Ehepaare nn SEE gone ABER TE rasante nn ne oo Pan een er me enge EIURLTRTRRTNE Received Accession No. *,*No book or pamphlet is to be removed from the _ oratory without the permission of the Trustees, Ru BR A ıb nr LTE, y ar Archiv Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. nnnnnnn u nn Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Siebenunddreissigster Band. Mit 40 Tafeln und 4 Holzschnitten. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1891. E EEE en rl ie wie 0 gi Zus uhlrärl An: Era R Er .) EA 5 uno ni gi0s% 13) a) ni\zsyodkeW :W ai - 4 5 nd i BIT, IR VS FIR ET ren »FLnE FE ht ae 4 vuads! a] 3 start ip BR 44 y Pa N Fran DAS N9FE un war Mareike or ARE Fl I. = 6 nd 5 Du Inhalt. Zur Entwicklungsgeschichte und feineren Anatomie des Hirn- balkens. Von Dr. L. Blumenau. (Aus dem I. anatomi- schen Institute in Berlin.) Hierzu Tafel 1. Imprägnation des centralen Nervensystems mit Quecksilbersalzen. Von W. H. Cox, Arzt an der Irren-Anstalt zu Deventer. EETZOR Nase] TI Sara en ae BE ee : Beiträge zur Histologie des Blutes. Von Dr. med. et phil. H. Griesbach, Kaiserl. Oberlehrer u. Privatdocent. Hierzu rare bleu Ve Er er, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. Von Max Wolters. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Bonms)t ierzu® Tate VF-NIITN Ra Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen über ihre Entwicklung. Von Prof. Dr. Ribbert, erstem Assi- stenten am pathologischen Institut zu Bonn. Hierzu Tat. IX. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. Von James Loewv in Berlin. (Aus dem Laboratorium des Herrn Dr. Blaschko.) Hierzu Tafel X und 1 Holzschnitt. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie nebst einigen Bemer- kungen über die unveränderten Follikel in den Eierstöcken der Säugethiere. Von Dr. J. Schottlaender. Hierzu TEEN ehe Ta a er re ae Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XH. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten, und über deren Attractionssphären. Von W. Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XIII und XIV.. EURE HNEN , Ih Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. Von Prof. Dr. F. Marcehand in Marburg. Hierzu Tafel NIT NE Te ae ER ; Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. Von Prof. E. Klebs Is Aueh PNerzur Fate UL. ur 2.07 2 Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta bei der Katze. Von Prof. F. Heinricius in Helsingfors. Hierzu rate RN UT EEE N: Seite 16 I) [80) 39 192 239 249 1V Inhalt. Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung in der Iymphati- schen Randschicht der Salamandrinenleber. Von Dr. E. Göppert. (Aus dem Il. anatomischen Institut der Uni- versität zu Berlin.) Hierzu Tafel XX.. . Versuche zur funetionellen Anpassung. VonD.Barfurth. (Aus dem vergleichend-anatomischen Institut in Dorpat.) Hierzu atel RI, ee Zur Regeneration der Gewebe. Von D. Bartfurth. (Aus dem vergleichend-anatomischen Institut zu Dorpat.) Hierzu Tafel NXII—XXIV. Zur Kenntniss der Grundsubstanz und der Saftbahnen des Knor- pels. Von Dr. M. Wolters in Bonn. (Aus dem anatomi- schen Institut zu Bonn.) Hierzu Tafel XXV. . „ . .. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXVI—-XXX u. 1 Holzschnitt. 3eitrag zur Lehre von der Entstehung der karyvokinetischen Spindel. Von Dr. F. Hermann. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Erlangen.) Hierzu Tafel XXXI und»2>Holzschnitte: 7:3... We: Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. Von Max Goldberg zu St. Petersburg. Hierzu Tafel XXXI. Die Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause) in der Cor- nea und Conjunctiva bulbi des Menschen. Von A. S. Do- giel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk. Hierzu’ Tafel XRXIIl und ARXIV. ..% r . Ueber die Entwickelung des Uterus und der Vagina beim Men- schen. Von Dr. med. W. Nagel, Privatdocent, Assistenz- arzt der geburtshülflich-gynäkologischen Univ.-Klinik des Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Gusserow zu Berlin. (Aus dem I. anatomischen Institut in Berlin.) Hierzu Tafel XXXV u. XXXVI. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma und die Contraction der quergestreiften Muskelfasern. Von Prof. Dr. A. Rollett in. Graz. Hierzu Taiel -ARXVIr 2202 Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Tl. Theil. Von W.Flem- ‚ming in Kiel. Hierzu Tafel XXXVII, XXXIX u. XL. Seite 406 502 620 654 685 (Aus dem I. anatomischen Institute in Berlin.) Zur Entwicklungsgeschichte und feineren Anatomie des Hirnbalkens. Von Dr. L. Blumenau. Hierzu Tafel 1. Der Hirnbalken der Säugethiere entwickelt sich erst in späteren Stadien, ja von allen Theilen des Gehirns am spätesten (Mihalkovies). Bekannt ist, dass diese grosse Commissur des Vorderhirns unter partieller Verwachsung der medialen Flächen beider He- misphären entsteht und zwar innerhalb desjenigen Gebietes, wel- ches zuerst von F. Sehmidt unter dem Namen des Randbogens eingehend beschrieben ist !). Nach diesem Forscher bildet sich schon sehr früh (beim menschlichen Embryo etwa im Anfange des dritten Monats) oberhalb der Fissura choroidea eine tiefe Furche, Bogenfurche, die aus der medialen Wand der Hemisphäre einen die obere Seite der Fissur umzingelnden Halbring oder Rand- bogen abgrenzt. — Die Bogenfurche entspricht in ihrem vorderen oberen Theile dem Suleus eorporis callosi, welcher den Bal- ken vom Gyrus corporis eallosi trennt; in ihrem hinteren unteren Theile der Fissura hippocampi. Der Randbogen bleibt aber keime einfache Windung, son- dern zerfällt in zwei bogenförmige Wülste — den äusseren 1) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Zeitschrift f. wissenschaftliche Zoologie, 11. Bd. 1862. -—— Aeltere Angaben findet man in dem unten angeführten Werke von Mihalkovies. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 1 Re) Blumenau: (oberen nach Kölliker) und den inneren (unteren) Rand- bogen. Der sich entwickelnde Balken bricht nun nach Schmidt in der Grenzlinie zwischen den beiden Randbogen her- vor; der äussere Randbogen läuft demnach über den Balken hin und bildet die Stria teeta mit der Fasciola einerea und die Stria alba Laneisii; in dem inneren tritt ein Längsfaserzug auf, wel- cher das Gewölbe sowie das Septum pellueidum bildet. Der Bal- ken selbst entwickelt sich, nach dem genannten Verfasser, „durch Verwachsung der gegen einen bestimmten Punkt eonvergirenden Fasern“ beider Hemisphären; dieser Punkt liegt oberhalb der vorderen, vertical stehenden Abtheilung des unteren Randbogens, d. h. der Abtheilung des letzteren, aus welcher der vordere Ge- wölbeschenkel sich ausbildet. Die zuerst entstandene Commissur entspricht nicht einem Theile des Balkens, sondern dem ganzen Balken, gleichsam in nuce. Das weitere Wachsthum desselben geschieht, wie das der Hemisphären, vorzüglich in die Länge; auch nimmt seine Längsaxe an der Krümmung der Hemisphären allmählich Theil. Kölliker!!) vertritt im Allgemeinen dieselbe Anschauung wie F. Schmidt. „Der Balken wird gleich in toto angelegt und wächst später nur in die Länge, setzt aber an den Enden keine neuen Theile an.“ Der obere Randbogen kommt an die obere Seite des Balkens zu liegen und wandelt sich später in die Stria alba Laneisii und die Stria teeta, sowie in die Fascia den- tata des Ammonshorns um. Aus dem unteren Randbogen, wel- cher sich, nach K., nach vorne zu in die Schlussplatte der He- misphären fortsetzt, entsteht das Crus posterius fornieis mit der Fimbria; der vordere und mittlere Theil des Gewölbes entwickelt sich aus der embryonalen Schlussplatte. Hinsichtlich der feineren Verhältnisse ist folgende Bemerkung (l. e. S. 531) Kölliker's hierher zu ziehen: K. hat beim Kaninchen die ersten sicheren Spuren des Balkens am 18. Tage gesehen und zwar in Form einer Lage querer Fasern, welche an der medialen Wand der Hemisphären dieht über und vor der Schlussplatte ihre Lage hat. Diese Fasern grenzen zuerst an die primitive Sichel, durchwachsen dieselbe jedoch bald, so dass am zwanzigsten Tage der Balken in seinem freien Theile ganz gebildet ist. 1) Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere, Leipzig, 1879. 2. Aufl. Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 5 Die Entwicklung des Balkens wurde endlich, als Gegen- stand speeieller Untersuchung, von v. Mihalkovies'!) behandelt, der den in Rede stehenden Vorgang folgendermaassen beschreibt. Bei Säugethieren geht der Entwicklung der Commissuren- systeme eine Verwachsung der Hemisphären vor der embryonalen Schlussplatte voran. Die Verwachsung geschieht in einem drei- eckigen Gebiete, dessen Spitze nach unten gerichtet ist, und dessen kurze Basis nach oben bis über das Monroe’sche Loch hinaufreicht. Ueber der verwachsenen Stelle (der Scheidewand) beginnt eine Furche, die von dort an der medialen Wand der Hemisphäre bogenförmig bis zum#Ende des Schläfenlappens hinunterzieht; sie wird Ammons- oder Bogenfurche genannt und grenzt von der übrigen Hemisphärenwand den halbzirkelförmigen Theil, den Randbogen ab. Die verwachsene Scheidewand besteht Anfangs nur aus rundlichen embryonalen Zellen. Bald treten aber hier verschie- dene Commissurensysteme auf und zwar zuerst die vordere Com- missur, dann das Gewölbe und zuletzt der Balken. Der letztere erstreckt sich Anfangs nur auf den oberen Theil der Scheidewand und liegt also ganz vor dem dritten Ventrikel. Dieser zuerst entstandene Balken entspricht dem Knietheil des ausgebildeten Organes; die weitere Entwicklung desselben schreitet nach rück- wärts allmählich fort, indem die Randbogen beider Seiten sich über dem dritten Ventrikel an einander legen und dann von vorne nach hinten verwachsen. Gleich nach der Verwachsung differenziren sich in ihnen die Balkenfasern (ebenso wie das früher in den Scheidewänden stattfand), so dass der Balken seine de- finitive Länge durch eine Art Apposition nach hinten, nicht durch eine Intussusception neuer Fasern (wie Schmidt und Köl- liker meinen) erhält. Beim Menschen unterscheidet sich der ursprüngliche Ver- wachsungsprozess dadurch, dass im Trigonum septi pellueidi nur die Peripherie verwächst, indem innerhalb des Dreiecks die He- misphärenwände getrennt bleiben und den sogenannten Ventrieulus septi seitlich begrenzen. Die fernere Ausbreitung des Balkens nach hinten geschieht gerade so wie bei den Säugethieren; der 1) Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Leipzig, 1877. — Vor- läufige Mittheilung im Centralblatt f. med. Wissensch. 1876. 4 Blumenaü: Unterschied besteht nur darin, dass die verwachsene Stelle der Randbogen beim Menschen ganz zu querliegenden Nervenfasern differenzirt wird, während bei Säugethieren ein Theil des weit nach vorne reichenden Ammonshorns nach der Verwachsung der Randbogen unter den Balken zu liegen kommt. Die erste Verwachsung der Hemisphärenwände (im Gebiete des Trigonum septi) beginnt beim Menschen in der Mitte des vierten Monats; seine definitive Entwicklung erreicht der Balken erst zu Ende des fünften Monats. Die angeführten litterarischen Angaben leiden, abgesehen von einigen Widersprüchen, an Unvollständigkeit, welche sehr begreiflich ist, denn gewisse Thatsachen der feineren Anatomie des Balkens sind erst in neuerer Zeit hinreichend beachtet worden. Meiner Untersuchung, die ich auf Anempfehlung des Herrn Prof. H. Virchow in seinem Laboratorium unternommen habe, diente als nächster Ausgangspunkt eine Arbeit von Prof. Gia- comini über dieFascia dentata!). Bezüglich der feineren Struc- tur des Balkens enthält diese Arbeit folgende Ergebnisse. Die Fasciola einerea, die obere Fortsetzung der Faseia dentata, steht, um das Splenium des Balkens herumbiegend, mit den auf der oberen Fläche des letzteren sichtbaren Reliefs, den sogenannten Nervi Laneisii m Verbindung. Die Volumabnahme der Faseia dentata bei ihrem Uebergange in die Fasciola wird durch eine Abnahme der Körnerschicht bedingt, indem diese letz- tere sich allmählich auf eine kleine Anhäufung der Körner be- schränkt, welche sich noch in den Nervi Laneisii verfolgen lässt. Den wesentlichen Bestandttheil der „Nervi“ bilden, abgesehen von longitudinalen Nervenfasern, die grossen Pyramidenzellen, die mit der Schicht gleichartiger Zellen in den Striae teetae und den anliegenden Gyri einguli direet zusammenhängen. Aber selbst über die Nervi Laneisii hinaus setzen sich medialwärts die Ele- mente der Hinrinde an der Oberfläche des Balkens fort; denn auch zwischen ihnen findet man eine dünne Lage grauer Sub- stanz, in der sich noch zwei Schichten unterscheiden lassen: eine oberflächliche (Fortsetzung der Stratum moleeulare) und eine tiefe, 1) Giornale della r. Accademia di medieina di Torino. Nov.— die. 1883. w Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 5 welche stellenweise zerstreute Nervenzellen mit vielen Fortsätzen enthält. — Die graue Substanz der Hirnrinde bedeckt also die ganze freie obere Fläche des Balkens mit einer, obwohl stellenweise dünnen, doch nirgends fehlenden Lage !). Es war nun der Untersuchung werth, die Theilnahme dieser grauen Substanz an der Entwicklung des Balkens und somit auch den ganzen Prozess der Verwachsung der Randbogen näher kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke unternahm ich mi- kroskopische Untersuchungen an embryonalen Gehirnen, die auf verschiedenen Stufen der Entwicklung des Balkens standen, theils menschlichen, theils thierischen, und von letzteren namentlich an solchen von Schweineembryonen. Schon bei der makroskopischen Untersuchung der Median- schnitte embryonaler menschlicher Gehirne kann man zur Ueber- zeugung gelangen, dass der Balken innerhalb des oberen Randbogens, nicht zwischen oberem und unterem Randbogen, entsteht. An einem median durehschnittenen Gehirn, namentlich deutlich nach Entfernung des Sehhügels, sieht man (wie in Fig. 1) das hintere Ende des Balkens aus dem oberen Randbogen her- austreten; die Furche, welche dasselbe vom Crus posterius for- nieis trennt, ist zugleich die Grenzfurche zwischen dem oberen und dem unteren Randbogen. Es ist aber zu bemerken, dass die erwähnte Furche erst unter dem hinteren Theile des oberen Randbogens deutlich wird: derjenige Theil des unteren Randbogens, der dem Gewölbekörper entspricht, wird vom oberen Randbogen, d. h. vom Balken, nicht durch eine Furche getrennt. Damit ist die Verbindung des Bal- kens mit dem Corpus fornieis keine sekundäre Verwachsung, son- dern erklärt sich daraus, dass die beiden Gebilde aus einem un- getheilten Stücke des embryonalen Randbogens entstehen. 1) Dass die Gyri einguli sich zum Theil auf die Oberfläche des Balkens fortsetzen, war gewiss schon früher bekannt, wenn auch nicht so sicher und vollständig. So behauptet Zuckerkandl (Zeitschrift f. Anatomie, 1877), dass die unteren Ränder der genannten Windungen oft mit ihren stark verdünnten Ausläufern die obere Fläche des Bal- kens in sehr verschiedener Ausdehnung bedecken. In diese graue Deckschicht, bemerkt Zuckerkandl, geht die Fascia dentata häufig über. 6 Blumenau: Der folgenden histologischen Beschreibung der Entwicklung des Balkens liegen meine Präparate von Gehirnen von Schweine- embryonen von verschiedener Körperlänge zu Grunde %). Bei der Vergleiehung mit einigen menschlichen Embryonen hat sich er- geben, dass die Hauptzüge des Vorgangs in beiden Fällen die gleichen sind; einige Verschiedenheiten werden an gehörigen Orten zur Sprache kommen. Die kleinsten Schweineembryonen, bei denen ich die erste Spur des Balkens fand, hatten eine Körperlänge von eirca 8 em. Bei den 6!/,—7 em langen Embryonen waren schon die vordere Commissur und das Gewölbe vorhanden, die zur Bildung des Septum pellueidum führende Verwachsung der Hemisphärenwände zeigte sich auch mehr oder weniger vorgeschritten; vom Balken selbst aber war noch nichts zu schen, — die Entwicklung des letzteren wurde, wie gesagt, erst bei denjenigen Embryonen be- obachtet, deren Länge etwa 8 cm erreicht hatte. Der Vorgang nahm seinen Anfang mit dem Erscheinen der Balkenbündel, sowohl in der verwachsenen Scheidewand, wie auch in den derselben von vorne und von hinten anliegenden Theilen der Innenwände. Diese Bündel gingen aus der tiefsten Schicht beider Hemisphären hervor und wuchsen gegen die Medianebene, also einander zustrebend. Im Gebiete der verwachsenen Scheidewand, namentlich im oberen Rande derselben, vereinigten sich die gegenseitigen Bündel; dort aber, wo die medialen Wände noch getrennt waren, näherten sich die Fasern der Oberfläche und erreichten die Hirnsichel. . Die Entwicklung des Balkens setzt sich, einmal aufgetreten, bei älteren (10, 14, ja 16 em langen) Embryonen fort. In der nächsten Umgebung der beiden Enden eines schon ausgebil- deten, d. h. verwachsenen Balkenstückes findet sich bei allen diesen Embryonen ein Gebiet, wo verschiedene Stufen des in Rede stehenden Vorgangs beobachtet werden können. Da zugleich in dem Maasse, wie sich die Schichten der Hemisphärenwände diffe- renziren, auch die mikroskopischen Bilder an Klarheit gewinnen, 1) Was die Technik anbetrifft, sei hinzugefügt, dass die in Er- lizki’scher Flüssigkeit gehärteten Gehirne, bald mit bald ohne Hüllen, in Celloidin (nach Apathy) eingebettet und die erhaltenen Schnitte mit verschiedenen Sorten Karmin (neutralem, Borax- und Alaunkarmin), zuweilen auch noch mit Bleu de Lyon gefärbt wurden. Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 7 so halte ich für zweekmässig, ein Gehirn eines solchen älteren Embryo als Grundlage für weitere, mehr eingehende Beschreibung zu verwenden. Eine Reihe frontaler Schnitte durch das Vorderhirn eines 10 em langen Schweineembryo gestattet nach und nach alle die Veränderungen zu verfolgen, welehe die Entwicklung des Balkens begleiten. (Drei dieser Schnitte sind in Fig. 2—4 dar- gestellt.) Ich beginne die Beschreibung mit dem Schnitte, auf welchem, wenn man von vorne nach hinten geht, zuerst die oben erwähnten Balkenbündel in den Innenwänden der Hemis- phären erscheinen. Man erkennt hier (Fig. 2) in jeder Innenwand dieselben Schichten, welche sich überhaupt in den Hemisphären des Em- bryo unterscheiden lassen, nämlich: 1) eine oberflächliche, zellen- arme Schicht, 2) die eigentliche Zellenschicht der Rinde, 3) weisse Substanz und 4) eine tiefe, unmittelbar an das Epithel des lateralen Ventrikels grenzende Zellenschicht. Von allen diesen Schichten zeigt sich nur die letztere (bei Embryonen unverhältnissmässig dicke) insofern verändert, dass in ihrer Masse neue Fasern zum Vorschein kommen, die parallel mit der Wand des Ventrikels verlaufen, an der Stelle aber, welche etwas unter der Mitte der Ventrikelhöhe gelegen ist, nach der medialen Seite umbiegen und sich zu einem compaeten Bündel sammeln. Dieses Bündel liegt gänzlich in der tiefen (vierten) Zellenschicht !) und stülpt einen Theil derselben nach innen, gegen die Hirnsichel aus. Dadurch werden die übrigen, oberflächlicheren Schichten der Hemisphären- wand einem Druck ausgesetzt, der auf den folgenden Schnitten immer ausgeprägter wird (vergl. Fig. 5). Man sieht hier, wie die beiderseitigen Bündel sich einander nähern und alle zwischen ihnen liegende Theile der Hemisphären in zunehmende Atrophie versetzen. Zuerst verschwindet die dritte, weisse Schicht, dann auch die der Zellen und die zellenarme; die Balkenbündel werden bloss durch die Hirnsichel getrennt, welche selbst schon in Atro- 1) Dieses Bündel, ebenso wie die weiterhin in der Wand des Ventrikels verlaufenden Fasern, aus welchen sich das Bündel zusam- mensetzt, berühren die Fasern der dritten Schicht nicht unmittelbar ; vielmehr schiebt sich zwischen beide ein Theil der vierten Schicht ein. Erst im weiteren Verlaufe der Fasern nach oben zu verschwindet all- mählich diese trennende Lage. 8 Blumenau: phie begriffen ist. Noch weiter verschwindet auch diese Grenze, und die betreffenden Bündel der beiden Hemisphären schmelzen zusammen, die Hauptmasse des Balkens bildend. Hier nun aber, wo von den Theilen der Hemisphärenwände, welche zwischen beiden einander zustrebenden Bündeln gelegen waren, jetzt keine Spur mehr geblieben ist, zeigen sich die ver- wachsenen Bündel auf ihrer freien Oberfläche mit einer Fortsetzung der Rindenschiehten bedeckt; die letzteren, wie sehr sie auch verdünnt sind, lassen sich doch immer deutlich unterscheiden. Bei den T'hieren findet dieht unter dem Balken die schon öfters erwähnte Verwachsung der Hemisphären im Gebiete des Septum pellueidum statt, so dass bei ihnen nur die obere Balkenfläche frei bleibt. Auf diese Fläche gehen nun, wie gesagt, die Schich- ten der Innenwand über; die Medianebene erreichend, treffen die Fortsetzungen der beiden Hemisphären zusammen und verschmelzen ebenso, wie die Balkenbündel. Daher kommt es, dass die ganze obere Fläche des Balkens mit den Schichten der Hemisphären bedeckt ist, und zwar (von oben gezählt): 1) mit der oberflächlichen, zellenarmen Schicht, 2) mit der Zellenschicht, 3) mit der Lage weisser Substanz und 4) mit einem Theile der tiefen Zellenschicht, in weleher zuerst die Balkenbündel beobachtet wurden. Bei ihrer weiteren Fortentwicklung verdrängten die Bündel diesen Theil der Schicht, so dass er, nach ihrer Verwachsung auf die Ober- fläche des Balkens zu liegen kam. Alle ‘diese Schichten bilden, zusammen genommen, einen Ueberzug, dessen Dieke bei verschiedenen Individuen und auf verschiedenen Stellen eines und desselben Balkens sehr varlrt, bei Embryonen aber, im Verhältniss zur Dicke des Balkens, durch einen viel grösseren Bruchtheil ausgedrückt wird, als bei Er- wachsenen. Bei den menschlichen Embryonen bietet diese Lage schon früh örtliche Verdiekungen dar, welche, ihrer Vertheilung nach, den Striae longitudinales entsprechen. Die aufgezählten Sehiehten lassen sich am besten auf den lateralen Partieen des Balkens unterscheiden; auf der Mitte desselben, also an der Ver- wachsungsstelle, unterliegen dagegen sowohl die Dicke wie die Differenzirung der Schichten den grössten Abweichungen. Von der beschriebenen Stelle, wo der Balken schon aus- Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 9 gebildet erscheint, gehe ich nun zu den Schnitten über, welche jenseits des Verwachsungsgebietes der Hemisphären angelegt wur- den. Ich füge nur noch hinzu, dass auf jenen Schnitten, die das hintere Ende des ausgebildeten Balkenstückes treffen, an die untere Fläche des letzteren das schon früher entwickelte Corpus fornieis zu liegen kommt. Indem wir unsere Untersuchung, wie bisher, in der Rich- tung von vorne nach hinten fortsetzen, treffen wir immer dieselben Stufen der Entwieklung des Balkens, wie am vorderen Ende, nur in umgekehrter Ordnung: Anfangs wird der Balken durch die Hirnsichel in zwei Hälften oder Bündel geschieden; dann ent- fernen sich diese Bündel mehr und mehr von der Oberfläche der Innenwände und werden mit den Rindenschichten des oberen Randbogens bedeckt, welche auch auf ihre untere, durch das Auseinanderweichen der hinteren Gewölbeschenkel frei bleibende Oberfläche übergehen. Aus diesen Schichten entsteht hier bei Thieren der obere Theil des Ammonshorns, der, wie bekannt, unter dem Balken liegt. Bei menschlichen Embryonen bleibt von dieser, die untere Fläche der Balkenbündel bedeckenden Rindensubstanz des oberen Randbogens nur eine dünne, oberflächliche Schicht; der übrige grössere Theil derselben verschwindet und wird durch Fasern ersetzt. Im Uebrigen gestaltet sich die Verwachsung der Balken- bündel am hinteren Ende, d.h. oberhalb des dritten Ventrikels, bei den menschlichen Embryonen ebenso, wie bei den thierischen. Im fünften Monate des intrauterinen Lebens ist dieser Process beim Menschen, nach meiner Erfahrung, noch nicht zu Ende ge- kommen. Aus dem bisher Gesagten haben wir folgende Schlüsse zu ziehen: 1) Der Balken wird nieht „gleich in toto angelegt“, son- dern entwickelt sich nach und nach, binnen einer längeren Zeitperiode. 