flimmern besetzten, mehr kubischen Zellen bestand. Ausgeprägter zeigen sich die geschilderten Verhältnisse bei einem 11 cm langen Embryo (Fig. 12). In der Umgebung der hier schon beträchtlich abgeflachten Einsenkung (vordere Wand (v. W.) 0,3 mm, hintere Wand (h. W.) 0,6 mm, s. oben) sieht man neben den in der Länge getroffenen mit Blutkörperchen gefüllten Gefässen mehrere der oben beschriebenen länglichen, spindelförmigen, zum Theil leeren, zum Theil mit hellem Gerinnsel gefüllten Räume, die eine Weite von 0,05—0,2 mm im Durchschnitt zeigen, und zwar finden sich die- selben grade in der Umgebung der flachen Einsenkung. Zwischen dem dem Epithel am nächsten gelegenen Raume und dem Epithel selbst sieht man in dem hier schon mehr das Aussehen des retieu- lären zeigenden Bindegewebe Leucocyten zwar ziemlich zahlreich, aber doch noch nicht eine so dichte Infiltration bildend, wie wir dies an Präparaten älterer Früchte sehen werden. Da wo die obere Wand in die vordere übergeht, zeigt sich in Form eines noch ganz soliden kegelförmigen Zapfens der Ausführungsgang einer acinösen Drüse. Sowohl weiter nach vorn als auch zu bei- den Seiten der Einsenkung treten an diesem, wie auch an dem vorigen Präparate derartige acinöse Drüsen (D) resp. die Aus- führungsgänge derselben zahlreicher auf, während in der Gegend der Einsenkung selbst, auch bei älteren Föten ich solche nicht gefunden habe. Bemerkenswerth ist, dass besonders bei etwas älteren Früchten gerade in den den Ausführungsgängen zunächst liegenden Partien der Schleimhaut, namentlich da, wo sie, an die Oberfläche tretend, von einer leichten Einziehung der Schleimhaut umgeben sind, die Infiltration mit Leucocyten eine besonders auf- fallende war. An dem vorliegenden Präparat sieht man wiederum, wie das flimmernde Cylinderepithel nach hinten bis zu der Stelle reicht, wo die hintere Wand der Einsenkung beginnt und wie von da an mehrschichtiges Plattenepithel auftritt. An dem zunächst zu betrachtenden Präparate (Fig. 9), von einem 16 cm langen Embryo stammend, ist an der Einsenkung von einer vorderen Wand nicht mehr die Rede, dieselbe geht unmittelbar in die vordere Partie des Rachendaches über, während die von der oberen Partie der hinteren Rachenwand gebildete hintere Wand in einer Höhe von 0,8 mm hervortritt. An der Decke der Einserkung findet 204 Schwabach: sich eine papillenartige Erhebung, welche möglicherweise bei weiterem Wachsthum zu der bei ausgetragenen Früchten zu- weilen beobachteten, die Einsenkung in eine vordere und hintere Abtheilung trennenden Scheidewand und damit zur Bildung eines isolirten Grübchens, wie ich es in meiner frühern Arbeit (l. ec.) be- schrieben habe, Veranlassung geben könnte. In der Umgebung der Einsenkung zwischen den auch hier auffallend weiten spindel- förmigen Räumen und dem Epithel findet sich im Bindegewebe eine Infiltration mit Leucocyten, die hier bereits zu einer Dicke von 0,35 mm angewachsen ist, nach vorn und hinten jedoch wieder beträchtlich an Dicke abnimmt. Diese Abnahme der Infiltration findet auch lateralwärts von der Einsenkung statt, wie dies die Betrachtung der betreffenden Sagittalschnitte ergibt, deren am meisten lateral gelegene nur noch ganz vereinzelt im Bindegewebe eingestreute Zellen zeigen. Das an der vorderen Partie sehr gut ausgeprägte flimmernde Cylinderepithel, das noch zum Theil die papilläre Erhebung bedeckt, geht auch bier nach hinten hin in mehrschichtiges Plattenepithel über. Die weiteren Verände- rungen, welche an älteren Früchten zu beobachten sind, betreffen im Wesentlichen die adenoide Substanz, insofern dieselbe nunmehr stetig an Ausdehnung gewinnt und zugleich in ihrem Bereiche die Zahl der Blutgefässe, namentlich der Venen sich beträchtlich ver- mehrt und die Weite derselben zunimmt. So bildet die adenoide Substanz bei einem Fötus von 20 em Länge über der Einsenkung eine Schicht von 0,5 mm Dicke und sowohl nach vorn als auch lateralwärts hat die Infiltration an Masse zugenommen; bei einem 30 em langen Fötus beträgt die Dicke derselben unter der ganz flachen Einsenkung, die überhaupt nur durch das Hervortreten der hintern Wand gegen die Umgebung abgegrenzt ist, 0,8 mm, wäh- rend sie nach vorn gegen die Choanen zu und ebenso nach hinten dicht vor den Mm. const. ph. allmählich an Dicke abnimmt und an ersterer Stelle nur 0,35 mm, an letzterer Stelle 0,25 mm misst. Die Infiltration ist hier eine so dichte, dass von dem Bindegewebe der Schleimhaut nichts mehr zu sehen ist, während dasselbe nach oben hin gegen den schon stark in Verknöcherung begriffenen Basilarknorpel (in dessen Sphenoidaltheil auch die Bildung der Keil- beinhöhle (Fig. 11 K) schon begonnen hat) bereits dem Aussehen der Fibrocartilago entspricht (Fig. 11f. B.). Das, was ausser den Leu- coeyten in der Schleimhaut besonders hervortritt sind die in grosser Zahl vorhandenen, sehr weiten (0,08—0,1 mm) Gefässe. Zur Eintwickelung der Rachentonsille. 205 Zur Orientirung über die Art und Weise, wie sich die In- filtration zu beiden Seiten der Binsenkung darstellt, füge ich schliesslich noch die Beschreibung eines, einem 24 cm langen Fötus entnommenen Frontalschnittes der. betreffenden Gegend bei. Der Schnitt (Fig. 15) ist nur zur Hälfte dargestellt und entspricht einer ziemlich weit nach vorn gelegenen Partie des For- nix, da wo die jetzt bereits über die Mitte desselben hinausreichende mittlere Spalte sich allmählich verliert. Die ganze Breite des Fornix beträgt an dieser Stelle 3,0 mm. Die Infiltration mit Leuco- eyten nimmt eine Breite von l,l mm ein. Die Dicke dieser Schicht adenoider Substanz beträgt in der Umgebung der Medianlinie, also entsprechend der mittleren Spalte, 0,53 mm (auf Schnitten, die weiter nach hinten zu etwas vor der Einsenkung geführt sind, hat die adenoide Substanz noch eine Dicke von 0,49 mm) und nimmt lateralwärts allmählich ab, so dass schliesslich an der Uebergangs- stelle des Daches zu der Seitenwand des Pharynx (s. Ph.) nur noch ganz vereinzelte lymphkörperchenartige Zellen im Bindegewebe der Schleimhaut sich finden. Auffallend sind auch hier die im Bereiche der Infiltration, zwischen ihr und dem dem Basilarknorpel angrenzen- den Bindegewebe gelegenen (L.R.)mehrfach beschriebenen Spalträume. Acinöse Drüsen treten besonders zahlreich in der der Seitenwand der Pharynx entsprechenden Schleimhaut auf, deren Ausführungs- gänge zum Theil schon offen sind. Die hier gegebenen Beschreibungen dürften keinen Zweifel da- rüberlassen, dassauchdiehistologischen Veränderungen, wie siein den verschiedenen Stadien desembryonalen Lebens auftreten, dieobenausgesprocheneAnsichtbestätigen,dass die als „embryonaler Recess. ph. med.“ zu bezeichnende Einsenkung am hinteren Ende desRachendaches nichts weiter ist, als dieerste Anlage der Rachentonsille, deren Entwickelung also, um es kurz zu wiederholen, in folgender Weise vor sich geht: Nachdem zuerst bei Embryonen von 6—7 cm Scheitelsteisslängean derSchleimhautdes Fornix, da wo derselbein die hintere Rachenwand übergeht, eine flache Einsenkung in Form eines Grübcehens oder einer feinen Spalte aufgetreten ist, findet bei weiterem Wachsthum eine in Folge des stärkeren Hervortretens der oberen Partie der hinteren Rachenwand noch besonders ausge- prägte, zuweilen recht beträchtliche Vertiefung der- 906 Schwabach: selben statt, dieihr MaximumbeiEmbryonenvon 9—10 cm erreicht. Von da an erfolgt eine stetige Abflachung der Einsenkung und zwar in Folge der Ausdehnung des ur- sprünglich eireumseripten Grübchens nach vorn in eine mehr oder wenigerausgeprägte Längsspalte. Dievordere Wand des trichterförmigen Grübchens geht somit un- mittelbar in die obere Wand der mittleren Spalte der Rachentonsille über, als deren leicht vertieftes Ende schliesslich bei reifen Früchten resp. bei Kinderninden ersten Lebensmonaten sich die Einsenkung erweist. Inzwischen vollziehen sich auch in der Schleimhaut des Rachendaches zunächst in der Umgebungder Einsenkung histologische Veränderungen, welche auf die Entwicke- lung derdieeigentliche Rachentonsille constituirenden adenoiden Substanz hindeuten. Mit derZunahmeder bisher nur spärlichen Vasecularisation zeigen sich in dem zunächst noch den Character des embryonalen darbietenden Bindegewebe Iymphkörperchenartige Zel- len, die anfangs noch zerstreut, bei weiterem Wachs- thum des Fötus an Zahl stetig zunehmend, eine mehr oder weniger dieke Schicht bilden; zugleich sieht man, dass das Bindegewebe der Schleimhaut seinem Aussehen nach sich mehr dem reticulären nähert, während das segen den Basilarknorpel zu gelegene eine deutlich fibrilläre, loekige Beschaffenheitannimmt. Die Infiltra- tion mit Leucocyten, anfangs in der Gegend der Ein- senkung amdichtesten, breitet sich bei fortschreitender Entwickelung sowohl weiter nach vorn als auch lateral- wärtsaus und zwar immer entsprechend der weiter fortschreitenden Ausbildung der an der Schleimhaut- oberfläche sichtbaren Spalten. Mit der zunehmenden Infiltrationnimmtinauffallender Weiseauch die Zahl und Weite der Blutgefässe, namentlich der Venen, zu. Zur Unterstützung meiner hier erörterten Ansicht von der gene- tischen Bedeutung des embryonalen Recess. ph. med. will ich noch kurz auf die Entwickelungsvorgänge eingehen, wie siean der Gaumen- tonsille sich gestalten und zum Theil schon von Kölliker (l. ce.) und Schmidt (11) beschrieben worden sind. Ich habe bereits oben erwähnt, dass nach Kölliker die Zur Eintwickelung der Rachentonsille. 207 Gaumentonsillen im vierten Embryonalmonat in Gestalt einer einfachen Spalte oder spaltförmigen Ausbuchtung der Schleim- haut jeder Seite auftreten und demnach bezüglich der ersten An- lage derselben eine Analogie mit der der Rachentonsille besteht. Diese Analogie tritt noch deutlicher hervor, wenn wir die histologischen Verhältnisse der Tonsillen, wie sie bei fortschreitender Entwickelungsich zeigen, mit einander vergleichen. Ich habe eine Reihe von Präparaten verschiedener Entwickelungsstufen der Gaumentonsille untersucht, will mich jedoch darauf beschränken, nur zwei derselben, an welchen die Vorgänge am prägnantesten bezüglich ihrer Analogie mit denen der Rachentonsille sich dar- stellen, zu besprechen, nämlich ein Präparat, das einem 4,1 cm langen Embryo und eins, das einem 9 cm langen entstammt. Bei dem ersteren stellt sich die Anlage der Gaumentonsille in Form einer länglichen, von fast halbmondförmig gebogenen Wänden be- srenzten, 0,48 mm tiefen Einstülpung (TonsillenhöhlenachSchmidt) der Schleimhaut dar, deren Weite am Eingang 0,16 mm, am Boden 0,08 mm misst. Die Einstülpung ist von einem 0,03—0,07 mm dicken, mehrschichtigen Plattenepithel ausgekleidet, einer directen Fortsetzung des Epithels der unteren resp. vorderen Fläche des Velum pelatinum. Die Schleimhaut besteht noch aus embryonalem Bindegewebe, in dessen dem Epithel angrenzenden Partie, demnach in der ganzen Umgebung der Einstülpung, sich zwar zahlreiche, jedoch noch keine dichte Infiltration bildende, Iymphkörperchen- artige Zellen eingestreut finden, die auch hier wieder, wie schon oben geschildert, durch die Grösse und Färbung ihrer Kerne sich von den Bindegewebszellen ohne Weiteres unterscheiden. Lateralwärts von dieser, die genannten Zellen enthaltenden Partie des Schleim- hautbindegewebes, pp. 0,16 mm vom Epithel entfernt, treten auch hier neben Durchschnitten von Blutgefässen die mehrfach beschrie- benen, meist längs getroffenen spalt- oder kanalförmigen Räume auf. Wesentlich weiter in der Entwickelung fortgeschritten zeigen sich die Verhältnisse bei einem 9cm langen Embryo (Fig. 16) Die Länge der bereits mehrfache Verzweigungen zeigenden Einbuchtung (T. H.) beträgt 1,0 mm, die Weite am Eingang 0,05, in der Mitte 0,l mm. Sie ist ebenfalls mit einem mehr- schichtigen Plattenepithel ausgekleidet. Die Schleimhaut in der Umgebung der grössten Einsenkung zeigt eine beträchtliche Infil- tration mit Leueoeyten (A. S.) und zwar bereits in soleher Dichte, 208 Schwabach: dass von der Structur des Bindegewebes selbst im Bereiche der- selben nichts mehr zu erkennen ist. In dieser Gegend sieht man neben zahlreichen, im Querschnitt getroffenen, weiten Blutgefässen wiederum mehrere unregelmässig gestaltete, 0,1—0,3 mm weite spalt- förmige Räume, wie sie mehrfach erwähnt worden sind. In der Umge- bungderkleinern Verzweigungen der Tonsillenhöhleist eine Infiltration mit Leucocyten noch nicht wahrzunehmen, doch findet man dieselbe an anderen Präparaten, die von etwas älteren Embryonen stammen. Es bestätigen diese Befunde im Wesentlichen das, was Köl- liker (10) und Schmidt (11) bezüglich der Entwickelung der Gaumentonsille beobachtet und beschrieben haben und wir sind demnach in der Lage, bei einer Vergleichung dieser Vorgänge mit der von mir bezüglich der Entwickelung der Rachentonsille gegebenen Beschreibung zu be- haupten, dass eine vollkommene Analogie in dem Ent- wickelungsgang dieser beiden Organe besteht: hier wie dorttrittalserste Anlage eine spaltförmige Einbuchtung der Schleimhaut auf, die weiterhin an Tiefe zunimmt und von dermehrfache Verzweigungenausgehen. Ein Unterschied besteht nur insofern als bei der Rachentonsille die ursprüngliche Ein- senkung später wieder eine beträchtliche Abflachung erleidet, indem sie nach vorn hin in eine auf der Fläche der Schleimhaut sich hin- ziehende Spalte (die mittlere Spalte der Rachentonsille) übergeht und zugleich auch lateralwärts strahlenförmige Fortsätze sendet (die la- teralen Spalten der Rachentonsille), während die Verzweigungen der ursprünglichen Einstülpung der Gaumentonsille sich in die Tiefe der Schleimhaut hinein erstrecken. Ein fernerer Unterschied betrifft die Beschaffenheit des Epithels, welches bei beiden Ein- senkungen demjenigen entspricht, welches die umgebende Partie der Schleimhaut bedeckt, demnach also bei der Einsenkung an der Tons. ph. aus flimmerndem Cylinderepithel, bei der Gaumen- tonsille aus mehrschichtigem Plattenepithel besteht. Bei beiden Organen findet die Infiltration mit Iymphkörperchen- artigen Zellen constant in der Umgebung der gruben- förmigen Einsenkungen statt undzwar zunächstinder Um- sebung der als erste Anlage sich zeigenden Einsenkung, und erst bei weiterem Fortschreiten der Entwickelung “auch in der Umgebung der Verzweigungen derselben. Deutliche Follikel habe ich selbst in den letzten Monaten des Zur Entwickelung der Rachentonsille. 209 Embryonallebens weder bei der Rachentonsille noch bei der Gaumen - tonsille gefunden. Ob auch die Entwickelung der Schleimbälge der Zungenwurzel, die ihrer Structur nach bekanntlich mit den Tonsillen übereinstimmen, in ähnlicher Weise vor sich geht, darüber stehen mir eigene Untersuchungen nicht zu Gebote. Kölliker behauptet es; ein Unterschied bestehe nur darin, dass hier die Schleim- hautaussackung aus ihrem Grunde auch eine gewöhnliche trauben- förmige Drüse entwickelt. Ganghofner (l. ce.) meint dagegen, dass die ganze Entwickelung der Pharynxtonsille, die ursprünglich vorhandene diffuse Anordnung des adenoiden Gewebes etc. nicht der in neuerer Zeit vertretenen Auffassung entspreche, wonach die Pha- rynxtonsille mit den Zungenbalgdrüsen identifieirt wird. Haupt- sächlich fehle die regelmässige Gruppirung umschriebener ade- noider Substanz um eine grubenförmige Vertiefung. Aus der oben segebenen Darstellung wird ersichtlich, dass, entgegen dieser An- schauung Ganghofner’s, an der Rachentonsille allerdings eine regelmässige Gruppirung adenoider Substanz um eine grubenförmige Vertiefung stattfindet, wenn auch von einer umschriebenen Anord- nung derselben, also wie Ganghofner wohl hervorheben will, in eigentlichen Follikeln, noch nichts zu sehen ist. Allein diese scheinen, wenn überhaupt, bei allen drei hier in Frage kommenden Organen erst bei reifen Embryonen (Kölliker) vorzukommen. Der Zeit- punkt des Auftretens von Follikeln seheint überhaupt zu variiren. Schmidt (l. e. S. 230 u. 273) hebt besonders hervor, dass man im Embryonalleben und zum Theil noch in der nächsten Zeit nach der Geburt nur die formlose Infiltration, welche er als die einfachste Form bezeichnet, die der Bildung von Follikeln voran- geht, findet und meine eigenen Beobachtungen stimmen damit voll- ständig überein. Es erübrigt noch, auf die Frage einzugehen, in welchem Verhältniss die Blutgefässe, deren stetige Zunahme an Zahl und Grösse im Vorigen betont wurde, zur Entwicklung der adenoiden Substanz stehen und welche Bedeutung die mehrfach erwähnten vielgestaltigen spaltenförmigen Räume haben. Am auf- fallendsten treten die Blutgefässe und namentlich die Venen an älteren Embryonen {von 20 cm Scheitelsteisslänge an) hervor, bei denen, wie wir gesehen haben, auch die Infiltration mit Leucocyten eine sehr beträchtliche ist. Die Gefässe haben eine ganz auf- fallende Weite von 0,05—0,08—0,l mm. Es liegt nahe, diese mit der Zunahme der Infiltration mit Leucocyten einhergehende Ver- Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32. 14 210 Schwabach: mehrung und Erweiterung der Blutgefässe in einen ursächlichen Zusammenhang zu bringen, wie dies auch von Schmidt (!. e.), der dieselbe Beobachtung an der Gaumentonsille menschlicher Embryonen gemacht hat, geschehen ist. Während er jedoch der Meinung ist, dass die ersten Lymphkörperchen in den Tonsillen des Embryo durch eine eigene Umbildung und fortgesetzte Thei- lung der Bindegewebszellen der Schleimhaut entstehen, und dass dieser Process von der unmittelbaren Nähe und dem Ein- fluss der kleinen Blutgefässe bedingt sei, in der Weise, dass man mit Brücke und Leydig die Adventitien der kleinen Blutgefässe als die Ausgangspunkte der Lymphbildung ansehen müsse, so werden wir, mit Rücksicht auf die neueren Anschauungen über die Herkunft der Leucocyten im Bindegewebe, uns mehr der Ansicht zuneigen müssen, dass die Infiltration desselben mit den genannten Zellen auf die Auswanderung weisser Blutkörperchen aus den Blutgefässen zurückzuführen ist, ein Vorgang, der durch die mehrfach betonte beträchtliche Erweiterung der Gefässe und einer damit vielleicht einhergehenden Verlangsamung des Blutstromes bedingt sein könnte. Es bliebe dann natürlich noch zu erklären, wodurch die Erweiterung der Blutgefässe bewirkt wird. Vielleicht gibt dazu die, wie wir gesehen haben, mit der Zunahme der Vas- ceularisation zugleich zu beobachtende Umwandlung des ursprünglich vorhandenen embryonalen Bindegewebes in die Form des retieulären Veranlassung, indem die nunmehr zu einem Netzwerk sich ver- einigenden Fasern gegenüber der ursprünglich mehr homogenen Intercellularsubstanz einen stärkeren Zug an den Gefässwandungen ausüben. — Was die mehrfach erwähnten vielgestaltigen spalten- oder kanalartigen Räume anlangt, so musste ihr Aussehen daran denken lassen, dass es sich nicht um Blutgefässe, sondern um Lymphräume handelte. Namentlich sprach dafür, abgesehen von der Form derselben, der Umstand, dass sie, im Gegensatz zu den dicht mit Blutkörperchen gefüllten Gefässen, entweder mit einem hellen Gerinnsel, dem sich hie und da einige als Leucoeyten deut- lich erkennbare Zellen beimischten, ganz oder theilweise erfüllt, oder aber ganz leer erschienen. Sowohl in dem einen wie in dem anderen Falle sah man die Wandung derselben ausgekleidet mit einer zarten, deutlich spindelförmige Kerne enthaltenden Haut, ein Umstand, der von vornherein den Gedanken, dass es sich um Kunst- producte handeln könnte, ausschloss.. Sertoli (12) hat in einer Zur Eintwickelung der Rachentonsille. 211 Arbeit über die Entwickelung der Lymphdrüsen ähnliche Räume im Mesenterium des Dünndarms bei Rindsembryonen, an der Stelle, wo später die Lymphdrüse entstehen soll, gefunden und geglaubt, dieselben für Lymphräume oder Lymphgefässe halten zu können, „da sie gänzlich den Character entbehren, den Blutgefässe an sich haben.“ Schmidt (l. ec.) fand bei zwei menschlichen Embryonen von 5 und 51/, Monaten in der Gaumentonsille zwischen den Blut- sefässstämmen deutliche Lymphgefässe, mit Körnern angefüllt, die in keiner Beziehung von jenen verschieden waren, die in das Ge- webe der Schleimhaut eingesprengt sich fanden. Die grösste Weite der Lymphgefässe betrug bei dem jüngeren Embryo 0,03, bei dem älteren 0,05 mm. Hin und wieder hatten die Lymphgefässe, be- sonders die kleinsten, ein unregelmässiges Aussehen, waren bald erweitert, bald bedeutend verengt. Wo die Lymphgefässe hie und da in einiger Ausdehnung von Körnern leer waren, hatten sie das Aussehen einfacher kanalartiger Räume in dem umgebenden Binde- sewebe, während sie, gefüllt, von einer feinen scharf gezeichneten dunklen Linie begrenzt waren. In der Nähe der Infiltration be- stand ihre Wand aus einer äusserst dünnen, homogenen Haut mit einzelnen undeutlichen Spuren von Kernen, aber in einem der grössten tiefer liegenden Räume glaubt Schmidt ein unverkenn- bares Epithel mit den gewöhnlichen Zellenkernen wahrgenommen zu haben. Schmidt bemerkt noch, dass eine Verwechselung der beschriebenen Gefässe mit Blutgefässen nicht möglich war; bei dem einen Embryo waren die letzteren nämlich allenthalben mit gefärbten Blutkörperchen angefüllt, die in ihrem ganzen Aussehen von den in die Schleimhaut infiltrirten, farblosen kernhaltigen Lymphkörperchen äusserst verschieden waren, während die in den Lymphgefässen enthaltenen Zellen in jeglicher Beziehung mit diesen übereinstimmten. Der stringente Beweis dafür, dass es sich in der That um Lymphgefässe und nicht um Blutgefässe handelt, ist natürlich nur durch künstliche Injection der Blutgefässe zu führen. Ich selbst habe bei einem 26 cm langen Fötus dieselbe mit lös- lichem Berlinerblau von der Umbilicalvene aus vorgenommen und konnte an den diesem Fötus entstammenden Präparaten das Vor- handensein der betreffenden Räume mit Sicherheit constatiren. Während die in der adenoiden Substanz ausserordentlich zahl- reichen und weiten (0,05—0,08 mm) Venen mit der Injections- flüssigkeit gefüllt waren, zeigten sich an der Grenze der ade- 212 Schwabach: noiden Schicht und der Submucosa theils spindelförmige, theils ganz unregelmässig gestaltete, 0,03—0,08 mm weite, den oben beschriebenen ähnliche Räume, die von der Injectionsmasse voll- ständig frei geblieben waren und nur vereinzelte Leucocyten ent- hielten, so dass also mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es sich um Lymphräume handelt. Auch Schmidt gelang es bei dem 5!/, monatlichen Embryo, die Blutgefässe durch künstliche Einspritzung vollständig zu füllen, ohne dass die Injectionsmasse irgendwo in die Lymphgefässe eindrang. Er sieht es demnach für eine Thatsache an, nicht allein, dass sich schon im Embryonal- leben Lymphkörperchen in den Tonsillen bilden, sondern auch, dass dieselben allmählich, wie sie erzeugt werden, durch ableitende Lymphgefässe in den Blutstrom übergeführt werden. Literatur. 1) Luschka, Der Schlundkopf des Menschen. Tübingen 1868. 2) Luschka, Der Hirnanhang und die Steissdrüse des Menschen Berlin 1860. 3) Landzert, Ueber den Canalis cranio-pharyngeus der Neuge- borenen, Petersb. med. Zeitschr. 1868, Heft 1. 4) Rippmann, Ueber einen bisher nicht beobachteten Fall multipler Intrafoetation in- und ausserhalb der Schädelhöhle; Zürich 1865 (Citat bei GanghofnerS.5, S.-A.) 5) Dursy, Zur Entwickelungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere. Tübingen 1869. 6) W. Müller, Ueber Entwickelung und Bau der Hypophysis und des Proc. infundibuli cerebri. Jenaische Zeitschr. f. Med. etc. 1871, VI, S. 356. 7) Ganghofner, Ueber die Tonsilla und Bursa pharyngea. Sitzungs- berichte d. K.K. Acad. der Wissensch. III. Abth., Octob.-Heft, Jahrg. 1878. Wien. 8) Froriep, Kopftheil der Chorda dorsalis bei menschlichen Em- bryonen. Beiträge zur Anat. u. Embryol. als Festgabe Jacob Henle zum 4. Octob. 1882 dargebracht von seinen Schülern. Bonn 1882. 9) Megevand, Contribution & l’etude amatomo-pathologique des maladies de la voute du pharynx. Geneve 1887. 10) Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. 11) Schmidt, Das folliculäre Drüsengewebe der Schleimhaut der Mundhöhle und des Schlundes beim Menschen und den Säugethieren. Zeitschr, f. wissenschaftl. Zool. XIII, Leipzig 1863. 12) Sertoli, Ueber die Entwickelung der Lymphdrüsen, Sitzungs- berichte der K. K. Acad. der Wissensch. Wien 1866. Zur Entwickelung der Rachentonsille. 213 Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 6. Flächenansicht des Fornix pharyngis von menschlichen Früchten. Unterkiefer, Zunge etc. abgetrennt. Fig. 1. Embryo von 3,1cm Scheitelsteisslänge (2 mal vergr.). Fornix pha- ryng. (F. ph.) glatt ohne jede Einsenkung. Embryo von 7,5 cm Scheitelstl. Rec. pharyng. med. in Form einer feinen Spalte in der Mitte des F. ph. an dessen hinterem Ende. = Ei 80) Fig. 3. Embryo von 8,0 cm Scheitelstl. R. ph. med. in Form eines kleinen Grübchens. Fig. 4. Embryo von 9,0 cm Scheitelstl. Andeutung von seitlichen Spalten, vom R. ph. m. ausgehend. T. p. = Tonsilla palatina. Fig. 5. Fötus von 20 cm Scheitelstl. a schmales Zwischenstück der Schleim- haut zwischen seitlicher Spalte und R. ph. m. Fig. 6. Fötus von 24,0 cm Scheitelstl. Fast vollständig ausgebildete Tonsilla ph., mit (m. Sp.) medialer Spalte und (l. Sp.) lateralen Spalten (und Leisten) vom R. ph. m. ausgehend, (Fig. 2—6 natürl. Grösse.) Fig. 7, 8, 9, 10, 11, mediale Sagittalschnitte durch den Fornix pharyngis mit Recessus pharyngeus medius (R. ph. m.) und zwar Fig. 7 und 8 bei S mal. Vergr. (Embryonen von 5,2 und 10,0 cm Länge). Fig. 9, 10, 11 bei 4 mal. Vergr. (Föten von 16,0, 20,0, 30,0 cm Länge). Fig. 12. Medialer Sagittalschnitt durch F. ph. in der Gegend des R. ph. m. (v. W. = vordere Wand, h. W. = hintere Wand) von einem 11,0 cm langen Fötus. Hartnack Syst. 5, Oc. 3. Fig. 13. Med. Sagittalschn. derselben Gegend von einem 16 cm langen Fötus. | Hartn. Syst. 4 (Frontlinse Fig. 14. Med. Sagittalschn. derselben Gegend | abgeschraubt), Oc. 3. von einem 20 cm langen Fötus. Fig. 15. Frontalschnitt (halbirt) durch die Tons. phar. da wo die mittlere Spalte in die Oberfläche der Schleimhaut ausläuft. 24 cm langer Fötus. Hartnack Syst. 4, Oc. 3. Fig. 16. Frontalschn. durch d. 1. Gaumentonsille eines 9cm langen Em- bryo. Hartnack Syst. 4, Oc. 3. V. pl.= Vel. palat. Gm. = Gaumen- muskulatur. T. H. = Tonsillenhöhle mit ihren Verzweigungen. Bei allen Figuren bedeuten: Sph.O. = Spheno-occeipitalknorpel. K. = Keilbein. A. = Atlas. E. = Epistropheus. H. = Hypophysis cerebri. Ch. d= Chorda dorsalis. F. ph. = Fornix phar. h. Ph. = hintere Rachenwand. s. Ph. seitl. Rachenwand. R.ph.m. — Recess. pharyng. medius. Constr. ph. = Muscul. constriet. pharyng. L. oph. = Ligament. oceipito-pharyng. v. = Blutgefässe. L. R. = Lymphräume. D.= acinöse Drüsen resp. deren Aus- führungsgänge. A. S. = adenoide Substanz. f. B. = fibrilläres Bindegewebe. Fl. E. = flimmerndes Cylinderepithel. P. E. = mehrschichtiges Pflasterepithel Ueber histologische Vorgänge an der Ossifications- grenze mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltens der Knorpelzellen!). Von Dr. E. Leser, Docent für Chirurgie an d. Universität Halle. Hierzu Tafel V. Es unterliegt wohl keiner Frage, dass im Grossen und Ganzen die Anschauungen, welche wir auf Grund sehr zahlreicher, zum Theil vortrefflieher Arbeiten aus den letzten Jahrzehnten über die Art der Entwickelung und des Wachsthums des Knochensystems über- haupt gewonnen haben, einheitlich festgestellt und fast allgemein als richtig anerkannt sind. Jedoch stehen immer noch, wie auch nicht anders zu erwarten, einzelne hierhergehörige Spezialfragen in Discussion und in solchen gehen die Ansichten der Forscher mehr oder weniger weit auseinander. So ist die Frage, ob bei der sog. eudochondralen Ossification die Zellen des epiphysären Knorpels an der ÖOssificationslinie sich in knochenbildende Zellen, Osteoblasten, umwandeln, oder ob dieselben zu dieser Zeit untergehen oder sich indifferent verhalten, bis jetzt noch nicht entschieden. Aus der neueren Zeit sind, so weit wenigstens meine Literaturkenntnisse reichen, Arbeiten über diese Verhältnisse nicht bekannt gegeben; ich habe deshalb die- selben zum Gegenstand einer erneuten Untersuchung gemacht und durfte hoffen, dass letztere vielleicht von Erfolg begleitet sei, be- sonders, weil ja unsere Kenntnisse von den Lebensäusserungen der Gewebszellen mit Hülfe der verbesserten mikroskopischen Tech- nik in der neuesten Zeit nicht unwesentlich erweitert und vor Allem exactere geworden sind. Es lag in der Natur der zu untersuchenden Materie, dass ich dabei nicht diesen speziellen Vorgang ausschliesslich verfolgte, 1) Nach einem auf dem Chirurgen-Congress 1888 gehaltenen Vortrage. Ueber histologische Vorgänge an der Ossificationsgrenze etc. 215 sondern auch die anderen hier vorkommenden Processe mit in den Bereich meiner Beobachtung zog. Bevor ich auf diese selbst eingehe, scheint es jedoch angezeigt, ganz kurz an die Hauptvorgänge zu erinnern, welche hier in Betracht kommen und wie sie allgemein geschildert werden. Die erste Veränderung!), welche in der Nähe der gegen den Epiphysen-Knorpel vordringenden Markgefässe in ersterem eintritt, ist eine Wucherung und Vergrösserung der Knorpel- zellen, in Folge deren sich an Stelle der vereinzelten Zellen kleine Gruppen von solehen bilden. Unter fortgesetzter Vermehrung be- sinnen die Zellen sich reihenweise zu ordnen und zwar in der Weise, dass sich die ganz platten Zellen, welche den kleinsten Durchmesser in der Längsachse des betreffenden Knochen haben, dicht übereinander lagern; — indem diese Anordnung gleichmässig in der ganzen Dieke der knorpeligen Anlage auftritt, entsteht die als Zone der gerichteten Knorpelzellenssäulen bekannte Knorpelschicht. Die Zellen nehmen, je mehr sie sich der Mark- höhle resp. der Verkalkungslinie nähern, allmählich an Grösse zu, weil sich ihr zur Längsachse des Knochens paralleler Durchmesser verlängert, und ebenso vergrössert sich auch die die Zelle ein- schliessende Kapsel und die hyaline Intercellularsubstanz; diese Knorpelpartie wird als eine besondere Zone, die Zone der hy- pertrophischen Zellen unterschieden. Durch diese Vorgänge wird eine Verlängerung des Knorpels in der Längsachse bewirkt, und so beruht das Längenwachsthum der knorpelig präformirten Knochen auf einem stetig fortschreitenden Wachsthum des Knor- pels. Haben die Knorpelzellen eine gewisse Grösse erreicht, so stellt sich in der Grundsubstanz und in den Kapseln derselben die bekannte Verkalkung ein, welche durch die Ablagerung feinster Kalkkrümel eingeleitet wird. Damit ist das weitere Wachsthum des Knorpels sistirt; die Zone des verkalkten Knorpels erlangt niemals eine grosse Aus- dehnung, sondern bildet nur einen schmalen, weiss aussehenden Saum. Nach kurzem Bestand wird sie zerstört, indem das an- grenzende Mark gegen den Knorpel vordringt, die verkalkte Grund- substanz bis auf wenige Reste auflöst und in die aufgebrochenen 1) Bei dieser Darstellung folge ich wesentlich der von Ziegler in seinem Lehrbuch d. pathol. Anatomie gegebenen Beschreibung. 216 E. Leser: Knorpelhöhlen eindringt. Ueberall, wo Knorpelgrundsubstanz ge- löst und Knorpelhöhlen aufgebrochen werden, schieben sich weite Gefässschlingen von Markzellen begleitet vor, und es wird zweifel- los die Auflösung des verkalkten Gewebes durch den grossen Blutreichthum des Markgewebes begünstigt. Von der Grundsubstanz bleiben nur wenige schmale, vielfach ausgezackte Bälkehen übrig, welche in der Regel keine Knorpelzellen einschliessen. Die Knorpel- zellen selbst verschwinden in dem Markgewebe: ob sie zerfallen, oder sich erhalten und zu Markzellen werden, ist noch nicht sicher entschieden. Dieses ist wohl kurz die allgemein als richtig anerkannte und von den verschiedenen Autoren mit nur unwesentlichen Abweichungen ge- schriebene Ansicht über die postembryonale endochondrale Ossification. Was nun meine eigenen Untersuchungen angeht, so war ich in Bezug auf die Technik der Herstellung der Präparate bemüht, durch die verschiedenste Art der Behandlung ein möglichst viel- seitiges und vollständiges Bild der vorgehenden Veränderungen zu gewinnen. Ich habe deshalb einen grossen Theil der mikros- kopischen Präparate in der Weise hergestellt, dass ich die vom noch lebenden Thier entnommenen Knorpeltheile zum Theil in Flemming’sches Säuregemisch, andere in Chromsäurelösungen, 0,2—0,4°/,, wieder andere direkt in absoluten Alkohol brachte, um so die ev. vorhandenen Zellkerntheilungsbilder zu fixiren. Später sind dann die Präparate theilweise in Alkohol in steigender Concentration, theilweise in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet worden; als Tinetionsflüssigkeiten dienten mir meist concentrirte wässrige Saffraninlösung, dann auch Pierocarmin, Hämatoxylin und neutrales Carmin, Alauncarmin ete. — Die Präparate stammen von ganz jungen, noch wachsenden Thieren, nicht über 3 Monate alt; meist von Hunden, aber auch von Katzen und Kaninchen. Zweckmässigkeitshalber halte ich bei der folgenden Be- sprechung meiner Beobachtungen dieselbe Reihenfolge ein, wie bei der soeben gegebenen kurzen Schilderung. Das erste Zeichen der beginnenden Ossification, gewisser- massen ein Vorbereitungsprocess ist die Knorpelzell-Wucherung, welche oft auf der ganzen Fläche des epiphysären Knorpels bis zu dem spongiösen Knochenkern des Gelenkendes hin auftritt. Es ist mir nach zahlreichen Untersuchungen und nach Durchsicht sehr vieler Schnitte gelungen, an den Knorpelzellen dieser Schicht Ueber histologische Vorgänge an der Össificationsgrenze ete. 217 die Hauptypen von Zellkerntheilungsfiguren, welche bei der sog. indireeten Zelltheilung vorkommen und wie wir sie dureh die Arbeiten von Flemming, Strasburger, Schleicher, Rabl und Anderer kennen gelernt haben, nachzuweisen. Meines Wissens ist bisher Nichts darüber veröffentlicht; ich wenigstens habe in der mir zugänglichen, allerdings nicht sehr umfangreichen Litteratur darüber Nichts gefunden. Das Auffinden der Mitosen wird einmal durch ihre relative Kleinheit an und für sich und dann weiterhin durch die fast ausnahmslos auch in diesen jungen Knorpel- zellen auftretenden Fetttröpfehen nicht unwesentlich erschwert. Letzteres scheint somit nicht, wie man vielfach annimmt, nur bei älteren Formen des Knorpels vorzukommen. In Betreff der karyo- kinetischen Figuren ist Folgendes zu sagen: Erstens sind solche Zellen sehr zahlreich, welche sich zu einer erhöhten Thätigkeit vorbereiten, in welchen sich die tingible Kernsubstanz, das Chro- matin vermehrt hat. Die Kerne derselben sind angefüllt mit grösseren und kleineren Chromatinkörnern, welche sich durch ein netzartig gebautes Geäst feinster Fäden miteinander verbinden. Ferner habe ich Zellen gesehen, in deren Kernen sich das Chro- matin zu dichten feinfädigen, stark gewundenen Knäueln ange- ordnet hat. Die Zellkernmembran ist in allen diesen Zellen noch deutlich sichtbar; bei der weiter vorschreitenden Karyokinesis scheint sie zu schwinden. Als dritte Art von Zellen sind solche zu betrachten, deren Kerne ein dickfädiges, aus Verkürzung und Verdickung der zarten Fäden hervorgegangenes Knäuel beher- bergen. Dann sieht man Zellen mit sog. Tonnenform der Kern- figur und zwar sowohl solche, in welchen die sog. Tochtersterne noch nahe aneinander liegen, als auch solche, in welchen letztere schon mehr nach den Polen auseinander gerückt sind. Endlich konnte ich Zellen fixiren, bei welchen an den beiden Polen die Tochterknäuel Gerüstfiguren an feinen Fäden erkennen lassen. Ebenfalls entsprechend den anderwärts gemachten Befunden sieht man auch an dem Pro- troplasma der Knorpelzellen sich erst in letzteren beiden späten Stadien der Kernbewegung eine allmählich tiefer werdende Ein- schnürung sich ausbilden; letztere führt endlich dazu, dass zwei Zellen mit deutlichen Kerngerüstfiguren mit den einander zuge- kehrten, platten, fast geraden Wänden dicht zusammenliegen. Was die räumliche Ausdehnung, in welcher Zellen mit Mi- tosen vorkommen, angeht, so ist zu bemerken, dass man, wie schon 218 E. Leser: gesagt, bereits in der Knorpellage, welche dicht an dem Knochenkern des Gelenkendes liegt, solchen Kerntheilungen begegnet. Am lebhaftesten allerdings gehen die Karyokinesen dicht über dem Gebiet der sogenannten Knorpelzellsäulen vor sich; man findet sie aber auch noch in den gen. platten Zellen; jedoch nimmt ihre Zahl immer mehr ab, je näher man der Verkalkungslinie rückt; dicht über derselben habe ich keine Spur derselben mehr entdecken können. Auf Tafel V Fig. I habe ich versucht, die Hauptformen der karyokinetischen Figuren, welche mir in den verschiedensten Prä- paraten zu Gesicht gekommen sind, zu zeichnen und zusammen- zustellen. Das Product der oben erörterten Knorpelwucherung ist nun, wie bekannt, eine grosse Anzahl von Zellen, welche sich durch ihre Form und Anordnung sehr deutlich differenziren: sie sind ganz platt — ihr kleinster Durchmesser entspricht der Längsachse des Knochens — dabei von der verschiedensten Gestalt: oft fast vollkommen rechteckig, dann wieder mehr elliptisch, dreieckig etc. So lagern sie dicht an- und übereinander, oft kaum durch nur schmale Spangen hyaliner Zwischensubstanz geschieden. Auf einem Querschnitt durch die Längsachse des Knochens an dieser Stelle sieht man, dass dieselben Zellen in dieser Ebene rundlich resp. länglichrund gestaltet sind: sie bilden also in des Wortes wahrster Bedeutung: Zellsäulen. Ihr Protoplasma ist deutlich gekörnt, ebenso ist der ruhende Kern fein granulirt. Verfolgt man nun weiter diese platten Knorpelzellen nach der Markhöhle hin, so sieht man, wie dieselben grösser werden, indem sich ihr Durchmesser in der Richtung der Längsachse des Knochens verlängert; gleichzeitig vergrössert sich in demselben Sinne die Höhle, welche die Zelle einschliesst und ebenso vermehrt sich die hyaline Zwischensubstanz. Bei fortgesetzter Annäherung an die Verkalkungslinie nimmt der Durchmesser der Knorpelzellhöhlen in der Richtung der Längsachse des Knochens noch mehr zu und auch die in denselben ein- geschlossenen Zellen werden wohl hier und da noch etwas grösser. Gleichzeitig jedoch bekommen letztere ein mehr hydropisches Ansehen: das bis dahin deutlich dieht und stark granulirte Zell- protoplasma zeigt immer weniger feine Körner; der vergrösserte Kern, zuweilen fast die ganze Zelle ausfüllend, lässt nur an wenigen Ueber histologische Vorgänge an der Ossificationsgrenze etc. 219 Stellen, meist an der Peripherie noch einzelne kleine dunkele Punkte erkennen: er sieht in der That ganz blass, geschwollen, wie eine Blase aus. Schon bei schwacher Vergrösserung kann man diese hydropische Metamorphose der Knorpelzellen wahr- nehmen; denn man sieht am mikroskopischen Schnitt, dass dicht über der Verknöcherungslinie die bisher dunkel gekörnten Knorpel- zellen der Säulenreihen ganz hell und fast durchsichtig werden: sie bilden auf der ganzen Linie eine fast farblose, blasse, mässig breite Schieht zwischen der Zone der Zellsäulen und der sog. pro- visorischen ersten Verkalkungslinie. Diese hydropische Veränderung der Knorpel an dieser Stelle ist, wie es scheinen will, von wesentlicher Bedeutung; sie scheint einenregressiven Charakterzu haben und den vollständigen Untergang der Knorpelzellen einzuleiten. Einmal ist an den Zellen dieser Zone auch nirgends nur eine Spur von vermehrtem Chro- matin zu finden, geschweige denn von Kerntheilungen die Rede; man sieht vielmehr, dass sich in dem blasenähnlichen Kern die tin- sible Substanz fast ausnahmslos bis auf einzelne Reste kleinster Körnchen, welche meist der Kernwand anliegen, vermindert hat; ebenso hat auch das Protoplasma, wo es noch sichtbar, eine nur minimale Körnung. Dagegen hat die Intercellularsubstanz, welche zwischen den Zellkapseln liegt, an einzelnen Stellen zuge- nommen,und letztere selbst sind auch wesentlich vergrössert; so füllt die Zelle selbst, trotz der erwähnten hydropischen Schwellung, nur -einen Theil des Kapsel-Inneren aus. Endlich aber sieht man viele Knorpelzellkapseln, welehe nur noch kleinste Theile von proto- plasmatischer Substanz einschliessen; wie mir scheinen will, Reste der moleculär zerfallenen Knorpelzellen. So wenig- stens glaube ich mir Bilder, wie sie auf Tafel V in Fig. II wiederge- geben sind, am Besten erklären zu sollen. Denn mitsolehen Kapseln wechseln häufig vollkommen leere ab, Höhlen, in welchen keine Spur eines zelligen Bestandtheils zu entdecken ist. Diese alle liegen dicht an der sog. provisorischen Verkalkungszone; zuweilen sieht man sie noch zwischen den bereits von Gefässen aufgebrochenen Kapselräumen liegen. An dieser Stelle beginnen nunmehr auch diejenigen Verän- derungen Platz zu greifen, welehe die endliche Umwandlung in Knochengewebe direkt vermitteln; es ist dies die provisorische Verkalkung und die Vaseularisation. Erstere giebt sich, wie ge- 220 E. Leser: sagt, durch eine feinkörnige Trübung nicht nur der Intercellular- substanz, sondern auch des Knorpelkapsel-Inneren zu erkennen. Durch die gleichzeitig auftretende Gefässbildung complieirt sich das mikroskopische Bild nicht unwesentlich. In die, wie oben ge- schildert, veränderten Knorpelhöhlen dringen Gefässe und Gefäss- sprossen ein, welche sich sehr bald mit rothen Blutkörperehen füllen; zuweilen sieht man ganz unvermittelt in einer noch entfernt gelegenen Knorpelkapsel ein Stück Blutgefäss mit Blutkörperchen. Sehr häufig bilden die Gefässe, welche manchmal kolbig erweitert scheinen, an der Kapselgrenze, in welche sie eingedrungen sind, Schleifen, die dicht mit rothen Blutkörperchen gefüllt sind; letztere geben dem mikroskopischen Bild schon bei schwacher Vergrösse- rung, abgesehen von der Verkalkung, den charakteristisch dunklen, im Ganzen regelmässigen, nur in geringen Grenzen abweichenden Saum, welcher sofort dem Auge auffällt. Erst hinter diesen Gefässen kommen ziemlich grosse Zellen zur Anschauung, welche besonders charakterisirt sind; sie sind meist eckig, von verschiedenster Form, seltener rundlich oder spindelförmig, stark granulirt, mit deutlich gezeichnetem Kern; es scheint, als ob sie die Blutgefässe, welche aus der Markhöhle zur Össificationsgrenze aufsteigen, begleiten; man sieht nämlich auch häufig inmitten eines Schlauchs solcher Zellen ein Gefäss, oft theilweise mit säulenartig gelagerten Blutkörperchen gefüllt, ver- laufen und sich der oberen Grenze nähern. Die zuweilen noch in der Gestalt der Knorpelkapseln erschei- nenden, primären Markräume in der stehen gebliebenen verkalkten Grundsubstanz sind von diesen vielgestaltigen, eckigen Zellen an- gefüllt; irgend eine Differenz zwischen diesen und den weiter unten nach der Markhöhle zu zahlreich lagernden Osteoblasten ist nicht zu finden; ebenso wie letztere sieht man sie den ver- kalkten Knorpelgrundsubstauzbälkchen sich anlagern; nicht weit ent- fernt bekommt man dann das charakteristische Bild zu Gesicht, wie die Östeoblasten epithelartig angeordnet den frisch gebildeten Knochenbalken anliegend, neue Schichten Knochensubstanz produciren und theilweise selbst zu echten Knochenzellen werden. Wie sich so des Weiteren aus diesen feinsten Bälkchen, welche die ersten Markräume von einander scheiden, allmählich die spon- giöse Knochensubstanz ausbildet, wie die Form des Knochens und seine innere Architektur bedingt ist durch eine mit wechselnder Ueber histologische Vorgänge an der Össifieationsgrenze ete. 221 Stärke fortwährend statthabende Resorption und Regeneration, das sind Thatsachen, auf die näher einzugehen nicht in meinem Plane lag. Aus diesen geschilderten Beobachtungen scheint folgendes her- vorzugehen: Im „epiphysären Knorpelgewebe“ geht die Neu- bildung von Zellen nach denselben Gesetzen, wie sie für die Neu- bildung von Zellen anderer Gewebe als charakteristisch festgestellt sind, vor sich: eine Reihe typischer „Formverschiebungen“ des Zellkerngerüstes führt endlich zur Theilung des Kerns und dann der Zelle. Das Product dieses Wucherungsprocesses im Epiphysen- Knorpel ist eine grosse Reihe eigenthümlich platter Zellen, welche durch ihre Anordnung in langen Säulen das Längenwachsthum der Knochen bedingen. Auch in dieser Zellenpartie finden sich, wenn auch spärlicher, noch Mitosen. In der Nähe der Mark- räume gehen mit den neugebildeten Zellen Veränderungen vor, welche ihren thatsächlichen Untergang einzuleitenscheinen: das Protoplasma der Zellen wird blass, es sieht hydropisch aus; der Kern verliert seine Gerüstsubstanz, er erscheint blasenähnlich. Ganz in der Nähe der Verkalkungslinie, zum Theil auch inmitten derselben sind viele der oft sehr geräumigen Knorpelhöhlen ganz leer, einzelne noch mit Resten protoplasmatischer Zellsubstanz angefüllt. An den Zellen dieser Schicht fehlt jede Spur von Mitosen. In die zum Theil ganz verlassenen, zum Theil noch mit Zellen ausgestatteten Kapselräume schieben sich Gefässe und Gefäss- sprossen, indem sie ihre Wand durchbrechen; sehr bald füllen sich dieselben, indem sie in unmittelbarer Verbindung mit den aus der Markhöhle aufsteigenden Biutgefässen stehen, strotzend mit rothen Blutkörperchen. Unmittelbar nach den Gefässen — räumlich und zeitlich — bemerkt man rel. grosse, deutlich granulirte Zellen von der verschie- densten Gestalt, welche die von ersteren frei gelassenen Räume ausfüllen. Sie stammen aus dem Mark und scheinen identisch mit den Osteoblasten Gegenbauers. Dieser geschilderte Modus des postembryonalen Knochen- wachsthums scheint übrigens schon seit lange als zutreffend bei der embryonalen Knochenbildung aus knorpeliger Grundlage zu selten; wenigstens nehmen viele Autoren, welche über embryo- nale Knochenbildung Beobachtungen mitgetheilt haben, auf Grund ihrer Untersuchungen an, dass die Knorpelzellen bei der Ent- 995 E. Paulsen: wickelung des Knochengewebes zu Grunde gehen: so sprechen sich Lowen, Stieda, Uranassow, Kölliker, Steudener undan- dere aus; sie erkennen die genetische Unabhängigkeit des Knochengewebes vom Knorpelgewebe an. „Die in das Knochen- mark hineinragenden Knorpelzellen, — um mich der Worte Steu- dener’s zu bedienen aus seiner Arbeit: „Beiträge zur Lehre von der embryonalen Knochenentwickelung und dem Knochenwachsthum“, Halle, Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft 1877 — zeigen nirgends eine Spur von Theilung oder Vermehrung; es gehen vielmehr mit den Knorpelzellen Veränderungen vor, die man nur als regressive Metamorphose deuten kann; sie zerfallen moleculär und verschwinden, während in die dadurch frei gewordenen Räume von aussen Blutgefässe und Zellmassen dringen, welche mit denen der Markhöhle in unmittelbarem Zusammenhang sind d. h. von ihnen abstammen ; unter dem Einfluss dieser eingedrungenen Zellen entwickelt sich Knochengewebe: es sind die Osteoblasten Gegen- bauer’s“. So weit Steudener. Die Analogie in den Entwickelungsvorgängen bei dem em- bryonalen und postembryonalen Knochenwachsthum ist eine That- sache, welche mir für die Richtigkeit der in obigen Zeilen ge- schilderten Beobachtungen zu sprechen scheint. Halle a. S., im März 1888. Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Oberkieferhöhle. Von Dr. E. Paulsen in Kiel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel VI. Die folgenden Zeilen enthalten die Ergebnisse einiger Unter- suchungen, welche ich namentlich zur Erforschung der Secretions- organe in der Schleimhaut des Sinus maxillaris an einer Anzahl von höheren Säugethieren angestellt habe. Die Auskleidung der Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Oberkieferhöhle. 223 lufthaltigen Anhänge der Nasenhöhle ist schon wiederholt der Gegenstand histologischer Untersuchungen gewesen, dennoch glaube ich einiges mittheilen zu können, das vielleicht nicht ohne Inter- esse ist. Das von mir benutzte Material sind Kaninchen, Hund, Katze, Ochse, Kalb, Pferd und Hammel. Beim ersteren habe ich die Höhlungen, welche die Nasenhöhle umgeben, bei der Unter- suchung nicht von einander getrennt, bei den übrigen Thieren be- schränkte ich mich auf den Sinus maxillaris, mit Ausnahme eines Pferdes, bei dem ich noch den Sinus frontalis berücksichtigte. Ausserdem war es mir möglich einen Theil der Oberkieferhöhle eines erwachsenen Menschen zu verwerthen, nämlich die äussere und obere Wand derselben, welche wegen eines Osteosarkoms exstirpirt waren. Zur Bärtung und Färbung verwendete ich be- sonders die 1%/,ige Osmiumsäure und das Delafield’sche Häma- toxylin, nur ausnahmsweise behandelte ich Alkoholpräparate nach der Heidenhain’schen Methode. Die Oberkiefer der Kaninchen entkalkte ich mittelst Chromsäure. Wenn man die Schleimhaut der Highmorshöhle, welche überall den Einsenkungen und Erhabenheiten der knöchernen Wandungen folgt, mittelst der Pincette von dieser Grundlage abhebt, was sich ohne Schwierigkeit ausführen lässt, dann erhält man eine Mem- bran, welche nicht überall ein gleichmässig zartes Häutchen dar- stellt, sondern es wechseln im Gegentheil oft Strecken von verhält- nissmässig sehr bedeutender Dicke mit solchen von grosser Zartheit. Das die Oberfläche bedeckende Epithel ist überall ein flim- merndes Cylinderepithel und enthält vielfach Becherzellen, was auffallenderweise allen bisherigen Untersuchern entgangen ist. Beim Menschen, beim Ochsen und beim Pferde waren sie in ausser- ordentlicher Menge vorhanden, beim Kalbe, beim Hunde und beim Hammel fand ich sie schon viel seltener, bei der Katze sehr ver- einzelt und beim Kaninchen konnte ich trotz vielen Suchens nicht eine einzige Becherzelle auffinden. Die Angabe Scheff’s!), dass unter dem Oberflächenepithel eine glashelle Schicht, eine Membrana hyaloidea, liege, kann ich nicht bestätigen: sie fehlte stets bei den von mir untersuchten Thieren. Nach den Beschreibungen von Hyrtl und Zuckerkandl?) erfährt die Schleimhaut durch das 1) Krankheiten der Nase u. s. w. von Scheff. Berlin 1886. 2) Normale und pathologische Anatomie d. Nasenhöhle u.s.w. Wien 1882. 224 i E. Paulsen: Auftreten von makroskopischen Falten eine Vergrösserung. Aber auch mikroskopische Faltenbildungen finden sich in grosser An- zahl. Wahrscheinlich hat Giraldes diese für die von ihm be- schriebenen Papillen angesehen. Sie sind reihenweise neben ein- ander geordnet und erscheinen in verschiedenen Formen: bald er- hebt sich die Mucosa nur in leichten Wellenlinien, bald steigt sie höher empor. Meist tragen die Falten abgerundete Kuppen, zu- weilen aber scharfe, auch mehrfach ausgezackte Spitzen. Ver- mehrt wird die Unebenheit der Oberfläche noch dadurch, dass sich zwischen den Falten zuweilen kraterförmige Vertiefungen finden. Dass diese Schleimhaut reich an Nerven und Blutgefässen ist, kann ich bestätigen. Auch hat Scheff(l. e.) schon mitgetheilt, dass die obere Schleimhautschicht oft eine Einlagerung von Leucocyten, nament- lich in der Nähe von Blutgefässen und von Ausbuchtungen der Oberfläche zeigt, welche sich stellenweise zu Iymphknötchenartigen Anhäufungen verdichtet. Die benachbarte epitheliale Bedeckung findet man an solehen Stellen stark von durchtretenden Leucocyten durchsetzt. Es erscheint mir nicht angebracht derartige Gebilde als adenoides Gewebe zu bezeichnen, da man denselben in den verschiedensten Schleimhäuten und in den verschiedensten Ab- stufungen begegnet. Das hervorragendste Interesse nehmen die in der Oberkiefer- höhle befindlichen Drüsen in Anspruch. Die Angaben, welche über ihr Vorkommen gemacht worden sind, zeigen ausserordentlich wenig Uebereinstimmung, ja es ist sogar ihr Vorhandensein gänz- lich in Abrede gestellt worden. Während Sappey sie anfangs nur am Boden der Kieferhöhle finden konnte, hat er sich später doch von dem Vorkommen zahlreicher Drüsen in allen Nebenhöhlen der Nase überzeugt. Virchow!) suchte in der Schleimhaut der Keilbeinhöhlen vergebens nach Drüsen: er fand sie auf die nächste Umgebung der Mündungen beschränkt. Nach Girald&s kommen Drüsen in der ganzen Ausdehnung des Sinus maxillaris vor, am reichlichsten und in grösster Entwicklung aber in der inneren Wand dieser Höhle. Kölliker konnte Drüsen nur hin und wie- der im Antrum Highmori finden. Krause gibt an, dass diese Höhlen spärliche und kleine einfache Schleimdrüsen enthalten. 1) Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes. Ber- lin 1857. Ueber die Schleimhaut, besonders dıe Drüsen, der Oberkieferhöhle. 225 Felisch!) konnte beim Pferde nur einzelne kleine Drüsen in der nächsten Umgebung der Mündungen finden und versichert, dass die Schleimhaut der Nebenhöhlen selbst keine Spur von Drüsen enthalte. Luschka?), der überhaupt die genauesten Angaben macht, sagt, dass sie sparsam mit Drüsen versehen seien und die- selben in der Stirn- und Keilbeinhöhle sowie in den Siebbeinzellen nur sehr vereinzelt gefunden würden, in der Oberkieferhöhle da- gegen reichlich vorhanden wären die meisten hätten die Gestalt mannigfach verästigter Schläuche von einfacheren bis zu compli- eirteren Formen, andere erinnerten mehr an den Bau acinöser Ab- sonderungsorgane. Henle lässt in den Nebenhöhlen traubenför- mige Drüschen nur ganz vereinzelt und in geringeren Dimensionen als in der Nasenschleimhaut selbst vorkommen. Zuckerkandl (l. e.) beschreibt in der oberen Wand des menschlichen Sinus maxillaris eine zungenförmige Schleimhautpartie, in der die dicht an einander gelagerten Gruppen von Drüsen durch ein gelblich- blasses Colorit für das unbewaffnete Auge erkennbar seien. Scheff (1. e.) endlich fand „eigenthümlich“ geformte Drüsen überall in der Kieferhöhle, wie in den anderen Nebenhöhlen. Ich selbst habe weder in der oberen und äusseren Wand des einen menschlichen Sinus maxillaris noch in einer der daraufhin untersuchten Höhlen der obengenannten Thiere jemals Drüsen ver- misst, doch waren sowohl ihre Zahl als ihre Formen sehr ver- schiedene. Gruppen von Drüsen, wieZuckerkandl sie beschreibt, habe ich in der oberen Wand der menschlichen Highmorshöhle nicht auffinden können, es waren hier im Gegentheil nur einige wenige Drüsen vorhanden, während sie in der Aussenwand etwas zahlreicher auftraten. Einer der Ausführungsgänge zeigte eine gabelförmige Theilung: eine Erscheinung, auf deren Vorkommen schon Giraldes hinweisst. Recht spärlich sind die Drüsen beim Kalbe: sie bilden einfache, im Ganzen parallel zur Oberfläche ver- laufende, wenig gewundene, kurze Schläuche. Beim Ochsen sind sie schon weiter ausgebildet: ich fand sowohl langgestreckte, mit kleinen Sprossen versehene Schläuche, als verhältnissmässig grosse, 1) Beitrag zur Histologie d. Schleimhäute in d. Lufthöhlen d. Pferde- kopfes. Göttinger phil. Inaug.-Dissert. Berlin 1878. 2) Die Anatomie d. Menschen — u. Schleimpolypen d. Oberkieferhöhle. Virchow’s Arch. Bd. VII. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32, 15 236 E. Paulsen: vielfach gewundene Tubuli, welche sich je nach dem vorhandenen Raume mehr in die Tiefe oder in die Länge ausbreiteten. Beim Hammel sind die Formen noch mannigfaltiger: an manchen Stellen finden sich nur spärliche, schmale, langgestreckte Schläuche oder das Gewebe zeigt sich durchsetzt von den in den verschiedensten Richtungen verlaufenden Drüsen oder dieselben präsentiren sich endlich ganz nach dem Schema sog. traubenförmiger Drüsen. Den Angaben von Felisch, dass beim Pferde die Schleimhaut der Nebenhöhlen selbst keine Spur von Drüsen enthalte, muss ich in Bezug auf die Stirnhöhle und Oberkieferhöhle widersprechen. Denn die zarte Auskleidung der ersteren war allerdings, wenn auch nur sehr spärlich, mit Drüsen versehen, deren Windungen sich über einen verhältnissmässig grossen Raum ausbreiteten und in einem in der Mitte gelegenen kurzen Ausführungsgange ver- einigten. In der geräumigen Oberkieferhöhle finden sie sich zahl- reicher, doch habe ich auch hier wiederholt grössere Strecken durchsucht, ohne auf eine einzige Drüse zu stossen, in anderen Gegenden tauchte in mehreren Hunderten von Schnitten hie und da einmal eine vereinzelte Drüse auf und nur an wenigen Stellen waren sie zu kleinen Gruppen gehäuft. Beim Hunde, beim Ka- ninchen und der Katze sind die Drüsen im Gegensatz zu den eben- genannten Thieren überaus zahlreich; namentlich an solchen Stellen, wo die Schleimhaut dicker ist, besteht das Gewebe fast ausschliess- lich aus einer compacten nur von Blutgefässen und Nerven durch- ‚setzten Drüsenmasse, welche den ganzen Raum vom Oberflächen- epithel bis dicht an die knöcherne Grundlage einnehmen kann. Die Ausführungsgänge der Drüsen der Highmorshöhle zeigen häufig eine Eigenthümlichkeit, welehe schon Luschka aufgefallen ist, von ihm aber für eine pathologische Erscheinung gehalten wurde. Er erwähnt nämlich als Entartungen „blasenförmige Er- weiterungen des Hauptschlauches sowie der Nebenschläuche“. Der- artige Ausbuchtungen der Ausführungsgänge habe ich wiederholt gefunden, so beim Hammel und besonders häufig beim Pferde. Selbstverständlich war bei ihnen die Oberkieferhöhle frei von allen krankhaften Veränderungen. Beim Pferde zeigte der kurze Aus- führungsgang fast stets nahe seiner engen Mündung, die zuweilen auch noch in eine trichterförmige Einsenkung der Schleimhaut vor sich ging, eine rundliche, manchmal ganz beträchtliche Erweite- rung, in welcher geronnene Secretmassen sich angesammelt hatten. Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Oberkieferhöhle. 227 Es ist sehr natürlich, dass derartige Verhältnisse besonders leicht zu Stauungen des Secretes und zur Entwicklung von Cysten Ver- anlassung geben. Eine solche mit heller Flüssigkeit gefüllte kleine Cyste habe ich einmal bei einem Hammel gefunden. Erwähnen will ich noch, dass bei der Katze das Epithel der zwischen den Drüsenballen gelegenen Ausführungsgänge eine deutliche Längs- streifung seiner äusseren Hälfte zeigte. Ferner fand ich bei einem Pferde in zahlreichen Drüsenepithelien grössere und kleinere Fett- tröpfehen eingestreut. Wenn nun die Drüsen dieser Höhlen nach dem Bau ihres Epi- thels in eine der beiden von Heidenhain eingeführten Typen einge- reiht werden sollen, dann kann es für die Mehrzahl derselben keinem Zweifel unterliegen, dass sie den Eiweissdrüsen zuzurechnen sind. Beim Kalbe, Ochsen, Pferde (in der Oberkieferhöhle wie in der Stirnhöhle), Kaninchen und bei der Katze bestehen die auskleiden- den Zellen der Tubuli stets ausschliesslich aus den dunklen, mit einem grossen, rundlichen Kerne versehenen Zellen der serösen Drüsen. Bei den übrigen Thieren war es jedoch nicht so einfach. Es zeigten nämlich die Seeretionsorgane der menschlichen High- morshöhle denselben complicirten Bau d. h. das gemischte Epithel, wie ich dies früher für die Drüsen der menschlichen mittleren Nasenmuschel beschrieben habe!). Beim Hunde wechselten Strecken derartiger Drüsen mit reinen Eiweissdrüsen. Beim Hammel fand ich einmal ausschliesslich seröse Drüsen, in zwei Fällen waren sie vor- herrschend, machten aber stellenweise den Drüsen mit gemischtem Epithel Platz und bei zwei weiteren Thieren habe ich nur die letzteren gesehen. Das Eigenthümliche ihres Baues besteht, um es hier noch einmal zu wiederholen, in folgendem. In jedem Tubulus befinden sich als einschichtiges Epithel in unbestimmter Menge und Auswahl gemischt neben einander zwei verschiedene Zellarten, nämlich einmal grosse, ausgebauchte, mit Hämatexylin tingirbare Zellen mit einem hellen Inhalt im lockeren Maschenwerke und einem abgeplatteten, an der Basis gelegenen Kerne, also Zellen, welche ebenso gebaut sind wie die Zellen der Zungenschleimdrüsen, wesshalb ich sie als „Schleimzellen“ ansehe; und zweitens kleinere, dunkle, durch Hämatoxylin nach Osmium- behandlung nicht färbbare Zellen mit einem grossen, rundlichen, 1) Dieses Archiv Bd. 26 u. 28. 228 E. Paulsen: tingirbaren, gegen die Mitte gerückten Kerne: diese Zellen zeigen somit dieselben Charactere wie die Zellen der Eiweissdrüsen. In Folge der regellosen Anordnung dieser beiden Zellarten können die in einem Präparate neben einander liegenden Durchschnitte dieser Drüsen je nach der von dem Schnitte getroffenen Stelle ent- weder als einfache Schleimdrüsen oder als Eiweissdrüsen er- scheinen oder als Secretionsorgane, welche die characteristischen Zellen beider vereinigen. Die inden Bowman sehen Drüsen ausser- dem noch vorkommenden Zellen mit einer grösseren oder geringeren centralen Schleimzone habe ich im Sinus maxillaris nicht auffinden können. Auch das Vorhandensein von Randzellen muss ich hier wie den in Nasendrüsen ausschliessen. Allerdings werden derartige Ge- bilde auf Schrägschnitten vielfach vorgetäuscht, doch habe ich als entscheidend nur solche Tubuli angesehen, welche genau der Länge oder der Quere nach durchschnitten waren und dort konnte ich Randzellen niemals beobachten. In meiner Ansicht, dass es sich in diesen Fällen um eine eigenartige Vereinigung des secerniren- den Epithels seröser und mucöser Drüsen innerhalb desselben Drüsenschlauches handele, also um Drüsen mit einem gemischten Epithele, denen eine selbstständige Stellung eingeräumt werden müsse, bin ich durch weitere Untersuchungen über diesen Gegen- stand noch bestärkt worden, wenn eine derartige Auffassung auch manchen heutigen Anschauungen, sowohl denen Heidenhain’s als den neuerdings von Stöhr und anderen aufgestellten wider- spricht. Zwingende Gründe, meinen Befund anders zu deuten, etwa, wie Stöhr!) es will, als gemischte Drüsen im Heiden- hain’schen Sinne, deren Schleimzellen in den verschiedensten Funetionszuständen angetroffen seien, liegen meines Erachtens keineswegs vor. Denn wenn Stöhr’s Ansicht auch richtig sein mag, dass manche mucöse Drüsen in den verschiedenen Stadien der Lebensthätigkeit ihrer Zellen Bilder darbieten, welche mit den von mir soeben beschriebenen manche Aehnlichkeit aufweisen, so kann Stöh r’s Theorie doch für die Schleimdrüsen überhaupt keines- wegs als Regel aufgestellt werden. Ja es ist allseitig anerkannt, dass die Zungenschleimdrüsen z. B. sich ganz anders verhalten. Sie bestehen bekanntlich immer nur aus „Schleimzellen‘“ d. h. grossen, 1) Beiträge zur mikroskopischen Anatomie d. menschl. Körpers. Verh. d. phys.-med. Ges. z. Würzburg, N. F. XX, Bd. N. 11. Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Oberkieferhöhle. 229 hellen Zellen, die frisch untersucht spärlich von matten, körnigen Bildungen durchsetzt sind, im gehärteten Zustande dagegen ein srossmaschiges Fadennetz, dessen Zwischenräume vollständig von einer hellen Masse ausgefüllt sind, und an der Basis einen abge- platteten Kern zeigen!). Diese schon von Heidenhain erwähnte Thatsache ist übrigens auch von Stöhr?) nicht unberück- sichtigt geblieben: beim Menschen und Kaninchen hat auch er vergebens an den Zungenschleimdrüsen nach dem Stadium der „körnigen, protoplasmatischen“ Zelle mit rundlichem gegen die Mitte gerückten Kerne gesucht und zwar nicht nur an den ruhen- den Drüsen, auch durch Reizung mittelst Pilocarpin hat er beim Kaninchen nicht das ‚„protoplasmatische“ Aussehen der Zelle her- vorrufen und nicht beobachten können, dass die Kerne sich von der Basis entfernten, wenn sie auch mehr rundlich-oval und selbst rund wurden. Desshalb giebt er zu, dass bei diesen Drüsen die verschiedenen Secrectionsphasen ohne Dazwischenkunft jener Zell- stadien ablaufen, welche bei anderen Schleimdrüsen die secret- leeren Zellen darstellen sollen. Ganz ebenso wie die Zungen- schleimdrüsen verhalten sich übrigens auch die Schleimdrüsen in der Haut von Salamandra maculata: ich habe den Grund der beutelförmigen Einsenkungen der äusseren Haut stets ausschliess- lich mit „Schleimzellen“ ausgekleidet gefunden. Auch eine Beob- achtung Biedermann’'s?®) an den schleimbereitenden Zellen (Zungendrüsen u. a.) des Frosches darf hier wohl angeführt werden. Derselbe konnte weder im frischen Zustande noch an 1) Prof. Flemming theilt mir mit, dass er dies schon vor reichlich sechs Jahren an sehr vielen menschlichen Zungengründen hat constatiren können und dabei nur zwei Exemplaren von Tubuli mit Randzellen zu schen bekam. Aehnlich verhielt es sich auch beim Pferde: hier kommen nach Flemming’s Befunden an ganz bestimmten Stellen in der Umgegend der Geschmackspapillen zwischen den Ebner’schen und den reinen Schleim- drüsen auch einzelne Ballen vor, welche Randzellen enthalten und ganz das Bild der Submaxillardrüse zeigen, aber der weitaus grösste Theil der Drü- sen am Zungenrücken war bei mehreren untersuchten Pferden stets rein mucös. 2) Ueber Schleimdrüsen. Leipzig 1887. Sonder-Abdruck aus: Festschrift für Albert von Kölliker. 3) Zur Histologie u. Physiologie d. Schleimsecretion. Sitzungsber. d. K. Acad. d. Wissensch., math.-naturw. Klasse. 94. Bd. Wien 1887. 230 E. Paulsen: gehärteten Präparaten am Kerne der Zellen irgend welche merk- lichen Veränderungen in den verschiedenen Stadien der Thätigkeit wahrnehmen. Wir bedürfen aber überhaupt nieht der Annahme einer Diffe- renzirung der schleimbereitenden Zellen, wie Stöhr das anzu- nehmen gezwungen ist, wenn wir etwa vorhandene Randzellen nicht mit dem Process der Schleimbereitung in Beziehung bringen, sondern ihnen eine wesentlich andere Aufgabe zuerkennen. Doch sehe ich von den mit Randzellen ausgestatteten Schleimdrüsen vor- läufig ab, für den vorliegenden Zweck genügt es darauf hinzu- weisen, dass wie allgemein zugegeben wird die Zellen der Zungen- schleimdrüsen sich während der verschiedenen Stadien ihrer Lebens- thätigkeit stets als „Schleimzellen“ characterisiren, ebenso wie die Zellen der Ebner’schen Drüsen sich immer als „Eiweissdrüsen- zellen“ documentiren. Da nun die hellen Zellen in den Drüsen der Nasen- und Öberkieferhöhle vollständig mit den Zellen der mucösen Zungendrüsen und die dunklen Zellen der ersteren ganz mit den Zellen den serösen Zungendrüsen übereinstimmen, steht nach meiner Meinung der Annahme nichts im Wege, dass hier Secretionsorgane vorliegen, welche dadurch ausgezeichnet sind, dass die Auskleidung ihrer Tubuli aus neben einander gefügten solchen „Schleimzellen“ und „Eiweissdrüsenzellen“ besteht. Die Zusammensetzung dieses Epithels brauchen wir uns desshalb nicht als eine unter allen Umständen gleiche und unwandelbare vorzu- stellen, sondern es lässt sich denken, dass dieselbe Veränderungen dadureh unterworfen ist, dass ein Uebergang der einen Zellart in die andere stattfindet. Für den Ausdruck einer solchen Umwand- lung bin ich geneigt die in den Drüsen der Riechgegend vorkom- menden Zellen mit centraler Schleimzone anzusehen. Ich stelle mir diese Umwandlung aber nieht als einen Act vor, der inner- halb eines Seeretionsvorganges vor sich geht, wie das Stöhr für die Schleimzellen annimmt, sondern als einen langsam und allmäh- lich sich abwickelnden Vorgang. Welche Momente denselben ins Leben rufen, unter welchen Bedingungen er vor sich geht, das entzieht sich vorläufig der Beurtheilung. Ich kann aber darauf hinweisen, dass uns von einer anderen Drüse nicht nur das Vor- kommen eines derartigen Umwandlungsprocesses, sondern auch das ganz regelmässige Eintreten desselben während einer be- stimmten Lebensperiode des Trägers bekannt ist. Ich meine die Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen, der Öberkieferhöhle. 231 Niere des männlichen Seestichlings (Spinachia vulgaris). Nach den Untersuchungen von Prof. Möbius!) liefert dieselbe wäh- rend der Fortpflanzungszeit neben dem Harn, der während des ganzen übrigen Jahres ihr alleiniges Secret bildet, noch Muein, der in Fäden ausgezogen zum Nestbau verwendet wird. Die schleimbildenden Epithelzellen, welche Prof. Möbius ausschliess- lich in dieser Periode in der männlichen Niere und zwar nur in den Harncanälchen fand, verhalten sich nach seiner Beobachtung ganz wie die Zellen echter Schleimdrüsen d. h. wie die mehrfach beschriebenen „Schleimzellen‘‘ und liegen eingestreut zwischen den sewöhnlichen grosskernigen Epithelzellen der Harncanälchen, von denen einzelne die vor sich gehende Umwandlung in Schleimzellen d. h. eine centrale Schleimzone erkennen lassen. In Folge dieser Anordnung der beiden Zellarten gaben die Durchschnitte gewun- dener Harncanälchen aus einer solchen schleimträchtigen Niere (l. c. S. 559 u. Tf. XXII Fig. 8 a—f) entweder das Bild einer Eiweissdrüse oder das einer einfachen Schleimdrüse oder endlich das eines Secretionsorganes, welches die zwei characteristischen Zellarten beider Drüsen neben einander führt. Wir haben hier also eine Eiweissdrüse, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass während einer bestimmten kurzen Jahreszeit ein Theil ihrer Zellen eine Umwandlung in Schleimzellen erleidet. Eine gleichzeitige Ab- sonderung zweier verschiedener Secrete, wie sie diese Niere wäh- rend dieser Periode liefert, auch bei den Drüsen mit gemischtem Epithel nachzuweisen, ist mir nicht gelungen. Nur in solchen Fällen, wo grössere Secretmassen sich aufgestaut hatten, nämlich in der erwähnten kleinen Retentionsceyste im Sinus maxillaris eines Hammels und in den blasenförmigen Erweiterungen, die ich in den Ausführungsgängen der Drüsen in Schleimpolypen der mensch- lichen Nasenschleimhaut angetroffen habe, traten Erscheinungen auf, die möglicherweise in diesem Sinne zu verwerthen wären, wenn überhaupt derartige pathologische Ansammlungen hier in Be- tracht gezogen werden dürfen. Bekanntlich beobachtet man, dass bei den serösen Zungendrüsen das in den Ausführungsgängen befindliche geronnene Secret nach Osmiumbehandlung durch Hämatoxylin nicht gefärbt wird, sondern seine gelbbraune Farbe beibehält, bei den mucösen Zungendrüsen dagegen dasselbe unter solehen Umständen 1) Dieses Archiv Bd. 25. 232 E. Paulsen: Ueber die Schleimhaut, besonders die Drüsen etc. eine blaue Farbe annimmt. Der Inhalt dieser Cyste und der aus- gebuchteten Ausführungsgänge der Drüsen in Schleimpolypen ver- einigte nun diese beiden gegen den Farbstoff sich verschieden ver- haltenden Gerinnungen, indem derselbe der Hauptsache nach aus einer gleichförmigen, gelbbraunen, sich nicht färbenden Masse be- stand, in welche grössere und kleinere helle, sich blau färbende Tropfen eingestreut waren. RI Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Aus der Öberkieferhöhle eines erwachsenen Menschen. Drüse mit gemischtem Epithel. Gabelförmiger Ausführungsgang. Aus der Oberkieferhöhle eines Hammels. Drüsen mit gemischtem Epithel. | Aus der Oberkieferhöhle eines Ochsen. Eiweissdrüsen. Falten der Mucosa. Aus der Oberkieferhöhle eines Ochsen. Eiweissdrüsen. Aus der Oberkieferhöhle eines Pferdes. Eiweissdrüse. Blasenförmige Erweiterung des Ausführungsganges. Aus der Stirnhöhle eines Pferdes. Eiweissdrüse. Blasenförmige Erweiterung des Ausführungsganges. Aus der Öberkieferhöhle eines neugeborenen Kalbes. Eiweissdrüse. Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens (Hippocampus antiquorum) und über Muskelstructur im Allgemeinen. Von Alexander BRollett. Hierzu Tafel VII und VIU. Durch die eigenthümlichen Bewegungen, welche die Rücken- flosse des Seepferdehens beim Schwimmen des Thieres macht, wurde Ranvier auf die Untersuchung der Muskeln dieser Flosse geführt. Die Flosse bewegt sich bekanntlich nicht als Ganzes wie bei anderen Fischen, sondern es laufen eine Reihe von Ausbiegungen nach beiden Seiten des Thieres wellenförmig mit grosser Geschwin- digkeit über dieselbe ab. Den Grund für diese eigenthümliche Art der Bewegung fand Ranvier in der Anordnung der Muskulatur der Flosse. Diese ist in einem knöchernen Gehäuse enthalten, welches durch eine Längsscheidewand, die von den Gräten der Flosse ge- bildet wird, in zwei seitliche Hälften getheilt wird. Zu beiden Seiten der Scheidewand sind kleine conische Muskel angeordnet, welche jeder seine besondere Sehne hat. Man muss annehmen, dass diese isolirten Muskeln nicht simultan, sondern successive in Thätig- keit gerathen, woraus sich das Spiel der bewegten Flosse erklärt. Ranvier fand nun aber auch an den Fasern dieser Flossen- muskeln, die er nach mehrstündiger Behandlung mit verdünnter Ösmiumsäure (1:300) mikroskopisch untersuchte, einige bemerkens- werthe histologische Eigenthümlichkeiten. Die Fasern, welchen er einen mittleren Durchmesser von 50 u zuschreibt, besitzen ein von der quergestreiften Substanz des Muskels weit abstehendes Sarko- lemma. Der Raum zwischen beiden (5—10 « breit) ist ausgefüllt von einer mit grossen Kernen durchsetzten körnigen Masse. Jede solche Faser besitzt wieder ihre besondere Sehne und die Sehnen einer Anzahl soleher Fasern vereinigen sich in besonderer Weise Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 18) 234 Alexander Rollett: zur Sehne je eines der beschriebenen conischen Muskeln. Der Verbindung der einzelnen Faser mit ihrer Sehne wendet nun Ran- vier seine grösste Aufmerksamkeit zu, da ihm die beobachteten Details, wie das in der That auch der Fall ist, wichtig für die Frage des Zusammenhanges von Muskelfaser und Sehne erschei- nen. In dieser Beziehung kommt Ranvier auf seine im Jahre 1874 über die betreffenden Muskeln publieirte Notiz auch wieder zurück in dem 4. Fascikel seines Trait& technique d’histologie (pag. 508 u. 509) und in den Lecons d’anatomie generale sur le systeme musculaire (Paris 1880 pag. 241). In dem letzteren Werke finden sich auf Seite 222 und 242 zwei gleiche Abbildungen einer solchen Muskelfaser, von welchen die erstere aber auch noch zur Erläuterung gewisser Structurverhältnisse der Muskelfasern benutzt wird. Dabei nimmt Ranvier auch Bezug auf den in seinen Zeich- nungen dargestellten optischen Querschnitt der Faser. An der Abbildung desselben sieht man das Sarkolemma eine körnige von Kernen durchsetzte Masse umfassen, in deren Mitte der Durch- schnitt der quergestreiften Substanz in Form einer zwölftheiligen Rosette erscheint. Das von dem Contour der Rosette umfasste Areal ist schematisch mit geraden Strichen schraffirt. Den Einkerbungen der Rosette entsprechend erscheint in der Seitenansicht der Faser eine Längsstreifung und diese soll nach Ranvier den Zwischenräumen von Abtheilungen der Muskelsub- stanz entsprechen, die Ranvier (vergleiche 1. ec. p. 221), indem er einer unglücklich gewählten Bezeichnung Leydig’s folgt, als „Muskelprimitiveylinder“ bezeichnet. Diese Primitiveylinder sollen die quergestreifte Substanz der Faser zusammensetzen und zwar soll jedem einzelnen vorspringenden Blatt der Rosette des Querschnittes ein vorspringender Primitiveylinder entsprechen und durch diese Anordnung der Primitiveylinder an der Peripherie die quergestreifte Substanz der Muskelfaser die Form einer cannelirten Säule erhalten. Diese Darstellung Ranvier’s ist nicht richtig. Hätte Ranvier sein Object genauer untersucht, so wäre er auf Eigen- thümlichkeiten im Baue der Fasern der Flossenmuskeln geführt worden, die zu den sonderbarsten und merkwürdigsten gehören, auf welche man bisher gestossen ist. Als ich die Untersuchung der Muskeln des Seepferdchens in Angriff nahm, dachte ich nicht daran, eine besondere histologische Ausbeute zu machen. Ich glaubte vielmehr, dass Ranvier hier Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 235 schon alles Wesentliche gesehen hätte und hatte physiologische Studien in Aussicht genommen. Es ist nämlich nicht bloss die früher erwähnte eigenthümliche Bewegungsart der Flossen bei der Beobachtung des Thieres auffallend, sondern auch das überaus rasche Spiel der Flossen im Vergleich mit den trägen Bewegungen, welche z. B. die Muskeln des Schwanzes ausführen. Da ich nun kurz zuvor verhältnissmässig schwierig zu unter- suchende Muskeln von Arthropoden auf ihre physiologischen Eigen- schaften (zeitlichen Verlauf der Einzelzuckung, Erregbarkeit, Ent- stehung und Verlauf des Tetanus, Ermüdung u. s. w.) geprüft hatte!), so glaubte ich, dass mir das auch bei den Muskeln des Seepferdchens gelingen werde. Allein weder mit graphischen, noch mit stroboscopischen Methoden liess sich etwas ausrichten, für die ersteren sind die Flossen zu zart, die letzteren scheitern, weil das Spiel der Flossen sofort aufhört, wenn man das im Wasser befindliche Thierchen, um es zu fixiren, anfasst. Wird es gehalten, so macht es keine Bewegung, im Gegentheile, es erscheint wie hypnotisirt und vollständig regungslos. Wir bleiben also vorläufig auf die angeführten Wahrnehmungen der Bewegungen der Flossen des frei schwimmenden Thieres und des greifenden Schwanzes be- schränkt, damit treffen aber ganz grossartige Verschiedenheiten des histologischen Baues der Flossenmuskeln und der übrigen Skeletmuskeln des Thieres zusammen. Ich bemerke, dass ich mich erst, weil das bei Ranvier auch nicht zu finden war, davon überzeugte, dass die Analflosse und die Kiemenflossen von ganz ebenso gebauten Muskeln bewegt werden, wie die Rückenflosse, und dass diese Flossenmuskeln eben allesammt von den ganz anders gebauten übrigen Skeletmuskeln verschieden sind. Ehe ich aber nun daran gehe, die merkwürdige Struetur der Flossenmuskeln des Seepferdehens darzulegen, muss ich noch einige weitere einleitende Bemerkungen machen. Ich habe mich bei der Untersuchung derselben an jene Methoden gehalten, welche mich bei meinen Untersuchungen?) über den Bau der quergestreiften Muskelfasern zu einer in allen Theilen consequenten Darstellung des Baues derselben geführt haben, an dem ich, wie wir sehen 1) Denkschriften der math.-naturw. Klass. d. kais. Akad. zu Wien. Bd. LI, p. 194. 2) Denkschriften der math.-naturw. Klasse der kais. Akad. der Wissen- 236 Alexander Rollett: werden, trotz neuerer abweichender Darstellungen !) unerschüttert festhalten muss. Ja wir werden gerade in den Flossenmuskeln des Seepferdehens einen Prüfstein jener Auffassung kennen lernen, wie er entschei- dender gar nicht gedacht werden kann. Ich habe in den bisher veröffentlichten Theilen meiner Unter- suchungen des Baues der quergestreiften Muskelfasern zu erweisen gesucht, dass der vom Sarkolemma umschlossene Inhalt der quer- gestreiften Muskelfaser aus zwei wesentlich zu unterscheidenden Theilen besteht: aus dem Sarkoplasma und aus den Fibrillen. Die letzteren sind die Träger der Querstreifung. Sie sind gruppenweise zu strang- band- oder röhrenförmigen Bündeln zusammengeordnet und oft erscheinen auch noch diese Bündel (Muskelsäulchen) wieder zu grösseren Gruppen geordnet. Die Muskelsäulchen und die Mus- kelsäulchengruppen sind von dem Sarkoplasma auseinandergehalten. Diese Zergliederung der Muskelfasern stützte ich auf eine grosse Zahl von Thatsachen der vergleichenden Histologie. Und ich habe mit dem grössten Nachdrucke betont, dass für die sichere Begründung einer richtigen Anschauungsweise des Muskelbaues gerade die Resultate ausgedehnter vergleichend his- tologischer Studien von der grössten Wichtigkeit sind. Es zeigte sich nämlich in verschiedenen Fasern desselben Muskels und in den Muskelfasern verschiedenen Thiere eine ganz unerwartete Mannigfaltigkeit in der Anordnung der wesentlichen Theile einer Muskelfaser. Durch alle diese Mannigfaltigkeiten hindurch fand ich aber schaft. in Wien. Bd. XLIX, pag. 81 (I. Theil) u. Bd. LI pag.23 (N. Theil). Ein II. Theil enthaltend: die mikroskopischen Vorgänge bei der Contraction und das Verhalten der Muskelfasern im polarisirten Lichte wird demnächst abgeschlossen und veröffentlicht werden. Hier werden wir uns grösstentheils nur auf die bereits veröffentlichten Theile zu beziehen haben. 1) Melland: A simplified view of the histology ofthe striped muscle-fibre. Quaterl. Journal. of microscop. science Vol. XXV, New. Ser. pag. 371, London 1885. Van Gehuchten: Etude sur la structure intime de la cellule musculaire striee. (Extrait de la Revue „La cellule* t. II. 2. fascieul. Louvain, Gand et Lierre 1886); ferner: Anatomischen Anzeiger 1887 Nr. 26, pag. 792. Ma- callum: On the nuclei of the striated muscle-fibre in Necturus lateralıs. Quaterly Journ. of mieroscop. science. Vol. XXVII New. Ser. pag. 461. Lon- don 1887. Marshall: Observat. on the struct. and distribut. of striped and unstriped muscle in animal Kingdom and a theory of muscular contract. Ibidem Vol. XXVII pag. 75, London 1887. Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 237 die Deutung, welche ich den wesentlichen Theilen der Muskelfaser seseben hatte, bewährt. Wie ich auf Grund der Befunde an Alkoholpräparaten, an mit Säure oder mit Goldehlorid und Säure behandelten Muskelfasern, an Querschnitten also behandelter Muskel- fasern, ferner an tingirten und imprägnirten gehärteten Muskel- fasern und an Querschnitten der letzteren, endlich an ganz frisch, noch lebend ohne irgend welchen Zusatz untersuchten Fasern und an Querschnitten von solchen zu jener Deutung der wesentlichen Theile der Muskelfasern gelangte, habe ich in den erwähnten Ab- handlungen ausführlich dargelegt und ich gab mich der Hoffnung hin, damit einer allgemeinen Verständigung über den Muskelbau die Wege geebnet zu haben. Damit sollte aber dem höchst unerfreu- lichen Zustande, in welchem sich die Histologie der quergestreiften Muskelfasern durch längere Zeit befand, ein Ende gemacht werden. Es scheint nun nicht, dass ich den beabsichtigten Zweck er- reicht habe. Es ist mir darum erwünscht, dass ich mit der Darlegung des merkwürdigen Baues der Flossenmuskeln des Seepferdchens und mit einer daran geknüpften Kritik der früher erwähnten neueren Muskelarbeiten meine Bestrebungen fortsetzen kann. Ich muss gestehen, dass ich, als ich zuerst Querschnitte ge- härteter Flossenmuskeln ansah, zwar in grosses Erstaunen versetzt war, dass ich aber, was ich sah kaum verstand. Ich vermuthete aber sofort, dass hier vergoldete Muskeln die erwünschte Aufklärung bringen müssten und das war auch der Fall. Ich will darum auch hier die Goldbilder zuerst besprechen. An frisch vergoldeten Muskeln findet man bekanntlich immer das Sarkoplasma roth gefärbt, die Muskelsäulchen dagegen ungefärbt!). Ich brachte dem lebenden Thiere entnommene Stückchen der Flossen- muskeln in das Goldbad (0,5°%/,ige Lösung von Goldchlorid) und liess sie 5—10—15 Minuten in demselben, während ich sie mittelst Platin- nadeln etwas auseinander zog. Dann brachte ich sie, nachdem das überschüssige Gold mittelst Filtrirpapiers möglichst abgesaugt war, in Bastian-Pritehard’sche Reductionsflüssigkeit. War die Re- duction eingetreten, so wurde ein Stückchen der Muskeln auf den Objeetträger gebracht, etwas Glycerin (2 Theile auf 1 Theil Wasser) hinzugesetzt und das Stückchen mittelst eines scharfen Scalpelles 1) Vergleiche meine Untersuchungen |. c., I. Theil, pag. 121. 238 Alexander Rollett: quer dem Faserverlauf fein gehackt, um so Querschnitte der ver- goldeten Fasern zu erhalten. Das gelingt auch gar nicht schwer. In jedem der so angefertigten Präparate finden sich in der Regel neben zahlreichen Längsansichten und Schrägschnitten von Muskel- fasern immer auch eine Anzahl von reinen Querschnitten. In Fig. 1 ist eine Reihe von solchen Querschnitten vergoldeter Muskelfasern dargestellt. Man sieht an denselben die Muskelsäulchenquerschnitte (Cohnheim’schen Felder) und das Sarkoplasma durch die Gold- behandlung auf das Schönste differeneirt, die ersteren erscheinen weiss, das Sarkoplasma roth gefärbt, Fig. 1 au. b. Ueberraschend ist aber die relative Menge des Sarkoplasmas, die Form und Anordnung der Muskelsäulchenquerschnitte und die überaus grosse Mannigfaltigkeit, welehe in Bezug auf alle diese genannten Erscheinungen bei der Untersuchung der einzelnen Faser- querschnitte zu Tage tritt. Wie unter den Menschen nicht zwei Individuen gefunden werden können, von welchen eines vollkommen dem anderen gleicht, so geht es auch hier, ja es kommen sogar sehr weitgehende individuelle Abweichungen der einzelnen Faserquerschnitte vor. Die immer wiederkehrende Eigenthümlichkeit der Flossenmuskeln des Seepferdchens im Vergleich mit anderen Muskeln ist aber Eine breite Wandschichte von Sarkoplasma unter dem Sarkolemma, in welcher Schichte die Kerne (in Fig. 1 a u. b leicht kenntlich) der Muskelfaser sich befinden und eine in verschieden gestaltete Gruppen zerstreute Anordnung der Muskelsäulchen, deren numeri- sches Verhältniss in Muskelquerschnitten von ganz nahe stehenden Durchmessern überdies ein sehr wechselndes ist. Die Muskelsäulchen sind zu Gruppen geordnet, welche band- förmige und dabei wellenartig geschlungene, oder voluten-, oder c- oder e- oder kranzförmige, kreisrunde oder ovale und noch mannigfach andere Figuren auf dem Querschnitte darbieten. In diesen Gruppen haben aber auch die Muskelsäulchen selbst sehr vielfach in Bezug auf Form und Grösse abweichende Querschnitte, im Allgemeinen herrschen aber Muskelsäulchen von länglichem Querschnitte vor. In den Figuren 1 u. 2 sind möglichst viele dieser Mannig- faltigkeiten dargestellt. In Figur 1a u. b und m Figur 2 ist die Darstellung der Querschnitte völlig ausgeführt, in Fig. 1 ec, d, e, f sind nur die Muskelsäulchengruppen mittelst einfacher Contouren Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens ete. 239 eingezeichnet. Der stark vergrösserte Querschnitt Fig. 2 zeigte besonders schön eine ganze Reihe der verschiedensten Formen der Querschnitte der Muskelsäulchen und der Muskelsäulchengruppen und wurde darum für die Darstellung ausgewählt. Ich glaube durch den Hinweis auf diese Figuren weiterer Darlegungen ent- hoben zu sein, die bei der unbegrenzten Mannigfaltigkeit der Ver- hältnisse in den einzelnen Fasern niemals erschöpfend sein könnten. Das Sarkoplasma erscheint an den vergoldeten Muskeln fein granu- lirt, die Kerne sind nicht wesentlich tiefer gefärbt als das Sarko- plasma, aber meist von einem feinen Contour scharf umgrenzt. Durch die Spärlichkeit von in ihrem Innern vorhandenen einzelnen Körnchen erscheinen sie glatt im Vergleich mit dem Sarkoplasma und oft tritt ein Nucleolus, oft ein grösserer centraler dunkler Fleck mit grosser Deutlichkeit in denselben hervor — (siehe die leicht kenntlichen Kerne in den Randschichten von Fig. 1 au. b, Fig. 2 u. Fig. 6). Dieses Ansehen der Kerne ist von dem, welches man sonst in vergoldeten Muskeln bei Vertebraten sowohl, wie bei Arthropoden gewöhnlich findet, verschieden. Die Kerne sind meist tiefer mit Gold gefärbt, als das Sarkoplasma und ihre Substanz von verklumpten Balken und Körnern, die dann am tiefsten ge- färbt erscheinen, erfüllt. Ich will nun an die gegebene Darstellung der Querschnitte vergoldeter Flossenmuskeln des Seepferdehens sogleich einige ver- sleichend histologische Betrachtungen anschliessen. Wenn wir uns fragen, ob bei anderen untersuchten querge- streiften Muskelfasern Anordnungen von Sarkoplasma und Muskel- säulchen bekannt geworden sind, welche sich in irgend einer Weise der so ganz besonderen Anordnung in den Flossenmuskeln des Seepferdehens annähern, so glaube ich diese Frage allerdings bejahen zu können. Bei den Vertebraten zwar ist, so viel ich weiss, ein solcher Fall noch nicht beobachtet worden. Dagegen gibt es bei einzelnen Everte- braten quergestreifte Muskelfasern, welche gewisse Aehnlichkeiten ihres Baues mit dem der Flossenmuskeln des Seepferdchens zeigen. Ich führe hier vor Allem die Muskeln der Fliegen an (Musca domestica, vomitoria und Sarcophaga carnaria), welche ieh im II. Theile meiner Untersuchungen!) ausführlich beschrieben habe. Dil eh Bd LIE p. 87. 240 Alexander Rollett: Da am angeführten Orte kein Goldbild von Fliegenmuskeln sich dargestellt findet, so füge ich hier zum unmittelbaren Ver- sleiche in Fig. 3 ein solehes bei. Die Cohnheim’schen Felder des Querschnittes der Fliegenmuskeln sind verlängert, mit ihrem langen Durchmesser annähernd radiär gestellt. Ganz besonders ausgezeichnet sind aber die Fliegenmuskeln durch die gruppen- weise Anordnung der Cohnheim’schen Felder, die Gruppen bil- den gürtelförmige Reihen. Die Gürtel umschliessen centrales, die Kerne enthaltendes Sarkoplasma oder es tritt um diesen inneren Gürtel und von diesem durch eine ebenfalls gürtelförmige Lage von Sarkoplasma getrennt ein zweiter äusserer Gürtel auf (vergl. Fig. 3). In bestimmten Fasern kommt, von diesem zweiten Gürtel wieder durch Sarkoplasma getrennt, noch ein die beiden anderen Gürtel umfassender dritter Gürtel vor, endlich manchmal auch noch ein vierter. Der innerste Gürtel weicht in seiner Form von den äusseren Gürteln gewöhnlich etwas stärker ab und setzt sich aus zwei, drei oder vier sectorenartig angeordneten und sehr verschieden gestal- teten Gruppen von Muskelsäulchen zusammen (vgl. wieder Fig. 3). Die Grenze der einzelnen Gürtelreihen und die Dicke der Gürtel ist eine sehr wechselnde. In den Figuren 1IA und 12 a,b, c,d, e, f, g, Taf. II der erwähnten Abhandlung finden sich eine Reihe der überaus mannigfaltigen Querschnittsbilder von gehärteten Muskel- fasern der Fliegen dargestellt, welche diese Verhältnisse veran- schaulichen. Querschnitte vergoldeter Fliegenmuskeln zeigen die- selben auf das Schönste. Die radiär gestellten verlängerten Cohnheim’schen Felder erscheinen ungefärbt, das Sarkoplasma zwischen denselben und das Sarkoplasma zwischen den Gruppen und Reihen der Cohn- heim’schen Felder dagegen von Gold roth gefärbt. Der Quer- schnitt Fig. 3 rührt von einer zweigürteligen Faser her, in deren centralem Sarkoplasma eine Kernreihe sich fand. Der auf dem Querschnitte sichtbare Kern liegt in der Mitte desselben. In anderer Weise als die Fliegenmuskeln mit ihren gürtel- förmigen Reihen und Gruppen von Muskelsäulchen nähern sich die Muskelfasern von Krebsen denen der Flossenmuskeln des Seepferd- chens an. Ich beziehemich dabei auf die in meinen Untersuchungen!) DElgep. 42: Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 241 angeführten Krebse (Astacus fluviatilis, Homarus vulgaris, Maja squinado, eine Palaemon-Art), und muss bemerken, dass bei den Krustern, wie einer Mittheilung Köhler sehr wechselnde Verhältnisse und sehr mannigfache Anordnungen von Muskelsäulchen und Sarkoplasma zu finden sein werden. Auch bei den angeführten Krebsen, welche ich untersuchte, ist das Bild des Muskelquerschnittes selbst bei den Muskelfasern derselben Species ein sehr wechselndes. Im Allgemeinen habe ich aber das folgende hervorgehoben), was ich hier wieder durch die Abbildung eines Goldbildes erläutern will. Fig. 4 stellt ein Stück eines Querschnittes einer vergoldeten Muskelfaser von Maja squinado dar. Unter dem Sarkolemma befindet sich eine verhältnissmässig dicke Lage von Sarkoplasma, von dieser gehen mittelst conischer Ansätze eine beschränkte Anzahl von Sarkoplasmabalken aus, welche theils zu einem netzartigen Geäder zusammentreten, theils sich baumförmig in die gleich zu erwähnenden kleineren Balken auflösen. Durch diese starken Balken erscheint der ganze Quer- schnitt in eine Anzahl von grossen Feldern getheilt. Von dem Sarkoplasma an der Oberfläche und von den starken Balken ent- springen wieder mit conischen Ansätzen kleinere Sarkoplasma- balken, die wieder theils zu einem netzartigen Geäder zusammen- treten, theils baumförmig sich in kleinere Balken auflösen und die grossen Felder mehr weniger vollkommen in eine Anzahl kleinerer Felder abtheilen. Endlich entspringen sowohl von dem Sarkoplasma an der Oberfläche, als auch von den erwähnten stärkeren und schwächeren Balken wieder kleinere zu einem Ge- äder zusammentretende Balken und oft von diesen in ähnlicher Weise noch feinere Balken, welche endlich die kleinsten Felder (Cohn- heim ’scheFelder) umgeben. Die Kerne dieser Fasern befinden sich zer- streutin dem Sarkoplasma an der Oberfläche und in denstarken Balken. Die Muskeln der Krebse zeigen also hauptsächlich nur in Bezug auf die starken Ansammlungen von Sarkoplasma eine Aehn- lichkeit mit“ den Flossenmuskeln des Seepferdehens. Ferner er- scheinen auch bei den Muskeln der Krebse die Cohnheim’schen Felder zu Gruppen geordnet. Die letzteren sind aber wieder zu “Gruppen höherer Ordnungen vereinigt. Alle diese Gruppen er- ’ s!) zu entnehmen ist, 1) Compt. rend. T. CIV, pag. 592. D)nlisc: 242 Alexander Rollett: scheinen in Form von mehr ebenmässig entwickelten rundlichen, drei-, vier- oder vieleckigen Feldern. Der Hinweis auf die Krebs- muskeln möge uns nun auch noch zu einer Betrachtung anderer Art Veranlassung geben. Dächten wir uns auf dem ganzen Muskelquerschnitte nur Sarkoplasmabalken von der Stärke der feinsten in ähnlicher An- ordnung, wie diese (Fig. 4) vorhanden, oder was dasselbe wäre eines der Felder vorletzter Ordnung auf den ganzen Querschnitt ausgedehnt, so würden wir damit die Art und Weise versinnlicht haben, wie die Cohnheim’schen Felder und das sie trennende Sarkoplasma an den Vertebraten-Muskeln gewöhnlich in die Er- scheinung treten. Solche Muskeln stellen auch alle Muskeln des Seepferdehens dar, welche nicht für die Bewegung der Flossen dienen. In Fig. 5 sind das durch Gold gefärbte feine Sarkoplasma- geäder und die von demselben abgegrenzten Cohnheim’schen Felder des Querschnittes einer gewöhnlichen quergestreiften Muskel- faser des Seepferdehens dargestellt. _ Die Cohnheim’schen Felder erscheinen viel- meist fünfeckig; dort, wo die Adern des Sarkoplasma zusammentreffen, finden sich knotenartige Verdickungen vor und an einzelnen Stellen erscheinen diese Verdickungen zu grösseren sternförmigen Anschwellungen des Geäders erweitert. An dem abgebildeten Querschnitte sind zwei Kerne an der Oberfläche der Faser sichtbar. Wie ein Ver- gleich der Flossenmuskeln des Seepferdehens (Fig. 1 u. 2) und der gewöhnlichen Muskeln desselben Thieres (Fig. 5) zeigt, er- giebt sich hier für ein Wirbelthier der Fall einer sehr weit ge- henden Verschiedenheit in der Anordnung des Sarkoplasmas und der Form der Cohnheim’schen Felder (Querschnitte der Muskelsäul- chen) in functionell verschiedenen Muskeifasern desselben Thieres. Bisher waren morphologische Verschiedenheiten dieser Art nur bei den Arthropoden bekannt. Man erinnere sich an die Quer- schnittsbilder der Muskelfasern von Hydrophiliden, Dytieciden und von anderen Coleopterenfamilien, von Hymenopteren, »von Fliegen und von Krebsen, von welchen letzteren früher schon auf einige Beispiele hingewiesen wurde und welche Arthropodenmuskeln sich in meinen Untersuchungen (I. u. I. Theil)!) ausführlich beschrieben und zum Theile auch abgebildet finden. else: Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 243 Ehe wir nun die Goldbilder verlassen, die wir bisher nur auf dem Querschnitte von Muskelfasern betrachtet haben, muss ich auch die Längenansicht der vergoldeten Flossenmuskeln des See- pferdehens behandeln. Optische Längsschnitte vergoldeter Flossenmuskeln kann man neben den Querschnitten in überwiegender Menge in Präparaten beobachten, die so hergestellt wurden, wie das früher angeführt wurde. Man erhält von denselben ebenso mannigfach wechselnde Bilder, wie das von den Querschnitten angeführt wurde, was nach der Kenntnissnahme der auf den Querschnitten sichtbaren Dinge auch sofort völlig verständlich ist. So wie auf den Quer- schnitten kehren aber auch auf den Längsschnitten trotz allen Mannigfaltigkeiten die wesentlichen Theile des Bildes immer wieder. Fig. 6 stellt einen Längsschnitt durch eine Flossenmuskelfaser vom Seepferdchen bei derselben Vergrösserung dar, wie sie in dem Querschnitte Fig. 2 vorliegt. Es präsentirt sich die breite, die Kerne enthaltende Sarkoplasmalage (Fig. 6 S,), unter dem Sarkolemma (Fig. 6 Sl). Im Innern der Fasern fällt eine durch breite rothe bandartige Streifen bedingte grobe Längsstreifung zu- nächst auf. In Fig. 6 erscheinen zwei solche breite Streifen (Sa, 82). Die Zahl derselben auf verschiedenen optischen Längs- schnitten verschiedener Muskelfasern ist aber oft eine viel grössere und die Breite dieser Streifen eine sehr wechselnde. Die Streifen gewähren bei bestimmter Einstellung den Eindruck, dass sie sich allmählich in die Tiefe verlieren und beim Wechsel der Einstellung hat man den Eindruck, dass sie von Blättern herrühren, welche leicht gebogen durch die Substanz der Faser laufen. Es entsprechen diese Streifen den breiten in den optischen Längsschnitt fallenden, die Muskelsäulchengruppen von einander trennenden Sarkoplasmalagen. Dort, wo solche Muskelsäulchengruppen selbst in den opti- schen Längsschnitt fallen, erscheinen die Bilder M, M, M, Fig. 6. Die Querreihen von Knoten in denselben entsprechen den zwischen den Gliedern Z der Muskelsäulchen an mit Säure oder mit Gold- chlorid und Säure behandelten Muskelfasern auftretenden Knoten- reihen I (siehe meine Untersuchungen ete. I. Theil 1. e. pag. 170 u. d. £.). Dort findet sich auch eine Erklärung der Querreihen der Knoten und der die Knoten der Querreihen wieder zu regelmäs- sigen Längsreihen verbindenden Streifen. 244 Alexander Rollett: Beide sind der optische Ausdruck der Sarkoplasmadurch- gänge zwischen den einzelnen Müskelsäulchen. Ich habe dort auch angeführt, dass man sich das Sarkoplasma um die Muskel- säulchen ähnlich angeordnet vorstellen müsse, wie das Wachs um die Zellen einer Honigwabe. Stellen wir uns eine solche Anordnung in der ganzen Länge einer Muskelfaser vor, so würden wir von Serienschnitten, die senkrecht auf die Axe angelegt würden, immer dasselbe Bild er- halten, wenn die Dieke der Wände und die Durchmesser der Lu- mina des Zellenwerkes immer dieselben bleiben würden. Auf einem optischen Längsschnitte würden wir aber dann in Form von gleich breiten und gleich weit abstehenden Längsstreifen die optischen Durchschnitte der Wände des Zellenwerkes sehen und die Abstände der Streifen würden den optischen Durchschnitten der Lumina des Zellenwerkes beziehungsweise der diese Lumina ausfüllenden Substanz entsprechen. Stellen wir uns aber nun die Wände in regelmässigen Abständen abwechselnd verdickt und wieder verdünnt vor und die Durchmesser der Lumina des Zellen- werkes das eine Mal entsprechend klein, das andere Mal entspre- chend gross, dann würden abwechselnd sich Querschnitte ergeben, auf welchen dickere Balken kleinere Maschenräume oder dünnere Balken grössere Maschenräume umfassen würden; und auf opti- schen Längsschnitten würden, als mit Knoten besetzte Streifen, die optischen Längsschnitte der Wände und, als mit Bäuchen und Ein- ziehungen versehene Streifen, die Lumina des Zellenwerkes be- ziehungsweise die diese Lumina ausfüllende Substanz erscheinen. Diese stereometrische Vorstellung von dem Sarkoplasma und den Muskelsäulchen vergoldeter Muskelfasern habe ich am ange- führten Orte ausführlich zu begründen gesucht und sie wird, wenn wir einmal festhalten, dass das, was am vergoldeten Muskel unge- färbt erscheint, die Muskelsäulchen sind ; dagegen das, was durch Gold roth gefärbt erscheint, das Sarkoplasma ist, durch unsere Fig. 6 für den Flossenmuskel des Seepferdehens unmittelbar ver- anschaulicht. Der Grund für die mit Einziehungen regelmässig abwechseln- den Bäuche der Muskelsäulchen des vergoldeten Muskels ist die Wirkung, welche Säuren auf die regelmässig wechselnden Streifen Q (Bowman-Brücke’schen Streifen) und Z (Amiei-Krause- schen Streifen) der Muskelsäulchen ausüben; die Q quellen in Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens ete. 9245 Säuren viel rascher und stärker auf, als die Z und diese durch die verschiedene Quellbarkeit der @ und Z bedingte Form der Muskelsäulchen ist wieder die Ursache der besonderen Form der zwischen den Muskelsäulchen vorhandenen Sarkoplasmawände. Auch diese Erklärung der Erscheinungen an mit Säuren oder mit Goldehlorid und Säuren behandelten Muskelfasern findet sich in den angeführten Untersuchungen (l. ce.) ausführlich entwickelt. Andere Autoren sind, wie wir sehen werden, mit den der Länge und Quere nach verbundenen Knotenreihen in der Längen- ansicht vergoldeten Muskelfasern allerdings viel schneller fertig geworden als ich, indem sie einfach ein der Länge und Quere nach entwickeltes Fadennetz, welches in den Knotenpunkten An- schwellungen besitzt, zu sehen meinten. Ein solches Fadennetz existirt in der Muskelfaser nicht, nur der Schein eines solchen ist vorhanden. Ich halte meine Erklärung des scheinbaren Faden- netzes für die allein richtige und möchte sehr empfehlen, dass man sie prüfe und sich mit ihr vertraut mache; gerade meine Erklärung der Säure- und Goldsäurebilder scheint mir ein wich- tiger Punkt für eine allseitige Verständigung über den Bau der quergestreiften Muskelfasern zu sein. Es handelt sich aber jetzt vorerst noch darum, den Bau der Flossenmuskelfasern des Seepferdehens auch noch mittelst anderer Methoden klar zu legen. Ich will zu dem Ende zunächst mit den Querschnitten der vergoldeten Fasern die Querschnitte von in Alkohol sehärteten Flossenmuskeln vergleichen. Stücke von Flossenmus- keln, die Thieren entnommen wurden, die längere Zeit in 93%, Alkohol lagen, wurden in Celloidin eingebettet und in der Weise weiter verarbeitet, wie ich es in den Untersuchungen (II. Theil l. ec. p. 25) beschrieben habe. Die erhaltenen Schnitte wurden in sehr verdünnte Hämatoxy- linlösung von Renaut (I. Theil 1. ce. p. 97) gebracht, nach der Tinetion in starkem Alkohol entwässert, mit Origanumöl durch- sichtig gemacht und in einer Lösung von Dammarharz in Xylol eingeschlossen. Ist die Differenzirung gut gelungen und das hängt, wie man sich bald überzeugen wird, von der leicht auszuprobiren- den Zeit des Aufenthaltes in der Hämatoxylinlösung ab, so erhält man Bilder, wie ich sie in Fig. 7 dargestellt habe. Die Muskelsäulchendurchsehnitte (Gohnheim’sche Felder) erscheinen tief blau gefärbt, das Sarkoplasma dagegen hat nur 246 Alexander Rollett: eine schwach blaue Färbung angenommen, nur die Körnchen in demselben erscheinen dunkler blau gefärbt, in der Wandschichte des Sarkoplasma erscheinen die Kerne, eingefasst von einem tiefer blauen Contour, in der Mitte derselben ein Kernkörperehen. Die Form der Querschnitte der Muskelsäulchen und der Muskelsäul- chengruppen erscheinen ganz analog wie bei den Goldbildern, nur sind sie in ihren Dimensionen ebenso, wie der ganze Querschnitt der Faser im Vergleich mit den Dimensionen der betreffenden Ge- bilde an den vergoldeten Muskelfasern bei derselben Vergrösserung sehr redueirt (vergl. Fig. 1 a u. b und Fig. 7). Was wir also an den Querschnitten von vergoldeten Muskel- fasern erfahren haben, bestätigt sich auch auf den Querschnitten gehärteter und tingirter Fasern. Kurz die Vergleichung der nach den angeführten verschie- denen Methoden erhaltenen Querschnitte der Flossenmuskelfasern führt uns zu demselben Resultate, welches ich bei der Vergleichung der Querschnitte vergoldeter und gehärteter Arthropodenmuskeln immer erhielt. Die mit Hämatoxylin stark gefärbten Cohnheim- schen Felder der gehärteten Muskeln entsprechen den im vergol- deten Muskel weiss gebliebenen Feldern, dienieht oder nur schwach tingirte Substanz um und zwischen den Cohnheim’schen Feldern des Querschnittes gehärteter Muskelfasern entspricht den durch Gold roth gefärbten Theilen des Querschnittes vergoldeter Muskel- fasern (Untersuchung. I. u. II. Theil I. ec. pag. 110 u. pag. 24). Die Längenansicht von in der beschriebenen Weise tingirten, sehärteten Flossenmuskeln des Seepferdchens ist ebenfalls mutatis mutandis in Uebereinstimmung mit der Längenansicht der Gold- bilder. Die Randschicht, entsprechend S, S, Fig. 6, erscheint nur schwach tingirt, und ebenso die breiten Sarkoplasmadurchgänge entsprechend S, Ss Fig. 6, die Muskelsäulehengruppen, entspre- chend M, M, M Fig. 6 erscheinen dagegen tief blau gefärbt und dadurch tritt an der tingirten Muskelfaser ebenso, wie an der ver- goldeten eine grobe Längsstreifung neben der den Durchgängen zwischen den Muskelsäulchen entsprechenden feinen Längsstreifung in die Erscheinung. So wie ich früher in vergleichend histologischer Beziehung dem Goldbilde der Flossenmuskel-Querschnitte das Goldbild eines Fliegenmuskel-Querschnittes an die Seite gestellt habe, so möge das jetzt auch mit den Hämatoxylinbildern geschehen. Fig. 8 ist Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdehens ete. 247 ein mit Hämatoxylin gefärbter Querschnitt einer gehärteten Fliegen- muskelfaser bei derselben Vergrösserung wie das Goldbild Fig. 3. Es möge diese Gegenüberstellung ebenso zur Erläuterung der oben über die Arthropodenmuskeln gemachten Angaben, wie zum Er- weise der schon mittelst der Goldbilder dargelegten morphologi- schen Aehnlichkeiten der Flossenmuskeln des Seepferdehens und der Fliegenmuskeln dienen. In Fig. S erscheinen die radiär gestellten Cohnheim’schen Felder des Querschnittes tief blau gefärbt, das Sarkoplasma ist ungefärbt, nur die Körnchen in demselben erscheinen gefärbt. Die Cohnheim’schen Felder sind in zwei gürtelförmigen Reihen um das zwei Kerne aufweisende centrale Sarkoplasma gruppirt. Der innere Gürtel zerfällt noch überdies in vier sectorenartige Gruppen. Es erübrigt uns jetzt noch zu besprechen, ob die an vergoldeten und eben so an gehärteten Flossenmuskeln des Seepferdehens wahr- nehmbare Anordnung der Muskelsäuichen und des Sarkoplasmas auch an ganz frischen Muskeln zu sehen ist. Bei einigem Bemühen gelingt es, an kleinen Stückchen, die man mittelst einer Scheere aus einem Flossenmuskel herausge- schnitten und ohne allen Zusatz mit einem aufgedrückten Deck- gläschen auf einem Objectträger ausgebreitet hat, Querschnitte frischer Flossenmuskelfasern zu sehen. Man sieht an denselben sofort eine Abgrenzung der breiten Randschicht desSarkoplasmas von einer davon verschiedenen inneren Parthie der Muskelfaser angedeutet und hat dann auch mehr oder weniger deutlich den Eindruck, als ob die breite Randschicht eine, wenn auch nicht so regelmässige Rosette, wie sie Ranvier zeichnet, sondern eine mit unregelmässigen und verschieden grossen Buchten und Vorsprüngen versehene Rosette umfassen würde. Das Innere dieser Rosette erscheint nicht gleichförmig gezeichnet, sondern aus helleren und dunkleren Parthien zusammengesetzt, die wie un- regelmässige und verschieden grosse, nur andeutungsweise abge- srenzte Flecken neben einander zu liegen scheinen. Es bedarf einer hingebenden und aufmerksamen Betrachtung und wiederholten Durchmusterung des Bildes, um sich zu über- zeugen, dass die dunkleren Parthien in ihrer Beschaffenheit mit jenen der breiten Randschichte übereinstimmen. Sie erscheinen wie die letztern leicht körnig getrübt, während die helleren Flecken glatt erscheinen. 248 Alexander Rollett: Hat ınan sich einmal über diese Verhältnisse in der erwähnten Weise belehrt, dann ist es nicht mehr schwer in den helleren Flecken die verschiedenartig gestalteten Muskelsäulchengruppen des Querschnittes zu erkennen, welche wir an Gold- und Häma- toxylinpräparaten kennen gelernt haben. Dass die Deutung, welche man dem Bilde des Querschnittes der frischen Faser also gegeben hat, die richtige ist, wird dann am Besten dadurch erhärtet, dass man, während das Auge des Beobachters auf dem Präparate ruht, 1%/, ige Ueberosmiumsäurelösung zwischen Objeetträger und Deck- gläschen eindringen lässt. Durch die Wirkung dieses Reagenz, dessen sich, wie angeführt, auch Ranvier für die Muskeln der Rücken- flosse bediente, werden die Grenzen zwischen den glatt erscheinen- den Muskelsäulchengruppen und dem Sarkoplasma verdeutlicht und beide dadurch besser differeneirt, dass sich das Sarkoplasma noch mehr verdunkelt und dessen Körnung viel deutlicher hervor- tritt. Zugleich werden auch die Kerne der Wandschichte dadurch deutlich. Ein Querschnitt, wie er sich nach kurzer Einwirkung der Ueberosmiumsäure und Verdrängung derselben durch Glycerin auf einem auf diese Weise erhaltenen Dauerpräparate präsentirte, ist in Fig. 9 dargestellt und nach den gegebenen Ausein andersetzungen ohne weitere Erklärung verständlich. Bei länger dauernder Wirkung der in der beschriebenen Weise applieirten Ueberosmiumsäure tritt häufig noch ein anderes belehrendes Bild auf. DieMuskelsäulchengruppen umgeben sich mit hellen Säumen und man bat den Eindruck, als ob sie sich durch Schrumpfung von dem Sar- koplasma etwas zurückgezogen hätten. In diesem Falle kann man sich bei flüchtiger Betrachtung besonders an Fasern mit reichlicheren, kleineren Gruppen (vergleiche Fig. 1f) zu der Annahme verleitet sehen, dass das von der Wandschieht umfasste Innere durch ein helles Geäder in verschieden gestaltete, aber das Innere gleich- mässig erfüllende Felder zerlegt würde. Eine sorgfältige Betrach- tung deckt aber die wahren Verhältnisse: die inselförmigen Muskel- säulchengruppen und die confluirenden Sarkoplasmamassen sofort auf und bei starken Vergrösserungen und günstiger Beleuchtung sieht man durch die die Muskelsäulchengruppen und das Sarko- plasma trennenden hellen Säume noch zarte Bälkehen laufen und in die feinen, die einzelnen Muskelsäulchen einer Gruppe trennen- den Sarkoplasmabalken übergehen. Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens ete. 249 Ich habe ganz frische Muskelfasern der Flossenmuskeln des Seepferdehens auch im polarisirten Lichte und zwar auf Gypsgrund Roth I. Ordnung zwischen gekreuzten Nikolschen Prismen unter- sucht und will auch dieser Untersuchung hier Erwähnung thun, weil ihr Ergebniss in vollem Einklange steht mit den nach anderen Methoden gemachten Befunden und sie zur Controlle derselben nicht vernachlässigt werden sollten. Vor allem fällt an den einzelnen Fasern die Abwechslung von breiten Längsstreifen, in welchen die Farbe des Grundes nicht oder nur wenig geändert scheint, mit solchen auf, in welchen lebhafte höhere oder niedere Interferenzfarben je nach der Orientirung der Fasern auf der Gypsplatte zu beobachten sind. Die ersteren Streifen entsprechen den Randschichten des Sarkoplasma und den Sarkoplas- madurchgängen (zur Orientirung vergleiche man S,S, und 5, 5 Fig. 6). In denselben ist keinerlei Querstreifung zu sehen. Die letz- teren Streifen entsprechen den Muskelsäulchengruppen (zur Orien- tirung vergleiche man Fig. 6M,M, M,). In der ausgezeichneten Quer- streifung derselben wechseln einfach und doppelt lichtbrechende Abschnitte in der gewöhnlichen Weise mit einander ab. In der Additionslage wie gewöhnlich Blau HU. Ordnung mit Roth I. Ord- nung, in der Subtractionslage Gelb I. Ordnung mit Roth I. Ordnung. Mit der grössten Schärfe tritt schon bei mittleren Vergrösserungen in diesen Abschnitten die den feinen Sarkoplasmadurchgängen zwischen den einzelnen Muskelsäulchen der Gruppe entsprechende feine Längsstreifung als ungeänderte Grundfarbe hervor. In den den breiten Sarkoplasmadurchgängen (zur Orientirung vergleiche S;S, Fig. 6) entsprechenden Streifen beobachtet man aber bei bestimmter Einstellung auch häufig, den ganzen Streifen oder einen Theil desselben einnehmend, Aenderungen der Grund- farbe, die als gleichmässig mit verwaschener gestiegener oder ge- sunkener Farbe bedeckte Flecken erscheinen. In diesem Falle ge- lingt es immer leicht durch Veränderung der Einstellung diese Flecken in das deutliche Bild der Muskelsäulchengruppen im polarisirten Lichte überzuführen und sich zu überzeugen, dass die Flecken von nicht in die Einstellebene fallenden sondern darunter- oder darüberliegenden Muskelsäulchengruppen herrührten. Nur wenn eine Muskelfaser zufällig so orientirt ist, dass das Licht, welches sie durchdringt nur Sarkoplasma durchsetzt, erscheinen breite Längsstreifen, welche bei allen Einstellungen nur die Farbe Archiv f. mikrosk, Anatomie, Bd. 32, 16 250 Alexander Rollett: des Grundes zeigen, das letztere ist bei einer grösseren Anzahl von Beobachtungen gar nicht selten zu sehen. Ebenso verhalten sich die den Randsehichten (zur Orientirung vergl. Fig. 6 S, S,) entsprechenden Streifen bei allen Einstellungen als einfach lichtbrechend. Diese Befunde bestätigen nur, was man über das Verhalten des Sarkoplasmas und der Muskelsäulchen bei den quergestreiften Muskelfasern ganz allgemein erfahren hat und sind, wie gesagt, nur als Ergänzung der früheren Befunde an den Flossenmuskelfasern von Werth. Ich will nun nach der Darstellung des Baues der Flossen- muskeln des Seepferdehens, die sich völlig der Darstellung des Muskelbaues anschliesst, die ich in den erwähnten Untersuchungen zu geben mich bemühte, einige kritische Blicke auf die früher er- wähnten neueren Muskelarbeiten werfen. Wir werden damit einige Blüthen jener romantischen Histo- logie kennen lernen, die sich gerade die quergestreiften Muskel- fasern als ein ganz bevorzugtes Objeet ausgewählt hat. In der Muskelromantik ist in der That Erstaunliches geleistet worden. Schon im Jahre 1872 bemerktedu Bois-Reymond gelegent- lich mit feiner Satyre, dass kaum zwei Histologen sich finden möchten, die über den Bau der Sehne mit einander einig sind, und kaum einer der über den Bau des Muskels mit sich selber einig ist. Wer möchte sich viel wundern, wenn heute ein neuer Kritiker sich abermals so vernehmen liesse. Diesen Zustand der Muskelhistologie hat aber nach meiner Ueberzeugung weit weniger die Schwierigkeit des Objectes selbst, sondern vielmehr die Ueberproduction phantastischer Auslegungen, mit welchen es bedacht wurde, verschuldet. Ein ruhiges, streng ana- lytisches, auf die Beobachtung möglichst zahlreicher, den verschie- densten Thieren entnommener Objeete gegründetes Verfahren, welches sorgsam auf die Verknüpfung älterer und neuerer Er- fahrungen bedacht gewesen wäre, wurde den complieirten Erschei- nungen des Muskelbaues gegenüber weit weniger oft in Anwendung gebracht, als die zusammenhanglose Ausdeutung einzelner Befunde, die sich nach dieser oder jener bestimmten Methode ergaben. So ist die aussergewöhnlich umfangreiche Literatur über diesen Gegen- stand entstanden, in welcher sich die widersprechendsten Ansichten Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 251 niedergelegt finden. Und damit ist, wie ich schon an einem an- deren Orte bemerkte auch das Misstrauen gegen richtig erkannte Thatsachen gewachsen und der Verwirrung und Unentschiedenheit Thür und Thor geöffnet worden. Oder lässt es sich bestreiten, dass kaum ein anderer Gegenstand existirt, dem selbst viele Fach- leute so urtheilslos gegenüberstehen, wie dem Bau der querge- streiften Muskelfasern. Die abenteuerlichsten Ansichten können vorgelegt werden, ohne dass sie gleich von vornherein mit Kopf- schütteln abgewiesen werden; nein sie werden neuen Ergebnissen streng methodischer Erweiterung unserer Kenntnisse oft ganz gleich gehalten und wie diese mit eben so viel Beachtung oder eben so viel Missachtung nur als Neuigkeiten im Wandel der Anschauungen hingenommen. Jahresberichte und Referate in Zeitschriften fördern aber unter der Devise: Keine Kritik! Nur objeetive Berichterstat- tung! diesen Zustand auf das Trefflichste, und er tritt uns auch an Orten entgegen, wo man im Gegentheile strengste Kritik absolut fordern sollte und müsste, in Lehr- und Handbüchern, die im Capitel: Muskel nur ein buntes Allerlei aufgetauchter Meinungen neben einanderstellen. Hier wie dort sollte man endlich doch anfangen, mit mehr Bedacht vorzugehen. Keine Kritik! kann doch unmöglich bedeuten, dass über Alles, was veröffentlicht wird, auch wenn es den Stempel des Aberwitzes an der Stirne trägt, in ernsthafter Weise referirt werden muss. Würde z. B. der „anatomische Anzeiger“ ein mit Abbildungen ausgestattetes Referat bringen, wenn heute einer käme, der be- haupten würde, dass das Gehirn nicht, wie man bisher geglaubt, in der Schädelhöhle sich befindet sondern vielmehr in der Brust- höhle und dass in der Schädelhöhle die Lungen sich befinden? Gewiss nicht! Kommt aber jemand der über die Histologie der Muskelfasern Lehren vorbringt, die — ich sage nicht zu viel — ungefähr dieselbe Bedeutung haben, wie das fingirte Beispiel aus der Anatomie, dann erfüllen in der Regel ausführliche Referate darüber die Jahresbe- richte und Zeitschriften. Möge man mir diese Mahnworte nicht übel nehmen, ich wollte damit hauptsächlich für die Zukunft warnen vor den in den Muskelfasern nicht vorhandenen aber in sie hineingedichteten Fadennetzen, welche jetzt die verhängnissvolle Rolle in der Histo- logie der Muskeln weiter zu spielen drohen, welche früher andern 259 Alexander Rollett: Trugbildern und Urtheilstäuschungen zufiel, deren Ueberwindung eben nahe gerückt zu sein schien. Die Veröffentlichungen von Melland, van Gehuchten und Marshall verbreiten sich über diese Fadennetze. Unsere Widerlegung der von diesen Autoren darüber vorge- brachten Ansichten wird sich auf drei Punkte hauptsächlich con- centriren. Erstens auf die Deutung, welche sie den Bildern ver- soldeter Muskeln geben, zweitens auf das Bild, welches sie von frischen Muskelfasern darstellen und endlich auf das Bild, welches sie den mit Härtemitteln behandelten Muskelfasern zuschreiben. Melland und Marshall, deren Abhandlungen in dem directen Zusammenhange der Fortsetzung der einen durch die andere stehen, stützen ihre Beschreibung eines aus quer- und längslaufenden Faden zusammengesetzten, im Muskel vorhandenen Netzes vorzugs- weise auf die Beobachtung vergoldeter Muskeln. Nur Melland befasst sich auch eingehender mit dem Bilde ganz frischer ohne Zusatz untersuchter und dem Bilde gehärteter Muskelfasern, um die Ausdeutung der Goldbilder damit zu bewahrheiten. Darauf komme ich später zurück. Vorerst die Goldbilder. Was beide Autoren an diesen als Faden beschreiben sind nur Quer- oder Längsschnitte der Wände des Wabenwerkes, welches das Sarko- plasma um die Muskelsäulchen bildet und alle ihre Goldbilder sind so zu deuten, wie wir die früher besprochenen Goldbilder (die in Fig. 1, 2, 3, 4, 5 u. 6 abgebildet sind) gedeutet haben. Für die Muskeln zahlreicher Coleopteren findet sich meine Deu- tung der Goldbilder überdies ausführlich begründet in den Unter- suchungen (l. ec. I. Theil pag. 110 u. d. £.). Der Vergleich des in den Muskeln mittelst der Vergoldung dargestellten angeblichen Netzwerkes mit dem intracellulären Netzwerke niedriger stehender contractiler Gebilde (z. B. der Amoeben, Flimmerzellen ete.), welchen Melland und Marshall anstellen, zerfällt damit in Nichts, und der von Melland ausgespro- chene Satz: „that the striated muscular fibre really agrees funda- mentally as regards histological structure with the other contractil tissue eiements, in containing an intracellular network, differing from them merely in the greater amount of differentiation and more regular arrangement of the network“ ist reine Schwärmerei. Van Gehuchten sieht an den Goldbildern dieselben Faden- netze, wie Melland und Marshall sie sehen. Ueber die Flossenmuskeln des Sceepferdchens ete. 253 Van Gehuchten’s Abhandlung wirkt aber viel bestechender, als. jene der englischen Autoren und zwar durch die Fülle des Materiales, welches van Gehuchten bearbeitet und durch die Mannigfaltigkeit der Methoden die er anwendet. Bei Geotrupes stereorarius, Astacus fluviatilis, Dyticus marginalis, Hydrophilus pieeus und anderen Arthropoden (Hydrometra palustris, einer Fliege, Gryllotalpa vulgaris, Vanessa polychloros; Scorpio oceitans, Tegenaria atriea; Lithobias und Geophilus; Diehelestium sturionis, Apus caneriformis) soll dureh Beobachtung der frischen Muskein, durch Behandeln derselben mit kochendem Wasser, mit Alkohol, mit Chromsäure und Ammoniumbichromat, mit verdünnter Salz- säure, Ameisensäure und Kalilauge und durch Vergoldung sich die Richtigkeit einer zuerst von Carnoy im Jahre 1830 ausgesprochenen und in seiner „Biologie cellulaire‘“‘ (1884 p. 193) niedergelegten Anschauung über den Muskelbau erweisen lassen. Sie wird durch folgende These ausgedrückt: „La cellule musculaire est une cellule ordinaire dont le retieulum s’est regularise, et ’enchyleme charge de myosine.* Das Reticulum plastinien und das Enchyleme myo- sique sollen die zwei constituirenden Bestandtheile der querge- streiften Muskelfaser sein, welche wesentlich differente Eigen- schaften besitzen und durch ihr verschiedenes Verhalten zu den angeführten Reagentien in verschiedener Erscheinungsweise demon- strirt werden können. Carnoy und van Gehuchten bilden sich also über die morphologische Bedeutung des angeblichen Netzwerkes eine ähn- lich schwärmerische Vorstellung, wie Melland und Marshall und Macallum, den wir früher auch erwähnten, schliesst sich, indem er ein in den Muskelkernen seines Objeetes beschriebenes Netz in das Netz der contractilen Substanz übergehen lässt, wieder der von ihm besonders hervorgehobenen Anschauung von Carnoy an. Van Gehuchten betont mit Recht, dass dem von ihm sup- ponirten Reticulum im Muskel eine wesentlich andere Bedeutung zukomme, als den von Retzius beschriebenen Querfadennetzen. Diese hat Retzius als verzweigte und anastomosirende und in der Längenrichtung der Muskelfaser eigenthümlich mit einander ver- bundene Ausläufer von Zellen gedeutet. In der That weicht die von Retzius gegebene Beschreibung der Goldbilder der Muskelfasern himmelweit von jener Melland’s, Marshall’s und van Gehuchten’s ab. 254 Alexander Rollett: Mit der treuen Beschreibung der mikroskopischen Bilder ver- soldeter Muskeln von Retzius kann man sich vollständig im Einklang befinden, wenn man auch die von ihm gegebene morpho- logische Ausdeutung seiner Querfadennetze und einige daran ge- knüpfte Folgerungen nicht aeceptirt (vergl. meine Untersuchung l. ec. I. Theil pag. 122). Bei Melland, Marshall und van Gehuchten handelt es sich aber nicht bloss um eine bestreitbare morphologische Aus- deutung des richtig Gesehenen. Nein! Diese Autoren wurden viel- mehr ganz vorzüglich durch falsch gesehene oder den realen Ver- hältnissen nicht entsprechend ausgelegte mikroskopische Bilder auf ihre Abwege geführt; davon werden wir uns des Weiteren überzeugen, wenn wir jetzt untersuchen, in welcher Weise van Gehuchten und Melland die Präexistenz ihres Fadennetzes in der lebenden Muskelfaser darzuthun suchen. Zu diesem Zwecke muss ich zuerst in Erinnerung bringen was ich selbst durch das Studium ganz frischer noch lebender Muskelfasern festzustellen in der Lage war. Ich habe in meinen Untersuchungen (|. c. Bd. LI pag. 53) mich viel mit dem mikroskopischen Bilde ganz frisch, ohne Zu- satz untersuchter Muskelfasern beschäftigt und als Resultat dieser Untersuchungen ausgesprochen, dass an den frischen Muskelfasern die früher seizzirten Einzelheiten der Muskelstructur grössten- theils gut erfasst werden können. Von den zahlreichen Bildern, welche ich am betreffenden Orte gegeben habe, reprodueire ich hier zunächst zwei, um sie mit dem Bilde, welches van Gehuchten und Melland von den frischen Muskelfasern geben zu vergleichen. Fig. 10 A stellt eine irische ruhende Muskeifaser von Geotrupes sylvaticus bei tiefer Einstellung des Mikroskopes dar. Fig. 10B dieselbe Faser bei hoher Einstellung. In Fig. 10A erscheinen die Streifen Z (Amici-Krause- sche Querlinien, Engelmann’s Zwischenscheiben, Ranvier’s disques minces) am dunkelsten, viel weniger dunkel erscheinen die Streifen @ (Bowman’s Scheiben, Engelmann’s anisotrope Bänder), heller erscheinen die Streifen J (isotrope Substanz von Engelmann, bandes claires von Ranvier); alle diese Streifen sind von einer deutlichen Längsstreifung durchzogen, die Längs- streifen erscheinen als sehr helle, alle Querstreifen durchsetzende Durchgänge und durch diese werden die Streifen Z in nebenein- Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 255 anderliesende Körner, die Streifen @ in Stäbe, die Streifen J in verschmälerte die Körner von Z und die Stäbe von Q verbindende Stücke zerlegt. Die der Länge nach verbundenen Stäbe und Körner entsprechen den Muskelsäulchen, die hellen Durchgänge zwischen denselben dem Sarkoplasma. Bei hoher Einstellung Fig. 10 B kehrt sich dieLichtvertheilung um, dieSarkoplasmadurchgänge erscheinen dann am dunkelsten und ent- sprechend in anderen Helligkeiten dieGlieder der Muskelsäulchen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Wechsel der Licht- vertheilung bei beiden Einstellungen für die Muskelfasern von Amici eingehend besprochen wurde und dass er mit dem Vorhandensein verschieden lichtbrechender Substanzen im Muskel zusammenhängt). Alles stärker lichtbreehende erscheint an der Muskelfaser bei hoher Einstellung heller, alles schwächer lichtbrechende dabei dunkel; dagegen alles stärker lichtbrechende bei tiefer Einstellung dunkel, alles schwächer lichtbrechende dabei hell. An dem gewählten Beispiele sind keine Streifen N (Engel. mann'’s Nebenscheiben, Ranvier’s disques accessoires, Flögel’s Körnerschiehten) vorhanden. Wären sie vorhanden, so würden sie sich zu beiden Seiten von Z in ähnlicher Weise wie dieser Streifen und von dem letzteren durch einen dem Streifen J ähnlichen Streifen E getrennt darstellen (Beispiele dafür Untersuchung. 1. ce. II. Theil, Tafel II, Fig. 18 u. 19). Sehen wir nun wie dagegen van Gehuchten und Melland die frische Muskelfaser abbilden. Wir werden dabei auf äusserst merkwürdige Irrthümer stossen. Fig. 11 gibt schematisch, auf die Grösse unserer Fig. 10 ge- bracht, in allen wesentlichen Theilen in Bezug auf welche Mel- land (siehe dessen Fig. 19 1. e.) und van Gehuchten (siehe dessen Fig. 2, 38, 99, 111 und 126 in Etude sur la struct. intime ete. 1. e. und dessen Fig. 1 in anatom. Anzeig. 1. c.) übereinstimmen, deren Bild des frischen Muskels wieder. Ich habe an der Fig. 11 die Bezeichnung der einzelnen Streifen mit den von mir vorgeschlagenen Buchstaben angebracht. Beide Autoren stellen also die Streifen Z dunkel und entsprechend den Muskelsäulchen in nebeneinanderliegende Körner getheilt dar, so wie sich die Streifen Z bei tiefer Einstellung darbieten (vergl. Fig. 10 A). 1) Vergleiche Dippel, das Mikroskop, I. Theil p. 851 u. d. f. 2. Aufl. Braunschweig 1889. 256 Alexander Rollett: In der Zeiehnung von Melland sind diese Körner von Z der Länge nach, in den Zeichnungen von van Gehuchten da- segen der Quere nach durch dunkle Linien verbunden, das ist die wesentlichste Abweichung in den Zeichnungen beider Autoren. Melland, welcher dem Wechsel der Lichtvertheilung beim Wechsel der Einstellung des Mikroskopes unter dem Titel: Trans- position of the Bands, eine besondere Auseinandersetzung widmet, führt ganz entschieden an und bildet das auch in besonderen Fi- suren ab, dass bei tiefer Einstellung die Streifen Z am dunkelsten erscheinen, dagegen die Streifen J am hellsten, während die Streifen Q. heller, als die Z, aber dunkler, als die Streifen J erscheinen; dass dagegen bei hoher Einstellung die Streifen Z am hellsten, die Streifen J am dunkelsten, dagegen die Q wieder in mittlerer Helligkeit erscheinen. Kurz er behauptet nicht nur für die Streifen Z, sondern für alle Streifen bei beiden Einstellungen ganz dasselbe, was ich auch als das Resultat meiner Untersuchungen angeführt habe. Es ist mir darum schwer begreiflich, wie Melland bei tiefer Einstellung in die Streifen @ (Fig. 11) feine dunkle Linien ein- zeichnen konnte, welche die den einzelnen Muskelsäulchen ent- sprechenden dunklen Körner der Streifen Z der Länge nach ver- binden. Solehe dunkle Linien sind in den Streifen @ bei tiefer Einstellung nicht zu sehen (vergl. Fig. 10 A), sondern nur bei hoher Einstellung (vergl. Fig. 10 B), und bei dieser liegen sie dann nicht in der Verbindungslinie der Mittelpunkte der dann hell er- scheinenden, den einzelnen Muskelsäulchen entsprechenden Körner der Streifen Z, sondern sie fallen zwischen dieselben (s. Fig. 10 B). Diese bei hoher Einstellung dunkel erscheinenden Linien sind bei tiefer Einstellung hell und wie gesagt nichts anderes als Theile der optischen Längsschnitte des die gegliederten Muskelsäulchen trennenden Sarkoplasmas. Das Bild welches van Gehuchten gibt stimmt, wie schon hervorgehoben, mit dem von Melland gezeichneten in Bezug auf die Lichtvertheilung überein. Van Gehuchten führt aber im Texte und in der Tafeler- klärung ausdrücklich an, dass sein Bild der hohen Einstellung entspreche. Bei dieser Einstellung treten die Sarkoplasmadurch- sänge in Q in der That in Form von dunklen Linien auf, dagegen erscheinen aber dann die Körner von Z nicht, wie van Gehuchten Ucber die Flossenmuskeln des Seepferdchens ete. 257 sie zeichnet, dunkel, sondern wie ich und Melland übereinstim- mend finden, hell; und wieder erscheinen die dunklen Linien in () nicht in der Verbindungslinie der Körner Z, sondern sie treffen zwischen die Körner von Z (siehe Fig. 10B). Es haben also so- wohl Melland, als auch van Gehuehten in dieselbe Darstel- lung der Muskelfaser Einzelheiten eingezeichnet, welche tlieilweise der tiefen, theilweise der hohen Einstellung entsprechen und noch überdies dieselben in linearer Richtung falsch auf einander be- zogen. Gerade diese Bilder sollen aber die Existenz des von Melland und von van Gehuchten angenommenen Netzes in den frischen Muskelfasern darthun. Die dunklen Linien in den Streifen Q Fig. 11 sollen die längslaufenden Fäden des Fadennetzes, die Körner von Z sollen Theile dieses Fadennetzes sein und zwar die Knoten, in welchen die querlaufenden Fäden des Fadennetzes sich ansetzen und ebenso wie die Körner von Z sollen auch die Körner von N, wenn die letzteren Streifen vorhanden sind, Verdiekungen der längs- laufenden Fäden des Fadennetzes sein. Nach Melland ist die zwischen den dunklen Linien im Streifen Q (Fig. 11) gelegene Substanz die Matrix, aus welcher sich beim Härten der Muskeln die sarcous elements bilden. Auch nach van Gehuchten existiren solche prismatische Elemente im frischen Muskel nicht, sondern die Maschen des Fadennetzes sind erfüllt mit dem enchyleme myosique und die hellen Streifen J, welche zwischen den Streifen Q und Z auftreten, bezeichnet er ohne weitere Begründung als ein optisches Phaenomen. So meinen nun Melland und van Gehuchten das Faden- netz am frischen Muskel demonstrirt zu haben und dieses selbe Fadennetz soll nun durch die Vergoldung im imprägnirten, roth ge- färbten Zustande in die Erscheinung treten. Faktisch sieht man dagegen am frischen Muskel nur die Muskelsäulchen mit den Glie- dern @, J und Z (Fig. 10 A) eventuell noch den Gliedern E und N und zwischen den Muskelsäulchen die Sarkoplasmadurchgänge. Ich behaupte und habe früher dargethan, dass sich bei der sewöhnlichen Vergoldung der Muskelfasern das Sarkoplasma färbt, die Muskelsäulchen dagegen nicht und dass die zierlichen Knotenreihen, welche man an den Goldbildern der Muskelfasern (vergleiche Fig. 6) sieht, davon herrühren, dass das Sarkoplasma zwischen den stark quellenden Gliedern @ der Muskelsäulchen 258 Alexander Rollett: verdünnt, dagegen zwischen den weniger quellenden Gliedern Z der Muskelsäulchen zusammengedrängt und angesammelt erscheint. Die Knoten sind nur die optischen Querschnitte der Verdiekungen der Wände des Wabenwerkes von Sarkoplasma, weiches die Muskel- säulchen in sich schliesst, und von dieser Verdickung, die auch in der Seitenansicht dureh stärkere Absorption sich geltend macht, rührt auch die scheinbar durch Fäden bedingte Querverbindung der Knoten her (Fig. 6). Melland und van Gehuchten identifieciren dagegen die Knoten der Goldbilder mit den Gliedern Z der Muskelsäulchen, weil sie, wie wir gesehen haben, fälschlich die bei hoher Einstellung in den Streifen Q auftretenden dunklen Linien (Sarkoplasmadurch- sänge im optischen Längsschnitte) in die Verbindungslinie jener Glieder der Muskelsäulchen verlegen. So wie die Goldbilder habe ich auch die Säurebilder einer ausführlichen Analyse unterworfen (Untersuchungen I. Th. 1. ce. pag. 110) und gefunden, dass sich an mit Säure behandelten Mus- kelfasern die Muskelsäulchen und das Sarkoplasma in ganz ähn- licher Weise differenziren, wie bei der Vergoldung, und so wie meine Deutung der Goldbilder den Anschauungen, welche Melland, van Gehuchten und Marshall über die Fadennetze vergoldeter Muskeln ausgesprochen haben widerstreitet, so widerstreitet auch meine Deutung der Säurebilder den mittelst Säuren von van Ge- huchten dargestellten Fadennetzen. Mit verdünnter Kalilauge, die van Gehuchten auch für die Darstellung der Netze besonders rühmt, finde ich aber wieder nur eine ganz ähnliche Differenzirung von Muskelsäulchen und Sarkoplasma, wie dieselbe an in Säuren gequollenen oder vergoldeten und dann in Säuren gequollenen Muskelfasern zu beobachten ist. Ich habe jetzt noch die Bilder zu besprechen, welche Melland und van Gehuchten den mit Härtemitteln behandelten Muskel- fasern zuschreiben und an weichen sie wieder das Fadennetz de- monstriren, welches sie an vergoldeten und an frischen Muskelfasern gefunden zu haben glauben. Ich werde denselben wieder meine Anschauung des Bildes gehärteter Muskelfasern entgegensetzen, welche ich in meinen Un- tersuchungen ausführlicher dargelegt und begründet habe. Es sollen mir hier die zwei schematischen Zeiebnungen Fig. 12 R, und R, dienen, diese Anschauung zu entwickeln. er* Ueber die Flossenmuskeln des Scepferdehens etc. 259 Fig. 12 R, stellt das Bild einer in Alkohol gehärteten Mus- kelfaser bei tiefer Einstellung dar. Man sieht in derselben die Muskelsäulchen von einander getrennt durch helle Sarkoplasma- durchgänge. Die Muskelsäulchen erscheinen gegliedert. Die Glie- der Z derselben, entsprechend dem Streifen Z, erscheinen am dun- kelsten. Heller erscheinen die Glieder @ derselben, entsprechend den Streifen Q, diese Glieder erscheinen an ihren Enden abge- rundet, in ihrer Mitte verschmälert, also auf dem optischen Längs- schnitte bisquitförmig. Ich habe diese Form der Glieder Q für (las Schema gewählt, weil sie sehr häufig zu beobachten ist und weil sie auch von Melland so gezeichnet werden und auch van Gehuchten dieselben in vielen Fällen so beobachtet hat. Diese Form ist aber nicht immer und ausschliesslich zu be- obachten. Im Gegentheile es treten die verschiedensten Formen derselben an Weingeistpräparaten zu Tage. Sie können walzen- stab- spindelförmig beobachtet werden, wie das sich auch aus der Darstellung von van Gehuchten ergiebt. Ich selbst habe solche verschiedene Bilder in den meinen Untersuchungen beigegebenen Tafeln in zahlreicher Menge dargestellt. Für die Muskelfasern der Biene habe ich durch rasche Appli- kation von Alkohol auf frische, unter dem Miskroskope beobachtete Fasern gezeigt, wie sich deformirte Glieder @ von der Art, wie sie in die schematische Fig. 12 R, eingezeichnet wurden, aus den stabförmigen Gliedern @ der frischen Faser herstellen (vergl. Untersuch. 1. e. Bd. LI pag. 54 Taf. II Fig. 14 A, B, C,D). Die Glieder J der Muskelsäulchen (Fig. 12 R,) erscheinen am hellsten und etwas verschmälert. Vergleichen wir mit dem beschriebenen Bilde der Muskel- faser bei tiefer Einstellung das Bild derselben Faser bei hoher Einstellung (Fig. 12 R,), so sehen wir eine ähnliche Umkehr der Lichtvertheilung, wie wir sie beim Wechsel der Einstellung an den frischen Muskelfasern beschrieben haben. Die Sarkoplasmadurch- gänge, welche ihrer Form nach das getreue Abbild der hellen Sarkoplasmadurchgänge des Muskels bei tiefer Einstellung sind, erscheinen am dunkelsten, die Glieder Z der Muskelsäulchen am hellsten, weniger hell die Glieder @, dunkler die Glieder J. Die in Form von mit Knoten besetzten Fäden erscheinenden Sarkoplasma- durchgänge stellen wieder nur die optischen Längsschnitte der Wände des Wabenwerkes von Sarkoplasma dar, welches die Muskelsäul- 260 Alexander Rollett: chen umschliesst. Durch Differenzirung der Muskelsäulehen, und des Sarkoplasmas gehärteter Muskeln mit Haematoxylin; durch Serien von Querschnitten gehärteter Muskeln; und Vergleichung des Bildes, welches mit dem Messer angefertigte Quersehnitte gehär- teter Muskeln der verschiedensten Arthropoden ergeben, mit dem Bilde des Querschnittes vergoldeter oder mit Säure behandelter Muskeln glaube ich meine Anschauung über das Bild gehärteter Muskelfasern in ausreichender Weise begründet zu haben. (Vergl. Untersuchungen 1. e. Bd. XLIX pag. 110, und Bd. LI p. 23). Seien wir dagegen wieder, wie Melland und van Ge- huchten das Bild der gehärteten Faser darstellen. Die Fig. 12M siebt die Darstellung von Melland wieder (vergl. dessen Diag. 8 und Fig. 21 1. e.). Die dureh das Härtemittel geschrumpften und in ihrer Form veränderten Elemente der Streifen @ liegen lose in den Maschen eines Netzwerkes, dessen Knoten die Körner der Streifen Z sein sollen. Diese Körner, welche durch längs- und querlaufende Fäden mit einander verbunden erscheinen, sollen alternirend mit den Elementen von Q liegen, und zwischen je zwei der letzteren sollen die die Körner von Z der Länge nach verbin- denden Fäden durchlaufen. Gegen diese Darstellung, wollen wir nur anführen, dass sie sich im Widerspruche befindet mit einer leicht an hunderten von Präparaten von in Alkohol conservirten Arthropodenmuskeln zu constatirenden Thatsache. Man findet an diesen immer die Körner der Streifen Z genau in die Richtung der Längenaxe der in der Längenrichtung sich correspondirenden Stäbe von @ fallen, wie das in Fig. 12 R, dargestellt ist, und wie das von Amici bis heute alle Autoren, die sich mit diesem Gegen- stande beschäftigten, behauptet haben. Zu den letzteren gehört denn auch van Gehuchten, der von den gehärteten Muskelfasern zahlreiche Bilder (vergleiche seine Figuren 5, 6, 14, 15, 65, 70, 89, 91, 100, 102, 135 und viele an- dere) beschreibt, die was die Lage der Theile betrifft alle über- einstimmen mit der als Beispiel hier dargestellten schematischen Fig. 12 G. In dieser treten zunächst die längs- und querlaufenden Fäden des Fadennetzes hervor. Die Körner der Streifen Z sind die schon am frischen Muskel siehtbaren Knoten des „reticulum plastinien“, wie das schon früher angeführt worden ist. Während aber am frischen Muskel die Maschen dieses Netzes ausgefüllt er- scheinen mit dem Enchyl&me myosique, haben sich am gehärteten Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdehens etc. 261 Muskel an die längslaufenden Fäden des Netzes besonders ge- fornite Gerinnsel aus dem Enchylem ausgeschieden und angesetzt, die jetzt als Stäbe (bätonnets) der Streifen Q in die Erscheinung treten. Man wird sich nun vor Allem fragen, warum diese Nieder- schläge aus dem Enchyleme, gerade die längslaufenden Fäden des Fadennetzes als Ansatzstellen in so regelmässiger Weise bevor- zugen sollen. Mir scheint dieser Versuch einer Erklärung der Stäbe von Q ein äusserst geschraubter zu sein, und er hat, wie man sieht, das Vorhandensein des Fadennetzes zur Voraussetzung, dessen Existenz wir schon widerlegt haben. Ich habe Bilder, wie sie Melland und van Gehuchten der gehärteten Muskelfaser zu- schreiben, durchaus niemals finden können. Ich halte sie für reine Phantasiegebilde und man kann hier nur wieder annehmen, dass wenigstens zum Theile die Verwechslung der hohen und tiefen Einstellung einiges Verschulden trifft. Es ist endlich auch sehr leicht noch eine ganze Reihe von Eigenschaften, welche van Gehuchten seinem „reticulum plasti- nien“ und seinem „enchyleme myosique“ zuschreibt, einfach abzu- weisen. Das Reticulum soll durchaus einfach breehend sein. Da aber nun die von anderen Autoren beschriebenen Körner der Streifen Z und der Streifen N nach van Gehuchten dem Netze angehören und zwar die ersteren die optischen Querschnitte der Querfaden, die letzteren Verdickungen (&paississements) der Längs- faden sein sollen, so kann van Gehuchten’s Behauptung über die optischen Eigenschaften seines Reticulum nicht richtig sein. Man weiss seit Brücke’s Untersuchungen der Muskelfasern im ‚polarisirten Lichte, dass die Körner oder Stäbe von Z und N (Zwischen- und Nebenscheiben; Brücke’s aus kürzeren sarcous elements gebildete, doppeltbrechende Streifen) anisotrop sind. Ich habe das bei sehr eingehenden und vielfachen Untersuchungen frischer, ohne Zusatz im polarisirten Lichte untersuchter Muskel- fasern immer nachweisen können. Sehen wir uns endlich das Enchylem an, welches nach van Gehuchten die Maschen des Fadennetzes im frischen Muskel erfüllen soll. Es soll eine hya- line, glanzlos und homogen erscheinende, mehr oder weniger flüs- sige oder teigige Substanz sein, welche, in Wasser gelöst, mine- ralische Salze und eine grosse Menge von Eiweisssubstanzen ent- halten soll. Der Hauptbestandtheil der Lösung soll das Myosin sein. Das „Enchyleme myosique“ soll die doppeltbrechende Sub- 262 Alexander Rollett: stanz des frischen Muskels sein und diese Eigenschaft verdanke es dem Myosin, weiches es enthält. Alles sehr schön! aber Alles nur Behauptungen ohne Beweise. Wenn jemand die Behauptung aufstellt, dass eine Eiweiss- lösung die positiv einaxige Anisotropie der frischen Muskelfasern bedingt, so ist das jedesfalls eine Behauptung, die von vornherein nach unseren dermaligen physikalischen Kenntnissen nicht sofort verständlich erscheint. Im Gegentheile, derjenige der das behauptet, müsste es sich sehr angelegen sein lassen, uns auseinander zu setzen, wie er das eigentlich meint, und zu begründen vermag. Es kämen dabei alle die oft hervorgehobenen Schwierigkeiten in Betracht, auf welche schon die Anwendung des Begriffes Lösung auf die sogenannten unechten Lösungen der Eiweisskörper stösst, und die ebenso oft betonten Schwierigkeiten, welche die Definition des Aggregatzustandes organischer und organisirter Substanzen dar- bietet. Was das Myosin betrifft, so ist noch überdies zu bemerken, dass die Substanz, welche wir im geronnenen Muskel als Myosin bezeichnen, als solche gar nicht im lebenden Muskel vorhanden ist, sondern sieh wahrscheinlich durch sehr complieirte Processe aus einer anderen Eiweisssubstanz oder durch das Zusammenwirken mehrerer Substanzen bildet. \ Ich komme also zu dem Resultate, dass ein Netzwerk im Sinne von Melland, Marshall und van Gehuehten und ein Enchylem im Sinne des Letzteren in der quergestreiften Muskel- faser nicht existirt. Die Annahme eines solchen Netzes beruht auf Irrthümern in der Auslegung mikroskopischer Bilder und der Vernachlässigung bekannter Thatsachen der vergleichenden Morphologie der Muskeln. Viele von den an die Existenz eines solchen Netzwerkes ge- knüpften Annahmen erscheinen gezwungen und einem einheitlichen und allgemeinen Verständnisse der bei verschiedenen Thieren auf- tretenden morphologischen Verschiedenheiten der Muskeltasern hinderlich, während durch meine im Eingange skizzirte Darstellung des Muskelbaues ein solches umfassendes Verständniss desselben vermittelt wird. Die Bilder, welche die genannten Autoren auf Fadennetze im Muskel beziehen, kommen nur dureh die besondere Anordnung des Sarkoplasmas im Muskel zu Stande, welches im Allgemeinen in Form eines Wabenwerkes die gegliederten Muskelsäulchen umsgiebt. Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 265 Ob das in solcher Weise angeordnete Sarkoplasma als solches noch eine feinere besondere Structur besitzt, die etwa mit der feinen netzartigen oder schwammigen Structur zu vergleichen wäre, welche man als „Zellstructur“ am Protoplasma nachzuweisen versuchte, müssen erst noch weitere Untersuchungen lehren, was ich hier, um künftige Missverständnisse zu vermeiden, den fälsch- lich angenommenen Fadennetzen im Sinne Melland’s, Mar- shall’s und van Gehuchten’s gegenüber noch besonders hervor- heben will. Zum Schlusse dieser kritischen Gänge möchte ich noch an- führen, dass es mir beim Studium der umfangreichen Literatur der quergestreiften Muskelfasern immer den grössten Unmuth erregt hat, wenn ich gesehen habe, wie so oft alle Errungen- schaften, welche wir Schwann, Bowman, Brücke, Cohnheim, Kölliker, Engelmann u. A. in der Erkenntniss des Baues der quergestreiften Muskelfasern verdanken, leichten Sinnes völlig über Bord geworfen werden, weil ich schon lange die Ueberzeugung habe, dass in den von jenen Forschern aufgestellten Lehren vieles enthalten ist, was die direeten Anknüpfungspunkte für einen erfolgreichen Ausbau der Histologie der quergestreiften Muskelfasern darbietet. Die Richtigkeit dieser Anschauung hat sich mir auch völlig bewährt bei den schon öfter eitirten Untersuchungen (Bd. XLIX und LI. e.), in welchen ich auf breitester vergleichend histologi- scher Grundlage Schritt für Schritt eine Analyse des Muskelbaues zu geben versuchte. Ich muss mir erlauben, auch dieses Ergebniss meiner Arbeiten hier besonders hervorzuheben. Ich glaube darum auch, dass wir für den Bau der Muskel- fasern, trotz aller offenen Fragen doch eine Reihe erkannter That- sachen als so fest begründet ansehen müssen, dass wir an diesen nicht immer wieder rütteln lassen dürfen, sondern uns vielmehr immer zuerst fragen müssen, wie neue, wirklich reelle Funde mit denselben in Einklang gebracht werden können. Es handelt sich ja doch auch in der Histologie der Muskeln um stetige Fortent- wicklung der Wissenschaft durch streng methodische Forschung, nicht aber um dichterische Conceptionen, dargestellt im Gewande wissenschaftlicher Abhandlungen. Sonst wird die Muskelhistologie niemals den wankenden Boden verlassen, auf welchem sie sich, wie ich überzeugt bin, unnöthig lange Zeit und nicht zum Ansehen der histologischen Wissenschaft bewegt hat. 964 Alexander Rollett: Als ich die vorliegende Abhandlung eben abgeschlossen hatte, kam mir eine Abhandlung über die Muskeln von Ramön y Gajal!) zu. Dieselbe ist befruchtet von den Lehren Carnoy’s, Mel- land’s und van Gehuchten’s. Auch Ramon y Cajal will in der Muskelfaser Faden- netze, und zwar den Krause’schen Streifen entsprechende Quer- fadennetze, welche durch Längsfäden verbunden sein sollen, nach- weisen. Die Maschen der Querfadennetze stellt er sich durch Mem- branen verschlossen vor. Als besondere Stütze der letzteren An- schauung führt er an, dass oft in Mitte einer Masche frei und ohne Zusammenhang mit dem Netze Ansammlungen einer Substanz auf- treten, die sich den Faden des Netzes völlig gleich verhält. Diese Ansammlungen seien aber nur als von der in der Masche ausge- spannten Membran getragene Knotten zu deuten. Ich habe aber schon vor längerer Zeit namentlich für die Muskeln der Hydrophiliden (Hydrophilus piceus, Hydrocharis cara- boides) ausführlich dargethan und nach verschiedenen Methoden begründet (Untersuch. Bd. XLIX 1. e. pag. 125 und Bd. LI. e. pag. 29, dass die, wie die Balken des die Cohnheim’schen Felder des Querschnittes umgebenden Netzes aussehenden, mittelständigen Punkte der Cohnheim’schen Felder nur die Querschnitte von Sarkoplasmasträngen sind, die von der Substanz der Muskelsäul- chen umfasst werden. Es ist mir nicht bekannt geworden, dass irgend jemand diese meine Anschauung Schritt für Schritt, so wie ich sie zu begründen suchte, widerlegt hätte. Ich halte sie darum auch den gewagten Deutungen von Ramon y Cajal gegenüber aufrecht. Die Längsfaden stützt Ramon y Cajal ebenso wie Meiland und van Gehuchten auf missdeutete dunkle Linien in den Streifen @ der frischen Muskeln. Zur Darstellung der Netze bedient er sich wie Melland und van Gehuchten der Vergoldung und der Anwendung von verdünnten Säuren und Alkalien. In Bezug auf die Stäbe von @ in den gehärteten Muskeln 1) Observations sur la texture des fibres musculaires des pattes et des ailes des insectes. Internat. Monatssch. für Anatomie u. Physiologie, Bd. V p- 205. Ueber die Flossenmuskeln des Seepferdchens etc. 265 (bätonnets de myosine) schliesst sich Ramon y Cajal der durch die Figur 12M illustrirten Ansicht von Melland an, dass sie zwischen den längslaufenden Fäden des Netzwerkes (fibrilles pre- existantes von Ramon y Cajal, bars of the network von Mel- land) liegen, und bestreitet die von van Gehuchten behauptete Lage der Stäbe (bätonnets) Fig. 12G. Wir haben aber früher angeführt, dass die Behauptung von Melland über die Lage der Stäbe von Q im Widerspruch stehe mit leicht und klar zu constatirenden Thatsachen und mit den Angaben aller anderen Histologen. Dasselbe gilt also auch von der Behauptung Ramon y Cajal’s, während van Gehuchten, abgesehen von seiner Deutung der Stäbe (bätonnets), wenigstens ihre Lage richtig angiebt. Ich glaube über Ramon y Cajal’s Arbeit genug gesagt zu haben, um sie ebenso wie jene von Melland und van Gehuchten als nicht beweisend für die Existenz des supponirten Fadennetzes hinzustellen. Ueber die von Ramon y Cajal behandelten Flug- muskeln der Insekten enthalte ich mich vorläufig jeder Kritik, so wie ich das früher, was ich nun auch ausdrücklich anführen will, auch bezüglich der Mittheilungen van Gehuchten’s über die Flugmuskeln gethan habe. Ich habe schon zu wiederholten Malen die Flugmuskeln der Insekten als eine histologische Speeialität bezeichnet, die ihrer besonderen Bearbeitung bedarf. Tafel-Erklärung. Tafel VI. Querschnitte vergoldeter Flossenmuskelfasern vom Seepferdchen. e 2 m Fig. 2. Querschnitt einer vergoldeten Flossenmuskelfaser vom Seepferdchen (sehr stark vergrössert). Fig. 3. Querschnitt einer vergoldeten Muskelfaser von Musca vomitoria. Tafel VII. Fig. 4. Stück eines Querschnittes einer vergoldeten Muskelfaser von Maja squinado. Fig. 5. Querschnitt einer vergoldeten Muskelfaser eines gewöhnlichen Stamm- muskels des Seepferdchens. Fig. 6. Längenansicht einer vergoldeten Flossenmuskelfaser vom Seepferdchen (sehr stark vergrössert wie Fig. 2). Fig. 7. Querschnitte von in Alkohol gehärteten und mit Hamaloeyn ge- färbten Flossenmuskelfasern des Seepferdchens. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22. 17 266 Josef Schaffer: Fig. 8. Querschnitt einer in Alkohol gehärteten und mit Hämatoxylin ge- färbten Muskelfaser von Musca vomitoria. Fig. 9. Querschnitt einer mit Osmiumsäure behandelten Flossenmuskelfaser vom Seepferdchen. Die Figuren 1, 3, 4, 5, 7, 8 und 9 bei derselben Vergrösserung gezeichnet. Fig. 10. Lebende Muskelfaser von Geotrupes sylvaticus. A bei tiefer, B bei hoher Einstellung des Mikroskopes. Fig. 11. Bild einer lebenden Insectenmuskelfaser nach Melland und van Gehuchten. Fig. 12. Bilder gehärteter Muskelfasern von Insecten. R, bei tiefer, R,, bei hoher Einstellung, M. nach Melland, G. nach van Gehuchten. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. Ein Beitrag zur Lehre von der Östeogenese. Von Dr. Josef Schaffer, Assistent am Institute für Histologie und Embryologie in Graz. Hierzu Tafel IX— XI. Inhalt. I. Einleitung. I. Allgemeines und Historisches über Metaplasie. III. Der Unterkiefer. IV. Material. Untersuchungsmethode. V. Erste Anlage des Gelenk- und Kronenfortsatzes. — Knochenbildungsge- webe (osteogenes Blastem). VI. Die Knorpelkerne. A. Erstes Auftreten. B. Weitere Entwicklung. VII. Die Ossificationsvorgänge an den Knorpelkernen. 1. Verknöcherung des Kronenfortsatzes. 2. Verknöcherung des Gelenkfortsatzes. A. Össificationsvorgänge bis zur Entwicklung einer Ossifications- linie. — Perichondraler Typus (Typus der Auflagerung). B. Weitere Ossification. — Modifieirt endochondraler Typus (Typus der Einlagerung). VIII. Schluss und Zusammenfassung. Erklärung der Abbildungen. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 267 I. Einleitung. „Es giebt keine Frage, die je widerspruchsvoller gewesen wäre, als die über die Entwicklung des Knochengewebes. Alle möglichen Anschauungen wurden da aufgestellt oder wieder be- stritten.‘“ Nach diesen einleitenden Worten giebt Charles Julin!) in seinem unten eit. op. eine geschichtliche Uebersicht über die Ent- wicklung des Knochengewebes, wie sie uns der Hauptsache nach schon von H. Müller?) eingangs seiner classischen Arbeit „Ueber die Entwicklung der Knochensubstanz nebst Bemerkungen über den Bau rhachitischer Knochen“ geboten wurde. Aus beiden aber, wie auch aus dem Litteraturverzeichnisse der letzten diesen Gegen- stand in extenso behandelnden Arbeit von M. Kassowitz?) wird der Leser die Richtigkeit der oben eitirten Worte ersehen. Fürwahr, kaum in einer anderen Frage dürfte es so schwer sein, sich über das jeweilig Gewollte oder Erreichte eine klare An- schauung zu verschaffen und für die vielen heterogenen Ansichten einen einheitlichen Gesichtspunkt zu gewinnen. Diese Schwierig- keit liegt aber weniger darin, dass Jeder seine persönlichen Unter- suchungen zu sehr verallgemeinert sehen wollte, wie Ch. Julin meint, sondern in der ungemeinen Schwierigkeit des Gegenstandes selbst, im Mangel einer charakteristischen Reaktion oder Tinction, überhaupt einer concisen, alle Entwiceklungsstadien des Knochens umfassenden Definition desselben, in der Schwierigkeit der scharfen Trennung desselben vom Knorpel und in der mangelhaften Kennt- niss des Baues und „Vorkommens“ dieses letzteren. Wie ich jetzt eine genaue Kenntniss des Knorpels in seinen vielfachen Formen als eine fundamentale Erforderniss für eine er- folgreiche Bearbeitung der Osteogenese hinstellen muss, so forderte v. Ebner*) vor mehr als einem Decennium eine genaue Kennt- niss der feineren Structur des Knochens und es dürfte Niemanden entgangen sein, wie sehr gerade durch die zunehmende Erkennt- 1) Recherches sur l’ossification du maxillaire inferieur etc. Arch. d. Biolog. T. I. 1880, S. 75. 2) Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 9, 1858. 3) Die normale Ossification ete. Wien, Braumüller 1831. 4) Sitzungsber. d. kais. Akad. der Wissensch. Wien. LXXIH. Bd. I. ul Er. 268 Josef Schaffer: niss des Baues der Knochen seit seiner bahnbrechenden Arbeit, auch die ihrer Entwicklung gewonnen hat: ich erinnere nur daran, dass der Nachweis der discontinuirlichen Structur des Knochen ein Postulat für die heutige Resorptions- und Appositions- lehre war. So ist nun auch zu hoffen, dass ein eingehenderes Verständ- niss des zweiten Hauptfactors in der Frage der Ossifieation, des Knorpels neues Licht auf die Entwicklungsgeschichte des Knochen- sewebes werfen wird. Einen wichtigen Aufschluss dürfen wir auch von der Anwendung des neuen Wissens über Karyokinese auf den Gegenstand erwarten. Bei der Manmnigfaltigkeit der Anschauungen ist es nöthig, bevor wir zu unserem eigentlichen Gegenstande übergehen, einen Blick auf seine Entwicklung zu werfen, wie wir fast im Beginne jeder Arbeit über Knochenentwicklung eine mehr minder er- schöpfende historische Uebersicht des Gegenstandes finden: Eingehendere Beachtung hat die Geschichte der Osteogenese ausser bei H. Müller und Ch. Julin auch noch bei Kölliker, OÖllier, Strelzoff u. A. gefunden; hier genügt es zur Orien- tirung einen flüchtigen Blick auf die jüngsten Fortschritte und den heutigen Stand dieser Frage zu werfen. Da muss uns vor allem der Umstand auffallen, dass, anderen Fragen gegenüber im Gebiete der Knochenentwicklungslehre, der wirklich unbestrittene Gewinn an Erkenntniss in keinem Verhält- nisse steht zur geleisteten Arbeit, die nach der Zahl der Publica- tionen jährlich eine sehr grosse ist. Meist aber dienen diese Ab- handlungen nur zur Stützung eines Parteistandpunktes und nicht zur Ausgleichung der Anschauungsdifferenzen. Ueber die primären Knochenentwicklungsvorgänge herrschten und herrschen zum Theil noch drei Anschauungen, die, wie Busch!) darthut, aus der „zuerst dichotomischen Theilung in die meta- plastische und neoplastische Theorie“ hervorgingen. Aus letzterer spaltete sich als jüngste und heute allgemein zur Geltung gelangte die Osteoblastentheorie ab. Die Charakterisirung dieser drei Ansichten findet man in kurzen Worten im oben cit. Vortrage, auf das Wesen der meta- 1) Die drei Theorien der Knochenbildung. Verhandlg. der phys. Ge- sellsch. zu Berlin. Jahrg. 1879—80, Nr. 1. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 269 plastischen Theorie muss ich gegenständlich später etwas näher eingehen. Ueber die weiteren Formbildungs- und Wachsthumsvorgänge des Knochens haben wir ebenfalls mehrere Ansichten zu erwähnen, von denen freilich wieder die jüngste heute zur fast alleinigen Annahme ge- langt ist. Es ist dies die Lehre von der Apposition und Resorption: das richtige VerhältnissdieserbeidenVorgänge bedingt alleinForm und Wachsthum, eine Störung desselben ist Ursache vieler pathologischer Zustände der Knochen. Eine andere Anschauung stellt „ungleichmässiges Wachsthum als formbildendes Prineip der Knochen“ auf, und eine dritte, älteste Theorie, deren Anhänger auch Strelzoff ist, lässt den Knochen durch Intussusception wachsen (Expansionslehre). Diese beiden letzten Theorien sind aber heute bereits fallen gelassen worden, H. Müller’s neoplastische Theorie wurde aus- gebildet, und das ist der grösste Fortschritt, den die Lehre von der Östeogenese in den letzten 15 Jahren gemacht hat, dass die ver- hältnissmässig einfache Lehre von der Apposition und Resorption, verbunden mit Osteoblasten- und Osteoklastentheorie immer mehr an Boden gewinnt, da sie uns in ansprechender, einfacher Weise viele schwierige Fragen plausibel beantwortet und zahlreichen Be- obachtungen ungezwungen entspricht. Ich bin jedoch weit entfernt davon zu glauben, dass mit der modernen Össificationslehre ein allgemeines Verständniss in der grossen Frage geschaffen wäre, eine lange Reihe gewichtiger Fragen ist noch unbeantwortet und für manche anscheinend einfache Erklärung gilt das adhue sub judice lis est. Die Verhältnisse liegen eben oft so complieirt, sind direkter Beobachtung so wenig zugänglich, dass eine Erklärung nicht aus- reicht und man sich genöthigt sieht, zu einer anderen zu greifen. So genügt die moderne Ossificationslehre vielen Forschern nicht zum Verständniss der Verknöcherungsvorgänge an einigen Skelettheilen, z. B. am Tuberculum radii, clavicula, spina scapulae, am Unterkiefer, und hier sehen sie sich genöthigt, die alte Auschau- ung von der direkten Össification zu Hülfe zu nehmen. Ist es nun einerseits befremdend eine Lehre, der schon seit Nesbitt, Duhamel und später durch Sharpey, Bruch, Baur und H. Müller fast aller Boden entzogen wurde, immer wieder her- angezogen zu sehen, so wäre es andererseits um des idealen Prinzipes 270 Josef Schaffer: einer einheitlichen Gesetzmässigkeit in der Knochenentwicklung nur zu wünschen, die Annahme der indirekten Ossification auch für die bestrittenen Gebiete ausreichen zu sehen. Dies wurde auch zu wiederholten Malen versucht, so von Loven!), Stieda?), Steudener?) u. A. Wenn dieser Versuch aber dennoch noch nicht allgemeine Anerkennung gefunden, so ist dies weniger ein Beweis dagegen, als für die grosse Schwierigkeit des Gegenstandes. Wenn ich es nun, trotz gründlicher Erwägung aller dieser Schwierigkeiten, gewagt habe, diese Frage zum Gegenstande folgen- der Untersuchung zu machen, so that ich es einerseits im Ver- trauen auf das allgemeine Interesse der Sache, andererseits in der Hoffnung, von einem kleinen Gebiete aus ein Verständniss für die grosse allgemeine Frage zu gewinnen und bitte daher die vielen Unzulänglichkeiten folgender Zeilen mit dem guten Willen zu ent- schuldigen. Wenn ich von der Verwerthung der umfangreichen Literatur vielfach mehr Gebrauch gemacht habe, als es einer gefälligen Kürze der Arbeit zuträglich war, so geschah dies einerseits aus dem Grunde, weil ich es für eine Sache der Gewissenhaftigkeit hielt, alle mir zugänglichen, einschlägigen Beobachtungen kritisch zu: verwerthen, und ich es andererseits nicht für undankbar erachtete, die verstreuten und zu mächtiger Zahl angewachsenen Abhand- lungen für künftige Bearbeiter der Osteogenese zusammenzustellen und von einer neuen Seite zu beleuchten. Meinem hochverehrten Lehrer und Vorstande, Prof. R. v. Ebner, sage ich hier gebührend den herzlichsten Dank für die liebenswürdige Theilnahme, mit welcher er den Fortgang dieser Arbeit verfolgt und gefördert hat. II. Allgemeines und Historisches über Metaplasie. Die metaplastische Ossificationslehre ist eigentlich die älteste und einst ausschliesslich geltende Anschauung über das Zustande- 1) Medicinsk Archiv. utgifed of Lärarne vid Carolinska Institutet, I. Bd. II. H. 1863. 2) Arch. f. mikr. Anat., XI. Bd. 3) Beitrag zur Lehre von der Knochenentwicklung u. dem Knochenwachs- thum. Halle 1875. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 271 kommen der definitiven Knochen, indem man aus der häufigen Wahrnehmung, dass immer an Stelle von Knorpel später ein form- ähnlicher Knochen zu finden war, den einfachen Schluss post hoc, ergo ex hoc zog: aus dem Knorpel ist Knochen geworden. Als man später die Knochenkörperchen als Zellen erkannte, die in einer starren Grundsubstanz eingelagert sind, erweiterte man noch die Kenntniss von der direkten Ossification (Metaplasie), liess die Grundsubstanz des Knorpels durch Aufnahme von Kalksalzen starr und die Knorpelzellen durch Aussendung von Ausläufern ein- fach zu Knochenkörperchen werden, wobei man sich um das Schicksal der Knorpelkapseln, welehe doch einem direkten Aussenden und unter einander in Verbindung treten von Fortsätzen hinderlich sein mussten, nicht viel kümmerte!). So hatte man unter Per- sistenz der Zellen eine Aenderung des Gewebscharak- ters erhalten — eine Definition, die von Virchow?) herrührt — und bezeichnete fortan diesen Vorgang als Metaplasie (Um- bildung). Vor Virchow beschränkte sich die Anschauung über Meta- plasie, wie erwähnt, vornehmlich auf den direkten Uebergang von Knorpel in Knochen unter normalen, wie pathologischen Ver- hältnissen. Ich unterlasse es, die lange Reihe der Anhänger dieser Rich- tung hier anzuführen und erwähne nur, dass H. Meyer, Virchow, Kölliker u. A. an der alten, metaplastischen Anschauung noch festhielten, als man bereits die periostale und intermembranöse Verknöcherung von der endochondralen gesondert hatte. So fand H. Meyer?) das Wesen der Verknöcherung — in ganzer Unkenntniss der feineren Knochenstruktur — in der Ab- lagerung von Kalksalzen in vorhandene Gewebe und im engeren Sinne in einer Imprägnation von Elementartheilen und Zwischen- substanz mit Kalksalzen, so dass sie zu mehr minder homogener Masse verschmelzen. Freilich entging ihm selbst nicht das Mangel- hafte einer solchen Auffassung und wenn er sagt: „Es ist eine be- kannte Thatsache, dass jeder Knochen, bevor er als Knochen auf- 1) Man vergleiche Baur in Meissner’s und Henle’s Berichten 1857, S. 90. 2) Virch. Arch. 97, S. 410. 3) Arch. f. Anat. u. Phys. 1859,)8. 292, 272 "Josef Schaffer: tritt, bereits als Knorpel vorgebildet gefunden wird; dieser Knorpel, verknöchert, soll den zukünftigen Knochen darstellen“, so fügt er gleich hinzu: „eine solche Ansicht konnte nicht verfehlen in ihrer Unklarheit die verschiedensten Meinungen über das Wachsthum der Knochen zu erzeugen“. Virchow!) wurde hauptsächlich durch Beobachtungen an pathologischen Objecten, die er einfach auf normale Vorgänge über- trug, zu seiner metaplastischen Anschauung geführt, obwohl Köl- liker?2), der bald die Haltlosigkeit derselben erkannte und der Metaplasie des Knorpels nur mehr eine sehr beschränkte (weiter unten zu besprechende) Bedeutung zuerkannte, betonte, dass die Beobachtungen an rachitischen Knochen nicht auf die normale Ossifieation übertragen werden können, da bei dieser die Knorpel- kapseln an der Bildung der Knochenzellen keinen Antheil haben. Uebrigens ist die Darstellung, welche Virchow (l. e.) von der Ossification des Knorpelsnach Kölliker und H. Meyer gibt, eine nicht ausreichende und lassen sich aus derselben ebenso gut Be- weise für die gegentheilige „Verdrängungs- oder Ersatztheorie“ entnehmen: „Zuerst lagern sich in die Intercellularsubstanz und in die diekwandigen Kapseln der Knorpelhöhlen Kalksalze ab und dann schmilzt ein Theil dieser Ablagerungen wieder ein und es bilden sich die Markräume der spongiösen Knochensubstanz ausakeer ; die erste, verkalkte, feinarräoläre Schicht ist demnach kein eigentlicher Knochen und ebenso wenig geht sie in ihrer Totalität in Knochen über. Und wenn Virchow bald darauf bemerkt, dass fast der ganze aus dem Knorpel hervorgegangene Knochen endlich wieder in der Markhöhle zusammenschmilzt, so möchte man an seiner ganzen, meta- plastischen Anschauung irre werden. Bevor wir nun zur Besprechung des gänzlichen Umsturzes dieser Ansichten durch H. Müller schreiten, müssen wir noch der Vertreter der gegentheiligen Anschauung bis zu seiner Zeit ge- denken. Wie viele Wahrheiten oft schon frühe erkannt wurden, verloren gingen und immer wieder betont werden mussten, um endlich zur Geltung zu gelangen, so ist es auch mit unserer Frage. Dieselbe beschäftigte, wie Bruch bemerkt, bereits die Ana- MuN\ıxch, ArchzV 1853: 2) Kölliker, Gewebelehre 1867, S. 82. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 273 tomen des 17. Jahrhunderts, Kerkring, Malpighi und Ruysch. Aber bereits Nesbitt!) erkannte, dass „der alte und gemeine Be- sriff, als ob alle Knochen ursprünglich knorpelig wären, ein ge- meiner Irrthum sei“, dass der präformirte Knorpel ganz zerstört werde, ja er erkannte bereits die vom Knorpel unabhängige, perio- stale Anlage der meisten Schädelknochen. „Wie wenig die Frucht- knochen von den Knorpeln, in denen sie erzeuget werden, depen- diren, kann deutlich erwiesen werden, wenn einige davon, da die Knorpel den Knochen ganz und gar oder doch mehrentheils um- geben, lange genug in Wasser gehalten werden; denn alsdann wird der Knochen nach einer einzigen Spaltung des Knorpels, so- bald als die grossen Gefässe, die in seine Substanz gehen, zer- theilet sind, so leichte, wo nicht noch leichter herausschlüpfen, als eine Eichel aus ihrer Schale. Und aus der Glätte und Politur der Theile, sowohl des Knorpels, als auch des Beines, die sich einander berühren, erhellet zur Genüge, dass hier keine Ver- mischung ihrer Theilchen oder Fortsetzung der Fasern der einen Substanz in die Fasern der anderen habe sein können.“ Ebenso hat Duhamel?) schon in der Mitte des vorigen Jahr- hunderts die periostale Ossification unabhängig vom Knorpel nach- gewiesen. | Fast ein Jahrhundert blieben diese Thatsachen nun wieder vergessen, bis der Nachweis echten Faserknochens durch Joh. Müller?) die Frage auf’s neue anregte und die Ansicht, dass nicht alle Knochen knorpelig vorgebildet sind, der Knorpel über- haupt nur eine provisorische Bedeutung besitzt an den Engländern Sharpey*) und Hasall?’), und an den Deutschen Bruch®) und Baur”) entschiedene Vertreter fand. Freilich bezeichnet Bruch den damaligen Anschauungen ge- mäss die Verkalkung des Knorpels noch als (primordiale) „Ver- knöcherung“, fügt aber ausdrücklich hinzu, dass in den frisch ver- 1) Nesbitt, Human Östeogeny. London 1736. Deutsch von Greding, Altenburg 1753. 2) Hist. de l’acad. 1743. 3) Abhandlg. d. Berl. Acad. 1839. 4) Quain’s Anatomy. V. edith. 1848. 5) Mikroskop. Anatom. Uebersetzt von Kohlschütter. Leipzig 1852. 6) Denkschr. d. Schweiz. naturforsch. Gesellsch. Bd. XI, 1843. 7) Arch. f. Anat. u. Phys. 1857. 274 Josef Schaffer: knöcherten (d. h. verkalkten) Theilen gleich hinter dem Verknöche- rungsrand (Verkalkungsrand) ein wahrer, grossartiger Schmelzungsprozess beginne und sagt später: Niemals habe ich eine Ablagerung von Kalksalzen in das Innere der Knorpel- höhlen oder gar in die Knorpelzellen gesehen und insbesondere stehen die Knorpelzellen nicht in der entferntesten genetischen Beziehung zu den Knochenkörperchen‘. Er betonte auch bereits die analoge Entstehungsweise von Binde- gewebs- und endochondralem Knochen, indem er sagt: „Ich sehe den Knochen keineswegs als das Endprodukt zweier verschiedener Gewebe an und meiner Ansicht nach verknöchert keineswegs das Bindegewebe als solches.“ Wenn Bruch zu wiederholten Malen sich gegen die! An- nahme einer endogenen Knorpelzellwucherung verwahrt und den Knorpel nur durch periphere Apposition und Intussusception wachsen lässt, so nimmt Baur für die Knorpelverknöcherung eine Verkal- kung der Knorpelkapseln und eine Proliferation der Knorpelzellen an, welche Zellen dann frei werden und das junge Mark bilden; „die peripher der verkalkten Knorpelkapsel anliegenden Zellen findet man mit einer Schicht weicher, streifiger Zwischensubstanz umgeben, diese verknöchert, die Zellen werden zu Knochenkörper- chen und so muss die erste Knochensubstanz in Form einer jede verkalkte Knorpelhöhle auskleidenden Röhre auftreten.“ Die zwi- schen diesen Knochenröhren stehen bleibenden, verkalkten Knorpel- reste lässt Baur resorbirt werden, um der neuen Knochensubstanz Platz zu machen. Zum Schluss bemerkt er, dass dem Gewebe des hyalinen Knorpels die Fähigkeit einer direkten Verknöche- rung abgesprochen werden müsse, „weil nachgewiesener Maassen weder seine Grundsubstanz, noch seine Zellen als solche in den gleichnamigen Elementen des Knochen persistiren“ und glaubt somit die Lehre von der direkten Um- wandlung widerlegt zu haben. Die ganze Darstellung ist eigentlich somit ein Vorläufer der Lehre H. Müller’s. Aber erst seit ‘dem Erscheinen der Eingangs eitirten Arbeit dieses scharfen Beobachters verlor die metaplastische Lehre fast allen Boden. Er sprach zuerst kurz und klar jene Sätze aus, die das Fundament für die ganze moderne Verknöcherungslehre ge- worden sind: EchterKnochen entsteht bei Menschen Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 275 und Thieren überallaufdieselbe Weise und zwar aus einer dem Bindegewebe ähnlicheren Masse. Das intracartilaginöse Wachsthum geschieht nieht durch direkten Uebergang des Knorpels inKnochensubstanz, derKnorpel geht zuGrunde, erhatnureine provisorische Bedeutung. Dennoch wagte er es nicht den letzten Schritt zu thun und desshalb lässt er die Markzellen und somit auch die Knochen- körperchen wenigstens theilweise aus den Knorpelzellen hervor- sehen, wie es auch Baur betont hatte. Während er in diesem letzten Punkte, wie wir später sehen werden, eine unverkennbare Unschlüssigkeit an den Tag legte, stützte er seine übrigen Behaup- tungen durch klare, scharfe Beobachtungen und gebührt ihm auch das grosse Verdienst, zuerst auf die Gründe aufmerksam gemacht zu haben, welche zur metaplastischen Anschauung geführt haben mochten. So bemerkt er unter Anderem: „Der Umstand, dass sich die neue Knochensubstanz in die präexistente Form der Knorpelhöhlen ablagert, hat hauptsächlich dazu beigetragen eine direkte Ossification des Knorpels anzunehmen.“ Fast alle Forscher erkannten die Richtigkeit der Müller’schen Lehre und erklärten sich ganz oder theilweise zu seinen Anhängern, nur Lieberkühn beharrte auf der alten Anschauung, die er auf jede mögliche Weise zu stützen versuchte, worin er aber ausser Robin!) und Sappey?) wenige Anhänger fand. Da man nun das Gebiet der normalen Ossification im grossen Ganzen für die metaplastische Lehre verloren sah, so suchte man sie zunächst noch an pathologischen Objeeten nachzuweisen, be- sonders an Enchondromen?°) und am Gallus, obwohl auch da von anderer Seite betont wurde, dass der verknöcherte Callus Knorpelknochen sei und sich vom echten Knochen durch den Mangel des lamellösen Baues und die unregelmässige Anordnung der Knochenkörperchen unterscheide®). 1) ©. Robin, Sur les conditions de l’osteogenie avec ou sans cartilage preexistant. Journ. de l’anat. et de la phys. Sept. 1864. 2) Siehe bei Stieda l. c. 3) So beschreibt Lachmann (Müller’s Arch. 1857) an einem Enchon- drome ganz genau die Umwandlung der Knorpelzellen im een menden, 4) Schweigger-Seidel, De callo. Diss. 1859. 276 Josef Schaffer: Aber auch an wenigen Stellen bei normaler Ossification sollte noch eine direkte Umwandlung von Knorpel in Knochen stattfin- den; so behauptete dies Aeby!) für die symphysis ossium pubis, Klebs?) für die Verknöcherungsvorgänge bei Reptilien, Gegen- baur?) für die Stirnzapfen junger Kälber, den Rosenstock der Rehe und die Trachealringe der Vögel, Kölliker*) für die Reh- und Hirschgeweihe, Strelzoff?) für die Spina scapulae und den Unterkiefer. Von grösstem Interesse für die Entwicklung der osteogenetischen Ansehauungen ist aber die lebhafte Controverse, welche sich kurz nach dem Erscheinen der Arbeit H. Müller’s über die Verknöcherung der Vogelsehnen und Geweihe vornehm- lich zwischen Lieberkühn und H. Müller entspann. Lieberkühn®) schilderte die Verknöcherung der Sehne als eine direkte, allmähliche Umwandlung derselben in echte Knochen- substanz von lamellösem Bau und geordneten Knochenkörperchen. Diese Knochenkörperchen entstehen erst nach Neubildung von Zellen und knorpelartiger Substanz, nach welcher erst die Ver- kalkung auftritt. Er widerlegt zugleich Virchow’s Ansicht vom Vorhandensein sternförmiger Bindegewebskörper und betont anderer- seits gegen Förster”), dass auch nicht ein Fall erwiesen sei, in dem sich die Bindegewebskörper in Knochenkörperchen umge- wandelt hätten. Diese Darstellung fand heftige Gegner in Henle und dessen Schüler Lessing. Ersterer kritisirt sie einfach mit den Worten: „den Uebergang der sehnigen in die wahre Knochenstruktur ver- ständlich zu machen gelang dem Verfasser nicht“, während er doch nach Einsicht der Präparate Lieberkühn’s zugeben musste, dass wirklich echter Knochen in der verkalkten Sehne vorkomme. Diese Beobachtung hatte auch H. Müller in Uebereinstimmung mit Lieberkühn gemacht, sie aber nach seiner Anschauung so erklärt, dass die verkalkte Sehnensubstanz mit der Zeit durch 1) Zeitschr. f. rat. Med. 4. Bd. 1858. 2) Arch. f. exper. Pathol. Bd. II, 1875. 3) Jenaische Zeitschr. Bd. III, Heft 2. 3. 4) Handbuch der Gewebelehre, 4. Aufl. 5) Untersuchungen aus dem pathol. Inst. Zürich, herausgeg. v. Eberthl. 6) Arch. f. Anat. u. Phys. 1860, 1862. 7) Arch. f. path. Anat. u. Phys. Bd. XVIII, 1859. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 277 echten, lamellösen Knochen ersetzt werde, aber erst nach Zer- störung des Bindegewebsknochens, welche von der Umgebung der sefässhaltigen Räume ausgeht. Diese Anschauung unterstützte im allgemeinen auch Lan- dois!) und die späteren Angaben von Renaut?) und Ranvier?). Lessing*) hingegen wollte den Nachweis liefern, dass dieser „Knochen“ nichts anderes sei, als eine von Kalkerde imprägnirte Sehne, zu welcher, gewiss unrichtigen Auffassung ihn wohl auch Lieberkühn’s’) Behauptung verleitet haben mochte, dass sich die verknöcherte Vogelsehne im polarisirten Lichte ebenso ver- halte, wie die unverknöcherte, selbst dann, wenn sie Knochen- struktur angenommen habe. Eine eigentliche Entscheidung wurde in der Frage aber erst durch die theoretisch-praktischen Erörte- rungen v. Ebner’s®) gebracht. Nach ihm besteht die verknöcherte Vogelsehne theils aus dem bei Vögeln gewöhnlichen, parallel- faserigen Knochengewebe, theils aus einem eigenthümlichen Ge- webe, das am besten als sehnenartiges Knochengewebe bezeichnet werden kann. „Beide Gewebeformen gehen continuirlich ineinan- der über, stehen aber ebenso wenig mit einander in genetischer Be- ziehung, als verschiedene Typen des Knochengewebes an anderen Orten. Beide Gewebe sind ohne Zweifel direkt aus embryonalem Bildungsgewebe entstanden, denn die Annahme, dass leimgebende Fibrillen, die nach einem bestimmten Typus geordnet sind, nach- träglich sich nach einem ganz anderen Typus ordnen, ist völlig unmöglich, wenn man nicht die ganze Zellenlehre auf den Kopf stellen und den geformten Produkten der Zellen eine aktive, dem Protoplasma allein zukommende Rolle zutheilen will“. Er kamn also weder Lieberkühn beistimmen, noch Henle und Les- sing, sondern sieht in der verknöcherten Sehne vielmehr einen Typus eigener Art, der schon mit der ersten Entwicklung gegeben sein muss. Wenn Kassowitz”) in jüngerer Zeit den Gegenstand noch- 1) Med. Centralbl. 1865, Nr. 18, 32. 2) Arch. de Phys. 1871—1872. 3) Arch. de Phys. 1874. 4) Zeitschr. f. rat. Med. Bd. XII, H. 3. 5) Arch. f. Anat. 1862, H. VI. 6). L.Xeti8. 128 A)il.2c. 82 38. 2785 Josef Schaffer: mals bespricht und eine ganz eigene Anschauung darüber auszu- sprechen glaubt, so dürfte es dem aufmerksamen Beobachter kaum entgehen, dass seine Anschauungen nicht wesentlich andere sind, als die eben besprochenen v. Ebner’s. Er schildert die Vorgänge an der Vogelsehne so, dass man überzeugt ist, dass die Sehne, welche verknöchert ein anderes Gebilde ist, wie die gewöhnliche Sehne; „die Zellwucherung in der nächsten Nähe der Gefässe (deren Anbildung eine reichliche ist) auf Kosten des fibrillären Antheils ist so bedeutend, dass man ähnlich, wie in einer stark faserigen periostalen Wucherungsschicht, recht zahlreiche Zellen in einer geringen Menge faseriger Zwischensubstanz findet.“ Nach dieser Beschreibung finde ich es zum mindesten unlogisch, wenn Kassowitz nachher behauptet, dass von einer ursprünglichen, eigenthümlichen Anlage des später ossifiecirenden Antheils der Sehne, wie v. Ebner voraussetzt, nicht die Rede sei- Denn, wenn das nicht eine „eigenthümliche Anlage“ ist, dass die parallelfaserige Sehne mit ihren spärlichen Bindegewebszellen in einen zell- und gefässreichen Strang mit „geringer Menge faseriger. Zwischensub- stanz“ umgewandelt wird, um dann erst zu verknöchern, so weiss ich nicht, was Kassowitz unter „eigenthümlicher Anlage“ ver- steht. Was nun die Frage über die Verknöcherung der Geweihe an- langt, so glaubte Lieberkühn in derselben eine Stütze für die metaplastische OÖssificationslehre gefunden zu haben. Er suchte in einer Reihe von Abhandlungen!) den Beweis zu erbringen, dass hier der byaline Knorpel ohne Resorption in Knochen übergehe. Nach seiner Darstellung geht aus dem hya- linen Knorpel der Geweihe zunächst spongiöses Knochengewebe (Knorpelknochen) hervor. Gegen den Stirnfortsatz verliert dasselbe seinen Character, es geht über in compactes Knochengewebe, in welchem nunmehr auch die bis dahin nicht sichtbaren Lamellen- systeme hervortreten. Nirgends findet man während des Verknö- cherungsprozesses eine Andeutung, dass spongiöses Knochengewebe resorbirt wird, um dem echten Knochen Platz zu machen. Diese Angaben wurden von Kölliker und Gegenbaur be- stätigt. 1) Monatsberichte der Berliner Acad., Febr. 1861. — Arch. f. Anat. 1861 und 1865. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 279 In einer Erwiderung an Lieberkühn erklärte H. Müller!) hingegen den ganzen Prozess wohl als einen von der Norm ab- weichenden, im Wesentlichen jedoch übereinstimmend mit ander- weitigen Verknöcherungen des Knorpels, indem auch hier massen- hafte Einschmelzung des Knorpels und Neubildung echten Kno- chens von den Markräumen her stattfinde. Ein räumlicher Ueber- gang von Knorpel in Knochen sei freilich in doppelter Weise ge- geben, indem einerseits von der Peripherie aus nach periostalem Modus echter Knochen auf dem Knorpel abgelagert werde, anderer- seits der Knorpel von reichlichen Kanälen durchzogen werde, welche mit osteogener Substanz erfüllt sind, die dann auch echten Knochen liefert. Daraus erklärt sich nach H. Müller auch der Umstand, dass mit Eintritt der Verkalkung eben so zahlreiche, räumliche Ueber- gänge von verkalktem Knorpel zu mehr oder weniger vollkommenem Knochen mit strahligen Körperchen zu sehen sind. So sehr ich diese Erklärung H. Müller’s für richtig halte, indem ich ganz analoge Vorgänge am Condylus des Unterkiefers nachweisen werde, so kann ich ihm nicht beistimmen, wenn er es gegen Lieberkühn für unmöglich hält, dass echter Knochen ohne Trennungslinie an verkalkten Knorpel stosse und unmerklich in den- selben übergehe. An ungefärbten Präparaten und mit den gewöhn- lichen Tinctionsmethoden gelingt es an vielen Stellen, gerade auch am Unterkiefer nicht eine deutliche Grenze zwischen beiden Ge- weben nachzuweisen und gerade dieser Umstand ist ein Haupt- argument — freilich ein falsches — für die Metaplasie gewesen. Landois?) ging noch weiter und bezeichnet die Entwicklung der Geweihe als eine durchaus periostale, die mit echtem, hyalinem Knorpel nichts gemein habe. Eine eingehendere Arbeit über den Gegenstand liegt von Robin und Herrmann?) vor, die ebenfalls bemüht sind, die Un- richtigkeit der Annahme einer metaplastischen Ossification für die Hörner und Geweihe der Wiederkäuer zu beweisen. Nach ihnen findet keine direkte Umwandlung des Knorpels in Knochen statt, sondern die Knochenbildung findet auch hier 1) Würzburg. naturw. Zeitschr. Bd. IV, H. 1. 2) Med. Centralbl. 1865, Nr. 16. 3) Compt. rend. T. 94, p. 617. 280 Josef Schaffer: mittelst Osteoblasten statt. Die Spitze des wachsenden Geweihes wird von einer gewöhnlich fälschlich für Knorpel gehaltenen Sub- stanz gebildet, die kein Chondrin, sondern nur Glutin giebt und von den Verfassern als „Vorknochen, substance pr6osseuse‘“ be- zeichnet wird. Die gleiche Substanz, welche hier in ziemlicher Masse vorkommt, soll sich auch, wenn auch nur in Form dünner, nur mikroskopisch wahrnehmbarer Fortsätze an der Peripherie der wachsenden Knochen des Schädeldaches finden. Sie ist homogen und sehr feinkörnig oder streifig, von Hohlräumen durchsetzt, die durch dünne Scheide- wände von einander getrennt sind, wodurch das Gewebe einen arreolären Anblick gewährt. Die Hohlräume sind erfüllt von Osteoblasten. Wir werden ein ähnliches Gewebe bei der Anlage des Unterkiefergelenkfortsatzes kennen lernen, wo es den Ueber- gang vom primären Knochengewebe zum alsbald auftretenden Knor- pelkern bildet. Während man so mit geringem Erfolge bemüht war auf nor- malem Gebiete Beispiele für eine direkte Umwandlung des Knor- pel- in Knochengewebe zu finden, hatte sich unter Virchow — dem Schöpfer des Ausdruckes Metaplasie und ihrem eifrigsten Verfechter!) — eine ganze metaplastische Schule gebildet, welche begreiflicher Weise unter den pathologischen Anatomen die meisten Anhänger gefunden hat. Für den pathologischen Anatomen mag sie auch von grosser Bedeutung und sehr angenehm sein, er be- sitzt ja nur die Möglichkeit, das Nacheinander aus dem Nebenein- ander zu erschliessen. Sie machen auch den weitgehendsten Ge- brauch von der Fähigkeit der Gewebe sich umzubilden und so führt Virchow als Beispiele an: die Umwandlung des Schleim- gewebes in Fettgewebe, das Faserigwerden, das schleimige Er- weichen des Knorpels, die Umwandlung des weissen Markes in gelbes (fetthaltiges), die Atrophie des Knochens, die rachitische Knorpelveränderung, die Osteomalacie, die Umwandlung von Cy- linderepithel in Plattenepithel u. s. w. Anm. Die Kenntniss vieler im folgenden Abschnitte verwertheter Thatsachen verdanke ich einem Collegium Prof. Pommer’s (Innsbruck) „Ueber Metaplasie“, das er im Sommersemester 1887 in Graz gelesen hat, und sage 1) Siehe seine Abhandlungen: Gesammte Abhandlung, Frankfurt 1856, S. 500 u. 509. — Cellularpathologie, IV. Aufl., S. 70. — Virchow’s Arch. V, VIII, XCVI. — Deutsch. med. Wochenschr. 1884. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 281 ich ihm hier herzlichen Dank für die gütige Erlaubniss, davon Gebrauch machen zu dürfen. Dieser Polytransformismus scheint aber nur den animalen Geweben, besonders den Bindesubstanzen, nicht den vegetativen, mit höheren Funktionen ausgestatteten, als Muskeln und Nerven zuzukommen. Dies geht aus einem Vortrage Vircho w’s hervor, den er in Jüngster Zeit!) zur Wiederbeleuchtung seiner vor mehreren Decennien aufgestellten Ansicht über Metaplasie gehalten hat und in dem er unter Anderm bemerkt: „Der typische Organismus, namentlich der höheren Thiere und des Menschen entsteht erst, indem sich Knorpelgewebe in Knochengewebe, Schleimgewebe in Fettgewebe, Flimmerepithel in einfaches Cylinderepithel, gewöhn- liche Epithelzellen in Drüsenzellen umgewandelt haben. Diese Eigenschaft besitzen aber nicht alle Gewebe, gerade diejenigen Gewebe der Thierkörper, welche die höchsten Functionen zu leisten bestimmt sind, Muskel- und Nervenelemente zeigen nicht die mindeste Neigung zur Transformation.“ Sogar den Darwinismus hat man zum Beweise der Metaplasie herangezogen, aber wohl nur in übel verstandener Weise, denn noch kein Anhänger Darwin’s hat je behauptet, dass sich ein fer- tiges, abgeschlossenes Individium (wie es auf histologischem Ge- biete doch das Knochen- oder Knorpelgewebe ist) in ein Individium einer anderen Spezies umgewandelt hätte. i Es würde zu weit führen und wäre unnütz, die Beispiele, welche von den Anhängern Virchow’s noch für seine Ansicht beigebracht werden, zu vermehren, nur was die Metaplasie des Knorpels und Knochens anlangt, muss ich hier noch Einiges bemerken. Virehow?) lässt sich Knochen, Knorpel, Beinbaut und seine drei Markarten in einander umbilden und betont besonders den An- schauungen seiner Zeit gemäss das metaplastische Entstehen des Markes aus den Knorpelzellen. Volkmann?) will bei einem malignen Sarkom den direkten Uebergang von Knochen in Spin- 1) Ueber den Transformismus. Vortrag von R. Virchov, gehalten auf der Naturforscherversammlung zu Wiesbaden 1887. 2) Virchow, R., Ueber Bildung und Umbildung von Knochengewebe im menschl. Körper. Berl. klin. Wochenschrift 1875, Nr. 1 u. 2. 3) Pitha u. Billroth II, 2..A. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 15 282 Josef Schaffer: delzellgewebe beobachtet haben. Redtenbacher!) spricht vom Einschmelzen der Knochensubstanz und Freiwerden der zelligen Elemente, welche dann wieder alle Fähigkeiten embryonaler Bil- dungszellen besässen. Rustick y?) behauptet, dass es bei Atrophie des Knochen unter Druckerscheinungen zu direkter Umwandlung der Knochenbälkehen in Bindegewebe komme. So viel zur Bezeichnung der Anschauungsweise; ich konnte mich aber, wenn mir auch eine eingehendere, persönliche Er- fahrung über diese Objeete fehlt, doch an zahlreichen Präparaten Pommer’s überzeugen, dass zur Erklärung dieser Bilder die nor- malen Vorgänge der Apposition und Resorption vollständig aus- reichen). Ein eifriger Anhänger Virchows — und damit gelangen wir zur abschliessenden Besprechung der modernsten, bis zur Stunde geltenden Ansichten über Metaplasie — ist Ziegler, wel- cher in mehreren Arbeiten®) seine Anschauungen zur Geltung bringt. Er schildert die Metaplasie von Knochen in Knorpel in Ge- wülsten und gleich daneben wieder von Knorpel in Knochen, ebenso metaplasirt nach ihm der rachitische Knorpel sowohl, als der knorpelige Callus wenigstens theilweise in Knochengewebe. Beschränkt Ziegler hier seine metaplastische Anschauung noch auf pathologisches Gebiet, so versucht er sie bereits auf normales zu übertragen, wenn er die beiden Ossifieationstypen (den meta- und neoplastischen) für nicht sehr verschieden von ein- ander erklärt; „sie sind es dann nicht, sobald man nachweisen kann, dass die Knorpelzellen bei der neoplastischen Ossification nicht zu Grunde gehen müssen, sondern. als Markraumzellen per- sistiren oder vielleicht sogar auf Umwegen zu Knochenzellen werden können. Dann handelt es sich hier auch strenggenommen um eine Knorpelmetaplasie“. Wenn es auch gerade nicht der neuesten Zeit vorbehalten war, den Beweis einer auch unter normalen Ver- hältnissen stattfindenden, metaplastischen Ossification zu erbringen, 1) Med. Jahrbücher 1878, S. 347. 2) Virchow’s Arch. 79. Bd., S. 210. 3) Siehe auch Pommer: Ueber die Ostoklastentheorie (Virch. Arch. Bd. 92, S. 306) u. Ueber die lacunäre Resorption in erkrankten Knochen (Sitzgsber. d. K. Acad. d. Wiss. zu Wien, 83. Bd. III. Abth. 1881, S. 56—62). 4) Virch. Arch. Bd. 70, S. 502 und Bd. 73. S. 355. Vrgl. auch die neueste Aufl. seines Lehrbuches, S. 161. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 283 wie Ziegler!) mit Hinweis auf eine Publication von Kassowitz?) meint, so war es doch dieser Autor, welcher die Behauptung Strel- zoff's, dass der Unterkiefergelenkfortsatz und der Kamm des Schulterblattes metaplastisch ossifieire — an welche Behauptung sich eine speziell beim Unterkiefer zu besprechende Controverse knüpfte — aus ihrer Vereinsamung befreite und die direkte Um- wandlung von Knorpel — in Knochengewebe als Regel für alle Fortsätze und Vorsprünge, welche unmittelbar auf periostal ge- bildetem Knochen aufsitzen, aufstellte, so für die Tuberositas radii, elavieula, Hirsch- und Rehgeweihe und die beiden erwähnten Ob- jeete. Die grösste Rolle wird der Metaplasie aber in dem ausführ- lichen Werke von Kassowitz?) über normale Ossification zugetheilt. Die auf einem umfangreichen Literaturstudium basirende Ar- beit ist als eine durchaus originelle zu bezeichnen, indem sich der Verfasser von den, bis dahin geltenden älteren Anschauungen von H. Müller, Kölliker, Rollett u. A. nicht sonderlich beein- flussen liess und die zahlreichen, in der Ossificationslehre noch schwebenden Fragen nach einer von ihm entwickelten Theorie ziemlich unzweifelhaft beantwortete. Ich kann hier nicht näher auf die ohnedies bekannten, phan- tasievollen Darstellungen von Kasso witz eingehen, sondern muss nur erwähnen, dass er auch für die endochondrale Ossification die metaplastische Umwandlung der Knorpelgrundsubstanzreste in Knochengewebe annimmt und diese scharfrandige „eircumseripte“ Metaplasie als eine eigene Form von der an den erwähnten Apophysenkernen stattfindenden „diffusen“ unterscheidet. Ich komme auf die Unhaltbarkeit dieser Annahme bei den späteren Stadien der Unterkieferossification noch zu sprechen. (Siebe Seite 355.) Weiter lässt er im centralen Theil der Knorpelzellhöhlen am Össifiecationsrande eine Bildung von Blutkörperchen durch allmäh- liche Umwandlung aus dem lebenden Inhalte derselben stattfinden und das Markgewebe als Ganzes seine Entstehung einer Umwand- lung des Knorpelgewebes verdanken. Dies sind in kurzen Zügen die metaplastischen Anschauungen MrVirchArchn 13. Bd.,S. 355. 2) Med. Centralbl. 1877, Nr. 5, S. 65. Slelacc! 984 Josef Schaffer: von Kassowitz, durch welche er zu dem Schlusse kommt, dass die Metaplasie des Knorpels in Knochen nicht eine Ausnahme sei, sondern bei keiner einzigen Modification der Knochenbildung im Knorpel habe. Im Ganzen blieben die Ansichten von Kassowitz bisher ziemlich unangefochten —, was ich aber durchaus nicht für eine stillsehweigende Anerkennung derselben halte —, nur Pommer!) polemisirte nachdrücklich gegen die Resorptionstheorie desselben, indem er da entschieden die Anschauungen Kölliker’s vertrat und Busch?) erklärte die Gefässtheorie von Kassowitz für un- zureichend, besonders für jene Fälle, wo nach abgelaufenen Hype- rämien sich die Gefässe zurückbilden, ohne dass Knochengewebe gebildet wird. Dagegen hält dieser Autor sonderbarer Weise mit Kassowitz an der Annahme einer einfachen Metaplasie der perio- stalen Knorpelmassen fest und bestreitet auch die Angabe über die direkte Umwandlung der Knorpelreste in Knochengewebe nicht direkt, sondern erklärt den Prozess nur für einen neben- sächlichen. Ausser Kassowitz sind in der neuesten Zeit als Vertreter der Metaplasie auf norhalem Gebiete noch zu nennen: Kast- schenko?°), ein Schüler Strelzoff’s, der durch seine Studien an Batrachierknochen einerseits zu dem Resultate kam, dass der Untergang der Knorpelzellen so grob ins Auge fällt, dass kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, dass sie bei der Markraum- bildung nicht zu Markzellen werden, andererseits aber die unzer- stört gebliebenen Knorpelbalken unzweifelhaft metaplastisch ossi- fieiren lässt. Weiter Kaczander®), welcher für den Talus menschlicher Embryonen eine metaplastische Ossification und die Umwandlung der Knorpelzellen in den Inhalt der Markräume nachzuweisen glaubte. Schmid-Monnard?), der für das Zustandekommen der Knochen bei den Teleostiern neben einer direkten Bindegewebs- I)EVEirichhFArch 92. Bd. 1883. 2) Verhandlg. d. Berl. phys. Gesellsch. v. 10. Dec. 1880. — Arch. £. Anat. u. Phys. Abth. Jahrg. 1881. 3) Arch. f. mikr. Anat. XIV. Bd., S. 1. 4) Virch. Arch. 87. Bd. 5) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 39. Bd. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. D85 verknöcherung und osteoblastischen Thätigkeit auch eine direkte Ueberführung von Knorpelgewebe in bleibenden Knochen annimmt; Bonome!), der sieh für eine indirekte Metaplasie ausspricht, in- dem er das Gewebe der primären Markräume, welche durch das Zugrundegehen der Knorpelzellen entstehen, theils von den alten Knorpelzellen, theils von den Osteoblasten stammen lässt und end- lich Lilienberg?), der, im Allgemeinen ein Anhänger der Osteo- blastentheorie, an den Rändern der Gelenkenden bei erwachsenen Thieren deutlich direkte Uebergangsformen von Knorpelzellen in Knochenkörperchen beobachtet haben will. JII. Der Unterkiefer. Der menschliche und thierische Unterkiefer ist von jeher ein beliebter Gegenstand des Studiums der Anatomen sowohl, als auch der Histologen gewesen, weil er in vielfacher Weise beiden als ein interessantes Problem der Forschung erscheinen musste. Vorerst mochte er wobl als der bewegliche Träger von Zähnen zur Untersuchung anregen, dann mussten schon am macerirten Unterkiefer verschiedener Altersperioden die grossen Formverände- rungen dieses Skeletstückes auffallen. Entwicklungsgeschichtliches Interesse besitzt er als der, mit Ausnahme der Clavicula bei allen Wirbelthieren am frühesten auftretende Knochen und durch seine Beziehungen zu einem phylogenetisch wichtigen Gebilde, dem Meckel’schen Knorpel. Die spezielle Histologie fand in ihm einen Knochen, an dem der gewöhnliche Knochenbildungsprozess bedeutende Modificationen erfährt, die oft so sehr vom Typus abweichen, dass man für einige seiner Theile eine besondere Art von Knochengenese aufstellte. Endlich galt der Unterkiefer längere Zeit für einen knorpelig präformirten Knochen, bis man auch in ihm, wie in den meisten Schädelknoehen einen sogenannten Bindegewebs- (intermembra- nösen) oder Deckknochen erkannte. Die folgenden Blätter werden nicht alle hier angeführten Punkte berühren; so wäre es überflüssig die zahlreichen Arbeiten über die Beziehungen des Meckel’schen Knorpels zum knöchernen 1) Virch. Arch. 100. Bd. 2) J. Lilienberg, Beiträge zur Histologie des Knochengewebes, Memboir. de l’acad. imp. science. de St. Peterbourg T. XXXII, Nr. 2. 1886. 286 Josef Schaffer: Unterkiefer um eine zu vermehren oder von neuem darzuthun, dass die weitgehenden Formveränderungen, welche der Unterkiefer durch die allmähliche Entwicklung der Zähne erleidet und die dem Verständnisse seines Wachsthnms so grosse Schwierigkeiten bereiteten, hinreichend und befriedigend durch Resorption und Apposition erklärt werden und dass mit dieser Erkenntniss der Lehre vom expansiven Knochenwachsthum ein wichtiger Anhalts- punkt entzogen ist!). Ich lege im Folgenden das Hauptgewicht auf die Frage nach der Art der Verknöcherung, nach der Metaplasie; denn, wie der Unterkiefer lange Zeit als Stütze für die Lehre vom ex- pansiven Knochenwachsthum diente2), so ist vornehmlich er es, auf den man heute noch die immer mehr eingeengte Lehre von der direkten Verknöcherung stützt. Nach Strelzoff°) ossifieirt nur der Unterkiefer direct, me- taplastisch (in seinem Hauptwerk *) führt er auch die scapula an) und bei Gegenbaur°), der in der Ausbildung der modernen Össificationslehre eine so hervorragende Stelle einnimmt, lesen wir über diese Frage: „Die metaplastische Ossification ist aber deshalb keineswegs vollständig auszuschliessen, denn es bestehen noch gewisse Localitäten, an denen Knorpelgewebe direkt in Knochengewebe durch Umwandlung der Intercellularsubstanz und der Zellen übergeht, z. B. am Unterkiefer.‘ Als weitere Anhänger dieser Anschauung nenne ich Lieber- kühn®), Klebs”), Brunn), Haab?), im beschränkten Sinne 1) Ich verweise hier auf die interessanten Resultate, welche Toldt in seiner unten cit. Arbeit durch vergleichende Betrachtung macerirter, menschlicher Unterkiefer erhalten hat. 2) Siehe Toldt, Prager Zeitschr. f. Heilkunde V. S. 14; ausserdem Volkmann, Hüter, Strassmann, Strelzoffu A. — Virchow nimmt gerade für den Unterkiefer ausnahmsweise ein expansives Wachs- thum an. 3) Beiträge zur normalen Knochenbildung, Med. Centralblatt 29, 1872. 4) Ueber die Histogenese der Knochen. Untersuch. aus dem pathol. Instit. zu Zürich. Herausgegeben von Eberth, 1873, Heft I. 5) Lehrbuch der Anatomie des Menschen, II. Aufl. I. Theil S. 108. 6) Arch. f. Anat., Phys. u. Med. 1865. 7) Arch. f. exp. Patholoe. II. Bd. S. 425. 8) Reichert’s Arch. 1874. 9) Untersuch. aus dem pathol. Instit. zu Zürich ,. Heft II. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 287 Busceht), Baumüller?), Kassowitz°?), Masquelin®), Julin?) UA, Eine eingehende Untersuchung über die Entwicklung des Unterkiefers der Säugethiere verdanken wir Brock®), der eben- falls der metaplastischen Verknöcherung eine grosse Rolle zuschreibt, aber ausser ihr noch die periostale und eine modifieirte, endochon- drale mitwirken lässt, eine Auffassung, welche nicht für die be- stehenden Verhältnisse, wohl aber für die Möglichkeit einer ein- facheren Deutung zu complieirt ist. Eine ähnliche Ansicht sprach nach ihm Baumüller aus, der für die endliche Form und die histologische Zusammensetzung des Unterkiefers ebenfalls dreierlei Quellen angiebt. Zunächst die bindegewebige Grundlage, in der sich die Hauptmasse seines Kör- pers nach periostalem d. h. neoplastischem Typus entwickelt. Seine vordersten Abschnitte, die mit dem Meckel’schen Knorpel in nähere Beziehung treten und ebenfalls neoplastisch ossificiren und endlich die accessorischen Knorpelkerne, die theilweise nach metaplastischem, theilweise nach neoplastischem Modus verknöchern. Zu demselben Resultat kam schon vor ihm Masquelin durch seine Studien am Unterkiefer menschlicher Embryonen. Obwohl er Strelzoff’s Ansicht, dass der Unterkiefer durch direkte Ossi- fication eines primären Knorpels entstehe, im Ganzen nicht theilt, so hat er doch an einigen Punkten eine metaplastische Ossification im Sinne Strelzoff’s beobachten können. Es ist der knorpelige Gelenkfortsatz, der nur zum Theil indirekt, grösstentheils aber eine direkte Umwandlung_des Knorpels in Knochen zeigt. Ueber- haupt zeigt nach ihm die Entwicklung des Knochengewebes am Unterkiefer, dass es hier keinen schneidenden, wesentlichen Ge- gensatz zwischen der indirekten und direkten Ossification giebt. Eine solche Mischung von neo- und metaplastischer Ossifica- tion will ausser Brock und Masquelin auch noch Schulin’) 1) Ik 2) Zeitschr. f. wissensch. zoolog. Bd. 32, S. 466. Sy lıc. 4) Recherches sur le developpement du maxillaire inferieur, Bull. de P’Acad. royal. de Belgique, 2. Ser. T. XLV, no. 4, 1878. 5) 1. c. 6) Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. Bd. 27, S. 287. 7) Schwalbe’s Jahrb. Bd. IV. 288 Josef Schaffer: am Oberarm von Schaf- und Hasenembryonen nachgewiesen’ haben, und am Unterkiefer von Balaenoptera rost. kommt Julin sogar zu dem Schluss, dass es nicht statthaft sei, die direkte von der indirekten Ossification zu trennen, weil sie in Wirklichkeit durch ihre Vereinigung einen und denselben Ossificationsmodus darstellen. Im Gegensatz zu diesen Anschauungen hat bereits Bruch lange vor Strelzoff hervorgehoben, dass, sobald der Knorpelkern im Condylus gebildet sei, die weitere Entwicklung sich nicht von der der wachsenden Knochen unterscheide, nur enthalte der Knor- pel jene sonderbar verschrumpften Zellen, welche die Gestalt von Knochenkörperchen mit radiären Strahlen täuschend nachahmen können und daher auch von Zeit zu Zeit als solche beschrieben zu werden pflegen. Eine eingehendere Widerlegung der metaplastischen Ansichten Strelzoff’s über den Unterkiefer verdanken wir Stieda!), der durch die Untersuchung einer Reihe von Embryonen verschiedener Thiere überall zu demselben Resultate kam, nämlich, dass die accessorischen Knorpelkerne nur eine provisorische Bedeutung haben, durch das neu sich bildende Knochengewebe zur Atrophie gebracht werden und ein direkter Uebergang des Knorpelgewebes in Knochengewebe, eine Umwandlung der Knorpelzellen in Knochen- zellen hier am Unterkiefer ebensowenig stattfindet, wie unter nor- malen Verhältnissen. | Wenn Stieda aber behauptet, am Gelenkfortsatz erfolge die Knochengewebsneubildung genau so, wie an einem Röhrenknochen, so geht er zu weit, indem wir da wichtige Unterschiede finden werden, welche der Unterkieferverknöcherung einen ganz eigenen Typus verleihen, der bei oberflächlicher Betrachtung leicht zur Annahme einer stattfindenden Metaplasie führen kann, welche An- nahme aber durchaus nicht gerechtfertigt ist. Auch Steudener?) hat am Unterkiefer keine direkte Um- wandlung von Knorpel in Knochen sehen können, wohl aber be- merkt er sehr richtig, dass von der Innenseite des Gelenkfortsatzes eine höchst unregelmässige Kanalisation des Knorpels durch Er- öffnung der Knorpelhöhlen und Eindringen der wuchernden Zellen 1) Arch. f. mikr. Anat. XI. Bd. S. 235—266. 2) Fr. Steudener, Beiträge zur Lehre von der Knochenentwicklung und dem Knochenwachsthum, 1874 (resp. 1877). Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 289 der osteoblastischen Schicht des Perichondriums stattfindet und dass bei der Ausfüllung dieser unregelmässigen Markräume mit Knochen nicht selten grosse Strecken verkalkten Knorpels in den endochon- dralen Knochen eingeschlossen erscheinen, deren Knorpelhöhlen jedoch nachträglich eröffnet und meist vollständig mit Knochen- substanz ausgefüllt werden. Ein zweiter Punkt, in dem die Angaben der Autoren ausein- anderweichen und der im Folgenden zur Erörterung kommen soll, betrifft die erste Anlage des Unterkiefers. Während sie von den meisten Histologen und Anatomen als eine bindege- webige, vom Knorpelgewebe unabhängige bezeichnet wird, war es vornehmlich Strelzoff, der den ganzen Unterkiefer knorpelig präformirt sein liess; wir werden auf die Ursache dieser abwei- chenden Annahme im speziellen Theil zurückkommen. Aber selbst jene Autoren, welche im Allgemeinen die Deekknochennatur des Unterkiefers zugeben, betonen andererseits die primär-knorpelige Anlage einzelner Theile desselben. So behauptet Masquelin!), dass bei den jüngsten, wie ältesten, menschlichen Embryonen, die er zu studiren Gelegenheit hatte, den Condylus immer ein hyaliner Knorpel darstellte. Obwohl auch hierüber Stieda ganz bestimmte Angaben machte, welche die bindegewebige Anlage des Unterkiefers her- vorhoben, so finden wir noch bei Steudener, dem Stieda’s Ar- beit bekannt sein musste, folgende bezeichnende Stelle: „Von allen knorpelig vorgebildeten Knochen bietet der Unterkiefer dem Stu- dium seiner Entwicklung und seines Wachsthumes die grössten Schwierigkeiten. Ja, die Frage, ob derselbe ganz oder nur theil- weise knorpelig vorgebildet sei, ist noch nicht vollständig sicher entschieden.‘ Zum dritten kann im Folgenden auch die ebenfalls strittige Frage nach der Zahl der Knorpelkerne im Unterkiefer zur Besprechung kommen. Auch darüber finden wir die ver- schiedensten Angaben und betreffs des Kronenfortsatzes geradezu conträre Gegensätze; während Bruch, Strelzoff und Masquelin im Kronenfortsatz verschiedener Thiere und des Menschen einen Knorpelkern nachweisen, wird dieses Vorkommen von Kassowitz, Julin u. A. vollkommen in Abrede gestellt. 1) 1. c. p. 468. 290 JosefSchaffer: Uebereinstimmend wird der Knorpelkern im Gelenkfortsatz und Kieferwinkel angegeben, von Strelzoff einer in der Ineisura semilunaris und von Mehreren für die Alveolarportion, was Mas- quelin an seinen Menschenembryonen nicht bestätigen konnte, wogegen er bei Embryonen von 95 mm und 170 mm Länge an den oberen Rändern der Alveolarwände einen direkt verknöchernden Faserknorpel fand. Er erklärt diese wechselnden Angaben aus einem thatsächlichen Variiren in der Entwicklung bei den ver- schiedenen Säugethieren und sogar beim selben Thiere mit dem Alter des Embryo. Ich kann nur über die Knorpelkerne des auf- steigenden Astes positive Angaben machen, da der Alveolarast und meist auch der Angulus mandibulae nicht mehr im Bereich meiner Untersuchungen lagen, wohl aber muss ich den von Brock für Schweineembryonen und von Kassowitz für menschliche Em- bryonen betonten Zusammenhang des Knorpelkerns im Condylus mit dem des Angulus für Schafembryonen direkt in Abrede stellen, da ich in keinem meiner Präparate die knorpelige Anlage des Ge- lenkkopfes so weit herunterreichend fand. Ich beschränkte meine Untersuchungen, wie gesagt, auf den aufsteigenden Ast des Unterkiefers, da gerade die Anlage und Verknöcherung dieser Theile noch Gegenstand getheilter Ansichten sind und gerade letztere von vielen Autoren, wie Lieberkühn, Brock, Baumäüller, Kassowitz, Masquelin, Julin u. A. als Beweis einer metaplastischen Ossification angeführt wird. Endlich habe ich im Verlaufe meiner Untersuchungen ge- funden, dass der Knorpel des Gelenkfortsatzes über den histolo- gischen Bau des hyalinen Knorpels einige interessante Aufschlüsse gewährt, während der Kronenfortsatz ein unvergleichlich günstiges Object zum Studium der Resorption darstellt, so dass seine genaue, darauf gerichtete Untersuchung noch manche Frage über Ursprung, Bedeutung und Thätigkeit der Osteoklasten zu lösen vermag. IV. Material. Uutersuchungsmethode. Ich gebe nun im Folgenden die Resultate meiner eigenen Untersuchungen, die gröstentheils an Unterkiefern von Schafem- bryonen vorgenommen wurden, da solche am leichtesten in den sewünschten und nöthigen Altersstufen zu beschaffen waren. Die untersuchte Reihe umfasst Embryonen von 2—35 em Scheitel- Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 291 steisslänge (über die Rückenkrümmung gemessen) !); mit dieser Angabe folge ich einer bekannten Gepflogenbeit, die den Vorzug der Kürze besitzt, obwohl ich ausdrücklich betonen muss, dass dieses Längenmaass nicht auch ein absolutes Maass für den Ent- wicklungsgrad des Embryo ist, indem recht gut ein Embryo von 5 em L. dieselben histologischen und entwicklungsgeschichtlichen Details bieten kann, wie einer von 61/, cm L., gerade so, wie ein ausgewachsener menschlicher Embryo 40 cm lang sein kann, während ein anderer vom selben Alter 50 cm misst. Daher messe ich auch einer Untersuchungsreihe, die alle Embryonen genau vom cm zu cm Länge umfasst, nicht den Werth zu, wie es z. B. Brock gegen Stieda thut, abgesehen davon, dass es sehr schwer und häufig Sache des Zufalls ist, eine solche geschlossene Reihe von Embryonen desselben Thieres zu erhalten. Weiter haften der Messung noch leicht grössere Fehler an, je nachdem sie am frischen Object oder an dem mit verschiedenen Härtungsflüssigkeiten — die auch verschiedene Schrumpfungsgrade bedingen — behandelten vorgenommen ist. Besser wäre jedesfalls die Bezeichnung der ein- zelnen Entwicklungsstadien nach dem Auftreten mehrerer charak- teristischen Merkmale, die den ganzen Bau betreffen, ähnlich wie die Altersbestimmung menschlicher Embryonen nach Toldt. Ich bleibe hier, wie gesagt bei der Angabe der Scheitelsteisslänge, 1) Ich lasse hier das Verzeichniss der Längenmasse der untersuchten Embryonen folgen, um mich später einfach auf die Zahlen beziehen zu können: Schafembryo. Scheitelsteisslänge: 2 cm 15 cm 4 R JO A2uR, 19:5, DREI; a DORS 215 „ 6,0%, 2A, Way, 267 ,; TO; 2: 8 5 28, 05 I ”„ 1047, 30 cm 12!/, ”„ 35 ” Schweineembryo. ” 16 » 93,7 Ausserdem wurde als Schluss der Reihe der Unterkiefer eines jungen Lammes untersucht. 292 Josef Schaffer: welche sich (wo nicht andere Angaben) auf Embryonen bezieht, die in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet sind. Bei den jüngsten Stadien wurde der ganze Schädel, bei den späteren der obere Theil der Rami ascendentes mit Gelenk- und Kronenfortsatz!) in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet und schnitt- fähig gemacht (wobei besonders die ausgezeichnete Eigenschaft derselben, kalklose und kalkhaltige Partien gut zu differenziren beachtet wurde, die zuerst Pommer °) hervorgehoben hat), in Celloidin eingebettet und mit dem Mikrotom in Schnittreihen zerlegt. Zum Zwecke der Untersuchung auf Fibrillen wurde auch in v. Ebner’s salzsäurehaltiger Kochsalzlösung und in Pikrinsäure entkalkt und in Alkohol nachgehärtet. Um über einige Zelltheilungsvorgänge an gewissen Stellen Aufschluss zu erhalten, wurden einige Rami ascendentes direkt aus dem Uterus in Chromosmiumessigsäure gebracht und nach Flemming mit Safranin gefärbt. Als Einschlussmasse wurde Xylol-Canadabalsam für die meisten gefärbten, Glycerin, Wasser und Kal. acet. für ungefärbte Schnitte verwendet. Was die Tinetion anlangt, so war ich Anfangs bestrebt einen charakteristischen Farbenunterschied zwischen Knorpel und Knochen zu erzielen, da ja in der aufgeworfenen Frage eine der grössten Schwierigkeiten in dieser Unterscheidung besteht. Räumliche Uebergänge von Knorpel in Knochen kommen zahlreich vor, des- halb muss aber letzterer nicht aus ersterem durch molekuläre Veränderungen unter Persistenz der Zellen hervorgegangen sein. Eine scharfe Differentialtinktion wäre hier von entscheidendem Werthe. Ich bediente mich gröstentheils der Busch’schen Häma- toxylin-Eosinfärbung und der von mir beschriebenen ?) Safranin- färbung; aber auch die übrigen bekannten Knochen- und Knorpel- tinetionen wurden controllweise geübt, da fast jede einen eigenen Vortheil bietet. 1) Proc. coronoides analog dem P. coracoides richtiger „Krähenschnabel- fortsatz“. 2) Zeitschrift für wissensch. Mikrosk. II. Bd. S. 155. — Virch. Arch. XCII. Bd. S, 308. 3) Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. V. Bd. I. Heft. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 293 Die folgende Beschreibung der einzelnen processi ist immer das Ergebniss der Reconstruction derselben aus der Schnittserie. Ich glaube, dass diese, durch sorgfältiges Studium jedes ein- zelnen Schnittes gewonnene, plastische Anschauungsweise des ganzen Ramus verticalis am Besten geeignet ist, den verwickelten Vorgang verständlich zu machen, wobei natürlich oft gerade ein- zelne Schnitte (mediane Längsschnitte) für das Verständniss der Entwicklung des ganzen Fortsatzes maassgebend sind und daher speciell beschrieben werden müssen. Man wird vielleicht die etwas weitläufige Beschreibung jedes einzelnen Entwicklungsstadiums für überflüssig halten; ich bin jedoch durch die jahrelange Beschäftigung mit dem Gegenstande zur Einsicht gelangt, dass dies für das richtige Verständniss gerade- zu nöthig ist. Denn der Unterkiefer macht sowohl betreffs seiner Morphologie, als besonders betreffs der Gewebe, die ihn zusammen- setzen, von der ersten Anlage bis zur Vollendung so gewaltige Ver- änderungen durch, dass es unmöglich ist, ein frühes und ein spätes Stadium ohne Kenntniss der Zwischenstadien in richtigen ent- wicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zu bringen. Weiter finden wir beim Aufbau des Unterkiefers alle Modi- fieationen des Össificationsprocesses in mannigfacher Combination thätig, von der bindegewebigen Anlage durch eine Reihe von Verknöcherungsvorgängen, die theils einzig dastehen, theils weit vom bekannten Modus abweichen bis zu einem Bilde, das wenig verschieden ist von der typischen, endochondralen Ossification. Schon diese interessante Mannigfaltigkeit erfordert eine eingehende Betrachtung der einzelnen Stadien. Zum Schlusse noch einige Worte über die Zeichnungen. Jedem, der sich mit Ossificationsstudien beschäftigt hat, wird es zur Genüge bekannt sein, wie schwer es ist, anschauliche Bilder des Gesehenen zu liefern. Meist sind für das Verständniss der Verhältnisse Tiefenbilder weit wichtiger als das, was sich bei einer bestimmten Einstellung in eine Fläche projieirt. So muss man in der Zeichnung verschiedene Niveau’s in eine Fläche bringen, was meist die Klarheit des Bildes so trübt, dass man auf das Schematisiren angewiesen ist. Und in der That, die meisten Abbildungen von Össificationspräparaten leiden an dem Fehler zu grosser Schematisirung. Noch viel grösser wird die Schwierigkeit, wenn man gefärbte 994 JosefSchaffer: Präparate wiederzugeben sucht, was gerade in unserer Frage, wo Farbenübergänge eine so grosse Rolle spielen, oft nöthig ist. Da findet man nun häufig, dass von einem unmerklichen Uebergang des Knorpels in den Knochen gesprochen wird und wenn man die Zeichnung ansieht, so findet man im Gegentheil die Grenze zwischen beiden Geweben viel schärfer markirt, als dies in der That der Fall ist. Oder es tritt der häufige Fall ein, dass eine dünne, blaugefärbte Lage von Knorpelgrundsubstanz auf massigem, rothen Knochen liegt. Da wird man bei hoher Einstellung am Rande vielleicht noch eine deutliche Grenze wahrnehmen, während bei etwas tieferer nothwendig eine Mischfarbe zwischen Du und roth entsteht. Ich habe mich bemüht, meine Zeichnungen so wenig als möglich zu schematisiren und so wird man bei genauer Betrach- tung derselben vielleicht manches wichtige Detail finden, welches bei oberflächlicher Besichtigung verloren geht. Ausserdem soll eine genaue Beschreibung die Mängel derselben Menüs ieh gut machen. Die Bilder sind sämmtlich mit der Camera von Oberhäuser, schwächere Vergrösserungen mit dem Zeichenapparat von Winkel angelegt und nach einer entsprechend stärkeren Vergrösserung ausgeführt. V. Erste Anlage des &elenk- und Knochenfortsatzes. — Knochenbildungsgewebe (osteogenes Blastem). Das jüngste, von mir untersuchte Stadium ist ein Embryo von 2 em Scheitelsteisslänge, dessen Kopf in frontale Schnitte zer- lest wurde. An ihm findet sich noch keine Spur der knöchernen Unterkieferanlage. Ein Complex dicht gedrängter Bildungszellen, welche an weiteren Schnitten mehr Grundsubstanz zwischen sich aufnehmen, grenzt sich fast kreisrund gegen das umgebende Blastem (embryonale Zellgewebe) ab und stellt die erste Anlage desMeckel- schen Knorpels im Querschnitt dar; aussen, oben davon liegt be- reits deutlich differenzirt der Ram. alveol. nerv. V. und an der Innenseite der Knorpelanlage, diese und den Nerv umfassend ein Muskelbündel, das wohl dem M. pteryg. int. entsprechen dürfte. Die erste knöcherne Anlage des Unterkiefers tritt, wie bei den meisten Säugethieren, auch beim Schafe in Form einer lateral- wärts vom Meckel’schen Knorpel gelegenen, leicht S-förmig ge- Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 295 krümmten Lamelle auf, deren obere Concavität nach innen den Alveolarnerv umfasst, unter dem der Meckel’sche Knorpel liegt. Ich fand diese erste Anlage bei Embryonen von 5—4 cm Länge. Später tritt auch zwischen Nerv und Knorpel eine schräg nach unten gerichtete Knochenlamelle auf, welche als mediale mit der lateralen die nach oben offene Alveolarrinne bildet, in deren Bil- dungsgewebe zunächst nur der Nerv verläuft. Um diese Zeit geht auch bereits das hintere Ende der late- ralen Lamelle, welches anfänglich unvermerkt in das Bildungsge- webe überging, Veränderungen ein, welche wir als erste Anlage des verticalen Astes mit seinen Fortsätzen bezeichnen müssen. Präparirt man an einem wenig über 4 cm langen Schafembryo den Unterkiefer heraus, so erhält man die beiden horizontalen Aeste, deren jeder lateral vom Meckel’schen Knorpel eine wohl- entwickelte Knochenlamelle besitzt und an Stelle des verticalen Astes eine membranartig durchscheinende, bindegewebige Lamelle, welche um das Schläfenbein gegen die Scheitelbeine hinaufzieht und in welcher die Entwicklung des verticalen Astes erfolgt. Legt man Sagittalschnitte durch den Unterkieferast, so findet man den Gelenkfortsatz sich bereits als halbovoide Kuppe unter sehr stumpfem Winkel vom horizontalen Ast abheben und vor demselben in dreieckiger Form den Kronenfortsatz angelegt, der bereits won einer mächtigen Muskelanlage, dem M. temporalis überlagert er- scheint (siehe Fig. 1, Taf. IX). Von einer medialen Lamelle ist zu dieser Zeit noch keine Spur, wir müssen daher beide Fortsätze als der lateralen Lamelle zugehörig erkennen, was bereits Reichert!) betont. Aber schon in diesem Stadium liegen Gelenk- und Kronen- fortsatz nicht mehr in der Vertikalebene des Alveolarastes, sondern erscheinen leicht nach aussen geneigt, so dass es nicht gelingt, auf einem medianen Längsschnitte auch einen optischen Längs- schnitt der ganzen Unterkieferhälfte zu erhalten. Diese erste An- lage des Gelenk- und Kronenfortsatzes ist, wie wir im Folgenden sehen werden, am besten geeignet uns eine Vorstellung der primi- tivsten Knochenbildung und der eigentlichen Thätigkeit der Osteo- blasten zu geben. In der Axe des Gelenkfortsatzes, wo später die primäre 1) Müller’s Archiv 1837, S. 195. 996 JosefSchaffer: Knochenlamelle zur Entwicklung gelangt, zeigen die Zellen des Bildungsblastems, welche nichts anderes sind als embryonale Bil- dungszellen, dieselbe regellose Vertheilung, wie in der Umgebung, nur erscheint die Grundsubstanz um dieselben nicht homogen, sondern blasig, streifig, etwas reichlicher. Bei der Frage nach dem Ursprunge dieser Grund- oder Zwischensubstanz müssen wir uns vor Augen halten, dass das Ge- biet der nachherigen Ossification im Beginne nur aus Bildungs- zellen besteht und dass somit auch jede zwischen diesen Zellen auftretende Substanz in ihrer Entstehung auf dieselben zurückge- führt werden muss. Nach älteren und neuesten Ansichten über die Entstehung der Grundsubstanzen der verschiedenen Gewebe muss man wohl auch für die Intercellularsubstanz der ersten Knochenanlage, des osteogenen Blastems einen cellularen Ursprung annehmen, was auch von den meisten Forschern geschehen ist. Wie die Fibrillen aus dem Protoplasma entstehen, ob direkt oder durch Vermittlung einer von ersterem gelieferten formlosen Grundsubstanz (wie eine solche, freilich unabhängig von den Zellen entstanden, von Kassowitz angenommen wird), die dann auf irgend eine Weise, vielleicht, um nur eine Vorstellungsmöglich- keit anzuführen, durch orientirten Wachsthumsdruck !) fibrillär wird, dürfte auch heute nicht leicht zu entscheiden sein; keinesfalls je- doch kann man sich mit einer Auffassung befreunden, die den Produkten des Protoplasma, der geformten oder formlosen Grund- substanz, dieselben vitalen und potentiellen Eigenschaften zuschreibt, wie dem Protoplasma der lebenden Zelle selbst. Zerzupft man einen Schnitt, welcher dieses osteogene Gewebe enthält, so gelingt es sehr leicht, grössere, schon verkalkte Partien aus ihrem Zusammenhang zu lösen und die genaue Untersuchung der Rissränder bei starker Vergrösserung (Wasserimmersion J Zeiss, aber auch schon Obj. VII, Oc. 3 Hartnack) in einer schwach liehtbrechenden Substanz (Wasser, Jodserum, Kal. acet.) gibt uns weitere Aufschlüsse über das Verhältniss der Zellen zur Zwischensubstanz, die Anordnung dieser letzteren und die Auf- nahme der Kalksalze. 1) Vgl. v. Ebner, Untersuchungen über die Ursachen der Anisotropie organisirter Substanzen, Leipzig 1882, S. 221—223. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 297 Man sieht allenthalben an den Rissrändern ziemlich stark lichtbrechende, zarte Fäserchen herausragen, oft auf längere Strecken hin unverzweigt, wie überhaupt eine Verzweigung derselben nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist. Wohl aber verkrümmen und ver- flechten sie sich unter einander, so dass Lücken zwischen ihnen entstehen, die entweder leer oder von einer Zelle ausgefüllt sind. Oefter sieht man diese Fasern direkt in den Protoplasmaleib einer solchen Zelle, die wir bereits als Osteoblasten bezeichnen müssen, übergehen, oft bildet eine Faser eine Kreistour um die Zelle, wie eine gebogene Weidenruthe. Fällt die Zelle am Schnitt heraus so verleihen diese gekrümmten Fasern, die das Licht stärker brechen als das Protoplasma der Zellen, der Grundsubstanz jenes oben erwähnte, blasige Aussehen. An den zarten, herausgerissenen Fäserchen kann man an Präparaten, die nicht zu lange in Müller’scher Flüssigkeit gelegen, meistens auch dunkle, kleine, krümmelige Körnchen anlagern finden, welche weiter nach innen zu in den Zwischenräumen zwi- schen den Fasern zu einer homogenen, starren Masse verschmelzen. Es sind dies Kalkkörnchen; also auch hier tritt die Imprägnirung mit Kalksalzen zuerst in Form von Körnchen auf, nicht sofort, wie es Kölliker!) einst als Unterschied von der Verknöcherung präformirten Knorpels hervorgehoben und wie es an Lackpräpa- raten den Eindruck macht, homogen. Noch bevor man aber die ersten Spuren der Kalkablagerung im osteogenen Gewebe beobachtet, findet man ziemlich reichliche, weite capillare Gefässe, deren Auftreten man als eine die Knochengewebsbildung vorbereitende Ve:r- änderung auffassen muss. Gegen den Rand der Verkalkung liegen die Knochenbildungs- zellen dichter aneinander, durch weniger Zwischensubstanz ge- trennt. Dies beruht einerseits darauf, dass hier die Grund-(Zwi- schen-)substanzbildung vom oberflächlichen Zellprotoplasma noch 1) Diese Ansicht Kölliker’s theilt auch H. Müller. Nach Jul. Wolff (Untersuchungen über die Entwicklung des Knochengewebes, Dissert. Dorpat 1875, S. 42) tritt im Fasergerüst die Verkalkung auch in Körnchen- form auf: Dagegen nimmt die, durch Umwandlung des Protoplasma der Bildungszellen gebildete Substanz die Kalksalze ganz gleichmässig, ohne Krümmel auf. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32, 19 298 Josef Schaffer: nicht begonnen hat, andererseits, weil hier noch lebhafte Theilung der Knochenbildungszellen vor sich geht. Ich glaube diesen Um- stand hier besonders hervorheben zu müssen, da man kaum an einer anderen Stelle des Mesoderms so reichliche Mitosen finden wird, als in der Umgebung dieser Ossifieationsstellen. Man findet an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit in diesem Knochenbildungsgewebe zahlreiche Zellkerne mit grossen, oft eingeschnürten Vacuolen, so dass die Kernsubstanz als schmaler, glänzender Ring, oder in Bisquitform erscheint, welcher Umstand das blasige Aussehen des ganzen Gewebes noch erhöht. Henle!) hat meines Wissens zuerst auf diese eigenthümliche Wirkung der Chromsalze auf die Mitosen aufmerksam gemacht und erklärt die Erscheinung aus einer Quellung der Kernfäden; nach seiner An- schauung sind die Bilder so charakteristisch, „dass mit ihrer Hülfe die Thatsache der Kerntheilung ebenso sicher und mitunter sogar leichter, als mittelst der eigentlichen karyokinetischen Figuren constatirt werden kann.“ Seither haben diese Beobachtungen viel- fache Bestätigung erhalten und in jüngster Zeit ist die ganze Frage zum Gegenstand einer Controverse zwischen Flemming und Pfitzner geworden, welche durch Tangl?), der unter Flem- ming’s Anleitung die Arbeiten Pfitzner’s?) nachprüfte, vor- läufig dahin erledigt zu sein scheint, dass durch die Einwirkung von Chromsalzen die charakteristischen Umrisse der Mitosen wohl erkenntlich bleiben, doch stark verändert und gequollen erscheinen und dass durch diese Methode weder das Achromatin, noch der Gesammtkern gut fixirt werde. Untersucht man analoge Präparate, die frisch in Flemming’s Gemisch gebracht und nach seiner Methode mit Safranin gefärbt sind, so sieht man in der That zahl- reiche Kerntheilungsfiguren in den verschiedensten Stadien, beson- ders in den Kernen der peripheren Knochenbildungszellen. Dort, wo die Verkalkung bereits vorgeschritten ist, gelingt es schwer auch mit der besten Methode wohlerhaltene Karyo- kinesen nachzuweisen, aber viele Kerne zeigen neben ganz wohl- erhaltenem ein so verkrümmtes, verkrüppeltes Aussehen, dass man sie mit der grössten Wahrscheinlichkeit als schlecht erhaltene 1) Arch. f. mikrosk. Anat. XX. Bd., S. 420. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. XXX. Bd., S. 529. 3) Morph. Jahrbuch XI. Bd. 1885. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 299 Theilungen ansprechen kann. Vielleicht liegt der Grund dieser Erscheinung in einer Behinderung der vollen fixirenden Wirksam- keit der Chromosmiumessigsäure von Seite der Kalksalze. Jedenfalls müssen wir diese lebhafte Zellvermehrung und die Neubildung von Gefässen als zwei wichtige, präparatorische Veränderungen im Knochenbildungs- gewebe betrachten. Weiter nach innen rücken die Knochenbildner nun allmählich auseinander, die faserige Grundsubstanz nimmt zu, die Verkalkung wird homogener, wir erhalten im folgenden, zu besprechenden Stadium das Bild der primären Knochenlamelle, welche die Axe des Gelenkfortsatzes bildet. Process. glen. eines 5 cm l. Schafembryo. — An Längsschnitten finden wir in der Axe des bereits wohldifferenzirten und gegen das übrige embryonale Gewebe!) schon durch eine spindelzellige Periostschicht abgegrenzten Gelenkfortsatzes, dessen Kopftheil bereits etwas verbreitert ist (siehe Fig. 2), eine schmale Lamelle, die sich nach oben zu unvermerkt in die osteogene Substanz ver- liert. Sie hat die ungeordneten, etwas vergrösserten Bildungs- zellen, welche, wie erwähnt, bereits spezifischen Osteoblasten- character haben, auseinandergedrängt, so dass diese gleichsam mechanisch in zwei begrenzende Reihen angeordnet werden und umgekehrt wieder den Anschein geben, als sei dieser starre Streifen zwischen ihnen durch eine Art Sekretion entstanden. Diese Lamelle hebt sich durch ihre gelbliche Farbe und stärkere Lichtbrechung von den mit Hämatoxylin blau gefärbten Zellkernen ab und lässt auch Fortsätze zwischen die Zellen hinein erkennen, durch welche einzelne oder auch mehrere ganz um- umschlossen und so in die Masse eingebettet werden. Im verbreiterten Kopftheil verliert sich die Lamelle in das ungeordnete osteogene Gewebe, welches wieder als blassgelbliches Netzwerk erscheint, in dessen Maschen die Bildungszellen (Osteo- blasten) liegen und zahlreiche capillare Gefässe verlaufen. Weiter nach unten zu nimmt die Lamelle bereits Kalksalze auf, wodurch sie krümmelig und dunkler erscheint. Dies scheint 1) Es sind Schnitte durch die ganze pars praemastoidea, da die Iso- lirung des vertikalen Kieferastes schwierig ist; man hat so aber verschiedene embryonale Gewebe zum Vergleich nebeneinander. 300 Josef Schaffer: in ihrer Mitte zu beginnen, weil sie da mit Hämatoxylin bereits bläuliche Färbung annimmt, während die Ränder, an denen fort- während neue Zellen aufgenommen werden (wodurch die Lamelle an Dicke zunimmt), gelblich bleiben. Durch die relativ grossen, eingeschlossenen Zellen, die enge aneinander liegen, gewinnt diese Lamelle das Aussehen eines netzförmigen, grossblasigen Knochen, der mit dem später am Unterkiefer vorkommenden ver- kalkten Knorpel, welcher durch eine ebenso regellose Anordnung seiner Zellen in einer spärlichen Grundsubstanz ausgezeichnet ist und mit dem er auch in engen, räumlichen Zusammenhang tritt, eine grosse Aehnlichkeit hat, weshalb ich ihn als chondroiden Knochen bezeichne. Diesen ausgesprochen chondroiden Charakter besitzen aber immer nur die jüngsten Partien, während die ältern durch die noch zu besprechende Thätigkeit der Osteoblasten bald die gewöhnliche Beschaffenheit eines intermembranösen Knochens annehmen. So gestaltet sich also die erste Anlage des Ge- lenkfortsatzes als eine echt intermembranöse, ohne jede Mitbetheiligung eines Knorpels. Was nun die erste Anlage des Process. coronarius anlangt, so ist dieselbe genau so beschaffen, wie die bereits be- sprochene des Gelenkfortsatzes, nur liegen morphologisch die Ver- bältnisse hier noch einfacher, ich möchte sagen typischer, weil er lange Zeit nur von einer dünnen, axialen Lamelle gebildet wird und erst relativ spät an seiner Spitze ein die Wachsthumser- scheinungen complieirender Knorpelkern auftritt. Da die Ossification am Kronenfortsatz gegen die Spitze hin fortschreitet, so wiederholt sich an seinem oberen Ende bis zum Auftreten des Knorpelkerns immer wieder das Bild der ersten Anlage und ist er ein besonders geeignetes Object, die Ver- knöcherungsvorgänge in klarer Reihenfolge in continuo zu ver- folgen. Besonders instructiv sind da Querschnitte, senkrecht zu seiner Längsaxe. Fig. 15 Tat. X stellt einen solchen durch die Spitze eines Kronenfortsatzes dar, der dem Unterkiefer des 61/, em langen Schafembryo entnommen ist. In der Längsaxe des ovoiden Quer- schnittes sehen wir von hinten nach vorne, erst bis zur Mitte reichend, die primäre Lamelle, die aus einer scheinbar homogenen, Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 301 stark lichtbrechenden, gelblichen Grundsubstanz besteht. An ihren seitlichen Oberflächen liegen in zierlichen Reihen die grössten Zellen des Querschnittes, Osteoblasten, deren Protoplasma gegen die Kunochenanlage in dieselbe überzugehen scheint, während weiterhin das Gewebe lockerer wird, aber deutlich den Character eines Fasergewebes annimmt, bis es gegen das spindelzellige, schmale Periost hin wieder in rundzelliges Bildungsgewebe übergeht. Den Eindruck des Fasergewebes erhält man weniger durch eine Faserung der Grundsubstanz, die noch kaum angedeutet ist, als durch die langen, spindeligen Formen der Zellen, welche eine bestimmte Orientirung zeigen, die wir bis in die spätesten Stadien erhalten finden. Die Längsaxen der Zellen sind im Bereich der Lamelle alle schräg zur Oberfläche derselben gerichtet, so dass sie dieselbe gleichsam wie in einer Schleifentour von hinten über ihr vorderes Ende umfangen (siehe Fig. 16). Am Längsschnitte verlaufen sie von oben aussen schräg auf die Lamelle nach unten, oft in so spitzen Winkeln, dass sie fast parallel der Lamelle orientirt erscheinen. Dieselbe Richtung mit diesem Faserzuge halten die Östeoblasten ein, so dass in diesem Stadium der Kronenfortsatz an seinem oberen Ende im Längsschnitt das zierliche Bild eines gefiederten Palmenblattes bietet. Untersucht man die blassgrün- lich-gelbe Lamelle mit starker Vergrösserung (Wasserimmersion Zeiss J oder Obj. VII. Oecul. 3 Hartnack), so erscheint sie un- deutlich gestreift, gegen die grob granulirten Kerne der Osteo- blasten mit einem stark lichtbrechenden Contour, der einfach der Kerneontour ist, abgegrenzt. Deutlich sieht man auch in ihr ein- geschlossene Zellen von der Grösse der Osteoblasten, aber nicht durchgehends von ihrer Form; vielmehr zeigen dieselben dreieckige, längliche Contouren, die, je weiter wir die Knochenlamelle nach abwärts verfolgen, desto deutlicher die platte, bauchig-spindelige Form der Knochenkörperchen annehmen. An einzelnen dieser Knochenzellen kann man einen glänzen- den Saum wahrnehmen, der lebhaft an die durch Salzsäure isolir- baren Knochenkapseln erinnert. In der Fortsetzung der Lamelle nach vorne, wo sie noch nicht angelegt erscheint, machen die spindelförmigen Zellen einem dichteren Rundzelleneomplex Platz, in dem wir wieder zahlreiche, vacuolisirte Kerne beobachten, schlecht erhaltene Formen der + 302 Josef Schaffer: Kerntheilungen, welche hier der Knochenbildung vorangehen und zahlreiche, weite Capillargefässe, die sich hauptsächlich um diese Stellen gruppiren. Um hier gleich das Bild des Kronenfortsatzes in diesem Stadium mit kurzen Zügen zu vollenden, obwohl es eigentlich nicht mehr in den Rahmen der ersten Anlage gehört, verfolgen wir die Lamelle weiter nach unten. Bald wird sie breiter, d. h. dieker, es treten in ihr dunkle Körnchen auf, ihr Ansehen wird ein krümmeliges, opakes, die Kalkablagerung nimmt bis zur Sättigung des Gewebes zu, bis sie weiter nach unten eine homogene, gleich- mässige wird. Hier bietet die Lamelle schon ganz das Aussehen eines ferti- gen Knochenbalkens, der mehrere Zellen nebeneinander einschliesst, sie wird aber auch schon von hinten her resorbirt, so dass man fast an jedem Querschnitte an ihrem hintern Ende 2—3 grosse Osteoklasten und typische Resorptionslacunen findet (siehe Fig. 16, O). Umschlossen wird die ganze Anlage vom spindelzelligen Periost, in welches die Muskelfasern des Temporalis einstrahlen und zwar genau in der Richtung der Spindelzellen innerhalb des Periostes, so dass man die ganze eigenthümliche Anordnung derselben mit dem Wachsthumszuge des Schläfenmuskels in Zusammenhang bringen möchte. Es wäre hier noch am Platze auf die Thätigkeit der Knochen- bildungszellen (Osteoblasten) näher ein zu gehen; ich will dies aber erst später thun, wo wir im Kronenfortsatz älterer Embryonen ein besonders günstiges Object zur Besprechung dieser Frage kennen lernen werden. Die intermembranöse Anlage des Unterkiefers wurde schon früher erkannt. H. Meyert), ein bekannter Vertreter der metaplastischen Ossifications- lehre, thut derselben bereits Erwähnung. Er lässt die Spongiosa aus der ursprünglichen Knorpelanlage des Knochens hervorgehen, die Compacta jedoch betrachtet er als ein verknöcherndes Exsudat der Beinhaut. „Es giebt aber auch eine falsche spongiöse Knochensubstanz, welche aus einer Umwandlung der harten Knochensubstanz durch stellenweise Auflösung hervorgeht; zu dieser gehört unter anderen die Spongiosa des Unterkiefers“. An anderen Stellen sagt Meyer auch, dass der Unterkiefer nur nach Art eines Deckknochens entstehe und daher fehle auch seinem Gelenkkopfe der Gelenkknorpel. WI. dc! Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 303 Diese Anschauung war bis in die ersten siebenziger Jahre die herr- schende und wurde von den meisten Forschern, darunter von Bruch, Loven, Kölliker und Hüter bestätigt. Bekanntlich war es nun Strelzoff, welcher für den ganzen Unter- kiefer, im Gegensatz zu den meisten anderen Gesichts- und Schädelknochen, eine knorpelige Anlage nachgewiesen zu haben glaubte und mit dieser mehr- fach vertheidigten Behauptung eine lebhafte Controverse hervorrief. Freilich lautet der Ausspruch Strelzoff’s nicht so bestimmt, wie man gewöhnlich annimmt, er nennt es nur höchst wahrscheinlich, dass der ganze Unterkiefer knorpelig präformirt ist und schliesst dies aus combinirten Be- obachtungen an Menschen- und Schweineembryonen. Schon diese Thatsache musste gerechte Zweifel gegen seine Anschau- ung erwecken und in der That haben die späteren, gleich zu erwähnenden Untersuchungen die Ansicht Strelzoff’s einstimmig als eine irrthümliche erwiesen. Nur Wolff (Moskau) soll nach einer Anmerkung von Kasso- witz!) den Unterkiefer auch noch für knorpelig vorgebildet halten. Dies bedarf jedoch einer Berichtigung, zu welcher ich W olff’s?) eigene Worte hierher setze: „Während im Alveolarfortsatz des Unterkiefers die Knochen- substanz in bindegewebiger Grundlage auftritt, sind der Winkel und die hin- teren Fortsätze des Unterkiefers durch ein knorpelhartes, zellenreiches Gewebe vorgebildet, das ebenso durch Druck von den aus dem Alveolarfortsatz weiter- wuchernden Gefässen aufgelöst wird, wie hyaliner Knorpel.“ Wie wir sehen werden. ist diese Beobachtung eine ganz richtige, nur theilt sie mit der eben so richtigen Strelzoff’s denselben Fehler, dass ihre Autoren die beobachteten Stadien für die allerersten Anlagen hielten, während es bereits nächsthöhere Entwicklungsstufen waren. Dies erklärt uns auch die sonderbare Thatsache, wie ein im Gebiete der Knochenent- wicklung so erfahrener Forscher, wie Strelzoff, eine aller anderen Beob- achtung widersprechende Ansicht vertheidigen konnte. Während er glaubte, dass die knorpelige Anlage des Unterkiefers deshalb so lange übersehen wurde, weil sie sehr frühe verknöchert, war auch das von ihm beobachtete jüngste Sta- dium (ein Schweineembryo von 5,5 em L.) schon über die erste Anlage entwickelt. Die Grenze zwischen der echten Deckknochenanlage und dem Auftreten jenes „knorpelharten, zellenreichen“ Gewebes (Wolff) inden hinteren Kiefer- abschnitten ist eine sehr labile und kann leicht übersehen werden, wenn diese Frühstadien nicht in einer engen Entwicklungsreihe untersucht werden. Ich fand beim Schafembryo von 5cm die beschriebene Deckknochenanlage, bei dem von 5,5 cm bereits jenes knorpelartige Gewebe, das die Franzosen als Faserknorpel bezeichnen, und beim Embryo von 61/;cm schon echten Hy- alinknorpel im Condylus. ; Seither wurde nun die erste Unterkieferanlage von zahlreichen Forschern 1: CH 8.477. DD ECHB1. 304 Josef Schaffer: an den verschiedensten Thieren studirt, so von Semmer an Schaf- und Mäuseembryonen, vonStiedaan Katzen-, Mäuse- und Kaninchenembryonen, von Kassowitz und besonders genau von Masquelin an Menschen- embryonen, von Julin an einem Embryo von Balaenoptera rostrata und sowohl von diesen, als vielen Anderen (Baumüller, Brock) überein- stimmend die Deckknochennatur des Unterkiefers dargethan. Schon im nächsten Verlaufe der Entwicklung des Gelenkfort- satzes, bei einem Embryo von 51/), cm ergeben sich bedeutende Veränderungen im Bilde, die ich im folgenden nach einer Serie von Sagittalschnitten, welche nach Busch gefärbt sind, beschrei- ben will. Die knöcherne Anlage hat sich verbreitert, so dass sie (am Sagittalschnitt!) fast den ganzen Contour des p. glen. ausfüllt und nur im oberen, besser hinteren Theile des Gelenkkopfes (seine Ascendenz ist noch immer eine kaum merkliche) geht sie diffus in das Bildungsgewebe über. Sie erscheint gegen den Alveolarast zu mit Eosin lebhaft roth gefärbt, was von der vermehrten Grund- substanz abhängt; die noch immer dicht gedrängten Knochenzellen besitzen grosse, runde, bis wenig längliche Kerne, die mit Häma- toxylin blau gefärbt sind; die Zellhöhlen sind kleiner, hie und da bereits zackig, so dass ihr glänzender Saum dicht an den grossen Kern, der nur mehr einen spärlichen Protoplasmamantel besitzt, herantritt. Diese Anlage typischen, embryonalen Knochens ist aber keine zusammenhängende, sondern durch mehr minder unregelmässige Räume unterbrochen, deren Umfang von einer Schicht Osteoblasten, die dem Knochen anliegen gebildet ist, während im Centrum spär- liche, runde Markzellen in heller, streifig-blasiger Grundsubstanz und Blutgefässe mit den Spindelzellen ihres Endothels und mit rothen Blutkörperchen zu sehen sind. Gegen das Periost hin grenzt sich der Knochen ziemlich scharf ab und liegen ihm grösstentheils schöne Osteoblastenlagen auf; das Bildungsgewebe ist nur mehr in schmaler Schicht vorhanden. Am Kronenfortsatz, dessen Knochenanlage der bis jetzt be- schriebenen entspricht, reicht der Knochen bis an die Cambium- 1) Man darf nicht vergessen, dass die Lamelle des Gelenk- wie Kronen- fortsatzes median-sagittal liegt, daher am Frontalschnitt als schmaler Streifen von Bildungsgewebe umgeben erscheint, während man am Sagittalschnitt die breite Flächenansicht erhält (s. Fig. 14 Taf. X). Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 305 schicht des Periosts, zeigt aber auch schon lebhafte Resorptions- erscheinungen an seinem vorderen Rande. (Siehe Fig. 14 Taf X.) Gegen die Kuppe des Gelenkkopfes geht nun die Knochen- anlage zuerst in Streifen, dann diffus in das Bildungsgewebe über, welches hier aber gegen das frühere Stadium eine wichtige Ver- änderung zeigt. Die auslaufenden Knochenbalken werden wieder von grob- maschigem Knochen gebildet, die Zwischensubstanz ist deutlich faserig, die Fasern umschlingen die weiten Zellenhöhlen und zwi- schen ihnen finden wir wieder körnige Kalkablagerungen, während nach unten zu die Verkalkung eine ganz homogene ist. Dieser grossblasige chondroide Knochen geht nun allmählich in ein ebenso grosszelliges Gewebe über, das in der Fortsetzung der Knochenbalken Züge zwischen dem gewöhnlichen Bildungsgewebe bildet und dessen hervorragendste Eigenthümlichkeit die ovalen, mit schönem, verschieden geformten Protoplasmaleib versehenen Zellen sind, die in einer mit Eosin und Hämatoxylin fast nicht färbbaren, reichlichen Grundsubstanz liegen. Diese Grundsubstanz bildet förmliche Kapseln um die Zellen, welche sich meist etwas retrahirt haben, so dass zwischen ihnen und dem scheinbaren Kapselrand ein freier Raum bleibt. (Fig. 14u.) Manche Zellen haben verbogene, halbmondförmige Kerne und das Ganze macht den Eindruck eines knorpelartigen Gewebes, dessen ziemlich grobfaserige Zwischensubstanz sich aber noch in- tensiv mit Eosin färbt. Es geht allmählich in das umgebende Bil- dungsgewebe über, dessen Beschaffenheit wir bereits kennen, und bildet ein Uebergangsgewebe zu dem, in den nächsten Stadien hier auftretenden Hyalinknorpel. Esändertsichalsohier der Gewebetypus, eine Thatsache, deren Vorkommen uns noch weitere Beobachtungen bestätigen werden und die wir als solche anerkennen müssen, wenn uns auch die ursächlichen Mo- mente noch unbekannt sind. (Vergl. S. 336.) Was die histologischen Details der ersten Anlage betrifft, so war ihre netzförmige Struktur schon Nesbitt!) bekannt und Bruch?) vergleicht die erste Knochenanlage mit einer netzför- migen Gerinnung einer weichen Substanz, die sich von den Ver- knöcherungspunkten ausbreitet und sagt weiter: „Die weichen 11 ee. 2) 1. c. 306 Josef Schaffer; knorpelartigen Randstrahlen, welche das Gitterwerk darstellen und der Verknöcherung überall vorauseilen, rühren von einer frischen Ablagerung her und sind in das faserige Gewebe der Grundlage gleichsam eingetragen oder eingegossen.* Diese Beobachtung ist sehr treffend; diese erste Grundsubstanz, welche ganz analog ist den schmalen, stark liehtbrechenden Säumen, welche sich bei der intracartilaginösen Ossification an die Reste der verkalkten Knor- pelgrundsubstanz anlagern und hier wie dort Product der Knochen- bildungszellen ist, hat eine Aehnlichkeit mit Knorpelgrundsubstanz ; ist aber in dem einen Falle durch die Osteoblasten, in dem an- deren durch die Knorpelzellen hinlänglich genetisch unterschieden. Wenn daher Bruch meint, man könnte aus dem physikalischen und optischen Charakter dieser Substanz folgern, dass auch der secundären oder sogenannten Bindegewebsverknöcherung eine Ab- lagerung von Knorpelsubstanz vorausgehe und der Unterschied von der intracartilaginösen nur in der Art der Ablagerung und in dem Zeitpunkte der Verknöcherung zu sehen sei, so ist dies wohl nur ein Versuch, beide Ossifieationstypen unter einen einheitlichen Ge- sichtspunkt zu bringen. Es konnte aber auch durch diese Auffassung der alte Satz, dass der Knochen aus der Verknöcherung des Knorpels hervorgehe, keine neue Stütze erhalten oder überhaupt wahrscheinlich gemacht werden, was von Bruch, ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Anschauungen, mit der obigen Deutung versucht wurde. Nach ihm schildert Baur!) die Entstehung der Deckknochen aus einem Blastem, das direkt verknöchert und aus undeutlich fibrillärer Grundsubstanz, in welcher sich einfache Bildungszellen des Bindegewebes eingestreut finden, besteht. Die Intercellular- substanz geht durch Aufnahme von Kalksalzen ohne scharfe Grenze in Knochensubstanz über, während die Zellen zu zackigen Knochen- körperchen werden. Von einer vorangehenden Trübung durch ab- selagerte Kalkkrümmel sah er nichts, scheint also auch der (Seite 297 besprochenen) Ansicht H. Müller’s und Kölliker’s zu sein. Wenn nun auch manche der besprochenen Beobachtungen noch heute als richtig anerkannt werden müssen, so griff eine ge- nauere Kenntniss des primären Knochenbildungsgewebes und da- mit eine einheitliche Auffassung des Verknöcherungsvorganges erst seit H. Müller Platz, welcher uns den Nachweis lieferte, dass jede Verknöcherung aus demselben Gewebe hervorgehe, welches er als 1) Müller’s Archiv 1857. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 307 osteoide, osteogene Substanz bezeichnete. Ueber die Herkunft und Entwicklung dieses osteogenen Gewebes ist man heutzutage noch nicht ganz einig, indem ein Theil der For- scher eine einheitliche Entstehung sowohl bei der periostalen, als endochondralen Verknöcherung annimmt, während ein anderer Theil für die endochondrale Ossification die Knorpelzellen an der Bildung desselben Theil nehmen lässt, worauf ich bei der Ver- knöcherung der Knorpelkerne noch zurückkomme. Nach Kölliker!) ist die Entwicklung des osteogenen Ge- webes auf die ersten Embryonalzellen zurückzuführen, welche nach und nach eine Zwischensubstanz zwischen sich abscheiden, die später faserig wird; eine Anschaunng, für deren Richtigkeit auch meine Beobachtungen sprechen. Er sah die erste Spur der Kiefer bei Schaf und Kalb in Gestalt zusammenhängender, zellenloser Balken, die als Absonderung einer prachtvollen, epithelartigen Lage von Osteoblasten anzusehen ist; erst später nehmen auch die Zellen an der Knochenbildung Antheil. Der Ansicht Kölliker’s jedoch, dass sich das fibrilläre Bindegewebe direkt in Knochen umwandle, was mit ihm auch Virchow, Gegenbaur, Waldeyer und manche Neuere betonen, kann ich mich nicht anschliessen. Wie wir wissen, hat dieser innige Zusammenhang der ersten Knochen- substanz mit der bindegewebigen Grundlage eine ganz andere Be- deutung. Ich halte auch diese Auffassung von Metaplasie als aus derselben Quelle stammend, wie bei der endochondralen Ossification, wo man auch das enge Ineinandergreifen von Stützwerk und daran abgelagerter Knochensubstanz als eine Umwandlung des einen in das andere deuten zu müssen glaubte. Ebenso unstatthaft ist es mit Masquelin anzunehmen, dass zuerst Bindegewebe direkt verknöchere und dann Osteoblasten die Weiterbildung des Knochens übernehmen. Dieses „Bindegewebe“ ist eben schon osteogene Substanz. die Zellen sind schon Osteo- blasten und werden nicht erst dazu gemacht, indem sie später durch die wachsende Anlage in Reihen angeordnet erscheinen. Mit einem Wort, ich möchte zwischen gewöhnlichem Bindegewebe und dem Gewebe, welches unsere erste Knochenanlage liefert, also der osteogenen Substanz, den Unterschied aufrecht erhalten wissen, welcher letzterer vermöge eines, durch präparatorische Veränderungen gegebenen spezifischen Charakters zukommt. 1) Gewebelehre 1867. 308 Josef Schaffer: Eine eingehende und mit den von uns gewonnenen Anschau- ungen übereinstimmende Darstellung von der bindegewebigen An- lage der ersten Knochensubstanz und der in derselben stattfinden- den, vorbereitenden Prozesse (welche sie eben erst zur osteogenen Substanz machen) giebt Wolff!) auf Grund zahlreicher Unter- suchungen an Menschen- und Thierembryonen. Nach ihm ist die osteogene Substanz identisch mit dem embryonalen Bildungsge- webe und finden hier als die Verknöcherung vorbereitende Pro- zesse Erweiterung und Neubildung von Gefässen, Vergrösserung und Vermehrung der Zellen (Bildung von Osteoblasten) statt. Gerade die Neubildung von Gefässen, welehe nur durch Aus- wachsen und Sprossenbildung schon vorhandener Gefässe entsteht (wie im Innern der Markräume knorpelig präformirter Knochen), spielt eine Hauptrolle bei der Bildung der Knochengrundsubstanz, obwohl diese nicht unmittelbar um die Gefässe, sondern immer in einiger Entfernung davon entsteht, indem sie durch verstärkte Zu- fuhr von Nahrungsmaterial die Vergrösserung und Vermehrung der Zellen und durch ihre Ausbreitung die Richtung der Anlage bedingt. Die erste Knochensubstanz selbst tritt auf als scheinbar ho- mogene, bei stärkerer Vergrösserung streifig aussehende Masse zwischen den grossen, polymorphen Bildungszellen, ist stärker licht- brechend als die Umgebung, an frischen Präparaten stark glänzend und färbt sich mit Karmin intensiv roth. Weiter führt auch Wolff, in Uebereinstimmung mit Köl- liker und Anderen, die Intercellularsubstanz der bindegewebigen Knochenanlage in ihrer Entstehung auf die Bildungszellen zurück und betont, dass er niemals ein von den Zellen unabhängiges Auf- treten der zartfaserigen Zwischensubstanz constatiren konnte, wo- gegen Kassowitz?) nach seiner bekannten Theorie die Fasern unabhängig von den zelligen Gebilden aus seiner „lebenden Grund- substanz“ entstehen lässt und damit den Beweis einer Bindegewebs- metaplasie erbracht zu haben glaubt. HM Da ich der Anschauungen Wolff’s über die Thätigkeit der Knochenbildungszellen noch später gedenken werde, so kann ich 1) Petersburger med. Zeitschr. 1868, Bd. XIV. — Centralbl. f. med. Wissensch. 1875, S. 307. — Untersuchungen über die Entwicklung des Knochen- gewebes. Diss. Dorpat. 1875. 2) EC. 823% Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 309 zur Vervollständigung der Auffassung von Kassowitz über die erste Knochenaulage noch hinzufügen, dass nach ihm das Bildungs- gewebe aus dem erwähnten glashellen, scheinbar strukturlosen, gegen Farbstoffe fast unempfindlichen, lebenden Grundgewebe be- steht, in welchem rundliche oder mit Fortsätzen versehene und häufig auch anastomosirende Zellen vertheilt sind. Gegen die Annahme einer solchen Grundsubstanz lässt sich, wie ich schon erwähnt, nicht viel einwenden; das Fehlerhafte der ganzen Theorie beruht aber in der Auffassung, dass diese Grund- substanz unabhängig von den Zellen, der letzten Quelle alles orga- nisch Geformten, entstanden sei. Den Folgerungen, die Kasso- witz weiter aus dieser falschen Prämisse für unsere Frage zieht, wird kein gewissenhafter Physiologe oder Histologe so leicht Glauben schenken. Er lässt diese „scheinbar strukturlose“ Grundsubstanz weiter energisch wachsen, die auf die oben erwähnte Weise entstan- denen Faserbündel das zwischenliegende Bildungsgewebe immer mehr einengen, bis zur Bildung zackiger Zellhöhlen, die er für die künftigen Knochenkörperchen zu halten scheint. An dieser Um- wandlung lässt er auch die Zellen theilnehmen, indem sie langsam in der fibrillären Textur der Knochengrundsubstanz aufgehen. Im Gegensatz zu diesen, der Strieker- Heitzmann’schen Schule eigenthümlichen Anschauungen stimmen neuere Angaben wieder mit den von uns entwickelten überein; so die ziemlich aus- führlichen von Masquelin und Julin und eine kurze Angabe von Gradenigo!), welche alle das Hervorgehen der Östeo- blasten aus den Bildungszellen durch Vergrösse- rung und die ausschliessliche Bildung des osteo- genen Gewebes auf Kosten von Zellen betonen. V. Die Knorpelkerne. A. Erstes Auftreten. Im letzten beschriebenen Stadium haben wir bereits die Veränderungen kennen gelernt, welche auf das nunmehrige Auftreten eines Knorpelkernes im oberen Theil des Gelenkfortsatzes hindeuten. Wir beobachten dasselbe bei Schafembryonen von 51/;,—6Y/, em Länge. Der folgenden Beschreibung liegt der Gelenkfortsatz eines 61/), cm langen Embryo zu Grunde; der Proc. glen. mit dem 1) Op. eit. Seite 311. 310 Josef Schaffer: Meckel’schen Knorpel, der einen dem ersteren parallelen Strei- fen darstellt, ist isolirt in frontale Schnitte zerlegt. Die Lamelle des aufsteigenden Astes erscheint breiter, nach unten zu mit kurzen, parallelen Lamellen, die allseitig Osteo- blastenbelege zeigen, durch Querbalken verbunden, also überge- hend in das netzartige Knochengerüst des Alveolarastes.. Nach oben zu geht sie über in eine annähernd kegelförmige, mit der abgerundeten Basis nach oben gekehrte Masse grosser, knorpel- ähnlicher Zellen, die gegen die Oberfläche des Gelenkkopfes hin immer kleiner, platter werden, ihre Längsaxen quer stellen und endlich mittelst einer ziemlich mächtigen, rundzelligen Cambium- schicht übergehen in das spindelige Periost, resp. Perichondrium. (Siehe Fig. 18, Taf. X.) ‘ Die knöcherne Anlage sammt dem Knorpelkern liegt wieder in einem Bildungsgewebe, dessen spindelige Zellen meist schräg gegen Knochen und Knorpel verlaufen und weiches reichliche, weite Blutgefässe durchsetzen, die meist parallel mit der Knochen- anlage verlaufen. Ich habe die mächtige Zellmasse, welche nun das Längenwachsthum des aufsteigenden Astes übernimmt, bereits als Knorpelkern bezeichnet; als solchen charakterisirt das Gewebe seine morphologisch-histologische Beschaffenheit, die grossen, ovalen Zellenhöhlen, welche sich gegen die reichliche Grundsubstanz mit einem scharfen Rand (Kapsel) abgrenzen und die charakteristischen, geschrumpften Zellkörper. Eine Faserung der hyalinen Zwischen- substanz ist ebensowenig zu erkennen, als an anderen frischen Hyalinknorpeln. Auffällig ist das färberische Verhalten dieses Knorpelkernes, besonders im Vergleiche zum Meckel’schen Knorpel. Dieser er- scheint mit Hämatoxylin in der charakteristischen Weise tief blau gefärbt!), während der Condylusknorpel ganz farblos bleibt. Auch mit der empfindlichen Safranintinetion sehen wir ersteren eine tieforange Färbung annehmen, während letzterer kaum einen gelb- lichen Ton zeigt: der Knorpelkern ist eben wohl seiner morpho- 1) Ich glaube hier auf die Erscheinung besonders hinweisen zu müssen, dass der Meckel’sche Knorpel anderen Hyalinknorpeln gegenüber sehr früh- zeitig als reifer d. h. histologisch und chemisch vollkommen vollendeter Hy- alinknorpel auftritt und halte es für annehmbar, diesen Umstand mit seinem hohen, phylogenetischen Alter in Zusammenhang zu bringen. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 311 logischen Beschaffenheit nach bereits echter Hyalinknorpel, nicht aber seiner chemischen, er ist noch ein „unreifer“ Knorpel, von dem Gradenigo!) bekanntlich gezeigt hat, dass er sich mit Häma- toxylin nicht färbt. Ich halte diese Aufiassung für kaum anfecht- bar und damit auch die Bedeutung der Blau- bezüglich Orange- färbung des „reifen“ Knorpels mit den erwähnten Farbstoffen als einer chemischen Reaction für höchst wahrscheinlich. Was das Wachsthum dieses Knorpelkernes anlangt, so ist das- selbe augenscheinlich ein appositionelles vom umgebenden Bildungs- gewebe her, indem wir da alle Uebergangsformen zwischen der grossblasigen Knorpelzelle bis zur spindeligen Zelle des anliegen- den Gewebes sehen, welche erst einen spärlichen Protoplasmaleib besitzt. Ausserdem müssen wir noch ein inneres, expansives Wachs- thum annehmen, durch welches die anfangs dicht aneinanderliegen- den Zellen auseinanderrücken und immer mehr Zwischensubstanz zwischen sich aufnehmen. Nahe der chondrogenen Zone findet an den bereits differenzirten Knorpelzellen ausserdem noch höchst wahrscheinlich eine Zelltheilung statt, wie ich wegen der hier vor- kommenden vacuolisirten Kerne an Präparaten aus Müller’scher Flüssigkeit vermutbe. Speziell auf Kerntheilungen habe ich die Region nicht untersucht. Jedenfalls ist es auffallend, dass weiter nach unten zu, wo die Knorpelzellen grösser, gebläht werden, keine Spur von vacuolisirten Kernen zu finden ist. Nach unten zu, wo der Knotpelkern sich verschmälernd in die primäre Lamelle übergeht, verkalkt er bereits; zuerst in winzigen, diskreten Körn- chen, die um die Kapsel in der Intereellularsubstanz auftreten, dann in gröberen Krümmeln, die endlich zusammen fliessen zu einem ziemlich breitbalkigen Kalkgerüst, das noch immer ein mehr minder körniges Aussehen besitzt und in dem die rundlichen, ovalen Knorpelzellen etwas kleiner erscheinen, als in der hyalinen Grundsubstanz. Ob dieser subjective Eindruck, den ich von allen untersuchten Schnitten erhalten habe, auf einer wirklichen Ein- engung der Knorpelhöhlen durch die Aufnahme von Kalksalzen in die Zwischenzellsubstanz beruht oder auf dem Umstande, dass man bei den Zellen in der hyalinen Grundsubstanz immer leicht auf 1) EE Gradenigo, Die embryonale Anlage des Mittelohres etc. (Mittheilg. a. d. embryolog. Inst. d. k. k. Univ. Wien, Heft 1887). 312 JosefSchaffer: den optischen Querschnitt einstellen kann, während man in der undurehsichtigen Grundsubstanz nie entscheiden kann, ob eine Zellhöhle im grössten Durchmesser getroffen ist, dürfte schon des- halb kaum durch exakte Messungen entschieden werden können. Sicher aber verleihen die vielfach nur gekappten Höhlen und die relativ reichliche, starre Zwischensubstanz dem ganzen Gewebe ein mehr osteoides Aussehen. Bei der Regellosigkeit der An- ordnung der Knorpelzeilen, welche nicht die geringste Orientirung zeigen, sondern mit ihren längsten Durchmessern nach allen Rich- tungen aufeinanderstehen, entstehen überhaupt schwer zu deutende, verwickelte Schnittbilder, die sich mit jeder geringsten Drehung der Mikrometerschraube verändern. Eskann oft den Anschein haben, dass mehrere Zellen in einer Höhle liegen; unterdessen projieirt sich eine tiefer liegende Zelle durch eine dünne, unverkalkte Scheidewand in eine darüber liegende gekappte Knorpelhöhle, oder es hat sich eine vielkernige Riesenzelle von unten her in den Knorpel eingelagert und wird von oben durch die Lumina meh- rerer Knorpelhöhlen gesehen!), die dann natürlich auch scheinbar von Zellmasse mit mehreren Kernen erfüllt erscheinen u. s. f.; mit einem Wort, das Gewebe bietet auf den ersten Anblick an vielen Stellen, besonders dort, wo die Verkalkung gleichmässiger ist, eine Aehnlichkeit mit dem grossblasigen, pri- märenKnochenim Stadiumder Verkalkung und dürfte nicht unpassend als osteoider Knorpel bezeichnet werden (siehe Fig. 17, Taf. X). - Schliesslich muss ich noch einer wichtigen Erscheinung ge- denken, welche für den von der endochondralen Ossification ab- weichenden Verknöcherungstypus des Unterkiefers von grösstem Belange ist: sowohlan den seitlichen Oberflächen des unverkalkten Knorpelkernes, als auch an den Buckeln und Buchten desverkalktenlagern sich bereits Osteoblasten an (siehe Fig. 18 u. 19), die auch schon einen schmalen Saum einer homogenen oder leicht stricheligen, opalinen Substanz, in der hier und da eine Zelle halb eingeschlossen erscheint, auf den Knorpel ablagern. Ueber dessen Schicksale und Bedeutung soll aber erst bei Besprechung der Ossification die Rede sein. 1) Ein Vorkommen, dessen bereits Pommer (Virch. Arch. Bd. XCII, S. 306) als einer Quelle von Täuschungen erwähnt. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 313 Es erübrigt uns noch die Querschnittsbilder dieses Stadiums zu besprechen, welche uns das an Längsschnitten gewonnene Bild vervollständigen sollen und andererseits Aufschluss geben über die Topographie des Knorpelkernes in den tieferen Partien. Verfolgen wir das Querschnittsbild von oben nach unten, so treffen wir knapp unter dem Perichondrium das zellreiche Bildungs- gewebe, das nur spärliche Grundsubstanz erkennen lässt, in dem aber einzelne, durch Eosin markant gefärbte (also blutführende) Blutgefässe verlaufen, die aus dem reichen Gefässnetz, das um den Gelenkkopf und zwischen diesem und dem Meckel’schen Knorpel verläuft, eindringen. An den folgenden Schnitten nimmt die Grundsubstanz gegen die Mitte zu, d. h. die Zellen rücken da auseinander und neben den rubinrothen Blutgefässpunkten sehen wir schon hier und da eine rundliche Insel in der Form etwas von der Umgebung abweichender, mit stärker blau gefärbten Kernen versehener Zellen, die sich meist um ein Gefässchen gruppiren; nicht immer jedoch ist ein solches zu erkennen. Schon auf dem nächstfolgenden Schnitte bemerken wir auch eine Differenzirung zwischen dem centralen und peripheren Ge- webe. Dieses nimmt deutlich den Charakter eines faserigen oder Spindelzellgewebes an, in dem wir auch Gefässchen parallel der Faserrichtung d. h. senkrecht zur Längsaxe des aufsteigenden Astes streichen sehen, während im Centrum die farblose Grund- substanz in breiteren Zügen die blasser gefärbten, etwas grösseren, dreieckigen, halbmondförmigen, in abgegrenzten Höhlen liegenden Zellen umgiebt, wieder von nesterartigen Gruppen kleiner Rund- zellen unterbrochen. Wir überzeugen uns also am Querschnitte besser als am Längsschnitte, dass der Knorpelkern nicht solid ist, sondern bereits beginnende Canalisation zeigt, welche mit einer vom Perichondrium ausgehenden Vaseularisation Hand in Hand geht. Untersucht man diese Zellnester (Querschnitte der Knorpel- kanäle; Fig. 19 Kk) mit starker Vergrösserung, so findet man, dass die Protoplasmaleiber der Zellen keine deutliche Abgrenzung erkennen lassen, vielmehr gegen den Knorpel zu einen ähnlichen opalinen Saum bilden, wie der Östeoblastenbeleg rings um den Knorpelkern (Fig. 19 O). Was ist nun die Entstehungsweise dieser Knorpelkanäle, was ihre Bedeutung? Wir wollen auf die mannigfachen Deutungen, die sie erfahren haben, nicht näher eingehen; hier nur so viel, dass Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32, 20 314 Josef Schaffer: ich die Frage nach der Abgrenzung dieser Zellnester im Inneren des Knorpelkerns gegen diesen und des Knorpelkerns gegen das umgebende Bindegewebe ohne Studium der Mitosen für nicht wohl entscheidbar halte. Julin zeichnet die Zellnester hervorgegangen aus Theilung der Knorpelzellen und das den Knorpelkern umgebende Faser- zellgewebe wird von den meisten Autoren für eine chondrogene Schicht gehalten, so dass es also die Matrix dieses Knorpelkernes wäre, eine Ansicht, deren Richtigkeit auch wir betont haben. Was aber die Auffassung über den Knorpelkanalinhalt be- trifft, welche ihn aus einer Proliferation der Knorpelzellen hervor- gehen lässt, so erinnere ich daran, dass der Knorpel ja selbst aus dem Bildungsgewebe hervorgegangen ist; sollte diese Entwicklung nun an einzelnen Stellen wieder umgekehrt werden? Dies ist wenig wahrscheinlich und dürfte noch schwerer zu beweisen sein. Wohl aber betone ich nochmals, wie wir am Embryo von > cm gesehen haben, dass sich das Uebergangsgewebe zum Knorpel und dieser selbst nicht als geschlossene, den ganzen Gelerkkopf erfüllende Masse, sondern (am Sagittalschnitt gesehen) in mehr minder breiten Zügen entwickelt (siehe Fig. 14 bl.), so dass also, körperlich gedacht, der Knorpelkern schon während seiner Ent- wicklung mit Kanälen versehen wird. Was muss nun der Inhalt dieser Kanäle sein? Natürlich das Gewebe, welches wir zwischen den Zügen des werdenden Knorpels sahen, das ist Bildungsgewebe, osteogene Substanz, in welcher, wie vordem Zellvermehrung und Blutgefässneubildung oder, da sie ja bereits Gefässe enthält, Weiter- bildung stattfindet. So wird uns der opaline Saum um diese Ka- näle verständlich und unsere Deutung erfährt eine weitere Be- stätigung bei Betrachtung tiefer liegender Querschnitte. Legt man durch die Basis des Kronenfortsatzes, knapp unter dem freien Rande der Incisura semilunaris einen Horizontalschnitt, der dann auch den Processus glenoidalis trifft, so findet man im eigentlichen Körper des Gelenkkopfes keinen Knorpelkern mehr, sondern nur eine sagittale Lamelle, welche übergeht in den weiter gegen die Ineisur gerückten Knorpelkern, der hier als mächtiges Gebilde zwischen Proc. glen. und cor. auftritt (Fig. 19 Kp). An einem noch tieferen Schnitte erscheint er ganz in die Ineisur gerückt, bildet noch ein ziemlich grosses, dreieckiges Ge- bilde und geht endlich, sich nach unten zu verschmächtigend, in Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrare. 315 8 I & das Knochengewebe des aufsteigenden Astes über. Wir haben somit den mächtigen Knorpelkern im Gelenk- kopf bestätiget; ein eigener Knorpelkern für dieIneisur existirt nicht, sondern der hier thatsächlich vorkommende Knorpel ist die Spitze der Knorpelpyramide, welche sich nach vorne, gegen die Basis des Kronenfortsatzes hin krümmt, während ihr Körper den Gelenkkopf mehr minder ausfüllt. Ich will hier, bevor ich die weiteren, allen Knorpelkernen gemeinsamen Schicksale und ihre histologischen Eigenthümlich- keiten bespreche, noch der anderen, im aufsteigenden Kieferast vorkommenden Knorpelkerne gedenken. Der für uns wichtigste und interessanteste ist der vielbe- strittene Knorpelkern des Kronenfortsatzes. Der Erste, der desselben Erwähnung thut, ist meines Wissens Bruch!), der bei Besprechung des 2 Zoll langen Rindsfötus hervorhebt, dass am hintereu Ende des Knochenscherbchens, als welches ursprünglich der Unterkiefer ange- legt war drei übereinanderstehende, knorpelige Apophysen von beträchtlicher Stärke aufgetreten sind, welche dem Proc. coronarius, glenoidalis und angulus max. inf. entsprechen und die Form des definitiven Unterkiefers herstellen. Er setzt noch hinzu, dass in der Apophyse des Proc. coron., welche die kleinste ist, die Grundsubstanz nicht ganz hyalin, sondern etwas trüb und streifig gefunden wird, wie in manchen Faserknorpeln. Weiter wäre Strelzoff zu nennen, der beim Schweineembryo einen knorpeligen Punkt als die Spitze des Kronenfortsatzes fand und in seiner ausführlichen Arbeit Taf. III Fig. 15 Knorpelreste im Proc. coron. zeichnet, wozu Brock?) bemerkt, dass er so etwas nie gesehen habe. Strelzoff geht nicht näher auf die Beschreibung dieses Knorpelpunktes ein, er musste eigentlich sein Vorkommen consequenter Weise annehmen, da er ja den ganzen Unterkiefer knorpelig vorgebildet sein lässt. Eine ge- naue Beschreibung und unzweifelhafte Bestätigung des Knorpelkernes im Kronenfortsatz liegt eigentlich nur von Masquelin vor, der ihn bei mensch- lichen Embryonen nachwies und seine Verknöcherung, allerdings im meta- plastischen Sinne, eingehender beschrieb. Bei den übrigen Forschern, welche sich mit der Entwicklung des Unterkiefers beschäftigen, finden wir keine Angabe über einen solchen Knorpelkern oder sie stellen sein Vorkommen direkt in Abrede. So scheint er sonderbarer Weise Stieda entgangen zu sein und Kassowitz sah im Kronenfortsatz nie Knorpel, „sondern höchstens ein mit grossen Zellenhöhlen versehenes, osteoides Gewebe“, welches er an D1.c. 8. 158. 2) 1. c. 8. 312. 316 Josef Schaffer: anderer Stelle!) als vom Periost gelieferten, direkt ossificirenden Faserknorpel bezeichnet. Ich konnte hinwiderum im Kronenfortsatz von Schafembryonen einen wohlentwickelten, hyalinen Knorpelkern bestätigen, so dass ich mir zunächst die Frage vorlegen musste, woher in diesem Punkte die Ungleichmässigkeit in den Angaben der verschiedenen Autoren rühre. Masquelin suchte sie in einer thatsächlichen Variation bei den verschiedenen Säugethieren und beim selben Thiere mit dem Alter des Embryo zu erklären und für den letzten Theil dieser Anschauung muss ich mich vollständig anschliessen. Während der Knorpelkern im Gelenkfortsatz schon sehr frühe auftritt und bis zur Geburt fortbesteht, daher kaum übersehen wer- den konnte, bleibt der Kronenfortsatz des Schafes lange Zeit ohne Knorpel; erst beim Embryo von 121/, cm konnte ich an der Spitze des Proc. coron. einen wohldefinirten, hyalinen Knorpelkern nachweisen, der fortan auch hier das Längenwachsthum übernimmt. Aber die Dauer dieses Gebildes ist ebenfalls eine relativ kurze und bereits beim Embryo von 211/, em ist er an der Spitze geschwunden und nur einzelne Ueberreste von Knorpelzellen, deren Stehenbleiben wir für die Ossification des Unterkiefers als charakte- ristisch kennen lernen werden, deuten auf die einstige Anwesenheit eines Knorpelkernes. (Ich muss hier bemerken, dass ich anderer- seits bei einem Embryo von 24 cm Länge noch Knorpel in der Spitze des Kronenfortsatzes fand. Ob diese Differenz durch einen Fehler in der Messung, oder thatsächliche Variation im Zeitpunkt seines Zugrundegehens bedingt ist, kann ich nicht sicher entscheiden.) Späterhin schwinden auch diese Reste und der ganze Kronen- fortsatz besteht nur aus parallelen Knochenlängsbalken, welche durch kurze Quer- und Schrägbalken verbunden und direkt vom Periost überzogen sind. So ist es begreiflich, dass Einem sogar bei Untersuchung mehrerer Entwicklungsstadien dieses transitorische Gebilde ent- gehen kann und man um so viel weniger berechtigt ist, aus der Untersuchung eines Exemplares auf das Fehlen des Knorpelkernes zu schliessen, wie es Julin für den von ihm benutzten Embryo von Balaenoptera rostrata thut, wo man gerade aus seiner eigenen 1) Med. Centralblatt 1877, Nr. 5. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 317 Beschreibung, wie wir sehen werden, auf ein solches Vorkommen schliessen kann. Ich glaubte nun zu dem Schlusse berechtigt zu sein, dass der Knorpelkern im Kronenfortsatz bei allen Thieren nur eine vorüber- sehende Bedeutung besitzt, wohl auch allen zukommt, aber aus dem erwähnten Grunde bei den meisten übersehen wird. In dieser meiner Annahme wurde ich wieder wankend, als ich bei zwei - ziemlich verschiedenen Entwicklungsstadien von Schweinsembryonen (16 em u. 35,7 em) keine Spur eines Knorpelkernes entdecken konnte. Nun drängte sich mir die Vermuthung auf, dass das Auf- treten des Knorpelkernes mit der Länge des Kronenfortsatzes in Zusammenhang zu bringen wäre und nur jenen Thieren zukomme, die einen langen Kronenfortsatz besitzen, wie dies bei den meisten Wiederkäuern und beim Menschen der Fall ist, während er bei der Bildung eines niederen, höckerförmigen, wie ihn das Schwein be- sitzt, überflüssig ist. So wäre ich jedoch selbst in den von mir gerügten Fehler verfallen, denn ich hatte nur zwei Schweineembryonen diesbe- züglich untersucht und ausserdem widersprach dieser Annahme die BeobaehtungStrelzoff’s, der ja auch beim Schwein einen Knorpel- punkt im Kronenfortsatz erwähnt. [ Die exacte Lösung der Frage würde eine umfangreiche, zeit- raubende Untersuchung erfordern, auf die ich mich nicht einlassen konnte und so begnüge ich mich hier beim Schafembryo einen wohlentwickelten, hyalinen Knorpelkern nachgewiesen zu haben, knüpfe aber daran die nach dem Gesagten gewiss berechtigte Ver- muthung, dass der&rad seinerEntwicklung und die Dauer seines Vorhandenseins mit der Grösse des fertigenKronenfortsatzesinZusammenhang zu bringen ist und er daher bei Thieren mit schwach ent-' wiekeltem Kronenfortsatz leicht übersehen werden kann. Das Auf- treten und das Wachsthum des Knorpelkernes im Kronenfortsatz beim Schafembryo ist ganz analog dem im Gelenkfortsatz. Er bildet am Frontalsehnitte (Fig. 22, Taf. XI) einen langen, schmalen Streifen, der auch hier bis gegen die wachsende Spitze direkt von Osteoblasten überlagert erscheint, die aber alsbald Knochen produeiren, so dass der Knorpelkern mit Ausnahme seiner Spitze allseitig von einer Knochenkruste überlagert erscheint, was an Safraninpräparaten besonders plastisch hervortritt (Fig. 22, Kn). 318 Josef Schaffer: Da die Oberfläche des Knorpelkernes keine gleichmässige ist, son- dern einzelne Zellen und Zellengruppen buckelige, halbovoide Vor- ragungen bilden, so findet die Auflagerung von Knochen oft zwi- schen zwei benachbarte Knorpelzeilen hinein statt, so dass diese fast ihrem ganzen Umfange nach von Knochen umschlossen er- scheinen; die dadurch hergestellte, innige Continuität kann sehr leicht zur fehlerhaften Annahme einer stattfindenden Metaplasie führen, umsomehr, da sich dieser aufgelagerte Knochen bei Fär- bungen ähnlicher dem Knorpel verhält und erst, wenn die Schicht dicker, der Knochen älter wird, die Grenze zwischen beiden Ge- weben deutlicher wird. Mit Hülfe der Safranintinetion kann man jedoch stets eine scharfe Grenze erhalten und wird so, wenn man auch noch den Entwicklungsgang der Gewebe berücksichtigt, leicht erkennen, dass der Knochen hier eine neoplastische, vom Knorpel unabhängige Bildung ist. Die Verhältnisse an der wachsenden Spitze wurden bereits von Masquelin ausführlich beschrieben, es sind ganz dieselben, wie beim Gelenkfortsatz, auch hier findet ein allmählicher Ueber- gang von den fertigen Knorpelzellen bis zu den spindeligen Zellen des Perichondriums statt, welche Uebergangsschicht bereits Brock als den Ausdruck des Knorpelwachsthums auffasste und die Hüter!) für den wachsenden Gelenkfortsatz so trefflich beschrieben hat. Was den von den Autoren erwähnten Knorpelkern im Angulus anlangt, so konnte ich sein Vorhandensein ebenfalls nachträglich constatiren, ohne aber über Form und Entwicklung nähere An- gaben machen zu können. Nur muss ich für Schafembryonen wenigstens auch hier wieder seine Unabhängigkeit vom Knorpel- kern des Gelenkkopfes betonen. B. Weitere Entwicklung. Kehren wir nun zum Knorpel- kern des Gelenkknopfes zurück und verfolgen wir seine weitere Entwicklung, so können wir zunächst schon im folgenden Stadium (71/, em) eine bedeutende Volumzunahme desselben constatiren. Er bildet fast den ganzen Gelenkkopf und hat das Cambium auf eine relativ schmale Zone zurückgedrängt, so dass dieses nur innen, oben eine breitere, vorspringende Schicht bildet (Fig. 4, Taf. IX). 1) Virchow’s Archiv Bd. 29, S. 121. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 319 Gegen diese und nach der Gelenkfläche zu grenzt sich der Knorpelkern mit ziemlich scharfem, geradlinigem Contour ab, so dass seine Form viel prägnanter erscheint, als im vorigen Stadium. Eine beiläufige Messung mit dem Ocularmikrometer ergab eine Höhe von 1,5—2 mm. Am Frontalschnitte erscheint er als abgestutzte Pyramide, deren Basis nach oben gekehrt ist und eine leichte Neigung von aussen nach innen zeigt, welche auch noch die fertige Gelenkfläche beim erwachsenen Thiere beibehält. Was uns weiter auffällt sind die mächtigen und zahlreichen Kanäle, welche den Knorpelkern in axialer Richtung vom Perichon- drium aus durchsetzen und die Verkalkung, welche von unten nach oben ziemlich unregelmässig in den Knorpelzügen zwischen diesen Kanälen fortschreitet. Aussen und innen wird der Knorpel- kern von einer schmalen Lamelle begrenzt und zwar reicht die äussere immer viel weiter nach oben. Der innere, oberste Theil des Gelenkkopfes, wo noch Knorpelbildung erfolgt, ist unver- kalkter, hyaliner Knorpel mit der erwähnten, mächtigen Cambium- schicht, welche vom Ende der Grenzlamelle an nach innen vor- springt und so die Kopfform des Gelenkfortsatzes vollendet (Fig. 4, Taf. IX). Bedeutung und Schicksale dieser Grenzlamelle sollen bei der Össification besprochen werden. Der Art der Verkalkung habe ich bereits gedacht, ich er- wähne nur noch, dass während im Beginne derselben meist mehrere geblähte Knorpelzellen von einem zierlichen, perlschnurförmigen Kranze dunkler Körnehen umschlossen werden, später diese Körn- chen zusammenfliessen zu groben Körnern und Krümmeln und gegen das untere Ende des Knorpels die Zellen endlich von dicken, mit Hämatoxylin intensiv gefärbten Balken eingeschlossen werden, so dass wieder jener osteoide Knorpel entsteht, der unmittelbar an die Knochenbälkehen der primären Lamelle stösst. In den nächsten Stadien erreicht der Knorpelkern bereits seine vollständige Entwicklung, d. h. er färbt sich zunächst an der Innenseite in mehr minder weit hinaufreichenden Zügen mit Hämatoxylin blau, nimmt an Breite zu, wodurch das Cambium auf eine schmale Schicht zusammengedrängt wird und seine Zellen zeigen ganz charakteristische Eigenthümlichkeiten, die wir im Folgenden besprechen müssen. 320 JosefSchaffer: Weiter macht sich die Erscheinung immer mehr bemerkbar, dass die Knorpelzellen nach unten zu, wo sie an Knochen stossen, immer grösser werden, weshalb man auch hier, wenn man will, mehrere Schichten am Knorpelkern unterscheiden kann, eine chon- drogene, kleinzellige und grosszellige (hypertrophische, Julin), wozu später, wenn sich eine Össificationslinie ausbildet noch eine vierte kommt, so dass dann die Aehnlichkeit mit einem Epiphysenknorpel allerdings nicht von der Hand zu weisen ist. Endlich ist der Knorpel chemisch und morphologisch fertig; er färbt sich in allen seinen Theilen mit Safranin gelb oder mit Hämatoxylin blau, nur die Schicht knapp unter der chrondrogenen Zone bleibt immer farblos oder zeigt nur Spuren von Färbbarkeit. Diese Beobachtung machte auch Neumann!) mit der Jodfärbung der Knorpelzellen, die er ebenfalls für ein physiologisches Attribut derselben hält; „schon beim Embryo tritt die Braunfärbung mit Jod auf, eine Ausnahme machen nur die platten, kleinen Knorpel- zellen, die an der Peripberie dicht unter dem Perichondrium liegen; sie scheinen stets frei von der Veränderung zu bleiben“. Der Knorpelkern erfüllt den ganzen Gelenkkopf; aber noch immer ist er von einer Gewebsschicht überzogen, die eine deutliche Schich- tung erkennen lässt und zwar folgt auf die platten, spindelförmigen Zellen der chondrogenen Zone eine schmale Schicht kleiner Rund- zellen mit intensiv blaugefärbten Kernen und auf diese erst das faserzellige Perichondrium. Während gegen die Gelenkfläche zu die chondrogene Schicht immerfort Knorpelzellen produeirt, lockert sie sich an den Seiten auf und liefert einen mehr minder continuirlichen Osteoblasten- ‘beleg für den Knorpel, dessen wir bereits beim Embryo von 61/, cm gedacht haben. Bisheristder Knorpelkern durch verkalten (östeoiden) Knorpel immer ganzallmälichinden chondroiden Knochen des aufsteigenden Astes übergegangen; nun beginnt sich (beim Embryo von 10 cm im vorderen Drittel) eine Ossifieationslinie auszu- bilden, d. h. der Knorpel setzt sich scharf gegen das andrin- sende Markgewebe, das zahlreiche und weite Gefässe besitzt, ab und zugleich tritt an die Stelle der Osteoblastenresorption des 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14, 1877, S. 54. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 321 Knorpels nach und nach ein Auflösungsprocess desselben, der bei der Ossification näher beschrieben werden soll. Wenden wir uns nun zur Besprechung der morphologischen und histologischen Eigenthümlichkeiten der Knorpelzellen selbst, so haben wir bereits gesehen, dass ihreAnordnunginder Grund- substanz eine regellose ist, indem sie ziemlich gleichmässig in derselben vertheilt sind, was auch H. Müller für den Gelenk- kopfknorpel des Neugeborenen hervorhebt. Ist im Anfange der Knorpelbildung die Zwischensubstanz noch eine reichliche, wie sie es gegen die Wachsthumsfläche des Knorpels immer bleibt, so wird sie durch Vergrösserung der Zellhöhlen bald so spärlich, dass der Gelenkkopfknorpel, ähnlich wie der Kopfknorpel der Petromyzonten, so recht ein Bei- spiel für das Gewebe wird, welches Kölliker!) als Zellenknor- pel, Rollett?) als Parenchymknorpel bezeichnet hat, wobei man aber nicht an ein Zellparenchym im strengen Wortsinne, näm- lich ohne jede Zwischensubstanz denken darf. Diese characteristische Eigenthümlichkeit des Knorpels ist aber auch von grossem Einfluss auf das sonderbare Ossifications- bild und bedingt später den Hauptunterschied vom verknöchernden Epiphysenknorpel, den das „Gerichtetsein‘ der Zellen auszeichnet. Fig. 25 gibt uns ein ziemlich naturgetreues Bild des Gelenk- kopfknorpels eines Embryo von 121/, cm Länge. Betrachten wir die einzelnen Zellen, so wird uns ihre Aehnlichkeit mit pflanz- lichen Zellen sogleich auffallen und in der That hebt dies Vir- chow in seiner Cellularpathologie (4. Aufl. S. 8) hervor und vergleicht man die von ihm gegebene Abbildung einer mit Wasser behandelten Zelle von Solanum tuberosum, so wird man unmittel- bar an unsere Bilder erinnert, ohne dass freilich die Homologie der Theile eine ebenso leicht zu deutende wäre. Fine weitere Eigenthümlichkeit ist das färberische Verhalten der einzelnen Zellen. An unserem Präparate (Fig. 25), welches mit Hämatoxylin- Eosin doppelt gefärbt ist, erscheint die Kapsel dunkelblau, die sternförmige Protoplasmamasse der Zelle leuchtendroth und ausser- dem sieht man aber noch um die Zelle ein blutgefärbtes Netz- 1) Kölliker, Gewebelehre 1867, 8. 66. 2) Stricker’s Gewebelehre S. 79. 322 Josef Schaffer: werk, das oft sternförmig, als Fortsetzung der Zacken der Knorpel- zelle erscheint, aber doch etwas von ihr verschiedenes ist. Oft erinnert dieses pericellulare Gebilde in seiner Form an die Drüsen- körbe gepinselter Drüsen (R‘). Wenn es bei vorgeschrittener Ossification zu einer Eröffnung der Knorpelhöhlen kommt, so sehen wir zuerst dieses Netzwerk schwinden, die rothgefärbte, geschrumpfte Zelle bleibt noch oft im Bereich der blaugefärten Kapsel liegen (R). Dies geschieht fast re- gelmässig in der Zellschicht, welche unmittelbar an das Markgewebe stösst und welche daher an Hämatoxylinpräparaten als heller Streifen erscheint (vgl. S. 352). Bruch scheint nach der von uns S. 288 eitirten Stelle der Ansicht gewesen zu sein, dass die zackige Sternform auch den intacten Knorpelzellen zukomme; wir müssen daher, um zu einer richtigen Anschauung dieser Verhältnisse zu gelangen ganz frische Präparate untersuchen. Fertigt man vom Gelenkkopfknorpel eines eben getödteten, jungen Lammes Schnitte an und untersucht sie im humor aqueus des Thieres, so findet man die Zellen ihre Höhlen vollkommen ausfüllen, wie beim typischen Hyalinknorpel. Sie sind dicht gedrängt, ihre stark glänzenden Umrisse, welche nichts anderes sind als die spärliche Zwischen- substanz, durchschneiden sich vielfach optisch, ähnlich wie die Con- turen von Fettzellen. Das Plasma der Zelle ist gegen die dasselbe umgebende, spärliche Zwischensubstanz so blass und schwach lichtbrechend, dass auf den ersten Anblick die Höhlen leer erscheinen, um so mehr, als man den Kern der Zelle nicht wahrnimmt. Nach längerem Liegen im humor aqueus treten im Protoplasma reichlich Vacuolen auf, so dass es wie ein Schwamm mit röthlichen Maschen aussieht. In physiologischer Kochsalzlösung untersucht geben die Prä- parate ein ähnliches Bild, nur werden die Kerne als kugelige, doppelt contourirte Gebilde schwach sichtbar und treten nach längerem Liegen stark lichtbrechende Körper im Plasma auf. Scharf treten die Kerne bei Behandlung mit 4,°/, Alaun- lösung hervor und da sieht man auch immer zwei oder auch mehrere stark glänzende Körnchen in demselben, wovon eines durch seine Grösse sich als Kernkörperchen erweist. Auch die Kapseln treten als ungemein stark glänzender, doppelter Contour hervor, aber die Zellen erfüllen noch die ganze Höhle. Nie sieht Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. ‚man solche halbirte oder in Quadranten zerfallende Zellen, wie z. B. im Knorpel des Oberschenkelkopfes vom Frosch, sondern sie sind alle gleichmässig kugelig oder ovoid. Auch ist die Consistenz des Knorpels beim Schneiden eine sehr weiche, fast suceulente, was einerseits von der geringen Zwischensubstanz, andererseits von einer in der Zellhöhle frei vorkommenden Flüssigkeit h£r- rühren mag. Denn, trotzdem die Zelle der Kapsel ganz anzuliegen scheint, müssen wir zwischen beiden noch eine Spur freier Flüssigkeit annehmen, um uns die sonderbaren Bilder an in Chromsalzen gehärteten Präparaten zu erklären. Durch den Härtungsprozess schrumpft die ausserordentlich empfindliche Zelle und die spärliche, pericellulare Flüssigkeit ge- rinnt in der erwähnten Form. Eine andere Vorstellung wäre höchstens die, dass die Zelle bei der Schrumpfung Flüssigkeit aus- presst, welche gerinnt; dann wäre mir aber das auffallend ver- schiedene Verhaften gegen die zwei Farbstoffe unerklärlich. Noch eine wichtige Beobachtung können wir am frischen Präparat machen. Gegen die Knorpelkanäle, wo die Zellenimmerkleinerwerdenund gegen die Ver- Kalkunssgrenze zu tritt eine physiologische Schrumpfung derselben auf und zwar schon dann, wenn auch nur die ersten Spuren der Verkalkung in Form der winzigen, glänzenden Körnchen in der Intercellularsubstanz zu sehen sind. Der Kern bleibt zunächst noch deutlich, das Protoplasma zieht sich zusammen, wird grobkörnig, endlich verschwindet auch der deutliche Kern und in der grossen Höhle liegt ein ver- schrumpftes, zackiges Protoplasmaklümpehen, die ehemalige Zelle. Alle diese Beobachtungen konnte ich an anderen Objecten (Kaninchen) bestätigen; damit im Einklang stehen auch gewisse Bilder am gehärteten Präparat. Auch hier kann man in den noch unverkalkten Partien des Knorpels die Kerne noch deutlich er- kennen, während sie gegen die Verkalkungs- und Eröff- nungsgrenze zu gänzlich zu mangeln scheinen oder doch die wenigen Bilder, welche noch für die Anwesenheit der Kerne gedeutet werden können, als Untergangsbilder derselben impo- niren. Gegen die Eröffnungszone zuscheinen die Knorpel- 324 Josef Schaffer: zellen also offenbar dem Untergange verfallen, eine Beobachtung, auf die wir bei der Ossifieation noch zurückkommen werden. Ich muss mich bier einfach mit der Beschreibung dieser Verhältnisse begnügen, ohne auf ihre Deutung näher eingehen zu können. Ich erinnere nur, dass Brunn!) zwischen Knorpelzelle und Kapsel eine freie Flüssigkeit annehmen zu müssen glaubt, von der Strelzoff angiebt, dass sie sich mit Hämatoxylin blau färbt, während Kassowitz, der sich auf die Seite der Neumann’schen Auffassung stellt, diese Pericellularsubstanz als ein granu- lirtes, durchsichtiges, nicht tingirbares Gewebe bezeichnet. Wenn Prudden?) in der sternförmigen Verschrumpfung der Knorpel- zellen nicht unbedingt ein Zeichen des Todes sieht, so ist dies für viele ver- schrumpfte Zellen richtig; wohl aber müssen wir die physiologische Schrum- pfung im Verkalkungsgebiet, an den Knorpelkanälen und an der Ossifications- grenze als ein Zeichen beginnenden Verfalls auffassen, wobei ich mich gegen den etwaigen Einwand, als ob auch diese Schrumpfung durch mechanischen Insult oder Wasserwirkung entstanden sei, verwahren muss, indem man dies durch vielfache und aufmerksame Betrachtung wohl auseinander halten kann. Was die weiteren Schicksale des Knorpelkernes betrifft, so sehen wir in den folgenden Stadien, dass er in dem Maasse schwindet, als die Verknöcherung vordringt (vergl. Fig. 8S—12), so dass er zuletzt (Fig. 12) nur mehr einen schmalen, oberfläch- lichen Streifen darstellt. Wie wir bis jetzt an allen untersuchten Stadien gesehen haben und wie bereits Brock und Stieda betonen, ragt der Knorpel des Gelenkkopfes nie nackt in die Ge- lenkhöhle, sondern ist immer von einer dicken Schicht spin- deliger Zellen überzogen, deren Längsaxen senkrecht zur Ober- fläche gestellt sind und die in den früheren Stadien erst vermittelst verschiedener Uebergangsformen, deren Gesammtheit wir nun als ehondrogene Schicht bezeichnen müssen, in die wohlgebildeten Knorpelzellen übergehen. Die beiden obengenannten Autoren be- zeichnen diesen Faserüberzug als Periost, weil derselbe ursprüng- lich die erste Anlage, welche eine intermembranös knöcherne ist, überzieht. Später wird er zum Perichondrium und behält diese Bedeutung während des ganzen Fötallebens, ja über dieses hinaus. Betrachten wir jedoch einen Frontalschnitt durch den Gelenktort- satz eines jungen Lammes (Fig. 13), so sehen wir die sonderbare 1) Arch. f. Anat. u. Phys. 1874. 2) Virchow’s Archiv 75. Bd., 1879. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 325 Erscheinung, dass sich das ganze Perichondrium-— und damit bekundet es am besten seine chondrogene Aufgabe — austlöostin einen schmalen Knorpelüberzug mit obeertlächlich kleinen, runden, dicehtgedränsten Knorpelzellen. VII. Die Ossifieationsvorgänge an den Knorpelkernen. 