2) Zuerst bildet sich sein mittlerer Theil (dicht vor und über dem Monroe’schen Loche), und von hier aus schreitet seine weitere Entwieklung nach beiden Seiten (ebenso wie nach hinten nach vorne) fort. 3) Der dabei stattfindenden Verwachsung neuer Par- 10 Blumenau: tieen der medialen Wände geht eine Ausbildung der Bal- kenbündel in letzteren voran, also nicht umgekehrt, d. h., nicht die Verwachsung kommt der Ausbildung der Fasern zuvor, wie Mihalkoviecs behauptet!). | 4) Nachdem er entstanden ist, zeigt der Balken auf seiner oberen Fläche die Fortsetzungen aller der Schichten, aus welchen die medialen Hemisphärenwände der Embryonen be- stehen. Es fragt sich nun: im welchem Grade sind diese Hemis- phärenschichten auf dem Balken des erwachsenen Menschen erhalten ? Um diese Frage zu lösen, untersuchte ich verschiedene Theile des ausgebildeten Balkens mit den ihnen anliegenden Wülsten (Gyri Cinguli), wobei ich die (frontal oder sagittal an- gelegten) Schnitte mit Hämatoxylin nach Pal oder mit Karmin färbte. Die nach Pal’scher Methode gefärbten Präparate haben gezeigt, dass auf der oberen Balkenfläche zwei Schichten markhaltiger sagittal verlaufender Fasern gelegen sind. An den Stellen der Längsstreifen (Striae longitudinales) lassen sich die beiden Schichten sehr deutlich unterscheiden, und hier sind sie von einander durch eime Zwischenschicht grauer Substanz ge- trennt, welche grosse Ganglienzellen enthält; an anderen Stellen dagegen ist die letztere bis auf eime Reihe von Zellen reduciert, oder scheinen die Faserschichten sogar zu verschmelzen, was in der Medianebene und unmittelbar neben derselben (zwischen beiden Striae mediales) vorkommt. Die eine von diesen Schichten liegt oberflächlich und ent- spricht der obersten (zellenarmen) Schicht am Balken der Em- bryonen. Auf frontalen Schnitten durch die hinteren Theile des Balkens und die angrenzenden Gyri einguli sieht man deut- lich, wie die betreffende Faserschicht, nachdem sie den Suleus 1) Nur im Gebiete des Septum pellueidum verwachsen die Hemi- sphärenwände vor der Entwicklung der ersten (mittleren) Balkenbündel, wie das von mir bei den 6 cm langen Schweineembryonen beobachtet wurde. Aber schon gleich nach ihrem ersten Erscheinen finden sich die Bündel nicht nur in diesem verwachsenen, sondern auch in den anliegenden, noch getrennten Theilen der Innenwände. Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 11 corporis eallosi umgangen hat, sich in die oberflächliche, dieselben sagittalen Fasern enthaltende Schicht der genannten Gyri fortsetzt. In den vorderen Theilen der Hemisphären büsst die letztere ihre Längsfasern allmählich ein, und dementsprechend ist auch die be- treffende Faserschicht auf den vorderen Parthieen des Balkens schwächer entwickelt. Die andere, tiefere Schicht der Längsfasern geht ebenso um den Suleus herum und setzt sich in die weisse Substanz der Gyri einguli fort. Sie ist somit der dritten der embryonalen Schichten gleichzustellen. (Der Zusammenhang der Faserlagen auf der Oberfläche des Balkens mit denen im Gyrus einguli ist in Fig. 5 leicht zu ver- folgen.) Die graue Substanz, die zwischen beiden Faserzügen ge- legen ist, ist der zweiten zellenreichen Schicht gleichwerthig. An der lateralen Seite des Suleus corporis eallosi geht sie auch in die entsprechenden (Zellen-) Schichten der Gyri einguli über. Auf der Oberfläche des Balkens ist diese Substanz, wie schon gesagt, sehr unregelmässig vertheilt: an einigen Stellen wird sie bis zum Verschwinden verdünnt, an anderen erreicht sie dagegen eine beträchtliche Dieke und grössere Deutlichkeit der Struectur. Diese letzteren Stellen fallen mit den Längsstreifen, den Striae longitudinales zusammen. Innerhalb der Stria longit. lateralis s. tecta behält die Schicht noch eine typische Anordnung der Nervenzellen, welche mit ihren Längsaxen in einer schrägen Richtung gegen die queren Bündel des Balkens stehen. Es sind am meisten (wenn auch nicht ausschliesslich) die grossen Pyramidenzellen, die hier zur Ansicht kommen. Die Striae mediales s. liberae sind Erhabenheiten, die hauptsächlich durch eine Anhäufung grauer Substanz bedingt werden, wesshalb ihr älterer Name „Nervi Laneisii“, als unpassend zu vermeiden ist. Die Ganglienzellen, welche Giacomini mit Recht den grossen Pyramidenzellen zuzählt, liegen hier ziemlich unregelmässig, sind aber grösstentheils, wie sagittale Schnitte sehen lassen, mit ihren längeren Axen parallel den oben beschrie- benen Längsfasern gerichtet. Dieselbe Richtung behält auch die Mehrzahl der Zellen in den übrigen, zwischen den Striae gelege- nen Theilen der Schicht. 12 Blumenau: Aus dem Obigen geht hervor, dass die drei wesentlichen Schichten, welehe einen embryonalen Balken bedecken, auch beim Erwachsenen vertreten sind. Wir fanden aber bei den Embryonen noch eine vierte Schieht, die als ein Theil der tiefsten, an das Ventrikelepithel unmittelbar angrenzenden Schicht der Hemisphären betrachtet wurde. Diese vierte Schicht zeigt sieh nach der de- finitiven Ausbildung des Balkens am wenigsten erhalten; sie ist nur durch eine sehr dünne, aus Gliazellen bestehende Lage ver- treten, welche die tiefe Schicht der Längsfasern von den eigent- lichen Querfasern des Balkens abgrenzt. Durch gleichartige Zwischenlagen aus den Gliazellen werden auch grössere Bündel dies Balkens von einander getrennt. Weiter müssen die Verbindungen der beschriebenen Schich- ten mit den hinteren Theilen der medialen Fläche der Hemis- phäre erwähnt werden. Am hinteren Ende des Balkens geht die Hauptmasse der denselben bedeckenden Rindensubstanz in die Fasciolae einereae über. Die zwischen den letzteren ge- legene obere Fläche des Splenium ist nur von einer rudimentären Rinde überzogen, welehe sich noch auf die untere Balkenfläche fortsetzt, bis an die Stelle, wo die hinteren Gewölbeschenkel zu- sammentreffen (s. unten). Der Uebergang der grauen Substanz der Striae im die der Fasciolae ist von Giacomini ausführlich beschrieben worden. Nur in Betreff der zwei Faserschichten will ich hinzufügen, dass dieselben sich auch in der Fasciola ver- folgen lassen; die oberflächlichere von ihnen geht weiter in die Lamina medullaris Fasciae dentatae über; die tiefere bildet, soweit die Fasciola dem Balken anliegt, eine Grenze zwischen beiden; dann setzt sie sich in die weisse Substanz des Gyrus hippocampi fort. Betrachten wir endlich die Beziehung der Striae zu vor- deren Theilen. Schon Meynert!) hat hervorgehoben, dass der sog. Nervus Laneisii mit der inneren Rieehwindung (dem inneren Riechstreifen) in Verbindung steht. Nach meiner Beob- achtung kommt die Verbindung der Längsfasern der oberen Bal- kenfläche mit dem Tuber olfactorium auf zwei verschiedenen Wegen zu Stande. Erstens geht die tiefere Schicht derselben vom vorderen Ende des Rostrum in die weisse Substanz des- 1) S. Stricker’s Handbuch, Ba. 1. Zur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 13 jenigen Theiles der ersten frontalen Windung über, welcher auf der medialen Fläche der Hemisphäre liegt und nach rückwärts mit dem Gyrus einguli zusammenhängt. Durch Vermittlung die- ser (frontalen) Windung, also indireet, verbinden sich die be- treffenden Fasern mit dem Riechlappen. — Zweitens giebt es einen direeten Zusammenhang des letzteren mit den oberfläch- lichen Sagittalfasern des Rostrum, die am Rande der genannten frontalen Windung in den inneren Riechstreifen übergehen und demselben das characteristische weissliche Aussehen verleihen. Bei verschiedenen Thieren bietet die obere graue Substanz des Balkens bedeutende Differenzen dar. Beim Affen (Cyno- eephalus) sind die Verhältnisse derselben denen beim Menschen am meisten ähnlich. Die grossen Längsstreifen, in welchen man auch die drei beschriebenen Schichten unterscheidet, liegen auf den vorderen Theilen des Balkens nahe der Medianebene; nach hinten zu entfernen sie sich von der Letzteren, werden von den Rändern der Hemisphären bedeckt und gehen am Splenium in die Faseiolae emereae über. — Beim Schweine ist der graue Ueberzug des Balkens gut entwickelt, besonders zeichnen sich durch ihre Grösse die lateralen Wülste desselben aus, in denen die oberflächliche Schicht der Längsfasern und eine wohlgebildete Zellenschieht stark hervortreten. Gegen das hintere Ende des Balkens stehen die Wülste von der Medianebene immer weiter ab und werden zugleich flacher. Zwischen ihnen liegt eine mi- nimale Schicht grauer Substanz, welche jedoch stellenweise gut entwickelte Nervenzellen enthält. — Beim Kaninchen ist die freie obere Fläche des Balkens sehr schmal und nur mit einer dün- nen kaum merkbaren Schicht bedeckt. Die den Striae teetae ent- sprechenden unteren Theile der medialen Flächen der He- misphären werden meistens nicht durch eine Furche von der übrigen Medianfläche getrennt, sondern bloss durch eine ab- weichende Anordnung der Hemisphärenschiehten und zwar der grossen Pyramidenzellen bezeichnet. Es bleibt nun übrig, einige Bemerkungen über die untere Fläche des Balkens beizufügen. Ich übergehe hier die den Ventrikeln zugewandten Theile dieser Fläche; sie sind natürlich mit Epithel bedeckt, und zwar, wie die Untersuchung von Prof. 14 Blumenau: Mierzeiewski!) gezeigt hat, mit einem ebenso hohen Epithel wie die Bodentheile des Ventrikels. Ich lasse auch die Strecke der unteren Balkenfläche unerwähnt, welche mit dem Gewölbe- körper verwachsen ist, und beschränke mich auf die freie Partie derselben. Wir haben von vornherein zu erwarten, dass auch die untere Fläche des Balkens, wo sie frei bleibt, die ursprüngliche graue Substanz des oberen Randbogens immer behalten muss. Und in der That findet sich eine dünne graue Schicht auf der betreffenden Fläche, erstens an der Stelle, wo der Balken den sogen. Ventrieulus septi begrenzt. Diese Schicht ist der- jenigen gleich, welche die lateralen Wände desselben Ventrikels, also die Laminae septi, bedeckt. Auch enthält sie markhaltige sagittale Nervenfasern. Dann kommt noch an einer andern Stelle der unteren Bal- kenfläche eine dünne graue Lage vor. Diese Stelle beginnt da, wo die Gewölbeschenkel auseinanderweichen, und erstreckt sich von hier bis zum Ende des Splenium (s. oben). Die Rindensub- stanz ist hier ebenso rudimentär, wie die, welche auf der oberen Fläche des Balkens zwischen den Striae mediales (bez. den Fas- ciolae einereae) liegt. Sie enthält eine oberflächliche, mit den Crura fornieis direet zusammenhängende Schicht markhaltiger, longitudinaler Fasern. Es folgt hieraus, dass die ganze freie untere Fläche des Balkens einen, wenn auch rudimentären, Ueberzug aus grauer Substanz besitzt. Und wenn wir diese Thatsache mit den oben angeführten zusammenstellen, so dürfen wir den allgemeinen Satz formuliren, dass der ganze Balken auf seiner freien äusse- ren Fläche von einer hier diekeren, dort dünneren Schicht von Rinde überzogen ist. Eine physiologische Bedeutung ist aber wohl nur in Be- treff der oberen Balkenrinde zu vermuthen. Diese letztere ent- hält die Fasern, welche das Tuber olfactorium mit der Fascia dentata in Verbindung setzen; ihre graue Substanz geht in die der Fasciolae einereae eontinuirlich über, und überall finden wir da die grossen, gut entwickelten Zellen, deren funtionelle Rolle auf einen künftigen Aufschluss wartet. 1) Medicin. Centralblatt, 1872. Fur Entwicklungsgesch. u. feineren Anatomie d. Hirnbalkens. 15 Erklärung der Abbildungen auf Tafel I. Mediale Hemisphärenfläche eines menschlichen Foetus aus der ersten Hälfte des fünften Monates. (Etwas kleiner, als natür- lich; nach einem paraffinisirten Präparate.) Das Zwischenhirn ist bei T abgetragen. Se Sulcus calloso-marginalis. Fe Fis- sura calcarina. Bf Bogenfurche. FM Foramen Monroi. S Septum pellueidum. G Gewölbe (der bezeichnete Theil ent- spricht dem vorderen Schenkel desselben). F hinterer, frei bleibender Abschnitt des oberen Randbogens (Fascia dentata). D hinterer Theil des unteren Randbogens (Fimbria). S. im Text S.5. Fig. 2—4 sind frontalen Schnitten entnommen, die mit Boraxkarmin £} 9 gefärbt waren, und stellen drei hinter einander liegende fron- tale Schnitte durch das Vorderhirn eines 10 em langen Schweine- embryos dar. Die Vergrösserung (Leitz O.], Syst. IID, ebenso wie die Bezeichnungen sind bei allen drei Figuren dieselben. SS Hirnsichel. B Balkenbündel, die in Fig. 5 die Hirnsichel erreichen und in Fig. 4 mit einander verwachsen (C bezeichnet in der letzteren Figur die obere Commissur der Ammonshör- ner — ein Homologon der Lyra beim Menschen). Die Zahlen 1—4 entsprechen den im Text (S. 7) aufgezählten Schichten der Hemisphären ; 4° — einem durch die Balkenbündel abge- schnittenen Theile der vierten Schicht. In Fig. 4 sieht man diesen Theil auf der oberen Seite des Balkens (unmittelbar an den Querfasern des letzteren) liegen. Man unterscheidet hier deutlich auch die anderen Hemisphärenschichten auf der oberen Balkenfläche. Ve seitlicher Ventrikel. Frontalschnitt durch den seitlichen Theil des Balkens und den anliegenden Gyrus cinguli eines erwachsenen Menschen, nach einem mit Hämatoxylin (nach Pal) gefärbten Präparate. (Ver- grösserung wie bei den vorhergehenden Figuren.) BB Balken. Se Suleus corporis callosi, in welchem ein Gefäss liegt. oF oberflächliche Faserschicht des Gyrus einguli; Zs Zellenschicht, wS weisse Substanz desselben Gyrus. Es lässt sich sehen, /wie die beiden Faserschichten (oF und wS) und die dazwischen liegende graue Zs sich auf der oberen Fläche des Balkens (unter dem Sulcus Se) fortsetzen. (S. darüber im Text S. 10.) 16 VOxR% Imprägnation des centralen Nervensystems mit Quecksilbersalzen. Von W. H. Cox, Arzt an der Irren-Anstalt zu Deventer. Hierzu Tafel II. Zur Imprägnirung vom Gehirn oder von Gehirntheilen, nach der Sublimat-Methode Golgi-Mondino's, werden diese bekanntlich erst in Bichromas-Kalieus gehärtet und danach in eine Lösung von 0,5°/, Sublimat gebracht. Es entsteht hierbei, bald in mehr, bald in weniger Nerven und Bindegewebselementen und bisweilen ausserhalb derselben ein Präcipitat einer Quecksilberverbindung. Nach Mondino !) — und eigene Untersuchung hat dies bestätigt — macht diese Ver- bindung die Elemente nieht schwarz, sondern opak. Dies zeigt sich beim Betrachten mit dem Mikroskop; die Zellen und Fasern sind bei durchfallendem Lichte dunkel (nicht schwarz), bei auf- fallendem Lichte gelb. Obige Methode giebt jedoch sehr wechselnde und meistens wenig befriedigende Resultate. Man erhält aber eine constante und gleichmässige Imprägnation, wenigstens beim centralen Ner- vensystem von Menschen, Kaninchen und Ratten, wenn man die Härtungs- und die Imprägnations-Flüssigkeit, d. h. die Biehromas- Kalieus und Sublimat-Lösungen in bestimmtem Verhältniss zugleich einwirken lässt. So werden eine Anzahl Ganglienzellen, Nervenfasern und }liazellen im Cortex des grossen Gehirns vollkommen imprägnirt, wenn man Stückchen der Rinde zwei oder mehr Monate lang in einer Flüssigkeit von folgender Zusammensetzung härtet: Kalium bichromat 5°/, 20 Sublimat 50/520 destillirtes Wasser 40. 1) Zeitschrift f. wissensch. Mikroskopie. Bd. II, S. 157. l } Imprägnation d. centr. Nervensystems mit Quecksilbersalzen. 17 Die Nerven-Ausläufer der Ganglienzellen indessen werden durch diese Härtungsflüssigkeit sehr selten, die verwickelten von Golgi beschriebenen Nervennetze niemals sichtbar. Die Entstehung des gewünschten Präcipitates in den Nervenausläufern und Netzen ist aber nur dann möglich, wenn die Reaction der Här- tungs-Flüssigkeit möglichst wenig sauer ist. Es ent- spricht aber obengenannte Mischung, da sie aus zwei in Auf- lösung ziemlich stark sauer reagirenden Flüssigkeiten besteht, die- ser Bedingung nicht. Man kann indessen ohne Furcht vor Prä- eipitat von Mereurichromat die sauere Reaction bedeutend herab- setzen, obwohl nieht gänzlich aufheben. Wird das im Handel vorkommende Kalium ehromat, welches ziemlich stark alkalisch reagirt, (in 5°, Solution) oder Lithium carbonat (in gesättigt wässeriger Lösung) angewendet, so erhält man Lösungen, welche sowohl Nervenfasernetze und Ausläufer, wie Ganglien- und Gliazellen imprägniren, indem auch hier wie- der die Imprägnation gleichmässig und constant und dabei voll- kommener erscheint, je nachdem die Härtungsflüssigkeit länger eingewirkt hat. Es fällt dabei auf, dass Ganglienzellen schon bei ziemlich starker, Nervenfasern jedoch erst bei-höchst geringer saurer Reaction imprägnirt werden. Da ich mit der Kaliumehromat enthaltenden Lösung die besten Resultate erhielt, will ich nur ihr Verhältniss hier angeben: Kalium bichromat 5°/, 20 Sublimat 5 Kalium chromat. 5°, 16 destillirtes Wasser 30—40. Bei der Zubereitung dieser Mischung achte man darauf, dass die Kaliumchromat-Solution hinzugefügt wird, nachdem sie mit dem angegebenen Quantum Wasser verdünnt worden. Dies darf man nicht unberücksichtigt lassen, um dem Niederschlagen des Mercurichromats vorzubeugen. Wird ein, mit dem Eismierotom gemachter Durchschnitt des in obengenannter Weise erhärteten Centralnervensystems in Wasser ausgewaschen, und nachher mikroskopisch betrachtet, dann zeigt sich, dass in den imprägnirten Zellen und Fasern sich eine gelbe körnige Verbindung niedergeschlagen hat. Diese Ver- bindung entsteht allmählich, und man bemerkt den Anfang des Entstehens erst nach drei- bis viertägiger Einwirkung der Här- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 2 18 GO: tungsflüssigkeit. Die Beschaffenheit dieser Verbindung erhellt aus dem Folgenden. Bringt man den Schnitt in eine verdünnte Ammoniaklösung, so wird das Präeipitat schwarz und desshalb auch sichtbar bei auffallendem Lichte. Dasselbe Resultat erhält man, wenn statt Ammoniak eine Lösung von Lithium carbonat (gesättigt) oder Natrium earbonat (5°/,) zur Verwendung kommt. Man darf also ruhig annehmen, dass die Imprägnation in einer Quecksilber- oxydule-Verbindung besteht, welche mit Ammoniak in schwarzes Mereuroamid, mit den Carbonaten auch in schwarzes Quecksilber- oxidule (carbonat) übergeht. Die letzterwähnte Verbindung kann man mittels (1 procentiger) Salzsäure in Calomel überführen, sodass die Imprägnirung alsdann wieder bei auffallendem Lichte weiss und unsichtbar ist. Es zeigt sich also, dass eine grosse Zahl Gliazellen, Ganglienzellen und Nervenfasern, auf eine Sublimatlösung bei Anwesenheit von Kaliumehromat und -biehromat reduzirend ein- wirken. Bei näherer Betrachtung wird unsere Aufmerksamkeit noch durch folgende merkwürdige Erscheinung gefesselt. Es fällt nämlich auf, dass in der Rinde eines Kaninchen- oder Ratten-Gehirns ein grosses Quantum Ganglienzellen und Fa- sern eine schöne Imprägnirung zeigen, hingegen viele Andere vom Präeipitat vollkommen frei bleiben. Man kann diese Er- scheinung nicht dem ungleichmässigen Eindringen der Härtungs- flüssigkeit zuschreiben, da die Imprägnirung im Ganzen gar keine Ungleichmässigkeit zeigt, m. a. W. die nicht imprägnirten Zellen und Fasern gleichmässig unter die wohl imprägnirten vertheilt sind. Dies sieht man bei allen Ganglienzellen und Fasern im ganzen Gehirn. Es kann nicht anders, es muss in der chemischen Zusammensetzung oder den physischen Eigenschaften in Verbin- dung wahrscheinlich mit Differenzen im physiologischen Zustand oder dem Absterben der Zellen ein Unterschied sein, da sie sich dermassen verschieden verhalten, dass eine Sublimat zu reduziren im Stande ist, während die andere, dieht daneben sieh befindend, gar keine Wirkung auf diese Verbindung ausübt. — Das schnelle Eindringen der Härtungsflüssigkeit ist von so grosser Wichtigkeit, dass in der Mitte von grossen Stücken die Imprägnirung bisweilen ganz fehlt; und dann auch später, weder durch Erneuerung der Härtungsflüssigkeit noch durch Vertheilung Imprägnation d. centr. Nervensystems mit Quecksilbersalzen. 19 in kleinere Stückehen hervorzurufen ist. Das reduzirende Agens ist alsdann wahrscheinlich verloren gegangen. Es ist desshalb vorsichtig, die Stücke nieht zu gross zu nehmen, von einem Rattengehirn z. B. die Hälfte. Gehirnpräparate nach der Sublimatmethode Golgi-Mondino’s angefertigt, können nicht unter einem Deckglas aufbewahrt wer- den, wenn sie in Canadabalsam oder Damar eimgebettet sind. Dies kann ebensowenig mit Durchschnitten des Gehirns, welche, in Auflösung 1 oder 2 gehärtet, danach in Natrium carbonat ver- weilt haben. Man sieht in diesem Fall, dass nach kurzer Frist (2 oder 4 Wochen) das Präeipitat sich verspreitet, und als eine grosse Zahl Körnchen sieh siehtbar macht, welche schliesslich grossentheils verschwinden. Anfänglich war ich geneigt, das Zugrundegehen der Impräg- nirung nur der sauren Reaction des angewandten Canadabalsams, welcher mit Lacmuspapier leicht zu beweisen ist, zuzuschreiben. (Dies ist auch mit Damar, wiewohl in geringerem Masse, der Fall.) Zur Richtigstellung dieser Voraussetzung wurden eine grosse Zahl von Durchschnitten einige Monate in verschiedenen Flüssig- keiten aufbewahrt. Da stellte sich heraus, dass ausser der sauren Reaction auch noch eine andere chemisch-physische Wirkung, welche ich nicht näher erklären kann, das Zugrundegehen der Imprägnirung veranlasst. Die Flüssigkeiten, welche geprüft wurden, kann man in drei Gruppen eintheilen: 1) Diejenigen, welche die Imprägnirung nicht ändern, wie destillirtes Wasser, Ammoniak-, Lithium earbonat- (gesättigt), Kalium chromat- (5°/,), Kalium biehromat- (5°/,) und Silbernitrat- (2°/,) Lösung, Lavendelöl, Riemusöl, Glyeerin, Chloroform, Steinölbenzin, Creosot aus Buchenholz. 2) Andere, welche durch ihre sauere Reaction auf die Im- prägnirung wirken: Essigsäure (1°/, und 5°/,), Salpetersäure (1°/,), Chromsäure (1°/,), Piermsäure (gesättigt). 3) Wieder Andere, welche die Imprägnirung schwinden lassen durch physich-chemische Wirkung unbekannter Art: Ab- soluter Alkohol, Phenol, Origanumöl, Bergamotöl, Caryophylöl, Terpentin, Anilin, Ether in geringem Masse, Damar, Canadabalsam und eine grosse Zahl anderer Harze. Wird Canadabalsam angewandt, nachdem derselbe während 20 CHE einiger Zeit mit Ammonium carbonat in Berührung gewesen oder für kurze Zeit damit erwärmt worden ist, wodurch die saure Reaction verschwunden und die Farbe dunkler geworden, dann sieht man — wenn der Durchschnitt von einem Deckglase be- deckt ist, dass nach langer Zeit (3 oder 4 Monaten) die Impräg- nirung an Intensität abnimmt, indem man sowohl in dem Durch- schnitt als um denselben herum eine grosse Zahl kleiner, schwarzer Körnehen zu sehen bekommt. Der Prozess, der diese Wirkung veranlasst, fährt stetig fort, bis schliesslich die Zeichnung der Zellen und Fasern verschwun- den ist, und nur eime grosse Zahl Körnchen übrig bleibt. Im Canadabalsam kann man dem Gang des Zugrundegehens der Imprägnirung also leicht folgen, bei Alkohol u. s. w. ist dies sehr schwer. Da ich mich überzeugen konnte, dass der an- gewandte Alkohol absolntus neutral reagirte, ist es gewiss, dass hierin das Quecksilberoxydule (carbonat) nicht aufgelöst wurde. Weder die sub II noch die sub III genannte Wirkung kann entstehen, wenn Präparate in Canadabalsam oder Damar ohne Deckglas eonservirt werden, und diese Harze schnell trocknen; dies hat die Erfahrung gelehrt. Für das Anfertigen der Durch- schnitte muss das Eismierotom zur Hand genommen werden, da der Alkohol, weleher sowohl beim Einschmelzen in Parafin als in Colloidin!) in Anwendung kommt, die Imprägnirung gefährdet. Man bringt die Durchschnitte während ein oder zwei Stun- den in 5procentige Natrium carbonat-Lösung, um sie nachher in Wasser auszuwaschen. Danach bringt man dieselben für kurze Zeit in Alkohol absolutus und in irgend ein Oel, welches letztere dureh Filtrirpapier entfernt wird, und schliesslich bedeckt man sie mit einer dünnen Schicht schnell trocknenden Harzes. Hier- für kann ich empfehlen: Sandarack 75 Lavendelöl 22,9 Campher 15 Absoluter Alkohol 75 Terpentin 30 Rieinusöl gtt. 5—10. Will man die auf diese Weise conservirten Präparate doch aus irgend einem Grunde mit einem Deckglas versehen, damn warte man, bis die Harzschicht gut trocken ist, bedecke dieselbe 1) Nur bei kleinen Stückchen und schnellem Verfahren kann Celloidineinbettung ohne grossen Nachtheil für die Imprägnirung zur Anwendung kommen. Imprägnation d. eentr. Nervensystems mit Quecksilbersalzen. 21 oO « mit Rieimusöl und drücke hierauf das Deckglas so stark als möglich an, damit das überflüssige Oel entfernt werden könne. Auch in Wasserglas oder arabischem Gummi und Wasser zu gleichen Theilen gemischt, bleiben die Präparate unter Deck- glas unverändert, jedoch achte man darauf, dass diese zwei Flüssigkeiten geringeren Brechungsexponenten haben als Harze. Wird Styrax liquidus m Chloroform gelöst, aus der Harzlösung der auf der Oberfläche schwimmende Schmutz entfernt, und diese dureh Erwärmen von überflüssigem Chloroform befreit, so erhält man eine Harzmischung, die mit !/; Monobrom naphtalin auch für lange Zeit (5 Monate) die Imprägnation vollkommen conservirt. Der Brechungsexponent dieser Mischung ist höher als der des Canadabalsams, Damars und Sandaracks. Zur Conservirung eines Durchschnitts in Styrax bringt man denselben aus Alcohol abs. in Ether, daraus in Monobromnaphtalin, nachher auf das Objectglas, wo er nach Trocknung mit Filtrir- papier mit Styrax und Deckglas versehen wird. Obige Methode hat den Vorzug, dass sie stets!) gute Re- sultate giebt und man mit einigen Monaten Geduld stets eine schöne Imprägnirung erhält. — Zur Illustration sind zwei Photographien hinzugefügt worden, beide verfertigt bei Kalklicht und mit Hülfe des Zeiss’schen microphotographischen Apparats. Die eine mit Objectiv 35 mm, die andere mit Apochromat 16 mm und Projeetionsoeular 2. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Fig. 1. Cornu Ammonis des Kaninchens. Verticaler parieto-parietaler Durchschnitt. Vergr. #%/,. Fig. 2. Fascia dentata des Ammonshorns eines Kaninchens. Verticaler parieto-parietaler Durchschnitt. Vergr. 150/,. 1) Nur die Rinde (Stratum moleculare) des menschlichen Klein- hirns macht hiervon eine Ausnahme. 22 Griesbach: Beiträge zur Histologie des Blutes. Von Dr. med. et phil. H. Griesbach, Kaiserl. Oberlehrer und Privatdocent. Hierzu Tafel III und IV. I. Das Blut der acephalen Mollusken. I. Einleitung. Durch des Kgl. preuss. Herrn Cnltusministers hohe Vermitt- lung und durch das geneigte Wohlwollen des Kaiserl. Oberschul- rathes für Elsass-Lothringen, welchen beiden ich mich zu erge- benstem Danke verpflichtet fühle, war es mir vergönnt, während der Monate Mai und Juni 1889 auf der zoologischen Station in Neapel zu arbeiten. Hauptsächlich waren es das Blut und das Gefäss-System der dort zugänglichen marinen Acephalen, welchen ich meine Auf- merksamkeit zuwandte. Im August und September wurden die Untersuchungen an Süsswasserarten und an marinen Formen der Ost- und Nordsee fortgesetzt und zu einem gewissen Abschluss gebracht. Die bei dem Studium des Blutes der lebenden Thiere gewonnenen Resultate habe ich nunmehr ausgearbeitet und möchte darüber in Nachstehendem Bericht erstatten. 1I. Historischer Ueberblick. Im Jahre 1850 untersuchte Leydig'!) das Blut von Palu- dina vivipara. Der Fibringehalt, meint er, sei ein geringer, erst nach längerem Stehen könne durch das Mikroskop ein fadenför- 1) Leydig, Ueber Paludina vivipara. Zeitschrift f. wiss. Zool, Bd. 2, S. 169, 170, Taf. 12, Fig. 46, 47, 48. Beiträge zur Histologie des Blutes. 23 miges Gerinnsel bemerkt werden. Die Blutkörperchen messen 0,004‘ und in frischem Blute giebt es von ihnen zweierlei For- men: Die einen sind rundliche Körper, die sich auf Zusatz von Essigsäure als Zellen mit granulirtem Kern (Fig. 48) darstellen, dem an einer Seite ein oder mehrere Kernkörperchen anliegen, die anderen tragen Fortsätze, welche stets nur nach einer Seite hin gerichtet sind. Essigsäure macht solche Fortsätze verschwin- den und verursacht ein Aufquellen der Blutkörperchen, so dass sie dieselbe Beschaffenheit annehmen wie diejenigen, welche von Anfang an rundliche Form zeigten und ebenfalls mit Essigsäure zum Quellen gebracht wurden. Im Jahre 1854 beschrieb Lieberkühn!) die Blutzellen von Anodonta, sah auch Bewegung an ihnen, hielt sie aber nicht für zellige Elemente des Blutes, sondern betrachtete sie als ein- zellige, selbständige Organismen. — Nach Semper?) (1857) ist das Blut gewisser Schnecken bald eine bläulich-weisse (Limax, Arion, Helix, Lymnaeus), bald eine ziemlieh rothe (Planorbis). Flüssigkeit mit geringem Fibringehalt. Die wenig zahlreichen Blutkörperchen sind stets runde Zellen mit einem nach Essigsäure- zusatz deutlich hervortretenden Kern. Formen, welche Ausläufer zeigen, hält Semper für Kunstprodukte, bedingt durch irgend- welche Einflüsse der Luft. In rasch hergestellten Präparaten präsentiren sie sich ohne Ausläufer, ebenso im kreisenden Blute der Lungengefässe. — Keferstein?) lässt die Blutkörperchen auch im kreisenden Blute mit mehr oder weniger Fortsätzen aus- gerüstet sein. — Bei Unio pietorum findet Witting *) (1858) das Blut schwach blau gefärbt, von Hessling °) (1859) bildet die Blut- körperchen der Perlmuschel ohne Ausläufer ab, letztere hält er für Veränderungen. Ray-Lankester®) hat das Blut von Planorbis, Solen 1) Lieberkühn, Ueber die Psorospermien. Müller’s Arch. 1854, S. 19, Taf. 2, Fig. 33. 2) Semper, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmo- naten. Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. 8, S. 378. 3) Keferstein, Bronn’s Klassen und Ordnungen der Weichthiere, S. 1208, Taf. 104. 4) E. Witting, Ueber das Blut einiger Crustaceen und Mollus- ken. Journal f. prakt. Chemie. 1858, S. 121—132. 5) von Hessling, Die Perlmuscheln und ihre Perlen. Leipzig, 1859, S. 219, Taf. 7, Fig. 4 und 5. 6) E. Ray-Lankester, Spectroscopical examination of certain 24 Griesbach: legumen und S. ensis einer emgehenden Untersuchung unterzogen, bei den beiden ersteren Thieren konnte er mit Hülfe der Spectralanalyse Hämoglobin nachweisen. Das Blut, welches durch eine Ver- letzung des Mantels von Solen legumen zum Ausfliessen veranlasst wurde, zeigte in seinem Plasma unter dem Mikroskope scharf eontourirte Zellen von rother Farbe und ausserdem noch amö- boide Zellen. Das Blut von Solen ensis erwies sich als völlig farblos, die gefärbten Elemente fehlten darin, die farblosen aber zeigten lebhafte amöboide Bewegung. Hämoglobin führende Blutkörperchen wies Ray-Lankester!) später auch noch bei Arca nach. Hinsichtlich des Vorkommens von Hämoglobin zieht Ray-Lankester weitere Folgerungen. Er bringt den Gehalt an Hämoglobin in direeten Zusammenhang mit der Respiration. Für Planorbis, welche wegen ihrer Lebensweise in morastigem Terrain zur Athmung auf eine Luft angewiesen ist, der es an, respirabelen Gasen mangelt, und für Solen legumen, ein Thier, welehes lebhafte Bewegungen macht, ist der Vortheil, welchen der Hämoglobingehalt des Blutes gewährt, ersichtlich, doch bleibt es auch für Ray-Lankester unerklärlich, warum ein soleher denn nicht auch bei den übrigen Solenarten und bei den, mit Planorbis die gleiche Lebensweise theilenden Lymnaeusarten vorkommt. Ferner ist der genannte Autor der Ansicht, dass, wenn Hämoglobin im Blute von Wirbellosen vorkommt, dasselbe stets an besondere Formenelemente gebunden ist, welche hinsichtlich ihrer Funktion mit den rothen Blutzellen der Wirbelthiere ver- glichen werden re Sabatier?) (1877) gab mehrere Abbildungen der Blut- körperehen von My En edulis. In dem frischen Kiemenfaden (pl. 26 Fig. in einem sol- chen nach der Behandlung mit Goldehlorid (pl. 27 Fig. 8) und Animal Substances. Journal of Anatomy and Physiology. 1869, p. 119. — A Contribution to the Knowledge of Haemoglobin. Proceed. of the Royal Society. Vol. 21. 1873, p. 70 ff. 1) In der englischen Ausgabe von Gegenbaur's vergl. Anato- ınie. Zu vergleichen: Zool. Anz. 1883, No. 145, S. 417. 2) Sabatier, Etudes sur la Moule ecommune (Mytilus edulis). Memoires de l’Acad&mie des Sciences et Lettres de Montpellier. Section des Sciences. 1877. Separat bei Coulet in Montpellier und Delahaye in Paris 1877 Beiträge zur Histologie des Blutes. 25 in den Laeunen (pl. 26 Fig. 9) werden dieselben ohne Ausläufer dar- gestellt, in Fig. 8 pl. 26 werden sie als in amöboider Bewegung begriffen gezeichnet. Besondere Aufmerksamkeit wandte Flemming ?) (1878) den Blutzellen der Acephalen zu. In dem Blute, welches dem ange- schnittenen Herzen entfliesst, begegnet man Zellen mit farblosem, ziemlich stark lichtbrechendem Plasma, ihr Durchmesser schwankt für die Najaden zwischen 10 und 20 u, etwas kleiner ist er bei Mytilus und Serobieularia. Die Mehrzahl der Zellen besitzt nur einen Kern, doch kann derselbe auch in der Zweizahl vorhanden sem. Der Kern ist verhältnissmässig klein zur Grösse der Zelle und besitzt ein dichtes Kernnetz. Oftmals finden sich fettartig glänzende, mit gelbem Pigment versehene und mit Osmiumsäure sich schwärzende Tröpfehen in den Zellen. Von Pseudopodien, welehe von den amöboiden Elementen ausgestreekt werden, unter- scheidet Flemming zweierlei Arten. Die einen erschemen lang, spitz und strahlartig, die anderen zeigen lappige Formen. „Durch gegenseitiges Verfangen mit den Stacheln ballen sich die Zellen sehr vielfach zu verschieden grossen Häufehen zusammen.“ Im strömenden Blute besitzen die Blutkörperchen andere Formen wie im ausgeflossenen oder ruhenden Blute. Blutzellen, welche mit der Pipette dem Herzen entnommen und gleich darauf untersucht werden, sind sehr arm an Pseudo- podien, und unter «diesen finden sich eben so viele lappige als spitze Formen, die letzteren erscheinen meist kurz; auch findet man Zellen, denen Fortsätze gänzlich fehlen. Während der Unter- suchung bemerkt man dann nach einiger Zeit, dass die Pseudo- podien sich mehr und mehr ausbilden. Flemming kommt zu dem Schluss, dass die meisten Zellen im strömenden Blute zwar Pseudopodien ausstrecken, dass dieselben aber wenig zahlreich und kurz bleiben. ‚Mittels Osmiumsäure lassen sich die Zellen in allen Stadien fixiren und conserviren, gute Formerhaltung erzielt man auch mit Alkohol, während Chromsalze ungeeignet erscheinen. Die genannten Zellen sind nicht die einzigen Formenelemente des Muschelblutes; es finden sich ausser ihnen noch kleine, blasse, kernführende Körperchen ohne Ausläufer und ohne Bewegung in 1) W. Flemming, Ueber die Blutzellen der Acephalen etc. Ar- chiv f, mikr. Anatomie. 1878. Bd. 15, S. 243—248. 26 Griesbach: sehr geringer Anzahl; ob ihnen eine physiologische Bedeutung beizumessen ist, bleibt fraglich. Geddes!) (1880) hat das Blut verschiedener Wirbellosen, unter den Acephalen das von Pholas, in Bezug auf die Formen der Leukoeyten und die Gerinnung untersucht. In dem frisch aufgefangenen Blut bemerkt er früher oder später zwei verschie- dene Portionen, die. eine oberflächliche Aehnlichkeit mit dem Kuchen und dem Serum des Wirbelthierblutes besitzen. Bei vielen Wirbellosen findet er zwei verschiedene Formen von Leukoeyten, die er als grobkörmige und feinkörnige unterscheidet; der Ver- einigung der letzteren schreibt er die Bildung des Blutkuchens zu, welchen er als Plasmodium bezeichnet. Blut, welches von seinen Leukoeyten durch Filtration befreit wird, coagulirt nicht. „All the evidence points to the eonelusion that the elot, which appeares in any invertebrate eorpuseulate fluid is formed, always partly, and sometimes wholly, by the fusion of the finely granular amoeboid eorpuseles, there in suspended... and the power of coaleseing is at any rate a very widely spread, if not a general property of the amoeboid cell. In den Lacunen der bindegewebigen Wandung des Bojanis- schen Organes der Auster zeichnet Hoek 2) (1883) die Blutkörper- chen ohne Ausläufer. Aus der Figur und ihrer Erklärung auf der Tafel und in dem Text ist leider nieht ersichtlich, welcher Art das Präparat war, nach dem die Zeichnung angefertigt wurde. J. A.Ryder:) (1883) beschrieb für Ostrea in mehreren Fällen grünfarbige Blutkörperehen ohne Neigung Pseudopodien auszustrecken, während die farblosen diese Eigenschaft in hohem Grade besassen. Die grüne Farbe möchte er mit Leberpigmenten in Zusammenhang bringen. Speetroskopische Untersuchungen wurden zwar nicht angestellt, doch scheint. die Annahme nieht 1) P. Geddes, On the coalescence of Amoeboid Cells into Plas- modia, and on the so-called Coagulation of Invertebrate Fluids. Pro- ceed. of the Roy. Soc. of London. 1880. Vol. XXX, p. 252. 2) P.P. C. Hoek, De Voortplantingsorganen van de Oester. (hol- ländisch und französisch). Tijdschritt Ned. Dierk. Vereen. 1883. Suppl. Deel I. Pl. V, Fig. 30x. 3) J. A.Ryder, On the green colour of the Oyster. in: The American Naturalist. 1883. Vol. XVII, No. 1, p. 86—88. Beiträge zur Histologie des Blutes. 27 ausgeschlossen zu sein, dass die grüne Farbe von Chlorophyll oder gar von pflanzlichen Parasiten herrühre. Mac Munn !) hat nun aber für verschiedene Lamellibranchiaten (Ostrea, Mytilus, Cardium, Anodonta, Unio) Chlorophyll auf speetroskopischem Wege in der Leber nachgewiesen, von dem er annimmt, dass es thierischen Ursprungs ist, und da Ryder die grüne Farbe der Blutkörper auf Leberpigmente zurückführt, so verdient seine Beobachtung grüner Blutkörperchen besondere Beachtung. — Nach Behandlung mit Osmium-Pikrinsäure fand Hanitsch ?) bei Cyclas in den La- eunen des Fusses amöboide Zellen von dunkler Färbung zerstreut, oder zu Haufen vereinigt; diese Zellen wurden als Blutkörperchen erkannt, ihr mehr oder weniger protoplasmareicher Zellenleib zeigte oft sternförmige Ausläufer, ein gleiches Aussehen zeigten die Blutkörperchen von Anodonta. „Ausser in den Lacunen in Mitte des Fusses kamen sie in den Drüsengängen in grosser Menge vor“, wo sie bald einzeln, bald zu kleineren oder grösse- ren Klumpen zusammengeballt, die Kanäle mitunter um das Zehn- fache der sonstigen Weite anfgetrieben haben mochten. (!) In einem Aufsatze, welcher hinsichtlich der Wasseraufnahme bei den Mollusken gegen mich gerichtet ist, betont Ray-Lankester?) (1884) aufs Neue das Vorkommen von Hämoglobin in dem Blute von Solen legumen und Planorbis corneus. — In einer kurzen Mittheilung, welche die Leukocyten der Wirbellosen im Allgemeinen betrifft, hebt N. Wagner) (1885) hervor, dass eine Betheiligung derselben bei der Regeneration der Gewebe nach Verwundungen nicht unwahrscheinlich sei. Hinsichtlich der Lebensphänomene der Leukoeyten wird bemerkt, dass sie in zwei sich gegenseitig abwechselnden Zuständen existiren können: in eimem thätigen — 1) Mae Munn, Observations on the Colouring-matters of the so- called Bile of Invertebrates etc. Proceed. Roy. Soc. 1883. Vol. 35, p. 378. id. Further Observations on Enterochlorophyli and allied Pigments. Philos. Transactions. 1886. P. I, p. 187. 2) R. Hanitsch, Die Wasseraufnahme bei Cyclas und Anodonta. Inaug.-Diss. Jena 1884. S.21 und 25. 3) E. Ray-Lankester, The supposed taking-in and shedding- out of Water in relation to the vascular system of Molluses. Zoolog. Anzeiger. 1884, No. 170, S. 343—346. 4) N. Wagner, Ueber die Rolle der Leukocyten in plastischen Processen bei den Wirbellosen. Zool. Anzeiger. 1885, No. 198, S. 387. 28 Griesbach: wo sie in fortwährender Bewegung begriffen sind und ihre Pseudo- podien auslassen — und in einem ruhigen Zustande, in wel- chem sie Sphäroidalform annehmen und ihre Function aufgeben. Die Vermuthung, dass die Leukocyten an manchen Orten des Organismus von höheren Thieren eine wichtige physiologische Bedeutung als „Bildungszellen“ haben könnten, wird auch von Lavdowsky!) geäussert. — L. Roule ?) (1886) vergleicht die Blutkörperchen der Lamellibranchiaten den Leukoeyten der Wirbel- thiere, sie nehmen in den Kiemen den für die Gewebe erforder- lichen Sauerstoff auf. Gut conservirte Blutkörperchen zeichnet Grobben?) (1886) bei Mylitus edulis (Taf. III Fig. 22 Cs.), wo der kugelige granulirte Zellenleib einen deutlichen Kern auf- weist. Auch in Fig. 51 und 56 Taf. V präsentiren sich die Blut- zellen von Cardium edule und Pholas dactylus in ähnlicher Weise. Auf Taf. III Fig. 29 und Taf. IV Fig. 35 zeigen die Blutzellen von Dreissena polymorpha und Ostrea eristata deutliche Ausläufer. Mit Ausnahme des letzten Präparates, welches nach Sublimat- erhärtung gewonnen wurde, entstammen die übrigen Schnitte sol- chem Material, welches mit Chromsäure oder deren Salzen ge- härtet wurde. Die Thatsache der ausgezeichneten Conservirung in diesen Fällen eontrastirt mit meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe weder bei Süsswasseracephalen noch bei marinen Formen nach Erhärtung mit den zuletzt genannten Reagentien in Schnitten so tadellos conservirte Blutkörperchen, wie Grobben sie zeich- net, auffinden können. Dass bei der direeten Behandlung des Blutes mit Chromsalzen die Zellen mehr oder weniger verunstaltet werden, gab schon Flemming ®) an. Egger?) (1887) findet für die Pholadiden die Blutkörper- chen nach Form und Grösse von denjenigen anderer Muscheln nicht merklich unterschieden. In seinen Präparaten von conser- 1) Lavdowsky, Mikroskopische Untersuchungen einiger Lebens- vorgänge des Blutes. Virchow’s Arch. Bd. 97, Heft 2, S. 208. 2) L. Roule, Sur quelques particularites histologiques des mol- lusques ac&phales. Compt. rend. 1886, T. 105, p. 937. 3) C. Grobben, Die Pericardialdrüse der Lamellibranchiaten. Arbeiten aus dem zool. Inst. Wien. 1886. Tom. VII. 4) Flemming, a.a. 0. S. 247, Fig. 6. 5) E. Egger, Iouannetia Cumingii. Inaug.-Diss. Würzburg. Wies- baden. Kreidel. 1887. Beiträge zur Histologie des Blutes. 29 virtem Material zeigen dieselben keine Ausläufer mehr (Tafel IL Fig. 39 und 50 BK.). Die Blutflüssigkeit und ihre Formelemente bei den Wirbel- losen, sagt Cuenot !) (1887), dienen der Ernährung und der Ath- mung. Die erstere wird durch die Umwandlung der bei der Ver- dauung resultirenden Peptone in unzerlegbare Albuminoide ge- sichert, welehe von sämmtlichen thierischen Zellen direet assi- milirt werden können, die letztere wird dureh die Gegenwart eines besonderen Albuminoids gesichert, welches mit der Eigen- schaft ausgerüstet ist, sich in verschiedenen Verhältnissen mit Sauerstoff zu verbinden. Beide Albuminoide sind chemisch ver- schiedene Körper. Bei den Vertebraten, Anneliden, Sipuneuliden und vielleicht auch bei den Ascidien wird das Sauerstoff bindende Albuminoid durch das Hämoglobin oder einen analogen Körper, das andere Albuminoid durch das Serumalbumin repräsentirt. Bei den Arthropoden und Mollusken spielt ein und dasselbe Albumi- noid beide oben genannten Rollen, wie dies zuerst für die Cepha- lopoden von Frederieq?) gefunden wurde, welcher ihm den Namen Hämoeyanin gab. Dasselbe konnte isolirt werden; es gab mit dem Millon’'schen Reagenz die Eiweissreaction und wurde reich an Kupfer gefunden, welches in ihm physiologisch dieselbe Aufgabe zu haben scheint wie das Eisen im Hämoglobin. Cuenot fand von den Ecehinodermen aufwärts bis zum Menschen ein albuminogenes Ferment, welches die Umwandlung der Peptone in Albumime bewerkstelligt. Dasselbe hat für diese ganze Gruppe von Organismen ungefähr dieselben Eigenschaften, und ist sicher weniger verschieden als das die entgegengesetzte Rolle spielende Verdauungsferment bei denselben Thieren. Dieses Ferment istin Form von schwach gelb, braun, violett oder grünlich gefärbten, stark liehtbrechenden Körnchen mit wenigen Ausnahmen in den amöboiden Blutkörperchen enthalten, welchen Cuenot den Namen Amoeboeyten giebt. Dieselben werden sammt ihrem Ferment, je nach Bedarf, in besonderen Organen: den Lymph- 1) L. Cu¬, Etudes sur le sang, son role et sa formation dans la Serie animale 2e partie: Invertebres. Archives de Zoologie ex- perimentale 2e Ser. T. V, 1887, p. XLIH. 2) Frederieg, Sur l’hemoceyanine, substance nouvelle du sang de Poulpe. Compt. rend. 1878, T. 87, p. 996. 30 Griesbach: drüsen, gebildet. Während die chemische Zusammensetzung des Fermentes im Grunde stets die gleiche ist, können seine physio- logischen Eigenschaften doch sehr variiren. Die Lymphdrüsen liegen bei den Mollusken im Allgemeinen in der Nachbarschaft der Athmungsorgane, bei den Acephalen, speciell bei Dreyssena polymorpha und Mytilus edulis, in der Kieme selbst, in der Nähe des Vas afferens, so dass das durch dasselbe einströmende Blut die von den Drüsen produeirten Elemente an sich reisst. Nach Roule'!) (1887) haben die Blutkörperchen, Endothel- und Bindesubstanzzellen, bei den Lamellibranchiaten alle denselben embryologischen Ursprung und können sich während des ganzen Lebens gegenseitig ersetzen; sie zeigen dieselbe Struetur und be- sitzen dieselben Eigenschaften. Sie besitzen eine zarte aber deut- lich wahrnehmbare Wand (paroi) [!],. ihr Zellenleib zeigt die ver- schiedenartigsten Granula, welche sieh scharf färben lassen und den Kern oft verdecken; der letztere erscheint häufig wie ein heller Raum und schliesst ein mehr oder weniger dichtes, stark gefärbtes und gut wahrnehmbares Kernnetz ein. Die Formen wechseln. Die Blutkörperchen liegen oftmals in den sogenannten Langer’schen Bla- sen, von denen einige Forscher (bekanntlich Flemming) annehmen, dass sie Zellen seien, während sie in Wahrheit Bindesubstanzlacunen sind. Auf Tafel VII Fig. 21 giebt Roule eine Abbildung der Blutzellen von Lima inflata [?] in den verschiedensten Formen, an denen man in der That einen ziemlich scharfen Contour erkennt. Im „Resume general“ vergleicht er nochmals den ganzen Gefäss- apparat dem Lymphgefässsystem der Wirbelthiere mit den Worten: „Enfin, de m&me que chez les Tuniciers et par tous ses caracteres, ensemble de l’appareil eireulatoire des Lamellibranches rapelle le systeme Iymphatique des Vertebres; les globules correspon- dent en tout aux globules de Iymphe, de telle sorte que le sang de ces animaux n’est autre que de la Iymphe allant elle-meme puiser dans la branchie l’oxygene necessaire aux tissus.“ Apathy?) (1884—87) findet, dass das Coagulum, welches 1) L. Roule, Recherches histologiques sur les mollusques La- mellibranches. Journal de l’Anatomie et de Physiologie (Robin et Pouchet). 1887, T. XXIII, pl. IV a VII. Im „Extrait“ (Paris, Felix Alcan) p. 44, 52, 80. 2) J. Apathy, Studien über die Histologie der Najaden, Ab- handl. der ungar. Akademie. Bd. 14. 4 Taf., 121 Seiten. Im Auszuge; Biolog. Centralblatt Bd. VII, No. 20, 1887, S. 621. Beiträge zur Histologie des Blutes. 31 beim Stehen des Blutes auftritt, aus einem fibrinartigen Netze besteht und sich nur dann bildet, wenn das Blut Blutkörperchen enthält. Die Vermuthung Flemming's, dass die Blutzellen im lebenden Organismus nur wenige und kurze. Fortsätze besitzen, konnte er nicht bestätigen. Ausser den gewöhnlichen Blutkörper- chen lässt sich noch eine zweite Form unterscheiden, deren Zahl sich zu der der gewöhnlichen wie 1:5 verhält; sie besitzen einen relativ grösseren Kern, treiben fast keine Pseudopodien und bil- den mit anderen keine Knäuel. Während die Blutzellen sich auf dem Objeetträger aus- breiten, treten ausser den stark liehtbreehenden Körnchen va- kuolenartige Bläschen in ihnen auf (in der ungar. Abhalg. Taf. I Fig. 5 bei e.), „welche an den Strömungen des Protoplasmas nicht Theil nehmen, von Zeit zu,Zeit verschwinden und wieder auf- treten.“ Wenn die Blutkörpeehen absterben, bemerkt man sei- denglänzende, scharf eontourirte, myelintropfenartige Kügelchen, welche man manchmal auch im frischen Blute schwimmen sieht. Die Kügelchen besitzen einen Durchmesser von 2—8 u und zeigen die Brown’sche Molekularbewegung. Apathy hat an den Blut- körperehen indireete Theilung wahrgenommen. | J. Brock !) (1888) beschreibt in den Blutbahnen des Mantels von Tridacna eigenthümliche grüne Zellen. Die Frage, ob der Farbstoff Chlorophyll ist, und ob man es in diesen Zellen mit pflanzlichen Symbionten zu thun hat, bleibt unentschieden, da ein Beweis an dem conservirten Untersuchungsmaterial nicht mehr erbracht werden konnte. Dass sich aber die fraglichen Zellen wirklich im Blute befinden, dafür spricht nach ihm die Anwesenheit von Blutkörperchen au denselben Orten. Für die pflanzliche Natur dieser Gebilde lässt Brock den Umstand sprechen, dass er in ihnen Stärke nachweisen konnte. Unter Berücksichtigung der oben angeführten schönen Untersuchungen von Mae Munn über Enterochlorophyli und den Bemerkungen Ryder’s über das Vor- kommen grüner Zellen im Blute der Austern, Nachrichten, welche Brock bei seinen Beobachtungen nicht gekannt zu haben scheint, dürfte die Vermuthung, dass die grünen Zellen von Tidaena pflanzlichen Ursprungs sein könnten, eine bedeutende Einschränkung erfahren. 1) J. Brock, Ueber die sogenannten Augen von Tridacna ete. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1888, Bd. 46, S. 280 ff., Taf. XXII, Fig. 7 u. 8, 39 Griesbach: Broek!) giebt ferner einige Mittheilungen über die Blut- körperchen. Sie zeigen trotz der verschiedenen Behandlung des Untersuchungsmaterials (Chromsäure, Alkohol, Osmium) in den Präparaten mehr oder weniger dieselbe Beschaffenheit. Das Plasma findet er stets in zwei Abschnitte gesondert, der eine ist hyalin und enthält den Kern, der andere zeigt sehr ausgesprochene faserige Gerinnung. Ausser diesen Blutzellen fmdet er noch an- dere, welche er Körnchenzellen nennt. Dieselben sind in der Minderzahl vorhanden, haben rundliche oder ovale, gelappte oder sonst unregelmässige Form und ihr ganz hyalines Plasma ist mit fettähnlich glänzenden, stark lichtbreehenden Körnchen derartig vollgestopft, dass em Kern nicht gesehen werden kann. Die In- haltskörner färben sich mit Osmium braun, Glykogen ist in ihnen nicht nachzuweisen. - Pr Zwei verschiedene Formenel®mente im Molluskenblute be- schreibt auch Plate?) für die Dentalien; beide sind farblos und amöboid, sie differiren aber im der Grösse und im Bau der Kerne. Obgleich sich die Untersuchungen von Dewitz ?) (1889) spe- ciell über das Blut der Gliederthiere erstrecken, so finden sich darin doch einige allgemeine Bemerkungen über die Lebenser- scheinungen der Leukoeyten. Die zur Ruhe gekommenen Blut- körperchen sollen sich durch Erschütterung oder Erwärmung wie- der in Bewegung versetzen lassen. Dewitz beobachtete mehr- fach ruck- oder sprungartige Bewegung, deren Ursache er nicht in einer Strömung, sondern darin erblickt, dass die Körperchen Blutflüssigkeit in sich aufnehmen und wieder auslassen. Wohl am eingehendsten hat sich Cattaneo) neuerdings (1889) mit dem Studium der Blutzellen emiger Mollusken beschäftigt, und, da meine eigenen Untersuchungen über die Beschaffenheit der Leukocyten in manchen Punkten mit den semigen übereinstimmen, in anderen davon abweichen, so kann ich nieht umhin, diese Ar- DeBmDICKke ra: 08,9°284 fie 2) L. Plate, Bemerkungen über die Organisation der Dentalien Zool. Anzeiger 1888, No. 288, S. 514. 