1. Verknöcherung des Kronenfortsatzes. Wie ich schon mehrmals betont habe und wie theilweise be- reits aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, liegt der Grund der Annahme einer metaplastischen Ossification am Unterkiefer in dem regellosen Neben- und Durcheinander von morphologisch ähnlichen, aber genetisch verschiedenen Geweben, welches eine Verfolgung der Entwicklung derselben ungemein schwierig macht. Wir haben weiter gesehen, wie beim Gelenkfortsatz sich erst nach und nach eine Ossificationslinie ausbildet, die Knorpelhöhlen jedoch unregel- mässig eröffnet werden, da die Zellen nicht in langen Reihen an- geordnet sind, zahlreiche Inseln geschlossener Knorpelzellen in die Region des jungen Markgewebes gerathen und hier, von verschie- denen Seiten von neoplastischem Knochen überlagert, eingeschlossen werden und die Verfolgung des Zusammenhanges der Markräume eine sehr schwierige ist (H. Müller). Es scheint hier am Unter- kiefer der Ossificationsvorgang so ganz ohne irgend eine Regel vor sich zu gehen, die uns z. B. bei dem endochondralen das Ver- ständniss des Prozesses so sehr erleichtert. Diese Regellosigkeit ist aber eben nur eine scheinbare, die man besonders an der von den meisten Autoren untersuchten Re- gion, dem Proc. glen. kaum zu entwirren vermag, weil hier die Verhältnisse am verwickeltsten sind. Wie ich bereits bei der ersten Anlage des Knochengewebes betont habe, liegen sie beim Kronenfortsatz viel einfacher, typischer und dies gilt auch für den Verknöcherungsvorgang; wir wollen daher mit seiner Besprechung am Kronenfortsatz beginnen und werden dann relativ leicht die hier vorgefundenen und gesetz- mässig einfach wiederkehrenden Vorgänge beim Gelenkfortsatz wiederfinden. Ueber Auftreten und Beschaffenheit des Knorpelkernes im Kronenfortsatz haben wir uns im vorigen Kapitel orientirt. Zum 326 Josef Schaffer: Studium der ossificatorischen Vorgänge bedienen wir uns aus- schliesslich der Frontal- und Querschnitte. Betrachten wir nun z. B. einen Frontalschnitt durch den Kronenfortsatz des Embryo von 15 cm (Fig. 22, Taf. XI), so sehen wir den Knorpelkern an seiner Oberfläche allseitig bis auf seine Wachsthumsschiehte an der Spitze des Fortsatzes überlagert von einer osteoblastischen Knochenschichte. Dieses Verhältniss finden wir an allen untersuchten Stadien, so lange ein Knorpelkern vor- handen ist, wiederkehren und dies ist einer der vom gewöhnlichen Typus abweichenden und wichtigsten Vorgänge bei der Unterkiefer- ossification, dass neoplastisch gebildeter Knochen aufunzerstörten,verkalkten und unverkalkten Knorpeldirektaufgelagert wird. Während so an der Spitze des Kronenfortsatzes immer Knorpel gebildet und mit Knochen überlagert, gleichsam umgossen wird, schreitet der Ossi- ficationsprozess in den tieferen Partien weiter, indem der Knorpel, nachdem er seinen Zweck erfüllt hat, wieder zerstört wird. Ich muss hier an die mächtigen Gefässe erinnern, welche parallel und nahe dem aufgelagerten Knochen den Kronenfortsatz seiner ganzen Länge nach durchziehen (vergl. Fig. 22 b, Taf. IX). Diese Gefässe senden in den tieferen Regionen Aestehen gegen den aufgelagerten Knochen und alsbald sehen wir diese Ge- fässchen auch an vielen Stellen den Knochen durchbrechen und ineine durch die Resorption des centralen Knorpelkernsentstandene Mark- höhle einmünden (Fig. 21b u. E). Dieser Vorgang ist also hingegen wieder in volle Uebereinstimmung zu setzen mit der Bildung des primären Markraumes in der Diaphyse eines Röhren- knochens, nur dass am Kronenfortsatz der Einbruch an zahlreichen Stellen stattfindet. Betrachten wir uns diese Verhältnisse etwas genauer, so sehen wir, dass dieses seitliche Eindringen der Gefässe in der verschie- densten Höhe und in ganz regellosen Abständen erfolgt, immer aber erst dort, wo bereits eine Knochenschicht aufgelagert erscheint. So sehen wir oft auf einzelnen Schnitten (Fig. 21, Taf. X) durch Gefässe förmlich abgegrenzte Stücke, an denen neoplastischer Kno- chen direkt übergeht in Knorpel, welcher von innen, oben und unten her resorbirt wird. Bei diesem Resorptionsvorgang geht theilweise auch der neu- Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 327 gebildete Knochen mit zu Grunde, oder aber es wird der ganze axiale Knorpelstrang förmlich herausgemeisselt, so dass wir in den tieferen Partien des Kronenfortsatzes, wo er durch rein osteo- blastisch gebildete, zu der den Knorpelkern einschliessenden Haupt- lamelle parallele Lamellen breiter wird, an Stelle dieser Haupt- lamelle zwei parallele Lamellen (die ehemals den Knorpelkern be- srenzenden Knochenschichten) erblicken, die an Hämatoxylinprä- paraten ihr intimeres Verhältniss zum resorbirten Knorpelkern nur durch die schwach blaugefärbten, inneren, einander zugekehrten Ränder beurkunden. Ich will hier vorweg bemerken, dass an diesen vom Knorpel befreiten Knochenrändern nun neuer Knochen angelagert wird, so dass man später oft noch mitten in dem deutlich osteoblastischen Knochenbalken einen bläulichen Streifen verlaufen sieht, dessen Genesis uns nach dem Gesagten verständlich ist. Nicht immer jedoch ist der Resorptionsprozess ein so gründ- licher, dass aller Knorpel entfernt würde, sondern oft bleiben sanzlvwereinzelte oder kleineGruppen von 2-5, auch mehr Knorpelzellen stehen und werden nun bei erneuerter Apposition, die immer mit der Resorption wechselt, abermals inneoplastischen Knochen eingeschlos- sen, jedoch nicht um vielleicht demselben assimilirt, sondern um sicher voneineranderen Seite her resorbirtzu werden. Das Stehenbleiben dieser einzelnen Zellen wird leichter ver- ständlich, wenn wir uns erinnern, dass der Knorpelkern eine höchst unregelmässige Oberfläche besitzt, an der einzelne Knorpelzellen als Halbkugeln und Buckel vorspringen und schon frühzeitig fast in ihrer ganzen Peripherie von Knochen umlagert werden. Ist die Hauptmasse des Knorpels nun zu Grunde gegangen, so können diese im Knochen eingeschlossenen Zellen leicht ver- schont bleiben. Ihre Kapseln bleiben aber meistens wohl erhalten, nie bemerkt man an ihrem Protoplasmaleib die geringste vitale Aeusserung, vielleicht Production von Grundsubstanz, sie beur- kunden vielmehrhäufigihren beginnendenZer- falldurch Abnahme der charakteristischen Färb- barkeit (indem sie sich mit der Safraninmethode mehr röthlich, als orange, nach der Busch’schen in einer Mischfarbe von blau und roth, statt rein blau färben), weiter durch verbogenwerden 328 Josef Schaffer: der Kapseln und können in solchem Zustande allerdings ähnlicher einer Knochen- als einer Knorpelzelle aussehen, so dass man die erwähnten Degenerationserscheinungen leicht als metamorphotische auffassen könnte. Das Unzulässige einer solchen Auffassung und die Provenienz der Zellen wird uns aber sofort klar, wenn wir den Zellleib und die Grundsubstanz um die Zellen genau betrachten. Ich habe diesen Vorgang hier etwas näher beschrieben und muss beim Gelenkfortsatz, wo er noch in viel ausgebreiteterem Maasse vorkommt, noch einmal darauf zurückkommen, weil diese versprengten Knorpelzellen vor ihrer definitiven Resorption die täuschendster Bilder einer scheinbaren Metaplasie gewähren. Immer jedoch verfallen sie der Resorption, wie ich mich an zahlreichen Schnitten verschiedenster Stadien durch ganz untrügliche, nicht misszuverstehende Bilder überzeugte. Den sprechendsten Beweis des endlichen, totalen Untergangs des Knorpels gebe njene späteren Stadien des Kronenfortsatzes, wo sich nur mehr spärliche Knorpelzellen als deutlich erkennbare Reste vorfinden und die Spitze des immer noch wachsenden Kronen- fortsatzes aus rein osteoblastischen Bälkchen gebildet wird. Fragen wir uns nun nach der Art der Resorption, welcher der Knorpel anheimfällt, so müssen wir wieder dem Verlaufe der einbrechenden Gefässe folgen. Da sehen wir nicht die einzelnen Knörpelhöhlen eröffnet und durch neuen Knochen ausgefült werden, wie bei der endochondralen ÖOssification, sondern im Verlaufe der sich verzweigenden Gefässchen, meist an den Enden ihrer Sprossen, sehen wir Riesenzellen dem Knorpel auflagern, unregelmässig con- tourirte Lacunen desselben ausfüllen (Fig. 20, 21 und 22 Ok), grosse Markräume entstehen, die endlich nach beiden Seiten nur mehr von Knochen, nach oben und unten von Knorpel begrenzt oder durch eine Knorpelbrücke von einem benachbarten Markraum getrennt sind und endlich zusammenfliessen, kurz wir sehen den Knorpel in toto unter der sichtbaren Vermittlung von Gefässen und Riesenzellen (Osteoklasten) schwin- den, so dass wir fast nie jene für die endochondrale Ossifieation von Röhrenknochen so charakteristischen Zwickel von verkalkter Grundsubstanz als Ueberreste des Knorpels finden, wohl aber, wie erwähnt, einzelne geschlossene Knorpelzellen, welche vom Zer- störungsprozess verschont bleiben und später in die neue Knochen- anlage gerathen. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 329 Der Kronenfortsatz des embryonalen Schafunterkiefers ist eines der günstigsten Objeete zum Studium der Resorptionsvorgänge, insbesondere der Osteoklasten, welche auf jedem Schnitte zahlreich zu sehen sind; ich kann jedoch hier nicht näher auf die interes- sante Frage eingehen, da ein speziell darauf gerichtetes Studium den Abschluss dieser Arbeit zu sehr hinaus gezogen haben würde, und theile im Folgenden nur kurz meine Ansicht über Resorption mit, welche ich mir durch diese Untersuchungen gebildet habe. Für’s erste muss ich betonen, dass ich vorläufig durch das Ge- sehene gezwungen bin, an der Anschauung Kölliker’s festzu- halten, dass die von ihm so benannten Osteoklasten eine knochen- zerstörende Funktion besitzen; ich glaube, dass sie indirekt an der Resorption betheiligt sind, welche ich als einen chemisch-lythischen Stoffwechselprozess auffasse, der vornehmlich von den Blutgefässen besorgt wird. Wer einen Blick auf einen Gelenkfortsatz wirft, bei dem sich bereits eine Art Össificationslinie herausgebildet hat, dem kann es nicht entgehen, dass die colossale Blutgefässentwieklung unterhalb derselben, die bis knapp zu ihr heranreichenden Gefässschlingen mit diesem Resorptionsvorgange einerseits, anderseits mit dem substitutiven Aufbau neuer Knochensubstanz in nahe Beziehung gebracht werden müssen. Ebenso sicher ist auch das Vorkommen von ÖOsteo- klasten immer an die Gegenwart von Gefässen ge- bunden, und wenn man an zahlreichen Stellen Osteoklasten wirk- lich oder scheinbar ohne Gefässe findet, so hat sich das zugehörige Gefäss involvirt, der Resorptionsvorgang (und somit die Aufgabe des Osteoklasten) ist abgelaufen oder aber es gelingt nicht, das vorhandene Gefässchen nachzuweisen. Am Gelenk-, wie am Kronenfortsatz sieht man zahlreiche Bilder, die die enge Beziehung zwischen Blutgefässen, Blutkörper- chen und Osteoklasten zweifellos beweisen. Häufig sieht man ein Gefäss in eine Resorptionsbucht ziehen und hier unmittelbar in eine vielkernige Riesenzelle übergehen (vgl. Fig. 20, Oe‘ u. b’d). Der Zusammenhang ist oft schwer oder gar nicht zu constatiren, würde viel unzweifelhafter aus Isolationspräparaten hervorgehen, aber an einzelnen günstigen Stellen ist er auch an Schnitten sicher nachzuweisen. In Fig. 17, Taf. X sehen wir einen riesigen Osteo- klasten eine lange Zunge unter den verkalkten Knorpel hinein- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 21 330 Josef Schaffer: schieben und hier in der Weise enden, dass die Spitze noch 4-5 Blutkörperchen bilden, weiche noch deutlich als solche erkennbar sind, sowohl durch die charakteristische Eosinfärbung, als durch die eigenthümliche, kernnetzartige Struktur der zusammenge- backenen Plättchen, welche sie bei Einwirkung von Chromsalzen zeigen. Da es mir besonders in diesem Fall daran gelegen war, die unmittelbare, sichere Zusammengehörigkeit der Blutkörperchen und des Osteoklastenleibes zu erweisen, so untersuchte ich das Präparat noch möglichst vorsichtig mit homogener, apochroma- tischer Immersion (Zeiss), welche Controlle mir die Liebens- würdigkeit des Herrn Prof. Klemensiewiecz ermöglichte. Für mich herrscht nach dem Gesehenen kein Zweifel mehr, dass das Bild keine andere Deutung, als die erwähnte zulässt und wird dieses Vorkommen durch zahlreiche andere Bilder be- stätigt. i An vielen Stellen sieht man auch in der Nähe von Resorp- tionsflächen eine Gruppe von rothen Blutkörperchen, umschlossen von einem Endothelsaum mit einem oder mehreren Kernen, also offenbar ein Quer- oder Schrägschnitt durch ein Gefäss oder Ge- fässende; diese rothen Blutkörperchen zeigen aber nimmer, wie an benachbarten Stellen, ihre wohlerhaltenen Contouren, sondern sind zusammengebacken, fliessen mehr in eine homogene Masse zu- sammen, in der an Eosin-Hämatoxylinpräparaten mehrere blauge- färbte Kerne (von Lymph- und Endothelzellen) erscheinen und welche auch die lebhafte Eosinfärbung, welche hämoglobinhaltige Blutkörperchen geben, viel schwächer zeigt und sich somit in ihrem Ansehen mehr einem vielkernigen Protoplasmaklumpen nähert. Endlich sah ich Bilder, an denen ein Gefäss am Längsschnitte, noch wohl begrenzt durch das kernführende Endothel, seinem In- halte nach ganz umgewandelt war in einen Protoplasmaklumpen und vollkommen den Eindruck eines langgestreckten, wurst- oder spindelförmigen Osteoklasten machte. Diese sicheren und nicht vereinzelten Beobachtungen drängen Einem unwillkürlich die Frage auf, ob nicht Gefässenden oder ausgebuchtete Stellen von Gefässen sammt ihrem Inhalt an weissen und rothen Blutkörperchen eine Umwandlung in Osteoklasten, vielkernige Riesenzellen erfahren können. Ich kann, wie gesagt, eine solche Anschauung hier nicht behaupten, halte sie aber nieht für unmöglich, worin mich noch das einheitliche Verhalten der Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 331 Riesenzellen und der Blutgefässe dem Azoblau gegenüber bestärkt, welches, wie ich anderwärts betont habe, diese beiden Gewebe distinet von allen anderen roth färbt. Auch die interessanten Beobachtungen Sig. Mayer’s!) über die Rück- bildungserscheinungen an Blutgefässen müssen bei einer eingehenderen Be- arbeitung dieser gewiss dankbaren und wichtigen Frage Berücksichtigung finden, Er hat gezeigt, dass „die Elemente der Blutgefässwand auf einen, dem embryonalen ähnlichen Zustand zurückkehren können, in welchen sie Anlass geben zum Schwinden des Lumens“ und ich weiss nicht, ob S. Mayer nicht auch schon die Osteoklasten im Auge gehabt hat, wenn er am Schlusse seiner ersten, vorläufigen Mittheilung bemerkt, „dass gewisse, von den Hi- stologen vielfach discutirte Befunde einer befriedigenden Erklärung zugeführt werden können, wenn man erwägt, dass bei dem vielverbreiteten Vorgang der Gefässrückbildung eigenthümliche Elemente entstehen, die entweder längere Zeit persistiren oder noch weitere Veränderungen eingehen können“. Uebrigens ist die Anschauung, dass die Blutgefässe eine wichtige Rolle bei der Resorption spielen, eine alte und wird heute noch von Ranvier?) ziemlich ausschliesslich betont; ein bestimmtes Verhältniss und ein Zusammen- hang der Östeoklasten mit den Blutgefässen wurde bekanntlich auch schon von Wegner), Lotze®), Maas) u. A. angenommen und wenn auch Köl- liker in seinen Objecten eine solche Beziehung nicht sah, so hält er dadurch die Annahme Wegner’s nicht für entkräftet. Auch Pommer®), der mit Ziegler?) die Osteoklasten für genetisch verschieden erklärt, hebt ihre nahe Beziehung zu Blut- und Lymphgefässen hervor. Einige gewichtige Anhaltspunkte für unsere Anschauung vom Verhält- nisse der Riesenzellen und Blutkörperchen könnten wir auch im Studium des Knochenmarkes finden. Bei der Frage nach dem chemischen Agens, welchem die Osteoklasten gleichsam als Filter dienen, müssen wir immer wieder an den natürlichen Kohlensäuregehalt des Blutes denken und würden Injectionsversuche — die zur Lösung dieser Frage jedenfalls nö- 1) Prag. med. Wochenschr. Nr. 29, 1882 u. Sitzungsberichte der k. Akadem. d. Wiss., Wien, XCIII. Bd., 1886. 2) Technisches Lehrbuch S. 412. 3) Virch. Archiv Bd. 56. 1872. 4) Lotze, L., Beitrag zur Lehre vom Knochenwachsthum. Inaug.- Diss. Göttingen 1875. 5) Archiv f. klin. Chirurg. Bd. 20, 1877. 6) Virchow’s Arch. 92. Bd., 1883. 7) Ibid. 73. Bd., 1878. 339 Josef Schaffer: thig wären — die Gefässchen, welche mit den Riesenzellen in so inniger Verbindung stehen, als erweiterte Venencapillaren erweisen, so dürfte der wenn auch wenig grössere Kohlensäuregehalt der- selben sehr zu Gunsten einer soichen Annahme sprechen. Es wäre überhaupt sehr interessant zu wissen, ob zwischen Appositions- und Resorptionsstellen einerseits und arterieller und venöser Gefässvertheilung anderseits nicht vielleicht ein bestimm- tes Abhängigkeitsverhältniss besteht. Doch ich will mich hier nicht weiter in speculative Erör- terungen einlassen und wiederhole nur, dass ich die Blutgefässe allein als Vermittler der Resorption, besonders an der Ossifications- grenze, wo eine direkte Eröfinung der Knorpelhöhlen und theil- weise Auflösung der Grundsubstanz stattfindet, erkenne, während dort, wo lacunäre Resorption stattfindet, die Osteoklasten die ver- mittelnde Rolle spielen. Um nach dieser Abschweifung wieder zur Besprechung der Össificationsvorgänge zurückzukehren, erinnere ich daran, dass im Kronenfortsatz zuerst nur eine mediale Lamelle. vorhanden ist, an deren Spitze der Knorpelkern auftritt, der durch weitere Auflage- rung von Knochen endlich auch in die Mitte dieser verbreiterten Lamelle aufgenommen erscheint. Während nun dieser Knorpelkern bis zu einem gewissen Sta- dium ausschliesslich das Längenwachsthum besorgt, erfolgt die Breitenzunahme theils durch Verdickung der medialen Lamelle, theils durch Bildung von Parallellamellen (Fig. 21 Kn‘), welche hauptsächlich nach der medialen Seite hin erfolgt, ähnlich wie es Toldt!) für den menschlichen Kronenfortsatz nachgewiesen hat und zwar nimmt auch hier die Länge der Lameilen von der längsten medianwärts ab, so dass innen unten die kürzeste zu liegen kommt. Wir wir gesehen haben, entstehen durch Resorption des Knorpelkerns aus der Mittellamelle ebenfalls zwei Parallellamellen, welche nun unter sich und mit allen anderen durch kurze quere und schräge Knochenbalken verbunden jenes bekannte Knochen- gitterwerk des Unterkiefers bilden. Endlich hört der Knorpelkern an der Spitze zu wachsen auf, seine letzten Reste werden auf dem Wege der Resorption gegen Knochen umgetauscht und in der letzten Fötalzeit besteht auch die Spitze des Kronenfortsatzes aus osteoblastisch gebildeten Knochen- 1) Zeitschr. f. Heilkunde, Prag, Bd. V. Die Verknöcherung des Unterkicfers und die Metaplasiefrage. 333 bälkchen, deren faserige Enden direkt in die Faserung des Periosts einstrahlen. Die Vorgänge bei der Bildung der osteoblastischen Knochen- balken, welche gerade hier sehr schön zu verfolgen sind, haben wir bereits besprochen. Fassen wir den ganzen Entwicklungsgang und das Endschicksal des Knorpelkerns im Kronenfortsatz zusammen, so drängt sich uns unwillkürlich eine Ansicht über Zweck und Bedeutung desselben auf. Das Knorpelgewebe ist nicht so compact, wie das Knochen- sewebe, bedarf zu seinem Aufbau auch viel kürzere Zeit, als das letztere. Die bedeutende Länge des Kronenfortsatzes beim Schaf, überhaupt bei den meisten Ruminantien und theilweise auch beim Menschen erfordert ein energisches Wachsthum in die Höhe, wel- ches durch den langsam wachsenden, wenn auch spongiösen Kno- chen nicht geleistet werden könnte; so muss seine Form gleichsam durch ein weniger werthvolles, rascher wachsendes Gewebe vorge- bildet werden, damit es dem solideren Knochen als Gerüst diene. Sohat der Knorpel, wie es schon von H. Müller, Loven, Strelzoff und vielen anderen Autoren betont worden ist, eine eminent provisorische Bedeutung, er dient gleichsam als Modell, um welches nun die Knochenform gegossen wird und welches dann zur Resorption gelangt, um dem definitiven Ausgusse mit Knochen Platz zu machen, oder, wie es Strelzoff ausdrückt: der präformirte Knorpel dient dazu, um für die wachsenden Knochenbalken ein Gerüst zu bereiten und dadurch den Knochenbalken eine dem statischen Mo- mente des Knochens entsprechende Richtung zu geben. (Vergleiche auch Loven (l. c.), der diese Bedeutung des Knorpels bereits treffend eharacterisirt: „Die Rolle des Knorpels bei der Bildung der Knochen ist nur eine formbestimmende; der primordiale Knorpel ist in den allermeisten Fällen gleichsam nur eine Gussform für das theils in, theils um den Knorpel abgelagerte Knochengewebe“.) Ueber Entwicklung und Aufbau des Kronenfortsatzes finden wir in der Literatur wenig genauere Angaben und das interessante Verhältniss des Knorpels zum Knochen ist allen Beobachtern entgangen oder in metapla- tischem Sinne gedeutet worden. Masquelin lässt die verkalkte Knorpelgrundsubstanz unvermerkt in die Knochengrundsubstanz übergehen. Dies ist für die seitlichen Ränder des Knor- pels ganz richtig und erklärt sich aus der Art der Auflagerung des Knochens, 334 Josef Schaffer: obwohl man auch hier, wie die besprochene Fig. 20 Taf. X zeigt bei gün- stiger Schnittführung die Grenze zwischen Knorpel und Knochen sehen kann. Für den unteren Rand des Knorpelkernes jedoch ist das Zugrundegehen so in die Augen fallend, dass ich nur auf die bezüglichen Bilder verweise. Vergleicht man übrigens die Bemerkungen Masquelin’s über die Verknöcherung des Kronenfortsatzes mit unseren Beobachtungen, so wird einem die Uebereinstimmung kaum entgehen, nur dass Masquelin von seinem Standpunkte aus die Metaplasie sehen muss, während ich sie nicht sehen kann und nach all’ dem Gesagten wohl auch direkt in Abrede stellen muss. So sagt Masquelin unter Anderem: ,.An dem Umfange des Knorpels, welcher diese Apophyse bildet, kann man meistens eine schmale Zone von direkter Verknöcherung ohne vorhergehende Verkalkung beobachten und das so gebildete Knochengewebe sich fortsetzen sehen in das, welches sich durch die Vermittlung von Osteoblasten unterhalb des Perichondriums entwickelt.“ Hier haben wie es offenbar mit der von uns beschriebenen, auf den unverkalk- ten Knorpel aufgelagerten Knochenschichte zu thun, wo ja allerdings ein sehr inniger Zusammenhang zwischen beiden Geweben herrscht; nur wundert es mich, dass Masquelin die deutliche Resorption dieses axialen Knorpels übersehen hat und im Gegentheil die Knorpelzellen einfach die Rolle von Osteoblasten spielen, an der inneren Fläche ihrer Höhlen‘ Knochensubstanz bilden und sich so in Knochenzellen umwandeln lässt, eine Auffassung, die schon durch die Untergangsbilder der Knorpelzellen, welche eine weitere, so bedeutende vitale Potenz Knochen zu erzeugen ausschliessen, unhaltbar erscheint. Julin beschreibt die Vorgänge der Knochenbildung an den peripheren Bälkchen im Kronenfortsatz übereinstimmend mit dem von uns gegebenen Bilde von der ersten Anlage des Gelenk- und Kronenfortsatzes. Obwohl er, wie im vorigen Kapitel erwähnt, die Entwicklung des Kronenfortsatzes ohne Vermittlung eines Knorpelkernes betont, so finde ich doch in der Beschrei- bung der Ossificationsvorgänge eine Stelle, die mir ziemlich deutlich auf die einstige Existenz eines Knorpelkernes hinzudeuten scheint. Julin erkennt an der Hauptlamelle des Kronenfortsatzes einen Unter- schied zwischen einer axialen und einer peripheren Partie, und zwar besteht der ziemlich dünne, axiale Theil aus unregelmässigen, ziemlich umfangreichen Knochenzellen, welche sich leicht unterscheiden lassen von den Zellen der peripheren Partie, welche mehr abgeplattet sind und durch Fortsätze in Zu- sammenhang mit den Osteoblasten stehen. Also auch Julin sah das Wesentliche, dass echt osteoblastischer Knochen aufgelagert wird auf ein grossblasiges Gewebe, welches wir als osteoiden Knorpel, Julin als hervorgegangen aus einer scheinbar direkten Bindegewebsverknöche- rung, also nach unserer Auffassung als chondroiden Knochen erkannte. Wie sehr sich diese beiden Gewebe ähneln, haben wir genügend erörtert, um es für möglich zu halten, dass auch Julin, der ja nur ein einziges Entwicklungs- stadium untersuchte, Reste des Knorpelkernes von Knochen überlagert vor sich hatte. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 339 Nachdem wir nun im Vorhergehenden die Verknöcherungs- vorgänge am Kronenfortsatz und noch früher die bei der ersten Anlage kennen gelernt haben, halte ich es für passend kurz die Frage nach der Natur und Thätigkeit der spezifischen Knochenbildungszellen, der Osteoblasten zu berühren. Was zunächst ihren Zellcharakter anlangt, so haben wir ge- sehen, dass sie Zellen des osteogenen Blastems resp. jungen Markgewebes,Bildungszellen sind, welehe unter dem Einfluss reichlicher Nahrung sich lebhaft theilen und vergrössern und das Vermögen besitzen, Knochen zu erzeugen. Die Definition ist mangelhaft, dürfte aber zur Stunde kaum erschöpfender gegeben werden können. Meine Präparate, welche vornehmlich zu einem anderen Zwecke angefertigt sind, gestatten mir nicht in der schwierigen Frage nach der Herkunft der Osteoblasten mehr zu sagen, da könnte höchstens eine sehr mühesame Verfolgung der Kerntheilungsvorgänge ent- scheidend sein; wohl aber kann ich bestimmt in Abrede stellen, dass sie aus Knorpelzellen entstehen, welche unter anderen auch von Waldeyer!) vertretene Ansicht eng verknüpft ist mit der Frage der Markbildung und bei Besprechung dieser ausreichend widerlegt werden soll. Was die übrigen Ansichten über den Ursprung der Osteo- blasten betrifft, so stimmen dieselben im Wesentlichen darin über- ein, dass man sie aus jungen Mark- oder Bildungszellen entstehen lässt. Auf sicheren Beobachtungen, die ich auch an meinen Präpa- raten machen konnte, beruht die Anschauung Lov&n’s, Strel- zoff’s, Rollett’s u. A., dass bei Mark-, wie Osteoblastenbildung den Gefässen eine grosse Rolle zugetheilt ist, indem man immer mit den einbrechenden Gefässen wucherndes Markgewebe beob- achten kann. Dabei kamen mir oft Bilder zur Beobachtung, wo zahlreiche, junge Markzellen der äusseren Gefässwand auflagern, ähnliche Zellen aber auch der inneren, so dass es ganz den Ein- druck macht, als fände hier eine Auswanderung von Bildungszellen aus dem Blutgefässe statt, welche Beobachtung wohl auch Wolff?) zur Behauptung geführt haben mag, dass sich Markzellen und 1) Archiv f. mikr. Anat. Bd. 1. DERECHDETI: 336 JosefSchaffer: Osteoblasten in loco aus weissen Blutkörperchen bilden, ein Aus- spruch, der aber wegen der Vieldeutigkeit der sogenannten „weissen Blutkörperchen“ mit Vorsicht aufzunehmen sein dürfte. Wenn sich Wolff im Uebrigen gegen die Bezeichnung der Knochenbildungszellen als Osteoblasten erklärt, so hat das heutzu- tage, wo man ebensogut Odonto- und Chondroblasten hat, keine Bedeutung mehr, wohl aber erkläre ich mich ganz mit Wolff ein- verstanden, wenn er alle diese Arten von Zellen, zwischen denen wir auch heute noch weder einen chemischen noch morphologischen Unterschied kennen, als wesentlich identisch erklärt und als Bil- dungszellen bezeichnet, deren physiologische Unterscheidung in einer noch unbekannten Verschiedenheit der chemisch-formativen Vorgänge in denselben zu beruhen scheint. Halten wir an dieser Ansicht fest, so werden wir auch ganz gut plötzliche Veränderungen im Gewebetypus begreifen z. B. dort, wo dasBildungsgewebe eine Zeitlang Knochen produeirt und dann auf einmal Knorpel, so dass beide im innigsten, räumlichen Zu- sammenhange stehen. Niemand wird sich hier .aber genöthigt sehen an eine Umwandlung des einen Gewebes in das andere zu denken, wenn auch der Grund, warum ein anscheinend gleich- mässiges Keimgewebe jetzt Knochen, jetzt wieder Knorpel erzeugt heute noch unbekannt ist. Ich kann mich daher auch mit den weitgehenden Theorien über die Osteoblasten von Busch!) nicht befreunden, der es einer- seits als eine atavistisch-metaplastische Reminiscenz bezeichnet, wenn Osteoblastenzellen ein anderes Gewebe als Knochen er- zeugen — denn vorläufig erkennen wir einen Osteoblasten nur im Zusammenhang mit Knochen und können es einer mitten in an- derem Gewebe vorkommenden Zelle nicht ansehen, ob sie Osteo-, Chondroblast oder eine andere Bildungszelle ist — und anderer- seits lässt er unabhängig von Osteoblasten durch Metaplasie der „niedern Gruppen der Bindesubstanzen‘ Knochen entstehen, resp. ein Gewebe, ‚das man vielleicht unmöglich in jedem Falle von Knochen unterscheiden kann“. Unseren heutigen Anschauungen nach müssen wir die von Busch im Gegensatz zu Ranvier?) u. A. geforderte, vollkommene 1) Verhandlg. d. phys. Gesellsch. z. Berlin Nr. 10, 28. Febr. 1879. — Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie Bd. X. 2) Techn. Lehrbuch. Entwicklung des Knochengewebes. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 337 Spezifität der Osteoblasten darin suchen, dass jeder Knochen Product von Zellen ist und wir diese Zellen eben als Osteoblasten bezeichnen. Was nun die Art, wie sich die Osteoblasten an der Bildung der Knochengrundsubstanz betheiligen, anlangt, so haben wir gesehen, dass die Bildungszellen der ersten Knochenanlage vergrössert sind, so dass schon Stiedat) die Be- merkung machte, sie überträfen die Osteoblasten der primären Markräume an Umfang, was jedoch nicht durchgehends der Fall ist. Wir haben ferner den allmählichen Uebergang des Proto- plasmas dieser Zellen in die Knochengrundsubstanz und ihr Kleiner- werden, Auseinanderrücken und Zackigwerden beobachtet. Nirgend aber sah ich nackte Kerne in der ersten Knochenanlage oder Bil- der, welche auf einen gänzlichen Untergang der Zeilen sammt den Kernen deuten würden. Ein sehr günstiges Object, um die bil- dende Thätigkeit der Osteoblasten, ihre Beziehungen zur Knochen- srundsubstanz und zu den Knochenkörperchen zu studiren ist der Kronenfortsatz grösserer Embryonen in seinen tieferen Partien, wo er aus parallelen, neoplastisch gebildeten Knochenbalken besteht. Hier trifft man vielfach die Knochenbalken epithelartig von den Östeoblasten bedeckt, ausserdem aber viele Appositionsstellen der Fläche nach, so dass man den ganzen ÖOsteoblastenbeleg in der Aufsicht vor sich hat. Sind die Präparate nach Busch gefärbt, so erscheinen die Protoplasmaleiber sammt ihren Fortsätzen plastisch hervorgehoben, während die Kerne eine schön blaue Färbung zeigen. Man sieht an solchen Präparaten die Fortsätze der Osteoblasten ebenso deut- lich, wie nach den Methoden von Kutsehin?) und kann die von diesem Beobachter betonte Thatsache, dass sich weiter von der Knochengrenze abliegende Osteoblasten durch eben diese Fortsätze bereits an der Bildung der Knochengrundsubstanz betheiligen, sehr wohl constatiren. Eine Erscheinung an thätigen Osteoblasten scheint mir von besonderem Interesse, die bis jetzt der Beobachtung entgangen zu sein scheint). Wie schon erwähnt bekommt man an Frontal- 1) Stieda, Die Bildung des Knochengewebes. Leipzig. 2) 1.c. und von mir citirt in Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie V. Bd.,I.H. 3) Es müsste denn Wolff’s Bemerkung, „das Protoplasma der Bil- dungszellen wandelt sich zuerst peripher zu weicher, feinfaseriger Intercellu- larsubstanz und diese sich gleich darauf an der einen Seite der Zellen durch 338 Josef Schaffer: schnitten durch den Kronenfortsatz häufig den ganzen Osteoblasten- beleg eines Knochenbalkens in der Fläche zu sehen und da findet man die Knochenbildungszellen als grosse, oft einkernigen Osteo- klasten ähnliche Gebilde von theils langgestreckter, theils flächen- haft breiter, nur nach einer Seite zugespitzten Form und fast immer liegt der Kern in diesem spitzen Pol, an die der Umwandlung des Protoplasmaleibes in Knochengrundsubstanz ent- . gegengesetzte Seite gerückt. Diese Polständigkeit der Kerne, die wir ja auch bei den Odontoblasten kennen, ist eine so charak- teristische Erscheinung, dass man Zellen in Knorpelkanälen, wo noch keine Knochenablagerung begonnen hat, daran als Osteo- blasten erkennt. Man kann hier oft recht gut den allmählichen Uebergang des Osteoblastenprotoplasma in Knochengrundsubstanz beobachten, wo- bei zunächst dem Kern das Protoplasma unverändert bleibt und mit diesem zur Knochenzelle wird. Auch hier gelang es mir nicht, Auflösung oder Untergangs- bilder von Kernen zu beobachten und wenn ich einen kernlosen Protoplasmaleib sah, der schon fast ganz in die Grundsubstanz aufgegangen war, so konnte ich einige Male an dem Pole desselben deutlich die Drucknische des herausgefallenen Kernes sehen. Nach diesen Beobachtungen kann ich die ursprüngliche An- schauung Gegenbaur’s, nach welcher die Zellen ihre vollstän- dige Integrität bewahren und durch eine Art beschränkter Secre- tion die Knochengrundsubstanz erzeugen, nicht theilen. Bekannt- lich hat Waldeyer dem gegenüber behauptet, dass sich die meisten Osteoblasten mit ihrem Kerne in Grundsubstanz umwandeln, einzelne aber durch eine Differenzirung ihrer Aussenschicht formativ und chemisch zu Knochengrundsubstanz werden. Gegen den letzten Theil dieser Ansicht, gegen die sich auch Landois!) im Sinne Gegenbaur’s verwahrt, erhebt Kölliker den Einwurf, dass die eben gebildeten Knochenzellen oft nicht kleiner, als die Osteo- blasten sind und dass die die Knochenzellen von einander trennen- Aufnahme von Kalksalzen in Knochengrundsubstanz um“, in ähnlichem Sinne zu deuten sein. — Auch Kutschin betont das stark einseitige Auswachsen der Osteoblasten, der eigentlichen Lage des Kernes gedenkt aber keiner der beiden Autoren. 1) Centralbl. Med. 1865, Nr. 18. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 339 den Felder von Grundsubstanz zu gross wären, um ihre Bildung durch einfache Umwandlung der peripheren Theile der Osteoblasten erklären zu können. Wie ich glaube, verlieren diese Einwürfe an Kraft, wenn man bedenkt, dass die Ernährung der Zellen noch fortdauert, wenn auch schon ihre periphere Differenzirung begonnen hat, wobei ich noch daran erinnere, dass Kutschin zweifellos nachgewiesen hat, dass sich ganz entfernt liegende Osteoblasten durch ihre Fortsätze an der Bildung der Knochengrundsubstanz an einem gegebenen Orte betheiligen können. Ich schliesse mich daher dem zweiten Theile der Anschauung Waldeyer’s an, ohne aber auch den ersten zu acceptiren, da ich mich, wie gesagt, vom Untergange der Kerne nicht überzeugen konnte und nehme daher mit Wolff eine partielle und zwar oberflächliche Differenzirung des Protoplasma der Osteoblasten als Quelle der Bil- dung von Knochengrundsubstanz an, welche Anschauung nach Wolff’s eigenen Worten eine Parallele findet in der Bildung der Intercellularsubstanz des Knorpels, des Zahnbeins, des Binde- gewebes überhaupt. Dabei bleibt immer der Zellkern mit einem Restchen ent- wicklungsfähigen Protoplasmas als eigentliche Knochenzelle, er- halten. 2. Verknöcherung des Gelenkfortsatzes. A. Ossifieationsvorgänge bis zur Entwicklung einer Ossifieationslinie — Perichondraler Typus (Typus der Auflagerung). Den ersten, wohldefinirten Knorpelkern haben wir beim Em- bryo von 61/, cm beschrieben und somit knüpfen wir auch hier die Besprechung der ossificatorischen Vorgänge des Knorpels an. Wir erinnern uns, dass der Knorpelkern in räumlichem Zu- sammenhang mit dem primär gebildeten, grosszelligen, chondroiden Knochen steht, gleichsam nur eine Fortsetzung desselben an der Spitze des aufsteigenden Astes vorstellt. Desgleichen muss ich hier nochmals erwähnen, dass die Östeoblastenschicht, welche der primären Knochenlamelle auflagert, übergeht auf die Oberfläche des Knorpelkernes und hier einen schmalen, opalinen Saum ab- lagert, welchen wir als unverkalkten Knochen erkennen müssen, 340 Josef Schaffer: da er im nächsten Stadium als deutliche, periostale Grenzlamelle erscheint. Also auch hier haben wir die analoge Erscheinung, wie beim Kronenfortsatz, dass oberflächlich auf den Knorpelkern Knochen abgelagert wird, der nach unten hin mit der ur- sprünglichen, rein intermembranösen Knochenanlage zusammenhängt. Was weiter zunächst unsere Aufmerksamkeit verdient, ist „die Verkalkung des Knorpels. Dieselbe geht in der bekannten Weise zunächst in den dem Knochen nächsten Theilen des Knor- pels vor sich und schreitet von hier an den oberflächlichen Partien desselben fort, und zwar aussen höher hinauf, als an der Innenseite, so dass er am Frontalschnitte als dunkler Grenzstreifen erscheint. In diesem Stadium besitzt der Knorpel noch keine ausge- prägte Kanalisation, weshalb sein Inneres nur spärliche Verkal- kung zeigt. Der verkalkte Knorpel hat nun, wie erwähnt, die grösste Aehnlichkeit mit dem anstossenden Knochen (weshalb wir ihn als osteoiden Knorpel bezeichnet haben), grosse, unregelmässige Zell- höhlen, spärliche Zwischensubstanz und ebenso lässt auch die ge- wöhnliche Färbung keine scharfe Grenze zwischen beiden Geweben erkennen, da ja in dieser Hinsicht junger. Knochen sich ähnlicher dem Knorpel verhält. Auch hier könnte also leicht wieder an eine metaplastische Umwandlung des Knorpels in Knochen gedacht werden, wenn uns nicht der Entwicklungsgang der Gewebe eines Besseren belehren würde. Was weiter in’s Auge fällt, ist eine ungemein lebhafte Re- sorption, welche besonders am Uebergang des Knorpels in den Knochen, aber auch in beiden Geweben getrennt im Gange ist. Wir sehen höchst unregelmässige, buchtige, zackige Räume im ver- kalkten Knorpel mit enganliegenden Osteoblasten und desgleichen ist die primäre Knochenlamelle oft von beiden Seiten mit Osteo- klasten bedeckt, unter deren Einfluss sie an manchen Stellen ganz schwindet. Daneben finden wir abwechselnd eine rege Apposition osteo- blastischen Knochens, meist an den der Resorption abgekehrten Seiten, aber auch in ehemaligen, markraumähnlichen Lacunen des verkalkten Knorpels, so dass auch hier wieder neuer Knochen und Knorpel unmittelbar aneinander stossen. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 341 Von einer Eröffnung einzelner Knorpelhöhlen, einer Ausfüllung derselben mit Knochen oder von einer Össificationslinie ist hier keine Spur, der Knorpel wird wie beim Kronenfortsatz in toto resorbirt und als einzige Regel lässt sich auch hier wieder aufstellen, dass auf geschlossene Knorpel- zellen einerseits Knochen aufgelagert wird, andererseits dieser Knorpel von einer freien Seite her zerstört wird. Man vergleiche Fig. 17, welche einem Querschnitte des besprochenen Stadiums entnommen ist und, obwohl möglichst naturgetreu, dennoch als Schema für den ganzen Vorgang dienen kann, zugleich aber auch zeigt, wie innig der Zusammenhang zwischen Knorpel und Knochen, wie sehr dieser verkalkte, osteoide Knorpel jungem Knochen gleicht, wie wenig endlich eine deutliche Grenze zwischen beiden Geweben zu sehen ist, so dass die Annahme einer Metaplasie hier gewiss nahe liegt. Ja, ich muss gestehen, dass mir solche Stellen, ehe ich die einfache Gesetzmässigkeit des Ossificationsvorganges am Kronenfortsatz erkannte und mir ausser der Strelzoff’schen und Busch’schen Doppelfärbung, die da geradezu verwirrend wirken, nicht auch die Safraninfärbung zur Hand war, immer wieder den Zweifel erweckten, ob nicht doch wenigstens in kleinen Bezirken eine direckte Umwandlung des Knorpels in Knochen stattfände. Und solcher Stellen giebt es bis zu einem gewissen Stadium, wo die Verhältnisse klarer werden, zahlreiche. In dem hier beschriebenen Stadium beschränken sich diese trügerischen Bilder noch auf eine relativ kleine Zone des Ueber- ganges vom verkalkten Knorpel in die rein periosteale Lamelle (Fig. 3, Taf. IX). Diese zeigt bereits wieder eine solche Regelmässigkeit in ihrer Entstehung durch lange Osteoblastenreihen und typischen, alter- nirenden Resorption durch grosse und zahlreiche Osteoklasten, dass ihre Unabhängigkeit von Knorpelgewebe leicht einleuchtet. Sie bildet ohne Parallellamellen den aufsteigenden Ast und geht unten in das geflechtartige Knochengerüst des Alveolarastes über. Im nächsten Stadium (71/, cm) finden wir ausser den Ver- änderungen im Knorpelkerne auch einen regen Fortschritt der Verknöcherungsvorgänge. Der Osteoblastenbeleg des Knorpelkernes hat bereits eine oberflächliche Knochenschicht (analog wie beim Kronenfortsatz) ab- gelagert, welcher wir am Frontalschnitt bereits als Grenzlamelle 3493 Josef Schaffer: gedacht haben. Sie besteht anscheinend aus verkalktem Knorpel und scheint sehr hinfälliger Natur zu sein, da besonders die innere Lamelle medialwärts von zahlreichen Osteoklasten besetzt erscheint. Bei näherer Untersuchung sieht man jedoch, dass ausserhalb des verkalkten Knorpels hier und da noch schmale Bälkchen perio- stalen Knochens vorhanden sind, Ueberreste der von den anlagern- den ÖOsteoblasten erzeugten Grenzlamelle, welche grösstentheils durch Resorption geschwunden ist, so dass das Perichondrium resp. Periost und die Osteoklasten nun direkt dem verkalkten Knorpel aufliegen, ein Verhalten, das wir ja auch bei der Ver- knöcherung von Röhrenknochen kennen. Auch hier geht also vor der Resorption Knochen direkt in verkalkten Knor- pel über und Steudener, dem dies nicht entgangen ist, sagt ausdrücklich (vgl. Brock I. c. S. 300), dass solche Bilder aller- dings zur Annahme einer metaplastischen Ossification verleiten könnten, weist dann aber geradezu auf die Aehnlichkeit mit der sich zuerst um einen ossificirenden Röhrenknochen bildenden La- melle, der „perichondralen Grundschicht“ (Strelzoff) hin, deren periostalen Ursprung Niemand bezweifle; wo diese sich über die endochondrale Ossificationsgrenze hinaus auf den Epiphysenknorpel verlängere, gehe sie ebenso diffus in den Knorpel über, als es hier geschieht, ohne dass Jemand daraus bis jetzt ähnliche Schlüsse gezogen habe. Die Verkalkung des Knorpelkernes ist, wie bereits erwähnt, eine ausgedehntere und dieser verkalkte Knorpel geht wieder in die primäre Knochenlamelle über, welche aber schon durch Bil- dung von Markräumen und kurzen Parallel- und Querbälkchen ein ähnliches Netzwerk bildet, wie es der Alveolarast besitzt. (Fig. 4 Taf. IX.) Von einer Össificationsgrenze ist auch hier keine Spur, son- dern diese Uebergangszone ist characterisirt durch ein ausser- ordentlich unregelmässiges, complicirtes Bild, indem eindringendes Markgewebe, verkalkte Knorpelgrundsubstanz, eröffnete Knorpel- höhlen, beginnende osteoblastische Ossification und rege Resorp- tion durch Osteoklasten und Blutgefässe an dieser beschränkten Stelle zusammengedrängt erscheinen. Bei aufmerksamer und an mehr als 100 Schnitten dieser Stadien wiederholter Durchforschung bin ich zur Ueberzeugung gelangt, dass gerade in dieser Össificationsregion scheinbar die meisten Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 343 Anhaltspunkte für. die Annahme einer Metaplasie liegen, aber nicht durch ein klares, unzweideutiges Bild, sondern gerade durch dieses, für den oberflächlieben Beobachter wirre Durcheinander, welches der subjectiven Interpretation den weitesten Spielraum gestattet. An räumlichen Uebergängen von Knorpel in Knochen ist hier kein Mangel, es ist vielmehr geradezu Regel, dass sich junger, osteoblastischer Knochen schon anlegt, ehe alle angrenzenden, ver- kalkten Knorpelzellen eröffnet und resorbirt sind. In der weiteren Entwicklung (8 cm) verfällt die den Knorpel bedeckende Knochenrinde (am Frontalschnitt „periostale Grenz- lamelle‘“) fast aller Orten der gänzlichen Resorption und grosse, lange Osteoklasten, die mit ihren Längsaxen parallel den Faser- bündeln des spärlichen Cambiums gerichtet sind, lagern direkt auf dem groben Gitterwerk des verkalkten, zum Theil auch auf unver- kalktem Knorpel. In der Region der Knorpelzerstörung, die auch hier wieder durch die grösste Unregelmässigkeit ausgezeichnet ist, fällt uns die mächtige Entwicklung des Gefässbaumes und die geradezu über- raschende Massenhaitigkeit der Osteoklasten auf, unter deren Ein- fluss das verkalkte Knorpelgerüst zu Grunde geht. In der Umgebung der zahlreichen Gefässe sehen wir ausser den Riesenzeilen auch noch junges Markgewebe und allenthalben findet regellose Anbildung neuen Knochens statt, so dass hier wie- der ein inniges Ineinandergreifen von osteoidem Knorpel und jungem, grosszelligem Knochen die Uebersicht der Verhältnisse ausserordentlich erschwert. Die verkalkten Knorpelbalken, welche nicht nur aus Zwischen- substanz, sondern aus kurzen Zügen und Gruppen ganzer Knorpel- zellen bestehen, an die sich von der einen oder anderen Seite Kno- chen auflagert, während der Knorpel von der freien Seite her durch Osteoklasten resorbirt wird, gehen allmählich über in rein osteoblastisch gebildete Knochenbalken und somit in das Gerüst, welches nun durch Markraumbildung und neuentstandene Knochen- bälkchen an Stelle der primären Lamelle zu sehen ist. Es wäre zu ermüdend und überflüssig bei den folgenden Stadien immer wieder dasselbe zu beschreiben; es genügt ein Blick auf die vergleichende Zusammenstellung der Entwicklungsreihe (Fig. 2—12, Taf. IX), um sich zu überzeugen, dass die Verhältnisse bis zum Em- bryo von 121), cm wesentlich dieselben bleiben. 344 Josef Schaffer: Jedoch bereits in den unmittelbar vorangehenden Stadien können wir die ersten Anfänge von Verhältnissen sehen, welche der Uebergang zu einem etwas regelmässigeren, der endochondralen Verknöcherung ähnlicheren Typus ist. Schon beim Embryo von 9 cm sehen wir neben der reichlichen Osteoklasten-Resorption des Knorpels eine, allerdings noch be- schränkte Eröffnung von Knorpelhöhlen und Zerfall der verkalkten Grundsubstanz, worauf wir bald etwas näher ein- gehen werden. Durch diese Resorption ohne Osteoklasten entstehen auch schon jene charakteristischen Knorpelgrundsubstanzreste, auf die nun auch Knochen aufgelagert wird, was eine neue Complication des Bildes bedingt, da nebenher noch der alte Modus fortbesteht. Er wird jedoch immer mehr von dem modifieirt endochondralen verdrängt, womit die allmähliche Ausbildung einer Ossifications- linie Hand in Hand geht. Diese wichtige Aenderung im ganzen Bilde beginnt bereits beim Embryo von 10 cm, aber nur in den vorderen Partien des Knorpelkerns, wo der Knorpel am Frontal- schnitt in einer geraden Linie ohne Osteoklasten zerstört wird, in- dem die Knorpelhöhlen eröffnet werden, die Zwischensubstanz theilweise zerfällt und resorbirt wird, theilweise in Form der be- kannten Zwickel bestehen bleibt, um wieder ein Gerüst für das Knochengewebe zu bilden, das weiter unten von dem massenhaft eindringenden Markgewebe geliefert wird. Dies findet aber, wie gesagt, nur in den vorderen Partien des Knörpels statt, in der Mitte und rückwärts finden wir wieder Auf- lagerung von Knochen auf die geschlossenen Knorpelzellen, Osteo- klastenresorption neben molekulärem Zerfall, kurz ein Uebergangs- bild zum nächsten, gleich zu beschreibenden Stadium. An diesem Embryo von 10 cm kann man übrigens wieder -sehr deutlich das Zustandekommen von Bildern sehen, die leicht für eine thatsächliche Metaplasie in Anspruch genommen werden können, wenn man die Genese nicht berücksichtigt. Am täuschendsten sind sie dort, wo sich der Knorpelkern verschmälert und in den aufsteigenden Kieferast übergeht. Ueberall gegen die Ränder hin werden die Knorpelzellen kleiner und auf dieselben wird ein gross- zelliger, periostaler Knochen aufgelagert, der bei der gewöhnlichen Tinetionsmethode eine Mischfarbe zeigt. Ein ähnliches, zur Vorsicht mahnendes, aber sehr instruktives Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 345 Bild finden wir an den tieferen Knorpelkanälen, wo sich noch die Knorpelzellen gegen das Lumen des Kanals hin abplatten und kleiner werden. Denkt man sich nun auf diese fast spindelför- migen Knorpelzellen, deren Aehnlichkeit mit Knochenkörperchen durch die Verkalkung noch erhöht wird einen grosszelligen Kno- chen abgelagert, der sich z. B. mit Hämatoxylin auch ein wenig färbt, so hat man einen so allmählichen Uebergang zwischen bei- den Geweben, dass man nahezu gezwungen wird an eine Meta- plasie zu glauben. Nun sieht man aber an jenen Knorpelkanälen, wo die Knochen- bildung noch nicht begonnen hat, deutlich den Knorpelwänden Markzellen auflagern, welche ihre Grösse und den charakteristisch polständigen Kern unzweifelhaft als Osteoblasten erweist. In der That können wir am selben Präparat alle Uebergänge von diesem Bilde bis zur Auflagerung einer breiten, periostalen Knochenschicht und Resorption des Knorpels verfolgen. Diese Beobachtung hat auch Strelzoff gemacht, indem er direkt sagt, dass in den breiteren Knorpelkanälen der hypertrophischen Schicht des Knorpels sich die wandständigen Zellen zu Osteoblasten entwickeln, welche die Knorpelbalken epithelartig decken. Der Stiel des Gelenkkopfes, d. h. die Lamelle des aufsteigen- den Astes, zeigt ähnliche Verhältnisse wie ein Kronenfortsatz mit axialem Knorpelkern, nur sind sie viel wirrer; die lebhafte Osteo- klastenresorption?) zerstört auch den Knochen, der nicht so schön linear angelagert wird, sondern in Resorptionsbuchten des Knor- pels, auf geschlossene Knorpelzellen und erst weiter nach unten zu seinen chrondroiden Charakter verliert. Ich schliesse hiermit die Darstellung des ersten Theiles der Össificationserscheinungen am Gelenkfortsatz, welche für sich be- trachtet einen eigenen Verknöcherungsmodus darstellen, der sich durch ganz allmähliche Uebergänge in einen anderen umwandelt, dessen letzte Stadien so sehr von den ersten Ossificationsvorgängen 1) Wie energisch hier die Resorption des Uebergangsgewebes (des chondroiden Knochens und osteoiden Knorpels) stattfindet, möge folgende Thatsache beleuchten: An einer Stelle in der Mitte des aufsteigenden Astes war die ziemlich breite Lamelle gänzlich durchbrochen und zwar in einer Breite von 120—130 u, in einer Höhe von beiläufig 1mm und konnte ich an den Wänden und im Lumen dieser riesigen perforirenden Lacune wenigstens 160 Osteoklasten zählen. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 22 346 Josef Schaffer: am Gelenkkopfknorpel verschieden sind, dass wir zu der Behaup- tung berechtigt sind: der Knorpelkern des Gelenk- kopfes ossifieirt nach zwei verschiedenenTy- pen, deren Extreme wohl charakterisirt sind, die aber, einerausdem anderen hervorgehend eine Reihe von allmähligen Uebergängen zwi- schen sich fassen. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die vorzüglichsten Kennzeichen des ersten Typus, den man passend als den der Auf- lagerung (perichondralen) von dem der Einlagerung (endochon- dralen) unterscheiden kann, so lassen sich dieselben kurz in fol- sende Sätze znsammenfassen: grosszelliger (periostaler) Knochen wird durch Osteoblasten allenthalben im Ossifieationsgebiete auf geschlossene, verkalkte und unverkalkte Knorpelzellen aufgelagert und dann erst werden diese von einer freien Seite her in toto durch Osteoklasten zerstört. Die Resorption ist häufig eine unvollkommene, so dass noch einzelne Knorpelzellen oder Gruppen von solchen stehen bleiben, neuerdings von Knochen überlagert werden, aber schliesslich immer der Resorption von einer freien Seite her verfallen. Eine Össificationslinie bildet sich nicht, der Knorpel wird stets nach Art des Knochen resorbirt, d. h. durch Osteoklasten. Ueber dieses erste Stadium der Knorpelverknöcherung am Gelenkfort- satz sind die Beobachtungen der Autoren ziemlich spärlich und mangelhaft. Strelzoffl) scheint an seinen Präparaten nur diesen perichondralen Verknöcherungstypus gesehen zu haben, da er behauptet, dass eine Eröffnung der Knorpelhöhlen, endochondrale Össification und Greuzlinie gar nicht existire und dass die Knorpelzellen unter gleichzeitiger Verkalkung und Sklerosirung der Grundsubstanz direkt zu Knochenzellen werden. Die Auf- lagerung von periostalen Knochen auf intacten Knorpel hat Strelzoff in seinen Abbildungen dargestellt und an dem Längsschnitte durch den Ge- lenkfortsatz eines 18 cm langen Rindsembryo, den er abbildet (Taf. II Fig 11), kann man die Verhältnisse der perichondralen Ossification ganz gut sehen; die Deutung dieser Bilder jedoch, welche sie von Strelzoff erfahren haben, musste von vorneherein eine fehlerhafte sein, da er jede, wie immer geartete Resorption des Knochengewebes in Abrede stellt. Dass gerade der perichondrale Typus die meisten Anhaltspunkte zur Behauptung einer Metaplasie giebt, liegt wohl auf der Hand und geht auch deutlich aus dem Umstande hervor, dass alle Beschreibungen, die bis jetzt 1) Untersuch. aus d. path. Instit. Zürich, I. H, Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 347 darüber vorliegen, im metaplastischen Sinne verfasst sind; von Seite der Gegner der Metaplasie wurde kein Versuch gemacht, diese wirklich schwie- rigen Bilder befriedigend zu erklären. Stieda bezeichnet den Prozess als einen dem endochondralen ganz analogen, Steudener lässt ihn nur in der Weise unregelmässig sein, dass grosse Strecken verkalkten Knorpels mit in den endochondralen Knochen eingeschlossen werden, was er auch für die Ursache hält, dass Strelzoff hier einen metaplastischen Modus angenommen hat, der nicht existirt. Beide Autoren, Stieda und Steudener können hier also nur spätere Stadien vor sich gehabt haben, wo ja wirklich eine bedeutende Annäherung an den endochondralen Typus stattfindet. Genauere Beobachtungen, die grösstentheils auch den von uns ge- machten entsprechen, liegen von Brock vor, der sie aber freilich in seiner Weise gedeutet hat. Zunächst bestätigt er das Vorkommen der von Strelzoff und Stenu- dener angebenen Eigenthümlichkeiten der Unterkieferverknöcherung, dann schildert er sehr einfach die metaplastische Ossification: „Ueberall gegen den periostalen Knochen hin spitzt sich der Knorpel zu, seine Zellen vergrössern sich so, dass sie fast gar keine Zwischensubstanz zwischen sich zu lassen scheinen und lagern Kalk in ihre Interstitien ab. Mit wachsender Kalkim- prägnation rücken sie auseinander und werden zugleich sternförmig, womit der Knochen fertig ist. Diese Umwandlung geschieht zuerst da, wo der Knochen an den Knorpel stösst, an den Rändern desselben. Man sieht hier den Zwischenraum zwischen den einzelnen Knorpelzellen durch weitere Kalkab- lagerung sich rasch vergrössern, während dieselben zugleich zackig werden. Das Innere besteht noch aus verkalktem Knorpel mit sehr geringer Zwischen- substanz. Der echte Knorpel ist daher mit dem echten Knochen überall durch eine Art Uebergangsgewebe verbunden, welches sich an den Rändern schon als Knochen charakterisirt und im Innern wesentlich nur aus ver- kalktem Knorpel besteht.“ Sehr richtig erwähnt Brock auch, dass der fertige Knochen dichtgedrängte Knochenkörperchen und einzelne stehenge- bliebene Knorpelzellen enthält. Man sieht, dass die ganze Darstellung dem von uns Gesagten entspricht. und nur die Schlussfolgerung eine ganz andere ist, was gerade io osteo- genetischen Fragen so häufig der Fall ist). 1) Wie sehr es in der ganzen Frage der Ossification auf die Auffassung und Deutung des Gesehenen ankommt, beweist der Streit über die Verknö- cherung der Geweihe zwischen H. Müller und Lieberkühn, wo letzterer einmal (Arch. f. Anat. u. Phys. 1863, S. 620) ausdrücklich bemerkt: „Obwohl ich von dem Beobachtungsbefunde H. Müller’s in keinem wesentlichen Punkte abweiche, muss ich doch seine Schlussfolgerung für ganz unberechtigt erklären.“ Er sucht sogar seine Uebereinstimmung mit H. Müller darzu- legen und hebt hervor, dass auch er Einschmelzung des verkalkten Knorpels 348 Josef Schaffer: Wenn aber Brock noch weiter bemerkt, dass der Uebergang in die primäre, periostale Lamelle ein allmähliger ist, dass es kein Mittel giebt, beider Antheil von einander zu scheiden und dass dieser Uebergang noch mehr verwischt wird durch den continuirlichen Osteoblastenbeleg, welcher sowohl den periostalen, als auch den Knorpelknochen gleich nach seiner Entstehung bedeckt und die weitere Vergrösserung des letzteren zu über- nehmen scheint, so dürfte dem unbefangenen Beobachter die Richtigkeit un- serer Auffassung nicht mehr zweifelhaft sein. Selbstverständlich konnte Brock auch die rege, osteoblastische Thätig- keit im Össificationsgebiete nicht entgehen und erklärt er dieselbe seiner Auf- fassung gemäss dadurch, dass die aus dem Knorpel hervorgegangenen Knochen- lamellen unmittelbar nach ihrem ersten Entstehen von der innern Schichte des Periostes einen Osteoblastenbeleg beziehen, der nun gemeinschaftlich mit dem Knorpel ihre weitere Vergrösserung besorgt. Diese etwas sonderbare Annahme des unmittelbaren Auftretens erklärt mir nun freilich die Erschei- nung, dass ich immer und überall an der Oberfläche und in Resorptionsräumen des verkalkten Knorpels Osteoblastenthätigkeit beobachten konnte, aber den- noch nimmt es mich Wunder, dass ich an mehreren tausend Schnitten kein Stadium gesehen habe, wo dieser unmittelbare Osteoblastenbeleg noch nicht aufgetreten war und dass andererseits neben der knochenbildenden Thätigkeit der Osteoblasten, die knorpelzerstörende der Osteoklasten so wenig Berück- sichtigung findet, wo doch Brock diesen wichtigen Vorgang beim Schweine- embryo 9cm mit folgenden Worten so treffend beschreibt: „Die hintere Wand und der hintere Theil der lateralen Wand besteht nur aus dem vom Knorpel aus gebildeten Uebergangsgewebe, welches hier einer Resorption unterliegt, ohne jemals zu Knochen geworden zu sein. Ausserdem ist aber die ganze mediane Seite des aufsteigenden Astes wenigstens in den obern zwei Dritteln in eine Resorptionsfläche verwandelt. Ich sehe hier Riesenzellen nicht nur an der periostalen Einfassung, ich finde sie auch in grosser An- zahl an der freien Oberfläche des Gelenkkopfes, der an der medianen Seite bis an die Oberfläche verkalkt ist.“ Man sieht auch hier wieder die Ueber- einstimmung in den Beobachtungen, nur hat Brock bei der Deutung der- selben das erste Auftreten des Knochen zu wenig gewürdigt. Auch glaube ich würde die Schwierigkeit der Erklärung eine geringere sein, wenn man annehme, „nämlich überall da, wo Gefässe und Markräume entstehen, was ohnehin eine längstbekannte Thatsache ist“, freilich mit dem nicht unwichtigen Zusatze, dass er das, was Müller als verkalkten Knorpel be- zeichnet, als in der Verknöcherung begriffen auffasst, also etwas ganz An- deres meint. Aehnliches gilt von den verknöcherten Sehnen, bezüglich welcher v. Ebner (Ueber den feinern Bau der Knochensubstanz 1. c. S. 118), mit den thatsächlichen Beobachtungen Lieberkühn’s in Uebereinstimmung steht, aber den Zusammenhang der Thatsachen, wie ihn L. supponirt, nicht anerkennt. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 349 an der seit v. Ebner präcisirten Definition von Knochen etwas mehr fest- halten und nicht vielfach ein Uebergangsgewebe kurzweg für Knochen er- klären würde. Hat doch schon H. Müller bei Besprechung der rachitischen Knorpelverknöcherung darauf aufmerksam gemacht, wie mannigfaltig die Zwischenstufen der verschiedenen Formen der Bindesubstanz sind und selbst Lieberkühnt), ein sehr entschiedener Verfechter der Metaplasie, sieht sich am Schlusse seiner Abhandlung zu der für die Mannigfaltigkeit der Ossifications- bilder‘ wohl zu beherzigenden Bemerkung veranlasst: „Ja, es kann sich selbst ereignen, dass die verschiedensten Dinge einander so ähnlich sehen, dass man sie nach ihrer Form allein bis jetzt nicht unterscheiden kann.“ Ich verweise hier auf das Gewebe der Zähne; betrachtet man z. B. den Cement der Backenzähne vom Meerschweinchen, so wird man ein Gewebe finden, das man schwerlich entschieden als Knochen oder Knorpel bezeich- nen kann. Eines der wichtigsten Momente zum Verständniss des ersten Verknöche- rungsvorganges am Gelenkkopfknorpel ist, wie wir mehrfach gesehen haben, der Umstand, dass neoplastischer Knochen auf intacten Knorpel abgelagert wird. Kassowitz?2) nun läugnet direkt das Vorkommen einer Osteoblasten- schicht im Perichondrium eines embryonalen Knorpels und ebenso die Auf- lagerung periostalen Knochens auf kleinzelligen (unverkalkten) Knorpel, ob- wohl er sich auch an anderen Knochen von Schafembryonen hätte vom Gegentheil überzeugen können. 8.266 modifieirt Kassowitz selbst einiger- massen diese Behauptung, indem er sagt, dass man an den Verkalkungsgrenzen von Röhrenknochen häufig beobachten kann, dass die periostale Knochenbil- dung der eigentlichen Verkalkungsgrenze um eine gewisse, allerdings unbe- deutende Strecke vorauseilt, nur lagere der periostale Knochen da immer auf grosszelligen Knorpel auf. Dem gegenüber bildet Schöney?°) in seiner Fig. 5 eine Stelle ab, wo an verkalkten Knorpel direckt neugebildeter Knochen stösst, welche Bilder nach ihm an der Ossificationsgrenze bei Vogelknochen regelmässig wieder- kehren. Die hyaline Zone zwischen verkalktem Knorpel und den ersten Knochenkörperchen schreibt er dem schmelzenden Knorpel zu (es ist dies die unverkalkte, neue Knochensubstanz) und die Osteoblasten lässt er theilweise (im Sinne Waldeyer’s) inKnochengrundsubstanz übergehen. Kastschenko®) stellte die an doppeltingirten Präparaten zur Beobachtung kommenden Bilder der Metaplasie des Froschknorpels in Parallele mit denen an den knorpe- ligen Fortsätzen des Unterkiefers bei Säugethieren und führt als Grund des Mangels der die endochondrale Knochenbildung characterisirenden Gebilde an, 1) Arch. f. Anat. u. Phys. ete. 1860. 2) Kassowitz: Die normale Össifieation etc. 3) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, S. 243. 4) Tbid. Bd. XIX. 350 Josef Schaffer: dass der neoplastische ÖOssificationsprocess an der Oberfläche der unzerstört gebliebenen Knorpelbalken verläuft. Masquelin beschreibt ebenfalls die Osteoblastenschicht an der Ober- fläche des unverkalkten Knorpels und die von ihnen gelieferte Knochenschicht. Weiterhin aber lässt er diese Knochenlamelle sich verdicken und zugleich die anstossende Knorpelzone direkt verknöchern, ohne eine Bemerkung über Resorptionsvorgänge in diesem „metaplastischen‘‘ Knochen (i. e. osteoiden Knorpel) zu machen. Bei Julin endlich finden wir eine ziemlich eingehende Schilderung jener Bilder, wo echter Knochen übergeht in verkalkten, osteoiden Knorpel, der einen „ganz eigenthümlichen‘“ Anblick gewährt. Die Zellen dieses Ge- webes sind viel kleiner, als die in der Verkalkungsregion, hell, homogen, die einen kugelig, die andern mehr unregelmässig, die Grundsubstanz ist mit Pikrokarmin stark roth gefärbt und setzt sich einerseits unvermerkt in die verkalkte Knorpelgrundsubstanz, andererseits in die Knochengrundsubstanz fort. Julin fasst nun diese Uebergangsschicht, deren Zustandekommen auch wir geschildert haben, irregeführt durch ihre morphologische Ercheinung und das tärberische Verhalten als den Ausdruck der direkten Umwandlung von Knorpel in Knochen auf. Er muss aber auch die Resorption dieses Gewebes gesehen haben, indem er kleine Markräume in demselbeu .beschreibt, welche anscheinend aus der Vereinigung mehrerer Knorpelhöhlen entstanden sind und junges Markgewebe enthalten. B. Weitere Ossifiecation. — Modificirtendochon- draler Typus (Typusder Einlagerung). Fahren wir nun in der Besprechung der weiteren Verknöche- rungsvorgänge am Gelenkfortsatz fort, so haben wir beim nächsten von uns untersuchten Stadium (12!1/, cm) eine gewaltige Ver- änderung im ganzen Össificationsbilde zu verzeichnen und zwar eine Veränderung, die vornehmlich durch das Zustandekommen einer fast geradlinigen, deutlichen Ossificationsgrenze bedingt ist, deren Entwicklung bereits im vorhergehenden Stadium begonnen hat. Da besonders das Studium dieses Stadiums sehr lehrreich ist und mir einige naturgetreue Abbildungen desselben vorliegen (Fig. 24, 25, 26), so will ich an der Hand derselben eine genaue Beschreibung der hier zu beobachtenden Verknöcherungsvorgänge seben, dieselben durch Beobachtungen an den älteren Stadien er- gänzen und so versuchen ein anschauliches Bild der modifieirt endochondralen Knorpelkernossification zu geben. Betrachten wir das schwach vergrösserte Uebersichtsbild eines ganzen Frontalschnittes dieses Stadiums (Taf. XI, Fig. 8), so fällt Die Verknöcherung des Unuterkiefers und die Metaplasiefrage. 351 uns bereits die Aehnlichkeit mit einem Röhrenknochen auf. Der Knorpelkern, welcher ausschliesslich den Gelenkkopf bildet, hat den Anschein eines Epiphysenknorpels, nur fehlt, wie mehrmals erwähnt, eine Richtung der Knorpelzellen. Wo Knorpelkanäle aus dem Kern in das Ossifieationsgebiet treten, springt der Knorpel gegen dieses zapfenförmig vor, sonst wird der verkalkte Knorpel längs einer geraden Linie eröffnet und die Knorpelhöhlen mit Markzellen erfüllt, ein Bild, das hier um so ausgesprochener ist, weil es in einer breiten Zone geschieht, so dass wir das Gebiet als Eröffnungszone bezeichnen müssen gegenüber der Ossi- ficationszone, welche erst weiter unten beginnt. Diese beiden Gebiete sind nicht scharf von einander getrennt, nur nach oben und unten abgegrenzt, in der Mitte gehen sie all- mählich ineinander über (Fig. S mit Tusch angelegt). Dies ist also wieder als ein bedeutender Unterschied von der endochondralen Verknöcherung zu bezeichnen, wo alsbald nach der Eröffnung der Krorpelhöhlen auch Knochen in dieselben abgelagert wird. Auch die Verkalkung ist keine so regelmässige, wie beim Epiphysenknorpel der Röhrenknochen. Dass hier verkalkte Knorpelkapseln eröffnet und mit Mark- zellen angefüllt, ja schon oft vor der Einlagerung von Knochen- substanz zerstört werden, dass man häufig Trümmer dieser ver- kalkten Knorpelscheidewände findet, ist zweifellos. Ein Blick auf das Bild 26, Taf. XII wird genügen, um dies anschaulich zu machen. Jetzt werden wir auch den gewaltigen Unterschied vom perichon- dralen Typus wahrnehmen, da wir im Eröffnungsgebiet jegliche Osteoklastenresorption vermissen, sondern der Knorpel auf eine ganz eigenthümliche Weise, gleich wie bei der endochondralen Össification schwindet, worauf wir etwas näher eingehen müssen. Kassowitz!) macht der neoplastischen Schule nicht ganz mit Unrecht den Vorwurf, dass sie ihre Behauptung vom gänz- lichen Untergange des Knorpels bei der Verknöcherung mangel- haft gestützt habe und über die Art, wie die letzten Knorpelreste schwinden, wenig befriedigende Auskunft gebe. Er führt dann einige Anschauungen verschiedener Autoren an; so lässt H. Müller die verkalkte Knorpeigrundsubstanz einfach nach und nach schwin- den; nach Stieda soll „durch Auseinanderrücken der sklerosiren- DrlrcerS. 186, 392 Josef Schaffer: den Osteoblasten von den Markräumen her die Grundsubstanz all- mählich schwinden, bis die Knochengrundsubstanz an die Stelle getreten ist“. Kölliker!) lässt sie der Resorption durch Osteo- klasten anheimfallen, Strelzoff sagt, dass sich die Grundsubstanz der Knorpelreste niemals in Knochen verwandle, sondern durch den Druck seiner „Halbmonde“ wahrscheinlich durch molekulären Zer- fall zu Grunde gehen u. s. f£ Für uns von grossem Interesse ist auch die Ansicht Waldeyer’s?), der sie schwinden lässt, indem um jede Knorpelzelle herum dieselbe sich in Form feinkörniger Masse gleichsam auflöst. Dieser Anschauung gegenüber steht die von Kassowitz ver- tretene, dass die Knorpelgrundsubstanzreste in Knochengrundsub- stanz übergehen und nachträglich Knochenkörperchen in diesem metaplastischen Knochen entstehen, worauf ich noch einmal zu sprechen komme. Ich gehe nun zur Schilderung des Vorganges, wie ich ihn an meinen Präparaten gesehen und mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt habe. Betrachtet man einen Frontalschnitt dieses und älterer Stadien bei schwacher Vergrösserung, so fällt einem an nach Busch ge- färbten Präparaten an der Eröffnungsgrenze ein längs dieser hin- laufender, heller Saum auf, der an Safraninpräparaten, obwohl noch dem Knorpel angehörend, als ziemlich scharfe röthliche Grenzlinie gegen das andringende Markgewebe erscheint. Unter- sucht man denselben bei starker Vergrösserung, so sieht man, dass hier jener mit Hämatoxylin färbbare Inhalt der Knorpelhöhle (vgl. S. 322) geschwunden ist, mit ihm oft auch die Knorpel- zelle, so dass die Kapsel leer erscheint oder aber dieselbe liegt frei in der Kapsel, selten wohlerhalten, meist geschrumpft und kernlos geworden in Form eines protoplasmatischen Restes (Fig. 25 k, Fig. 26 Kz). Die zarten Zwischenzellsubstanzbrücken, welche diese Höhlen begrenzen, sind meist auch nicht mehr in ihrer ganzen Aus- dehnung erhalten. Diese grossen, farblosen Höhlen aneinandergereiht geben das Bild jener hellen Zone (Fig. 25 S). Am Safraninpräparat ist der gelb färbbare Theil aus der Knorpelkapsel verschwunden, daher 1) Würzburger Verhdlgn. Bd. IV, 1873. 2) Archiv f. mikr. Anat. Bd. I, S. 360. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 353 erscheint die Linie röthlich, was wir bereits bei der Verknöcherung des Knorpels im Kronenfortsatz als Zeichen beginnenden Unter- sangs erkannt haben (siehe S. 327). Bei längerer, aufmerksamer Betrachtung dieser hellen Grenz- zone mit starker Vergrösserung sehen wir aber noch ungemein zarte, schwach lichtbrechende Contouren, die ihre Form als farb- lose Knorpelkapseln erkennen lässt und die ich nicht anders deuten kann, als dass hier die Knorpelgrundsubstanz vollkommen hyalin geworden ist und ihre Färbbarkeit verloren hat (Fig. 25 r). Selten sind diese leicht zu übersehenden Umrisse geschlossen, meist nur fragmentarisch vorhanden, so dass man es hier offenbar mit einer Auflösung der Knorpelgrundsubstanz zu thun hat, zu welcher die reichlich eindringenden Blutgefässe in nahe Beziehung zu bringen sind. Eine solche „ganz helle Zone*, die nur eine Knorpelzellreihe enthält, grenzt nach Rosenthal!) auch bei der endochondralen Ossification an die eröffneten Knorpelzellen und Baur), der schon vor mehr als 30 Jahren die Resorption des verkalkten Knorpels betonte, lässt dieser Resorption eine Auflösung der Kalkkrümmel und wieder Glashellwerden des Knorpels vorausgehen. Unter dieser hellen Grenzlinie sehen wir aber im ganzen Er- öffnungsgebiet noch intensiv gefärbte, zackige, unregelmässig- zwickelförmige Knorpelgrundsubstanzreste, ähnlich denen bei der endochondralen Össification. An diesen läuft nun vielfach ein retrograder, der Knorpelverkalkung entgegengesetzter Prozess der Entkalkung ab, indem die anfangs scharfrandigen, dunkelgefärbten Knorpelreste wie angefressen erscheinen (Fig. 26 Kg‘), zunächst an ihren Rändern, wie Waldeyer erwähnt, in jene Körnchen zer- fallen, welche wir als erste Spuren der Verkalkung gesehen haben und, was sehr wichtig ist, ihre Färbbarkeit verlieren, schliesslich ebenso blass werden, wie die Knorpelzelleontouren in der hellen Zone und endlich ganz verschwinden. In dieser Region findet keine nachweisbare Knorpelresorption durch Osteoklasten statt, sondern diese tritt erst im eigentlichen Össificationsgebiete auf, wo bereits Anlagerung von Knochen an diese Knorpelreste stattfindet. 1) Ueber die Veränderungen des Knorpels vor der Verknöcherung. Prom. Diss. Berlin 1875. — Centralbl. f. med. Wiss. 1875, S. 579. 2) Müller’s Arch. 1857, H. IV, p. 347. 354 Josef Schaffer: In nächster functioneller Beziehung zu dieser Atrophie des Knorpels steht die riesige Entwicklung von Blutgefässen in der Eröffnungszone. Weite, sinuöse Venenräume durchbrechen das Ge- rüste der verkalkten Knorpelreste, welche bereits ganz überlagert erscheinen von jungen Markzellen; Capillarsehlingen dringen bis an die Eröffnungsgrenze und durch die Knorpelkanäle in das Innere des Knorpelkernes und vielfach sieht man eröffnete Knorpelhöhlen prall gefüllt mit rothen Blutkörperchen. Auffällig sind die vielen vereinzelten Blutkörperchen im Markgewebe, die oft nachweisbar in einem Gefässlumen liegen, oft aber an meinen nicht injieirten Präparaten anscheinend ganz frei daliegen. Auf die Bedeutung dieser auffallend starken Gefässentwick- lung für die Markbildung müssen wir noch später zurückkommen. - Während also beim rein perichondralen Typus die Knorpel- resorption nur durch Osteoklasten besorgt wird, geht hier der Knorpel unter dem Binflusse der Blutgefässe durch einen eigenthümlichen Lösungsprozess zu Grunde, der durch Entkalkung, Farbloswerden, molekulären Zerfall und endliche Resorption ausgezeichnet ist und passend als Chondrolyse bezeichnet werden kann. In den tieferen Partien nun beginnen die massenhaften Mark- zellen auf diese Knorpelreste, noch ehe sie zerstört sind, Knochen abzulagern (Fig. 24) und zwar wird dieser Knochen durch die Art seiner Entstehung ein ganz eigenthümliches Aussehen besitzen. Vielfach ist die Zerstörung der Knorpelgrundsubstanz nur bis zur Eröffnung der Knorpelhöhlen gediehen und dadurch entstehen lauter kleine Markräume vom Umrisse der ehemaligen Knorpel- kapseln, welche nun von einer oder mehreren Markzellen (Osteo- blasten) mit Knochen ausgefüllt werden. Ist der Knorpelgrund- substanzring noch scharfrandig und deutlich mit Hämatoxylin ge- färbt, so ist der Vorgang der Einlagerung klar und man hat einen echten Globulus osseus vor sich, der freilich anders entstanden ist, als Kassowitz glaubt; im andern Falle erfolgt die Einlagerung auf halb entfärbte Knorpelreste (die dann mehr die Eosinfärbung des Knochen annehmen) und es gewinnt das Ganze den Anschein, als ob die Knorpelhöhlen sich allmählich mit Knochen gefüllt hätten und die Umwandlung in Knochen nun auch auf die Reste der Knorpelgrundsubstanz fortschreiten würde. Das sind nun wie- der Bilder, die man ohne weitere Ueberlegung leicht für einen Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 355 metaplastischen Vorgang in Anspruch nehmen könnte und in An- spruch genommen hat!). Daran tragen auch die unregelmässigen, buchtigen Markräume 1) Kassowitz giebt 1. c. S. 167 eine Schilderung der Veränderungen an den Knochensäumen gegen den Knorpel zu und zwar in der Weise, als ob er dieselben an einem und demselben Knochensaum bis zur Vollendung be- obachtet hätte. Dies kann natürlich nur eine Construcktion aus verschiedenen Bildern sein und deren giebt es so zahlreiche, wenig von einander abweichende, dass ein suchendes Auge sie leicht zu einer zusammengehörigen Reihe ordnen kann, vom schmalen Knochensaum bis zu den breiten, zusammenfliessenden Knochenbuckeln, welche nur mehr die charakteristischen, zwickelförmigen Knorpelreste zwischen sich einschliessen. Die ähnlichen Bilder jedoch für verschiedene, genetisch zusammenge- hörige Stadien eines und desselben Uebergangsstadiums in Anspruch zu nehmen, halte ich zum mindesten für eine sehr gewagte und ungerechtfertigte Sache. Die Formen der Knorpelhöhlen und Dimensionen der zwischen ihnen ver- laufenden Grundsubstanzsepta sind so verschieden, immer wechselnd und doch ähnlich, dass durch die mehr minder energische, neoplastische Anlagerung von Knochensäumen in diesen Gussformen, die unzweifelhaft vorkommt, eine Reihe ähnlicher Bilder entstehen kann, ohne dass man deshalb berechtigt wäre, hier einen schmäleren Knorpelrest für den Abkömmling eines dort bestehenden, breiteren zu erklären. Weiters sagt Kassowitz, dass der innere Rand des schmalen Knochen- saumes, der anfangs genau die Oberflächenconfiguration der Knorpelhöhlen wiedergab, nur stärkere Buckel gegen den Knorpel zu bilden beginnt, die aber mit „vollständig scharfem Rand“ abgegrenzt sind. Hier liegt meiner Meinung nach eine Verwechslung von verkalktem Knorpel mit Knochen vor (der sich K. noch einmal schuldig macht), denn ich wüsste keinen annehm- baren Grund, warum die Metaplasie in dem überall gleichmässig verkalkten Knorpelgewebe auf einmal in so bestimmten, scharfrandigen Formen auf- treten soll, wie eben nur die Knochenanbildung in eine bestimmte Form erfolgt. Ich halte diese ganze Darstellung für fehlerhaft, weil sie willkürlich construirt ist, und die weitere Beobachtung, welche Kassowitz noch als Stütze seiner Anschauung vorbringt, dass man die neugebildeten Knochen- körperchen niemals unmittelbar am Rande des Markraumes wahrnimmt, ist direkt falsch; denn jeder aufmerksame Beobachter wird an dem schmalen Knochensaume die anfangs in seichten Dellen liegenden Knochenzellen ge- sehen haben, die alsbald, also ganz nahe dem Knorpelsaume in die junge, noch unverkalkte Knochenlage eingeschlossen werden. Diese Annahme überhebt uns auch auf die ganz unglaubliche Vorstellung von Kassowitz über die Bildung der Knochenkörperchen in den durch Metaplasie entstandenen Knochen- säumen einzugehen. 356 Josef Schaffer: Schuld, ein Grund, den bereits H. Müller erkannte und dazu be- merkt, dass an solchen Knochen fast die ganze zuerst gebildete Knochenmasse das Ansehen hat, als ob sie nicht nur in Knorpel- höhlen gebildet, sondern aus diesen hervorgegangen sei. Der ganze Vorgang lässt sich aber, besonders an Safranin- präparaten, so klar übersehen, dass man keinen Moment mehr an der Richtigkeit unserer Auffassung zweifeln kann. Einer Fehlerquelle, die uns auch an Safraninpräparaten täu- schen kann, muss ich aber hier noch gedenken. Ich gebe die Schilderung nach einem Safranin-Lackpräparate des Gelenkfort- satzes vom Embryo von 24 cm. Die Knorpelgrundsubstanzreste treten noch tief unten, oft ganz eingeschlossen in breite, weisse Knochenbalken ziemlich zahlreich auf und besitzen eine ganz eigenthümliche Form. Sie heben sich sehr scharf als orange ge- färbte und, der spärlichen Zwischensubstanz des Knorpels ent- sprechend, membranenartig dünne Halbkugelmäntel ab, die vielfach mit ihrer Peripherie zusammenstossen und so jene charakteristi- schen Knorpelinseln mit halbmondförmigen Zacken bilden. An manchen Stellen kann man sich ganz gut überzeugen, dass diese Knorpelreste allseitig von Knochen umschlossen sind und zwar so, dass der Knochen in Form von halbkugeligen Buckeln die Kugelmäntel der übrig gebliebenen Knorpelgrundsubstanz ausfüllt. Da dies nach allen Richtungen des Raumes hin stattfindet, so werden bei einer beliebigen Schnittrichtung die mannigfachsten und täuschendsten Bilder zustande kommen, in deren Deutung man sehr vorsichtig sein muss und nie vergessen darf, bei der Erklä- rung der Flächenansicht eine körperliche Construktion zu Grunde zu legen. So könneu solche mit Knorpelgrundsubstanz überzogene Knochenbuckel so gekappt werden, dass Knochenmasse rings von Knorpelgrundsubstanz umschlossen erscheint und vielleicht gerade central im Knochen ein Knochenkörperchen liegt — das schönste Metaplasiebild, wofür es auch oft gedeutet wurde. Fällt der Schnitt etwas höher, so dass die Fläche der Knochenealotte noch von einer sehr dünnen Knorpelschicht überlagert erscheint, durch die der . Knochen durchschimmert, so wird sich vom Rand des deutlich orange gefärbten Knorpels zum Centrum hin (wo zufällig wieder ein Knochenkörperchen liegt) eine immer lichtere Uebergangsfarbe bilden, welche man leicht als beweisend für die allmähliche Um- wandlung des Knorpels in Knochen ansprechen könnte. Bei dem Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 357 so sehr complieirten und unregelmässigen Vorgange sind der Fehler- quellen eben nur zu viele. Was ist nun das Schicksal dieses sonderbaren Gewebes? Es liegt auf der Hand, dass ein Knochen, der ganz durchsetzt ist von einem Gerüstwerk verkalkter Knorpelgrundsubstanz, nur eine vor- übergehende Bedeutung haben kann und in der That sehen wir gleich nach dem Auftreten der Knocheneinlagerung auch schon osteoklastische Resorption in ausgiebigem Maasse auftreten und so lange fortdauern, bis auch der letzte Rest von Knorpelgrund- substanz verschwunden und an Stelle dieses ersten Knochens durch fortwährende Neubildung rein osteoblastische Knochenbälk- chen getreten sind. Also auch hier hat der Knorpel wieder nur die provisorische Bedeutung eines Gerüstes, das der ersten Knochenanlage zur Unter- lage dient. Diese Art der Verknöcherung hat begreiflicher Weise eine höchst unregelmässige Markraumbildung zur Folge und giebt vielfach Gelegenheit zur Beobachtung direkter Uebergänge von Knorpel in Knochen. Dieser letzte Umstand verdient um so mehr Berücksichtigung, als auch bei diesem, dem endochondralen sonst ziemlich ähnlichen Typus einzelne Knorpelzellen und Gruppen von solchen uneröffnet bleiben und mitten in das Ossifiecationsgebiet ge- rathen, wo sie dann nach perichondralem Typus von Knochen überlagert und von einer freien Seite her resorbirt werden. Beide Vorgänge können sich nebeneinander abspielen und so können wir einen perichondralen Knochenbalken übergehen sehen in endochon- dral gebildeten Knochen, der noch die Knorpelreste enthält und andererseits kann dieser Balken auch eine Gruppe von intakten Knorpelzellen einschliessen (Fig. 24Kz), eine Complication des Bildes, die begreiflicher Weise leicht zur irrigen Annahme einer Metaplasie führen kann, besonders dann, wenn die Tinetion alle Uebergänge durch Mischfarben verwischt. Da dieses Stehenbleiben geschlossener Knorpelzellen eine so wichtige Erscheinung bei der Unterkieferossification ist, muss ich noch Einiges darüber bemerken. Besonders in den tieferen Partien des Gelenk- und Kronen- fortsatzes findet man häufig einzelne, ganz wohl erhaltene Knorpel- zellen eingeschlossen im Knochen, die an Safraninpräparaten so distinkt zu Tage treten, dass man ganz überrascht ist, mitten im 358 Josef Schaffer: farblosen Knochen 2—3, oder mehrere ganz isolirte, schön orange gefärbte Knorpelzellen zu erblicken. Dies können sowohl einzelne von der Zerstörung am Össificationsrande verschont gebliebene Zellen sein oder es sind am Schnitt abgetrennte, weit vorragende Zellen, was wir uns ganz gut vorstellen können, nachdem wir ge- sehen haben, dass sowohl in den Knorpelkanälen, als an den Rän- dern der Knorpelkerne einzelne Zellen frei vorragen (vgl. Fig. 22 und 25). Diese rings von osteoblastisch gebildeten Knochen einge- schlossenen Zellen können noch ihre volle Färbbarkeit mit Häma- toxylin oder Safranin behalten haben und erscheinen dann scharf contourirt, wie Fremdkörper im Knochen eingeschlossen. Sie wären in den meisten Fällen ohne diese markante Färbung von den umgebenden Knochenzelien zu unterscheiden, weil der runde oder ovale Kapselcontour meist gut erhalten ist. Manchmal ist derselbe jedoch durch den Druck der rings abgelagerten Knochen- substanz eingebogen, etwas verkrümmt und dann ist die Aehnlich- keit mit einer Knochenzelle bedeutend grösser. Dazu kommt noch an Safraninpräparaten die Abnahme der Färbbarkeit, wie sie in der chondrolytischen Zone immer vorkommt und ein Zeichen des beginnenden Unterganges ist; die Zellen erscheinen nicht mehr rein gelb, sondern gelblichroth, oft auch blassroth und sind ver- schrumpit, so dass es gewiss den Anschein hat, als ob diese ein- zelnen Zellen dem Knochen als Knochenzellen assimilirt würden. Betrachtet man jedoch Form und Grösse der umgebenden Knochenkörperchen genau, so wird man nicht im Zweifel sein, dass diese eingeschlossenen Knorpelzellen niemals Knochengrund- substanz produciren können oder zum Aufbau fertigen, fibrillären Knochens verwerthet werden. Davon überzeugt man sich wieder am besten am Kronenfortsatz, wo man reichliche Stellen finden kann, wo sich der ganze complicirte und wirklich verwirrende Prozess nebeneinander übersehen lässt. Eine lebhaft blaugefärbte Knorpelzellinsel erscheint rings von faserigem Knochen mit zackigen Knochenkörperchen umschlossen. Nach unten zu verschmälert sich diese Insel, es sind nur mehr einzelne Zellen, die endlich ihre Färbbarkeit mit Hämatoxylin verlieren und neben echten, länglichen, schwach zackigen Knochenkörperchen sehen wir weite Lücken, durch wenig Zwischensubstanz getrennt, mit rundlichen, verschrumpften Protoplasmaklümpcehen erfüllt, eingeschlossene Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 359 Knorpelzellen. An einer Stelle, meist in der Axe dieser Knorpel- insel aber dringen zahlreiche Osteoklasten mit Getässen ein und resorbiren diese dem jungen Knochen einverleibten Zellen, meiseln sie förmlich heraus. Wohl alle Bearbeiter des Gegenstandes haben diese isolirten Knorpel- zellen gesehen und thun derselben Erwähnung, aber sehr verschieden schil- dern sie wieder das Schicksal derselben. Ueber den Grund der Entstehung dieser Inseln bemerkt Brock, es sei nicht undenkbar, dass, wenn verkalkter Knorpel weit in ossifieirten hineinragt, wie es doch für eine unregelmässige Össificationsgrenze characteristisch ist, derselbe bei schnellem Fortgange der Össification von allen Seiten von Uebergangsgewebe eingeschlossen und damit den unbekannten Einflüssen entzogen wird, welche ihn in Knochen überge- führt haben würden. Während Brock also an ein Stehenbleiben dieser Knorpelinseln zu glauben scheint, machte Steudener (I. c. S. 309) die Beobachtung, dass die Knorpelzellennester, wenn auch spät, doch immer noch eröffnet und zer- stört werden. Er sah dasselbe an der spina scapulae und bemerkt dazu, dass dadurch bisweilen der Anschein entstehe, als wenn der Knorpel direkt ossificire; später verschwinde auch hier dieser letzte Rest von endochondralen Knochen. Kassowitz will auch bei der Markraumbildung in centralen Knochen- kernen und in langsam wachsenden Knochenenden häufig Stehenbleiben von einzelnen oder ganzer Gruppen von Knorpelzellen beobehtet haben, die sich nach seiner Auffassung natürlich in Knochensubstanz verwandeln, indem nur ein Theil einer jeden Zelle um den Kern herum als zackige Knochenzelle erhalten bleibt. Freilich giebt Kassowitz selbst zu, dass er an solchen geschlossenen Knorpelzellen nie einen Knochensaum sah, derselbe aber sofort auftrat, wenn sie auch nur an einer kleinen Stelle durch die Markraumbildung eröffnet werden, selbst wenn sie demgemäss nur durch einen schmalen Hals mit dem Mark communicirten (l. c. 8. 173). Auch Masquelin und Julin lassen diese verstreuten Knorpelzellen direkt verknöchern. Zu dieser Annahme hat die Beobachter gewiss der er- wähnte Umstand bewogen, dass vielfach schmale Ringe von Knorpelgrund- substanz stehen bleiben, die den Contour der Knorpelkapsel wiedergeben und dann von dem communicirenden Markraum her mit Knochen ausgefüllt werden, dabei ihre deutliche Färbbarkeit verlieren und so globuli ossei bilden, die direkt aus Knorpel hervorgegangen scheinen, ein so häufiges Vor- kommen, dass Kassowitz im Anschluss an die oben citirte Stelle erwähnt, dass man die Ossification geschlossener Zellhöhlen und deren Umwandlung in globuli besonders ausgeprägt am Gelenkaste des Unterkiefers finde. Der Umstand, dass oft zwei Knochenkörperchen in einer solchen schein- bar geschlossenen Knorpelhöhle erscheinen, ist für die Autoren nichts be- fremdendes, da sie ja auch deu Knorpelzellen, die mitten in einem sklero- 3860 Josef Schaffer: sirten Gewebe gewiss dem Untergang geweiht sind — wie es auch ihr Aus- sehen bekundet — eine Proliferation zuschreiben. Ich muss hier daran erinnern, dass bereits H. Müller im Resum6& seiner Arbeit hervorhebt, dass die Ausfüllung einzelner, zuvor geöffneter Knorpel- höhlen mit Knochensubstanz, die er als eine Art Pseudomorphose bezeichnet, häufig den Anschein des direkten Uebergangs der Knorpel- in Knochensub- stanz gebe und Kutschin sah bei Querschnitten von Röhrenknochen Bilder zu Stande kommen, die scheinbar sehr entschieden für die Metaplasie sprechen. Diese Bilder entstehen, wenn die Markräume klein sind und eine rundliche Form besitzen und durch mehrere enge Oeffnungen mit grossen Markräumen in Verbindung stehen. Dann gleichen sie einzelnen Knochenkapseln mitten im Knorpel. Kappt nun der Schnitt den Knorpel so, dass die erste An- lagerung von Knochensubstanz, die vielleicht schon eine Knochenzelle ent- hält, erscheint, so ist diese Knochenlamelle mit dem Knochenkörperchen natürlich rings umschlossen von Knorpel, der direkt in den Knochen über- geht und das wird meist für substitutive Verknöcherung gehalten. Wir haben nun die Atrophie des Knorpels, die Zerstörung seiner Reste und das Entstehen neuer Knochensubstanz besprochen und müssen zur Vervollständigung des ganzen Bildes noch der un- gemein schwierigen und mit der Metaplasie des Knorpels in Be- ziehung stehenden Frage nach dem Schicksale der Knorpel- zellen und der Herkunft der Markzellen, welche die Knorpelhöhlen ausfüllen, gedenken. An eine Metaplasie des Knorpels in Knochen im Sinne Virchow's kann heute, wo wir die ziemlich complieirte Struktur des echten Knochen kennen, Niemand mehr glauben, er müsste denn eine Reihe von hypothetischen und sehr zweifelhaften An- nahmen zu Hülfe nehmen, die durch keine thatsächliche Beobach- tung gestützt werden und gegenüber der plausiblen, manchen un- anfechtbaren Wahrnehmungen entsprechenden neoplastischen Ossi- ficationslehre geradezu als unwissenschaftlich bezeichnet werden müssten. Eine andere Möglichkeit der Vorstellung, welche wenigstens eine auch für die neoplastische Ossification noch heute nicht end- gültig entschiedene Thatsache für sich hätte, wäre die, dass sich die Knorpelzellen in Markzellen umwandeln, diese dann den Kno- chen produeiren — also auch eine indirekte Persistenz der Zellen — und dann die bekannten Reste der Knorpelgrundsubstanz in fibrilläre Knochengrundsubstanz übergingen!). Den letzten Theil 1) Siehe Ziegler, Virchow’s Arch. Bd. 73, S. 359. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefragre. 361 8 I [2 dieser Anschauung müssen wir nach den gegebenen Schilderungen für unhaltbar erklären, die Reste der verkalkten Knorpelgrundsub- stanz gehen zu Grunde und haben für den Aufbau des Knochen nur die Bedeutung eines hinfälligen Stützwerkes. Wie steht es aber mit der Beziehung zwischen Knorpel- und Markzellen ? Es ist dies eine alte und viel umstrittene Frage, in der man zur Stunde noch zu keiner Uebereinstimmung gelangt ist. Die älteren Autoren mussten gemäss ihrer metaplastischen Anschauung auch eine direkte Umwandlung der Knorpelzellen in Markzellen annehmen, worin sie die häufige und vielfach betonte Beobachtung bestärken mochte, dass an der Ossificationsgrenze die Knorpelzellräume immer von zellreichem Gewebe erfüllt sind, wenn sie oft auch scheinbar nicht eröffnet sind, was sich aber sehr schwer nachweisen lässt. So halten denn auch heute noch viele hervorragende Forscher an der Anschauung des genetischen Zusammenhanges zwischen Knorpel- und Markzellen fest, wie besonders Virchow, Ranvier, Waldeyer, Klebs, Neumann und ehedem auch Kölliker und Gegenbaur. Aber schon Bruch hat, wie wir bei der allgemeinen Be- sprechung der Metaplasie gesehen haben, klar und deutlich die genetische Unabhängigkeit beider Gewebe, insonders der Knochen- körperchen von den Knorpelzellen ausgesprochen. Aber der eigent- liche Anstoss zum endlichen Bruch mit der alten Lehre mag son- derbarer Weise von H. Müller ausgegangen sein, der im Grossen und Ganzen ebenfalls an der alten Ansicht festhielt, dass die Mark- und jungen Knochenzellen im Allgemeinen als Abkömmlinge der Knorpelzellen zu betrachten sind, aber als erster die Wahrnehmung machte, dass viele in der verkalkten Grundsubstanz enthaltene Knorpelzellen zu Grunde gehen. Verfolgt man die Darstellung H. Müller’s, so sieht man daraus des öfteren, dass er in dieser Frage zu keiner entschiedenen Anschauung gelangen konnte. Die überkommene und damals herr- schende Ansicht, dass die Markzellen aus Knorpelzellen hervor- gehen, war ihm zu geläufig, als dass er sie rundweg ablehnen mochte und andererseits fand der gewissenhafte Forscher kein einziges beweisendes Bild für eine solche Umwandlung. Dass nicht alle Knorpelzellen zu Markzellen werden, sondern viele zu Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22, 23 362 Josef Schaffer: Grunde gehen spricht er schon klar aus und an einer anderen Stelle bezeichnet er es als denkbare Auffassung, dass die Kanäle im Innern von Knorpel, von denen die Bildung der echten Kno- chensubstanz ausgeht, gewissermaassen Einstülpungen des Perichon- driums wären und alle Knochenzellen Abkömmlinge der aus Pe- richondrium hervorgehenden Markzellen; freilich fügt er gleich hinzu: „Es ist dies indessen nicht wahrscheinlich, da an vielen Stellen wenigstens der Anschein sehr dafür ist, dass Abkömm- linge der Knorpelzellen selbst zu Knochenzellen werden.“ Loven (l. ec.) erkannte bereits, dass der Knorpel durch den Verkalkungsprozess zu Grunde gehe, indem Blutgefässe von aussen aus dem periostalen Bildungsblastem in das Innere des Knochen- knorpels eintreten und Rollett!) machte der Auffassung Virchow’s und seiner Anhänger den gewichtigen und heute noch nicht ent- kräfteten Einwurf, dass er bei ausgedehnter Untersuchung von Prä- paraten niemals Uebergänge der grossen, hellen Knorpelzellen durch Theilungs- oder Furchungsstadien hindurch zu den dunkel- körnigen Zellen, welche unmittelbar an dieselben stossen, habe auf- finden können; und solche Uebergänge sollte man doch häufig erwarten, wenn die Knorpelzellen als Mutterzellen das Mark durch Theilung produciren würden. Rollett’s Ansicht von der Unab- hängigkeit des Markes von den Knorpelzellen fand bald weitere Bestätigung durch die Untersuchungen seines Schülers Kutschin (l. e.) und die Levschin’s?). Auch Strelzoff und sein Schüler Kastschenko?) traten sehr erfolgreich dafür ein und Uranos- sow*) kam durch Untersuchungen an Vogel-, Säugethier- und Menschenembryonen zum Schlusse, dass der Knorpel und dessen zellige Elemente bei der Bildung des Knochengewebes nicht be- theiligt sind; der Knorpel spiele eine passive Rolle, indem er durch Atrophie dem sich entwickelnden Knochengewebe Platz mache. Eine ganz eigenthümliche Anschauung vertritt in diesem Punkte die Schule Stricker’s. 1) Stricker’s Gewebelehre. 2) Zur Entwicklung des Knochengewebes an den Diaphysenenden der Röhrenknochen der Neugebornen. Bull. de l’Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg T. VII. 3) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIX. 4) Cit. bei Stieda, Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 363 Schöney!) hebt hervor, dass am Ossificationsrande nicht die geringste Andeutung von Theilung der Knorpelkörperchen vor- handen sei und dennoch scheint es ihm ausser Frage zu sein, dass aus dem Knorpelgewebe direkt Markgewebe wird, bei Vögeln eben so gut wie bei Säugethieren. Kassowitznimmt einerseits eine Vermehrung der Zellkörper innerhalb der noch gänzlich geschlossenen Zellenhöhlen an, anderer- seits lässt er aber auch, wie schon erwähnt, das Markgewebe als Ganzes aus einer Umwandlung des Knorpelgewebes entstehen. Betrachten wir nun die Verhältnisse der Markbildung am Unterkiefer, so erinnern wir uns zunächst daran, dass beim peri- chondralen Typus der Knorpel in toto resorbirt wird, derselbe daher für die Markbildung nicht vom geringsten Be- lange sein kann. Hingegen sehen wir beim processus cor. an den Einbruchsstellen der Gefässe, welche sämmtlich dem subperio- stalen Gewebe angehören, in den Knorpel (Fig. 21 E) zellige Elemente längs derselben hineinwuchern und in den durch die Resorption des Knorpels gebildeten Markräumen die Rolle von Markgewebe (Osteoblasten) spielen. Ob die mächtigen Protoplasmamassen der Osteoklasten auch zu Markzellen werden können, wie behauptet wird, kann ich nach meinen Präparaten nicht entscheiden. Ganz dasselbe Mark, welches bei der perichondralen (wie auch periostalen) Ossification zweifellos ohne jeden Zusammenhang mit Knorpelzellen gebildet wird, finden wir nun in den eröffneten Zellenhöhlen bei der modifieirt endochondralen Verknöcherung. Ich verweise hier auf das bei der Besprechung der chondrolytischen Zone Gesagte hin und erinnere daran, dass die grossen Knorpel- zellhöhlen fast immer stark veränderte Zellen enthalten, die ihren beginnenden Zerfall durch den Mangel eines deutlichen, wohlerhaltenen Kernes bezeugen. Diese Ver- änderung des Kernes ist weit verschieden von der als Zeichen mitotischer Theilungsvorgänge beschriebenen Vacuolisirung, besteht vielmehr in einem Verwaschenwerden und Verlorengehen des Kern- eontours, so dass er sich aufzulösen scheint. Dennoch wurden diese Beobachtungen bezweifelt und geradezu für Proliferations- erscheinungen in Anspruch genommen. Daher freut es mich sehr, 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, 8. 246 u. 247. 364 Josef Schaffer: in einer mir soeben bekannt gewordenen Arbeit Leser’s!) meine Anschauung durch eine unanfechtbare Methode bestätigt zu sehen. Leser hat speziell diese Vorgänge an der Ossificationsgrenze zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht und ist durch die Ver- folgung der Kerntheilungsfiguren an jungen Hunden, Katzen und Kaninchen zu der Ansicht gekommen, „dass in der Nähe der Mark- räume mit den Knorpelzellen Veränderungen vorgehen, welche ihren thatsächlichen Untergang (so muss es wohl statt des sinnstörenden Druckfehlers Uebergang heissen) einzuleiten scheinen: das Proto- plasma der Zelle wird blass, es sieht hydropisch aus, der Kern verliert seine Gerüstsubstanz, er erscheint blasenähnlich“. Leser sah auch „ganz in der Nähe der Verkalkungslinie“ oft sehr ge- räumige Knorpelhöhlen ganz leer, einzelne noch mit Resten pro- toplasmatischer Zellsubstanz angefüllt, nie aber eine Spur karyo- kinetischer Figuren. Nichts desto weniger geht aus meinen Präparaten zweifellos hervor, dass viele dieser atrophirenden Knorpelzellen durch die Auflösung der Kapsel frei werden und in das Markgewebe gerathen, wo ihrangebahnter Untergang bald vollendet wird. Dies ist also die einzige Beziehung des Knorpels zum Mark- gewebe, dass knapp unter der chondrolytischen Zone Untergangs- formen der Knorpelzellen in’s Markgewebe gerathen, welche hier der endlichen Resorption verfallen, eine Thatsache, die Rollett (l. e.) bereits vermuthungsweise ausgesprochen hat und die ich an allen meinen Präparaten unzweifelhaft bestätigen konnte. (Vgl. Fig. 25k u. Fig. 26 Kz.) Eine active Theilnahme an der Markbildung "muss dem Knorpel unbedingt abgesprochen werden. Dagegen sehen wir die Wucherung des Markgewebes an die Gefässe gebunden, welche unter der chondrolytischen Zone eine mächtige Entwicklung erlangen und vielfach mit ihren capillaren Schlingen Knorpelhöhlen ausfüllen. Dabei scheint es mir eine nicht unwichtige Erscheinung zu sein, dass die Axen der Markzellen, welche vielfach Spindelform besitzen, fast immer parallel zum nächsten Gefässchen stehen 1) Leser, histologische Vorgänge an der Ossificationsgrenze. Bericht über d. Verh. d. deutsch. Gesellsch. f. Chir. XVII, Congress 1888. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 365 (Fig. 25, m), so dass dieses offenbar die Wachsthumsrichtung des Markgewebes bestimmt und in diesem Sinne muss man die Gefässe als Einfuhrsbahnen für das Markgewebe bezeichnen. Be- denken wir weiter, dass der ganze Stiel des Gelenkfortsatzes aus einem Sparrenwerk von Knochenbälkchen besteht, zwischen »wel- chem allenthalben grosse, communieirende Markräume verlaufen, die direkt bis an das Periost reichen einerseits und die ausser- ordentlich reiche und mächtige Gefässversorgung dieser Markräume, die wie ein mächtiges Ernährungskanalsystem die Balken des Ossi- fieationsgewebes umgeben andererseits, so müssen wir es wohl für wahrscheinlich halten, dass auf dieser reichlichen Gefäss- bahn Markzellen und Osteoblasten aus der Bildungsge- schichte des Periostes eingeführt werden und mit den Ueberresten der embryonalen Bildungszellen, welche fortwuchern!), das junge Markgewebe bilden. Ganz deut- lich sehen wir ja am Röhrenknochen das Hereinbrechen des Markes von aussen her und andererseits kennen wir Knochen, die gar nichts mit Knorpel zu thun haben und eben solches Mark besitzen, wie die aus präformirtem Knorpel entstandenen. Diesen Zusammenhang des Markgewebes im Innern knorpelig präformirter Knochen mit dem subperiostalen Gewebe derselben hat bereits Virchow?) gesehen und Loven (I. c.) folgerte daraus die Zerstörung des Knorpels durch das wuchernde Markgewebe. Auch Gegenbaur?) giebt die Möglichkeit der Abstammung des Markes vom Perichondrium zu und wenn ich zum Schlusse noch Kölliker, Steudener, Busch und Boll*) als Anhänger dieser Anschauungen nenne, so scheint sie mir den gegentheiligen Behauptungen gegenüber hinlänglich gestützt, umsomehr, als die Gründe, welche für die Knorpelmetaplasie von ihrem eifrigsten Vertreter, Kassowitz5), beigebracht werden, bei näherer Betrach- tung sich als durchaus nicht stichhaltig erweisen. 1) Nach Julin (l. e. S. 128, Couclusion 13) stammt das junge Mark- gewebe, sei es bei der Ossification von Knorpel oder von Bindegewebe thätig gewesen, von Veränderungen, die das Knochenbildungsgewebe eingegangen hat; ist daher in beiden Fällen dasselbe. 2) Virchow’s Archiv X. S. 441. 3) Centralbl. f. med. Wiss. Nr. 2, 1865. 4) Centralbl. f. med. Wiss. Nr. 42, 1873. 5) .12e.)8. 1608: 366 Josef Schaffer: Er glaubt bei der sachlichen Widerlegung zuerst den Einwand zu entkräften, dass eine scharfe Grenze zwischen Knorpel und Mark bestehe (Rollet), welchen er selbst für die absolut normalen Vorgänge (um die es sich ja schliesslich hier handelt) nur mit dem Vorbehalte zugesteht, dass auch hier eine organische Continuität zwischen beiden Geweben besteht und leicht’ nachgewiesen werden kann. Er will damit wohl nur sagen, dass räum- lich Knorpel in Markgewebe übergeht, d. h. das eine auf das andere neben- einander folgt, was wohl nie Jemand bezweifelt hat; beim Gelenkkopf ist übrigens auch diese enge Continuität durch die chondrolytische Zone unter- brochen. Weiter bezeichnet er es als eine ganz willkürliche Annahme, dass in den Knorpelzellen an der Grenze der Markraumbildung gewisse Zeichen des Alterns und des Zerfalles sichtbar werden sollen. Diese angeblichen regres- siven Vorgänge sind im Gegentheil nichts, als die präparatorischen Verände- rungen, welche der Blut- und Markbildung aus dem Knorpel vorangehen und „bieten diese Umwandlungsprodukte des Knorpels die Reaction der jungen protoplasmatischen Substanz mit wünschenswerther Deutlichkeit dar“. Be- treffs dessen muss ich auf meine Beobachtungen verweisen und auf die Re- sultate der Arbeit Leser’s. Endlich benimmt Kassowitz der „Verdrängungstheorie‘‘ den letzten Halt durch den Nachweis der metaplastischen Ossification des Knorpelge- webes! Dieser Nachweis kann jedoch meiner Meinung nach nie erbracht werden, denn wir können immer nur einen gegenwärtigen Zustand von Gewebe neben- und nacheinder constatiren, immer aber entzieht sich in unserem Falle das Werdende und Wachsende unserer direkten Beobachtung. Es können und müssen nur zahlreiche Thatsachen gesammelt werden, die für die eine oder andere Thatsach& sprechen und so die eine oder andere wahrscheinlich machen. Einen Beweis für die eine oder andere denke ich mir jetzt noch un- möglich. Bei aller Polemik gegen die Anschauung von der genetischen Un- abhängigkeit von Knorpel und Mark hat aber Kassowitz auf das wichtigste Argument vergessen, welches gegen seine Auffassung spricht, nämlich auf den öfter betonten, unzweifelhaften Umstand, dass sich in periostalen Markräumen ein Mark von ganz derselben Beschaffenheit findet, wie in endostalen. Wenden wir uns nun zum Schlusse dieses Kapitels. Wir haben bis jetzt nur Längsschnittsbilder besprochen, müssen daher unsere Beschreibung durch die eines Querschnittes kurz er- gänzen. Brock und Masquelin heben hervor, dass man an Hori- zontalschnitten des Gelenkfortsatzes dasselbe sehen können, wie bei Röhrenknochen am Längsschnitt. Dies ist in gewisser Be- ziehung für eine bestimmte Anzahl von Schnitten richtig und zwar für alle jene Schnitte, welche zwischen zwei Ebenen liegen, wovon Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 367 die eine durch den vorderen, unteren, die andere durch den hin- teren, unteren Rand des Knorpelkerns gelegt wird. Die Ossification schreitet nämlich von der hinteren Kante des aufsteigenden Astes nach vorne hin weiter und reicht rückwärts höher hinauf als vorne; daher fällt die untere Fläche des Knorpel- kerns (die Eröffnungsfläche) von hinten nach vorne zu ab, d. h. der Knorpelkern ist vorne dicker als hinten und lege ich nun einen Horizontalschnitt zwischen beiden erwähnten Ebenen, so treffe ich vorne noch den Knorpel, darauf die Eröffnungszone, Össificationszone und endlich den fertigen, periostalen Knochen, mit einem Wort, ich erhalte am Horizontalschnitt von vorne nach hinten ganz dasselbe Bild, wie am Längsschnitt von oben‘nach unten. Brock hat eine gute Beschreibung eines solchen Quer- schnittes gegeben, der ich nur die für uns interessante Bemerkung entnehme, dass vielfach schon die Zellen der verkalkten Knorpel- balken von den Markräumen aus eröffnet werden, bis nur die Grundsubstanz übrig bleibt. Natürlich lässt er daneben Knorpel- zellen und Knorpelzellnester deutlich in echte Knochenkörperchen übergehen, ein Vorgang, der durch den perichondralen Ver- knöcherungstypus, dem diese Knorpelinseln verfallen sind, vorge- täuscht wird. Kehren wir nun zu den Längsschnittsbildern zurück, so wird uns der weitere Fortgang der Verknöcherung, dessen Details immer dieselben bleiben an der Reihe von Gelenkfortsätzen, welche auf Tafel IX, Fig. 8—13 zusammengestellt sind und an denen das Gebiet der Eröffnungs- und Ossificationszone durch einen grauen Tuschton angedeutet ist, klar werden. Wir sehen mit zunehmendem Alter des Embryo das Ossi- ficationsgebiet kleiner, schmäler werden und höher hinaufrücken. Wie wir im vorigen Kapitel gezeigt haben, wird auch der Knorpelkern immer schmäler und oberflächlicher und so können wir die weiteren Vorgänge der ÖOssification kurz so zu- sammenfassen, indem wir sagen: Ist einmal der modifieirt endo- chondrale Typus durch Bildung einer Ossificationslinie und Er- öffnung der Knorpelhöhlen an die Stelle des perichondralen ge- treten, so rückt die Ossificationsgrenze im Gelenkfortsatz in dem Maasse höher, als der Knorpelkern durch Atrophie schwindet. Dadurch muss aber auch das Ossificationsgebiet schmäler werden, 368 Josef Schaffer: d. h. die Eröffnungszone und die Össificationszone rücken näher aneinander. Durch dieses enge Ineinandergreifen von Eröffnung der Knorpelhöhlen, Einlagerung von Knochen und Resorption dessel- ben wird wieder ein eigenthümliches Aussehen der Markräume knapp unterder Eröffnungslinie bedingt; ihre Beurtheilung ist eine schwierige, indem sich der in den Knorpelhöhlen neugebildete Knochen direkt in das reichliche Markgewebe fortsetzt und ihre Ränder durch die reichliche Osteoklastenresorption vielfach ausgebuchtet, angenagt sind. Erst weiter unten werden ihre Ränder scharf, die Knochen- balken glätter, frei von Knorpelgrundsubstanzresten, netzförmig sich verbindend, von höchst unregelmässigen, meist kurz eylinder- förmigen Markräumen getrennt, deren Längsaxen grösstentheils parallel der Verticalaxe des Gelenkfortsatzes verlaufen. In späteren Stadien folgt also gleich auf die Eröffnung der Knorpelhöhlen auch die Knocheneinlagerung in dieselben, der Knorpel wird zum Gelenküberzug und damit ist die grösste Aehnlichkeit mit dem endochondralen Typus am Röhrenknochen erreicht. So erhalten wir auch beim Gelenkfortsatz des erwachsenen Thieres schliesslich ein ähnliches Bild, wie am Kronenfortsatz, nur wird das Knochenbalkengerüst seinem Zweck als Gelenkende entsprechend nicht von Periost, sondern von einer schmalen, klein- zelligen Knorpelschicht, dem letzten Rest des mächtigen Knorpel- kernes überzogen. VIII. Schluss und Zusammenfassung. Bevor ich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit übersicht- lich zusammenstelle, möchte ich noch einige Bemerkungen über die plastische Thätigkeit der Resorption und Apposition an den von uns besprochenen Theilen des Unterkiefers machen. Bekanntlich waren es gerade die complieirten Formbildungs- verhältnisse am Unterkiefer, das schwer zu verstehende Zurück- weichen des aufsteigenden Astes, um der Zahnentwicklung Platz zu machen, welehe Virchow noch lange an der Annahme eines expansiven Knochenwachsthums festhalten liessen. Später scheint Virchow nun selbst eine ausreichende Erklärung dafür in der wechselnden Thätigkeit von Resorption und Apposition gefunden zu haben, indem er sagt!): „Am vorderen Rande des proc. coron. 1) Berl. klin. Wochenschr. Nr. 1 u. 2, 1875. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 369 und eondyl. und ineisura erfolgt Resorption, da liegen die Riesen- zellen und fressen den Knochen auf. Geschieht nun am hintern Umfange beider Fortsätze und am Kieferwinkel äussere Apposition, so ist allerdings die Möglichkeit gegeben, dass der Ast allmählich weiter nach hinten rückt.“ Kölliker!) führt für den Unterkiefer des Kalbes als typische Resorptionsflächen an: „Eine am vorderen Rande des proc. coron. bis 3,2 em Entfernung von der Spitze und am vorderen Rande des proc. condyl., an dem an der medialen und lateralen Seite die Resorptionsflächen besonders entwickelt sind und hier bis unter die Ineisur, dört bis zum Foramen alveolare sich erstrecken, auf dessen laterale Wand sie übergehen.‘ Die wichtigste und von allen Beobachtern hervorgehobene Resorptionsstelle ist die am vordern Rand des proc. coron. So erwähnt dieselbe ausser Kölliker bereits Humphrey), der auf experimentellem Wege beim Schweineunterkiefer fand, dass derselbe ausschliesslich durch Ansatz neuer Substanz am hinteren Rande und Resorption am vordern Rande des proc. coron. und condyl. verlängert wird; ausserdem Lieberkühn?), Henke), Brock’) ete. Vergegenwärtigen wir uns wieder die ursprüngliche Form des Unterkiefers zur Zeit, wo Gelenk- und Kronenfortsatz bereits - kenntlich sind (Fig. 1) und vergleichen wir damit die des erwach- senen Unterkiefers, so wird uns die modellirende Thätigkeit der Anlagerung und Zerstörung leicht verständlich werden. Ich habe sie an Reihen von Horizontalschnitten, wo sie am besten zu über- sehen ist, als auch an den Frontalsehnitten studirt und bin in der Hauptsache kurz zu folgenden Resultaten gelangt. Der anfangs fast in der Verlängerung des Alveolarastes liegende Gelenkast er- fährt seine Aufrechtstellung d. h. seine Umwandlung in den auf- steigenden Ast durch eine energische Appositionam Angulus und die erwähnte Resorption am vordern Rande des 1) Verhandlg. d. Würzb. phys. med. Gesellsch. N. F. III. Bd. 2) On the growth of the jaws. Transact. of the Cambrigde philosoph. society. Vol. IX. 3) Ueber Wachsthum des Unterkiefers und der Wirbel. Marburger Sitzungsber. 10, 1867. 4) Handbuch der Kinderkrankheiten I, DIE c: 370 Josef Schaffer: proc. coron. und an dem stumpfen Winkel, den dieser mit dem Alveolarast bildet. Am proc. coron. findet ausserdem Resorption amhintern Rande und Apposition an der Spitze und an den ober- sten Theilen des vorderen Randes statt, welche Combination seine endliche, verticale Stellung bedingt. Man kann sich den sanzen Vorgang grob versinnbilden durch die abwechselnde oder combinirte Thätigkeit einer schiebenden und ziehenden Kraft an einem schiefliegenden Stabe. Vergleicht man die Resorption der schiebenden, die Apposition der ziehenden Kraft, so muss der Stab, wenn von unten vorne und oben rückwärts geschoben und vorne oben gezogen wird, endlich senkrecht stehen. Dies erklärt auch seine Entfernung vom vorderen Rande des proc. glenoid. Ausserdem weicht aber der Kronenfortsatz später auch von der medianen Sagittalebene, die man sich zwischen beiden Kiefer- ästen denkt nach aussen ab, was durch eine an der medianen Fläche stattfindenden Resorption und durch Apposition an der Aussenfläche, vergleichsweise Druck von innen, Zug von aussen bewerkstelligt wird. Im grossen Ganzen sind die Verhältnisse am Gelenkfortsatz dieselben, nur erfahren sie hier bedeutende Complieationen durch die Ausbildung des Gelenkkopfes. Auch das Auseinanderweichen der Gelenkäste nach rückwärts zu wird durch Resorption an der Innenfläche und Apposition an der Aussenfläche bewerkstelligt und durch Resorption an seiner vorderen Fläche von der Ineisur aufwärts und Apposition an der hinteren Kante rückt er zurück, entsteht die tiefe ineisura semilunaris, während das Höhenwachs- thum durch die Entwicklung und Verknöcherung des Knorpel- kernes stattfindet. Wir sehen also schon aus dieser oberflächlichen Darstellung, dass abwechselnde Apposition und Resorption, wobei selbstverständlich eine in die andere übergehen kann, wodurch dann eine indifferente Fläche im Sinne Kölliker’s entsteht, die Formgestaltung des Unterkiefers hinlänglich erklärt. Die Anschauungen, zu welchen ich durch vorliegende Arbeit gelangt bin, lassen sich nun kurz in folgende Sätze zusammen- fassen: Der Unterkiefer wird sehr frühe als Deckknochen des Meckel- Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 37 schen Knorpels angelegt und ist im ersten Beginne keiner seiner Theile knorpelig vorgebildet. Das Bildungsgewebe, in welchem er entsteht, ist embryonales Zellgewebe, welches durch die vorbe- reitenden Vorgänge einer lebhaften Zelltheilung und Gefässneu- bildung zur osteogenen Substanz wird; die embryonalen Bildungs- zellen werden in ihrem Bereiche zu Osteoblasten. Der junge Knochen besitzt grosse, diehtgedrängte Zellenhöhlen und reagirt auf Farbstoffe ähnlich wie Knorpel; wir bezeichnen ihn daher wegen dieser morphologischen und färberischen Aehnlichkeit als chondroiden Knochen. Frühzeitig tritt im Gelenkfortsatz eine Aenderung des Gewebetypus ein, indem die Bildungszellen nicht mehr Knochen, sondern in engstem, räumlichem Zusammenhange mit diesem ein Uebergangsgewebe zu Knorpel und endlich hya- linen Knorpel bilden. Dieser hyaline Knorpelkern an der Spitze des Gelenkfortsatzes übernimmt fortan das Wachsthum des Gelenk- kopfes, wird durch Resorption von unten her immer niedriger und endlich ganz an die Oberfläche gedrängt, wo er den knorpeligen Gelenküberzug bildet. Der Knorpelkern im Gelenkkopf reicht bis in die ineisura semilunaris; diese besitzt also keinen selbststän- digen Knorpelkern. Wohl aber besitzt einen solchen der angulus, unabhängig von dem des Gelenkkopfes. Auch im Kronenfortsatz tritt ein schmaler, langer, hyaliner Knorpelkern auf, aber erst relativ spät und vollendet derselbe seine Function noch während des Fötallebens, so dass gegen das Ende desselben keine Spur von Knorpel mehr im Kronenfortsatz gefun- den wird. Wahrscheinlich ist bei den meisten Säugethieren der Grad seiner Entwicklung und die Dauer seines Vorhandenseins abhängig von der Grösse des fertigen Kronenfortsatzes. Der Knorpel im Unterkiefer hat den Charakter eines soge- nannten Parenchymknorpels, d. h. seine Grundsubstanz ist sehr spärlich, die Zellen gross, dicht gedrängt, ohne Spur einer be- stimmten Anordnung. Sie füllen im frischen Zustande ihre Kapseln anscheinend vollständig aus, wie die Zellen anderer hyaliner Knorpel; dennoch müssen wir zwischen ihnen und der Kapsel eine Spur freier Flüssig- keit annehmen, die beim Härten des Präparates in Chromsalzen in Form eines mit Hämatoxylin färbbaren Netzwerkes um die ge- schrumpfte Zelle gerinnt. Gegen die Peripherie und die Knorpel- kanäle zu werden die Zellen kleiner, gegen die Verkalkungs-, resp. 372 Josef Schaffer: Össificationsgrenze vergrössern sie sich und tritt hier eine physio- logische Schrumpfung derselben auf. Der Knorpelkern besitzt von der chrondrogenen Zone her ein appositionelles und ausserdem in den oberen Theilen ein inter- stitielles Wachsthum und finden hier wahrscheinlich Kernthei- lungen statt. Gegen die Verkalkungs- und Eröffnungsgrenze zu erscheinen die Zellen offenbar dem Untergange verfallen. Sowohl an den seitlichen Oberflächen des unverkalkten Knorpel- kerns, als auch an den Buckeln und Buchten des verkalkten lagern sich bald nach seinem Entstehen Osteoblasten an. Der verkalkte Knorpel ähnelt einem grossblasigen Knochen, kann daher in diesem Zustande passend als osteoider Knorpel be- zeichnet werden. In der Ossification der Knorpelkerne lassen sich zwei Typen unterscheiden, deren Extreme wohl charakterisirt sind, die aber, einer aus dem andern hervorgehend, eine Reihe von allmählichen Uebergängen zwischen sich fassen. Der zuerst vorherrschende Modus ist der der Aigen der perichondrale Typus. Er findet sich bei der Verknöcherung des Kronenfortsatzes, wo er geradezu schematisch abläuft fast ausschliesslich und im ersten Stadium der Verknöcherung beim Gelenkfortsatz. Er ist ausgezeichnet durch: Auflagerung osteoblastischen Knochens auf verkalkten, wie auch unverkalkten, intacten oder bereits der Re- sorption verfallenen Knorpel; gänzliche Zerstörung des Knorpels in toto von einer freien Seite her durch Osteoklasten, wobei der aufgelagerte Knochen stehen bleibt oder auch theilweise derselben Resorption verfallen kann. Daher findet man überall direkte, räumliche Uebergänge von osteoidem Knorpel in chondroiden Knochen und in den tieferen Partien häufig einzelne uneröffnete Knorpelkapseln oder ganze Nester von solchen, welche später ebenfalls von einer freien Seite her resorbirt werden. Beim Kronenfortsatz tritt an die Stelle des axialen Knorpel- kerns durch Resorption desselben ein grosser Markraum. Beim Gelenkfortsatz ist die Markraumbildung in Folge der überaus reichen Vascularisation eine höchst unregelmässige und dieses Ossifieationsgebiet geht ganz allmählich über in das Knochen- Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 373 balkenwerk der tieferen Partien. Weiter mangelt beim Gelenk- fortsatz in diesem Stadium eine Ossificationslinie; der osteoide Knorpel geht ganz allmählich in den Knochen über. Der zweite Modus der Verknöcherung ist ein modifieirt endo- chondraler (Typus der Einlagerung) und entwickelt sich derselbe am Gelenkfortsatz ziemlich bald aus dem perichondralen. Er beginnt mit der Ausbildung einer ziemlich geraden Ossi- ficationslinie, an der eine regelrechte Eröffnung der Knorpelhöhlen und theilweise molekulärer Zerfall und Resorption der verkalkten Knorpelgrundsubstanz ohne Osteoklasten stattfindet. Diese eröff- neten Knorpelhöhlen, welche sich alsbald mit Markzellen füllen, bilden anfangs eine ziemlich breite Zone (Eröffnungszone) und erst tiefer unten findet Anlagerung neuer Knochensubstanz an die cha- rakteristisch geformten Knorpelgrundsubstanzreste nach endochon- dralem Typus statt. Dabei bleiben auch hier noch geschlossene Knorpelzellen und Gruppen von solchen stehen, gerathen oft tief in das Össificationsgebiet, wo sie ebenfalls der Resorption anheim- fallen. Durch das Stehenbleiben dieser Knorpelinseln, die nach periehondralem Typus verknöchern, und durch den Mangel einer „Riehtung“ der Knorpelzellen ist nebst Anderem auch der Unter- schied von der endochondralen Ossification an Röhrenknochen ge- geben, der aber immer mehr schwindet. Die Eröffnung der Knorpelhöhlen geschieht in der chondro- lytischen Zone und geht der Knorpel unter dem Einfluss der Blut- sefässe durch einen eigenthümlichen Lösungsprocess zu Grunde, der durch Entkalkung, farblos werden, molekulären Zerfall und endliche Resorption ausgezeichnet ist (Chondrolyse). Auch die im endochondralen Knochen eingeschlossenen Knorpel- reste werden sammt dem Knochen durch Osteoklasten resorbirt. Die Knorpelzellen gehen grösstentheils schon an der Eröffnungs- srenze zu Grunde, einzelne gerathen vor ihrem gänzlichen Unter- gang noch mit in das Markgewebe, haben jedoch nicht die geringste active Theilnahme an der Markbildung. Die Markzellen und Osteoblasten werden aus der Bildungs- schichte des Periostes auf der reichlichen Gefässbahn eingeführt und bilden mit den Ueberresten der embryonalen Bildungszellen, welche fortwuchern, das junge Markgewebe. Die Bildung von Knochensubstanz wird durch eine partielle 374 Josef Schaffer: und zwar oberflächliche Differenzirung des Plasmas der Osteo- blasten bedingt; der Zellkern wird mit einem Reste entwicklungs- fähigen Protoplasmas zur Knochenzelle. Der Knorpel hat bei der Unterkieferverknöcherung eine pro- visorische Bedeutung; er dient gleichsam als Modell, um welches die Knochenform gegossen wird und das dann zur Resorption ge- langt, um dem definitiven Ausgusse mit Knochen Platz zu machen. Eine wirkliche, metaplastische Ossification ist am Unter- kiefer nicht nachzuweiseu. Ein genetischer Zusammenhang von Knorpel und Knochen wird aber vielfach vorgetäuscht und zwar durch folgende Momente: Durch die direkte Auflagerung von chondroiden Knochen auf osteoiden Knorpel, zwei sehr ähnliche Gewebe, welche weder mor- phologisch noch färberisch eine scharfe Grenze zwischen sich er- kennen lassen und daher im innigsten, räumlichen Zusammenhang stehen. Durch den Umstand, dass sich junger Knochen der Färbung gegenüber ähnlicher dem Knorpel verhält, als fertigem Knochen, Durch die reichliche Vascularisation und höchst unregelmässige Markraumbildung am Gelenkfortsatz. Durch den Umstand, dass beim perichondralen Typus der verkalkte Knorpel nach Art des Knochens durch ÖOsteoklasten re- sorbirt wird. Durch die Bildung von globulis osseis, welche durch den Schnitt häufig so getroffen werden, dass sie rings von Knorpel grundsubstanz umgeben erscheinen. Endlich durch das Stehenbleiben geschlossener Knorpelkapseln oder von Gruppen derselben im Ossificationsgebiete. Die Formgestaltung des Unterkiefers wird hinreichend durch die Vorgänge der Apposition und Resorption erklärt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX—XI. Aleyn 18G Alle Figuren dieser Tafel sind mit dem Zeichenapparate von Winkel bei einer beiläufig 6fachen Vergrösserung gezeichnet. Fig. 1. Sagittalschnitt durch das hintere Ende der Unterkieferanlage des Embr. 4,2cm. K Kronen-, G Gelenkfortsatz. T Musc. temp. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 375 Fig. 2—12 stellen Frontalschnitte vom Gelenkfortsatz einer Reihe von Schaf- embryonen dar und geben ein schematisches, aber in den Maassver- hältnissen richtiges Bild der Entwicklung des Knorpelkernes, der Ossificationsgebiete und der Össificationslinie. Fig. 2—7. Das Gebiet der perichondralen Ossification schwarz. Fig. 8—12. Das Gebiet der modifieirt endochondralen Ossifi- cation grau. Die der Figurennummer beigesetzte Zahl bedeutet die Länge des betreffenden Embryo. K primäre Lamelle, B osteogenes Blas- tem, P Periost u. Perichondrium, Kp Knorpel, M Meckel’scher Knorpel. Fig. 13. Frontalschnitt durch den Gelenkfortsatz eines ca. 10 Tage alten Fig. Fig. Fig. Lammes. Der Knorpelkern hat hier die Gelenkoberfläche erreicht und bildet den dünnen Gelenküberzug. Das Gebiet der modificirt endochondralen Ossification (grau) ist sehr schmal, die Markräume verwischt und durchsät von ÖOsteoklasten, die durch Tuschpunkte markirt sind. TarıX: Sämmtliche Fig. dieser Tafal sind mittelst der Camera von Ober- häuser entworfen. V.D. bedeutet die Verticaldistanz des Prisma’s von der Zeichenfläche. Fig. 14. Sagittalschnitt durch das hintere Ende des Unterkiefers vom Embr. 15. 16. 17. Oaker 5l/,cm. Die Anlage des Gelenkkopfes in der Fläche, die des Kro- nenfortsatzes fällt theilweise ausserhalb des Schnittes. K Anlage des Kronen-, G des Gelenkfortsatzes, i intermembranöser Knochen, u Uebergangsgewebe, bl Knochenbildungsgewebe, m Markraum, b Blutgetässe, o Osteoklasten am vorderen Rande des Kronenfort- satzes. Hartnack obere Linse des Obj. II V. D. 25 cm. Querschnitt durch das obere Ende des Kronenfortsatzes des Embr. 6%Y/acm. Kn primäre Knochenlamelle, bl Knochenbildungsgewebe, v. vacuolisirte Kerne, b Blutgefässe. Hartnack Obj. II, ausgezogener Tubus. Querschnitt desselben Präparates in der Niveauhöhe des proc. glen. F spindelzelliges Bildungsgewebe, o Osteoklasten. Sonst wie oben. Eine scheinbare Metaplasiestelle aus einem Querschnitt durch die tiefere Region des aufsteigenden Kieferastes vom Embr. 61/5 cm. oKp verkalkter (osteoider) Knorpel, Kn aufgelagerter Knochen, Kn, unverkalkte Knochenschicht, Ok Osteoklast, der eine Zunge unter den in Resorption begriffenen Knorpel hineinsendet und bei S noch einige Blutkörperchen enthält. Hart. Obj. V. V.D. 21cm. Frontalschnitt durch den Gelenkfortsatz des Embryo von 61/, cm. Erstes Auftreten eines wohlcharakterisirten Knorpelkerns Kp. Kn osteoblastische Knochenablagerung auf denselben. C chondrogene 376 Eiv.=.19: Fig. 20. Fig. 21. Josef Schaffer: Zone, Ko beginnende Verkalkung (osteoider Knorpel), Kk Knorpel- kanal, b Blutgefässe. Hart. Obj. II, eingeschobener Tubus. Querschnitt durch den aufsteigenden Unterkieferast des Embryo von 61/, cm etwas unterhalb der Incisura semilunaris. G Gelenkkopf, K Verbindung mit dem Kronenfortsatz, Kp Knorpelkern gegen die Incisur gerückt, Kn Knochenlamelle im Gelenkkopf, O Osteoblasten- beleg des Knorpelkerns, Kk Knorpelkanal, M Meckel’scher Knorpel. Das übrige Detail unausgeführt. Hart. Obj. II. V.D. 221/, cm. Frontalschnitt durch den proc. coron. des Embr. 15cm. Kk axialer Knorpelkern, welcher von den Markräumen M her resorbirt wird und sich links deutlich (g) gegen den aufgelagerten Knochen Kn ab- grenzt, während rechts eine solche Grenze nicht sichtbar ist, der Knochen vielmehr direkt in den Knorpel überzugehen scheint. Ok Östeoklasten in Lacunen, Ok‘ ein Osteoklast in direktem Zusammen- hang mit einem Blutgefässe, b Blutgefässe, O Osteoklastenbeleg, u unverkalkte Knochenzone, a aplastische Stelle, bei d ein osteo- klastenähnlicher Protoplasmafortsatz des Gefässes b,. Hart. Obj. V. V. D. 21 cm. Frontalschnitt durch den proc.. coron. vom Embr., 15cm (tiefere Partie). Die Ausführung etwas schematisch. Giebt ein über- sichtliches Bild der Ossificationsvorgänge am Kronenfortsatz. Re- sorption des axialen Knorpelkernes Kk durch die einbrechenden Gefässe E und die zahlreichen Osteoklasten Ok. Kn auf Knorpel aufgelagerter (perichondraler) Knochen, Kn, osteoblastisch gebildete Parallelbalken, u unverkalkte Knochenschicht, O Osteoblastenbelag, O’ Östeoblasten in der Fläche, M Markraum, b Blutgefässe. Hart- nack Obj. I. V. D. 25 cm. Taf. XI. Drei Schnitte von Safraninpräparaten mit der Camera gezeichnet. Die Farben geben die Wirklichkeit, so weit es möglich ist, naturgetreu wieder. Fig. 22. Frontalschnitt durch den Kronenfortsatz des Embryo, 15 cm. Kp axia- ler Knorpelkern mit den characteristisch vorragenden Knorpelkapseln, Kn aufgelagerter Knochen, C chondrogene Spitze, b Blutgefässe. Hart. Obj. II, eingeschobener Tubus. . Frontalschnitt durch den proc. coron. des Embryo, 191/gcm, an dem man das Herausmeisseln des axialen Knorpels sieht. Kk Rest des axialen Knorpelkernes, der von zwei Seiten her resorbirt wird. Kn aufgelagerter Knochen, Ok Osteoklasten in Thätigkeit, O Osteo- blastenschicht, b Blutgefässe, S hellere Grenzschicht des Knorpels, welche der Össificationsgrenze beim Gelenkfortsatz entspricht, oK beginnende Knochenauflagerung von innen her. Hartn. Obj. V, ein- geschobener Tubus. Fig. 24. Ossificationspartie aus der tieferen Region eines Frontalschnittes Fig. 2. Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 377 durch den Gelenkfortsatz vom Embr., 121/, cm. Knorpelreste orange’ Knochen farblos, Markgewebe und ÖOsteoblasten roth. Kg Knorpel- grundsubstanzreste, Kn aufgelagerter Knochen, Kn, Knochenein- lagerung im Profil mit einem bereits eingeschlossenen Knochen- körperchen, Kz isolirte, von Knochen eingeschlossene Knorpelzellen, Ok Osteoklast an einem Knorpelgrundsubstanzbalken. Hartnack V. V.D. 141/, cm. Taf. XI. Frontalschnitt durch den Gelenkfortsatz des Embryo, 121/, em. Delafield’s Hämatox.-Eosin. Einmündung eines Knorpelkanals Kn an der Össificationsgrenze. S helle (chondrolytische) Zone an der Össificationsgrenze, r fast farblose Reste der untergehenden Knorpel- kapseln, K freigewordene Knorpelzellen mit undeutlichem Kern, K‘’ stehenbleibende Knorpelzellen sammt Kapsel, Kg verkalkte Knorpel- grundsubstanzreste, Kn beginnende Anlagerung osteobl. Knochens, m andringendes Markgewebe, b Blutgefässe, a geronnene Pericellular- ‚substanz. Hart. Ob. V. V.D. 21 cm. . Eine andere Stelle desselben Präparates. Eröffnung der Knorpel- höhlen, Zerfall und Resorption der Knorpelgrundsubstanz an der Össificationsgrenze, Kk Knorpelkern, Kg Reste der verkalkten Knorpelgrundsubstanz, die durch den Resorptionsprocess oft wie arrodirt aussehen, die Färbbarkeit mit Hämatoxylin verlieren und an Volum bis zum Schwinden abnehmen (Kg,), m Markzellen in einer eröffneten Knorpelhöhle, Kz freigewordene Knorpelzellen. b Blutgefässe. Hart. Obj. IL. V.D. 25 cm. | Die Fig. 20, 25 u. 26 beanspruchen volle Genauigkeit in der Ausfüh- rung der Details. [ Nachträgliche Bemerkung: Bei Fig. 25 wurde als blauer Farb- stoff eine Anilinfarbe benutzt, welche bis zur Zeit der künstlerischen Repro- duction leider etwas verblasste und einen stark violetten Ton annahm, statt des ursprünglichen dunkler blauen, der möglichst der Färbung der Präparate entsprach. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32. 24 Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. Von Dr. MH. Ernst Ziegler, Privatdocent in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XII. I. Das Bildungsgewebe; II. Die Entstehung des Bildungsgewebes im Rumpfe ; III. Abspaltung, Proliferation und Ausstülpung; IV. Phylogenie des Myotoms und des Bildungsgewebes. Es ereignet sich häufig, dass man unter dem Einfluss einer glänzenden Theorie den Beobachtungen welche derselben entgegen- stehen, zu wenig Aufmerksamkeit und Vertrauen schenkt. In solchem Falle ist es für den Gang der Wissenschaft von Wichtig- keit, dass die vernachlässigten oder angezweifelten Angaben durch eine möglichst sorgfältige Untersuchung bestätigt werden, und es kann eine derartige Arbeit berechtigt erscheinen, auch wenn ihre Resultate im Wesentlichen nur frühere Angaben wiederholen. In den neuen Theorien über den Ursprung der mesenchy- matischen Gewebe wird behauptet, dass diese nicht vom Mesoderm stammen, sondern ausserhalb des eigentlichen Embryo ihren Ur- sprung haben. Nach der Balfour’schen Darstellung (Nro. 1, S. 107—113) dagegen entstehen die mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern von den Mesodermstreifen aus. Als ich bei den Teleostiern gesehen hatte (Nr. 3], S. 645 und 657), dass das Blut und die Anlagen der mesenchymatischen Gewebe (insbeson- dere Sklerotom, Anlage der Extremität, Bindegewebe und Musku- latur des Darmes, lymphoides Gewebe der Urniere) von den Meso- dermstreifen ihren Ursprung nehmen, hatte ich guten Grund, die Balfour’schen Beobachtungen für richtig zu halten und fühlte mich veranlasst, dieselben von neuem zu prüfen und eventuell zu bestätigen. Das Resultat entsprach der Erwartung, indem ich sah, dass bei den Selachiern in einem frühen Stadium die Mesoderm- streifen aus zwei einfachen Epithellamellen bestehen und von diesen die Entstehung des Bildungsgewebes (der histogenetischen H. Ernst Ziegler: Der Urspr. d. mesenchymatischen Gewebe etc. 379 Vorstufe der mesenchymatischen Gewebe) ausgeht. Die Befunde lassen sich leicht mit den Thatsachen vereinigen, welche ich früher bei den Teleostiern constatirt habe, und sie können auch ohne Schwierigkeit zu den Verhältnissen der Amnioten in Beziehung ge- setzt werden, wenn man sich hinsichtlich der letzteren mehr an die Ansichten Kölliker’s (Nr. 11 u. 12) als an die Parablast-Theorie und deren Derivate anschliesst. Freilich ist die vorliegende Untersuchung insofern unvoll- ständig als sie sich nur auf den Rumpf des Selachierembryos be- zieht und ich meine Beobachtungen über die Entstehung des Blutes noch nicht veröffentliche, weil sie noch nicht abgeschlossen sind. Aber ich habe mich überzeugt, dass die allgemeineren Schlüsse, welche ich aus den im Rumpftheil gemachten Beobachtungen ziehe, weder durch die Verhältnisse des Kopfes und des Schwanzes noch durch die Herkunft des Blutes!) irgendwie geschwächt oder modi- fieirt werden. Im ersten Abschnitt bespreche ich das Bildungsgewebe, nicht um für den Namen zu kämpfen, sondern weil mir an dem Begriff gelegen ist. Der zweite Abschnitt enthält die speciellen Beobach- tungen über den Ursprung des Bildungsgewebes; im dritten Ab- schnitt werden die verschiedenen Processe, welche zur Entstehung von Bildungsgewebe führen, in ihrer Beziehung zu einander be- sprochen, während der vierte Abschnitt die Phylogenie dieser Vor- gänge betrifft. Herr Dr. Beard hatte die Freundlichkeit, mir mit seltener Liebenswürdigkeit und Uneigennützigkeit seine zahlreichen und schönen Schnittserien von Torpedo zu dieser Untersuchung zu leihen; icn kann nicht umhin auch an dieser Stelle ihm herzlichen Dank zu sagen. 1) Da ich die Anlagen der Blutkörperchen ebenfalls dem Bildungsge- webe zurechne und da bei manchen Vertebraten (Teleostier s. Nr. 25, 29, 31) nachgewiesen ist, dass sie als Theile der Mesodermstreifen ihren Ursprung nehmen, so frägt es sich, ob dieselben auch bei den Selachiern mesodermale Gebilde sind. Ich will jetzt auf diese Frage nicht eingehen, da ich dieselbe nächstens an anderer Stelle zu besprechen beabsichtige; ich will nur hervor- heben, dass Rueckert (Nr.20 u. 21) mit Recht die peripheren Blutinseln von dem Keimwulst ableitet, aber ganz mit Unrecht den grossen unter dem Dotter- epithel liegenden Kernen („Merocyten“) eine Betheiligung bei der Blutbildung zuschreibt. Diese Kerne sind ebenso aufzufassen, wie die entsprechenden Kerne im Dotter der Teleostier (Ziegler Nr. 51 S. 610). 380 H. Ernst Ziegler: 1. Das Bildungsgewebe. Der Name Bildungsgewebe („interstitielles Bildungsgewebe*) wurde von Goette (Nr. 4) eingeführt und ich habe denselben schon in meiner früheren Arbeit (Nr. 31, S. 646 u. 657) verwandt, weil er mir eine brauchbare Bezeichnung für die histogenetische Grundlage der mesenchymatischen oder parablastischen Gewebe („Bindesubstanz“) zu sein schien. Alle neueren Autoren stimmen darin überein, dass Gefässe, Blut, Lymphe, Iymphoides und adenoides Gewebe, Bindegewebe, Knochen, Knorpel und glatte (ausschliess- lich ?) Muskulatur histogenetisch zusammengehörig sind. Diese Ge- webe entstehen nach der Anlage der Keimblätter aus undifferenzirten runden oder sternförmigen Zellen, welche an bestimmten Stellen angehäuft liegen oder vereinzelt als Wanderzellen umherkriechen. Diese Vorstufe der genannten Gewebe mag Bildungsgewebe ge- nannt werden. Wesentlich ist, dass die Zellen nicht in epithelialem Verbande stehen; es wird unten gezeigt werden, wie bei Selachiern die Zellen des Bildungsgewebes sich an bestimmten Stellen aus dem epithelialen Verbande der beiden Mesodermblätter herauslösen. Das Bildungsgewebe wird, wenn es aus netzförmig zusammen- hängenden Zellen besteht, häufig als „embryonales Bindegewebe“ und wenn es reichliche Intercellularsubstanz entwickelt hat, als „Gallertgewebe“ bezeichnet. Das Bildungsgewebe ist im Hertwig’schen Sinne das Mesen- chym. Jedoch sind die beiden Ausdrücke nicht synonym; der erstere bezeichnet ein histogenetisches Entwickelungsstadium, der letztere betrifft die morphologische Stellung der Gewebe; der erstere soll nur für die Wirbelthiere gebraucht werden und schliesst sich eng an die empirische Erfahrung an; jeder Embryolog kennt die undifferenzirten Zellmassen, für welche der Name vorgeschlagen ist und es dürfte auch schwerlich von Jemand bezweifelt werden, dass aus denselben solche Gewebe sich differenziren, welche als parablastische oder mesenchymatische zusammengefasst sind. Der Ausdruck Mesenchym aber, welcher sich auf alle Metazoen bezieht, ist mit den theoretischen Ausführungen verknüpft, wie sie in der Hertwig’schen Coelomtheorie (Nr. 6) niedergelegt sind; er steht in Verbindung mit einer bestimmten Hypothese über den phylo- genetischen Ursprung der Leibeshöhle, er setzt die mesenchyma- tischen Gewebe genetisch in Gegensatz zu den Ursegmenten und Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 381 zu dem Pleuroperitonealepithel (siehe das neue Lehrbuch von 0. Hertwig, Nr. 8), und er determinirt eine embryologische Tren- nung zwischen quergestreifter und glatter Muskulatur. Indem man den Begriff des Bildungsgewebes annimmt, erleichtert man sich die sachgemässe Darstellung und enthält sich der Entscheidung über die Theorien, welche mit dem Begriff des Mesenchyms ver- bunden sind. Wer diese Theorien sozusagen en bloc annimmt, wird natürlich den Ausdruck Bildungsgewebe für überflüssig halten. Nach meiner Ansicht kann man den Ausdruck Mesenchym in der Embryologie nur dann beibehalten, wenn man mit demselben kein Merkmal verbindet, als dasjenige mesodermaler Zellen von embryo- nalem Charakter, welche nicht in epithelialem Verbande (epithelialer Anordnung) stehen. In diesem Sinne mag man auch statt Bildungs- gewebe Mesenchym sagen. Das Bildungsgewebe entsteht an verschiedenen Stellen der Mesodermstreifen (siehe das Schema Fig. 1). Die Sklerotome repräsentiren nur einen Theil desselben. Betrachtet man den Querschnitt durch den Rumpf eines Selachierembryos Fig. 2, so siebt man medianwärts von den Muskelplatten das Sklerotom als eine Masse netzförmig verbundener gleichartiger Zellen; aus dieser gehen sowohl die Anlage des Skelets als auch Bindegewebe und Gefässe hervor; bei manchen Knochenfischen (Lachs, Hecht, Barsch, Belone, s. Wenckebach, Nr. 25 u. Ziegler Nr. 31) er- zeugt das Homologon dieser Zellmasse ausserdem eine Masse von Blutkörperchen und das Iymphoide Gewebe der Urniere. Auf dem Sehnitt (Fig. 2) bemerkt man nicht allein im Sklerotom solche gleichartige, netzförmig verbundene Mesodermzellen sondern auch an mehreren anderen Stellen; eine Masse solcher Zellen umgibt den Darm und ist für die Muskulatur, die Gefässe und das Binde- gsewebe desselben bestimmt; eine Masse solcher Zellen finden wir in der Extremitätenleiste, wo sie später zur Erzeugung von Knor- pel, Gefässen und Bindegewebe verwandt wird; ferner bemerkt man ausserhalb des Somatopleurs am Bauchtheil locker liegende netzförmig zusammenhängende Zellen, welche Bindegewebe und Cutis liefern. Die Gewebsanlagen aller dieser Stellen haben ein gleichartiges Aussehen und sind zur Erzeugung gleichartiger Ge- webe determinirt. In allen diesen Fällen ist der Ausdruck Bildungs- gewebe zu gebrauchen; es empfiehlt sich umsomehr einen einheit- lichen Ausdruck zu verwenden, als die verschiedenen Zellmassen 382 H. Ernst Ziegler: continuirlich unter einander zusammenhängen; man beachte insbe- sondere, dass das Bildungsgewebe der Extremitätenleiste mit dem- jenigen des Sklerotoms intersegmental in continuirlicher Verbin- dung steht (Fig. 2 links). Die Zellen des Bildungsgewebes erscheinen gleichartig und man kann der einzelnen Zelle noch nicht ansehen, ob sie z. B. eine Bindegewebszelle, eine Knorpelzelle oder eine Muskelzelle werden wird. Es mag sein, dass auf dieser Entwickelungsstufe bereits durch unerkennbare Eigenschaften des Protoplasmas der künftige Charakter der Zelle determinirt ist; ich glaube aber, dass häufig die physiologische Natur der Zelle zu dieser Zeit thatsäch- lich indifferent ist und dass es im Sinne der functionellen An- passung (siehe auch Roux Nr. 19) von den äusseren Verhältnissen derselben abhängt, welche ihrer Qualitäten zur Entwickelung kommt; ich meine dies in dem Sinne, dass jede Zelle die Fähigkeit hat z. B. eine Muskelzelle zu werden, dass sie aber nur dann sich zu einer solchen entwickelt, wenn sie in solcher Lage: sich befindet (Herantreten des Nerven?), dass die ihr innewohnende Contractions- fähigkeit in Anspruch genommen wird. Auch ist es denkbar, dass der Druck und Zug, wie er auf die verschiedenen Zellen des Bildungsgewebes in verschiedener Weise zur Wirkung kommt, wenn der Embryo sich nach Entstehung der ersten Muskulatur bewegt, die Veranlassung abgebe, dass manche Zellen z. B. zu Knorpelzellen, andere zu Bindegewebszellen sich differenziren. Wer die Tendenz hat, den causalen Zusammenhang der einzelnen Entwiekelungsvorgänge zu erkennen, dem muss eine derartige Auf- fassung sympathisch sein, da sie geeignet ist, die Annahme der seheimnissvollen Prädestination der Zellen etwas zurückzudrängen. I. Die Entstehung des Bildungsgewebes im Rumpfe. Die folgende Darstellung bezieht sich auf Torpedo ocellata. Geht man aus von einem Stadium, welches nach Balfour durch D oder E bezeichnet wird, so sieht man auf einem Quer- schnitt, der die Mitte eines Segmentes getroffen hat (Fig. 5 links), Folgendes. Das Mesoderm besteht aus zwei einfachen Epithel- lamellen; diese umschliessen im Bereiche des Ursegments einen schmalen Hohlraum ; im Bereiche der Seitenplatten sind dieselben noch nicht durch eine Leibeshöhle getrennt und ist stellenweise die Anordnung der Zellen zu zwei Lamellen noch undeutlich und Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 383 unvollkommen. Die Ursegmente sind gegen einander abgeschlossen und durch Spalten getrennt, während die Seitenplatten continuir- lich weiterlaufen. Wenn die Leibeshöhle zwischen den Seitenplatten auftritt, erscheint sie im Rumpftheil des Embryo zuerst ausserhalb des eigentlichen Embryonalkörpers im Bereich der Keimscheibe als unregelmässige Lückenräume, welche die beiden Blätter trennen. Wenn die Entstehung der Leibeshöhle in den Embryonalkörper vordringt, setzt sich der Hohlraum mit der Höhle jedes Urseg- mentes in Verbindung!); in der Mitte jedes Ursegmentes commu- nieiren die Höhlen oder es setzen sich doch wenigstens die beiden Epithellamellen des Ursegments continuirlich in die Seitenplatten fort. Somatopleur und Splanchnopleur des Ursegments gehen natürlich in der vorderen und der hinteren Wand jedes Urseg- ments in einander über (Fig. 6—9) und erscheinen daher ver- schmolzen auf denjenigen Querschnitten, welche das Segment nicht gerade in der Mitte getroffen haben. Das Verhältniss der Urseg- mentshöhlen zur Leibeshöhle ist schon von Balfour (Nr. 1, S. 105) ganz richtig beschrieben worden. Es wird sich weiterhin zeigen, dass für die Histogenese die Sonderung in Ursegmente und Seitenplatten durchaus nicht von entscheidender Bedeutung ist, sondern dass Gebilde von relativ determinirtem histologischem Charakter erst nach Abtrennung des Bildungsgewebes in diesem selbst, in den Muskelplatten, in dem Pleuroperitonealepithel und in den Urnierenkanälchen gegeben sind. Die Entwickelung des Bildungsgewebes geht sowohl von den Ur- segmenten, wie auch von den Seitenplatten aus. Es sollen zuerst die Vorgänge am Splanchnopleur des Ursegments besprochen wer- den. Im Stadium G sieht man auf den Querschnitten, dass das Splanchnopleur des Ursegments etwa auf der Höhe des oberen Randes der Chorda mehrschichtig geworden ist (Fig. 11 mst); aus dieser Verdickung gehen die ersten Muskeln des Myotoms her- vor (Längsmuskelstreifen Balfour, Nr. 1, S. 106). Unter dieser 1) Dieselbe Angabe findet man bei Rueckert (Nr. 21 S. 105): „Das erste Auftreten der Leibeshöhle schliesst sich zeitlich unmittelbar an das Hohlwerden der Urwirbelanlagen an; beiderlei Hohlräume entstehen aber unabhängig von einander und treten auch fernerhin in keine weitere Com- munication unter sich als durch geschlossene Spalten, die aus den Urwirbel- höhlen in die Leibeshöhle führen.“ 384 H. Ernst Ziegler: Stelle findet man eine kleine Einkerbung, welche die untere Grenze des Myotoms bezeichnet und in den folgenden Stadien immer deut- licher wird; unterhalb derselben findet die Proliferation statt, welche zur Entstehung des neben Chorda und Medullarrohr vor- dringenden Bildungsgewebes („Sklerotom‘*) führt. Dieser Vorgang erfolgt in der Weise, dass in der ursprünglich einfachen Epithel- lamelle eine Wucherung auftritt, dass Zellmassen aufwärts und medianwärts vorgeschoben werden, welche allmählich den epithe- lialen Verband aufgeben. Ganz richtig sagt Balfour (Nr. 1, 5.106), dass „das splanchnische Blatt jedes Ursegments unmittelbar unter dem Muskelband zu proliferiren beginnt und eine Masse von Zellen produeirt, die auf einmal zwischen die Muskeln und die Chorda vordringen“. Auch van Wijhe hat diesen Vorgang erkannt und schreibt (Nr. 26, S. 7): „Während der Anlage der vierten Kiemen- tasche und noch vor dem Auftreten der fünften, also in der ersten Hälfte des Stadiums J, entwickelt sich eine Masse embryonalen Bindegewebes aus der Innenwand der Somite. Diese zerfallen dadurch in ein Muskelsesment (Myotom) und ein Skeletsegment, besser Bindesubstanzsegment (Sklerotom). Die Segmentation der Sklerotome geht aber im ganzen Körper fast sofort verloren.“ Jedoch tritt in den Rumpfsegmenten nicht einfach eine Wuche- rung auf, sondern es kommt zur Bildung einer nach oben gerich- teten Ausstülpung (Fig. 14 links bei *); dieser Vorgang ist aber von dem erstgenannten nicht prineipiell zu unterscheiden, da er allmählich in denselben übergeht; es ist mir sehr wahrscheinlich, dass es nur in einem vorübergehenden Stadium zur Bildung einer wirklichen Ausstülpung kommt und dass dieser Vorgang also nur in denjenigen Segmenten auftritt, bei welchen zu dieser Zeit die lebhafteste Abstossung von Bildungsgewebe erfolgt; denn bekanntlich schreiten alle Entwickelungsvorgänge an den Urseg- menten in der Reihe derselben von vorn nach hinten weiter. Die Stadien, von welchen ich Schnittserien besitze, schliessen sich nicht eng genug an einander an, dass ich angeben könnte, ob sich die Ausstülpung bei einer grösseren oder kleineren Zahl der Ursegmente zeigt; es scheint mir dies auch ganz bedeutungslos zu sein, da die Ausstülpung und der Proliferationsprocess für ein- ander eintreten können, wie ich dies im folgenden Abschnitt aus- führlicher darlegen will. Die Ausstülpung ist eine vorübergehende Erscheinung; die an der Ausstülpung betheilisten Zellen geben Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 385 ihre epitheliale Anordnung auf, sie wuchern in das Lumen herein und bald entsteht aus der Ausstülpung das Bild einer aus lockern Zellen bestehenden Verdiekung; die tiefsten Zellen schliessen sich zu einem Epithel zusammen, welches die obere Wand des von der Leibeshöhle zum Myotom verlaufenden Canals bildet, während alle darüber gelegenen Zellen dem Bildungsgewebe angehören. Das Endresultat des Ausstülpungsvorgangs ist also dasselbe, wie wenn das Splanchnopleur des Ursegmentes durch einfache Wuche- rung (Proliferation) Bildungsgewebe abgegeben hätte. Der ebengenannte Canal, welcher von der Leibeshöhle zu der Höhle des Myotoms führt und welcher dem unteren Theile des Segments entspricht, wird ein Urnierencanälchen; diese Beob- achtung wurde schon im Jahre 1880 von Sedgwick (Nr. 23, S. 164) gemacht und vor Kurzem von van Wijhe (Nr. 28) bestätigt. Das Myotom löst sich ab und das Urnierencanälchen tritt später mit dem Urnierengang in Verbindung. Während der Abstossung des Bildungsgewebes (Sklerotoms) wandeln sich im Splanchnopleur des Ursegmentes oberhalb der Wucherungsstelle die Zellen in Muskelzellen um, wie dies schon oben angedeutet wurde; die Muskelstreifen der einzelnen Segmente schliessen sich nach vorn und hinten aneinander an, so dass sie einen durch den ganzen Rumpf des Embryo hindurchziehenden Muskel- streifen bilden; die erste Anlage dieses Muskelstreifens befand sich auf der Höhe des oberen Randes der Chorda (Fig. 11 mst), nach der Abstossung des Bildungsgewebes aber ist dieselbe herabgerückt und reicht bis auf das Niveau der Aorta (Fig. 12, 13, 14 mst). Die Myotome schliessen sich nach unten ab, wobei unterhalb des Muskeistreifens ein Streifen undifferenzirter Zellen zu liegen kommt (Fig. 12, 13), welcher eine epitheliale Anordnung annimmt und durch dessen Wachsthum das Myotom sehr rasch ventralwärts sich verlängert (Fig. 2). Wie gezeigt wurde, entwickelt sich reichliches Bildungs- gsewebe vom Splanchnopleur desjenigen Theils des Ursegmen- tes, welcher zwischen dem Myotom und der Leibeshöhle sich befindet und aus welchem schliesslich ein Urnierencanälchen her- vorgeht; jedoch findet ein derartiger Process an diesem Theil nicht allein an der medianen Seite sondern auch an der vorderen und hinteren Seite statt, so dass nur das äussere Blatt seinen epithe- lialen Character durchweg bewahrt; der obere Rand der Seiten- 386 H. Ernst Ziegler: platten und die vordere und hintere Wand des Segmentes (bis zum Myotom) sind Proliferationsstellen für Bildungsgewebe. Dies zeigen am besten die Frontalschnitte Fig. 4, welche dem hinteren Rumpf- theil eines Embryo im Stadium J entnommen sind; die Zeichnung ist so combinirt, dass jedes folgende Segment etwas höher ge- schnitten gedacht ist, und ist die Lage der einzelnen Schnitte in Fig. 3 eingezeichnet. Im Segment s; ist der oberste Theil der Leibeshöhle (Ih) getroffen, an welchem die Segmentirung schon deutlich sich ausprägt; bei s, geht der Schnitt durch den unteren Theil des Urnierencanälchens und man sieht, dass nur lateralwärts ein deutliches Epithel sich vorfindet, während an der medianen, der vordern und hinteren Seite eine heftige Proliferation zu be- obachten ist; ähnliches gilt für s,, bei welchem Segment die Ein- mündung des Canals in das Myotom getroffen ist; der Schnitt s, verläuft oberhalb des Urnierencanälchens und auf den höher gelege- nen Schnitten erscheint bald der Muskelstreifen im inneren Blatt des Myotoms. Diese Verhältnisse machen sich auf den Querschnitten da- durch geltend, dass nur auf denjenigen Schnitten, welche die Mitte des Segmentes getroffen haben, das Somatopleur von der Leibes- höhle bis zum Myotom verfolgt werden kann (Fig. 13 rechts), während auf den weiter vorn und den weiter hinten gelegenen Sehnitten des Segments nichts als eine Masse Bildungsgewebe zwischen der Leibeshöhle und dem Myotom zu sehen ist (Fig. 13 links)}). Erst allmählich grenzt sich an der vorderen, der medianen und der hinteren Wand des zwischen Leibeshöhle und Myotom gelegenen Segmenttheils eine Epithelschichte von dem darüber gelegenen Bildungsgewebe ab und so geht aus diesem Theile das 1) Solehe Bilder entsprechen der Darstellung Balfour’s, nach welcher (Nr. 1, S. 108 und 127) die beiden Mesodermblätter zwischen den Seiten- platten und den Myotomen zu einer einheitlichen Masse („intermediate cell mass“) verschmolzen sind. Balfour hat aber nicht beachtet, dass man ein solches Bild nur auf denjenigen Querschnitten sieht, welche durch die vordere oder hintere Wand des Ursegments gehen. Mit Recht hat neuerdings Ruek- kert (Nr. 22, S. 211) darauf hingewiesen, dass „bei den Selachiern eine Ver- schmelzung beider Keimblätter nicht auftritt, sondern nur vorgetäuscht wird, namentlich auf Querschnitten, welche nicht genau durch die Mitte der Seg- mente gehen und daher die Urwirbelwandung im Anschnitt treffen“. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 387 allseitig mit Epithel versehene Urniereneanälchen hervor; dieser Process geht von oben nach unten, so dass in gewissem Stadium am unteren Theil des Urnierencanälechens noch Proliferation stattfindet (Fig. 3 rechts), während der obere Theil desselben ringsum be- grenzt ist und im Begriff steht sich von dem Myotom abzulösen (Fig. 3 links). In denjenigen Segmenten, welche vor dem Bereich der Ur- niere gelegen sind, wird der zwischen dem Myotom und den Seitenplatten gelegene Abschnitt vollkommen in Bildungsgewebe aufgelöst. Doch verlieren die Zellen im Somatopleur viel später die epitheliale Anordnung als im Splanchnopleur. Fig. 10 zeigt einen Schnitt aus dem Stadium G (drei Kiemenspalten angelegt), welcher eine kurze Strecke hinter der 3. Kiemenspalte liegt und das zweite der zu dieser Zeit deutlich erkennbaren Segmente (ver- muthlich das 7. von van Wijhe) getroffen hat; rechts geht der Schnitt durch die Mitte des Segments und hier kann man leicht das Somatopleur von den Seitenplatten bis zum Myotom verfolgen, während an der Stelle des Splanchnopleurs eine grosse Masse von Bildungsgewebe zu sehen ist; links liegt der Schnitt etwas weiter vorn und zeigt, dass die Continuität des Somatopleurs des Urseg- ments sich hier nicht vorfindet, also ebenso wie bei den im Bereich der Urniere gelegenen Segmenten nur auf denjenigen Schnitten existirt, welche die Mitte des Segmentes getroffen haben!). 1) Nach Fertigstellung des Manuscripts kam mir durch die Freundlich- keit des Autors die soeben erschienene Arbeit von J. Rueckert „Ueber die Entstehung der Exeretionsorgane bei Selachiern“ zu, in welcher auch die Entstehung des Sklerotoms besprochen wird, soweit dieseibe mit der Ent- stehung der Urnierencanälchen zusammenhängt. Die Beschreibung Rueckerts (Nr. 22, S. 250) steht in keinem Punkte mit meinen obigen Angaben in Widerspruch und ist von schönen Abbildungen begleitet, welche das Heraus- wachsen des Bildungsgewebes aus dem Splanchnopleur der Ursegmente sehr deutlich zeigen (l. c. Fig. 5, 14, 16, 23—27 sct.). Hinsichtlich der vorderen Segmente gibt Rueckert an (l. ce. S. 255), dass in dem vordersten proximal von der Vornierenanlage befindlichen Abschnitt des Rumpfes „an der Stelle der Urnierencanälchen“ durch Auflösung des betreffenden Somitenabschnittes embryonales Bindegewebe (Bildungsgewebe) entsteht (welches anfänglich noch eine metamere Anordnung erkennen lässt), und dass im Bereich der Vorniere rudimentäre zapfenförmige Anlagen von Urnierencanälchen zu sehen sind, welche „rückgebildet* werden, also wahrscheinlich ebenfalls in Bildungs- gewebe sich auflösen. 388 H. Ernst Ziegler: Aehnliche Verhältnisse zeigt der einem späteren Stadium ange- hörende Schnitt Fig. 12, welcher eine kurze Strecke hinter den Kiemenspalten, also ebenfalls vor dem Bereich der Urniere ge- legen ist; rechts ist die Mitte des Segments gezeichnet, während die linke Hälfte des Scehnittes etwas weiter hinten liegend gedacht werden muss; rechts kann man das Somatopleur vom Myotom bis in die Nähe der Leibeshöhle verfolgen, wo bereits die Auflösung desselben begonnen hat. Dass vor der Urniere Anlagen von Ur- nierencanälchen vorhanden sind und zu Grunde gehen, indem sich dieZellen aus ihrem Verbande lösen, ist vor Kurzem auch von van Wijhe (Nr. 28) (für die Segmente der Vorniere) angegeben worden. Das Bildungsgewebe, welches von den einzelnen Segmenten aus entstanden ist (Sklerotome), fliesst zu einer continuirlichen Masse zusammen und es scheint jede Spur der ursprünglichen segmentirten Anlage verloren zu gehen; darauf haben schon Balfour (Nr. 1 S. 150) und van Wijhe (Nr. 26, S. 7) hingewiesen. An den Seitenplatten besitzt nicht allein der obere Rand sondern auch sowohl Somatopleur wie Splanchnopleur die Fähig- keit Bildungsgewebe zu produciren‘). Durch Proliferation am Somatopleur entsteht ein Streifen von Bildungsgewebe, welcher die Extremitätenleiste erzeugt?). Diese entwickelt sich von vorn nach hinten; die Entstehung des Bildungs- gewebes wird begleitet von einer Erhebung des Eetoderms. Fig. 13 (Stadium H-J) trifft die Anlage der vorderen Extremität. Man sieht eine dem Somatopleur aufliegende flache Zellenmasse, welche mit dem Somatopleur am obern Ende der Leibeshöhle continuirlich 1) Im Schwanztheil des Embryo besitzen die Seitenplatten die engsten und auffallendsten Beziehungen zur Entstehung von Bildungsgewebe; schon Balfour hob hervor (Nr. 1, S. 111), dass „im Stadium K hinter der Anal- region die beiden Blätter des Mesoblast vollständig zusammenschmelzen und eine aus verästelten Zellen bestehende Masse bilden“. 2) Auf Grund dieser Beobachtungen kann man jetzt die Befunde besser verstehen, welche mir früher die Untersuchung der Anlage der vorderen Ex- tremität der Teleostier ergeben hat (Nr. 31, S. 619). Die letztere tritt als eine dem Somatopleur aufgelagerte Zellmasse auf, welche nach vorn mit dem vor den ersten Myotomen befindlichen undifferenzirten Mesoderm und me- dianwärts mit dem unter den ersten Myotomen gelegenen Bildungsgewebe zusammenhängt; sie steht mit dem Somatopleur in continuirlichem Zusammen- hang (l.’c. Fig. 41 bei **) und setzt sich nach hinten als eine leistenförmige Verdickung des Somatopleurs (l. c. Fig. 42) eine Strecke weit fort. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 389 zusammenhängt; der Vorgang der Entstehung dieses Bildungsge- webes hat theils mehr den Character der Proliferation, indem ein- zelne Zellen aus dem Epithel herausrücken, theils mehr das Aus- sehen einer Abspaltung, indem die Epithellamelle sich verdiekt und die tieferen Zellen der Verdiekung unter Abtrennung der oberen wieder zu einem einschichtigen Epithel sich zusammenschliessen. Da in den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Urnieren- canälchen von deren vorderer und hinterer Wand und von dem obern Rand der Seitenplatten aus reichliches Bildungsgewebe ent- standen ist, so wird man sich nicht wundern zu sehen, dass das Bil- dungsgewebe der Extremitätenleiste zwischen den Urnierenca- nälchen continuirlich in das Bildungsgewebe des Sclerotoms über- geht (Fig. 2 links). Ausser den Zellen, welche für die Extremitätenieiste bestimmt sind, lösen sich von dem Somatopleur noch viele einzelne Zellen ab, welche die Grundlage der zwischen Somatopleur und Eetoderm entstehenden mesenchymatischen Gewebe (Cutis ete.) bilden (Fig. 12, 3,2): Diese Thatsachen sind schon von Balfour (Nr. 1, S. 111) ganz richtig angegeben worden: „Gegen Ende des Stadiums K erscheint zwischen Somatopleur und Eetoderm ein Netzwerk von Mesoblastzellen; in die Anlage der Extremitätenleiste wachsen die Mesoblastzellen von dem Somatopleur in besonders dichter Weise hinein.“ Reichliches Bildungsgewebe entsteht vom Splanchnopleur der Seitenplatten aus; mit gutem Recht ist das letztere von den älte- ren Embryologen Darmfaserblatt und Gefässblatt genannt worden. Schon im Stadium G lösen sich von der Innenseite des ein- schichtigen Splanchnopleurs einzelne Zellen ab, wo dasselbe an der Seite der Darmrinne aufsteigt; diese Zellen dienen zur Bil- dung der ersten im Embryonalkörper auftretenden Gefässe, ins- besondere auch der Aorta, wie Paul Mayer ganz richtig ange- geben hat (Nr. 15, S. 340). In den Stadien H und J werden namentlich in der Nähe der neben und unter dem Darm ver- laufenden Gefässe reichlich Zellen vom Splanchnopleur abgegeben (Fig. 14 bei g). Vom obern Rand des Splanchnopleurs geht in den Stadien H, J und K eine energische Proliferation aus, durch welche das unter der Aorta gelegene, das im Mesenterium befindliche und ein Theil 390 H. Ernst Ziegler: des den Darm umhüllenden Bildungsgewebes geliefert wird (Fig. 14, 3 u. 2). Soweit dieser Process sich oberhalb des Mesenteriums ab- spielt, ist er auf allen Querschnitten zu sehen; aber er reicht nicht auf allen Schnitten in das Mesenterium herab und es zeigt sich, dass dies nur an bestimmten Stellen stattfindet, welche den ein- zelnen Segmenten entsprechen. Auf Fig. 3 sieht man auf der linken Seite des Schnittes, welche unmittelbar hinter der unteren Einmündung eines Urnierencanälchens fiel, den Proliferationspro- cess tief in das Mesenterium hinabreichen, während auf der rechten Seite, wo der Schnitt etwas weiter vorn durch die untere Ein- mündung des Urnierencanälchens geht, das Splanchnopleur im Be- reich des Mesenteriums abgegrenzt erscheint. Das den Darm um- hüllende Bildungsgewebe entsteht theilweise in der eben ange- gebenen Weise oberhalb des Darmes, theilweise durch eine ähn- liche Proliferation vom Splanchnopleur unterhalb des Darmes in der Umgebung der sich unter dem Darm entwickelnden Subintesti- nalvene (Fig. 14, 3, 2). Ich hebe also nochmals hervor, dass das den Darm umgebende Bildungsgewebe, welches später in das Bindegewebe, die Gefässe und die Muskulatur des Darmes sich . differenzirt, vom Splanchnopleur seinen Ursprung nimmt. Von den oberen Enden der Myotome löst sich schon in den Stadien H—J (Fig. 12 u. 14 rechts) Bildungsgewebe durch Pro- liferation einzelner Zellstränge ab; später tritt der Process der Ab- werfung der sogenannten Muskelknospen auf, welchen Dohrn (Nr. 3) und Paul Mayer (Nr. 16) eingehend dargestellt haben; diese „Muskelknospen“ sind theils „Abortivknospen‘“ theils treten sie in die unpaaren Flossensäume ein um die Anlage der Muskulatur der unpaaren Flossen zu bilden. Von den unteren Enden der Myotome lösen sich die Muskelknospen ab, welche in die Extremitätenleiste eintreten und die Muskulatur der Extremitäten liefern. Dieser Vorgang wurde schon von Balfour (Nr. 1, S. 149) beobachtet und dann von Dohrn (Nr. 3) genau beschrieben; ich kann die Dohrn’sche Darstellung, soweit sie sich auf die Beobachtungen bezieht, durchaus bestätigen. Von jedem Myotom stammen zwei hinter einander liegende Muskel- knospen. Nach Dohrn’s Beobachtung gelangen bei Seyllium und Pri- stiurus diejenigen Muskelknospen, welche zwischen der Anlage der Brustilosse und derjenigen der Bauchflosse in die Extremitäten- Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 391 leiste einrücken, „nicht zur weiteren Entwickelung und gehen all- mählich zu Grunde“. Es ist dies wohl so zu verstehen, dass die- selben von dem umgebenden Bildungsgewebe sich nicht mehr unter- scheiden lassen; dies geht auch aus einer Angabe Paul Mayer’s hervor (Nr. 16, S. 232), nach welcher abortirende dorsale Muskel- knospen „kurz vor dem Zugrundegehen sich schon leicht mit ge- wöhnlichen Mesodermzellen, in die sie wohl sich umwandeln wer- den, verwechseln lassen“. Wenn es also vorkommen kann, dass die „Muskelknospen“ sich in Bildungsgewebe auflösen, so beweist dies wohl am besten, dass das Abwerfen der Muskelknospen und die Proliferation von Bildungsgewebe gleichartige Vorgänge sind. Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch von dem äusseren Blatt des Myotoms bei den Selachiern!) einiges Bildungsgewebe entsteht (Schema Fig. 1), welches wahrscheinlich an der Ent- stehung der Cutis sich betheiligt. Die Ablösung dieser Zellen ge- schieht erst in späteren Stadien und ich habe dieselbe nicht mehr sorgfältig verfolgt. dII. Abspaltung, Proliferation und Ausstülpung. Im vorigen Abschnitt wurde dargelegt, dass das Bildungsge- webe des Sklerotoms von dem innern Blatt der Mesodermstreifen hervorwuchert und dass dieser Vorgang in gewissen Stadien das Aussehen einer Ausstülpung (Fig. 14) annimmt. Dies hat Rabl zu der von OÖ. Hertwig in seinem neuen Lehrbuche (Nr. 8, S. 273) eitirten Angabe geführt, dass „die Anlage der Wirbelsäule nicht durch eine Abspaltung von Zellen, sondern durch einen Faltungs- process der Ursegmente entstehe.“ Aus der Betrachtung der ver- schiedenen Stadien gewinnt man aber die Ueberzeugung, dass dieser Ausstülpungsvorgang mit der einfachen Proliferation durch continuirliche Uebergänge verbunden ist und prineipiell durchaus nicht derselben gegenübergestellt werden darf. Ich ergreife die Gelegenheit um einige Erörterungen über Abspaltung, Proliferation und Ausstülpung anzuknüpfen; dies sind die drei Modi, durch welche von einer epithelialen Lamelle aus eine Organanlage ge- 1) Ich habe beobachtet, dass das äussere Blatt des Myotoms bei meh- reren Knochenfischen (Salmo, Esox, Labrax) eine Muskellamelle liefert; soviel steht fest, dass dasselbe mindestens bei manchen Wirbelthieren nicht aus- schliesslich „Cutisblatt‘ ist. 392 H. Ernst Ziegler: bildet werden kann. Bei der Abspaltung wird die Lamelle mehrschichtig und es fügen sich dann die tiefsten Zellen der Wucherung wieder zu einem einfachen Epithel zusammen, wobei der obere Theil der Wucherung sich ablöst und die neue Organ- anlage bildet. Proliferation nenne ich den bekannten Vorgang, bei welchem aus einer continuirlichen Lamelle eine massenhafte Auswanderung oder Ablösung einzelner Zellen stattfindet. Es ist klar, dass Abspaltung und Proliferation nicht scharf gegen einander abzugrenzen sind und in der That nimmt die Entstehung des Bildungsgewebes hier mehr diese, dort mehr jene Form an. Aus einer heftigen Proliferation kann eine Ausstülpung entstehen, wie schon a priori einleuchtet; bei der Proliferation nehmen die heraus- wandernden Zellen eine keilförmige Gestalt an und sobald dies viele Zellen gleichzeitig thun, sind die mechanischen Vorbedingungen einer Ausstülpung gegeben. Der obengenannte Fall bei der Entstehung des Bildungsgewebes zeigt, dass die beiden Vorgänge thatsächlich in einander übergehen. Es folgt daraus, dass wir, wenn wir in der Ontogenese eine Ausstülpung finden, die Möglichkeit erwägen müssen, dass diese Ausstülpung secundär aus einem Proliferations- oder Wucherungsvorgange entstanden sei. Diese Ueberlegung ist für die ganze Entwickelungsgeschichte von Wichtigkeit. Wenn man bei nahverwandten Thieren dasselbe Organ von einer Epithel- lamelle aus bald durch Ausstülpung, bald durch solide Wucherung entstehen sieht, so nimmt man herkömmlicher Weise immer an, dass die Ausstülpung (Einstülpung) der phylogenetisch primäre Vor- gang Sei. Allerdings hat man in manchen Fällen z. B. bei drüsigen Organanlagen zu dieser Auffassung guten Grund; aber in vielen Fällen kann man mit demselben Recht die entgegengesetzte An- sicht vertreten und man muss also in jedem Fall discutiren, ob die eine oder die andere Hypothese annehmbarer erscheint. Man sieht das Entoderm der Gastrula bei den Spongien und Cölenteraten bald durch Einstülpung, bald durch (polare oder nicht polare) Einwucherung entstehen. Daher kann man die Hypothese vertreten, dass bei der Entstehung der Metazoen nicht die Ein- stülpung sondern die Einwucherung der primäre Entwickelungs- modus des Entoderms gewesen ist; Metschnikoff hat schon früher (Nr. 17) und besonders in seinen vor Kurzem erschienenen „Embryologischen Studien an Medusen® (Nr. 18) sehr beachtens- werthe Argumente für die phyletisch primäre Natur des Ein- Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 393 wucherungsvorgangs beigebracht. Wendet man dasselbe Prineip auf das Mesoderm der Wirbelthiere an, so erscheint es nicht mehr nothwendig den Ausstülpungsvorgang bei Amphioxus für primitiv zu halten und die Leibeshöhle der Wirbelthiere phylogenetisch als Divertikel des Urdarms aufzufassen. Man darf hiegegen nicht einwenden, dass Amphioxus viele primitive Charactere in seiner Organisation und Entwickelung zeigt, denn die frühen Entwicke- lungsvorgänge können offenbar in weiten Grenzen ziemlich unab- hängig von der späteren Organisation variiren; daher darf man, wenn ein Thier in seiner definitiven Organisation viele ursprüng- liche Charactere bewahrt hat, keineswegs daraus den Schluss ziehen, dass alle Vorgänge seiner Entwickelungsgeschichte einen primitiven Character haben müssten. Man kann annehmen, dass die Mesodermstreifen der Wirbelthiere primär als solide Wuche- rungen am hinteren Theile des Urdarms entstanden sind. Dann ist die seeundäre Leibeshöhle der Wirbelthiere ein Spaltraum in den Mesodermstreifen, ebenso wie die secundäre Leibeshöhle der Anneliden und Mollusken (s. Nr. 30, S. 556); dann liegt zu der strengen Trennung zwischen Mesodermstreifen und Mesenchym kein Grund vor und es erscheinen die engen Beziehungen begreif- licher, welche das Peritoneum ontogenetisch und pathologisch zur Entstehung von Bildungsgewebe (von mesenchymatischen Organen und mesenchymatischen Geschwülsten) thatsächlich darbietet. Ueberhaupt könnte man die Entstehung des Cöloms als Spalt- raum für primär halten und der Hertwig’schen Cölomtheorie eine Schizocölomtheorie gegenüberstellen; es liesse sich vieles bei- bringen zu Gunsten der Hypothese, dass bei allen Thieren, bei welchen Mesodermstreifen und eine secundäre Leibeshöhle auf- treten, die letztere ursprünglich ohne Beziehung zum Urdarm in dem Mesodermstreifen entstand, welcher primär seinen Ursprung nicht durch Divertikelbildung sondern durch solide Wucherung genommen hatte. Der primäre Ort dieser Wucherung wäre an der Blastoporuslippe rechts und links zu suchen; er wurde aber bald auf das Entoderm, wie z. B. bei Amphioxus und den Aseidien, bald auf das Eetoderm verschoben ; letzteres ist z. B. der Fall bei deu Mesodermstreifen („Muskelplatten“ Kleinenberg’s, Nr. 10) von Lopadorhynchus; auch konnte der Einwucherungsvorgang (nach dem Prineip der vorzeitigen Sonderung) auf die Zeit der Furchung zurückverlegt und durch die Einwanderung einer ein- zigen Zelle („Urmesodermzelle“) repräsentirt werden. Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd, 32. 25 394 H. Ernst Ziegler: Wie ich schon in einer früheren Arbeit (Nr. 30, S. 556) an- gedeutet habe, könnte man die secundäre Leibeshöhle als ein im Mesoderm entwickeltes Endbläschen des Excretionsorgans auffassen. Ueberall steht die seeundäre Leibeshöhle durch einen oder mehrere flimmernde Canäle (,‚Niere“ der Mollusken, Segmentalorgane der Anneliden, Excretionssystem der Vertebraten, Steincanal der Echino- dermen, vas deferens von Sagitta) mit der Aussenwelt in Ver- bindung, eine Thatsache, welche R. u. OÖ. Hertwig in der Cölom- theorie mit Recht hervorgehoben haben. Die ausführenden Canäle entwickeln sich ontogenetisch immer frühzeitig; man darf an- nehmen, dass die Entstehung der secundären Leibeshöhle (mag dieselbe in den verschiedenen Typen analog oder homolog sein) phylogenetisch zusammenfiel mit der Entstehung des ausführenden Canals und dass beide Organe zusammen einen Excretionsapparat darstellten. Es ist ebensogut denkbar, dass ein solches Exeretions- organ phyletisch im Mesoderm im Anschluss an die Muskulatur sich entwickelt habe, als dass dasselbe vom Entoderm durch Divertikelbildung entstanden sei. IV. Phylogenie des Myotoms und des Bildungsgewebes. Die Leibeshöhle ist bei den Anneliden vollständig segmentirt; dasselbe gilt für Amphioxus in den frühen Entwickelungsstadien, wie sie von Kowalevsky (Nr. 13 u. 14) und von Hatschek (Nr. 5) beschrieben sind. Man mag also die Wirbelthiere von den Anneliden ableiten oder ihren Ursprung bei Amphioxus suchen, in beiden Fällen muss man annehmen, dass die jetzige unseg- mentirte Leibeshöhle im Stamm der Vertebraten als Neubildung aufgetreten ist und dass sie von den Ursegmenten aus secundär unter ventraler Verlängerung derselben und eventuell unter Ver- schmelzung derselben zu Stande kam. Es muss also phylogenetisch ein Stadium existirt haben, in welchem die einheitliche unseg- mentirte Leibeshöhle schon vorhanden war und in welchem die Ursegmente noch eine Höhlung besassen, die mit derselben con- municirte, wie wir es jetzt ontogenetisch bei Selachierembryonen finden (Schema Fig. I). Ich glaube, dass in diesem phyletischen Stadium nicht allein die einheitliche Leibeshöhle, sondern auch die Höhlen der Ursegmente eine excretorische Function hatten, insbesondere dass letztere die Exeretionsprodukte der Muskulatur aufnahmen, welche in der Wand des Ursegments entwickelt war, Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 395 Ich nehme ferner an, dass in jedem Segment ein ausführender Canal bestand; ob dieser in den Urnierengang oder direkt nach aussen sich öffnete, diese Frage will ich jetzt nicht diseutiren und mag die Phylogenie des Urnierengangs hier unberührt bleiben. Im Laufe der phylogenetischen Entwickelung erfolgte im Urseg- ment eine Theilung, indem sich unmittelbar oberhalb des aus- führenden Canals (Schema Fig. 1 bei *) ein Verschluss des Lumens bildete, dessen Ursache die massige Entwickelung und das Vor- dringen des Muskelstreifens gewesen sein können. Nun fand an der Verschlussstelle eine Durchschnürung statt und trennte sich der obere Theil des Ursegments ab; er stellt das Myotom dar. Die zurückbleibenden unteren Theile der Segmente bilden die Ur- nierencanälchen?!); dieselben gehören genetisch nicht zu dem aus- führenden Apparat, sondern sind Theile des oberen segmentirten Abschnittes der Leibeshöhle. Nach dieser Auffassung würden bei den Vertebraten Flimmertrichter, welche denjenigen der Anneliden homolog oder analog wären, nicht zwischen (unsegmentirter) Leibes- höhle und Urnierencanälchen (am Nephrostom), sondern am Ende oder im Verlauf des letzteren zu suchen sein; es kann dieser An- sicht nicht entgegengehalten werden, dass thatsächlich am Eingang des Urniereneanälchens eine Flimmerung gefunden wird, denn be- kanntlich existirt Flimmerepithel bei den niederen Wirbelthieren auch an anderen Stellen des”Peritonealepithels. Sowohl bei Amphioxus als auch bei den Anneliden?) sind die mesenchymatischen Gewebe spärlich entwickelt. Man mag die 1) In seiner neuesten Arbeit hat auch Rückert (Nr. 21, S. 254) mit Recht darauf hingewiesen, dass die Urnierencanälchen die „ventralen So- mitenabschnitte“ sind; er führt für dieselben die Bezeichnung „Nephrotom“ ein. Ich kann aber Rückert nicht zustimmen, wenn er dem Nephrotom das „Sklero-Myotom“ gegenüberstellt, da sieh das Sklerotom, wie oben darge- legt wurde, vom Nephrotom aus entwickelt. 2) Bei den Anneliden zeigen diejenigen Formen, welche keine Para- podien besitzen, ausser Blutgefässen und Blutkörperchen fast keine mesen- chymatischen Gewebe, wenn wir von den mesenchymatischen Zellen der Larve absehen. Bei denjenigen Anneliden, bei welchen Parapodien entwickelt sind, entsteht die Muskulatur derselben aus Theilen der,, segmentalen Muskulatur („Muskelplatte* Kleinenberg Nr. 10, 8. 140). Bei manchen Anneliden be- finden sich in den Parapodien verzweigte typisch mesenchymatische Muskel- zellen, welche ebenfalls von den Muskelplatten abstammen (Kleinenberg l.c. S. 141). 396 H. Ernst Ziegler: Abzweigung des Stammes der Vertebraten hier oder dort suchen, in beiden Fällen wird man zugeben müssen, dass eine so massige Entwickelung von Bildungsgewebe, wie sie bei den Selachiern ge- funden wurde und wie sie bei. manchen Knochenfischen, bei den Amphibien und insbesondere bei den Amnioten getroffen wird, eine neue Erwerbung im Stamme der Vertebraten ist. Insbesondere wurde phylogenetisch in dem Maasse als sich eine Wirbelsäule um Chorda und Medullarrohr entwickelte, einereichliche Produktion von Bildungs- gewebe an dieser Stelle erforderlich und so entstand das Sklerotom. Der Process, dass von den Mesodermstreifen einzelne Mesen- chymzellen sich ablösen — ein Vorgang, der sich auch bei den Anneliden findet — wurde bei den Wirbelthieren so gesteigert, dass er zur Proliferation der Zellmassen des Bildungsgewebes führte?). Entweder kam die Fähigkeit, einzelne Mesenchymzellen abzugeben ursprünglich dem Somatopleur und dem Splanchnopleur in deren ganzer Ausdehnung gleichmässig zu, oder dieser Process war von Anfang an an bestimmten Stellen localisirt. Bei den Selachiern besitzt dieser Process sozusagen Prädilectionsstellen, ob- gleich die ganze Fläche des Somatopleurs wie des Splanchnopleurs, soweit sie nicht definitiv differenzirt (in Muskulatur umgewandelt) ist, zur Abgabe von mesenchymatischen Zellen befähigt erscheint. Die Stellen, an welchen ein energischer Proliferationsprocess zeitweilig beobachtet wird, sind in dem Schema Fig. 1 leicht zu erkennen; ich habe als solche auch das obere und das untere Ende der Muskel- platte bezeichnet, da das obere schon frühzeitig einzelne Zellen pro- liferirt und da das in späterer Zeit an beiden Enden zu beobach- tende Abwerfen der Muskelknospen?) nach meiner Ansicht in die- selbe Reihe mit der Proliferation von Bildungsgewebe gehört. 1) Bei der Entwicklung der Ascidien spielt die Ablösung einzelner Zellen der Mesodermstreifen eine grosse Rolle; diese freien Mesodermzellen (Bildungsgewebe) werden Blutkörperchen, Bindegewebszellen, Pigmentzellen oder Muskelzellen (Seeliger Nr. 24, S. 71 u. 98). 2) Ich glaube, dass es nicht nöthig ist, auf dieses Abwerfen der Muskel- knospen so weitgehende phylogenetische Hypothesen zu gründen, wie dies Dohrn (Nr. 3) und Paul Mayer (Nr. 16) gethan haben. Man wird nicht bezweifeln, dass die Segmentation der Muskulatur phylogenetisch älter ist als die Entstehung der Flossen; als die Extremitätenleiste und die unpaaren Flossensäume phylogenetisch entstanden, erhielten sie Zellen von den Meso- dermstreifen, und da die letztern segmentirt waren, bekam auch die Abgabe dieser Zellmassen einen segmentalen Character. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 397 Wenn man annimmt, dass die Segmentation des Wirbelthier- körpers phylogenetisch älter ist als die Proliferation des Bildungs- sewebes, so ist es begreiflich, dass letzterer Vorgang vielfach einen segmentalen Character zeigt. Insbesondere kann man ver- stehen, dass die Sklerotome segmental angelegt werden, obgleich deren Segmentirung gar nicht die Grundlage der Gliederung der späteren Wirbelsäule bildet, sondern sich bald verwischt (s. Balfour Neal... 127). Im Laufe der phylogenetisehen Entwickelung konnte die Pro- liferation des Bildungsgewebes dadurch ersetzt werden, dass an den betreffenden Stellen zur Zeit der Differentiation der Meso- dermstreifen eine undifferenzirte Zellmasse zurückblieb; es zeigt sich hier nur das Prineip der frühzeitigen Sonderung (precocious segregation der englischen Autoren). Von diesem Gesichtspunkt aus ist es leicht, die Entstehung des Bildungsgewebes, wie sie bei den Amnioten stattfindet, z. B. den Ursprung des Sklerotoms der Amnioten auf die Vorgänge bei den Selachiern zurückzuführen. Freiburg i. B. im Juni 1888. Zoologisches Institut der Universität. Nachtrag: Wenige Tage bevor mir die Correcturbogen dieser Ar- beit zugingen, erfolgte im Anatomischen Anzeiger 1888 S. 167 die Publication des Vortrags, welchen Professor Rabl auf der Anatomenversammlung in Würzburg über dasselbe Thema gehalten hat. Die Rabl’schen Beobach- tungen, welche sich ebenfalls auf Selachier beziehen, geben mir keine Veran- lassung, irgend eine Stelle der vorliegenden Arbeit zu modifieiren. Ich möchte hervorheben, dass meine Arbeit gänzlich unabhängig von den Rab1l’schen Mittheilungeu ist und dass folglich unsere Angaben, soweit sie übereinstimmen, sich gegenseitig zur Bestätigung dienen. Die Darstellung des Herrn Rabl steht in enger Beziehung zu den Beobachtungen, welche gleichzeitig sein Prager College Herr Professor Hatschek über die entsprechenden Vorgänge bei Amphioxus gemacht hat (Anat. Anzeiger 1888 S. 162). Nach Hatschek entsteht bei Amphioxus ein Sklerotom durch Ausstülpung. Wenn dies so ist, so wäre es dennoch voreilig, wenn man durch diesen Befund die Frage der primären oder secundären Natur dieses Ausstülpungsvorgangs ohne Weiteres für entschieden erachten würde. Verzeichniss der durch Nummern eitirten Litteratur. 1) F.M. Balfour, A Monograph on the Development of Elasmo- branch fishes, London 1878. Auch erschienen in Journal of Anatomy and Physiology 1876, 1877, 1878. 898 H. Erust Ziegler: 2) J. Beard, The origin of the segmental duct in Elasmobranchs. Anatom. Anzeiger II, 1887. 3) A. Dohrn, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers VI. Mitth. d. Zool. Station zu Neapel Bd. V, 1884. 4) A. Goette, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 5) B. Hatschek, Studien über Entwickelung des Amphioxus. Ar- beiten aus dem Zool. Inst. zu Wien Bd. IV. 6) OÖ. u. R. Hertwig, Die Coelomtheorie. Jena 1881. 7) O.u. R. Hertwig, Die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jena 1883 (Jenaische Zeitschr. für Naturwiss. XV. u. XVI Bd.). 8) 0. Hertwig, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 2. Aufl. Jena 1888. 9) W. His, Die Lehre vom Bindesubstanzkeim (Parablast). Archiv f. Anatomie und Physiologie, Anat. Abth., 1882. 10) N. Kleinenberg, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. Zeitschrift für wiss. Zoologie 44. Bd., 1886. 11) A. Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl., Leipzie. 1879. 12) A. Kölliker, Die embryonalen Keimblätter und die - Gewebe. Zeitschr. f. wiss. Zool. 40. Bd., 1884. 13) A. Kowalevsky, Entwicklungsgeschichte des Amphioxus. Möm. de l’Acad. imp. des sc. de St. Petersbourg, 1867. 14) A. Kowalevsky, Weitere Studien über die Entwg. des Amphi- oxus. Archiv. f. mikr. Anat. Bd. XIII, 1876. 15) P. Mayer, Ueber die Entwicklung des Herzens etc. bei den Se- lachiern. Mitth. d. zool. Station zu Neapel, Bd. VII, 1887. 16) P. Mayer, Die unpaaren Flossen der Selachier. Mitth. der zool. Station zu Neapel Bd. VI, 1886. 17) E. Metschnikoff, Spongiologische Studien. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 32, 1879. 18) E. Metschnikoff, Embryologische Studien an Medusen. Wien 1886. 19) W. Roux, Beiträge zur Morphologie der functionellen Anpassung. Arch. f. Anatomie und Entwickelungsgesch., 1883. 20) J. Rückert, Zur Keimblattbildung bei Selachiern. München 1885. 21) J. Rückert, Ueber die Anlage des mittleren Keimblattes und die erste Blutbildung bei Torpedo. Anat. Anzeiger II, 1857, S. 97 u. 154. 22) J. Rückert, Ueber die Entstehung der Exceretionsorgane bei den Selachiern. Archiv für Anat. u. Phys., Anat. Abth. 1888. 23) A. Sedgwick, Development of the Kidney in its relation to the Wolffian Body in the chick. Quart. Journal of mier. Se. N. S. Vol. XX, 1880. 24) O. Seeliger, Die Entwicklungsgeschichte der socialen Ascidien. Jenaische Zeitschrift für Naturw. Bd. XVII, 1885. 25) K. F. Wenckebach, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Knochenfische. - Arch. f. mikr. Anat. Bd. 28, 1886. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. 399 26) J. W. van Wijhe, Ueber die Mesodermsegmente und die Ent- wicklung der Nerven des Selachierkopfes. Verhandl. d. K. Akad. van Weten- schappen XXI. Deel. Amsterdam 1883. 27) J. W. van Wijhe, Die Betheiligung des Ectoderms an der Entwick- lung des Urnierenganges. Anatom. Anzeiger IX, 1886. 28) J. W. van Wijhe, Ueber die Entwicklung des Excretionssystems etc. bei den Selachiern. Anat. Anzeiger 1888, 8. 74. 29) H. E. Ziegler, Die embryonale Entwicklung von Salmo_ salar. Diss. Freiburg 1882. 350) H. E. Ziegler, Die Entwicklung von Cyclas cornea. Zeitschrift für wiss. Zoologie 41. Bd. 1885. 31) H. E. Ziegler, Die Entstehung des Blutes bei Kuochenfischembry- onen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30, 1887. Tafelerklärung. Tafel XII. Durchgehende Bezeichnungen: ao Aorta. Ih Leibeshöhle. bg Bildungsgewebe (embryonale An- mdr Medullarrohr. lage mesenchymatischer Gewebe). ms Mesenterium. ch Chorda. mst Muskelstreifen. d Darm. mt Myotom. de Dotterepithel, die einschichtige sbv Subintestinalvene. Zelllage, welche im Bereich der smp Somatopleur. Keimscheibe an der Oberfläche des sp Seitenplatten. Dotters gefunden wird. spp Splanchnopleur. dk Dotterkern. uc Urnierencanälchen. ent Entoderm. ug Urnierengang. el Extremitätenleiste. us Ursegment. g Gefäss. vc Cardinalvene. he Herzendothel. vg Vertebralgefäss. Alle Figuren beziehen sich auf Torpedo ocellata. Fig. 1. Schema eines Querschnitts durch die Mitte eines Rumpfsegmentes, um zu zeigen, von welchen Stellen des Ursegments und der Seiten- platten mesenchymatische Zellen aus den epithelialen Mesoderm- platten herausrücken; wo in früherer oder späterer Zeit eine solche Proliferation von Bildungsgewebe stattfindet, da ist die Contour der Mesodermplatte ausgezackt gezeichnet und sind die proliferirten Zellen schematisch angegeben. Durch * ist die Stelle bezeichnet, wo das Urnierencanälchen sich von dem Myotom ablöst. Fig. 2. Querschnitt aus dem mittleren Rumpftheil im Stadium K; rechts ist die Mitte eines Segmentes getroffen, während links der Schnitt etwas weiter vorn geht. Rechts sieht man das Urnierencanälchen, welches sich schon von dem Myotom abgelöst hat. Vergr. 100, 400 Fig. H. Ernst Ziegler: Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe ete. 3. Querschnitt durch den hinteren Rumpftheii desselben Embryo. Rechts trifft der Schnitt den Eingang in ein Urnierencanälchen, während die linke Hälfte des Schnittes etwas weiter hinten zu denken ist; man sieht links, dass das den Darm umhüllende Bildungsgewebe mit dem Splanchnopleur in continuirlickem Zusammenhange steht. Vergr. 100. 4. Frontalschnitt durch den hinteren Rumpftheil eines Embryo desselben Stadiums. Das Bild ist construirt in der Weise, dass von den Seg- menten s,— s, jedes folgende etwas höher geschnitten ist, als das vorhergehende. Die Lage der Schnitte ist an Fig. 3 angeschrieben. Vergl. $. 386. 5. Querschnitt des Stadiums E—F. Der Schnitt liegt am Anfang des zweiten Drittel des Embryo; er trifft links die Mitte des Ursegments; die rechte Hälfte des Schnittes liegt etwas weiter vorn. Vergr. 100. . 6, 7, 8, 9. Frontalschnitte des Stadiums G; es sind drei Kiemenspalten angelegt (sp I, II, III), aber keine derselben ist durchgebrochen. Die Richtung der Schnitte ist nicht ganz senkrecht zur Median- ebene; dieselbe ist an Fig. 10 und 11 durch die Linie x—y angegeben. Fig. 6 ist der tiefste Schnitt, jeder folgende liegt etwas höher; da der Embryo etwas gekrümmt ist, trifft jeder Frontalschnitt die einzelnen Ursegmente auf verschiedener Höhe. Vergr. 56. . 10 und 11. Querschnitte desselben Stadiums. Fig. 10. Schnitt durch das zweite zu dieser Zeit deutlich angelegte Segment (wahrscheinlich entsprechend dem 7. von van Wijhe), eine kurze Strecke hinter der 3. Kiemenspalte. Der Schnitt hat rechts die Mitte des Segments getroffen, während die linke Seite etwas weiter vorn liegt. Verg. 100. Fig. 11, Schnitt durch das 7. Segment; der Schnitt trifft links die Mitte des Segments, rechts liegt er etwas weiter vorn. Vergr. 100. Die Linie x—y bezeichnet die Richtung der etwas schiefen Frontal- schnitte Fig. 6—9. g. 12, 13 und 14, Querschnitte eines Stadiums H—J. Vergr. 100. Fig. 12, Schnitt zwischen den Kiemenspalten und dem Beginn der Ex- tremitätenleiste gelegen. Rechts trifft der Schnitt die Mitte eines Ursegments, während die linke Hälfte des Schnittes etwas weiter hinten zu denken ist. Fig. 13, Schnitt wenige Segmente weiter hinten als Fig. 12, eine kurze Strecke vor der Leber; der Schnitt trifft rechts die Mitte des Segments und geht links etwas weiter hinten; er zeigt, dass auf dem Somatopleur eine Masse von Bildungsgewebe sich be- findet, welche in die Extremitätenleiste zu liegen kommt. Fig. 14, Querschnitt in der hinteren Rumpfgegend; derselbe geht links durch die Mitte des Segments und rechts zwischen zwei Segmenten hin- durch; links ist die bei der Entstehung des Sklerotoms auftretende Ausstülpung des inneren Blattes des Ursegments zu sehen. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen, zugleich ein Beitrag zur Lehre vom feineren Bau der contraktilen Elemente. Von Dr. med. E. Ballowitz, Prosector am anatomischen Institut in Greifswald. Hierzu Tafel XIV— XVII. Theil I Die Spermatozo&n der Vögel. Die contraktilen Elemente sind stets ein bevorzugter Gegen- stand mikroskopischer Forschung gewesen. Die eigenartigen Contraktionsphänomene der quergestreiften und glatten Muskulatur, das fesselnde Spiel der Flimmerorgane, die amöboiden Bewegungen des Protoplasmas forderten auf, dem feineren Baue der contraktilen Substanzen nachzuforschen und für die Erklärung der mannigfachen Bewegungserscheinungen derselben zunächst in der Struktur ihres histiologischen Substrates einen Aufschluss zu suchen. Obwohl nun die einzelnen Arten der contraktilen Elemente zum Gegenstande sehr zahlreicher Specialuntersuchungen gewor- den sind und ihr feinerer Bau nach jeder Richtung hin durch- forscht wurde, so ist doch nur von Wenigen der Versuch gemacht worden, die Strukturverhältnisse und auch die Bewegungserschei- nungen aller contraktilen Elemente mit einander zu vergleichen und unter gemeinschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten. G. R. Wagener (1) lieferte zuerst durch umfassende, ver- gleichende Untersuchungen den Nachweis, dass nicht nur der quer- gestreiften Muskulatur, sondern auch den glatten Muskelfasern der Vertebraten und Evertebraten allgemein eine Zusammensetzung aus feinen Fasern zukäme und gebührt ihm das Verdienst, wieder- holt darauf hingedeutet zu haben, dass die Muskelfibrille als letzter Theil des Muskels angesehen werden müsse. Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 26 403 E. Ballowitz: Diese Lehre von dem fibrillären Baue der Muskelelemente suchte später Th. W. Engelmann (2) in einer Abhandlung: „Ueber den faserigen Bau der contraktilen Substanzen, mit beson- derer Berücksichtigung der glatten und doppelt schräggestreiften Muskelfasern‘“ (1881) zu verallgemeinern und durch weitere Belege die Annahme zu begründen, dass Contraktilität überhaupt in letzter Instanz überall an faserförmige Elemente gebunden sei (2). Ausgehend von der allgemein anerkannten Thatsache einer üibrillären Struktur der quergestreiften Muskelfaser und dem durch ihn gelieferten Nachweise eines feinfaserigen Baues der Flimmer- apparate und Wimperorgane, bringt er neue Beweise für die fein- faserige Struktur der glatten Muskelfaser der Vertebraten und weist nach, dass gleichfalls die eigenthümliche, doppelt schrägge- streifte Muskulatur gewisser Evertebraten aus feinen Fibrillen zu- sammengesetzt ist. Endlich werden auch dafür Beispiele aufge- führt, dass das scheinbar formlose, amöboid bewegliche Proto- plasma sich unter gewissen Bedingungen vorübergehend zu feinsten Fäserchen anordnet. Ein contraktiles Organ indessen lässt Engelmann völlig unberücksichtigt: die. Geissel der frei beweglichen Spermatozo£n. Und doch ist wohl gerade dieses Organ besonderer Beach- tung werth, wie auch die sehr zahlreichen Arbeiten über die Struktur der Samenkörper darthuen. Die ausserordentliche Mannig- faltigkeit der Spermatozoönformen bei den Thieren, ihre unter einander so abweichenden Bewegungserscheinungen legen den Ge- danken nahe, dass so eigenartigen Gebilden auch eine compli- eirtere Struktur zukommen müsse und dass sich, trotz der Verschiedenheit ihrer Formen und Bewegungen viel- leicht doch ein gemeinsames, für das Wesen der Con- traktilität überhaupt charakteristisches und bei der Mannigfaltigkeit der Formen dann um so bedeutsameres Strukturverhältniss auffinden liesse. Diese Vermuthung findet um so mehr Berechtigung, als es sich in der Spermatozoöngeissel lediglich um ein bestimmten Zwecken angepasstes Bewegungsorgan handelt. Denn durch alle neueren Untersuchungen über die Befruchtungsvorgänge im Ei ist wohl nachgewiesen, dass allein der Kopf des Spermatosoms, dort, wo ein solcher von einer Geissel überhaupt deutlich abgegrenzt ist, bei der Befruchtung eine wesentliche Rolle spielt, während Intersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 403 die Geissel nur als Bewegungsorgan und locomotorischer Apparat fungirt, welcher die Aufgabe hat, den Spermatozoönkopf dem Ei zu nähern und ein Eindringen desselben in das Ei zu bewerk- stelligen. Dass nun in der genannten Abhandlung Engelmann’s die Spermatozo@n unberücksichtigt blieben und auch bei Besprechung der Struktur der Flimmerorgane nicht erwähnt wurden, hat wohl lediglich darin seinen Grund, dass bis dahin noch keine einzige unbezweifelte Thatsache vorlag, welche auf einen faserigen Bau derselben hätte schliessen lassen. Durch einige Beobachtungen, welche ich machte, aufmerksam geworden, begann ich im Sommer 1885 während meiner Anstellung am anatomischen Institut in Rostock eine Untersuchung der Geissel der Säugethierspermatozoön, welche mir bald eine feinfaserige ‘Struktur derselben zur Gewissheit machte. Hierdurch angeregt, unternahm ich es, diese Untersuchungen auch auf andere Thier- sruppen auszudehnen, in der Vermuthung, dass sich auch hier ähnliche Resultate ergeben würden. Ich stiess hierbei indessen auf nicht geringe Schwierigkeiten. Abgesehen davon, dass man bei diesen Arbeiten sehr von der Jahreszeit und dem Material abhängig ist und dass sich, z. B. bei Insekten, oft erst nach vielen vergeblichen Zergliederungen Sperma in genügender Menge und geeigneter Beschaffenheit ge- winnen liess, stellte es sich bald heraus, dass die grosse Mannig- faltigkeit der Spermatozoönformen auch eine verschiedene Behand- lung derselben erforderte. Die Methoden, welche bei dem einen Thiere sehr gute Resultate lieferten, liessen mich bei einem anderen völlig im Stich, so dass ich meist gezwungen war, das Sperma jeden Thieres von vorneherein mehreren Behandlungen zu unter- werfen, wodurch natürlich die Untersuchungen sehr erschwert und verlangsamt wurden. Dazu kam, dass ich im Sommer 1885 erst ziemlich spät an diese Arbeiten herantrat und, nach meiner Ueber- siedelung nach Greifswald, diesen Untersuchungen nur noch wäh- rend des Sommers 1836 meine freie Zeit widmen konnte. Im Herbst des genannten Jahres war die Arbeit so weit vor- geschritten, um einen Ueberblick gewinnen und einige Hauptresul- tate veröffentlichen zu können. Diese Mittheilung (3) betraf hauptsächlich die fibrilläre Struktur der Spermatozo&n der Säuge- thiere, Vögel, Fische und Insekten. Es musste darin auf einige 404 E. Ballowitz: frühere, bis dahin unbestätigt gebliebene, nur theilweise richtig gedeutete Beobachtungen O. Jensens (4) zurückgegangen werden und konnte ich denselben in Betreff der Säugethierspermatozo£&n, auf Grund meiner Beobachtungen, die Deutung geben, dass nur dem Axenfaden eine, wie ich fand, exquisit fibrilläre Struktur zukäme. In einem sehr liebenswürdigen Briefe aus Christiania vom 30. December 1886, in welchem auch die Schwierigkeit und Lang- wierigkeit derartiger Untersuchungen noch besonders betont wurde, theilte mir der inzwischen leider so früh verstorbene Forscher mit, dass auch er diese von mir gegebene Deutung nunmehr für die richtige halten müsste. Nachdem auf der ersten Versammlung der anatomischen Ge- sellschaft zu Leipzig im April 1887 in dem umfassenden Referate Waldeyer’s: „Ueber den Bau und die Entwickelung der Samen- fäden“ (5) auch meine Mittheilung Berücksichtigung gefunden, ist jüngst eine ausführliche, bemerkenswerthe Arbeit von O. Jensen (6) über die Struktur der Samenkörper einiger Säugethiere er- schienen, auf welche Arbeit ich später näher eingehen werde. Ich glaube jetzt nicht länger zögern zu dürfen und es wagen zu können, einige ausführliche Mittheilungen und zwar zunächst über die Spermatozoön der Vögel, der Veröffentlichung zu über- geben. Weitere Mittheilungen werden folgen. Bemerken möchte ich noch, dass auch die Struktur des Sper- matozo@nkopfes Berücksichtigung fand, wenn ich es mir auch hauptsächlich zur Aufgabe machte, den feineren Bau der Geissel als eines Bewegungsorganes zu untersuchen und damit einen Bei- trag zur Lehre von der Struktur der contraktilen Elemente über- haupt zu liefern. Zuvor möge mir an dieser Stelle gestattet sein, Herrn Prof. A.von Brunn in Rostock für alle mir stets mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit ertheilten Rathschläge und für das lebhafte Inter- esse, welches er an dem Fortschritte meiner Arbeit genommen, meinen herzlichsten, aufrichtigen Dank auszusprechen. Bekanntlich finden sich in der Klasse der Vögel die Sper- matozoön in zwei verschiedenen Formen, welche sich hauptsäch- lich durch die Gestalt des Kopfes von einander unterscheiden. Die eine, den Singvögeln (Passeres) eigenthümliche Form Untersuchungen über die Struktur der Spermätozoen. 405 zeichnet sich, nach Angabe früherer Beobachter, dadurch aus, dass der Kopf mehrere Spiralwindungen besitzt, so dass derselbe ein korkzieherartiges Aussehen erhält. Wie schon R. Wagner und Leuckart (7) berichten, ist die Zahl dieser Windungen des Kopfes bei den einzelnen Arten verschieden. Auch die Länge der Geissel, welche von R. Wagner noch als einfacher, gerader Faden ge- zeiehnet wird, differirt je nach der Art und ist bei manchen Species eine nicht unbeträchtliche. Schweigger-Seidel (8) lehrte zuerst an den Spermatozoön des Buchfinken eine Zusammensetzung des Kopfes aus zwei ver- schiedenen Theilen kennen und stellte an der Geissel derselben eine spiralige Bildung dar, deren Bedeutung er jedoch noch im Unklaren lässt. Sehr eingehend sind neuerdings die Spermatozoön des Haus- sperlings von A. v. Brunn (9) untersucht worden und muss auf diese Untersuchungen hier näher eingegangen werden. v. Brunn stellt zunächst den Bau des Kopfes dieser Sper- matosomen fest und macht dann nähere Mittheilung über die Struktur der Geissel. Dieselbe erscheint bei dem Haussperling an ganz frischen oder an in Osmiumsäure erhärteten Präparaten vom Kopf an geschlängelt, nimmt allmählich an Dicke ab und läuft, nach einer plötzlichen Verdünnung in einiger Entfernung vom Ende, in einen äusserst feinen, blassen, nicht mehr geschlän- gelten, sondern geraden Faden von im Durchschnitt 0,021 mm Länge aus. Dieser Endfaden entspricht dem von Retzius (10) als Endstück bezeichneten Theil der Säugethierspermatozo£n. Das oberste Ende des Schwanzes erscheint als etwas dunklere Partie, die sich gegen den hinteren Schwanztheil absetzt und ist, nach v. Brunn, dem „Verbindungsstück“ (Retzius) der Säuge- thierspermatozo&n gleichzustellen. Zwischen Verbindungs- und Endstück liegt das geschlängelte „Hauptstück“ (Retzius) der Geissel. In Betreff dieses geschlängelten Theiles des Schwanzes be- stätigt v. Brunn die von Schweigger-Seidel gemachte Beob- achtung, dass sich von demselben gelegentlich ein geschlängelter Faden ablöst, so dass der Schwanz sich aus 2 Fäden zusammen- setzt, einem geraden „Axenfaden“ und eben diesem geschlängelten Faden. Das Endstück ist der hinterste, freie Theil des Axenfadens. Es ist jedoch schwierig zu sagen, ob dieser geschlängelte Faden, 406 E. Ballowitz: wie die Randfaser des Flossensaumes an den Spermatozoön von Salamandra und Triton, auf einer Seite der Axenfaser herunter- geht oder ob er letztere spiralig umgiebt. v. Brunn glaubt sich für erstere Annahme entscheiden zu sollen. Die zweite bei den Vögeln vorkommende Spermatozoänform besitzt nach den früheren Beobachtern einen langgestreckten, ge- raden, schmalen, drehrunden Kopf und eine kurze Geissel und soll sich bei allen übrigen Vögeln vorfinden. Diese meist sehr kleinen Samenkörper haben nach A. v. Brunn (9) viele Aehnlich- keit mit denen der Säugethiere und besitzen ein Verbindungsstück, welches (bei dem Hahn und Enterich) als querstreifige Masse erscheint. Durch glückliche Umstände war ich vor zwei Jahren in der Lage, eine grössere Anzahl von Vogelarten, gewöhnlich in mehreren Exemplaren, während der Paarungszeit in meist recht frischem Zustande erhalten zu können und habe ich dieses Material für die Untersuchung der Spermatozo@n benutzt. Für diese Unter- suchung kommt der Umstand besonders zu Statten, dass bei den Vögeln während der Paarungszeit die in vielen Windungen ver- laufenden Vasa deferentia regelmässig strotzend mit reifen Sperma- tozoen erfüllt sind. Besonders empfiehlt es sich, das Sperma dem Vas deferens in der Nähe der Cloake zu entnehmen. Hier knäuelt sich der Ausführungsgang jederseits zu einem oft starken Convolut von Windungen zusammen, welches, wie schon R. Wagner (11) angiebt, bei den Passeres sehr entwickelt ist und erinnert diese Bildung äusserlich an die Windungen des Nebenhodens der Säuge- thiere. Oft, z. B. bei den Fringilliden, sind diese Convolute so stark ausgebildet, dass die Cloakengegend konisch hervorgetrieben wird. Jedenfalls dient diese Einrichtung als Spermareservoir und vermittelt, durch verlangsamtes Herabrücken der Spermaflüssig- keit, ein völliges Ausreifen der Samenkörper. Man kann daher aus den Samengängen stets reines, für Macerationen ausgezeichnet geeignetes Material in reichlichem Maasse gewinnen und ist nicht allein auf den mit anderen Elementen vermischten Hodeninhalt angewiesen. Zur Untersuchung kamen nun folgende 42 Arten: Ordnung. Genus. Species. I. Natatores Tadorna vulpanser Flem. Anas domestica L. Anser domesticus L. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozo6en. Ordnung. II. Grallatores III. Gallinacei VI. Columbinae V, Scansores VI. Passeres VII. Raptatores Genus. Larus „ „ Vanellus Gallus Meleagris Columba Cueulus Picus Certhia Hirundo Chelidon Caprimulgus Corvus Öriolus Lanius Muscicapa Parus » Sitta Anthus Motaeilla Sylvia „ n „ ” Rubicilla Phyllopneuste „ ” Alauda Emberiza Fringilla „ Ligurinus Passer ” Milvus Species. ridibundus L. canus L. marinus L. cristatus Meyer. domesticus L. gallopavo L. domestica L. canorus L. major L. familiaris L. rustica L. urbica Boie. europaeus L. frugilegus L. galbula L. collurio L. grisola L. major L. cristatus L. europaea L. arboreus Bechst. flava L. nisoria Bechst. atricapilla Lath. hortensis Bechst. curruca Bechst. ceinerea Bechst. phoenicura Bp. hypolais Bechst. sibilatrix Bechst. trochilus Bp. arvensis L. eitrinella L. caelebs L. cannabina L. chloris Koch. domesticus L. montanus L. ater Daud. 407 Es möge zuerst die Spermatozoönform der Singvögel be- sprochen werden und sei es mir gestattet, zunächst auf die Struktur der Geissel näher einzugehen. 408 E. Ballowitz: I. Singvögel (Passeres). A. Struktur der Geissel. Wie sieh mir herausstellte, herrscht im Bau der Samenkörper dieser Thiere im Allgemeinen eine grosse Uebereinstimmung; nur in der Länge der ganzen Körper und der relativen Grösse ihrer einzelnen Theile bestehen beträchtliche Differenzen. Die grössten Spermatozoön dieser Form fand ich bei dem Buchfinken (Fringilla caelebs L.) und eignet sich derselbe aus diesem Grunde für die vorliegenden Untersuchungen ganz besonders, zu- mal dieses Thier ja auch ein leicht zu beschaffendes Material ist. Es sollen daher die Spermatozo@n dieses Singvogels zuerst berück- sichtigt werden. Die Geissel des Spermatosoms des Buchfinken (Fig. 1) be- sitzt die ansehnliche Länge von 0,259 mm und stellt einen meist schnurgerade gestreckten, bisweilen leicht geschwungenen Faden dar, welchem eine gewisse, nicht unbeträchtliche federnde Elasti- eität inne zu wohnen scheint; wenigstens sieht man niemals!) grös- sere unregelmässige Einbiegungen oder winkelige Abknickungen. Von dem vorderen Ende unmittelbar hinter dem Kopfe an bis in die Nähe des hinteren Endes zeigt dieselbe eine grosse Zahl sehr regelmässiger schmaler und kurzer Windungen, welche wie die Windungen eines schmalen Saumes erscheinen. Am vor- deren Theile der Geissel sind diese Windungen deutlicher und breiter und nehmen nach hinten hin, allmählich schmaler werdend, mehr und mehr an Deutlichkeit ab; die dem hinteren Ende be- nachbarten sind sehr schmal und nur mit Mühe gut wahrzunehmen. Die Zahl dieser Windungen scheint eine constante zu sein und beläuft sich auf c. 60. Die Länge einer jeden in dem vorderen Drittel der Geissel beträgt 0,00405—0,0045 mm und scheint gegen das Ende hin nur wenig abzunehmen. In gleicher Weise, wie v. Brunn für die Spermatozoön des Sperlings angiebt, ist das hinterste Ende der Geissel frei von Windungen und bildet einen blassen, geraden, sehr feinen, in eine äusserst zarte Spitze auslaufenden Faden von c. 0,0135 mm Länge (Fig. 1 E). Wie bei dem Endstück der Säugethierspermatozoön fand ich auch hier den feinen Endfaden bisweilen stumpf- oder 1) Abgesehen von dem Endstück, s. weiter unten. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 409 rechtwinkelig abgebogen (Fig. 2). Bei Untersuchung in ungeeig- neten Flüssigkeiten ist er nicht selten zusammengeknäuelt und un- deutlich. Eine Theilung dieses Endstückes wurde an frischen Spermatosomen des Finken niemals angetroffen. Am vorderen Ende der Geissel fallen die ersten 1Y/, Win- dungen durch etwas dunkleres Aussehen auf (Fig. 1, V). Auch besitzt die erste Windung eine etwas grössere Breite als alle übrigen und schliesst sich, nach hinten hin schmaler werdend, un- mittelbar an das hintere Ende des Kopfes an, dessen hintere Windung sie nach der Geissel hin fortsetzt. Von dem Kopfe hebt sie sich durch eine feine, dunkle Querlinie ab, während das hintere Ende dieses Abschnittes unmittelbar in den übrigen gewundenen Geisseltheil übergeht. Noch deutlicher, durch intensivere Färbung, tritt dieser Unterschied bei Zusatz von Anilinfarben, z. B. Gentiana- violett, hervor (Fig. 3, V). Dieser deutlich differenzirte Abschnitt ist derselbe, welchen v. Brunn bei dem Haussperling auffand und als einen dem Verbindungsstück (Mittelstück Schweigger-Sei- del’s) der Säugethier-Spermatozoän homologen Theil gedeutet hat. Schweigger-Seidel (3) hat diesen oberen Abschnitt an den Spermatozoön des Finken, welche in verdünntem Glycerin untersucht wurden, bereits gesehen und auf Tafel XIX D, 1—5 seiner Abhandlung abgebildet. Indessen wird dieser Befund in keine weitere Beziehung gebracht, vielmehr durch ungleiche Ein- wirkung des angewandten Reagens erklärt. Es fragt sich nun, durch welches Strukturverhältniss dieses gewundene oder „geschlängelte“ (v. Brunn) Aussehen der Geissel hervorgerufen wird und komnit es darauf an, zu ermitteln, ob dieses Aussehen durch eine spiralige Bildung oder einen an einer Seite angehefteten gewundenen Saum bedingt ist. Beide Bildungen würden unter den Spermatozoäön der Thiere ihre Analoga finden. Diese Frage lässt sich nur durch genaue Untersuchung der intakten Spermatosomen mit starker Vergrösserung und geeigneter Beleuchtung und durch Beobachtung an in ihre Theile zerlegten Geisseln entscheiden. Untersucht man frisches mit physiologischer Kochsalzlösung oder Humor aqueus verdünntes Sperma aus dem vas deferens nach vorheriger Fixirung mittelst Osmiumsäuredämpfen mit homo- gsener Immersion!) bei guter Tagesbeleuchtung und stellt genau 1) Es wurde für diese Untersuchungen hauptsächlich Winkel, homogene 410 E. Ballowitz: die Oberfläche eines einzelnen günstig liegenden Spermatosoms ein, so sieht man in regelmässigen Abständen an der Geissel kurze dunkle Linien erscheinen und schräg von einer Seite zur anderen hinüberziehen. Bewegt man jetzt den Tubus ganz allmählich nach abwärts, so verlängern sich, deutlicher und breiter werdend, diese schrägen Linien nach rechts und links, bis sie den Rand der Geissel erreicht haben und hier in leicht vorspringende Kanten übergehen. Dann sind die zuerst deutlichen Schräglinien undeut- lich geworden und statt derer erscheint in der Mitte eine stark lichtbrechende, axial gelegene, gerade Faser. Senkt man jetzt vor- sichtig den Tubus noch mehr, so dass der Focus die Unterfläche der Geissel erreicht, so werden die seitlichen Kanten wieder un- deutlicher und setzen sich allmählich wiederum mit einander durch ebenso regelmässige dunkle Schräglinien in Verbindung, welche jedoch die entgegengesetzte Richtung, wie die Schräglinien der Oberfläche haben. Beide Systeme von schrägen Linien markiren sich übrigens (aus leicht ersichtlichen optischen Gründen) auch bei der mittleren Einstellung in der axialen Faser als schräg ver- laufende Schatten. Es lassen sich diese Bilder optisch nur dadurch erklären, dass sich ein fadenartiger Saum in regelmässigen Spiraltouren um einen axialen Faden herumlest. Man kann sich hiervon an jedem Spermatosom bei guter Beleuchtung und genauer Einstel- lung ohne Schwierigkeit überzeugen. Es müssen allerdings die vorderen Windungen in der Nähe des Kopfes eingestellt werden, da das Erkennen der spiraligen Umwickelung an den hinteren Windungen durch ihre zunehmende Schmalheit bedeutend erschwert wird. Diese Beobachtung eines Spiralsaumes am unverletzten Sper- matosom findet ihre volle Bestätigung durch die Untersuchung zerlegter Samenkörper. Schon das frische Sperma aus dem Vas deferens liefert hier- für Belegstücke. Man trifft darin hier und da Spermatozoön, an welchen sich eine spiralig gebogene Faser von einer geraden Axen- faser auf eine kurze Strecke abgelöst hat. Die häufigsten Ab- lösungsstellen sind, wie leicht erklärlich, das obere und besonders Immersion 1/y,, eimige Male auch Zeiss, homogene Immersion 1//; benutzt, gewöhnlich mit Zuhilfenahme des Abbe’schen Beleuchtungsapparates. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 411 untere Ende der Geissel. Aber auch in dem mittleren Theile der- selben kann an ganz beliebiger Stelle die Spiralfaser einreissen und sich eine Strecke weit abtrennen. Stets findet diese Ablösung an den frischen Spermatozoön des Vas deferens nur auf kurze Strecken statt und umfasst, soviel ich gesehen, höchstens bis 8 Windungen, die sich von dem geraden Faden abgewunden haben und mit dem einen Ende frei nach aussen abstehen. An diesen Präparaten sieht man häufig, dass die kurzen abgelösten Spiralstücke sich mit ihren Windungen zusammengezogen haben, so dass die letzteren oft ringförmig ganz enge an einander liegen, ein Beweis, dass dem Spiralsaum eine nicht geringe elastische Spannung inne wohnt und derselbe bei dieser elastischen Spannung ziemlich fest mit der axialen Faser verbunden sein muss. Diese letztere tritt überall, wo eine Ablösung des Spiralsaumes stattgefunden, als gerade Faser frei zu Tage und erstreckt sich vom Kopfe bis zum Endstücke, welches auch hier nur eine directe Fortsetzung derselben ist, wie bei der Ablösung des unteren Endes des Spiralsaumes ersichtlich wird. Vermuthlich liegt nun an der intakten Geissel die Axenfaser auf der Strecke zwischen den Spiralwindungen nicht völlig frei, sondern wird hier von einer, wenn auch äusserst dünnen Schicht von Protoplasma eingehüllt, durch welches die Spiraltouren mit einander verbunden und an der Axenfaser fest geheftet werden. Bei dieser nur geringen Ablösung des Spiralsaumes auf kurze Strecken überrascht ein Befund um so mehr, welchen man in dem Sperma aus dem Vas deferens bei vielen Individuen ganz regel- mässig erhält. Man findet nämlich unter den Spermatozo@n lange Spiralen (Fig. 23), welche völlig isolirt sind und niemals in Ver- bindung mit einem Spermatozoönkopf angetroffen werden. Diese Spiralen sind, wenn auch oft recht lang, doch kürzer, als das in- takte Spermatosom und werden von einem ein wenig abgeplatteten, schmalen, saumartigen Faden gebildet, der sich in meist sehr regel- mässige Spiraltouren zusammengelegt hat und den Eindruck macht, als ob er ziemlich elastisch wäre nnd sich in Folge dieser ihm innewohnenden Spannung etwas zusammengeschnurrt hätte. Die Breite dieser Windungen ist grösser, als die der Windungen des Spiral- saumes am unversehrten Samenkörper und erscheint der Spiralfaden auch etwas dicker, als der an die Geissel angeheftete Saum. Das Vorkommen und die Zahl dieser Spiralen ist individuell verschieden. Während sie bei manchen Individuen vermisst werden 412 E. Ballowitz: oder doch nur selten vorkommen, trifft man sie bei anderen in jedem Präparat und nicht selten sehr häufig. Bisweilen sind sie in jedem Präparate ein so regelmässiger und häufiger Be- fund, dass man von einem zweiten Form-Bestandtheile des Spermas sprechen müsste. Von früheren Beobachtern scheinen sie übersehen zu sein, wenigstens finde ich sie nirgends er- wähnt. Es erscheint nun von vorneherein wahrscheinlich, dass diese Spiralen die abgelösten Spiralfäden der Geisseln sind. In der That trifft man im Vas deferens auch nicht selten Samenkörper mit völlig nackten Axenfäden, denen der Spiralsaum gänzlich fehlt. Da man aber, wie wir gesehen haben, die Ablösungsstadien im Vas deferens nicht findet, muss der Ort der Ablösung wahr- scheinlich höher im Hoden selbst liegen. Eine Untersuchung des Hodeninhaltes bestätigt dies. Untersucht man die bei einem Schnitt in den weichen turgeseirenden Hoden reichlich hervorquellende und mit indifferenten Flüssigkeiten diluirte Hodenflüssigkeit, so trifft man neben den zahlreichen Spermatidenbündeln und isolirten völlig ausgebildeten Spermatozoön auch noch nicht ganz reife Samen- körper, an welchen der Spiralsaum noch nicht so schmal ist, wie im Vas deferens.. Häufig erscheint dann dieser Saum etwas von der Faser abgehoben, so dass er nur locker, aber ganz regelmässig um den hier sehr deutlichen Axenfaden herumgewunden ist (Fig. 21). Dabei ist der Spiralsaum stellenweise aber immer noch in festerer Verbindung mit der axialen Faser. An solchen Spermatosomen ist die spiralige Umwickelung sehr schön zu studiren. Diese Ab- lösung geht noch weiter, besonders wenn die Präparate einige Zeit in der Kochsalzlösung gelegen haben, so dass die Windungen noch breiter und deutlicher werden, bis sich auch die Enden der Faser, meist nach Auflösung des Verbindungsstückes, abheben. Dann schnurrt sich der Spiralsaum zu einer noch auf der Axen- faser steckenden Spirale mit breiteren Windungen zusammen (Fig. 22 Sp), welche genau den im Vas deferens angetroffenen isolirten Spiralen gleicht. Bei dem Herabrücken derartig zerfallener Sper- mafosomen aus dem Hoden gleitet dann die Spiralfaser von dem Axenfaden herunter. Merkwürdig bleibt dabei immerhin, dass ein so weitgehender Zerfall der Spermatozoön bei manchen Individuen ganz normal zu sein scheint und bisweilen so häufig ist. Eine feinere Struktur konnte weder an den Spiralen im Ho- Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 413 den noch an denen des Vas deferens beobachtet werden. Es scheinen rein protoplasmatische Bildungen ohne weitere beson- dere Struktur zu sein, vor Allen konnte niemals auch nur eine Andeutung eines fibrillären Baues wahrgenommen werden. Bis- weilen zeigten die Spiralen einen feinkörnigen Zerfall, so dass sie wie aus Körnchen zusammengesetzt erschienen — jedenfalls ein De- generationsphänomen. Dasselbe gilt auch für das kurze Verbindungs- stück. Wie erwähnt, bekommt man bei diesen Untersuchungen sehr häufig den nackten Axenfaden (Fig. 21 u. 22 Af), besonders in Präparaten aus dem Hoden, zu Gesicht. Es erscheint derselbe als langer, meist gerader, ganz glatter, drehrunder und, wie ich be- tonen muss, solider Faden von starkem Lichtbrechungsvermögen, welcher sich, je weiter nach hinten, um so mehr allmählich ver- schmälert, bis er mit dem unmessbar feinen, zarten Endstück, seinem hintersten Theile, endigt. Ganz regelmässig gelingt es nun, den Axenfaden reifer Sper- matozoön aus dem Vas deferens in seiner ganzen Länge zu iso- liren, wenn man, wie v. Brunn (9) schon angiebt, das Sperma in dünner Kochsalzlösung macerirt. Controlirt man diesen Vor- gang unter dem Mikroskope, so sieht man, dass sich auch hierbei der Spiralsaum von der Axenfaser lockert und sehr deutlich hervortritt. Besonders an umgebogenen Stücken der Geissel sieht man dann nicht selten, wie sich eine oder mehrere Windungen von dem Axen- faden gelöst haben, während dafür die benachbarten Windungen um so enger an denselben angezogen sind. Schreitet die Maceration noch weiter vor, so quillt der Spiralsaum ein wenig und löst sich bald völlig auf, ohne einen Aufschluss über weitere Strukturver- hältnisse zu geben. Bevor der Spiralsaum des Hauptstückes sich auflöst, zerfällt das Verbindungsstück, so dass in einem gewissen Macerationsstadium, bei noch erhaltenem Spiralsaum, an den meisten Spermatosomen in der Nähe des Kopfes, entsprechend der Länge des Verbindungsstückes, eine Lücke sichtbar ist, in welcher der Axenfaden frei liegt, Schliesslich bleiben nur die Axenfäden, meist in Verbindung mit dem isolirten Hinterstück des Kopfes übrig. An solchen Stücken erkennt man nun, dass der Axenfaden dem einen und zwar oberen Rande der Hinterfläche des hier schräg abgestutzten Kopfes excentrisch inserirt (Fig. 22) und wahr- scheinlich in einer kleinen Vertiefung an dieser Stelle festsitzt. 414 E. Ballowitz: Ist auch dieses Hinterstück des Kopfes abgefallen, so erscheint sehr deutlich und ganz regelmässig an dem vorderen Ende der Axen- faser ein dunkles, stark lichtbrechendes, mit Anilinfarben ich in- tensiv färbendes Endknöpfchen, auf welches ich schon in meiner ersten Mittheilung (3) aufmerksam gemacht habe (Ek der Figuren 56—62). Der Grenzeontour dieses Endknöpfchens ist meist nicht regelmässig und sieht dasselbe oft wie körnig aus. Am Rande des Axenfadens ragt die Substanz des Knöpfchens oft etwas hervor, so dass hier eine ringförmige Verdickung entsteht, während nach vorne aus dem Knöpfehen manchmal eine ganz kurze, feine Spitze hervor- sieht. Mit diesem Endknöpfchehen befestigt sich der Axenfaden, wohl durch Vermittelung einer Kittsubstanz, in der geschilder- ten Weise an dem Hinterstück des Kopfes. An Spermatosomen mit erhaltenem Kopf, an welchen das Verbindungsstück abgefallen, nimmt man bisweilen diese Kittsubstanz in Gestalt einer sehr feinen hellen Linie zwischen Kopf und dann noch wenig deut- lichem Endknöpfchen wahr. Jedenfalls ist dieselbe nur sehr gering, aber doch recht resistent, da kopflose Geisseln im frischen Sperma nur selten beobachtet werden und nur bei vorgeschrittener Mace- ration auftreten. | Es wolltemir nun lange nicht gelingen, an den isolirten Axenfäden eine feinere Struktur zu entdecken, obwohl ich nach den Befunden, welche ich bei anderen Thieren erhalten, vermuthete, dass auch hier noch ein feinerer Bau vorliegen müsse. Zahlreiche angewandte Macerationsmittel gaben mir anfangs kein Resultat. Da es mir nieht möglich war, meine Absicht auszuführen, auch die Verdau- ungsmethode in Anwendung zu ziehen, verfiel ich schliesslich dar- auf, zu einem energischen Macerationsverfahren zu greifen, wel- chem die wenigsten organischen Substanzen zu widerstehen ver- mögen: der Fäulniss. Ich ging dabei von der Thatsache aus, dass die Spermatosomen, bei manchen Thieren wenigstens, sehr resi- stente Gebilde sind, welche wohl sehr gut geringere Grade der Fäulniss überstehen und erst einem stärkeren Eingreifen derselben weichen könnten. Es musste mir nun darauf ankommen, das Unsaubere und Unzuverlässige des Fäulnissprocesses möglichst zu beseitigen und dieses Macerationsverfahren für den gedachten Zweck zu einer zuverlässigen, wissenschaftlichen Methode zu erheben. Vor allen Dingen erschien mir als erste Bedingung, dass nur völlig reines, Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 415 von anderen Beimischungen freies Sperma zu diesem Zwecke ver- wendet werden dürfte. Ferner musste dasselbe in ausreichender Menge in solchen Körperräumen des zu untersuchenden Thieres eingeschlossen sein, deren Wandungen resistent genug wären, die durch die Fäulniss in den benachbarten Geweben entstehenden Verunreinigungen fern zu halten. Eine Maceration des Hodens, wie sie von Jensen (4) ausgeführt wurde, ist aus diesen Gründen zu verwerfen und kann niemals sichere und zuverlässige Resultate liefern. Sehr günstige Verhältnisse werden hingegen bei den Vögeln, wie wir oben gesehen haben, in den Vasa deferentia ge- geben, welche nur Spermatozoön, von geringen, unwesentlichen an- deren Beimischungen abgesehen, in reichlichem Maasse enthalten. Ich verfuhr nun bei diesen Versuchen folgendermaassen: Die zu untersuchenden Thiere wurden sorgfältig exenterirt und darauf in weithalsigen Glasgefässen, welche durch Glasstöpsel hermetisch verschliessbar waren, in Wasser gelegt, welches von Zeit zu Zeit, sobald es zu sehr mit Hämoglobin durchzogen war, erneuert wurde. Stücke von Holzkohle sorgten dafür, den Fäulnissgeruch gänzlich zu beseitigen. Von Zeit zu Zeit wurde dann ein Stück des Vas deferens an den herausgenommenen Cadavern, meist in der Nähe der Cloake, nach möglichster Entfernung allen umliegenden Ge- webes, frei präparirt, sodann herausgeschnitten und sorgfältigst in 0,7 procentiger Chlornatriumlösung abgespült. Aus dem gereinigten und in reiner 0,7 procentiger Kochsalzlösung zerzupften Stück wurden die Spermatosomen herausgedrückt und mit Nadeln durch Umrühren vertheilt, bis sie genügend isolirt waren. Denn es ist durchaus erforderlich, dass die Samenkörper im mikroskopischen Präparate völlig isolirt liegen und sind alle Beobachtungen nur an ganz vereinzelt liegenden Spermatosomen gemacht. Schon die ersten in dieser Weise vorbereiteten Präparate führten zu dem Resultat, dass der Axenfaden in gröbere und feinere Fasern zerfallen erschien, welche oft so fein waren, dass sie nur schwer wahrgenommen werden konnten. Vorsiehtige Tinktion mit intensiv färbenden Anilinfarben, z. B. Gentianaviolett, und eine Fixirung der zerfallenen Axenfäden in einer optischen Ebene liessen diese feinsten Fasern in ihrer ganzen Ausdehnung sehr deutlich hervortreten und die nähere Struktur des Axenfadens auf das Schönste erkennen. 416 E. Ballowitz: Eine genaue und systematische Untersuchung der nach dieser Methode erzielten Präparate ergab nun Folgendes: Zunächst liess sich auch hier feststellen, dass zuerst der Spiralfaden der Maceration erlag. Je länger die Maceration ein- wirkte, um so weniger traf man noch von den Spiralfasern an den Spermatosomen an, um so mehr wurden die Axenfäden isolirt. Dabei zeigten die Spiralfäden eine Neigung in Stücke zu zerfallen und zu zerbröckeln (Sp der Figuren 56—62). Auch hier konnte ich Ablösungen eines Endes der Spiral- bildung nur auf kurze Strecken wahrnehmen. Bei Tinktion mit Gentianaviolett färbten sich diese Spiralfaserreste sehr intensiv, so dass der Axenfaden verdeckt und die spiralige Umwindung nur undeutlich wahrnehmbar wurde. (Es ist daher auf den Zeichnungen der Tafel XVI und eines Theiles der Tafel XV die Umwickelung der Faser nicht angedeutet.) Diese intensive Färbung contrastirt mit der blassen, schwach violetten, aber deutlichen Färbung der Axenfaser, so dass beide Fasern auch eine sehr bemerkbare, diffe- rente Farbenreaction zeigen. In einem bestimmten Zeitpunkt der Maceration, welcher sich für den Einzelfall natürlich nicht genau angeben lässt, durchschnitt- lich etwa am 6.—8. Tage, sind dann auch die Köpfe grössten- theils abgefallen und, aufgelöst, so dass man an den sorgfältig an- gefertigten Präparaten nur die resistenten, mehr weniger isolirten Axenfäden (Tafel XVI) vorfindet, welche nicht selten in ihrer ganzen Länge erhalten sind und an ihrem vorderen Ende das kleiner ge- wordene Endknöpfehen (Ek) deutlich zeigen. Bei Untersuchung mit Abbe’schem Condensor bei gutem Tageslicht erkennt man nun, dass der Axenfaden nicht selten auf grössere oder kleinere Strecken in zwei glatte Fäden zerfällt, welche meist gleiche Dieke und gleiches Aussehen besitzen (Fig. 54); bisweilen erscheint jedoch einer etwas dicker, als der andere. Diese Theilung kann im ganzen Verlaufe des Axenfadens eintreten und wurde auch am Endstück ein Auseinanderweichen in 2 Fäden gesehen (Fig. 55). Nur am vordersten Ende in der Gegend des Endknöpfchens habe ich niemals eine Theilung wahrgenommen. Fast noch häufiger, als diese einfache Zweitheilung sieht man einen noch weiter gehenden Zerfall in feinere Fasern. An den Stellen, an welchen dieser Zerfall eingetreten ist, erkennt man gewöhnlich eine Gabelung des Axenfadens in 2 mehr weniger Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 417 kurze Aeste (Fig. 56, 57, 58, 60, 61, 62), von welchen sich einer oder häufig beide alsbald in einen Büschel feinerer Fasern auflösen. An dem anderen Ende der Zerfallstelle treten diese Fasern wieder zu den beiden Aesten zusammen, welche sich dann zum Axenfaden vereinigen. Oder aber, es tritt diese Wiedervereinigung nicht ein und die Fasern bleiben mit ihrem einen Ende von einander ge- trennt. Im letzteren Falle besitzen die isolirten Fasern fast immer annähernd die gleiche Länge (Fig. 62). Diese feineren Fasern sind nun gewöhnlich nicht alle von gleicher Dieke. Bei guter Tagesbeleuchtung und genauester Ein- stellung nach wohl gelungener Färbung erkennt man, und zwar dann sehr deutlich, an den Zerfallstellen überaus zarte und blass tingirte, äussert feine Fibrillen, in welche sich die feineren Fasern schliesslich zerlegen. Bisweilen löst sich auch einmal von einer gröberen Faser Eine dieser zarten Fibrillen eine kleinere oder grössere Strecke weit ab (Fig. 59, Fb). Zwischen diesen Fibrillen und den gröberen Fasern lassen sich, was die Dieke anbetrifft, alle Uebergänge finden; doch ist es kaum möglich, diese feinen Differenzen in einer Zeichnung auch nur annähernd genau wieder- zugeben. Trotz ihrer Feinheit besitzen diese Fibrillen einen ge- wissen Grad federnder Elastieität. Sie sind nicht selten dort, wo sie auf grössere Strecken isolirt sind, schön, ich möchte sagen: elegant geschwungen, bilden an den Zerfallstellen, an welchen der Axenfaden sich zufällig umgebogen hatte, zierliche Schleifen und zeigen niemals winkelige Abknickungen oder scharfkantige Um- biegungen. i Diese feinsten Fibrillen sind nun das Endprodukt der Zer- spaltung des Axenfadens und möchte ich für sie aus diesem Grunde die Bezeichnung „Elementarfibrillen* vorschlagen. Die Zahl der Elementarfibrillen des Axenfadens des Buch- finken scheint nun eine nicht unbeträchtliche zu sein. In den ex- tremsten Fällen, welche mir zur Beobachtung kamen, konnte ich 7—10, einmal 11 (Fig. 58) feinste Fibrillen zählen. Dabei zeigten auch an diesen Präparaten nicht alle Fibrillen die gleiche Dicke; einige schienen ein ganz geringes gröber zu sein, Unterschiede, welche zu subtil waren, um durch den Zeichenstift angedeutet werden zu können. Es ist demnach sehr wohl möglich, dass dies nicht alle wirkliche Elementarfibrillen waren und der Axenfaden sich vielmehr noch aus zahlreicheren Fädchen zusammensetzt. Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32, 27 418 E. Ballowitz: Von Wichtigkeit ist, dass ich den Zerfall in eine grössere Anzahl von Fibrillen auf jeder Strecke des Axenfadens, auch in der Nähe des Endstückes feststellen konnte. Fig. 57 und 58 der Tafel XVI demonstriren den feinfaserigen Zerfall in der Nähe des vorderen Endes, Fig. 56, 59, 60 und 61 mehr in der Mitte und im hinteren Theile der Axenfaser. In Fig. 59 und 61 zeigen die Fäserchen Schleifen und wellenförmige Einbiegungen. Erwähnen möchte ich hierbei noch, dass eine fibrilläre Aufsplitterung des vorderen Endes durch das Endknöpfehen hindureh nicht be- obachtet wurde, ein Beweis, dass hier die Fibrillen besonders fest mit einander verkittet sind. Besonders werthvoll war ein Präparat, welches den fibril- lären Zerfall in dem hinteren Theile des Axenfadens auf das Prachtvollste aufwies (Fig. 62, Tafel XVI). Ich hatte Gelegenheit, dasselbe Herrn Professor Sommer hierselbst im Juni 1886 zeigen zu können. Der Axenfaden (Af) ist hier nur am vorderen Ende, dort, wo das Verbindungsstück sass, und in dem hinteren Theile isolirt; in dem grössten Theile des Hauptstückes wird er noch von dem Spiralsaum (Sp) umgeben. Sein hinteres Ende gabelt sich in zwei kurze Aeste, welche alsbald in einen Schweif schön gebogener, sich durchkreuzender, äusserst zarter Fibrillen zerfallen, von wel- chen zehn gezählt wurden. Auch hier waren nicht alle Fibrillen von gleicher Feinheit.e. Hier und da verbanden sich zwei oder mehrere Fibrillen wieder zu einer etwas gröberen Faser, um nach einer kurzen Strecke wieder auseinander zu gehen. In der Nähe der Theilungsstelle sieht man deutlich eine Fibrille (Fb!) des Bündels des einen Gabelastes des Axenfadens zu dem Bündel des anderen hinübergehen, um sich hier mit zwei Fibrillen zu ver- einigen. Gegen das hintere Ende gehen die Fasern des Schweifes, sich zum Theil vereinigend, wieder zusammen. In der Nähe dieses Endes stehen von der oberen Faser zwei feinste Fibrillenenden (Fb? u. Fb?) frei nach oben hin ab, welche sehr schwer wahr- nehmbar waren und den Eindruck machten, als ob sie im Zerfall begriffen wären. Es ist mir daher wahrscheinlich, dass auch sie ursprünglich ebenso weit nach hinten reichten, als die übrigen. Diese Ergebnisse sind gewiss ein schöner Beweis dafür, dass selbst eine anscheinend so grobe Methode, wie die Fäulniss, recht Gutes leisten kann, wenn nur die gebotenen Vorsichtsmassregeln Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 419 befolgt werden. Ich will indessen nicht verhehlen, dass so präch- tige, instruktive Bilder, wie die geschilderten, zu den Seltenheiten gehören und man wohl viele gelungene Präparate durchmustern muss, um Aehnliches zu sehen. Hauptbedingungen sind, abgesehen von einer guten Maceration, sauberste Herstellung, völlige Isolirung der zerfallenen Spermatosomen, gute Färbung und genaue Fixi- rung an der Deckglasfläche. Leider sind diese zarten Präparate sehr vergänglich und gewöhnlich schon nach einigen Stunden für genaue Untersuchung unbrauchbar geworden. Nachdem es mir einmal gelungen war, durch Fäulniss eine fibrilläre Struktur darzustellen, habe ich die Versuche mit anderen Macerationsmitteln wiederholt. Durch längere Maceration der Samen- körper in verdünnter Kochsalzlösung (stärkere Lösungen sind un- geeignet) und in Ranvier’schem Alcohol konnte ich denn auch bald nicht selten einen Zerfall in Fasern constatiren und wurden die mitgetheilten Beobachtungen durch diese Versuche in jeder Weise bestätigt. Doch habe ich durch diese Macerationen so in- struktive Bilder nicht erhalten können, wie sie mir gerade die Fäulnissmethode geliefert hatte. Aus Obigem geht hervor, dass der Axenfaden der Sperma- tozoöngeissel des Buchfinken aus zahlreichen äusserst feinen Ele- mentarfibrillen zusammengesetzt ist, welche parallel neben einander gelagert sind und durch eine ziemlich resistente Kittsubstanz mit einander verbunden werden. Am vorderen Ende, im Endknöpfchen ist die Kittsubstanz besonders widerstandsfähig, so dass eine Tren- nung der Fibrillen hier kaum vorkommt. Vielleicht wird dieses Endknöpfchen sogar von einer Anhäufung von Kittsubstanz selbst gebildet, welche möglicherweise an dieser Stelle eine-etwas andere Zusammensetzung hat. Die grössere Dicke des Axenfadens an seinem vorderen Ende und die allmähliche Verjüngung nach hinten hin erklärt sich wohl hauptsächlich dadurch, dass vorne mehr Kittsubstanz zwischen die einzelnen Fibrillen eingelagert ist und dieselbe nach hinten hin allmählich an Masse abnimmt. Dass die Fibrillen selbst nach hinten hin feiner werden, ist wahrscheinlich, wenn auch bei der äussersten Zartheit derselben kaum sicher fest- zustellen. Doch kann hierdurch allein nicht die Dickenabnahme erklärt werden. Alle Fibrillen durchziehen nun von dem Endknöpfchen an bis wahrscheinlich in die äusserste Spitze des Endstückes den ganzen 420 E. Ballowitz: Axenfaden, so dass jede Fibrille die volle Länge der Geissel besitzt. Wenn es mir bei der grossen Länge der Spermatosomen gerade bei dem Buchfink auch nicht gelingen konnte, die Fibrillen in der ganzen Ausdehnung der Geissel zu isoliren, so ist dies doch mit voller Sicherheit daraus zu schliessen, dass die Fibrillen an jeder beliebigen Stelle der Geissel nachgewiesen wurden und dass nur höchst selten und dann auch stets nur an Bruchenden oder an eingebrochenen Stellen des Axenfadens frei von demselben abstehende Fibrillenenden wahrgenommen werden konnten. Dass alle Fibrillen sich bis an das äusserste Ende des Endfadenserstrecken, kannich freilich nur als sehr wahrscheinlich hinstellen, da ich, wie Fig. 62 zeigt, eine Zerspaltung in zahlreiche Elementarfibrillen auch in der Nähe des Endstückes antraf. Ich habe schon erwähnt, dass den beiden, frei abstehenden Fibrillenenden, welche ich nur an diesem Präparate fand, keine Bedeutung beigelegt werden kann. Es ist ja natürlich, dass das Endstück bei seiner Zartheit durch die Maceration sehr leicht alterirt wird und bei weiter vorgeschrittener Maceration gewöhnlich zu Grunde gegangen ist. Es war mir da- her nur möglich, in einem früheren Stadium der Maceration auch an dem Endstück eine Zweitheilung wahrzunehmen (Fig.55), während die Untersuchung des Endfadens an frischen Spermatosomen zu keinem Resultate führte. Die Beobachtungen indessen, welche ich an den Samenkörpern anderer Thiere, besonders der Säugethiere, machte, scheinen mir für die fibrilläre Struktur des Endstückes auch der Vögel zu sprechen. Die Eiementarfibrillen setzen nun den Axenfaden in der Weise zusammen, dass sie sich zu zwei anscheinend gleich dicken Bündeln zusammenlagern. Beide Bündel liegen parallel neben einander und sind wahrscheinlich durch weniger Kittsubstanz, als die Elementarfibrillen mit einander verbunden, so dass sie sich leichter, als diese isoliren lassen. Diese Sonderung in zwei Fibrillenbündel erstreckt sich gleichfalls durch die ganze Länge des Axenfadens. In meiner früheren Mittheilung (3) habe ich bereits erwähnt, dass der faserige Zerfall der Samenkörper des Finken ‚möglicher- weise schon von Schweigger-Seidel wahrgenommen wurde. Ich erlaube mir, die betreffende Stelle in der Arbeit Schweigger- Seidels (8, pag. 317), noch einmal wörtlich anzuführen. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 421 „Eine weitere eigenthümliche Erscheinung, welche bei An- wendung des verdünnten Glycerins auftrat, bezieht sich auf den Faden des Samenkörperchens.. Nach längerem Einwirken des Mittels fiel es mir bei stärkerer Vergrösserung auf, dass der Schwanz wie aus mehreren Fibrillen zusammengesetzt erschien. Es war dies am deutlichsten an solchen Stellen, wo der Schwanz eine Biegung machte und erkannte man bald, dass ein mittlerer stär- kerer Faden von zwei zarteren Conturen eingefasst wurde. In anderen Fällen macht es den Eindruck, als ob um einen Central- strang ein Spiralfaden gelegt sei, resp. wellenförmig über den- selben hinweglaufe und wenn man dann noch hinzunimmt, dass auch bei einzelnen Samenkörperchen an der Spitze des Köpfchens zarte Anhänge wahrgenommen werden können (d. h. nach voraus- segangener Behandlung mit verdünntem Glycerin), so muss man dieses Alles als Beweis ansehen für das Vorhandensein eines feinen Häutchens, welches das Samenkörperchen einhüllt. Die Erscheinungen der Windungen und Biegungen um den Central- strang herum erkläre ich mir durch ein ungleiches Quellungsver- mögen der Grenzschicht und der Inhaltsmasse.* Durch diese Notiz veranlasst, habe ich späterhin, nachdem ich zu den mitgetheilten Resultaten gekommen war, nach dem Vorgange Schweigger-Seidel’s auch noch das von ihm be- nutzte verdünnte Glycerin (1 Theil Glycerin auf 9 Theile Wasser) in Anwendung gezogen und konnte ich in der That an Samen- körpern, welche hierin einige Zeit gelegen hatten, sowohl eine Ablösung des Spiralsaumes, wie hier und da einen faserigen Zer- fall der Geissel constatiren. Jedenfalls ist aber die Beobachtung Schweigger-Seidels unklar und seine Deutung nicht richtig und scheint der Autor derselben auch keine Wichtigkeit beigelegt zu haben. Die geschilderten Strukturverhältnisse der Spermatosomen- seissel des Buchfinken können als Paradigma gelten für bei weitem die meisten Singvögel und fand ich ganz ähnliche Verhältnisse bei Certhia, Hirundo, Chelidon, Parus, Sitta, Anthus, Motaeilla, allen Sylvien, Rubieilla, Phyllopneuste, Alauda, Emberiza, Frin- gilla cannabina, Ligurinus und Passer. Die Abweichungen werden zum Theil durch die Grössen- differenzen der Samenkörper gegeben. Die grössten Formen, deren Geissellänge an die des Buch- 492 E. Ballowitz: finken nahe heranreicht!), fand ich bei Ligurinus chloris (Geissel- länge = 0,176 mm), Museicapa grisola (0,162 mm), Fringilla canna- bina (0,147 mm) und Rubieilla phönieura, die kleinsten bei Phyl- lopneuste hypolais (0,068 mm) (Fig. 6) und Alauda arvensis (0,063 mm). Die Geissellängen fast aller anderen untersuchten Arten bewegten sich zwischen den Grenzen von 0,095 und 0,069 mm. Die Figuren 1, 4, 5 und 6 der Tafel XIV, welche in ganz frischem Zustande durch Osmiumsäuredämpfe fixirte Spermato- somen vom Buchfinken, von Museicapa grisola, Chelidon urbica und Phyllopneuste hypolais darstellen, sind in genauem gegen- seitigen Grössenverhältniss gezeichnet. Bei allen diesen Samenkörpern lässt sich gleichfalls e ein Ver- bindungsstück (V), Hauptstück (H) und Endstück (E) unterscheiden. Das kurze Verbindungsstück umfasst 11/,—2 Windungen, bietet dieselben Charakteristica, wie bei dem Buchfinken, ist aber nicht bei allen Vögeln gleich deutlich. Bei manchen hebt es sich sehr wenig von dem Spiralsaum, mit welchem es unmittelbar zusammen- hängt, ab, ist aber doch stets nachzuweisen. Recht deutlich ist es bei den Fringilliden, Passer, Ligurinus, Rubieilla u. a. m. Das Endstück (E) besitzt eine von der Länge der Geissel unabhängige, bei den einzelnen Arten etwas verschiedene Grösse, so dass die grössten Samenkörper durchaus nicht die längsten Endfäden aufweisen. So ist z. B. das relativ sehr kleine Endstück der langen Geissel des Finken (Fig. 1 u. 2) auch absolut kleiner (cc. 0,0135 mm), als das Endstück bei Phyllopneuste hypolais (ce. 0,0189 mm) (Fig. 6), dessen Samenkörper lange nicht die Grösse der Samenkörper des Finken erreichen. Die Unterschiede im Hauptstück bestehen hauptsächlich in. einer grösseren oder geringeren Deutlichkeit des Spiralsaumes, welche durch eine grössere oder geringere Breite desselben be- dingt wird. Die Zahl der Windungen hängt von der Länge der Geissel ab und differirt daher, je nach der Art, beträchtlich. Merkwürdigerweise schwankt die Länge der Einzelwindung bei den verschiedenen Samenkörpern der untersuchten Thiere nur um ein geringes; im Allgemeinen ist die Einzelwindung des Spiral- saumes bei den grösseren Formen etwas mehr ausgezogen, als bei 1) Nach R. Wagner sollen die Spermatosomen von Fringilla spinusL. die gleiche Grösse, wie die des Buchfinken besitzen. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 423 den kleineren. Gegen das freie Ende werden die Windungen an dem einzelnen Spermatozoon gewöhnlich etwas kürzer und stets schmaler und undeutlicher. Sehr schön deutlich erkennbar fand ich die Windungen und ihre spiralige Anordnung an den Spermatosomen von Fringilla cannabina, der Sylvien, von Certhia, Hirundo, Chelidon, Sitta, Parus, Rubieilla u. a.; wenig deutlich indessen bei Ligurinus. Gut geeignet sind für diese Untersuchung gleichfalls die Spermatozo@n der Ammern (Emberiza eitrinella L.) und berichtet auch O. 8. Jensen (12) in einer kurzen Bemerkung einer Mittheilung im anatomischen Anzeiger, dass er an den Spermatosomen von Embe- riza ceitrinella den „Spiralfaden“ deutlich erkennen konnte. Nicht gerade günstige Objekte bilden die Samenkörper des Sperlings, welche v. Brunn untersuchte und ist es, wie genannter Autor hervorhebt, nicht leicht, sich ohne Weiteres an dem frischen Samen- körper ein sicheres Urtheil zu bilden, ob wirklich ein Spiralsaum vorhanden oder ein gewundener Saum nur an einer Seite der Geissel angeheftet ist. Indessen ist das Verhältniss der beiden Fasern hier genau dasselbe, wie bei dem Buchfink und allen an- deren genannten Singvögeln. Etwas abweichende Verhältnisse finden sich bei Museicapa grisola L. Die langen Spermatozo@n dieses Thieres sind ziemlich dick, besitzen aber trotzdem einen nur sehr schmalen Spiralsaum, dessen Windungen am vorderen Ende in der Nähe des Kopfes noch deutlich wahrnehmbar und in ihrer spiraligen Umwickelung zu erkennen sind (Fig. 4). Nach hinten hin werden die Spiralen jedoch sehr undeutlich, so dass sie von der Mitte an nur noch bei schärfster Beobachtung mit grosser Mühe wahrgenommen werden können und die Grenze zwischen Hauptstück und Endstück voll- ständig verwischt wird. An tingirten Deckglas-Trockenpräparaten, an welchen sich bei den übrigen Formen die Windungen an den intakten Spermatosomen meist noch gut demonstriren lassen, ist daher Nichts mehr von denselben zu sehen und erscheint die Geissel hier ganz glatt und gerade. Sehr deutlich ist dagegen das Verbindungsstück. Dasselbe ist ziemlich lang und besteht aus zwei schmalen, lang ausgezogenen, nach hinten hin an Dicke abnehmenden Windungen. An tingirten Deckglas-Trockenpräparaten (Fig. 11, 14, 15) treten diese Win- dungen durch intensive Färbung sehr deutlich hervor und setzen 424 E. Ballowitz: sich mit ihrem hinteren Ende scharf von dem blassen Hauptstück ab. An frischen, durch Osmiumsäuredämpfe fixirten Samenkörpern, an welchen das Verbindungsstück ein eigenthümliches, wie zer- knittertes, jedenfalls durch die verschiedenen Lichtbreehungsver- hältnisse zwischen Spiralsaum und Axenfaser hervorgerufenes Aus- sehen darbietet, zeigt sich zwischen dem vorderen diekeren, ge- rade abgestutzten Ende des Verbindungsstückes und dem Kopf eine schmale heile Linie (Fig. 4, L), welche auch an tingirten Trockenpräparaten hervortritt, hier aber meist nur auf einer Seite deutlich ist (Fig. 11). Ueber die Bedeutung dieser Linie giebt die Untersuchung von solchen Spermatozoön, an welchen das Verbindungsstück ab- gefallen ist und welche sich in den frischen Präparaten nicht so ganz selten vorfinden, Aufschluss. An derartigen Körpern (Fig. 13) ist auf der Strecke des Verbindungsstückes der Axenfaden, welcher nur wenig dünner, als das noch mit Spiralsaum versehene Haupt- stück erscheint, völlig isolirt und setzt sich vorne excentrisch an das Hinterstück des Kopfes an. Von einer hellen Linie und einem Endknöpfehen ist dann an frischen, wie an tingirten Präparaten Nichts zu sehen. Fällt bei noch erhaltenem Verbin- dungsstück der Kopf ab, so erscheint oberhalb des abgestutzten Endes des ersteren ein kurzes, frei hervorragendes Stückchen des Axenfadens, dessen Spitze das jetzt deutlich sichtbare Endknöpf- chen aufsitzt (Fig. 15). Bei genauer Einstellung dieses Endknöpfchens (Fig. 15) erkennt man meist deutlich, dass dasselbe sich aus zwei Theilstückchen zu- sammensetzt, welche sich bisweilen in etwas verschiedener Höhe am Axenfaden zu befinden scheinen (Fig. 15). Aehnliches wurde auch an dem Endknöpfehen von Hirundo rustica gesehen. Sehr guten Aufschluss über die Insertion des Endknöpfchens geben tingirte Trockenpräparate, an welchen durch den Process des Eintrocknens bisweilen Kopf und Geissel von einander losgetrennt, aber noch in situ erhalten sind (Fig. 14). Die helle Linie ist dann breiter geworden und in derselben das kurze vordere Endstückchen des Axenfadens (Af) mit dem intensiv gefärbten Endknöpfchen (Ek) deut- lich. Zwischen dem Endknöpfehen und der Hinterfläche des Kopfes befindet sich eine sehr feine Trennungslinie, an welcher die Ab- lösung erfolgte. An den übrigen, mit dem Kopf noch fest ver- bundenen Geisseln ist von dem Endknöpfchen in der Lücke nichts Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 425 wahrzunehmen (Fig. 11, 12, 13), so dass gefolgert werden muss, dass dasselbe zur Befestigung der Geissel in eine Concavität des Kopfes selbst eingelassen ist. Es besteht demnach zwischen Kopf und Verbindungsstück eine schmale spaltartige Lücke und könnte dieselbe, ähnlich wie bei den Säugethieren geschehen ist, als „Hals“ des Spermatosoms be- zeichnet werden. Dieser Hals!) wird von dem Axenfaden durch- setzt, von welchem mithin die kurze Strecke zwichen Endknöpfchen und vorderem Ende des Verbindungsstückes unbedeckt ist und dem Abschnitte gleichzustellen wäre, welchen ich bei den Säuge- thieren als „Halsstück* des Axenfadens bezeichnet habe (3). Derartige schmale Lücken mit dem Halsstück des Axenfadens habe. ich bei mehreren Arten gesehen. Ganz ähnlich verhält sich dieser Abschnitt bei Rubieilla (Fig. 16), Ligurinus (Fig. 9), Frin- gilla cannabina, nur ist der Spalt bei letzteren recht schmal, aber deutlich erkennbar. Noch feiner ist die helle Linie bei Chelidon urbiea (Fig. 5, L). Wie bei dem Buchfinken gelang es mir durch Untersuchung des Hodeninhaltes und nach Maceration der reifen Samenkörper aus dem Vas deferens bei allen Thieren leicht, den Spiralsaum von der Axenfaser zur Ablösung zu bringen und beide Fasern isolirt darzustellen. Auf TafelXV sind mehrere solcher Ablösungsstadien dargestellt. In Fig. 36 (Sylvia atricapilla) und Fig. 31 (Phyilopneuste sibilatrix) hat sich der Spiralsaum an dem oberen Ende, in Fig. 27 (Hirundo rustica) am unteren Ende abgelöst und zusammengeschnurrt. In Fig. 26 (Hirundo rustica) ist die Ablösung an zwei Stellen auf eine grössere Strecke (bei x und x,) erfolgt, während die Axenfaser aus der Mitte der Spirale herausgetreten ist, so dass die Windungen auf der einen Seite derselben dicht anliegen, während sie auf der anderen Seite weiter abstehen. Unregelmässige Ablösungen auf kleinere oder grössere Strecken hin, letzteres ziemlich selten, zeigen Fig. 29, 30, 32. In Fig. 29— 33 ist übrigens auch das Endknöpf- chen gut zu sehen, so wie es bei dem Buchfinken beschrieben wurde. In Fig. 33 (Phyllopneuste sibilatrix) hat sich der untere abgelöste Theil des Saumes auf der Axenfaser zusammengeschnurrt und mit 1) In der Nähe des Halses befindet sich bisweilen auf einer Seite ein tropfenartiger feiner Protoplasmaanhang. 426 E. Ballowitz: seinen regelmässigen Windungen ganz eng zusammen gelegt. Der- artige Bilder erinnern an die Querzeiehnung und Querriffelung, welche die Verbindungsstücke mancher Säugethierspermatozo&n aufweisen. Fig. 35 (Sitta europaea) wurde nach einem Trocken- präparate gezeichnet, an welchem der abgelöste Spiralsaum erhalten war und sich scharf von der Axenfaser abhob; nach vorne hin setzte sich der Spiralsaum in directe Verbin- dung mit dem gleichfalls noch erhaltenen, etwas abgehobenen Verbindungsstück. Einmal (bei Sylvia nisoria im Hoden, Tafel XIV Fig. 20) beobachtete ich an vielen Geisseln, dass sich der Spiral- saum stellenweise abgehoben und umgebogen hatte, so dass die ganze Geissel mit zahlreichen, kleinen, gleichgrossen Oesen besetzt erschien. Ich muss an dieser Stelle noch auf das Vorkommen der isolirten Spiralen im Sperma des Vas deferens bei den untersuchten Thieren eingehen. Dieselben wurden nur selten vermisst. So konnte ich einmal in dem Spermatozoön-strotzenden Vas deferens von Ligurinus chloris (nnd einigen anderen Arten) in mehreren Präparaten keine antreffen. Bei anderen Vögeln waren sie nur vereinzelt vorhanden. Bei den meisten fanden sie sich jedoch sehr häufig und fast in jedem Präparat. Es wollte mir im Ganzen scheinen, als ob sie bei Thieren, bei welchen die Paarungszeit schon vorüber war und welche bereits dem Brutgeschäfte oblagen, ungleich häufiger waren, als bei zu einer früheren Zeit erlegten Exemplaren. Doch sei es vorläufig noch dahin gestellt, ob die Spiralen als die Anzeichen eines Aufhörens der Spermaproduktion und als die ersten Vorboten der Rückbildung des Hodens anzu- sehen sind, wie ich fast annehmen möchte. Ich will es übrigens durchaus nicht ganz in Abrede stellen, dass sich auch nicht einmal im Vas deferens Spiralen in ganzer Ausdehnung abschnurren können. Es könnte diese Ablösung ja, in Folge der dem Spiralsaum inne- wohnenden Spannung, unter Umständen so schnell erfolgen, dass die einzelnen Phasen der Ablösung nieht zur Beobachtung kämen. Die Spiralen (Fig. 24 von Fringilla cannabina, Fig. 28 von Hirundo rustica, Fig. 34 von Phyllopneuste sibilatrix) gleichen sich sehr, sind meist sehr regelmässig gewunden und differiren in der Breite wenig, während ihre Länge von der Länge der respectiven Geisseln abhängt. Enge Zusammenschnurrungen der Windungen (Fig. 24 bei Z) sind nicht selten. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 427 Ein paar Male machte ich indessen eine ganz merkwürdige Beobachtung. Ich sah nämlich, besonders einmal bei Sylvia nisoria, Mitte Juni, also in ziemlich vorgerückter Jahreszeit, dass die meisten der zahlreichen isolirten Spiralen des Vas deferens nicht unbe- trächtlich länger waren, als die ganzen Spermatosomen. Leider wurde ich auf diesen Umstand erst ziemlich spät aufmerksam, so dass ich nicht noch andere Arten daraufhin genauer untersuchen konnte; vielleicht lässt sich diese Beobachtung häufiger machen. Bei Museicapa grisola L. erschienen die Spiralen, welche im Sperma reichlich vorhanden waren, im Vergleich mit dem schmalen Saum der intakten Spermatosomen auffällig breit. Sonst trifft für den Spiralsaum Alles bei dem Buchfinken Berichtete auch hier zu. Die isolirten Axenfäden erwiesen sich, genau so, wie oben geschildert wurde, als glatte, drehrunde, nach hinten hin allmählich sich verjüngende Fasern mit meist deutlichen Endknöpfchen, deren Dicke zu ihrer Länge im Verhältniss stand; bei den kleineren Spermatozoönformen erschienen sie wesentlich dünner, als bei den grösseren. Es musste mir nun darauf ankommen, festzustellen, ob die an dem Axenfaden des Buchfinken gefundene fibrilläre Zusammen- setzung ein allgemein verbreitetes Strukturverhältniss wäre und sich auch bei den übrigen Singvögeln nachweisen liesse. Mit Hülfe der Fäulnissmaceration ist es mir denn auch gelungen, bei allen zuletzt (p. 421) namhaft gemachten Arten ohne Ausnahme, die faserige Struktur der Spermatozoöngeissel nachzuweisen. Zur Ergänzung des oben bei der Beschreibung der Spermatosomen des Buchfinken Gesagten seien noch einige Abbildungen beigefügt, welche den fibrillären Zerfall bei anderen Arten zeigen (auf Tafel XV und XVI Fig. 33 —53, bei Muscicapa grisola, Phyllopneuste sibilatrix, Em- beriza eitrinella, Passer domestiens, Motacilla flava und Sylvia hortensis). Am regelmässigsten gelingt es, den Axenfaden in zwei Fäden, die beiden Fibrillenbündel, zu zerlegen. Diese Spaltung konnte an jeder beliebigen Stelle der Geissel beobachtet werden (Fig. 41, 45, 50, 51) und erstreckte sich, bei ganz isolirtem Axenfaden, in ver- einzelten Fällen durch die ganze Länge der Geissel (Fig. 40, 53). Fast immer blieben dabei die beiden Hälften im Endknöpfchen noch in festerer Vereinigung. Sehr häufig zerlegten sich eine oder a8 E. Ballowitz: beide Hälften wieder in Fasern und Elementarfibrillen, welche oft auf grössere Strecken, bisweilen auf die grösste Länge der Geissel isolirt waren und ganz dasseibe Aussehen, wie bei dem Buchfinken darboten. Bilder mit so weitgehendem Zerfall, wie ihn Fig. 53 (Emberiza eitrinella) mit den zierlich geschwungenen Fasern und Elementarfibrillen (Fb Fb,) zeigt, oder Fig. 49 (Passer domestiecus), wo der Axenfaden in einen Büschel in grosser Ausdehnung iso- lirter, gleich langer Fasern ausstrahlt, gehören allerdings zu den Seltenheiten und muss gewöhnlich lange danach gesucht werden. Aus derartigen Präparaten geht evident hervor, dass die Fibrillen keine Unterbrechung innerhalb der Geissel erleiden, dieselbe viel- mehr von Anfang bis zu Ende durchsetzen. Auch hier habe ich versucht, die fibrilläre Zerspaltung noch durch andere Macerationsmittel, besonders durch dünne Chlor- natriumlösungen und Ranvier’schen Alkohol, zu erzeugen und ist mir dieses bei mehreren Arten geglückt. Allerdings gelingt es nicht bei allen Arten gleich gut und zerlegen sich die Axenfäden bei den einen Thieren schwerer, als bei anderen. Sehr leicht und schnell z. B. erfolgt der Zerfall bei den Spermatosomen von Mus- cicapa grisola (Fig. 38, 39), welche schon mehrfach auf grössere Strecken in Fasern zerfallen waren, nachdem sie nur einige Stun- den in 0,75 procentiger Kochsalzlösung gelegen hatten. Wahr- scheinlich trägt hierzu auch die bei Museicapa nur geringe Dicke des sich bald auflösenden Spiralsaumes bei. An diesen zerfallenen Axenfäden von Museicapa konnte ich mehrmals sehen, dass die Spaltung sich auch durch das noch sehr deutlich hervortretende Endknöpfchen erstreckte. Diese beiden Theilstücke des Endknöpfchens, welche von mir auch an den ganz frischen Präparaten an kopflosen Geisseln gesehen und oben be- reits beschrieben wurden, wichen dann eine ganz kurze Strecke auseinander und scheint je eines derselben der Spitze Eines der beiden Fibrillenbündel, in welche sich der Axenfaden leicht zer- lest (Fig. 38, 39), aufzusitzen. Bei Axenfäden, welche sich am äussersten Ende in noch mehr Fasern zerlegt hatten, schien es mir sogar, als ob jeder dieser Theilfasern ein Theilchen dieser dann auch zerfallenen beiden Endknöpfehen aufsässe, so dass man sich vorstellen könnte, dass hier im Endknöpfehen jede Fibrille ein sehr. kleines Einzelknöpfehen (Verdiekung der Kitt- Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 429 substanz) erhielte. Die Gesammtheit dieser letzteren würde das Endknöpfehen (bei Museicapa die beiden Endknöpfchen) bilden. Ein von dem geschilderten etwas verschiedenes Aussehen bieten die Spermatozoön von Oriolus, Lanius und Corvus dar. Die Geisseln sind bei diesen Thieren (Fig. 63, 76, 84) zwar auch schnurgerade, aber schr fein. und ohne erkennbaren Spiralsaum. Zwar wollte es mir an den Spermatosomen von Oriolus bei guter Beleuchtung und genauester Einstellung einige Male scheinen, als ob äusserst feine, regelmässige Schrägschatten an der Geissel auf ein Moment sichtbar würden; indessen ist hierbei eine Täuschung nicht ausgeschlossen und ist es mir nicht möglich gewesen, an den intakten Spermatosomen einen Spiralsaum genau und deutlich zu erkennen. Auch habe ich niemals abgelöste, noch mit der Geissel zusammenhängende Stücke eines, wenn auch sehr feinen Spiralsaumes sehen können, wie es ja an den Samenkörpern der übrigen Singvögel so häufig vorkommt. Und doch ist es durchaus wahrscheinlich, ja als gewiss anzunehmen, dass der hier nur sehr dünne Protoplasmamantel eine, wenn auch noch so geringe spi- ralige Anordnung besitzt. Ich fand nämlich auch im Sperma von Oriolus und Lanius zahlreiche isolirte Spiralen von meist 4—5 breiten Windungen, welche jedenfalls mit der Bildung eines Spi- ralsaumes im Zusammenhang stehen (Fig. 69, 80). Indessen weisen dieselben durch ihre Dieke und Kürze, die Breite ihrer Windungen und eine zungenartige Verbreiterung an dem einen (hinteren) Ende darauf hin, dass sie sich unmöglich von den ausgebildeten Geisseln können abgelöst haben, vielmehr einer früheren Entwickelungsstufe der Spermatozo@ön angehören müssen. Ich werde hierauf bald zu- rückkommen. Bei der Unsichtbarkeit des Spiralsaumes überrascht die grosse Deutlichkeit des Verbindungsstückes (V) an diesen Spermatosomen. Dasselbe setzt sich unmittelbar an das hintere abgestutzte Ende des Kopfes an, hier von gleicher Dicke, wie das Hinterstück des- selben und umschlingt, sich nach hinten hin verschmälernd, in bis 11/, Windungen den Axenfaden. Das hintere fein ausgezogene Ende hebt sich sehr deutlich, oft wie abgeschnitten, von dem übrigen Theil der Geissel ab. Häufig löst sich nun das Verbin- dungsstück etwas von dem Axenfaden ab, so dass die Spiraltouren sehr gut sichtbar werden (Fig. 66, Oriolus). Hierbei kann sich das untere (Fig. 65), oder auch obere Ende (Fig. 64) vom Axen- 430 E. Ballowitz: faden abtrennen, so dass das Verbindungsstück den Eindruck einer grossen Selbständigkeit macht. Ist das hintere Ende des Verbindungsstückes abgelöst, so wird (bei Oriolus) dort, wo das äusserste Ende desselben an den Axenfaden angeheftet war, oder etwas unterhalb dieser Stelle, ein dunkler, ziemlich scharf hervor- tretender Punkt (Fig. 65, g) sichtbar, welcher übrigens auch an dem intakten Spermatosom öfters, wenn auch nicht sehr deutlich, wahrgenommen werden kann. Es bezeichnet derselbe die Grenze zwischen Verbindungs- und Hauptstück. Die übrigen Eigenschaften des Verbindungsstückes sind dieselben, wie sie bei den anderen Singvögeln geschildert wurden. Das feine Hauptstück geht allmählich in die äusserst zarte Spitze über, so dass ein Endstück als solches hier nicht nachge- wiesen werden konnte. Uebrigens scheinen die Geisseln dieser Spermatozo@n recht brüchig und spröde zu sein. So waren bei Exemplaren von Oriolus und Lanius, welche 24 Stunden nach dem Tode untersucht wurden, die meisten Geisseln zerbrochen und konnten nur wenige Spermatosomen aufgefunden werden, welche dieselbe noch in ganzer Länge aufwiesen. Die grössten Geisseln dieser Form besitzt Oriolus —= 0,085 mm, die kleinsten Corvus = 0,023 mm; die Geissel von Lanius collurio misst 0,024 mm. Es bieten mithin die Spermatosomen dieser Thiere manche Besonderheiten dar, so dass man dieselben wohl als besondere Form unterscheiden könnte. Abgesehen von der Grösse, würden dann die Samenkörper von Museicapa den Uebergang von diesen zu der Spermatozoönform der anderen Passeres vermitteln. Bei der grossen Feinheit dieser Spermatozoön wird es hier schon recht schwierig, eine fibrilläre Struktur nachzuweisen. Es ist mir dies nun bei Oriolus und Lanius durch Maceration in dünnen Chlornatriumlösungen wiederholt gelungen. Die isolirten Axenfäden von Oriolus, welche das Endknöpfehen stets sehr deutlich zeigen, aber keinen Grenzpunkt mehr zwischen Verbindungs- und Hauptstück besitzen, theilen sich häufig in zwei Fäden, die sich wiederum zerfasern (Fig. 70, 71, 72, 73, 74, 75). Am meisten beobachtete ich diese Theilung an den Bruchenden, an denen sich die Fasern dann oft im Bogen zurückgekrümmt hatten. Als grösste Zahl konnte ich 5 Spaltfasern constatiren (Fig. 75), von denen aber nur 2 (Fb, Fb) wirkliche Elementar- fibrillen zu sein schienen, während die übrigen noch relativ dick Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 431 und jedenfalls noch theilungsfähig waren. Es würde demnach auch hier eine Zusammensetzung aus zahlreichen Elementarfibrillen re- sultiren. An den äusserst zarten Axenfäden von Lanius, mit deutlichem Endknöpfehen (Ek) habe ich nur eine Zweitheilung beobachten können, diese aber an jeder Stelle und oft auf grössere Strecken hin (Fig. 81, 82, 83). Zum Nachweise dieser sehr feinen Theilfäden gehört aber eine sehr sorgfältige Präparation und schärfste Beob- achtung. Nur bei Corvus frugilegus konnte ich keine Theilung fest- stellen und ist dies die einzige Species aus der Ordnung der Passeres, bei welcher ich eine fibrilläre Struktur nicht habe nach- weisen können. Ich hatte indessen nur ein einziges Exemplar zur Verfügung, welches erst zu später Jahreszeit geschossen war, so dass das Vas deferens nur wenige Spermatozoön enthielt und nur ganz ungenügende Präparate liefern konnte. Auch war es mir nicht möglich, anderer Vertreter dieser Gattung habhaft zu werden. Le- diglich aus diesem Grunde konnte ich hier nicht zum Resultate kommen; doch kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch diese Samenkörper fibrillär strukturirt sind. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Spermatosomen aller verwandten Gattungen, wohl auch die der Sturnidae, in ähnlicher Weise, wie bei Oriolus, Lanius und Corvus verhalten. Ganz abweichend gebaut und dem zweiten, oben nach der Form des Kopfes unterschiedenen Spermatozoöntypus zuzurechnen sind sonderbarerweise die Samenkörper von Caprimulgus euro- paeus und wohl auch aller verwandten Arten und sollen dieselben aus diesem Grunde späterhin besprochen werden. Ueber die Entwieckelung der Samenkörper will ich an dieser Stelle nur einige kurze Notizen einschalten, soweit dieselben auf die Ausbildung der Geissel Bezug haben. Späterhin hoffe ich, über die Spermatogenese ausführliche Mittheilungen machen zu können. Wie ich bestätigen kann, hängt in einem bestimmten Stadium der Entwickelung aus jedem Spermatocyt ein einziger, anfangs äusserst feiner Faden, der spätere Axenfaden, hervor. Allmählich nimmt dieser Faden mehr und mehr an Dicke zu, ohne dass zu bemerken wäre, dass von aussen her, etwa durch protoplasmatische Massen, Auflagerungen stattfänden. Nachdem die Spermatiden zu 432 E. Ballowitz: Bündeln zusammengelagert und jede Geissel eines Bündels schon zum grössten Theil mit der Protoplasmaspirale, deren Entstehung sogleich besprochen werden soll, umgeben ist, hat der Axenfaden anscheinend seine definitive Dieke und Länge erreicht. Indessen besitzt er noch nicht die Elastieität, welche dem ausgebildeten Axenfaden und selbst allen seinen Theilfasern eigen ist; häufig ist er winkelig eingeknickt und unregelmässig hin- und hergebogen. Ein Endknöpfechen ist in diesem Stadium schon vorhanden und tritt ein solches deutlich hervor, wenn das Hinterstück des Kopfes, wie es leicht geschieht, in Quellung gegangen ist (vgl. Fig. 17, Ek). Durch diese Befunde wird die Möglichkeit völligausgeschlossen, die Elementarfibrillen des ausgebildeten Axenfadens könnten aus in der Entwickelung präformirten Fibrillen hervorgehen und der Axenfaden durch Verschmelzung zahlreicher derartiger Fibrillen entstehen. Nach den Resultaten aller früheren Untersuchungen erschien ja auch dieser Fall von vorneherein sehr unwahrscheinlich. Es bleibt demnach nur die Annahme übrig, dass im Innern des wachsenden Axenfadens im Laufe der Entwickelung allmäh- lich eine Differenzirung eintritt, deren Endstadium die Zusammen- setzung desselben aus Elementarfibrillen und Kittsubstanz ist. Die erste Andeutung, dass diese Differenzirung bereits eingetreten sei, erhielt ich an Spermatosomen, welche noch den Bündeln angehörten und fast zu drei Viertel mit der Plasmaspirale versehen waren. Ich sah hier einige Male (Hodenpräparat vom Buchfinken), dass der Axenfaden sich auf kleinere Streeken in 2 Fäden, wahrschein- lich schon die Fibrillenbündel, zerlegte. In Betreff der Entwickelung des Spiralsaumes kann ich alle Angaben durchaus bestätigen, welche v. Brunn (9) hierüber ge- macht hat. Wie v. Brunn bei dem Haussperling fand, entsteht der Spiralsaum aus dem Protoplasma des Spermatocyts, welches sich als breiter geschlängelter Faden an dem Axenfaden herab- zieht und bis zum Anfang des Endstückes vorrückt, schliesslich den Spiralsaum selbst bildend. Ich habe dieses Herabrücken des Protoplasmas bei vielen Arten gesehen. Dasselbe beginnt, sobald die Richtung und Zusammenlagerung der Samenzellen erfolgt. An- fangs bildet das Protoplasma noch einen breiten Klumpen, welcher sich bald zu einem dicklichen Plasmafaden auszieht, welcher sich um den Axenfaden in Windungen, deren spiralige Umwickelung sehr deutlich ist, herumlegt und langsam nach unten bis zum Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 433 künftigen Endstück vorwächst. Hierbei verschmälert sich die Plas- maspirale mehr und mehr und legt sich dicht an den Axenfaden an. Es geschieht dies zuerst an dem vorderen Ende der Geissel, während der hintere -Theil der Spirale, besonders an langen Geis- seln, anfangs noch dicker bleibt und bevor die Grenze des defini- tiven Endstückes erreicht ist, eine Anschwellung aufweist. Es ist klar, dass die kleine Menge des Protoplasmas des Spermatocyts selbst nicht ausreicht, um diese oft sehr lange Protoplasmaspirale zu bilden und muss das Protoplasma demnach durch Wachsthum selbst an Masse noch zunehmen. Ist der Axenfaden bis zur de- finitiven Ausdehnung von der Spirale umzogen und haben sich die Spermatozoön eben aus den Bündeln gelöst, so ist der Spiral- saum zwar dünner als vorher, aber doch noch sichtlich breiter und deutlicher, als an den ganz ausgereiften Spermatozo@n. In diesem Stadium kann durch Kochsalzlösung u. s. w. sehr leicht eine Ablösung des ganzen Saumes hervorgerufen werden, wie oben geschildert wurde und schnurren sich jedenfalls zu dieser Zeit auch spontan im Hoden die Spiralen ab, welche späterhin völlig isolirt mehr weniger häufig im Sperma des Vas deferens gefunden werden (vgl. Fig. 21 und 22). Genau in derselben Weise erfolgt die Bildung des Spiralsaumes bei den Samenkörpern, an welchen ein solcher nur sehr wenig ent- wickelt ist, wie z. B. bei Museicapa grisola L. Auch hier ist die Plasmaspirale an den Spermatidenfäden sehr deutlich und noch ganz auffällig breit, im Vergleich zu der Schmalheit des definitiven Saumes (vgl. Fig. 25, welche den Spiralsaum eines Stückes aus der Mitte einer Geissel von einem Spermatosom aus dem Hoden darstellt, mit der daneben in Fig. 4 gezeichneten ausgebildeten Geissel desselben Thieres). Aus diesem Grunde erklärt sich auch die auffällige Breite ‘der isolirten Spiralen des Spermas aus dem Vas deferens. Auch an den Spermatosomen, an welchen sich ein Spiralsaum optisch nicht nachweisen lässt (Oriolus, Lanius), findet sich im Hoden an den Axenfäden der Spermatiden eine diekliche, sehr deutliche Protoplasmaspirale mit relativ breiten, lockeren Win- dungen, welche sich auf den Axenfaden hinaufschraubt, in den Präparaten indessen sehr häufig mit ihrem unteren Ende von dem- selben abgelöst wird und dann frei absteht (Fig. 67, 68 und 79, Sp). Das hintere Ende dieser Spirale zeigt meist eine längliche Ver- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 28 434 E. Ballowitz: diekung, bevor es ganz ausgewachsen ist. Im Laufe der Ent- wickelung verdünnt sich nun diese Plasmaspirale zu einem sehr dünnen Protoplasmamantel, welcher den Axenfaden einhüllt und in Folge dieser Entwickelung jedenfalls eine,. wenn auch deutlich nieht nachweisbare, spiralige Anordnung besitzt. Lösen sich die sewundenen Plasmafäden von den Axenfäden in diesem Stadium ganz ab, so werden sie zu den im Sperma von Oriolus und La- nius von mir aufgefundenen, oben beschriebenen, eigenthümlichen Spiralen (Fig. 69 und 80). Der häufige Befund dieser isolirten Spiralen im Sperma gerade bei Oriolus und Lanius überraschte mich so sehr, dass ich anfangs auf die Vermuthung kam, dieselben wären die Bildungskörper der spiraligen Umhüllung des Axenfadens bei den Singvögeln, welche den Spiralsaum bilden hälfen, um dann abgestossen zu werden und zu Grunde zu gehen. Doch bestätigte sich, wie aus dem Mitgetheilten hervorgeht, diese Vermuthung bei näherer Untersuchung nicht. Die merkwürdige Beobachtung, welche ich bei Sylvia nisoria machte, dass die isolirten Spiralen im Vas deferens nicht unbe- trächtlich länger waren, als die ganzen Geisseln, vermag ich nicht recht zu erklären, da ich zu spät auf diese Erscheinung aufmerk- sam wurde; man müsste denn annehmen, dass die isolirten Spiralen in der plasmatischen Hodenflüssigkeit noch weiter gewachsen oder am Axenfaden über das Ziel hinausgewachsen wären und sich dann abgelöst hätten. Diese Entstehung des Spiralsaumes aus dem Cytoplasma be- ansprucht noch ein gewisses morphologisches Interesse. Bekannt- lich entsteht auch das Verbindungsstück der Säugethierspermatozo&n, aber auch nur dieses, auf ähnliche Weise aus dem Zellprotoplasma. Für die Bildung des Hauptstückes der Säugethierspermatozoön hat eine Betheilisung des Cytoplasmas bis jetzt wenigstens nicht sicher nachgewiesen werden können. Der Entwickelung nach müsste demnach das ganze Hauptstück der Geissel der Singvögel dem Verbindungsstück der Säugethiere gleichgestellt werden und dürfte vor der Hand wohl nicht als dem Hauptstück der Säuge- thierspermatozo@n homolog zu erachten sein. Immerhin ist die Bezeichnung in sofern gewiss gerechtfertigt, als sich an dem vor- deren Ende des sogenannten Hauptstückes, welches ja auch den Haupttheil der Geissel ausmacht, ein kleineres Stück, ähnlich dem Verbindungsstück bei den Säugethieren, wie wir gesehen haben, “ ur or Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 455 überall sehr deutlich nachweisbar abgrenzen lässt, wenngleich dasselbe auch ganz unmittelbar mit dem Spiralsaum des Haupt- stückes zusammenhängt. B. Struktur des Kopfes. Die Köpfe der Samenkörper aller untersuchten Singvögel (mit alleiniger Ausnahme von Caprimulgus europaeus) besitzen eine mehr weniger ausgebildete, bei manchen Arten geradezu ideal vollkommene Schraubenform und lassen eine Zusammensetzung aus zwei ungleichen Theilen, einem „Vorderstück“ und einem „Hinterstück“, wie ich sie bezeichnen möchte, erkennen. Die Köpfe bei dem Buchfinken (Fig. 1) zeigen an frischen, durch Osmiumsäuredämpfe fixirten, ungefärbten Objeeten die Ge- stalt einer schmalen, von einem drehrunden oder vielleicht ein wenig abgeplatteten Körper gebildeten Spirale, welche aus etwa 21/, Win- dungen besteht. Das hintere Ende ist schräg abgestutzt und grenzt, durch eine dunkle schmale Linie von demselben getrennt, an das Ver- bindungsstück. Nach vorne hin verschmälert sich der Kopf, etwa von seiner Mitte an und läuft schliesslich in eine sehr feine blasse Spitze aus. An diesem vorderen Kopftheile erhebt sich von der Mitte der ersten hinteren Windung an ein anfangs ziemlich hoher, sehr zarter, membranartiger, heller Saum (S), welcher der convexen Aussen- fläche der Kopfspirale angeheftet ist und sich, allmählich sehr schmal und zart werdend, in etwas über 2 Windungen nach vorne segen die Spitze erstreckt, um sich mit dieser in Verbindung zu setzen. Der freie scharfe Rand dieser Membran ist nach aussen und etwas nach vorne gerichtet. Durch diese Membran wird der vordere Kopftheil in eine sehr vollkommene breitschaufelige Schraube verwandelt. Der hinter der Membran gelegene Theil zeichnet sich vor dem vorderen durch stärkeren Glanz aus. Nach nicht zu intensiver Färbung dieser frischen Präparate mit Gentianaviolett oder anderen Anilinfarben tritt eine sehr deutliche Differenzirung des Kopfes in zwei Abschnitte hervor (Fig. 3, Vst, Hst). Der grössere vordere mit Membran versehene Theil (Vst) hat sich intensiv violett gefärbt, während die dünne Membran (S) nur sehr schwach violett, aber doch deutlich gefärbt erscheint und als solche sehr schön zur Anschauung kommt. Der kleinere hintere Abschnitt (Hst), welcher nach hinten von dem gleichfalls intensiv violetten Ver- bindungsstück (V) begrenzt wird, ist dagegen nur blass bläulich 436 E. Ballowitz: s tingirt und hat seinen starken Glanz behalten. Sehr deutlich tritt an diesen tingirten Präparaten auch das Verhältniss der Membran zu dem vorderen Kopftheil hervor, welcher letztere sich mit seinen schmalen Windungen ziemlich scharf von der Membran abhebt und nach vorne in eine feine, lang ausgezogene Spitze ausläuft; man könnte diesen vorderen inneren Theil bei dem Buchfinken füglich auch als Central- oder Axentheil bezeichnen. Sehr verschieden verhalten sich die beiden Abschnitte auch gegen Reagentien. Lässt man verdünnte Kochsalzlösungen, Essig- säure und andere Reagentien, auch die Fäulniss einwirken, so löst sich das vordere Kopfstück völlig auf, während das hintere per- sistirt und erst durch längere Einwirkung angegriffen wird. Zu- erst wird die Membran undeutlich und scheint sich zu blähen, dann zerfällt der Axentheil. Einige Male sah ich bei diesem Zer- fall allein die Membran übrig bleiben, die sich dann aber auch in derselben Weise, wie der Axentheil auflöste, so dass dieselbe wahr- scheinlich aus derselben Substanz, wie der Axentheil, gebildet wird. Das resistentere, kurze Hinterstück (Hst) ist hinten schräg abgestutzt, was besonders deutlich wird, wenn, wie es meistens zu geschehen pflegt, das Verbindungsstück sich gleichfalls aufgelöst hat (Fig. 22 Hst). Im oberen Theile dieser Hinterfläche in der Nähe ihres Randes inserirt das Endknöpfehen des Axenfadens, während das Vorderende des abgestutzten Verbindungsstückes an die übrige Partie der Hinterfläche unmittelbar anstösst. Die vordere End- fläche ist stark concav (Fig. 22) und nimmt in dieser Concavität das hintere Ende des Vorderstückes auf, mit welchem es fest verkittet ist. Merkwürdigerweise färbt sich nach Einwirkung von Koch- salzlösungen, Fäulniss u. a. das anfangs nur wenig für Anilin-Farb- stoffe imbibitionsfähige Hinterstück sehr intensiv. Bei Einwirkung von stärkeren Kochsalzlösungen, Essigsäure und anderen Reagentien bläht sich auch das Hinterstück stark auf und nimmt (besonders an Hodenpräparaten) bisweilen eine becher- förmige (aber innen solide) Gestalt an (Fig. 17), eine Form, welche schon von Schweigger-Seidel (8) abgebildet wurde. Sehr beachtenswerth ist auch die verschiedene Reaktion der beiden Abschnitte auf specifische Kerntinktionen, z. B. Alaunkarmin. Es färbt sich hierbei nur das kurze Hinterstück, während das Vorder- stück ganz ungefärbt bleibt. Diese Färbung ist auch an Trocken- präparaten sehr intensiv, selbst an Spermatozoön mit ganz aufge- Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 437 blähtem Hinterstück und hält sich in Dauerpräparaten Jahre lang. Da die Tinctionen des Hinterstückes ganz gleichmässige sind, auch bei dem Zerfall desselben kein Aufschluss über weitere Strukturverhältnisse erhalten werden konnte, scheint dasselbe aus einem ziemlich soliden Chromatinkörper ohne weitere innere Dif- ferenzirung zu bestehen. Die Gestalt des Kopfes, die absolute und relative Grösse seiner Theile und die Ausbildung des schraubenförmigen Saumes unterliegen bei den einzelnen Arten mannigfachen Modifikationen. Ein Blick auf die Figuren der Tafeln XIV, XV und XVII, in wel- chen verschiedene Kopfformen und ihre Abschnitte dargestellt sind, wird dies am besten erläutern. Der Kopfform des Buchfinken am nächsten stehen die Sperma- tosomen der übrigen Fringilliden, z. B. von Fringilla cannabina, Ligurinus chloris u. a. m. Die Figuren 9 und 10 stellen zwei Köpfe von Ligurinus chloris dar, an welchen die beiden Theile und auch der Saum des bei weitem grössten vorderen Theiles sehr gut hervortreten. Fig. 9 wurde nach einem frisch durch Osmiumsäuredämpfe fixirten, Fig. 10 nach einem gut gelungenen und tingirten Deckglas-Trockenpräparat gezeichnet. An dem letz- teren ist der Saum noch erhalten, und als solcher durch gleich- mässige, deutliche Färbung gut zu erkennen. Der Axenkörper des Vorderstückes ist intensiv gefärbt und unverändert, während das kurze Hinterstück sich schon etwas aufgebläht hat. Fin noch grösseres Missverhältniss zwischen Vorder- und Hinterstück wurde bei Museicapa grisola und Rubicilla phoenicura sefunden (Fig. 4 und 11 von Musecicapa, Fig. 16 von Rubicilla). Bei beiden ist das Hinterstück nur klein, einen Theil der hintersten Kopfwindung bildend, hinten abgestutzt und vorne nur leicht concav, ja bei Muscicapa an Trockenpräparaten hier anscheinend sogar etwas convex (Fig. 12 u. 14). Das Vorderstück ist relativ und auch absolut gross und lang und sehr schön korkzieherartig ge- bogen. Die vordersten 1!/; Windungen erscheinen sehr schmal und zart, in ihrer Gesammtheit spitzenartig. Die Windungen, be- sonders in dem breiten hinteren Theil des Vorderstückes sind von vorne nach hinten abgeplattet und zwar so, dass ihr peripherer Theil sich allmählich verschmälert und mit seinem freien, äusseren Rande scharfkantig vorspringt. Es wird hierdurch eine so voll- kommene Bohrerform geschaffen, wie sie zweckmässiger von 438 E. Ballowitz: Menschenhand nicht geformt werden könnte. Eine Scheidung in Axentheil und Membran ist hierbei am Vorderstück nicht mehr zu constatiren, wie am besten aus gelungenen Trockenpräparaten her- vorgeht, an welchen sich, bei sorgfältiger Anfertigung, die Win- dungen gut fixiren lassen. Man sieht hier (Fig. 11 u. 16), dass der central gelegene, dem Axenkörper bei den Finken entsprechende Rand zwar intensiver gefärbt und verdickt ist, aber ganz all- mählich in den membranartig verdünnten peripheren Theil übergeht. Bei anderen Arten sind beide Abtheilungen des Kopfes an- nähernd gleich gross, z. B. bei Chelidon (Fig. 5) oder es prevalirt das Hinterstück, z. B. bei vielen Sylvien, bei Sitta, Oriolus, Lanius, Corvus u. a. m. (Fig. 35, 37, 63, 76, 84). Das letztere besteht dann gewöhnlich aus 2—21/, schmalen gleichgrossen Windungen, ist hinten abgestutzt und vorne meist deutlich concav. Es scheint bei allen homogen und ohne weitere Struktur zu sein. Vielleicht ist wohl nur die periphere Zone etwas mehr verdichtet, als das Innere, besonders an der vorderen und hinteren Endfläche. An tingirten Trockenpräparaten, an welchen das Hinterstück gequollen ist, erscheint nicht selten der vordere und hintere Rand nicht oder doch nur wenig gequollen und intensiver gefärbt (Fig. 18). Der weiter vorschreitenden Quellung und Auflösung widerstehen am längsten Theile des hinteren Randes (Fig. 19, r, r), nach dessen Auflösung das vorher nicht sichtbare Endknöpfehen des Axen- fadens (Ek) erscheint, wohl der beste Beweis, dass dasselbe sich in der Substanz des Hinterstückes selbst inserirt. Sehr schmal, schraubenartig sind Kopfwindungen und Saum bei vielen Sylvien, Oriolus, Lanius u. a. m. Das Vorderstück ist auch hier fein zugespitzt und zeigt meist nur in der Nähe der Spitze in Gestalt eines Anhängsels deutlich einen sehr schmalen, blassen und zarten Saum (S). Eine Ausnahme macht das Vorderstück bei Phyllopneuste (Fig. 6) dadurch, dass es mit seinen hinteren Windungen breiter, als das Hinterstück ist. Die vorderste Windung ist sehr schmal und äusserst fein zugespitzt und lässt einen sehr schmalen Saum erkennen, welcher jedenfalls, wenn auch äusserst schmal, gleich- falls an den hinteren Windungen existirt und dieselben kantenartig vorspringen lässt. Es wird hierdurch wieder eine sehr ausgeprägte Bohrerform gegeben. Das Verhalten der beiden Abschnitte des Kopfes gegen Farb- Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 439 stoffe und Reagentien, ferner auch die Insertion des Axenfadens sind bei den Spermatosomen aller untersuchten Singvögel genau dieselben, wie sie bei dem Buchfinken gefunden wurden. Durch obige Untersuchungen werden mithin die Resultate be- stätigt und zugleich nicht unwesentlich ergänzt und verallgemeinert, welche Sch weigger-Seidel (8) und besonders A. v. Brunn (9) in Betreff der Zusammensetzuug des Kopfes bei dem Buchfinken und Haussperling erhielten. v. Brunn hat auch zuerst bei dem Haussperling auf die alleinige Reaktion des Hinterstückes des Kopfes auf Kerntinktion hingewiesen. II. Natatores, Grallatores, Gallinacei, Columbinae, Scansores, Raptatores und Caprimulgus europaeus. Die Samenkörper der Vertreter dieser Ordnungen, welche von mir untersucht wurden, können gemeinschaftlich besprochen werden, da sie im wesentlichen sehr gleichgestaltet sind. Nur die Spermatosomen der Columbinae zeigen einen abweichenden, sehr merkwürdigen Bau. Leider sind die betreffenden Gebilde dieser Thiere fast alle (die Taubenarten machen eine Ausnahme) sehr klein und äusserst zart, so dass sie sehr wenig günstige Objekte, selbst für Untersuchung mit stärksten Vergrösserungen sind. Dieser Zartheit der Samenkörper wegen habe ich auch von vorne herein bei diesen Thieren von der Anwendung der Fäulnissmaceration Abstand genommen und dieselbe gar nicht erst versucht. Ich habe mich darauf beschränkt, besonders Macerationen in Kochsalzlösungen und zwar hauptsächlich von geringerer Concentration in Anwen- dung zu ziehen. Wenn es mir trotzdem gelungen ist, auch hier bemerkenswerthe Resultate von allgemeinerer Bedeutung zu er- zielen, so habe ich dieselben einem grossen Aufwande von Mühe und Zeit zu verdanken. Es möge auch hier zuerst die Struktur der Geissel besprochen werden. A. Struktur der Geissel. Die Geissel dieser Spermatosomen bietet ein ganz anderes Aussehen dar, wie bei den Singvögeln. Sie bildet hier einen dünnen, kurzen Faden, welcher nur selten schnurgerade daliegt, vielmehr gewöhnlich mehrfache unregelmässige Einbiegungen und winkelige Einknickungen aufweist. Es lassen sich an derselben allgemein zwei Abtheilungen 440 E. Ballowitz: unterscheiden: ein kleines Verbindungsstück in der Nähe des Kopfes (V) und ein Hauptstück (H), welches den bei weitem grössten Theil der Geissel ausmacht. Ein Endstück wurde deut- lich nicht wahrgenommen. Das Verbindungsstück (V) zeigt bei allen eine zarte Quer- streifung oder besser gesagt Querriffelung, über deren Bedeutung völlige Klarheit zu erlangen, hier noch weit schwieriger ist, als an den Verbindungsstücken der Säugethierspermatozo@n. Diese Quer- riffelung ist am deutlichsten ausgebildet an noch nicht ganz aus- gereiften Samenkörpern des Hodens (z. B. in Fig. 137), wird an den Spermatozoön im Vas deferens meist undentlicher (z. B. in Fig. 136), bei einigen Arten fast bis zum völligen Verschwinden, kann aber auch an diesen wieder durch Einwirkung von Mace- rationsmitteln zur Darstellung gebracht werden. Ueber die Bedeu- tung dieser Bildung, ob sie aus engen Spiraltouren eines um einen Axenfaden geschlungenen Spiralsaumes oder aus der Länge nach aufgereihten Querringen bestehe, lässt sich nur durch genaues Studium relativ günstiger Objekte und vergleichende Untersuchung einer grösseren Zahl differenter Formen ein Urtheil gewinnen. Relativ günstige Objekte sind die Samenkörper aus dem Vas deferens und besonders aus dem Hoden der Larusarten, der Raub- vögel (Milvus), von Cuculus, auch vom Truthahn u. a. m. (vgl. Fig. 110, 112, 115, 114, 115, 125—131). Man erhält hier, wenn man ein Verbindungsstück in guter Lage und bei günstiger Be- leuchtung genau einstellt, den optischen Eindruck, als ob die scheinbaren Querringe nicht ganz von einander getrennt seien, sondern sich unter einander in Verbindung setzen, so dass enge Spiralwindungen eines schmalen Saumes entstehen. Auch kann man nicht selten bei mehr oberflächlicher Einstellung eine leichte Schrägstellung der Streifen und bei mittlerer Einstellung ein Alterniren der vorspringenden Kanten wahrnehmen. Selbst ganz enge gestellte Querringe würden diese Erscheinungen wohl nicht hervorrufen können. Diese Erscheinung am Verbindungsstück ist nun in ihrer Ausbildung und Deutlichkeit und soweit sich constatiren lässt, auch in der Zahl der Windungen bei den einzelnen Arten sowohl, wie auch an einem Individuum, Modifikationen unterworfen, so dass man bisweilen lange suchen muss, um Körper mit deutlich ausgebildeter, regelmässiger Spiralbildung aufzufinden. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 441 Sehr zart und schmal sind die Windungen bei den Enten- arten, dann auch bei Vanellus eristatus; bei diesen letzteren sind sie so klein und enge, dass man den Eindruck erhält, als bestehe das Verbindungsstück aus einer Reihe aufgereihter Körnchen (Fig. 116—120). Die Untersuchung des Verbindungsstückes wird noch er- schwert durch die Vergänglichkeit der Spiralbildung. Kurze Ein- wirkung verdünnter Kochsalzlösungen und anderer Reagentien, auch die ersten Anfänge der Fäulnisszersetzung lassen die Spirale undeutlich und unregelmässig werden. Bei den einen Samen- körpern scheint dieselbe etwas zu quellen und sich zusammenzu- ballen (vgl. z. B. Fig. 110), um dann in Lösung zu gehen), bei anderen tritt ein deutlicher Querzerfall ein, so dass jetzt das Ver- bindungsstück wirklich aus Querstückchen besteht (vgl. Fig. 128 bis 131). Wenn auch sehr selten, so habe ich hierbei doch ganz kurze abgebröckelte Stücke eines fadenartigen, plasmatischen Saumes dem dann isolirten Axenfaden anliegend gesehen (Fig. 131 e und d). Einige Male sah ich sogar (bei dem Truthahn an ge- färbten Präparaten) kurze isolirte Bruchstücke der Spirale, welche sich abgestreift hatten und an welchen eine spiralige Biegung zu erkennen war. Es ist dies jedoch sehr selten, da der protoplas- matische Spiralsaum nicht biegsam, sehr bröckelig und, scheint es, ohne inneren Zusammenhalt ist, so dass eine Ablösung an ausge- bildeten Körpern auf grössere Strecken niemals, auf kleinste Strecken höchst selten erfolgt. In den Zwischenräumen zwischen den Zer- fallstücken kommt ein feiner Axenfaden zum Vorschein, welcher sich vom Kopfe bis zum Hauptstück erstreckt. Auch durch Färbung frischer durch Osmiumsäuredämpfe fixirter Samenkörper gewinnt die Zeichnung des Verbindungsstückes nicht an Klarheit, vielmehr verliert sie dadurch bei den meisten Sperma- tosomen sehr an Deutlichkeit und wird bei vielen sogar ganz un- deutlich und selbst unsichtbar (vgl. z. B. Fig. 98—109, 135 u. 138). Man gewinnt hierbei den Eindruck, als ob sich eine zwischen den Windungen befindliche, mehr weniger reichlich vorhandeneZwischen- substanz gleichmässig mitgefärbt hätte, so dass die Lichtbrechungs- differenz, welche die Querzeichnung an ungefärbten Präparaten 1) Es geht daher die Spiralbildung auch regelmässig an Deckglas- Trockenpräparaten verloren. 442 E. Ballowitz: hervortreten liess, mehr weniger aufgehoben ist. Bei den Lariden, Milvus, Cuculus u. a. m. scheint nur wenig Zwischensubstanz vor- handen zu sein und bleibt daher meist die Riffelung nach vorsich- tiger Färbung noch deutlich wahrnehmbar. Sehr reichlich ist sie dagegen z. B. bei dem Hahn, Specht und Caprimulgus. Unter- sucht man die frischen Samenkörper dieser Thiere (Fig. 85 (Capri- mulgus), 99 (Pieus), 136 (Hahn), so nimmt man eine zarte, feine, nicht sehr hervortretende Querstreifung des anscheinend eylindri- schen Verbindungsstückes (V) wahr, welche wesentlich deutlicher an frisch untersuchten Hodenpräparaten hervortritt und hier ge- wöhnlich in Gestalt einer Riffelung erscheint (z. B. Fig. 137 vom Hahn). Bei Färbung dieser dem Vas deferens entnommener Prä- parate verschwindet diese Zeichnung fast vollständig (Fig. 98, 102—109, 135, 138). Nur an den Contouren des intensiv ge- färbten Verbindungsstückes, dessen eylindrische Gestalt dann deut- lich hervortritt, ist noch bei scharfer Beobachtung eine feine Ein- kerbung wahrzunehmen (vgl. besonders bei Caprimalgus Fig. 86 und 87), zum Beweise, dass die Spiralbildung noch vorhanden ist und nur verdeckt wird. Maceriren diese Samenkörper einige Zeit in Kochsalzlösung, so löst sich zuerst die Zwischensubstanz auf, die Einkerbung wird tiefer und die Spiralbildung tritt wieder her- vor (z. B. Fig. 100 bei Picus), um nach einiger Zeit hier und da in Querstücke zu zerfallen und schliesslich ganz in Lösung zu sehen. Die Zwischensubstanz scheint sich später als der proto- plasmatische Spiralsaum auszubilden. Auch an den Spermatosomen, welche, wie z. B. bei dem Specht, im ausgebildeten Zustande be- sonders an tingirten Präparaten eine nur wenig deutliche Quer- zeichnung des Verbindungsstückes besitzen, ist an Präparaten aus dem Hoden meist eine Querriffelung sehr deutlich und erscheinen die Stellen zwischen den Riffeln mehr als freie Lücken. Aller- dings wird die Querzeichnung an den ausgebildeten Spermatosomen auch etwas schmaler und enger, als sie an den noch nicht ganz reifen Körpern ist. Nach Allem musste ich zu der Ansicht kommen, dass es sich in der Querzeichnung des Verbindungsstückes um einen zarten sehr schmalen, protoplasmatischen, leicht vergänglichen, um den Axenfaden in engen Touren gewundenen Spiralsaum handelt, dessen Windungen am reifen Spermatosom durch mehr weniger ausge- bildete Zwischensubstanz unter einander verbunden werden und Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 443 welcher die Neigung hat, bei Alteration leicht der Quere nach zu zerbröckeln. Wie schon erwähnt, stösst das vordere Ende des in seiner ganzen Länge gleichdicken Verbindungsstückes unmittelbar an den Kopf, während das hintere Ende desselben sich scharf von dem Hauptstück absetzt. Dieses letztere ist sehr fein, mehrmals schmaler, als das Verbindungsstück und besteht aus einem Axenfaden, welcher von einem sehr dünnen Protoplasmamantel umhüllt wird. Dass wirklich eine Protoplasmahülle vorhanden ist, davon kann man sich durch direkte Beobachtung leicht überzeugen. An Samenkörpern, an welchen die Spiralbildung des Verbindungsstückes aufgelöst ist (z. B. in Fig. 131 ce, d, e), sieht man den feinen Axenfaden in das Hauptstück eintreten (bei g), welches merklich dicker erscheint, als der entblösste Axenfaden. Diese Diekendifferenz tritt sogar noch an Trockenpräparaten hervor. Auch auf der Strecke des Hauptstückes isolirte Axenfäden erscheinen sichtlich dünner, als die intakte Geissel. Ferner sieht man an den Axenfäden öfters noch feine Körnchen, bisweilen (z. B. bei Caprimulgus, Meleagris u. a.) am vorderen Theil förmliche Querstückehen aufgereiht, jedenfalls Trümmer des sich auflösenden Mantels und muss es dahin gestellt bleiben, ob dieser körnige Zerfall seinen Grund in einer weiteren Struktur des Mantels hat. Einen am Ende als Endstück frei hervortretenden Theil des Axenfadens habe ich nicht gesehen, und dürfte bei der Feinheit der Geissel ein Erkennen desselben auch äusserst schwierig sein. Indessen will ich nicht bestreiten, dass sich bei dieser oder jener Art doch ein Endstück nachweisen liesse, es ist dies sogar wahrscheinlich. Durch Maceration in Kochsalzlösungen gelang es mir auch hier mehrfach, an dem sehr feinen Axenfaden eine fibrilläre Struktur zu entdecken. So sah ich sehr deutlich an den winzigen Axen- fäden von Tadorna vulpanser. (Fig. 124—127) und Cueulus cano- rus (Fig. 110 i) an verschiedenen Stellen des Axenfadens eine Zweitheilung in zwei anscheinend gleiche, schon äusserst feine Fäden. Auch bei dem Truthahn traf ich nach 24stündiger Macera- tion mehrmals eine Zweitheilung (Fig. 133 u. 134). An den ein wenig grösseren Axenfäden von Caprimulgus europaeus fand ich sehr häufig einen faserigen Zerfall. Oft war an den Enden der Bruchstücke, von denen sich viele im Präparate vorfanden, eine Spaltung in zwei oder drei kurze Fäden eingetreten (Fig. 90 a, b). 444 E. Ballowitz: Diese Fäden waren meist etwas zurückgebogen, ähnlich wie es die freien Enden elastischer Fasern zu thun pflegen, nur dass die Spitze der Fäden hier nicht so sehr, wie bei jenen umgebogen war. An einem grösseren Bruchstücke hatte sich das eine Ende auf eine grössere Strecke in drei ungleich dieke Fasern zerlegt, von welchen die eine (Fb) äusserst fein war und wohl als Elementar- fibrille angesprochen werden konnte (Fig. 39). Von den beiden anderen sichtlich diekeren Fasern theilte sich die eine wieder auf eine kleinere Strecke. Jedenfalls ist demnach hiermit noch nicht die definitive Anzahl aller Fasern, aus welchen sich der Axen- faden zusammensetzt, erreicht. Auch an den vollständigen Geisseln, welche noch in Verbindung mit dem Kopfe waren, konnte ich eine Theilung des Axenfadens wiederholt constatiren und zwar an ver- schiedenen Stellen derselben. In Fig. 87 theilt sich, bei noch er- haltenem Kopf und Verbindnngsstück, das hintere Ende in zwei Fasern, deren eine sich am Ende wieder in zwei divergirende Fäserchen gabelt. In Fig. 88 ist das Verbindungsstück schon auf- gelöst, so dass der Axenfaden zu Tage tritt; unmittelbar hinter dieser Stelle zerfällt derselbe in drei Fasern. Ganz prächtige Bilder gaben mir die Spermatozo@n des Haus- hahns, welche sich als sehr geeignete Objekte erwiesen, und ge- lang es mir an ihnen, einen sehr weitgehenden Zerfall des Axen- fadens zur Darstellung zu bringen. Die Figuren 139—147 mögen zur Illustration dieser Erscheinung dienen. Auch hier waren die Enden der zahlreichen Bruchstücke sehr oft aufgefasert und ver- hielten sich die Fäserchen ähnlich wie bei Caprimulgus (Fig. 140). Dieses Absplittern frei abstehender Fäserchen habe ich jedoch (wie bei allen anderen Thieren) nur an den Bruchenden gesehen, nie- mals in der Continuität einer Faser selbst. Die mehr oder weniger in ganzer Ausdehnung erhaltenen, isolirten Axenfäden zeigten häufig eine Theilung in zwei Fasern (Fig. 139), von denen sich jede wieder in zwei Fäden zerlegen konnte (Fig. 141). Ein weiterer Zerfall tritt schon bedeutend seltener bei gut gelungener Macera- tion ein. Hierbei kamen dann die äusserst feinen Elementar- fibrillen (Fb) zur Beobachtung, welche sich bisweilen auf grosse Strecken isolirten (Fig. 143, 145, 144). Die letztere Abbildung zeigt die Ablösung zweier gleichlanger Elementarfibrillen (Fb, Fb) in der grössten Ausdehnung des Axenfadens, während die restirende Faser an ihrem hinteren Ende in einen Büschel feiner, gleich langer Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 445 Fädchen ausstrahlt, nachdem sie vorher schon auf kürzere Streeken in Fasern auseinandergegangen ist. Auch in Fig. 146 hat sich das eine Ende eines grösseren Bruchstückes in einen Schweif feiner, wie immer gleichlanger Fädchen aufgelöst. Sehr instruktiv war ein Präparat, welches in Fig. 147 dargestellt ist. Der Axen- faden theilte sieh hier oberhalb seiner Mitte in zwei Aeste, welche alsbald in mehrere (8) Fasern von ungleicher Dicke zerfielen, welche sich weiterhin wieder zum Axenfaden verbanden. Fb, Fb, Fb, Fb waren äusserst fein und jedenfalls Elementarfibrillen. Fs Fs waren deutlich, Fs, Fs, vielleicht etwas dicker als diese Ele- mentarfibrillen und demnach noch theilungsfähig, so dass hier noch nicht der extremste Fall der Zerspaltung eingetreten ist und der Axenfaden sich gewiss noch aus mehreren Fibrillen zusammen- setzt. Die feinen Fädchen zeigten sich auch an diesen Präparaten meist schön gebogen und schienen auch sie eine gewisse elastische Biegsamkeit zu besitzen, allerdings nicht in dem Maasse, wie bei den Singvögeln. — Es ist in der That etwas ganz Wunderbares, dass ein an sich schon so feiner Faden, wie der Axenfaden dieser Spermatosomen, noch von so vielen Fädchen gebildet wird. Eine merkwürdige Erscheinung darf ich nicht verschweigen, welche ich an den Elementarfibrillen hier und bei anderen Arten einige Male an gut tingirten Präparaten bei genauester Fixirung an der Glasfläche wahrnahm. Ich sah nämlich, dass eine Elementar- fibrille an einer Stelle undeutlich wurde, um eine kurze Strecke darauf wieder deutlich zu werden. Bei schärfster Beobachtung erkannte ich dann, dass sich zwischen diesen Enden Etwas befand, was sich sehr schwach gefärbt hatte, aber weiter kein Detail er- kennen liess. Man erhielt bier bei stärkster Vergrösserung den optischen Eindruck, welchen etwa die in Fig. 56 und 57 abgebildeten Präparate bei Anwendung einer schwachen Vergrösserung hervor- riefen. Ich muss es natürlich dahin gestellt sein lassen, ob diese Bilder durch einen weiteren Zerfall der Elementarfibrille selbst bedingt werden, da eine Definirung dieser Erscheinung ausserhalb des zur Zeit optisch Erreichbaren liegt; ganz unmöglich wäre es nicht. Jedenfalls muss man vorläufig die oben von mir beschrie- benen Elementarfibrillen als letzte Bestandtheile des Axenfadens ansehen. Um diese seltene Erscheinung zu sehen, ist übrigens ein sehr genaues Studium der Elementarfibrillen an gelungenen Präparaten erforderlich. 