5) H. Dewitz, Eigenthätige Schwimmbewegung der Blutkör- perchen der Gliederthiere. Zool. Anzeiger 1889, No. 315, S. 457 ff. 4) Cattaneo, Sulla morfologia delle cellule ameboidi dei mol- luschi e Artropodi. Bollettino scientifico redatto da Magei, Zoja «@ De-Giovanni. Anno XI, Marzo 1889, No. 1, 1889, p. 9—29, ® Beiträge zür Histologie des Blutes. 33 beit hier ausführlieher zu berücksichtigen. Cattaneo studirte das Acephalenblut an Anodonta, Unio und Tellina radiata; von anderen Mollusken wurden Helix pomatia, .Sepia offieinalis und Sepiola vulgaris zur Untersuchnng herangezogen. — Die amöboiden Zellen von Anodonta und Unio sind im lebenden Zustande ovale oder runde Körper, welche ein oder zwei oder mehrere lange und zarte Pseudopodien besitzen. Der Zellkern liegt entweder central oder excentrisch und schliesst stets Körnchen oder Stäbchen ein. Im Zellenleibe sind stets mehr oder weniger zahlreiche Granula enthalten, welche als Fermentkörner betrachtet werden. In einigen Zellen, namentlich den grösseren, sind solche so zahlreich, dass sie den Kern verdecken. Die kleineren Zellen enthalten weniger Fermentkörner, manchmal erscheinen sie auch ganz hyalin. Von Pseudopodien kann nur ein ginziger vorhanden sein, giebt es zwei, so finden sich diese an entgegengesetzten Polen, treten sie in grösserer Zahl auf, so werden sie an verschiedenen Stellen »her- vorgetrieben, und die Zelle hat alsdann ein strahliges oder mul- tipolares Aussehen, die Länge der Pseudopodien übertrifft den Durchmesser des Zellenleibes um das Drei- bis Fünffache, ge- wöhnlich erscheinen sie gewellt und an ihrem distalen Ende sind sie manchmal keulenartig verdickt. In den multipolaren Zellen sind sie häufig gespalten und verzweigt. Diese Pseudopodien enthalten keine Fermentkörner; in ihrer. Substanz sind sie so be- schaffen wie das Ektoplasma, mit welchem sie zusammenhängen. Weder die Pseudopodien ein und derselben Zelle, die sich manch- mal kreuzen können, noch die verschiedener Zellen verschmelzen unter einander. Diese Pseupodien der lebenden Zellen sind bis jetzt noch nicht beschrieben worden. An den Kiemen jugend- licher Thiere kann man ihre Bewegung studiren, bald werden sie zurückgezogen, bald aufs Neue ausgestossen, so dass die uni-, bi- oder multipolare Zellform keinen constanten Zustand reprä- sentirt, sondern derselbe vielmehr als ein fortwährend wechselnder, von dem Vorstossen oder Zurückziehen der Pseudopodien abhängi- ger, erscheint. Unter spontanen Veränderungen der Blutzellen muss man solche verstehen, welche sich im Innern des Organismus beim Absterben des Thieres, oder in dem entleerten Blute ereignen. Von den spontanen Veränderungen, welche man im Präparate Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 3 34 Griesbach: an den Blutkörperchen verfolgen kann, unterscheidet Cattaneo vier Stadien. Das erste Stadium erstreckt sich auf die allmähliche Ver- kürzung der beschriebenen Pseudopodien bis zu dem Punkte, wo dieselben vom Ektoplasma des Zellkörpers völlig eingezogen worden sind und der letztere eine kugelige Form repräsentirt. Das zweite Stadium umfasst das Ausstrecken von Sarkode- fortsätzen. Kaum sind die Pseudopodien zurückgezogen oder doch sehr verkürzt, so wachsen aus irgend einer Gegend des Zellrandes oder überall an demselben kleine hyaline Protuberanzen hervor, welche allmählich in nadelförmig scharfe Fortsätze oder in ab- gerundete Lappen übergehen. Diese Fortsätze erreichen an Länge den Durchmesser der Zelle nicht; manchmal bilden sie auf einer Seite der Zelle ein Büschel, gewöhnlich bedecken sie strahlen- förmig ihre ganze Oberfläche. - » Während die Pseudopodien Ausstülpungen des Ektoplas- mas sind, kommen die Sarkodefortsätze aus dem Innern der Zelle, wobei die letztere ihren Contour vollständig bewahrt. Ausserdem ist die Substanz der Sarkodefortsätze anders beschaffen als die der Pseudopodien, und wenn diese Fortsätze einmal ausgestreckt sind, gleichgültig ob nadelförmig oder lappig, so werden sie aktiv nie mehr in den Zellkörper zurückgezogen. Im dritten Stadium verschmelzen die Sarkodefortsätze an ihrer Basis und bilden um die ganze Zelle herum eine hyaline Zone, die immer grösser wird; über den Rand derselben können die Spitzen noch frei hinweg ragen. Das vierte Stadium endlich offenbart sich dadurch, dass die Spitzen der Sarkodefortsätze benachbarter Zellen mit einander verschmelzen und eine ausgebreitete, oft zwanzig Zellen enthal- tende Masse bilden, deren Rand ebenfalls lappig oder stachelig beschaffen ist. Solche, aus verschmolzenen Zellen entstandene Massen nennt Cattaneo Syneytien oder Plasmodien. Nach diesem letzten Stadium findet die Gerinnung des Plas- mas statt, das Deckgläschen haftet fest am Objeetträger, und die zelligen Elemente können als abgestorben betrachtet werden. Alle diese Veränderungen ereignen sich in einer viertel Stunde oder in noch kürzerer Zeit. Das Studium dieser Erscheinungen führt nun zu dem Schluss, dass die in frisch entleertem Blute an den Zellen beobachteten Pseudopodien und die späteren Sarkodefort- Beiträge zur Histologie des Blutes. 35 sätze ganz verschiedener Natur sind. Abgesehen von der ver- schiedenen physikalischen Beschaffenheit ihrer Substanz und ab- gesehen davon, dass die Sarkodefortsätze mit dem Zellrande nicht in Zusammenhang stehen, sind namentlich die beiden Thatsachen von Wichtigkeit, dass die Sarkodefortsätze, ob spitz oder blasig und lappig, in hohem Grade die Eigenschaft besitzen, mit ein- ander zu verschmelzen und sich zu Plasmodien zu vereinigen, was bei den Pseudopodien niemals geschieht, und dass diese spitzen und die blasigen oder lappigen Fortsätze in ihrer Be- schaffenheit identisch sind. Frühere Beobachter haben die ver- schiedenen Fortsätze nicht von einander unterschieden. Durch die Anwendung brauchbarer Reagentien (Osmiumsäure, Palladium- chlorür, destillirtes Wasser, Essigsäure und verschiedene Farb- stoffe) kommt man zu der Erkenntniss, dass die Blutzelle aus drei verschiedenen Abschnitten besteht. Zu äusserst liegt eine sehr dünne Schicht, darauf folgt der granulirte Theil, und das Innere wird von hyaliner Sarkode ausgefüllt. Zum besseren Ver- ständniss der geschilderten Verhältnisse giebt der Autor eine all- gemeine morphologische Betrachtung. Wie alle andern freien oder zu Geweben vereinigten Zellen, bestehen auch die amöboiden Zellen im Blute der Mollusken aus zwei Hauptbestandtheilen: aus einem consistenteren, contractilen und maschig angeordneten, welcher als Gerüst und Stütze dient, und aus einem homogenen, halbflüssigen, welcher das Maschenwerk der Stützsubstanz durch- dringt und hauptsächlich an den Ernährungsprozessen der Zelle Theil nimmt. Beide sind von Heitzmann auch an den amö- boiden Zellen des Flusskrebses und neuerdings von Fabre-Do- mergue!) an den Infusorien erkannt worden. Ohne auf den Werth oder Unwerth der verwirrenden Nomenklatur der verschie- densten Autoren (Heitzmann, Carnoy, Kupffer, Hanstein, Flemming, Wiedersheim u.a.) auf dem Gebiete der Zellen- lehre einzugehen, schliesst sich Cattaneo für die Blutzellen der Mollusken der von Fabre-Domergue für die Infusorien ge- wählten Bezeichnung an und nennt die contractile, maschige Ge- rüstsubstanz: Hyaloplasma und die diese durchdringende, den Zellkern bergende Masse Paraplasma (Enchylem oder Sarkode); 1) Fabre-Domergue, Recherches anatomiques et physiolo- giques sur les infusoires cilies. Paris 1888. 56 Griesbach: zwischen beiden ist eine Schicht stark liehtbreehender Körner eingeschoben. Durch diese Anordnung der Substanzen kann man auch, wie bei den Amöben und Infusorien, eine Unterscheidung von Ekto- und Entoplasma machen. Das Hyaloplasma (Ekto- plasma) ist es, welches vermöge seiner Contractilität Pseudopodien zu treiben vermag, welche wie diejenigen der Amöben als Fang- organe in der Erscheinung des Phagoeytismus dienen können. Ent- sprechend der Feinheit des Hyaloplasmas ist die Masse des Para- plasmas sehr umfangreich. Man darf dasselbe nicht als ein un- thätiges Element der Zelle betrachten, es steht vermittels der es umgebenden Granula in engstem Zusammenhange mit dem Er- nährungsprozess der Zelle und mit Regenerationsvorgängen. Diese Granula bilden denjenigen Theil, welcher physiologisch am schwie- rigsten zu erklären ist. Anfangs sah man sie als Fetttröpfehen an, jetzt aber gelten sie als Fermentkömer. — Die häufigen Fälle von doppelten oder sich theilenden Kernen beweisen, dass die Reproduction durch direkte Theilung erfolgt. — Auf Grund die- ses fundamentalen Entwurfes der Schichtung der amöboiden Zel- len der Weichthiere sind alle regressiven Erscheinungen, die bis jetzt unrichtig aufgefasst wurden, leicht erklärbar; ‘da sie wäh- rend des Lebens des Thieres im Blutplasma kreisen, sind die Zellen einer besonderen Lebensart angepasst; ihre Umgebuug ver- ändert sich, sobald das Blut aus dem Körper tritt, oder wenn der Organismus abstirbt. Im ersteren Falle treten natürlich phy- sikalische Veränderungen ein (Temperaturwechsel, Zutritt von Luft und Licht), welche das Blutplasma berühren. Ein Beweis dafür ist der rasche Niederschlag des Hämocyanin, die opalblaue Farbe, welche das Blut sofort annimmt. Unter solchen nicht physiologischen Umständen ist das erste was geschieht, die rasche Contraetion des Ektoplasmas, welche das Zurückziehen der Pseu- dopodien bedingt. Die Contraetion der äusseren Schicht muss einen Druck auf die halbflüssige enchylematische Masse ausüben, so dass dieselbe unter der Form von feinen hyalinen Zapfen durch die Maschen des Hyaloplasmas dringt. Wo dagegen ein Riss im Eetoplasma entsteht, tritt das Enchylem in grossen Blasen hervor. Diese Umstände müssen die Ursache der spitzen und lap- pigen Sarkodeausflüsse im zweiten Stadium der Rückbildung sem. Da jedoch das Enchylem das Vermögen besitzt, Wasser und in- differente Flüssigkeiten aufzusaugen, ohne sich damit zu vermischen Beiträge zur Histologie des Blutes. 37 und es in allen seinen Theilen im höchsten Grade plastisch ist, so findet die basale Verschmelzung der Sarkodeausstülpungen, die Ausbreitung des hyalinen Gürtels um den ganzen Zellenleib und die Bildung von Syneytien und Plasmodien statt. Alle diese Erscheinungen, welche man als Diffluenz bezeichnen kann, sind degenerativer Natur und finden sich nie während des Lebens. Löwit!) memt, dass gerade die langen strahlenförmigen oder mehr stacheligen Fortsätze an den Leukocyten (es handelt sich um die Blutkörperchen des Flusskrebses) nicht dem gewöhn- lichen Bilde der amöboiden Bewegungen entsprechen. Es werden zwar derartige Fortsätze von einzelnen Beobachtern erwähnt, indes- sen entsprechen doch die breiten kurzen, oder die sich mantelförmig ausbreitenden Fortsätze weit mehr dem eigentlichen Bilde der amöboiden Bewegungen der Leukocyten. III. Untersuchungsmaterial. Dank der ausgezeichneten Emrichtung in der zoologischen Station zu Neapel ist es mir gelungen, ein umfangreiches Material aus dem Mittelmeer zur Untersuchung heranzuziehen. Wer selbst mit Schlepp- und Stechnetz ausgerüstet, im Segel- oder Ruderboot, in Begleitung unerfahrener und kein Verständniss für die Sache besitzender Fischer stundenlang oft vergebens das Material zu beschaffen suchte, wie ich dies an den Küsten der Ostsee gethan, der weiss die Annehmlichkeit einer zoologischen Station wie die in Neapel zu schätzen, wenn er die ihm zur Verfügung gestellten Aquarien täglich mit reichlichem und frischem Material gefüllt findet. Nachstehende Tabelle enthält die Formen, deren Blut unter- sucht wurde, nach Familien geordnet, zusammengestellt: I. Siphoniata. 1. Pholadidae. 9. Myidae. Pholas dactylus L. Mya arenaria L. Teredo navalis L. Corbula gibba Oliv. 2. Anatinidae. Poromya granulata Nyst. Thracia papyracea Poli. 4. Solenidae. Lyonsia ceorruscans Scacchi. Solen vagina L. 1) M. Löwit, Ueber die Beziehung der weissen Blutkörperchen zur Blutgerinnung. Beiträge zur patholog. Anatomie und zur allge- meinen Pathologie, herausg. von Ziegler, Bd. V, S. 507. 38 Griesbach: Solen siliqua L. Solen legumen (Ceratisolen le- gumen) L. Solecurtus strigillatus L. 5. Tellinidae. Tellina planata L. Tellina exigua Poli. Tellina donaecina L. Tellina baltica L. Psammobia vespertina Lm. Capsa fragilis L. Donax politus Poli. Donax trunculus L. 6. Mactridae. Mactra stultorum L. Mactra helvacea Lm. . Veneridae. Venus gallina L. Venus verrucosa L. —] IE 1. Unionidae. Unio pietorum L. Anodonta cellensis Schroet. 2. Arcidae. Arca tetragona Poli. Arca Noae L. Pectunculus glyeimeris Lam. Nucula nucleus L. 3. Mytilidae. Mytilus edulis L. Modiola adriatica Lm. Modiola barbata Lm. Lithodomus dactylus Sow. Dreyssena polymorpha Pallas. Tapes geographica Ch. Cytherea chione Gmelin. Cytherea rudis Poli. Artemis exoleta L. 8. Cyprinidae. Circe minima Mtg, 9. Cyeladidae. Cyelas cornea Pfeiff. 10. Astartidae. Astarte fusca Poli. Cardita aculeata Poli. 11. Lucinidae. Lucina spinifera Mtg. Galeomma Turtoni Sow. Solemya togata Poli. 12. Cardidae. Cardium tuberculatum L. Cardium edule L. Asiphoniata. 4. Aviculidae. Avicula hirundo L. Pinna nobilis L. 5. Pectinidae. Pecten varius L. Pecten opercularis L. Pecten Jacobaeus L. Pecten textae Biv. Lima hians Gm. Lima inflata Lm. Lima squamosa Lm. 6. Ostreidae. Ostrea edulis L. Anomia ephibbium L. IV. Untersuchungsmethode. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes wurde nur an lebendem und frischem Material vorgenommen. Um Veränderungen der Zellenelemente bei der Entfernung aus den Kreislaufsorganen dureh Luft, Lieht und Temperaturdifferenzen, allgemein gesagt durch die abnormen Umgebungsverhältnisse, möglichst zu ver- meiden, wurden verschiedene Methoden versucht. Das schnelle Oeffnen der Schalen mit nachfolgender Untersuchung des ab- ie au Beiträge zur Histologie des Blutes. 39 fliessenden Blutes, ein Verfahren, welches von Flemming!) an- gewandt wurde, erwies sich zur Erreichung eines Bildes der nor- malen Blutkörperchen bald als unbrauchbar. Das Blosslegen des Herzens nach Entfernung einer oder beider Schalen und das An- steehen desselben mittels _ einer fein ausgezogenen Glaspipette ist für einen geschickten und schnellen Arbeiter nicht zu verwerfen, und kann nach meinen Erfahrungen, namentlich bei grösseren Thieren, mit Erfolg ausgeführt werden, wenn man nach Eröffnung des Pericardiums über dem lebhaft pulsirenden Herzen den Liquor pericardii mit Hülfe einer zweiten Pipette oder eines Stückchens Filtrirpapier vorsichtig entfernt. Cattaneo?) meint zwar, dass eine derartige Operation zu lange Zeit beanspruche, doch kann ich ihm darin nicht beistim- men; auch möehte ich noch besonders bemerken, dass durch die betreffende Operation der Kreislaufsapparat, speciell das Herz, keinen Schaden nimmt, wenigstens keinen solchen, der sich in einer Veränderung der Blutzellen bemerken liesse. Bei den grossen Süsswassermuscheln habe ich sogar ohne Nachtheil für die Blutkörperchen eine für Cattaneo vielleicht noch gewagter er- scheinende Operation angewandt. Ich habe nämlich das blossgelegte Herz vorne und hinten am Darm und seitlich an den Atrien mit einem Faden unterbunden, dann aus dem Körper herausgehoben und die Punetur mit der Pipette in einem Osmiumsäure enthal- tenden Gefässe vorgenommen. Eine andere Methode, Blut direet aus dem Herzen zu er- halten, welche auch von Cattaneo?) geübt wurde, besteht darin, den Herzstich von Aussen durch das Schalenschloss auszu- führen, nachdem man sich an etlichen Versuchsthieren nach ge- nauer Orientirung über die Herzlage einige Uebung verschafft hat. Cattaneo°) benutzte hierzu eine gewöhnliche starke Nadel und fing den hervorquellenden Blutstropfen mit dem Objeetträger auf. Ich benutzte, um zum Ziele zu gelangen, in vielen Fällen eine Art Hohlsonde, am einen Ende scharf aber weniger schräg geschliffen wie die Canülen der Pravaz’schen Spritzen, am anderen Ende mit einem als Handgriff dienenden aufschraubbaren Ring 1) Flemming, a.a. 0. S. 246. 2) Cattaneo, a.a. ©. S. 10. 3) Cattaneo, a.a. 0. S. 10, 11. 40 Griesbach: versehen. Die Anwendung eines solchen hohlen Bohrers hat, wie ich glaube, einige Vortheile. Bei dem Gebrauch der Nadel kann man nicht verhindern, dass der hervorquellende Blutstropfen mit der Aussenfläche der Schale in Berührung kommt. Wenn dieselbe auch vorher sorgfältig gereinigt worden ist, so gelangen häufig (loch noch allerhand Fremdkörper, namentlich Diatomeen, in das Object, welche unter Umständen das Bild beeinträchtigen. Ausser- dem vermeidet man mit Hülfe des Bohrers den plötzlichen Zu- tritt des Lichtes und die allseitige Einwirkung der Luft. Etwaige Kalkstückchen, welehe in die Röhre eindringen, sind wenig hinder- lich und lassen sich nach dem Gebrauch durch einen eingeführ- ten Draht leicht entfernen. Die Entleerung eines Bluttröpfehens aus dem Bohrer oder aus der Glaspipette, wenn letztere zur Ver- wendung kam, bewirkte ich durch Klopfen mit dem Finger auf die weite Oeffnung, oder durch Druck auf ein über dieselbe ge- stülptes Kautschukrohr; beim Blasen mit dem Munde könnte die zutretende Kohlensäure der Exspirationsluft für die Blutkörperchen von Nachtheil sein. Je nach der Grösse der Thiere und je nach der Beschaffenheit ihrer Schale und des Schlosses derselben wird sich eine der genannten Methoden als die zweckmässigste erwei- sen. Bei kleinen und dünnschaligen 'Thieren ist die Punetur mit der Nadel durch das Schalenschloss am Platze; bei manchen Thieren aber lässt sich diese nach meinen Erfahrungen mit der Nadel gar nicht, mit dem genannten Bohrer nur sehr mangelhaft ausführen. Ich meine diejenigen Bivalven, deren Schale sehr hart oder deren Schloss mit allerhand Zähnen und Leisten aus- gerüstet ist, beispielsweise: Unio, Peetunceulus, Artemis, Venus, Cytherea, Cardium und andere. Der durch eine dieser Methoden erhaltene Blutstropfen wurde mit einem Deckgläschen aufgefangen und dieses entweder regel- recht mit einer feuchten Kammer in Verbindung gebracht, oder auf einen, mit einer Delle versehenen, Objeetträger derartig aufgelegt, (dass die mikroskopische Beobachtung am hängenden Tropfen vor- senommen werden konnte. Zum Studium der Blutkörperehen in ihrer normalen Form habe ich behufs Fixirung verschiedene Reagentien angewandt. Der am Deckglase hängende Tropfen wurde entweder den Dämpfen von starker Osmiumsäure aus- gesetzt, oder es wurde ihm mit dem Glasstabe ein Tropfen ein- procentiger Osmiumsäure zugesetzt. Die beste Fixirung aber er- Beiträge zur Histologie des Blutes. 41 reicht man, wenn man das Blut direet m em das Fixativ ent- !altendes Uhrschälehen tropfen lässt und von hieraus mit der Pipette auf ein Deckgläschen überträgt. — Bei der oben be- schriebenen Herausnahme des Herzens und Einlegen desselben in einprocentige Osmiumsäure wird die Fixirung der Blutzellen schon vor dem Anstich erreicht. Soll die Punetur des Herzens nach Entfernung der Schale vorgenommen werden, so ist es zweckmässig, in die Spitze der dabei zu verwendenden Pipette vorher ein Tröpfehen Osmiumsäure hineinzubringen. Soviel von der Osmiumsäure, sie lässt nichts zu wünschen übrig. Die Erhaltung der normalen Form der amöboiden Blutzellen kann aber noch auf andere Weise erreicht werden. Ich habe dazu mit Vortheil Kleinenberg’sche Pikrinschwefelsäure, Flem- ming’s Chromosmiumessigsäure und Goldchlorid (ein- bis dreipro- eentig) verwandt. — Um Bewegungserscheinungen der nicht fixirten Leukocyten zu verfolgen, um namentlich die ersten Ver- änderungen zu sehen, welche die fremdartige Umgebung alsbald nach der Entfernung der Zellen aus dem Kreislaufsapparat an diesen hervorruft, benutzte ich bei den Süsswassermuscheln zum Auffangen des Blutes häufig auf Eis gekühlte Pipetten, Deck- gläschen und Objeetträger. Die normale Form der Leukocyten habe ich in den Gefässen der Kiemen, der Mundlappen, des Mantels und seiner Anhänge, wie sie beispielsweise Lima besitzt, zu beobachten versucht, doch will ich hinzufügen, dass es dabei nicht zu umgehende Hindernisse (Wimperspiel etc.) giebt, welche die Untersuchung im höchsten Grade stören und das Beobach- tungsfeld undeutlich machen. Dennoch erhält man nach einiger Mühe und hinreichender Uebung befriedigende Resultate. Inter- essante Aufschlüsse über gewisse Bewegungserscheinungen und spontane Veränderungen erhält man, wenn man den zu unter- suchenden Blutstropfen an ein mit einer dünnen Oelschicht ver- sehenes Deckgläschen hängt. Ich benutzte zu diesem Zwecke Oliven-, Mandel- oder Rieinusöl. Behufs Feststellung der feineren Strueturverhältnisse der zelligen Elemente des Blutes habe ich verschiedene Reagentien und Farbstoffe verwendet. Von ersteren kamen destillirtes Wasser, 0,5- bis 2procentige Kochsalzlösung, Essigsäure in den verschiedensten Concentrationsgraden, 1- bis 2 procentige Osmiumsäure, Pikrinschwefelsäure, Chromosmiumessig- säure, 1- bis 3procentige Gold- und Palladiumehloridlösung, essig- 43 Griesbach: saures Kali, Alkohol und Glycerin mit Erfolg in Gebraueh; von letz- teren benutzte ich namentlich Methylenblau, Methylviolett, Eosin, Me- thylgrün, Congoroth, die farblose Rosanilinbase in Verbindung mit Pikrinschwefelsäure, das farblose Hexamethyleukanilin in Verbin- dung mit Chromosmiumessigsäure, das Rhodamin !) und eine eon- eentrirte Lösung von Jod in Jodkalium. Die Farbstoffe wurden theils in Substanz oder in Lösung dem hängenden Tropfen bei- gemischt, theils, wo dies zulässig, mit dem Fixativ vermengt. Letztere Methode, durch welche Fixirung und Färbung gleich- zeitig erreicht wird, habe ich namentlich dann angewandt, wenn es sich um Herstellung von Dauerpräparaten handelte. Dieselben habe ich in der Weise angefertigt, dass ich ein Tröpfchen des die fixirten und gefärbten Zellen enthaltenden Blutes mit Glycerin auf ein Deckgläschen brachte, dieses zum Schutze gegen Druck und Hervorquellen des Glycerins mit einem schmalen Rahmen von weisser Oelfarbe versah und nach dem Auflegen auf den Objeetträger mit Wachs oder mit Apathy’s?) Deckglaskitt um- rahmte. Harzige Einschlussmittel sind für Dauerpräparate nach meiner Erfahrung ungeeignet. — Die Anwesenheit von rothem Pigment im Blute der Acephalen wurde mittels des Vogel’schen Spectralapparates ä vision direete (Schmidt und Haensch, Berlin) in einzelnen Fällen mit dem Mikrospectroskop constatirt. Von der Messung der Wellenlängen musste aus Mangel eines geeigneten Apparates Abstand genommen werden. In mehreren Fällen ge- lang es in der bekannten Weise mit Eisessig und Kochsalz vom Blute auf dem Objeetträger charakteristische Krystallbildungen zu erhalten. 1) Unter diesem Namen kommen ungefähr seit anderthalb Jahren die Phtaleine des Metaamidophenols und seiner Derivate in den Handel, welche thierische Gewebe prachtvoll roth färben. Das von mir benutzte Rhodamin, ein schwach basischer Farbstoff, ist das chlorwasserstoffsaure Salz des Anhydrids des Metatetramethylamidodioxyphenolphtalein mit der Formel: Ho 3 \ 11.128 OH ,0 SERNCCH)s A ER 2HOI. N GH,N(CH;)s 2) Apathy, Zeitschr. f} wissensch. Mikroskopie 1889. Beiträge zur Histologie des Blutes. 