446 E. Ballowitz: Ich muss noch nachholen, dass überall an dem vorderen Ende des Axenfadens ein Endknöpfchen vorhanden ist, welches nach Auf- lösung des Verbindungsstückes sehr deutlich hervortritt. Eine Auf- splitterung in Fasern durch das Endknöpfehen hindurch konnte ich auch hier nicht wahrnehmen. Sehr überrascht war ich, als ich die Samenkörper des Täube- richs (Columba domestica L.) untersuchte und eine ganz andere, abweichend gestaltete Spermatosomenform auffand (vgl. Fig. 91). Die relativ langen und ziemlich dicken Geisseln dieser Samen- körper, welche sich vom Kopfe wenig abgrenzen und meist in un- regelmässigen Windungen gebogen sind, verjüngen sich nach hinten hin nur wenig, gehen dann aber in einiger Entfernung von der Spitze plötzlich in einen feinen, ziemlich langen, gleichfalls meist unregelmässig hin und her gebogenen Endfaden (E) über. Bei Untersuchung des frisch durch Osmiumsäuredämpfe fixirten Präparates erkennt man an dem dickeren, als Hauptstück zu be- zeichnenden Theil eine sehr zarte Querstreifung, welche aber nicht an allen Samenkörpern gleich deutlich ist. Nach Tinktion mit Anilinfarben ist diese Querstreifung kaum noch wahrnehmbar, während die Contouren hier und da feine Einkerbungen aufweisen. Diese Einkerbung ist am vorderen Theil etwas deutlicher, als an dem hinteren (Fig. 91). Ein nachweisbar abgegrenztes Verbindungsstück ist nicht auf- zufinden und fehlt. Macerirt man diese Spermatosomen in dünnen Kochsalz- lösungen, so wird bald die Einkerbung deutlicher und tritt eine Querriffelung hervor, vermuthlich durch Auflösung einer die Riffeln verbindenden Zwischensubstanz. Die Riffeln sind oft deutlich schräg- gestellt und alterniren häufig die vorspringenden Kanten, so dass man auch hier den Eindruck einer spiraligen Bildung erhält (Fig. 92). Bei weiterer Einwirkung tritt ein oft sehr deutlicher Querzerfall in meist unregelmässige Querstücke ein (Fig. 93), und zwar häufig so, dass unmittelbar an Stellen, welche anscheinend mit engen Spiraltouren versehen sind, Partien stossen, welche wie aus auf- sereihten, deutlich getrennten Querstücken zu bestehen scheinen. Späterhin zerbröckelt diese Protoplasmamasse mehr und mehr und die intensiv sich färbenden Querstücke werden durch immer grössere Zwischenräume von einander getrennt (Fig. 94), in welchen der feine, blass gefärbte Axenfaden (Af) erscheint. Auch bei diesem Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 447 Zerfall habe ich keine Andeutung eines Verbindungsstückes wahr- genommen. Mehr nach Analogien schliessend, als dass ich hierfür direkte, überzeugende Beweise anführen kann, muss ich annehmen, dass es sich auch hier in dem Hauptstück um eine in engen Spiraltouren um den Axenfaden gelegte, protoplasmatische Bildung handelt, deren leicht zerbröckelnde Windungen durch Zwischensubstanz ver- bunden werden und die Neigung haben, in Querstücke zu zer- fallen. Die Ablösung eines Fadens, selbst auf kleinste Strecken, habe ich hier niemals gesehen. An einigen Spermatozoön sah ich auch an dem Endstück (E) einen feinen Querzerfall auftreten, so dass dasselbe wie von einer Reihe auf dem Axenfaden aufgereihter Körnchen gebildet wurde (Fig. 94, E). Ferner erschien der isolirte Axenfaden feiner, als das gefärbte Endstück des intakten Spermatosoms, so dass ange- nommen werden muss, dass auch das Endstück hier einen äusserst dünnen, vermuthlich ähnlich, wie am Hauptstück strukturirten Proto- plasmamantel besitzt. Ob aus diesem Befunde der Schluss gezogen werden kann, dass auch bei dem noch feineren Endstück der an- deren Thiere der Axenfaden nicht völlig unbedeckt vorliegt, viel- mehr von einer, wenn auch noch so feinen protoplasmatischen Hülle umgeben wird, muss dahin gestellt bleiben. Nach längerer Einwirkung der Maceration trifft man im Prä- parat zahlreiche, völlig isolirte Axenfäden an (Fig. 96), welche sehr fein, blass gefärbt und unregelmässig hin und her gebogen sind. Am vorderen Ende ist bei fast allen ein sich intensiv tin- sirendes Endknöpfehen (Ek) sehr deutlich. Auch an diesem Axenfaden habe ich eine Theilung in zwei feine Fäden an verschiedenen Stellen desselben mehrfach beob- achtet (Fig. 95 u. 97). Einigemale sah ich auch eine Theilung in mehrere Fasern; indessen machte ich gerade diese letztere Be- obachtung an Spermatosomen, welche nicht völlig isolirt lagen, so- dass ich dieselben nicht als Beweise aufführen will. Jedenfalls habe ich mich davon überzeugt, dass auch bei der Taube der Axenfaden aus Fasern gebildet wird, welche dieselbe Länge haben, als der Axenfaden selbst. Man könnte einwenden, dass es sich in dem dickeren Theile der Spermatosomen desTäuberichs um ein sehr langes Verbindungs- stück und in dem „Endstück“ um ein kleines Hauptstück handele. 448 E. Ballowitz: Abgesehen davon, dass ein relativ so langes Verbindungsstück ein Unieum wäre, wird dieser Einwurf auch durch die Entwickelung nicht gestützt. Bei Untersuchung noch nicht ausgereifter Sperma- tosomen aus dem frischen Hoden konnte ich keinen Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass die beschriebene Spiralbildung einen proto- plasmatischen Ursprung hätte. Auch sah ich an Hodenpräparaten die Querzeichnung dieses Theiles durchaus nicht deutlicher, wie es bei dem Verbindungsstück sonst doch der Fall zu sein pflegt. Durch obige Untersuchungen ist erwiesen, dass auch bei diesen, von denen der Singvögel so differenten Spermatozoönformen der Axenfaden aus einer Anzahl durch Kittsubstanz mit einander verbundener, feinster Elementarfibrillen besteht, welche parallel neben einander liegend, denselben von Anfang bis zu Ende con- tinuirlich durchsetzen und gewöhnlich in zwei Bündel gesondert sind. Dass mir dieser Nachweis nicht bei allen untersuchten Arten der zuletzt angeführten Ordnungen gelang, findet seine Erklärung in der Schwierigkeit des Objektes selbst und durch die grossen Umstände, welche die Beschaffung des Materials verursacht, so dass es mir nicht bei allen Arten möglich war, mehr als ein, bisweilen auch noch nicht recht geeignetes Männchen zu untersuchen. B. Struktur des Kopfes. Der Untersuchung der Struktur des Kopfes steht wiederum die Kleinheit desselben sehr hindernd entgegen; indessen konnte ich doch manche Einzelheiten erkennen und soviel feststellen, dass auch der Kopf einen complieirteren Bau besitzt, als man bis jetzt angenommen hat. Die äussere Gestalt des Kopfes zeigte zwei verschiedene Formen. Die eine Form, welche ich bei den Laridae, Milvus und Vanellus fand und welche jedenfalls noch vielen anderen Arten eigenthümlich ist, stellt schmale, eylindrische Stäbchen dar, welche sich nach vorne nicht, oder doch nur sehr wenig verschmälern und an dem vorderen und hinteren Ende abgestutzt sind (Fig. 111 bis Fig. 120). An diesen Stäbehen sah ich bisweilen, besonders bei Vanellus, dann auch bei Larus canus u. a., an frischen ungefärbten Präparaten eine äusserst zarte Querstreifung, welche durch schmale, ziemlich regelmässige, schwer wahrnehmbare, quer verlaufende Schatten hervorgerufen wurde. Bei Färbung verschwindet diese Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 449 Querstreifung oder wird wenigstens sehr undeutlich. Durch Ein- wirkung dünner Chlornatriumlösungen werden die Köpfe sehr bald alterirt, quellen und lösen sich schliesslich auf. Bei dieser Ver- änderung quillt zuerst das Innere des Kopfes, so dass sich das- selbe bei mittlerer Einstellung als helle Linie deutlich von einem dunklen Rindencontour abhebt. Allmählich geht dann auch die Rinde in Quellung und Zerfall über. Bei dieser Alteration sah ich nun einige Male (bei Vanellus ganz regelmässig) eine bemerkenswerthe Erscheinung an der Rinden- substanz. Es zerfiel dieselbe, nachdem zuvor auch an tingirten Präparaten die Querstreifung wieder sehr deutlich geworden war (Fig. 116, 118, 119), in zahlreiche schmale mehr weniger deutlich von einander getrennte, sich intensiv färbende Querringe, welche schliesslich in feine Körnchen zerbröckelten, wobei der Kopf voll- ständig aufgelöst wurde. Jedenfalls ist dieser Zerfall mit der an den frischen Präparaten bisweilen sichtbaren Querschattirung in Verbindung zu bringen. An dem vorderen Ende dieser stäbchenförmigen Köpfe traf ich nun regelmässig ein Endknöpfchen (Sst) an, welches an frischen, nicht tingirten Präparaten als dunkler, stark lichtbrechender Punkt erschien. Bei Tinktion blieb dieses Gebilde als rundes, bisweilen etwas umgebogenes (Fig. 112) Knöpfchen blasser gefärbt, als der intensiv tingirte Körper. Bei geringer Einwirkung der Maceration trat häufiger hinter diesem kleinen Kügelchen sehr deutlich ein feiner, halsartiger Stiel hervor, welcher dasselbe mit der Mitte des abgestutzten Kopfendes verband (Fig. 115 u. 120). Die andere, bei Cuculus, Picus, Columba, Gallus, Tadorna, Anas u. A. aufgefundene Kopfform ist ‚gleichfalls drehrund und in ihrem hinteren Theile gleichmässig dick; nach vorne hin ver- schmälert sie sich gewöhnlich von der Mitte an, so dass sie ein mehr nadelförmiges oder pfriemenartiges Aussehen darbietet. Auch hier wurde bisweilen eine zarte Querschattirung nach- gewiesen (Tadorna). Bei geringer Einwirkung von Maceration trat hier gleichfalls eine Quellung ein, so dass ein heller Inhalt und eine dunkle Rinden- schicht deutlich wurde. Bisweilen trat diese Quellung ungleich- mässig ein und bildeten sich im Kopfe eine oder mehrere vacuolen- artige Stellen, so dass der Kopf bisweilen ein förmlich querge- bändertes Aussehen annahm (z. B. bei Columba). Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32. 29 450 E. Ballowitz: Besonders lehrreich wurden in dieser Beziehung Präparate, welche ich durch Einwirkung von Kochsalzlösungen bei Picus gewann (Fig. 98—109). Hier zeigten sich diese Quellungsvakuolen am häufigsten am vorderen (Fig. 104) und hinteren Ende des Kopfes (Fig. 102 u. 103), denselben partiell aufblähend, und dehnten sich dann allmählich auf den ganzen Kopf aus, so dass derselbe dann als blass tingirtes, breit spindelförmiges Gebilde erschien, (Fig. 106, 107, 109). Sehr deutlich sah ich während dieses Vor- gsanges, dass der Quellungsprocess zuerst das Innere und dann suecessive die Rindenschicht ergriff, wobei die diekeren, noch übrig gebliebenen Rindentheile bei noch nicht vollständiger Quel- lung allmählich in den feinen Grenzeontour des aufgeblähten Theiles eontinuirlich übergingen (Fig. 105). DBald- trat nach vol- lendeter Quellung eine Schrumpfung des Gebildes ein und wurde dann eine zarte, unregelmässig gefaltete Membran sichtbar (Fig. 107, 108, 109). Fig. 109 stelli ein Spermatosom dar, an welchem sich das Verbindungsstück (V) von dem fast ganz gequollenen Kopfe abgelöst hatte. An dem hinteren Ende des Kopfes, an welchem noch ein Theil der Rinde als dunklere Linie erhalten war, zeigte sich eine feine Oeffnung (Mp), aus welcher, wie es schien, etwas von dem Inhalte des Kopfe hervorgequollen war; die Kopfmembran war schon leicht collabirt. Man könnte dem- nach hier mit Recht von einem „Mikroporus“ reden. In oder an dieser Oeffnung setzt sich das deutlich sichtbar gewordene End- knöpichen (Ek) des Axenfadens fest. Auch einen Querzerfall der Rindenschicht sah ich bisweilen (z. B. bei Cuculus, Fig. 110e, und Caprimulgus), ar nicht so vollkommen, wie bei Vanellus. An dem vorderen Ende dieser mehr nadelförmigen Köpfe findet sich sehr regelmässig eine feine Spitze (Sst), welche an frischen Spermatosomen bisweilen nicht sehr deutlich ist, an tin- girten Präparaten dagegen, besonders nach kurzer Maceration, sehr scharf hervortritt. Sie färbt sich auch hier nur schwach, sich schon hierdurch von dem intensiv gefärbten Kopfe abhebend, und besitzt das Aussehen eines (bisweilen etwas umgebogenen) kleinen Stiftes oder Zapfens. Ich möchte dieses an dem vorderen Ende der beiden be- schriebenen Kopfformen vorkommende Gebilde seiner Regelmässig- Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 451 keit und scharfen Abgrenzung wegen als besonderen Bestandtheil des Kopfes unterscheiden und als „Spitzenstück“ bezeichnen. Ueber den Zusammenhang dieses Spitzenstückes mit dem Kopfe muss ich gestehen, nicht rechte Klarheit erlangt zu haben. An den in Trockenpräparaten meist zu grossen wurstförmigen Gebilden aufgequollenen Köpfen des Truthahns (Fig. 132) und anderer Arten setzt sich das Spitzenstück als intensiv gefärbter, nicht gequollener, feiner Stift (Sst) sehr scharf von dem nur schwach gefärbten Kopfe ab und besitzt an seinem hinteren Ende bisweilen einen kleinen scheibenförmigen Ansatz, dessen Peripherie ununter- brochen in die Contouren des Kopfes übergeht. Bei Pieus sah ich häufig (Fig. 104, 106, 107, 109) das Ge- bilde als dunkel gefärbtes Knöpfehen oder kurzes Stiftehen der Spitze der Membran der gequollenen Köpfe aufsitzen und schien es mit dieser Membran fest verbunden. Bei Cuculus erschien es häufig von differenter Länge und Ge- stalt (Fig. 110), bisweilen (Fig. 110c) war es abgefallen?). Erwähnen will ich noch, dass ich einige Male (bei Tadorna (Fig. 121) und Larus ridibundus (Fig. 111)) in dem Sperma des Vas deferens vereinzelte, bei Weitem in der Minderzahl vorhandene Spermatozo&n auffand, deren Köpfe eine bedeutendere Länge und etwas grössere Dicke besassen als die übrigen; die grössten waren fast oder selbst noch einmal so gross. Bei Larus ridibundus kam bei oberflächlicher Schätzung eine solche Riesenform auf etwa 50—80 gewöhnliche. Im Hoden schienen mir diese grossen For- men häufiger zu sein. Bei dem Truthahn sah ich etwas Aehnliches. Wahrscheinlich sind diese Formen mit den räthselhaften Ge- bilden in Beziehung zu bringen, welche v. la Valette St. George (13) bei Bufo einereus, Hyla arborea und Rana esculenta aufgefunden und als „Riesensamenkörper“ bezeichnet hat. Wie der genannte Autor, konnte auch ich beobachten, dass diese Riesen- ‘formen nicht alle die gleiche typische Grösse hatten; häufiger, als 1) Auch traf ich bei demselben, Anfang Juni erlegten, 24 Stunden nach dem Tode untersuchten Männchen, dessen dem Vas deferens entnom- menes Sperma in 0,75 procentiger Kochsalzlösung untersucht wurde, eine auf- fällige, wenn auch in kleinen Grenzen sich bewegende Verschiedenheit der Köpfe (vgl. Fig. 110, a--i), welche sich wohl nur durch ungleichmässige Ein- wirkung einer schnell erfolgten Maceration erklärt. 452 | E. Ballowitz: die ganz grossen, fand ich solche, welche um etwa zwei Drittel und um weniger grösser waren, so dass die gewöhnlichen Sperma- tozoänformen mit den grössten, sehr spärlichen Riesensamenkörpern durch Uebergänge verbunden wurden. Neuerdings sind derartige abnorm grosse Formen von Bolles Lee (14) auch bei den Nemertinen beschrieben worden!). Es scheinen demnach diese Bildungen eine grössere Verbreitung zu besitzen. Bewegung der Spermatozoen. Zum Schluss will ich noch einige Beobachtungen über die Bewegung der Spermatozoön, besonders der Singvögel anfügen. Die Bewegung dieser Samenkörper erlischt sehr bald nach dem Tode der Thiere und ist es daher schwierig, dieselbe in ihrer vollen Entfaltung zu beobachten. Nur einige wenige Male, einmal z. B. bei Sylvia atricapilla, dann bei Oriolus und Lanius, habe ich noch 24 Stunden nach dem Tode des Thieres bei Untersuchung in physiologischer Kochsalzlösung schwache, zuckende und un- regelmässige Bewegungen wahrgenommen. Meist waren schon 1/, Stunde, nachdem die Thiere erlegt waren, die meisten Sperma- tozo@ön bewegungslos und es zeigten nur noch sehr wenige eine regelmässige und schnelle Contraction. Ich musste daher die Thiere unmittelbar nach dem Tode untersuchen und gelang es mir auf diese Weise, bei dem Buchfinken, bei Emberiza citrinella, Sylvia einerea und nisoria, Ligurinus chloris, Phyllopneuste hypo- lais, Chelidon urbica und Lanius collurio die Bewegung in voller Intensität zu beobachten. Das dem unteren Theile des Vas defe- rens entnommene Sperma wurde gewöhnlich mit 0,75 procentiger Kochsalzlösung oder Bütschli’s Eiweisslösung diluirt. Sehr vor- theilhaft erwies sich auch frisch dem Herzen entnommenes, mit 0,75 procentiger Kochsalzlösung verdünntes Blut des Thieres selbst. Eine leichte Erwärmung des mikroskopischen Präparates fachte die Bewegung noch mehr an. _ v. La Valette St. George (15) hat zuerst angegeben, dass die Bewegung der Spermatozoön der Singvögel eine gleichmässig 1) Die Kenntniss dieser letzteren Notiz verdanke ich der Freundlich- keit des Herrn Professor Solger, welcher mir einen Einblick in das von ihm: verfasste Manuskript der Referate für den Jahresbericht von Hoffmann und Schwalbe pro 1837 gestattete. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 453 fortschreitende ist, die mit einer sehr schnellen Rotation des Kör- pers um seine Axe einhergeht. Ich kann diese Beobachtung durch- aus bestätigen. Die geradlinig fortschreitende Bewegung wird durch die Contraktionen der Geissel hervorgerufen, die Rotation ist lediglich durch die Gestalt des Kopfes bedingt. Die Contraktionen der Geissel besitzen nun ein eigenthüm- liches, von der Bewegung der meisten anderen Samenkörper ab- weichendes Gepräge. An Geisseln, deren Bewegung verlangsamt ist, sieht man ein schnelles, zitterndes Hin- und Herschwingen be- sonders ihres bei weitem grösseren mittleren Theiles, wobei die Einzelschwingung nur eine geringe Exkursion macht und sehr schnell erfolgt, sich aber doch noch mit dem Auge verfolgen lässt. Ist die Bewegung sehr verlangsamt, so scheint der Ausschlag nach der einen Seite etwas schneller und kräftiger als nach der anderen zu erfolgen und wird der Kopf isoehron mit der Vibration jedes- mal etwas zur Seite bewegt. Da diese Vibrationen, wie man bei dieser sehr verlangsamten Bewegung gleichfalls erkennen kann, vom Kopfe aus ihren Anfang nehmen und nach hinten hin sehr schnell fortschreiten, muss durch dieselben eine Vorwärtsbewegung des Spermatosoms mit dem Kopfende voran erfolgen. Bei lebhaf- tester Bewegung erfolgen die Vibrationen äusserst schnell und er- scheint das Spermatosom dann als breite Linie mit ganz verschwom- menen, undeutlichen Contouren. Besonders in der Mitte sind die Contouren der vibrirenden Geissel undeutlich und buchten sich hier etwas aus, so dass eine spindelförmige, undeutliche Figur ent- steht. Gegen den Kopf und das freie Ende hin ist die schwingende Geissel weniger undeutlich und scheint sieh mehr in Ruhe zu be- finden, so dass man den Eindruck gewinnt, als ob sich hier Knoten- punkte befänden. Es erinnern diese Vibrationen hierdurch sehr an die Schwingungen einer Saite. Allerdings erfolgen die Vibra- tionen der Geissel nicht in einer Ebene, sondern, in Folge ihrer Rotation, in allen Richtungen. Würde man sämmtliche Endpunkte der Schwingungen eines jeden Theiles der (ohne Vorwärtsbewegung gedachten) Geissel verbinden, so würde man einen spindelförmigen Hohlkörper erhalten, dessen Innenraum von der schwingenden Geissel fortwährend durchschnitten wird. Eine schlagende Bewegung der ganzen Geissel, wie sie v. Brunn (9) gesehen hat, habe ich nur an schon absterbenden 454 E. Ballowitz: Spermatosomen wahrgenommen oder, bei noch lebhafter Bewegung nur dann, wenn die Vorwärtsbewegung durch ein entgegenstehen- des Hinderniss gehemmt wurde. Erstirbt die Bewegung, so befällt die Geissel bisweilen ein eigenthümliches, unregelmässiges, zitterndesZucken. Auch partielle Zuckungen einzelner Theile der Geissel sind nicht selten, während die diesen unmittelbar benachbarten Theile anscheinend bereits abgestorben sind. Diese partiellen Contractionen können an jeder beliebigen Stelle der Geissel auftreten. Des öfteren sah ich auch, dass Spermatozoön, welche schon einige Zeit völlig bewegungslos und wie abgestorben dagelegen hatten, plötzlich unter sehr schnellen Vibrationen eine grössere Strecke geradlinig vorwärts schossen, um dann oft ebenso unvermittelt wieder in den Zustand absoluter Bewegungslosigkeit zu verfallen. Es machte den Eindruck, als ob in dem contraktilen Spermatosom während des ruhenden Zustandes ein Ueberschuss von Spannkraft aufgehäuft gewesen wäre, der nach Ueberwindung irgend eines unbekannten inneren Hindernisses plötzlich in Bewegung umgesetzt würde. Das Auffällige an dieser Erscheinung war der unvermittelte Uebergang aus völliger Ruhe in schnellste Bewegung und umgekehrt. Die Rotation des Spermatosoms um seine Längsaxe ist, wie schon erwähnt, eine rein passive Bewegung, welche bei einer Vor- wärtsbewegung des Körpers durch den Widerstand des umgeben- den Mediums in Folge der vollkommenen Schrauben- resp. Bohrer- form des Kopfes ganz nothwendig entstehen muss. Unterstützend für die Rotation wirkt jedenfalls noch der Spiralsaum der Geissel mit. Man kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn die Bewegung sich verlangsamt: jede auch noch so geringe Vibration der Geissel eines völlig frei liegenden Spermatosoms verursacht gleichzeitig eine Rotation des Kopfes, welche letztere sofort aufhört, wenn die Geissel wieder in den Zustand der Ruhe getreten ist. Bei leb- hafter Contraktion der Geissel wird nun die Rotation ausserordent- lich beschleunigt, so dass es unmöglich wird, die Gestalt des Kopfes noch zu erkennen: man sieht statt desselben dann nur noch ein undeutliches, längliches Gebilde. Der durch die Rotation in der umgebenden Flüssigkeit entstehende Strudel ist so stark, dass zufällig in der Nähe liegende rothe Blutkörperchen lebhaft im Kreise herumgeworfen werden. Nur wenn das Spermatosom, etwa durch andere schon abgestorbene Samenkörper, festgehalten und Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 455 an einer Vorwärtsbewegung verhindert wird, oder wenn es sich, was häufig vorzukommen pflegt, an weissen Blutkörperchen oder Fibringerinnsel festgebohrt hat, ist die Rotation bei noch lebhaft schwingender Geissel aufgehoben. Etwas abweichend ist die Bewegung der Spermatosomen von Lanius collurio und erklärt sich diese Abweichung wohl durch das Missverhältniss zwischen Kopf und Geissel; es ist hier ja die Geissel im Vergleich zum Kopf sehr klein, während bei dem Buch- - finken und den anderen Singvögeln das Verhältniss ein umge- kehrtes ist. Die Geissel zeigt hier nicht mehr die eigenthümlich zitternden Vibrationen, sondern schlägt, ähnlich wie bei den Säuge- thierspermatozo@n, hin und her. Isochron mit jeder Contraktion der Geissel wird auch der Kopf bald nach der einen, bald nach der anderen Seite geworfen, sodass die Bewegung keine so gleich- mässige wie bei den anderen Singvögeln ist, vielmehr zu einer stossenden und drückenden wird. Auf der Höhe der Bewegung folgen sich die Geisselschläge sehr schnell auf einander und das Spermatosom bewegt sich dann unter lebhaftester, hier allein durch die Gestalt des Kopfes bedingter Rotation ziemlich schnell gerad- linig vorwärts. Eine ganz andere Bewegungsform zeigen die Samenkörper, deren Kopf keine Schraubenwindungen besitzt. Es konnten von diesen allerdings nur die Spermatosomen des Haushahnes eingehen- der beobachtet werden. Bei Untersuchung mit schwächeren Ver- grösserungen lässt die Geissel des sich vorwärts bewegenden Sper- matosoms regelmässige grössere Einbiegungen erkennen, so dass der optische Eindruck einer schlängelnden Bewegung entsteht. Bei genauer Beobachtung erkennt man indessen, dass diese schlän- selnde Bewegung nur eine scheinbare ist. In Wahrheit ist die Bewegung des Spermatosoms eine sckraubenförmige, welche auch hier wieder durch die Gestalt und Biegung des Kopfes hervorge- rufen wird. Es ist nämlich der Kopf des frisch untersuchten Spermatosoms derart gebogen, dass er den kleineren Theil, fast die Hälfte einer Spiralwindung bildet und bedingt hierdurch ein Fortschreiten des ganzen Spermatosoms in der Richtung dieser Schraubenlinie. Aehnliche schlängelnde Bewegungen habe ich an den Sperma- tosomen von Tadorna, Vanellus u. a. gesehen und geschieht die Bewe- gung hier wahrscheinlich in derselben Weise, wiebei dem Haushahn. 456 E. Ballowitz: Es gewährt nun ein besonderes Interesse, die Frage aufzu- werfen, welcher Bestandtheil des Spermatosoms die wesentliche Rolle bei der Contraktion der Geissel spielt und als eigentlicher Träger der Contraktilität anzusehen ist. Durch die Beobachtungen von Ackermann, v.La Valette St. George u. a., nach welchen sich auch kopflose Geisseln selb- ständig contrahiren können, ist schon längst bekannt, dass der Kopf in keiner Beziehung zu den Contraktionen der Geissel steht. Ich kann diese Beobachtung bestätigen. Zwar habe ich dieselbe nicht an den Spermatozo@än mit schraubenförmigem Kopf machen können, da eine Ablösung des Kopfes hier an frischen Präparaten, in Folge seiner festen Verkittung mit dem Axenfaden, nür sehr selten stattfindet. In dem frischen Sperma des Hahnes indessen habe ich an Geisseln, denen der Kopf fehlte, an welchen das Ver- bindungsstück aber noch erhalten war, lebhafte Bewegungen ge- sehen ; allerdings waren dieselben merkwürdig ungeregelt, hüpfend und ganz directionslos, gewiss auch ein Beweis, dass die Bewegung des Spermatosoms durch die Gestalt des Kopfes wesentlich beein- flusst wird. Da mithin die Geissel der alleinige Sitz der Contraktilität ist, kann es sich nur um die beiden Bestandtheile derselben, den Axenfaden und seinen Protoplasmamantel handeln und wäre zu entscheiden, an welchen von beiden die Contraktilität gebunden ist. Es ist nun von vorneherein unwahrscheinlich, dass die Proto- plasmahülle der Geissel ein für die Contraktilität der letzteren wesentlicher Faktor sei. Differirt sie doch, wie wir gesehen haben, bei den einzelnen Spermatozoönformen, selbst in der Klasse der Vögel an Masse, Gestalt und Struktur schon so beträchtlich, dass sie bei der einen Form (z. B. dem Buchfinken u. a.) sehr ent- wickelt und charakteristisch gestaltet ist, während sie sich bei anderen (z. B. Oriolus, Lanius) kaum nachweisen lässt. Der direkten mikroskopischen Beobachtung ist sie noch am leichtesten an den grossen Spermatosomen der Singvögel, z. B. des Buch- finken zugängig, wo sie ja die Gestalt eines ziemlich ausgebildeten Spiralsaumes annimmt. Obwohl ich nun diesen Spiralsaum an lebensfrischen Spermatozoän sehr oft untersuchte, habe ich doch niemals weder an den intakten Spermatosomen, noch an den theil- weise oder ganz isolirten Spiralen irgend eine Bewegungserschei- nung, etwa eine Flimmerbewegung desselben, wahrgenommen. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 457 Allerdings ist die Beobachtung in Folge der Rotation des Körpers sehr erschwert und nur möglich an Spermatozoön, welche zwar noch vibriren, aber, wie oben geschildert, irgend wie fixirt sind, oder sich fest gebohrt haben, so dass die Rotation sistirt. Wäre hier eine Flimmerbewegung vorhanden, so müsste man sie an derart gelagerten Spermatosomen wahrnehmen, zumal die Flimmer- bewegung nach meinen, an den Spermatosomen anderer Thiere gemachten Erfahrungen weit länger anhält, als die schlagende Bewegung der Geissel. Welche Rolle der Protoplasmamantel nun im Uebrigen bei der Vermittelung des Stoffumsatzes spielt, welcher, bei den hohen Leistungen der Geissel, jedenfalls in derselben stattfindet und viel- leicht nicht unbedeutend ist, das entzieht sich unserer Beurtheilung. Jedenfalls muss seine Hauptaufgabe zunächst darin gesucht wer- den, dem Axenfaden als schützende Umhüllung zu dienen. Dass er dem letzteren auch eine gewisse Stütze und festeren Halt zu verleihen vermag, wird durch die nicht unbeträchtliche Elastieität des Spiralsaumes, auf welche ich bei den Spermatosomen der Singvögel aufmerksam machte, wahrscheinlich. Im Gegensatz zu dieser so variablen und unbeständigen Proto- plasmahülle der Geissel haben wir in dem Axenfaden einen ganz constanten Bestandtheil nachgewiesen, welcher bei keinem Sperma- tosom vermisst wurde und bei allen wesentlich das gleiche Aus- sehen und ganz bestimmte Reaktionen aufwies, Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass derselbe als der wesentliche Be- standtheil der Geissel angesehen werden muss. Es ist nun gewiss kein zufälliges und bedeutungsloses Zu- sammentreffen, dass ein so constantes und wohl charakterisirtes Gebilde, wie der Axenfaden und zwar nur dieser allein, bei allen den vier so differenten Spermatozoönformen, welche von mir in der Classe der Vögel beschrieben wurden und als deren Typen die Spermatosomen des Buchfinken, Pirols (Oriolus), Täuberichs und des Haushahnes hingestellt werden können, eine Zusammen- setzung aus zahlreichen, feinsten, durch Kittsubstanz mit einander verbundenen Elementarfibrillen besitzt. Dass die gewiss nur ge- ringe Kittsubstanz, auf deren Vorhandensein überhaupt nur ge- schlossen werden kann, der Sitz der Bewegungserscheinungen sei, dürfte wohl Niemand für wahrscheinlich erachten. Es können mit- hin nur die Elementarfibrillen mit grösster Wahrscheinlichkeit, um 458 E. Ballowitz: nicht zu sagen, mit Bestimmtheit, als Träger der Contraktilität angesehen werden. Es ist nun möglich, dass jede einzelne Ele- mentarfibrille als solche für sich allein schon contraktil ist, doch lässt sich dies in Folge der schweren Trennbarkeit der Fibrillen nicht direkt nachweisen; jedenfalls bilden sie allein in ihrer Ge- sammtheit durch ihre Vereinigung den contraktilen Bestandtheil der Geissel. Sehr beachtenswerth ist hierbei, dass, während die Fibrillen die ganze Geissel von Anfang bis zu Ende continuirlich durchsetzen, doch jedes beliebige Stück der absterbenden Geissel für sich eine oft streng localisirte Contraktion zeigen kann. Die Länge der Fibrillen, welche je nach der so sehr ver- schiedenen Länge der Spermatosomen selbst ja sehr variirt, hat jedenfalls für die Contraktionsfähigkeit der Geissel keine Bedeu- tung, ebensowenig, wie bei den Muskelfibrillen, deren Länge ja auch nach der sehr verschiedenen Grösse der Muskelfasern bei den Thieren sehr differirt. Eine andere Frage wäre, ob die Zahl der contraktilen Ele- mentarfibrillen eine bestimmte Bedeutung hätte, ob überhaupt dem Axenfaden als solehem eine ganz bestimmte Anzahl von Fibrillen zukommt. Eine sichere Beantwortung dieser Frage dürfte kaum möglich sein. Konnte ich, bei der so schwierigen Darstellung der Elementarfibrillen durch Maceration, doch selbst in den extremsten Fällen der Zerspaltung des Axenfadens nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich alle Elementarfibrillen, welche in dem speeciellen Falle den Axenfaden zusammensetzten, dargestellt hätte; vielmehr musste ich als wahrscheinlich hinstellen, dass ihre Zahl eine noch grössere wäre, als mir nachzuweisen gelingen wollte. Nach den von mir mitgetheilten Beobachtungen glaube ich indessen annehmen zu müssen, dass die Zahl der Fibrillen in den Axenfäden aller untersuchten Species nicht dieselbe und genau bestimmte sein kann; möglicherweise besitzt aber innerhalb einer und derselben Species der Axenfaden immer eine bestimmte Anzahl von Fibrillen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass bei den grossen Sperma- tozo@nformen die Zahl der Elementarfibrillen eine grössere ist, als bei den kleinen und kleinsten Formen und dass die Zahl der Fibrillen in einem gewissen geraden Verhältniss zu der Grösse und der Dieke der Axenfäden steht. Allerdings habe ich auch an so zarten Axenfäden, wie denen des Haushahnes, eine Zusammen- setzung aus sehr vielen Elementarfibrillen nachweisen können. — Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 459' Demnach würde es nicht die Länge und die Zahl der Fibrillen, sondern nur ihr Vorhandensein überhaupt sein, an welches die Contraktilität geknüpft wäre. Aus Allem dürfte mit Bestimmtheit zu folgern sein, dass der Axenfaden der wesentliche Bestandtheil der Geissel und der eigent- liche Träger der Contraktilität ist und dass die in demselben von mir nachgewiesene fibrilläre Struktur im innigsten Zusammenhange mit dieser seiner Contraktilität steht. Es soll späterhin gezeigt werden, dass auch andere Theile der Spermatozoängeissel eine feinfaserige Struktur erhalten, sobald sie contraktil werden. Litteraturverzeichniss. 1) G. R. Wagener, Ueber die Muskelfaser der Evertebraten. Arch. f. Anatomie, Physiologie und wissensch. Medicin. Jahrg. 1863. Derselbe, Die Entwickelung der Muskelfaser. Schriften d. Ges. z. Beförderung d. ges. Naturw. zu Marburg. Suppl.-Heft IV. 1869. Derselbe, Ueber die querge- streifte Muskelfibrille. Arch. f. mikroskopische Anatomie Bd. 9. 1873 und a.a. O. Vgl. auch Th. W. Engelmann: Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physio- logie Bd. 25. p. 546. 2) Pflüger’s Archiv, f. d. ges. Physiologie Bd. 25. 1881. p. 588. 3) E. Ballowitz, Zur Lehre von der Struktur der Spermatozoen. Anatomischer Anzeiger. Jahrg. I. Nr. 14. 1886. p. 363. 4) 0. S. Jensen, Die Struktur der Samenfäden. Bergen 1879. 5) Waldeyer, Bau und Entwickelung der Samenfäden, in den Ver- handl. der ersten Vers. der anatomischen Gesellschaft. Anatomischer Anzeiger, Jahrg. II. 1887. Nr. 12. p. 350. 6) O0. S. Jensen, Untersuchungen über die Samenkörper der Säuge- thiere, Vögel und Amphibien. I. Säugethiere. Arch, f. mikroskopische Ana- tomie 1887. Bd. 30. p. 379. 7) R. Wagner, Fragmente zur Physiologie der Zeugung, vorzüglich zur mikroskopischen Analyse des Spermas. Abh. d. Königl. Bairischen Aka- demie d. Wissensch. Bd. II. 1837. p. 388. — R. Wagner und R. Leuckart, Artikel „Semen“ in Todd’s Cyclopaedia of anatomy and Physiology Vol. IV. 1852. — R. Leuckart, Artikel „Zeugung“ in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie Bd. IV. 1853. 8) Schweigger-Seidel, Ueber die Samenkörperchen und ihre Ent- wickelung. Arch. f. mikroskopische Anatomie Bd. I. 1865. p. 317. 460 E. Ballowitz: 9 A. v. Brunn, Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwickelung bei Säugethieren und Vögeln. Arch. f. mikroskopische Ana- tomie Bd. 23. 18834. p. 108. 10) G. Retzius, Zur Kenntniss der Spermatozoän, in Biologische Unter- suchungen von G. Retzius. Jahrgang 1881. p. 77. 11) R. Wagner, Die Genesis der Samenthierchen. Arch. f. Anatomie, Physiologie und wissensch. Mediein. Jahrgang 1836. p. 227. 12) 0. S. Jensen, Ueber die Struktur der Samenkörper bei Säuge- thieren, Vögeln und Amphibien. Anatomischer Anzeiger. Jahrgang I. 1886. p- 256. 13) v. 1a Valette St. George, Spermatologische Beiträge. Dritte Mittheilung. Arch. f. mikroskopische Anatomie Bd. 27. 1886. p. 388. 14) Bolles Lee, La spermatogenese chez les Nömertiens.. Recueil zoologique suisse. Tome IV. 1888. p. 409. 15) v. la Valette St. George, Artikel „Hoden“ in Stricker’s Hand- buch der Gewebelehre, p. 535. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV—XVII. Vorbemerkungen. Bei Weitem die meisten Figuren wurden in genauem gleichen Grössen- verhältniss gezeichnet. Ich setzte einen jeden Theilstrich des Mikrometer- Oculars Nr.2 von Winkel, mit welchem die Objecte bei Winkel, homogene Immersion 1/4, mit ausgezogenem Tubus gemessen wurden und bei welchem dann jeder Theilstrich = 0,0009 mm wirklicher Objectgrösse beträgt, in der Zeichnung gleich 1 Millimeter. Nur die Figuren 29—33 auf Tafel XV und die Figuren 111—114 auf Tafel XV1Il wurden noch ein wenig grösser dargestellt, während die Figuren 40—62 auf Tafel XV und XVI nach Zeiss’ homogener Immersion 1/js in etwas kleinerem Maassstabe gezeichnet sind. Auch hier möchte ich noch bemerken, dass alle Zeichnungen, welche die Zerfallstadien des Axenfadens darstellen, nur nach im Präparat völlig isolirt liegenden Spermatosomen, resp. deren Axenfäden angefertigt wurden. Die Abkürzungen der Figuren-Bezeichnungen bedeuten: Vst Vorderstück des Kopfes; S schraubenförmiger Saum dieses Vorder- stückes; Hst Hinterstück des Kopfes; Sst Spitzenstück des Kopfes; V Verbin- dungsstück der Geissel; H Hauptstück der Geissel; E Endstück der Geissel; Af Axenfaden; Sp Spiralsaum der Geissel; Ek Endknöpfchen des Axenfadens; Fs gröbere Fasern; Fb Elemeutarfibrillen des Axenfadens. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 461 ‘ F-M Fäulniss-Maceration; Cl-M Maceration in Chlornatriumlösungen ; G Gentianaviolett. Rie. 1: Fig. 4. Fig. 6. Tafel XIV. Spermatosom aus dem Vas deferens des Buchfinken (Fingilla eaelebs L.), frisch in 0,75procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäure- dämpfe fixirt, ungefärbt, nach einem in Glycerin eingeschlossenen Präparate. Verbindungsstück sehr deutlich, Endstück gerade. Bei S der schraubenförmige Saum des von dem Hinterstück nicht abge- - grenzten Vorderstückes des Kopfes, welcher in seinem nach oben sehenden Theil so gezeichnet wurde, wie er bei mehr oberflächlicher Einstellung unter dem Mikroskope erscheint, als dunkle, nach den Seiten hin sich verschmälernde Linie. In Wirklichkeit besteht hier keine Verdickung und ist der gleichmässig dünne Saum hier nur nach aussen und etwas nach vorne gerichtet (vgl. Fig. 3, 4 und 9). Bei x, x musste die Geissel durchtrennt gezeichnet werden, um sie placiren zu können. Aeusserstes Ende der Geissel vom Buchfinken mit unter stumpfem Winkel umgebogenem Endstück. Kopf und vorderster Theil der Geissel vom Buchfinken. Nach Fixi- rung durch Osmiumdämpfe G. Differente Färbung des (jetzt von einander scharf abgegrenzten) Vorder- und Hinterstückes des Kopfes. Schraubenförmiger Saum am Vorderstück schwach tingirt, aber sehr deutlich erkennbar, Verbindungsstück dunkel gefärbt. Kopf und vorderer Theil der Geissel von Museicapa grisola L. von einem Spermatosom aus dem Vas deferens, in 0,75procentiger Koch- salzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, ungefärbt, nach einem Glycerinpräparat. Sichtbare Differenzirung des Kopfes in ein grosses bohrerförmiges Vorderstück und ein kurzes Hinterstück, beide durch eine schmale, dunkle Querlinie (l) von einander getrennt. Bei L spaltartige Lücke zwischen Hinterstück des Kopfes und Verbindungs- stück („Hals“). Sehr schmaler Spiralsaum an der Geissel; Verbin- dungsstück sehr deutlich. In Betreff der als dunkle Linien gezeich- neten oberen Ränder der Windungen des Vorderstückes gilt das- selbe, welches bei Fig. 1 angemerkt wurde. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens von Chelidon urbica Boie., frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, ungefärbt, nach einem Glycerinpräparat. Bei S sehr schmaler Saum an der Spitze des Vorderstückes; Verbindungsstück nicht sehr deutlich abgegrenzt. Bei L sehr schmale helle Linie zwischen Ver- bindungsstück und Kopf. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens von Phyllopneuste hypo- lais Bechst., frisch in Bütschli’s Eiweisslösung durch Osmiumsäure- dämpfe fixirt, nach einem Glycerinpräparat. Bohrerförmige Gestalt Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. öl 12. 13. 14. E. Ballowitz: des Vorderstückes des Kopfes. Verbindungsstück nicht sehr deutlich abgegrenzt. Hinterstück des Kopfes mit dem vordersten Theil der Geissel von Phyllopneuste hypolais Bechst. Cl-M und G. Das Verbindungsstück aufgelöst, so dass der Axenfaden frei zu Tage tritt. Vordere End- fläche des intensiv gefärbten Hinterstückes concav. Kopf und vorderstes Stück der Geissel von Sylvia nisoria Bechst., frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, nach einem Glycerinpräparat, ungefärbt. Sehr schmaler Saum an der Spitze des Vorderstückes. Verbindungsstück nicht mehr deut- lich abgegrenzt. Kopf und vorderster Theil der Geissel von Ligurinus chloris Koch, aus dem Vas deferens, frisch in 75procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, ungefärbt, nach einem Glycerinpräparat. Deutliche Sonderung in Vorder- und Hinterstück. Für den sehr schön hervortretenden Saum gilt dasselbe, was bei Fig. 1 gesagt wurde. Bei L spaltförmige Lücke zwischen Hinterstück und Ver- bindungsstück („Hals“), in Gestalt einer hellen, schmalen Linie. Dasselbe nach einem tingirten Deckglas-Trockenpräparate. Intensiv gefärbtes Vorderstück mit sehr blass tingirtem, deutlichem Hautsaum und etwas gequollenes Hinterstück des Kopfes. Verbindungsstück sehr deutlich, dunkler gefärbt. Endknopf des Axenfadens jetzt schwach sichtbar. Kopf und vorderstes Stück der Geissel von Muscicapa grisola L., nach einem tingirten Deckglas-Trockenpräparat. Hinterstück des Kopfes intensiv und gleichmässig, Vorderstück und Verbindungsstück nicht so stark gefärbt; ersteres im axilen Theil stärker tingirt, letzteres setzt sich sehr deutlich gegen das blasse Hauptstück, an welchem der schmale Spiralsaum nicht mehr zu erkennen ist, ab. BeiL spaltartige Lücke zwischen Kopf und Verbindungsstück („Hals“). Dasselbe; Vorderstück und ein Theil des Verbindungsstückes sind abgefallen, von letzterem ist bei V noch ein Rest erhalten. Af iso- lirter Axenfaden, an welchem das Endknöpfchen noch nicht sicht- bar ist. ö Dasselbe, nach einem frisch durch Osmiumsäuredämpfe fixirten, in Glycerin eingeschlossenen Präparat aus dem Vas deferens. Verbin- dungsstück ganz abgefallen; an dem hier isolirten Axenfaden, wel- cher wenig dünner, als das noch mit dem sehr schmalen Spiralsaum versehene Hauptstück ist, das Endknöpfchen noch nicht sichtbar. Dasselbe, nach einem tingirten Trockenpräparat. Das Hinterstück des Kopfes hat sich durch den Process des Eintrocknens von der Geissel etwas abgetrennt, ist aber in seiner Lage noch fixirt. Die Lücke zwischen Kopf und Verbindungsstück („Hals“) ist hierdurch Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 15. lt: sl8: 19: 22. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 463 verbreitert; in derselben erscheint das Halsstück des Axenfadens (Af) mit seinem jetzt sehr deutlichen, intensiv gefärbten Endknöpfchen, welches durch eine sehr schmale Trennungslinie von dem Kopfe ab- gegrenzt wird. Dasselbe, nach einem Trockenpräparat. Kopf ganz abgefallen. Hals- stück des Axenfadens (Af) ragt aus dem Verbindungsstück hervor und zeigt an seiner Spitze den aus zwei in verschiedener Höhe be- findlichen Stückchen zusammengesetzten Endknopf. . Kopf und vorderster Theil der Geissel von Rubicilla phoenicura Bp., nach einem tingirten Trockenpräparat. Hinterstück des Kopfes in- tensiv und gleichmässig gefärbt. Bei L „Hals“. Verbindungsstück deutlich gefärbt, sich scharf gegen den blassen, noch erhaltenen Spiralsaum des Hauptstückes absetzend. In Chlornatriumlösung gequollenes Hinterstück des Kopfes, aus dem Hoden des Buchfinken. Axenfaden isolirt, Endknöpfchen deutlich. Kopf und vorderstes Stück der Geissel von Motacilla flava L., nach einem tingirten Trockenpräparat. Vorderstück blass, Hinterstück tonnenartig gequollen, bis auf den intensiv gefärbten vorderen und hinteren Rand; Endknöpfchen noch nicht sichtbar. Dasselbe von Hirundo rustica L. Vorderstück verschwunden; auch der vordere und hintere Rand des Hinterstücks sind aufgelöst, der letztere bis auf zwei Stückchen (r, r); das intensiv gefärbte End- knöpfchen ist sichtbar geworden. . Hauptstück und Endstück der Geissel von Sylvia nisoria Bechst., nach einem frischen Präparat aus dem Hoden. Der Spiralsaum hat sich stellenweise in (im Ganzen 6) Oesen abgelöst. . Ganzes, noch nicht völlig ausgereiftes Spermatosom aus dem Hoden des Buchfinken, kurze Zeit in verdünnter Chlornatriumlösung. Vor- derstück des Kopfes aufgelöst, vordere Endfläche des Hinterstückes tief concav. Der Spiralsaum hat sich sehr deutlich von dem Axen- faden abgehoben. Dasselbe. Der Spiralsaum hat sich ganz von der Axenfaser abge- löst und steckt, zusammengeschnurrt, noch auf derselben. Vorder- stück und auch das Verbindungsstück aufgelöst; hinteres Ende des Hinterstückes schräg abgestuzt, excentrische Insertion der Axenfaser. . Isolirte Spirale aus dem Vas deferens des Buchfinken. . Isolirte Spirale aus dem Vas deferens von Fringilla cannabina L. Bei Z sind die Windungen ganz eng zusammengeschnurrt. . Stück aus dem mittleren Theile der Geissel eines noch nicht ganz ausgebildeten Spermatosoms aus dem Hoden von Muscicapa grisola L. Der Spiralfaden noch dick mit breiten Windungen, von dem Axen- faden deutlich abgehoben (vgl. daneben in Fig. 4 den schmalen Saum der ausgebildeten Geissel). 464 L. Ballowitz: Tafel XV. Fig. 26. Spermatosom aus dem Vas deferens von Hirundo rustica L., kurze Fig. 27. Zeit in verdünnter Chlornatriumlösung. Vorderstück des Kopfes und Verbindungsstück sind aufgelöst; vordere Endfläche des Hinterstückes concav. Bei x und x, hat sich der Spiralsaum auf grössere Strecken abgelöst und ist der Axenfaden aus der Mitte der Spirale getreten, so dass die Windungen der letzteren auf der einen Seite dem Axen- faden dicht anliegen, während sie auf der anderen Seite weit ab- stehen. Excentrische Insertion der Axenfaser. Hinterstes Stück der Geissel von Hirundo rustica L. von einem Sper- matosom aus dem Vas deferens. Das hintere Ende des Spiralsaumes hat sich abgelöst und zusammengeschnurrt; Uebergang der dadurch isolirten Axenfaser in das Endstück. Fig. 28. Isolirte Spirale aus dem Vas deferens von Hirundo rustica L. Fig. 29—33. Aus dem Hoden von Phyllopneuste sibilatrix Bechst., einige Zeit Fig. Fig. 36. I. in 0,75 procentiger Kochsalzlösung. Kopf ganz abgetrennt; Verbin- dungsstück aufgelöst; Endknöpfchen an dem Axenfaden sehr deut- lich, mit kleiner Spitze versehen. Der Spiralsaum hat sich von dem Axenfaden unregelmässig abgelöst, in Fig. 30 auf grössere Strecken. Zusammenschnurrung seines abgelösten und frei abstehenden Endes in Fig. 31. In Fig. 33 haben sich die zusammengeschnurrten Win- dungen des abgelösten, noch auf der Axenfaser steckenden unteren Theiles des Spiralsaumes (bei Z) eng zusammengezogen, während das freie Ende desselben von der Axenfaser absteht. . Isolirte Spirale aus dem Vas deferens von Phyllopneuste sibilatrix Bechst. . Kopf und vorderer Theil der Geissel von Sitta europaea L., nach einem tingirten Trockenpräparat. Der abgelöste Spiralsaum war hier noch erhalten und hob sich scharf von der Axenfaser ab; un- mittelbarer Zusammenhang des Spiralsaumes mit dem noch erhal- tenen Verbindungsstück. Hinterstück des Kopfes mit vorderem Theil der Geissel von Sylvia atricapilla Lath., kurze Zeit in 0,75 procentiger Kochsalzlösung. Vor- derstück des Kopfes und Verbindungsstück aufgelöst. Der vordere Theil des Spiralsaumes hat sich von dem Axenfaden abgelöst und zu einer engen, frei abstehenden, kurzen Spirale zusammengelegt. Vordere Endfläche des Hinterstückes concav; excentrische Insertion des Axenfadens. Kopf und vorderer Theil des isolirten Axenfadens von Sylvia ceinerea Bechst., nach einem mit G. tingirten Trockenpräparat. Etwas ge- quollenes Hinterstück intensiv gefärbt, während das ein wenig alte- rirte Vorderstück hlass- erscheint. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 465 Fig. 38 und Fig. 39. Isolirte Axenfäden von Museicapa grisola L., CI-M, G, vorderstes Ende derselben; Endknöpfchen sehr deutlich in zwei Theile zerlegt. In Fig. 35 Theilung des Axenfadens in zwei Hälften; in Fig. 39 zerlegen sich diese Hälften in Fasern von ungleicher Dicke. Fig. 40—44. Isolirte Geisseln von Phyllopneuste sibilatrix Bechst. F-M, G. Spaltung der Axenfaser in zwei und mehr Fasern, in Fig. 43 und Fig. 44 im grössten Theil der Geissel. Von dem Spiralsaum stellen- weise noch intensiv gefärbte Reste erhalten, das Verbindungsstück stets schon aufgelöst. Das Endknöpfchen ist weniger deutlich ge- worden. (Diese letzteren Bemerkungen haben für alle folgenden Figuren bis Fig. 62 Geltung.) Fig. 45—47. Dasselbe bei Emberiza citrinella L. F-M, G. Fig. 48. Geissel von Passer domesticus L. F-M, G. Zerspaltung des Axen- fadens in der Mitte in 3 Fasern. Fig. 49. Isolirter Axenfaden von Passer domesticus L. F-M, G. Derselbe zerlegt sich in geringer Entfernung von dem Endknöpfchen in einen Büschel fast der ganzen Länge nach isolirter, gleich langer Fasern. Zuerst theilt sich der Axenfaden in 2 Aeste, welche sich alsbald, ein jeder in 3 feine Fasern zerlegen. Die eine dieser 6 Fasern (F's) theilt sich in der Nähe ihres freien Endes (bei g) wieder in 2 feinste Fädchen. Tafel XVI. Fig. 50. Axenfaden von Motacilla flava L., noch mit einem Stück des Spiral- saumes versehen, in der Mitte in 2 Fasern getheilt. F-M, G. Fig. 51 und 52. Dasselbe von Sylvia hortensis Bechst. F-M, G. In Fig. 52 die obere Hälfte des isolirten Axenfadens bis zum Endknopf in zwei Hälften zerlegt, von welchen die eine sich in 3 Fasern spaltet. Fig. 53. Völlig isolirter ganzer Axenfaden von Emberiza eitrinella L., welcher sich der ganzen Länge nach in zwei Hälften theilt, die nur im End- knöpfchen noch zusammengehalten werden. Die eine Theilfaser zeigt nur in der Nähe des hinteren Endes auf eime kurze Strecke eine Trennung in 2 Fasern. Die andere Theilfaser hingegen zerlegt sich in ihrer unteren Hälfte in 2 Fasern, welche durch eine äusserst feine Elementarfibrille (Fb) mit einander verbunden werden. Oberhalb der Theilungsstelle zweigt sich eine elegant geschwungene Elementar- fibrille (Fb,) ab, um eine grosse Strecke isolirt zu verlaufen und sich gegen das Ende hin wieder mit einer gröberen Faser zu ver- binden. Die 3 am hinteren Ende isolirten Fasern besitzen gleiche Länge. Fig. 54—62. Isolirte Axenfäden vom Buchfinken, die Mehrzahl noch mehr oder weniger mit Resten des Spiralsaumes versehen. Endknöpfchen kleiner geworden, als an frischen Präparaten. F-M, G. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32, 30 466 Fig. 54. Fig. 55. E. Ballowitz: Vorderer Theil in 2 anscheinend gleich dicke, ursprünglich parallel nebeneinander liegende Theilfasern, die Fibrillenbündel, zerlegt. Endstück in zwei dicht nebeneinander liegende, sich bald wieder ver- einigende Theilfasern auseinandergehend. Fig. 56 und 57. Theilung der Axenfaser in der Nähe ihres vorderen Endes Fig. 59. in zahlreiche feinere und feinste Fasern. Fälle, wie der in Fig. 56 dargestellte, sind in gut gelungenen Präparaten noch ziemlich häufige Befunde. . Die Fasern sind hier weit auseinandergespreizt, so dass man dieselben an der Zerfallstelle in ihrer ganzen Ausdehnung und ihrer gegen- seitigen Verbindung sehr deutlich erkennen kann. Auch hier theilt sich der Axenfaden in zwei kurze Theiläste, welche sich dann in zahlreiche (11!) feine und feinste Fäserchen auflösen, die sich nach kurzer Trennung alsbald wieder zu dem Axenfaden vereinigen. Trotz ihrer Feinheit erscheinen nicht alle Fasern von gleicher Dicke, indessen lassen sich diese subtilen Differenzen in der Zeichnung nicht wiedergeben; die feinsten, an Zahl überwiegenden, waren jedenfalls Elementarfibrillen. Von dem linken hinteren Theilast trennt sich vor der Wiedervereinigung zu dem Axenfaden ausnahmsweise eine gröbere Faser (Fs) ab. Fasern und Fibrillen (Fb) sind in grossen Schleifen umgebogen. Fig. 60 und 61. Ganze Axenfäden, der eine (Fig. 60) nur an einer Stelle noch Fig. 62. Fig. 64. mit einem kleinen Rest des Spiralsaumes versehen; beide im grössten Theil ihrer Ausdehnung in Fasern und, besonders in Fig. 60, in- Elementarfibrillen zerspalten. In Fig. 61 zeigen die Fasern wellen- förmige Einbiegungen und bildet eine gröbere Faser eine kleine Schleife. Verbindungsstück aufgelöst, der grösste Theil der Geissel noch mit Spiralsaum versehen. Der im hinteren Theil isolirte Axenfaden zer- legt sich in einen langen Schweif feiner Fasern und zahlreicher, sich durchkreuzender Elementarfibrillen. (Die nähere Erklärung siehe im Text p. 418). Tafel XVII. Fig. 63—75 von Oriolus galbula L. . Ganzes Spermatosom aus’ dem Vas deferens, frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumdämpfe fixirt, nach einem Glycerinprä- parat. Verbindungsstück sehr deutlich, der übrige Theil der Geissel schnurgerade und anscheinend glatt. Schmaler Saum am Vorder- stück des Kopfes. Hinterstück des Kopfes mit dem vordersten Theil der Geissel; kurze Zeit in dünner Kochsalzlösung. Vorderstück des Kopfes ist aufge- gelöst. Vordere Endfläche des Hinterstückes concav. Das Verbin- Fig. Fig. Fig. 60: 66. „67. . 68. 10: 76. Ile 78. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoön. 467 dungsstück hat sich mit dem oberen dicken Ende abgehoben, so dass es frei absteht und der Axenfaden deutlich wird. Dasselbe; das untere zugespitzte Ende des Verbindungsstückes hat sich von dem Axenfaden abgetrennt und steht frei nach aussen ab. Bei g der Grenzpunkt zwischen Verbindungsstück und Hauptstück. Dasselbe; das spiralige Verbindungsstück hat sich von dem deutlich sichtbar gewordenen Axenfaden abgehoben, ist aber noch am oberen und unteren Ende befestigt. Noch nicht ausgebildetes Spermatosom aus dem Hoden, frisches Prä- parat. Die dicke, am unteren Ende verbreiterte Plasma-Spirale um- wickelt den Axenfaden in fünf Windungen. Dasselbe Hodenpräparat; die Plasmaspirale hat sich von dem Axen- faden abgewunden und steht frei nach aussen ab. . Isolirte Spirale aus dem Vas deferens, noch mit der zungenförmigen Verbreiterung am hinteren Ende. . Vorderes Stück eines isolirten Axenfadens mit deutlichem Endknopf, in der Mitte in zwei Fäden auseinandergehend. Ol-M, G. . Spermatosom aus dem Vas deferens mit noch erhaltenem, intensiv gefärbten Hinterstück des Kopfes und Verbindungsstück; Endknopf nicht sichtbar. Axenfaden in 2 Fäden zerlegt, von denen sich der eine wieder in 2 Fäden theilt. CI-M, G. . Vorderes Stück eines isolirten Axenfadens mit deutlichem Endknopf; jeder der beiden Theilfäden wieder in 2 Fasern zerlegt. CI-M, G. . Hinterstück des Kopfes mit vorderem Theil des isolirten Axenfadens ; Aufsplitterung des freien Endes in 4 gleichlange Fasern. Cl-M, G. . Dasselbe; Theilung der Axenfaser in 2, dann in 4 Fasern. Oberhalb der Theilungsstelle löst sich von dem Axenfaden auf eine grössere Strecke eine äusserst feine Elementarfibrille (Fb) ab. CI-M, G. Isolirter Axenfaden mit deutlichem Endknopf, zum grössten Theil in 2 Theilfasern zerlegt, von denen sich die eine am Ende wieder in 2 Fäden spaltet. Von jeder dieser Theilfasern löst sich je eine äusserst feine, ganz isolirte Elementarfibrille (Fb, Fb) ab. Fasern wie Elementarfibrillen besitzen die gleiche Länge. Fig. 76—83 von Lanius collurio L. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, frisch in Bütschli’s Eiweisslösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, nach einem Glycerin - präparat. Sehr schmaler, zarter Saum am vorderen Ende des Kopfes. Verbindungsstück deutlich, Hauptstück schnurgeradc, glatt, ohne Windungen. Hinterstück des Kopfes mit isolirtem Axenfaden. Verbindungsstück aufgelöst; excentrische Insertion des Axenfadens, Endknöpfchen nicht sichtbar. Vorderfläche des Hinterstückes concav. CI-M. Vorderer Theil der Geissel mit erhaltenem Verbindungsstück. End- knöpfchen sichtbar, wenn auch noch nicht sehr deutlich. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. ig. 88. Fig. ‚ug: 80. 3. 82. 83. 84. ig. 85. 36. 87. 89. E. Ballowitz: Noch nicht ausgebildetes Spermatosom aus dem Hoden, frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung. Axenfaden von einer dicklichen Protoplasmaspirale umschlungen, welche sich mit ihren hinteren zwei Windungen von demselben abgelöst hat und frei absteht; dieses hintere Ende ist verbreitert und erscheint feinkörnig. Isolirte Spirale aus dem Vas deferens mit verbreitertem hinterem Ende. Hinterstück des Kopfes intensiv gefärbt, mit isolirtem Axenfaden, welcher an 2 Stellen in 2 Fädchen auseinanderweicht. Endknöpfchen nicht sichtbar. Ul-M, G. Dasselbe; die ganze hintere Hälfte des Axenfadens in 2 feine Fäd- chen von gleicher Länge zerlegt. CI-M, G. Isolirter Axenfaden mit deutlichem Endknöpfchen; an drei Stellen Theilung in zwei Fädchen. CI-M, G. Ganzes Spermatosom von Corvus frugilegus L. aus dem Vas deferens. G@. Kopf schon etwas verändert; Hinterstück intensiv gefärbt, Vorder- stück blass, alterirt. Verbindungsstück sehr deutlich, blass gefärbt; Hauptstück schnurgerade, glatt. Fig. 855—90 von Caprimulgus europaeus L. Kopf und vorderes Stück der Geissel aus dem Vas deferens, frisch in 0,75procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, nach einem Glycerinpräparat, ungefärbt. Deutliche Querstreifung des Verbindungsstückes, welches sich scharf von der beträchtlich feineren Geissel absetzt. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt und mit G. gefärbt. Kopf intensiv gefärbt, an der Spitze deutlich das kleine blasse Spitzen- stück zeigend. Querstreifung des weniger intensiv gefärbten Ver- bindungsstückes kaum noch wahrnehmbar. die Contouren desselben leicht eingekerbt. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, einige Stunden Cl-M. G. Spitzenstück des Kopfes sehr deutlich, blass. Querzeichnung des Verbin- dungsstückes kaum noch andeutungsweise wahrnehmbar. Hinteres Ende der Geissel in 2 gleichlange Fasern von etwas ungleicher Dicke zer- spalten; die dickere Faser gabelt sich am Ende in 2 kurze Fäserchen. Kopf und vorderer Theil der Geissel; Cl-M, G. Das Verbindungs- stück ist aufgelöst und der Axenfaden an dieser Stelle isolirt. Un- mittelbar dahinter zerfällt derselbe in zwei gleich dicke Fasern, deren eine sich wieder theilt. Grösseres Bruchstück einer Geissel, an dem einen Ende in 2 längere, gleich dicke und gleich lange Fasern zerlegt; von der einen trennt sich eine sehr feine Elementarfibrille (Fb), von gleicher Länge, wie die beiden Fasern, ab, während die andere Theilfaser auf eine kurze Fig. 90. Fie. 9. Fig. 9. Fig. 9. Fig. 95. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 469 Strecke in 2 sich bald wieder vereinigende Fasern auseinanderweicht. Cl-M, G. Kleinere Bruchstücke aus dem Vas deferens. Cl-M, G. Bei aan dem einen, bei b an beiden Enden in 2 kurze, umgebogene Fäserchen zerlegt. CI-M, G. Fig. 91—97 von der Haustaube. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, frisch in 0,75 procen- tiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt und dann mit G. gefärbt. Der Kopf, fast ebenso intensiv gefärbt, als die Geissel und sich von derselben fast nur durch seinen Glanz abgrenzend, wurde hell gezeichnet, um ihn besser hervortreten zu lassen. Das intensiv tingirte Hauptstück zeigt eine feine Einkerbung der Contouren und eine sehr undeutlich gewordene Querzeichnung und setzt sich scharf von dem relativ langen, feinen Endstück ab, welches indessen sichtlich dicker ist, als z. B. das Endstück der Singvögel-Spermatozoön. . Eine Strecke des Hauptstückes von einer Geissel, welche kurze Zeit der Einwirkung von dünner Kochsalzlösung ausgesetzt war. G. Riffeln sehr deutlich geworden. Dasselbe nach stärkerer Einwirkung. G. Zerfall des Protoplasma- mantels in intensiv gefärbte Querstücke, zwischen welchen der feine blasse Axenfaden sichtbar wird. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, nach längerer Einwirkung von Cl-M, G. Protoplasmamantel zum grössten Theil zerfallen in intensiv sich färbende Bröckel. Der feine, blasse Axenfaden an vielen Stellen isolirt, hier und da noch mit vereinzelten kleinen Partikel- chen des Mantels besetzt. Der grösste Theil des Endstückes erscheint wie eine Reihe sehr regelmässig aneinander gereihter, feiner Körn- chen, welche etwas mehr, als der Axenfaden tingirt sind. Kopf ge- quollen, sehr blass gefärbt; am hinteren Ende desselben das intensiv gefärbte Endknöpfchen sehr deutlich. Theil der Geissel. Protoplasmamantel alterirt. Cl-M, G. Axenfaden auf eine grössere Strecke hin isolirt und am Ende in 2 längere, ge- wundene Fäden von gleicher Länge zerlegt. . In ganzer Ausdehnung isolirter, feiner Axenfaden, am vorderen Ende mit intensiv gefärbtem Endknopf. CI-M, G. . In ganzer Ausdehnung isolirter, unregelmässig hin und her gebogener Axenfaden, in der Mitte in 2 von einander weit abstehende Fäden zerfallen. Endknopf sehr deutlich. Tafel XVIIL. Fig. 983—109 von Picus major L. (Fig. 101—109 CI-M, @.) 98. Ganzes Spermatosom aus dem Vas deferens, in 0,75procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt und mit G. gefärbt. 470 Fig. 99. Fig. 100. Fig. 101. Fig. 102. Eig. 103. Fig. 104. Fig. 105. Fig. 106. Fig. 107. Fig. 108. Fig. 109. Fig. 110. E. Ballowitz: Kopf intensiv gefärbt, Verbindungsstück blasser, letzteres scheinbar ganz homogen geworden, keine Andeutung der Querzeichnung mehr wahrnehmbar. (Dieselbe Erscheinung tritt bei den Verbindungs- stücken der Figuren 102—109 auf). Kopf und vorderes Stück der Geissel, ganz frich in 0,75 procentiger Chlornatriumlösung, ungefärbt. Querzeichnung des Mittelstückes. Kopf und vorderes Stück der Geissel, einige Zeit in Kochsalzlösung macerirt, G. Kopf noch erhalten, am Verbindungsstück sind intensiv gefärbte Riffeln zum Vorschein gekommen. Isolirter Kopf mit Quellungsvakuole in der Mitte. Kopf mit vorderem Stück der Geissel. Centraler Theil gequollen. Hervortreten eines Rindencontours; kleine Quellungs-Vakuole am hinteren Ende, wodurch hier das Endknöpfchen des Axenfadens deutlich geworden ist. Dasselbe ; Quellungsvakuole grösser geworden. Dasselbe; Rindencontour sehr deutlich. Quellungsvakuole am vor- deren Ende des Kopfes, wobei dasSpitzenstück sehr scharf hervortritt. Der grösste Theil des Kopfes gequollen; nur die Spitze und die Rindenschicht links oben und am hintersten Ende noch nicht ganz aufgequollen. Die Rindenschicht geht allmählich und unmittelbar in den Contour des gequollenen Theiles über. Ganz gequollener, nur blass gefärbter Kopf. Endknöpfchen des Axenfadens deutlich, desgleichen das Spitzenstück des Kopfes. Dasselbe; Membran etwas gefaltet, mit derselben zusammenhängend das intensiv gefärbte Spitzenstück. Dasselbe; Membran collabirt und unregelmässig gefaltet. Endknopf des Axenfadens sehr deutlich. Der gequollene Kopf, dessen Membran sich gefaltet hat, hat sich von der Geissel abgetrennt, beide noch in der Lage erhalten. Am hinteren Ende des Kopfes eine Oeffnung, aus welcher etwas Substanz hervorgequollen zu sein scheint. Endknopf des Axenfadens am vor- deren Ende des noch erhaltenen Verbindungsstückes von dieser Oeffnung etwas abgerückt. Von einem Männchen von Cuculus canorus L. 24 Stunden nach dem Tode, aus dem Vas deferens. a—i Kopfformen und vordere Theile der Geisseln, durch kurze Einwirkung von 0,75 procentiger Kochsalzlösung alterirt. Veränderung des Verbindungsstückes (dasselbe ist in a, g und h schon abgefallen, so dass der Axenfaden hier frei- liegt). Zapfenförmiges (b, h), stiftförmiges (a, g, i), kugeliges (b) Spitzenstück, an c ist dasselbe nicht mehr vorhanden. In e der In- halt des Kopfes etwas gequollen, die Rindenschicht quer zerfallen. Der Axenfaden bei i in 2 Fäden zerlegt. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 471 “ig. 111. „Riesenspermatosom“ aus dem Vas deferens von Larus ridibundus frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung mit G. gefärbt; Verbin- dungsstück schon alterirt. Fig. 112 und 113. Gewöhnliche Spermatozoen aus dem Vas deferens von Larus ridibundus L., mit stäbchenförmigem Kopf und kugeligem Spitzenstück, das letztere in Fig. 112 umgebogen. G. Fig. 114 a und b. Ganze Spermatozo@n aus dem Vas deferens von Milvus ater Daud., frisch untersucht. In b hat sich die Geissel im Verbin- dungsstück umgebogen und dann dicht an den Kopf angelegt, an dessen vorderem Ende sie hervorragt; eine Art der Oesenbildung, wie sie für die Spermatozoön dieser Formen charakteristisch ist. Fig. 115. Vorderer Theil eines Spermatosoms aus dem Vas deferens von Larus canus L. Kugeliges Spitzenstück. Fig. 116—120. Aus dem Vas deferens von Vanellus cristatus Meyer. (24 Stunden nach dem Tode untersucht.) Fig. 116. Ganzes Spermatosom kurze Zeit in 0,75 procentiger Kochsalzlösung. Sehr deutlicher Querzerfall des Kopfes. G@. Fig. 117. Ganzes Spermatozom in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt. G. Kopf intensiv gefärbt, keine Quer- schattirung mehr erkennbar. Kugeliges, blass tingirtes Spitzenstück. Fig. 118. Kopf und vorderes Stück der Geissel, kurze Zeit in 0,75 procentiger Kochsalzlösung macerirt, G. Deutliche Querbänderung des Kopfes und feine Einkerbung seines Randes. Fig. 119. Dasselbe; Verbindungsstück aufgelöst, Axenfaden frei. Fig.120. Fein gestieltes, kugeliges, blasses Spitzenstück an dem intensiv gefärbten Kopf. Fig. 121—127. Aus dem Vas deferens von Tadorna vulpanser Flem. Fig. 121. „Riesenspermatosom“, frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, ungefärbt. Fig. 122. Gewöhnliches Spermatosom, frisch in 0,75 procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt. Q Fig. 123. Dasselbe, mit G. gefärbt. Kopf intensiv tingirt, Spitzenstück als blasses Stiftchen deutlich. Fig. 124—127. Zum grössten Theil isolirte Axenfäden mit noch erhaltenem, aber alterirten Verbindungsstück. Endknöpfchen in Fig. 126 und 127 deutlich; Axenfaden an verschiedenen Stellen in 2 von einander abstehende Fädchen zerlegt. C1-M, G. Fig. 128—134. Aus dem Vas deferens des Truthahns. Fig. 128. Ganzes Spermatosom in 0,75 procentiger Kochsalzlösung mit G. ge- färbt. Kopf schon etwas gequollen, intensiv gefärbt, mit stiftartigem blassen Spitzenstück. Verbindungsstück alterirt, Axenfaden in dem- selben zum Theil freiliegend. 472 Fig. 129. Fig. 130. E. Ballowitz: Dasselbe; Verbindungsstück erhalten. Dasselbe ohne Färbung. Fig. 131, a—d. Verschiedenes Aussehen des mehr weniger alterirten Ver- Fig. 132. Fig. 133. Fig. 134. Fig. 135. Fig. 136. bindungsstückes; in c, d und e zum Theil der Axenfaden freiliegend, in e und d fädchenartige kurze Bruchstücke der Spiralbildung an ihm hängend. Der feine Axenfaden hebt sich bei g scharf gegen das dickere, noch mit Protoplasmamantel versehene und intensiver gefärbte Hauptstück (H) ab. Nach einem mit G. tingirten Trockenpräparat. Kopf wurstartig stark aufgequollen, schwach tingirt. An der Spitze setzt sich scharf das nicht gequollene, intensiv gefärbte, stiftartige Spitzenstück ab, dessen Basis in den Contour des Kopfes übergeht. Axenfaden ohne Verbindungsstück, welches sich aufgelöst hat. Das gefärbte End- knöpfchen an der Hinterfläche des Kopfes deutlich erkennbar. Isolirter ganzer Axenfaden mit Endknöpfchen, an einer Stelle in 2 Fäden zerlegt. CI-M, G. Bruchstück einer Geissel, an einem Ende in 2 umgebogene Fäden zerlegt. CI-M, G. Fig. 135—147. Aus dem Vas deferens des Haushahns (nur Fig. 137 nach einem Präparat aus dem Hoden). Ganzes Spermatosom, frisch in 0,75procentiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt und mit G@. gefärbt. Querzeichnung des gegen das Hauptstück scharf abgesetzten Verbindungsstückes ver- schwunden. Kopf und vorderes Stück der Geissel, ungefärbt, frich in 0,75 pro- centiger Kochsalzlösung durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, nach einem Glycerinpräparat. Verbindungsstück mit Querzeichnung. Fig. 137, a—c. Köpfe mit vorderem Stück der Geissel von 3 noch nicht ganz Fig. 138. ausgereiften Spermatosomen aus dem Hoden. Verschiedenes Aus- sehen des Verbindungsstückes, dessen Spiralbildung hier noch in Gestalt von vorspringenden Riffeln erscheint. In a anscheinend spiralig, in b mit regelmässigen, in ce mit unregelmässigen Querriffeln. Vorderes Stück der Geissel G. Verbindungsstück. Die Querzeich- nung durch Färbung unsichtbar geworden. Fig. 139—147. Faseriger Zerfall des Axenfadens, dessen Endknöpfchen Fig. 139. Fig. 140. Fig. 141. Fig. 142. an den meisten gut erhalten ist. C1I-M, G. Zerfall in 2 gleichdicke Fasern. Absplitterung zurückgebogener kurzer Fäserchen an den Bruch- enden eines Bruchstückes. Zerfall der beiden Theilfasern in je zwei feinere Fasern. Ganzer Axenfaden, fast in der ganzen hinteren Hälfte in 3 gleich- lange, von einander isolirte Fasern zerlegt. Untersuchungen über die Struktur der Spermatozoen. 473 Fig. 143. Axenfaden, von welchem sich auf eine grosse Strecke bogenförmig Fig. ig. 145. Fig. Fig. 144. 146. 147. eine feinste Elemementarfibrille (Fb) ablöst. Axenfaden, auf den grössten Theil seiner Länge hin faserig zer- fallen. Oberhalb seiner Mitte lösen sich zwei feinste, gleichlange Elementarfibrillen (Fb, Fb) ab. Der übrige Theil des Axenfadens, welcher an zwei Stellen auf kurze Strecken in 2—3 Fasern auseinan- derweicht, zerfasert sich an seinem Ende in 5 gleichlange, feinere Fasern. Stück eines isolirten Axenfadens, auf eine grössere Strecke in 5 von einander isolirte Fasern zerfallen; Fb eine in weitem Bogen ab- stehende Elementarfibrille. Grösseres Bruchstück eines Axenfadens; Auflösung des einen Endes in 6—7 feine, gleichlange Fasern. Isolirter Axenfaden, in seiner Mitte auf eine grosse Strecke in 8 Fasern von ungleicher Dicke zerlegt, welche sich weiterhin wieder zu dem Axenfaden vereinigen, der dann noch auf eine kurze Strecke in 2 Fasern auseinandergeht. Fb, Fb, Fb, Fb Elementarfibrillen ; Fs, Fs, Fs, Fs sichtlich dicker als diese und jedenfalls noch theilungs- fähig (vgl. im Text p. 444). 474 S. M. Lukjanow: Ueber eine eigenthümliche Kolbenform des Kern- körperchens. Von Ss. M. Lukjanow (Warschau). Hierzu Tafel XIX. Beim Studium der Magenschleimhaut von Salamandra macul. ist mir eine eigenthümliche Form des Kernkörperchens aufgefallen, die, meiner Ansicht nach, wohl Aufmerksamkeit ver- dient. Ich will die Kernkörperchen, die diese Form aufweisen, Nucleoli elaviformes nennen. Die Präparate, die ich studirt habe, waren mittels concen- trirter wässeriger Sublimatlösung fixirt und mit Hämatoxylin, Ni- grosin, Eosin und Safranin, nach einer schon öfters beschriebenen Methode, gefärbt). Kolbenförmige Kernkörperchen wurden von mir zum ersten Male bei dem Salamander bemerkt; später gewann ich aber die Ueberzeugung, dass dieselben auch bei anderen Thieren und selbst beim Menschen, sowohl in gesunden, wie auch in pathologischen Geweben, gefunden werden können. In dieser Mittheilung werde ich übrigens nur über die Salamanderbefunde berichten. In den Kernen des Drüsenepithels, und zwar hauptsächlich im Cardialtheile des Magens, kommen mitunter Kernkörperchen zur Beobachtung, die mehr oder weniger länglich und unregelmässig seformt sind. Da diese Kernkörperchen sehr intensiv mit Safranin sefärbt werden, so fallen sie auch sehr leicht in die Augen. Die Fig. 1 stellt eine Zelle dar, deren Doppelkern derartige Kernkörper- chen enthält. In anderen Kernen, wo die betreffenden Gebilde günstiger für die Augen des Beobachters liegen, sind die morpho- logischen Verhältnisse schon dermassen klar, dass man zur Ab- 1) Vgl. unter Anderem meine „Beiträge zur Morphologie der Zelle“ (Archiv von Du-Bois, 1887, Suppl.-Bd.). Ueber eine eigenthümliche Kolbenform des Kernkörperchens. 475 leitung einer bestimmten Form schreiten kann. So, z. B., der Nuceleolus a Fig. 2. Man bemerkt sehr leicht, dass dieser Nucleolus aus einem breiteren und einem engeren Theile besteht, so dass er im Ganzen an die Form eines kurz- und breithalsigen Kolbens er- innert. Selbstverständlich, bevor endgiltiger Entscheid über diese eisenthümlichen Gebilde gemacht werden kann, müssen sie sorg- fältigst untersucht werden. Die Kernkörperchen sind nämlich nicht selten eng bei einander gruppirt und bestehen aus Stoffen, die unter dem Einflusse von Reagentien schwellen können. Wenn man sich vorstellt, dass im Falle der Fig. 2 an dem Orte, der mit a bezeichnet ist, ein grösserer sphärischer und zwei kleinere ver- schmolzene Nucleoli sich befinden, so verliert das Bild seine Räthsel- haftigkeit. Es giebt in der That keinen Mangel an Bildern, die diese Deutung zulassen. Als Beispiel möchte ich die Fig. 3 an- führen. Hier haben wir zwei Kernkörperchen: das eine, a, macht den Eindruck eines durch Reagentien entstellten Nucleolus, das andere, b, scheint aus zwei zusammengeflossenen Elementen zu bestehen. Doch wäre es ungerecht, die Sache damit als erledigt aufzufassen: aufmerksames Studium anderer Kerne beweist, dass diese Deutung nicht mit der Gesammtsumme aller Thatsachen zu vereinbaren ist. Betrachten wir nun die Figuren 4, 5 u. 6. Auf der ersteren begegnen wir einem Gebilde (mit a bezeichnet), das noch grössere Aehnlichkeit mit einem Kolben aufweist, als das der Fig. 2. Da- bei haben wir auch keinen besonderen Grund weder an entstellen- den Einfluss der Reagentien, noch an eine Verschmelzung mehrerer Kernkörperchen zu denken. Noch .eine Eigenthümlichkeit ist hier beachtenswerth: der Hals dieses Nucleolus gelangt in Form eines dünnen Fortsatzes bis an die Kernmembran. In der folgenden Fig. 5 finden wir ein Bild, das ebenfalls sehr lehrreich ist. Hier besitzt der Nucleolus a einen breiten Hals, durch den die Sub- stanzen, aus welchen das Kernkörperchen besteht, den Kern zu verlassen scheinen; in dementsprechenden Sinne deute ich auch die feine sichelförmige Auflagerung, die den Kern an der Stelle der Kolbenmündung bekleidet. Machen wir noch einen Schritt weiter und werfen wir einen Blick auf die Fig. 6. Das mit c be- zeichnete Kernkörperchen besitzt in diesem Falle die gewöhnliche Form und braucht nicht näher beschrieben zu werden, während das mit a bezeichnete, der Grösse und der Färbung nach mit dem c identische, unsere Aufmerksamkeit dauernd in Anspruch zu nehmen 476 $. M. Lukjanow: im Stande ist. Ausser dem sphärischen Theile unterscheiden wir wieder einen Hals, der ohne Zweifel sich nach aussen öffnet. Das Bild macht ferner den Eindruck, als ob in d der Kernkörperchen- fortsatz mit dem engen Ende eines von der Kernmembran gebil- deten Trichters zusammentreffe. Angesichts der eben beschriebenen Befunde ist es, glaube ich, schwer an den obenerwähnten Deutungsversuchen allein fest- zuhalten. Es wird uns vielmehr die Vermuthung nahe gelegt, dass die kolbenähnliche Form des Nucleolus, die ich in den Figuren abgebildet habe, auf eine Vorbereitung zur Inhaltsentleerung hin- weist. Der Kolben entleert seinen Inhalt etwa ebenso, wie die Becherzelle ihren Schleim entleert. Von dieser Vermuthung ausgehend, ist es leicht zu errathen, auf welchem Wege man einer Erklärung der eigenthümlichen Ver- hältnisse, die Fig. 7 zeigt, näher treten könnte. An einem der Kernpole finden wir hier eine glänzend rothe sichelförmige Masse. Eine Vergleichung dieser Auflagerung mit der Stelle 5 der Fig. 5 liegt auf der Hand. Zweifelsohne haben wir ein gewisses Recht an die Endstadien des Entieerungsprocesses des kolbenförmigen Kernkörperchens bei dieser Gelegenheit zu denken. Derartigen Bildern begegnete ich mehrmals an Salamanderlarven. In den letzten Jahren haben schon mehrmals verschiedene Forscher darauf aufmerksam gemacht, dass manchen Kernkörper- chen die Eigenschaft zukomme, ihre relative Lage in der Zelle zu verändern. Heutzutage sind schon einige Wege bekannt, die zu dieser Lageveränderung führen. So scheint in einigen Fällen der Nucleolus, als solcher, activ aus dem Kerne herauszutreten. Es muss aber gleich die Bemerkung gemacht werden, dass derartig gedeutete Bilder am wenigsten überzeugend sind. Dann gelang es zu constatiren, dass das extranucleäre Kernkörperchen auf einem Fusse, der aus einer Reihe sich in der Kernstruktur verlierenden Achromatinkörnchen besteht, herausbefördert wird!). Derartige Bilder sind schon mehr überzeugend; das Schlechte ist aber da- bei, dass die Achromatinkörner (der Kürze halber nenne ich sie Hyalosomen) äusserst zarte Gebilde sind und ihr Studium mit grossen Schwierigkeiten aus rein optischen Gründen verbunden ist. 1) rc: Ueber eine eigenthümliche Kolbenform des Kernkörperchens. 477 Ferner ist klargestellt worden, dass gewisse intranucleäre Gebilde extranueleär werden können, dank einer eigenthümlichen Meta- morphose der sie umgebenden Kerntheile, wobei am Ende des Pro- cesses der Kern eingekerbt erscheint; das Kernkörperchen, das früher im Kerne lag, findet sich dann ausserhalb des Kernes in der Kerbe!). Solche Bilder können kaum der Beobachtung ent- sehen und es würde aus Gründen, die wohl keiner näheren Prä- eisirung bedürfen, ihnen Bedeutung abzusagen schwer fallen. Wichtig sind diese Befunde hauptsächlich darum, dass sie die Bewegungsrichtung ziemlich entscheidend bestimmen. Ist ein Nucleolus an der Grenze des Kernes gefunden, so kann noch nichts Bestimmtes über die Richtung der Bewegung ausgesagt werden; selbst die Thatsache der Bewegung bleibt noch fraglich. Ganz anders verhält es sich mit den zwei letztgenannten Bilder- arten. Die Vorgänge, die aus der ersten dieser Bilderreihen zu erschliessen sind, können nur ziemlich gewaltsam als Uebertragung extranucleärer, ihrem Charakter nach nucleolärer Gebilde in den Kern gedeutet werden, während die letzte Bilderreihe in keinem Falle eine derartige Deutung zulässt. Ohne weiter in Einzelheiten einzugehen, glaube ich nun sagen zu dürfen, dass dieser Standpunkt wohl auch bei der Beurtheilung der in dieser Mittheilung aufgezählten Formen einnehmbar ist. Die verhältnissmässig einfache Interpretation meiner Befunde, die ich mir oben zu formuliren erlaubt habe, stellt also nur eine neue Variation auf das alte Thema dar. Die Bilder, die dieser Mittheilung zu Grunde liegen, sind aber noch aus einem anderen Grunde interessant. Beim Herausbefördern des Kernkörperchens aus dem Kerne bemerken wir hier in der That den Schwund der sphärischen Form des Nucleolus als selbstständigen morphologischen Elements: wir hätten also eigentlich nicht die Herausbeförderung des Kernkörperchens, sondern die der ihn bildenden Substanzen zu besprechen. Bliebe auch das weitere Schicksal dieser Stoffe zweifelhaft, so wäre es doch erzwungen zu behaupten, dass hier uicht eine halbflüssige ungeformte Masse, sondern ein deutlich 1) Vgl. 1. c. und namentlich die Mittheilung von H. J. Steinhaus: „Les metamorphoses et la gemmation indirecte des noyaux“ etc. (travail du laboratoire de pathol. exper. a l’Universit& de Varsovie) in Archives de phys. norm. et pathol., 1888, Nr. 5. 478 8. M. Lukjanow: Ueber eine eigenthümliche Kolbenform etc. geformtes Element in Bewegung gesetzt wird. Meine Objecte er- lauben es mir nicht, diese These weiter zu entwickeln. Um aber zu zeigen, in welcher Beziehung dies von Wichtigkeit wäre, werde ich mich auf die Ideen Carnoy’s!) über den Bau seines „boyau nueleinien“ und auf die Arbeiten seiner Schüler berufen). Zum Schluss wiederhole ich noch einmal, dass die kolben- förmigen Kernkörperchen, obgleich sie kein auf jedem Schnitte zu machender Befund sind, doch in eine eigene Kategorie, als Ele- mente sui generis, gestellt zu werden verdienen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Figg. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 stellen Drüsenzellen aus dem Cardialtheile des Magens einer ausgewachsenen Salamandra maecul. dar, Fig. 7 eine solche aus dem Magen einer Salamanderlarve. Vergr. ca. 1000. Fig. 1. Doppelkern mit einigen länglichen und unregelmässigen Kern- körperchen. = 2} DD Kern mit zwei sphärischen Nucleolen, Hyalosomen und einem kolben- förmigen Kernkörperchen. Neben dem Kerne zarte Gebilde, die aus farblosen Bläschen und dunklen Körnern bestehen?). Fig. 3. Kern mit zwei unregelmässigen Kernkörperchen. Im Zellleibe rosa- farbige Zymogenkörnchen. Fig. 4 Kern mit einem ovoiden und einem kolbentörmigen Kernkörperchen. Fig. 5. Kern mit einem kolbenförmigen Kernkörperchen. Neben dem Kerne im Protoplasma ähnliche Gebilde, wie in der Fig. 2. Fig. 6. Kern mit einem sphärischen und einem kolbenförmigen Kernkörper- chen. Neben dem Kerne ähnliche Gebilde, wie in den Figg.2 und 5. Fig. 7. Kern mit einer safranophilen sichelförmigen Auflagerung. 1) Carnoy, La biologie cellulaire, 1884, p. 229. 2) Vgl. namentlich die unlängst erschienene Mittheilung von Meunier, Le nucl&ole des Spirogyra (La Cellule, t. III, fasc. 3, p. 331), p. 372. 3) Ss. M. Lukjanow, 1. c., p. 79, 3d, und Taf. IX, Figg. 64 und 65. Kasimir von Kostaneeki: Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur ete. 479 (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. Von Kasimir von Kostanecki. | Wenn Jemand heutzutage, bei der so überaus umfangreichen Litteratur über die Tubenmuskulatur (vergl. das Litteraturverzeich- niss) noch das Wort zur Besprechung dieses Gegenstandes ergreift, so ist er gewissermaassen verpflichtet, einige Zeilen zur Erklärung, wenn nicht gar zur Entschuldigung, vorauszuschicken. Als ich zum Zweck meiner frühern Abhandlung „Die pharyn- geale Tubenmündung und ihr Verhältniss zum Nasenrachenraum“ }) die Litteratur über die Tubenmuskulatur und ihre Fascien näher studirte und die Beschreibungen mit den diesbezüglichen Präparaten verglich, fand ich bisweilen einige Abweichungen und manche Unterschiede, die eingehender nirgends berücksichtigt werden. Die einschlägige Litteratur glaube ich in ihrer ganzen Ausdehnung be- rücksichtigt zu haben und bei deren Lectüre bin ich immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass hier noch eine Lücke auszu- füllen sei, dass dies jedoch nur dadurch geschehen könne, dass man nicht einzelne interessante Notizen und Befunde zu dem be- reits Bekannten hinzufüge, sondern den ganzen Gegenstand, na- mentlich die Faseien, einer genauen Prüfung unterziehe. Da ich überdies sah, dass die theilweise sehr bedeutenden Abweichungen in den Beschreibungen verschiedener Autoren zum grössten Theil in den grossen individuellen Unterschieden, die auf diesem kleinen, aber so unendlich complieirten Gebiete herrschen, ihre Ursache 1) Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. XXIX. p. 539. 480 Kasimir von Kostanecki: haben, so durfte ich eine diesbezügliche Untersuchung nur dann unternehmen, wenn ich sie an einer hinreichend grossen Menge von Präparaten anstellen konnte. Und diese Möglichkeit wurde mir zu Theil durch die ausserordentliche Güte Prof. Waldeyer’s, der mir eine Fülle von Material zur Verfügung gestellt hat. Und eben nur das Bewusstsein, über ein ausgiebigeres Material verfügt zu haben, als es irgend einem der frühern Autoren zu Gebote ge- standen haben mag, gibt mir die Zuversicht, den Gegenstand hier aufzunehmen. Ich schicke noch eine Bemerkung voraus über den Gesichts- punkt, von dem aus ich an die Aufgabe herantreten möchte. Ein nicht unwesentlicher, vielleicht sogar vorwiegender. Grund der wenig einheitlichen Darstellung der Tubengaumenmuskulatur und ihrer Fascien mag wohl darin zu finden sein, dass die meisten Autoren den Gegenstand zu sehr abgesondert von den übrigen Verhältnissen des Pharynx, speciell des cavum pha- ryngo-nasale, dessen integrirender Theil die Tuba ja ist, be- trachtet haben, während wiederum bei den Monographien des Pharynx dieser so complieirte und schwierige Theil etwas stief- mütterlich behandelt wurde. Und doch liegt gerade der Schwer- punkt bei der Lösung der Aufgabe darin, bei der Beschreibung der Muskeln und Fascien der Tuba zu beachten und zu betonen, wie sich dieselben im Verhältniss zu dem Complex der gesamm- ten Muskeln und Fascien des Schlundkopfs und des Gaumens darstellen. In der speciellen Beschreibung schicke ich die Darstellung der Muskeln voraus und lasse darauf die der Fascien folgen, ob- gleich wir an einigen Stellen die letzteren vorweg nehmen, an an- dern wiederum auf die ersteren zurückgreifen müssen. Trotzdem halte ich diese Darstellungsweise für die einfachste und übersicht- lichste; es wird dadurch als gegliedertes Ganzes dasjenige hinge- stellt, was man aus den verschiedenen Präparaten zusammencon- struiren muss. Bezüglich der Herstellung der Präparate sei bemerkt, dass ich dieselben nach zwei Methoden verfertigt habe. In der überaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle stellte ich Flächenpräparate in folgender Weise dar: An einem im Zusammenhange mit dem Pharynx und Larynx abgetrennten Kopfe wurde die Halswirbelsäule im Atlanto - Oceipitalgelenke Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 481 exarticulirt und sammt den tiefen Halsmuskeln vorsichtig ab- getragen, sodann die vorliegende hintere Pharynxwand in der Mittellinie gespalten. Darauf mussten die Hinterhauptsschuppe, der Basilartheil des Hinterhauptbeins, bisweilen auch ein kleiner Theil des Körpers des os sphenoideum, und Theile des os petrosum abgesägt, eventuell abgemeisselt werden, soviel, als zur genauen Präparation und Besichtigung der Tuba und ihrer ganzen Muskulatur nothwendig war. Die einzelnen Muskeln und Fascien wurden in der natürlichen Reihenfolge, wie sie sich nach vorsichtiger Ab- hebung der Schleimhaut des weichen Gaumens und der Seitenwand des Cavum pharyngo-nasale, dann der successiven Entfernung der ober- flächlichen Muskellagen und ihrer Fascien darstellen, zu Gesicht gebracht. Die zweite Methode bestand in der Untersuchung an Quer- schnitten durch die Tuba in Verbindung mit ihrer entkalkten knöchernen Umgebung, wobei die Muskeln und Fascien in ihrem ganzen Umfange erhalten blieben. Zu diesem Zwecke wurde von einem halbirten Kopfe, der in Alkohol erhärtet war, ein Stück ausgesägt, welches das ganze Gebiet des cavum pharyngo-nasale und seiner Wände enthielt; es verlief also die eine (mediane) sagittale Sägefläche durch die Mitte des Gaumensegels, die andre (laterale) ebenfalls sagittale ungefähr durch die Paukenhöhle; von den Frontalebenen die vordere durch das hintere Ende der untern Muschel, die hintere durch die Körper der Halswirbel, von den Horizontalebenen die obere ebenfalls durch die Paukenhöhle, die untere dagegen unterhalb des Unterkiefers. Das so gewonnene Stück wurde dann, zum Zweck der Entkalkung, in 5°/, Salpeter- säure hineingelegt, die jedoch, um eine zu bedeutende Aufquellung des Bindegewebes und eine zu bedeutende Erweichung des ganzen Präparats zu verhüten, mit Chromsäure (zu 2%,) gemischt wurde. Nachdem durch probatorische Schnitte festgestellt war, dass die sämmtlichen Knochen entkalkt waren, wurden die Präparate vor- erst durch tagelanges Auswaschen von Chromsäure befreit, in Al- cohol erhärtet und darauf in Celloidin eingebettet. Hinsichtlich der Celloidineinbettung in diesem Falle sei bemerkt, dass, wenn das compakte, nach allen Dimensionen sehr umfangreiche Präparat von demselben vollkommen durchtränkt sein soll, man eine viel dünnere Collodiumlösung herstellen muss, alsman gewöhnlich braucht; auch lässt man die Präparate längere Zeit in der Lösung liegen Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 32. 3l 482 Kasimir von Rostanecki: (8—14 Tage), bringt sie darauf erst in eine consistentere Celloidin- lösung und lässt sie dann wie gewöhnlich erstarren. Durch die in solcher Weise hergestellten Präparate wurden dann die Schnitte gelegt, wobei es sich weniger darum handelte, dünne Schnitte zu bekommen, als sich Uebersicht über ein möglichst grosses Gebiet zu verschaffen, um dadurch besser das Verhältniss der einzelnen Gebilde zu einander feststellen zu können. Dabei wurden die Querschnitte in den 3 Haupt-Ebenen (sagittal, frontal, horizontal) gemacht. Was das Verhältniss der beiden Untersuchungsmethoden zu einander anbelangt, so gebe ich bei dem Studium dieser compli- eirten Verhältnisse, namentlich an den Fascien, den Flächenprä- paraten den Vorzug und glaube, dass nur durch eine sorgfältige und umfangreiche Herstellung derselben ein volles Verständniss des Gegenstandes erzielt werden kann. Die Querschnitte aber er- füllen hier dieselbe wichtige Aufgabe, wie etwa die topographischen Durchsehnitte des Halses, des Thorax, des Abdomen oder der Ex- tremitäten; sie sind gewissermaassen der Prüfstein für die an den Flächenansichten gewonnenen Vorstellungen und schützen am besten, neben Flächenpräparaten untersucht, vor etwaigen Trugschlüssen. Die beweglichen und die fixen Punkte der knorpeligen. Tuba. Bevor wir an den Gegenstand selbst, d. h. die Beschreibung der Muskeln und Fascien herantreten, müssen wir, um einerseits Wiederholungen, andererseits Zerstückelung der zusammengehörigen Abschnitte zu vermeiden, zunächst einige Bemerkungen über das Objekt der Muskelthätigkeit, gewissermaassen das hier in Betracht kommende Skelet, vorausschicken. Selbstverständlich gehe ich hierbei nicht auf eine erschöpfende Schilderung der knorpeligen Tuba ein, ich setze vielmehr die all- gemeinen, sogar specielleren Verhältnisse in dieser Beziehung als bekannt voraus und beschränke mich auf die Vorführung der- jenigen Thatsachen, die von Bedeutung sind im Verhältniss zu den Faseien und Muskeln, also namentlich auf die Bestimmung der fixen wie der locomotionsfähigen Punkte der Tuba Eustachii. In der Nähe der knöchernen Tuba stellt die Querschnittsfigur des Knorpels bekanntlich einen rechten Winkel dar, mit einem ho- rizontalen oberen und einem etwas längeren vertikalen lateralen Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 483 Schenkel. Der obere Schenkel bildet anfangs nur das Dach der Tuba und wird erst am vorderen Rande der spina angularis da- durch, dass er unter einem mehr spitzen Winkel zum lateralen Schenkel tritt, zur medialen Wand (mediale Platte). Zugleich ändert sich das Längenverhältniss beider Schenkel in der Weise, dass, während die laterale Platte nach dem Pharynx zu abnimmt, die mediale an Höhe und Dicke bedeutend zu gewinnen anfängt, und zwar in den oberen zwei Dritteln regelmässig, stufenweise, an der Grenze des unteren Drittels jedoch plötzlich, so dass dieses (der s. g. Knorpelwulst) mit dem anstossenden mittleren Drittel einen stumpfen Winkel oder einen nach unten concaven Bogen bildet. Die anfangs geradegestreckt nach unten verlaufende la- terale Platte bildet dann mit der medialen Platte einen hirten- stabförmig gekrümmten Haken, der das Lumen der Ohrtrompete überdacht, in der unteren Hälfte verliert sich jedoch wiederum die Hakenform, so dass am Schlundende der laterale Knorpel, der hier nur ein kleines Volumen aufweist, meist grade gestreckt erscheint, mit dem medialen einen spitzen, rechten, sogar stumpfen -Winkel bildend; manchmal tritt er sogar nur als eine knopfförmige Verdiekung des medialen Knorpels auf. Das durch Zusammen- stoss der beiden Platten entstandene Knorpeldach erscheint nach dem Tubenlumen abgerundet, oben, nach der Schädelbasis zu, ist es an der eonvexen Fläche bald rundlich, bald wird es durch eine kammförmige Leiste in der Weise ergänzt, dass dadurch die Anheftungsfläche des Knorpels vergrössert wird. Die Spaltbildungen und Zerklüftungen des Tubenknorpels (Henlel),M 008°), Zuckerkandl?),Urbantschitsch®),Tillaux’)) 1) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1871—1876. 2) Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Tuba Eustachii. Wiesbaden 1874. 3) Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachii. (I. Monatsschrift f. Ohrenheilk. 1873. VII. Nr. 12 und I. M. £. Ohr. 1874. VII. Nr. 11. 4) Zur Anatomie der Tuba Eustachii des Menschen. Jahrbücher Wiener Aerzte. 1875. 5) Trait& d’anatomie topographique avec application & la chirurgie. Paris 1879. Wenn Tillaux aber schreibt: „La portion cartilagineuse re- courböe ä ses deux extr&mit6s prösente done la forme d’une gouttiere ouverte en bas et en avant. Le rebord superieur de cette gouttiöre est si prononc6, qu’il forme un veritable crochet, une sorte de bec; ce crochet peut ötre un 484 Kasimir von Kostanecki: in mehrere Theile sind für die Muskeln und Fascien von keinerlei Bedeutung, da die Lücken durch das Bindegewebe des Perichon- driums (von zahlreichen Drüsen durchsetzt) so ausgefüllt werden, dass hinsichtlich des Mechanismus der einwirkenden Kräfte der Knorpel als ein einheitlicher gelten darf. Dagegen spielen in dieser Beziehung eine wichtige Rolle die ausserhalb des „Haupt- knorpels“ auftretenden Knorpelstücke, die mit der Hauptmasse entweder durch Bindegewebe zusammenhängen (Tubaransätze, Knorpelanwüchse, Knorpelanhänge, cartilagines sesamoideae tubae Eustachii, processus cartilaginei) oder auch isolirt vorkommen (Knorpelinseln, accessorische Knorpel). Sie treten am unteren Rande der medialen Platte, in den ligg. salpingo-pharyngea, am unteren Rande der lateralen Platte, in der membranösen late- ralen Tubenwand und am Tubenboden eingestreut, und zwar in verschiedener Grösse auf, so dass sie theils makroskopisch, theils nur mikroskopisch sichtbar sind; vollkommen werden sie nur ganz ausnahmsweise vermisst, sind deshalb als normale Bestandtheile der Tuba zu betrachten. Die Befestigung des Knorpels an den Knochen wird im obersten Theile der Tuba dadurch hergestellt, dass der Knorpel in das gezackte mediale Ende der knöchernen Tuba eingreift, und zwar erstreckt sich der laterale Knorpel, der sich dem septum tubae anschliesst, weiter in den Knochen hinein, um die hier früher aufhörende kürzere Knochenwand zu vervollständigen oder zu er- setzen. Die Verbindung wird durch eine fibrocartilaginöse Masse hergestellt, deren Gewebe sich in den Knorpel ohne deutliche Grenze fortsetzt. Bei Beginn der fissura spheno-petrosa erhält aber der Knorpel eine besondere Befestigungsmasse durch den diese Fissur erfüllen- den Theil der s. g. fibrocartilago basilaris. Da diese auch im prolongement du cartilage principal, mais il m’a ordinairement paru forme& par un second cartilage uni avec le precedent a l’aide d’un ligament, en sorte quil s’ex&cute en ce point un veritable mouvement de charniere pour ouvrir ou fermer le pavillon“ (p. 139), so muss ich hervorheben, dass nach den An- gaben der genannten Autoren, denen ich mich vollkommen anschliessen muss, die beiden Theile des Knorpels gewöhnlich ein ununterbrochenes Ganzes bil- den, und dass gerade die Spaltung des Knorpels an dieser Stelle, wie sie auch von älteren Autoren früher angegeben wurde, als eine Abweichung von der Norm anzusehen ist. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Faseien. 485 Verhältniss zu den Fascien eine grosse Bedeutung hat, so müssen ihr an dieser Stelle einige nähere Bemerkungen gewidmet werden. Die ganze untere Fläche der pars basilaris ossis oceipitis, die foveae asperae des Keilbeinkörpers, das foramen lacerum anti- cum nebst den mit ihm zusammenmündenden fissurae spheno- petrosa und petro-basilaris (petro-oceipitalis) wird von einer faserig- bindegewebigen Bandmasse überzogen, welche gewöhnlich fibrocar- tilago basilaris!) genannt wird. Diese Faserschicht reicht in einer beträchtlichen Dicke von hinten, d. h. vom vorderen Rande des foramen oceipitale, nach vorn bis an die alae vomeris; seitwärts spaltet sie sich in der Gegend des foramen jugulare und des canalis caroticus in drei sehnige Streifen, die an Dicke und Con- sistenz abnehmen. Die fibrocartilago basilaris ist nur durch Verdiekung des Periosts der Knochen, die sie umgibt, entstanden, bietet deshalb nach allen Seiten hin keine schroffen Grenzen, sondern geht all- mählich in das Periost über. Der speciell der Tuba aufliegende Theil der Substanz besteht gleich der ganzen Masse, aus dichtem fibrösen Gewebe, in dem sich jedoch gewöhnlich reichlich zer- streut kleinere Knorpelkerne, Knorpelstäbe oder sogar grössere Knorpelplatten finden, bisweilen ist selbst nahezu die ganze Masse in mächtigen Faserknorpel umgewandelt; ausserdem sind, namentlich im unteren Abschnitt der knorpeligen Tuba, zahlreiche zur Rachentonsille gehörige Partikel in das Gewebe inselartig ein- gesprengt. Die histologische Verbindung zwischen der fibrocartilago basi- laris und dem Tubenknorpel ist, namentlich an der Tubenkuppel, eine sehr innige, indem die beiden Gewebsarten nicht scharf von einander abgegrenzt erscheinen, da sich Bindegewebsfasern in -das Knorpelgewebe forterstrecken. Die fibrocartilago basilaris ersetzt am Dach des Tubenknorpels das Perichondrium des darunterliegenden Knorpels namentlich an den Stellen, wo sich kein Knochen befindet. Ein solches verdicktes 1) Der Name fibrocartilago basilaris wird gegenwärtig zur Bezeichnung der ganzen Masse gebraucht, während er noch bei Tourtual nur den Theil bedeutet, der das foramen lacerum anticum ausfüllt. Die beiden die fissura spheno-petrosa und petro-basilaris ausfüllenden Theile werden auch syndesmosis spheno-petrosa und petro-basilaris benannt. 486 Kasimir von Kostanecki: Perichondrium findet sich jedoch wie wir unten sehen werden, nur in mässiger Ausdehnung am Tubenknorpel, in gewöhnlicher Stärke breitet es sich dagegen in sehr deutlicher Ausbildung auf die ganze convexe sowie concave Fläche desselben aus. Ebenso, wie wir oben bemerken mussten, dass zwischen dem normalen Periost und der fibrocartilago basilaris keine deutliche Grenze vor- handen sei, so zeigt sich auch hier der Uebergang des verdickten Perichondriums oder der Fortsetzung der fibrocartilago basilaris in das normale Perichondrium als ein ganz allmählicher und con- tinuirlicher. Und ebenso, wie die fibrocartilago in das Knorpel- gewebe, so geht auch das normale Perichondrium in letzteres ohne scharfe Grenze über, indem namentlich die Kerne der Knorpel- substanz an der Knorpeloberfläche allmählich kleiner und spär- licher werden, das Faserlager dagegen sich allmählich stärker ent- wickelt (vgl. Rüdinger’s!) und Urbantschitsch’s?) Arbeiten über den mikroskopischen Bau des Tubenknorpels). Die Art und Weise, in welcher die fibrocartilago basilaris die einzelnen Theile des knorpeligen Tubenskelets fixirt, ist trotz mancher genauen Besprechungen und der speciell darauf gerich- .teten Untersuchung Rebsamens bisher noch nicht vollkommen aufgeklärt. Vor allem hält die feste, aber nicht ganz unelastische Band- masse der fibrocartilago basilaris ununterbrochen bis ans pharyn- seale Ende .den Dachtheil der Tuba fest, indem sie dessen obere convexe Fläche überzieht. Ausserdem erhält aber noch, zunächst im obersten Theil, die laterale Platte einige, freilich sehr nach- giebige Züge derselben, während die mediale (resp. horizontale) noch genügend durch die Anheftung an die knöcherne Tubenwand fixirt ist. Dann aber, sobald die mediale Platte sich deutlich aus- zubilden beginnt (also ungefähr am vorderen Rande der spina angularis) tritt die fibrocartilago ebenfalls an sie heran, indem sie dieselbe vollkommen bedeckt und fixirt, während im Gegentheil der laterale Knorpel in derselben Gegend vollständig frei und be- 1) Ein Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Ohrtrompete (Baier. ärztliches Intelligenzblatt 1865. Nr. 37 und Beiträge zur vergleichenden Ana- tomie und Histiologie der Ohrtrompete. München 1870). 2) Ein Beitrag zur Lehre über den Bau des Tubenknorpels beim Men- schen. (Jahrbücher der Wiener Aerzte 1875.) Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 487 weglich wird. Das vollkommen fixirte Stück der Medialplatte be- trägt ungefähr 1 cm. Nach unten, dem ostium pharyngeum sich nähernd, wird auch die Medialplatte immer mehr beweglich, indem die fibrocartilago in der Mitte der Tuba die mediale Fläche des Tuben- knorpels nur noch bis zur Hälfte, höchstens, in sehr ausgebildeten Fällen, zu zwei Dritteln, in einer jedenfalls verdünnten und mehr gelockerten Lage bedeckt. Das untere Drittel der medialen Platte, das so beträchtlich an Höhe zunimmt (der Knorpelwulst), bleibt jedenfalls vollkommen frei und ragt, nur von Schleimhaut bedeckt, in das cavum pharyngo-nasale hinein. Dieses Verhalten gestattet stets auf eine Länge von ungefähr 1 cm (meist sogar mehr) eine hochgradige Beweglichkeit der medialen Platte, zumal median- wärts hinter ihr der tiefste Theil der Rosenmüller’schen Grube liegt, die der Mobilität einen weiten Spielraum gewährt. Der laterale Knorpelhaken dagegen, der ausserhalb des Bereichs der spina angularis vollkommen frei ist, büsst gegen das pharyngeale Ende seine Beweglichkeit ein. An der Stelle nämlich, wo die fibrocartilago die mediale Platte in ihrem unteren Theile verlässt, schickt sie nach aussen und unten einen schmalen aber festen Faserstreifen!), der das vordere Ende des lateralen Knorpelhakens 1) Diesen Faserstreifen speciell hat bereits Wenzel Gruber (1850) sehr genau und ausführlich mit eingehender Angabe der Präparationsmethode unter dem Namen: „lig. salpingo-pterygoideum, Ohrtrompeten-Flügelband“, als ein „bisher unbekanntes, constant vorkommendes eigenes Band der knorp- ligen Tuba“ beschrieben. An einem „bis jetzt unberücksichtigt gelassenen Knochenfortsatz (Hervorragung, Stachel, Haken) am hinteren Rande des inneren Blattes des proc. pteryg.“ (die sehr genaue und detaillirte, man könnte sagen monographische Darstellung desselben ergibt, dass er identisch ist mit dem später von Rebsamen beschriebenen processus tubarius) „entspringt ein plattrundliches, 4—6 mm langes, 11/y;—2 mm breites, straff gespanntes und starkes fibröses oder faserknorpliges Band, das zwischen dem m. circumflexus palati mollis und der Tuba Eustachii nach rückwärts und aufwärts verläuft, um sich an deren äussere Fläche in den abgerundeten Rand des knorpligen Theils unmittelbar über der häutigen Portion anzusetzen oder fortzusetzen.“ Zweck und Nutzen des Bandes: 1) „die äussere Wand der knorpligen Tuba Eustachii gespannt zu erhalten“, 2) „den Endtheil der knorpligen Tuba an eine bestimmte Stelle im Pharynx und an den proc. pteryg. in einer con- stanten Stellung zur Choane und den Nasengängen nach abwärts zu fixiren“. Wenn Krause (Anatomische Varietäten p. 63) meint, dass das Ligament „nichts weiter, als ein fibrös verstärkter Streifen des hinteren Theils der 488 Kasimir von Kostanecki: knapp umgibt und es bis an den processus tubarius begleitet, wo- selbst er zur Befestigung des Hakens an diesen eigenthümlich ge- formten Vorsprung des hinteren Randes der inneren Lamelle des processus pterygoideus beiträgt, meist jedoch sich nicht schon da ansetzt, sondern noch das die lamina interna (um 2—3 mm) über- ragende Stück der lateralen Platte begleitet. Bei den meisten Autoren finde ich gewöhnlich die Bemerkung, dass der Tubenknorpel befestigt sei an „einer medianwärts vom foramen ovale gelegenen flachen Grube der unteren Fläche des Wespenbeins, die auf den hinteren Rand der medialen Platte des Gaumenflügels übergehe* (Henle; in ähnlichem Sinne Zucker- kandl, Rebsamen u. v. a.). Diese Anschauungsweise hat sogar den meisten Autoren Veranlassung gegeben, die fossa scaphoidea mit dem unpassenden Namen: fossa tubae Eustachii, den sulcus spheno-petrosus mit dem Namen sulcus tubae Eustachii zu belegen, oder die „den Flügelfortsätzen eingegrabenen Tubenrinnen, die sich auf die hinteren Ränder des grossen Keilbeinflügels fortsetzen“ zu beschreiben. Indessen steht, wie wir bei der Besprechung des m. spheno-salpingo-staphylinus sehen werden, die mediale, nach hinten unten schauende, am Skelete eine deutliche Vertiefung aufweisende Fläche der radix posterior des Temporalflügels mit der knorpeligen Tuba selbst in keiner Verbindung — die die fissura spheno-petrosa ausfüllende Bandmasse der fibrocartilago basilaris setzt sich eine Strecke auf dieselbe fest, um jedoch bald in’s normale Periost überzugehen — und noch weniger steht die fossa seaphoidea (Cruveilhier!)) zur Tuba in irgend wel- cher Beziehung. Diese Theile dienen vielmehr vorwiegend (die fossa scaphoidea ausschliesslich) dem m. tensor veli und seinen Fascien zum Ursprung. Nur bei einigen wenigen Autoren finde ich in Bezug auf den unteren Theil das Verhältniss richtig dar- fascia buccopharyngea zu sein scheint“, so kann ich dies nicht bestätigen. — Wenn der processus tubarius mit dem oberen Rande der fossa scaphoidea in knöcherner Verbindung steht, wie ich (l. ec.) es beschrieben habe (speciell in einem sehr ausgebildeten Falle, wo oberhalb des mächtigen processus tubarius die Ineisur zwischen diesem und der lam. med. des proc. pteryg. durch ein wegen seiner Zartheit von der Umgebung abstechendes Knochenplättchen ver- wachsen war), so beruht dies, glaube ich, auf einer nachträglichen totalen oder theilweisen Verknöcherung dieses Faserstreifens, des Ligaments. 1) Anatomie descriptive. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer lFascien. 489 gestellt, so zuerst bei Wenzel Gruber (l. ec.) der von einer „für den Ursprung des m. circumflexus palati bestimmten ovalförmigen und über der fossa pterygoidea befindlichen Grube“ spricht, dann bei Huschket), der deshalb diese Grube „fossa tensoris palati‘ nennt, ein Name, der jedenfalls entsprechender ist, als fossa tubae Eustachii. Erst auf dem m. spheno-salpingo-staphylinus ruht median- wärts der frei herabhängende laterale Knorpelhaken, welcher erst am medialen Rande des Muskels am proe. tubarius auf den Knochen direkt zu liegen kommt. Da die fissura spheno-petrosa, welche den tiefsten Theil des suleus spheno-petrosus bildet, sowie das foramen lacerum anticum von der Bandmasse der fibrocartilago vollkommen ausgefüllt wird, da letztere ferner als eine dicke Zwischenmasse den Knorpel vom Knochen trennt, auch das Knorpel- dach selbst eine ziemlich dicke Lage bildet, so kommt der laterale Knorpel ziemlich weit nach unten zu liegen, sein unterer Rand fällt jedenfalls in das untere Drittel, vielleicht sogar ganz gegen den unteren Rand der fossa scaphoidea und der Ursprung des tensor veli überragt den lateralen Knorpel im unteren Theil bis- weilen um 5 mm. Im oberen Theile, wo sowohl das Volumen des Knorpeldachs wie der fibrocartilago basilaris geringer wird, und der Knorpel der Tuba der Schädelbasis näher gerückt ist, ist der vor und über der Tuba liegende Theil des Muskels etwas geringer, immerhin jedoch bis 2 mm hoch. Diese Lage des lateralen Knorpelhakens erklärt wohl zur Genüge, dass der laterale Tubenknorpel da, wo er von der fibro- cartilago direkt nicht fixirt ist, vollkommen beweglich sein muss, da der vor ihm liegende und zum Theil von ihm entspringende Muskelbauch des tensor veli seine Mobilität nicht hindern kann?). Da zudem der Knorpel an der Schädelbasis in der Weise fixirt ist, dass die mediale Platte nicht ganz vertikal verläuft, sondern 1) Samuel Thomas von Sömmerring: Vom Baue des menschlichen Körpers. Band V: Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen. Von Huschke. Leipzig 1844. 2) Rebsamen (Zum Mechanismus der Tuba Eustachii. Monatsschrift für Ohrenheilkunde. 1868. II. Nr. 5) glaubte die Beweglichkeit des unteren Theils der lateralen Platte (mehr als I cm) dadurch behindert, dass sie nach oben vom processus tubarius „mehr oder weniger vollständig der äusseren Wand der flachen Knochenrinne anliegt, welche an der Basis des Flügelfortsatzes sich befindet.“ 490 Kasimir von Kostanecki: unter einem nach hinten offenen Winkel geneigt ist, so verläuft auch der laterale Knorpel nicht ganz senkrecht, sondern etwas mehr dem Tubenlumen zugekehrt, wodurch der Spielraum für ihn viel ausgiebiger wird. Und weiter oben noch, wo die umgebenden Knochen eine grössere Abduction des lateralen Knorpelhakens nach aussen nicht gestatten, wird dieser scheinbare Raummangel für die Erweiterung des Tubenlumens dadurch compensirt, dass der im oberen Ende hirtenstabförmig eingerollte laterale Knorpelhaken durch einen Zug nach unten und durch seine gleichzeitig auftre- tende Aufrollung das Tubenlumen erweitert (abgesehen von der srade in diesem Theile so wichtigen Wirkung der membranösen Tuba). Zur Vervollständigung des Canals dient bekanntlich die membranöse (häutige) Tuba (musculöse Tuba, Rüdinger), welche im Ruhezustande den Canal verschliessen hilft, bei der Eröff- nung der Tuba dagegen activ zur Dilatation verwendet wird. Sie hat ausser der Schleimhaut die Tröltsch’sche fascia salpingo- pharyngea zur Grundlage, und bei deren Betrachtung werden wir auch auf die „membranöse Tuba“ näher eingehen. - Die Muskeln der Tuba. Die Ohrtrompete hat keine ihr ausschliesslich zukommenden Muskeln, sondern alle die Muskeln, welche an sie herantreten und auf sie einen so wesentlichen und wichtigen Einfluss ausüben, wie es uns die letzten Arbeiten über diesen Gegenstand gelehrt haben, stehen zugleich zu anderen Gebilden in Beziehung. Und diese Beziehungen sind sogar auf den ersten Blick so überwiegend, dass, ungeachtet die bestehenden Muskeln für sich bereits Fallopiat), Riolan?), Spigelius?) bekannt waren und als Muskeln des weichen Gaumens abgehandelt wurden, auf ihre richtige Zusammen- gehörigkeit zur Tuba erst bedeutend später Rücksicht genommen 1) Observationes anatomicae. Venetiis 1561. 2) Schola anatomica novis et raris observationibus illustrata. Genevae 1624. Opera anatomica. Lutetiae Parisiorum 1649. Riolan macht sogar eine, freilich sehr wenig glaubliche, Conjectur, dass bereits Galen und Hip- pocrates diese Muskeln gekannt, was jedoch aus den betreffenden Stellen ihrer Schriften kaum herauszulesen ist. 3) De corporis humani fabrica libri decem. Venetiis 1627. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 491 wurde. Die Worte von Bartholomaeus Eustachius?!) „.... alterius generis substantia auctum, inter duos fauecium seu gulae musculos a paucis hucusque bene cognitos, secundum paulo ante me moratae fissurae duetum ulterius procedit“ lassen zwar eine Kenntniss des Vorhandenseins von Muskeln in der Nähe der knorpligen Tuba erschliessen, aber auch nicht mehr; ebensowenig kann ich, wie es v. Tröltsch?) thut, als die älteste Angabe über die Tubenmuskulatur die Worte Du Verney’s ?) auffassen: „Ue conduit (se. le cartilagineux) est beaucoup plus large que celui qui est osseux. Il est revetu par dehors d’un des museles qui sert & dilater le pharynx“. Erst in seinen hinterlassenen Werken?) findet sich eine Bemerkung, die eine solche Auffassung zulässt, nach den wörtlich wiedergegebenen obigen Zeilen findet sich nämlich der Satz: „ee sont les peristaphylins qui s’y attachent, lesquels appar- tiennent proprement & la cloison du palais.“ Diese Bemerkung wird jedoch wohl nachträglich hinzugefügt sein, nachdem bereits seit 1717 die „Tubenmuskulatur‘ genau beschrieben wurde. Der eigentliche Entdecker der „Tubenmuskulatur“ bleibt Ant. Mar. Valsalva°) für den Spheno-staphylinus, den er zu- erst ausführlich als „novus tubae Eustachianae museulus“, und für den petrostaphylinus, den erals primum par, pro pterygostaphylino interno acceptum, optime vero salpingostaphylinum appellatum“ beschreibt. Und mit ihm theilt den Ruhm, den drittwichtigsten Muskel der Tuba gefunden zu haben, Santorini‘), der Entdecker des m. salpingo-pharyngeus. Seitdem haben viele bedeutende Anatomen und in letzter Zeit namentlich viele Specialisten der Ohrenheilkunde dieses Gebiet untersucht und genauer beschrieben, wodurch der Muskelapparat der Tuba eine bedeutende Bereiche- rung an neuen interessanten Thatsachen und Gesichtspunkten er- fahren hat. Die Frage nach der physiologischen Wirkung der 1) Opuscula anatomica. Venetiis 1564. 2) Beiträge zur anatomischen und physiologischen Würdigung der Tuben- und Gaumenmuskulatur. (Arch. f. Ohrenh. Bd. I. p. 15.) 3) Trait& de l’organe de l’ouie. Paris 1683. 4) Oeuvres anatomiques. Paris 1761. 5) De aure humana tractatus. Trajecti ad Rhenum 1717. 6) Observationes anatomicae. Venetiis 1724 und Jo. Dominici Santorini, anatomici summi, septemdeeim tabulae. Explicavit Michael Girardi. Par- mae 1775. 492 Kasimir von Kostanecki: Muskeln, die zugleich auftauchen musste, hat zumeist dazu beige- tragen, den Eifer zu eingehenden Einzelstudien zu wecken und thut es auch heute noch; denn wenn wir auch dazu gelangt sind, einzusehen, dass jede Eröffnung der Tuba auf einer gleichzeitigen Action mehrerer Muskeln beruht, so kann doch ein vollkommenes Verständniss jeder einzelnen Action und in der Folge ihrer Ge- sammtwirkung nur durch eine ganz genaue anatomische Begrün- dung erzielt werden. M. palato-pharyngeus!) (M. palato-salpingo-pharyngeus). Santorin war, wie bemerkt, der erste, der den schon lange früher bekannten Muskel in Zusammenhang mit der Tuba brachte, indem er zuerst den m. salpingo-pharyngeus?) genauer beschrieb und ihn als ein Bündel des palato-pharyngens hinstellte>). Der Muskel entspringt von dem verdickten pharyngealen Ende des medialen Knorpels (dem sog. Knorpelwulste), zuweilen bei stärke- rer Ausbildung noch weiter nach hinten längs der unteren Kante der medialen Platte. Er ist am Ursprung entweder fleischig oder stellt (und zwar gewöhnlich) eine platte, breite, aber sehr kurze Sehne, die, wie Zaufal*) bemerkt, nicht selten aponeurotisch ist, dar, um dann in einen flachen, verschieden mächtigen Muskelbauch überzugehen, dessen Breite gewöhnlich zwischen 5—8mm schwankt. Er ver- läuft unmittelbar unter der Schleimhaut hinter dem m. levator (durch Fascie von ihm geschieden) schräg lateralwärts herab, diesen unter einem nach vorn offenen, stumpfen Winkel kreuzend und nähert sich allmählich, bald in der Höhe der uvula, bald 1) M. pharyngo-palatinus, pharyngo-staphylinus, m. constrietor isthmi faucium superior s. posterior, levator pharyngis internus, Schlundkopfgaumen- muskel, Rachenschnürer. 2) Trompetenschlundkopfmuskel, levator pharyngis internus (Sömme- ring-Theile), innerer Schlundkopfheber, m. retrahens tubae (Rebsamen), fixator der medialen Platte (Rüdinger). 3) Musculus is itaque, utrinque alter, tenuis sed longior et gracilis, eleganti figura donatus tenui itidem oritur tendineo disjecto prineipio oblique a postica crepidine cartilaginea Tubae Eustachianae, inde mox in carneum mutatus ad decussim cum salpingo-staphylino, cui leviter jungitur, recta de- mittitur sub pharyngis membrana per interiora eiusdem latera in ima pro- latus atque cum pharyngo-staphylino commixtus implieitusque desinit. Sep- temdecim tabulae p. 77. 4) Die plica salpingo-pharyngea. (Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. XV.) Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 493 tiefert), selbst erst beim Ansatz des Pfeilers des palato-pharyngeus dem Muskelbauche desselben, mit dem sich seine Fasern verweben und mit ihm schliesslich die Art der Endigung theilen, wie Albin?) sagt: „adjungit se ad palato-pharyngeum et cum eo commixtus pergit desinitque“. Die gegebene Schilderung des Muskels stimmt überein mit der Auffassung Santorin’s, Albin’s, Luschka’s, Henle’s u. a. C. Fr. Th. Krause?) fasst ihn dagegen als einen Theil des oberen Schlundkopfschnürers auf, Arnold®) und Theile?) stellen ihn wiederum als einen selbständigen Muskel hin und nicht als eine Ursprungsportion des palato-pharyngeus wegen seiner mit diesem verschiedenen Wirkung (Theile fasst ihn als inneren Schlundkopfheber auf). Indessen lässt eine gründliche anatomische Untersuchung die Zusammengehörigkeit und das Ineinandergreifen des m. salpingo-pharyngeus und m. palato-pharyngeus sowie die Unabhängigkeit vom oberen Schlundkopfschnürer auf's Deutlichste erkennen, und erst auf Grund dieser Thatsache darf man physio- logische Conjeeturen und Erörterungen über die Wirkungsweise des Muskels anstellen, die übrigens ohne Schwierigkeit aus den ana- tomischen Befunden sich herleiten lässt. Der Zusammenhang des palato-pharyngeus mit der Tuba Eustachii ist aber ein noch viel ausgedehnterer. Von einigen Au- toren wurde bereits darauf hingewiesen, dass bisweilen einige ziemlich kräftige Sehnenbündel des salpingo-pharyngeus sich nicht mehr an den Knorpelwulst ansetzen, sondern an die Schleimhaut in seiner unmittelbaren Umgebung herangehen. Doch damit sind die Beziehungen auch noch keineswegs erschöpft; um sie genauer zu übersehen, müssen wir einige Bemerkungen über den Ursprung des palato-pharyngeus überhaupt vorausschicken. 1) Dieses Verhalten gibt sich auch äusserlich gewissermassen dadurch zu erkennen, dass die plica salpingo-pharyngea (in gewissem Sinne das Relief des m. salpingo-pharyngeus) sich in verschiedener Höhe an den arcus pharyngo- palatinus anlegt. 2) Historia musculorum hominis. Leidae Batavorum 1734. 3) Handbuch der menschlichen Anatomie. 1879. 4) Handbuch der Anatomie des Menschen. Freiburg 1847. 5) Samuel Thomas von Sömmerring: Vom Baue des menschlichen Körpers. Leipzig 1344. Bd. II. Abth. 1: Lehre von den Muskeln von Fr.. W. Theile. 494 Kasimir von Kostanecki: Der m. palato-pharyngeus ist namentlich an seinem Ursprung nicht leicht darzustellen; die nicht an festen Punkten, sondern von Weichtheilen entspringenden Fasern sind ihrer Zartheit, ihrer sehr verschiedenen Ausbildung und sogar ihres wechselnden Verlaufs wegen schwer freizulegen und entgehen oft auch einer genaueren Betrachtung. “Um diese zarten Ursprünge zu schonen, beginne ich mit der Präparation des Muskels am liebsten da, wo der Muskel- bauch compakt in dem arcus pharyngeo-palatinus verläuft, spalte in der Längsrichtung die ihn bedeckende, wegen der wechselnden Dicke des Drüsenlagers verschieden dicke, -Schleimhaut und löse sie dann nach oben vorsichtig ab, wodurch am leichtesten die zarten Anfangsbündel des Muskels erhalten werden. Gewöhnlich wird nach dem Vorgange von Henle!) und Luschka?) als Ursprungsgebiet des palato-pharyngeus?) die Raphe des weichen Gaumens in ihrer ganzen Länge (woselbst die beiderseitigen Muskeln mit ihren Fascikeln in einander übergehen), die aponeurotische Fortsetzung des hinteren Randes des harten Gaumens (die Gaumenaponeurose resp. die Aponeurose des m. cir- cumflexus palati mollis) dann auch der untere Rand der Choane (faisceau accessoire et interne du muscle pharyngo-staphylin, Sappey) und als Verstärkungsbündel wird der m. salpingo-pha- ryngeus hinzugefügt. (Sappey*) nennt sogar den Muskel faisceau accessoire et externe du muscle pharyngo-staphylin). Indessen bei einer gewissen Entwicklung des Muskels sieht man ausser diesen regelmässigen Muskelbündeln noch Züge desselben an die Tuba 1) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1871—1876. 2) Der Schlundkopf des Menschen. 3) Bei der Beschreibung der Ursprünge des Muskels verweile ich nicht länger bei denjenigen Ursprüngen, welche den weichen Gaumen allein be- treffen und in keinerlei Zusammenhange mit der Tuba stehen, denn die da- selbst herrschenden eigenthümlichen und complieirten Verhältnisse, wie sie zuerst Rüdinger (Beiträge zur Morphologie des Gaumensegels und des Ver- dauungsapparats 1879) beschrieben, würden eine genauere und eingehendere Erörterung erfordern, die jedoch ausserhalb des Rahmens der vorliegenden Arbeit liest. 4) Traite d’anatomie descriptive. Paris 1879. Als faisceau prineipal des Muskels beschreibt er die Bündel, die im weichen Gaumen ihren Ursprung nehmen. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Faseien. 495 in ihrem ganzen unteren pharyngealen Abschnitt herantreten, die nur zum geringen Theil bisher berücksichtigt worden sind. _Seitlich von den Bündeln nämlich, welehe von unten her segen den hinteren unteren Rand der Choane aufsteigen und an diesen sich ansetzen, gehen lateralwärts in unmittelbarer Nachbar- schaft Bündel hinauf, die entweder an der hinteren Kante der inneren Platte des processus pterygoideus (Gruber)!) in verschie- dener Höhe sich befestigen oder sogar, wie ich mehrmals gesehen habe, an der lateralen Choanenwand entlang bis zu dem Knorpel- haken der Tuba heranreichen ; äusserlich ist der Verlauf gekenn- zeichnet durch die plica salpingo-palatina, welche zwar nicht entfernt so regelmässig, wie die plica salpingo-pharyngea, Muskel- bündel birgt, jedoch in solchen Fällen deutlich entwickelt zu sein pflegt. Seitlick von diesem Bündel sieht man wiederum mehrfach an Zahl und Ausbildung sehr variable Züge des Muskels sich abzweigen und sowohl an die laterale Wand, als auch an den Boden der Tuba (Rebsamen?), Henle)?), also an die ganze s. g. membranöse Tuba herantreten. Die Bündel pflegen dann, je näher der hinteren Tubenlippe, resp. dem medialen Tubenknorpel, an Zahl und Mächtigkeit zuzunehmen und der m. salpingo-pharyn- geus erscheint dann besonders stark und schön entwickelt, wobei es äusserlich den Eindruck macht, als ob der Muskel sich nicht als ein besonderer Muskelzweig abgespalten hätte, sondern nur eine mehr compakte Ansammlung von Muskelfasern innerhalb der platten Ausbreitungszone des oberen Theils des palato-pharyngeus darstellte. Die Art und Weise, in der histologisch die Bündel des palato- pharyngeus an die Tuba herantreten, ist eine verschiedene: Das Bündel, welches zum lateralen Knorpelhaken geht, sowie die- jenigen, welche an der medialen Platte inseriren, und die in ihrem oberen Theile sehnig werden, verschmelzen mit dem Pe- richondrium des Knorpels; die anderen Bündel verweben sich unter der Schleimhaut mit der s. g. membranösen Tube, welche, wie wir unten sehen werden, nur der verstärkte obere Theil des 1) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Wien 1870. 2) Zum Mechanismus der Tuba Eustachii. (Monatsschr. f. Öhrenheilk. II. 1868. Nr. 3.) Sa la:c: 496 Kasimir von Kostanecki: mittleren Fascienblattes der Seitenwand des cavum pharyngo- nasale, der fascia salpingo-pharyngea (v. Tröltsch) ist. Dabei können die Bündel mit dem Bindegewebe der Fascie entweder direkt verwachsen sein, oder auch mit ihren Sehnen an die acces- sorischen Knorpel, die Knorpelinseln und Knorpelstäbchen, die hier so zahlreich mikroskopisch oder makroskopisch entwickelt sind, herantreten und ebenso, wie am Hauptknorpel, in deren Perichon- drium aufgehen. Der im oberen Theile breit beginnende Muskel convergirt nach unten und sammelt sich allmählich zu einem dieken Bündel, das an der Seitenfläche des Schlundkopfs in dem arcus pharyngo- palatinus verläuft. Bevor er aber das Gaumensegel verlässt, ver- weben oder vielmehr durchkreuzen sich seine Bündel zum geringen Theil mit dem glosso-palatinus, in sehr reichlichem Maasse mit dem levator veli, mit dem er sogar einige Bündel austauscht, dann weiter auch noch mit dem constrietor supremus pharyngis. Der m. palato-pharyngeus inserirt, soweit er aus dem Gau- mensegel entspringt, am Kehlkopf (an der Aussenfläche der car- tilago thyreoidea); soweit er im Pharynx endet, kommt er von harten Theilen des Gaumens, sowie von dem pharyngealen Ende der Tuba Eustachii. Dieser Umstand gab Douglas'), Valsalva, Luschka u. a. Veranlassung, den Muskel in seinem ganzen Umfange als m. thyreo-pharyngo-palatinus?) zu bezeichnen und ihn in eine pars thyreo-palatina®) und eine pars pharyngo-palatina zu scheiden. Ungefähr kann man sagen: würde man den areus pharyngo-palatinus nicht gegen die uvula auslaufen lassen, sondern ihn in seinem bogigen Verlauf bis zum hinteren Rande der Nasenscheidewand auf dem Gaumensegel verlängern, so würde der medianwärts gelegene Theil der pars thyreo- palatina, der lateralwärts gelegene der pars pharyngo-palatina an- gehören, der sich also auch sämmtliche zur Tuba herantretenden Bündel anreihen. Diese verdiente deshalb wohl auch den Namen einer pars palato-salpingo-pharyngea. Ich habe der bisherigen Beschreibung Verhältnisse zu Grunde 1) Myographiae comparatae specimen. Dublin 1777. 2) Thyreo-pharyngo-staphylinus. 3) Thyreo-staphylina. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 497 gelegt, wie sie in ausgeprägter Weise allerdings nicht immer, so- gar nur in den seltensten Fällen auftreten. Der m. palato-pharyn- seus zeigt nämlich namentlich in seiner an die Tuba herantre- tenden Portion einen sehr wandelbaren Grad der Ausbildung. So ist denn das in der vorderen Tubenlippe zum Knorpelhaken ziehende Bündel ein äusserst seltener Befund; unter der grossen Anzahl der von mir untersuchten Köpfe hatte ich nur in verein- zelten Fällen Gelegenheit, es zu beobachten. Etwas häufiger sind schon die zur membranösen Tuba, namentlich zum Tubenboden ziehenden Fasern. Und auch das zum medialen Knorpel reichende Bündel, der m. salpingo-pharyngeus, ist, wenn auch in der Mehr- zahl der Fälle vorhanden, doch keineswegs constant, und auch in den Fällen, wo er vorhanden ist, zeigt er eine sehr verschiedene Ausbildung, indem er bisweilen einen schönen kräftigen, etwa S mm breiten Muskel darstellt, bisweilen wiederum nur durch ein zartes schmales Bündelchen angedeutet sein kann. Doch auch dann, wenn diese Partie des Muskels vollkom- men fehlt, entbehren die betreffenden Theile der Tuba ihren Be- wegungsapparat nicht vollkommen, sondern die Muskelzüge wer- den vertreten durch die unter dem Namen ligamenta sal- pingo-pharyngea von Zuckerkandl!) zuerst be- schriebenen Sehnenbündel, die jedoch auch neben dem Muskel auftreten können. Nach Abhebung der Schleimhaut an der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale sieht man nämlich sehr häufig von dem unteren pharyngealen Ende der Tuba an der hinteren Fläche der medialen Knorpelplatte eine Reihe sehniger mehr oder weniger mit elastischen Fasern durchsetzter Stränge entspringen, die nach unten zu der Pharynxmuskulatur ziehen und namentlich in dem die Constrietoren, sowie den m. pha- ryngo-palatinus deckenden Bindegewebe aufgehen. Ferner sieht man fast regelmässig, insbesondere aber bei guter Entwicklung der Ligamente, neben dieser Portion, welche in der seitlichen und hinteren Pharynxwand ihr Ende findet, noch eine andere Reihe von Sehnenfäden, welche ebenfalls von dem unteren Ende der medialen Platte entspringen, sich aber nicht zu dem lig. sal- pingo-pharyngeum hinzugesellen, sondern dem äusseren Theile 1) Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachii. (Monatsschr. £. Ohrenheilk. VII, 1873. Nr. 12.) Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 32 498 Kasimir von Kostanecki: des weichen Gaumens zuwenden und unter dessen Schleimhaut sich verlieren. Häufig auch, wenngleich relativ seltener, sieht man, wie Moos!) zuerst gefunden, einige Stränge von der membranösen Tuba ihren Ursprung nehmen und sich dann den übrigen im wei- chen Gaumen inserirenden Bündeln anschliessen; und schliesslich ist es ein durchaus regelmässiger Befund, dass mehrere Bündel vom lateralen Knorpelhaken entspringen, sich fächerförmig gegen den weichen Gaumen hin ausbreiten, wobei sie entweder direkt nach innen unten oder mehr nach hinten unten verlaufen und in einem verschieden weiten Bogen die Tubenmündung umkreisen (Urbantschitsch?), worauf sie sich zum Theil mit den vom Tuben- boden und vom medialen Knorpel entspringenden Bündeln verbinden. Zuckerkandl hat diese Faserzüge zunächst unter einem Namen mit den vorhin genannten ligamenta salpingo-pharyngea zu- sammengefasst, dann aber?) (bei der Beschreibung seines recessus salpingo-pharyngeus, wo diese vom lateralen Knorpel und dem Tubenboden entspringenden Ligamente sich einer ausserordentlichen Stärke erfreuten) sie als besondere ligg. salpingo-palatina unterschieden, den Namen ligg. salpingo-pharyngea dagegen auf die von der medialen Platte entspringenden Bündel*) beschränkt. 1) Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie und Physiologie der Eust. Röhre. Wiesbaden 1874. 2) Anatomische Bemerkungen über die Gestalt und Lage des ostium pharyngeum tubae beim Menschen. (Archiv für Ohrenheilkunde Bd. X. 1876.) 3) Ueber einen recessus salpingo-pharyngeus. (Monatsschr. für Ohren- heilkunde. IX. 1875. Nr. 2.) 4) Zuckerkandl’s Beschreibung kann leicht zu Missverständnissen Veranlassung geben und hat es schon gethan, wie aus Moos’ Beiträgen (p. 24—26) hervorgeht. Ersterer lässt nämlich die ligg. salpingo-pharyngea von „dem pharyngealen Ende des hakenförmig umgebogenen Tubenknorpels und dem diesem zunächst liegenden lateralen Tubentheile“* entspringen, weil er ebensogut am unteren Ende, wie am oberen eine „hakenförmige Umbiegung des Tubenknorpels“ unterscheidet, während darunter gewöhnlich nur die laterale Platte verstanden wird, da eine Umbiegung am unteren Rande zu den Seltenheiten gehört. Wenn jedoch Schwalbe, der diesen Fehler cor- rigirt hat, sagt: „Die vorstehende Beschreibung der Ligg. salpingo-pharyngea weicht in vielen Punkten von der von Zuckerkandl gegebenen ab“, so kann ich dies nicht bestätigen, denn nachdem man diesen einen Ausdruck im Sinne des Verfassers verstanden, kann man unmöglich an der genauen und der Wirklichkeit entsprechenden Schilderung Zuckerkandl’s etwas aussetzen. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 499 Da jedoch die im weichen Gaumen ausstrahlenden Bündel nur be- züglich ihrer Insertion ähnlich, dagegen sowohl in ihrem Ursprunge, als auch in ihrer Wirkung verschieden sind, so habe ich vorge- schlagen (l. c.), sie nicht mit demselben Namen zu bezeichnen, son- dern das vom lateralen Knorpelhaken entspringende als lig. sal- pingo-palatinum anticum, das von der medialen Platte ent- spriugende als lig. salpingo-palatinum posticum zu bezeich- nen; die vom Boden der Trompete kommenden Züge, welche bis- weilen, wie z. B. in den von Moos und Zuckerkandl!) be- obachteten Fällen, sehr stark entwickelt sein können, könnten als lig. salpingo-palatinum medium gelten. Die Ligamente sind an Länge, Zahl und Stärke sehr variabel. Die ligg. salpingo-pharyngea stellen gewöhnlich 3—5, oft aber noch mehr Stränge dar, die bald schwach ausgebildet, bald derbe Fäden sind, die Zuckerkandl in ihrer vollsten Entwickelung mit den sehnigen Fäden der Herzventrikelklappen vergleicht, wobei sie entweder isolirt parallel verlaufen oder mit einander anastomosiren oder auch selbst zu einer Membran verschmelzen. Ebenso tritt in einzelnen Fällen das ligamentum salpingo-palatinum ant. schön ent- wickelt auf und hebt die Schleimhaut in Form einer mehr oder minder scharfen Leiste (plica salpingo-palatina) empor, ein ander Mal wieder ist es erst nach Abhebung der vollkommen glatten Schleimhaut nur als schwacher Faserzug zu erkennen. Dasselbe gilt auch in vollstem Maasse von den ligg. salpingo- palatina media et postica.. An ihrem Ursprung haben die Ligamente keine constanten Befestigungsstellen, sondern man sieht da, wo sie sich an die membranöse Tuba ansetzen, ihren allmählichen Uebergang in dieselbe, dagegen da, wo sie sich zum Knorpel begeben, ein all- mähliches Aufgehen in dem Perichondrium der Ohrtrompete. Liegen jedoch auf dem Hauptknorpel accessorische Knorpelplatten oder Knorpelinseln in seiner Umgebung, so gehen die Bündel der Liga- mente an diese heran und verschmelzen mit derem Perichondrium, und zwar enden sie dann entweder an diesem selbst oder sie schliessen nur diese Knorpelinseln ein, ziehen dann weiter zu dem Perichondrium des Hauptknorpels und gehen in diesem erst auf. 1) Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachii. II. (Monatsschr. f. Ohrenheilk. II. 1868. Nr. 3.) 500 Kasimir von Kostaneckiı: Sind die Knorpelinseln in die membranöse Tuba eingestreut, so pflegen die Fascikel der Ligamente mit Vorliebe an sie heranzu- treten, ja sogar inseriren die Stränge der Ligamente am Boden der Tuba hauptsächlich durch Vermittlung von Knorpelinseln, die ja so zahlreich hier anzutreffen sind. Wenn die Knorpelinseln, wie so oft, (in verschiedener Grösse, von hirsekorngrossen Ker- nen zu grösseren Platten), in die fibro-cartilago basilaris, welche das Knorpeldach an die fissura spheno-petrosa anheftet, einge- streut sind, oder wenn gar die ganze Masse einen mehr knorp- ligen Charakter annimmt, so begeben sich einzelne Bündel der Ligamente längs der medialen Platte des Tubenknorpels bis zu diesen Knorpelinseln. Auf diese Weise erscheinen die Knorpelinseln und Knorpelkerne in die Ligamente wie eingestreut. Auch erscheinen oft die Knorpelstäbehen an Stelle der Sehnenfaseikel substituirt, die dann durch ihre Lage und gegenseitige Verbindung nahezn das Bild eines armmaschigen Netzes erzeugen (die Areolen der Netze sind mit Drüsenacini vollgestopft). An einem Präparate fand Zuckerkandl einen grossen Theil der Fasern in Knor- pelstäbe umgewandelt, welche einander so nahe gerückt waren, dass sie den Eindruck einer vollkommenen Knorpelplatte mach- ten. Urbantschitsch!) fand bei einem Manne das ganze lig. salpingo-pharyngeum durch Knorpelstäbe vertreten, welche in Form einer viereckigen Platte in einer Breite von 17 mm der hin- teren Fläche des medialen Tubenknorpels angelagert waren und da- selbst theils mit dem Knorpel, theils mit der fibrocartilago basilaris durch straffes Bindegewebe in Verbindung standen; nach abwärts reichte diese Platte zwischen Mucosa und Pharynxmuskulatur ein- gebettet, also genau der Lage der ligg. salpingo-pharyngea ent- sprechend, 20 mm weit. Von ihrem unteren Ende begaben sich noch starke Faserzüge nach hinten als Ueberreste des eigentlichen Ligaments. Dass die in den Ligamenten auftretenden Knorpelstäbe bis- weilen auch verknöchern können, mag der Fall von Urbant- schitsch beweisen?), in dem in das ligamentum salpingo-palatinum 1) Zur Anatomie der Tuba Eustachii des Menschen. (Jahrbücher der Gesellschaft Wiener Aerzte. 1875.) 2) Aehnlich wohl auch der Fall von Zuckerkandl (Monatsschrift für Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 501 ant. gegen den lateralen Knorpelhaken eine Knochenplatte einge- bettet war. Vielleicht war ein ähnlicher seltener, die Verknöche- rung einer Knorpelplatte des in der membranösen Tuba endenden ligamentum salpingo-palatinum medium betreffender Befund grade Albrecht v. Haller!) zufällig aufgefallen; wenigstens liesse darauf die sonst unerklärliche Stelle schliessen: „... vidi eam cartilaginem trifidem fuisse in fine suo et suleum inferius habuisse, in quem stylus exibat osseus.“ So wie die Ursprünge der Ligamente einen allmählichen Uebergang in das Perichondrium zeigen, so stellt auch ihre pharyn- geale sowie palatinale Insertion ein stufenweises Aufgehen in den Faseien der betreffenden Abschnitte dar. Zuckerkandl sagt: „Die Fäden werden zuerst breiter, membranartig, verschmelzen dann unter einander, und zum Schlusse mit dem Gewebe zwischen Schleimhaut des Pharynx, des weichen Gaumens und der diesen Theilen zukommenden Musculatur.* Da die fascia pharyngis in- terna, in der die Ligamente verlaufen und aufgehen, ebensogut den m. pharyngo-palatinus, als die Constrietoren des Pharynx an der Innenfläche bedeckt, so finden wir bei einigen Autoren die Angabe, dass sich die Züge des Ligaments in dem submueösen Gewebe, das den m. pharyngo-palatinus bedeckt, verlieren, bei anderen, dass sie sich nach rückwärts zu dem die Constrietoren umkleidenden Bindegewebe begeben. Auch in ihrem ganzen Verlauf stehen die Ligamente in einer innigen Beziehung zu der inneren Pharynxfascie, resp. der mem- branösen Tuba (dem oberen Theile der fascia salpingo-pharyngea v. Tröltsch) und deren Fortsetzung auf der oberen Platte des weichen Gaumens. Die einzelnen Stränge der Ligamente sind nämlich durch die betreffenden Fascienblätter unter einander ver- bunden, so dass sie als starke, in die Fascie eingewebte fibrös- elastische Verstärkungszüge erscheinen. Ahmte Zuckerkandl an der Leiche die Contractionen der Ohrenheilkunde XVII. 1884. Nr.11. Beitrag zur Anatomie des Gehörorgans), über Ossification einer Knorpelinsel in der lateralen Tubenwand, die als eine über hanfkorngrosse Protuberanz in das Lumen der Tuba stark vorsprang, obgleich ihre Beziehung zu den Ligamenten nicht näher erwähnt wird. 1) Elementa physiologiae corporis humani. Bernae 1764. 502 Kasimir von Kostanecki: Schlundkopfmuskeln nach, so wurden die Sehnenfäden der liga- menta salpingo-pharyngea nach hinten und innen gezogen, dabei die mediale Tubenwand entfernt, das ostinm pharyngeum tubae also geöffnet und erweitert. Urbantschitsch vindiecirt dem Liga- ment bei der Eröffnung der Tubenmündung resp. bei dem Ein- wärts- und Riückwärtsziehen des medialen Tubenknorpels, sowie bei der straffen Anspannung der plica salpingo-pharyngea eine viel grössere Bedeutung, als dem m. salpingo-pharyngeus, und schlägt für dasselbe deshalb den Namen „ligamentum retrahens tubae“, analog dem m. retrahens tubae für m. salpingo-pharyngeus, vor. Ebenso muss auch bei Anspannung des mittleren Blattes der Fascie der Seitenwand des Cavum pharyngo-nasale (fascia sal- pingo-pbaryngea v. Tröltsch), in deren Bereich die ligg. sal- pingo-palatina gehören, eine gewisse Wirkung auf die Tuba aus- geübt werden, namentlich der Knorpelhaken angezogen (die plica salpingo-palatina straff angespannt), der Tubenboden dagegen nach unten gedrängt werden. Dabei ist es ausser Zweifel, was Zucker- kandl für die ligg. salpingo-pharyngea bemerkt, was aber auf sämmtliche Ligamente ausgedehnt werden kann, dass mit dem Gegebensein von Knorpelstäben in den Ligamenten die Eröffnung der Tuba während des Schlingacts mit grösserem Effekte und schneller vollzogen wird, als sonst. Wenn wir nun die verschiedenen Theile der Ligamente ana- tomisch und physiologisch mit den Theilen des m. palato-pharyn- geus, die wir oben betrachtet haben, vergleichen, wenn wir dabei bedenken, dass die Ligamente nicht zu finden sind, wenn der m. palato-pharyngeus kräftig entwickelt ist, dass sie dagegen bei Mangel des Muskels besonders stark ausgeprägt und besonders schön ausgebildet auftreten, bei mässiger Entwickelung des m. palato-pharyngeus (speciell des m. salpingo-pharyngeus) auch neben diesem auftreten, so werden wir ersehen, dass uns in dem ligamentum salpingo-pharyngeum und ligamentum sal- pingo-palatinum ein Substitut für Theile des m. palato- pharyngeus entgegentritt. Die Häufigkeit des Vorkommens des Ligaments statt des Muskels ist aber nicht an allen Theilen dieselbe. Während nämlich das ligamentum salpingo-pharyngeum nicht häufiger, als der Muskel auftritt, scheint sich das ligamentum salpingo-palatinum ant., sowie post. und medium als ein regel- mässiger Stellvertreter des Muskels ausgebildet zu haben, der in Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 503 diesen Theilen gut entwickelt, wie schon oben bemerkt, nur selten vorkommt. Die Vermuthung Zuckerkandl’s, dass die Liga- mente „ihrer morphologischen Stellung nach vielleicht Reste zu Grunde gegangener Muskeln sind“, hat ihre vollkommene Geltung, nur anstatt „Reste“ möchte ich sagen „Ersatz“ — das Gebilde, welches seine Elemente zu diesem Ersatz liefert, ist die fascia interna pharyngis und der obere Theil der fascia salpingo-pha- ryngea (Tröltsch) sowie deren mediane Fortsetzung, worauf wir bei Betrachtung der Fascien noch zurückkommen werden. M. petro-salpingo-staphylinus?). Nach Abpräparirung der Fasern des m. palato-pharyngeus stossen wir auf ein dünnes und zartes Fascienblatt, durch welches ein mässig dieker zunächst platter, dann nach der Tuba zu sich rundlich gestaltender Muskel hindurchschimmert, — dies ist der m. petro-salpingo-staphylinus. Spaltet man nun die Fascien- rinne, in welcher der Muskel verläuft, auf seiner medianen Oberfläche, so gewahrt man einen etwa 36—38 mm (nach Weber-Liel?) meist 37,5 mm) langen, im mittleren Abschnitt bis 8 mm breiten, platt-cylindrischen Muskelbauch, der von der Schläfenbeinpyramide entspringt und nach unten medianwärts in das Gaumensegel aus- strahlt. Der Ursprung des Muskels findet statt in zwei Portionen: 1) Est haud dubie secundi paris musculorum, qui faucibus dilatandis aut constringendis inserviunt (Fallop. Observ. anat.), columellae musculus, in triangularem expansionem dorsum productus (Morgagn. Adv. anat.), paris internae gargareonis (Vesling, Synt. anat.), m. spheno-pharyngeus, spheno- palatinus (Cowper, Myot.), spheno-staphylinus (in verschiedenen Combinationen der Schreibarten: spheno-, sphaeno-, sphoeno-, ebenso staphylinus, staphilinus), m. pterystaphylinus int., pterygostaphylinus int. (de Marchette. Anat.), perista- phylinus int. (Cruveilhier), petro-staphylinus (Chaussier), primum par pro ptery- gostaphylino interno acceptum optime vero salpingostaphylinum appellandum (Valsalva), salpingo-staphylinus seu salpingo-palatinus (Santorini), petro-sal- pingo-staphylinus (Winslow), levator veli penduli, veli palatini, palati mollis (Albin, Sömmering), compressor tubae Eustachii (Krause), le muscle droit de la eloison (Lieutaud), Felsen-Trompeten-Gaumenmuskel (Meckel). 2) Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progres- siver Schwerhörigkeit. Berlin 1873, und: Ueber die Beziehungen des levator veli zur Tuba Eustachii. (Monatsschrift für Ohrenheilkunde 1871. Nr. 7 u. 8.) 504 Kasimir von Kostanecki: Die bei weitem grössere Portion des Muskels entspringt mit- telst einer kurzen, aber ziemlich dieken cylindrischen Sehne von der unteren rauhen Fläche des Felsenbeins am vorderen Umfange der apertura externa canalis carotici bis zur inneren Seite der knöchernen Tuba, also bis zur Vereinigung mit der knorpeligen; dann greifen aber auch gewöhnlich starke Faserzüge über den Isthmus hinaus auf die knorpelige Tuba selbst über und inseriren daselbst in der Länge von 2—-3 mm an dem dem Knochen!) zu- nächst gelegenen, also durchaus fixirten und unbeweglichen Knorpel der medialen Platte?), namentlich an ihrem unteren Rande, wobei einige Fasern auch an die anstossende membranöse Tuba heran- treten. | Die deutlich ausgesprochene zweite kleinere Portion (meist nur 21/), mm breit nach Luschka, 3—4 mm nach Weber-Liel) nimmt ihren Ursprung in ziemlich breiter sehniger Ausstrahlung weiter medianwärts, in einem Abstand von 3-5 mm von den letzten Fasern der ersten Portion, von der mehr beweglichen knorpelig-membranösen Tuba, namentlich von dem die Tuba nach unten abschliessenden Boden, da wo er sich mit dem un- teren Rande der medialen Platte verbindet. Bezüglich des Ursprungs von der membranösen Tuba herrschte einige Zeit grosse Meinungsverschiedenheit unter den Autoren. v. Tröltsch suchte nämlich wiederholt?) nachzuweisen, dass 1) Die nahe Nachbarschaft der spina angularis mit der medialen Knorpel- platte nach unten-medianwärts mag wohl Veranlassung dazu gegeben haben dass einige Autoren diese Portion noch von der spina angularis entspringen lassen (Lieutaud: [Paris 1742, Essais anatomiques] de l’apophyse &pineuse de l’os sphenoide), weshalb er sogar bei einigen älteren Autoren (Cowper, Cantius) spheno-staphylinus genannt wird — s. die Anm. vorige Seite. 2) Wenn Schwalbe sagt, der Muskel beginne auch „von dem An- fangstheile der lateralen Platte des Tubenknorpels, welche an dieser Stelle in ihrer Anlehnung an die spina angularis des Keilbeins noch unbeweglich ist, und vom benachbarten Theile des Tubenbodens bis zum hinteren Ende der medialen Platte,“ so kann ich dies nicht bestätigen. Der Muskel ist in seinem ganzen Verlaufe von dem lateralen Knorpel und dem an ihm entspringenden m. spheno-salpingo-staphylinus vollkommen durch das mittlere Blatt der Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale getrennt und entspringt lediglich von der medialen Platte und von dem ihr angrenzen- den Theile der membranösen Tuba. 3) 1. e. und Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 505 keinerlei Fasern des Muskels an die membranöse Tuba heran- treten, sondern ein langfädiges und lose befestigtes Zellgewebe den Muskelbauch mit der häutigen Tuba verbinde, so dass er sich zu derselben nur als ein enge sich anschmiegender Nachbar verhalte; während Tourtualt),Huschke?),Luschka°),Politzert), Rüdinger°), Urbantschitsch®), Weber-Liel?) entschieden für einen derartigen Ursprung eintraten. Die Arbeiten der letzten Autoren namentlich haben unzweideutig bewiesen, dass ziemlich starke Sehnenfasern des Muskels an den verdiekten Boden der Tuba herantreten und da, wo der häutige Theil sicb mit dem medialen Knorpel verbindet, breiter ausstrahlend inseriren, grade gegenüber der Stelle, wo aussen von dem Boden der Tuba sich die Ansätze der hintersten Portion (Weber-Liel) (ich glaube aber auch der mittleren) des spheno-salpingo-staphylinus finden. v. Tröltsch scheint sogar gegen den vom Knorpel der Tuba entspringenden Theil des Muskels gewisse Bedenken zu haben und den Ursprung des Muskels auf das Felsenbein allein beschränken zu wollen, denn „es lassen sich häufig vom angren- zenden Tubenknorpel die Fasern so wenig schwierig und ohne merkliche Integritätsstörung ablösen, dass Tröltsch vermuthet: „ob nicht ein Theil derselben nur durch besonders derbes und kurzes Zellgewebe an den obersten Abschnitt des Tubenknorpels angelöthet ist“. Indessen dürfte diese Loslösung ohne merkliche Integritätsstörung nur sehr selten möglich sein (in den wenigen Fällen, wo der Ursprung des Muskels in der That auf das Felsen- bein allein beschränkt ist), in der Regel ist der Zusammenhang zwischen dem Muskel und dem Knorpel, resp. zwischen seinen 1) C. Th. Tourtual: Untersuchungen über den menschlichen Schlund- und Kehlkopf. 1861. 2) Sömmerring’s Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen des menschlichen Körpers. V. Band von Huschke. Leipzig 1844. S)alaic. 4) Ueber ein neues Heilverfahren gegen Schwerhörigkeit. Wiener me- dieinische Wochenschrift 1863. Nr. 6 und Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Stuttgart 1878—1882. 5) Ein Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Tuba Eustachii. Baier. ärztl. Intelligenzblatt. 1865. Nr. 37 und Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histiologie der Ohrtrompete. München 1870. 6) 1. c. und Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Wien 1884. 