43 V. Histochemische und histologische Beschaffenheit des Blutes. A. Chemisch-physikalisches Verhalten des Blutes. Das Blut der Acephalen ist m den meisten Fällen farblos, in einzelnen Fällen roth. Bei allen von mir untersuchten Thieren mit farblosem Blut besitzt dasselbe eine mehr oder weniger aus- geprägte alkalische Reaction. Die frisch dem Herzen entnom- mene Flüssigkeit färbt rothes Lackmuspapier deutlich blau, durch Essigsäure gebläutes Congopapier wird wieder roth. Ueber den Grad der Alkalescenz habe ich keine genauen Untersuchungen angestellt, doch scheint derselbe innerhalb ge- wisser Grenzen für verschiedene Arten zu schwanken. Auch glaube ich für eine und dieselbe Art Unterschiede in der Alka- leseenz wahrgenommen zu haben. Bei Anodonten, die längere Zeit (3 Wochen) in der Gefangenschaft gehalten worden waren, fiel die Reaction gegen Reagenzpapier unter sonst gleichen Umstän- den schwächer aus, als bei solchen, die kurz vor der Untersuchung gefangen waren. Ob die Lebensweise oder andere Verhältnisse dabei in Betracht kommen, vermag ich nicht zu entscheiden. Mit Blut, welches längere Zeit nach der Entleerung aus dem Körper untersucht wurde, fiel die alkalische Reaction eben- falls schwächer aus. Bei den marinen Formen mit rothem Blut liess ich das frisch entleerte Fluidum gegen Meerwasser diffun- diren. Das Diffusat erschien zwar nicht völlig farblos, doch beeinträchtigte der schwach gelblich-rothe Farbenton die Probe ‚gegen das Reagenzpapier nicht und das letztere ergab auch hier die alkalische Reaction. Bei einigen Arten fanden sich im Blute Krystallbildungen, welche ich in Fig. 28 u. 29 gezeichnet habe. Auf Zusatz verdünnter Mineralsäuren entweicht aus dem Blute Kohlendioxyd, welches mit geeigneten Hülfsmitteln in der be- kannten Weise durch Kalkwasser nachgewiesen werden kann. Auf die Gerinnung des Blutes werde ich in einer anderen Arbeit zu sprechen kommen. Farbloses Acephalenblut zeigt wenige Secunden nach der Entnahme aus dem Kreislaufsapparat einen schwach grauvioletten Farbenton, der in kurzer Zeit noch deutlicher und mehr blau 44 Griesbach: wird, eine Nuance, welche das Blut alsdann beibehält. Diese Farbe ändert im Speetrum nichts. Der Farbstoff ist nicht an zellige Ele- mente gebunden, sondern im Blutplasma gelöst enthalten, scheidet sich aber, wenn dasselbe mit Luft in Berührung kommt, aus. Nach den Untersuchungen von Frederieqg!) scheint der Farbstoff Hämoceyanin zu sein. Frederieq fand, dass bei Ce- phalopoden das arterielle Blut durch diese Substanz blau erscheint, während das venöse farblos ist. Das Hämocyanin soll dieselbe Rolle spielen, wie bei den Wirbelthieren das Hämoglobin ?). Rothes oder gelbrothes Blut führen von den von mir untersuchten Siphoniaten: Poromya granulata, Solen legumen, Tellina planata, die grösste im Golfe von Neapel vorkommende Art, Capsa fragilis, Astarte fusca (?), Cardita aculeata; von den Asiphoniaten: Arca tetragona, Noae und Peetuneulus glycimeris. Oeffnet man eine dieser Muscheln, so fliesst, wenn irgend welehe Gewebe verletzt wurden, das Blut als rothes oder gelb- rothes Fluidum aus. Wählt man ein grösseres Thier mit reich- lichem Blutgehalt, wie beispielsweise Peetuneulus oder Tellina, so lässt sich die Flüssigkeit mit einem Uhrgläschen auffangen. Dieselbe färbt sich, auf einige Zeit der Luft ausgesetzt, allmählich dunkler. Einen ähnlichen Farbenwechsel sah Sehwalbe?°) bei der rothen Blutflüssigkeit des Sternwurmes Phascolosoma elonga- tum. Ob derselbe durch das Licht, oder durch bestimmte Be- standtheile der atmosphärischen Luft bedingt wird, weiss ich mit Sicherheit nieht anzugeben. Für experimentelle Untersuchungen in dieser Richtung, beispielsweise für das Durchleiten der che- misch rein bereiteten Gase Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure unter geeigneten Cautelen, mangelte es mir in Neapel an Zeit und an den erforderlichen Apparaten. Nach Krukenberg*) wird das Dunkelwerden des Blutes .1) Frederiegq, Extr. des Bulletins de 1l’Acad. r. de Belgique. 2. ser. 1878, No. 11, p.4—21. Zu vergl. auch: Mae Munn, On the chromatology of the Blood of some Invertebrates. Quart. Journ. of mieroscop. Se.” 1885, October, im Separatabdruck (London, Adlard). 1885, S. 6. 2) Frederieqg, Sur l’hemocyanine, substance nouvelle, du sang de Poulpe. Compt rend. T. 87, 1878, p. 996. 3) Schwalbe im Archiv f. mikr. Anat. Bd. V, 1869, S. 248 ff. 4) Krukenberg, Vergleichende physiolog. Studien. I. Reihe. Abth. 3, 1880, S. 85. > Zu 2 ee Beiträge zur Histologie des Blutes. 45 von Sipuneulus nudus durch Einfluss des Luftsauerstoffes bewirkt, während Kohlensäure die Farbe verschwinden lässt. Die dem Blute die Farbe verleihende Substanz ist bei den Acephalen an besondere Formenelemente gebunden; bevor ich aber an die Beschreibung derselben herantrete, will ich die von mir gefundenen speetroskopischen Resultate mittheilen. Bei allen rothblütigen Acephalen erhielt ich dasselbe Speetrum. Das frisch entleerte Blut wurde in ein enges Reagenzröhrcehen, oder in eine an einem Ende zugeschmolzene Glasröhre, oder endlich in eine der bekannten bei speetralanalytischen Arbeiten zur Verwendung kommenden Glasfläschehen gebracht. Je nach der Verdünnung mit mehr oder weniger Wasser findet man zwei mehr oder weni- ger dunkle Absorptionsstreifen zwischen D und E. Der blauvio- lette Theil des Speetrums ist ausgelöscht. Ein Intensitätsunter- schied beider Streifen ist vorhanden, der schmälere ist um einige Nuancen dunkler. Blut, welches aus dem Herzen mehrerer Tellinen genommen wurde, zeigt ohne Verdünnung die beiden Streifen fast zu einem verschmolzen. In 5 emm Blut von Peetuneulus, welche mit der zehnfachen Menge Wasser verdünnt wurden, fand ich die beiden Streifen nur sehr schwach und verwischt. Mischt man das mit Wasser verdünnte Blut mit Schwefeläther, so nimmt derselbe beim Schütteln den Farbstoff mit violettrother Farbe auf. Auf Zusatz von Mimeralsäuren und Essigsäure verschwinden die beschriebenen Streifen im Speetrum. Bei Behandlung mit ‚Essigsäure entstehen noch eigenthümliche Veränderungen. Ich bemerkte hierbei einige Male einen neuen Streifen bei C, bei anderen Versuchen, in welchen das Blut mit Wasser stark ver- dünnt war, glaubte ich einen schwachen und verwischten Streifen ungefähr in der Mitte von Grün und Blau wahrzunehmen. Wenn man dem frisch entleerten Blute ungefähr die anderthalbfache Menge concentrirter Kalilauge zusetzt, so wird die Lösung blau- grün; beobachtet man dann mit dem Speetroskope, so erkennt man einen scharfen Absorptionsstreifen auf B. Mit Ammonium- hydrosulfid versetztes Blut zeigte mir im Speetrum ungefähr in der Mitte zwischen D und E einen Absorptionsstreifen ; andere Banden waren mit dem von mir benutzten Apparate nicht wahr- zunehmen. Vergleicht man diese Resultate mit denen, welche vom Blute der Wirbelthiere bekannt sind, so kann man sich der Ansicht AG Griesbach‘ kaum enthalten, dass man es in dem Blute der genannten Mol- lusken mit Hämoglobim zu thun hat, welches bei Solen legumen von Ray-Lankester!) mit dem Mikrospectroskop nachgewie- sen wurde. Untersuchungen mit geeigneten Apparaten, welche eine Messung der Längen zulassen, dürften entscheidende Be- weise geben. In meiner Ansicht, dass man es m dem rothen Pigmente des Acephalenblutes wirklich mit Hämoglobin zu thun hat, wurde ich noch bestärkt, als es mir gelang, von Peetunculus glyeimeris und anderen Acephalen mit Kochsalz und Eisessig in der be- kannten Weise charakteristische Krystallbildungen zu erhalten, die mit den vom Blute der Maus erhaltenen Häminkrystallen in allen Eigenschaften übereinstimmen. Die Beschreibung dieser Krystalle von Peetuneulus gebe ich nach einem in Neapel ange- fertigten Präparate (Fig. 1). Sie sind durchschnittlich 10 u lang und 2,5 u breit. Sie sind prismatisch ausgebildet und besitzen ziemlich starken Pleochroismus und zwar nach Fresnel für Strahlen, welehe mehr parallel der Längsrichtung schwingen, dun- kelbraun (Fig. 2a), und für solche, welche mehr senkrecht hierzu sind, hellgelb (Fig. 2b). Eine Hauptschwingungsrichtung (Aus- löschungsrichtung) bildet mit der Längsrichtung der Krystalle den Winkel ß von 27!/,°. Der Winkel «a (Fig. 2a) konnte wegen der Kleinheit der Krystalle nicht genau gemessen werden. Noch in den neueren Lehrbüchern ?) wird angegeben, dass die Teich- mann’schen Häminkrystalle dem rhombischen Systeme angehören. Die Krystalle von Peetuneulus und der Maus scheinen mit Rück- sicht auf ihre gleichartige schiefe, weder parallele, noch anschei- nend diagonale Auslöschung (Fig. 2a u. b) diesem Systeme nicht zugeschrieben werden zu können. Ob das mono- oder asymme- trische System vorliegt, liess sich wegen der Kleinheit und der stets gleichen Lage der Krystalle nicht ermitteln. 1) Ray-Lankester, A Contribution to the Knowledge of Hae- moglobin. Proceed. Roy. Soc. Vol. XXI, 1873, p. 73. 2) Hermann, Lehrbuch der Physiologie. 9. Aufl. Hirschwald. Berlin, 1889, S. 48. — Landois, Lehrbuch der Physiologie. 1885, S.45. — Orth, Cursus der normalen Histologie. 1886, S. 162 und viele andere. Beiträge zur Histologie des Blutes. 4X B> Die farbigen Zellen ‚des Blutes. Ich sagte, dass bei den rothblütigen Acephalen das Pigment an besondere zellige Elemente gebunden sei. Bei längerem Stehen- lassen des Blutes senken sich dieselben und bilden auf dem Boden des Gefässes eine zusammenhängende Schicht, während die über- stehende Flüssigkeit fast farblos erscheint. Die farbigen Blutkörperchen sind in den meisten Fällen mehr oder weniger kugelige Zellen (Fig. 5, 4,5abe, 8, 9, 10), in einzelnen Fällen (Solen legumen Fig. 6, Arca tetragona Fig. 7) zeigen sie die Form einer ovalen Scheibe, welche sich von der Kante gesehen abgestumpft spindelförmig oder schiffehen- oder sichelförmig ausnimmt (Fig. 6b, Te). Die Zellen sind einfach liehtbrechend. Man erkennt ihre normale Gestalt am besten, wenn man frisch aus dem Herzen genommenes Blut unter Zusatz einer 1- bis 2procentigen Kochsalzlösung im hängenden Tropfen untersucht. Destillirtes Wasser, Glycerin, wässerige Farbstoff- lösungen und verdünnte Essigsäure verursachen ein Aufquellen ; Alkohol, alkoholische Farbstofflösungen, starke Essigsäure eine Schrumpfung der Zellen. Namentlich bei den kugeligen Formen erleidet unter dem Druck des Deckgläschens, oder durch Zusammenprallen, oder gegenseitige Reibung der Zellen im Präparate ihre Oberfläche allerhand Faltungen und Knieckungen (Fig. Sa bis e, Fig. 9a, b), welche bei verschiedener Einstellung bald hell, bald dunkel er- scheinen. Dabei nehmen die Zellen die wunderbarsten Formen an: Sie sehen mützenförmig aus, sie lassen sich vergleichen mit einem eingedrückten Gummiball, sie ähneln dem Hut eines Pilzes, und durch die eingedrückte Stelle sieht man deutlich den Kern durchscheimen (Fig. 9e,d). Es kann bei der Betrachtung dieser Dinge kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Oberfläche der Zellen mit einer zarten und dehnbaren Membran versehen ist. Setzt man zu den im Präparat befindlichen Blutkörperchen etwas mit Eosin oder Fuchsin gefärbten Alkohol, so wird der Farbstoff aus dem Zellenleibe extrahirt und die Membran erscheint doppelt eontourirt und rosa gefärbt. Auch Glycerin, Chromosmiumessig- säure (Flemming), Pikrinschwefelsäure (Kleinenberg), Gold- ehlorid und Essigsäure machen sie deutlich. Jodjodkaliumlösung färbt sie gelbbraun. 48 Griesbach:. Aehnliche Beobachtungen kann man bekanntlich an den rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere machen). Nach Ley- dig?) lässt sich allgemein für die Membran einer Zelle ein drei- facher Ursprung annehmen. Man kann sie sich dadurch entstan- den denken, „dass die Bälkehen und Knoten der Gerüstsubstanz oder des Spongioplasma zusammenrücken und sich plättchenartig verbreitern“, oder dadurch, dass die Zwischensubstanz, das „Hyalo- plasma“ nach Aussen tritt und schiehtenweise erhärtet, oder end- lich, dass sich an ihrer Bildung Spongioplasma und Hyoloplasına betheiligen, indem das erstere fädige Fortsätze bildet, welche von letzterem gewissermaassen mit einander verklebt werden. Ob eine dieser Möglichkeiten und welche für die Membranbildung der in Rede stehenden Zellen zutrifft, muss ich dahimgestellt sein lassen. Die Membran scheint strueturlos zu sein. Auch Poren im Sinne Leydig’s?) habe ich nicht wahrzunehmen vermocht, doeh will ich nieht bezweifeln, dass solche vorhanden sein können. Durch Druck mit dem Deckgläschen kann man die Mem- bran zum Platzen bringen, ebenso durch Quellung bewirkende Agentien, wobei durch intracellulären Druck ihre Continuitäts- trennung erfolgt. Auch Kalilauge ruft eine solche hervor, dabei scheinen jedoch nicht Quellungen oder Schrumpfungen des Zellen- leibes die eigentliche Ursache zu sein, sondern die Membran wird chemisch umgewandelt und aufgelöst. Nach Zerstörung der Mem- bran wird ein Theil des Zelleninhaltes in Form eimes Detritus entleert und in der Umgebung vertheilt. Dabei zeigt der Farb- stoff äusserst feinkörnige Beschaffenheit und man bemerkt oftmals daran die bekannte Erscheinung der Molekularbewegung. Eine Struetur des Zellenleibes, deren Existenz man heute ja voraus- setzen muss, wird durch den ihn durchtränkenden Farbstoff bis zur Unkemntlichkeit verdeckt. Ein allen Anforderungen Genüge leistendes Mittel, den Farbstoff auszuziehen und dabei die Struetur unbeeinträchtigt zu lassen und deutlich zu machen, habe ich leider nicht auffinden können. Wenn sich beim Platzen der Wand der Zelle deren Inhalt 1) Zu vergl. L. Ranvier’s Technisches Lehrbuch der Histologie. Uebersetzt von Nicati und Wyss. Leipzig, Vogel, 1888, S. 184. 2) Leydig, Zelle und Gewebe. Bonn, Strauss, 1885, S. 14, 35) Leydig, Zelle und Gewebe, S. 15 ff. war Beiträge zur Histologie des Blutes. 49 zum grössten Theile entleert hat, so bemerkt man mit starken Systmen in der zurückgebliebenen Masse wohl noch eime feine Struetur, beispielsweise nach Zusatz von Altmann’schem Säure- fuehsin ), Dimethyleyanin oder Jodgrün. Es hat den Anschein, als ob zarte, feine Streifehen, die aus dicht nebenemander liegen- den, äusserst zarten, sich je nach dem Färbemittel roth, violett- blau oder smaragdgrün färbenden Körnchen aufgebaut erscheimen, vorhanden wären; ob aber diese Structur, die sich durch eine Zeichnung kaum wiedergeben lässt, der Ausdruck irgend welcher im‘'Plasma enthaltenen Formenelemente ist, wage ich nicht zu behaupten. — Das Pigment ist dem ganzen Zellenleibe anschei- nend in feinsten Körnehen eingelagert. Oftmals finden sich auch sröbere Farbstoffkörner in grösserer oder geringerer Menge, sie besitzen meist polygonale Gestalt. Bei Einwirkung von Essig- säure gruppiren sich die Farbstoffpartikel manchmal zu einem Haufen; indem sich ein soleher um den Kern herumlegt, kann er denselben völlig verdecken, das Plasma erscheimt dann fast farblos und äusserst fein granulirt (Fig. 10). Der Kern der rothen Blutkörperchen zeigt verschiedene Gestalt. Bald ist er kugelig (Fig. 3, 4, De, 6d, Tb, 9ede), bald eiförmig (Fig. Sf), auch nieren- oder stäbehenförmige Gestalt kann er besitzen (Fig. Sh, 9fgh). Diese Verhältnisse deuten vielleicht auf eine selbständige Formveränderung, wie sie von mehreren Autoren für verschiedene Zellkerne angenommen wird ?). Man findet in einer Zelle manchmal zwei Kerne dieht nebeneinander (Fig. 8g). Bei Einwirkung von Essigsäure (Fig. 6d, 9efgh), Chromosmiumessigsäure, Pikrinschwetelsäure tritt der Kern deut- lich hervor. Der Kern färbt sich in toto mit basischen Anilin- farbstoffen, Pikrokarmin und Jodjodkaliumlösung distinet und dunkel, während das umgebende Protoplasma heller dagegen ab- sticht. Nach solchen Behandlungen bemerkt man an ihm einen scharfen Contour und im Inneren eine streifige Struetur. Die m allen Richtungen vorhandenen Streifen lassen bei gesonderter Be- handlung mit Methylgrün-Osmiumsäure eine feine Granulirung wahr- 1) Altmann, Studien üb. d. Zelle. Leipzig, Veit & Co. 1886, S. 46. 2) Die Literatur findet sich besprochen bei Korschelt, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkernes. Zool. Jahrb. Abth. f. A u. ©. Bd. IV, im Separatabdruck S. 102, 103. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 4 50 Griesbach: nehmen. Kernfiguren habe ich nicht gesehen. In einzelnen Fällen (Arca tetragona) sah ich den Kern von einer hellen Zone umge- ben (Fig. Td), welche den Eindruck macht, als hätte er seine -Lage in einer Höhlung, die er nicht vollständig ausfüllt. Wenn ich nicht irre, war Ransom!) der Erste, der eine solche Höhlung beobachtete, die Leydig?) später als „freier Raum um den Kern“ beschrieb. Letzterer findet sie auch in den Blutzellen der Wirbelthiere >). Es ist mir, selbst bei Anwendung der stärksten Systeme, nicht gelungen, von der Peripherie des Kernes aus radienartig «durch den lichten Abschnitt in das umgebende Protoplasma irgend- welche Fädchen verlaufen zu sehen, für deren Existenz Leydig®) für die Zelle im Allgemeinen mit Bestimmtheit eintritt. — Ueber- haupt gehen die Meinungen über einen Zusammenhang zwischen Kern und Zellsubstanz sehr auseinander. Klein°) spricht sich für denselben aus, Flemming®) konnte ihn nicht constatiren. Frommann's?) Kernanlagen in den Leukocyten des Krebsblutes sollen durch fädige Stränge mit dem Fadengerüst des Zellenleibes zusammenhängen, doch erscheinen sie abgeschnürt, wenn der Kern als „selbständiges abgeschlossenes Gebilde“ hervortritt. An einer anderen Stelle sagt Frommann®), dass ein Zusammenhang der Formenelemente des Kermes mit denen jedes Zellkörpers direkt oder indirekt zu Stande kommt. Einzelne Fäden oder kleine Netzschichten, welche die Lücken der Kernhülle durchsetzen, vermitteln einen direkten Zusammenhang des Kerninneren mit der Zellsubstanz, indirekt wird ein soleher Zusammenhang dadurch bewerkstelligt, dass „feinere oder derbere Fäden, gleichviel ob 1) Ransom, Observations on the ovum of osseous fishes. Phil. Trans. R. Soc. London. V. 157. 1867. 2) Leydig, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. Bonn, Strauss, 1883, S. 60. 3) Leydig, Zelle und Gewebe, S. 22, Taf. I, Fig. 6. 4) Leydig, Zelle und Gewebe, S. 22. 5) Klein, Quaterly Journal of mieroscop. Sc. 1878 u. 1879. 6) Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig, Vogel, 1882, S. 171. 7) Frommann, Untersuchungen über Struktur, Lebenserschei- nungen und Reaktionen thierischer und pflanzlicher Zellen. Jen. Zeit- schrift f. Naturw. Bd. 17, N. F. Bd. 10, 1884, S. 9. 8) Frommann, a.a.0. 8.195 und 196. Beiträge zur Histologie des Blutes. 51 sie Theile von Netzen, oder von einem Gerüst sind, oder nicht“, sich in der Kernhülle, sowohl von Seiten des Kerninneren, als auch von Seiten der Zellsubstanz inseriren. — In Ganglienzellen, Leberzellen und Wimperepithelien sah Arnold!) Fäden der Ge- rüstsubstanz des Kernes sich mehr oder weniger weit in den Zellenleib erstrecken. Rabl?) bemerkt, dass „sich im vielen Zellen in unmittelbarer Umgebung des Kernes ein mehr oder weniger ansehnlicher Hof findet, der von schwächer liehtbreehen- der, nicht genetzter Substanz erfüllt ist, oder in welchem sich bis an den Kern heran nur einzelne Netzzüge fortsetzen.“ Es kann nicht meine Absicht sein, hier alle die zahlreichen Ansichten, die über den Zusammenhang des Zellenleibes mit dem Kern, sowie über dessen Natur und Herkunft laut geworden sind, zu berühren. Die Möglichkeit des Vorhandenseins von Verbin- dungsfäden zwischen Kern und Zellenleib im Sinne der Autoren ist im Allgemeinen und auch in den von mir untersuchten Blut- zellen gewiss nicht ausgeschlossen: aber was von solehen Bil- dungen präformirt, was spontanen Veränderungen zuzuschreiben ist, lässt sich nicht immer entscheiden. Selbst der in Rede stehende lichte Raum um den Kern ist solchen Veränderungen zugeschrieben worden (Henking). Korschelt?) bemerkt hierzu: „Diese Deutung mag in vielen Fällen berechtigt sein, in anderen ist sie es nicht. Man bemerkt die in verschiedener Breite den Kern umziehende Zone auch an lebenden Kernen und kann sie dann an Präparaten in überzeugender Weise darstellen.“ Beim Platzen der Zellmembran wird der Kern mit oder ohne einen Theil der ihn umgebenden Zellsubstanz häufig entleert. Sein Contour tritt auch in solehem Falle deutlich hervor, ob derselbe aber eine mehr oder weniger homogene, euticulaartige Bildung, oder, wie Pfitzner*) und Retzius?) meinen, ein als Wand 1) Arnold, Ueber feinere Struktur der Zellen unter normalen und pathologischen Bedingungen. Virchow’s Archiv Bd. 77. 2) Rabl, Ueber Zelltheilung. Morpholog. Jahrb. 1885. Bd. X, S. 298, 299. 3) Korschelt, a.a. 0. S. 107. 4) Pfitzner, Ueber den feineren Bau der bei der Zelltheilung auftretenden fadenförmigen Differenzirung des Zellkerns. Morpholog. Jahrbuch, Bd. 7. 5) Retzius, Biologische Untersuchungen. Stockholm, 1881. 59 Griesbach: erscheinendes Gerüstwerk oder ein feines Maschennetz ist, oder, wie Leydig!) sagt, durch „die nahe zusammenstehenden End- stücke des Balkenwerkes im Inneren des Kernes“ gebildet wird, vermag ich nicht zu entscheiden. „Wie es nicht zu bezweifeln ist“, meint Korschelt?), „dass vielen Kernen eine wohl unterscheidbare Membran zukommt, so sicher ist es auch, dass andere einer solchen Abgrenzung ent- behren. Es ist möglich, dass demselben Kern, welcher zu ge- wisser Zeit eine Membran besitzt, dieselbe zu einer anderen Zeit fehlt. Die Abgrenzung des Kernes gegen das Zellprotoplasma richtet sich bei gewissen Zellen, z. B. bei den Eizellen der In- sekten, ganz nach dem Zustande der Thätigkeit, in welchem es sich befindet.“ Gewöhnlich führt der Kern em oder zwei mehr oder we- niger excentrisch gelegene, stark liehtbrechende kugelige Gebilde (Fig. Sh, Fig. 9eh), die als sogenannte Kernkörperchen in An- spruch genommen werden dürften, doch will ich hier auf die Frage, ob diese Gebilde selbständige Substanzportionen sind, oder nur als solche vorgetäuscht werden, nicht eingehen. C. Die amöboiden Zellen des Blutes. Ich gehe jetzt zur Besprechung der farblosen, amöboiden Zellen des Blutes der Acephalen über. Ihre wahre Beschaffen- heit bei diesen und vielen anderen Thieren ist bis im die neuste Zeit unbekannt geblieben, und diese Unkenntniss hat nicht nur manche Irrthümer in der normalen Histologie verschuldet, sondern sie ist auch die Ursache gewesen, dass in der pathologischen (ewebelehre manche unrichtige Anschauungen herrschen, worauf ich später zurückkomme. Es gebührt unzweifelhaft Cattaneo als Erstem das Ver- dienst, die normale Gestalt der Leukoeyten eingehend studirt zu haben. Seine Untersuchungen wurden im März und Juni des vorigen Jahres veröffentlicht. Das Märzheft des „Bolletino scien- tifico“ enthält die an Mollusken, das Juniheft die an Arthropoden gewonnenen Resultate. Als ich im Frühlinge des vorigen Jahres I) Leydig, Zelle und Gewebe, S. 27. 2) Korschelt, a. a. 0. S. 105. Beiträge zur Histologie des Blutes. 53 mit der Absicht, Blut und Gefässsystem der Lamellibranchiaten zu studiren, nach Neapel kam, wusste ich von Cattaneo's Ar- beiten niehts, obwohl das Märzheft schon erschienen war. Erst nach meiner Rückkehr, als ich, mit der Ausarbeitung meiner Re- sultate beschäftigt, die einschlägige Literatur genauer durchsuchte, als es mir die Zeit m Neapel gestattete, fand ich im anatomischen Anzeiger No. 11 Cattaneo's Arbeiten aufgeführt. Am 7. Mai dieses Jahres erst gelang es mir, durch die Güte des Herrn Professor Bergonzini in Modena, die Arbeiten zur Einsicht zu erhalten, und ich war nicht wenig überrascht, darin, was die normale Gestalt der Leukoeyten anbetrifft, meine eigenen Resultate m der Hauptsache wiederzufinden. Ich glaubte dies Alles nicht wnerwähnt lassen zu dürfen, um die völlige Unab- hängigkeit meiner Untersuchungen mit denen Uattaneos zu constatiren. Von Süsswasseracephalen hat Gattaneo Anodonta eygnea und Unio pietorum, von marinen Formen nur Tellma radiata un- tersucht, während sich meine Beobachtungen über den grössten Theil der in Neapel erhaltbaren marinen Formen, ferner über Anodonta, Unio und Dreyssena, sowie über emige nördliche ma- rine Arten erstrecken. Durch den Umstand, dass Cattaneo und ich von einander unabhängig, hinsichtlich der Gestalt der Leukoeyten, zu denselben Resultaten gelangten, dürfte die Deutung der Beobachtungen an Sicherheit gewinnen. Auf die Herkunft der Leukoeyten, sei es embryonal oder postembryonal, eine Frage, welche durch die Ansichten Rabl's!), der sie für den Hühnerembryo für freigewordene Epithelien hält, durch Cuenot's?) Untersuchungen, die alle Thierklassen berück- sichtigen, sowie durch die Angaben Kükenthal’s?) über die Entwieklung der Iymphoiden Zellen der Anneliden, eine brennende geworden ist, kann ich in diesen Mittheilungen für die Mollusken nicht näher eingehen, da eigene Beobachtungen sich bis jetzt nicht in positive Resultate zusammenfassen lassen. Es sei nur 1) Rabl, Ueber die Prinzipien der Histologie. Verhandl. d. anat. Ges. Jena, Fischer 1839, S. 55, mit Diskussion; Kölliker, Ibid. S. 59. 2) Cuenot, 2.2.0. 3) Kükenthal, Ueber die Iymphoiden Zellen der Anneliden. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. 18, N. F. Bd. 11. 