506 Kasimir von Kostanecki: sehnigen Endfasern und dem Perichondrium derart, dass man ihn nur als Ursprung des Muskels bezeichnen kann. Das Ursprungsgebiet des m. petro - salpingo - staphylinus nimmt in der Richtung von hinten-oben nach vorn-unten, die Zwischenstelle zwischen den beiden Ursprungsportionen mitge- rechnet, etwa die Länge von 10 mm, bisweilen jedoch viel mehr, 12—14 mm, ein. Dann, nachdem sich die beiden Portionen nach einem verschieden langen (bisweilen bis 12 mm), gewöhnlich je- doch viel kürzeren, in einigen Fällen selbst gar nicht gesonderten Verlauf unter spitzem Winkel zu einem gemeinsamen cylindrischen Muskelbauch vereinigt haben, verläuft letzterer an dem obersten Theile der Seitenwand des Pharynx nach unten median- und vor- wärts in einer dem Tubencanal beinahe identischen Richtung (seiner Achse nahezu parallel). Und zwar hält sich die obere Fläche des Muskels gewöhnlich an die untere basale Kante der medialen Knorpelplatte, weshalb diese auch eine entsprechende Form auf- weist, indem sie sanft muldenförmig eingedrückt erscheint, so dass der concave gewölbte Knorpel wie ein Dach den Muskel bedeckt. Doch nicht immer hat die basale Impression des Knorpels die Gestalt einer vollkommenen rundlichen Wölbung, sondern, weil der levator veli bald mehr dem Lumen der Tuba, bald mehr der Rosenmülller'schen Grube zugekehrt verläuft, weist sie eine Form auf, die dem Theile des Muskels entspricht, der unter dem Knorpel zu liegen kömmt; meist ist also die mediale untere Knorpelkante von innen!) oben nach aussen?) unten abgeschrägt, häufig genug auch rundlich eingeprägt; ich habe aber auch Fälle genug gesehen, wo der Knorpel bei mehr nach hinten verlaufen- dem Levator nach hinten oben abgeplattet erschien, ja selbst Fälle, in denen der Levator gänzlich hinter dem Knorpel verlief, der Knorpel deshalb rundlich-kolbenförmig endete. Die häufigste Form ist die nach vorn - oben abgeplattete Tubenkante, nament- lich am Pharynxende, da der m. petro-staphylinus normaler Weise, je tiefer er gegen das ostium pharyngeum tubae herabsteigt, desto mehr mit dem membranösen Tubenabschnitt in Berührung kommt und nur theilweise mit der hinteren - oberen Fläche dem Knorpel anliegt. Die anderen Formen sind den selteneren Verhältnissen 1) Das „innen“ und „aussen“ bezieht sich diesmal auf das Lumen der Tubencanals. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 507 des Muskels angepasst, in denen derselbe mehr nach hinten verläuft; ich habe bereits früher (l. ce. bei der Besprechung der ätiologischen Momente für den s. g. recessus salpingo-pha- ryngeus Zuckerkandl’s) auf den Umstand aufmerksam ge- macht, dass in den extremsten Fällen der Levator vollkommen hinter dem Knorpel verlaufen kann. Als Ursache des abnormen Verlaufs des Levator habe ich damals eine über das normale Maass hinausgehende Länge des velum palatinum festgestellt. Während die normale Länge des weichen Gaumens nach Luschka 2 cm, mit der Uvula4 cm beträgt, fand ich in einem sehr ausgesprochenen Falle dieser Art das Velum 3,4 cm mit der Uvula 5,5 cm lang, und auch bei den Zwischenstufen weist der weiche Gaumen stets eine beträchtliche Länge auf, meist beträgt dieselbe ungefähr oder über 3 cm. Diese abnorme Länge des weichen Gaumens muss nun einen abweichenden Verlauf des m. levator veli zur Folge haben. Um nämlich das Velum heben zu können, muss derselbe bei gleich bleibendem Ursprung am Schläfenbein seinen Ansatz bei ungewöhn- lich langem weichen Gaumen mehr nach hinten verlegen, und in Folge dessen wird auch sein ganzer Verlauf etwas mehr nach hinten verschoben. Das Dach, welches der untere Rand des medialen Knorpels entweder vollständig oder theilweise in der Regel bildet, wird nun durch Faseien, welche an den unteren Rand des medialen Tuben- knorpels sich ansetzen und in dessen Perichondrium übergehen, zu einer vollkommenen Rinne ergänzt, in welcher der levator veli verläuft. Und zwar umgibt ihn nach aussen die fascia pharyngis interna, nach oben und vorn-lateralwärts liegt er unter der winkeligen Vereinigung des Tubenknorpels (der medialen Platte) mit der mem- branösen Tuba, welche, wie wir unten sehen werden, eine Ab- zweigung der fascia salpingo-pharyngea (Tröltsch) ist; vorn be- deckt ihn diese Fascie selbst, welehe unterhalb des m. levator mit der faseia pharyngis interna verwächst und dadurch den Muskel vollkommen in eine Fascienkammer einschliesst. Diese Fascie trennt ihn in seinem ganzen Verlaufe von dem m. tensor veli, weiter unten durch ein abgespaltetes Blatt von demjenigen Theile des con- strietor supremus pharyngis, der am hamulus pterygoideus seinen Ursprung nimmt. An dem ostium pharyngeum selbst zieht der Muskel unter einem Bogen hindurch, dessen äusserer Pfeiler von der den Tensor 508 Kasimir von Kostanecki: und Levator trennenden Fascie, resp. ihren Verstärkungszügen, den lieg. salpingo-palatina ant., nach innen von dem muse. salpingo- pharyngeus, event. durch das ligamentum salpingo-pharyngeum gebildet wird, und da er hier nur von der membranösen Tuba be- deckt ist, so bietet die Schleimhaut an der Rachenmündung eine gewöhnlich ziemlich starke Wölbung dar, die unter dem Namen „Levatorwulst‘“ bekannt ist. Dieser Wulst setzt sich auf die obere Platte des Gaumensegels entsprechend den Insertionsfasern des Muskels als eine schräg medianwärts absteigende, sich verflachende und ausbreitende Wölbung fort. Der Muskel wird nämlich, sobald er das ostium pharyngeum überschritten hat, ziemlich schnell platt und verbreitet sich, indem seine Flächen parallel den Flächen des Gaumensegels werden, in der Weise gegen die Medianlinie, dass er daselbst die ganze Ausdehnung der oberen Platte des weichen Gaumens vom hinteren Rande des harten Gaumens bis zur Basis des Zäpfehens einnimmt. Die Insertion des Muskels findet gewöhnlich, wie von Henle hervorgehoben wurde, in zwei Portionen statt: Die vordere schwächere Portion wird an der unteren lateralen Ecke der Choane sehnig und geht in den fibrösen Saum des knö- cherınen Gaumens über!). Urbantschitsch berichtet über einen Fall, in dem diese Trennung besonders deutlich ausgesprochen war, indem sich unmittelbar unterhalb des ostium pharyngeum tubae eine kleine Muskelpartie vom levator veli unter einem spitzen Winkel abzweigte und mit einer dünnen rundlichen Sehne in der Gaumenaponeurose endete. Die hintere bei weitem mächtigere Portion geht, fächerförmig ausgebreitet, zur Mittellinie des weichen Gaumens und endet da- selbst zum Theil an der medianen fibrösen Raphe, die an der spina nasalis posterior beiestigt ist und mit der sutura palati duri?) zusammenhängt; die Mehrzahl der Bündel fliesst jedoch mit der nämlichen Portion der anderen Seite zusammen, wodurch die beider- seitigen Muskeln einen vollkommenen von den Felsenbeinen herab- 1) Vor den vordersten schleifenförmigen Fasern des m. petro-staphylinus liegen öfters einige Querbündel, die einen medianen Ausschnitt des fibrösen Saums des harten Gaumens ausfüllen (Henle). 2) Sutura cutanea des harten Gaumens (Luschka). Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 59 hängenden und auf dem weichen Gaumen ruhenden, nach oben eoncaven Bogen zu bilden scheinen. Ausserdem wird von Luschka eine dritte Fasergruppe be- schrieben‘), welche vom unteren Umfange des Muskels abgeht, sich in mehrere ungleich dieke Bündel auflöst und nach unten in den Gaumenbogen der entgegengesetzten Seite herabsteigt, um sich daselbst den Fasern des pharyngo-palatinus beizugesellen, wobei sich die gleichnamigen Bestandtheile beider Seiten in der Mittellinie kreuzen müssen. Diese wegen ihrer Zartheit äusserst schwierig darzustellende Fasergruppe ist bisweilen deutlich vor- handen, obgleich sie meinen Präparaten zufolge nicht als regel- mässiger Befund bezeichnet werden kann. Ausser diesem direkten Zusammenhange mit dem m. palato- pharyngeus steht der m. levator noch dadurch in enger Beziehung zu ihm, dass er vollkommen von den Fasern desselben durch- flochten wird, indem sich diese von unten in die seinigen hinein- schieben, sie durchkreuzen und gabelförmig umfassen, zum Theil auch einzelne Bündel mit ihm austauschen. Dasselbe gilt, wenn auch in keineswegs so ausgesprochener Weise und nicht entfernt so umfangreichem Maassstabe von den Faserzügen des glosso-pala- tinus, der von unten und vorn gegen das Gaumensegel sich er- hebt und in die Ausstrahlung des levator veli eingreift. Dadurch 1) Auch Rüdinger (Beiträge zur Morphologie des Gaumensegels und des Verdauungsapparats 1879), der die Anatomie des Gaumensegels an Quer- schnitten studirt hat, betont, dass, nachdem die Muskelbäuche der Levatoren das Gaumensegel erreicht haben, man bezüglich der Richtung und der quan- titativen Vertheilung der ausstrahlenden Bündel eine vordere, mittlere und hintere Abtheilung unterscheiden muss. Er bestätigt dabei vollkommen die an Flächenpräparaten gewonnenen Resultate, gibt aber ausserdem für die vordere schwache Muskellage an, dass sie in der Weise gegen die Mittellinie in einem Bogen zieht, dass sie den lateralen Theil des weichen Gaumens an der Choane frei lässt. Eine Anzahl der Bündel dieser Portion zeigt eine frontale Anordnung, wobei die frontalen Muskelzüge in der AMittellinie aus- einandergedrängt sind durch die sagittalen Bündel, die dem azygos uvulae angehören (der azygos uvulae entspringt nämlich nach Rüdinger’s Quer- schnitten nicht von der spina nasalis posterior, sondern von der Mittellinie der Sehne des tensor veli an ihrer Ansatzstelle an den Knochen, und die Zahl seiner Fasern vermehrt sich weiter rückwärts, weshalb er dort einen grösseren Querschnitt erreicht, als vorn), aber auch schon in dieser Partie beginnt die Kreuzung der Muskelbündel zwischen der rechten und linken Seite. 510 Kasimir von Kostanecki: ferner, dass der Muskel an der Gaumenaponeurose, welche wesent- lich nichts weiter, als die Aponeurose des m. tensor veli ist, inse- rirt, steht er theilweise mit allen paarigen Muskeln des Gaumen- segels in Verbindung. Der Muskel weist in seinem Ursprung, Verlauf und Ansatz einige Anomalien auf, die, wenn auch selten vorhanden, doch be- reits öfter unter verschiedenen Gesichtspunkten beschrieben wur- den und deshalb in der Litteratur eine gewisse Rolle spielen). So trifft man zunächst Fälle, in denen die von der Tuba entspringenden Fasern des Muskels vollkommen fehlen, so dass der petro-staphylinus (so kann er nämlich dann nur bezeichnet werden) lediglich vom os temporum seinen Ursprung nimmt; in anderen Fällen dagegen ist wiederum die Anzahl der Fasern, die von der Tuba Eustachiana entspringen, so zahlreich, dass der Hauptur- sprung des Muskels an dieselbe verlegt zu sein scheint. Die beiden Portionen des Muskels pflegen gewöhnlich nach einem mehr oder minder weiten Verlauf sich zu einem einzigen eylindrischen Muskelbauche zu vereinigen; ebenso aber, wie sie in einzelnen Fällen garnicht gesondert sind, sind sie in andren Fällen in ihrem ganzen Verlaufe getrennt und die an der Tuba entspringende kleinere Muskelabtheilung geht als die vorhin erwähnte vordere kleinere sehnige Insertionsportion direkt an den fibrösen Saum des harten Gaumens. Diese nicht grade allzu seltene Anomalie mag wohl dann zu Stande kommen, wenn zwei ziemlich seltene Fälle zusammentreffen, nämlich ein ungewöhnlich lange gesonderter Ver- lauf der kleineren Ursprungsportion im oberen Theile und eine un- gewöhnlich frühe Loslösung der vorderen Insertionsportion im unteren Theile, wodurch die Verwebung in dem Mittelstück des Muskels voll- kommen aufgehoben ist. Ich glaube, dass diese Anomalie es grade war, welche Tourtual Veranlassung gegeben hat, einen besonderen m. salpingo-staphylinus (Trompetenmuskel) zu beschreiben, wenn er nicht damit, wie Henle vermuthet, überhaupt die gewöhnlich sich unten abzweigende Insertionsportion des Muskels verstanden hat, was mir jedoch bei genauerer Prüfung seiner Beschreibung nicht der Fall zu sein scheint. 1) Wenn Hermann Meyer (Lehrbuch der Anatomie 1861) behauptet, dass der Muskel seinen Ursprung auf beinahe die ganze Länge der knorpligen Tuba Eustachii fortsetze, so ist dies wohl nur durch Verallgemeinerung einer seltenen Anomalie zu erklären. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 51l Urbantschitsch erwähnte zuerst einen Fall, wo eine Mus- kelschleife ungefähr in der Mitte der knorpligen Tuba von dem Levator abging und mit der pars membranacea nahe dem ostium pharyngeum durch Bindegewebe verbunden schien. Bei Weber- Liel lese ich sodann: „ich bin nicht ganz sicher darüber, ob nicht unter normalen Verhältnissen gegen das Tubaende hin auch Fasern des levator veli an der Fascia salpingo-pharyngea inseriren. Als Ausnahme wenigstens habe ich es einmal beobachtet.“ Dieser Be- fund von Weber-Liel scheint mir mit demjenigen von Urban- tschitsch ganz identisch zu sein. Dass in dem einen Falle von der pars membranacea der Tuba, in dem anderen von der fascia salpingo-pharyngea die Rede ist, ändert meine Auffassung nicht, da diese Theile, wie wir bei der Betrachtung der Fascien sehen werden, identisch sind. Ich habe früher bereits (bei der Betrach- tung des recessus salpingo-pharyngeus Zuckerkandl) Gelegenheit gehabt, auf diese Anomalie einzugehen, und zwar auf Grund eigener, wenn auch weniger Beobachtungsfälle. Der levater veli hat nämlich neben der Hebung des weichen Gaumens noch die Aufgabe, die mediale Knorpelplatte nebst dem membranösen Boden der Tuba, namentlich am ostium pharyngeum, nach oben und hinten empor- zuziehen !), was gewöhnlich durch die blosse Contraction und gleichzeitige Anschwellung sowie Verschiebung des Muskelbauchs nach oben bewerkstelligt wird. In den Fällen aber, in denen der Muskel in seinem Verlauf mehr nach hinten gedrängt ist, kann er bei seiner Contraction auf die membranöse Tuba nicht mehr ein- wirken, sondern höchstens, in den weniger ausgesprochenen Fällen, auf den medialen Tubenknorpel, also gewissermaassen den m. sal- pingo-pharyngeus vertreten (weshalb dann auch gewöhnlich der m. salpingo-pharyngeus vollkommen fehlt). Um nun aber dieser seiner zweiten Bestimmung der membranösen Tuba gegenüber ge- nügen zu können, schickt eben der Muskel, wie ich es nur bei derartigen Fällen wahrgenommen habe, das erwähnte Bündel an den Tubenboden, weshalb auch der Tubenboden gewöhnlich durch eine quer verlaufende Schleimhautfalte, gewissermaassen Relief dieser Muskelschleife, in zwei Theile getheilt zu sein pflegt. Spaltet man diese Falte, so findet man darunter das besprochene Bündel des 1) Wodurch eine Erweiterung des Tubenlumens im Horizontaldurch- messer, dagegen eine Verengerung im Vertikaldurchmesser erfolgt. 512 Kasimir von Kostanecki: levator veli, welches freilich zuweilen, wie ich gefunden habe, durch ein starkes ligamentöses Bündel, das im Tubenboden zu der Fascie, welche den levator nach vorn bedeckt, zieht und in ihr inserirt, vertreten ist. Ich kann nicht gerade behaupten, dass in den Fällen von Urbantschitsch und Weber-Liel ähnliche, dem recessus salpingo-pharyngeus entsprechende Verhältnisse vorgelegen haben mögen, und dass nicht auch unter sonst normalen Verhältnissen ein solehes Bündel auftreten kann; soweit ich aber Gelegenheit hatte, dasselbe zu sehen, treten diese Anomalien stets gleichzeitig auf. Ich fand bisweilen ganz eigenthümliche, bisher noch nie er- wähnte Verhältnisse im Verlauf des Levator, indem ich von seiner hinteren Fläche ganz schmale (ungefähr 0,5 mm, höchstens 1 mm dicke) ganz vereinzelte oder höchstens nur zu 3—4 auftretende Muskelbündel sich abzweigen sah, welche getrennt unter der Schleimhaut herzogen, um dann nach einem bis 15 mm langen, bogigen, meist geschlängelten Verlaufe zum Muskelbauche des Levator zurückzukehren, (nicht dem palato-pharyngeus sich beige- sellten, wie es sonst bisweilen beobachtet wird) und mit ihm wieder vereint im Gaumensegel inserirten. Ich schreibe zwar dieser That- sache keine grössere Bedeutung!) bei, habe sie aber öfters beob- achtet, so dass ich sie nicht unerwähnt lassen kann. Tourtual beschreibt noch bei den Tubenmuskeln einen m. angularis tubae, Winkelmuskel der Trompete, welcher grössten- theils von dem Winkel der unteren und hinteren Fläche (über seinem m. salpingo-staphylinus), geringeren Theils von der hinteren Fläche des Knorpels selbst in der Nähe dieses Winkels entspringt, längs desselben einwärts absteigend durch andre Fasern, welche mehr nach innen von dem Winkel abgehen, etwas breiter wird und sich an den äusseren Rand des dreiseitigen Zipfels des Knorpels (processus angularis tubae, wie Tourtual den Knorpelwulst nennt), bis zu dessen Spitze hin befestigt. Ich habe dieses Bündel an der angegebenen Stelle niemals als besonderen Muskel finden können; bei den verschiedenen Autoren, die diesen Gegenstand behandelt haben, suchte ich auch vergebens?) nach einer Angabe oder einer 1) Bei der Lage der Muskelschleifen wäre nur eine Einwirkung der- selben vielleicht möglich, nämlich dass sie bei ihrer Contraction und An- näherung an den Muskelbauch des Levator einen Druck auf die zahlreichen in der Submucosa hier befindlichen Drüsenacini ausübten. 2) Nur bei Weber-Liel finde ich an der Stelle, wo er die Tuben- Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 513 Erklärung für den m. angularis tubae; soweit ich es aus der Be- schreibung Tourtual’s ersehen kann, mag es sich wohl um eine Abzweigung des levator veli gehandelt haben, die als ein sehr seltener Befund dastehen würde. An der Ursprungsstelle steht der m. petro-salpingo-staphylinus mit einem Muskel in Zusammenhang, der zunächst von Winslow!) unter dem Namen: petro-pharyngeus beschrieben, dann von Hal- ler?) und Albin?) bestätigt und in neuerer Zeit mehrmals auf die Häufigkeit seines Vorkommens und auf den Grad seiner Entwick- lung geprüft wurde. Weber?) behauptete nämlich, ihn niemals sefunden zu haben, Wenzel Gruber), dann Luschka®) u. v.a. wiesen jedoch nach, dass in die Zusammensetzung der Constrietoren des Pharynx in vielen Fällen ein Muskel eingreift, der vom vor- deren Umfange der apertura canalis carotici sowie von der crista petrosa des Felsenbeins ausgeht, woselbst er mit dem petro-salpingo- staphylinus in Verbindung steht, und sich selbst Bündel des letzteren ihm zugesellen, oder umgekehrt”). muskulatur besprechen soll, die Bemerkung: „Indem ich dabei nicht weiter auf die kleinen und schwachen, am Pharyngealende der Tuba befestigten Muskeln (salpingo-pharyngeus, salpingo-staphylinus, angularis tubae) glaube eingehen zu müssen ....“ Doch halte ich die Erwähnung der beiden letzt- genannten Muskeln mehr für eine Reminiscenz aus der Lectüre, als für einen Beweis, dass Weber-Lielsich wirklich selbst von ihrer Existenz überzeugt hätte. i) Exposition anatomique. 1743 (Traite de la töte p. 350). — Expo- sitio anatomica structurae corporis humani. Francofurti et Lipsiae. 1753. 2) Elementa physiologiae 1764. Tom. III. p. 69. 3) Historia musceulorum hominis 1796. p. 214. 4) Fr. Hildebrandt’s Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Braun- schweig 1830—32. 5) Neue Anomalien als Beitrag zur physiologischen, chirurgischen und pathologischen Anatomie. Berlin 1849. 6) Der Schlundkopf des Menschen. p. 83. 7) An die letztere Thatsache schliesst Luschka die Bemerkung an, dass dies darauf hinzuweisen scheint, dass die mm. petro-pharyngei nicht sowohl als eine Wiederholung des stylo-pharyngeus, als vielmehr des Gaumenhebers zu betrachten sei. Ich glaube indess, dass Luschka zu diesem Schlusse durch eine rein äusserliche Ursache, wie das Hinzugesellen der Bündel, ge- langt, während der Muskel nach seiner physiologischen Wirkung, sowie seiner Lage bezüglich des Verlaufs und Ansatzes durchaus als ein accessorischer Längsmuskel des Pharynx aufgefasst werden muss, und wenn eine Homologie Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bä. 32. 33 514 Kasimir von Kostaneckiı: Er variirt freilich nach Grösse, Ursprung!) und Verlauf, wo- her auch wohl die theilweise abweichenden Angaben der ver- schiedenen Autoren herrühren mögen; jedenfalls ist es ein incon- stantes, in der Regel nur schwach entwickeltes Bündel; ein Fall, wie ihn Urbantschitsech erwähnt, wo der Muskel auf beiden Seiten in gleicher Stärke mit dem levator veli, 7mm breit, auf- trat, gehört jedenfalls zu den seltenen Ausnahmen. Bezüglich des Endansatzes des Muskels, gelangt derselbe theils zwischen den Bündeln des constrietor pharyngis supremus und medius sehnig an die fibröse Haut des Pharynx, theils gehen seine Bündel in die Zusammensetzung des oberen und mittleren Schnürers selbst ein. | Luschka2).fand einen kleinen Muskel, der plattsehnig von der erista petrosa entsprang und sich in zwei Bündel theilte, von denen das eine mit dem m. petrostaphylinus sich vereinigte, das andere sich dem oberen Rande des m. cephalo-pharyngeus anschloss. Henle sah in einem Falle einen accessorischen Längsmuskel des Pharynx, zweiköpfig, mit einer Portion vom Schläfenbein, mit der anderen vom hamulus pterygoideus entspringen und durch den m. laryngo-pharyngeus an die innere Fläche der Kreismuskeln gelangen. M. spheno-salpingo-staphylinus?). Wenn man den Muskelbauch des petro-salpingo-staphylinus durchschneidet und nach beiden Seiten hin zurückschlägt, dann aufgestellt werden sollte, dieselbe jedenfalls nur mit dem stylo-pharyngeus aufzuweisen wäre, zumal der Muskel an seinem pharyngealen Ende gewöhn- lich zugleich mit letzterem in die Pharynxwand eindringt. 1) Ketel (Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie des Pha- rynx. Hasse’s Anatomische Studien. Bd. I) sah ihn in einem Falle von der hinteren medialen Fläche der spina angularis ossis sphenoidei und von dem an diese angrenzenden Theile der crista petrosa entspringen und mit dem stylo-pharyngeus sich zwischen die Constrietoren einsenken; als eine ähnliche Variation seines Ursprungs mag wohl das von Riolan unter dem Namen spheno-pharyngien (naissant de l’epine du sphenoide) beschriebene Muskelbündel angesehen werden. 2) Anatomie des Menschen. 3) Est primi paris musculorum, qui faucibus dilatandis aut constrin- gendis inserviunt (Fallop. Observ. anat.), primi paris dilatantis fauces, quod aliquibus spheno-pharyngeum dicitur (Spigelius), pterystapbylinus ext. (Riolan Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 515 die mediale Knorpelplatte abträgt, so gewahrt man zunächst eine dicke, reichliches Fett enthaltende Bindegewebsschicht, welche in der Verlängerung des membranösen Tubenbodens nach ünten sich fortsetzt. Dies ist die von dickem Fettlager durchsetzte Fascie, welche den petro-salpingo-staphylinus von dem m. spheno-sal- pingo-staphylinus trennt und nach deren Entfernung man erst letzteren Muskel zu Gesicht bekommt. Dieser Muskel hat bereits zur Zeit, als er noch als blosser Gaumenmuskel betrachtet wurde, wegen seiner eigenthümlichen Gestalt, seines um den hamulus geschlungenen Verlaufs und der deshalb veränderten und schwieriger zu construirenden Zugrichtung und Wirkung die Aufmerksamkeit der Autoren in hohem Grade in Anspruch genommen; noch mehr aber, seitdem man durch Val- salva auf seine nahe Beziehung zur Tuba aufmerksam geworden ist und dann allmählich die minimalen, aber doch wegen der Klein- heit der vorliegenden Theile überhaupt offenbar sehr wirkungs- vollen Momente in seinen Tubenursprüngen eingehender zu be- trachten begann und dabei auf schwierige, mannigfachen Compliea- tionen und Variationen unterlegene Verhältnisse gestossen ist. Und trotz der eingehenden allseitigen Behandlung ist doch die Betrach- tung dieses Muskels, glaube ich, nicht vollkommen abgeschlossen, und jede genauere und umfangreichere Untersuchung verspricht, zur Kenntniss der näheren Verhältnisse dieses eigentlichen „Tuben- muskels“ mit Erfolg beitragen zu können, im Vergleich zu wel- chem die anderen nur als Unterstützungskräfte erscheinen müssen. Der Ursprung des Muskels findet statt theils am Keilbeine, theils an dem lateralen Knorpelhaken, theils an dem mittleren Fascienblatt der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale, welches Autr. V, 20), paris pterygostaphylini ext. (de Marchette), pterygopalatinus seu spheno-pterygopalatinus (Cowper Myot. Morgagni), pterygo-staphylinus (Chaussier) — novus tubae Eustachii musculus (Valsalva), musculus tubae novus Valsalvae seu palato-salpingeus (Dougl. Myogr.), salpingo-staphylinus ext., spheno-salpingo-staphylinus (Winslow), spheno-staphylinus, salpingo-staphylinus seu salpingo-palatinus (Santorini), circumflexus palati (Albin, Sömmerring), pe- ristaphylinus ext. (Cruveilhier), pterygo-salpingo-staphylinus, chondro-salpingo- staphylinus (Rüdinger), tensor veli, dilatator tubae, abductor tubae, le muscle ceontourne de la cloison (Lieutaud), umschlagener Gaumenmuskel, Flügel- Trompeten -Gaumenmuskel (Meckel), Trompetenmuskel, Tubenmuskel (We- ber-Liel). 516 Kasimir von Kostanecki: zwischen dem Levator und Tensor verläuft und im oberen Theile die s. g. membranöse Tuba darstellt. Zunächst liegt der Ursprung des Muskels an dem os sphe- noideum. Mit dieser allgemeinen Angabe begnügen sich, finde ich, die meisten Autoren (u. a. auch Tröltsch!) und Luschka))), andere beschränken wiederum das knöcherne Ursprungsgebiet auf eine ganz kurze Strecke und legen auf diese Ursprungsportion ein sehr geringes Gewicht, z. B. Rüdinger!) und Mayer?). Letzterer schreibt: „Der Muskel nimmt fast constant als zweiten Befestigungspunkt und zur Verstärkung seiner Wirkung ein breites Muskelbündel an der unteren Hälfte der äusseren Fläche der medialen Platte des processus pterygoideus, nach innen vom m. pterygoideus internus liegend, auf.“ Auch aus der Beschreibung Weber-Liels?) sowohl bei Schilderung der Ursprünge des Muskels, als auch der oberen Anheftungsweise der äusseren Fascie desselben, geht deut- lich hervor, dass nur „das vordere Drittel der Tuba Eustachii von der obersten Schicht des spheno-salpingo-staphylinus bedeckt ist“, weiter oben aber „das Tubenknorpeldach von Muskelfasern frei ist und diese erst unter der Umkrämpung des Knorpelhakenendes ansetzen.“ Meinen Präparaten zufolge ist die allein richtige Beschreibung die von Henle*) (mit der auch die von Schwalbe?) vollkommen übereinstimmt): „Entspringt mit kurzen Sehnenfasern in einer schräg vor- und medianwärts laufenden Linie‘) von der medialen lc. 2) Studien über die Anatomie des Canalis Eustachii. 3) „Die vordere obere Schicht des spheno-salpingo-staphylinus entspringt in einer Länge von etwa Icm da vom Knochen, wo sich der Scheitel des vorderen Theils der Tuba an diesen mittelst der länger ausgezogenen fibro- cartilago basilaris ansetzt und an dieser selbst, aus einer seichten Furche an der Wurzel der medialen Platte des Gaumenflügels und noch etwa 11/, cm am oberen Theile des hinteren Randes und der inneren Fläche der lam. int. proe. pteryg. bis zu dessen spina herunter und noch etwas rückwärts (soweit die basale Aushöhlung der fossa pterygoidea reicht) an der medialen Wand der spina angularis, also über dem ganzen vorderen frei beweglichen Theil der Tuba.“ 4) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen 1871—1876. 5) Anatomie der Sinnesorgane 1887. 6) Nach Schwalbe etwa 20 mm lang. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 517 Fläche der spina angularis und von der unteren Fläche der hin- teren Nebenwurzel des Temporalflügels, sodann aus einer seichten Furche an der Basis der medialen Platte des Gaumenflügels“ (fossa scaphoidea [Cruveilhier], welche gewöhnlich medianwärts durch den processus tubarius abgegrenzt zu sein pflegt) „und noch eine Strecke weit vom hinteren Rande dieser Platte.“ Da die Band- masse, welche die fissura spheno-petrosa ausfüllt, sich auf den dem Temporalflügel gehörigen Theil des sulcus spheno-petrosus fortsetzt (an verschiedenen Präparaten verschieden weit und in verschiedener Dicke), so greifen die Muskelfasern des spheno- staphylinus gewöhnlich auf diese über, bald mehr bald weniger weit nach oben reichend, weshalb die Grenzen des Muskelur- sprungs nach oben hin in diesem Theile nicht ganz regelmässig sind. Von der fossa scaphoidea ab ist aber die Grenze deutlich gezeichnet durch die scharfe Kante, welche diese Grube nach oben vom foramen lacerum anticum und den foveae asperae scheidet und sodann auf die hintere Kante der lamina interna process. pteryg. übergreift. In dem Gebiete der fossa scaphoidea ent- springt der Muskel eine gewisse Strecke weit von der medialen Platte des processus pteryg., doch findet der Ursprung nur von der lateralen, der fossa pterygoidea zugekehrten Fläche statt und greift niemals auf die mediale Fläche über, so dass der gewöhn- lich lateralwärts gebogene processus tubarius, namentlich wenn er etwas bedeutender ausgebildet ist, den Muskel einigermassen zu- deckt. Doch ist diese dünne gebogene Knochenlamelle nicht etwa über dem Muskel kuppelartig gespannt, sondern sie liegt dem Muskel direkt an, dessen Sehnenfasern sich mit ihrem Periost ver- weben; einige Muskelfasern entspringen sogar direkt von ihrer lateralen Fläche. Nach unten begrenzt den Muskelursprung: das foramen spinosum an der spina angularis, der mediale Rand des foramen ovale, sodann die Leiste, die als Verlängerung desselben am Dache der fossa pterygoidea medianwärts zu dem hinteren Rande der inneren Lamelle (gegen den processus tubarius) in der charakteristi- schen Weise verläuft, die zu der entsprechenden Benennung der Grube Veranlassung gegeben hat; demnach ist hier der Muskel auch nach unten getrennt durch eine scharfe Knochenleiste von der tiefen darunter liegenden fossa pterygoidea resp. dem. m. ptery- goideus internus. 518 Kasimir von Kostanecki: Die von der medialen nach hinten und unten schauenden Fläche der radix posterior des Temporalflüigels und von der fossa scaphoidea entspringenden Theile dieser Muskelabtheilung, die am Knochen sich befestigen, sind ihrer Entwickelung nach unter ein- ander sehr verschieden. Schon beim Vergleich der entsprechenden Knochenflächen am Skelete kann man diesen Unterschied wahr- nehmen; er wird aber noch augenscheinlicher, wenn man sich ver- gegenwärtigt, dass die gewöhnlich breite fossa scaphoidea in ihrer ganzen Ausdehnung bis zu ihren beiderseitigen scharfen Kanten lediglich für den Ursprung des Muskels dient!), während an der medialen Fläche der hinteren Wurzel des Temporalflügels von oben her die fibrocartilago basilaris eine (bisweilen gar nicht unbedeutende) Strecke einnimmt, nach unten dagegen das Bindegewebe, welches in Begleitung der das foramen spinosum und ovale durchsetzen- den Gefässe zum Knochen zieht, sowie das äussere Fascienblatt der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale, welches sich auch da- selbst ansetzt, eine Raumbeschränkung hervorruft, so dass daselbst für den Ursprung des Muskels ein nur ganz schmaler Streifen übrig bleibt. Die hier entspringenden Muskelfasern sind jeden- falls im Vergleich zu denen aus der fossa scaphoidea kommenden nur schwach entwickelt und pflegen erst an der spina angularis zahl- reicher aufzutreten; sie fehlen bisweilen vollkommen, so dass für die Ansicht derjenigen Autoren, die sie vollkommen unerwähnt lassen, thatsächliche Anhaltspunkte angeführt werden könnten. Dass da- gegen die von der fossa scaphoidea entspringenden Fasern stets vor- handen sind, unterliegt für mich keinem Zweifel, so dass ich diese Ursprungsportion entschieden als constant, nicht nur als „fast constant“ (Ladwig Mayer) hinstellen muss, in den meisten Fällen ist sogar dieser Theil so entwickelt (wobei dann gewöhnlich auch am Temporalflügel zahlreiche Fasern ansetzen), dass man geneigt 1) Die Betrachtung der Knochenursprünge des Muskels erklärt wohl zur Genüge, weshalk ich bei Besprechung des Verhältnisses der knorpligen Tuba zur Schädelbasis behauptet habe, dass die Tuba selbst direkt in keiner Beziehung zu der fossa scaphoidea steht, und weshalb ich die Bezeichnung derselben als fossa tensoris palati für zulässig, die Bezeichnung fossa tubae Eustachianae für geradezu falsch erklärt habe. Ebenso unrichtig wäre es, die Vertiefung an der radix posterior des Temporalflügels sulcus tubae Eustachianae zu nennen, der Name sulcus tensoris veli ist aber den topogra- phischen Beziehungen nach auch nicht ganz entsprechend, wenigstens nicht für alle Fälle. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 519 sein könnte, den Hauptursprung des spheno-salpingo-staphylinus an den Knochen zu verlegen. Am Skelet findet man bisweilen, dass die fossa scaphoidea von der fossa pterygoidea gar nicht ge- trennt ist, sondern die beiden Platten des Gaumenflügelfortsatzes eine einzige ununterbrochene tiefe Grube zwischen sich fassen, woraus man auf den Mangel des Ursprungs des spheno-salpingo- staphylinus am oberen Theile der fossa pterygoidea zu schliessen versucht sein könnte; da ich indess derartige Fälle am Skelete öfters fand, die bezüglichen Fasern des tensor veli aber nie ver- misst habe, so glaube ich, dass in diesen Fällen nur die Trennung des Ursprungsgebiets des spheno-salpingo-staphylinus von dem des pteryg. int. vermittelst einer Knochenleiste unterblieben ist. Bezüglich des Ursprungs vom Knochen sei noch darauf hin- gewiesen, dass bisweilen der Muskel auf die untere Fläche der pars petrosa ossis temporum sich fortsetzt, indem daselbst Fasern an das mediale Ende der knöchernen Tuba sich anheften (Tröltsch, Lieutaud, Theile-Sömmerring, Rebsamen); auf diese Weise kommen die Ursprünge des spheno-salpingo-staphylinus noch mehr, als gewöhnlich, in unmittelbare Nähe des petro-salpingo- staphylinus zu liegen. Das zweite Ursprungsgebiet des Muskels, dessen Betrach- tung uns vorwiegend Aufschluss geben kann über den wich- tigen Einfluss, den der Muskel auf die Tuba ausübt, liegt am Knorpel der Tuba. Der Muskel entspringt hier in dünner, aber starker, wohlausgeprägter Faserlage regelmässig von der ganzen Länge des lateralen Knorpelhakens; nach unten hin gilt dies frei- lich nur soweit, als vor dem Knorpelhaken der vom Knochen ent- springende Theil des Muskels liegt, ausgenommen bleibt also in dieser Beziehung der unterste Theil des lateralen Knorpelhakens, der am processus tubarius befestigt ist und weiterhin die mediale Platte des processus pterygoideus nach den Choanen zu überragt, im ganzen also eine Strecke von etwa Amm. Die Fasern des Mus. kels ziehen aber nicht nur an den unteren stumpfen Rand des Knorpelhakens, sondern greifen auch eine kurze Strecke weit auf seine äussere vordere Fläche über, indem sie sich in einer dünnen Lage nach oben durchdrängen, um mit der convexen Fläche desumgekrämpten Knorpelrandeszu verwachsen (Henle, Rüdinger, Schwalbe). Aeusserlich betrachtet stellen die vom lateralen Knorpei ent- 520 Kasimir von Kostanecki: springenden Bündel des Muskels gleichsam die unmittelbare Ver- längerung des Knorpels dar, so dass der stumpfe untere Rand der lateralen Knorpelplatte im Verein mit der membranösen Tuba resp. mit der inneren Fascie des tensor veli (fascia salpingo-pharyngea von Tröltsch), eine vollkommene Halbrinne zur Aufnahme dieser Ursprungsportion des Muskels bildet. Diese Ursprungsportion liegt, wie ich schon oben erwähnt habe, um mehrere, bisweilen sogar 5mm, tiefer, als der von der fossa scaphoidea entspringende Theil des Muskels. Es ist nicht schwer, sich an jedem Präparate davon zu überzeugen: wenn man das Dach des Knorpels von der fibrocartilago abtrennt, dann den lateralen Knorpelhaken sammt seinem Perichondrium abhebt und nur den untersten Theil desselben, an dem vorwiegend die Muskel- fasern ihren Ursprung nehmen, als einen nicht mehr wie lmm. breiten Streifen übrig lässt, so sieht man oberhalb desselben die an den Knochen sich ansetzende, theilweise auf die fibrocartilago übergreifende oberste Faserschicht des Muskels, deren Oberfläche ein glänzend aponeurotisches Aussehen darbietet. | Auch die vom Knorpelhaken entspringende Muskelportion ist einige mm weit hin von ausgesprochen sehniger Natur; der Zu- sammenhang zwischen dem Muskel und dem Knorpelhaken ist eben dadurch hergestellt, dass die einzelnen Sehnenfasern mit dem Periehondrium sich aufs innigste verweben und verschmelzen. Rüdinger!), Ludwig Mayer?, Gruber?) kennen nur die eben angegebenen Ursprünge des Muskels und leugnen entschieden den Ursprung von der häutigen Tuba (resp. der inneren Fascie des tensor®), den Tröltsch?°), Luschka®), Weber- 1) Ein Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Tuba Eustachii (Baier. ärztl. Intelligenzblatt 1865, Nr.37) und Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histiologie der Ohrtrompete. München 1870. 2) Studien über die Anatomie des Canalis Eustachii. München 1866. 3) Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Wien 1870. 4) Einige Autoren (Luschka, Tröltsch u. a.) unterscheiden beson- ders Ursprünge von der „membranösen Tuba“ und besonders Ursprünge „von der fibrösen Lamelle, die von Tröltsch fascia salpingo-pharyngea genannt wurde“; diese Theile sind aber, wie wir weiter unten sehen werden, identisch, so dass ich diesen Unterschied nicht beibehalten konnte. 5) Beiträge zur anatomischen und physiologischen Würdigung der Tuben- und Gaumenmuskulatur. (Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. I.) 6) Schlundkopf des Menschen. j Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 521 Liel!) aufs Bestimmteste vertheidigen. In neuerer Zeit hat diese Frage dureh die Untersuchung Urbantschitsch’s eine Lösung erfahren, indem er nachwies, dass keiner dieser beiden Ansichten eine ausschliessliche Geltung zukomme, da dieser Ursprung that- sächlich in einzelnen Fällen fehlt, in der Regel jedoch eine Anzahl von Fasern des tensor veli von dem membranösen Theile der Tuba (und zwar nieht etwa nur durch Bindegewebe mit dieser verbunden) entspringt. Am häufigsten mag wohl der Ursprung der Fasern von der Fascie in dem unteren pharyngealen Theile fehlen, obgleich von Tröltseh und Luschka ihn auch da deutlich ausgegrägt gefunden zu haben behaupten; je näher der knöchernen Tuba aber, wo der oberste Theil der Faseie (die membranöse Tuba der üblichen Be- zeichnung nach) eine immer derbere, schliesslich selbst fibrocartila- ginöse Beschaffenheit annimmt, tritt der Fascien-Ursprung des Muskels immer deutlicher hervor, indem viele starke sehnige Fasern an den dem lateralen Knorpelhaken zunächst gelegenen Abschnitt der- selben, bis zu deren Ansatz am Knochen, herangehen. WennRüdinger schreibt: „Für die menschliche Tuba unterliegt es keinem Zweifel, dass der dilatator tubae keinen direkten Uebergang in die Schleim- haut zeigt; selbst in Fällen, wo es scheint, .. .... ergeben Durch- schnitte ein isolirtes Knorpelstückchen, welches durch derbes Ge- webe mit der Hakenspitze in Verbindung steht“, so lässt sich diese Angabe mit den Beschreibungen andrer Autoren auch in Einklang bringen, da bekanntlich die membranöse Tuba im oberen Theile nicht nur häufig, sondern sogar meist insuläre cartilaginöse Bestandtheile aufweist; andrerseits wurde aber nur hervorgehoben, dass die Sehnenfasern an die membranöse Tuba (se. an die Fascie) heran- treten, nicht aber, dass sie sich in der Schleimhaut verlieren, was trotzdem, dass die Fascie mit der Submucosa der das Lumen der Tuba auskleidenden Schleimhaut innig verwachsen ist, doch wesent- lich verschieden ist. Dass dagegen im übrigen, namentlich im pharyngealen Ende, der Zusammenhang zwischen dem Muskel und der Faseie nur durch kurze Bindegewebsbündel vermittelt wird, welche sich wesentlich in ihrer Anordnung von der Muskelsehne unter- scheiden lassen, wie Rüdinger hervorhebt, ist gewiss stichhaltig 1) Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progres- siver Schwerhörigkeit. Berlin 1873. 522 Kasimir von Kostanecki: und leicht an jedem Präparate zu beweisen. Die Worte Henle’s aber, auf die sich Rüdinger bei der Vertheidigung seiner An- sicht beruft, „dass die Sehne der ganzen Länge nach der häutigen Tubenwand nur anliege und mit dem oberen Rande derselben fest verwebt sei“, möchte ich als einen Gegenbeweis ansehen und sie gegen die Ansicht Rüdinger’s in’s Feld führen; ist nämlich die „Verwebung‘ der Sehne eines Muskels mit einem anderen Gewebe nicht gerade dasjenige, was wir seinen „Ursprung“ oder seine „Insertion‘ nennen ? - Ein ähnliches Verhalten, wie seiner inneren Fascie gegenüber, zeigt der Muskel auch zu seiner äusseren Fascie. Grösstentheils mit ihr locker verbunden, setzt er sich im obersten Tubendrittel init mehreren starken Sehnenfasern an sie an. Es ist das Verdienst Weber-Liel’s, auf diese Ursprungsportion, welehe wegen ihrer verdeckten Lage und ihrer sehwierigen Zugänglichkeit bisher ver- borgen geblieben ist, aufmerksam gemacht zu haben. Der Muskel verläuft von den angegebenen Ansatzpunkten, in der fossa pterygoidea auf der medialen Fläche des pterygoideus internus ruhend, vertikal nach unten?!) und, indem die breit begin- nenden Muskelbündel nach dem hamulus pterygoideus in sagittaler Richtung convergiren, erhält der Muskel die Form eines plattge- drückten Dreiecks, dessen obere Kathete der Tuba entlang, die vordere, die mit der oberen einen nahezu rechten, nur sehr wenig stumpfen Winkel bildet, an der medialen Lamelle des processus pterygoideus entlang läuft, während der untere, hinterescharfe Rand ?) 1) Die Faserrichtung des Muskelbauches bildet einen spitzen Winkel mit der Richtungslinie des knorpligen Tubenabschnitts. Rüdinger sagt: „Der Winkel, den der Muskel mit der Tuba, speciell mit der medialen Knor- pelplatte bildet, ändert sich etwas vom Pharynx nach der tuba ossea hin. In der Nähe des ostium pharyngeum ungefähr X 58°, oben 30—35°.* (Bei- träge zur vergleichenden Anatomie und Histiologie der Ohrtrompete. Mün- chen 1870.) 2) Der Bemerkung Schwalbe’s, dass diese Kante parallel dem unteren Rande der medialen Platte des Tubarknorpels schräg von hinten und oben nach vorn und unten verläuft, kann ich nicht beistimmen; einen solchen pa- rallelen Verlauf könnte man höchstens für das untere Drittel, nämlich für den bekanntlich stark nach unten geneigten Rand des sog. Knorpelwulstes zulassen, für die oberen zwei Drittel gilt dies aber in keiner Weise, viel- mehr kreuzt sich der untere Rand der medialen Platte mit dem hinteren Rande des Muskels, und zwar unter einem nicht einmal sehr spitzen Winkel. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Faseien. 523 des Muskels, der 35—40 mm lang sein mag, die Hypotenuse ausmacht. Die Muskelfasern werden schon in einer Entfernung mehrerer mm von dem hamulus pterygoideus sehnig und sammeln sich zu einer relativ schmalen (nur bis höchstens 4—5mm breiten), aber starken platten, nicht, wie gewöhnlich angegeben wird, spindel- förmigen Sehne, die sich um die überknorpelte concave Fläche des hamulus (den s. g. suleus hamuli pterygoidei) unter einem beinahe rechten Winkel windet und dann medianwärts in einer fast ho- rizontalen Richtung (nur ganz wenig nach aufwärts aufsteigend) im Gaumen verläuft. Demnach hat der Muskel zwei Portionen: eine herabsteigende oder vertikale, zum überwiegenden Theile muskulöse, und eine horizontale, sehnige. Bei vielen Autoren (Luschkab), Krause?), Rebsamen!), Sappey?), Gegenbaur)®) finde ich erwähnt, dass die Sehne des tensor an der Umschlags- stelle über einen Schleimbeutel 5) gleitet. Ich muss gestehen, dass ich mich niemals von der Existenz eines solchen überzeugen konnte, (Weber-Liel hat an seinen Präparaten auch nie einen solchen gesehen), vielmehr sah ich immer die Sehne verlaufen in einer Rinne, die, ausser vom Knorpel des suleus hamuli pterygoidei, ge- bildet wurde durch die beiden den Muskel umgebenden Faseien. Vielleicht täuschte der weiche Knorpel und das lockere von Fett durchwachsene Gewebe der Fascien (namentlich der inneren) das Bild eines Schleimbeutels vor. Jenseits des hamulus pterygoideus breitet sich die Sehne des tensor veli abermals aus, um an dem hinteren Rande des harten Gaumens zu inseriren, woselbst sie aufs innigste mit dem Periost desselben verschmilzt und so gleichsam eine fibröse Fortsetzung des harten Gaumens darstellt. Dabei strahlen die Bündel, soweit sie sich einzeln verfolgen lassen, in der Weise aus, dass die oben vor der Umschlagsstelle am tiefsten entsprungenen und am meisten medial gelegenen Fasern in dem palatinalen Theile am meisten Dalese: 2) Handbuch der menschlichen Anatomie 1879. 3) Traite d’anatomie descriptive. Paris 1879. 4) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1887. 5) In die Litteratur zuerst eingeführt von A. Monro (Description of all bursae mucosae of the human body. London 1788) als bursa mucosa ve- sicularis musculi circumflexi palati. 524 Kasimir von Kostanecki: lateral zu liegen kommen, und umgekehrt; die von der lateralen knorpligen Tuba entsprungenen Fasern also, die im vertikalen Theile des Muskels am meisten oberflächlich-medial lagen, setzen sich lateral an den hinteren Gaumenrand an in einer mehr sagittalen Richtung, die anderen Fasern verlaufen an den hinteren Rand des knöchernen Gaumens in einer diagonalen Richtung, welche sich nach der spina nasalis posterior zu immer mehr der frontalen Ebene nähert, wobei die am meisten lateralwärts entspringenden Bündel (also die von der Gegend der spina angularis) den weitesten Bogen beschreiben. Die Mehrzahl der Fasern fliesst aber in der Mittellinie des weichen Gaumens zusammen an der in der Verlänge- rung der spina nasalis posterior verlaufenden raphe palati mollis. Diese sehnige Ausbreitung des m. spheno-salpingo-staphylinus bildet die gewöhnlich unter dem Namen: Gaumenaponeurose!) beschriebene Grundlage des oberen Theils des weichen Gaumens?), und stellt im Ganzen eine breite, nur mässig dieke, beinahe viereckige Platte dar, die nur das obere vordere Drittel der ganzen 1) Fibröser Saum des Gaumens, aponeurosis palatina, aponevrose, couche fibreuse, plan fibreux du voile du palais, 2) Diese Auffassung steht in Widerspruch zu der Ansicht Tillaux’s, dem ich nicht beistimmen kann, wenn er sagt: „La lame fibreuse occupe en- viron le tiers auterieur de la longueur totale du voile.. On l’a quelquefois decrite comme &tant l’&panouissement du tendon du muscle peristaphylinexterne, mais celan’estpasexacte:elle constitwe sun? plansınndependantyderfeie musteler 22..%a verite est que le tendon du peristaphylin externe vient y prendre insertion et qu’elle constitue pour ce muscle le veritable point d’insertion fixe“ (p. 309). Richtiger scheint mir die Auffassung, welche er an einer anderen Stelle über diesen Gegenstand ausspricht: „Il semble au toucher (sc. pratiqu& soit avec le doigt, soit avec un instrument) que la portion osseuse de la voute palatine se continue un bon centimetre de plus en arriere que cela n’a lieu en rea- Iite)ensuee ARE J’ai recherche la cause de cette illusion, et il m’a &te facile & constater qu’elle &tait due ä& la presence de l’aponevrose palatine; celle-ci, fortement tendue d’une apophyse pterygoide A l’autre, continue le plan osseux et se termine en arriere par un rebord net et tranchant sur lequel le doigt eprouve un petit ressaut absolument comme sur un rebord osseux. Cette apone&vrose recoit letendon du p&ristaphylinexterne, dontelle peutälarigueur &treconsider&ecommel’&pa- nouissement. Il resulte de cette disposition, qu’au toucher le voile du palais ne se distingue de la voüte qu’ä& un centimetre et demi & peu pres en arriere de son origine reelle“ (p. 139). Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 525 Länge des weichen Gaumens einnimmt, nach vorn sich in der an- gegebenen Weise an den hinteren Rand des harten Gaumens an- setzt, nach hinten dagegen sich in dem dieken Drüsen- und Mus- kellager verliert. Oben liegt sie unmittelbar unter der Schleimhaut, mit der sie fest verwachsen ist, nach unten dagegen umgiebt sie eine dicke Drüsenschicht. Der oben erwähnte Zusammenstoss der beiderseitigen Sehnenausbreitung trägt in hohem Grade zur Ver- stärkung der in der Mittellinie des weichen Gaumens verlaufen- den raphe palati mollis bei — jenes bandartigen fibrösen Streifens, welcher von dem Gewebe der sog. Raphe des harten Gaumens (sutura eutanea palati duri (Luschka)) entsteht und gegen die Spitze des Zäpfehens ausstrahlt; während also diese Raphe (septum veli palatini)!) im ganzen höchstens Imm breit ist, ist sie in der Gegend der Sehnenausbreitung voluminöser und verliert sich seit- wärts auch ohne deutliche Grenze in dieselbe. Mit der Aponeurose des tensor veli, namentlich gegen die Raphe hin, stehen alle im Gaumensegel verlaufenden Muskeln in Verbin- dung. In der Mittellinie, nahe der spina nasalis posterior, nimmt der azygos uvulae mit mehreren Sehnenfasern an ihr seinen Ur- sprung, von beiden Seiten treten an sie die petro-salpingo-staphy- lini, sowie die pars thyreo-palatina und pharyngo-palatina des m. thyreo-pharyngo-palatinus, und von unten erreichen sie Fasern des glosso-palatinus, die zwischen den pharyngo-palatini und den Bündeln der Levatoren in die Höhe dringen, um mit sehr dünnen, platten, sehnigen Enden sich in ihr zu verlieren. Neben dieser regelmässigen palatinalen Insertion weist der tensor veli noch mehrere andere Insertionsarten auf, die aber, einige namentlich, selten sind und dann stets nur einige Bündel betreffen, die sich von der Hauptsehne ablösen. Und zwar ge- schieht dies noch, ehe sich die Sehne um den hamulus pterygoideus windet, so dass die Bündel noch in dem vertikalen Theile in der Nähe des unteren Endes der fossa pterygoidea entweder an den Knochen inseriren oder in die daselbst liegenden Fascien übergehen, zum geringen Theil aber auch mit den in der Nähe liegenden Muskeln in Verbindung treten. 1) „Obwohl er nicht die ganze Dicke des Gaumensegels durchsetzt, son- dern schon bald in gewöhnlichen Zellstoff übergeht, mag es doch gestattet sein, ihn nach Analogie des gleichnamigen Gebildes der Zunge als septum veli palatini aufzuführen“. (Luschka, Schlundkopf des Menschen.) 526 Kasimir von Kostanecki: Die an dem Knochen inserirenden Bündel können ihre An- griffspunkte nur in dem oberen Theile haben, und in der That entspringen auch derartige Bündel beinahe ausschliess- lich von beweglichen Tubenpartien, also vor allem dem lateralen Knorpelhaken und der anstossenden membranösen Tuba; sie müssen naturgemäss einen starken Zug auf diese Theile ausüben und die Abhebung der lateralen Tubenwand von der medialen in wirksamer Weise zu Stande bringen. Die in die Fascien ausstrahlenden Bündel dagegen können bei der Zusammenziehung des Muskels ihre Wirkung nur auf diese übertragen, müssen also als Spann- muskeln der Fascien aufgefasst werden. Die Wirkung der dritten Gruppe von Fasern, die in die in der Nähe liegenden Muskeln übergehen, ist wohl eine untergeordnete, obgleich bei der Zusammen- ziehung der betreffenden Muskeln eine Uebertragung des Zugs auf den tensor veli und dadurch eine gewisse Verstärkung seiner Thätigkeit erfolgen muss. Diese accessorischen Ansätze des Muskels finden nun im Einzelnen in folgender Weise statt: Einige Fasern reichen gar nicht bis zu dem hamulus ptery- goideus, sondern setzen sich bereits mehrere mm höher an den hinteren Rand der medialen Platte des processus pterygoideus an. Ich finde diese Fasern speciell nirgends erwähnt, habe aber in einigen Fällen Gelegenheit gehabt, sie zu beobachten. In einem sehr schön ausgebildeten Falle dieser Art gingen die Fasern vom lateralen Knorpelhaken vor seiner Anheftung an den processus tubarius, einige mm einnehmend ab, sammelten sich zu einem bei- nahe rundlichen Bündel, das mit einer starken rundlich-spindel- förmigen Sehne sich dem scharfen hinteren Rande der lamina interna anschmiegte und schliesslich mit seinem Periost verschmolz, noch 3—4 mm vor dem hamulus pterygoideus. Diese Fasern sind naturgemäss kurz, ungefähr 10—12 mm lang, und sind jedenfalls die kürzesten von allen Muskelbündeln des Tensor, können jedoch wegen der guten Entwicklung der Muskelbündel und der Stärke der Sehne gewiss einen starken Zug auf den lateralen Knorpel ausüben. Andere Sehnenfasern lösen sich in der unmittelbaren Nähe des hamulus pterygoideus ab und inseriren an den oberen Rand der ineisura pterygoidea an der äusseren Seite der inneren La- melle des Flügelfortsatzes; es betrifft dies entweder ganz verein- Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 527 zelte Sehnenfasern, oft genug aber auch ziemlich mächtige Sehnen- bündel, ähnlich wie in den beiden von Urbantschitsch!) er- wähnten Fällen. Zuerst erwähnt wurden diese Fasern von Wins- low?), der an die Beschreibung des Muskels die Bemerkung an- fügt: „duas hasce portiones tanquam duos peculiares musculos considero, quorum unus non nisi ad tubam dilatandam, portio seilicet, quae apophysi pterygoideae annectitur, quaeque pterygo- salpingoidaeus vocari posset, inservire videtur. Altera portio verus spheno-staphylinus est.“ Am häufigsten ist die Insertion an dem hamulus pterygoideus. Solche Fälle wurden schon mehrfach von den verschiedensten Autoren erwähnt, in letzter Zeit von Henle, Luschka, Rebsamen, Urbantschitsch bestätigt; Weber-Liel spricht sogar die Vermuthung aus, ob nicht in der Regel ein sehr schwacher Theil der Portion des Muskels, die vom lateralen Knorpelhaken ihren Ursprung nimmt, am hamulus pterygoideus inserirend ende, glaubt dies aber bestimmt von den Fasern behaupten zu können, welche als die dritte von ihm be- schriebene Portion (s. unten) vom hinteren nahe der knöchernen Tuba zu gelegenen Drittei der Tuba vom lateralen Knorpelhaken und mehr noch von der membranösen Tuba entspringt. Indessen kann ich diesen Befund nicht als einen regelmässigen ansehen, obgleich er gar nicht selten, vielleicht sogar in der Mehrzahl der Fälle vorhanden ist, und eine solche Einrichtung für die Eröffnung der Tuba, namentlich im oberen Theile, a priori höchst zweck- mässig erscheinen muss. Beinahe ebenso oft sieht man die Sehne des tensor veli, ohne irgend ein Bündel abzugeben, sich um den hamulus winden; meinen Präparaten zufolge schliesse ich mich in dieser Beziehung vollkommen der Ansicht Urbant- schitsch’s an. Die in die Fascien ausstrahlenden Bündel kann man in drei Gruppen eintheilen, da am hamulus pterygoideus drei Fascien- blätter zusammentreffen, und in jedes derselben Sehnenfasern des Muskels übergehen. So schickt die Sehne zunächst einige Fasern an die innere 1) Zur Anatomie der Tuba Eustachii des Menschen. (Jahrbuch der Gesellschaft Wiener Aerzte. 1875.) 2) Expositio anatomica structurae corporis humani. Francofurti et Lipsiae. 1753. 528 Kasimir von Kostanecki:; Fasecie des Muskels (fascia salpingo-pharyngea v. Tröltsch, fascia salpingo-pterygo-staphylina Weber-Liel) an der Stelle, wo diese an die concave vordere Fläche des hamulus sich ansetzt. Bisweilen sieht man einzelne Fasern in die den Muskel äusser- lich bedeckende Fascie ausstrahlen, und zwar beginnt die Verschmel- zung der äusseren Fläche des Muskels mit der inneren der Tuben- aponeurose (Weber-Liel) schon von der Stelle an, wo der Muskel äusserlich sehnig zu werden beginnt. Andere Sehnenfasern lösen sich an der Stelle, wo die Sehne im Begriffe ist, sich um den hamulus zu winden, von deren unterem convexen Rande ab und strahlen nach abwärts in die äussere Fascie des Pharynx (fibröse Haut des Pharynx der Autoren), welche die untere Verlängerung der vereinigten äusseren und inneren Fascie des tensor veli ist, aus; und zwar gilt dies sowohl von denjenigen Fasern, welche die sehnigen Ausläufer der vom Knochen entsprin- senden Muskelbündel sind, als auch theilweise von denjenigen, die vom lateralen Knorpel ihren Ursprung nehmen. Luschka gibt an, dass der in die Fascie ausstrahlende Sehnenzipfel oft mit Fleischbündeln untermischt sei. Einige Autoren erwähnen einen Uebergang der Sehnenfasern des tensor veli in die Fascie des Buceinator; da jedoch grade lateralwärts vom hamulus pterygoideus die Stelle ist, wo die äussere Pharynxfascie in die fascia bucealis übergeht (weshalb der Fascienabschnitt den Namen fascia bueco- pharyngea erhalten hat), so sind diese Sehnenfasern identisch mit den in die äussere Pharynxfascie ausstrahlenden, und eine beson- dere Erwähnung derselben mag nur die Bedeutung haben, dass sie darauf hinweist, dass dieselben einmal mehr lateralwärts, ein ander- mal mehr nach hinten ausstrahlen. Was die Muskeln, mit denen Selnenfasern des Tensor in Ver- bindung stehen!), anbetrifit, so wird von Theile?) zunächst er- 1) Wenn Krause schreibt: „Auch soll es vorkommen, dass der Muskel ein Verstärkungsbündel vom pteryg. int. erhält“, was also noch im vertikalen, absteigenden Theile des Muskels stattfinden müsste, so muss ich bemerken, dass ich weder selber ein derartiges Bündel gesehen habe, noch auch dies- bezügliche Litteraturangaben gefunden habe. 2) Samuel Thomas Sömmerring: Vom Baue des menschlichen Körpers. Leipzig 1844. Bd. II. Abth. 1. Lehre von den Muskeln von Fr. W. Theile. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 529 wähnt, dass die Sehne zuweilen ein Bündel zum Buceinator ab- geben soll, wovon ich mich jedoch an meinen Präparaten nicht überzeugen konnte. Dagegen fand ich öfters einen Uebergang von Sehnenfasern des tensor veli in den am hamulus pterygoideus entspringenden Theil des constrietor pharyngis supremus, in den pterygo-pharyngeus; dieser nimmt häufig mit einer zarten schwa- chen Faserschicht von der Sehne des tensor seinen Ursprung da, wo diese eben im Begriffe ist, sich um den hamulus zu winden, oder in der Gegend der Ausstrahlung derselben in die fibröse Haut des Pharynx (Henle, Luschka, Weber-Liel) Henle vermuthet, dass diese Fasern es sind, die dem von Tourtual an- geführten levator minor palati mollis!) entsprechen. 1) Bezüglich des levator palati mollis anterior s. minor (sive pterygo-palatinus, Fligelgaumenmuskel, vorderer oder kleiner Gaumenheber, ein neu entdecktes Muskelpaar an den hinteren Nasenöffnungen) sei erwähnt, dass Tourtual unter diesem Namen einen Muskel beschrieb, der nach ihm klein, aber deutlich vorhanden sein soll und von der Nasenschleimhaut da, wo sie von der äusseren Wand der Nasenhöhle auf die Seitenwand der Rachen- höhle übergeht (in der plica salpingo-palatina), verborgen wird. Er entspringt mit einer vorderen kurzen breiten Portion, die vom hinteren unteren Theile der inneren Fläche des Gaumenbeinblattes, mit einigen Bündeln auch von der sich auf die Beinhaut der Nasenhöhle fortsetzenden inneren Fascie des Gau- menspanners kommt und hinter dem harten Gaumen absteigend fleischig wird ; er verläuft dann breiter werdend gegen das Gaumensegel und tritt unmittelbar hinter dem harten Gaumen in den vorderen äusseren Theil desselben ein, woselbst er in eine dem harten Gaumen zunächst liegende kurze Aponeurose übergeht, welche mit der Aponeurose des circumflexus palati verschmilzt. Die zweite Portion liegt nach aussen von der plica salpingo-palatina an der inneren Fläche des inneren Gaumenflügels und erstreckt sich nach oben bis zum Knorpel hinauf, dessen oberen Rand sie bald erreicht, und geht an die Aponeurose des Gaumenspanners. Unmittelbar hinter den letzten Fasern des Muskels entspringt von dem grössten Theile der Länge des Flügelhakens bis zur Spitze hin der m. pterygo-pharyngeus, welcher mit einigen Bündeln eben- falls am inneren Flügel hinaufreicht, aber viel breiter, als die hintere Portion ist und seine Richtung nach rückwärts nach der Hinterwand des Schlund- kopfes hin nimmt. Eine deutliche Trennung zwischen ihm und der hinteren Portion ist aber nicht vorhanden, und ersterer bildet daher mit dem neuen Muskel ein Continuum, dessen oberer Theil in den weichen Gaumen, der untere an den Pharynx sich begibt. Tourtual betont, dass der Muskel ein beständiger ist, da er ihn an sechs zu diesem Zwecke untersuchten mensch- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 34 530 Kasimir von Kostaneckiı: Nicht gegen das Insertionsende, sondern an seinem Ursprung, und zwar in der Nähe der knöchernen Tuba, findet zwischen dem spheno-salpingo-staphylinus und dem m. tensor tympani (m. mallei internus) ein Zusammenhang statt, der längere Zeit hindurch Gegenstand von eingehenderen Controversen gewesen ist. Dieser Muskel entspringt sehnig noch innerhalb des nach ihm benannten Knochen -Kanals von der inneren Wand des- selben, sodann medianwärts mit langen und starken Sehnen- fasern an dem Dach des Tubenknorpels sowie an der äusseren Fläche des lateralen Tubenknorpels bis an den unteren Rand des- selben, ferner von dem angrenzenden Theile des grossen Keilbein- flügels (nach Weber-Liel an der den Muskel äusserlich decken- den fibrösen Haut (Fascie) sowie der fibrocartilago basilaris), nach lichen Köpfen an beiden Seiten gefunden habe. — Ich habe absichtlich einen aus- führlichen Auszug aus der übrigens sehr genauen und eingehenden Beschrei- bung Tourtual’s gegeben, um durch Vergleichung die Entscheidung zu er- möglichen, ob in der That dieser von Tourtual beschriebene Muskel dem oben angegebenen Muskelbündel entspricht. Meiner Ansicht nach entspricht in der That der Muskel demjenigen Theile, der nach Tourtual an den Pharynx sich begiebt; was dagegen den sich zu dem weichen Gaumen be- gebenden Theil betrifft, so scheint er mir, je öfter ich die Beschreibung von Tourtual lese, dem oben von mir erwähnten vordersten Bündel des palato- pharyngeus zu entsprechen, und da Tourtual zudem noch erwähnt, dass sein Muskel gegen den Knorpel hin sehnig entspringt, so glaube ich, dass es sich in den Fällen um eine deutliche Ausbildung des ligamentum salpingo- palatinum ant. gehandelt haben mag. In der Beschreibung Tourtual’s finde ich manche Anhaltspunkte für eine solche Auffassung; ich glaube sogar, dass nur durch Zuhilfenahme des oberen Bündels des pterygo-pharyngeus und des zum lateralen Knorpel ziehenden Bündels des palato-pharyngeus oder der ligam. salpingo-palatina ant. die Beschreibung Tourtual’s verständlich wird, denn sonst lässt sich keine andere Erklärung dafür ausfindig machen. Sehr unwahrscheinlich scheint mir die Auslegung von Macalister (Transactions of the royal Irish Academy. Vol. XXV. 1872), der ihn für eine Portion des m. levator veli palatini halten soll nach Krause (Anatomische Varietäten 1850). Dass wirklich ein besonderer zweiköpfiger Muskel daselbst vorliege, davon konnte ich mich niemals überzeugen, auch finde ich bei keinem sonsti- gen Verfasser eine diesbezügliche Angabe; selbst Merkel (Anatomie und Physiologie des menschlichen Stimm- und Sprachorgans. Leipzig 1857), der sonst bei den Beschreibungen der Verhältnisse des cavum pharyngo-nasale sich fast wörtlich an Tourtual hält, schreibt: „ich habe mich von der Existenz dieses Muskels noch nicht in bestimmter Weise überzeugen können.“ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 531 Helmholtz!), Henle?), Luschka?) auch von der unteren Fläche des pyramidalen Theils des Felsenbeins. Ausser diesen regel- mässigen Ursprüngen erhält der Muskel noch ein Verstärkungs- bündel, indem sich im obersten Theile der knorpeligen Tuba un- mittelbar vor ihrer Vereinigung mit der knöchernen Tuba ein- zelne Fasern des tensor veli palatini loslösen, an der äusseren Fläche des lateralen Knorpelhakens emporsteigen und sich zu den Sehnenbündeln des tensor tympani begeben. Dieser Zusammen- hang wurde zuerst von Rüdinger*) gefunden und von ihm ebenso wie von Rebsamen?°) und Ludwig Mayer?) als „eine constante Anordnung, welche sich nur in verschiedenen Graden zeigt,“ angesehen. Weber-Liel sagt dagegen: „Mir selbst wollte es nie gelingen, den von verschiedenen Autoren be- haupteten Zusammenhang einzelner Fleischfaserzüge des m. tensor veli mit solchen des tensor tympani nachzuweisen“”). Es ist wiederum das Verdienst Urbantschitsch’s®) gezeigt zu haben, dass diese differirenden Angaben in Folge eines thatsächlich ver- schiedenen anatomischen Verhältnisses entstehen, indem in man- chen Fällen eine Verbindung der beiden Muskel de facto besteht, ein andermal wiederum zweifellos fehlt. An einem Präparate Urbantschitsch’s „gingen nicht nur einzelne Fascikel, sondern die spindelförmige Sehne des tensor tympani in toto in den mitt- 1) Die Mechanik der Gehörknöchelchen (Archiv f. Physiologie. Bd. I. 1863). 2) Handbuch der systematischen Anatomie. 1871—76. 3) Anatomie des Menschen. 1867. I. 8. 457. 4) Ein Beitrag zur Anatomie und Histologie der Tuba Eustachii. (Baier. ärztl. Intelligenzblatt 1865, Nr. 37.) 5) Zum Mechanismus der Tuba Eustachii. (Monatsschr. f. Ohrenheilk. II. 1868. Nr. 3.) 6) Studien über die Anatomie des Canalis Eustachii. München 1868. 7) Auf die weitere Bemerkung Weber-Liel’s: „ein solcher mag vor- kommen, aber kann dann nur statthaben, wenn die Tubenfascie sich nicht, wie es mir jedoch die Regel zu sein scheint, fest in die das knorplige Tubendach von der äusseren häutigen Tubenwand scheidende Rinne einsenkt; durch letzteren Umstand werden nämlich die letzten Endausläufer beider Muskelfaserzüge durchaus getrennt und gehindert, in einander überzugehen“* — können wir erst bei Betrachtung der äusseren Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo- nasale eingehen. 8) Zur Anatomie der Tuba Eustachii des Menschen. (Jahrbücher der Gesellschaft Wiener Aerzte. 1875. p. 39.) 539 Kasimir von Kostaneckı: leren Muskelbauch des tensor veli über, so dass in diesem gewiss sehr merkwürdigen und bisher noch nicht beobachteten Falle der tensor tympani mit der mittleren Portion des tensor veli wirklich als ein biventer aufgefasst werden könnte.“ Rüdinger hat so- gar an Flächenpräparaten und Querschnitten direkt den Uebergang der quergestreiften Muskelfasern aus dem einen Muskel in das Gebiet des anderen beobachtet. — „Sehr natürlich erscheint bei dieser Sachlage“, — meint Schwalbe!) — ‚dass beide Muskeln aus gemeinschaftlicher Quelle innervirt werden, nämlich aus dem motorischen Theile des Trigeminus, durch Vermittlung des Gang- lion oticum. Weber-Lielmacht darauf aufmerksam, dass der m. Tensor veli pal. bei einer näheren Betrachtung nicht als ein einfacher, son- dern als ein zusammengesetzter erscheint und zwar bestehend aus drei Lagen, die durch Ursprung, Verlauf und theilweise auch Endansatz unterschieden sind und an einigen Präparaten so gut ausgebildet sefunden worden sind, dass verschiedene Muskeln einer convergi- renden Muskelgruppe vorzuliegen schienen. Als die erste vordere oberste Schicht bezeichnet Weber-Liel diejenigen Fasern, welche vom Knochen über dem vorderen beweglichen Theile der Tuba entspringen, und deren Muskelfasern zu einer starken Sehne vereinigt sich um den hamulus pterygoideus herumschlingen und theils in die fascia salpingo-pterygo-staphylina inseriren, theils nach oben ziehen „eirca inferiorem marginem foraminum nasi internorum, in quorum membrana desinunt‘, wie Valsalva sagt. Die zweite, mittlere, nach Weber-Liel meist ausgebildete Schicht entspringt in dünner aber starker Faserlage von der ganzen Länge des stumpfen Endes der lateralen Knorpelplatte mit Aus- nahme des vorderen Tubenendes. Ungefähr !/; em vor dem hamulus pterygoideus sammeln sich die Bündel zu einer gemeinsamen Sehne, die sich im rechten Winkel um den hamulus biegt und zum grössten Theile nach innen aponeurotisch als fibröser Saum des harten Gaumens ausstrahlt, sich an den hinteren Rand des knöchernen Gaumens bis in die Nähe der spina nasalis posterior befestigend, zum kleinen Theil in die fibröse Haut des Pharynx übergeht (viel- leicht auch ein schwacher Theil am hamulus pteryg. endet). Die dritte, schwächste Schicht hat ihren Ursprung an dem 1) Schwalbe: Anatomie der Sinnesorgane. 1887. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Faseien. 533 hinteren Drittel der Tuba nahe ihrem Uebergang in die knöcherne. Sie ist 3 mm breit, mit jedoch ausgebreitetem Ursprung am Knorpel- haken in schiefer Linie herab an der hier derber gewordenen häu- tigen Tubenwand bis zu deren unterem Rand hin auslaufend; von diesen Muskelfasern glaubt Weber-Liel behaupten zu können, dass sie am hamulus pteryg. enden. Ausserdem möchte Weber-Liel als eine vierte Schicht des Muskels noch diejenigen Fasern bezeichnen, die oberflächlich über die mittlere Lage hinziehen, nicht streng von dieser geschieden, und sich mit vielen starken sehnigen Fasern nicht nur an den Knorpelhaken, sondern auch an die innere Fläche der Tubenapo- neurose (Weber-Liel) resp. der faseia externa tensoris veli bis zu deren Ansatz am Knochen ansetzen. Dass in einzelnen Fällen die Verhältnisse so liegen, wie sie Weber-Liel beschreibt, glaube ich vollkommen bestätigen zu können, doch als die typische Form glaube ich die Trennung des Muskels in gesonderte Schichten nicht bezeichnen zu dürfen. Bei der speciellen Beschreibung des Muskels habe ich darauf hinge- wiesen, dass man unterscheiden muss zwischen constanten (doch diese decken sich keineswegs mit denen von Weber-Liel) und den mannigfachen accessorischen Verhältnissen bezüglich des Ur- sprungs, Verlaufs sowie Endansatzes des Muskels, die einzeln oder zu mehreren zugleich in den verschiedensten Combinationen auf- treten, so dass man beinahe an jedem Präparate ein anderes Bild sewinnt. Dann habe ich einzelne Angaben Weber-Liel’s bezüg- lich der Regelmässigkeit der betreffenden Verhältnisse widerlegen müssen; und Weber-Liel gibt selbst zu, dass die Muskelfasern seiner einzelnen Partieen sich während ihres Verlaufs theilweise mit einander verfilzen, dass auch von den Sehnenfasern einzelne in die folgende Faserschicht abgehen, und bezüglich des Endan- satzes vertritt er nur theilweise die Trennung der Schichten. Des- halb habe ich die Eintheilung Weber-Liel’s nicht beibehalten. Ich glaube, dass die Beschreibung Weber-Liel’s uns die Ver- hältnisse dieses specifischen Tubenmuskels so darlegt, wie sie für die Eröffnung der Tuba am zweckmässigsten wären, wie man jedenfalls aus ihnen am leichtesten die physiologische Wirkung des spheno-salpingo-staphylinus herleiten kann. Da nun Weber- Liel diese etwas aprioristisch, so scheint es mir, zusammenge- stellten und ausconstruirten Verhältnisse an einzelnen Präparaten, 534 Kasimir von Kostanecki: wie es gewiss vorkommt, durch thatsächlichen anatomischen Be- fund bestätigt gefunden hat, so hat er wohl in Folge einer ge- wissen physiologischen Voreingenommenheit diese Verhältnisse ver- allgemeinert; dadurch ist in die sonst so treffliche Beschreibung, welche so manche neuen Thatsachen und Gesichtspunkte in dies Gebiet gebracht hat (um Wiederholungen zu vermeiden, mag hier bemerkt werden, dass ähnliches von den Tubenmuskelfaseien gilt, die von Weber-Liel zum erstenmale eingehender mit grossem Scharfsinn behandelt werden), zu viel Schematismus hineingekommen. Indem ich dies von der Beschreibung Weber-Liel’s mit allem Vorbehalt sage, glaube ich es den Zeichnungen, die Weber- Liel selbst als schematisch bezeichnet, zum Vorwurf machen zu müssen. Meines Erachtens tragen die zahlreichen (20) schemati- schen Zeichnungen keineswegs dazu bei, den Werth der Arbeit zu erhöhen und das Verständniss des spheno-salpingo-staphylinus so- wie seiner Fascien zu erleichtern; auch die einfachsten Zeichnungen, wenn sie nur Präparaten entnommen wären!), würden es in viel höherem Grade ermöglichen. Ich muss bekennen, dass mir die meisten Zeichnungen vollkommen unverständlich geblieben sind, obgleich ich selbst an Flächenpräparaten und Durchschnitten in verschiedenen Ebenen mich mit diesen Verhältnissen vertraut zu machen bemühte. Ob die Zeichnungen ausser dem Verfasser noch jemandem, zumal einem Leser, der nicht eingehender dies Gebiet durchgearbeitet hat, vollkommen deutlich gewesen sind, möchte ich bezweifeln. Fassen wir auf Grund kritischer Sichtung der bisherigen Angaben sowie eigener Befunde die vorhergehenden anatomischen Bemerkungen über die drei Tubenmuskeln zusammen ?), so er- giebt sich: 5 Der m. palato-pharyngeus schickt an die Tuba nicht nur das bisher als m. salpingo-pharyngeus bekannte, am Knorpelwulste 1) Wie z. B. Taf. I, Fig. 2, namentlich aber Taf. III, Fig. 2 und 4. (Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progressiver Schwerhörigkeit. Berlin 1873.) 2) Eine dementsprechende Zusammenfassung in dem Abschnitte über die Fascien lasse ich nicht folgen, da der Leser, wenn er eine kurze Zusam- menstellung der hauptsächlichen diesbezüglichen Gesichtspunkte wünscht, die- selben in den beiden Abschnitten p. 541--554 und p. 589—590 findet. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 535 inserirende Bündel, sondern es treten im ganzen Umfange der pharyngealen Mündung an die beweglichen Theile der Tuba Züge des Muskels heran, also noch an die membranöse Tuba, woselbst sie entweder sehnig oder durch Vermittlung von darin eingestreuten Knorpelkernen inseriren, sowie an der lateralen Choanenwand ent- lang an den lateralen Tubenknorpelhaken. Diese ganze Portion des m. palato-pharyngeus (pars pa- lato-salpingo-pharyngea) zeigt einen sehr wandelbaren Grad der Ausbildung, fehlt sogar in vielen Fällen vollkommen, und zwar die an die membranöse Tuba und den lateralen Knorpel- haken herantretenden Bündel in der weitaus überwiegenden Mehr- zahl der Fälle, viel seltener dagegen die zum Knorpelwulst gehen- den Züge. Dann werden die Muskelzüge vertreten durch die ligg. salpingo-pharyngea sowie ligg. salpingo-palatina post. med. et ant. Diese Ligamente, welche theilweise auch neben den Muskelbün- deln auftreten können, sind fibröse Verstärkungszüge der inneren Pharynxfascie, in deren Verdopplung der m. palato-pharyngeus verläuft. Der m. petro-salpingo-staphylinus entspringt: 1) mit einer grösseren Portion mittelst einer kurzen eylindrischen Sehne vom Felsenbein am vorderen Umfange der apertura externa canalis carotiei bis zur knöchernen Tuba und von dem zunächst gelegenen, durchaus fixirten medialen Tubenknorpel (einige Fasern auch von der anstossenden membranösen Tuba), 2) mit einer kleineren Portion, 3—5mm weiter medianwärts von der Vereinigungsstelle der mem- branösen Tuba mit dem unteren Rande der medialen Platte. Der Muskel verläuft in einer dem Tubencanal beinahe identischen Richtung unterhalb der medialen Knorplatte in einer fasciösen Rinne, gebildet nach hinten von der inneren Pharynxfascie, nach vorn von der inneren Fascie des tensor veli, breitet sich auf dem Gaumensegel aus und inserirt regelmässig in zwei Portionen: die vordere schwächere Portion wird an der lateralen Choanenecke sehnig und geht daselbst in den fibrösen Saum des knöchernen Gaumens über ; die hintere, mächtigere Portion endet theils an der medianen fibrösen Raphe palati mollis, die Mehrzahl der Bündel fliesst aber mit der nämlichen Portion der anderen Seite zusammen. Die dritte, von Luschka beschriebene Fasergruppe, welche nach unten in den Gaumenbogen der entgegengesetzten Seite herab- steigt, ist kein regelmässiger Befund. M. salpingo-staphylinus und 536 Kasimir von Kostaneeki: angularis tubae von Tourtual sind als ziemlich seltene Abnormi- täten in dem Verlaufe und in der Insertion des petro-salpingo- staphylinus aufzufassen. Am Ursprunge steht der Muskel in Ver- bindung mit dem bisweilen auftretenden m. petro-pharyngeus. Der m. spheno-staphylinus hat drei Ursprungsgebiete, ohne jedoch, wie Weber-Liel meint, in drei gesonderte Lagen geschieden zu sein: 1) von der medialen Fläche der spina angularis an, an der unteren Fläche der hinteren Nebenwurzel des Temporal- flügels und der ganzen fossa scaphoidea, 2) in dünner, aber starker Faserlage an der ganzen Länge des lateralen Knorpel- hakens, mit Ausnahme seines untersten, fixirten Theils; 3) der Ursprung von der membranösen Tuba (der inneren Faseie des Muskels) ist in der Regel, namentlich im oberen Abschnitte der Tuba, deutlich vorhanden, kann aber in einzelnen Fällen fehlen. Von der äusseren Fascie des Muskels gehen im obersten Tuben- drittel bisweilen ebenfalls Züge des Muskels aus, welche Weber- Liel als vierte Ursprungsportion des Muskels bezeichnet. Der Muskel sammelt sich zu einer platten breiten Sehne, mit der er sich um den überknorpelten hamulus pterygoideus (ohne Vermittlung eines Schleimbeutels) windet, und inserirt sehnig an dem hinteren Rande des harten Gaumens, mit den Fasern der anderen Seite in der Medianlinie zusammenfliessend; diese sehnige Ausbreitung bildet die als Gaumenaponeurose bekannte Grundlage desweichen Gaumens, mit der alle Muskeln des weichen Gaumens in Verbindung treten. Ehe sich die Sehne um den hamulus pterygoideus windet, kann sie bisweilen inseriren: 1) in der Nähe des unteren Endes der fossa pterygoidea an Knochen (hinteren Rand der lamina medialis process. pteryg., oberen Rand der ineisura pterygoidea, hamulus pterygoideus); 2) in die anliegenden Fascien (die innere, die äussere Fascie des Muskels, und nach abwärts in die äussere Pharynxfascie); 3) kann der Muskel mit den in der Nähe liegen- den Muskeln in Verbindung stehen (m. buceinator, m. pterygo- pharyngeus). £ An seinem Ursprung hängt der Muskel öfters mit dem m. tensor tympani durch Sehnenfasern oder selbst quergestreifte Muskelbündel zusammen, während in anderen Fällen ein solcher Zusammenhang zweifellos fehlt. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 537 Die Faseien der Tubenmuskulatur. Eine einheitliche Darstellung der zur Tubenmuskulatur ge- hörigen Fascien habe ich bisher noch nieht angetroffen. Obgleich schon Tourtual!) zwar ganz kurz, aber unter vollkommen richtigem Gesichtspunkte die beiden hauptsächlichsten Fascien der Tuben- muskeln erwähnt hat, pflegt man erst seit Tröltsch?) die den levator und tensor veli trennende Fascie, die von ihm fascia sal- pingo-pharyngea genannt wurde, zu erwähnen, und in der letzten Zeit, seitdem Weber-Liel?°) darauf näher aufmerksam gemacht hat, fügt man noch die den Tensor nach aussen deckende und ihn vom pterygoideus internus trennende Fascie hinzu. Dabei geht man so wenig auf den Ursprung und die Herkunft der Fascien ein, oder, wo man es thut, berücksichtigt man so wenig ihren Zusam- menhang mit den in der Nähe liegenden Fascien, dass man durch den Hinweis auf das Auftreten der Fascien an dieser Stelle den Leser gewissermaassen zu überraschen glaubt und die Fascie hier als etwas rein Zufälliges und Unerwartetes hinstellt. Dadurch entsteht in den bisherigen Darstellungen und Beschreibungen der Fascien der Tubenmuskulatur eine Lücke, wenn nicht gar ein Fehler. Die Ursachen dieses Mangels liegen meiner Ansicht nach in mehreren Umständen. Zunächst hat man die Fascien der Tubenmuskulatur zu sehr abgesondert, allein für sich betrachtet, während sie, glaube ich, nur dann verstanden werden können, wenn man siein Verbindung mit den gesammten Pharynxfaseien behandelt, also speeiell mit denen des cavum pharyngo-nasale, in dessen Bereich die Tuba und ihre Muskulatur gehören. Man kann deshalb an die Betrachtung der Fascien der Tubenmuskeln nur in der Weise herantreten, dass man sich zunächst in den Faseien des oberen Theils des Pharynx orientirt und erst dann sieht, in welcher Weise sich dieselben an der Seiten- 1) Untersuchungen über den menschlichen Schlund- und Kehlkopf. 1861. 2) Beiträge zur anatomischen und physiologischen Würdigung der Tuben- und Gaumenmuskulatur. (Archiv für Ohrenheilk. Bd. I. p. 15.) 3) Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progres- siver Schwerhörigkeit. Berlin 1873. 538 Kasimir von Kostaneckiı: wand des Nasenrachenraums, dessen integrirenden Theil die Tuben- muskeln bilden!), verhalten. Dann hat man aber auch auf diese Fascien, wie auf die Pharynxfascien überhaupt, nicht diejenigen anatomischen und physiologischen Gesichtspunkte angewandt, von denen aus sonst die gesammten Körperfascien betrachtet zu werden pflegen, und hat deshalb manche Fragen nach der Bedeutung und nach dem Zweck derselben aufgeworfen und für sie manche Antworten ge- funden, nicht aber diejenigen, die man aus der blossen Analogie mit Fascien an anderen Körperstellen hätte herauslesen sollen. Und doch gibt es keinen Grund, einen Gesichtspunkt fallen zu lassen, der aufs erspriesslichste hier angewandt werden kann; denn ein Unterschied zwischen diesen Fascien und den sonstigen ist nicht vorhanden, vielmehr treten hier, wie wir sehen werden, typisch alle die Merkmale auf, die für alle Fascien charakteri- stisch sind. Doch die Ursache der wenig vollkommenen Beschreibung der Tubenmuskelfaseien ist meiner Ansicht nach noch tiefer zu suchen, namentlich in der verschiedenen Auffassung der anatomischen. Bedeutung der Fascien überhaupt und selbst in dem Unterschiede des Begriffs der Fascie, der sich bei den verschiedenen Autoren kundgibt. Deshalb glaube ich, so weit es auch äusserlich ausge- holt zu sein scheint, zunächst feststellen zu müssen, was ich im folgenden als Fascie?) bezeichnen werde, lediglich, um eine Ver- ständigung nach dieser Richtung hin herbeizuführen; es erscheint mir dies um so erforderlicher, als bei den Tubenfascien speciell die verschiedenen Autoren bezüglich dieses Begriffs von einander ab- weichen, — durch eine derartige Verständigung» also manche Con- troverse erklärt und beigelegt werden kann. Allgemeine Bemerkungen über die Faseien überhaupt. Die Fascien sind ausgebreitete Bindegewebshäute, welche die Muskeln an ihrer Peripherie umhüllen. Ihre Festigkeit und Stärke 1) Ich werde weiter unten Gelegenheit haben, auf diesen von einigen Autoren bestrittenen Punkt näher einzugehen und ihn zu begründen. 2) Bei älteren Autoren wurde das Wort fascia in viel weiterem Sinne gebraucht; so lesen wir noch bei Winslow: fascia carnosa, fascia muscularis u. a. — die heutige Fascie wurde meist als aponeurosis bezeichnet. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 539 stimmt im Allgemeinen mit der Entwicklung der von ihnen um- schlossenen Muskeln überein, deshalb sind diese Umhüllungsmem- branen einmal nur ziemlich schwach und zart, während sie ein andermal einen derbfibrösen Charakter annehmen. Und so reihen sich die Fascien einmal mehr dem lockeren Bindegewebe, das anderemal dagegen dem festeren fibrösen Gewebe an; doch ist ihr Gewebe auch im ersteren Falle reich an Fasern, denen auch zahl- reiche elastische beigemengt sind. Die Fascien sind mit den Mus- keln, welehe sie umgeben, meist nur durch lockeres Bindegewebe verbunden, in manchen Fällen jedoch fest mit dem Perimysium verwachsen; ihr Faserverlauf kreuzt in der Regel unter rechtem Winkel den Faserverlauf der Muskeln. Entsprechend ihrem Ver- laufe an den Muskeln unterscheidet man auch an ihnen einen Ur- sprung und eine Insertion. Umgibt die Fascie eine Gruppe von Muskeln, so schiekt sie ‚von ihrer inneren Fläche Fortsätze in die Tiefe, um die einzelnen Muskeln von einander zu trennen. Die Fascien communiciren mit ihren Rändern und mit ihren Enden stets untereinander, so dass jeder Muskel in einer ge- schlossenen bindegewebigen Hülle verläuft; sodann gehen aber auch die Fascien einer Körperregion in die der benachbarten un- unterbrochen über, nirgends am ganzen Körper gewahrt man eine Trennung oder Unterbrechung dieser Continuität. Nur da, wo die Fascie an keine ihr unmittelbar naheliegende Fascie angrenzt, geht sie in die ihr histologisch verwandten Gewebe über, an jeder Stelle also, wo sie einen Knochen antrifft (und dies thuen die Fascien wegen der Lage und Bestimmung der Muskeln immer und immer), geht sie an dessen Periost heran, ebenso am Knorpel an’s Perichondrium; wo zwischen Knochen Gelenke eingeschoben sind, verwachsen sie mit den Gelenkbändern. Henle!) sagt: „Nach dem praktischen Bedürfniss ist aber die Grenze zu ziehen zwischen Fascien, die einer ausdrücklichen Benennung und Beschreibung werth sind, und den atmosphärischen Bindegewebslagen, die sich von selbst verstehen.“ Aus diesem Grunde spielen die Fascien in Henle’s descriptiver Anatomie eine sehr unbedeutende Rolle. Ich möchte jedoch die Ansicht Henle’s dahin einschränken, dass wohl aus praktischen Rücksichten die 1) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1871—1876. 540 Kasimir von Kostaneckiı: Beschreibung und Benennung einer jeden Fascie nur für denjenigen einen Zweck hätte, der „ihr und dadurch sich einen Namen machen wollte“, wie Henle sagt, dass aber prineipiell die Annahme einer Faseie für jeden Muskel nothwendig ist, da, wie man speciell bei den Fascien der Tubenmuskulatur wahrnehmen kann, dieselbe Fascie zwar stellenweise den Charakter lockeren atmosphärischen Bindegewebes zeigt, jedoch an anderen Stellen, wo sie gewisse besondere Zwecke zu erfüllen hat, einen festen aponeurotischen Charakter annimmt. Der Zweck, den die Faseien haben, ist: den Muskel während seiner Action in Grenzen zu halten, ohne dass er jedoch von seiner Selbständigkeit etwas einbüsst, und zwar sowohl aus Rücksicht auf den einzelnen Muskel selbst, als auch auf die Muskeln unter- einander, dann aber auch auf die umgebenden Organe; sie sollen nämlich die Nerven und Gefässe während der Contraktion der Muskeln vor Druck schützen. Ferner dienen die Fascien dazu, die Muskeln von den angrenzenden Organen zu scheiden oder auch, durch Verwachsung mit denselben sie an diese anzuheften sowie die Wände der Organe, zu denen sie gehören, zu verstärken. Diesen ihren anatomischen Verhältnissen und dieser ihrer Bestim- mung entsprechend müssen die Fasecien je nach dem Orte ihres Vorkommens ihre Beschaffenheit ändern, also abgesehen von der Form, die sich immer nach der Gestalt der Muskeln richtet !), ihre 1) Sappey theilt die Fascien in apon&vroses ou membranes des muscles longs ou aponevroses des membres, in aponevroses des muscles larges und schliesslich apon&vroses des muscles courts. Die beiden letzteren Arten kom- men bei den Tubenmuskelfascien in Betracht. Die apon&vroses des muscles larges sind äusserst zart und fast durchsichtig, jedoch nicht ohne eine ge- wisse Widerstandskraft, stehen mit dem Muskel in sehr innigem Zusammen- hange, schicken sogar Fortsätze zwischen die einzelnen Muskelbündel, so dass sie sich vollkommen mit dem Perimysium verweben; Sappey sagt: „on pour- rait les considerer comme un simple perimysium plus condense, mais le tissu con- jonctif porte & ce degr& de condensation constitue une aponevrose.* Mit den angrenzenden Fascien hängen sie mit ihren breiten Rändern zusammen, an den Enden der Muskeln verweben sie sich, wenn die Muskeln in Sehnen aus- laufen, mit denselben. Alle diese Eigenschaften treten deutlich auf bei allen Pharynxmuskeln kart’ &Zoynv, also auch bei demjenigen von ihnen, der bei der Tuba in Betracht kommt, nämlich dem m. palato-pharyngeus — unter diesen Gesichtspunkt fällt also das innere Fascienblatt. Die aponevroses des muscles Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 541 Consistenz und ihre Dieke darnach ändern, je grössere Ansprüche an sie in jeder Beziehung gestellt werden. Deshalb können bis- weilen die Fascien an mehr indifferenten Stellen nur ganz dünn, beinahe durchsichtig sein, obgleich sie auch dann einer gewissen Resistenz nicht entbehren, während sie an Stellen, wo eine grössere Leistungsfähigkeit, namentlich eine grössere Widerstandsfähigkeit ihrerseits erforderlich ist, eine beträchtliche Dicke aufweisen, so dass sie selbst aponeurotisch, von glänzend weissem Aussehen werden. Die Fascien des Pharynx im Allgemeinen. Da die Muskeln des Pharynx von verschiedenen Punkten der unteren Fläche der Schädelbasis ihren Ursprung nehmen und nach oben hin in vertikaler Axe keine benachbarten Muskeln fin- den, von denen aus die Fascien auf sie sich förtsetzen könnten, sondern an die vom Knochen entspringenden Muskeln sich die Fascien anschliessen, indem sie unmittelbar mit dem Periost zu- sammenhängen, oder vielmehr von dem Periost herabhängen, so kann man gerade am Pharynx (speciell in seinem oberen Theile, der pars nasalis pharyngis) von einem direkten Ursprung der Fascie sprechen und in hervorragender Weise daran beobachten, wie eine anfangs für die Pharynxmuskulatur ausschliesslich be- stimmte Fascie dann in die Fascien der Nachbarschaft übergeht. Einige Autoren, namentlich!) Huschke?), Tourtual?), Mer- courts theilen mit den vorhergehenden die Eigenschaft der Zartheit und da- neben doch einer gewissen Widerstandskraft, während sie sich von ihnen unterscheiden durch eine weniger innige Verbindung mit dem Muskel selbst; sie zeichnen sich aus durch ihre ausgedehnte Verbindung mit Knochen, eine Eigenschaft, die gerade bei den Tubenmuskelfascien von hervorragender Be- deutung sein wird. Zu dieser Gruppe gehört die Fascie, welche die beiden Tuben-Gaumenmuskeln von einander trennt, sowie diejenige, welcheden spheno- salpingo-staphylinus nach aussen von dem m. pteryg. int. scheidet, also das mittlere und äussere Fascienblatt der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale. 1) Auch schon Duverney (Oeuvres anatomiques Paris 1761) unter- scheidet am Pharynx eine membrane commune du tissu cellulaire, !’enveloppe musculaire, la membrane nerveuse et la veloutee — cette membrane et la nerveuse sont etroitement unies ensemble. 2) 8. Th. von Sömmerring: Vom Baue des menschlichen Körpers. Leipzig 1844. Bd. V. 3) Untersuchungen über den menschlichen Schlundkopf u. Kehlkopf. 1861. 543 Kasimir von Kostaneckı: kel!), Lusehka?), Tillaux?°) unterscheiden von vorne herein eine innere®) und eine äussere®) Fascie des Pharynx®). Die erstere ist die mit der äusseren Fläche der den Pharynx auskleidenden Schleimhaut verwachsene, die andere diejenige Fascie, welche als eine dichte faserige Bindegewebslamelle den Schlundkopf sammt seiner Muskulatur äusserlich bekleidet. Während dabei für die innere Faseie die fibrocartilago basil. als Ursprung dienen soll, wird der tunica externa nach dem Vorgange von Tourtual ein doppelter Ursprung zugeschrieben; sie soll nämlich in ihren unteren zwei Dritteln vom tiefen Blatte der faseia colli, im oberen Drittel da- gegen von der Backenbinde?) entspringen; die beiden Theile der Faseie bilden aber mit einander ein ununterbrochenes Ganzes. Andere Autoren (Henle®), Sappey?), Gegenbaur!P), Krause!!)) beschrei- 1) Anatomie und Physiologie des menschlichen Stimm- und Sprach- organs. Leipzig 1857. 2) Der Schlundkopf des Menschen. Tübingen 1868. - 3) Trait& d’anatomie topographique avec application & la chirurgie. Paris 1879. 4) Fascia interna pharyngis. 5) Fascia externa pharyngis, tunica externa pharyngis. 6) Einige Autoren (Tourtual, Luschka u. a.) unterscheiden bei der inneren Pharynxfascie eine fascia interna fibrosa und eine fascia interna elastica, auch membrana pharyngis elastica genannt, eine Fortsetzung der elastischen Schicht des Oesophagus. Ich bin auf diese Eintheilung nicht ein- gegangen, da eine besondere elastische Lamelle am Pharynx mit dem oberen Rande der cartilago thyreoidea abschliesst, ihr deshalb in den Theilen des Pharynx, die wir näher zu betrachten haben werden, keine Bedeutung mehr zukommt. Das elastische Element aber, soweit es in der Nähe der Tuba in die Zusammensetzung der Fascie eingreift, gehört zum Begriff der Fascie. Merkel sagt mit Recht: „ausserdem sind an mehreren Stellen Sehnen und elastische Fasern reichlich eingewebt“ — an den entsprechenden Stellen (bei den ligg. lateralia pharyngis, bei den ligamenta salpingo-pharyngea u. s. w.) wird auf dieses Ueberwiegen der elastischen Elemente aufmerksam gemacht werden. | 7) Dieser Theil der Fascie wird daselbst zugleich mit der Backenbinde als fascia bucco-pharyngea bezeichnet. 8) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1871—1876. 9) Traite d’anatomie descriptive. Paris 1879. 10) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 1888. 11) Handbuch der menschlichen Anatomie. 1879. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 543 ben wiederum als Pharynxfascie nur die innere Fascie, noch Andere (Haller!), Hyrtl?)) nur die äussere, während Einige (Cruveil- hier) u. a.) die Fascie des Pharynx®) beschreiben, ohne Angabe der Stelle, welche sie in der Reihe der Schlundkopfschichten ein- nimmt. Meiner Ansicht nach gehen sämmtliche Fascien des Pharynx aus einer einzigen Membran hervor. Diese Membran ist im wesent- lichen eine allmählich lockerer und dünner werdende unmittelbare Fortsetzung der fibrocartilago basilaris — „elle se continue avec la couche periostique tres-Epaisse qui rev6t lapophyse basilaire, se prolonge verticalement en bas en diminuant d’&epaisseur“ sagt Cruveilhbier. Sie hängt an der Hinterwand des Pharynx von der Schädelbasis herab „vom tuberculum pharyngeum jederseits in einer stark vorwärts gekrümmten Linie, dicht vor der Insertion des m. longus capitis, über die Basis des Hinterhauptbeins weg, und an der syndesmosis petro-oceipitalis rückwärts, dann vor dem Eingang des canalis caroticus quer über die Schläfenpyramide gegen die spina angularis des Wespenbeins, um hier wieder um- zubiegen“ (Henle)°) und in die Zusammensetzung der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale in einer Weise einzugehen, die uns später näher beschäftigen wird. Eine Strecke weit (etwa 1 cm) bis zum concaven Rande des constrietor supremus, bleibt die hintere Pharyrxwand von Muskeln vollkommen frei, „la couche fibreuse se trouve a nu“ (Sappey), und so entstehen denn zwei durch die Raphe von einander getrennte, lediglich von der Schleim- haut und der Fascie®) gebildete ovale Lücken. Die Pharynx- 1) Elementa physiologiae corporis humani. Bernae 1764. Tom. VI, p- 67: „extus velatur cellulosa tela, in tenuem membranam, qualis est in om- nibus musculis, collecta.“* 2)’Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Wien 1884. 3) Anatomie descriptive. 4) Fascia pharyngis, fascia fibrosa pharyngis, aponeurosis pharyngis, fascia cephalo-pharyngea, aponeurosis cephalo-pharyngea et petro-pharyngea (Cruveilhier), fibröse, aponeurotische Membran des Pharynx, couche fibreuse du pharynx. 5) Nur so weit kann ich mich an Henle’s Beschreibung halten, an der Seitenwand verhält sich die Fascie ganz anders, als es Henle erwähnt, wie wir unten sehen werden. 6) Dieser kleine Abschnitt der Fascie wurde auch von einigen Autoren 544 Kasımir von Kostanecki: wand ist an diesen Stellen, wenn auch etwas dünner, doch von genügender Consistenz!), da die fibröse Membran hier unmittelbar unterhalb ihres Ursprungs am Schädel am mächtigsten ist. In der Mittellinie wird die Fascie durch das von der ganzen Breite des tuberculum pharyngeum hinunterziehende Band, die s. g. raphe pharyngis?) verstärkt, ebenso wie seitlich an der Uebergangskante zwischen der Hinterwand und der Seitenwand des Pharynx in sie die s. g. ligamenta lateralia pharyngis°) eingewebt sind, zwei weissliche, ebenfalls fibrös-elastische Bänder, welche von je einem der beiderseitigen Theilungsstreifen der fibrocartilago basilaris unter dem vorderen und medialen Rande des foramen caroticum externum ausgehen, hinter der knorpeligen Tuba Eustachii und dem Gaumenheber nach unten gegen die Mittellinie immer mehr convergirend und die hintere Schlundkopfwand entsprechend ver- schmälernd verlaufen und sich, an der Zutrittstelle des m. stylo- pharyngeus etwa, allmählich in der Fascie verlieren. Einige Autoren unterscheiden diese Bänder als eine besondere Fascie, so schreibt zuerst Cruveilhier: „La partie aponevrotique qui constitue la charpente du pharynx se compose: 1) de l’apone- vrose c£phalo-pharyngienne ou aponevrose posterieure du pharynx, 2) de l’aponevrose petropharyngienne ou aponevrose laterale du pharynx.“ Wenn man auch den Unterschied zwischen der Fascie an der einfach vertikalen hinteren und der in ihren Grenzen und in ihrem Verlauf viel unregelmässigeren seitlichen Pharynxwand her- vorheben muss, so darf man doch nicht vergessen, dass principiell beide Theile eine ununterbrochene continuirliche Membran bilden; speciell als fascia pharyngo-basilaris, als fascia cephalo-pharyngea (in engerem Sinne) oder auch als portion sous-occipitale de la couche fibreuse du pharynx unterschieden. 1) Dass freilich im Vergleich mit den übrigen Abschnitten der Pharynx- wand diese Stellen etwas weniger widerstandsfähig sind, ist unleugbar, doch spielen diese puncta minoris resistentiae insofern eine weniger bedeutende Rolle, als an diese Stellen, die der hinteren Wand des tiefsten Theils der Rosenmüller’schen Grube, des sinus faucium lateralis, entsprechen, wenig Anforderungen gestellt werden (vgl. auch Pertik: Neues Divertikel des Nasenrachenraums. Archiv für pathol. Anatomie. Bd. 94 und meine Arbeit: Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXIX. p. 566). 2) Linea alba pharyngis, ligamentum pharyngis medium. 3) Tourtual — aponeurosis petro-pharyngea (J. Cruveilhier). Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 545 mit Recht, glaube ich, sagt deshalb Sappey in Bezug auf diese Bezeichnung Cruveilhier’s: „Ces denominations ne sauraient &tre conservces, car elles ont le grand inconvenient de nous prösenter comme distinetes deux lames qui se continuent sans ligne de de- marcation et qui ne sont elles-mömes qu’une tr&s-minime partie d’une lame bien autrement importante et jusqu’a present m&connue dans son ensemble et ses limites.‘ Die anfänglich einfache fibröse Membran theilt sich da, wo Muskeln in die Zusammensetzung der Pharynxwand eingehen, also am oberen Rande des constrietor pharyngis supremus, zunächst in zwei Fascienblätter, die innere und äussere Fascie, die da, wo mehrere Schichten von Muskeln auftreten, anastomosirende Blätter zwischen diese schicken, deren nähere Aufführung und Beschrei- bung jedoch, an der Hinterwand namentlich, von keinem grösse- ren Belang wäre und jedenfalls ausser dem Rahmen dieser Ar- beit läge. Die Pharynxfaseien reichen nach unten, ebenso wie der Pha- rynx überhaupt, bis zum Körper des sechsten Halswirbels ein- schliesslich; von da setzen sie sich in die entsprechenden Fascien des Oesophagus fort, ebenso wie die Pharynxmuskeln in der Fort- setzung zur Musculatur des Oesophagus, die Constrietoren zur Ringmuskulatur, die Levatoren zur longitudinalen Muskelschicht werden. Um die fascia interna in ihrer ganzen Ausdehnung genau kennen zu lernen, muss man von hinten her die Pharynxmuskeln vorsichtig entfernen; man bekommt dann die ganze innere Faseie zu Gesicht, die von der Schädelbasis in der oben beschriebenen Weise herabhängt und auf der Aussenseite der Pharynxschleim- haut ruht. Man kann sich daran überzeugen, dass sie eine im ganzen dünne, aber trotzdem resistente, dann aber auch nicht über- all gleich dichte und mächtige Bindegewebsschicht darstellt, die mit der drüsenreichen Submucosa der dieken Pharynxschleimhaut innig verbunden ist (namentlich aber mit der Aussenseite der Ton- sillen), mit den Constrietoren dagegen nach der Mittellinie gegen die Raphe zu, wo dieselben an ihr inseriren, ebenfalls sehr innig, seitwärts dagegen locker zusammenhängt, so dass sie sich ohne Schwierigkeit loslösen lässt. Nach vorn setzt sie sich an den ver- schiedenen Oeffnungen des Pharynx in dieselbe (oder histologisch verwandte) Schicht, welehe die anstossenden Höhlen nach innen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 22, 35 546 Kasimir von Kostanecki: auskleidet, fort, geht also am Knochen ins Periost, am Knorpel ins Prichondrium, an Muskeln in die benachbarten Fascien über. Die verhältnissmässig dünnere äussere Fascie ist mit den Pharynxmuskeln im allgemeinen straff und innig verbunden, an deren Richtung und Verlauf sie sich vollkommen hält!), „forme autour des trois constricteurs une lame continue‘ und schliesst somit den Schlundkopf nach aussen ab. Wenn wir die vorderen Grenzen der Seitenwände des Schlundkopfes, wie man es thun muss, dahin verlegen, wo am weitesten nach vorn seine Muskeln ihren Ursprung nehmen, also im Bereiche der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale an die Aussenfläche des tensor veli?), nach unten dagegen da, wo die Fasern seiner Constrictoren an den verschiedensten Punkten beginnen, so ersehen wir, dass sie in einer sehr unregelmässigen gebrochenen Linie?) verlaufen, welche jedoch in ungefähr gleichem Abstande von der Mittellinie bleibt. Die in der Umgebung der Muskeln ziehende äussere Fascie setzt sich hier ebenfalls (analog der inneren) in die entsprechenden (grösstentheils also mehr äusseren) Schichten der anstossenden Höhlen und Organe fort; die hinteren Enden der Seitenwände der Nasen-, der Mundhöhle und des Kehlkopfes geben also die festen An- knüpfungspunkte für die weiche Wand des nach vorn der ganzen Länge nach aufgeschlitzten Schlundkopfrohres, welches dadurch 1) Tillaux (p. 348) sagt: „La couche musculaire est recouverte en arriere d’une toile cellulo-fibreuse, beaucoup moins resistante, il est vrai, que la couche fibreuse propre, mais qui n’en constitue pas moins un feuillet fa- cilement isolable, en sorte que les musclessont compris dans une veritable gaine fibreuse.“ 2) Dieser Angabe lege ich die Voraussetzung zu Grunde, dass der tensor veli als innerhalb der äusseren Pharynxfascie gelegen und deshalb zur Pha- rynxmuskulatur gehörig zu betrachten ist, ein Punkt, der fast von allen Autoren verneint wird und dem wir deshalb, wie bereits bei Besprechung des Muskels hervorgehoben, bei dem entsprechenden Fascienabschnitt eine ein- gehendere Betrachtung zu widmen haben werden. 3) Diese Linie zieht herab von oben nach unten an der äusseren Fläche der lamina interna processus pterygoidei (vor dem m. tensor veli) bis zu dem hamulus herab, an dem ligamentum pterygo-maxillare, am hinteren Theile der linea mylo-hyoidea des Unterkiefers, am Seitenrande der Zungenwurzel, am ligamentum stylo-hyoideum, an den grossen und kleinen Hörnern des Zungenbeins, an der aponeurosis thyreo-hyoidea, am hinteren Rande der car- tilago thyreoidea, an der Hinterfläche der cartilago cricoidea. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 547 sewissermaassen angespannt erhalten wird. „Doch muss hier daran erinnert werden, dass die vorderen Grenzen des Schlundkopfes nieht überall durch die Schnürer gebildet werden, sondern hier unds dort, nämlich ....... !) an den grösseren und kleineren Ab- ständen zwischen den vorderen Enden der Constrictoren gänzlich fehlen, so dass man nur an der Schleimhautseite des Organs be- stimmte Anhaltspunkte für das ganze Verbreitungsgebiet desselben gewinnen kann“ — sagt Luschka. Diese Worte sind nur theil- weise richtig, denn da, wo die trennende Zwischenschicht der Sehlundeonstrietoren fehlt, fliesst die äussere Fascie mit der inneren zusammen, so dass an den betreffenden Stellen ebenso, wie oben, solange noch keine Muskeln in die Zusammensetzung der hinteren Schlundkopfwand eingreifen, auch, abgesehen von der Schleimhaut, wiederum eine einfache Membran als die eigentliche Wandung des Schlundkopfes auftritt. Der Zusammenhang der Fascie resp. des ganzen Pharynx mit den nach aussen angrenzenden Organen ist folgender: Die Aussenseite der hinteren einfach vertikalen Pharynxwand ruht zu- nächst auf der Fascie, welche in der Mittellinie an die vordere Längsbinde der Halswirbelsäule befestigt ist, dann die beider- seitigen Prävertebralmuskeln als Scheide einhüllt, im weiteren Ver- laufe die Scheide für die grossen Gefässe und Nerven des Halses (carotis interna und externa, oberes Ende der carotis communis, vena jugularis interna, n. glosso-pharyngeus, vagus, sympathicus) nach hinten vervollständigt, dann an die Querfortsätze der Hals- wirbel sich anheftet, um schliesslich mit der Fascie der Nacken- gegend nach aussen sich zu verbinden. Mit dieser Fascie?) hängt nun die Pharynxfascie durch ein ungemein dehnbares, schlaffes, blättriges Bindegewebe (par un tissu cellulaire extr&mement läche, Sappey) zusammen (oben nur, nach der Schädelbasis zu wird die Verbindung eine innigere). Dieses lockere Gewebe, welches hier 1) Die Worte: „nämlich eine 2 cm lange Strecke unter dem Gewölbe“, worunter speciell der Theil der Seitenwand der zum cavum pharyngo- nasale gehört, gemeint ist, habe ich absichtlich ausgelassen, weil ich sie nicht bestätigen kann, aus Gründen, auf die ich oben (p. 546, Anm. 2) hingewiesen oder vielmehr die ich oben in Aussicht gestellt habe. 2) Fascia praevertebralis, vorderer Theil der fascia vertebralis (Le- gendre, Sur la disposition des aponevroses du cou (Gazette mödicale de Paris. 1858. Nr. 14). 548 Kasimir von Kostanecki: als retropharyngeales Bindegewebe bekannt ist und nach unten in das Bindegewebe des Mittelfellraumes sich fortsetzt, ge- stattet die hohe Beweglichkeit und Verschiebbarkeit des Pharynx sammt dem Larynx während des Schluckens, Sprechens u. s. w. Die Beziehungen der äusseren Pharynxfascie zur Nach- barschaft an den Seitenwänden vollkommen darzulegen, würde Stoff genug zu einer Abhandlung bieten, da wir hier die Topo- graphie der gesammten Halsfascien!) hineinziehen müssten. In 1) Die Fascien des Halses bilden eine unendliche Menge der verschie- densten Scheiden, deren einzelne Aufführung ohne jeglichen Zweck wäre, da sie eine Orientirung auf diesem Gebiete gar nicht fördern würde; es ist viel- mehr nothwendig, allgemeine Gesichtspunkte zu wählen, von denen aus man grössere Abtheilungen zu einer Fascienscheide zusammenfasst, die man sich dann in untergeordnete Blätter spalten lässt. Doch nicht alle Autoren haben diese Eintheilung aus gleichem Gesichtspunkte vorgenommen, so dass ein grosser Unterschied zwischen den einzelnen Beschreibungen besteht, der sich auch in Bezug auf die Terminologie geltend macht. Doch von allen mir be- kannten Beschreibungen sind es die einzigen Darstellungen von Sappey und Tillaux, welche auf natürlicher Grundlage gestützt die Verhältnisse bezüglich der Halsfascien imallgemeinen richtig wiedergeben und die auch hinsichtlich der Beziehungen zum Larynx und Pharynx ihre vollkommene Richtigkeit behalten, was sonst von keiner einzigen der andren Beschreibungen behauptet werden kann. Ph. C. Sappey (Trait& d’anatomie descriptive. Paris 1879. Bd. II) unterscheidet: „1. une gaine generale s’etendant de l’extr&mite cephalique & la partie superieure du thorax, c’est l’aponevrose cervicale superficielle; 2. une lame transversale et triangulaire, embrassant dans ses dedoublements tous les muscles de la region sous-hyoidienne, les accompagnant dans leur trajet et s’inserant comme ceux- ci sur le sternum et la clavicule, c’est l’apon&vrose cervicale moyenne, qu’on pourrait appeler aussi aponevrose sous-hyoidienne ou cervico-thoracique; 3. une lame verticale et quadrilatere situ&e au devant des muscles preverte- braux, ce’est l’aponevrose cervicale profonde ou prevertebrale; 4. des lames posterieures curvilignes et concentriques, symetriquement disposees de chaque cöte de la ligne mediane comme les couches musculaires qu’elles söparent: ce sont les aponevroses cervicales post&rieures.“ Im Hinblick auf den Pharynx ist nur die aponevrose moyenne und die aponevrose profonde ou preverte- brale von Bedeutung, und zwar die hintere Fläche der ersteren und die vor- dere Fläche der letzteren. Ueber diese äussert sich Sappey: „La face posterieure de l’apon&vrose cervicale moyenne est en rapport: 1. sur la ligne mediane avec le larynx, le corps thyroide et la trach&e; 2. au dessous du sterno-mastoidien avec l’artere carotide primitive et la veine jugulaire interne; Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 549 dieser kurzen Uebersicht, welehe nur den Zweck hat, die Grundlage zu einer im Zusammenhange durchgeführten genaue- (3. en dehors de ce muscle avec l’artere sousclavicre, l’artere cervicale trans- verse et les cordons nerveux qui convergent pour former le plexus brachial). En passant au devant de ces divers organes elle se comporte differemment & l’egard de chacun d’eux. Sur le larynx, oü elle est tres-mince, cette apon6- vrose recouvre les muscles thyro-hyoidien et crico-thyroidien. Sur le corps thyroide elle offre plus d’epaisseur et contracte avec cette glande des con- nexions si intimes qu’elle semble naitre de sa peripherie; sur la trach&e elle voile les veines thyroidiennes inferieures. Au devant des gros vais- seaux du cou,elledonne deux feuillets dont l’un passe en dedans et l’autre en dehors de ceux-cipourallerse perdresurl’apon&vroseprövert&äbrale.“ — La face anterieure de l’aponevrose cervicale profonde ou prevertebrale „est recouverte sur la ligne mediane par le pharynx et l’oesophage auxquels elle n’adhere que par un tissu cellulaire tres-läche, et sur les cötes par l’artere carotide primitive et la veine jugulaire interne dont elle complete la gaine fibreuse en formant la paroi posterieure de celle-ci.“ ... „En considerant dans leurs connexions les aponevroses, cervicale moyenne et profonde, on remarque qu’elles entourent non seulement- les muscles et les prineipaux troncs vasculaires du cou, mais aussi les organes qui en dependent. Aux gaines musculaires et vasculaires que nous avons mentionees, vient done se joindre une grande gaine visceralecontenantlelarynx, le corpsthyroide,le pha- rynx et la partie supä&rieure de l’oesophage. Cette gaine est constitu&eeenavantparl’apon&vrosecervicale moy- enne, sur les cöt&s par le feuillet interne de la gaine carotidienne et en arri6re par l’apon6vrose prövert& brale Elle adhere en avant au corps thyroide d’une maniere intime, maisn’estunie auxtrois autresorganesqueparuntissu conjonctiftre&s-läche.“ Da Sappey als die äusserste Schicht des Pharynx die Schlundconstrietoren betrachtet, und die äussere Pharynxfascie gar nicht besonders unterscheidet (nur an einer Stelle schreibt er: „le tissu cellulaire n’existe qu’en tr&s-petite quantite dans l’Epaisseur des parois de cet organe. Mais il forme autour des trois constrieteurs une lame continue qu’on pourrait considerer comme une quatrieme tunique), so sei hier darauf auf- merksam gemacht, dass das oben erwähnte tissu conjonctif tres-läche den Zusammenhang zwischen den zur Halsmuskulatur sowie zur Scheide der Hals- gefässe gehörigen Fascien und der äusseren Pharynxfascie vermittelt; dass also jene Fascien und die Pharynxfascie vollkommen unabhängig neben einan- der bestehen, mit anderen Worten: dass zwischen die eigentlichen Halsfascien (die Skeletfascien) der obere Theil des Respirationsapparats und des Schling- apparats mit seinen unabhängigen selbständigen Fascien hineingeschoben ist und nur nach vorn in einer innigeren Verbindung mit denselben steht, während 550 Kasimir von Kostanecki: ren Darlegsung der Fascien der Seitenwand des Cavum pha- ryngo-nasale zu bieten, sei nur im allgemeinen bemerkt, dass hier die Pharynxfascie, wenn auch nicht in dem Grade, wie an der Hinterwand, doch durch ein ebenfalls lockeres Bindege- webe mit dem Theile. der fascia media colli (Sappey), welche als mediale Wand der Scheide für die carotis communis und jugu- laris interna dient, zusammenhängt, während im oberen Theile (am Unterkieferaste), wo sich der m. pterygoideus internus da- zwischenschiebt, die Seitenwand des Pharynx unmittelbar an die mediale Fläche des Muskels sich anlehnt, in einer Weise, die uns bei der speciellen Besprechung der Fascien der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale näher beschäftigen wird. Gegen das vordere Ende der Schlundconstrietoren steht die äussere Pharynxfascie mit den Faseien der in der Nähe ihrer Insertionspunkte entspringenden Muskeln im Zusammenhange, von unten her beginnend also am Insertionsende des unteren Schlund- kopfschnürers (laryngo-pharyngeus), des mittleren (hyo-pharyngeus) und des unteren Theils des oberen (cephalo-pharyngeus) bis zu seinem Ursprunge an der linea mylohyoidea (also bis zum m. mylo-pharyngeus) mit dem Theile der fascia colli media, welche die daselbst entspringenden Halsmuskeln bedeckt, im oberen Theile des cephalo-pharyngeus dagegen, da wo er am ligamentum pterygo- maxillare entspringt, geht die Fascie in die fascia buccalis!) über. sonst der Zusammenhang ein mehr oder weniger lockerer ist; eine Anschauung, die in vollkommenem Gegensatze steht zu den Beschreibungen von Huschke, Tourtual, Merkel, Luschka, Hyrtl u. a. Dagegen glaube ich bei Til- laux eine vollkommene Bestätigung dieser Auffassung zu finden. Er unter- scheidet nämlich am Pharynx: 1. une couche muqueuse, 2. une couche glan- duleuse, 3. une couche fibreuse appel&e aponevrose pharyngienne, 4. une couche musculaire, 5. une couche fibro-celluleuse, und sagt dann (p. 348): „Au dessous de ces couches, qui constituent la paroi pharyngienne, se trouvent une couche fortimportante de tissu conjonctifläche et lamelleux et plus profond&ment l’apon&vrose preverte- biesale etes...%: Le pharynx, au point de vue topographique, est donc compos& de cing couches successives separees de la colonne vertebrale par une couche lamelleuse tres-läche du tissu conjonctif, sorte de grande cavite sereuse dont l’existence s’explique par les mouvements incessants d’abaisse- ment et d’elevation que le pharynx execute au devant de la colonne ver- tebrale.“ 1) Die fascia buccalis ist im Grunde genommen nur der obere Theil Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 55l Ich schreibe diesem Zusammenhange mit der Halsfascie sowie der Backenbinde nur die Bedeutung bei, die auch an anderen Körper- stellen die Continuität der Fascien überhaupt beansprucht und muss entschieden denjenigen Zusammenhang in Abrede stellen, den seit!) Tourtual, Merkel, Luschka alle Autoren, die eine besondere äussere Pharynxfascie beschreiben, zwischen dieser und jenen Fascien gewöhnlich erwähnen. Wie nämlich oben ange- deutet, wird nach Ansicht dieser Autoren die tunica externa pharyngis „an den unteren zwei Dritttheilen bis zu den museulis mylo-pharyngeis hinauf von dem tiefen Blatte?) der fascia cervicalis gebildet, die, nachdem sie im trigono cervicali an der inneren Seite der gemeinsamen Carotis . ... die Seitenfläche des Pharynx erreicht, den mittleren und oberen Constrietor überzieht ..... Das obere Dritttheil der tunica externa, welches mit der unteren Strecke ein ununterbrochenes ‚Ganzes bildet, ist der hintere und stärkste Theil der fascia bucealis, welche ..... in Begleitung des m. buccopharyngeus die Hinterfläche des Schlundkopfes er- reicht, die Abtheilungen des constrietor supremus bekleidet.‘ Und da vollends die letztere Abtheilung „auch die langen vorderen seraden Kopfmuskeln als Scheide einhüllen soll“, so gewinnen wir aus den Beschreibungen ein Bild, welches uns den Pharynx in festem Zusammenhange mit den anderen Gebilden und Organen hinstellt. Dies würde aber jede physiologische Bewegung des Pharynx, eine lockere Verschiebung ohne gleichzeitige Zerrung der angrenzenden Muskeln, Gefässe und Nerven vollkommen un- möglich machen. Bezüglich der Richtigstellung dieser Schilderungen kann ich nur einmal noch auf die dem anatomischen Befunde thatsächlich entsprechende Eintheilung Sappey’s verweisen und nochmals hervorheben, dass dieäusserePharynxfascie eine vollkommen selbständige, von den eigent- oder die obere Fortsetzung des mittleren Blattes der fascia colli; der Zu- sammenhang wird hier unterbrochen resp. vermittelt durch das Periost des Unterkieferbogens an der linea mylo-hyoidea, wo von oben die fascia buccalis, von unten die fascia colli media sich ansetzt. 1) Von älteren Autoren finde ich dieselbe Auffassung auch schon bei Duverney, Oeuvres anatomiques. Paris 1761. 2) Entspricht dem mittleren Blatte der Fascie nach der Eintheilung von Sappey. 552 Kasımirvon Kostanecki: lichen Halsfascien unabhängige Stellung bean- sprucht. Die Verbreitung der Pharynxfascien an der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale oder die Faseien der Tubenmuskulatur. Die Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale be- sinnt mit dem eben erwähnten ligamentum laterale pharyn- gis. An dieser Anfangsstelle, der Uebergangskante zwischen der hinteren und der seitlichen Pharynxwand, tritt die Fascie ebenso, wie an dem entsprechenden Abschnitt der Hinterwand, ganz aus- gesprochen nur einfach auf; dann erst, sobald die Fascie sich unter spitzem Winkel nach vorn wendet, gestalten sich die Ver- hältnisse wegen der Einschiebung der Tuba und ihres Muskelapparats viel complicirter. Das ligamentum laterale pharyngis entspringt bekanntlich als dicker fibröser Streifen an dem vorderen medialen Rande des foramen caroticum externum, hat demnach vor und medianwärts neben sich die Ursprungssehne des Gaumenhebers. Es theilt sich somit zunächst in drei Blätter, die an dem vorderen und hinteren Rande des M. petro-salpingo-staphylinus von dem Periost der Schlä- fenpyramide entspringen und die Ursprungsbündel des Muskels voll- kommen einhüllen. Dies gilt jedoch nur für eine kurze Strecke, denn sobald hinter dem isthmus tubae (der Vereinigungsstelle der knorpligen mit der knöchernen Tuba) der laterale Knorpel Züge des m. spheno-salpingo-staphylinus erhält, spaltet sich das äussere Blatt, schiebt sogleich ein Trennungsblatt zwischen den tensor und levator veli ein, und von nun an laufen drei Fascienblätter median- wärts unter einem sehr spitzen Winkel divergirend neben einander. Das innere Blatt, welches die mediale Fläche des levator veli be- deckt, indem es von Beginn der medialen Knorpelplatte von deren unterem hinterem Rande herabhängt, bildet in weiterer Fortsetzung die innerste Schicht der Pharynxwand, die fascia interna pharyngis- Das äussere Blatt, welches vor dem lateralen Tubenknorpel und der Ursprungssehne des m. spheno -salpingo-staphylinus entspringt, bedeckt die äussere Fläche des Muskels und bestimmt die vorderen Grenzen des obersten Theils des Pharynx. Diese beiden Fascien- blätter fassen die ganze Tuba sammt ihrer Muskulatur zwischen ‘ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. b53 sich, so dass die ganze Tuba nur „als Einschaltung zwischen die faseia pharyngea externa und interna zu betrachten sein möchte“ (Weber-Liel). Das mittlere Blatt, welches von dem unteren Rande des lateralen Knorpelhakens medianwärts vor dem Ansatz des m. spheno-salpingo-staphylinus herabhängt, hat zunächst den Zweck, die beiden hauptsächlichsten Tubenmuskeln von einander zu trennen, dann dient es aber, wie wir sehen werden, einem noch viel wichtigeren Zwecke. Die Fascien der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale ent- springen ebenso, wie die an der hinteren Pharynxwand selbständig an der unteren Fläche der Schädelbasis und zwar zum grössten Theil (mit Ausnahme eines Theils des äusseren Blattes) von der fibrocartilago basilaris, jedoch nicht mehr direkt, sondern durch Vermittlung des Tubenknorpels, der oben am Dachtheil direkt an die fibrocartilago basilaris angelöthet ist, im übrigen dagegen in. seinem ganzen Umfange von dem Perichondrium überzogen wird, das, wie oben besprochen, als eine dünnere Schicht des faserigen Bindegewebes der fibrocartilago aufzufassen ist. Unterhalb der Tubenmuskeln vereinigen sich die Fascien- blätter wieder zu einem Blatte, das erst am concaven Rande des constrietor pharyngis supremus sich ebenso, wie an der Hinter- wand, in die innere und äussere Fascie theilt. b Lassen wir vorläufig die oberen Ursprungslinien der drei Fascienblätter an der Schädelbasis unbeachtet und betrachten wir die Fasceien in ihrem Verhältniss zum ganzen ligamentum laterale pharyngis, und zwar nehmen wir das Ligament, das hier an der Uebergangskante der hinteren und seitlichen Pharynxwand in die Fascie eingewebt ist, in seiner vertikalen Höhe als Ursprung der Fascien der Seitenwand. Das Ligament verläuft von seinem oberen Insertionspunkt (von dem vordersten der seitlichen Ausläufer der fibrocartilago basilaris unter dem vorderen Rande des foramen caroticum externum) in der Weise nach unten medianwärts conver- girend, dass dadurch allmählich eine sehr bedeutende Verschmäle- rung des Schlundkopfes entsteht und der Nasenrachenraum zwei Hügelförmige Ausbreitungen (sog. Flügel des Gewölbes, Tourtual) erhält. Das Ligament ist aber nicht so stark medianwärts geneigt, wie der untere Rand des m. levator veli und auch der des tensor veli, so dass, während das Ligament an seinem Ursprung in der unmittelbaren Nähe der unteren Ränder beider Muskeln liegt, nach 554 KasimirvonKostanecki: unten, gegen den hamulus pterygoideus hin, eine immer grössere Entfernung zwischen ihnen entsteht. Während deshalb im oberen Theile das Ligament sich sogleich in die erwähnten Faseienblätter theilt, bleibt nach unten hin die Fascie eine ziemlich bedeutende Strecke nur einfach, bis sie die freien unteren Ränder der beiden Tubenmuskeln trifft und in derselben Weise wie oben sich theilt. Doch bleibt die Faseie nicht von derselben derben, fibrös-elasti- schen Consistenz, sondern wird in ihrem weiteren Verlaufe nach vornmedianwärts immer mehr gelockert; da sie aber von zahl- reichem Fett durchsetzt ist, so wird sie dabei viel voluminöser und dicker. Der Theil der Fascie, der einfach bleibt, hat ungefähr eine dreieckige, resp. dreieckig-pyramidale Gestalt (die Spitze denke man sich oben an der Ursprungsstelle des ligamentum laterale pharyngis); er ist im Verhältniss zu dem dreigetheilten Abschnitte “nur gering, entspricht der vorderen Wand des tiefsten, am meisten seitlich gelegenen Theils des sinus faucium lateralis (recessus in- fundibuliformis, der Rosenmüller’schen Grube), wo also die von Muskeln freie Pharynxwand auf den m. pterygoideus internus zu liegen kommt. Dieser kleine Theil bildet das Analogon zu den erwähnten, von Muskeln freien und lediglich von der Schleimhaut und der Fascie gebildeten ovalen Lücken an der hinteren Pharynx- wand, mit denen er übrigens ein nur durch das an der Umbiegungs- kante eingewebte ligamentum laterale pharyngis unterbrochenes, oder richtiger gesagt in zwei Theile zerlegtes, Ganzes bildet. Inneres Fascienblatt an der Seitenwand des ecavum pharyngo-nasale. Das innere Fascienblatt an der Seitenwand des cavum pha- ryngo-nasale hat bisher fast keine Berücksichtigung bei den Au- toren gefunden, und doch ist es nicht ganz ohne Bedeutung für den Bewegungsapparat der Tuba. Sein spezielles Gebiet ist die seitliche resp. vordere Wand derRosenmüller’schen Grube, der Tubenwulst, die plica salpingo- pharyngea, von der es dann auf den Boden der Tubenmündung übergeht (resp. mit der denselben bildenden Fascie zusammenhängt), fernerhin auf die obere naso-pharyngeale Platte des Gaumensegels übergreift, woselbst es mit der in der Verlängerung des Tuben- Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 555 bodens verlaufenden Fortsetzung des mittleren Fascienblattes, das ebenfalls auf dem Gaumensegel an den Choanen sich ausbreitet, zusammenfliesst. Am unteren Rande des levator veli verschmilzt es mit der an der lateralen Fläche des Muskels verlaufenden Fascie, welche denselben von dem tensor veli trennt, und geht dann weiter nach unten ununterbrochen in den folgenden zu dem cavum pharyngo-orale gehörigen Abschnitt der inneren Pharynx- fascie über. Die Faseie hat im allgemeinen ganz denselben Charakter, wie die innere Pharynxfascie überhaupt. Sie ist zart und dünn, mit der Submucosa fest verwachsen; den Muskeln gegenüber da- gegen, zu denen sie in Beziehung steht, zeigt sie ein wechselndes Verhalten. Während sie nämlich mit dem m. levator veli nur durch lockeres Bindegewebe zusammenhängt, ist sie mit dem Perimysium des palato-pharyngeus, namentlich mit seinem sehnigen oberen Insertionsende aufs innigste verbunden. Bezüglich des oberen Ursprungs der Fascie haben wir bereits oben erwähnt, dass sie unmittelbar an der medialen Seite der Ursprungssehne des levator veli als seitlicher unter spitzem Winkel zur Hinterwand gerichteter Spaltungsstreifen des ligamentum laterale phbaryngis beginnt, sich demnach oben eine ganz kurze Strecke weit gleich dem Muskel an die untere rauhe Fläche des Felsen- beins bis zum isthmus tubae ansetzt. Dann aber, sobald sich der levator veli an den unteren Rand der medialen Knorpelplatte an- legt, dient die mediale Kante dieses Randes der Fascie zum Ur- sprung, so dass diese als die unmittelbare Verlängerung des Perichondriums, welches die äussere concave Fläche des Knorpels überzieht, erscheint. Die Fascie verhilft somit das fasciöse und vom Knorpel nur überdachte Bett, in dem der Levator, wie oben beschrieben, ver- läuft, nach aussen zu vervollständigen. Ebenso aber, wie sie oben den Levator an dessen Ursprung noch vor der medialen Knorpel- platte bedeckt, so umgibt sie ihn auch nach dem Aufhören der- selben unterhalb des ostium pharyngeum tubae noch auf der oberen Platte des Gaumensegels; wie weit dies geschieht, und namentlich ob es bis zur Insertion des Muskels geschieht, ist unmöglich zu bestimmen, da die Fascie gegen das Insertionsende mit den diver- girenden Bündeln des Levator sich inniger verbindet und mit denen 556 Kasimir vonKostaneckiı: des palato-pharyngeus so fest zusammenhängt, dass es unmöglich wird, sie als continuirliche Membran darzustellen. Den Theil des m. palato-pharyngeus, dem die Fascie an dem unteren medialen Drittel der Tuba in ihrem Verlaufe begegnet, (vorwiegend also den m. salpingo-pharyngeus), schliesst sie in sich ein, indem sie sich an der Stelle wiederum in zwei Theile spaltet. Die beiden, natürlich sehr zarten, Blätter in toto zu Gesicht zu bekommen, gelingt es nur in den allerseltensten Fällen, nämlich dann, wenn der zur medialen Platte gehende Theil des palato- pharyngeus als ein einziger besonders kräftiger Muskel entwickelt ist, und deshalb sowohl das hintere Blatt auf dem hindurchschim- mernden Muskelbauch als dünne Membran zu sehen ist, als auch das äussere vordere nach Abhebung des Muskels zu Gesicht kommt. In den meisten Fällen aber, wo der Muskel nicht besonders aus- gebildet ist und sich nur auf einige lose Bündel beschränkt, kann man unmöglich diesen Theilungsvorgang der Fascie kennen lernen, nur als höchst wahrscheinlich kann man gelten lassen, dass sie dann ebenso, wie bisweilen das mächtigere Muskelbündel, auch die einzelnen kleineren Faseikel in sich einschliesst. Da sehr oft, so- gar meist, der Theil des m. palato-pharyngeus, der mit der Tuba im Zusammenhange steht (sowohl die an die mediale Knorpel- platte gehenden Bündel des salpingo-pharyngeus, als auch die an den Tubenboden herantretenden Fasern), nicht ausgebildet ist, so ist diese Theilung der fascia interna pharyngis erst am arcus phbaryngo-palatinus, der den gleiehnamigen Muskel einschliesst, sowie (wahrscheinlich) an dem. bereits auf dem Gaumensegel be- findlichen Theile desselben möglich, während die Stränge und Fäden des ligamentum salpingo-pharyngeum sowie des zum Tuben- boden ziehenden ligamentum salpingo-palatinum, die den Ersatz für diese Muskeltheile bilden, in die Fascie eingewebt sind, oder richtiger gesagt, nichts weiter, als fibrös-elastische Verstärkungs- _ züge der Fascie darstellen. Das allmähliche Uebergehen in das Prichondrium des Tubenknorpels an ihrem Ursprunge (das auch für die ganze Fascie charakteristisch ist), das stufenweise Auf- gehen in der inneren Fascie des Pharynx am Insertionsende, dann die Verbindung der einzelnen Stränge durch die Fascie selbst sprechen so deutlich für diese Auffassung, dass sie, glaube ich, eine andere Annahme gar nicht gestatten. In einer Polemik mit Moos, der dieser Ligamente infolge einer Verwechselung und Pur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 557 eines offenbaren Missverständnisses unter dem Namen „fascia sal- pingo-pharyngea“ gedachtet), tritt Zuckerkandl?) mit Recht gegen diese Bezeichnung auf, weil dies Veranlassung zu einer Ver- wechselung mit der von Tröltsch beschriebenen Fascie geben könne3). Wenn aber Zuckerkandl als zweiten Grund gegen diese Bezeichnung anführt: „diese Ligamente entsprechen nicht dem anatomischen Bilde einer Fascie; wenn auch häufig es ein- tritt, dass der mittlere Theil der Ligamenta salpingo-pharyngea zusammenschmilzt und eine bindegewebige Platte bildet, so be- wahren doch die Insertionen der Ligamente ihre aus einzelnen Fascikeln bestehende Structur“, so dürfte dies kein Grund sein, die Ligamente nicht als fibrös-elastische, aus der Anhäufung und Vermehrung dieser schon an sich in der Fascie vorhandenen Ele- mente entstandene und durch morphologische Gestaltungsvorgänge zu einzelnen Strängen ausgebildete Verstärkungszüge der Fascien aufzufassen®). Dass Fascien nur dadurch, dass sie stärker ent- 1) Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie und Physiologie der Eustach’schen Röhre. Wiesbaden 1874. 2) Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachii. II (Monatsschrift für Ohrenheilk. 1874. VIII. Nr. 11). 3) Was gewiss zugestanden werden muss, da schon Moos nicht nur dem Namen, sondern auch dem Wesen nach diese Gebilde offenbar in Zu- sammenhang gebracht hat, weshalb er zum Theil ganz andere Verhältnisse als Zuckerkandl unter diesem Namen verstanden hat (vgl. oben die ge- nauere Beschreibung der Ligamente beim m. palato-pharyngeus, sowie unten den betreffenden Abschnitt bei der fascia salpingo-pharyngea v. Tröltsch, d. h. dem mittleren Blatte der Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo- nasale). 4) Vollkommen dieselbe Bedeutung scheint mir das Gebilde zu haben, welches Zuckerkandl auf folgende Weise beschreibt: „Als ein andres Mo- ment, welches zur Ventilation der Tuba und Paukenhöhle bei Wirkung der Pharynxmuskulatur wesentlich beiträgt, führe ich ein von mir mehrfach beob- achtetes Netzwerk der Tuba an... Dieses fibröse Netzwerk gehört den la- teralen Tubentheilen an und entspringt mehr einer Lamelle gleichend von der fibrocartilago basilaris und von der hinteren lateralen Wandung der Tuba Eustachiana. (Um Missverständnissen vorzubeugen, mag hier nochmals darauf hingewiesen werden, dass die „hintere laterale“ Tubenwand bei Zucker- kandl stets die mediale Wand nach der üblichen Terminologie bezeichnet.) An dem unteren Rande der lateralen Tubenwand zerfällt dieselbe in ein fein- maschiges Netzwerk, dessen über mohnkorngrosse Lücken von Schleimdrüsen- 558 Kasımir von Kostanecki: wickelt sind, verschiedene active Funetionen übernehmen können, ist bekannt. Ich möchte hierbei namentlich die Aufmerksamkeit lenken auf die vorwiegende Bedeutung, welche K. Bardeleben!) den Skelet-Fascien zuschreibt, was sich aber in vollstem Umfange auch auf die Pharynxfascien anwenden lässt und hierdurch jeden- falls nur eine noch eingehendere Begründung und ausgedehntere Geltung gewinnt. Er gelangt nämlich nach einer eingehenden anatomischen Begründung?) zu dem Ergebniss: „Die Fascien ver- körnern verstopft werden. Weiter unten, wo dies Netzwerk auf die seitliche hintere Pharynxwand zu liegen kommt, werden seine Areolen weiter; nur die Endausläufer des ein und einen halben Zoll langen Netzes lösen sich in feine Bindegewebsfäden, welche zwischen muscularis und Schleimhaut der seitlichen und hinteren Pharyxwand ihr Ende finden.“ 1) „Ueber Fascien und Fascienspanner“ (Jenaische Zeitschrift für Natur- wissenschaft. Bd. XII. Sitzungsbericht vom 29. November 1878. p. XCIV) und: „Muskel und Fascie“ (Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. 1882. p. 339, 340). 2) Nachdem Bardeleben die einzelnen in Fascien inserirenden, also Fascien spannenden Muskeln des Stammes und der Extremitäten aufgeführt, schliesst er mit der Bemerkung: „Aus dieser Zusammenstellung geht auf das Klarste hervor, dass alle Fascien des menschlichen Körpers mit Muskeln in Verbindung stehen. Alle diese Fascien sind somit als Fortsetzungen von Muskeln anzusehen, sie sind mehr oder weniger Produkte von Muskeln, nicht nur Umhüllungen derselben, sondern Aponeurosen und Sehnen. Einige bisher als Fascien bezeichnete Bindegewebslamellen fehlen in der Uebersicht. Dies sind eben keine wirklichen (?) Fascien. Als solche sind nach meinen Unter- suchungen nur (?) Gebilde zu bezeichnen, in welche Muskeln inseriren“. (Diese Bemerkung präcisirt Bardeleben an einer anderen Stelle noch dahin: „Die Stärke einer Fascie steht in direkter Beziehung zu der Zahl und Stärke der Muskel-Insertionen und Ursprünge und zwar ist die Stärke der Fascie der Summe der Insertionen und Ursprünge im Allgemeinen proportional. Die Entwicklung der Fascie ist abhängig von der Entwicklung der in ihr in- serirenden und entspringenden Muskeln und umgekehrt.) ... „Die Fascien dienen so zu einer Vermittlung zwischen Muskulatur und Skelet, sowie zwi- schen Muskel und Muskel, indem ein Muskel von der Fascie oder Sehne des anderen entspringt. Die Fascien werden somit theils zu Muskelbestandtheilen oder Fortsetzungen.* Während ich diese auf anatomische Grundlage ge- stützten Anschauungen hervorhebe, um ihre weitgehende Bedeutung auch auf andere Fasciengebiete auszudehnen, muss ich darauf hinweisen, dass durch die Auffassung Bardeleben’s der Begriff Fascie allzu sehr eingeschränkt würde, Wenn er nämlich auch an anderer Stelle schreibt: „andererseits wird der Be- griff Faseie insofern erweitert, als man die mit Muskeln in Verbindung stehen- Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 559 treten Muskeln und sie vertreten Knochen. Sie können aus Mus- keln durch Reduction entstehen, und sie können ihrerseits wieder- um zu Knochen werden. Man kann die Fascien nicht nur räum- lieh sondern auch zeitlich (phylogenetisch) und histologisch als Binde- oder Zwischenglieder zwischen Muskeln und Knochen hin- stellen.“ Ich glaube, dass, wenn man dies von den Fascien über- haupt, im Sinne Bardeleben’s, sagen kann, es erst recht bezüg- lich der uns beschäftigenden Pharynxfascie gilt. Denn die innere Pharynxfascie, wie die Pharynxfascien überhaupt, ist auch im engeren Sinne (Bardeleben’s) als wirkliche Fascie aufzufassen, den Membranen, Bänder u. dgl. auch hierher zu rechnen hat. Wo will man sonst die Grenze zwischen den Extremitätenfascien und den ligamenta inter- muscularia ziehen?“ so bleiben trotzdem, wie er selbst bemerkt, einige bisher als Fascien bezeichnete Bindegewebslamellen ausgeschlossen. Und wenn Bardeleben meint, dies wären „eben keine wirklichen Fascien“, so glaube ich trotzdem, dass sie nicht so unbedeutend sind, um vollkommen unberück- sichtigt bleiben zu können, und dass sie deshalb auch in der anatomischen Terminologie eines Namens nicht vollkommen entbehren können. Man wäre also jedenfalls gezwungen, eine neue Bezeichnung für derartige Bindegewebs- lamellen einzuführen (wenn man ihnen nicht überhaupt, wie Henle es thut, nur die Bedeutung von „atmosphärischen Bindegewebslagen* zuschreibt, „die sich von selbst verstehen“), und sodann müsste man auch diese „Bindegewebs- lamellen“ und die „wirklichen Fascien“, ihrer nahen Beziehung zu einander wegen, unter einen höheren Begriff unterordnen, zudem auch noch dienach Bardeleben sog. „Hautfascien“ gehören müssten. (Bardeleben sagt nämlich: „Zu sondern von den bisher besprochenen Skelet- oder Muskelfascien sind die Hautfascien, wie sie besonders im Gesicht, am Halse sowie als oberflächlichste Schicht an den Extremitäten auftreten.) Wie man aus meinen einleitenden Bemerkungen über die Fascien im Allgemeinen ersehen kann, entspräche der Begriff Fascie, so wie ich ihn aufgefasst habe, diesem höheren Gesammtbegriff; ich glaube, dass die Bedeutung der Bardeleben’schen Befunde dadurch gar nichts verlieren würde, wenn man auf Grund derselben die Fascien in die betreffenden drei Unterabtheilungen (Bindegewebslamellen, wirkliche Fascien, Hautfascien) ein- theilte, wobei immer noch die enge Beziehung zwischen diesen Gebilden her- vorzuheben wäre, zumal da eine und dieselbe Membran bisweilen zur ersten, bisweilen zur zweiten Kategorie gezählt werden müsste. Gegen die Auffassung Bardeleben’s richtet sich auch wohl die Bemerkung Sappey’s: „Chaque aponevrose (sc. des muscles longs) possede un ou plusieurs muscles tenseurs. Quelques anatomistes avaient pense qu’elles &taient forme&es unique- ment par ces expansions tendineuses. Mais ellesexistentparelles- m&mes; ces expansionsne font que lesrenforcer.“ 560 Kasımir von Kostaneckı: da Muskel in ihnen mit ihren sehnigen Enden inseriren — dann stellt aber die innere Fascie (speciell ligg. salpingo-pharyngea) ein viel näheres Zwischenglied zwischen Muskel und Skelet dar, da es sich bei ihr um die Vermittelung zwischen Muskel und - Knorpel, also einem in der Bindegewebsreihe phylogenetisch um eine Stufe niedriger stehendem Gewebe, handelt. Dann treffen aber die beiden Möglichkeiten, die Bardeleben anführt, aufs ge- naueste zu gerade bei dieser Fascie. Wie wir nämlich bei der speciellen Betrachtung der Ligamente hervorgehoben haben, dienen einerseits diese Fascienverstärkungszüge nur zum Ersatz für den zur Tuba gehenden Theil des m. palato-pharyngeus und stehen sogar bezüglich ihrer Entwicklung in umgekehrtem Ver- hältniss zu diesem variablen Muskeltheile, anderseits aber kann dieser Fascienabschnitt eingestreute Knorpelkerne, Knorpelstäbe enthalten oder selbst in eine förmliche Knorpelplatte umgewandelt werden. Mittleres Fascienblatt der Seitenwand des ecavum pharyngo- nasale. Das mittlere Blatt beginnt zugleich mit dem Ursprung des m. spheno-salpingo-staphylinus, wo es durch Spaltung des vom ligamentum laterale pharyngis ziehenden äusseren Fascienblattes entsteht. Während nun der grösste Theil des unteren Randes des lateralen Knorpelhakens für den Zutritt von Fasern des tensor veli vorbehalten bleibt, hängt die Fascie von seiner inneren, dem Tuben- lumen zugekehrten Kante in unmittelbarer Verlängerung des die Knorpelrinne innen auskleidenden Prichondriums herab; auf diese Weise wird von der Fascie und dem unteren Rande des Knorpel- hakens auf einem Durchschnitt ein Winkel, im ganzen eine seichte kleine Halbrinne für die Aufnahme der Ursprungsfasern des tensor veli gebildet. Von da verläuft die Fascie vertikal nach unten, trennt demnach den vom lateralen Knorpelhaken entspringenden m. spheno-salpingo-staphylinus von dem der medialen Platte mehr genäherten m. petro-salpingo-staphylinus. Diese Fascie wurde am frühesten von den Fascien der Tuben- muskeln beschrieben. Bereits bei älteren Autoren wird sie vorüber- gehend genannt, dann von Tourtual!) ganz richtig als „innere 1) Untersuchungen über den menschlichen Schlund- und Kehlkopf. 1861. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 561 Fascie des tensor veli, die die innere Fläche des Muskels dem Gaumenheber gegenüber bekleidet,“ beschrieben, im Zusammenhange mit der äusseren Fascie des Tensor, die er beide als Blätter der fascia buccopharyngea auffasst. Speciell hat sie jedoch zunächst Tröltsch!) (der übrigens nur von dieser Tubenmuskelfaseie spricht, obgleich er sie auch „zum System der fascia buccopharyngea“ zählt), als faseia salpingo-pharyngea beschrieben; dann wurde sie von Weber-Liel?) einer ausführlichen Untersuchung unterzogen, wo- bei dieser für sie den Namen fascia salpingo-pterygo-staphylina als entsprechender vorgeschlagen hat. Beide Namen sind jedoch nicht gerade glücklich gewählt. Als fascia salpingo-pharyngea könnte und müsste man nämlich jede der dem Pharynx ange- hörenden und zugleich zur Tuba herantretenden Fascien bezeichnen — und deren gibt es drei; der Name fascia salpingo-pterygo-sta- phylina gibt dagegen von dem Verlaufe der Fascie eine nur theil- weise richtige Vorstellung, verwischt dagegen gänzlich den Zu- sammenhang mit den anderen Fascienblättern und deutet auch keineswegs ihre Beziehung zu den Muskeln an. Ich glaube in- dess, ebenso wie bei den anderen Fascien, auch hier nach keinem besonderen Namen suchen zu müssen, und ich nenne diese Fascie am liebsten mittleres Blatt der Fascie an der Seitenwand des Cavum pharyngo-nasale, oder kürzer, je nach dem, äussere Fascie des levator veli, innere Fascie des tensor veli oder die den Levator und Tensor trennende Fascie. Eine Verwechselung, ein Missver- ständniss ist bei keiner dieser Bezeichnungen möglich, wenn man den morphologischen Zusammenhang der Tubenfascien im Auge behält. | Die meisten Autoren, ja sogar fast alle, lassen diese innere Faseie des tensor veli „kammartig von der membranösen Tuba“ entspringen, eine Angabe, die seit der Beschreibung v. Tröltsch’s sich eingebürgert hat. Als diese „membranöse Tuba?)‘“‘ wird da- 1) Beiträge zur anatomischen und physiologischen Würdigung der Tuben- und Gaumenmuskulatur (Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. ]). 2) Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progres- siver Schwerhörigkeit. Berlin 1873. 8) Die weiche oder häutige Tuba oder Tubenwand, membranöser, häu- tiger Tubenabschnitt. Eustachius (Opuscula anatomica Venetiis 1564) sagt über diesen Abschnitt: „huic (sc. cartilagineae ac admodum crassae) vero Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 36 562 Kasımir von Kostanecki: bei der Theil der Tuba bezeichnet, der die knorplige Halbrinne nach unten und vorn zu einem rundlichen Canal vervollständigt, und als ihre Bestandtheile werden bisweilen, abgesehen von der Schleimhaut im Inneren des Tubenlumens, eine ziemlich dichte, vonKernen durchsetzte, von Gefässen durchzogene Membran „tunica propria“ und eine „bindegewebige äussere Platte‘ beschrieben. Oben an der Innenseite des Knorpelhakens ganz dünn, nimmt sie nach unten an Dicke immer mehr zu, so dass sie am Tubenboden einen ziemlichen Durchmesser besitzt. Ich muss bekennen, dass ich von einer besonderen mem- branösen Tuba mit den beschriebenen ihr speciell zukommen- den Bestandtheilen niemals etwas gefunden habe; auch muss ich hervorheben, dass von der gesammten mir bekannten Litteratur keine einzige Quelle für die Annahme einer solchen spricht, so- weit sie anatomische Abbildungen oder objektive Beschreibungen liefert, nur bezüglich der Deutung und der Auslegung des Befundes hätte ich also den bisherigen Anschauungen entgegenzutreten. Ich glaube nämlich, dass die Tuba von der Stelle an, wo der laterale Knorpel aufhört, abgesehen von der sie innen auskleidenden Schleim- haut, nur von der vom lateralen Knorpelhaken hinabziehenden inneren Fascie des Gaumenspanners gebildet wird. Da jedoch diese Fascie am oberen Rande des levator veli sich zwischen ihn und den tensor veli hineinschiebt, so zweigt sich, um die Tuba als Canal nach unten zu vervollständigen und zugleich einen Theil der oberen und lateralen Fläche des levator veli zu umhüllen, von ihr ein Blatt ab, das zum unteren Rande des medialen Knorpels herantritt und daselbst an der dem Tubenlumen zugekehrten Kante mit dessen Priehondrium !) verschmilzt. Diese „Fascienanastomose“ vervollständigt nach oben und vorn das knorplig-faseiöse Bett für den Muskelbauch des levator veli; und da die Betheiligung des unteren Randes des medialen oppositae partis substantia exacta cartilago non est, sed membranosum nescio quid habet et tenuior evadit.“ 1) Hierdurch steht dieser kleine Fascienabschnitt mittelbar mit der an die hintere Kante des unteren Randes der medialen Knorpelplatte sich an- setzenden inneren Pharynxfascie in Verbindung; am ostium pharyngeum tubae fliessen diese beiden Fascienabschnitte, sobald der mediale Knorpel aufhört, unmittelbar zusammen. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 563 Tubenknorpels an der Bildung dieser Rinne eine individuell ver- schiedene ist (wie bei der Beschreibung des Muskelverlaufs her- vorgehoben), so muss auch dementsprechend der Abschnitt, den diese Fascienanastomose dazu liefert, wie es sich bei Berück- sichtigung der entsprechenden Verhältnisse von selbst ergibt, namentlich bezüglich der Länge beträchtlichen Schwankungen unterworfen sein. Diese Anastomose und der obere Theil der inneren Fascie des m. spheno - salpingo-staphylinus bilden mit einander ein un- unterbrochenes Ganzes und stellen somit die Grundlage dar für die membranöse Tuba). Wenn man nun die Tröltsch’sche fascia salpingo-pharyngea für sich allein betrachtet, so kann man in der That den Eindruck gewinnen, dass dieselbe „kammartig von der membranösen Tuba entspringt“ an der Concavität des Bogens, den die laterale Tubenwand mit dem Tubenboden bildet. Als ein weiterer Grund für die besondere Stellung, die man der membranösen Tuba hat geben wollen, mag wohl hauptsäch- lich die Thatsache gegolten haben, dass die Fascie, soweit sie zum Verschluss des Tubencanals verwendet wird, wegen der be- sonderen Anforderungen, die an sie gestellt werden, auch eine be- sondere Beschaffenheit aufweist. Der betreffende obere Abschnitt der Fascie hat nämlich eine viel grössere Festigkeit und Wider- 1) Ich behalte diese Bezeichnung trotz der verschiedenen Auffassung bei und theile nicht die Bedenken Rüdinger’s (Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histologie der Ohrtrompete. München 1870, und die Ohrtrompete in Stricker’s Handbuch der Gewebelehre. 