1885, S. 319 ff. 54 Griesbach: bemerkt, dass nach Cu@not bei den Acephalen Iymphdrüsen- artige Organe in den Kiemen liegen und das durch das Vas afferens einströmende Blut die von diesen Drüsen gebildeten zelligen Elemente mit sich führen soll. Die Iymphoiden Zellen der Anneliden werden nach Kükenthal!) im vorderen Abschnitte ° des Körpers auf zwei Arten gebildet. „Entweder schnüren sie sich von den grossen bindegewebigen, das Bauchgefäss umgeben- den Zellen ab, oder sie entstehen durch Loslösen von Zellen der Leibeswand.*“ Von besonderen drüsigen Organen erwähnt Kü- kenthal nichts. Für eine Art der Zellen liefert die Oberfläche der Rückengefässwand gelbbraune Imhaltskörner, so dass man gekörnte und ungekörnte Zellen unterscheiden kann. Das Vor- handensein verschiedenartiger Leukocyten in der Blutflüssigkeit von Vertretern der verschiedensten Thierklassen wird von den meisten Autoren, die sich eingehend mit dem Thema beschäftig- ten, besonders betont. Heitzmann?) und Frommann’) unterscheiden im Krebs- blute hinsiehtlich der im Zellenleibe enthaltenen Granulationen Körner- und Körnchenzellen. Bei niederen Wirbellosen sind nach Metschnikoff*) ähnliche Verhältnisse vorhanden. Geddes?) beschrieb gewöhnliche und feinkörnige Blutzellen bei Krebsen, und hyaline und granulirte Zellen bei Echinodermen ®). Lav- dowsky) findet im Amphibienblute homogene und körnige Leu- koeyten und hat auch bei Säugethieren und beim Menschen beide Arten von Zellen aufgefunden. Bergonzini°®) unterscheidet bei DRukenthal, ara 0289337: 2) Heitzmann, Untersuchungen über das Protoplasma etc. Sitzungsber. der K. Akad. der Wiss., math.-naturw. Classe. Bd. 67, 1873. 3. Abth. S. 100 ff. 3) Frommann, ara. O. 4) E. Metschnikoff, Untersuchungen über die intracelluläre Verdauung bei wirbellosen Thieren. Arbeiten aus dem zoolog. Inst. Wien. Vol. 5. 1883. ’ 5) Geddes, a.a. 0. S. 252. 6) Geddes, Observations sur le fluide perivisceral des Oursins. Arch. de Zool. exper. Vol. VIII. 1879/80, No. 4. 7) Lavdowsky, Mikroskopische Untersuchungen einiger Lebens- vorgänge des Blutes. Virchow’s Arch. Bd. 96. 1888. Heft 1, S. 62. 179. 8) Bergonzini, Sopra alcuni metodi nuovi di colorazione mul- tipla. Atti della Societä dei Naturalisti di Modena, Ser. 3. Vol. IX. 1890, Beiträge zur Histologie des Blutes. 92) Besprechung seiner Färbeversuche dreierlei Formen: „di globuli piecoli col nucleo verde e lo scarso protoplasma incoloro, di globuli grossi pure col nucleo verde e il protoplasma abbondante ma incoloro, e di globuli granulosi col nucleo verde, ed i grossi granuli del protoplasma eolorati in rosso mattone.“ Ehrlich!) unterscheidet mehrere Formen, während nach Renaut?) die Leukoeyten des Menschen und der Säugethiere im Allgemeinen gleichartige Beschaffenheit besitzen. Wie Cattaneo finde ich im Blute der Acephalen zwei charakteristische Arten von Leukocyten. Bei der einen, Art sehe ich den Zellenleib mit verhältnissmässig groben, farblosen, in einzelnen Fällen grünlich schimmernden, stark, aber einfach licht- breehenden Körnern oft vollgestopft (Fig. llabe, 12, 16, 17a b, 22), bei den anderen finden sich solche Körner nicht (Fig. 15, 14, 15, 19b, 24a, 26), oder nur in geringer Zahl (Fig. 17e, 18, 20, 21, 26a! b!). Bei der Betrachtung der mit groben Körnern er- füllten Zellen habe ich wohl den Eindruck erhalten, als seien (diese Körner keine eigenen histologischen Bestandtheile und Struk- tureigenthümlichkeiten der Zellsubstanz, sondern vielmehr Gebilde, welehe von der Zelle irgendwo aufgenommen und transportirt werden, um unter bestimmten Verhältnissen an irgend welchen Orten wieder ausgeladen zu werden. Ich bin natürlich weit da- von entfernt, auf einen solchen Eindruck hin eine Hypothese auf- zustellen. Ob diese Körner der Zelle als wesentliche Bestand- theile angehören, ob sie irgendwo aufgenommen werden, zeitweilig oder immer darin bleiben, welche Bedeutung sie intra vitam haben, ob sie überhaupt in einer physiologischen Beziehung zur Zelle selbst stehen, darüber haben mir bis jetzt eigene Untersuchungen keinen Aufschluss gegeben). Mit Rücksicht auf die Beobach- 1) Ehrlich, Methodologische Beiträge zur Physiologie und Pa- thologie der Leukocyten. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. 1. 1888. 2) Renaut, Arch. de Physiologie et Pathologie. 1881. S. 649. 3) Ueber die Körner in den Blutkörperchen der Amphibien sagt Lavdowsky a.a.0O. S. 72: „Mehrere haben die Eigenschaften des Fettes, sind also Fettpartikelchen, die anderen scheinen Eiweisskör- perchen zu sein, die lebhaft an die Zymogenkörnchen der netzkörni- gen Zone der Pankreaszellen erinnern. Die dritten endlich — seltener vorkommende und weniger lichtbrechende Körnchen — sind entweder glycogenähnliche Klümpchen, wie sie so oft bei Säugethieren vorkon- men, oder Pigmentkörnchen.“ 56 Griesbach: tungen von Cu&enot und Kükenthal verdienen diese Fragen besondere Beachtung, und weitere Untersuchungen müssen eine Aufklärung zu geben bestrebt sein. Auffallend muss es erscheinen, dass die Zahl der gekörnten Zellen häufig eine sehr schwankende ist; manchmal sind sie. ausserordentlich zahlreich, manchmal in nur geringer Menge vor- handen, manchmal scheinen sie fast zu fehlen, so dass man suchen muss, um einige zu finden. Auf ihr Vorkommen scheinen auch die Lebensbedingungen ihrer Besitzer, je nachdem dieselben frisch zur Untersuchung herangezogen, oder längere Zeit m der Gefan- genschaft gehalten wurden, nicht ohne Einfluss zu sein. Doch weiss ich auch darüber nichts Bestimmtes auszusagen. Abgesehen von der Körnelung, habe ich hinsichtlich der Gestalt und Be- schaffenheit, also.im histologischen Sinne, zwischen beiden Zell- formen keine nennenswerthen Unterschiede auffinden können. In den Dimensionen weichen sie wohl von einander ab, indem die Körnerzellen oft grösser und massiger erscheinen; auch die Pseu- dopodien der letzteren fand ich häufig kürzer und weniger gracil. In sehr eimgehender Weise bespricht Frommann!) die Körnerbildungen der Krebsblutkörper, doch beziehen sich diese Besprechungen auf die unter nicht mehr natürlichen Bedingungen eintretenden „spontanen“ Veränderungen, welche sich an den Zellen auf dem Objeetträger ereignen. Diese Veränderungen be- stehen in einer Vacuolisirung der Körner, in Formveränderung, Theilung und Verschwinden derselben, in ihrer Theilnahme an der Bildung von Kemen, in der Entstehung von allerhand Faden- bildungen im Zellenleibe ete. Der Autor zweifelt nicht daran, dass alle derartigen Vorgänge als Lebenserscheinungen des Pro- toplasmas aufzufassen seien, hält es aber für fraglich — Flem- ming?) fügt hinzu: „gewiss mit Recht* — ob dieselben im lebenden Organismus in derselben Weise verlaufen. Ich habe diese Dinge nicht eingehender berücksichtigt. An den Leukocyten der Acephalen, die unmittelbar nach der Entfernung aus dem Kreislauf in der angegebenen Weise fixirt wurden, also Verhältnisse repräsentiren, wie sie noch gerade vorher 1) Frommann, a.a. 0. S.1 bis 49 und in vorherigen Abhand- lungen in der Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1875, Bd. 9 u. 1880, Bd. 14. 2) Flemming, Zellsubstanz etc. S. 15. “si | Beiträge zur Histologie des Blutes. am lebenden Organismus existirten, konnte ich derartige Verän- derungen nicht constatiren. Die Grösse der Körner in den fixirten Zellen schwankt im Allgememen zwischen 1 und 2,5 u, doch können diese Dimensionen nach dem Mehr oder Weniger zu über- schritten werden. Ich sah die Körner in den meisten Fällen ku- gelig, bei Osmiumfixirung erscheinen sie oft geschwärzt; bei verschiedener Einstellung empfängt man an den fixirten Präpa- raten allerdings manchmal den Eindruck, als hätte man es mit hohlen Gebilden zu thun. Ich schreite jetzt zur Schilderung der übrigen Structurver- hältnisse der Leukocyten. „Es hat sich herausgestellt“, sagt Leydig, indem er von der Zelle im Allgemeinen spricht), dass eine festere Substanz in Form eines Gerüstwerkes den Zellkörper durchzieht ; dieselbe lässt sich wiederum zerlegen in ein derberes, welches desshalb leichter in die Augen fällt und dessen Gefüge in ty- pischer Weise verschieden ist nach der Art der Zelle, und in em feineres Netzwerk, welches man meist nur stellenweise mit eini- ger Sicherheit zu erkennen vermag, am ehesten in seinem Ab- gange vom derberen Balkenwesen.“ „Die vom Gerüstwerk um- schlossenen Räume sind eingenommen von der zweiten Substanz des Zellenleibes, welche nach ihren physikalischen Eigenschaften als weicher, heller, halbflüssiger Zwischenstoff erscheint und nach Maassgabe unserer Hülfsmittel der Untersuchung von gleichartiger Natur ist; nur so viel lässt sich noch da und dort erkennen, dass er abermals von einem feinsten Netzwesen durchzogen wird.“ An einer anderen Stelle ?) heisst es: „In Bau und Anordnung der Elemente des Gerüstes macht sich insofern ein Wechsel bemerk- lich, dass die Bälkehen in der einen Zelle feiner, in der anderen gröber sind, auch das Netzwesen im Ganzen bald eng-, bald weit- maschiger auftritt.“ Flemming schildert den Bau der Zellsubstanz im Allge- meinen in gleicher Weise, nur findet er kein Recht die Faden- werke ohne Weiteres netzförmig zu neimen ?). Rabl) findet es „oft ungemein schwer, wenn nicht geradezu unmöglich, zu ent- 1) Leydig, Zelle und Gewebe S. 34, 36. 2) Leydig, Zelle und Gewebe S. >. 3) Flemming, Zellsubstanz ete. S. 58. 4) Rabl, a.a. O. S. 298. E 58 Griesbaeh: scheiden, ob die Fäden nur über- und aneimander vorbeiziehen, oder miteinander in netzförmige Verbindung treten.“ Das Fadenwerk macht auf ihn „in den meisten Zellenarten (len Eindruck, als ob es in der Nähe des Kernes ein schwammi- ges oder netzförmiges Gefüge besässe, im Sinne Leydig’s, und sich gegen die Peripherie, entweder allseitig, oder nur an bestimmten Stellen, Fäden, Stäbchen, Balken, Plättchen u. dgl. aus dem cen- tralen Netzwerke entwickelten, die untereinander nieht mehr netz- förmig in Verbindung treten.“ Was speciell die Structur der Leukoceyten anbelangt, so sei hier hinsichtlich der Ansichten der Autoren Folgendes bemerkt. Flemming!) sieht in der Zelisubstanz derselben bei Salamandra eine sehr zarte verwaschene Zeichnung; dass dieselbe einem Fa- denbau entspricht, hält er unter Vergleich mit anderen Zellenarten für wahrscheinlich, um so mehr, da ein soleher in den Leuko- eyten des Flusskrebses von Heitzmann und Frommann fest- gestellt wurde. Ob diese Fadenstructur aber ein „überall in sich zurücklaufendes Netzwerk“ repräsentirt, lässt er zweifelhaft. In den Blutkörperchen der Larve von Cetonia aurata salı Leydig?) ein Balkennetz im Plasma, und in den Leukoeyten insbesondere der Insekten, Krebse, Gastropoden und Anneliden sowie in den Blutzellen von Wirbelthieren (Triton), Larve von Salamandra maculosa ist überall, gehörige Vergrösserung voraus- gesetzt, das Plasmanetz nachweisbar ?). Bei Anneliden unter- scheidet Kükenthal*) an den Iymphoiden Zellen eine äussere sehr dünnflüssige und eine innere zähere Schicht; dasselbe Ver- halten findet sich in den gleichartigen Zellen der Polychaeten°); über Fadenstructuren habe ich in diesen Arbeiten keine Angaben gefunden. Die grobkörnigen Elemente des Amphibienblutes bestehen nach Lavdowsky®) aus einer homogenen, aber doch ein schwach liehtbrechendes Fadengerüst enthaltenden, manchmal 1) Flemming, Zellsubstanz S. 47. 2) Leydig, Untersuchungen etc. S. 9. 3) Leydig, Zelle und Gewebe S. 3. 4) Kükenthal, a.a. 0. S. 322. 5) Kükenthal, Die Iymphoiden Zellen der Polychaeten. Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1885. Bd.18, S. 357. 6) Lavydowsky, 2.2.10. 8. 72. Beiträge zur Histologie des Blutes. 59 Vacuolen einschliessenden, isotropen, eontraetilen Grundsubstanz, und einer darin enthaltenen, undurchsichtigen, aus Körnchen be- stehenden, manchmal anisotropen, nicht eontractilen Masse. Für diese verschiedenen Substanzen, aus denen jede Zelle zu bestehen scheint, existiren fast ebenso viele Benennungen als Autoren, welche sie beschrieben haben. Wenn man bei der Be- nennung historisch zu Werke gehen wollte, so müsste man wohl auf die von Frommann gebrauchte zurückgreifen, welchen Flem- ming bei der Besprechung der Literatur in semem Werke: Zell- substanz ete. als Entdecker der Plasmastructuren hinstellt. Flem- ming selbst und viele andere Forscher haben andere Namen ge- braucht. „Es muss nicht Alles griechisch klingen“, meint Rabl, und greift daher zu — lateinischen Namen. Welche von alle den vorgeschlagenen Bezeichnungen nach unserer heutigen Kennt- niss vom Bau des Zellenleibes die zutreffendsten sind, lässt sich schwer entscheiden. — In den Leukocyten der Acephalen sehe ich mit aller Deutlichkeit ebenfalls zwei verschiedene Substanzen. Da ich mit Sicherheit aber nicht anzugeben vermag, ob nur eine von ihnen oder beide einen wirklich fädigen Bau besitzen oder nicht so werde ich bestimmte, darauf bezügliche Bezeichnungen vermeiden. Cattaneot) findet m den Blutkörperchen eine contractile, netzartige Substanz, auf deren Fadenbau er nicht näher eingeht, und eine nicht contractile, halbflüssige, homogene Masse, welche die Maschen des Netzes ausfüllt. An den mit Osmiumsäure, Pi- krinschwefelsäure, Chromosmiumessigsäure oder Goldehlorid fixirten Blutzellen erblicke ich zunächst eine eigenthümliche Zeichnung, ähnlich wie die, welche Leydig?) von den Blutkörperchen von Salamandra maculosa giebt, und welche ich in Fig. 12,13 ab, 19b darzustellen versucht habe. Man empfängt den Eindruck, als besitze der Zellenleib eine schwammige Beschaffenheit in der Art, dass eine, bis zu einem gewissen Grade eonsistente Masse zahlreiche grössere und kleinere, mit einander in Verbindung stehende Räume zwischen sich lässt, welehe von einer weicheren Substanz ausgefüllt werden. Die spongiöse Masse besitzt nach der Peripherie der Zelle hin keine besondere Begrenzungsmem- 1) Cattaneo, a.a. 0. S. 24. 2) Leydig, Zelle und Gewebe. Tat. II, Fig. 6. 60 . Griesbach: bran, und die in den Hohlräumen eingelagerte weichere Substanz steht ebenso wie der peripherische Theil der Spongiosa mit dem umgebenden Medium in direeter Berührung. Die auf die Zell- oberfläche eingestellte Linse entwickelt das Bild emer unregel- mässig mosaikartigen Zeiehnung, m welcher helle und dunkle Stellen ohne bestimmte Anordnung abwechseln. Dieses Bild wird dadurch hervorgerufen, dass man sowohl auf die nach der Peri- pherie zu frei liegenden Grenzgebiete der Spongiosa, als auch auf die in ihren Hohlräumen eingebettete Substanz blickt, welche sich oftmals ausmimmt, als wäre sie im Begriff aus diesen hervorzu- quellen (Fig. 12). Die dunklen Stellen, glaube ich, werden von der Spongiosa, die hellen von der Zwischensubstanz gebildet. Verbindet man mit der Fixirung zugleich Färbung, so wird das Bild deutlicher. Bekanntlich werden viele unserer brauchbarsten Farbstoffe dureh Säuren derartig umgewandelt, dass Niederschläge entstehen, welche die Färbung beeinträchtigen, oder ganz verhindern. Die Osmiumsäure ist aber derartig beschaffen, dass sie sich mit Farb- stofflösungen, und wie es scheint, in beliebigen Verhältnissen mischen lässt, ohne dass Zersetzungen entstehen, welche von Niederschlägen begleitet sind. Sie verträgt sich beispielsweise mit Methylgrün, Eosin, Safranin, Rhodamin und manchen ande- ren schon genannten Farbstoffen. Lässt man nun das durelı Herzpunetur entleerte Blut in eime solehe Mischung fallen — ich bewerkstelligte dies am besten in einem Uhrschälchen — hebt dann nach einiger Zeit etwas von derselben mit der Pipette her- aus und untersucht im hängenden Tropfen, oder zwischen Ob- jeetträger und Deckglas, welches letztere, um Zertrümmerung der zelligen Elemente durch Druck zu verhindern, mit einem Oel- oder Oelfarbenrahmen versehen wurde, so findet man die Zellen gleichzeitig fixrt und gefärbt. Auch Pikrinschwefelsäure fixirt, wie ich schon angegeben habe, die Zellen. Mit dieser jedoch vertragen sich Farbstoffe im Allgemeinen sehr schlecht. Mischt man sie aber mit der farblosen Rosanilinbase und erwärmt, so erhält man eine prachtvolle rothe Farbstofflösung, welche (nach dem Filtriren) gleichzeitig fixirt und färbt. Chromosmiumessig- säure, welche sich mit Farbstofflösungen gemischt in Bezug auf Umsetzungen ähnlich verhält wie Pikrinschwefelsäure, giebt mir nach dem Erwärmen mit Hexamethylleukanilin eine fixirende und Beiträge zur Histologie des Blutes. 61 färbende Lösung, doch ist der violette Farbenton nur schwach und diffus und giebt weniger brauchbare Bilder. Bei Anwendung von Goldehlorid zur Fixirung habe ich auf Färbung verzichtet, da ich keinen geeigneten Farbstoff finden konnte. Brauchbare Bilder aber liefert noch die erwähnte Lösung von Jod in Jod- kalium (Fig. 19 ab), die sich auch mit Osmium-, Pikrinschwefel- und Chromosmiumessigsäure, nicht aber mit Goldehlorid mischen lässt. Wendet man nun eine dieser genannten Fixirungs- und Tinetionsmischungen an, so findet man die spongiöse Substanz der Leeukocyten mit dem betreffenden Farbenton dunkel, die Zwischensubstanz dagegen hell gefärbt. Noch instruetiver wird das Bild, wenn man Mehrfachfärbung verwendet. Bei dem Mischen der Fixirungsmittel mit zwei verschiedenen Farbstoff- lösungen kommt aber noch der Umstand in Betracht, ob sich auch diese untereinander und mit dem Fixativ vertragen. Von mehreren Dutzend daraufhin geprüften Substanzen habe ich nur zwei gefunden, welche sich untereinander und mit Osmiumsäure mischen lassen, nämlich Methylgrün und Rhodamin. Wenn ich dieses letztere Gemisch anwende, so erblicke ich bei schwächeren Vergrösserungen in den Leukocyten die Zellsubstanz blaustichig roth, den Kern grün gefärbt; wähle ich aber bei denkbar bester Beleuchtung starke Immersionslinsen, so offenbart sich sowohl in der Zellsubstanz, als auch im Kern eine Doppelfärbung. Die Spongiosa erscheint dunkel blauroth, die Zwischensubstanz violett- roth, im Kern tritt das Gerüst blaugrün, die Zwischensubstanz roth hervor. Ich habe versucht ein solches Bild in der Fig. 14 wiederzugeben. Ich will noch erwähnen, dass die Farben- töne, je nach dem Üoncentrationsgrad der Lösungen sich etwas nüaneiren. | Ich habe auch versucht, die Leukocyten im Innern des le- benden Organismus zu färben. Zu diesem Zwecke legte ich die frisch gefangenen Thiere in verschieden eoncentrirte Lösungen von Eosin, Methylgrün, Methylenblau u. s. w. Bei marinen Formen wurden die Lösungen mit Meerwasser angesetzt. Der Herzstich . wurde in den verschiedensten Zeitintervallen vorgenommen. Kowa- lewsky !) giebt an, dass er Lymphkörperchen des Frosches auf 1) Kowalewsky, Ueber das Verhalten der morphologischen Be- 62 Griesbach: dem Deckglas „intra vitam“ (!) mit Methylenblau gefärbt habe. Dem gegenüber möchte ich bemerken, dass dieser, sowie auch (die übrigen genannten Farbstoffe durch Diffusion allerdings in die Gewebe der Muscheln, insbesondere auch in das Blut hinem- dringen; dass aber eine Färbung der in ihrer Funktion nicht geschwächten Leukoeyten ausbleibt. Nach Herzstich und Fixi- rung der Zellen sieht man im Präparat Methylenblau im Blut- plasma, die Zellen aber erscheinen so lange farblos, als sie noch die normale Gestalt aufweisen. Erst nach längerer Einwirkung der Farbstofflösungen (22 bis 36 St.) erhielt ich durch Herzstich gefärbte, dann aber auch in ihrer Form veränderte Leukocyten. Auch andere lebende Zellen setzen dem Eindringen von Anilin- farben Widerstand entgegen. Ich habe hierauf früher schon mehr- fach aufmerksam gemacht#). Buchner?) findet ein ähnliches Verhalten bei Bacterien, namentlich Typhusbaceillen. Fixirt man die noch unveränderten Leukoeyten nicht und beobachtet als- bald, so sieht man, unter der für diesen Zustand charakteristi- schen Form, den Farbstoff allmählich aus dem Blutplasma im dieselben eindringen, die anfangs schwächere Färbung wird aber nach kurzer Zeit ausserordentlich intensiv. Namentlich ist es (die Spongiosa, welche deutlich gefärbt ist und nun bei Anwen- dung starker Systeme einen mehrfädigen Bau repräsentirt, wie ich diesen in der Figur 15 ab) wiederzugeben versucht habe. Damit soll nicht mehr ausgedrückt werden, als in dem Begriff „fädig“ liegt, dass sich nämlich die Structur zarter und feiner als gewöhnlich darstellt. Die Frage, ob dabei die einzelnen Theilstücke noch aus feinsten Fibrillen bestehen und nach allen Dimensionen des Raumes netzartig verknüpft sind, wird in die Bezeichnung nicht eingeschlossen. An eimzelnen Stellen kann sich der Farbstoff massig anhäufen (Fig. 15 abbeif). Die unter dien verschiedensten Formen ausgetretene Zwischensubstanz bleibt farblos. standtheile der Lymphe und des Blutes zu Methylenblau. Anat. Anz. 1888, No. 2 u. 3, 8.53 ff. 1) In der Zeitschrift f. wiss. Mikroskopie Bd. IH, IV, V. 2) Buchner, Färbungswiderstand lebender Pilzzellen. Gesellsch. f. Morphol. u. Physiol. München. Sitz. v. 6. Mai 1890. Ref. Münch. med. Wochenschrift. 1890. No. 29, S. 510. — ze Beiträge zur Histologie des Blutes. O.Hertwig!) hat mit Methylenblau am thierischen Ei ex- perimentirt und kommt zu dem Schluss, dass je nach dem Grade der Farbstoffspeicherung, worunter er eine gleichmässig diffuse Verbreitung des Farbstoffes im ganzen Dotter versteht, die Eier in ihrer Lebensthätigkeit geschwächt sind. Zu demselben Schluss gelange ich durch obige Versuche für die Leukocyten der Ace- phalen. Ich muss hier bemerken, dass ich zwischen der Färbung des Zellenleibes in toto und der Speicherung des Farbstoffes in einzelnen Abschnitten des Zellenleibes oder Kernes in Form äusserst fein vertheilter Partikelehen unterscheide. Ohne hier näher auf diese Dinge einzugehen, möchte ich nur erwähnen, dass unter Beibehaltung der oben geschilderten Methode die Leu- koeyten einiger Accephalen aus einer wässerigen Lösung von Kaliumhypermanganat braune Substanzen (MnO, Mn,0,?) in Form feiner Partikelehen zu reduciren vermögen. Auf ein anderweitiges Verhalten der nicht mehr unter nor- malen Verhältnissen befindlichen Zellen gegen Reagentien und Farbstofflösungen will ich hier nicht näher eingehen, doch soll kurz bemerkt werden, dass ich hinsichtlich eimes solehen im All- gemeinen die Angaben Frommann’s ?), welche er für Krebsblut- körperchen macht, auch für die Leukocyten der Acephalen be- stätigen könnte. Ob die spongiöse Substanz nach Art eines Gerüstwerkes den ganzen Zellenleib durchsetzt, wie es allerdings den Anschein hat, ob ihr Bau dabei überall gleichartig beschaffen ist, ob sie sich mit noch geeigneteren Hülfsmitteln, als ich sie verwendete, als ein Faden- oder Netzwerk im Sinne mancher Autoren dar- stellen würde, und ob dann die Netzfäden noch eime fibrilläre oder granulirte Beschaffenheit zeigen würden, darüber kann ich nichts Bestimmtes angeben. Auch an der Zwischensubstanz ist es mir mit Hülfe der besten Linsen nicht gelungen, eine Faden- oder Netzstructur zu constatiren. Nur an nicht fixirten Zellen, in welchen durch Einwirkung von Essigsäure eine Zerreissung im Zusammenhange des Zellenleibes erfolgt war, schien es mir 1) OÖ. Hertwig, Experimentelle Studien am thierischen Ei vor, während und nach der Befruchtung. Theil I. Jena. Fischer. 1880. S. 33—37. 2) Frommann, Untersuchungen über Structur ete. 8. 71—115, 64 Griesbach: einige Male, als wäre die weit ausgetretene Zwischensubstanz, welche den Kern zugleich beherbergte, von blassen fein granu- lirten Streifen durchzogen (Fig. 16). In wie weit aber derartige Bilder der strueturellen Beschaffenheit entsprechen, in wie weit sie durch Einwirkung der Reagentien künstlich erzeugt werden, wage ich nicht zu entscheiden. Vaeuolen konnte ich in den gut fixirten Zellen nicht ent- deeken, doch will ich die Möglichkeit ihres Vorkommens nicht bestreiten. Manchmal werden grössere vacuolenähnliche Bil- dungen meiner Ansicht nach vorgetäuscht, indem die Spongiosa während der Einwirkung des Fixativs an einer oder mehreren Stellen auseinanderweicht, so dass die mehr oder weniger deut- lich durchscheinende Zwischensubstanz sich wie ein kugeliges Gebilde ausnimmt (Fig. 1Tabe bei v). In den nicht fixirten, während ihrer Bewegungen beobachteten Zellen dagegen bemerkte ich bläschenförmige Einschlüsse, welche wohl mit Recht als Va- euolen angesehen werden können. Die Grenze des oft die Ge- stalt wechselnden Bläschens hebt sich so deutlich von der um- gebenden Zellsubstanz ab, dass es den Anschein gewinnt, als wäre sie ein zartes Häutchen. Der Umstand aber, dass ich diese Gebilde nur in nicht fixirteu Zellen fand, spricht dafür, dass sie dureh irgendwelche physikalische oder chemische Einwir- kungen entstandene Neubildungen sind. Die Leukoeyten strecken bekanntlich Pseudopodien aus, und ich komme jetzt bei der Besprechung dieser zu einem wich- tigen Punkte: Gestalt und Zahl der Pseudopodien erscheinen an den normalen Zellen in den unverletzten Gefässbahnen anders }) als an solehen, die ohne Fixirung aus dem Blute entleert wur- den. Darüber giebt gerade die letztere Aufschluss. Woher kom- men nun diese Fortsätze und in welcher Beziehung stehen sie zu den beiden Substanzen des Zellenleibes? Ich weiche in der nachfolgenden Darstellung von den Angaben Cattaneo's ab, nit dem Bemerken, dass ich der Möglichkeit der Richtigkeit sei- ner Angaben nicht entgegentrete. Die vorliegenden Verhältnisse 1) Neuerdings bildet A. Kölliker in der neuen Auflage seines Handbuches der Gewebelehre (Leipzig, Engelmann 1889) die normalen Pseudopodien der Krebsblutkörperchen ab, S. 69 Fig. 46a, b,c,d, ohne aber näher darauf einzugehen. Beiträge zur Histologie des Blutes. 