1872): „Man wird durch sie (sc. die Bezeichnung: membranöser Theil der Tuba) sofort auf die Schleimhaut ge- führt, die doch keineswegs einem Abschnitte der Ohrtrompete angehört, sondern derselben in ihrer ganzen Ausdehnung zukommt .... es dürfte wohl zweckmässig sein, sie „musculöse Tuba“ zu nennen.“ Die letztere Be- zeichnung scheint mir noch leichter misszuverstehen; auch würde dadurch die bindegewebige Grundlage des iateralen und unteren Tubenabschnitts vollkommen jede Bedeutung verlieren, Rüdinger selbst fasst auch die Ge- webslage zwischen den Muskeln und der Schleimhaut nur als Submucosa auf, weshalb er die vielen Eigenthümlichkeiten dieses Abschnittes gar nicht be- rücksichtigt. Die Bezeichnung „membranöser Theil der Tuba“ scheint mir aber desto zweckmässiger, als die Bezeichnung „membrana pharyngis“ öfter für „fascia pharyngis‘‘ gebraucht wird, jedenfalls öfters, als zur Bezeichnung der Schleimhaut, die ich immer mit „mucosa“ bezeichnet fand. 564 Kasimir von Kostaneckiı: standsfähigkeit; indess ändern sich diese Eigenschaften je nach den verschiedenen Tubenabschnitten. In der Nähe der knöchernen Tuba, wo wegen der ausge- dehnten knöchernen Umrahmung und des daraus hervorgehenden Raummangels der knorplige Tubenabschnitt eine nur geringe Be- weglichkeit zulässt, und deshalb die Hauptbedeutung für die Er- öffnung und für die Durchgängigkeit des Tubencanals in den Be- reich des membranösen Abschnittes fällt, stellt derselbe ein ver- filztes diehtes Bindegewebenetz von beträchtlicher Consistenz dar. Nach Zuckerkandl gewinnt „diese Umrahmung eine um so grössere Starrheit, als in das dichte fibröse Gewebe des Anfangs- theils der faseia interna tensoris veli sich zumeist ein Knorpel- stäbehen eingewebt befindet“, und Urbantschitsch schreibt so- gar: „in einigen Fällen fiel mir ein bisher noch nicht erwähnter Knorpelstab auf, weleher nicht selten in die membranöse Tuba eingewebt erscheint und meistens von dem isthmus tubae nach abwärts gegen das untere Drittel der Tuba verläuft, wobei er sich allmählich verjüngt.“ Wenn jedoch Rüdinger meint, dass für das obere Ende des Tubencanals „neben dem Knochen und dem recht- winklig geformten Knorpel die dicke Faserlage als ergänzende starre Umrahmung dient“, und wenn er meint, dass „auf diese starre Umrahmung die Muskeln nur einen sehr geringen Einfluss auszuüben vermögen“, so kann ich dem nicht beistimmen. Denn einestheils sind in diesem Abschnitte, entsprechend den grösseren Widerständen, auch die mechanischen Hilfsmittel und Zugkräfte vermehrt, indem in der Nähe der knöchernen Tuba gerade aussen starke Züge des spheno-salpingo-staphylinus, innen die Sehnen- fasern des petro-salpingo-staphylinus nicht nur an den lateralen sowie medialen Knorpel, sondern auch an die membranöse Tuba herantreten?), in der Mitte zwischen beiden aber der obere derbe, resistente und deshalb sehr leistungsfähige Abschnitt der die bei- 1) Diese Knorpelstäbe, die ziemlich häufig zu finden sind, können durch Knorpelbrücken mit dem Hauptknorpel verbunden sein, so dass dadurch der Tubencanal in der Nähe der knöchernen Tuba fast vollkommen vom Knorpel umrahmt erscheint und der häutige Abschnitt auf ein Minimum reducirt ist. 2) Die Verwebung der Sehnenfasern beider Muskeln mit der membra- nösen Tuba trägt in hohem Grade dazu bei, ihre derbe Faserlage in diesem Abschnitt noch zu verstärken. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fasecien. 565 den Muskeln trennenden Fascie zur Geltung kommt. „Den ver- mehrt angebrachten und benöthigten Zugkräften entspricht weiter“, wie Weber-Liel richtig bemerkt, „die Umformung der Wände des hinteren Theils der Eustach’schen Röhre: der mediale und vertikale Theil des Tubenknorpels werden dünner, die häutigen Seiten- und Bodenwände des Canals aber consistenter, dicker, so dass ein an ihnen ausgeübter Zug keine stellenweise, sondern eine gleichmässige Erweiterung zur Folge haben kann.“ Nur letztere Auffassung ist im Stande, die grössere Üon- sistenz der membranösen Tuba in ihrem oberen Theile zweck- mässig erscheinen zu lassen. Im mittleren sowie im unteren Drittel hat die membranöse Tuba nicht mehr den derben fibro-cartilaginösen Charakter; sie besteht daselbst nur gegen den lateralen Knorpel, an ihrer Ur- sprungsstelle aus einem dichten fibrösen Gewebe. Wegen des An- satzes dieser fibrösen Fascie erscheint auch am lateralen stumpfen Ende des Knorpelhakens die Faserlage des Perichondriums stärker entwickelt, was Rüdinger auch theilweise der Anheftung von Sehnenfasern des tensor veli zuschreibt. Unzweifelhaft tritt aber die Faserlage der Fascie am Knorpelhaken desto deutlicher auf, je mehr Sehnenfasern des spheno-salpingo-staphylinus von dem- selben auf den membranösen Tubentheil übergreifen. Gegen den Boden der Tuba hin aber verliert die Faseie an Consistenz, wird locker und weich, nimmt aber bedeutend an Masse zu, indem zwischen ihre Maschen reichlich, wenn auch individuell verschie- den, Fett eingelagert ist. Diese im umgekehrten Verhältniss zur Consistenz erfolgende Volumenzunahme findet statt einerseits in der Vertikallinie von dem Knorpelhaken nach dem Tubenboden hin, andrerseits in der Diagonallinie von der knöchernen Tuba gegen das ostium pharyngeum hin, so dass also die membranöse Tuba am Boden des ostium pharyngeum (speciell am suleus sal- pingo-palatinus anterior) ihre grösste Dicke besitzt. Ausgenommen bleibt in dieser Beziehung der der medialen Platte zunächst ge- legene Theil des Tubenbodens, der von der Stelle an, wo der levator veli von ihm und dem anstossenden medialen Knorpelende nicht mehr entspringt, sondern ihm nur locker anliegt, ganz dünn und zart ist, und die deckende Schicht vorwiegend von der dieken und drüsenreichen Schleimhaut herrührt. Doch gibt es Fälle, in denen die membranöse Tuba in ihrer 566 Kasimir von Kostanecki: ganzen Ausdehnung denselben festen fibrösen Charakter behält, wie in dem dem Knochen näher, gelegenen Theile; und zwar be- zieht sich dies hauptsächlich auf den lateralen, der fascia in- terna des spheno-salpingo-staphylinus gehörigen Abschnitt, wäh- rend der über dem levator veli liegende Theil offenbar zu wenig activ oder selbst passiv bei der Tubeneröffnung auftritt, um einer Verstärkung zu bedürfen. So sah ich in einem Falle die mem- branöse Tuba in ihrer ganzen Länge von einer derben, vollkommen fibrocartilaginösen Consistenz, deren Dicke am ostium pharyngeum 2—3 mm in dieser derben Schicht betrug, darunter erst allmählich in lockeres Bindegewebe überging. Ein andermal sah ich wieder- um im ganzen Verlaufe der sonst membranösen Tuba eine starke platte Sehne, die von der Vereinigungsstelle mit der knöchernen Tuba an die ganze lamina medialis processus pterygoidei bis gegen den hamulus pterygoideus zog und dann erst in die Bein- haut der Nasenwand fächerförmig ausstrablte. Einen ganz eigen- thümlichen Fall, wie ich ihn sonst nirgends beschrieben finde, sah ich an einem Präparate, wo an Sielle der Fascie der membranösen Tuba in ihrer ganzen Länge ein platter, sehr dünner Muskel unter der Schleimhaut verlief. Der Faserverlauf war derselbe, wie der Fascie!), nämlich ungefähr der Tubenaxe parallel. Der Muskel begann mit einer deutlich ausgeprägten Sehne von dem isthmus tubae, sowie den angrenzenden Knorpelrändern (hing auch mit dem übrigen Theile des lateralen Knorpelhakens durch straffe Bindegewebszüge zusammen) verbreitete sich allmählich, wurde dann in der Mitte auf eine kurze Strecke fleischig, ging jedoch am pharyngealen Tubenende wiederum in eine breite platte und sanz dünne Sehne über, die ebenso, wie es die Faseie immer thut, in die periostale Schicht der seitlichen Nasenwand auslief. Ungefähr analog, wie der obere, zum Verschluss der Tuba dienende, verhält sich auch der weitere Abschnitt der inneren Faseie des spheno -salpingo-staphylinus. Im oberen Theile derb 1) Wie man sich an Flächenpräparaten ohne Schwierigkeit überzeugen kann, verläuft die Faserung der ganzen Fascie ungefähr parallel der Achse der Tuba, weshalb auf Querdurchschnitten ihre Bindegewebsbündel schräg oder quer getroffen erscheinen. Es entspricht dies der allgemein beobachteten Thatsache, dass der Faserverlauf der Fascie ungefähr rechtwinklig den Faser- verlauf des Muskels, zu dem sie gehört, kreuzt. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 567 und fibrös, wird er weiter unten medianwärts (in vertikaler und diagonaler Richtung) noch mehr locker und ebenfalls noch reich- licher von Fett durchsetzt — und zwar geschieht dies in noch viel höherem Grade, als in dem Abschnitt der Fascie, der zum Tubencanal gehört, dieser könnte verhältnissmässig noch als derb und fest bezeichnet werden!). Sowohl die Festigkeit der Fascie, als auch die Fettschicht in derselben, somit ihr Volumen über- haupt, ist individuell sehr verschieden. Deshalb bildet sie in ver- einzelten Fällen ein ziemlich resistentes dichtes und derbes Ge- webe?), während ein andermal der m. spheno-salpingo-staphylinus und der petro-salpingo-staphylinus durch ein dickes Fettpolster, einige male wiederum nur durch eine schwache dünne Binde- gewebsschicht?) von einander getrennt sind, obgleich Fett an dieser Stelle constant vorzukommen pflegt und selbst bei mageren Personen niemals fehlt. Die Fascie ist von der hier auftretenden Fettschicht nicht zu trennen, indem das Fett in dem Bindegewebs- netze gleichmässig zertheilt ist und dasselbe vollkommen durch- wächst ®). 1) Dadurch erscheinen auch die Worte v. Tröltsch’s verständlich: „Die membranöse Tuba nimmt nach unten immer mehr an Dicke zu, um unter- halb der Tubaspalte in eine anfangs derbe, dann sich mehr verdün- nende Fascie überzugehen. 2) Ich glaube indess nicht, dass die Festigkeit des Gewebes die Auf- fassung rechtfertigt, welche Krause (Anatomische Varietäten, 1880, p. 63) ihm gibt: „Als ligamentum pterygosphenoideum internum s. pte- rygosphenoideum wird das Fascienblatt zwischen den levator und tensor veli palatini bezeichnet; dies ist ein Streifen der fascia buccopharyngea, welche zwischen den mm. tensor veli palatini und pterygoideus internus gelegen ist und vom hamulus pterygoideus nebst einer Zacke der lamina medialis des processus zur spina angularis hingespannt ist.“ 3) Wie Urbantschitsch hervorhebt, ist die verschiedene Stärke der membranösen Tuba — sagen wir der inneren Fascie des spheno-salpingo- staphylinus überhaupt — von Einfluss auf die Gestaltung der pharyngealen Tubenmündung;; indem die laterale Tubenwand und der Tubenboden einmal mehr emporgewölbt erscheint, ein ander Mal dagegen in die fossa pterygoidea wie hineingesunken vorkommt. (Anatom. Bemerk. üb. d. Gestalt und Lage des ostium phar. tubae beim Menschen. Archiv für Ohrenheilkunde 1876. Bd. X.) 4) Ich kann mich nicht der Ansicht Schwalbe’s anschliessen, der meint (Anatomie der Sinnesorgane. 1887): „Alles, was nach innen von dieser Fascie 568 Kasimir von Kostanecki: Die Fascie verhält sich zu den einzelnen Theilen ihrer Nach- barschaft sehr verschieden. Ihr oberer Abschnitt ist mit der Submucosa der Tubenschleimhaut innig verwachsen, namentlich gegen den lateralen Knorpelhaken hin; ebenso ist sie mit dem m. spheno-salpingo-staphylinus im oberen Theile fester und straffer verbunden, auch wenn keine Sehnenfasern des Muskels an sie herantreten, wird aber nach unten immer unabhängiger von dem Muskel, indem sie durch lockeres (ebenfalls fetthaltiges) Binde- sewebe von diesem getrennt wird. Den levator veli, den sie in der ganzen Tubenlänge vom m. spheno-salpingo-staphylinus, im untersten Tubentheile dagegen von dem am processus pterygoideus entspringenden Theile des constrietor pharyngis supremus scheidet, umgiebt sie nur sehr locker. Am unteren Rande dieses Muskels verwächst sie mit dem seine hintere Fläche deckenden inneren Blatte der Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale, und zwar schiebt sie sich so unter den Muskel, dass dieser auf der fettreichen Faseie gewissermaassen zu ruhen scheint. Unterhalb des unteren scharfen Randes des spheno-salpingo-staphylinus ange- langt, vereinigt sie sich mit der äusseren Fascie dieses Muskels, so dass also hierdurch für den Muskel, seiner Form entsprechend, ein länglich-dreieckiges Fascienbett herauskommt, welches an der Schädelbasis breit beginnend, sich nach unten medianwärts gegen den hamulus pterygoideus hin, wo sich der Muskel zu einer plat- ten freien Sehne sammelt, entsprechend verschmälert. Am hinte- ren Rande der medialen Platte des processus pterygoideus (Zu- gelegen ist, gehört zur Schleimhaut, an der man sowohl hier im rein mem- branösen Gebiet, als in dem durch Knorpel gestützten Abschnitt Epithel, mucosa propria und submucosa zu unterscheiden hat. Was den rein mem- branösenAbschnitt besonders auszeichnet, istdas Auf- treten von Fettin der Submucosa. Letztere ist hier häufig in ihrer ganzen Höhe durch eine bis 1,2 cm dicke Fettschicht vertreten, welche nahe dem Bodenende der lateralen Wand ihre grösste Dicke besitzt, nach dem Knorpelhaken zu allmählich abnimmt.“ Meiner Ansicht nach ist die Fett- schicht in diesem Falle ein integrirender Theil der Fascie. — Wenn jedoch Henle (Handb. d. Anat. II, p. 114), demsich auch Gruber anschliesst (Lehrb. d. Ohrenheilk. 1870), die Fascie nur als blosses Fettgewebe erwähnt, so ent- springt diese Auffassung aus seiner allgemeinen Anschauung über die Fascien überhaupt, nicht aber, wie Weber-Liel meint, aus dem Umstande, dass die Fascie „zuweilen nur ganz schwach entwickelt ist.“ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 569 gleich also am medialen Rande des Muskels, m. spheno-salpingo- staphylinus), greift die Faseie auf die seitliche Nasenhöhlenwand über, woselbst sie. wie Tourtual schon sagt, „an der inneren Fläche des inneren Gaumenflügels sich forterstreckt und an der Nasenfläche des aufsteigenden Blattes des Gaumenbeins hinter der Anlage der unteren Muschel mit der Beinhaut verschmilzt.“ Ebenso verhält sie sich im unteren Theile gegen den hamulus pterygoi- deus hin, wo sie auf das hintere Ende des harten Gaumens am Choanenboden, sowie auf die obere Platte des weichen Gaumens übergeht und als ziemlich bedeutende Zwischenschieht den hamu- lus sowie die sich um ihn windende Sehne des m. spheno-salpingo- staphylinus nach oben von der Schleimhaut, nach hinten vom Levator trennt. Tröltsch und Luschka geben an, dass sich die faseia salpingo-pharyngea „am hamulus pterygoideus ansetzt“, ver- legen also das mediale Ende der Fascie an den hamulus ptery- goideus. Diese Angabe entspricht nicht dem thatsächlichen Be- funde, andererseits halte ich die Verhältnisse an dieser Stelle nicht für so complieirt, wie es aus der Schilderung»Weber-Liel’s?) hervorgehen könnte. Dieser sagt: „Hier nun (sc. am scharfen Rande des hamulus pterygoideus) bin ich noch im Zweifel (an verschiedenen Präparaten verschiedenes Bild), ob sie sich spaltet, den hamulus pterygoideus zwischen sich fassend, ihn umfasst und weiter geht, oder ob sie nur dessen äussere concave Fläche aus- kleidend, theilweise fest mit dessen Periost verwebt, sich unter der Sehne des spheno-salpingo-staphylinus mit dieser um den ha- mulus nach innen weiter herumschlägt und, mit der aponeurotischen Ausbreitung des Muskels vereinigt, dessen Grenzschicht von der in die sutura cutanea übergehenden Ausstrahlung der oberen Por- tion des levator veli bildet. Dies letztere Verhalten wohl das that- sächliche.* Meinen Erfahrungen nach stellen sich die Verhältnisse in folgender Weise dar: Der Muskel verläuft in seinem vertikalen Theile, wie schon oben bemerkt, in einer vollkommenen geschlos- senen Fascienrinne, welche nach hinten am scharfen Rande durch die Verklebung seiner äusseren und inneren Fascie verschlossen ist, während medianwärts sein äusseres Blatt an das Periost der äusse- ren Seite der medialen Platte des processus pterygoideus, das 1) Ueber d. Wesen u. d. Heilbark. d. häufigst. Form progress. Schwer- hörigkeit. Berlin 1873. p. 64. 570 Kasimir von Kostanecki: innere an den hinteren Rand derselben inserirt. Im oberen Theile, wo der Muskel noch theilweise von der medialen Platte entspringt, dann ihr sehr innig anliegt, ist die innere Fascie nur auf den Zu- tritt zum hinteren Rande derselben beschränkt. Weiter unten, gegen und am hamulus pterygoideus, wird aber die Sehne des spheno-salpingo-staphylinus bedeutend freier und liegt nicht so innig dem Knochen an, deshalb geht die fettreiche Fascie nicht mehr einzig und allein an das Periost der inneren Fläche der lamina medialis processus pterygoidei, sondern schiebt sich an deren äusseren Fläche in lockerer, von Fett durchsetzter, bald mehr bald weniger dieker Schicht zwischen Knochen und Mus- kel ein, während sie im übrigen mit dem Periost der lamina in- terna und dem Periost resp. Perichondrium des hamulus ptery- gsoideus verbunden ist und sich in ebenderselben beträchtlich dieken Schicht jenseits des hamulus auf den palatinalen sehni- sen Theil des Muskels forterstreckt. Doch behält sie ihre Dicke nur unmittelbar an dem Choanenwinkel am hamulus pterygoideus, wird dagegen bald bedeutend dünner, schliesslich ganz zart, ver- wächst aber dabei fester mit der Aponeurose des Muskels, so dass sie gegen die Mittellinie des weichen Gaumens von ihr nicht mehr zu trennen ist. Die Fascie erscheint demnach über dem ganzen Muskel als ein einheitliches Ganzes, das nur durch den hamulus pterygoideus unterbrochen ist. Diesem gegenüber verhält sich die Fascie ganz ebenso, wie sich die Fascien überhaupt zu Knochen, die sie in ihrem Verlaufe antreffen, verhalten, sie geht an sein Periost resp. Perichondrium heran und verwebt sich mit dem- selben, umfasst ihn also und geht weiter, wie wir entgegen der Ansicht Weber-Liel’s sagen können. Jenseits des hamulus pterygoideus strahlt aber die innere Fascie des spheno-salpingo-staphylinus in zwei Richtungen aus, also nicht nur medianwärts zugleich mit der Sehne des Muskels, sondern auch vertikal nach unten. Und zwar setzt sich hier die Fascie in der ganzen Länge des hamulus als innere Fascie auf den constrietor pharyngis supremus fort, also zunächst auf den an demselben, sowie gewöhnlich noch an der medialen Lamelle des processus pterygoideus entspringenden m. pterygo-pharyngeus, dann auf den am ligamentum pterygo-mandibulare entspringenden bucco- pharyngeus, sowie auf den an der linea mylohyoidea des Unterkiefers beginnenden mylo-pharyngeus u. s. w. und begleitet diese Muskeln Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. Bya! bis an ihren Ursprung nach vorn. Am vorderen Ende des pterygo- pharyngeus sowie des mylo-pharyngeus geht sie ins Periost der betreffenden Knochen über, am buceco-pharyngeus aber, der am liga- mentum pterygo-mandibulare, da wo nach vorn Bündel des Bucei- natorius ihren Anfang nehmen, entspringt, geht sie in dessen innere Fascie über, welche mit der Wangenschleimhaut verwachsen ist. Da diese Fascie wegen ihrer Zartheit nicht auffällig ist, so wird sie gewöhnlich gar nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie der Zusammenhang der inneren Pharynxfascie mit ihr, obgleich er im Grunde genommen ebenso vorhanden ist, wie an der äusseren Fascie der betreffenden Muskeln. (Dieser höchst wichtige Punkt wird uns weiter unten sehr eingehend beschäftigen.) Auch wird das Bild an der inneren Fascie dadurch complieirt, dass sie an der inneren Fläche des buccopharyngeus in Beziehung steht zu den gegen den weichen Gaumen aufsteigenden Muskeln, sowie innig verbunden ist mit den zwischen den Gaumenbogen liegenden Tonsillen. Gegen den hamulus pterygoideus hin gehen öfters Sehnen- fasern des spheno-salpingo-staphylinus in die Fascie über, ebenso wie die anderen am hamulus entspringenden Muskeln von ihr bis- weilen vermittelst Sehnenfasern ihren Ursprung nehmen, so der oben erwähnte pterygo-pharyngeus, sowie einige Bündel des palato- pharyngeus. In gewisser Beziehung kann dies zur Anspannung der Faseie und dadurch zur Verstärkung ihrer Wirkung beitragen. Auf dem Gaumensegel dient die Fascie zur Scheidung des m. spheno-salpingo-staphylinus von dem petro-salpingo-staphylinus!) 1) Wenn Weber-Liel sagt: „Ich vermuthe, dass die trennende Zwi- schenschicht herrühre von der sich unter dem spheno-salpingo-staphylinus gleichfalls am hamulus pterygoideus vorbei zum weichen Gaumen begebenden fascia salpingo-pterygo-staphylina“, so glaube ich dies mit der obigen Ein- schränkung vollkommen bestätigen zu können; wenn er aber weiter sagt: „deren Ausbreitung die eigentliche Grundmembran der Gaumenaponeurose darstellen würde“, so muss ich hervorheben, dass, worauf ich schon beim m. spheno-salpingo-staphylinus hingewiesen habe, die Grundmembran der Gaumen- aponeurose die Aponeurose dieses Muskels darstellt, sowohl ihrer anatomischen als auch physiologischen Bedeutung wegen, während meiner Ansicht nach die Fascie, obgleich sehr beträchtlich an Volumen, doch wegen ihrer nur ganz geringen Festigkeit und Resistenz, auch im lateralen Theile, wo sie be- sonders ausgebildet ist, eine nur sehr geringe Rolle spielt. 572 Kasimir von Kostanecki: sowie Bündeln des palato-pharyngeus, doch nur so weit, bis sie eine selbständige Fascie darstellt und nicht nur mit der Apo- neurose des Muskels verwächst, oder die anderen Muskeln von dieser Aponeurose selbst unmittelbar sehnig entspringen. Die Fasecie kommt hier zum grössten Theil oberflächlich unter die Schleimhaut der oberen Gaumensegelplatten zu liegen, sie wird also in diesem Theile gewissermaassen zur inneren Fascie, fliesst auch am Rande des levator veli mit der diesen Muskel oberfläch- lich deekenden Fascienanastomose zusammen. In diese gemeinsame Ausbreitung der Fascie auf dem Gau- mensegel jenseits des medialen Randes der inneren Platte des processus pterygoideus sind namentlich gegen den lateralen Knor- pelhaken und den Boden der Tuba hin die bekannten ligamenta salpingo-palatina anteriora et media eingewebt, die wir bereits oben näher kennen gelernt haben. In morphologischer Beziehung stehen die Ligamente, glaube ich, auf vollkommen derselben Stufe, wie die oben genauer erörterten ligamenta salpingo-pharyngea, indem sie fibrös-elastische Verstärkungszüge der Fascie, die als Ersatz für zu Grunde gegangene zu gleichen Zwecken dienende Züge des palato-pharyngeus dienen, darstellen. Alle diejenigen näheren Bemerkungen, die ich über jene Ligamente gemacht habe, gelten in vollstem Maasse auch für diese. Aeusseres Faseienblatt der Seitenwand des cavum pharyngo- nasale. Dieses Fascienblatt wurde schon wiederholt von mehreren Autoren beschrieben, von jedem freilich unter besonderen Gesichts- punkten. Cruveilhier!) erwähnt es als Fortsetzung der fascia 1) Anatomie descriptive: „L’apon&vrose petropharyngienne, ou aponevrose laterale du pharynx, nait de l’apophyse p6tr&e en dedans de l’orifice inferieur du canal carotidien, par un faisceau aponeyrotique tres-Epais, continu, & angle droit avec l’aponevrose c&phalo-pharyngienne, descend le long de la partie lat&rale du pharynx, sepanouit en faisceaux qui vonts’inserer dansla fosse pterygoide entre le ptery- goidieninterneetleperistaphylinexterne qu’ils sepa- rent. Elle envoie un prolongement & l’extremite la plus recul&ee du bord alveolaire inferieur et dans l’intervalle qui separe ce prolongement du reste de l’aponevrose, donne attache au muscle buccinateur.“ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 573 petro-pharyngea, welche zwischen dem m. pteryg. internus und peristaphylinus externus, diese von einander trennend, in der fossa pterygoidea inserirt. Tourtual!) erwähnt es dann als äusseres Spaltungsblatt der fasecia buccopharyngea, Wenzel Gruber?) beschreibt es als besonderes ligamentum pterygo-petro- sum?) (petro-pterygoideum, Flügel - Felsenbeinband); die ein- 1) Untersuchungen über den menschlichen Schlund- und Kehlkopf. 1861. „Ich fand, dass diese Binde (sc. fascia buccopharyngea), indem sie den hinteren Rand des Gaumenspanners erreicht, sich in zwei Blätter spaltet, deren äusseres an der äusseren Fläche dieses Muskels, zwischen ihm und dem inneren Flügel- muskel bis in die fossa pterygoidea verläuft.“ 2) Bulletin de la classe physico-math&ematique de l’acad&mie imperiale des sciences de St. Petersbourg. 1850. VI. Nr. 24, p. 375. „Ligamentum pterygo-petrosum. Es entsteht von der unteren Fläche der pars petrosa des os temporale und zwar neben dem vorderen Theile des äusseren Umfanges der apertura inferior des canalis caroticus hinten und aussen von dem Ur- sprunge des levator palatimollis und verläuft bald mehr, bald weniger bogen- förmig gekrümmt, nach vor- und etwas einwärts in die fossa pterygoidea zum inneren Blatte des processus pterygoideus des os sphenoideum herab. Anfäng- lich steigt es hinter dem levator palati mollis und diesem parallel herunter, krümmt sich dann nach aussen von demselben nach ab- und vorwärts zur inneren Fläche des m. pterygoideus internus, um diesen unterhalb des oberen Viertels seiner Länge und an dem hinteren Viertel oder Drittel seiner Breite zu erreichen und sich daselbst anzulegen... ..... Dabei ist es stark und plattgedrückt, kehrt die eine ganz freie Fläche nach innen, die andere, zum Theil verwachsene, nach aussen. Länge 27 mm bis 34 oder 36 mm. Davon sind die hinteren zwei Drittel isolirt, das vordere Drittel verwachsen. Von seinem Ursprunge gegen die Insertion wird es allmählich breiter, am Ur- sprunge 4,5—7 mm, verschmälert sich gleich darunter zu 2—4,5 mm, dann am m. pterygoideus internus 4,5--9 mm, an der Insertion 9—13,5 mm. 3) Krause (Anatomische Varietäten, 1380. p. 63) erwähnt dies Liga- ment auch unter dem Namen: lig. salpingo-pterygoideum s. pterygo-sphenoi- deum externum, „dies ist ein Streifen der fascia buccopharyngea, welche zwi- schen den mm. tensor veli palatini und pterygoideus internus gelegen ist und vom hamulus pterygoideus nebst einer Zacke der lamina medialis des pro- cessus pterygoideus zur spina angularis hingespannt ist.“ Er bemerkt über dieses Ligament: „Sehr selten dagegen (sc. im Gegensatz zum ligamentum pterygo-spinosum s. pterygo-petrosum Civinini) ist eine Verknöcherung des ligamentum salpingo-pterygoideum, sive pterygo-sphenoideum externum.* An 145 zu diesem Zwecke untersuchten Schädeln, sowie an sämmtlichen bei dieser Arbeit ausgeführten Präparaten habe ich auch nicht eine Andeutung einer 574 Kasimir von Kostanecki: gehendste Darstellung dieser Fascie verdanken wir jedoch Weber- Liel!), der namentlich auf ihre hohe Bedeutung für den Be- wegungsapparat der Tuba aufmerksam gemacht und sie deshalb „Lubenaponeurose‘“ benannt hat. Diese Fascie, welche von dem ligamentum laterale pharyngis an der äusseren Fläche der Ursprungssehne des levator veli liegt, hält sich von der Stelle an, wo die ersten Bündel des m. spheno- salpingo-staphylinus entspringen, und sie das mittlere Blatt in die Tiefe schickt, bezüglich ihres Ursprungs lateral an den oberen Rand dieses Muskels. Demnach verläuft an der Schädelbasis die Ursprungslinie der Fascie von dem ligamentum laterale pharyngis, theilweisen, geschweige denn einer totalen Verknöcherung des „Ligaments“ angetroffen. Der hamulus pterygoideus unterliegt zwar: unendlichen Variationen sowohl bezüglich seiner Länge (er kann nur schwach angedeutet oder über 10 mm lang sein), als auch bezüglich seiner Breite (von 1 bis 3 mm) und Dicke (er ist bisweilen ganz scharf, ein andermal mehr cylindrisch), er endet auch einmal ganz spitz, ein ander Mal dagegen breit und stumpf, auch ist seine Richtung nicht immer dieselbe (er ist einmal mehr der fossa pterygoidea genähert, ein ander Mal mehr nach hinten ausgebuchtet, einmal mehr hori- zontal, ein ander Mal mehr nach unten-hinten gerichtet). Doch entspricht seine Gestaltung und Richtung immer dem Zuge der an ihm angebrachten Zugkräfte, welche nach hinten lateralwärts, theilweise auch nach unten ihren Einfluss geltend machen, also des m. pterygo-pharyngeus und des ligamentum pterygo-mandibulare (resp. des an ihm entspringenden m. buccopharyngeus), welche theilweise einen Antagonisten haben in dem um den hamulus nach vorn gewundenen m. spheno-salpingo-staphylinus. Die zahlreichen individuellen Unterschiede in der Gestaltung des hamulus pterygoideus mögen gewiss von der Verschiedenheit dieser an ihm angebrachten Gebilde herrühren. Wenn wir nun bedenken, dass der hamulus pterygoideus, der übrigens beim sieben- monatlichen Foetus noch nicht verknöchert ist, beim neugeborenen Kinde bereits deutlich entwickelt ist, jedoch nur insoweit, als er zum Hypomochlion für die Sehne des spheno-salpingo-staphylinus dient, späterhin sich dagegen so bedeutend nach unten ausbilden kann, so müssen wir annehmen, dass er gerade Tendenz hat, sich nach der Richtung des anderen Ligaments, des pterygo-maxillare, durch Verknöcherung desselben, zu entwickeln. Für die andere noch einzig mögliche Annahme, dass die Fascie („das Ligament“) in dem an die äussere Fläche der medialen Platte sich ansetzenden Theile ver- knöchert, habe ich ebenfalls keine thatsächlichen anatomischen Anhaltspunkte gewinnen können. 1) Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progres- siver Schwerhörigkeit. Berlin 1873. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 575 das vom vorderen und medialen Rande des foramen caroticum externum entspringt, über die rauhe untere Fläche des Felsen- beins zum vorderen Rande der apertura externa canalis musculo- tubarii — von da ab tritt die Ursprungslinie auf das Keilbein, speciell den vorderen unteren Rand der hinteren Nebenwurzel des Temporalflügels, unmittelbar medianwärts von dem foramen spino- sum und ovale, über, wo sie von dem Gewebe der fibrocartilago basilaris herabhängt. Nach unten dagegen heftet sich die Fascie an die in der Flucht des vorderen unteren Randes des foramen ovale verlaufende Knochenleiste an, welche die fossa scaphoidea nach unten von der fossa pterygoidea abgrenzt. In Bezug auf den Ursprung der Fascie schreibt Weber- Liel: „Ueber dem vorderen Dritttheil der Tuba Eustachii, da, wo deren Knorpel von der obersten Schicht des m. spheno-salpingo- staphylinus bedeckt ist, liegt sie diesem Muskel leicht verschieb- lich auf. Aber von jenen Stellen der Tuba an, wo das Tuben- knorpeldach von Muskelfasern frei ist, und diese erst unter der Umkrämpung des Knorpelhakenendes ansetzen, ist die Tubenapo- neurose fest über den Knorpel herübergezogen und (sich mit dessen Perichondrium verfilzend) befestigt sie sich in der längs der äusseren Tubenwand als Marke zwischen knorpeliger und häutiger Tuben- wand hinlaufenden Rinne. Aus dieser wird sie dann wieder her- vorgestülpt durch die vom inneren Theil des stumpfen Knorpel- hakenendes entspringenden Faserlagen des m. spheno-salpingo- staphylinus.... In der Nähe der Vereinigung der knorpeligen mit der knöchernen Tuba in der Gegend, wo vom Tubenknorpeldache die am weitesten nach hinten und aussen ausgreifenden Sehnen- fasern des m. tens. tymp. zu entspringen beginnen, zeigt die Apo- neurose ein verschiedenes Verhalten. Ueber dem Tubenknorpel ist sie etwas abgehoben, um den hier entspringenden Fasern des tensor tympani Platz zu machen und selbe als Scheide zu um- geben, dann seitlich nach aussen senkt sie sich wieder in die er- wähnte an der Tuba hinziehende Rinne, aber minder fest ein..... Also ... über dem mittleren Dritttheil der Tuba schliesst sie sich eng an den Tubenknorpel an, auf dem vorderen Drittel haftet sie nur sehr lose, in toto abhebbar, indem zwischen ihr und dem Knorpel die vordere Lage des Tubenmuskels herunterzieht; von dem hinteren Dritttheil des Tubenknorpels beginnt sie sich eben- falls etwas abzuheben, weil zwischen ihr und dem Knorpel, von 576 Kasimir von Kostanecki: diesem selbst, die nach hinten ziehenden Ursprünge des tensor tympani beginnen.“ Während ich die Bemerkungen Weber-Liel’s über das vor- dere untere Tubendrittel vollkommen bestätigen muss, kann ich seinen Angaben über das mittlere und obere hintere Tubendrittel nur mit einigen Aenderungen beistimmen. Wie ich nämlich schon bei der Beschreibung des Muskels gezeigt habe, ist im mittleren Tubendrittel das Tubenknorpeldach sowie die laterale vordere Fläche des lateralen Knorpels nicht immer von Muskelfasern frei, und diese setzen nicht immer erst unter der Umkrämpung des Knorpelhakenendes an, sondern es gehen, wenn auch nicht immer, Fasern des Muskels über die convexe Fläche des lateralen Knorpel- hakens an dessen Perichondrium oder direkt an das Keilbein resp. an die fibro-cartilago basilaris heran. Deshalb kann auch die Faseie, die sich vollkommen nach dem Muskel richten muss, nicht immer gleich eng mit dem Tubenknorpel verbunden sein. Während sie sich also einmal fest mit dessen Perichondrium verwebt, ist sie ein ander- mal von ihm mehr oder weniger abgehoben durch eine verschiedene Anzahl von Sehnenfasern des tensor veli, mit denen sie dann innig verbunden ist. Aehnlich ist das Verhältniss im oberen Theile, wo die Muskelfasern des tensor veli öfters von der spina angularis entspringen und selbst, wenn aueh ganz selten, auf das os petro- sum übergreifen; namentlich aber bedingt hier ein verschiedenes Verhalten der Fascie das verschiedene anatomische Verhalten des tensor tympani. Wenn Weber-Liel sagt: „mir selbst wollte es bisher nicht gelingen den von verschiedenen Autoren behaupteten Zusammenhang einzelner Fleischfaserzüge des m. tensor veli mit solchen des tensor tympani nachzuweisen. Ein solcher mag vor- kommen, aber kann nur dann statthaben, wenn die Tubenfascie sich nicht, wie es mir jedoch die Regel zu sein scheint, fast in die das knorplige Tubendach von der äusseren häutigen Tuben- wand scheidende Rinne sich einsenkt?),‘“ so kann ich eben nur her- 1).... „es senkt sich die aponeurotische Membran nicht so tief in die genannte Rinne ein, sie scheint letztere mehr in einer nur wenig einge- schnittenen Fluchtlinie zu überbrücken. Dieses Verhalten, welches noch einer eingehenderen Untersuchung bedarf, wäre vorzugsweise beachtenswerth. Denn wenn es besteht, ist es möglich, dass Fasern des Tubenmuskels hier über- greifen auf das Dach der Tuba und mit den seitlichen Ursprungsfasern des Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 77T vorheben, dass das Abhängigkeitsverhältniss der beiden Gebilde ein umeekehrtes ist. Dass zunächst thatsächlich ein Zusammenhang von Fasern des tensor tympani mit denen des tensor veli besteht, habe ich bei dem m. spheno-salpingo-staphylinus hervorgehoben, ebenso, dass er in anderen Fällen zweifellos fehlt. In jedem Falle hat nun der tensor tympani eine Fascie, welche als eine dünne Schicht der fibrocartilago basilaris angesehen werden kann und lateralwärts mit ihr unmittelbar im Zusammenhange steht, während sie medianwärts in das Perichondrium des lateralen Knorpelhakens sich verliert und an dem knöchernen canalis tensoris tympani mit der inneren periostalen Auskleidung desselben verwächst!). Je- nachdem nun ein Uebergang von Sehnenfasern des einen Muskels in die des anderen stattfindet, oder nicht, beobachtet man auch in dem einen Falle einen direkten Uebergang der Fascien an der äusseren Fläche der Muskeln, im anderen Falle wird dagegen der Zusammenhang erst durch eine schmale Brücke vermittelt, die von tensor tympani in Verbindung treten; wenn dagegen, wie aus einigen Prä- paraten hervorzugehen scheint, die aponeurotische Membran auch im hintersten Drittel der Tuba fester in der genannten Rinne haftet, ist ein Uebergang von Fleischfasern des Tubenmuskels in den tensor tympani nicht möglich: es würde eben die Anheftung der Aponeurose in der Rinne die Insertionen beider Muskel streng scheiden.“ 1) Ich muss vollkommen die Bemerkung Weber-Liel’s bestätigen, wenn er hierbei sagt: „Einfach als periostale Umkleidung des Muskels möchte die fibröse Scheide meines Erachtens nicht wohl bezeichnet werden können, und zwar 1) weil bei Loslösung des Knoehens sie nicht an diesem, sondern über dem Muskel in zusammenhängender Lage haften bleibt, 2) mit Rück- sicht auf den mir zweifellos erscheinenden Zusammenhang und Uebergang ihres stellenweise isolirt darstellbaren inneren Blattes mit der zum Tuben- dache aufsteigenden Tubenmuskelfascie.*“ Dass hier aber einerseits die Fascie nicht unabhängig neben der periostalen Bindegewebsschicht auftritt, beruht auf der allgemein bei den Fascien zu beobachtenden Thatsache, dass sie an Knochen angrenzend mit deren periostaler Bindegewebsschicht verwachsen; dass die Fascie andererseits bei Loslösung des Knochens nicht an diesem, sondern über dem Muskel haften bleibt, steht im Einklange damit, dass die fibrocartilago basilaris (als deren Fortsetzung die Fascie des tensor tympani aufzufassen ist) überhaupt bei der Abhebung des Knochens auch nicht an diesem haften bleibt, sondern im Zusammenhang bleibt mit den Gebilden, die an ihr befestigt sind, also dem Tubenknorpel, den Muskeln, am Pharynxdach auch an der Schleimhaut, der Tonsilla pharyngea u. s. w. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32, 37 578 Kasimir von Kostaneckı: der starken!) Periehondriumschieht an der äusseren Fläche des lateralen Knorpelhakens gebildet wird. Legt man die Fascie von aussen in toto bloss, so sieht man sie von der Schädelbasis herab (in einer durch die angegebene In- sertionslinie, welche in schiefer Richtung von hinten oben nach vorn unten verläuft, gelegenen Ebene) an der äusseren Fläche des m. spheno-salpingo-staphylinus vertikal nach unten ziehen. Nach hinten und seitwärts trifft sie unter spitzem Winkel mit der Fas- cie der hinteren Pharynxwand zusammen — diese Uebergangs- stelle ist durch das mehrfach erwähnte ligamentum laterale pha- ryngis, welches in die Fascie eingewebt ist, gekennzeichnet. Nach unten setzt sie sich vom scharfen lateralen Rande der platten Muskelsehne des spheno-salpingo-staphylinus auf die äussere Fläche des am hamulus pterygoideus entspringenden m. pterygo-pharyn- geus, sodann auf die äussere Fläche des bucco-pharyngeus, des mylo-pharyngeus, des glosso-pharyngeus, kurz des ganzen constric- tor pharyngis supremus (cephalo-pharyngeus) fort. Sie verlässt also am hamulus pterygoideus das Gebiet des cavum pharyngo- nasale (pars nasalis des Schlundkopfes) und geht ununterbrochen in die faseia externa der pars oralis pharyngis über. Am medialen vertikalen Rande des m. spheno-salpingo-staphy- linus geht die Fascie in das Periost der fossa pterygoidea (an der lateralen Fläche der lamina interna) über, und zwar liegt diese Ansatzlinie der Fascie in der Flucht der die iossa scaphoidea nach unten abgrenzenden Knochenleiste, was auch am Schädel meist durch eine vertikale Knochenleiste an der lateralen Fläche der lamina medialis processus pterygoidei angedeutet ist: dadurch ent- steht zwischen dem hinteren Rande der Platte und dieser Knochen- leiste eine schmale und seichte Rinne, in welcher der scharfe mediale Rand des Muskels verläuft. An der Stelle angelangt, wo sich die platte breite Sehne des spheno-salpingo-staphylinus um den hamu- lus pterygoideus windet, schlägt sich die Fascie, die hier meist zart 1) Die perichondrale Bindegewebsschicht ist hier dadurch mächtiger entwickelt, dass daselbst noch starke Züge der fibrocartilago herantreten, dann wird sie aber noch dadurch verstärkt, dass von oben her die sehnigen Ursprungsbündel des tensor tympani, von unten her dagegen die in derselben Richtung verlaufenden hinteren starken Faserbündel des tensor veli, sowie die gerade in diesem Abschnitt, wie wir sehen werden, vorwiegend stark aus- gebildeten Züge der äusseren Tubenmuskelfascie in ihr sich verlieren. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 579 und mit der Sehne ziemlich fest verwachsen ist, mit ihr ebenfalls medianwärts herum und deekt hier die Sehnenplatte, die, wie von einer Klammer, von drei Seiten von Knochen (vorn und median- wärts von der äusseren Fläche der lamina interna processus ptery- goidei, hinten von dem hamulus pterygoideus) umgeben ist, von der einzig freien!) lateralen convexen Seite. Anfangs ist sie auch noch am horizontalen palatinalen Theile des Muskels deutlich wahr- zunehmen, verliert sich aber bald, indem sie sich verjüngt oder vielmehr mit der Sehne des Muskels einerseits, andererseits mit dem Bindegewebe der mächtigen Drüsenschicht in der Schleimhaut an der unteren Fläche des Anfangstheils des velum palatinum innig verwächst. Von der Stelle der concaven Fläche des hamulus pterygoi- deus, wo die breite Sehne des spheno-salpingo-staphylinus aufhört, schliesst sich die Fascie ziemlich fest dem hamulus pterygoideus an und verschmilzt mit dem an der Spitze desselben entspringenden liga- mentum pterygo-maxillare?). Und von da an hält sich auch der vor- dere Saum der Fascie an dieses platteylindrische, etwa 1,5 mm breite Ligament. Von diesem Ligament entspringen nach rück- wärts die Bündel des bucco-pharyngeus, ebenso wie nach vorn die des m. buccinatorius. Eine beträchtliche, wenn auch nicht immer gleiche Anzahl Muskelfasern des 'bucco-pharyngeus setzen sich an der der Mundhöhle zugekehrten Seite des Ligaments con- tinuirlich in den m. buccinator fort. Ebenso wie die Muskeln, hän- gen auch die Fascien an ihrer Aussenseite fest mit dem Ligament, dadurch also auch mit einander, zusammen. Im Grunde genommen ist dieses Ligament, das gewöhnlich als ein selbstständig fester fibröser Streifen hingestellt wird, nur ein den beiden Fascien ge- 1) Auch diese „freie“ Stelle wird dadurch vollkommen geschlossen, dass nach aussen der dicke Muskelbauch des pterygoideus internus, medianwärts der vom hamulus pterygoideus entspringende pterygo-pharyngeus dieselbe fast vollständig verlegen. So bleibt denn für die Sehne des tensor veli nur ein ganz enger länglicher Spalt übrig, durch den sie sich sammt ihren Fascien hindurchdrängen muss. Sappey macht daher ganz recht den Vergleich: „La portion aponevrotique est large des son origine, qui a lieu un peu au dessus du crochet de l’aile interne de l’apophyse pterygoide, mais en se re- flechissant sur ce crochet, elle se plisse & la maniere d’une &toffe qu’on ferait passer dans un anneau. Des qu’elle est parvenue au-dessous de celui-ci, elle s’etale en rayonnant.“ 2) Ligamentum pterygo-mandibulare. 580 Kasimir von Kostaneckı: meinsamer Verstärkungszug, der nur dadurch entstanden ist, dass die sehnigen Ursprünge der beiden Muskeln von zwei Seiten her an ihm zusammenfliessen; Henke!) sagt in dieser Beziehung: „bier entspringen Fasern des buceinators und des bucco-pharyn- geus an dems. g. ligamentum pterygo-maxillare, das vom processus pterygoideus zum Unterkiefer gehen soll; d. h. ein solches Liga- ment existirt eigentlich nicht, aber die Fasern beider Muskeln, oder die Wände beider Räume, Vestibulum des Mundes und Isth- mus des Schlundes, stossen hier in einer Raphe oder Kreislinie zusammen, die wir als linea bucco-pharyngea bezeichnen können, und die ganz dem Verlaufe des freien Randes vom pterygoideus internus zwischen dem Ende des processus und der Gegend. der letzten Alveole des Unterkiefers entspricht“, in ähnlicher Weise nennt auch Sappey°) das „Ligament‘“ stets nur „lintersection fibreuse commune au buceinateur et au constrieteur;“ und Krause fasst die morphologische Bedeutung dieses Ligaments ganz richtig auf, wenn er sagt: „in der Gegend zwischen dem Gaumensegel und dem m. buceinator verläuft ein dem hamulus pterygoideus ossis sphenoidei einerseits und dem limbus alveolaris andererseits angehefteter Streifen des tiefen Blattes der fascia bucco- pharyngea, dicht unter der Schleimhaut, welche durch densel- ben bei geöffnetem Munde in eine sichtbare Falte?) (plica pterygo- mandibularis) emporgehoben wird.“ Nur bei wenigen Autoren finde ich die Thatsache, dass die Fascie von der Oberfläche *) des m. buceinatorius ununterbrochen 1) Topographische Anatomie des Menschen. Berlin 1884. 2) Traite d’anatomie descriptive. Paris 1879. T. IV. p. 41. Structure des joues. 3) Ich finde, dass diese Falte nicht nur bei geöffnetem Munde sichtbar ist, sondern auch bei geschlossenen Kiefern an jedem Präparate wahrzunehmen ist, und zwar verläuft sieim Bogen zwischen den Alveolarrändern nach aussen von den hintersten oberen und unteren Backzähnen und bildet eine deutliche Grenze zwischen dem Vestibulum oris und der Rachenhöhle; man könnte sie zweckmässiger Weise Jlinea sive plica bucco-pharyngea, sive pharyngo-oralis nennen, oder, wenn man an das in ihr verlaufende Ligament anlehnen will, die Bezeichnung plica pterygo-mandibu- larissive pterygo-maxillaris (Krause) beibehalten. 4) Diese den Buccinator nach aussen bedeckende Fascie ist das vordere, festere und straffere, tiefliegende Blatt der fascia buccalis, welches gleich dem Muskel sich nach oben und unten an den Alveolarrand des Ober- und Unter- Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 581 auf die Aussenseite der Schlundkopfkonstrietoren übergeht, einfach in dieser Weise dargestellt !); den meisten gab dies dagegen Ver- anlassung dazu, die beiden Fascien als ein einheitliches Ganzes zusammenzufassen und sie mit dem gemeinsamen Namen „fascia buccopharyngea“ zu belegen. Diese Bezeichnung hätte an sich nichts Nachtheiliges, würde im Gegentheil nur noch schärferen und deutlicheren Ausdruck der Thatsache geben, dass hier ebenso, wie man es überhaupt bei den Fascien sieht, die Fascie einer Muskelgruppe, einer Körperregion in die der anderen übergeht. Doch hat man hieraus gefolgert, dass die Pharynxmuskeln aussen keine selbständige Fascie überhaupt haben, sondern diese nur aus dem Zusammenfluss zweier Fascienabschnitte von differentem Ursprung entsteht, im unteren Theile von dem mittleren Blatte der fascia cervicalis (Sappey)?) im oberen Theile von dem hin- teren und stärkeren Theile der fascia buccalis. Diese fascia buc- calis überzieht, wie Tourtual sagt, „vorn und auswendig den Buceinator bis gegen den Mundwinkel hin und ist mit diesem Muskel zwischen den Alveolarrändern, nach aussen von den hin- teren, oberen und unteren Backzähnen ausgespannt, an der inneren Seite des Kieferastes und des inneren Flügelmuskels erstreckt sie sich rückwärts gegen den Schlundkopf, umschliesst den Gaumen- spanner bis hinauf zur knorpeligen Ohrtrompete und erreicht dann in Begleitung des m. buccopharyngeus die Hinterfläche des Schlundkopfes“ u.s. w. Ich habe bereits oben, bei den allgemeinen Bemerkungen über die Pharynxfascien überhaupt, betont, dass ich für die Pharynxmuskulatur eine selbständige innere und äussere kiefers ansetzt, nach hinten mit dem ligamentum pterygo-maxillare in Ver- bindung steht. 1) Vollkommen zutreffend finde ich die Schilderung Sappey’s: „La portion anterieure (sc. de la couche fibreuse des joues) ou aponövrose du buc- cinateur s’insere en haut et en bas au bord alv£olaire des mächoires. En arriere, elle se continue avec l’aponevrose pharyngienne au niveau d’inter- section fibreuse etendue du sommet de l’apophyse pterygoide & la partie la plus recul&e de la ligne myloidienne, intersection qui donne attache d’un cöte au buccinateur, de l’autre au constricteur superieur du pharynx.* Ebenso, finde ich, gibt das Verhältniss, wenn auch ganz allgemein, vollkommen richtig die kurze Bemerkung Henle’s wieder: „Ein straffes fest adhärirendes Binde- gewebe, fascia buccopharyngea, setzt sich von dem buceinator auf die Schlund- muskeln fort.“ 2) TiefesBlatt derFascienach Tourtual, Luschka,Hyrtlu.s.w. 582 Kasimir von Kostanecki: Fasecie annehme, dem thatsächlich ausgesprochenen Zusammen- hange der letzteren mit der Halsfaseie sowie der Backenbinde aber nur die Bedeutung beilege, die auch an anderen Körperstellen die Continuität der Fascien beansprucht, hier lag es mir nur noch daran, durch eine eingehende Darlegung der Verhältnisse zu be- weisen, dass zu einer anderen Auffassung kein thatsächlicher ana- tomischer Grund vorhanden ist. Das äussere Blatt der Fascie an der Seitenwand des cavum pharyngo-nasale stellt also seinem ganzen Charakter nach vollkom- men ausgesprochen nur den oberen Theil der äusseren Pharynxfaseie dar, gibt also in der pars nasalis pharyngis ebenso, wie es die äussere Pharynxfascie überhaupt thut, die äusseren und vorderen Grenzen des Pharynx an. Demnach müssen alle medianwärts von ihr gelegenen Gebilde, also vor allem die ihr dicht anliegende knorpelige Tuba sammt ihrer Muskulatur in den Bereich des Pha- rynx gehören, wie überhaupt die „ganze Tuba nur als Einschal- tung zwischen die fascia pharyngis externa und interna zu be- trachten sein möchte.‘‘ Ich muss diesen Punkt um so mehr betonen, als ich keineswegs die Bemerkung Schwalbe’s!) bestätigen kann, der sagt: „... . der m. tensor veli, der, da seine innere Fascie in die äussere des Pharynx übergeht, als ausserhalb des letzte- ren gelegen anzusehen ist“, obgleich auch andere Autoren, selbst Henle an einer Stelle?) sich in ähnlichem Sinne aussprechen. Meiner Ansicht nach gilt für diesen Muskel dasselbe, was A.M. Val- salva°) vollkommen zutreffend über das Gaumensegel überhaupt gesagt hat: „est re vera pars pharyngis,“ was durch die Arbeiten von Tourtual, Merkel, Luschka Bestätigung und tiefere Be- gründung erfahren hat. Um für den hauptsächlichsten Muskel des letzteren eine Ausnahme zu machen und ihn ganz aus dem Be- reich des Pharynx auszuschliessen, liegt, glaube ich, kein Grund vor. Die äussere Fascie der Seitenwand des cavum pharyngo- nasale scheidet als äussere Pharynxfascie den oberen Theil des Pharynx nach vorn und lateralwärts von den angrenzenden Ge- bilden. Im obersten und hinteren Theile hat sie zunächst an ihrer vorderen lateralen Seite das foramen ovale und spinosum sammt 1) Anatomie der Sinnesorgane. 1887. 2) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1871—1876. Bdz1T. 5. 111. 3) De aure humana tractatus. Trajecti ad Rhenum 1717. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 583 den diese Oeffnungen durchsetzenden Nerven und Gefässen neben sich, welche, in eine dieke Fettschicht eingehüllt, an der hinteren Fläche des pterygoideus externus verlaufen, sie ist mit diesem Fett- gewebe nur sehr locker verbunden; vorwiegend ruht die Faseie aber weiter unten und medianwärts auf der medialen Fläche des pterygoideus internus. Dieser Muskel ist von seinem Ansatz am Unterkiefer an von einer dieken Fettschicht bekleidet, welche oberhalb des Muskels mit der an der äusseren Fläche des ptery- goideus externus gelegenen Fettmasse zusammenhängt und jeden- falls als die innere Fascie des Muskels aufgefasst werden muss, die in so reichlichem Maasse von Fett durchwachsen ist. Dieses Fettlager ist gegen den Unterkiefer und in der Mitte des Muskels sehr reichlich, verschwindet aber allmählich nach der oberen Inser- tion des Muskels gegen die fossa pterygoidea hin vollkommen, und dadurch verjüngt sich die Fascie selbst zu einer äusserst zarten Bindegewebshülle, die an der Stelle, wo die Muskelfasern des pterygoideus internus in Sehnenfasern übergehen, mit diesen sich verwebt und vollkommen verschwindet. Daher mag die Behaup- tung einiger Autoren herrühren, dass der m. pterygoideus internus an seiner hinteren Fläche nur zum Theil von einer Fascie bedeckt ist. An der Stelle, wo die Kante der seitlichen Pharynxwand (die vordersten Züge des ligamentum laterale pharyngis) sie berührt, enthält die Fascie noch ziemlich reichliches Fett, und die äussere Pharynxfascie ist mit ihr nur sehr locker verbunden; während sich aber gleich darauf die Fascie des pterygoideus internus in der angegebenen Weise verjüngt, geht der pterygoideus internus mit der äusseren Pharynxfascie Beziehungen ein, die eine beson- dere Betrachtung erfordern. Der m. pterygoideus internus, auf den zuerst Weber-Liel in dieser Beziehung die nähere Aufmerksamkeit gelenkt hat, und von dem er eine sehr eingehende und detaillirte Schilderung giebt, besteht nämlich nach diesem Verfasser nicht aus einer gleich- mässigen Zusammenschichtung in einer Richtung verlaufender Fleischfasern, sondern man kann an ihm drei von unten nach oben aufsteigende übereinandergelegte und nach innen halbspiralig um einander gewundene Muskelschichten (bei eingehenderer Prä- paration selbst neun) von einander unterscheiden. Die einzelnen plattlänglichen, schmalen, aus der fossa pterygoidea entspringenden und zum hinteren Winkel des Unterkiefers ziehenden Muskel- 584 Kasimir von Kostanecki: schichten sind mit ihren oberen schmalen Enden staffelartig neben und untereinander gestellt. An ihrer inneren Fläche sind die einzelnen Muskelschichten sehnig und namentlich an dreien sind die Sehnenplatten mehr ausgebildet. Diese inneren sehnigen Faserschichten sind es, welche sich nach der Tuba hin umschlagen und sich aponeurotisch in die äussere Fascie (Tubenaponeurose) ausbreiten, die oberste über den vordersten Theil der Tuba Eustachii, die zweite über den mittleren, die unterste über den hinteren Theil und den Boden der Tuba resp. des Tubenmuskels. Diese Betheiligung des pterygoideus internus an der Verstärkung der Aponeurose ist jedoch nicht am stärksten im unteren Tuben- theile, wie Weber-Liel angiebt, sondern bereits die Sehnenfaser- züge, welche von den mittleren Muskellagen ausgehen und sich am unteren Rande des Tubenmuskels ausbreiten, sich mit dessen Fasern verwebend, sind meist stärker entwickelt, noch mehr aber diejenigen, welche von der untersten Muskelschicht ausgehen und nach der Tuba nahe deren Vereinigung mit dem Knochen ziehen. Dieses sind die längsten und am meisten divergenten von allen den Sehnenfaserzügen; sie laufen theils in schräger Richtung nach dem Theile des Bodens der Tuba aus, welcher gerade vor und unterhalb des Isthmus liest, sich hier in die Fascie verlierend, welche seitlich der Tuba am Felsenbein endet, theils aber verbreiten sie sich mehr medianwärts in jenem Fascienblatt ebenfalls gerade vor dem Isthmus an der Stelle, wo an dessen innerer Seite die oberste (vierte) Muskelfaserlage des spheno-salpingo-staphylinus ihre theilweisen Ansätze findet. Die zum oberen hinteren Tuben- abschnitt ziehenden Züge bieten namentlich in der Nähe ihres An- satzes an die Tuba zwar nicht dieselbe spiegelnd-glänzende Ober- fläche dar, wie im vorderen Tubentheile, da die ganze Fascie im lateralen Theile mehr von Fett durchwachsen ist, zeichnen sich aber ausgesprochen durch eine grössere Stärke und Resistenz aus!), was mir um so zweckmässiger zu sein scheint, als gerade 1) Gerade die durch stärkere Betheiligung der Sehnenfasern des ptery- goideus internus hervorgerufene besondere Entwickelung der äusseren Tuben- muskelfascie zwischen dem unteren Theile der fossa pterygoidea und dem Isthmus tubae hat wahrscheinlich Wenzel Gruber u. a. Autoren Veran- lassung dazu gegeben, diesen Theil der Fascie als ein besonderes Ligament zu beschreiben. Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 585 in diesen Theil der Aponeurose die Haupteinwirkung auf die Tuba zu verlegen ist, da ihr vorderer Theil, der durch eine dicke Muskel- schicht von der Tuba getrennt wird, keine specielle Bedeutung haben kann. Die Verbindung zwischen dem m. pterygoides internus und der äusseren Tubenmuskelfascie ist jedoch nicht immer in dem- selben Grade ausgesprochen. Wenn Weber-Liel sagt, dass ihm die Fascie „den Eindruck einer flächenhaften Ausbreitung der Sehnenfasern einzelner Muskelschichten des m. pterygoides internus macht“, so kann sich dies jedenfalls nur auf einen Theil der Fascie beziehen, denn die aponeurotische Ausbreitung der Sehnenfasern des pterygoideus internus fällt nur auf den Theil der Fascie, der den m. spheno-salpingo-staphylinus deckt. Jedenfalls besteht die Fascie auch für sich allein, sind ja die Züge der Sehnenfasern des pterygoideus internus, die sich nach der Tuba zu umschlagen, bis- weilen nur sehr spärlich, während sie in anderen Fällen allerdings sehr zahlreich vertreten sind. Wenn jedoch Weber-Liel wiederum sagt: „Diese hinten auseinanderweichenden Kanten nun stehen mit der beschriebenen Tubenaponeurose in Verbindung, indem sie sich nach der Tuba hin umschlagen, entweder alle, was ich zu beobachten nicht Gelegenheit hatte, oder wenigstens zum Theil, wovon ich mich überzeugt habe“, so kann ich selbst für die ausgesprochensten Fälle, auch nur die letztere An- gabe bestätigen. Dieser Betheiligung an der aponeurotischen Faseie wegen schreibt Weber-Liel dem m. pterygoideus internus die Rolle eines Spanners der Tubenfascie zu. Wenn jedoch Weber-Liel sagt: „meines Erachtens kommt dem m. pterygoideus internus als Kaumuskel eine ähnliche Bedeutung für das Mittelohr zu, als dem m. spheno-salpingo-staphylinus“, so rührt, glaube ich, diese Ueber- schätzung von der Vorliebe des Verfassers für diesen von ihm zu- erst betonten und gewürdigten Muskel her; dagegen muss ein ge- wisser, sogar ziemlich bedeutender, wenn auch individuell sehr verschiedener Einfluss des pterygoideus internus, der durch Ver- mittlung der äusseren Tubenfascie auf die Tubenwände in einem dem spheno-salpingo-staphylinus gleichem Sinne ausgeübt wird, gewiss zugestanden werden. Die Bemerkung Schwalbe’s: „Die eben erwähnte äussere Fascie des tensor veli palatini hat mit der 586 Kasimir von Kostanecki: tuba selbst nichts mehr zu thun‘!), fällt bei genauer Prüfung des anatomischen Befundes von selbst. 1) An einer anderen Stelle sagt Schwalbe: „Nach Weber-Liel soll der m. pteryg. int. sich an der Bewegung der Tuba betheiligen; es sollen nämlich von seiner hinteren Kante platte Bündel aponeurotisch in die äussere Fascie des m. spheno-salpingo-staphylinus, welche Weber-Liel Tubenfascie nennt, ausstrahllen. Weber-Liel bezeichnet deshalb den pteryg. int. als einen Spanner der Tubenfascie. Ich kann mich dieser Auffas- sung nicht anschliessen. Wie ich oben beschrieben habe, gehen von dem hinteren ligamentösen Theile der äusseren Fascie (a. l.: „verstärkt sich am hinteren Ursprungsende des Muskels zu einem derben fibrösen Strange, der speciell von der spina angularis des Keilbeins entspringt“) einerseits Sehnen- bündel abwärts in den m. spheno-salpingo-staphylinus, andrerseits ebenfalls abwärts in den m. pteryg. int. über. Es verhält sich meiner Ansicht nach dieser Theil der Fascie zu beiden benachbarten Muskeln, wie ein von der spina angularis ausgehendes ligamentum intermusculare, das beiden benach- barten Muskeln Gelegenheit zur Vergrösserung ihres Ursprungsgebietes gibt.“ Weshalb ich die Auffassung auch des stärksten fibrösen Abschnittes der Fascie als eines Ligaments nicht theilen kann, ergibt sich wohl nach den vorhergehenden Bemerkungen über diese Fascie sowie über die Faseien über- haupt von selbst; ich möchte deshalb nur noch darauf aufmerksam machen, dass diese Auffassung mit derjenigen Wenzel-Grubers (Bulletin de la classe physico-math&ematique de l’academie imp. des sciences de St. Petersbourg 1850. VIII Nr. 24) identisch ist, der von seinem ligamentum pterygo-petro- sum (das am äusseren Umfange der apertura inferior canalis carotici hinten und aussen von dem Ursprunge des levator palati mollis entspringt und zum inneren Blatte des processus pterygoides verläuft) sagt: „... . ist dabei an den genannten Muskel (sc. pterygoideus internus) nicht nur angelagert, sondern auch mit demselben grösstentheils verschmolzen und zwar in der Art, dass nur sein concaver oberer Rand und seine obere kleinere Portion frei bleibt, sein noch übriger Theil mit dem convexen unteren Rande mit dem Muskel sich vereinigt, und der Zug seiner Fasern jenen des sehnigen Theils dieses Muskels begegnend, parallel geht. Zuletzt schlüpft es nach aussen von dem m. circumflexus palati mollis vorbei und inserirt sich mit dem m. ptery- goideus internus bereits ganz verwachsen an die äussere Fläche des inneren Blattes des processus pterygoid., entsprechend der unteren Hälfte der gleich- namigen fossa ....... Bevor seine Fasern dem sehnigen Theile des m. pterygoideus parallel verlaufen, sieht man einen Theil der Fasern des Muskels eine grosse Strecke hindurch und unter Winkeln fleischig davon ent- stehen, weshalb sein Bogen an der ersten Vereinigung manchmal winklig her- abgezogen erscheint.“ Diese Beschreibung Wenzel Gruber’s stimmt bezüglich des anatomischen Bildes grösstentheils mit der oben gegebenen Beschreibung „der sich zur Tuba umschlagenden Sehnenfasern des m. pterygoideus internus“ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 587 Dass diese Fascie nicht als Umhüllung des m. pterygoi- deus. internus anzunehmen ist, wie es Wenzel Gruber in gleicher Weise für sein ligamentum pterygo-petrosum betont, be- darf nach den vorhergehenden Erörterungen keiner weiteren Be- sründung. Das Bedenken Weber-Liel’s dagegen, dass sie, da sie mehr dem pterygoideus internus anzugehören scheint, wohl nicht die von den Autoren angedeutete eigene Tubenmuskelfascie sein könnte, sondern als solche eine von ihm an einzelnen mit verdünntem liquor ammonii caustici und einer Lösung von Ber- liner Blau behandelten Präparaten fragmentarisch abgehobene sehr dünne Bindegewebsschicht aufzufassen wäre, kann ich nicht thei- len. Denn zunächst gehört diese Fascie zu dem pterygoideus in- ternus nicht als Fascie, sondern dessen Sehnenfasern schlagen sich, nachdem seine eigene Fascie mit der Sehne vollkommen ver- wachsen ist, auf diese ihm anliegende und von ihm sonst unab- hängige Fascie über. Dann stimmen auch die, freilich nur un- vollkommenen, andeutungsweisen Beschreibungen der Fascie bei den Autoren mit dem allgemeinen Bilde der in Rede stehenden Fascie sonst vollkommen überein; die letztgenannte Bindegewebs- schicht Weber-Liel’s aber kann, da sie nur fragmentarisch ab- gehoben werden kann, zwischen die einzelnen Schichten des spheno- salpingo-staphylinus sich einschliesst, dann auch grösstentheils mit der Fascie zu einer gemeinsamen Membran verwebt ist, nur das perimysium externum des m. spheno-salpingo-staphylinus sein. Zum m. spheno-salpingo-staphylinus verhält sich die Fascie verschieden, je nach den einzelnen Tubenabschnitten. Im unteren Theile, da, wo der Muskel von der ganzen Breite der fossa sca- phoidea entspringt, liegt sie der äusseren Fläche desselben nur locker an, weiter oben aber, an der hinteren Nebenwurzel des Temporalflügels, verwebt sie sich innig mit den äusseren Sehnen- fasern des Muskels gegen den Ursprung hin und schmiegt sich im weiteren Verlaufe innig dessen äusserer Fläche an. Diese Verbindung wird, je weiter nach der knöchernen Tuba zu, desto inniger, zumal da hier bis zu ihrem Ansatz am Knochen ziemlich überein, nur dass im einen Falle die Sehne des pterygoideus internus, im anderen dagegen das am Schläfebein entspringende Ligament zum Ausgangs- punkt genommen worden ist. W. Gruber meint, dass wegen der nahen Beziehung zum m. pterygoides int. das Ligament Einfluss haben muss auf die Richtung der Wirkung eines Theils des Muskels. 588 Kasimir von Kostanecki: starke Züge des m. spheno-salpingo-staphylinus nicht nur an die knorpelig-membranöse Tubenwand, sondern auch an die Faseie inseriren (dies sind die von Weber-Liel als vierte Lage des spheno-salpingo-staphylinus beschriebenen Muskelbündel). Der Zu- sammenhang zwischen Muskel und Fascie kann dadurch ein inni- gerer werden, dass im weiteren Verlaufe vereinzelte sehnige Züge des Muskels sich in die mediale Fläche der Fascie verlieren, na- mentlich oft sieht man aber gegen den hamulus pterygoideus hin von der allmählich sehnig werdenden äusseren Fläche des Muskels Sehnenbündel sich abzweigen und mit der Faseie verschmelzen. Dies geschieht in verschiedener Höhe, bald noch oberhalb des hamulus pterygoideus, bald von dem convexen Rande der Sehne, da, wo sich diese um den hamulus medianwärts windet, so dass die Sehnenfasern da in die Fascie ausstrahlen, wo sie bereits die äussere Seite der Constrietoren deckt. Ich glaube hier darauf aufmerksam machen zu müssen, dass sowohl die innere, als auch die äussere Fascie des spheno-sal- pingo-staphylinus an ihrem oberen Ursprunge sowie namentlich gegen den hamulus pterygoideus hin (das äussere Blatt auch im ganzen Verlaufe) mit zahlreichen Sehnenfasern von Muskelbündeln in Verbindung stehen, durch die sie einerseits verstärkt, anderseits aber auch bei deren Contraction in wirksamer Weise angespannt werden und dadurch beim Mechanismus der Tubeneröffnung eine wichtige Rolle spielen können. Beide Fascien gehören demnach zu den Fascien, die durch Muskeln (und zwar durch mehrere) ge- spannt erhalten werden, also zu den „wirklichen Fascien“ nach Bardeleben’s Bezeichnung). 1) In vollstem Maasse trifft grade für diese Fascien dasjenige zu, was Bardeleben über diese Kategorie der Fascien (Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft ‚Bd. 12. 1875 pag. XCIV) sagt: „Theilweise finden sich be- sondere Muskelbündel, die zur Fascie gehen, einzeln und nach einander von dem Muskel sich ablösend, oder in grösserer Masse auf einmal abgehend, oder aber die Fascie ist an einen Rand oder eine Fläche des Muskels fest ange- heftet, nur künstlich trennbar ....... Die Stärke einer Fascie steht in direkter Beziehung zu der Zahl und Stärke der Muskel-Insertionen und Ur- sprünge, und zwar ist die Stärke der Fascie der Summe der Insertionen und Ursprünge im allgemeinen proportional .. .. Derselbe Muskel, welcher die Fascie spannt, verstärkt dieselbe, wirkt somit der bleibenden Dehnung ent- gegen. Die Fascien sind insofern als Fortsetzungen der Muskeln, als Sehnen oder Aponeurosen aufzufassen.“ Zur Kenntniss der Tubenmuskulatur und ihrer Fascien. 589 Unterhalb des unteren Randes des m. spheno-salpingo-sta- phylinus vereinigt sich seine äussere Fascie mit dem den Muskel innen bekleidenden Blatte, was zunächst von Tourtual hervorge- hoben wurde, der sagt: „Ich fand, dass die fascia buccopharyngea, indem sie den hinteren Rand des Gaumenspanners erreicht, sich in zwei Blätter spaltet, deren äusseres an der inneren Fläche des Muskels zwischen ihm und dem inneren Flügelmuskel bis in die fossa pterygoidea verläuft, das innere Blatt die innere Fläche des Muskels dem Gaumenheber gegenüber bekleidet u. s. w.“ Und da sewöhnlich auch das innere Fascienblatt der Seitenwand des ca- vum pharyngo-nasale sich mit dem mittleren bereits höher‘), am unteren Rande des m. petro-salpingo-staphylinus, vereinigt hat, so haben wir unterhalb des m. spheno-salpingo-staphylinus bis zum ligamentum laterale pharyngis lateralwärts, bis zum concaven Rande des constrietor supremus nach unten, also auf einer im ganzen dreieckigen Fläche, nur eine einfache, von Muskeln freie Fascie, welche ebenso, wie an der hinteren Pharynxwand, sich erst am concaven Rande des obersten Constrietor (speciell des pterygo- pharyngeus) wiederum in die innere und äussere Pharynxfaseie theilt. Bei einigen Autoren finde ich die Frage nach der Bedeutung und nach dem Zweck dieser Fascien aufgeworfen und dieselbe zum Theil mit gesuchten Hypothesen beantwortet. Ich glaube, dass diese Fascien vor allem denselben Leistun- gen zu dienen haben, wie die Fascien überhaupt. Sie bezwecken also zunächst, die einzelnen Muskeln einerseits von einander zu trennen und ihre vollkommene Unabhängigkeit zu wahren, ande- rerseits aber sie in ihrer gegenseitigen Beziehung, namentlich 1) Nur sehr selten, bei abnormem, nach hinten verschobenem Verlaufe des levator veli, wo die Tubenmündung die als recessus salpingo-pharyngeus (Zuckerkandl) bekannte Form annimmt, verwächst die den levator nach innen bedeckende Fascie erst da mit dem mittleren Fascienblatte, wo dieses bereits mit der den tensor äusserlich bedeckenden Fascie verwachsen ist. Das exquisiteste Beispiel in dieser Beziehung gibt gerade der von Zuckerkandl beschriebene Fall, wo der Boden seines recessus salpingo-pharyngeus (also, wie ich (l. c.) gezeigt habe, der vor dem levator veli gelegene abnorm erweiterte sulcus salpingo-palatinus anterior) „eine dichte, fibröse, metallisch glänzende Fascie, welche das von Weber-Liel beschriebene äussere Fascienblatt des m. spheno-salpingo-staphylinus ist, darstellt. In unserem Falle ist diese Fascie ausserordentlich stark und verbreitet sich fächerförmig in die fascia pharyngea.“ 590 Kasimir von Kostanecki: während ihrer Thätigkeit, zu erhalten. Dass sie dazu dienen, „den venösen plexus pterygoideus internus vor einem allzu starken Druck“ zu bewahren (wie Zuckerkandl zuerst geäussert hat), ist sicher, wie sie überhaupt dazu bestimmt sind, die Gefässe und Nerven, die zu den Muskeln, oder an den Muskeln ziehen, vor Druck zu schützen. Sodann dienen sie dazu, die Seitenwand des cavum pharyngo-nasale zu verstärken, namentlich da, wo diese von Muskeln entblösst ist, und die einfache Fascie ausser der Schleim- haut ihren einzigen Bestandtheil bildet. Ausserdem erhalten aber die Fascien eine besondere Stellung der Tuba gegenüber. Zunächst das mittlere Blatt dadurch, dass es in seinem oberen Theile die knorpelige Halbrinne der Tuba zu einem vollkommenen Canal vervollständigt und dadurch zu einem passiven Faktor bei der Eröffnung des Tubencanals wird. Bei der Thätigkeit der Muskeln, welche direkt zwar nur den Knorpel an- greifen, wird schon der häutige, fasciöse, Abschnitt des Canals gezwungen, der Verschiebung und Bewegung der Knorpelplatten nachzugeben und theilweise zu folgen; dadurch vollends, dass er der Angriffspunkt besonderer Zugkräfte ist, wird er zu einem voll- kommenen Tubenventil erhoben. Da schliesslich alle drei Fascienblätter mit Sehnenfasern be- nachbarter Muskeln in innigem Zusammenhange stehen, indem diese an ihnen theilweise inseriren, theilweise sich ihnen eng an- schmiegen, so werden die Fascien zu Vermittlern zwischen dem Tubenskelete und den betreffenden Muskeln; und zwar erweitern sie nicht nur das Wirkungsgebiet der zur Tuba speciell gehörigen Muskeln, sondern übertragen auch auf dieselbe die Wirkung an- derer Muskeln, welche zu ihr direkt in keiner Beziehung stehen. Litteraturverzeichniss. 1. Bernardi Siegfried Albini: Historia musculorum hominis. Leidae Batavorum. 1784. 2. Arnold: Handbuch der Anatomie des Menschen. Freiburg 1847. 3. K. Bardeleben: Ueber Fascien und Fascienspanner. (Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. 12. 1878. Sitzungsberichte p. XCIV.) 4. Karl Bardeleben: Muskel und Fascie. (dto. 1882. p. 399—340.) 5. Karl Bardeleben: Fascie in A. Eulenburg’s Real-Encycelopädie der gesammten Heilkunde. Bd. VII. 6. 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Samuel Thomas von Sömmerring: Vom Baue des menschlichen Körpers. Leipzig 1844. Bd. III: 1. Abth.: Lehre von den Muskeln, von W. Theile. Bd. V: Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen des mensch- lichen Körpers, von E. Huschke. 42. P. Tillaux: Traite d’anatomie topographique avec application & la chirurgie. Paris 1879. 43. C. Th. Tourtual: Untersuchungen über den menschlichen Schlund- ‚und Kehlkopf. 1861. 44. Trautmann: Anatomische, pathologische und klinische Studien über Hyperplasie der Rachentonsille. Berlin 1886. 45. v. Tröltsch: Beiträge zur anatomischen und physiologischen Wür- digung der Tuben- und Gaumenmuskulatur. (Archiv für Ohrenheilkunde Ba. 1. S. 15.) 46. v. Tröltsch: Lehrbuch der Ohrenheilkunde mit Einschluss der Anatomie des Ohres. Leipzig 1881. 47. Victor Urbantschitsch: Zur Anatomie der Tuba Eustachii des Menschen, (Jahrbücher der Gesellschaft Wiener Aerzte, 1875.) 48. Urbantschitsch: Anatomische Bemerkungen über die Gestalt und Lage des ostium pharyngeum tubae beim Menschen. (Archiv für Ohren- heilkunde Bd. X. 1876.) 49. Urbantschitsch: Lehrbuch der Ohrenheilkunde. Wien 1884. 50. Anton. Mar. Valsalva: De aure humana tractatus. Trajecti ad Rhenum. 1717. 51. Jac. Benigni Winslow: Expositio anatomica structurae corporis humani. Francofurti et Lipsiae 1753. 52. Weber-Liel: Ueber die Beziehungen des levator veli zur Tuba Eustachii. (Monatsschrift für Ohrenheilkunde 1871. Nr. 7 und 8.) 53. Fr. E. Weber-Liel: Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der häufigsten Form progressiver Schwerhörigkeit. Berlin 1875. 54. Zaufal: Die plica salpingo-pharyngea. (Archiv für Ohrenheil- kunde Bd. XV.) 55. Zuckerkandl: Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachüi. (Mon. für Ohrenheilk. VIII. Nr. 12, 1873.) 56. Zuekerkandl:Zur Anatomie und Physiologie der Tuba Eustachii HI Monatsschrift für Ohrenheilkunde 1874. VIII. Nr. 11.) 57. Zuckerkandl: Ueber einen recessus salpingo-pharyngeus. (Mo- natsschr. f. Ohrenheilk. IX. Nr. 2. 1875.) 58. Zuckerkandl: Gehörorgan in Eulenburg’s Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. Bd. VII. (Aus dem anatomischen Institute zu Berlin.) Ueber die Lymphbahnen der Cornea. Von Dr. & Gutmann, Augenarzt in Berlin. Hierzu Tafel XX. XXI. XXL. Dass die Ansichten über die Lymphbahnen der Cornea immer noch controvers sind, liegt in der Hauptsache daran, dass es bei einzelnen Thierspecies noch nicht gelungen ist, in überzeugen- der Weise durch Einstichinjection in das Parenchym der Hornhaut die Saftlücken in der Form darzustellen, wie sie im negativen Silberbilde erscheinen. Speciell beim Rinde ist es bisher mit allen Injectionsverfahren immer nur möglich gewesen, die von Bowman mittelst Queck- silberinjection dargestellten sogenannten „Cornealtubes“ als spiess- und röhrenförmige Figuren zu füllen und daneben nur vereinzelt ähnliche Formen hervorzurufen, wie sie in den Silberbildern typisch entstehen. Zwei Ansichten der Forscher stehen sich gegenüber. Waldeyer!) erklärt auf Grund seiner mit Alkannin-Terpentin und dem Extract der Anacardiumnüsse gemachten Einstichinjec- tion die von v. Recklinghausen beschriebenen Silberbilder im Sinne dieses Autors, als präformirte, in die Grundsubstanz einge- grabene, an feste Grenzen gebundene Saftlücken. Derselben An- sicht sind Leber und Schwalbe. Engelmann und Ranvier und mit ihnen Schweigger- Seidel und Rollet leugnen die Existenz solcher Saftlücken und halten die durch Einstichinjection gewonnenen Figuren für Kunst- produkte. 1) Graefe-Saemisch, Handb. der Ophth. Bd. I. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 98 594 Dr. G. Gutmann: In neuester Zeit hat M. Straub in Utrecht im Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte (His-Braune) Jahrgang 1887 eine Arbeit veröffentlicht über die Lymphbahnen der Cornea. Er hat Imprägnationen mit Ferrideyankalium und Ferrosulfat vor- senommen und deutet die blauen Figuren im Sinne Engelmann’s und Ranvier’s. Er bestreitet das Vorkommen der Saftlücken und sagt: „Durch Einstichinjeetion gelingt es nicht, die Lymph- bahnen der Cornea darzustellen, wohl aber sogenannte Corneal- tubes von Bowman. Es ist in überzeugender Weise dargethan, dass dies Artefacte sind.“ Er wundert sich, dass die Auffassung von den Saftlücken noch in der französischen Uebersetzung der Waldeyer’schen Arbeit über die Histologie der Cornea und Sclera (1883) und in der Schwalbe’schen Anatomie der Sinneswerkzeuge (1887) beibehalten, und kommt zu dem Schlusse, dass entgegen der früheren Annahme von scharf begrenzten Canälen, die in fest verkitteter Grundsubstanz verlaufen, die Lymphwege der Hornhaut nicht an feste Grenzen gebunden sind. Die Bilder, welche Straub seiner Abhandlung beigegeben, scheinen mir nun durchaus nicht geeignet, die Ansicht von den präformirten Saftlücken umzustossen, im Gegentheil, sie bestätigen sie nur. Hat doch Schwalbe in seinem Lehrbuch (1887) S. 164 mit Recht darauf hingewiesen, dass die Blaufärbung der Hornhaut nicht die Saftkanälchen, sondern die fibrilläre Grundsubstanz be- trifft. Ich sehe keine Schwierigkeit, die von Straub abgebildeten blauen Einfassungen der unregelmässig sternförmigen, mit einan- der durch schmale Ausläufer verbundenen, ungefärbten Lücken im Sinne Schwalbe’s als fibrilläre Grundsubstanz zu deuten. Die Lücken selbst erscheinen dementsprechend als Saftlücken, die hineingezeichneten Zellen als fixe Hornhautkörperchen, welche in der Nähe der Canalwandung liegen. Auf den ersten Blick ist schon die Aehnlichkeit der gegebenen Zeichnung mit dem negativen Silberbilde eine so grosse, dass sie wohl am ungezwungensten im Sinne der Saftlücken ihre Deutung findet. Die Arbeit Straub’s gab mir die Veranlassung auf Anregung und unter Leitung von Professor Waldeyer, dem ich für seine liebenswürdige Unterstützung mit Rath und That den besten Dank sage, die Saftlückenfrage mittelst der Einstichinjeetion einer er- neuten Prüfung zu unterziehen, welche zu bemerkenswerthen Resultaten geführt hat. Ueber die Lymphbahnen der Cornea. 595 Untersucht habe ich die Hornhaut des Rindes, des Kanin- chens, des Schweins und des Menschen. Die Injeetionen nahm ich vor an herausgeschnittenen möglichst frischen Augen mit meist wohlerhaltenem Epithel mittelst einer Pravaz’schen Spritze mit feiner Canüle, welche ich in die oberflächlichsten Schichten der Grundsubstanz einstach. Als Injeetionsmittel diente nach einem Probeversuch mit dem ätherischen Extract der Anacardiumnüsse, die von Retzius ange- gebene Lösung von Asphalt in Chloroform in 10°, Concentration und eine von Liebreich zusammengesetzte 1 und 10%, mit Car- min gefärbte Chloroform-Lanolinlösung. Nachdem ich die Canüle genau central in meridionaler Richtung eingestochen, zog ich sie ein wenig zurück und liess nun unter möglichst gleichmässigem, selindesten Druck des Spritzenstempels die Injectionsmasse in die Cornea so lange einfliessen, bis die ganze Hornhaut und in vielen Fällen auch die angrenzenden Theile der Augapfelbindehaut ge- füllt waren. Alsdann wurden die Hornhäute mit der angrenzenden Selera und Conjunctiva ausgeschnitten, in Alkohol gehärtet und in Flächen-, Schräg- und Querschnitte zerlegt. Die Injectionen mit Lanolin-Chloroform gab ich nach einigen Versuchen am Rindsauge auf, da die Masse nicht gleichmässig ge- nug in der Cornea sich vertheilte, stellenweise zu grösseren Fett- tropfen eonfluirte, und die Carminfärbung durch ihre diffuse Ver- breitung über die Umgebung der injieirten Räume die Grenzen derselben verwischte. Immerhin traten auch hiermit stellenweise recht deutliche Bilder von schmalen, in verschiedener Richtung sich kreuzenden, leicht wellig verlaufenden Canälen hervor. Nach Färbung der Schnitte mit Hämatoxylin konnte ich an einzelnen Stellen deutlich sternförmige, mit feinen Verästelungen mit den benachbarten leicht gewundenen Canälen communieirende Lücken unterscheiden, deren einer Wand eine tief blau gefärbte Zelle anlag. Weit in den Schatten gestellt wurden diese Präparate durch die mittelst der Asphaltinjection erzeugten Bilder. Wir haben es hier mit einer leicht in Chloroform zu einer tiefbraunschwarzen Flüssigkeit sich lösenden Substanz zu thun. Die Flüssigkeit vertheilt sich sehr gleichmässig nach allen Rich- tungen hin, ohne dass der Farbstoff in die Umgebung der inji- eirten Theile diffundirt; eine Färbung des angrenzenden Gebiets 596 Dr. 6. Gutmann: durch Imbibition findet nicht statt. Nach kurzer Zeit erstarrt die Flüssigkeit und fixirt die Form der injieirten Räume. Die gehärteten Hornhäute lassen sich in feinste Mikrotom- schnitte zerlegen, ohne dass der Inhalt oder die Form der inji- eirten Räume eine Veränderung erleidet. Die Schnitte können in Glycerin oder Canadabalsam im Gegensatz zu den durch Oel- injection oder Anacardiumextraet gewonnenen vorzüglich conservirt werden. Wenn die Injection lange genug fortgesetzt worden, so drang die Asphaltlösung über den Corneoscleralbord in die Lymph- und Blutgefässe der Conjunctiva und Selera. Ich behalte mir übrigens vor, durch Injection von der Arteria ophthalm. aus und nach- folgender Einstichinjeetion den genauen Nachweis zu liefern, wel- ches Lymph- und welches Blutgefässe sind. Mit dieser Masse habe ich Präparate gewonnen, welche in grossen Schnittreihen bei der- selben Species so genau sich gleichende Bilder lieferten, dass von Kunstproducten gar nicht die Rede sein kann. An den dünnen Flächenschnitten der Menschen- und Schweine- cornea treten in prachtvollen helibraunen Figuren Netze von stern- förmigen mit feinen Ausläufern mit einander verbundenen Canäl- chen hervor. In den oberflächlichen Schiehten sind die Canälchen enger, in den mittleren weiter, in den tiefsten Schichten nahe der Membrana Descemetii zeigen sie das grösste Caliber. Am Schweine- auge sind die Räume ausgedehnter und weniger dicht als am Menschenauge, sonst gleichen sie in der Form ganz den Bildern der menschlichen Cornea. Sehr deutlich sieht man an den mit Hämatoxylin gefärbten Schnitten die Hornhautkörperchen nahe der Wand der Canäle, diese nur zum Theil ausfüllend, als tiefblau ge- färbte Zellen in hellbrauner Umgebung (ef. Tafel XX, Fig. ]). Diese Bilder sind den durch die Silberimprägnation hergestellten sehr ähnlich, nur sind die Canälchen weiter, als die weissen Lücken des negativen Silberbildes, was sich durch den, wenn auch noch so geringen Druck der Injection hinreichend erklärt. Man glaubt eben ein positives Silberbild mit dilatirten Canälen vor sich zu haben. An einigen dieser Augen, welche nicht ganz frisch zur Injection gelangten, sah ich in den mittleren Partien der Horn- haut feine spiess- und röhrenförmige Figuren neben den stern- förmigen anlaufen (vgl. Tafel XX, Fig. 2). Die Injeetion der Cornea des Kaninchen- und Rindsauges Ueber die Lymphbahnen der Cornea. 597 brachte zuerst hauptsächlich spiess- und röhrenförmige Figuren zur Darstellung, ja lange Zeit konnte ich überhaupt keine stern- förmigen Figuren erzielen. Als ich aber die Injectionsmasse noch langsamer und unter noch geringerem Drucke einfliessen liess, da kamen auch hier Zeichnungen von Canälchen zum Vorschein, welche den am Menschen- und Schweineauge dargestellten stern- förmigen Safteanälchen auf-ein Haar gleichen (cf. Tafel XXI). Diese sternförmigen Figuren sind hauptsächlich an der Corneo- scleralgrenze und in den subepithelialen Schichten, also an Stellen hervorgetreten, die am weitesten entfernt sind von der centralen Einstichstelle. In diesen peripheren Zonen ist natürlich der Druck der Flüssigkeitssäule ein sehr geringer und der Widerstand der offenbar sehr weichen Grundsubstanz der Rindscornea genügend gross, um die Injectionsmasse nur in die präformirten Saftlücken hineingelangen zu lassen. Wie bereits erwähnt, erhielt ich auch bei Menschenaugen, die schon etwas macerirt waren, ähnliche spiessförmige Injectionsfiguren, wie bei der Rindscornea. Bei diesen Augen war offenbar die Grundsubstanz erweicht und nach- siebiger geworden, so dass sich in den erweichten Partien der Flüssigkeitsstrom mehr geradlinig fortpflanzen musste. Was bei Menschenaugen nur in erweichtem Zustande möglich, ist eben beim frischen Ochsenauge die Regel. Hiernach muss man also annehmen, dass die Kittsubstanz der Rindscornea eben sehr viel weicher ist, als die des Menschen- und Schweineauges. Sie ist eben auch bei normaler Spannung und Consistenz so weich, dass die Flüssigkeitssäule auch bei dem anwendbar niedrigsten Druck in der Umgebung der Einstichstelle sich geradlinig fortbewegt und Formen schafft, wie wir sie unter der Bezeichnung Corneal- tubes kennen. Offenbar ist aber auch die Asphaltinjection so, wie keine der obigen geeignet, den Druck der Injectionsflüssigkeit in den pe- ripheren Bezirken der Cornea auf das denkbar niedrigste Maass herabzusetzen. Schon während der Injection diekt sich in den nahe der Einstichstelle gelegenen paracentralen Partien die Flüssig- keit durch Verdunstung des Chloroforms ein. Dem nachfolgenden Flüssigkeitsstrome wird somit in den durch die erstarrende Asphalt- masse verengten Saftbahnen ein wachsender viel grösserer Wider- stand bereitet, als dieser bei nicht erstarrenden Injectionsflüssig- 598 Dr. 6. Gutmann: keiten im Verhältniss zum Quadrat der Entfernung und der Summe der Querschnitte der durchlaufenen Bahnen naturgemäss wächst. Die Eindickung der Asphaltmasse und die Verengerung der Strombahn geschieht jedoch, wie die allmähliche Füllung auch der periphersten Cornealtheile lehrt, nicht bis zu dem Grade, dass durch die gefüllten Canäle überhaupt keine Flüssigkeit mehr hin- durch passiren kann. Man kann sich vorstellen, dass unter die- sem wachsenden Widerstande die Flüssigkeit in die peripheren subepithelialen Cornealtheile unter einem ausserordentlich geringen nahezu physiologischen Drucke gelangt und somit erst hier die Saftlücken, wie sie präformirt sind, zur Anschauung gelangen. In Uebereinstimmung damit steht die Thatsache, dass die durch In- jeetion gefüllten sternförmigen Figuren in den subepithelialen Schichten der Rindscornea sehr viel kleiner sind und die Canäl- chen ein sehr viel engeres Lumen besitzen, als die gleichen der Schweine- und Menschencornea. Man sollte denken, dass im Gegentheil, wie die Corneal-tubes der Rindscornea ein grösseres Caliber aufweisen, als die spiess- förmigen Figuren der erweichten Menschencornea, so auch die sternförmigen Canälchen der Rindscornea ein grösseres Caliber besitzen müssten. Dass dies nicht der Fall, sondern dass im Gegentheil der Durehmesser der sternförmigen Canälchen nicht viel grösser ist, als der entsprechenden durch Silberimprägnation hergestellten, spricht mit grosser Beweiskraft dafür, dass der Druck der Flüssig- keitssäule ein ausserordentlich geringer ist. So erklärt es sich wohl, dass bei diesem Injectionsverfahren auch beim Rinde die Saftcanälchen in grösseren Strecken vollkom- men in der Form der Silberbilder sich füllen lassen (ef. Tafel XXD). Hiermit ist nun aber auch die Schwierigkeit überwunden, welche bisher aus dem differenten Verhalten der bei Einstich- injeetionen und bei Silberimprägnation gewonnenen Bilder für die Auffassung derselben als Saftlücken erwuchs. Der Einwand der Gegner dieser Lehre, dass durch Einstich- injection nur spiess- und röhrenförmige Figuren, Bowman’s Cor- nealtubes, als Kunstproducte anschiessen, ist mittelst der Asphalt- injection auch für die Rindscornea bei einiger Uebung im Injieiren leicht zu widerlegen. Das Verfahren liefert eben Bilder, die den mit derselben Injection am Schweine- und Menschenauge gewon- Ueber die Lymphbahnen der Cornea. 599 nenen und den Silberbildern sehr ähnlich sehen. Eine besondere Stütze erhält diese Auffassung aber noch dadurch, dass es an den- selben Präparaten in ausgezeichneter Weise gelingt, die Lymphge- fässe der angrenzenden Conjunctiva bulbi, so wie auch zum Theil die Blutgefässe und die Saftlücken der Selera (ef. Tafel XXII Fig. 1) zu füllen (ef. Tafel XXI, Tafel XX, Figur 3 und 4). An den beigegebenen Zeichnungen, deren Ausführung Professor Waldeyer selbst überwachte, und die ja viel besser, als es die eingehendste Beschreibung vermag, die Form der injieirten Saft- lücken verauschaulichen, sehen wir auch die Hauptgefässe der Augapfelbindehaut als Netzwerk verästelter Canäle, mit stellen- weise rosenkranzförmigen Erweiterungen. Mittelst feiner Ausläufer communiciren dieselben direct mit den braunen sternförmigen Saft- lücken des Corneoscleralüberganges cf. Tafel XXI. Dass auch die Blutgefässe gefüllt wurden, kann nicht Wunder nehmen, angesichts ‘der von v. Reeklinghausen, Sappey und anderen erhaltenen Injeetonsergebnisse. Aber nicht nur in die Lymphgefässe der Conjunctiva und Selera, sondern auch in die intercellulären Lücken der Epithelien drang die braune Injecetionsmasse von der centralen Einstichstelle herein. An den beigegebenen Zeichnungen namentlich der Schnitte vom Schweine- und Rindsauge sieht man deutlich, wie aus den braunen Saftlücken der obersten, an das Epithel grenzenden Cor- nealschicht direct auf schmalen Strassen (ef. Tafel XXI, Figur 2, 4 und 5) die braune Asphaltmasse in das Epithellager hineindringt und die Ränder der einzelnen Zellen mit feinsten braunen Netzen umspinnt. Die Linien dieses Maschenwerkes setzen sich bei stärkerer Vergrösserung aus feinsten braunen Asphalttröpfehen zusammen (Tafel XXII Figur 3), welche vielfach die polygonalen Contouren der Epithelzellen vollständig umsäumen. Hier und da sieht man die Tröpfehen vereinzelt an den Kno- tenpunkten und an anderen Stellen des intercellulären Lücken- systems. Ja, an einigen Zellen ist die Injectionsmasse theils in Gestalt feinster Tröpfehen oder auch in mehr homogen erscheinen- den grösseren Massen in dem Protoplasma der Zelle um den Kern gelagert, welcher dadurch als brauner Fleck erscheint. Das Eindringen der Injectionsmasse in das Innere der Zellen wird verständlich, wenn wir die besonders von Leydig (Unter- 600 Dr. 6. Gutmann: suchungen zur Anatomie der Thiere II, Bonn, 1833) gemachte An- gabe von der Existenz eines Hohlraumes (Kerntasche, Kernhöhle) um den Kern herum, berücksichtigen. Bekanntlich haben auch Kupffer und Pfeiffer bei der Injection der Gallenwege Aehn- liches beobachtet. (Arch. für mikrosk. Anatomie,, 23. Bd. S. 22.) | Am besten gelungen ist die Füllung der Intercellularräume an der Hornhaut des Rinds- und Schweineauges, wohl weil diese mit unversehrtem Epithel am frischesten zur Injection gelangten. Zwei Forscher haben bisher über die Communication der Lymphbahnen der Cornea und der intercellulären Lücken Unter- suchungen veröffentlicht, Rählmann im Archiv für Ophthalmologie Bd. 23, I, und Leber in demselben Archiv Bd. 24, I. Rähl- mann hat Einstichinjectionen in die Cornea mit Tinte gemacht, welche er bis zur Hälfte der Substanz vordringen liess; dann färbte sich die andere Hälfte durch Imbibition. Er lässt es unentschieden, ob die Färbung im Epithel durch Injeetion oder Imbibition zu Stande kommt. An den Zeichnungen seiner Präparate sieht man, wie er selbst sagt, „tiefschwarze Flecken, die so vertheilt sind, dass sie eine Art grobmaschigen Netzes mit unregelmässiger Fügung vorstellen, derartig, dass einzelne Partien derselben bestimmte Zellengruppen umschliessen‘. Wenn die In- jeetionsflüssigkeit in den die einzelne Zelle umgebenden Saftraum gedrungen wäre, so hätte ähnlich wie bei den Asphaltbildern eine regelmässige, die Zellgrenzen vollständig einfassende Masche ent- stehen müssen. Hier sieht man jedoch verschiedene grosse schwarze Flecke zwischen den Zellgruppen zerstreut. Die Kittleisten sind an keiner Zelle in ihrer ganzen Circumferenz gefärbt. Leber ist bei seinen Versuchen glücklicher gewesen. Er be- nutzte Terpentinöl zur Injection, trug nach Erhärtung der Cornea in Müller’scher Lösung das Epithel sammt einer möglichst dünnen Lage der Grundsubstanz ab und legte die Schnitte in 1%, Osmium- säurelösung, welche durch dunkle Färbung des Terpentinöls die Vertheilung desselben im Gewebe deutlicher erkennen lassen soll. An den Präparaten glaubt er sich überzeugt zu haben, dass das Terpentinöl allenthalben zwischen den Epithelzellen lag und zum Theil auch in die Substanz der Zellen eingedrungen war, ja dass die Oeltröpfchen stellenweise die Kerne in unregelmässiger Weise zusammengedrückt haben. Wenn es auch schwer verständlich ist, wie die in das Proto- Ueber die Lymphbahnen der Cornea. 601 plasma der Zelle eingedrungenen Oeltropfen den Kern zusammen- sedrückt haben sollen und die beigegebene Zeichnung dies keines- wegs klar zur Anschauung bringt, so ist doch die Beschreibung, welche Leber von dem Aussehen der Präparate giebt, durchaus einleuchtend. Er hebt besonders hervor, dass an Schnitten, an denen das Terpentinöl durch absoluten Alkohol angezogen war, nach Tinetion mit Carmin und Hämatoxylin die Zellen der tiefe- ren Schicht „von einem zierlichen Netzwerk rosenkranzförmiger heller Züge‘ umgeben waren. Nichts weniger als beweisend für die aus der Beschreibung gewonnene Anschauung ist aber die von Leber der Abhandlung beigegebene Zeichnung vom injieirten Hammelauge. Man sieht hier vereinzelte, ganz zerstreut liegende Epithelzellen, die mit zum Theil confluirenden Oeltröpfehen um den Kern herum bedeckt sind und deren Rand von einem Oelring ein- gefasst ist. Diese Abbildung steht auf einer Tafel mit mehreren von der pathologischen Cornea gewonnenen Flächen- und Querschnitten durch das Epithel. Diese stellen rosenkranzförmige verästelte Vacuolen zwischen den Epithelien dar. Wenn diese netzförmigen, die einzelnen Epithelien umspinnenden und mit einander anasto- mosirenden varicösen Lücken durch Injection vom Parenchym aus erzielt worden wären, so würden sie die im Texte gegebene Be- schreibung ‚des zierlichen rosenkranzförmigen Netzwerkes heller Züge‘ trefflich illustriren. Ich glaube aber, dass weder die Rählmann’schen Abbil- dungen noch der Leber’sche Text hinreichend beweiskräftig sind für die Behauptung einer Communication des Saftlückensystems der Cornea mit den intercellulären Gängen der Epithelien. Dagegen werden die dieser Mittheilung angefügten Zeichnun- gen von Quer- und Flächenschnitten durch das Parenchym und das Epithel mit voller Sicherheit einen solchen Zusammenhang nachweisen, der auch nicht als auf einem Ueberdruck der Injec- tionsmasse etwa beruhend aufgefasst werden kann. Ueberall, wo die Asphaltmasse zwischen die Epithelien eingedrungen, sieht man analog den von Leber von pathologischen Präparaten abgebilde- ten varicösen Maschen zierliche Netzwerke von braunen, die Epi- thelgrenzen umspinnenden Linien, man sieht dieselben durch feine Ausläufer direkt mit dem Inhalte der injieirten Saftkanälchen zu- sammenhängen (cf. Tafel XXII, Figur 4 und 5). 602 Dr. G. Gutmann: Ueber die Lymphbahnen der Cornea. Besonders characteristisch ist der Umstand, dass die Masse in einzelnen discreten Tröpfehen zwischen den Zellen liegt, wie es ja bei dem Vorhandensein von Intercellularbrücken sich auch ge- stalten muss (cf. Tafel XXI, Figur 3). Auf welchem Wege die Injectionsflüssigkeit in die intercellu- lären Lücken der Epithelien durch die Bowman’sche Membran gedrungen, ist bisher nicht ermittelt worden. Wahrscheinlich ge- schieht dies, wie auch Leber annimmt, längs der Bahn der feinen in das Epithellager hineinziehenden Nervenfäden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX— XXI. Tafel XX. &. 1. Normale Menschencornea : Braune Saftlücken mit durch Hämatoxylın gefärbten fixen Hornhautzellen. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Erweichte Menschencornea: a) Corneal-tubes, b) sternförmige Kanäle, c) ein nichtinjicirtes Blutgefäss der Bindehaut. (Zeiss Oc. 4, Obj. 16,0 mm, Apert. 0,30 mm.) Fig. 3. Normale Menschencornea: Saftlücken, aus denen die Asphaltmasse in ein conjunctivales Lymphgefäss (l) gedrungen. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Fig. 4. Menschenauge: Mit Asphalt injieirte Blutgefässe der Conjunctiva. (Zeiss Oc. 4, Obj. 16,0 mm, Apert. 0,30 mm.) Tafel XXI. Cornea vom Rinde: a) Corneal-tubes, b) sternförmige Saftlücken, c) Lymphgefässe der Conjunctiva bulbi. (Zeiss Oc.4, Obj. 16,0 mm, Apert. 0,50 mm.) 180) Tafel XXI. Fig. 1. Schweineauge: Scleralsaftlücken. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) NO Fig. Schweinecornea: a) Saftlücken, aus denen auf einzelnen Strassen die Asphaltmasse in das Epithellager dringt, bei b, die einzelnen Zellen umspinnt. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Fig. 3. Rindscornea: Asphalttröpfehen zwischen Intercellularbrücken und homogene Ansammlung im Protoplasma der Zellen um den Kern herum. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Fig. 4. Menschencornea (Querschnitt). Injection der Saftlücken und der in- tercellularen Lücken der Epithelien. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Fig. 5. Rindscornea (Querschnitt). Die Injectionsmasse dringt bei a aus den Saftlücken des Protoplasmas in das Epithel und umspinnt die ein- zelnen Zellen. (Zeiss Oc. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95 mm.) Dr. Ludwig Török: Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 603 (Aus dem anatomischen Institut des Prof. W. Flemming in Kiel.) Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. Von Dr. Ludwig Török. Hierzu Tafel XXI. Die Theilung der rothen Blutzellen wurde bisher von Flem- ming, Peremeschko, Pfitzner und Löwit untersucht. Flem- ming!) machte auf gewisse Abweichungen von den gewöhnlichen Formen der Kerntheilungen aufmerksam, auf die an betreffender Stelle des eingehenderen reflektirt werden soll; Peremeschko’s?) Untersuchungen beschränken sich zum grössten Theil auf die Auf- findung der gewöhnlichen mitotischen Figuren auch bei der Thei- lung der Blutzellen, doch sind auch aus seiner Publikation einige Verschiedenheiten ersichtlich; Pfitzner?) bemerkt in seinem Artikel „Beobachtungen über weiteres Vorkommen der Karyokinese“, dass ihm gewisse Eigenthümlichkeiten der Theilung rother Blut- zellen aufgefallen seien, hat aber eine darauf bezügliche Arbeit bisher noch nicht publieirt; Löwit®) beschäftigte sich weniger mit der morphologischen Seite dieser Frage, als mit der Entstehung der rothen Blutzellen aus den von ihm beschriebenen Erythro- blasten. Die Frage der Entstehung der rothen Blutzellen aus Erythroblasten wurde bei dieser meiner der Morphologie der Thei- lung derselben gewidmeten Arbeit nicht berücksichtigt. Als Untersuchungsobjekt diente mir das Blut und die Milz der Larve von Salamandra maculata. Ich entnahm einerseits Blut- 1) Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVI und Zellsubstanz, Kern und Zell- theilung, p. 262. 2) Centralblatt f. d. med. Wiss. XVII. 1879 und Biolog. Centralblatt 1881. 3) Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XX. 1881. 4) Sitzungsberichte der Wiener Akademie 1883, SS. Abth. 3 und 1885, 92. Abth. 3. 604 Dr. Ludwig Török: proben aus dem strömenden Blute, andererseits untersuchte ich auch die rothen Blutzellen in situ, in den Gefässen der Kiemen- blättehen. Das Hämoglobin der unveränderten rothen Blutzellen verdeckt aber vollständig ihren Kern; die Theilungsvorgänge sind also an unveränderten oder in indifferenten Flüssigkeiten suspen- dirten Blutzellen nicht zu studiren. Um nun den Blutzellen ihr Hämoglobin zu entziehen, gleichzeitig die Kernfiguren zu fixiren und dabei die Gerinnung des Blutes durch die Fixationsflüssigkeit zu vermeiden, hat Löwit sich eine Methode ausgearbeitet, die des eingehenderen im Original nachzulesen ist, im wesentlichen in einer Suspension der dem strömenden Blute oder der Milz ent- nommenen Proben in einer je 1°/, Pikrinsäure und Kochsalz ent- haltenden Lösung, Auswaschen in saurem Alkohol und Färbung mit Hämatoxylin besteht. Diese Methode wurde zum Theile auclı von mir benützt. Um aber die bei dem Studium der Kernthei- lungen so nothwendigen Färbungen mit Anilin- oder Azofarbstoffen nicht entbehren zu müssen ging ich ausserdem nach einer von Flemming!) angegebenen Methode vor. Das durch Abtrennen des Kopfes vom Rumpfe der Larve gewonnene Blut wird auf einige Objectträger gebracht, indem man dieselben mit den Schnitt- flächen berührt. Die so gewonnenen Blutstropfen werden sogleich mit einigen Tropfen der Fixationsflüssigkeit (schwaches Osmium- semisch 1/,%/, Chromsäure, Pikrinsäure) bedeckt und die Object- träger dann in eine feuchte Kammer gestellt, um die Verdunstung der Flüssigkeit zu verhindern. Beim Zusatz der Flüssigkeit ent- steht ein Eiweissniederschlag, der die Blutzellen sozusagen an den Objectträger klebt, die Untersuchung aber nicht weiter stört. Nach 12—24 Stunden wird die Fixationsflüssigkeit vorsichtig abgesaugt und dann einige Tropfen Wasser hinzugesetzt. Nachdem man inner- halb 1—2 Stunden das Wasser 2--3 mal erneuert hat, ist die dem Objectträger leicht anhaftende Schichte genügend ausgewaschen. Man bringt nun eine genügende Menge verdünnter Safranin-, oder Gentianaviolettlösung auf das Präparat und stellt es wieder auf 24 Stunden in die feuchte Kammer. Nach Ablauf dieser Zeit Be- handlung mit Alk. abs., Nelkenöl, Einsehluss in Canadabalsam. Die durch Ausklopfen und Zerzupfen der Milz in der Fixations- 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXIX. „Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle.“ Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 605 flüssigkeit gewonnenen Präparate kleben weniger an dem Object- träger. Sie werden aber dadurch dem Objeetträger stärker an- haftend, dass man dieselben nach dem Auswaschen mit Wasser bis auf einen mässigen Feuchtigkeitsgehalt verdunsten lässt und erst dann den Farbstoff hinzu tropft. Die nach dieser Methode gewonnenen Präparate zeigen ganz elegante Bilder. Zur Färbung mit Hämatoxylin ist diese Methode weniger empfehlenswerth als die Löwit’sche, da die Menge des sich mit Hämatoxylin färben- den Eiweissniederschlages hier eine viel grössere ist. Ausser den schon beschriebenen Methoden benützte ich noch zur raschen Darstellung der Mitosen verdünnte Essigsäure, der ich öfters eine Lösung von Methylgrün zusetzte. Die Ergebnisse der Untersuchung sind nun folgende: Der ruhende Kern der rothen Blutzelle der Larve von Sala- mandra maculata zeigt ein Gerüst, welches von zumeist ziemlich dicken und sehr eng aneinander liegenden Bälkchen gebildet wird. An die Kernmembran lagern sich hie und da dünne Streifen der chromatischen Substanz, von denen oder auch unmittelbar von der Kernmembran beinahe in regelmässigen Abständen stehende Balken oder Fäden der Mitte des Kerns zustreben, welehe mit einander durch ähnliche Chromatingebilde verbunden sind. Die von der Kernperipherie der Kernmitte zustrebenden Bälkchen haben einen ziemlich gewundenen oder geknickten Verlauf und zeigen ebenso, wie die sie verbindenden Querbalken stellenweise Verminderung oder Anwachsen ihrer Breite. An 1—2 Stellen des Kerns sieht man gewöhnlich eine stärkere Anhäufung des Uhromatins; einen unzweifelhaften Nucleolus konnte ich bei der oben angegebenen Methode — ebenso wenig wieFlemming und Löwit — unterschei- den, doch hat Ranvier!) denselben schon vor längerer Zeit durch Behandlung der Blutkörperchen mit Alkohol dargestellt. Die sich der Kernmembran dicht aneinander anlagernden dieken Enden der Chromatinbalken, die Knotenpunkte und Verdickungen des Ge- rüstes geben dem Kern ein körniges Aussehen, weshalb der Kern der rothen Blutzelle auch früher als dicht granulirt beschrieben wurde. An mit Safranin gefärbten Präparaten, in welchen einem Theile der chromatischen Substanz der Farbstoff entzogen wurde 1) L. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie, übers. v. Nicati und Wyss. 1877. p. 184. 606 Dr. Ludwig Török: (Fig. 2), sieht man ganz deutlich, dass diese Klumpen und Körn- chen, aus denen der Kern der rothen Blutzellen zu bestehen scheint, eigentlich den Ausläufern beziehungsweise den Knotenpunkten der das Gerüst bildenden Balken entsprechen. Unter den verschiedenen Beobachtern hat besonders Flemming, dessen Beobachtungen die ersten waren, welche sich auf „lebende, in Gefässen zeitweilig zur Ruhe gekommene Blutzellen“ bezogen, auf die netzförmige Struktur des ruhenden Kernes derselben hingewiesen. Die chromatische Substanz ist, wie aus der vorhergehenden Beschreibung und der beigefügten Abbildung (Fig. 1) zu entnehmen ist, in den ruhenden Kernen der rothen Blutzellen in relativ srösserer Menge und dichterer Anordnung als in den ruhenden Kernen anderer Zellarten vorhanden. Sie ist auch, was schon Flemming mit Wahrscheinlichkeit hervorhebt, noch ausserdem von den Kernen der rothen Blutzellen in einem verdichteten Zu- stand enthalten, worauf ihre intensivere Färbung bei Kernfärbungen, ihre etwas stärkere Resistenz gegen Extractionsmittel der Farb- stoffe hinweist. Aus diesen Umständen muss ich annehmen, dass die Menge des Chromatins der ruhenden Kerne der rothen Blut- zellen zur Bildung der im Vergleiche zu den ruhenden Kernen an Umfang so grossen chromatischen Kernfiguren ausreiche, und er- kläre mir diese Zunahme des Umfanges theilweise durch das Aus- einanderweichen der chromatischen Fäden und Bälkchen des ruhenden Kerns aus ihrer engen Anordnung, theilweise durch einen Uebergang des Chromatins in einen weniger verdichteten Zustand. Zur Bekräftigung der letzteren Annahme möge der folgende Um- stand dienen. An mit Chrom-, Pikrinsäure oder nach Löwit’s Vorschrift in der Mischung von Kochsalzlösung und Pikrinsäure fixirten und mit verdünnter Hämatoxylinlösung gefärbten Präparaten sieht man die ruhenden Kerne der Blutzellen oft schon intensiv blau, während die Fäden der Theilungsfiguren hellblau, oder, wie auch Flemming fand, grünlich oder manchmal noch ganz ungefärbt erscheinen. Auch in mit Safranin gefärbten in Chrom-, Pikrinsäure oder in Osmiumgemisch fixirten Blutproben kann man öfters neben intensiv gefärbten ruhenden Kernen Theilungsfiguren erblicken, welche den Farbstoff kaum angenommen, beziehungsweise in Alkohol und Nelkenöl leichter abgegeben haben. Es scheint also als ob die ruhenden Kerne der rothen Blutzellen die kernfärbenden Sub- Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 607 stanzen etwas rascher aufnehmen und schwerer abgeben, als die in Theilung begriffenen, was sich wohl auf den Uebergang des Chromatins in einen weniger dichten Zustand während der Thei- lung beziehen lässt. Die Theilungvorgänge der rothen Blutzellen beginnen mit der Bildung des engen Knäuels. Der Kern verliert durch all- mähliches Verschwinden der Verbindungen und Verdiekungen der Bälkchen immer mehr seine netzförmige Gestalt, einzelne Win- dungen von „geknicktem“ Verlaufe werden bald deutlich sichtbar und indem an den dünneren Stellen der Fäden etwas Chro- matin abgelagert wird, die Knoten verschwinden und die dickeren Balken sich verdünnen, bildet sich ein Knäuel von überaus engem Gewinde, der bei mangelhafter Färbung oder Fixirung und bei geringer Vergrösserung freilich körnig erscheint (Fig. 3). Auch hier zeigt sich also die Berechtigung des von Flemming zum Wenigsten für Vertebratenzellen aufgestellten Satzes, dass „gleich von Anfang an eine Umordnung des ruhenden Kerngerüstes zu Fäden stattfindet und dass es hier keine Stadien giebt, in welchen die Figur aus Körnern bestände,“ wie dies besonders für den An- fang der Theilung der Kerne rother Blutzellen Peremeschko behauptete. Schon während der Umordaung des ruhenden Kernes zum engen Knäuel, aber besonders im Stadium des entwickelten engen Knäuels vergrössert sich der Kern der rothen Blutzelle und kann schon in dieser Phase einen erheblichen Theil der Zelle einnehmen. In dem nun folgenden Stadium des losen Knäuels gehen die im Anfange dieser Theilungsphase noch ziemlich gewundenen Fäden (Fig. 4) bis beinahe an die Randlinie der rothen Blutzelle. Die Fäden verlieren immer mehr ihre Windungen und lagern sich immer deutlicher quer zur Längsachse der Blutzelle (Fig. 5). Sie bilden endlich straffe, ohne Seitenwindungen versehene Bogen- linien, welche hart an der Zellperipherie zum Polfelde ziehen, dort umbiegen und zum Gegenpol zurückkehren. Das Polfeld wird hierbei frei gelassen und von den Kuppen der umliegenden Fäden begrenzt (Fig. 6). Die Fäden sind in diesem Stadium deutlich getrennte Segmente von Schleifenform; ob und wann eine wirkliche Segmentirung vorhergeht, konnte ich hier nicht ermitteln und muss es für ganz möglich halten, dass sie von vornherein bestehen kann. 608 Dr. Ludwig Török: Indem diese Schleifen sich nun mit ihren Winkeln dem Centrum der Zelle, eigentlich einer centralen Achse zuwenden und die freien Enden der Zellperipherie zukehren (Fig. 7), entsteht die Sternfigur. Dieselbe zeigt recht mannigfaltige Formen, von denen die folgenden die gewöhnlichen sind. Oft sind die Schleifen mit ihren dem Centrum zugewendeten Winkeln ganz enge anein- ander gerückt und strecken ihre Schenkel strahlenförmig aus, so dass man beim ersten Blick nur ihre freien Enden erblickt, welche man dann in die Schenkel verfolgen kann (Fig. 10). Die Schenkel der Schleifen sind hier nahezu gleichlang, verlaufen zum grössten Theil ziemlich geradlinig, gehen fast bis an den Rand der Zelle oder erreichen auch denselben mit ihren freien Enden. Ein anderes Mal sind die Schenkel der Schleifen ungleich gross und sie erreichen nicht nur die Zellgrenze, sondern sie biegen an ihr noch um, verlaufen eine kürzere oder längere Strecke hart an, oder in geringer Entfernung von ihr, oder schlagen wieder dem Centrum zu um (Fig. 8, 9 und 11). Kurz, sie sind, wie schon Flemming erwähnt, „geschlängelt und gerollt, als hätten sie für gerade Lage keinen Platz gefunden“. Die Fäden bekommen da- durch einen eigenthümlich geschwungenen Verlauf, welcher auch der ganzen Kernfigur ein eigenartiges Gepräge verleiht. Die Schleifen der Sternfigur sind in diesem Falle viel weniger enge geordnet als im vorigen. Die Fäden der Stern- und losen Knäuelfiguren zeigen deut- liche Längsspaltung (Fig. 5, 6, 7, 8, 9); die Schleifen der Stern- figur und auch die Fäden des losen Knäuels in seiner späteren Form erscheinen ganz unzweifelhaft aus zwei dünnen und von einander durch eine ungefärbte Spalte ganz deutlich abgegrenzten Hälften zusammengesetzt. Beginnende Längsspaltung sieht man fast immer selbst an den frühesten Formen des losen Knäuels, öfters bemerkt man auch hier ganz deutliche Doppelfäden. Diese Bilder sind so constant und so häufig aufzufinden, dass lose Knäuel oder Sternfiguren ohne Längsspaltung (Fig. 4, 10) der Fäden nur auf Verquellung der schon gespaltenen Fäden durch die Reagentienwirkung bezogen werden müssen. Die Längsspal- tung der Fäden tritt aber hier manchmal noch früher hervor; ich habe nämlich einzelne längere, etwas weniger gewundene Faden- stücke des engen Knäuels schon gespalten gesehen (Fig. 3). Nach Flemming’s Ansicht (vorläufig mitgetheilt in den Verhandlungen Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 609 des Kopenhagener Aerztecongresses) ist dieses frühe Auftreten der Längsspaltung übrigens die allgemeine Regel bei der Mitose. Die Zellmembran zeigt ein von dem bei anderen Zellen be- schriebenen verschiedenes Verhalten. In den lockeren Knäueln ist sie sonst, nach Flemming’s Beschreibung, noch auf das deut- lichste sichtbar und besser erkennbar als an rubenden Kernen; sie scheint sogar an Dicke etwas gegen den Ruhezustand zuge- nommen zu haben. Erst am Anfang der Sternform wird die Kern- membran undeutlich. Bei den rothen Blutzellen verhält sich nun die Kernmembran anders. An den engen Knäueln der Kerne der rothen Blutzellen ist die Kernmembran noch deutlich sichtbar, an den losen Knäueln hingegen nicht mehr auffindbar. Bei dem grossen Umfang des losen Knäuels, der sich bis fast, oder hart an die Zellperipherie erstreckt, müsste man die überaus gespannte Kernmembran als eine neben der Zellgrenze herlaufende Linie ent- decken können; die rothe Blutzelle müsste so zu sagen doppelt contourirt werden. Nichts von dem ist sichtbar. Ein Persistiren der Kernmembran in diesem Sinne ist aber auch a priori nicht wahrscheinlich. Wohin käme dann das Protoplasma des Zellkör- pers der rothen Blutzelle? Man könnte annehmen, die Kernmem- bran überziehe die einzelnen Fäden des Knäuels handschuhförmig; aber auch dann müsste man wenigstens hie und da einzelne Par- tien der Kernmembran sich von den Fäden abheben sehen. Ich habe aber zwischen den Chromatinfäden und der sie umgebenden Zellsubstanz nie eine Spalte gesehen. Ueberdies würde die Kern- membran in letzterem Falle einer ganz ausserordentlichen Span- nung und Verdünnung ausgesetzt sein. Mit dem Verschwinden der Kernmembran mischt sich demnach, wie ich annehmen muss, das Protoplasma des Zellkörpers mit dem Kernsafte und füllt so die ganze Zelle, die Zwischenräume der Windungen und Winkel der chromatischen Fäden und Schleifen aus. Gleichzeitig nimmt auch die Zellsubstanz, wie dies Flemming schon bei anderen Zellen beschrieb, bei der Behandlung mit Osmiumgemisch eine dunklere Färbung an als die der ruhenden und im Stadium des engen Knäuels befindlichen rothen Blutzellen. Die Chromatinfäden sind also nach dem Verschwinden des Kernmembran in der Mi- schung des Zellprotoplasma und Kernsaftes eingelagert, bei Behand- lung mit Osmiumgemisch und Safranin als rothe Fäden in einer bräunlich-gelben Masse. Peremeschko verlegt sogar das Un- Archiv f, mikrosk, Anatomie. Bd. 32. 39 610 Dr. Ludwig Török: sichtbarwerden der Kernmembran noch vor das Stadium des ‚bald aus dickeren, bald aus feineren, bald enger, bald locker gefloch- tenen‘‘ Fäden bestehenden Knäuels, mithin also noch vor das Er- scheinen des engen Knäuels. Doch gleicht sich dieser scheinbare Widerspruch seiner Untersuchung mit den eben beschriebenen Ergebnissen dadurch aus, dass Peremeschko den eigentlichen engen Knäuel als gekörnt beschreibt, sein enger gewundener und aus feineren Fäden bestehender Knäuel also dem Anfangsstadium des losen Knäuels zu entsprechen scheint. Diese Befunde lassen sich, wie mir scheint, nicht vereinigen mit der schon von Tan gl!) angefochtenen Ansicht Pfitzner’s?), nach welcher der Kern während der ganzen Mitose, zu jeder Zeit „ein vollkommen selbständig innerhalb der Zelle gelegenes, abge- schlossenes Gebilde sei.“ Dass die Wechselbeziehungen zwischen Kern und Zellsubstanz während der Mitose inniger werden, folgt schon aus dem bisherigen. Ein weiterer Umstand spricht auch gegen Pfitzner’s Ansicht. Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass der ruhende Kern der rothen Blutzelle nach Behandlung mit verdünnten Säuren die Tendenz zeigt aus dem Zellleib auszu- treten oder sich darin zu verschieben. Man beobachtet dies an Präparaten, welche mit Chrom- und Pikrinsäuren, besonders aber nach Loewit’s Vorschrift angefertigt wurden. Ein ähnliches Ver- halten der in Theilung begriffenen Kerne ist mir nie begegnet. Peremeschko hat zwar einen „zusammengeflossenen“ Theil der Kernfigur aus dem Zellkörper der rothen Blutzelle hervorragen, jedoch nie austreten gesehen. Auch dieser Umstand spricht nun dafür, dass der Zusammenhang zwischen Zellkörper und Kern während der Mitose viel inniger sei als bei ruhenden Kernen. Das folgende Stadium der Kerntheilung, die Metakinesis, dauert hier überaus kurze Zeit und ich habe nur sehr wenige Kerne in dieser Phase zu Gesicht bekommen. Formen, welche der Figur 42, Tafel Ib, Flemming’s vollkommen entsprächen, habe ich eben so wenig wie Flemming und Löwit gesehen. Einem etwas späteren Stadium als sie durch Flemming’s Figur 43, Ta- fe] IIIb dargestellt wird, entspräche Figur 13. Figur 12 stellt eine Polaransicht der Metakinesis dar; das Auseinanderweichen der Schleifenhälften den beiden Polen zu habe ich durch dunklere 1) Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XXX. 1887. 2) Morphol. Jahrb. XI. 1885. Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 611 Schattirung der höher liegenden Partien der Schleifen anzudeuten ‘versucht. Diese Figuren, sowie Figur 14, welche der Metakinesis wohl auf dem Fusse folgt, deuten an, dass die Metakinesis auch hier in der bekannten Weise verläuft und es ergiebt sich nur der Unterschied, dass die Schleifen auch in dieser Phase fast über die gauze Zelle verfügeu. Die regelmässig bauchige Tonnenform der schon getrennten Tochterkerne hat Flemming schon erwähnt. Die Schleifenwin- kel der Tochtersterne (Figur 15, 16, 17) befinden sich in dem von einander entferntesten und ganz peripheren Theile je einer sich bil- denden Tochterzelle, wobei die Scheitel das gut unterscheidbare Polfeld umlagern. Die Schleifenschenkel der Tochtersterne lagern sich auch ganz der Peripherie der Zelle an und umfassen gleich- sam den Inhalt der Blutzelle. Die freien Enden der Schleifen- schenkel je zweier Tochtersterne haben, so lange sie noch durch dünne Fäden dargestellt werden, gewöhnlich einen geringen Ab- stand von einander, derselbe vergrössert sich erst bei der später erfolgenden Verkürzung und Verdiekung der Fäden. Verkürzten und verdickten sich die Schleifen noch bevor sie die von einan- der am weitesten abliegenden Zonen der Blutzelle mit ihren Schei- teln erreichten, was zuweilen vorkommt, so bleibt die periphere Partie der Blutzelle ohne Chromatinfäden, welche nun alle im cen- tralen Theile der sich bildenden Tochterzellen liegen (Figur 18). Aus den Tochtersternen mit kurzen dieken Schleifen geht die Knäuelfigur hervor (Figur 20 und 21). Dieselbe stellt gewöhn- lich ein verquollenes gebuchtetes Klümpchen dar, an welchem manchmal noch das Polfeld angedeutet ist. An gut fixirten Objeeten sieht man aber, dass diese Form aus sehr enge aneinander la- sernden Bälkchen gebildet wird (Figur 20). Ein geringer Grad der durch Reagentienwirkung hervorgerufenen Quellung ist nun freilich genügend diese ganz miteinander zu verschmelzen. An den nicht verquollenen Tochterknäueln sieht man auch ganz deutlich die Kernmembran des neugebildeten Tochterkernes. Auch die Tochterknäuelfigur lagert Anfangs etwas excentrisch, kommt aber bald ins Centrum der neuen Blutzelle zu liegen. Die chromatische Kernfigur haben schon Pfitzner und Lö- wit an rothen Blutzellen beobachtet. Zur Darstellung derselben ist die nach Flemming angegebene Methode nicht anzuempfehlen; auch an mit Chromsäure fixirten, mit Hämatoxylin gefärbten und 612 Dr. Ludwig Török: in Glycerin montirten Präparaten habe ich wegen der sich in Hämatoxylin färbenden Niederschläge die Kernspindel nicht mit Sicherheit sehen können. An nach der Löwit’schen Methode angefertigten Präparaten ist mir dies bei einigen Tochterfiguren gelungen. Den Zeitpnnkt des Auftretens derselben zu bestimmen ist wegen der Dichtigkeit der chromatischen Figuren des Mutter- kerns, durch welche die Spindelfigur, wie schon Flemming her- vorhebt, hier mehr als in anderen Zellen verdeckt wird, mit be- sonderen Schwierigkeiten verbunden. Die Lage der Theilungsachse und mit ihr der Kernspindel ist weder mit der Längs-, noch mit den Querachsen der Blutzelle congruent, sondern sie befindet sich, wie man sich an manchen Diasterfiguren überzeugen kann (Figur 13, 17) in einer Richtung zwischen den beiden. Von Veränderungen der Zellsubstanz während der Kernthei- lung ist mir ausser der schon erwähnten dunkleren bräunlich gel- ben Färbung durch das Osmiumgemisch nichts aufgefallen. Eine stärkere Granulirung derselben, welche Löwit beschreibt, habe ich nicht bemerkt. Die rothe Blutzelle nimmt während der Kerntheilung, und zwar vom Stadium des losen Knäuels angefangen, eine mehr rund- liche Form an, welche im Laufe des Diasterstadiums einer mehr oblongen weicht. In der letzteren Phase beginnt auch die Thei- lung der Zellsubstanz und kommt auch gewöhnlich noch während derselben zu Ende. Der Theilungsprocess der Zellsubstanz geht also ziemlich rasch, rascher als bei sonstigen Zellen von statten. Man findet auch in Folge dessen des öfteren solitäre Tochterstern- figuren (Figur 19). Nur sehr selten verzögert sich die Zelltheilung bis in’s Dispiremstadium, weshalb man auch Dispiremformen rother Blutzeilen nur ausnahmsweise begegnet. Zum Schlusse kann ich nicht umhin, Herın Prof. Walter Flemming, von dem die Anregung zu dieser Arbeit ausging, meinen tiefgefühlten Dank für seine thatkräftige Unterstützung auszusprechen. Die Theilung der rothen Blutzellen bei Amphibien. 613 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIL. Die Figuren sind bei der Vergrösserung Leitz Hom. Immersion T/og, Ocular I gezeichnet, Fig. 1 und 2. Ruhende Kerne rother Blutzellen. Fig. 3. Enggewundener Knäuel. Fig. 4—6. Lose Knäuelformen. Fig. 7. Uebergang zur Sternphase. Fig. S—11. Asterfiguren. Fig. 12. Polaransicht der Metakinese. Fig. 13—18. Diasterfiguren. Fig. 19. Tochterstern nach vollzogener Zelltheilung. Fig. 20—21. Tochterknäuel (Fig. 21 verquollen). Die Figg. 11, 12, 14, 15 entsprechen rothen Blutzellen der Milz, die übrigen stammen ans dem strömenden Blute. (Aus dem histiol. Laboratorium in München.) Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. Von A. A. Böhm. Hierzu Tafel XXIV und XXV. Seit zwei Jahren mit der Untersuchung der bei der Befruch- tung der Neunaugeneier ablaufenden Vorgänge beschäftigt, habe ich die wesentlichen Ergebnisse bereits vor einiger Zeit zur Ver- öffentlichung gebracht‘). Ich gebe im Nachfolgenden nunmehr eine eingehendere Darstellung dessen, was dieses Objekt mich gelehrt hat, dabei voraussendend, was durch die Bemühungen An- derer über diesen interessanten Vorgang bekannt geworden ist. 1) Ueber die Befruchtung des Neunaugeneies. Sitzber. der K. Bayer. Akad. d. W. math.-phys. Cl. 8. Febr. 1887. 614 A. A. Böhm: Das Reifen der Eier. Die Angaben über das Ovarium und das Ei von Petromyzon, die ich in der Literatur finden konnte, sind nur spärlich. Ich gebe diese in chronologischer Reihenfolge wieder. Bei H. Rathke!) in seiner Anatomie des Querders lesen wir darüber Folgendes: „Zwischen den beiden Fettkörpern und den Nieren und über- halb dem Darme, verläuft der einfache Eierstock oder Hode. Er erstreckt sich beinahe von dem Anfange bis beinahe an das Ende der Bauchhöhle und ist der Wirbelsäule, der unter dieser liegenden Aorta, und zum Theil auch den oberen Rändern der Fettkörper, ohne ein Haltungsband zu haben, fest angewachsen. Wie bei der Pricke und Lamprete besteht sowohl der Hode, als der Eierstock aus lauter theils quer, theils schräge verlaufenden und aus Zell- sewebe, das von dem Bauchfelle überkleidet wird, bestehenden, übrigens nur dünnen und überhaupt nur kleinen Platten, innerhalb welchen bei dem einen Geschlechte die gelblichen Eier, bei dem anderen die weisslichen Hodenkügelchen liegen. Es sind demnach auch bei dem Querder der Eierstock und der Hode nur durch ihren Inhalt, nieht aber durch ihre äussere Form von einander unterschieden.“ Vereinzelte Bemerkungen über das Ovarium bringt August Müller?) und zwar p. 323: „Sie (Querder) haben durch- sichtige Eier, die Neunaugen undurchsichtige®: p. 324. „Die frisch gelegten Eier haben wenig unter Imm Durchmesser, sind weiss, schwach gelblich und stecken in einer dünnen, schleimigen Hülle, welche selbst nach dem Aufquellen im Wasser nur bei auf- merksamer Betrachtung zu sehen ist.“ Querder in der Metamor- phose betreffend p. 331: „Die Eier der Eierstöcke waren durch Fettablagerung bereits weiss und undurchsichtig geworden wie eine Emulsion und liessen das Urbläschen leicht erkennen“. p. 334: „Hierzu kommt noch, dass die Ovarien (der reifen Thiere) nie Eier von verschiedenen Entwicklungsstadien enthalten, wie bei 1) Beiträge z. Gesch. d. Thierwelt. IV. Abthl. 1827. S. 94. $ 25. 2) Ueber die Entwicklung der Neunaugen. Ein vorläufiger Bericht. Müller’s Archiv. Jahrg. 1856. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 615 anderen Thieren, wo eine künftige Vermehrungszeit wieder vorbe- reitet wird. Vielmehr findet man nach der Laichzeit nur die leeren Kelche im Eierstocke“ 1). In seiner acht Jahre später erschienenen Arbeit schildert August Müller?) einige Eigenthümlichkeiten des reifen Ovarial- eies sowohl, als des der Bauchhöhle des Thieres entnommenen und macht zum erstenmale auf zwei Gebilde aufmerksam, nämlich auf die Flocke und den Deckel des Urbläschens. Das „am Eierstocke festsitzende“ Ei hat eine nur wenig ausgesprochene Birnform; das schmälere Ende desselben ist gegen „die Tiefe des Eierstockes ge- richtet“. Betrachtet man dieses Ende der Eierstockeier oder aber derjenigen, die sich bereits gelöst haben, d. h. die in der Bauch- höhle liegen, mit der Loupe in der Luft, im Oel oder im Wasser, nachdem man das Ei irgendwie z. B. mit Carmin gefärbt hatte, so sieht man „eine Mondsichel mit ihrem concaven Rande auf der Eidecke aufsitzen, welche das zugespitzte Ende des Eies umfasst und über das Revier des Urbläschens hinausgeht“ ........ „Dieses Gebilde macht den Eindruck einer Schleimflocke, ist aber von dem schleimigen Ueberzuge des Eies, der im Wasser aufquillt, verschieden und vergeht viel früher als dieser“. August Müller hat es Flocke genannt. Zerreisst man ein frisches Eichen (in welchem Entwieklungsstadium wird nicht gesagt) mit Nadeln, als wolle man das Urbläschen (Keimbläschen) isoliren und ist die Iso- lation gelungen, so sitzt gewöhnlich an der der Schaale zuge- wendeten Seite des Urbläschens ein rundlicher Körper an, „der nicht so leicht von ihm weicht‘; an gehärteten Eiern, namentlich an denen mit der verdünnten Salpetersäure, lässt sich die Isolation noch bequemer vornehmen, „und man sieht alsdann das Urbläschen durch einen weissen Diskus gedeckt und durch seine Dieke von der Eischaale getrennt. Dieser Deckel des Urbläschens sitzt auf dem Urbläschen wie ein Barett auf dem Kopfe und wendet ihm ebenso seine concave Fläche zu, welche es aufnimmt. Seine 1) Bei Max Schultze: „Die Entwicklungsgeschichte des Petromyzon Planeri 1856“ findet sich p. 6 nur die Bemerkung: „Ein Keimbläschen habe ich an den reifen Eiern nicht auffinden können.“ 2) Ueber die Befruchtungserscheinung am Eie der Neunaugen. Herrn Karl Ernst von Baer zur Feier des 50. Jahrestages der Erlangung der Doktorwürde von der kgl. ostpreuss. physik.-ökonom. Gesellschaft zu Königs- berg gewidmet.) 1864. 616 A. A. Böhm: schwach gewölbte äussere Fläche entspricht der Krümmung des zugespitzten Eipoles und ist von der Oberfläche als ein kreisrundes weissliches Feld sichtbar. August Müller macht weiter darauf aufmerksam, dass sich in diesem Deckel die Mitte als ein rund- liches Fleckchen mehr oder minder markire, was darauf hindeute, dass die Masse des Deckels hier andere Eigenschaften besitze, In vollkommen reifen unbefruchteten Eiern von Petromyzon fluv. hat Owsiannikoff!) einigemale, jedoch nicht immer das Keimbläschen und den Keimfleck beobachtet; „in denjenigen Fällen, in welchen ich das Keimbläschen vermisst habe“, sagt Owsianni- koff weiter, „sah ich mit dem Mikroscope auf dünnen Schnitten eine kleine Stelle im Dotter, bestehend aus einer feinkörnigen Masse, die von dem übrigen Dotter zu unterscheiden war und er- innerte an den Inhalt des Keimbläschens. Diese Stelle des Dot- ters halte ich für das Keimbläschen und nehme ein Schwinden desselben, wie Andere, an‘ 2). W. Müller?) hat die Befunde von Rathke, die ich oben an- geführt habe, bestätigt und durch einzelne Beobachtungen an Schnitten vervollständigt. Er giebt Folgendes an: Bei Larven von 35mm Länge verhält sich die Anlage beider Geschlechtsdrüsen vollkommen gleich. Die Geschlechtsdrüse legt sich in Form einer Verdiekung des Peritonäalepithels an; diese median gelegene Verdickung wird durch eindringendes Bindege- webe in solide Follikel getheilt. Bei Larven von 5cm Länge kann man bereits die Geschlechtsdrüsen von einander unterscheiden. In den Follikeln der weiblichen Geschlechtsdrüse differenziren sich Eier aus Anlagezellen, die auf Kosten der übrigen Zellen des Fol- likels sich vergrössern. Bei Thieren von 65cm Länge ist das Ovarium als solches ausgebildet. Die Eier (0,09 mm gross) bestehen aus Protoplasma, welches gleichmässig vertheilte gelbliche Körnchen enthält. Jedes Ei ist von einer dünnen, faltigen Membran umgeben, welche auf 1) Entwicklungsgeschichte von Petromyzon fluviatilis (18702). Arbeiten der zweiten Versammlung der russischen Naturforscher. Zool. Section. 2) Paul Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon. 1873. Ent- hält nichts über die Anatomie der Geschlechtsorgane und deren Produkte. 3) Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus und der Cyclostomen. Jena’sche Zeitschr. f. Naturwissenschaft. 1875. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 617 Anwendung von Carminpierat eine polygonale Zeichnung bei Be- trachtung von der Fläche erkennen lässt. Nach aussen folgt so- dann die abschliessende, dünne Bindegewebsmembran mit ellip- soidischen Kernen. Bei Ernst Calberlat) finden sich die folgenden Angaben über die Eier von Petromyzon. Die reifen Eier haben die Länge von 1,1 bis 1,2mm und eine Breite und Dicke von 0,9 his 1,0 mm; die Dieke der dem Dotter anliegenden Eihaut beträgt 0,03mm und besteht aus zwei Schichten, die ohne scharfe Grenze in einander übergehen. Die äussere Schicht ist breit, mit Erhebungen und Zacken besetzt, stark lichtbrechend; die innere durchscheinend und schmal. Die äussere Schicht soll bei schwacher Vergrösserung wie aus concentrisch gelagerten Lamellen bestehend aussehen, bei starker jedoch „erkennt man, dass sie aus einer homogenen Sub- stanz besteht, die aber von feinen Kanälen durchzogen wird. Die Porenkanäle münden aussen so, dass stets am Rande ihrer Mün- dung eine der erwähnten Zacken oder Erhebungen der äusseren Oberfläche sich befindet“. Von derselben Beschaffenheit, aber etwas lockerer ist die innere Schicht der Eihaut gebaut und wird von der Fortsetzung der eben erwähnten Porenkanäle durchzogen. Die ganze Eihaut ist eine Abscheidung der Randschicht des Dot- ters, die innere Schicht ist die zuletzt abgeschiedene Partie der Eihaut. Am schmalen Ende des Eies ist die ganze Eihaut eigen- thümlich uhrglasförmig vorgewölbt und befindet sich an der höchsten Stelle dieser Vorwölbung eine Micropyle. Die ganze Ei- peripherie besteht aus einer dünnen, dotterfreien Protoplasmaschicht, die entsprechend dem Uhrglase verdickt ist. Von der Mitte der letzt- erwähnten verdickten Protoplasmaschicht führt in radiärer Richtung in’s Innere ein mit demselben Protoplasma ausgefüllter Kanal, der mit einer kugeligen Anschwellung endet. Diese letztere beherbergt ein kernartiges Gebilde, welches den Eikern darstellt. Den An- fang des Kanales, an der Dotteroberfläche, benennt Calberla „innere Mieropyle“ zum Unterschied von der „äusseren Mieropyle“, wie er die Mieropyle der Autoren benennt. Es führt also nach Calberla eine continuirliche Protoplasmastrasse von der inneren Mündung der äusseren Micropyle an bis zu dem Eikern. Aus Gründen, die 1) Der Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon Planeri. Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. Bd. XXX (1877). 618 A. A. Böhm: später erwähnt ‚werden, belegt Calberla jene Strasse mit dem Namen Spermagang. Eierstöcke, Ammocoeten von 130mm Länge entnommen, fährt Calberla fort, weisen Primitiveier auf; „der Kern liegt meist in der Mitte der Zellen, ist im Verhältniss zur Grösse derselben sehr voluminös, das Kernkörperchen ist klein aber scharf contourirt“. Eier aus dem Beginn des Umwandlungsstadiums, sind grös- ser geworden, das Protoplasma derselben ist trüber, das Keim- bläschen liegt excentrisch. Anderthalb bis zwei Monate vor der Geschlechtsreife, ebenfalls im Umwandlungsstadium begriffenen Thieren entnommene Eier zeigen folgende Verhältnisse: Die Schichten der Eihaut sind zu erkennen, der Kern oder das Keim- bläschen liegt excentrisch; zwischen der Dotteroberfläche und dem Eikern, wo derselbe „nicht mehr“ an der Dotterperipherie liegt, bemerkt man zwischen demselben und der Eioberfläche einen kurzen, dotterfreien protoplasmatischen Strang. Dieser kurze protoplasma- tische Strang, sagt Calberla, ist offenbar die Anlage des Sper- maganges. „Also haben wir im Eierstock der ausgewachsenen Larve Eier mit einem Keimbläschen und nach der Umwandlung zu Petromyzon reife oder nahezu reife Eier mit einem Eikern im Sinne Hertwig’s“. In einer Anmerkung berichtet Galberla, es sei ihm gelungen, im Herbste 1877 auch die fehlenden Stadien auf- zufinden, die seine im Texte ausgesprochene These vollkommen bestätigen. Ende September war der Dotter getrübt und das Keim- bläschen nahe der Peripherie gelegen. Mitte Oktober sah man bereits Dotterkörnchen, und das Keimbläschen lag ganz peripher. Ende November und Anfang Dezember hatte das Keimbläschen seine scharfen Contouren, sowie das Kernkörperchen eingebüsst, es lag „gewissermaassen nur sein Protoplasma in unregelmässiger Form an der Peripherie; im Innern dieses Protoplasmas waren allerlei Kerngebilde zu erkennen (frisch untersucht), die wohl als die Abkömmlinge des Kernkörpers aufzufassen sind“. Bei vielen Eiern fand man nur einen hellen Protoplasmatropfen an einer Stelle der Eiperipherie. Am 9. Dezember fand Calberla beim ausgebildeten Petro- myzon den Eikern als Rest des Keimbläschens in jenem hellen Protoplasmahaufen. In der Zusammenfassung finden wir eine Bemerkung: „wahr- scheinlich erfolgt kurz vor vollendeter Umwandlung der Larve Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 619 an der Eiperipherie die Ausstossung eines Theils des Keimbläs- chens, des Richtungskörperchens . .“ Die in der Anmerkung beschriebenen Stadien fasst Calberla offenbar als Zustände des Eies unmittelbar vor dem Beginn der Bildung des Sperma- ganges auf. Kupffer und Benecke!) haben nur ganz reife Ovarialeier von Petromyzon untersucht und bei dieser Untersuchung auf eine Reihe von Thatsachen aufmerksam gemacht, die mit den Befunden Calberla’s nicht übereinstimmen, und weiterhin haben sie nach- gewiesen, dass das Gebilde, welches Calberla Eikern nennt, kein solcher sein könne. Sie geben Folgendes an: Das reife unbefruchtete Ei ist gelblich weiss, hat die Form eines Rotations-Rllipsoid’s und nur dadurch dem Ovale sich nähernd, dass die Eihaut an dem einen Pol eine uhrglasartige stärkere Wölbung zeigt. Die lange Axe beträgt 0,95 bis 10mm und die kurze 0,93 bis 0,55 mm. Nach der Befruchtung steigen die Dimen- sionen durch Wasseraufnahme auf 1,2 resp. 1,Imm und nähert sich das Ei mehr einer Kugel. Die Eihaut besteht aus zwei Schichten; die innere enthält dicht gestellte Porenkanäle, nicht aber die äussere, wie es Calberla angegeben hat. Der Pol des Eies, der das Uhrglas der Fihaut enthält (entsprechend der Flocke von A. Müller) ist der active, weil an ihm der Befruchtungsact vor sich geht und der Furchungsprocess von dort aus sich ein- leitet. „Wendet man ein unbefruchtetes Ei mit dem activen Pole aufwärts, so bemerkt man mit der Loupe, dass dieser Pol an dem durchsichtigen, bei auffallendem Lichte gelblich weissen Dotter durch einen dunklen Punkt markirt ist, der den Eindruck einer Oefinung macht und von Calberla als innere Mikropyle bezeich- net wird. Dieser Fleck hat einen Durchmesser von 0,lmm und deckt sich seiner Grösse nach ziemlich genau mit dem Keim- bläschen. . . . „Am activen Pol überzieht eine dünne Kappe hel- len, nur wenige Körnchen enthaltenden Protoplasmas den im Uebrigen völlig undurehsichtigen Dotter. Die 1) Der Vorgang der Befruchtung am Ei der Neunaugen. Festschrift Herrn Theodor Schwann zur Feier seiner vierzigjährigen Lehrthätigkeit gewidmet am 23. Juni 1878 von der Medicinischen Fakultät der Albertus- Universität in Königsberg in Preussen. 620 A. A. Böhm: Kappe hat ungefähr die Ausdehnung, die das Uhrglas an der Ei- haut zeigt. Dass dieses helle Protoplasma in dünner Schicht den ganzen Dotter bekleide und nur in der erwähnten Region von grösserer Mächtigkeit sei, was Calberla behauptet, entspricht den natürlichen Verhältnissen nicht, wohl aber dem Schnitte durch ein gehärtetes Ei, an dem bei jeder Härtungsmethode ein Interstitium zwischen Eihaut und Dotter erscheint, das sich hyalin zeigt.“ Auf pag. 20 beurtheilen Kupffer und Benecke die Be- funde von Calberla am Eierstocksei in folgender Weise: „Jeden- falls sind Calberla’s bezügliche Angaben nicht geeignet, unseren Erfahrungen zur Ergänzung zu dienen. Dieser Autor stellt auf Grund recht unsicherer Anhaltspunkte die Behauptung hin, der ursprüngliche Kern des Eies, das Keimbläschen, verschwinde schon um die Zeit der Metamorphose des Quefders; der Kern, der sich an den Eiern des ausgebildeten Neunauges finde, sei ein neu ent- standener und demnach der „Eikern* im Sinne von O. Hertwig“ „Aber diese Auffassung verliert allen Boden durch den von uns geführten Nachweis, dass am Beginne des Befruchtungsactes ein Richtungskörperchen eliminirt wird, das Calberla übersehen hat. Darnach wird es wahrscheinlich, dass das Keimbläschen erst zu diesem Zeitpunkte verschwinde. Schnitte, die wir durch ge- härtete Eier angefertigt haben, zeigten uns Verhältnisse, die diese Wahrscheinlichkeit bedeutend erhöhten.“ Gelegentliche Aeusserungen finde ich bei Van Beneden!) „Aug. Müller a decouvert chez le Petromyzon il y a quelque vingt ans une plaque et qu’il a appel& le couverele. Cette pla- que joue un röle dans la formation des corps directeurs; elle constitue la partie m&diane de ce que j.ai appele, dans ma com- munication pr@liminaire ‚la lentille cieatrieulaire“ und pag. 5202): . „cette plaque, nous l’avons appelde le couverele.e Nous eroyons, q’elle existe avec les m&mes caracteres chez les Chauves souris. Nous l’avons trauvde quelquefois sur nos coupes, dans les ovules de moyen volume“, Ich kann diese Angaben van Beneden’s weder für Petro- myzon noch für die Fledermäuse bestätigen. 1) Recherches sur l’embryologie du mammiferes. Archives de Biologie. Tr 10.0140. ° 2) Contribution a la connaissance de l’ovaire des mammiferes. Ebenda. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 621 Die Beobachtungen von Scott!) waren, was den uns hier speciell beschäftigenden Stoff anlangt, wegen mangelhaften Ma- terials unvollständig. Er beschreibt und bildet ganz richtig den Deekel von A. Müller ab. In keinem Fall vermochte er die ge- ringste Spur der von Calberla beschriebenen Anlage des Sperma- sanges aufzufinden. AufGrund nun zum Theil eigener, zum Theil Calberla’scher Präparate und auf Grund der Kritik der Wahr- nehmungen des letzteren Autors hält er die Annahme für gerecht- fertigt, dass der Eikern Calberla’s in Wirklichkeit ein Keim- bläschen sei. Unter der Voraussetzung der Richtigkeit der Angabe Cal- berla’s über den Spermagang eines reifen Petromyzon-Eies meint van Bambeke?), wenn ich ihn richtig verstehe, dass der Sperma- gang präformirt sei und er diene sowohl dem Keimbläschen als Weg bis zur Peripherie des Eies behufs der Abgabe der Rich- tungskörperchen, als auch für die Rückwanderung des gebildeten Eikernes bis zur Abgangsstelle, um dort das befruchtende Ele- ment zu erwarten. Ph. Owsiannikoff?) macht einige Angaben über die Ge- fässe des Eierstockes und Bemerkungen über Epithelien, die mög- licherweise Granulosazellen waren. „An dem zugespitzten Ende des reifen Eierstockeies ist die Haut des Eifollikels verdickt und enthält einen Gefässstrang, der in feine Gefässe und Capillaren zerfällt und die das Ei umziehen. Sie tangieren aber das Ei nicht unmittelbar, sondern unter den Capillarnetzen und der Zona ra- diata (soll wohl heissen zwischen den Capillarnetzen und der Zona radiata) befindet sich ein aus Endothelzellen bestehendes dünnes Häutchen. Aber auch dieses Endothelhäutchen liegt nicht unmit- telbar auf der Zona radiata, sondern zwischen der letzteren und den ersterwähnten befindet sich eine aus kleinen Epithelien be- stehende, nicht eontinuirliche Schicht.“ Die Zellen dieser Schicht 1) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Petromyzonten. Morph. Jahrb. VII. Bd. 1882. 2) Rapport mediat de la vesicule germinative avec la peripherie du vitellus. Arch. de Biologie. Bd. IV. 1883 p. 829. 3) Studien über das Ei, hauptsächlich bei Knochenfischen. Memoires de l’acad&mie imperiale des sciences de St. Petersbourg. 7. Serie. Tome XXXII. Nr. 4. 1885. 622 A. A. Böhm: sind mit Körnchen ausgefüllt, die mit Dotterelementen eine frap- pante Aehnlichkeit haben und da diese sich mit Picrocarmin in- tensiv färben, so ist es schwer, in den Zellen den Kern zu ent- decken. — Ich erwähne hier noch, dass der Autor nur die äussere Schicht der Eihaut mit Porenkanälchen versehen sein lässt und die innere als eine viel festere bezeichnet wie die äussere, also in letzterer Beziehung gerade das Gegentheil von dem angiebt, was Calberla sagt. Aus den vorangehenden Mittheilungen über den Eierstock, die ich vollständig wiedergab, könnte man sich schwerlich irgend ein Bild vön der Reifung des Eies machen. So mag es durch diesen Umstand entschuldigt sein, dass ich die wenigen Erfah- rungen, die ich an gelegentlich gesammeltem und in verschie- dener Weise conservirtem Materiale gewonnen habe, hier wieder- gebe. Die nicht gleiche Fixirung und Conservirung des Materiales gestattete nicht den Vergleich der verschiedenen Präparate in allen Einzelheiten, namentlich in Bezug auf feinere Strukturen. Ich begnüge mich deshalb mit der Orientirung über grobe Ver- hältnisse und speciell mit der Berücksichtigung der Calberla- schen Untersuchungen. Zu meinen eigenen Untersuchungen übergehend, habe ich der Beschreibung, die Rathke giebt (s. Seite 616), nur wenig hinzu- zufügen. Ich habe jüngere Amocoeten untersucht und finde bei solchen von 5cm Körperlänge das Ovarium noch nicht gefaltet, sondern aus einem einzigen median gelegenen langen Schlauch be- stehend. Am Kopfende ging der Schlauch in einen Fortsatz über, der sich seitwärts bog und dem kranialen Ende der Niere anlag; in diesem aus der medianen Ebene abschweifenden Zipfel finden sich Eier von verschiedenen Entwicklungsgraden, während der Haupttheil des Eierstockes, in der medianen Richtung gelegen, nur Eier gleicher Entwicklungsstufe beherbergt. Der Zipfel hat aber offenbar eine besondere Bedeutung: die eines Bildungsheerdes für neu hinzukommende Eier. Die gleich entwickelten Eier des Haupttheiles liegen unter der Oberfläche in einfacher Schicht. In dem die Axe des Eierstockes einnehmenden Bindegewebe verlaufen zahlreiche grosse Gefässe. Bei Ammocoeten von 9 cm Körperlänge bestand der Eierstock Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 623 aus drei parallelen Längsfalten, einer medianen und zwei seit- lichen. Die Eier zeigten durchweg gleichen Entwicklungsgrad. Amocoeten von 12 em Länge liessen fünf Falten wahrnehmen, eine mediane und je zwei seitliche, in jeder Falte fand sich ein vorwiegend longitudinal verlaufender Blutraum. In den letzten Monaten vor der Metamorphose zeigt sich die interessante Thatsache, dass die Eier in allen Falten ein und die- selbe Lage einnehmen; sie finden sich nach wie vor in einfacher Schicht unter der Oberfläche und wenden nun ausnahmslos den vegetativen Pol gegen die Leibeshöhle, während der animale Pol, dem das Keimbläschen nahe gerückt ist, nach dem Blutraum sieht, von dem eben die Rede war. Meine Kenntniss der Eier beginnt auch bei Ammocoeten von 5 cm Körperlänge. Diese Eier hatten im Haupttheile des Eier- stockes eine Grösse von 1; mm, bedeutend kleinere, darunter solche von nur 1/,, mm Durchmesser fanden sich in dem von der Mittelebene abschweifenden kranialen Anhange des Eierstockes. Die grösseren enthielten ein central gelegenes Keimbläschen mit einer Membran, chromatischen Netzen und einem Keimflecke, an dem sich sehr oft eine kleine Vacuole zeigt, welche mit einer feinen Strasse bis an die Oberfläche des Fleckes reicht. Bis zur Metamorphose wachsen die Eier stetig und weisen zu dem Zeit- punkte, wo die Metamorphose sich ankündigt, einen Durchmesser von 0,4 bis 0,5 mm auf. Bis dahin bleibt das Keimbläschen an- nähernd central. Keimbläschen und Keimfleck nehmen auch ihrer- seits an Grösse zu; der Keimfleck nimmt in dem Keimbläschen mit Vorliebe eine excentrische Lage ein. Das Auftreten des Dotters beobachtete ich bei noch völlig centraler Lage des Keimbläschens. Die Eier aus der Periode der beginnenden Metamorphose habe ich eingehender untersucht. Sie sind undurchsichtig, bereits von der Eihaut umschlossen und diese letztere zeigt, wie am reifen Ei, zwei Schichten, eine innere ra- diär gestrichelte und eine äussere homogene. Die Oberfläche der Eihaut ist von einem regelmässigen ein- schichtigen Granulosaepithel bekleidet, das aus kubischen Zellen besteht; an dem, dem axialen Blutraume der Övarialfalte zuge- wendeten animalen Pole sind die Granulosazellen niedriger, Fig. 6, und diese Differenz nimmt später noch zu. Die Schilderung dieser der Zeit der Metamorphose entnom- 624 A. A. Böhm: menen Eier selbst stützt sich auf Schnitte, die das Ei in der ganzen Länge der Axe getroffen haben. Ich verweise dazu auf die beiden Abbildungen Fig. 1 und 6. Aus Fig. 6 ergiebt sich, dass die Substanz eine ziemlich complieirte ist. Krystallähnliche Dotterkörner durchsetzen den ganzen Eikörper, zusammengehalten durch eine spärliche Binde- masse, aber nicht gleichmässig. Es erscheint der Schnitt vielmehr gefleckt durch zahlreiche helle Vacuolen, die von Dotterkörnern frei sind. Wenn ich hier den Ausdruck Vacuolen brauche, so ge- schieht es nur im bildlichen Sinne; ich will damit über die Sub- stanz der hellen Flecke kein Urtheil fällen, möglicherweise ist sie dieselbe, wie die Bindemasse, die die Dotterkörner verkittet.. Im Besonderen kann man an dem Ei eine Rindenzone, eine mächtige Mittelzone und ein pellucides Centralfeld unterscheiden. In der Rindenzone zeigen sich zwei Lagen: die äussere derselben enthält dicht geordnet längliche, radiär gestellte Vacuolen, zwi- schen welche sich Reihen von Dotterkörnchen hineinschieben, so dass die Radiärzeichnung dieser Zone eine sehr ausgeprägte ist. Die innere Schicht der Rindenzone ist völlig frei von Vacuolen und dicht durchsetzt von feineren Dotterkörnern, die mächtige Mittelzone ist durch die zahlreichen, rundlichen Vacuolen und gröbere Dotterkörner charakterisirt; gegen das pellueide Central- feld zu nehmen die Dotterkörner an Grösse ab; im Centrum finden sich die feinsten und sind zugleich dichter gestellt; dadurch macht sich das centrale Feld als besondere Region bemerklich. Das Keimbläschen liegt excentrisch, hat einen ungefähren Durchmesser von 0,07 mm. Die Oberfläche desselben ist vom Pol des Eies noch um !/,, mm entfernt; zwischen dem Bläschen und der Oberfläche lagert eine eigenthümliche, annähernd scheiben- förmige Masse, der Deckel von A. Müller. Beide Theile zu- sammen geben die Gestalt eines Zapfens wieder, dessen breitere Basis die Polgegend des Eies einnimmt und sich von da in der Axenrichtung einwärts erstreckt. Das Keimbläschen wird von einer gleichmässig dieken, homogenen Membran umschlossen, die aber nicht mehr prall gespannt, sondern zusammengefallen er- scheint. Der Inhalt ist eine hyaline Masse mit kugeligen Granulis durchsetzt, die sich nicht färben. Netzartige Bildungen sind nicht nachzuweisen. Der lebhaft gefärbte, homogene Keimfleck liegt excentrisch, die Membran tangirend und zwar an der dem Eipol Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 625 zugekehrten Seite. Räthselhaft ist die Bedeutung des Deckels. Die Vacuolen fehlen in der Umgebung des Deckels und des Keim- bläschens. Eine von groben Dotterkörnern dicht durchsetzte Schicht begrenzt beide Gebilde. Charakterisirt wird der Deckel durch die Armuth seiner Substanz an Dotterkörnern, sie fehlen nicht vollständig, finden sich aber nur flecken- und streifenweise; die Hauptmasse bildet ein nur schwach färbbares Plasma, das aber von der Bindemasse, die in der Umgebung die gröberen Dotter- elemente umschliesst, nicht zu unterscheiden ist. Eine blei- bende Bildung ist der Deckel nicht, er verschwindet später. Eierstockeier geschlechtsreifer Petromyzonten (Fig. 2) weisen keine Spur des Deckels mehr auf, die hellen Vacuolen im Ei sind verschwunden und damit auch die regelmässige Schichtung, eine schmale Rindenzone aber tritt dadurch hervor, dass die Dotter- elemente in derselben spärlicher sind. Das Keimbläschen ist ganz an die Oberfläche der Polgegend gerückt und plattet sich daselbst etwas ab, es enthält noch seine Membran und einen Keimfleck, der aber an Tinktionsfähigkeit bedeutend eingebüsst hat. An das Keimbläschen direkt stossen Dotterelemente an. Das Granulosaepithel an diesen Eiern zieht die Aufmerk- samkeit auf sich: es bekleidet in einer einzigen Reihe die bereits gebildete Eihaut, ist aber aus verschieden aussehenden Zellen zu- sammengesetzt. Die animale Seite des Eies, wo das Keimbläschen gelegen ist, wird von einem ganz platten Epithel bekleidet; dieses platte Epithel wird allmählig gegen den vegetativen Pol zu höher. Mit dem Höherwerden des Epithels pflegt ein degenerativer Process Hand in Hand zu gehen, der in demselben sich abspielt; das Pro- toplasma des höher werdenden Granulosaepithels wird nämlich von Fäden durchzogen, die das Aussehen einer schleimartigen Substanz aufweisen. Am vegetativen Pole des Eies, wo die Zellen sehr gross und hoch sind, ist der Verschleimungsprocess soweit sediehen, dass man nur in seltenen Fällen den verdeckten Kern nachzuweisen im Stande ist. Mit solchen Zellen umgeben verlassen die Eier das Ovarium, gerathen in die Bauchhöhle, wo die Epithelien unverändert bleiben und werden nun ins Wasser abgelegt. Diese Verschiedenheit der Granulosazellen am animalen Pole von den übrigen hängt höchst wahrscheinlich mit dem späteren Erscheinen der Flocke, die ge- Archiv f, mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 40 626 A. A. Böhm: rade dort auftritt, wo die Zellen am platiesienn zu am wenigsten verschleimt sind, zusammen. Fig. 2 giebt ein Bild der Membrana granulosa in ganzer Aus- dehnung. Die Fig. 5 zeigt die Granulosazellen der vegetativen Hälfte des Eies in zwei verschiedenen Stadien der Metamorphose derselben im Grund- und Aufriss bei derselben Vergrösserung dar- gestellt. Die Figuren 3 und 4 geben die animale Hälfte von Eiern wieder, die der Bauchhöhle entnommen sind. Das Keimbläschen hat seine Membran bereits eingebüsst. Der völlig achromatisch gewordene Keimfleck ist noch eine Zeitlang wahrnehmbar, dann verschwindet auch dieser vollständig, Das schwach granulirte Karyoplasma des Keimbläschens breitet sich kappenförmig am Pol des Eies aus, mit der Ausdehnung sich verdünnend, und stellt die Substanz dar, die Kupffer und Benecke als hyalines Proto- plasma am Pol des reifen Eies erwähnt und abgebildet haben. Von dem Strange, den Calberla als Spermagang beschreibt, ist keine Andeutung vorhanden. Calberla hat dieses Stadium des Eies überhaupt gar nicht gekannt. Ich will im Folgenden die kappenförmig ausgebreitete Sub- stanz des Keimbläschens als Polplasıma bezeichnen. Seiner Herkunft nach ist es ein Kernplasma, Karyoplasma. — Ich reihe hier eine vereinzelte Beobachtung an, die ich an einem mit Sublimat erhärteten Ei gemacht habe. Das Ei ist der Bauchhöhle entnommen und zeigt an der Peripherie zahlreiche, mit Carmin sich roth färbende kernartige Gebilde (Fig. 6°). Das Keimbläschen, resp. das Polplasma, war nicht aufzufinden. Diese kernartigen Gebilde babe ich nur an einem Eie erblickt und weiss sie in keiner Weise zu deuten. Die Befruchtung. 1. Voranbeaten: Ueber den Befruchtungsvorgang am Neunaugenei besitzen wir drei Abhandlungen; die von August Müller, Calberla, Kupffer und Benecke, deren Inhalt ich hier folgen lasse: An reifen Eiern hat A. Müller (l. e.) die Befruchtungser- scheinungen nach künstlicher Befruchtung am frischen Ei unter- sucht und hat dabei folgende Momente verzeichnet. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 627 Zunächst dringt das Wasser in das Ei, welches sich bald abrundet; an dem zugespitzten Ende entsteht ein hellerer Zwischen- raum, indem sich der Dotter von der Eischale zurückzieht. Dieser Zwischenraum ist anfangs schmal und wie wolkig getrübt, klärt sich aber bald und man bemerkt in ihm einen kurzen im der Axe des Eies gelegenen Gylinder, welcher aus der Masse des Dotters durch den hellen Zwischenraum bis ganz nahe zur Eihülle heran- geht, vielleicht auch dieselbe berührt. Anfangs ist der Cylinder dick und kurz, wenn sich aber der Raum vergrössert, so zieht sich der Cylinder in die Länge und nimmt an Dicke ab. Die Masse des Cylinders ist von der des Dotters verschieden, da er keine Dotterkörnehen enthält. Weicht der Dotter noch weiter zurück, so nimmt der Cylinder die Form einer Sanduhr an, um 115 Se- cunden nach der Befruchtung durchzureissen. Das peripher abgerissene Ende bleibt als kleines Tröpfcehen an der Schale haften und löst sich in der umgebenden Flüs- sigkeit bald auf (auf Seite 116 versetzt A. Müller dieses Tröpfehen in die Kategorie jener Körperchen, die jetzt unter dem Namen Richtungskörperchen geläufig sind. Siehe darüber Seite 656 dieser Abhandlung.) Das innere Ende steht mit einer grösse- ren ebenfalls homogenen, von aussen sichtbaren, kugeligen Masse, die oft schon vor seiner Zerreissung oder später sich zeigt, in Verbindung. In diese zieht es sich zurück, verschmilzt mit ihr; diese grössere kugelige Masse erhebt sich nun vom Dotter aus in den hellen Zwischenraum hinein und man sieht sie aufsteigen, wie am Horizont die Mondscheibe aufgeht. Dann senkt sich die Kugel wieder. Nach ihrer Senkung bleibt sie jedoch noch in Sicht in Form eines Zapfens oder Cylinders; auch kann sich ihr oberer Theil nochmals abschnüren, der abgeschnürte Theil geht ebenfalls zu Grunde u. s. w. Sind diese ersten Erscheinungen abgelaufen, so hat das Ei unterdessen die Kugelform angenommen und man kann den Ort, an welchem die Phänomene der Befruch- tung spielten, an der Form nicht mehr erkennen, es bleibt aber an dieser Stelle noch ein Pünktchen dureh die Loupe bemerkbar, welches sich wie eine kleine Lücke im Dotter markirt, die man vier Stunden nach der Befruchtung noch auffinden konnte. Es gelang auch einigemale in einem coagulirten Dotter ein nach innen von dieser Lücke gelegenes Bläschen oder vielmehr Kügelchen herauszuheben; es lag da, wie eine kleine Perle von 0,03 mm 6928 A. A. Böhm: Durchmesser, ohne aufgelegtes Deckgläschen gemessen ; Dotterkerne enthielt es nicht und schien der Masse zu gleichen, welche Cylin- der und Kugel bildet. Eine eigene Membran konnte daran nicht erkannt werden. Nachdem diese Lücke sich geschlossen hatte, war das Kügelehen nicht mehr aufzufinden und „weiss ich daher nicht anzugeben, ob es etwa einen neuen Kern des Eies bildet, mit dessen Theilung der Furchungsprocess beginnen müsste, was mir jedech wahrscheinlich ist“. An diese zum grössten Theile wörtlich wiedergegebenen thatsächlichen Befunde werden Specula- tionen geknüpft und kommt A. Müller zu folgendem Bilde über den Befruchtungsvorgang: „Das Urbläschen verliert seine eigene Wandung kurz vor der Befruchtungszeit und seine Masse, welche frei von Dotterkörnchen ist, liegt wie früher unter der hohlen Fläche des Deckels. Der Cylinder und die kugelige Masse, mit welcher er zusammenhängt, sind die Substanz des Urbläschens, welche von ihrer umhüllenden Membran befreit, durch die Oeff- nung des Deckels in den durchsichtigen Raum, der sich im Ei wohl unter Mitwirkung einer lebendigen Contraction plötzlich bil- det, hineintreten und hier eine Flüssigkeit aufnehmen, welche von den Zoospermen hereindringt. Die Oeffnung des Deckels bleibt noch mehrere Stunden sichtbar und verräth den Sitz des Urkernes, des zukünftigen Stammvaters der zahlreichen Mitglieder des neu zu bildenden Zellenstaates. Bemerkenswerth sind ferner die Aeusserungen A. Müller’s betreffend das Verhalten der Zoosper- mien nach dem Besamen. ‚Sie gehen,“ sagt er, „in die an diesem (spitzen) Ende hängende Flocke ein und man sieht sie ausgestreckt, das stärkere Ende voran, längs der Radien des Eies starr, und regungslos in dem durchsichtigen Gebilde liegen. Der Anblick erinnert an Feilspähne, welche sich um den abgerundeten Pol eines Magneten ordnen. Die mehrsten bleiben in der Flocke stecken, einige dringen in die äussere, auch innere Schicht der Eidecke ein. Aber nie habe ich eine Zoospermie innerhalb des Eies in dem hellen Raume zwischen Schale und Dotter gesehen“. A. Müller hat das Eindringen des Zoosperms zwar nicht gesehen, die äusserlich sichtbaren Vorgänge aber ziemlich richtig beschrieben und über Lage und Ausdehnung des Polplasmas bis zur vierten Stunde nach der Befruchtung, wie wir später sehen werden, wahrscheinlich Kenntniss gehabt, denn die Dimension, die er für das Bläschen angibt (0,08 mm), stimmt mit dem Durch- Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 629 messer der Hauptmasse des Polplasmas, wie aus meinen weiter unten folgenden Mittheilungen hervorgehen wird, durchaus überein. Ich gehe zu den Angaben von Calberla (l. e.) über und sebe seine Darstellung in Kürze wieder: Hat man das Ei in Be- rührung mit verdünnter Samenflüssigkeit gebracht, so beobachtet man, vorausgesetzt, dass die Lage des Eies eine günstige ist, dass ein Samenkörperchen sich der Mikropyle nähert, und wenn diese Vorwärtsbewegung nicht durch einen Zufall, etwa durch eine Was- serströmung, abgelenkt wird, so tritt auch das Spermatozoon mit dem Kopfe voraus in die Mikropyle ein. (Andere Stellen der Ei- haut sind für die Spermatozoen nicht durchgängig.) Berührt nun das Spermatozoon mit der Spitze des Kopfes das Ei und zwar das körnehenfreie Protoplasma desselben, so entfernt sich die Peripherie des Dotters in der Umgebung der Mikropyle sowohl, als wie in einer weiter lateral gelegenen Zone um ein Weniges von der Ei- haut. Während sich der Dotter um die Mikropyle zurückzieht, erscheint das körnchenfreie Protoplasma zu einem breiten Band zwischen der inneren und äusseren Mikropyle!) ausgezogen. In jenem Band sieht man den Kopf und vielleicht ein Mittel- stück des weiter vorgedrungenen Zoosperms, der zugehörige Schwanz bleibt in der äusseren Mikropyle stecken. Da wir den Spermagang bereits als einen zum Eikern, welcher tiefer im Ei gelegen ist, führenden Kanal kennen gelernt haben, so ist der Name Leitband des Spermas für jenes Band gerechtfertigt. Ausser diesem Leitbande bemerkt man, wie mit der weiteren Ent- fernung der Eihaut sich feine Fäden zwischen dem Dotter und der inneren Oberfläche der Eihaut ausspannen. Diese Fädchen sind etwas verdickt an den Insertionsstellen. Die Entfernung der Eihaut vom Dotter geht weiter vor sich, wobei das Leitband zerreisst, um in dasEi eingezogen zu werden. Eine kleine Partie bleibt an der äusseren Mikropyle hängen. Die feinen protoplas- matischen Fäden werden ebenfalls zum grössten Theile eingezogen und die Insertionsstellen an der Eihaut bleiben als Randtropfen stehen. Das ganz oder nur theilweise in den Dotter, in die innere Mikropyle, zurückgetretene Ende des Leitbandes erscheint nun bald an der Eioberfläche wieder als Dottertropfen. Zuerst hängt derselbe durch einen breiten Stiel, später durch einen dünnen 1) Siehe Seite 617 dieser Arbeit. 630 A. A. Böhm: mit dem Dotter zusammen. In seinem Inneren sieht man ein oder zwei Dotterkörnchen. Ist sein Stiel so dünn geworden, dass man glaubt, er müsse reissen, fängt der Dottertropfen an, sich zurückzu- ziehen, um schliesslich ganz, durch die innere Mikropyle wohl, im Spermagange zu verschwinden. Währenddessen weicht die Eihaut von der ganzen Dotterperipherie zurück. Dieser Process beruht nicht auf einer Contraction des Eies, sondern auf dem einfachen Eindringen des Wassers in den Eiraum, für welches die ganze Ei- haut permeabel ist. Soviel über die Vorgänge am lebenden Ei. Calberla hat ausserdem Schnitte durch befruchtete Eier von Petromyzon Planeri untersucht. Er gibt an, dass man an Schnittpräparaten durch Eier, weiche in verschiedenen Phasen des Befruchtungsvorganges gehärtet worden sind, die Eihaut sehr ge- faltet finde (was ich nicht bestätigen kann). An Eiern, die zehn bis zwölf Secunden nach Eintritt des Samens in die äussere Mikro- pyle gehärtet worden sind, sieht man Folgendes: die Randschicht des dotterkörnchenfreien Protoplasmas ist zwischen den Mikropylen (der äusseren und inneren) verdickt, die innere Mikropyle und der Spermagang ist deutlich zu sehen, der Kern ist so blass geworden, dass man ihn nicht deutlich sieht; in ihm findet man manchmal einzelne mit Carmin sich intensiv färbende Körnchen. Das dotter- freie Protoplasma färbt sich dabei rosa, die Dotterelemente selbst erscheinen gelbgrün — Chromsäurefärbung. Schnitte durch Eier, die in dem Moment des Reissens des Leitbandes gehärtet waren, lassen deutlich die innere Mikropyle erkennen, dagegen erscheint der Eikern sehr undeutlich, wie ein zartes Wölkchen im zart roth gefärbten, dotterfreien Protoplasma. Auf manchen Schnitten sah man im Spermagang ein zweites mehr peripher gelegenes Wölkchen, welches dem Spermakern entspre- chen könnte. „Allein sicher konnte ich dieses nicht bestimmen, zumal in manchen Schnittserien nichts von einem zweiten Wölkchen aufzufinden war.“ Eier, die im Moment des Auftretens des Dottertropfens ge- ‚härtet worden sind, zeigten zum Theil den Eikern von derselben Beschaffenheit, wie im vorigen Stadium. Andere Schnitte dessel- ben Stadiums liessen eine schärfere Contourirung des Eikerns wahrnehmen. „Doch waren dies so vereinzelte Beobachtungen, Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 631 dass darauf kein Werth zu legen ist.“ Den Dottertropfen sah man an Schnitten stets deutlich. Verliert der Eikern seine deutlichen Contouren, so gruppiren sich die Dotterelemente um ihn radienförmig. Eier, die im Augen- blicke, als der Dottertropfen sich zurückzog, in die Härtungsflüs- sigkeit gebracht wurden, zeigten an Schnitten einen deutlichen, scharf contourirten Kern, den Furchungskern. Weit weniger correkt, wie die Darstellung von August Müller ist diejenige Calberla’s. Im Voraus will ich bemer- ken, dass die trichterförmige Mikropyle am Pol der Eihaut, die bei seiner Auffassung eine wichtige Rolle spielt, thatsächlich nicht existirt. In mehr als hundert Schnittserien von Eiern habe ich keine Spur derselben gesehen und muss mich auf Grund einer sorgsamen Prüfung der später zu erwähnenden Angabe von Kupffer und Benecke anschliessen, dass eine polare Mikropyle dem Neunauge durchaus abgehe. Ein zweiter Irrthum Calberla’s ist schon im vorigen Ka- pitel berücksichtigt worden. Er schreibt fälschlich dem reifen Ei einen Strang hyalinen Protoplasmas zu, der vom Pol in der Rich- tung der Eiaxe in’s Innere bis zu dem vermeintlichen „Eikern“ (Seite 619) sich erstreckt und damit fällt denn auch die Bedeu- tung, die er diesem Strange zuweist, und den er als Spermagang resp. dessen Ende an der Oberfläche als innere Mikropyle be- zeichnet. Ich gab nichtdestoweniger einen ausführlichen Auszug aus seiner Schrift, um mindestens darzuthun, in welehen Punkten sämmt- liche Beobachtungen übereinstimmen. Besonders muss ich hervorheben, dass seine Methode der Abtödtung und Härtung durchaus keine Gewähr der Sicherheit bie- tet, dass die Wirkung rasch eingetreten sei, denn er behandelte die Eier entweder 10 Stunden mit 1%,iger Chromsäurelösung, in der sie noch recht lange fortleben und Veränderungen erfahren können, oder !/, bis eine Minute in einer 1/,0/,igen Osmiumsäure- Lösung, in welcher Concentration sie kaum in so kurzer Zeit ge- tödtet werden. Calberla’s Zeitangaben über einzelne an Schnitten verfolgte Phasen haben darum gar keinen Werth. Die letzte Abhandlung, die speciell über die Befruchtung des Neunaugeneies handelt, ist die von Kupffer und Benecke (l. c.), der wir Folgendes entnehmen: 632 A. A. Böhm: Für die Befruchtung kommen nur diejenigen Spermatozoen in Betracht, die sich in den Bereich der Flocke begeben. Die Schleim- hülle bietet den Spermatozoen gegenüber ein undurchdringliches Hinderniss. Die in die Flocke gelangenden Spermatozoen bewe- gen sich darin stetig und ruhig und nähern sich dem Uhrglase; diejenigen, die die Oberfläche des Uhrglases erreicht haben, stellen sich radiär zu demselben. Sobald die Zoospermien über- haupt in die Flocke gelangen und sich radiär zum Uhrglase zu ordnen anfangen, beginnt eine Zurückziehung des Dotters von der Eihaut in einer Ringzone entsprechend der Peripherie des Uhr- glases. „Diese Retraction erstreckt sich von da über die ganze Region des Uhrglases, resp. des hyalinen Protoplasmas‘“, und dabei zieht sich das letztere, wie Müller und Calberla bereits an- gaben, in helle Fäden aus, während in der Richtung der Eiaxe ein hyaliner stärkerer Strang sich zeigt; dieser Axenstrang des Protoplasmas bildet sich jedoch nicht in allen Fällen. Das Spermatozoon, das bevorzugte (penetrirende), welches in das Ei am activen Pole, überwiegend oft in der Einzahl, durch das Uhrglas an einer beliebigen Stelle desselben eindringt, braucht nicht den Axenstrang zu passiren. Also ist der Name Leitband des Spermas (Calberla) durchaus zu verwerfen; denn das Zoo- sperm kann ebensogut durch den Eiraum selbst, oder entlang eines der hellen Fäden gleitend, in das Ei am activen Pol gelangen. Unter fünfzig beobachteten Fällen des Eindringens des Spermato- zoons in das Ei (Petromyzon fluviatilis) lag die Perforationsstelle im Scheitelpunkte des Uhrglases nur sechsmal, d.h. nur sechsmal unter fünfzig Fällen wurde der Axenstrang als Weg für das pene- trirende Spermatozoon in das Ei benutzt. Das eben Gesagte gilt auch für die Eier von Petromyzon Planeri. In der Mehrzahl der Fälle tritt nur ein einziges Zoosperm in das Ei. Die übrigen Zoospermien in der Flocke arbeiten sich in den uhrglasförmigen Abschnitt der Eihaut hinein, passiren jedoch die Eihaut nicht. Während sie bohrend in der Eihaut vor- rücken, sieht man am Kopfe derselben amöboide wellige Bewe- gungen auftreten. Die Spitzen derjenigen gehemmten Sperma- tozoen, die bis an den Eiraum gelangen, schwellen zu klaren Bläs- chen an, die ein oder ein paar dunklere Punkte enthalten. Eine präformirte Mikropyle für das penetrirende Zoosperm wurde nicht beobachtet, wohl aber eine ausgezeichnete Stelle im Uhrglase am Ueber Reifung und Befruchtung des Kies von Petromyzon Planeri. 633 Ort des eingedrungenen Zoosperms, als eine linsenförmige Vacuole zwischen der inneren und äusseren Schicht der Eihaut. Während der Retraction des Dotters am animalen Pole nimmt der Axenstrang (der übrigens unter zehnmal ein- bis zwei- mal zu fehlen pflegt) eine Sanduhrform an und die hellen proto- plasmatischen Fädchen (Dehnungsfäden) beginnen durchzureissen. Am Anfang der zweiten Minute nach dem Besamen reisst auch der Axenstrang durch und es kann entweder eine kleine Portion desselben am Pol der Eihaut haften bleiben, oder die Ablösung erfolgt ganz glatt; die Hauptmasse zieht sich in den Dotter zurück ; so entsteht ein freier Raum am activen Pol zwischen der Eihaut und der glatt gewordenen Dotterfläche. Man kann nun regelmässig einen Körper wahrnehmen, der aus einem Kern und einer gerin- sen Portion umgebender grobkörniger Masse besteht; der Körper befindet sich nie am Scheitel des Uhrglases, sondern in einiger Entfernung von diesem Punkte, „man darf annehmen, dass sich der Richtungskörper von dem hellen Protoplasma ge- trennt hat.“ „Die Lage des Richtungskörperchens fällt nie mit der Stelle zusammen, wo das penetrirende Zoosperm eindringt; wird dieses exentrisch angetroffen, so ist der Richtungskörper auf der entgegengesetzten Seite hin zu suchen.“ Im Beginn der dritten Minute etwa, an der Stelle, wo das centrale Ende des Axenstranges verschwunden ist, erhebt sich eine klare Protoplasmamasse. Zuerst halb kugelig, streckt sie sich in Form eines Cylinders durch den freien Eiraum und er- reicht stets mit dem freien Ende die innere Oberfläche der Ei- haut entweder am Scheitelpunkt des Uhrglases oder in dessen Nähe. Diese Berührung ist entweder eine flüchtige oder es streift das freie Ende an der inneren Fläche des Uhrglases eine Strecke weit hin, es leckt die Fläche ab, wie man sagen könnte. Die hellen Blasen, die an der Innenfläche des Uhrglases oder im Ei- raum selbst sich vorfinden, bleiben am Zapfen haften, gelangen in Folge der amöboiden Bewegungen desselben in sein Inneres und lösen sich dort momentan auf. Befinden sich im Eiraum, was selten der Fall ist, nur wenig veränderte Spermaköpfe (1 bis 2), so werden sie auch in den Zapfen aufgenommen. Der Zapfen zieht sich unter vielfachen Veränderungen der Umrisse in den Dotter zurück. Die eben erwähnten hellen Bläschen, die an der Innenfläche der 634 A. A. Böhm: Eihaut haften und die in den Zapfen zum Theil gelangen, sind die „Randtropfen“ Calberla’s. Alle diese Randtropfen wollte Calberla auf Residuen der Dehnungsfäden zurückführen. Er hat hierin zum Theil Recht, zu einem anderen aber nicht; denn jedenfalls besteht, wie oben an- gegeben wurde, ein grosser Theil der erwähnten Bläschen aus Spermasubstanz.. Man kann also mit Sicherheit den Satz auf- stellen, dass dem Zapfen eine active, ergänzende Rolle bei der Befruchtung zukomme (Nachbefruchtung). „Bevor der Zapfen auf seinem Rückzug in den Dotter ver- schwindet, sieht man während der lebhaften Bewegungen, die der- selbe ausführt, innerhalb seiner vorher ganz klaren Masse einen kugeligen granulirten Körper entstehen, der schliesslich, wenn der Zapfen wieder im Dotter versinkt, aus demselben ausgestossen wird.“ Es ist das zweite Richtungskörperchen. Der letzte, den ich zu erwähnen habe, ist Ph. Owsianni- koff!). Er bestätigt im Ganzen und Einzelnen die Darstellung, die Kupffer und Benecke von dem in Rede stehenden Vorgange gegeben haben. Insbesondere hebt auch er hervor, dass von den sehemmten Zoospermien Partikel in den Eiraum gelangen und dass das penetrirende Zoosperm keineswegs längs des Axenstranges seinen Weg nehme, wie Calberla angab, sondern auch an die mehr peri- pheren dünnen Dehnungsfäden sich anschliessen könne. Nur in Bezug auf das erste Richtungskörperchen zögert Owsiannikoff mit der Zustimmung aus Gründen, die so eigen- thümlich sind, dass ich sie wörtlich wiedergebe. „Ich habe diesen Körper fast in jedem Präparate angetroffen. Doch schien es mir, dass er sich nicht vom Kern, sondern vom Dotter abgetrennt hat. Seine Lage ist constant. Den Charakter eines Richtungskörpers scheint er nicht zu besitzen.“ 2. Eigene Untersuchungen. Das von mir benutzte Material verdanke ich der zoologischen Station in Neapel. Die künstlich besamten Eier von Petromyzon Planeri wurden durch Herrn Salvatore lo Bianco nach meinen Angaben behandelt, indem sie in Flemming’scher Flüssigkeit mit etwas grösserem Gehalt an Ueberosmiumsäure fixirt wurden. 1) Studien über das Ei, hauptsächlich bei Knochenfischen. Memoires de l’acad. imp. des sciences de St. Petersbourg. 7. Serie. T. 33. Nr. 4, 1885. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 635 Die Zeitabstände, in denen, vom Momente der Besamung an, die einzelnen Portionen der Abtödtung und Fixation unterlagen, er- geben sich weiterhin aus dem Texte. Nach einer halben Stunde wurden die mit destillirtem Wasser gewaschenen Eier successive in 30, 70%,igen Spiritus auf je drei Stunden übertragen, um in 90°/,igem Spiritus conservirt zu wer- den. Die Eier wurden einzeln in Paraffin eingebettet, mit einem Jung’schen Mierotom geschnitten; die auf dem Objektträger mit Eiweiss befestigten Schnitte färbte ich mit Safranin. Nicht ganz so günstige Präparate lieferten die vor dem Schneiden in toto mit Borax-Carmin gefärbten Eier. Die fixirten Schnitte wur- den definitiv in Xylol-Canadabalsam eingeschlossen; in schwieri- geren Fällen ist jedoch das Ansehen der Präparate in anderen Medien — Wasser, Glycerin — nicht unterlassen worden. Es ist aus der vorangestellten Literatur über Reifung und Befruchtung des Neunaugeneies bekannt geworden, dass man an den frisch abgelegten und noch nicht besamten Eiern eine hyaline protoplasmatische Masse wahrnimmt, in der sich während der Be- fruchtung mannigfache Vorgänge abspielen; diese hyaline proto- plasmatische Masse habe ich als am animalen Pole flach ausge- breitete Substanz des Keimbläschens kennen gelernt und habe die- selbe mit dem Namen Polplasma belegt. Die jüngsten von mir untersuchten Eier, die unmittelbar nach dem Besamen fixirt waren, zeigten an den Schnitten bereits ein Stadium, das Kupffer und Benecke (l. ec.) am lebenden Eie etwa drei Minuten nach dem Besamen beobachteten, nämlich das Stadium des sich als Axenstrang zurückziehenden Polplasmas. Diese geringe Zeitdifferenz erklärt sich wohl durch die verschie- dene Manipulation bei der künstlichen Befruchtung und wohl auch durch die nicht momentane Einwirkung der härtenden Flüssigkeit. Das Polplasma, wie es sich an meinen Schnitten dieses Sta- diums (Fig. 7a) zeigt, hat zum Theil die Form eines dicken Stranges, der sich ausserhalb des Niveaus des Eies befindet, — zum Theil einer dicken Scheibe, die unterhalb des Niveaus des Eies liegt und in das Ei selbst gegen den Dotter hineinreicht. Abgesehen von dieser Form, die das vorher flach ausgebreitete Polplasma an- genommen hat, zeigt dieses Stadium noch weitere Unterschiede gegenüber dem reifen unbesamten Eie. Es sind nämlich zwei Membranen aufgetreten, die vorher durchaus fehlten. Die eine, 636 A. A. Böhm: dünnere Membran überzieht die Polgegend des Eies bis an den Axenstrang: es ist die Membrane vitelline interne (seconde mem- brane vitelline) Fol’s!), — die Dottermembran deutscher Autoren). Die andere ist dicker und verläuft wellig und grenzt das Polplasma segen den Dotter ab; ihr Rand stösst an der Oberfläche des Eies gegen die Erstere, und sie scheint in dieselbe unmittelbar überzu- gehen. Der an meinen Schnitten fixirte, die Oberfläche des Eies überragende Theil des Polplasmas enthält gleichmässig vertheilte Granula, die tiefere Partie ist viel feinkörniger und führt nicht selten einzelne Dotterkörper. In dieser tieferen Portion fand ich an drei Schnittserien (unter zwanzig darauf untersuchten) ein kern- artiges, homogen aussehendes Gebilde (Fig. 8). Es war in allen drei Fällen schwach gefärbt. Seine Lage, bezogen auf die Ober- fläche und die Axe, war nicht constant. Ausser diesem kernartigen Gebilde ist in derselben Region des Polplasmas, oberhalb der welligen Membran, ein leicht gekrümmtes, homogenes, sich sehr intensiv färbendes Stäbehen vorhanden (Fig. 9a und b); ich fand es an vier Serien. Das Stäbchen ist der Kopf des einge- drungenen Zoosperms. Es erscheint mir beachtenswerth, dass der Kopf des Zoosperms unmittelbar nach dem Eindringen in der Regel gekrümmt erscheint, während später dasselbe Gebilde sich gestreckter zeigt. An zwei Serien unter zwanzig traf ich im Eiraum das be- reits von Kupffer und Benecke gesehene erste Richtungskör- perchen (Fig. 10 und 11). Es ist membranlos, worauf ich beson- ders hinweise. Viel Mühe hat es mich gekostet, auf die Spur des Entstehei® dieses ersten Richtungskörperchens zu kommen. Ich habe zuerst irriger Weise die Bildung desselben in die Zeit des Verweilens in der Bauchhöhle verlegt, jedoch an fünfzig, dem lebenden Thiere aus der Bauehhöhle entnommenen Eiern weder das Richtungskörperchen, noch eine Andeutung seiner Bildung an- getroffen. Es scheint mir also sicher zu sein, dass sich dasselbe erst nach dem Contacte des Eies mit dem Wasser, und zwar un- mittelbar darauf, bilde. Als Beweis dafür kann die Figur 10 1) Recherches sur la fecondation et le commencement de l’henogönie chez divers animaux. 1879. 2) Siehe z. B. OÖ. Hertwig: Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen etc. 1. Abth. p. 34. Ueber Reifung und Befruchtung des Kies von Petromyzon Planeri. 637 dienen, an welcher man rechts einen kermartigen Körper in einem kleinen conischen Hügel des Polplasmas gelegen sieht und in un- mittelbarer Nähe davon das Richtungskörperchen. Es macht durch- aus den Eindruck, als ob das letztere sich in diesem Falle eben abgeschnürt hätte; dann wäre das kernartige Gebilde der eben entstehende provisorische Eikern unmittelbar nach der Bildung des ersten Richtungskörperchens. Diesen von mir als provisorischer Eikern bezeichneter, in dem oberflächlichen Hügel gelegenen Körper, halte ich nach seinem Aussehen, nach seiner Tinktion und in Er- mangelung jeder anderen Deutung für identisch mit dem vorher schon erwähnten kernartigen Körper der Fig. 8. Die Fig. 10 würde ein früheres, Fig. 3 ein späteres Stadium darstellen, indem in letzterem Falle der provisorische Eikern bereits tiefer gelagert sich zeigte. Im Innern des Dotters der Eier dieses Stadiums finde ich (Fig. 12) constant einen, aber nicht immer an derselben Stelle ge- legenen, annähernd kugeligen Raum, der durch den Mangel grober Dotterelemente ausgezeichnet ist und an die bekannte Baer’sche Höhle bei den Batrachiern erinnert. Der Raum entspricht in seiner Ausdehnung einem kugelig gedachten Keimbläschen; ich habe aber eine von diesem Raum gegen die Oberfläche ausgehende Strasse nicht wahrgenommen. Da ich später diesen Raum nicht mehr an- traf, so ist derselbe vielleicht dem Gebilde gleich zu achten, welches C. F. Sarasin!) bei Eidechsen beschrieben und mit dem Namen „Dotterherd“ belegt hat. Fünf Minuten nach dem Besamen. Während dieser fünf Minuten hat sich nicht allein in der Polgegend durch Zurückziehen des Eies ein freier Eiraum gebildet, sondern es ist auch schon das Polplasma als Zapfen von Neuem hervorgetreten und hat sich bis zur Innenfläche der Eihaut ge- streckt. Diesem Zeitpunkt entsprechen die Eier, deren Verhält- nisse ich nunmehr beschreibe. Fig. 13a zeigt diesen Zapfen im Längsschnitt; seine unregelmässigen Contouren sind auf die momen- tane Abtödtung der in reger amöboider Bewegung durch die er- härtende Flüssigkeit überraschten Gebilde zurückzuführen. Die 1) Reifung und Furchung des Reptilieneies. Arbeiten aus dem zool,- zootom. Institut zu Würzburg. Bd. VI. 638 A. A. Böhm: Substanz des Zapfens ist stärker gefärbt, als es vorher die Sub- stanz des Polplasmas war, und ist die stärkere Färbbarkeit höchst wahrscheinlich auf die darin aufgelösten Spermatheile zurückzu- führen (siehe S. 633). Ausser diesem Zapfen besteht das Pol- plasma hier noch aus einer mit dem Zapfen zusammenhängen- den, in den Dotter eingebetteten, sphärisch abgerundeten Portion Fig. 13a, diese letztere ist in ihrer ganzen Ausdehnung gegen den Dotter von der inzwischen dicker gewordenen welligen Membran begrenzt; an der freien Oberfläche ist das Plasma bis an die Basis des Zapfens von der Dottermembran überzogen. Zwei Gebilde finden sich constant innerhalb der sphärischen Masse — und zwar der unverändert gebliebene, schwach gefärbte provisorische Eikern vor der Bildung des zweiten Richtungskörperchens und ein stark gefärbter Spermakopf. Dieser liegt stets (Fig. 13a und b) im Pol- plasma excentrisch, ziemlich in der Nähe der welligen Membran, hat sich fast geradlinig gestreckt; stets bildet die Axe des Sperma- kopfes mit der Eiaxe einen gegen die Oberfläche des Eies gerich- teten, spitzen Winkel von ca. 45%. Sein Aussehen ist.noch immer homogen. In der Verlängerung desselben traf ich einmal ein kurzes, feines ungefärbtes Fädchen an (Fig. 14), welches — ohne Zweifel — den noch nicht aufgelösten Schwanz des Zoosperms darstellt. Zehn Minuten nach der Besamung. Dieses Stadium ist wichtig, da sich während dessen das zweite Richtungskörperchen und damit auch der definitive Vorkern bildet. Auch diesen Vorgang habe ich nicht vollständig beobachten können. Was ich sah, ist in den vier Figuren 15, 16a, 16b und 17 zum Ausdruck gebracht. Fig. 15 zeigt das vom Polplasma aus- gehende, in Abschnürung begriffene zweite Richtungskörperchen. Eine über die Oberfläche des Eies hervorragende knopfförmige Masse stellt den Zusammenhang mit der Hauptportion des Pol- plasmas dar. Der verbindende Hals zeigte dicht gestellte Fäden, die nach beiden Seiten hin, sowohl in dem Knopf, wie gegen das Polplasma zu — etwas divergirten. An der Basis dieser Promi- nenz lag ein sich schwach färbender homogener Körper und dieser war von einem noch schwächer gefärbten Hof umgeben. An einer zweiten Serie (Fig. 16a) sah ich in einem Schnitte Ueber Reifung und Befruchtung des Kies von Petromyzon Planeri. 639 den eben abgeschnürten zweiten Richtungskörper bereits der Ober- fläche des Polplasmas aufgelagert. Derselbe enthielt einen fast central gelegenen, deutlichen, tingirten Kern; der nächste Schnitt derselben Serie (Fig. 165) enthielt an der Oberfläche einen coni- schen Hügel, der sehr wohl als die Abschnürungsstelle der hart daneben gelagerten Richtungskörperchen angesehen werden konnte. An der Basis dieses Hügels lag ein kleiner sphärischer, schwach gefärbter Kern, ohne Zweifel der definitive weibliche Vorkern. Eine dritte Serie (Fig. 17) zeigte im Raum zwischen Eihaut und Polplasma neben einander gelegen beide Richtungskörperchen und unmittelbar darunter den schwach gefärbten kleinen Eikern, inner- halb einer kleinen Prominenz der Oberfläche. Die beiden Rich- tungskörper unterscheiden sich deutlich von einander, der eine ist membranlos und enthält einen sehr chromatinarmen, wie eine Va- cuole aussehenden kernartigen Körper, der andere weist eine Mem- bran auf und ist mit einem schwach gefärbten Kern versehen, welcher dem Eikern sehr ähnlich sieht. Den membranlosen Körper halte ich für den ersten, den mem- branhaltigen für den zweiten Richtungskörper; denn diese Differenz bringe ich damit in Beziehung, dass sich der erste Richtungskörper vor der Besamung bildet, also bevor die Dottermembran aufge- treten ist, während der zweite nach dem Erscheinen jener Mem- bran sich abschnürt, seine Zellmembran also als von der Dotter- membran stammend anzusehen wäre. Die Lage und das Aussehen des Spermakopfes (Fig. 18) sind noch unverändert geblieben. Fünfzehn Minuten nach der Besamung. Das Polplasma erscheint ziemlich unverändert wie im vorigen Stadium. Es stellt eine in sich geschlossene, von der welligen Membran umgrenzte, die Oberfläche erreichende dotterfreie Masse dar von annähernd rundlicher Form; an der freien Oberfläche ist es von der Dottermembran bekleidet. Spermakopf und weiblicher Vorkern wurden angetroffen; der erstere häufiger, der letztere oder vielmehr das, was ich in diesem Stadium dafür halte, zweimal unter zehn darauf untersuchten Serien. Es war eine schwach gefärbte, hart an der Oberfläche gelegene und über diese etwas vorragende Substanz von nicht scharfer Begrenzung, mit dem eben entstande- nen, auch oberflächlich gelegenen Vorkerne verglichen, der in 640 A. A. Böhm: Fig. 17 unter den beiden Richtungskörperchen gezeichnet ist, er- scheint jetzt, fünf Minuten später, dieser weibliche Vorkern dif- fuser, als wenn sich das ohnehin spärliche Chromatin in grösserer Ausdehnung vertheilt hätte. Nicht desto weniger muss ich diese Stelle (Fig. 19 und 20) als zum weiblichen Vorkern in Beziehung stehend ansehen, weil ich trotz zehn Serien und beim sorgsamsten Nachsuchen sonst nichts gefunden habe, was sich irgend auf dieses Gebilde hätte beziehen lassen. Viel bestimmter und klarer zeigen sich die Verhältnisse am Spermakopf. Derselbe erschien in zwei Serien als ein gerades eylindrisches Stäbchen, nach Lage und Richtung unverändert wie im vorigen Stadium, d. h. excentrisch im Polplasma und zu der Richtung der Eiaxe im spitzen Winkel geneigt. Bei der Unter- suchung mit Zeiss homogener Immersion 1/,; und besster Beleuch- tung konnte man konstatiren, dass die Substanz des Kopfes nicht mehr so homogen war, wie früher: es sah so aus, als wenn sich die Substanz desselben zu einer Gliederung anschickte. In nächster Beziehung zum Spermakopf zeigt sich dann eine Erscheinung, nämlich das hier zum erstenmale deutlich auftretende Bild einer Strahlung, und aus der Bestimmtheit dieses Bildes in diesem uud in späteren Stadien darf ich mit Sicherheit schliessen, dass in den vorausgehenden Stadien nichts ähnliches vorhanden - war. Die Strahlung (Aster) umgibt das eine Ende des Sperma- kopfes und zwar das von der Eiaxe entferntere, der welligen Mem- bran zugekehrte (Fig. 19 und 21). Dabei ist aber ausdrücklich hervorzuheben, dass das Centrum der Strahlung nicht mit dem Ende des Spermakopfes zusammenfällt, - sondern davon um eine Distanz abgerückt ist, die ein wenig mehr beträgt, als die Breite des Spermakopfes. Im Centrum der Strahlung liegt ein kleines, kugeliges, unge- färbtes klares Körperchen, wie die an Kernspindeln beschriebenen Polkörperchen. Der Spermakopf ragt in den Bereich der Strah- lung hinein, so dass das Centralkörperchen neben seinem Ende zu liegen kommt. Bei diesem Hineinragen unterbricht der Spermakopf diejenigen Strahlen, die ihn (verlängert gedacht) schneiden würden. Dreissig Minuten nach der Besamung. Hier fanden sich folgende Verhältnisse vor. Das Polplasma (Fig. 22a) nahm noch immer einen Theil der Oberfläche des Eies Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 641 in der Polgegend ein. Seine innere von der welligen Membran gebildete Begrenzung gegen den Dotter des Bies wird aber un- regelmässiger. Die wellige Membran selbst ist noch dicker ge- worden; innerhalb des Polplasmas liegen der weibliche Vorkern und der nunmehr stark veränderte Spermakopf (Fig. 22a und b), ersterer in der Axe des Eies 0,0l2mm von der Oberfläche ent- fernt; er macht den Eindruck eines nackten, membranlosen Kernes, an dem man bei näherer Untersuchung wahrnimmt, dass er so- wohl im Innern, wie an der Peripherie eine stärkere Färbbarkeit zeigt als vorher. Eine scharf contourirte Kernmembran ist nicht vorhanden. Der Spermakopf hat seine Lage zur Oberfläche des Eies und zur Eiaxe bewahrt, von ersterer steht er nahezu eben so weit, wie der weibliche Vorkern ab und mit der Eiaxe bildet er nach wie vor einen Winkel von ungefähr 45°. Diese Constanz der Lage, nahezu eine Viertelstunde lang, ist sehr auffallend. Be- achtenswerth ist ferner die Umwandlung, die der Spermakopf er- fahren hat. Der homogene Stab hat sich in eine Reihe von Kügel- chen zerlegt, die, wie der Stab es war, lebhaft gefärbt sind. Ich habe diese kugeligen Theilstücke des Kopfes bereits in meiner früheren Mittheilung als Spermatomeriten bezeichnet!). Sie pflegen nicht gleich gross zu sein, sondern sind in abnehmender Grösse aneinander gereiht (Fig. 23a, b, ce). Der grösste liegt an dem Ende der Reihe, das von der Eiaxe abgewandt ist, das kleinste am entgegengesetzten Ende. In der Regel enthielt die Reihe in diesem Stadium vier Spermatomeriten; wenn ein fünfter sich fand, so war die Reihenordnung etwas gestört: der fünfte lag dann ausserhalb der Reihe (Fig. 23d). Diese Erscheinung fand sich constant und da die Eier dieser Portion durchaus in derselben Weise behandelt waren, ja da die Lage der Meritenreihe innerhalb des Polplasma unverändert dieselbe geblieben war, wie die des vorher homogenen Kopfes, so ist an ein Kunstprodukt in Folge der Härtung schon an und für sich kaum zu denken, und eine solche Annahme wird ganz ausgeschlossen, wenn man die späteren Stadien kennen lerüt. Die Reihe der Spermatomeriten wird, wie der Spermakopf im vorhergehenden Stadium, von einer Strahlung umgeben, aber daran ist auch eine Veränderung vor sich gegangen 1) Ueber die Befruchtung des Neunauges. Sitzb. d. Bayer. Acad. der Wissensch. math.-phys. Classe v. 8. Febr. 1857. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32, 41 642 A. A. Böhm: (Fig. 22b): das kleine Centralkörperchen der Strahlung, das vor- her erwähnt wurde, ist verschwunden; an seiner Stelle wird das Centrum der Strahlung von einem hellen elliptischen Hofe gebildet, der die Meritenreihe ganz umgibt, doch so, dass sie nicht in der Axe des ellipsoidischen Feldes gelagert ist, sondern der grösseren Axe desselben parallel liegt; das centrale Feld wird selbst von keinem Strahl durchsetzt; die Strahlen sind symmetrisch zur grössten Axe des Feldes gerichtet. Fünfundvierzig Minuten nach der Besamung. Eine Viertelstunde später, also drei Viertelstunden nach der Besamung (Fig. 24) treffen wir Verhältnisse an, die fast identisch mit denen des zuletzt beschriebenen Stadiums sind; die Lage und das Aussehen des weiblichen Vorkerns sind unverändert geblieben. Die Lage und Stellung der Spermatomeriten ist ebenfalls unver- ändert geblieben. Die Zahl derselben schien mir überwiegend oft fünf zu sein. Um diese Meritenreihe finde ich auch hier einen ellipsoidischen Hof, aber die Axe der Meritenreihe fällt mit der grössten Axe des Ellipsoids zusammen, so dass hier der schön ausgeprägte Aster symmetrisch zu den gemeinsamen Axen des Spermakopfes und des Ellipsoids angeordnet sich zeigt. Auch hier wird die Substanz des Hofes von keinem Strahl durchsetzt, und berühren also die Strahlen die Spermatomeriten nicht. Eine Stunde nach der Besamung. Das Stadium dieses Zeitpunktes zeigt sehr wichtige Verhält- nisse. Das Polplasma (Fig. 25a), innerhalb welchem sich der Be- fruchtungsakt vollzieht, beginnt sich von der Eioberfläche zu ent- fernen, mit welcher es durch einen Strang derselben dotterfreien Substanz verbunden bleibt. Die das Plasma umgebende wellige Membran bildet nun eine Art Sack. In der Mitte des Polplasmas, also zugleich innerhalb der Eiaxe, finden wir zunächst einen schönen Kern; an demselben gewahren wir eine deutliehe Membran, chro- matische Netze und Nucleolen (Fig. 25b); es ist der weibliche Vorkern von elliptischer Gestalt, die Längsaxe der Ellipse senk- recht auf die Eiaxe gestellt; in der Fortsetzung dieser Längsaxe des elliptischen weiblichen Vorkerns treffen wir auf die Reihe der Spermatomeriten. Diese Reihe hat nun ihre Lage geändert, denn Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 643 während sie vorher in einem spitzen Winkel zur Eiaxe gerichtet war, steht sie jetzt senkrecht auf derselben, und zwar in einer Geraden mit der Längsaxe des weiblichen Vorkerns. Aber bei dieser Lageveränderung der Meritenreihe hat eine bedeutende Drehung derselben stattgefunden, so zwar, dass das vorher von der Eiaxe entferntere Ende der Reihe jetzt der Eiaxe und dem weiblichen Vorkerne näher liegt, was man daran erkennt, dass die an Grösse abnehmenden Meriten jetzt in umgekehrter Ordnung sich gelagert zeigen als vorher, indem nunmehr der grösste Merit der Eiaxe zunächst liegt. Die Färbbarkeit der Meriten nimmt jetzt vom grössten zum kleinsten hin ab. Sehr auffällig sind auch die Verhältnisse an der Strahlung, ein deutlicher Aster umgibt die Meritenreihe, die Strahlen verschwinden aber an einem grösseren feinkörnigen Felde, in dessen Centrum die Reihe gelegen ist. Be- sonders muss aber hervorgehoben werden, dass der Aster an der dem weiblichen Vorkerne zugekehrten Seite eine Lücke zeigt; hier findet sich eine strahlenfreie Substanz in Form eines spitzwinke- ligen Dreieckes, an dessen Basis der weibliche Vorkern liegt, wäh- rend die Spitze den grössten Merit der Reihe erreicht. Die Reihe bestand in diesem Stadium stets aus fünf Meriten. Hier muss ich noch eines Bildes erwähnen, das mir an einer Schnittserie aufstiess und gleichfalls von einem Ei eine Stunde nach der Besamung herrührte, aber offenbar schon den Uebergang zu einem späteren Stadium des Befruchtungsprocesses darstellte: Fig. 26. Die Spermatomeriten und der weibliche Vorkern haben sich einander genähert, die Reihenordnung der Ersteren ist ver- schwunden; die fünf Meriten erscheinen in einer gedrängten Gruppe zusammengelagert; die helle Substanz, die als spitzer Winkel in den Aster einschnitt, ist auch hier noch vorhanden, aber der Win- kel hat sich abgeflacht, indem die an seiner Spitze gelegene Me- ritengruppe sich dem an der Basis gelegenen weiblichen Vorkern genähert hat; die Strahlung ist nach wie vor zu sehen, aber die Meritengruppe ist aus dem Centrum derselben hinausgerückt, und das Centrum wird jetzt von einer feingranulirten Substanz einge- nommen. Die Färbung der Meriten hat noch mehr abgenommen. Anderthalb Stunden nach der Besamung. Das Polplasma hat die Bewegung, die es schon im vorigen Stadium einleitete, fortgesetzt, und sich von der Oberfläche des 644 A. A. Böhm: Eies noch etwas weiter entfernt (Fig. 28), bleibt aber durch einen Stiel, der sich an der Oberfläche conisch verbreitert in Verbindung mit dem Pol!). Der Abstand des Centrums der Masse vom Pol beträgt etwa 0,lmm. In der Mitte findet sich nunmehr ein Ge- bilde, das wesentlich von dem Befunde im vorhergehenden Stadium abweicht. Der weibliche Vorkern, wie er vorher sich zeigte, ist verschwunden. Es liegt eine aus grösseren und kleineren Kugeln combinirte Gruppe vor, von der einseitig eine Strahlung ausgeht, nach dieser Seite hin wird die Gruppe von fünf grösseren Kugeln gebildet, die schwächer gefärbt sind. Ich traf nicht alle (Fig. 28b und ce) fünf in der Ebene eines Schnittes, sondern in zwei aufein- ander folgenden, kann aber die Zahl mit Bestimmtheit vertreten. Die andere Seite der Gruppe (Fig. 23b), der die Strahlung fehlt, setzt sich aus etwa zwanzig kleineren, stärker gefärbten Kugeln zusammen, die den grösseren angelagert sind. Die in der Fünf- zahl vorhandenen grösseren Kugeln, die in nächster Beziehung zu den Strahlen stehen, können mit Sicherheit als Spermatomeriten bezeichnet werden; denn wir haben ja schon ein Uebergangssta- dium kennen gelernt, wo diese die Reihenordnung aufgegeben haben und aus dem Centrum des Aster hervor sich dem weiblichen Vorkern genähert hatten. Ist diese Annahme gerechtfertigt und ich glaube, dass Niemand derselben Zweifel entgegenstellen wird, so liegt die andere Annahme nahe, dass die kleineren Kugeln, die die entgegengesetzte Seite der Gruppe einnehmen, aus einer Zer- klüftung des weiblichen Vorkerns hervorgegangen sind. Sie mögen daher als Ovomeriten bezeichnet werden. Andeutungen einer beginnenden Zerklüftung des weiblichen Vorkerns habe ich bereits im Vorstadium gesehen (Fig. 27), indem ich einen Vorkern traf, der feine Einkerbungen an seiner Peripherie aufwies. Die klei- neren Ovomeriten sind lebhaft gefärbt; die grösseren Spermatome- riten sind viel blasser und auch das harmonirt mit den voraus- gehenden Beobachtungen, denn wir sahen den weiblichen Vorkern bisher stetig an Färbbarkeit zunehmen, während die Spermatome- riten Einbusse an Chromatin erlitten. 1) Die Lücke und die Kugel, die A. Müller (s. Seite 627 dieser Arbeit) eitirt, sind höchst wahrscheinlich: „die Lücke“ die conische Verbreiterung des Stieles an der Eioberfläche und das „Kügelchen“ die Hauptmasse des Polplasmas, welche in der Tiefe des Eies gelegen ist. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 645 Die ganze Meritengruppe will ich mit der Bezeichnung ‚,pro- visorischer Furchungskern“ belegen. Zwei Stunden nach der Besamung ist das Polplasma noch tiefer gerückt. Der Verbindungsstrang (Fig. 29) mit der Eioberfläche fällt nicht mehr mit der Axe des Eies zusammen und mündet in die Hauptmasse des Polplasmas seitwärts ein. Der provisorische Furchungskern ist im Ganzen länger geworden und steht seine Längsaxe ziemlich senkrecht auf der Eiaxe. Auch in diesem Stadium besteht er aus zwei dicht aneinander liegenden Gruppen, die etwa aus zwölf grösseren und sechzig kleineren Kugeln sich zusammensetzen, im Uebrigen die- selben Charaktere wie die Meriten des vorhergehenden Stadiums beibehalten haben und ohne Weiteres als Spermato- und Ovome- riten erkannt werden können. Auch in diesem Falle findet sich die Strahlung einseitig — auf der Seite der Spermatomeriten, und hat eine eigene granulirte Masse als Centrum, die die Spermato- meritengruppe tangirt — (Fig 29a). Den ganzen provisorischen Furchungskern fand ich nicht auf einem Schnitt, sondern der eine enthielt in der Hauptmasse Spermatomeriten (Fig. 29a), der andere Övomeriten (Fig. 29b), und habe ich daher die beiden Portionen, wie ich sie fand, in zwei Abbildungen wiedergegeben (Fig. 29a und b). Drei Stunden nach der Besamung. Das Polplasma ist weiter centralwärts gerückt (Fig. 30); die Mitte desselben steht etwa !/, mm vom Pol ab. Der seitwärts ein- mündende Verbindungsstrang zwischen Plasma und Pol ist dünn geworden, die wellige Membran, die bisher dieses Plasma sack- artig umgab und sich auf den Verbindungsstrang fortsetzte, ist verschwunden oder im Schwinden begriffen. Der provisorische Furchungskern liegt annähernd im Centrum des Plasma, und ich gebe die Abbildung desselben in Fig. 30a nach einem Schnitte, der diesen Körper sehr günstig getroffen hatte. Man unterscheidet noch immer die beiden Bestandtheile desselben, die Gruppe der grösseren, schwächer gefärbten Spermatomeriten und die stärker sefärbte Gruppe der kleineren Ovomeriten. Die Form des Ganzen und seiner Theile ergiebt sich aus Fig.30 a. Nach wie vor findet 646 A. A. Böhm: sich die Strahlung nur an der Seite des provisorischen Furchungs- kerns, die den männlichen Antheil enthält. Allein die Meriten haben sich wesentlich geändert; sie stellen nicht mehr gleichartige Kügelchen dar, sondern ein jeder besteht aus zwei Theilen, nämlich aus einer quantitativ bedeutenderen peripheren Hauptmasse, die sich schwach färbt, schwächer bei den grösseren Spermatomeriten, ein wenig mehr bei den Ovomeriten, und je aus einem (resp. ein paar) intensiv tingirten centralen Kör- perchen, dem Microsoma des Meriten, wie ich es bezeichnen will. Beide Meritengruppen berühren sich in einer Ebene, die mit der Eiaxe zusammenfällt. Vier Stunden nach der Besamung. Aus diesem Zeitpunkte habe ich eine grosse Zahl von Eiern, | etwa vierzig, in lückenlose Serien zerlegt und fand daran nicht mehr die Ueberstimmung der Bilder, wie an den Serien aus frühe- ren Phasen; es zeigte sich nicht mehr die Congruenz im Fort- schritt des Befruchtungsprocesses, wodurch bisher die Untersuchung erleichtert worden war. Hier traf man vielmehr mehrere dem Wesen nach aufeinanderfolgende Stadien in Eiern aus dersel- ben Zeit. Ich beginne mit der Beschreibung des Befundes an denjenigen Serien, die den Anschluss an das vorausgehende Stadium evident aufweisen. Die Axe des Polplasmas (Fig. 31) erscheint im Durchschnitt etwa spindelförmig; es lagert an der Grenze des ersten und zweiten Sechstels der Länge der Eiaxe. Von dem einen Ende der Spindel- masse läuft ein feiner Faden gegen den Pol, erscheint aber nicht mehr continuirlich. Die wellige Membran ist total verschwunden. Sie hat ihre Aufgabe erfüllt, indem sie das Substrat, innerhalb welches die Befruchtung sich abspielt, von dem sich indifferent verhaltenden Theile des Eies, der die Dotterkörner enthält, schied. — In der Mitte dieses wichtigen Plasmas liest der aus den Meriten zusammengesetzte definitive Furchungskern, dessen Elemente sehr zahlreich geworden sind, eine Trennung der beiden Gruppen ist nicht mehr nachzu- weisen: Ovomeriten und Spermatomeriten unterscheiden sich durch Grösse und Färbung nicht mehr, sie liegen gemischt vor (Fig. 3la). Während die Meriten des provisorischen Furchungs- Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 647 kernes zerfallen und immer kleiner werden, schwindet die Grössen- differenz zwischen Spermatomeriten und Ovomeriten immer mehr und der Chromatingehalt derselben scheint sich ebenfalls auszu- gleichen. Es beginnt ein Verschmelzungsprocess ihrer peripheren Substanz und nur die Mikrosomen erscheinen noch gesondert. Aber diese fangen jetzt an, sich lineär aneinander zu reihen. Solche aus drei bis vier Mikrosomen bestehende kurze Ketten waren mehrfach zu sehen und zwar dort, wo die Verschmelzung der die Mikrosomen umgebenden peripheren Substanz vorgeschritten war; so bildet sich eine achromatische Grundsubstanz des Furchungs- kernes mit darin eingebetteten Mikrosomen und kurzen Mikro- somenketten. Dieser so beschaffene Furchungskern (Fig. 31a) ist auf einer Seite von einer im Durchschnitte halbmondförmigen fein granu- lirten achromatischen Substanz zur Hälfte umgriffen und von der convexen Seite dieser Substanz geht eine deutliche Strahlung aus. Wenn ich den Anschluss an die vorher beschriebenen Stadien festhalte, so liegt es nahe, anzunehmen, dass diese den Furchungs- kern halbseitig umgreifende granulirte Substanz dem zuletzt be- obachteten Centralkörper der Strahlung entspricht, der unterdessen an Masse bedeutend zugenommen hätte, nachdem der in Meriten gegliederte Spermakopf aus diesem Centrum hinausge- rückt war und sich dem weiblichen Vorkern angeschlossen hatte. Das Verhältniss dieses Körpers zum Strahlensystem lässt kaum eine andere Deutung zu. Meine Schilderung macht jetzt einen Sprung, ich verfüge nicht über Präparate, die einen engen Anschluss an das eben ge- schilderte Bild bieten. Letzteres zeigte Asymmetrie seiner Verhält- nisse (Fig. 31), die nächste Phase (Fig. 32), die in zwei Serien vorliegt, zeigt bereits eine fast regelmässig gestaltete Spindel. Im Aequator der Spindel liegen die Mikrosomen zu einer Platte ge- ordnet und zum Theil wenigstens in kurzen Ketten aneinander- gereiht; von dieser Platte gehen Spindelfasern nach beiden Seiten aus und treffen jederseits auf eine fein granulirte, im Durchschnitt halbmondförmige Substanz, an die sich auswärts je eine wohl aus- geprägte Sonne anschliesst. Aber, wie eben bemerkt, die Spindel ist nicht regelmässig, denn die Centren der Strahlungen finden sich nicht an den Enden der Spindelaxe, sondern beide auf einer Seite derselben. Die weiterhin zu beschreibenden Bilder werden er- 648 A. A. Böhm: geben, dass hier ein eigenthümlicher Process im allmählichen Fort- schreiten begriffen ist, indem die Strahlensysteme mit ihren fein sranulirten Oentralmassen allmählich gegen die Pole der Spindel- axe sich zu verschieben scheinen und so die Spindel regulär wird. Diese Wahrnehmung gestattet vielleicht den Schluss, dass die im Durchschnitt halbmondförmige Masse, die in Fig. 31 den linsen- förmigen Furchungskern einseitig umgriff, sich getheilt hat, dass in Folge davon zwei Sonneu sich bildeten und nun die getheilten Massen auseinanderrückend sich polar entgegengesetzt zu der die Mikrosomen enthaltenden Platte zu stellen streben. In Fig. 32 ist diese Bewegung noch nicht vollendet: die Sonne mit ihren Centralmassen liegen sich noch nicht polar gegenüber, aber sie nähern sich ihrem Ziele. Ich empfinde schmerzlich die Beobachtungslücke, die den Abstand der Fig. 31 und 32 auszufüllen hätte, da ich durch diese Lücke verhindert bin, mir eine Vorstellung über die Entwicklungs- weise der Spindelfasern zu bilden und enthalte mich daher jeder hierauf zielenden Speeulation. Drei weitere Serien boten die in Fig. 33a, b, e abgebildeten regulären Spindeln dar. Die Polarität ist vollkommen erreicht. Fig. 33a zeigt kurze Mikrosomenfäden in einer schmalen Aequa- torialplatte, polar convergirende Spindelfasern, zwei entgegen- gesetzte Sonnen mit im Durchschnitt halbmondförmigen Polar- körpern. Fig. 33d giebt eine Ansicht eines Aequatorialschnittes, an dem man die Mikrosomenfäden als kurze Schleifen wahrnimmt. — In den Fig. 35b und ce gewahrt man das Auseinanderrücken und daran schliessen sich die Fig. 33f und g zwanglos an. Den Abschluss des Vorganges zeigt Fig. 33h, indem an jedem Pol der Spindel das Verhältniss sich wiederhergestellt hat, von dem wir in Fig. 3la ausgingen: die Mikrosomen bilden eine un- gefähr linsenförmige Masse, ein jedes derselben umgiebt sich mit einem Hof, d.h. es bildet sich“zu einem Merit aus (Karyo- merit)!). Auswärts wird jeder dieser provisorischen Tochterkerne von dem halbmondförmigen Polkörper umschlossen und von der convexen Seite gehen die Strahlen der Sonne aus. In diesem zuletzt erwähnten Stadium (Fig. 31h) leitet sich die 1) In meiner früheren Mittheilung (1. c.) habe ich den Namen Karyo- merit im Sinne des Ovomeriten gebraucht. Ueber Reifung und Befruchtung des Bies von Petromyzon Planeri. 649 Theilung des Polplasmas ein und bevor sie ganz vollendet ist, ‚tritt an dem Pol des Eies die erste Furche auf, indem der Dotter sich in zwei Kegeln zu erheben beginnt. Die Ergebnisse der Untersuchung von Kupffer und Be- necke und der meinigen erlauben folgendes zusammenfassende Bild der Vorgänge während der Befruchtung zu entwerfen. Das frisch abgelegte Ei ist mit einer Schleimhülie und am animalen Pol mit einer im Wasser kaum sichtbaren, im Oel deut- lich wahrnehmbaren hyalinen Kuppel (Flocke A. Müller) ver- sehen; diese letztere sitzt auf einer uhrschalenförmig gewölbten Partie der Eischale, die wie überall, so auch hier aus einer inne- ren, von radiären Poren durchsetzten und einer äusseren homo- genen Lamelle besteht. Man sieht an solchen eben abgelegten nicht befruchteten Eiern keine präformirte Oeffnung, keine Mikropyle. Die Region der hyalinen Kuppel (Flocke) kommt während der Befruchtung ausschliesslich in Betracht, denn der übrige schleimige Ueberzug ist für die Zoospermien impereabel. In dieser Kuppel trifft man nun Spermatozoen an, die gegen das Eicentrum zusteuern. Ein einziges jedoch passirt die Eihaut an einer beliebigen Stelle des Uhrglases mit Kopf und Schwanz, das penetrirende Zoosperm. Aber schon bevor die Sper- matozoen die Eihaut berührt haben, fängt das Ei an, am Rande des Uhrglases sich ringförmig einzuschnüren und hier beginnt das Polplasma von der Eihaut sich abzulösen, wobei eine grosse Anzahl dünner Fäden (Dehnungsfäden) und oft ein diekerer in der Regel axial gelegener (Axenstrang) des Polplasmas sich bil- det; es entsteht in dieser Weise ein Eiraum am animalen Pole, der von den oben erwähnten Fäden durchzogen wird. Zur Zeit der Bildung des Eiraumes passirt denselben das penetrirende Zoosperm und zwar, je nachdem, frei durch den Eiraum oder im Anschluss an einen Dehnungsfaden oder an den Axenstrang. Inzwischen bohren sich auch andere Spermatozoen in die Eihaut hinein, so dass die Spitzen derselben bis an den Eiraum gelangen, um sich dort in eigenthümliche hyaline Bläschen mit einem, resp. ein paar glänzenden Körnchen zu verwandeln (gehemmte Sper- matozoen). Während der weiteren Retraction des Eies, in der Region des Polplasmas, werden die Dehnungsfäden und der Axenstrang 650 A. A. Böhm: in die Hauptmasse des Polplasmas, die inzwischen eine sphärische, die Oberfläche des Eies am animalen Pole tangirende Gestalt an- genommen hat, eingezogen; zu derselben Zeit wird ein erstes Rich- tungskörperchen ausgestossen, wobei ein kernartiges im Polplasma gelegenes Gebilde zurückbleibt (der provisorische Eikern). Um das gange Ei wird die Dotterhaut gebildet und die Hauptmasse des Polplasmas umgibt sich einwärts, an der Contactfläche mit dem Dotterplasma mit einer welligen Membran; man findet inner- halb des Polplasmas das Spermatozoon und den provisorischen weiblichen Vorkern. Die Lage beider Theile ist zunächst keine bestimmte, weil das Polplasma in fortlaufender Bewegung begrif- fen ist. Einige Zeit nach dem Einziehen des Axenstranges hebt sich vom Polplasma der Zapfen gegen das Uhrglas empor, um mit der Innenfläche desselben in Contact zu treten; dabei werden von dem Zapfen Partikel aus den Köpfen der gehemmten Spermato- zoen aufgenommen. Der Spermasubstanz enthaltende Zapfen zieht sich nun in die Hauptmasse des Polplasmas zurück und es bildet sich vom Polplasma aus das zweite Richtungskörperehen. Ein Theil (die Hälfte?), der Substanz des provisorischen Eikerns wird ausgestossen, sowie auch ein Theil des Polplasmas selbst abge- geben. Der übrige Theil des provisorischen Eikerns, der axial und oberflächlich im Polplasma zu liegen pflegt, constituirt sich zum definitiven Eikern. Der unveränderte Spermakopf nimmt nun eine bestimmte Lage im Polplasma an; er liegt seitwärts, be- rührt nie die wellige Membran und bildet einen bestimmten Win- kel mit der Eiaxe. Eine Viertelstunde etwa nach der Besamung fangen sowohl der Eikern, wie der Spermakopf an, ihre Gestalt und ihren Bau zu verändern. Der weibliche Vorkern wird blass, diffus, etwas srösser. Der Spermakopf zerfällt in kugelige, zusammenhängende, lineär angeordnete Elemente. Neben ihm, an dem von der Axe absewandten Ende zwischen dem letzteren und der welligen Mem- bran bildet sich im Polplasma eine Sonnenfigur um ein ausserhalb des Spermakopfes gelegenes, glänzendes Pünktchen. Bald um- greift jedoch die Sonne den veränderten Spermatozoenkopf, und dieser kommt in die Centralmasse der Sonne zu liegen. Die Lage des Zoospermkopfes verändert sich dabei keineswegs. Der Eikern hat während dessen die Gestalt eines echten deutlichen Kernes angenommen, und kommt tiefer im Polplasma axial zu liegen. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 651 Der aus kugeligen Stücken (Meriten) bestehende Spermakopf (Sper- matomeritenreihe) mit der Sonne verändert nun seine Lage, er ‚dreht sich in einer bestimmten Weise und bewegt sich in einer senkrecht auf der Axe des Eies stehenden Bahn auf den Eikern zu. In der Nähe des Eikerns verlassen die Spermatomeriten die Centralmasse der Sonne, wobei die letztere unterbrochen wird und lagern sich, jetzt zu einem Haufen gruppirt, dem Eikern an. Das geschieht eine Stunde nach der Besamung. Nachdem die Spermatomeritengruppe den Eikern berührt hat, oder kurz vorher, zerfällt dieser ebenfalls in kugelige Stücke, Ovo- meriten. Die Ovomeriten und Spermatomeriten berühren sich nun innig und zerfallen, indem sie sich binär theilen, in immer klei- nere Stücke, ohne sich zunächst gegenseitig zu vermischen. Es entsteht in dieser Weise ein längliches, aus zwei Portionen be- stehendes Gebilde, welches in dem in die Tiefe hinabrückenden Polplasma sich befindet, das die Form eines durch die wellige Membran gegen den Dotter abgeschlossenen Sackes angenommen hat. Die Längsaxe dieses axial gelegenen Gebildes des proviso- rischen Furchungskernes steht senkrecht auf der Eiaxe. Die Meritengruppen, die einander tangiren, sind ihrer Grösse und Färb- barkeit nach von einander zu unterscheiden. Die Ovomeriten sind kleiner, intensiver gefärbt, die Spermatomeriten sind grösser und heller. Auf der Seite der Spermatomeriten liegt die Sonne mit ihrer Centralmasse. Je ein Merit, sei es Ovo- oder Spermatomerit besteht aus einem Körper und einem, resp. ein paar Körnern, Microsomen. Die Körper der Spermatomeriten sind grösser und heller, die der Ovomeriten kleiner und dunkler. Am Ende der dritten Stunde nach dem Besamen verschmel- zen die Meritenkörper miteinander, der centrale Körper der Sonne nimmt eine längliche Gestalt an und umgreift zum Theil den aus verschmolzenen Meriten bestehenden, linsenförmigen Furchungs- kern. Das tiefer gerückte Polplasma verliert nun die wellige Membran: sie löst sich auf. Die durch die Verschmelzung der Meriten freigewordenen Mikrosomen ordnen sich zu kurzen Ketten. Sie gruppiren sich zu einer axial gelegenen Platte; die Centralmasse der Sonne zerfällt wahrscheinlich in zwei Massen mit zwei Sonnen, die sich zu jener Platte polar entgegengesetzt stellen. Es treten Spindelfasern auf, 652 A. A. Böhm: die kurzen Ketten jener Platte biegen sich zu kurzen Schleifen und es entsteht alsbald eine Metaphase. Nachdem sich die Tochterkerne gebildet haben, die mit je einem deutlichen Aster um einen Centralkörper versehen sind, fängt das Polplasma an sich einzuschnüren. Die Einschnürungs- stelle ist in der Eiaxe gelegen. Rückblick auf einzelne Erscheinungen des Vorganges. Um zunächst einen Blick auf das reifende Ei zu werfen, so muss ich gestehen, dass diejenige Bildung, die seit A. Müller als „Deckel“ bezeichnet wird (S. Tafel XXIV Fig. 1 und 6) für mich räthselhaft ist. Calberla hat, wie ich oben auseinan- dersetzte, in diesem Deckel die Anlage seines Spermaganges er- blickt und hat das darunter liegende Keimbläschen für den Eikern erklärt. Es gelang mir darzuthun, dass beides falsch sei, dass der Deckel vielmehr eine transitorische Erscheinung sei, die schwindet, indem das Keimbläschen die Oberfläche erreicht. — Unter der Vor- aussetzung der Richtigkeit von Calberla’s Beobachtung hat van Beneden einen Vergleich des Deckels mit Erscheinungen an Säugethieren versucht und in der gleichen Voraussetzung be- mühte sich van Bambeke den Deckel mit Bildungen an den Eiern von Knochenfischen in Parallele zu setzen, indem er darauf hinwies, dass dotterarme und protoplasmareiche Strassen das Keimbläschen mit dem sogenannten Dotterkern oder aber mit der Peripherie des Eies verbinden. Es wäre darnach in dem Deckel eine präformirte Bahn zu sehen, welche sowohl vom Keim- bläschen auf seiner Wanderung bis zur Peripherie des Eies als auch vom Ei- und Spermakern bei ihrem Rückzuge von der Pe- ripherie benutzt würde. Möglicher Weise steht die Erscheinung des dotterarmen Deckels mit der Wanderung des Keimblächens zur Peripherie in ursächlicher Beziehung, allein nach Beendigung dieser Wanderung ist jede Spur einer solchen Bahn verschwunden. Auch dann lässt sich keine befriedigende Erklärung des Deckels finden, wenn man in dem Sinne von O. Hertwig dem Keimbläschen als Kern eine besondere Attraction auf das Polplasma zuschreibt!); denn wenn das grosse noch mit der Membran ver- 1) In seinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen etc, findet sich Seite 27 und 28 folgende Bemerkung: „Mit den Reifeerscheinungen Ueber Reifung und Befruchtung des Kies von Petromyzon Planeri. 653 sehene Keimbläschen die Eiperipherie erreicht, ist die Umgebung ‚desselben an meinem Objekte nicht protoplasmareicher resp. dotter- ärmer, als das übrige Ei und gerade darin finde ich die grosse Wahrscheinlichkeit, dass das dotterarme Protoplasma nichts Anderes ist, als die scheibenförmig ausgebreitete Substanz des Keimbläs- chens selbst. Das Polplasma ist nach seiner Herkunft, wie nach der Rolle, die demselben bei der Befruchtung zufällt, eine Substanz von ganz besonderer Bedeutung: es ist die Substanz des Kernes des reifen- den Eies, die hier die active Rolle spielt, während der Zellkörper selbst anscheinend passiv sich verhält. Das Polplasma führt die mannigfaltigsten Bewegungen aus, es grenzt sich durch eine Mem- bran vom Eikörper ab, es entwickelt die Richtungskörper und innerhalb dieses Polplasmas vollzieht sich der ganze Akt der Be- fruchtung. Sieht man sich in der betreffenden Literatur um, so stösst man zwar auf manche von den Autoren hervorgehobene Erschei- nung, die in dem einen oder anderen Punkte an das Polplasma erinnert, im Ganzen aber eine eingehende Vergleichung noch nicht gestattet. Vor Allem ist da auf die Substanz der fovea germina- tiva (Keimpunkt von v. Baer) hinzuweisen, die auch M. Schultze am activen Pole des intacten Froscheies gesehen hat; er schildert dieselbe als dotter- und pigmentfrei und gibt ferner an, dass sie in der Regel nach der Befruchtung nicht mehr sichtbar sei. ©. Hert- wig!) glaubt diese Beobachtung bestätigen zu können und gibt eine Abbildung eines sogenannten Schleierchens an einem Durchschnitt. Allein dieses Schleierchen lagert ausserhalb des Eies und ist deshalb mit dem Polplasma nicht zu vergleichen und wenn der Autor darin ein Richtungskörperchen vermuthete, so ist lässt sich die polare Differenzirung, die im ersten Capitel bei vielen dotter- reichen Eiern nachgewiesen wurde, in einen ursächlichen Zusammenhang brin- gen. Ohne Ausnahme wird derjenige Theil der Eikugel, zu welchem das Keimbläschen emporsteigt, und wo später eventuell die Polzellen gebildet werden, der animale Pol. Dass sich hier Protoplasma in grösserer Menge an- sammelt, ist zum Theil darauf zurückzuführen, dass es mit dem Kern, der ja meist ein Attractionscentrum für das Protoplasma abgibt, an die Oberfläche des Eies gelangt.“ 1) Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Morph. Jahrb. II. Bd. 1877. 654 A. A. Böhm: auch diese Auffassung nicht zutreffend, wie besonders aus den neueren Darstellungen von OÖ. Schultze!) hervorgeht. Dasselbe gilt von den Beobachtungen Oellacher’s?) bei Knochenfischen und Salensky’s?) am Ei der Störe. Auch die Bewegungen, die am Polplasma des Neunaugeneies constatirt sind, stehen nicht als ganz isolirte Erscheinungen da. Man darf vielleicht annehmen, dass der eöne d’attraction und der cöne d’exsudation, Erscheinungen, die Fol am Ei von Asterias glacialis beschrieben hat, functionell mit dem Axenstrang resp. Zapfen an unserem Eie zu vergleichen sind. Vielleicht gehört auch der disque polaire und namentlich der in seinem Centrum sich bildende bouchon d’impregnation van Beneden’s am Ei von Ascaris megalocephala hieher, ebenso die von Kupffer*) bei Kröten und Knochenfischen beschriebenen, wenn auch in der Mehr- zahl vorkommenden zapfenförmigen Erhebungen. Allein alle diese Einzelnbeobachtungen lassen zwar vermuthen, dass ein dem Pol- plasma gleichartiges actives Plasma an der Eioberfläche allgemein eine besonders wichtige Rolle bei der Befruchtung spielt, eine in's Einzelne gehende Vergleichung ist aber wegen der Lücken- haftigkeit jener Beobachtungen zur Stunde noch nicht ausführbar. Das den Spermakopf und den Eikern enthaltende Polplasma entfernt sich, von der welligen Membran umschlossen, vom Pol, bleibt dabei aber durch einen Stiel mit der Eioberfläche am Pol in Verbindung. Es scheint mir nun unerlässlich, darauf hinzu- weisen, dass auch dieser Vorgang nicht ohne Parallele dasteht. Ich meine die Beobachtungen, die van Bambeke>) am Krötenei machte: er sah nach dem Contact von Sperma und Ei, an dem Ei von der Oberfläche in der Polgegend ausgehende centralwärts ge- richtet Strasse (Pigmentstrasse — la trainee pigmentaire), die er mit der activen Bewegung des Zoosperms mit Wahrscheinlichkeit 1) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 45. 1887. 2) Beiträge zur Geschichte des Keimbläschens im Wirbelthierei. Dieses Archiv Bd. VII. 1871. 3) Entwicklungsgeschichte von Acipenser ruthenus (1878). Arbeiten der Naturforschergesellschaft an der Universität zu Kasan, Bd. VII. 4) Die Betheiligung des Dotters am Befruchtungsakte. Sitzb. d. math. phys. Klasse d. k. b. Akad. d. Wissensch. z. München. 1882. Heft 6. 5) Recherches sur l’embryologie des Batraciens. Bulletin de l’acad&mie royale de Belgique 1876. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 655 in Beziehung bringt. Hertwig!) ergänzte die Beobachtung dahin, ‚dass ein am centralen Ende der Strasse gelegener Plasmahof den Spermakern und später beide Vorkerne enthalte. Andere Beob- achter, so namentlich G. Born?) haben es bestätigt. Bei letzterem Autor lesen wir das Nachfolgende: „Wenn man die Eier zwei Stunden nach der Befruchtung untersucht, findet man am Ende der Pigmentstrasse einen der oberen Peripherie parallel gestreckten hellen Raum und in demselben dicht nebeneinander zwei Kern- chen, den in Conjugation begriffenen männlichen und weiblichen Vorkern.“ Hierin liegt eine bedeutungsvolle Uebereinstimmung, die zwar gleichfalls noch manche Stütze vermissen lässt, aber auf ein allgemeines Gesetz hindeutet. Da auf solch schwierigem Gebiete, wie die Ermittlung des Mechanismus des Befruchtungsvorganges, keine Erscheinung so gering geachtet werden darf, um mit Stillschweigen übergangen zu werden, so weise ich noch auf den Wechsel hin, der in der Stellung der Hauptmasse des Polplasmas zu dem dünnen, polwärts hinziehenden Stiel dieses Plasmas sich allmählich vollzieht. Ich habe diesen Wechsel in der Skizze Fig. 35 und 35a zum Aus- druck gebracht. Zuerst liegt dieser Stiel in der Eiaxe und würde verlängert das Centrum der Hauptmasse des Polplasmas treffen. In der dritten Stunde nach dem Contakt der Geschlechtsprodukte, wenn die Gruppen der Ovo- und Spermatomeriten noch deutlich von einander unterschieden werden können, beginnt eine Aende- rung: es findet anscheinend eine Verschiebung des Stieles statt, wodurch sein Fusspunkt an der Hauptmasse mehr excentrisch zu liegen kommt, und schliesslich - berührt der Stiel die Hauptmasse nur an einer Seite. Man könnte diese Erscheinung aber auch so deuten, als wenn die Hauptmasse am centralen Ende des Stieles eine Drehung erfahren hätte, wodurch die Contactfläche der beiden Meritengruppen ihre Lage änderte. Die Annahme einer solchen Möglichkeit scheint mir nicht ganz bedeutungslos, denn gesetzt, die eben erwähnte Contactfläche hätte vorher eine Lage gehabt, dass sie mit der Ebene zusammenfiele, in der später die erste Furche des Eies erscheint, so würde diese Furche die Gruppe der 1) Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Morph. Jahrb. III. Bd. 1877. 2) Dieses Archiv. Bd. XXVII. p. 200. 656 A. A. Böhm: Ovomeriten von den Spermatomeriten trennen; wenn nun aber die Hauptmasse des Polplasmas eine Drehung von 90° erführe, so könnte sich jene Contactfläche senkrecht zur Ebene der zu erwar- tenden ersten Furche stellen und diese Furche würde dann sowohl die Gruppe der Ovomeriten, wie die der Spermatomeriten halbiren. Das mag als eine müssige Spekulation erscheinen, indessen liegen ja Beobachtungen vor, die auf Drehungen hinweisen. Diese Drehung um 90° des sich bildenden Furchungskernes hat offenbar zuerst Auerbach in seinen organologischen Studien pag. 212 (1874) am Ei von Ascaris nigrovenosa beschrieben. i Die Deutung des Vorganges gaben Nussbaum!) und OÖ. Hertwig?). Das erste Richtungskörperchen bildet sich vor und das zweite nach der Imprägnation®), was bereits Kupffer und Benecke (l. ec.) festgestellt haben. Es wird gewöhnlich A. Müller als derjenige angegeben, der ein Richtungskörperchen bei Petro- myzon Planeri bereits gesehen haben soll; so sagt Bütschli®): „Schon früher jedoch, im Jahre 1864°), wurde das Austreten eines oder zweier Richtungsbläschen aus dem befruchteten Dotter von Petromyzon Planeri und fluviatilis von A. Müller (pag. 113) ziemlich eingehend beschrieben und in direkte Parallele gebracht mit dem Hervortreten entsprechender Gebilde aus dem Dotter der Wirbellosen und der Säugethiere“, und wird dieser Passus bei- spielsweise noch vor Kurzem von OÖ. Schultze eitirt. Es unter- liegt aber keinem Zweifel, dass A. Müller etwas anderes vor sich hatte, nämlich den sogenannten Randtropfen Calberla’s, jenen hyalinen Tropfen, der an der Eischale nach dem Reissen des Axenstranges gewöhnlich haften bleibt und zwar sprechen für 1) Ueber die Veränderungen der Geschlechtsprodukte bis zu Eifur- chung etc. Dieses Archiv Bd. XXIII. 1884. 2) Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen. Jena 1884. 3) In derselben Reihenfolge werden die Richtungskörperchen bei Rana fusca ausgestossen. O. Schulzte (l. ce.). 4) Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zell- theilung und die Conjugation der Infusorien. p. 174. 5) Der Passus der Arbeit von A. Müller, der zu dieser Bemerkung Veranlassung gab, ist auf Seite 627 dieser Arbeit wörtlich citirt. Ueber Reifung und Befruchtung des Bies von Petromyzon Planeri. 657 diese meine Auffassung folgende Gründe: erstens die Grösse und das Aussehen — das Müller’sche Gebilde ist ganz bedeutend grösser und hyalin —, zweitens die Lage am Scheitel des Uhr- glases — das Richtungskörperchen liegt nämlich nie am Scheitel —, drittens die Zeit des Entstehens: denn 115 Secunden nach dem Besamen entspricht zwar der Zeit des Zurückziehens des Axen- stranges, nicht aber der Zeit des Auftretens weder des ersten noch des zweiten Richtungskörperchens; denn wie wir ja gesehen haben, entsteht das erste Richtungskörperchen sogleich bei dem Contakt von Sperma und Ei, das zweite erst 10 Minuten nach dem Be- samen, dagegen kann es wohl möglich sein, dass Müller das zweite Richtungskörperchen gesehen hat. Der Ausspruch, der sich darauf beziehen kann, ist Seite 627 von mir eitirt und stimmt sehr gut mit der ebenfalls erwähnten von Kupffer und Benecke be- schriebenen Bildungsweise des zweiten Richtungskörperchens, wel- ches Gebilde A. Müller übrigens für nicht constant erklärt und auch nicht abbildet, überein. Nach der Bildung des ersten Rich- tungskörperchens bleibt im Polplasma ein sehr blasser, homogener Körper zurück, über dessen Herkunft ich gar nichts anzugeben vermag, insbesondere finde ich durchaus keinen empirischen An- haltspunkt, denselben mit dem Keimfleck in Beziehung zu brin- gen. Nach der Bildung des zweiten Richtungskörperchens finden wir an der entsprechenden Stelle sehr oft, aber nicht immer, einen diffusen, chromatinarmen, ziemlich ausgedehnten Fleck. Diese dif- fuse Masse condensirt sich alsbald und wird zu einem wohlge- bildeten Kern, dem Eikern. Der weibliche Vorkern durchläuft vor der Conjugation die Stufe eines ruhenden Kernes, um alsbald in zahlreiche kugelige Stücke, Ovomeriten, zu zerfallen. Die Ovo- meriten liegen aber beim Petromyzon nicht innerhalb der Kern- membran, denn während der weibliche Vorkern in Ovomeriten zerfällt, verschwindet diese. Abstrahirt man von diesem letzteren Punkt, so kann man eine grosse Analogie in dieser Beziehung zwischen Petromyzon und dem Arion empiricorum!) nicht ver- kennen. „In dem Eikern‘“, sagt Platner, „sind einige Verände- rungen vor sich gegangen, indem die in demselben befindlichen Kernelemente ihre gleichmässige Färbung verloren haben und völlig 1) Platner, Ueber die Befruchtung bei Arion empiricorum. Dieses Archiv Bd. 27. 1886. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 42 658 A. A. Böhm: rund geworden sind. Es sei mir verstattet, sie Karyosomen zu nennen. .. .“ „Die Karyosomen nun erscheinen auf den ersten Blick völlig farblos, eine aufmerksame Beobachtung lehrt aber, dass die Chromatinsubstanz, welche Anfangs diffus in ihnen ver- theilt war, sich in der Form kleiner Körnchen an der Peripherie concentrirt hat.“ ‚Diese Chromatinelemente sind anfangs noch sehr klein und in grösserer Anzahl vorhanden und entziehen sich dann leicht der Beobachtung. Später sammeln sie sich aber zu einigen wenigen grösseren Körpern an und treten dann deutlich hervor. Von diesen Chromatinkörnern enthält die Mehrzahl der Karyosomen zwei Stück, welche meist an zwei diametral gegen- überliegenden Punkten der Peripherie gelegen sind. In dem klei- neren erkennt man zuweilen nur ein solches Element. Die Karyo- somen selbst sind scharf begrenzt und von wechselnder Grösse, eine besondere Hülle konnte ich an ihnen mit Deutlichkeit nicht wahrnehmen... ...“ Pag. 54: „Auch die äussere Form des Ei- kerns hat sich nicht unverändert erhalten. Während er früher oval und von glatten Contouren begrenzt war, erscheint er jetzt unregelmässig mit Einbiegungen und vorspringenden abgerundeten Ecken, welches Aussehen wohl in der Membran desselben aufge- tretenen Runzeln und Falten seinen Ursprung verdankt.“ Das Spermatozoon dringt in das Polplasma während. oder un- mittelbar nach der Bildung des ersten Richtungskörperchens. Nachdem die Bewegungen am Polplasma sich gelegt haben, nimmt der Kopf des Spermatozoons eine ganz bestimmte Lage im Pol- plasma ein, er bleibt unverändert in demselben, bis sich das zweite Richtungskörperchen gebildet hat, mit anderen Worten bis zur Bildung des Eikerns. Erst jetzt bemerkt man den Zerfall des Kopfes in im Allgemeinen vier kugelige Spermatomeriten. In seiner Nähe entsteht eine Sonne im Polplasma um ein centrales Körperchen (Archoplasma mit Centrosoma Boveri!) oder spheres attractives mit corpuscules polaires van Beneden und Neyt?). Später nimmt das Spermatozoon eine in Bezug auf die Strahlung centrale Lage an. Der Spermatozoonkopf nebst der Strahlung 1) Sitzb. der Ges. f. Morph. u. Phys. 1887. p. 78 u. 152. 2) Le Moniteur Belge et Bulletin de l’acad&mie royale de Belgique. Nouvelles Recherches sur la f&condation et la division mitosique chez l’asca- ride megaloc&phale. 1887. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 659 nähert sich dem weiblichen Vorkern, verlässt das Centrum der- selben und legt sich an den weiblichen Vorkern an, in welchem die Spermatomeriten einen Haufen bilden. Die Strahlung, die um eine centrale, granulirte Masse sich ordnet, bleibt während der Anlagerung der beiden Vorkerne an der Seite der Spermatome- riten liegen und eine solche fehlt durchaus an der Seite des weiblichen Vorkerns bis zur vollkommenen Ausbildung des von mir sogenannten definitiven Furchungskernes. Aus die- ser centralen granulirten Masse der Sonne, wahrscheinlich durch Theilung derselben, entstehen zwei solche mit je einer Sonne, die an jedem Pol der sich bildenden Spindel zu liegen kommen. Diese helle centrale Masse ist, wie mir scheint, das von Boveri sogenannte Archoplasma (sein centrosoma habe ich nicht sehen können), welches kurz darauf und unabhängig van Beneden und Neyt (l. c.) bei Ascaris megalocephala auffanden und mit dem Namen spheres attractives mit darin gelegenen corpuscules po- laires benannten. (Die letzteren Autoren sehen übrigens von vorne- herein zwei solcher Sphären.) Aus dem einen Centrosoma (nach Boveri) entstehen zwei solche, das Archoplasma theilt sich mit und es entstehen zwei Strahlungen. Das Archoplasma spielt eine bedeutende Rolle bei der Bildung der ersten Spindel, eine Rolle, die namentlich von Boveri (l. c.) eingehend studirt und beschrie- ben worden ist. Was den Zerfall des Spermakopfes in kugelige Stücke an- langt, haben wir hier folgendes zu berücksichtigen: Zunächst die Arbeit von Kupffer!). Eine Stunde nach der Befruchtung fand sich bei der Forelle ein Vorkern, der am Scheitelpunkte des Kei- mes lag und das Centrum einer Sonnenfigur bildete. Ein stab- förmiges Gebilde darin bestand aus fünf aneinander gereihten kleinen Partikeln, von denen vier kugelig, das fünfte am Ende der Reihe aber etwa kegelförmig erschien. Zwei und eine viertel Stunde nach der Besamung traf Prof. Kupffer abermals ein dem beschriebenen sehr ähnliches Gebilde, ein gleichfalls stabförmiges, lebhaft gefärbtes Körperchen, das 0,0l4mm von der Oberfläche entfernt las. rn. Der Zusammensetzung nach bestand es gleich- 1) Die Befruchtung des Forelleneies. Bayer. Fischereizeitung 1886. (Nach einem Vortrag, gehalten am 19. November 1885 im bayer. Fischerei- verein in München.) 660 A. A. Böhm: falls aus einer Reihe von Kügelchen, deren Zahl aber nicht ge- nau bestimmt werden konnte. Ein schmaler hyaliner Hof war nicht zu verkennen und von dem verbreiterten Ende ging ein cen- tralwärts gerichtetes, halbkreisförmiges Strahlensystem aus, dessen Peripherie nicht ganz 180° betrug. Das von Prof. Kupffer be- obachtete Gebilde ist ohne Zweifel der in Spermatomeriten zer- fallene Spermakopf, umgeben von einer Sonne. — Auch hier liegen die Spermatomeriten, deren Zahl übrigens fünf beträgt, in einer hyalinen Substanz, die von keinem Strahl durchsetzt wird. Die Lage der Spermatomeritenreihe im erwähnten Falle ist jedoch ab- weichend von der bei Petromyzon im entsprechenden Stadium. Ein analoger Process scheint mir bei der Befruchtung bei Arion empiricorum vor sich zu gehen. Ich entnehme folgende Stellen der Abhandlung G. Platner’s (l. ce.) p. 54: „Als weitere Veränderung (am Spermatozoon) tritt eine Theilung des Kopfes auf, welche zunächst nur die Chromatinsubstanz betrifft. Diese spaltet sich der Länge nach in zwei Hälfen ......... Ein jedes der beiden Elemente zeigt eine runde oder ovale Form. In der hellen homogenen Grundsubstanz liegt ein unregelmässig ge- staltetes, längliches Körperchen, welches sich stark färbt. Diese Differenzen verschwinden aber und weiterhin kann man die Theil- stücke des Spermatosomkopfes von den Karyosomen (Theilstücke des Eikerns), abgesehen von gewissen Grössendifferenzen, nicht mehr unterscheiden.* „Es könnte demnach erscheinen, als ob es unmöglich wäre, ihr Schicksal weiter zu verfolgen und doch wird man bei sorgsamer Verfolgung der jetzt ablaufenden Veränderungen darauf aufmerksam, dass zwei der Karyosomen des Furchungs- kernes sich durch ganz charakteristisches Verhalten von allen übri- gen unterscheiden, wodurch man zu der Annahme berechtigt wird, dass man es hier mit den beiden Spermaelementen zu thun hat.“ Pag. 66 sagt Platner weiter: „Bei Arion, wo das Eindringen der Spermatosomen verhältnissmässig spät erfolgt, umgibt sich der Kopf derselben mit einer exquisiten Sonnenfigur. Zur Bildung eines eigentlichen Spermakernes kommt es kaum und aus der Substanz desselben gehen nur zwei Karyosomen hervor“; ferner auf p. 67: „Auch bei Arion gerathen zwar die aus dem Kopfe des Spermatosoms hervorgegangenen beiden Karyosomen anscheinend in die Höhle des Eikerns, aber zu einer Verschmel- zung mit den Bestandtheilen desselben kommt es nicht, vielmehr Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 661 betheiligen sich männliche und weibliche Kerntheile gesondert an dem Aufbau der Furchungsspindel.“ Wir haben hier die auffallende Erscheinung kennen gelernt, dass der Spermatozoenkopf bei der Forelle in fünf Stücke, bei Arion empiricorum in zwei, bei Petromyzon in vier Stücke nach dem Eindringen innerhalb des Eies zerfällt. Im Zusammenhang mit dieser Erscheinung möchte ich folgenden vor Jahren von Prof. Kupffer gemachten Befund bringen. Es handelt sich um Sper- matozoen einer Turbellarie der Kieler Bucht. Die Abbildung, die nach dem frischen Präparat entworfen ist, gebe ich hier mit Er- laubniss des Herrn Prof. Kupffer wieder. In der Axe des keulenförmigen Spermatozoons (Fig. 37) Dbe- findet sich eine Reihe kugeliger, glänzender Gebilde, die in der sich verjüngenden Partie desselben an Volumen abnehmen, um in dem fadenförmigen Schwanztheile, immer kleiner werdend, zu ver- schwinden. Es wäre möglich, dass diese kugeligen Theile bei diesem Thiere während der Befruchtung die Rolle der Spermatome- riten übernehmen, und dass wir es hier gewissermaassen mit prä- formirten Spermatomeriten zu thun haben. Die Spermatomeriten zerfallen, wie wir gesehen haben, bei Petromyzon in immer kleinere Kugeln, ohne jemals die Gestalt eines ruhenden Kernes anzunehmen. Die Spermatomeritengruppe ist bei Petromyzon im Ganzen chromatinärmer, als die Ovomeritengruppe — und dasselbe ist bei Arion empiricorum der Fall. Für Petromyzon habe ich angenommen, dass die zunächst sich nur berührenden Spermato- und Ovomeriten eine Verschmel- zung ihrer peripheren Substanz erfahren, und dass die dabei frei- gewordenen Mikrosomen sich zu kurzen Schleifen gruppiren, welche sofort eine Axenplatte bilden. Eine Längstheilung der Schleifen konnteich nichtnachweisen. Es ist mir für mein Ob- jekt vollkommen unbekannt geblieben, wie sich die weiblichen und männlichen Mikrosomen auf die Tochterkerne vertheilen. Ein RuhestadiumdesFurchungskernesinFormeines ruhenden Kerneskannichindiesem Falle nicht auffinden und ebensowenig ein Knäuelstadium. An dem Ob- jekte von Platner scheint die Frage nach der Betheilung der männlichen und weiblichen Mikrosomen präciser gelöst zu sein, 662 A. A. Böhm: wenigstens insofern, als er mit Bestimmtheit behauptet, dass sich männliche und weibliche Kerntheile an dem Aufbau der Furchungs- spindel gesondert betheiligen. Von Interesse sind weiter die Beobachtungen Platner’s über das Auftreten des Asters; derselbe erscheint auch da im Anschluss an den Spermatozoenkopf, legt sich an die Kernmembran des weib- lichen Vorkernes an, während die Spermatosomen (ich abstrahire vom Schwanz) in das Innere des Eikernes geratben, dann treten später zwei Aster auf, was mit meinen Beobachtungen harmonirt. Ebenso harmonirt mit dem, was ich beobachtete, die Angabe Platner’s über die Zusammensetzung seiner Karyosomen, an denen er eine achromatische Substanz und Chromatinkörnchen unter- scheidet, und endlich sah auch er eine Verschmelzung der achro- matischen Substanz der Karyosomen, denn er lässt die letzteren bis auf die Chromatinkörnchen verschwinden, welche sich dann mehr und mehr der Aequatorialebene nähern. Weitere Angaben Platner’s (pag. 67, 68 und 70) beziehen sich auf die Bildung der Tochterkerne. Es scheint bei Arion ebenfalls zu keiner Schleifenbildung zu kommen. Ich bin nicht der Ansicht, dass ich in dem Vorstehenden Alles wiedergegeben habe, was sich bei dem heutigen Stande der Technik an dem Neunaugenei über die Befruchtung ermitteln lässt, ich gebe mich vielmehr der Hoffnung hin, dass ich bei der Fort- setzung dieser Arbeit noch manche Lücke, die dem Leser aufge- fallen sein wird, auszufüllen im Stande sein werde, wenn ich auch zugleich der Ueberzeugung bin, dass ich nicht nöthig haben werde, an dem Gesammtbilde, wie es oben dargelegt ist, irgend Wesent- liches zu ändern. i Schliesslich danke ich Herrn Professor Kupffer für die mir bei dieser Arbeit gewährte Unterstützung. Nachschrift. Nachdem die vorliegende Arbeit abgeschlossen war, bekam ich am 14. September durch die Güte des Herrn Dr. Boveri seine äusserst interessante Mittheilung (Referat eines am 19. Juni 1888 Ueber Reifung und Befruchtung des Kies von Petromyzon Planeri. 663 gehaltenen Vortrages!). Er schildert Vorgänge, die während der Befruchtung im Echinidenei sich abwickeln nach am lebenden Ei gemachten Beobachtungen. Aus dieser Schilderung geht hervor, dass im Echinidenei und dem Ei des Petromyzon in vielen Beziehungen fast die gleichen Verhältnisse obwalten. Die Richtigkeit meiner Deutung, nament- lich der Entstehung der Doppelsonne aus der einfachen, die, wie aus dem Texte hervorgeht, nur auf vereinzelte Beobachtungen sich stützt, wird dadurch wahrscheinlicher gemacht. Diese wichtige Stelle gebe ich mit den Worten des Verfassers wieder: „Nachdem das Spermatozoon in ein reifes Ei eingedrungen ist, bildet sich um den Kopf desselben eine Strahlensonne im Eiprotoplasma, deren Centrum nicht mit dem chromatischen Theil des Kopfes zusammen- fällt, sondern mit einem sehr schwer nachzuweisenden achromati- schen Bestandtheil. Der Kopf rückt nun mit seiner Strahlung, die sich immer mehr ausbreitet, auf den Eikern los, und während dieser Zeit quillt das Centrum der Strahlung zu einem kugeligen hellen Fleck auf, der nach der Verschmelzung der beiden Kerne dem ersten Furchungskern einseitig anliegt. An diesem Strahlen- centrum vollziehen sich nun wichtige Veränderungen, die am besten an lebenden Eiern verfolgt werden. Die homogene helle Stelle plattet sich zunächst schüsselförmig gegen den Kern ab und streckt sich dann in einer Richtung sehr beträchtlich in die Länge, so dass ihre Enden jederseits über den Kern hinausragen, während das Mittelstück immer schwächer wird und sich schliesslich voll- kommen durchschnürt. So ist die vorher einfache kugelige An- sammlung homogener Substanz in zwei sich allmählich abrundende Hälften zerfallen, die nicht sofort an zwei völlig opponirten Punkten des Kernes liegen, sondern erst nach und nach eine solche Lage gewinnen. Die Protoplasmastrahlen folgen allen diesen Veränderungen; wie sie anfangs um das einfache Centrum gruppirt waren, so vertheilen sie sich jetzt auf beide Centren, und es ist sehr interessant, im Leben zu verfolgen, wie bei der Theilung des Centrums eine förmliche Verwirrung unter den Strahlen entsteht, bis dieselben aus der monocentrischen in die dicentrische Anord- nung übergegangen sind. Die beiden Strahlencentra stellen be- 1) Dr. Boveri: Ueber partielle Befruchtung. Sitz.-Ber. der Gesellsch. . für Morph. und Physiol. zu München. Bd. IV. 664 A. A. Böhm: kanntlich die Pole der Theilungsfigur dar, zwischen denen sich nun der Kern zur Spindel umwandelt.“ Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV und XXV. Die Contouren sämmtlicher Figuren wurden mit dem Oberhäuser’schen Zeichenprisma entworfen und dann mit einem, bei jeder Zeichnung ange- gebenen System (Leitz in Wetzlar) ausgeführt. Die Vergrösserungszahlen ge- wann ich in der Weise, dass ich bei einem gegebenen System mit dem Zeichenprisma, die Tubuslängen berücksichtigend, die Striche eines Objektiv: mikrometers auf der Zeichenfläche angab, die Entfernung der so gezeichneten Striche von einander gemessen habe und in die wirkliche Grösse derselben hineindividirte. Um runde Zahlen zu gewinnen, konnte ich die Tubuslänge, je nach Bedarf, variiren. j Fig. 1. 1/j Hom. Imm.!) %0/,. Der animale Pol eines reifenden Ovarialeies von !/a mm Durchmesser Das Keimbläschen ist excentrisch gelegen, dessen Membran ist deutlich doppelt contourirt, der Keimfleck chromatinreich dicht an der Membran, an deren der Eiperipberie nächst liegenden Fläche gelegen. Der übrige Keimbläscheninhalt ist chromatinarm und weist grobe Körnelungen auf, die sich gar nicht mit Carmin färben. Zwischen dem Keimbläschen und der Eioberfläche liegt der „Deckel“, ein Gebilde mit verhältnissmässig wenigen kleineren Dotterplättchen und einer reichlichen protoplasma- artigen Zwischensubstanz. Fig. 2. System 4. ®/,. Ein reiferes Ovarialei mit Granulosaepithel. Das Keimbläschen tangirt die Oberfläche des Eies am animalen Pole, und ist die Berührungsfläche desselben abgeplattet. Der Keimfleck liegt ebenfalls nahe der Eioberfläche, berührt diese aber nicht; er ist chromatinärmer geworden. Die Keimbläschenmembran ist viel dünner. Fig. 3. System 4. 7%/,. Ovarialei kurz vor dem Laichen. Das Keimbläschen liest ganz an der Oberfläche des Eies; es hat eine convex-concave Form angenommen; die Membran desselben ist nicht mehr nachzu- weisen; die convexe Fläche fällt mit der Oberfläche des Eies selbst zusammen. Der Keimfleck ist blass und tangirt ebenfalls die Ei- oberfläche am animalen Pole desselben. Fig. 4. System 4. %),. Ei aus der Bauchhöhle, einem geschlechtsreifen Exemplare entnommen. Das Keimbläschen ist uhrschalenförmig 1) Das Ocularsystem ist immer dasselbe und zwar Nr. I. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 665 . 68. Ir ar id: am animalen Pole des Eies ausgebreitet und ist keine Spur von dessen Membran zu sehen System 5. 180/,. A2. Granulosaepithel eines 1/, mm grossen Eies von der Seite gesehen. Kurze cylindrische Zellen mit in Carmin färbbarem, eranulirten Protoplasma, die Eikapsel regelmässig überziehend, mit deutlichen Kernen. A1. Dieselben Zellen von der Fläche gesehen. b. Metamorphosirtes Granulosaepithel, einem Ei der Bauchhöhle eines geschlechtsreifen Thieres entnommen. b2. Von der Seite gesehen. Die Epithelien überziehen die Ei- kapsel; der Inhalt derselben ist eigenthümlich (schleimig ?) umge- wandelt; die Zellgrenzen und die Kerne sind kaum zu erkennen. Die Zellen sind ausserordentlich gross geworden; ihre Höhe = 40 u. b1. Dieselben Granulosazellen von der Fläche gesehen. System 4. %/,. Ovarialei von 1/, mm im Durchmesser mit Granulosa- epithel. System 4. 7/,. Das Ei ist der Bauchhöhle eines geschlechtsreifen Thieres entnommen. (Die Härtung geschah in Sublimat; die Fär- bung in alcoholischem Borax-Carmin.) An der Oberfläche des Eies sind eigenthümliche, wie Kerne aussehende und wie diese sich fär- bende Gebilde vereinzelt und paarweise gelegen. x 0. System 7. 3%/,. Der sich zurückziehende Axenstrang ist aus zweierlei Substanzen zusammengesetzt: aus einer grobgranulirten, in dem freien, im Eiraume gelegenen Hügel und einer viel feiner granulirten, helleren Substanz, welche unter dem Niveau der verlängert gedachten Eioberfläche ausgebreitet ist; diese letztere enthält nicht selten ver- einzelte Dotterpartikel, und ist von dem übrigen Dotter durch eine eben entstandene wellige Membran abgegrenzt. System 7. 370/,. Nahe der Grenze zwischen der oberflächlichen und tiefen Portion des sich zurückziehenden Axenstranges, in der tiefen Portion, seitlich von der Eiaxe, sieht man den provisorischen weib- lichen Vorkern liegen. System 7. 3%/,. Ein gebogener, homogener, stark sich färbender Stab, der Spermakopf, liegt in der tiefen, hellen Parthie des sich zurückziehenden Axenstranges, in der Axe des Eies. ig. 9 b. Y/ıg Oel-Imm. Der Kopf des eben eingedrungenen Zoosperms, stark vergrössert. System 5. 180),. Der sich zurückziehende Axenstrang; das eben ab- geschnürte erste Richtungskörperchen. Links von demselben befindet sich ein kleiner Hügel, der den provisorischen weiblichen Vorkern (vor der Bildung des zweiten und unmittelbar nach der Bildung des ersten Richtungskörpers) enthält. 666 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. A. A. Böhm: 11. System 5. 180/,. Der sich zurückziehende Axenstrang ist angeschnitten. Rechts davon, im Eiraum, das erste Richtungskörperchen. . 12. System 2. ®/,. Die helle birnförmige Höhle enthält äusserst feine punktförmige Dotterelemente; sie entspricht, wahrscheinlich, dem C. F. Sarasin’schen „Dotterherd“. 5. . 13a. System 7. 370/,. Stadium des sich zurückziehenden Zapfens. Die Hauptmasse des Polplasmas stellt eine unter der Eioberfläche liegende, diese (von innen) tangirende Kugel dar. Der Spermakopf ist ein homogener, wenig gekrümmter Stab. Die gefaltete Membran ist etwas dicker geworden. .13b. !/ı; Hom. Imm. Der Spermakopf der vorhergehenden Figur stark vergrössert. . 14. 1/8, Oel-Imm. Der Spermakopf ist schwach S-förmig gebogen, er ist unsegmentirt und mit einem kurzen, nicht färbbaren, fadenför- migen Anhang versehen; dieser letztere ist wahrscheinlich der sich auflösende Schwanz des Zoosperms. 10% 15. System 7. 370%/,. Bildung des zweiten Richtungskörperchens. Das sich abschnürende Richtungskörperchen enthält deutliche Fäden, die an der Abschnürungsstelle dichter gelagert sind; sie divergiren im Polplasma wieder, um unbestimmt darin aufzuhören. Unterhalb der Abschnürungsstelle liegt ein sich färbender Körper, der weibliche Vorkern, und um ihn herum ist ein zwar schwach, aber deutlich gefärbter Hof zu sehen. 16 a und b. System 7. 3%/,. Fig. a zeigt ein abgeschnürtes zweites Richtungskörperchen. Fig. b stellt den nächsten Schnitt derselben Serie dar. Das kugelige chromatische Gebilde, welches dicht unter der Oberfläche des Eies im Polplasma liegt, ist der nur wenig hinabgerückte weibliche Vorkern. 17. System 5. 180/,. Zwischen der Eischale und dem mit der Befruch- tungsmembran überzogenen Polplasma liegen die beiden Richtungs- körper; dicht unter der Dotterhaut, in der Axe des Eies ist der läng- liche weibliche Vorkern zu sehen. 18. 1/j; Hom. Imm. Kopf eines Spermatozoons, aus diesem Stadium, stark vergrössert. Es ist stabförmig, nicht gleichmässig dick, ein wenig gekrümmt, ungegliedert. 15°. 19. System 7. 3%/,. Der weibliche Vorkern (?) kurze Zeit nach der Bildung des zweiten Richtungskörpers. Er liegt zum grössten Theil im Polplasma unmittelbar unter der Eioberfläche in der Axe des Eies, prominirt zum kleineren Theil hügelartig in den Eiraum und Fig. Fig Fig Fig. Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. 667 ist diffus geworden, Rechts ist ein Spermakopf mit daneben liegen- der Strahlenfigur zu sehen. . System 5. 180/,. Ein anderes Ei des gleichen Stadiums; dasselbe Verhältniss der Lage und des Aussehens des weiblichen Vornkerns EEE zeigend, wie die Fig. 19. . 1/ıg Hom. Imm. 1100/,. 15 Minuten nach dem Besamen ist der Sperma- kopf immer noch ungegliedert. Man sieht das erste Auftreten einer Sonnenfigur. Das Centrum der Sonne liegt ausserhalb des Sperma- kopfes im Polplasma ; es ist ein ungefärbtes, glänzendes, kugeliges Körperchen, welches einem Polkörperchen, einer Spindel etwa, ähnelt, 30‘. 22a. System 7. 3%/,. Das Polplasma hat eine plan-convexe Gestalt an- genommen; die plane Fläche fällt mit der Oberfläche des Eies zu- sammen und ist von der Dottermembran überzogen. Zwischen der unregelmässig convexen inneren Fläche des Polplasmas und dem Dotter ist die gefaltete Membran immer noch vorhanden. .22b. 1/ı; Hom. Imm. 1100/,. Der weibliche und der männliche Vorkern der vorhergehenden Fig. 22 a stark vergrössert. Der weibliche ist nur wenig tingirt, kugelig, homogen. Der männliche besteht aus vier in einer Geraden liegenden Stücken, die Spermatomeriten. Diese liegen an der Peripherie eines Hofes, welcher das Centrum einer Strahlung bildet; der Hof selbst wird von keinem Strahl durchsetzt. g. 23a, b und c. 1 Oel-Imm. 1100/),. Drei Spermatozoenköpfe, den Zer- fall derselben in je vier in einer geraden Linie liegende, kugelige Stücke, Spermatomeriten, zeigend. .23d. 1/ıg Oel-Imm. Der Spermakopf ist in fünf Meriten zerfallen, die zusammen eine asymetrische Schleife bilden, 30° nach dem Besamen. 45°, . 24. System 7. 370/,. Der aus fünf Meriten zusammengesetzte Spermakopf befindet sich in der Mitte eines länglichen pelluciden Hofes, welcher von einer Strahlung umgeben ist. Links davon, in der Eiaxe, sieht man den blassen, weiblichen Vorkern liegen. 1h. .25a. System 7. 3%/,.. Im sich zurückziehenden Polplasma, welches durch die gefaltete Membran von dem Dotter geschieden ist, liegen die in Copulation begriffenen Vorkerne. 25 b. !/ı; Hom. Imm. 1100%/,. Die Vorkerne der Fig. 25 a stark vergrössert. Der weibliche, von ellipsoider Gestalt, ist mit Kernmembran und Chromatinkörnchen versehen. Der männliche lässt fünf Spermato- meriten erkennen; diese stehen in einer Geraden, die sich mit der Eiaxe unter einem rechten Winkel kreuzt. Sie liegen in einer fein- granulirten Masse, welche von einer Strahlenfigur umgeben ist. 668 Fig. 26. A. A. Böhm: Die eben erwähnte Masse sowohl, als auch die Strahlen fehlen völlig auf der Seite des weiblichen Vorkernes. 1; Hom. Imm. 1100/. Der weibliche Vorkern wie in der vorherge- henden Figur. Der männliche Vorkern liegt dem weiblichen etwas näher wie in Fig. 25 an; er besteht aus fünf Meriten, die einen Haufen bilden. In der Figur, rechts oben von dem männlichen Vor- kern, diesem wie eine Haube anliegend, bildet eine granulirte rund- liche Masse das Centrum einer Strahlung, welche auf der Seite des weiblichen Vorkerns durchaus fehlt. . 1/ig Hom. Imm. 1100/,. Illustrirt den weiblichen Vorkern, eine Stunde nach der Besamung. Die Kernmembran, die Nucleolen und chro- matischen Netze sind gut zu sehen, an der Oberfläche sieht man hügelige Prominenzen. 1,5h. Fig. 28a. System 7. 370/,. Das Polplasma ist tiefer hinabgerückt; die Haupt- masse desselben bildet eine Kugel, deren Centrum 0,1mm vom ani- malen Pole des Eies entfernt ist; sie ist durch ein schmales, cylin- drisches Stück, welches sich an der Eioberfläche trichterförmig ver- breitert, mit der Peripherie des Eies verbunden. Die gefaltete Mem- bran ist dünner geworden. Der provisorische Furchungskern liegt annähernd in der Axe des Eies, in der kugeligen Hauptmasse des Polplasmas; er ist in dieser nicht central, sondern excentrisch, in der dem Centrum des Eies näheren Hälfte gelegen. Fig. 28 b und c. 1/ıs Oel-Imm. 110/,. Fig. b und ce stellen den provisorischen Fig. 29. Furchungskern der vorhergehenden Figur bei einer starken Ver- grösserung dar; er ist durch den Schnitt halbirt worden. — Auf der Fig.28b sehen wir drei Spermatomeriten und neun Ovomeriten (Derivate des Eikernes); auf Fig. 23 c zwei Spermato- und etwa sechszehn Ovomeriten. Die Spermatomeriten und die Ovomeriten sind leicht von einander durch Grösse und Färbbarkeit unterscheid- bar ; die ersteren sind gross und blass, die letzteren kleiner und dunkel. In der Fig. b tritt uns eine Strahlung entgegen; die ein- zelnen Strahlen berühren die Meriten nicht. 2h. System 7. 370/,. Der Verbindungsstrang liegt nicht mehr axial; er mündet vielmehr in die Hauptmasse des Polplasmas, dessen Mittel- punkt axial gelegen ist, mehr von der Seite ein. Die Lage des trichterförmigen Anfangs des Verbindungsstranges am animaien Pole des Eies ist dieselbe geblieben (in der Eiaxe).. Der provisorische Furchungskern ist in der Hauptmasse des Polplasmas, in der Ver- längerung des Verbindungsstranges, zu sehen. Fig. 29 a und b. 1/g Oel-Imm. 1100/,. Der provisorische Furchungskern der Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzön Planeri. 669 Fig. 30. Fig. 29 zwei Stunden nach der Besamung, ist auf zwei Schnitten getroffen. In der Fig. b sind grössere Gebilde, Spermatomeriten und links da- von einige kleinere Kugeln, die Ovomeriten abgebildet. Rechts in der Figur sieht man eine deutliche Sonne, die eine granulirte, un- gefärbte Masse zu ihrem Mittelpunkte hat. Diese Masse liegt ausser- halb der Spermatomeritengruppe. — Fig. c stellt den unmittelbar nächst folgenden Schnitt dar. Es sind vorwiegend Ovomeriten (links liegen nur wenig Spermatomeriten) getroffen worden; sie sind kleiner als die Spermatomeriten, ihre Anzahl ist eine grössere; sie sind reicher an Chromatin, in ihrer Nähe ist keine Sonnenfigur wahrzu- nehmen. 3h. System 7. 3%0/,. Die Entfernung des in der Hauptmasse des Pol- plasmas gelegenen provisorischen Furchungskernes vom animalen Pole beträgt 0,2 mm. Der Verbindungsstrang mit der Eioberfläche ist auf dem Schnitte nicht getroffen worden; er mündet in die (in der Figur rechts oben) Ausbuchtung der Hauptmasse des Protoplasma ein. Die gefaltete Membran hat sich aufgelöst. Fig. 30 a. !/ıg Oel-Imm. 40/,. Der provisorische Furchungskern der vorigen Fig. 31. Figur stärker vergrössert. Er besteht aus zwei leicht auseinander- zuhaltenden Abtheilungen. Dieeine, stärker gefärbte, aus zahlreicheren, kleinen Elementen bestehende, stammt vom weiblichen Vorkern her (Ovomeritengruppe); die andere, weniger und grössere, blassere kugelige Stücke enthaltende, besteht aus Spermatomeriten (Sperma- tomeritengruppe); links von der letzteren (in der Figur), dicht an derselben gelagert, sieht man eine Ansammlung einer achromatischen granulirten Substanz, die das Centrum einer Strahlenfigur bildet und selbst von keinem Strahl derselben durchsetzt wird. 4h. System 7. 370/,. Der Furchungskern innerhalb des Polplasmas; rechts in der Figur mündet die enge protoplasmatische Strasse, die die Hauptmasse des Polplasmas mit der Eioberfläche verbindet, ein. Fig. 3la. System Y/jg-Oel. Imm. Der Furchungskern der vorhergehenden Figur stark vergrössert. Der linsenförmige Furchungskern lässt keine zwei Meritengruppen mehr erkennen. Die Meriten fangen an zu verschmelzen, an einigen Stellen sind bereits kurze aus Mikro- somen bestehende Ketten zu erkennen. Eine halbmondförmige, un- deutlich granulirte helle Substanz umgreift zur Hälfte den Furchungs- kern. Von der convexen Seite dieser Substanz geht eine Strahlung aus. . System 7. %0/,. Eime nicht ganz regelmässige Spindel; im Aequator liegen zu einer Platte angeordnete Mikrosomen, die zum Theil zu kurzen Ketten gruppirt sind. Die Spindelsonnen sind um je eine 670 Fig Fig Fig Fig. Fig A. A. Böhm: Ueber Reifung und Befruchtung des Eies ete. halbmondförmige granulirte Masse gruppirt, welche nicht an den Enden der Spindel, sondern auf einer Seite der Axe derselben ge- lagert sind. .33 a, b, ce und d. System 7. %0/,. Drei weitere Spindeln; die Polkörper liegen an den Enden der Spindelfasern. In der Fig. 33 a sind auch die Strahlungen miteingezeichnet. Die Mikrosomen bilden kurze, gerade und gebogene Ketten. Fig. 33 d stellt die äquatoriale Ansicht der chromatischen Platte dar. Man sieht in ihr Bildungen, die man als kurze, aus Mikrosomen zusammengesetzte Schleifen deuten kann. .33 e, f und g. System 7. %/,. Stellen das Auseinanderrücken der Mi- krosomengruppen dar. In Fig. g liegen diese dicht an der Central- masse der Polsonnen. .33 h. 1/ıg Hom. Imm. Stelit zwei sich bildende Tochterkerne dar. Um 34. die Mikrosomen haben sich helle Höfe gebildet. Es besteht jeder dieser linsenförmigen Kerne aus kleinen hellen Kügelchen (Karyo- meriten) mit einem gefärbten Korn. Die halbmondförmigen Centren der Polsonnen umgreifen zur Hälfte die Tochterkerne. System 7. 3%0/,. Spindelfigur einer Furchungskugel 7 Stunden nach der Besamung, umgeben von einer hellen, leicht sich einschnürenden Protoplasmamasse, die vom dem Polplasma abstammt. . 35 und 35 a. ®%/,. Formveränderndes und zurückweichendes Polplasma; während der Befruchtung, Bildung des Furchungskernes und Theilung des Letzteren. . 36 a und b. System ‚7. 3%). Zwei Spindeln einer Furchungskugel 8 Stunden nach dem Besamen. Fig. 37. Grösse? Zwei Zoospermien einer Turbellarie. Copie nach Prof. Kupffer. Sämmtliche Figuren mit Ausnahme der letzteren wurden von mir mit einem Zeichenprisma angelegt und von C. Krapf, Universitäts-Zeichner in München, ausgeführt. N. Kultschitzky: Ueber die Eireifung nnd die Befruchtungsvorgänge ete. 671 Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata. Von Dr. med. N. Kultschitzky, Prosector der Histologie an der Universität zu Charkow. Hierzu Tafel XXVI und XXVI. In der letzten Zeit haben die Untersuchungen der Eier von Ascaris megalocephala bezüglich des Befruchtungsactes in höchstem Grade interessante Resultate gegeben, welche die fast allgemein angenommene Befruchtungstheorie von Hertwig stark erschüttert haben. Freilich beziehen sich diese Untersuchungen bis jetzt auf eine einzige Thierart, aber das verkleinert keineswegs ihre Bedeu- tung. Dieser Umstand fordert nur, dass die Forscher von neuem diesen Process studiren müssen, und um so mehr, da in der letzten Zeit die mikroskopische Technik so grosse Fortschritte semacht hat. Es empfiehlt sich, diese neuen Untersuchungen über die Be- fruchtungsprocesse bei den dem Ascaris megacocephala nahestehen- den Thierarten zu beginnen, da solche Untersuchungen nicht nur neue Angaben geben, sondern auch bis zu einem gewissen Grade als eine Controle der bisher gewonnenen Anschauungen dienen können. Im Hinblick hierauf beschäftigte ich mich mit den Be- fruchtungsprocessen bei Ascaris marginata (des Hundes) im Labo- ratorium A. Kowalewski’s. Ich halte es für meine angenehme Pflicht dem geehrten Professor für seine Unterstützung hier meine herzliche Dankbarkeit auszudrücken. Zur Fixirung benutzte ich die Mischung von Alkohol und Essigsäure zu gleichen Theilen (nach E. van Beneden). Zur Färbung essigsaures Karmin, welches ich folgender- maassen bereitet habe: 673 N. Kultschitzky: Eine Mischung von 100 cem 30 procentiger Essigsäure und 1gr gepulverten Karmins kocht man während 2 Stunden und filtrirt nach dem Erkalten. Die so erhaltene gesättigte Karmin- lösung färbt sehr rein und energisch. Bei der Aufhellung und Einbettung meiner Präparate verfuhr ich wie früher s. dieses Arch. Bd. 31. S. 572. Ich benutzte zur Untersuchung die Objectivsysteme: 9 (Imm.) Hartnack, !/ı; (Oel-Imm.) von Zeiss und Oel-Apochromat (Bw 3, n. A. 1,40) desselben. Alle Abbildungen sind mit Hülfe des Abbe’schen Zeichenappa- rates und des ebenerwähnten Apochromates gezeichnet, die Fig. 22, 23, 24 und 26 bei Ocular Zeiss 8, die übrigen bei Oc. 4. Die Präparate wurden Herrn Prof. A. Kowalewski demonstrirt. Die weiblichen Genitalien von Ascaris marginata stellen paarige Organe dar, welche im Allgemeinen denen von Ascaris megalocephala ähnlich sind. Sie sind von mir in Fig. 1 schema- tisch abgebildet, Der Eierstock, welcher eine lange gerade Röhre bildet, macht bei b einige sehr schwer gerade zu streckende Windungen. Dieser gewundene Theil ist dadurch bemerkenswerth, dass er die Hauptmasse der Samenkörper (bei dem befruchteten Thiere) enthält. Hier findet auch dem Anschein nach die Copulation des Eies und des Samenkörpers statt, wie ich es unten zeigen werde. Im weiteren Laufe wird das Eierstocksrohr wieder gerade (e) und geht in den Uterus über (d). Die kurze gerade Abtheilung des Eierstockes enthält gewöhnlich nur eine sehr kleine Quantität Eier oder ist sogar von denselben vollkommen frei. Wie es scheint, spielt sie nur die Rolle eines Eileiters. Der Uterus im Vergleich mit dem Eierstock stellt sich sehr dick dar. Die beiden Uterusabtheilungen vereinigen sich zur ge- meinschaftlichen Scheide (e). Der Entwickelungsgang der Eizelle. Wir wollen unsere Beschreibung der Erscheinungen der Ei- reifung von den jüngsten Stufen anfangen, die wir in dem engsten Theile des Eierstocks gefunden haben. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf das sogenannte Keimbläschen. Was das Protoplasma der Eizelle anbetrifft, so spielt es vielleicht hierbei keine wesent- Ueber die Eiveifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata. 673 liche Rolle. Nimmt es auch an den Entwicklungsvorgängen Theil, so bleiben seine Veränderungen so unklar, dass wir absolut keine Möglichkeit haben dieselben näher zu bestimmen. Im Hinblick hierauf wollen wir nur die Veränderungeu verfolgen, die das Keim- bläschen erleidet. Die Structur des Keimbläschens in den jüngsten, unreifen Eiern verdient besonders unser Augenmerk und besteht in fol- gendem: Das Keimbläschen hat eine Membran, die von durchsichtigem achromatischem Kernsaft ausgefüllt ist, und ausserdem ein chro- matisches Kernkörperchen. Verfolgen wir die Veränderungen des Kerns, so können wir sehen, dass dieses chromatische Kern- körperecheninzweiStückchen zerfällt, deren eines sich intensiv mit Karmin färbt und alle Eigenschaften des Chromatins bewahrt, dasandere sich in die blasser ge- färbte gewöhnliche Kernkörperchensubstanz verwan- delt (Fig. 2 a). Ich nenne dieses blassere Stück jetzt noch nicht „Kernkörperchen“ (Fig. 26, 3, 4). In weiteren Stadien erscheint das Chromatin des Keimbläschens in der Gestalt eines Klümpcehens von unregelmfssiger und sehr verschiedenartiger Form, welche wahrscheinlich dadurch bedingt wird, dass das Chromatin be- stimmte Bewegungen macht. Die blasser gefärbte Kernkörperchen- substanz stellt sich auch in der Gestalt eines compacten Klümp- chens von annähernder Kugelform dar, die sich sehr wenig verän- dert. Es ist zu bemerken, dass wir weiter in der Richtung zum Uterus eine bedeutende Anzahl Eier finden, deren Chromatin der Keimbläschen dem Anschein nach in der Ruhe sich befindet, und stellt es sich dann in der Gestalt eines compasten rundlichen Klümpehens dar, welches sich nur durch die Färbung von der blasser bleibenden Kernkörperchensubstanz unterscheidet (Fig. 4). Nach einiger Zeit aber fängt das Chromatinklümpchen von Neuem an, seine Form zu verändern und wie es scheint jetzt viel ener- sischer, als früher. Jetzt handelt es sich nicht nur um Verände- rungen der Form. Im Gegentheil können wir einen sehr interes- santen Process beobachten, als Resultate dessen ein progressives Zerfallen des Chromatinklümpchens in ein Häufchen einzelner Körner, wie es die Fig. 5, 6, 7 und 3 zeigen, sich einstellt. In der Zeit, wann das Chromatinklümpchen seine interes- santen Verwandlungen durchmacht, bleibt die blasser gefärbte Archiv f mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 43 674 N. Kultschitzky: Kernkörperehensubstanz fast in Ruhe, sie erleidet nur unbedeutende Veränderungen ihrer Form und zerfällt bisweilen in zwei Theile (Fig. 5). Doch ist es nöthig auf eine sehr wesentliche Erscheinung hin- zuweisen, dass nämlich die blasse Kernkörperchensubstanz nach Maassgabe der Eireifung an Mächtigkeit abnimmt und im Stadium der Fig. 10 als ein typisches Kernkörperchen erscheint. Weiter verschwindet dasselbe gänzlich. Wie dies vor sich geht, ist es mir zu bestimmen nicht gelungen. Vielleicht verwandelt es sich nach und nach ebenfalls in Chromatinkörner, was uns wahrschein- lich scheint, oder es erleidet irgend welche andere Veränderungen. Diese Frage bleibt jedenfalls noch unentschieden. Copulation der Geschlechtsproduete und Abstossung der Richtungskörperchen. Den in Fig. 8 abgebildeten Stadien begegnen wir unter dem gewundenen Theile des Eierstocks, d. h. an dem Platze, wo die Eier und die Samenkörper einander begegnen, und wo folglich die Copulation der Geschlechtsproducte stattfinden kann. In der That von dieser Stelle an und in der ganzen Ausdehnung des gewun- denen Theils des Eierstocks beobachteten wir das Eindringen des Samenkörpers in die Eizelle. Vergleichen wir Fig. 8, 9 und 10, so bemerken wir leicht, dass das Keimbläschen aller dieser Eier in demselben Stadium sich befindet, aber doch ist in Fig. 9, 10 die Penetration des Samenkörpers schon zu Stande gekommen. Hier also kann man ausserordentlich leicht den Moment bestimmen, wann der Samenkörper in das Ei dringt, so wie auch den Ort des weiblichen Genitaltractus, wo dies vor sich geht. Den Process selbst der Penetration der Samenkörper stelle ich mir folgendermaassen vor: Die Eizelle, die zu einem bestimmten Grade der Reifung ge- langt ist, aber noch keine Umhüllung hat, begegnet dem Samen- körper. Das Protoplasma beider verschmilzt mit einander oder es kittet vielleicht nur zusammen; zu derselben Zeit fängt die Entwickelung der Eihülle an, die das Ei vor dem Durchdringen anderer Samenkörper vollkommen schützen soll. Also können zwei Samenkörper in ein Ei nur im Falle vollkommen gleich- zeitiger Verschmelzung ihres Protoplasmas mit dem Eiprotoplasma eindringen, was natürlich nicht oft vorkommen kann. In der Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata. 675 That beobachtet man das Eindringen zweier Samenkörper in das eine Ei nur in wenigen Fällen. Nach und nach dringt der Samenkörper in das Innere des Eiprotoplasmas, wobei vielleicht die Eigenschaft des Ersteren selbst- ständige Bewegungen auszuführen eine Rolle spielt; nur glaube ich kaum, dass dieselbe alle Translocationen, welche der Samen- körper im Eiprotoplasma durchmacht, erklären könne. Es handelt sich nämlich darum, dass der Samenkörper, nach seinem Eindringen in das Eiprotoplasma, während sehr langer Zeit in den periphe- rischen Theilen des Eies, dicht unter der Eihülle liegen bleibt. Erst zur Zeit der Abstossung der Richtungskörperchen, wann die Thätigkeit des Eiprotoplasmas bemerkt werden kann, stellt sich der Samenkörper in das Centrum der Eizelle. Auf Grund dieser freilich noch nicht ganz genügenden Angaben gelange ich zum Schluss, dass die Translocationen des Samenkörpers im Ei mehr von den Bewegungen des Eiprotoplasmas, als von denen des Samenkörpers selbst abhängen. Vom Moment, wann das Ein- dringen des Samenkörpers zu Stande gekommen ist, fangen im Keimbläschen die-weiteren und im höchsten Grade interessanten Veränderungen an. Sie bestehen in Folgendem: Fast zu gleicher Zeit verschwinden der letzte Rest der Kern- körperchensubstanz und die Hülle des Keimbläschens. Gleich nach- her fängt das Keimbläschen, welches bis jetzt seine Form bei- behalten hatte, dieselbe nach und nach zu verändern an, indem es sich in einen amöboiden Körper verwandelt. Die Fortsätze, die vom Keimbläschen abgehen, verlieren sich im Eiprotoplasma, das Keimbläschen wird mehr und mehr blass, und verschwindet unserer Beobachtung (Fig. 11. 12). Bald sehen wir nur noch schwache Reste des Keimbläschens auf irgend einer Seite der Gruppe der Chromatinkörner und dann verschwindet das Keimbläschen ohne Spur. Nur die Gruppe der Chromatinkörner, die während der ganzen Zeit sehr deutlich im sich verändernden Keimbläschen gesehen wurde, und nun ebenso- gut im Eiprotoplasma gesehen werden kann, bleibt übrig (Fig. 13, 14 und 15). Die einzigen Veränderungen der chromatischen Gruppe, auf welche wir für dies Stadium hinweisen können, bestehen darin, dass die chromatischen Körner, die im Keimbläschen dicht nebenein- ander lagen, viel mehr zerstreut und viel weniger regelmässig an- 676 N. Kultschitzky: geordnet sind. Ausserdem nehmen die einzelnen Körner mehr oder weniger deutlich eine Form von Stäbchen an. Hier erlaube ich mir eine kleine Abschweifung. Es handelt sich darum, dass in Beziehung auf das Schicksal des Keimbläs- chens noch sehr widersprechende Anschauungen existiren. Die Klärung dieser Frage erscheint doch sehr wichtig schon deshalb, weil im Zusammenhange hiermit die Frage über die Entstehung der ersten Kernspindelfigur steht. Aus der reichhaltigen Literatur wissen wir, dass die Mehrzahl der Forscher das Verschwinden, Auflösen des Keimbläschens annimmt. OÖ. Hertwig!) schreibt hierüber Folgendes: „Das Keimbläschen rückt aus der Mitte des Eies —..... : allmählich nach der Oberfläche empor, schrumpft ein wenig ein, indem Flüssigkeit in den umgebenden Dotter austritt, seine Kernmembran schwindet, der Keimfleck wird undeutlich und scheint sich schliesslich aufzulösen. Während dieser Rückbildung des Keimbläschens bildet sich wie allein bei geeigneter Behandlung mit Reagentien wahrgenommen werden kann, aus Theilen des sich auflösenden Keimflecks oder aus einem Theile der Kernsubstanz des Keimbläschens eine Kernspindel aus, also jene Form des Kernes, welche man im Thier- und Pflanzenreich im Vorbereitungsstadium zur Zelltheilung antrifft‘“ 2). Nach dieser Beschreibung löst sich also der Keimfleck in toto auf, nur aus den sich auflösenden Theilen oder aus einem Theile der Kernsubstanz bildet sich die erste Kernspindelfigur. Indem wir vollkommen damit übereinstimmen, dass das Keimbläschen auf einer bestimmten Stufe der Entwickelung des Eies verschwindet, glauben wir doch, dass eine solche volle Auflösung des Keimflecks, wie es O. Hertwig meint, nicht stattfindet. Die letzten Untersuchungen über die Eier von Ascaris mega- locephala (E. van Beneden, Boveri, O. Zacharias, Nussbaum u. a.) haben erwiesen, dass sich das Chro- matın erhal Die andere Anschauung, welche die uns interessirende Frage 1) ©. Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 2. Auflage. 1888. 2) 1. c. p. 25—26; 36. Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge ber Ascaris marginata. 677 anbetrifft, gehört ©. Zacharias!) und Boveri?). Diese beiden Autoren, welche den Process der Befruchtung bei Ascaris megalo- cephala untersuchten, leiten die erste Kernspindelfigur von den achromatischen Theilen des Keimblächens ab, so dass von deren Standpunkte aus das Keimbläschen nieht nur nicht aufgelöst, son- dern auch fast in toto in die erste Kernspindelfigur umgewandelt wird. In Bezug auf diese Anschauung halte ich es für nöthig zu bemerken, dass ich mich von der Richtigkeit der Beobachtung von OÖ. Zacharias und Boveri nicht überzeugen konnte. Jeden- falls bedürfen diese Beobachtungen noch der Bestätigung, da die- selben mit einigen festgestellten Thatsachen in Widerspruch stehen. Gegenwärtig sind wir überzeugt, dass der Process der Abstossung der Richtungskörperchen ein Process der Eitheilung ist, welche auf dem Wege der Karyomitose vor sich geht, wie es auch Boveri meint?). Daraus folgt, dass die Abstossung der Richtungskörperchen und die Segmentation des Eies im Wesentlichen auf eine und dieselbe Weise ablaufen müssen, obgleich beide Processe im physiologischen Sinne verschieden sind. Doch leitet Boveri die achromatische Spindel des ersten Richtungskörperchens aus dem Keimbläschen, aber die achromatische Spindel bei der Segmentation des Eies aus dem Eiprotoplasma her®). Wir wollen nunmehr die Beschreibung der Processe, die wir bei Ascaris marginata beobachteten, fortsetzen. Oben ist schon gesagt worden, dass einige Theile des Keim- bläschens, nämlich seine Umhüllung, achromatischer Inhalt, und das Kernkörperchen zur bestimmten Zeit nach der Copulation der Geschlechtsprodukte verschwinden. Das zurückbleibende Chromatin in Form von mehr oder weniger deutlichen Stäbchen liegt nun im Protoplasma frei. Hiernach fängt die Bildung der ersten Kern- * 1) O. Zacharias, Neue Untersuchungen über die Befruchtungsvor- gänge etc. Arch. f. mikroskop. Anatomie. Bd. 30. Heft I. S. 127 u. 148. 1857. 2) Boveri, Sitzungsberichte der Gssellschaft für Physiol. und Morphol. in München. 3. Mai 1887. 3) Boveri, Ueber die Bedeutung der Richtungskörper. Sitzungsber. der Gesellschatt für Physiol. u. Morphologie in München. II, 1836, Heft 5, p. 103. 4) Boveri, Mittheilung in derselben Gesellschaft, 3. Mai 1857. 678 N. Kultschitzky: spindelfiguren an. Die im Protoplasma zerstreuten chromatischen Stäbehen stellen sich nach und nach in eine dichtere und mehr regelmässige Gruppe zusammen, die in Form einer Platte auf dem Aequator der sich bildenden achromatischen Spindel angeordnet ist (Aequatorialplatte der Autoren). Fig. 16 stellt eine Polansicht, Fig. 17 eine Profilansicht dar. Fast immer kann man zu dieser Zeit beobachten, dass jedes Stäbehen sich in seinem langen Durchmesser in zwei theilt, d.h. die charakteristische, für Karyokinesis maass- sebende Längsspaltung erleidet. Es fragt sich nun doch, aus welchen Elementen die achro- matische Spindel entwickelt wird? Wir haben uns alle Mühe ge- geben, diese sehr wichtige Frage zu lösen und sind zu folgenden Schlüssen gelangt: Wir können die Anschauung, welche OÖ. Hertwig durch- führt, d. h. die Entwickelung der achromatischen Spindel aus den Resten des Keimbläschens, nicht annehmen, und zwar aus dem Grunde nicht, weil die oben erwähnten Theile (Kernmembran, Kernkörperchen und achromatische Substanz) sich ganz auflösen, sie verschwinden ohne jede Spur. Wir können also auch der Meinung von O. Zacharias und Boveri nicht beipflichten, welche ja ebenfalls auf das Keimbläs- chen zurückgeht. In der augenfälligen Form, wie der Vorgang von den genannten Autoren beschrieben ist, würde er bei unseren opti- schen und technischen Mitteln unserer Aufmerksamkeit nicht ent- sehen können, wenn er in der Wirklichkeit existirte. Meinerseits glaube ichh dass bei der Bildung der Riehtungskörperchen, die, meiner Anschauung nach,aufdemWegederechtenvollkommen typi- schen Karyokinese vor sich geht, die achroma- tischeSpindelfigurebenso,wieauchinanderen Fällen derZelltheilung (Segmentation desEies) sich auf Kosten des Eiprotoplasmas entwickelt. Nachdem die Längsspaltung der chromatischen Stäbchen zu Stande gekommen ist, fängt die sogenannte Metakinesis an, die Stäbchen legen sich nach und nach parallel der Theilungsaxe und wenden sich deutlich gegen die beiden Pole der achromatischen Figur (Fig. 18). Die beiden Hälften des Chromatins rücken nach und nach Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata. 679 auseinander, und bilden also die folgende Stufe der Theilung — Dyaster (Fig. 19) und zuletzt stösst sich die eine der Hälften aus dem Ei, als das erste Richtungskörperchen, ab (Fig. 20). Zu dieser Zeit verschwindet fast vollkommen die achroma- tische Spindelfigur, die im Stadium der Metakinesis sehr deutlich ausgeprägt war. Der im Ei verbliebene Theil des Chromatins, welcher im Moment der Abstossung des ersten Richtungskörperchens fast ein compactes Klümpchen darstellt, zerfällt wieder in Stäbchen (Fig.21). Diese letzten erleiden ebenfalls eine Längsspaltung und wer- den auf dem Aequator der wieder sich bildenden achromatischen Spindel angeordnet (Fig. 22). Diese zweite achromatische Spindel ist niemals so scharf wie die erste ausgeprägt und meiner Meinung nach bildet sie sich ganz unabhängig von derselben, abermals auf Kosten des Eiproto- plasmas. Die Fäden dieser Spindel sind ausserordentlich fein, obgleich sie im Stadium der Metakinesis deutlich gesehen werden können (jedoch nur mittelst eines guten Objectives). Bei der Abstossung des zweiten Richtungskörperchens beob- achten wir weiterhin dieselben Erscheinungen, die wir bei der Ab- stossung des ersten gesehen haben. Die beiden Hälften der achromatischen Gruppe rücken nach und nach auseinander (Fig. 23) und die eine derselben tritt aus dem Ei, indem sie ein zweites Richtungskörperchen bildet (Fig. 24). Ein zu dieser Zeit fast compact erscheinender Theil des Chro- matins, der im Ei zurückgeblieben ist, zerfällt wieder in Stäbchen (Fig. 25). Also ist die Abstossung des zweiten Richtungskörperchens eine buchstäbliche Wiederholung der bei der Abstossung des ersten beobachteten Erscheinungen. Der letzte Rest des Chromatins geht auf in die Bildung des weiblichen Pronucleus. Bildung der Pronuelei, Zahl und Bau derselben!). Wir haben gesehen, dass nach der Abstossung des zweiten Riehtungskörperchen im Ei ein Theil des Chromatins zurückbleibt, 1) Meine Untersuchungen in Bezug auf dieses im höchsten Grade in- teressante Capitel wurden verhängnissvoller Weise unterbrochen. Ende April und Anfang Mai habe ich mehr als 15 Hunde secirt und kein einziges Exem- 680 N. Kultschitzky: der eine Gruppe von schwach gefärbten Stäbchen darstellt. Bald entsteht um diese Gruppe eine Membran und fast gleichzeitig ein sehr grosses Kernkörperchen. Auf diese Weise bildet sich der Pronucleus femininus. Was die Bildung des Pronueleus maseulinus betrifft, so erscheint sie nach dem mir bis jetzt zu Gebote stehen- den Untersuchungsmaterial noch weniger klar. In dieser Be- ziehung kann ich nur Folgendes mittheilen: Der Samenkörper, indem er das Centrum der Eizelle erreicht, verliert seinen hellen konischen Theil und darauf verschwindet allmählich auch sein Protoplasma. Dabei erhält dasselbe kein Ver- mögen sich mit Karmin zu färben, was wir in den Eiern von As- caris megalocephala beobachten. Der Kern des Samenkörpers, der gewöhnlich in der Form eines kleinen compaeten Klümpchens sich darstellt, verändert sich wenig während der Abstossung der Rich- tungskörperchen. Freilich kann man auch einige Formverände- rungen beobachten, aber dieselben sind gering. Es ist ein Factum, dass bei der Abstossung des zweiten Richtungskörperchens der Kern des Samenkörpers sehr deutlich in der Form eines mit Karmin stark gefärbten Stäbchens oder Kernes zu sehen ist. Dem Anschein nach steht er noch mit seinem Protoplasma im Zusammen- hange. Aber im folgenden Moment, wenn der Pronueleus femini- nus sich zu bilden anfängt, verschwindet der Kern des Samen- körpers aus dem Auge. Bei genaueren Untersuchungen ist es mir jedoch gelungen, mich zu überzeugen, dass dies Verschwinden durch Zerfall des Samenkernes in ein Häufehen von Chromatinkörnern bedingt wird. Um diese chromatische Gruppe bildet sich dann eine Membran, deren Inhalt nicht nur chromatische Körner, sondern auch ein blasser sich färbendes Kernkörperchen und die chromatische Sub- stanz ist. | In Bezug auf die Bildung der Pronuclei, ungeachtet aller Unvollkommenheit meiner Beobachtungen, halte ich es für möglich zu constatiren, dass beide Pronuclei ganz selb- ständig, und ganz von einander unabhängig ent- plar des Ascaris marginata gefunden. Im Hinbliek darauf, dass vielleicht die Ascariden den Darmkanal auf einige Zeit verlassen können, habe ich meine Arbeit verschoben, in der Hoffnung, dieselbe bald fortzusetzen. Hier theile ich das, was mir bis jetzt zu beobachten gelungen ist, mit. Ueber die Eireifung und die Befruchtungsvorgänge bei Ascaris marginata, 681 stehen, und dass der Pronucleus femininus nur das Chromatin des Eies, und der Pronucleus masculinus nur das desSamenkörpers enthält. Im Ei von Ascaris marginata findet man gewöhnlich zwei Pronuclei. In seltenen Fällen gibt es nur einen Pronucleus. Eier mit drei Pronuclei habe ich nicht beobachtet. Der Bau beider Pronuclei ist vollkommen gleich. Jeder be- steht aus folgenden Theilen: 1) Einer Hülle, die aus der achromatischen, stark lichtbrechen- den Substanz besteht. 2) Den chromatischen Stäbchen oder Körnern, die dieht unter der Hülle angeordnet sind. 3) Der chromatischen Substanz, welche die Hauptmasse des Kernes bildet, und in welcher wir eine bestimmte Structur sehen können, nämlich — ein Theil dieser Substanz wird in der Art eines Netzes von feinsten Fädchen, als das Stroma dargestellt, der andere Theil aber füllt die Zwischenräume dieses Netzes aus. 4) Jeder Pronucleus hat ein grosses, sehr charakteristisches Kernkörperchen (Fig. 26). Schlussfolgerungen: 1) Bei der Beschreibung der ersten Stadien der Entwickelung des Eies haben wir gesehen, dass das Chromatin des Keimbläs- chens und die (blasser sich färbende) Kernkörperchensubstanz aus einer und derselben Quelle entstanden sind. Diese Beobachtung beweist die schon längst ausgesprochene Meinung (Flemming), dass die chromatische Substanz und das Kernkörperchen nach ihren Eigenschaften miteinander verwandt sind, und ausserdem, dass die Kernkörperchensubstanz unter Umständen, z. B. bei der Zell- theilung (und in unserem Falle bei der Reifung des Eies), in Chromatin sich umwandeln kann. 2) Das reife Ei zeigt folgende charakteristische Kennzeichen: a) Das Chromatin des Keimbläschens erleidet specifische Ver- änderungen, indem es in eine Gruppe von Stäbchen umgewandelt wird. Die Quantität und die Grösse derselben sind für verschie- denen Eiarten verschieden. b) Die anderen Bestandtheile des Keimbläschens verschwinden ohne Spur. 682 N. Kultschitzki: Ueber die Eireifung und die Befruchtungvorgänge etc. c) Das reife Ei erhält das Vermögen eine Hülle abzuscheiden. Dieses Vermögen erreicht seine. vollkommene Entwickelung nur nach der Copulation mit dem Samenkörper. Die unbefruchteten Eier haben niemals die für das befruchtete Ei charakteristische Hülle und bilden niemals eine secundäre (innere) Hülle. 3) Die achromatische Substanz, welche beide Spindeln bei der Abstossung der Richtungskörperchen bildet, entsteht aus dem Eiprotoplasma, wie bei jeder anderen Theilung des Eies. 4) Die Abstossung der Richtungskörperchen ist ein ächter typischer Process der indirekten (karyomitotischen) Theilung. Deswegen muss man die Richtungskörperchen als Zellen, welche vom Ei mit sehr geringer Menge des Protoplasmas abgetheilt worden sind, betrachten. 5) Wie aus der vorhergehenden Beschreibung zu sehen ist, weicht der Bau der Pronuclei bedeutend von dem allgemein ange- nommenen Schema der Kernstructur darin ab, dass sein Gerüst die achromatische Substanz bildet; dieselbe zusammen mit der Hülle bestimmt die Form des Pronucleus. In anderen Zellkernen ist angenommen (nach Flemming), dass das Gerüst des Kernes aus Chromatin besteht. Zukünftige Untersuchungen werden natür- lich zeigen, ob dieser Unterschied in der That existirt, oder ob er nur als Resultat der Unvollkommenheit unserer Kenntnisse über den Kernbau betrachtet werden muss. 6) Das Studium der Entstehung der Pronuclei hat eine ausser- ordentliche Bedeutung im Hinblick darauf, dasser, wie mir sieh’enint, die einzine Moss lichikestt sit, deses Roneı- wickelungsgeschichte des Kernes zu verfolgen. Dr. W. Kochs: Eine neue Beleuchtungsmethode ete. 683 (Aus dem pharmakologischen Institut zu Bonn.) Eine neue Beleuchtungsmethode mittelst eigen- thümlich geformter Glaskörper. Von Dr. W. Kochs, Docent a. d. Universität Bonn. (Deutsches Reichspatent Nr. 42818 vom 29. Juli 1887 von Dr. W. Kochs und Max Wolz, Mechaniker in Bonn.) Hierzu 1 Holzschnitt. Um einen nicht selbst leuchtenden Körper deutlich sehen zu können, muss derselbe von einem selbstleuchtenden geeignet und hinreichend beleuchtet werden. Die Beleuchtung steht nun im um- gekehrten Verhältniss zum Quadrate der Entfernung und im ge- raden zum Sinus des Neigungswinkels der beleuchteten Flächen. Im dunklen Zimmer sieht man eine gegen die Strahlen eines Lichtes senkrecht gestellte Fläche mit der Entfernung von dem- selben dunkler werden, und ebenfalls wird sie dunkler, wenn sie schräger gestellt wird. Diesen Gesetzen verdanken wir die Er- kennung der Oberflächengestaltung der Körper. Wenn man nun einen dunklen Körper beleuchtet, so sind in Folge des dem Quadrate der Entfernung proportionalen Lichtver- lustes sehr bedeutende Liehtintensitäten erforderlich, falls die Ent- fernung nicht sehr gering ist. Ist es ferner erforderlich den Licht- strahlen durch Spiegel einen besonderen Weg anzuweisen, so geht durch die stets mangelhafte Reflexion des Lichtes von den spiegeln- den Flächen nochmals ein erhebliches Liehtquantum verloren. Diese Uebelstände bei der bisher üblichen Fortleitung des Liehtes zu Beleuchtungszwecken sind bei wissenschaftlichen und technischen Apparaten vielfach hinderlich gewesen. Darum dürfte für manche Zwecke die im Folgenden beschriebene Beleuchtungs- methode erhebliche Vortheile bieten. 684 Dr. W. Kochs: Dieselbe beruht auf der Totalreflexion, welche Licht- strahlen unter gewissen Umständen an der Trennungsfläche zwischen Glas und Luft erleiden, wenn sie die Richtung aus dem Glase heraus in die Luft haben. Denken wir uns im Inneren eines von ebenen Flächen be- srenzten Glasblockes eine Lichtquelle, so werden die Strahlen, welche senkrecht auf die Begrenzungsflächen fallen, ohne ihre Rich- tung zu ändern austreten. Die schräg auffallenden werden nach dem allgemeinen Brechungsgesetze vom Lothe abgelenkt werden. Da nun die Ablenkung beim Uebertritt von Glas in Luft — Sub- stanzen von sehr verschiedener Dichte — ziemlich bedeutend ist, so werden die schräg auf die Begrenzungsflächen fallenden Strahlen zum Theil in die Begrenzungsebenen hinein gelangen, respective die noch schrägeren in das Innere des Glasblockes hinein reflectirt werden. Dieses findet statt bei Glas und Luft, wenn der Ausfall- winkel etwa 403%/,° und weniger beträgt. Unter Berücksichtigung dieses physikalischen Gesetzes der Totalreflexion lassen sich Glaskörper herstellen, welche Licht, nachdem es einmal in dieselben eingetreten ist, durch fortgesetzte Totalreflexion in sich nach einer Richtung weiterleiten, bis es an eine Fläche gelangt, welche einen Winkel zum Strahlengang von mehr als etwa 42° hat, wo es austritt. Wenn Licht in einen Glasstab mit rechtwinkeliger Schnitt- fläche parallel der Längsrichtung oder wenig schräg einfällt, so kann es den Stab nicht mehr verlassen und müsste, wenn nicht ein Theil durch das Glas absorbirt würde, am anderen Ende in gleicher Stärke ausstrahlen. Das Gleiche findet statt, wenn der Glasstab nur so wenig gebogen ist, dass die Grenze der Total- reflexion nicht überschritten wird. Glasstäbe können ausserdem etwas verjüngt werden, ohne, dass Licht seitlich austritt. Es ist daher möglich Licht durch ganz reines Glas mit tadellosen Sei- tenflächen ohne erheblichen Verlust fortzuleiten. Der Stab kann selbst in einer Curve his zur völligen Umkehr gebogen sein. Da man das eine Ende eines Glasstabes leicht in unmittel- bare Nähe eines Lichtes bringen kann und das andere Ende in die Nähe eines Objectes, welches die direete Nähe der Lichtquelle nicht erträgt, so kann man auf diese Weise z. B. mikroskopische Präparate sehr hell, und, da das Licht in Folge der sorgfältig aus- probirten Krümmung des Stabes gleichmässig zerstreut austritt, für die Wahrnehmung der richtigen Verhältnisse sehr günstig be- Eine neue Beleuchtungsmethode mittelst eigenthüml. geformter Glaskörper. 685 leuchten. Die leicht bei starken Vergrösserungen zu Irrthümern führenden Schatten werden ganz vermieden. Im Allgemeinen sind die Ansichten über das Wesen der günstigsten Beleuchtung beim mikroskopischen Sehen noch nicht sehr geklärt, wie dieses von Nägeli und Schwendener in ihrem Buche: „Das Mikroskop.“ 2. Aufl. 1877. S. 92 des Weiteren auseinander gesetzt wird. Den ziemlich kostspieligen Abbe’schen Beleuchtungsapparat ersetzt eine Beleuchtung durch Glasstäbe sowohl bei gutem Tages- licht, vor allem aber bei künstlicher Beleuchtung. Wahrscheinlich wird es sich für die Zukunft empfehlen von dem sehr variablen Tageslicht zu mikroskopischen Untersuchungen überhaupt abzu- sehen und eine constante künstliche Lichtquelle zu verwenden. Nach meinen Versuchen zweifle ich nicht, dass die Mikroskopiker sich bald hierfür entscheiden werden, zumal in unseren Klimaten, wo mehr wie die Hälfte des Jahres trüber Himmel vorherrscht. Für den besprochenen Zweck eignen sich die gewöhnlichen im Handel vorkommenden Glasstäbe nicht, da dieselben, obwohl in der Querrichtung ziemlich &urchsichtig, in der Längsrichtung voller Unreinheiten sind und zumeist nur rothes oder blaues Licht durch- lassen, alles andere aber absorbiren. Die Unreinheiten sind meist so stark, dass trotz geschliffener Endflächen schon kurze Stücke in der Längsrichtung fast kein Licht mehr durchlassen. Mit Herrn Mechaniker Max Wolz hier habe ich eine grosse Menge Versuche zu genannten Zwecken angestellt. Da aber keine für die beabsichtigten Wirkungen nur in etwa genügenden Glas- stäbe im Handel zu erhalten waren, sind wir genöthigt gewesen besondere anfertigen zu lassen. Mittelst dieser von Herrn Wolz sorgfältig ausgewählten Stäbe und den geeigneten Correcturen durch farbige Gläser gibt die damit armirte Mikroskoplampe ein hohen Anforderungen genügendes Licht. Die umstehend beigefügte Zeichnung illustrirt den ganzen Apparat, sowie seine Anwendung bei jedem mikroskopischen Stative. Eine kleine ruhig brennende Petroleumlampe ist durch eine an ihrem Bassin befindliche Hülse mit Schraube an einem senkrechten Metallstabe leicht höher und tiefer zu befestigen. Um den gläsernen Cylinder befindet sich ein winkelig gebogener Conus aus Sturz- blech. In der Höhe der hellsten Partie der Flamme ist die innere Fläche mit Niekelblech belegt, um alles Licht möglichst auf die eine Austrittsdüse zu werfen, in welcher der etwas schräg abge- 686 Dr. W. Kochs: Eine neue Beleuchtungsmethode ete. schnittene Glasstab sitzt. Die Biegung desselben ist so gewählt, dass fast kein Licht verloren geht und die nach aufwärts zeigende Austrittsfläche leicht auch unter die niedrigsten Objecttische kleiner Stative gebracht werden kann. Bekanntlich kann die für die Baeillen- untersuchungen bisheran nöthige Abbe’sche Beleuchtungsvorrich- tung nur an grossen und hohen Stativen verwendet werden und es muss stets eine besondere Befestigung angebracht werden. Durch Höher- und Tieferstellen der Petroleumlampe, sowie geeignete Blenden wird man leicht ganz vorzügliche Bilder erhalten. Die hohe Lichtintensität ermöglicht die Anwendung starker Oculare. Durch Umärehen des Stabes um seine Achse und entsprechende Höherstellung der Lampe kann man auch undurchsichtige Gegen- stände sehr gut von oben beleuchten. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, dass mittelst des Glasstabes sich leicht kleine Hohlräume beleuch- ten lassen und schwer zugängliche Flächen mit dieser, ich möchte sagen, leuchtenden Sonde genau abgesucht werden können. Da immer nur eine kleine Stelle hell wird, so ist die Aufmerksamkeit concentrirt und manches, was bei totaler Beleuchtung übersehen würde, wird entdeckt. Der im Vergleich mit anderen Beleuchtungs- apparaten geringe Preis der beschriebenen Vorrichtung, sowie ihre vielfache Verwendbarkeit zu wissenschaftlichen und selbst techni- schen Zwecken, wo es sich um Beleuchtung einzelner schwer zu- gsänglicher Stellen handelt, dürfte viele Vortheile bieten. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. AnnunEnn 3 2044 0 Ba