65 sind so ausserordentlich subtil, dass man bei der Entscheidung, welches der wahre Sachverhalt sei, nicht vorsichtig genug zu Werke gehen kann. Ich darf aber, was ich mit meinen Metho- den gesehen habe, angeben. Nach Cattaneo werden die Pseu- dopodien vom Ektoplasma, dem contractilen und retieulirten Hyaloplasma, wie er es nennt, ausgestreckt. Betrachtet man eine gut fixirte Zelle mit mittleren Vergrösserungen, so hat es in der That den Anschein, als ständen die Pseudopodien in direetem Zusammenhange mit dieser Substanz (Fig. 11a, 17, 18,20, 26 a! bis g!). An Stellen, von welchen die Pseudopodien ausgehen, scheint dieselbe allmählich in die verbreiterte Basis des Fortsatzes überzugehen. Aber dies dürfte nur Schein sein! Wenn ich fixirte und gefärbte Leukocyten mit starken Systemen betrachte, so fällt mir zunächst der Umstand auf, dass sich irgendwo an der Basis des Fortsatzes eim quer über demselben verlaufender Contour bemerklich macht (Fig. 12, 13, 14, 19a, 21b). Dieser kann als die periphere Begrenzung der Spongiosa betrachtet wer- den, über welche hinaus der Fortsatz verfolgbar ist. Demselben ist ein gewisser Zusammenhang mit der Spongiosa nicht abzu- sprechen, man braucht aber nicht anzunehmen, dass er ein Theil derselben ist. Ich glaube vielmehr, dass es die Zwischensubstanz ist, Cattaneo’s Sarkode oder Enchylem (Entoplasma), welche die Eigenschaft der Oontraetilität besitzt und aus den Zwischen- räumen der Spongiosa in verschiedener Weise austritt. Oftmals mag die Zwischensubstanz an der gesammten Peripherie der Zelle aus den Räumen der letzteren hervortreten und eine mehr oder weniger voluminöse Zone um dieselbe bilden (Fig. 15b). In den meisten Fällen fliesst sie an einer Stelle (Fig. 11a, 12, 13, 18a, 26ate!) oder an zwei Polen (Fig. 14, 17ab, 18be, 20b ec, -26e! d!f! gt), oder an mehreren, doch nur in geringer Zahl vor- handenen Stellen (Fig. 17, 20a, 21) zu Pseudopodien zusammen. Da es in den letzteren zu einer gewaltigen Anhäufung der Zwi- schensubstanz kommt, so ist es leicht verständlich, dass die nicht absolut starre Spongiosa an solchen Orten in der Richtung des Zuflusses der Zwischensubstanz, also m der Längsrichtung der Pseudopodien, sich ebenfalls bis zu enem gewissen Grade aus- dehnt und den Fortsatz eine Strecke weit wie mit einer schützen- den Scheide umhüllt (Fig. 14, 19a, 21b). Der Zellenleib erscheint auf diese Weise an solchen Stellen verschmälert, so dass die ganze Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 5 66 Griesbach: Zelle bei uni- oder bipolar entwickelten Pseudopodien eine ovale, bei multipolar entwickelten Fortsätzen eine mehr oder weniger polygonale Gestalt aufweist. Ebenso leuchtet es ein, dass bei vetrahirter Zwischensubstanz die Zelle eine mehr kugelige Form repräsentirt (Fig. 11b). Ich lasse es dahingestellt, ob die Zwi- schensubstanz, wenn sie überhaupt das contractile Element ist, im normalen Zustande so weit zurückgezogen werden kann, dass sie sich, ohne über die peripheren Ränder der Spongiosa hinwegzu- ragen, ganz in den Hohlräumen der letzteren zu verbergen vermag. Für den Umstand, dass es die Zwischensubstanz ist, welche Pseudopodien bildet, spricht das Bild, welches Färbung, nament- lich Doppelfärbung mit Methylgrün und Rhodamin erzeugt, wobei sich, wenn diese Färbung gut gelungen ist, die Zwischensubstanz violettroth färbt und auch die Fortsätze in demselben Farbenton nur blasser erscheinen, während die Spongiosa dunkel blauroth aussieht !). Bei dieser Deutung glaube ich mich im Einverständniss mit Leydig?) zu befinden, welcher der Ansicht ist, „dass die weichere Zwischensubstanz der Zelle das erst Bewegliche sein möge“. Er verlegt in sie den Sitz der Contractilität und fasst sie, da sie aus dem Gerüstwerk der Zelle gleichsam hervorkriecht und Fortsätze auszustrecken vermag, als Träger der Bewegung auf. — Es würde mich zu weit führen hier auf die Membran- bildung der Zelle nochmals näher einzugehen. Im histologischen Sinne fehlt den Leukocyten selbstverständlich eine solche. Wenn ich vom Fehlen einer Membran im histologischen Sinne rede, so vergesse ich dabei den Umstand nicht, dass jede plasmatische Substanz eine Grenze aufweist, welche Bütschli®) der Haut- 1) Hinsichtlich dieser Doppelfärbung möchte ich hier bemerken, dass sie sich für die Untersuchung frischer Präparate recht wohl eignet. Mit Dauerpräparaten aber ist es recht unglücklich bestellt. Die Farben bleichen ganz oder theilweise aus, oder erscheinen diffus. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser unerfreuliche Umstand durch das Glycerin, welches ich in Ermangelung und in Unkenntniss eines besseren Einschlussmittels, bis jetzt stets verwendet habe, bewerk- stelligt wird. 2) Leydig, Zelle und Gewebe S. 41 u. 43. 3) Bütschli, Ueber die Structur des Protoplasmas. Verh. des naturh.-med. Vereins. Heidelberg. N. F. Bd. IV, Heft 3. 1889. Ref. Biol. Centralblatt 1889, No. 18, S. 560—63. Beiträge zur Histologie des Blutes. 67 schicht künstlich erzeugter Oelschäume vergleicht. Ob die „Schaumstruetur-Hypothese“ uns vielleicht auch noch über die physikalisch-chemische Beschaffenheit dieser Grenze und über einen etwaigen Unterschied zwischen ihr und der übrigen Plasma- masse befriedigenden Aufschluss geben wird? Vor der Hand dürfte sich eine Entscheidung über die Bildung der Plasmahaut und über die hierzu erforderlichen Bedingungen nicht fällen lassen. Wenn dieselbe nicht nur eine Erscheinung von Oberflächenspan- nung ist, sondern chemische Prozesse im Protoplasma für ihren Aufbau erforderlich sind, so werden wir über den letzteren nicht früher Aufschluss erwarten dürfen, als bis die physiologisch-che- mische Beschaffenheit der Eiweisskörper unserem Verständnisse näher gerückt ist. Zweifelsohne aber steht die Plasmahaut zu den Functionen der Zellen im strömenden Blute in inniger Beziehung. Dafür scheinen mir namentlich die Färbungsversuche intra vitam zu sprechen. Sie kommt bei dem Austausch von Flüssigkeiten und Gasen in Betracht, sie spielt eine Rolle bei der Aufnahme und Abgabe geformter Gebilde. Ihre Existenz scheint an chemische Vorgänge des lebenden Protoplasma geknüpft zu sein. Ausser- halb der Blutbahn bewirken die Einflüsse der Umgebung eine mehr oder weniger schnelle Veränderung der Plasmahaut, womit eine Schädigung der vitalen Eigenschaften der Leukocyten Hand in Hand geht. Was die Form der normalen Pseudopodien anbelangt, so erblieke ich dieselbe so, wie sie schon von Cattaneo beschrie- ben wurde. Bald sind sie kürzer, bald länger, in den meisten Fällen übertreffen sie den Durchmesser der Zelle oft um das drei- bis fünffache. Sie sind nicht platt, sondern ihr Querschnitt würde mehr oder weniger oval zu nennen sein. Sie sind nicht gleichmässig diek, sondern an ihrem proximalen Ende dicker, als am Mittelstück. Auch macht an ersterem oftmals eine Anschwellung den Eindruck, als wäre der sich eontrahirende Fortsatz in diesem Gesehäft plötzlich durch das Fixativ gestört worden. An ihrem distalen Ende sind die Fortsätze meist keulenförmig und dabei oft sanft gebogen (Fig. 12, 13a, 14, 17e, 18, 20, 21), manchmal erscheint dieses Ende auch gespalten (Fig. 14, 22b bei w!). An dem meist Sförmigen, manchmal wellenlinigen Mittelstück sieht man seltener eine Abzweigung, und wenn dieselbe vorhanden ist, 68 Griesbach: bleibt sie nur klein (Fig. 21a bei w). Bei Anwendung starker Immersionslinsen kommt es mir mitunter so vor, als biete sich in den Pseudopodien eine äusserst blasse Längsstreifung dar. Dies würde dafür sprechen, dass die ganze Zwischensubstanz, falls die Pseudopodien davon abstammen, nicht völlig homogen ist. Bal- lowitz!) meint sogar, „dass die meisten, wenn nicht alle Bewe- gungsvorgänge, welche viele Lebensäusserungen der Zelle und ihrer Organe begleiten, soweit sie auf einer vitalen Contraction der Zelle und ihrer Theile beruhen und nicht nur molekulärer oder rein physikalischer Natur sind, an das Vorhandensein einer feinfädigen oder auch „„fibrilloiden““ Structur im oder am Zell- . körper geknüpft sind“. Flemming?) bemühte sich dagegen vergebens in den „hyalin erscheinenden Säumen und Protoplasma- lappen des Umfanges kriechender Leukoeyten* etwas von einer Struetur wahrzunehmen. Ich möchte ausdrücklich bemerken, dass ich ‘ die oben genannte Längsstreifung als Ausdruck eines natürlichen Verhaltens mit aller Reserve auffasse. Die Verhältnisse sind so zart, dass ich nicht wage sie durch eine Abbildung wie- derzugeben. Bei gelungener Fixirung finde ich die beschriebenen normalen Pseudopodien benachbart liegender Zellen nie mit ein- ander verschmolzen, in den Kreislaufsorganen dürfte es daher während des Lebens wohl ebenso sein ?). 1) Ballowitz, Ueber Verbreitung und Bedeutung feinfaseriger Structuren in den Geweben und Gewebselementen des thierischen Kör- pers. Biol. Centralblatt 1889, No. 20 u. 21, S. 668. 2) Flemming, Zellsubstanz etc. S. 48. 3) Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass die eigenthümlichen, bisher nicht genügend gewürdigten Formen der normalen Pseudopodien durch das Fixativ hervorgerufene Kunstprodukte sind, wie mir einmal bei der Demonstration meiner Präparate auf dem intern. med. Congress in Berlin eingewendet wurde. Wir schätzen gerade die Osminmsäure deswegen so hoch, weil sie selbst die zartesten Formen unverändert erhält. Ueberdies müsste es doch seltsam erscheinen, dass auch die übrigen Fixative dieselbe Veränderung hervorrufen. Endlich gelingt es für einen schnellen Arbeiter manchmal, auch ohne Fixirung im Präparate dieselben Formen zu erblicken. Die Beobachtung der Zellen im strömenden Blute ist dagegen bei Acephalen mit Schwierigkeiten verknüpft, worauf schon Cattaneo aufmerksautr machte. Es ist selbst- verständlich, dass die Leukoceyten im strömenden Blute auch ohne Pseu- dopodien, also als kugelige oder ovale Zellen sich finden, Formen, denen man auch in gut fixirten Präparaten begegnet. Beiträge zur Histologie des Blutes. 69 An den aus dem Blute entleerten, nicht fixirten Zellen er- blicke ich alle dieselben Verhältnisse, welche die Autoren beschrie- ben haben. Die Pseudopodien ragen alsdann in Form von Spitzen und Dornen von einzelnen oder vielen Stellen der Zellperipherie aus den Hohlräumen der Spongiosa hervor (Fig.19b, 22e, 25). Oft bildet die contractile Zwischensubstanz blasige und lappige Fortsätze (Fig. 15, 16, 19b, 22ab, 23a, 24b), wie sie schon From- mann!) abbildete. Alle diese Gebilde zeigen mehr oder weniger lebhafte Bewegungen, die sich stundenlang, in der feuchten Kam- mer tagelang, verfolgen lassen. Dabei treten, wenn die beob- achtete Zelle eine Körnerzelle ist, die Körner häufig aus, wie ich dies bei Mytilus edulis in der Figur 25 wiederzugeben versucht habe. Sehr interessant sind die Erschemungen, welche sich dar- bieten, wenn man einen Tropfen frisch entleerten Herzblutes ohne Fixirung der Elemente auf ein mit Oel (Rieinus-, Oliven-, Mandel- Oel, weniger gut eignet sich Vaselin oder Lanolin) bestrichenes Deckglas bringt und im hängenden Tropfen oder bei gut gestütz- tem Deckglase untersucht. Da giebt es gewaltige Bewegungen. Die Zellen haften an der Oelschicht. Mächtige vorgestülpte Blasen zeigen, ohne zunächst ihren inneren Zusammenhang und den mit dem Zellkörper aufzugeben, eine Art wogende Bewe- gung (Fig. 23a). Auch Formen, wie Figur 23be sie zeigt, sind zu sehen. Plötzlich schnürt sich ein Theil des Zellenleibes ab (Fig. 23b), oder es platzt eine blasenartige Ausstülpung und zahl- reiche kleine Substanzportionen werden ausgestreut (Fig. 24a b). Ich möchte derartige Erscheinungen, die auch auf ungeölten Deckgläschen zu beobachten sind, mit Löwit?) als Plasmoschise bezeichnen. Auf einen etwaigen Zusammenhang zwischen ihnen und der Blutgerinnung komme ich an einem anderen Orte zurück. Die Bewegungen der stacheligen und dornenförmigen Fortsätze und der kleineren lappigen Ausstülpungen lassen sich im hängen- den Tropfen an solchen Zellen am besten verfolgen, die in dem- selben schwimmen, also nicht an dem Deckglase haften. Bei allen diesen Bewegungen spielen die Reibung in der Flüssigkeit, Öberflächenspannung, Diffusion, Absorption von Flüssigeit und Gasen und im Falle des Anhaftens eigenthümliche Adhäsions- 1) Frommann, Untersuchung über Structur etc. Taf. III, Fig. 32. 2), Lowit, ara. 07 S.492: 70 Griesbach: erscheinungen meiner Ansicht nach keine geringe Rolle. Ich gedenke bei dieser Gelegenheit einer Untersuchung von G. Quincke!), bei welcher durch allerhand Salzlösungen und andere Flüssigkeiten auf künstlichem Wege ähnliche Erscheinungen hervorgerufen wurden. Die genannten Bewegungen enden häufig mit einem plötz- lichen Zerfall der ganzen Zelle (Fig. 26a), oft während des man- nigfaltigsten Wechsels der verschiedenartig gestalteten Fortsätze. In anderen Fällen geht die Formveränderung der letzteren ganz allmählich vor sich (Fig. 25), ihre Dimensionen werden kleiner und schliesslich kann der Leukocyt kugelig erscheimen, um auch dann über kurz oder lang einem Zerfall entgegenzugehen. Ich möchte hier kurz emige Bemerkungen über die myelintropfen- ähnlichen Gebilde, welche Apathy und andere Autoren im Blute der Acephalen beschrieben haben, einflechten. Auch ich habe derartige Gebilde häufig gesehen, aber nie- mals in schnell und gut fixirten Präparaten, sondern stets nur in solchen, in denen die Leukoeyten nicht abgetödtet worden waren (Fig. 23b, 24a b, 28). Ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich sie aus dem normalen Blute verbanne und sie für abgelöste Theile der Zwischensubstanz oder für ausgetretene, durch physikalisch- chemische Einflüsse entstandene Vacuolen halte. Wenn das, was ich an dem von Reagentieneinwirkung freien Blute von solchen Dingen sehe, dasselbe ist, was die Autoren erwähnen, und das Aussehen spricht durchaus dafür, so kann ich hinzufügen, dass ich oft Gelegenheit hatte, von den blasigen und lappigen Aus- stülpungen eontractile Substanzpartikel sich ablösen zu sehen, welche alsbald als opake Kügelchen der verschiedensten Grösse umherschwammen. Auch freie Kerne habe ich im Blute wahr- genommen, ihre Natur lässt sich nicht leicht verkennen, ihr Vor- handensein erklärt sich wohl ebenfalls aus dem Zerfall des Zellen- leibes; manchmal sind sie noch von Resten der Zellsubstanz umgeben. Alle die verschiedenen Formen der Ausläufer, welche ohne Anwendung von Fixirungsmitteln an den Zellen wahrge- nommen werden, sind meiner Ansicht nach ebenso Bestandtheile der Zwischensubstanz, wie die wahren Pseudopodien. Dafür spricht erstens der Umstand, dass man sie mit Hülfe starker 1) G. Quincke, Ueber Protoplasmabewegung. Biol. Centralblatt. 1888. No. 16, S. 499 ff. ’ Beiträge zur Histologie des Blutes. 71 Vergrösserungen aus den Hohlräumen der Spongiosa hervortreten sieht, und zweitens die Thatsache, dass sie bei Färkungen mit denselben Farbstoffen den gleichen Farbenton aufweisen, wie die Fortsätze der fixirten Zellen. Durch welche Veranlassung das Vorstossen der in Rede stehenden Gebilde geschieht, ob dabei ein Druck seitens der Spongiosa mitwirkt, ob die contractile Z/wischensubstanz selbst ein solches bewerkstelligt, ob und in welcher Weise die ungewöhnliche Umgebung, Temperatur und Licht dabei eine Rolle spielen, weiss ich vorläufig nicht zu ent- scheiden, aber normal kann man alle diese Fortsatzbildungen und ihre Bewegungserscheinungen nicht mehr nennen. Was hier über die Leukocyten der Acephalen gesagt wurde, gilt im All- gemeinen auch für viele von mir bereits untersuchte Wirbel- thiere, über welehe ich eingehender ein anderes Mal zu berichten gedenke !). Formen, wie sie Lavdowsky?) beschreibt und ab- bildet, kommen im Blute, falls man dasselbe unter den nöthigen Cautelen untersucht, nicht vor, sie repräsentiren keinen normalen Zustand, sondern werden durch allerhand physikalisch-cehemische Einflüsse bedingt. Cattaneo giebt an, dass die Fortsätze, welche er als Sarkodeausläufer bezeichnet, einmal ausgestreckt, nie mehr zurück- gezogen würden. Das Bild, welches eine nicht fixirte, nach mehr oder weniger langer Zeit zur Ruhe gekommene, das heisst in die Kugelform übergegangene Zelle repräsentirt, scheint bei dem ersten Blick gegen diese Annahme zu sprechen. Allein betrachtet man eine solche Zelle genau, so empfängt man den Eindruck, als ob dieselbe in der gesammten Peripherie von einer schmalen, ganz hyalinen Zone umgeben sei. Um ein derartiges Bild zu deuten, braucht man allerdings ein wirkliches Zurückziehen der Fortsätze nicht anzunehmen, sondern es lässt sich auch in der Weise erklä- ren, dass die ausgetretene Zwischensubstanz bei allmählichem Absterben, wobei sie die Eigenschaft der Contraetilität mehr und mehr einbüsst, unter den Einflüssen der umgebenden Medien und unter bestimmten physikalischen Verhältnissen zu einer gleich- förmigen Masse zusammenfliesst. 1) Hierauf bezügliche Präparate habe ich auf dem X. interna- tionalen med. Congress in der Section für Anatomie demonstrirt. 2) Lavdowsky, a.a.0. S. 67 u. Taf. V, Fig. II, III, IV etc. 72 Griesbach: Die weiteren spontanen Formveränderungen der Leukoeyten, das Zusammenfliessen der Fortsätze (Fig. 22b) und die Bildung von Syneytien und Plasmodien sind allgemein bekannt; auch ich erblicke sie so, wie sie von den Autoren, für die Acephalen spe- ciell von Cattaneo, beschrieben worden sind. Es entsteht die Frage nach der Ursache der Gestaltverän- derungen der Leukoeyten. Die Beantwortung wird durch den thatsächlichen Befund ermöglicht, dass die Zellen innerhalb der unverletzten Gefässbahn Formenwechsel zeigen. Wenn das Proto- plasma unter normalen Lebensbedingungen fähig ist, Pseudopodien zu entwickeln, so muss die Contractilität eine vitale Eigenschaft desselben sein, es muss also die bewegende Energie in ihm ihren Sitz haben. Anders allerdings gestalten sich die Verhältnisse, wenn wir die Bewegungen der Zellen auf dem Objeetträger be- obachten. Aus dem Umstande, dass der Formenwechsel alsdann ein ganz anderer ist, dass ferner gleich nach der Entfernung der Zellen aus der Blutbahn an ihnen ein theilweiser Zerfall beob- achtet wird, muss geschlossen werden, dass in diesem Falle phy- sikalische Ursachen der Umgebung bei den Formveränderungen eine wesentliche Rolle spielen. Dass die Contractilität eine vitale Eigenschaft des Leukoeytenleibes ist, dafür sprechen auch die Ver- suche von Massart und Bordet!), welche zeigten, dass im Zu- stande der Anästhesie die Entwieklung von Pseudopodien unter- bleibt, während sie nach Aufhören derselben aufs Neue beginnt. Ich wende mich jetzt zur Besprechung des Kernes der Leukoeyten. Nach Robin?) soll in den weissen Blutkörperchen in ihrem physiologischen Zustande ein Kern nicht vorhanden sein. Durch Einwirkung der verschiedenartigsten Reagentien kann aber Veranlassung zur Entstehung kernartiger Körper ge- geben und andererseits ein Verschwinden derselben bewerkstelligt werden. Dass in den lebenden Leukocyten wohl aller Thiere ein wirklicher Kern vorhanden ist, dürfte heute kaum noch zu bezweifeln sein 3), doch ist derselbe häufig unsichtbar und tritt 1) Massart et Bordet, Recherches sur lirritabilit@ des Leuco- cytes. Journ. publ. par la Soc. royale des sciences medicales et natu- relles de Bruxelles. 1890. Extr. p. 15, 16. 2) Robin, Sur les ecorpuscules nucleiformes des leucoeytes. Jour- nal de l’anatomie et de la physiologie. 1881. 3) Zu vergleichen hierzu Flemming's Zellsubstanz ete. S. 88 ff. ZZ 27 Beiträge zur Histologie des Blutes. 73 erst bei Anwendung gewisser Reagentien deutlich hervor. Die Leukoeyten der Acephalen sind stets kernhaltig. In den meisten Fällen ist der Kern in der Einzahl, seltener in der Zweizahl vor- handen; mehr als zwei Kerne, wie dies in den Blutzellen anderer Thiere nach Flemming!) vorkommen soll, habe ich nicht auf- finden können. In den fixirten Zellen der Acephalen ist auch ohne Beihülfe von Färbungen ein meiner Ansicht nach völlig aus- gebildeter Kern zu erkennen, so dass ich von Kernanlagen im Sinne Frommann's, die sich erst unter bestimmten Bedingungen in Kerne umwandeln, nicht reden kann. Gut fixirte Zellen lassen sich durch leichten Druck in schwankende und wälzende Bewe- gung versetzen, so dass man den Kern von verschiedenen Seiten betrachten kann. Man erkennt alsdann beim Vergleiche vieler Zellen, dass er keinen bestimmten Ort im Zellenleibe einnimmt, sondern dass seme Lage in der einen Zelle mehr central (Fig. 12, 13b, 18b, 20b, 26d! f!), in einer anderen mehr peripherisch ist (Fig. 11a b, 13a, 14, 17, 21, 22). Bei „wandernden“ Leukoeyten sah Lavdowsky?) den Kern selten in der Mitte, sondern fast immer im „hinteren“ Theile der Zelle gelegen. Die Bestimmung des Lageverhältnisses des Kernes zu den beiden beschriebenen Zeilsubstanzen ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Seine Lageveränderung steht, wie ich zu glauben geneigt bin, mit dem Formenwechsel des gesammten Zellenleibes in Zusam- menhang, und zwar scheint sie bedingt zu werden durch Span- nungsunterschiede feiner, radiär angeordneter Stränge und Stütz- fäden (Fig. 13 St.), über deren Ursprung und Beschaffenheit ich nichts Näheres anzugeben wage. Ich befinde mich mit der An- sicht, dass die Bewegungen des Kermes mit denen des Zellen- leibes im Zusammenhange stehen, nicht im Einverständnisse mit denjenigen Forschern, welche ihm Eigenbewegungen zuschreiben, gleichgültig, ob diese mit Theilungserscheinungen in Verbindung gebracht werden oder nicht. Zugleich muss der Kern als Ganzes einen bestimmten Grad von Festigkeit besitzen, so dass er seine Form nur sehr wenig verändert, denn ich habe ihn in fixirten Zellen stets in kugeliger oder schwach ovaler Gestalt wahrgenom- 1) Flemming, Zellsubstanz etc. S. 89. 2) Lavdowsky, a.a. O. Bd. 96, S. 81. 74 Griesbach: men. Gestaltsveränderungen, wie sie Arnold!) an den Kernen von Wanderzellen beschreibt, kommen an den Leukoeytenkernen von Acephalen nicht vor. Ob die genannten Stützgebilde nur mit der Kernperipherie, oder auch mit seinem Innern zusammen- hängen, und in welcher Beziehung sie zu den Zellsubstanzen stehen, vermag ich nicht zu entscheiden. Es beruht aber nicht auf Täuschung, wenn ich den Kern der Leukocyten in einem be- sonderen Raum eingebettet liegen sehe (Fig. 19b) und wenn ich in demselben die Stützfäden erblicke (Fig. 13a b). Ob dieser Ab- schnitt immer oder zeitweilig ein abgeschlossener, den Kern be- herbergender Hohlraum ist, und in diesem Falle ausser den ihn radiär durchsetzenden Fäden weiter nichts enthält, weiss ich nicht anzugeben. Es ist annehmbar, dass durch ungewöhnliche Einflüsse, welchen die Leukocyten ausgesetzt sind, die Kernstützen reissen, und der Kern alsdann mit der Zwischensubstanz aus den Spon- giosahohlräumen heraustritt, eine Erscheinung, welche bei nicht fixir- ten Zellen, wie bereits angegeben, häufig wahrnehmbar ist (Fig. 16). — Pfitzner ?) will bei Amphibien in den rothen Blutkörperchen mit nicht mitotischen Kernen eine besondere Abgrenzung des Zellenleibes gegen die „Kernhöhle* wahrgenommen haben, für welche er den Ausdruck continuirliche Membran (geschlos- sene Haut) gebraucht, den zwischen dieser und der Randschicht des Kernes gelegenen freien Raum fand er aber von Strängen nicht durchsetzt. Eine weitere Frage ist die nach der Beschaffenheit des Leukocytenkernes. Ich unterscheide m ihm mit aller Deutlich- keit zwei Substanzen. Beide Substanzen lassen sich leicht durch ihr Aussehen unterscheiden: die eine Masse besteht aus balken- förmigen Gebilden, welche in der anderen, mehr gleichförmigen Grundsubstanz eingebettet liegen. Verbindet man mit der Fixirung zugleich die Doppelfärbung mit Methylgrün und Rhodamin, so färbt sich das Balkenwerk dunkelblaugrün bis grün, die Zwischensub- stanz roth (Fig. 14). Dieser Thatsache müssen gerade wie im Zel- 1) Arnold, Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen ete. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. 1887. 2) Pfitzner, Zur morphologischen Bedeutung des Zellkernes. Morphol. Jahrb. 1886. Bd. 11, S. 60, 61. Beiträge zur Histologie des Blutes. 75 lenleibe chemische Differenzen zu Grunde liegen. Die Balken be- sitzen die verschiedenste Form, sie sind bald kürzer, bald länger und mit Biegungen und Knickungen versehen (Fig. 13 u. 30). Es hat den Anschein, als fehle zwischen den einzelnen Balkenabschnitten ein Zusammenhang (Fig. 30b). Bei optischer Einstellung auf den Rand des Kernes erscheint dieser ebenfalls unterbrochen und zwar in der Art, dass die Theilstücke bald einen kleineren, bald einen grösseren Zwischenraum zwischen ihren abgerundeten oder knotigen Enden freilassen, oder sich mit diesen gerade berühren (Fig. 13 u. 30). Ob zwischen den Enden der Theilstücke noch eine zarte fadenartige Verbindung besteht, vermag ich nicht zu entscheiden, auch habe ich keine völlige Sicherheit gewinnen können, ob die radienartig den freien Raum um den Kern durch- setzenden Fäden mit der Zwischensubstanz zusammenhängen und ob letztere homogen ist, oder noch eine streifige oder granulirte Structur, wie es manchmal den Anschein hat, besitzt. Jedenfalls kann ich von einer eigentlichen Netzstructur, wie sie für andere Kerne so oft beschrieben worden ist, nicht reden. Das beschrie- bene Aussehen des Kernes führt zu der Vermuthung, als besitze er keine zusammenhängende, ihn umhüllende Membran. Leydig!) meint, dass die Begrenzung eines Kernes entweder nur durch die Balken bewerkstelligt werde, oder dass eine hautartige Lage sich auf den Enden derselben absetze. In beiden Fällen aber hält er die Peripherie des Kernes für porös. Im Allgemeinen gehen die Ansichten der Autoren über die Begrenzung des Zellkernes sehr auseinander. Die Einen, und unter ihnen namentlich Flem- ming, schreiben dem Kerne eine geschlossene Membran zu, die Anderen lassen die Begrenzung nur durch die freien Enden des Balkenwerkes zu Stande kommen. Für Leukocyten soll eine Kernmembran nach Lavdowsky?°) gar nicht existiren. Im letzteren Falle würde zwischen dem Kerninneren und der Zellsub- stanz ein directer Zusammenhang bestehen können, wie dies that- sächlich von vielen Autoren für die verschiedenartigsten Zellen beschrieben worden ist. Vielleicht besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer Kernmembran und dem einer Zell- 1) Leydig, Zelle und Gewebe S. 37. 2) Lavdowsky, a.a. O. Bd. 96, S. 92. 76 Griesbach: wand in der Weise, dass da, wo die letztere fehlt, auch der Kern hüllenlos bleibt, und dass bei Zellen, welche eine Membran ent- wickeln, auch die erstere zur Ausbildung gelangt. Wenn wir nach Gründen für einen derartigen Zusammenhang suchen, so würden sich dieselben vielleicht darin finden lassen, dass bei hüllenlosen Zellen, an welchen auf das Lebhafteste Bewegungs- erscheinungen vor sich gehen können, denen der Kern mehr oder weniger zu folgen gezwungen ist, eine Kernhülle der Gefahr des Zerreissens ausgesetzt sein würde. — Ich bin weit davon ent- fernt in diesem Sinne eine Hypothese aufzustellen, allein der Ge- danke ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Ob der Kern der Acephalenleukoeyten unter bestimmten Verhältnissen und zu bestimmten Zeiten noch weitere Gebilde, wie Körner, Pig- mente, Vacuolen ete. einschliesst, darüber kann ich positive An- gaben zur Zeit nicht machen. Das Einzige, was ich stets in dem Balkenwerke wahrnehme, sind stark lichtbrechende, kugelige Einlagerungen (Fig. 15b bei n, Fig. 30n), in der Ein- oder Mehr- zahl vorhanden, welche ich als Nucleolen deute, an denen ich eine besondere Structur aber nicht zu erkennen vermag, und über deren Herkunft und Bedeutung, ‚sowie über die Frage, ob sie selbständige Gebilde, oder vielleicht die kugelig und knotig ver- diekten Enden der einzelnen Theilstücke des Balkenwerkes sind, ich mich jeder Aeusserung enthalte !). Bis in die neuere Zeit wurden hinsichtlich der Kernthei- lung mitotische Prozesse, nachdem solche schon längst für die meisten anderen Zellen bekannt geworden waren, in amöboiden Zellen nieht wahrgenommen, bald aber häuften sich dann die hierauf bezüglichen Angaben. Von Peremeschko?), Flem- ming°), Kultschitzky*), Lavdowsky?°), J. Arnold ®) und 1) Die Literatur und die verschiedenen Ansichten der Autoren finden sich übersichtlich besprochen bei Korschelt a.a. 0. S. 108 ff. 2) Peremeschko, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 17, S. 170—171- 3) Flemming, Studien über die Regeneration der Gewebe. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24. 1885. Ganz neuerdings hat derselbe Autor über Theilung der Leukocyten auf dem X. internat. med. Congress in Berlin berichtet. 4) Kultschitzky, Centralblatt für die med. Wiss. 1885. 5. Jan., und Archives slaves de Biol. T. IV, fasc. 2, S. 230. 5) Lavdowsky, a.a.'0. Bd. 96, S. 89, 90. 6) J. Arnold, Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen a7 Beiträge zur Histologie des Blutes. [ Anderen ist mitotische Theilnng in Leukocyten beobachtet wor- den. „J. Arnold kommt zu dem Schlusse, dass Wanderzellen, farblose Blutzellen, Lymphzellen und die entsprechenden Zellfor- men des Knochenmarkes, der Milz und der Lymphdrüsen sich nach dem Typus der Mitose vermehren können, dass aber der stringente Beweis dafür noch nieht erbracht sei, jeden- falls sei es zurückzuweisen, dass diese Zellen nur mitotisch sich theilten“ 2). Ich habe in den Leukocyten der Acephalen, welche dem Herzen lebenskräftiger Thiere entstammten, weder eine direete Theilung oder eine Fragmentirung im Sinne Arnold’s?), noch eine mitotische Kerntheilung, wie sie Apathy °) gesehen haben will, wahrzunehmen vermocht. Zwar habe ich manchmal in diesen Zellen, wie schon im Vorhergehenden angegeben, zwei Kerne, deren Vorkommen auch Cattaneo*) beschreibt, beispielsweise bei Mytilus edulis, Sole- eurtus strig. und Peetenarten gesehen, ohne aber einen Anhalts- punkt dafür zu besitzen, wie dieselben entstanden und ob diese Erscheinung mit einer Zelltheilung in Zusammenhang zu bringen ist. Oftmals erscheinen solche Kerne, welche verschiedene Grösse besitzen können, so nahe aneinander gelagert (Fig. 18a), dass man an einen Zusammenhang beider denken könnte, ähnlich wie dies Flemming?) für Leukocytenkerne beschrieben hat. Ob in solchen Fällen wirklich zwei Kerne vorliegen, oder ob man es etc. Archiv für mikr. Anatomie. 1887. Bd. 30, S. 205 ff., und: Weitere Mittheilungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz, zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der von der typischen Mitose abweichenden Kerntheilungsvorgänge. Archiv. f. mikr. Anat. 1888. Bd. 31, S. 547. 1) Zu vergl. Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehun- gen zu den Befruchtungsvorgängen. Arch. f. mikr. Anat. 1883. Bd. 32, im Separatabdruck S. 44. In dieser Arbeit befindet sich eine über- sichtliche Zusammenstellung des jetzigen Standes der Karyokinese mit umfassender Literaturangabe. 2) Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarkes. Virchow’s Arch. Bd. 93, S. 32. 3) Apathy, a.a.0. 4) Cattano, Boll. scientif. 1889. No. 1, S.11. Hier wird ange- geben, dass der Kern in Theilung begriffen sei, welcher Art aber die- selbe ist, geht aus den Angaben nicht hervor. 5) Flemming, Studien über Regeneration. S. 50, 81. 78 Griesbach: mit einem „polymorphen“ Kern !) zu thun hat, lasse ich dahin- gestellt. Da ich bei einer grossen Anzahl von Lamellibranchiaten mit besonderer Aufmerksamkeit nach Theilungsvorgängen der Leukoeyten suchte, jedoch stets mit negativem Resultat, so möchte ich die Vermuthung aussprechen, dass für gewöhnlich eine Zell- theilung im Blute der Thiere nicht nachzuweisen ist, ohne aber die Möglichkeit einer solchen zu bestreiten und ohne die Angaben Apathy’s und Cattaneo’s in Zweifel zu ziehen ?). In dem nachfolgenden Abschnitte gebe ich einige specielle Mittheilungen über das Blut der von mir untersuchten Acephalen. 1) Zu vergl. Paulsen, Zellvermehrung und ihre Begleiterschei- nungen in hyperplastischen Lymphdrüsen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. 1885. S. 349. 2) Als das Manuskript dieser Arbeit bereits druckfertig vorlag, es wurde der verehrl. Red. am 25. Aug. 1890 eingereicht, machte ich behufs Demonstration der normalen Gestalt der Leukocyten an einem Exemplar einer Anodonta die Herzpunktur. Durch Zufall wählte ich ein Thier, an welchem eine solche, wie ich an dem Loch in dem Scha- lenschloss bemerkte, bereits einige Tage vorher schon einmal ausge- führt war. Als ich die mit OsO, fixirten Leukocyten betrachtete, fiel mir auf, dass in vielen von ihnen der Kern eigenthümlich verändert aussah, dass in den Zellen relativ häufig zwei Kerne zu finden, und dass Zellen vorhanden waren, die von dem gewöhnlichen Verhalten durchaus ab- wichen. Sie waren kleiner, oval bis kugelig, besassen keine Pseudo- podien ; ihr Kern war ganz diaphan und entbehrte der sonst so cha- rakteristischen Balken, enthielt aber grössere und kleinere kugelige oder unregelmässig klumpige Gebilde. Ob wir es hier mit Theilungs- erscheinungen, und wenn, ob mit Amitose oder Mitose zu thun haben, bleibt aufzuklären. Ich beschränke mich hier auf diese kurze Bemer- kung. Die Sache erfordert eine genaue Prüfung, die sich ja leicht bewerkstelligen lässt, indem man absichtlich in verschiedenen Zeitinter- vallen, soweit die Thiere es vertragen, die Herzpunktur wiederholt. Sollten Theilungserscheinungen vorliegen, so würden wir wohl vor der interessanten Thatsache stehen, dass, falls die Thiere die Operation überstehen, die Leukocyten sich an der Gewebsregeneration betheiligen und sich bei diesem Geschäft auf dem Wege der Amitose oder Mitose vermehren, ein Umstand, auf dessen Möglichkeit von Flemming (Arch. f. mikr. Anat. 1885. Bd. 24, S.51) für andere Zellen bereits hin- gewiesen wurde. Dann würde auch die Vermuthung Wagner's, dass sich die Leukocyten an plastischen Prozessen betheiligen, bestätigt. Beiträge zur Histologie des Blutes. 79 VI. Besondere Bemerkungen über das Blut der untersuchten Acephalen. I. Siphoniata. 1. Pholas dactylus (Neapel). Das Blut zeigt kein Spec- trum !) und besitzt als zellige Elemente nur Leukoeyten. Diesel- ben messen durchschnittlich 12 u, der Kern 4 u. 2. Teredo navalis (Ostsee: Pfahlwerk in der Travemünder Bucht). Das Blut zeigt kein Speetrum. Unter 12 untersuchten Thieren waren drei, bei denen die Leukocyten fast ausschliesslich als Körnerzellen erschienen, ihre Grösse schwankte beträchtlich. 3. Thracia papyracea (Neapel. Das Blut zeigt kein Speetrum, der Durchmesser der farblosen Blutzellen beträgt durehschnittlich 8 u. 4. Lyonsia eorruscans (Neapel. Blut gewöhnlich. Der Durchmesser der farblosen Zellen beträgt 5 u, der des Kernes 2 u. 5. Mya arenaria (Sandgrund im Aussenhafen der Trave- münder Bucht). Das Blut hat die gewöhnlichen Eigenschaften. Die farblosen Blutzellen messen bis 15 u. Nach Behandlung mit ÖOsmiumsäure oder Goldehlorid war ein Raum um den Kern sehr deutlich wahrzunehmen (Fig. 13b). 6. Corbula gibba (Neapel). Die amöboiden Zellen des die gewöhnlichen Eigenschaften zeigenden Blutes messen durchschnitt- lich 9 bis 11 u. 7. Poromya granulata (Neapel. Durch die dünne und durchsichtige Schale scheint das gefärbte Thier durch. Das von acht Exemplaren aus dem Herzen durch Schalenstich entnommene Blut zeigt deutlich das beschriebene Speetrum. Ausser den ge- wöhnlichen Leukoeyten, welche durchschnittlich 10 u messen, finden sich noch gefärbte kugelige Zellen mit schwach gelbem Plasma und braunrothen Pigmentkömern (Fig. 3), deren Durch- messer 10 u beträgt. 1) Wenn ich in diesem Abschnitte von einem Spectrum rede, ist stets dasjenige gemeint, welches im IV. Abschnitte beschrieben wurde. 80 Griesbach: 8. Solen vagina und siliqua (Neapel). Das mit den ge- wöhnlichen Eigenschaften ausgerüstete Blut enthält nur farblose Elemente, welehe durchschnittlich 8 bis 11 u messen. 9. Solen legumen (Neapel). Es ist eme der Muscheln, in deren Blut Ray-Lankester mit dem Mikrospeetroskop Hämo- globin nachwies. Die Organe des Thieres erscheinen roth. Das durch Herzstich gewonnene Blut giebt die beschriebenen Absorp- tionsstreifen im Speetrum und enthält ausser den Leukoeyten, welche das gewöhnliche Verhalten zeigen, gefärbte, ovale, scheiben- förmige Zellen (Fig. VIabced), welche schon Ray-Lankester in Fig. IVabe im normalen Zustande und in Fig. Vabe nach Einwirkung von Essigsäure zeichnete. Was es für eine Bewandtniss mit den excentrisch gelegenen Flecken hat, welche nach Behand- lung mit Magenta in den gefärbten Zellen auftreten, weiss ich nicht auszusagen. Mit den von mir angewandten Färbungsme- thoden habe ich etwas Aehnliches nicht gesehen. Ray-Lan- kester ist der Ansicht, dass ihr Erscheinen entweder einem Zersetzungsprodukt des Hämoglobin, oder einem nothwendigen Begleiter desselben zuzuschreiben ist. — Die lange Axe der ge- färbten Elemente des frisch dem Herzen entnommenen Blutes finde ich zu 17 u, die kurze zu 12 u. Nach Einwirkung starker Essigsäure tritt eine Schrumpfung auf 11 und 9u ein und ein 3,1 u messender kugeliger Kern wird deutlich. Die Zahl der gefärbten Blutzellen überwiegt die der Leukocyten bedeutend. Mit Hülfe des bekannten Schüttelmischers habe ich ihre Anzahl annähernd zu 105 Tausend in 1 cmm bestimmt. Aus dem Blute lassen sich mit Eisessig und Kochsalz die Teichmann’schen Kıy- stalle erhalten. 10. Soleeurtus strigillatus (Neapel). Das Blut giebt kein Spectrum, die amöboiden Zellen zeigen das gewöhnliche Verhalten, ihre Grösse beträgt 17 bis 22 u (Fig. 21). 11. Tellina planata (Neapel). Das mit dem Speetroskop untersuchte Blut giebt auf das Deutlichste die beschriebenen Ab- sorptionsstreifen. Die farbigen Blutzelien (Fig. 10) sind mehr oder weniger kugelige Gebilde und messen 10 u. Der Kern, den ich auf Wasserzusatz häufig austreten sah, ist 5 u gross. Bei Behandlung des Blutes mit Eisessig und Kochsalz erhielt ich die Teichmann’schen Krystalle. Die Anzahl der farbigen Elemente schätze ich annähernd auf 160 Tausend in 1 cmm. Ob Tellina Beiträge zur Histologie des Blutes. si radiata, welche Cattaneo untersuchte, farbige Blutzellen führt, wird von diesem Autor nicht angegeben. Seine Figur 20 zeigt eine gewisse Aehnlichkeit mit den rothen Blutzellen von T. pla- nata. Die Leukocyten messen 9 bis Il u. Als eigenthümliche Erscheinung muss ich hervorheben, dass unter 16 untersuchten Exemplaren eines mit farblosem Blut war, doch sind mir später Zweifel aufgestiegen, ob dieses derselben Species angehörte. 12. 15. 14. Bei Tellina exigua, donacina (Neapel) und baltica (Ostsee: Travemünder Bucht) habe ich vom Blute weder ein Speetrum erhalten, noch darin farbige Zellen auffinden können. Die Leukocyten messen 8 bis 11 u, ihr Kern 3 bis 4u. Im Herzblute von Tellina baltica fand ich kleine farblose Krystalle von verschiedener Form (Fig. 29). 15. Psammobia vespertina (Neapel). Vom Blute erhielt ich kein Spectrum, es finden sich darin die gewöhnlichen Zellen mit 9 bis 11 u im Durchmesser. 16. Capsa fragilis (Neapel). Das Blut giebt das charak- teristische Spectrum. Die farbigen Blutkörperchen (Fig. 8) ent- halten den rothgelben Farbstoff nur in wenigen Körnern, ihr Durchmesser beträgt 10 u, der des Kernes 4 u. Kalilauge lässt die farbigen Elemente zunächst aufquellen, dann zerfällt die ganze Zelle in eine feinkörnige gelbrothe Masse. Pikrokarmin macht den Kern deutlich, er erscheint meist kugelig, manchmal oval oder stäbehenförmig. In einzelnen Fällen hatte es den Anschein, als ob die Zelle zwei dicht aneinander gelagerte Kerne beher- berge. Die Leukocyten zeigen das gewöhnliche Verhalten. 17. 18. Im Blute von Donax politus und truneulus (Neapel) nehme ich kein Spectrum wahr. Die Grösse der farblosen Zellen beträgt 6 bis 9 u. 19. 20. Maetra stultorum und helvacea (Neapel). Im Blute habe ich kein Speetrum wahrgenommen ; die Grösse der farblosen Zellen beträgt 9 bis Il u. Ich sah an ein und derselben Zelle zweimal Substanzportionen sich ablösen, welche sich als myelin- tropfenähnliche Gebilde von 3 bis 4 u darstellten. 21. 22. Venus gallina und verrucosa (Neapel). Vom Blute war ein Spectrum nicht zu sehen. Farblose Zellen gewöhnlich, 16 bis 18 u. 23. Tapes geographica (Neapel). Wie Venus. 24. 25. Cytherea chione und rudis (Neapel). Die Opa- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 6 89 Griesbach: lescenz des Blutes erschien mir auffallend stark. Kein Spectrum. Die farblosen Zellen messen durchschnittlich 11 u (Fig. 20a). 26. Artemis exoleta (Neapel). Kein Spectrum. Unter den Leukocyten waren namentlich Körnerzellen in reichlicher Menge vertreten. Durchmesser der Zellen 10 bis 13 u. 27. Circe minima (Neapel), Aus Mangel an Untersuchungs- material konnte ich zu einem sicheren Resultate über die Eigen- schaften des Blutes nicht gelangen. 28. (Cyelas cornea (Rhein-Rhone-Kanal). Das Blut zeigt die gewöhnlichen Eigenschaften. Die Zellen messen durchschnitt- lich 10 u. 29. Astarte fusea (Neapel). Aus Mangel an Untersuchungs- material konnte ich ein sicheres Resultat nicht erhalten. Das Blut erscheint schwach gelblich. Speetrum unsicher, in eimigen Blutzellen glaube ich gelbrothes Pigment wahrgenommen zu haben. 30. Cardita aculeata (Neapel). Das Blut ist hell weingelb und giebt ein schwaches Speetrum. Die farbigen kugeligen Zellen erscheinen diffus gelbroth, enthalten ebenso gefärbte Körner (Fig.4) und messen 10 u. Die Grösse ihres Kernes, der mit Pikrokarmin distinet hervortritt, beträgt 4 u. Farblose Zellen 11 bis 13 u. 31. Lueinia spinifera (Neapel). Kein Speetrum. Unter dden Leukoeyten zahlreiche Körnerzellen. Grösse 12 bis 13 u. 32. Galeomma Turtoni (Neapel). Kein Spectrum. Leuko- eyten 8 bis 11 u. 33. Solemya togata (Neapel. Wie Galeomma. 34. Cardium tubereulatum (Neapel) und edule (Ostsee: Tra- vemünder Bucht). Kein Spectrum, Leukoeyten 10 bis 12 u. Nieht fixirte Zellen s. Fig. 16. II. Asiphoniata. 35. Umio pietorum (Rhein-Rhone-Kanal). Das Blut ändert im Speetrum nichts und führt nur amöboide Zellen, deren Grösse 10 bis 15 u beträgt, Kern 4 bis 5 u (Fig. 12, 18). i 536. Anodonta cellensis (Rhein-Rhone-Kanal). Wie Unio. (Fig, 13a, 14, 17e, 19, 23, 24). 37T. Arca tetragona (Neapel). Das rothgelbe Blut giebt die charakteristischen Absorptionsstreifen. Die farbigen Blutzellen (Fig. 7) sind grosse ovale Scheiben, der lange Durchmesser be- trägt 20 u, der kurze Il u; die Dieke der Zelle, wenn dieselbe Beiträge zur Histologie des Blutes. 83 auf der Kante liegt (Fig. Te), erreicht 5u. Der Farbstoff scheint den Zellenleib gleichmässig zu durchtränken, so dass derselbe grünlichgelb bis olivenfarbig aussieht. Der kugelige Kern misst 5u und ist ohne Anwendung von Reagentien deutlich sichtbar. Mit Jodjodkaliumlösung tritt die Zellmembran deutlich hervor, der Zellenleib färbt sich gelbbraun und der Kern dunkelbraun. Essigsäure ruft im der Zellsubstanz ein® Körnelung hervor, auch wird der Kern dadurch scharf contourirt und erscheint von einem farblosen Hofe umgeben (Fig. 7d). Die Leukocyten (Fig. 26), welche in der Minderzahl vorhanden sind, zeigen das gewöhn- liche Verhalten, ihre Grösse beträgt 14 bis 20 u. 38. Arca Noae (Neapel). Das Blut ist schwächer gefärbt, als bei der vorhergehenden Art und die Absorptionsstreifen im Speetrum erscheinen weniger scharf. Die pigmentführenden Ku- gelzellen (Fig. 5) sind in geringerer Zahl vorhanden und verhält- nissmässig klein (6 bis Tu). Der Farbstoff ist röthliehbraun und in Körnern abgelagert. Der Kerm misst 2 bis 3u. Die farblosen Zellen zeigen das gewöhnliche Verhalten und messen T bis 9 u. 39. Pectuneulus glyeimeris (Neapel). Das rothe Blut lässt die charakteristischen Absorptionsstreifen auf das Deutlichste er- kennen und liefert bei der bekannten Behandlung braunrothe Teichmann’sche Krystalle (Fig. 1). Die farbigen Blutzellen (Fig. 9) präsentiren sich in den seltsamsten Formen, wie ich dies im all- gemeinen Theil beschrieben habe; ihre Anzahl berechnete ich zu ungefähr 90 Tausend für den Kubikmillimeter. Der gelbrothe Farbstoff färbt den ganzen Zellenleib diffus und ist ausserdem noch in mehr oder weniger zahlreichen Körnern vorhanden. Der Zelldurchmesser beträgt 13 bis 20 u, der Kern 5u. Der Kern ist in der Form sehr variabel, häufig sieht man einen grösseren und einen kleineren Kern, oder zwei gleich grosse Kerne, ähnlich wie bei Capsa fragilis (Fig. 8g), dieht aneinander gelagert, und nur der grössere führt alsdann 1 bis 2 besonders deutliche Nucleoli. Die Leukocyten, unter denen reichliche Kör- nerzellen, messen durchschnittlich 10 u, ihr Kern misst 4 u. Im frisch entleerten Herzblute von Peetuneulus traf ich mehrfach einen eigenthümlichen Flagellaten, dessen Aussehen ich in Figur 27 wiederzugeben versuchte. 40. Nueula nucleus (Neapel). Kein Spectrum. Von geformten 84 Griesbach: Elementen sind nur amöboide Zellen vorhanden, welche das ge- wöhnliche Verhalten zeigen. Ihre Grösse beträgt 10 bis 12 u. 41. Mytilus edulis (Ostsee: Travemünder Bucht). Das Blut giebt keine Absorptionsstreifen. Die meisten der 10 bis 15 u grossen amöboiden Zellen sind mit zahlreichen gelblichgrünen bis - grasgrünen Körnern angefüllt, namentlich im Blute solcher Thiere, welche sich an Pfählen augesponnen hatten. Bei den Bewegungen der nicht fixirten Zellen werden diese Körner häufig aus dem Zellenleibe ausgestossen; in mehreren Fällen habe ich auch den 4 u grossen Kern austreten sehen. Derartige lebhaft grün ge- färbte Inhaltskörper der Leukocyten habe ich ausser bei Mytilus nur noch einige Male bei Ostrea angetroffen. Aehnliches ist von Ryder für Ostrea beschrieben worden. Die während 1!/, Stun- den verfolgten Bewegungserscheinungen der nicht fixirten Leuko- eyten habe ich in Figur 25 wiedergegeben. 42. Modiola adriatica und barbata (Neapel). Kein Speetrum, Leukoeyten gewöhnlich, 10 bis 12 u im Durchmesser (Fig. 17a). 43. Lithodomus dactylus (Neapel). Wie Modiola. 44. Dreyssena polymorpha (Rhein-Rhone-Kanal). Wie Mo- diola. Leukocyten 8 bis 11 u. 45. Avicula hirundo (Neapel). Das Blut giebt keine Ab- sorptionsstreifen, die Grösse der amöboiden Zellen beträgt 12 bis 14 u (Fig. 15a b). 46. Pinna nobilis, die in Neapel schwer zu beschaffen ist, ge- langte einen Tag vor meiner Abreise in meine Hände. Ich konnte nur noch feststellen, dass das Blut keine Absorptionsstreifen aufweist. 47. Pecten varius (Neapel). Absorptionsstreifen sind im Blute nicht wahrzunehmen. Die Blutkörperchen zeigen das ge- wöhnliche Verhalten und ihre Grösse beträgt 11 bis 14 u. Im Herzblute finden sich allerhand Krystalle (Fig. 28), dieselben zeigen langgestreckte oder vieleckige Form und brechen das Licht doppelt. Die ersteren erscheinen bei bestimmter Einstellung oft röhrenartig und legen sich häufig mit ihrer Längsseite anein- ander. Alle Krystalle sind farblos und zerfallen bei Säurezusatz unter Aufbrausen!!). 48.49.50. Pecten Jacobaeus, opereularis und textae (Neapel). Wie Peeten varius, doch habe ich im Blute keine Krystalle angetroffen. 1) Ich lasse es dahin gestellt, ob solche Krystallbildungen im strö- menden Blute vorkommen, oder sich erst nach der Entleerung bilden. Beiträge zur Histologie des Blutes. 85 51. 52. 53. Lima hians, inflata und squamosa (Neapel). Im Blute dieser Thiere habe ich Absorptionsstreifen nicht auf- finden können, auch nicht bei L. inflata, welche namentlich an den Mantelfäden lebhaft roth gefärbt erscheint. Die Grösse der Leukoeyten, von denen bei L. squamosa die Körnerzellen an Zahl überwiegen, beträgt 8 bis 12 u. : 54. Östrea edulis (Nordsee: Wattenmeer bei Wyk auf Föhr). Kein Speetrum. Die Leukoeyten enthalten häufig grasgrüne Körner- einlagerungen, über deren Natur ich keine sichere Angaben machen kann. Ihre Grösse beträgt 9 bis 13 u, der Kern 3 bis 4. 55. Anomia ephibbium. Kein Speetrum, Leukocyten ge- wöhnlich, Grösse 9 bis 11 u. VII. Allgemeine Bemerkungen über den Formenwechsel von Leukocyten. Ich bin weit davon entfernt, den nicht fixirten, mannigfal- tigen Formenwechsel zeigenden Leukocyten alles Leben abzu- sprechen, aber ich glaube, dass man bei der Entscheidung der Frage, was bei diesem Formenwechsel etwa vorhandenen Lebens- äusserungen der contractilen Materie zuzuschreiben ist, was da- gegen physikalisch-chemischen Erscheinungen, welche an und in einer Substanz von der Beschaffenheit des Protoplasmas in Bezug auf ihre Umgebung sich abspielen, nieht vorsichtig genug zu Werke gehen kann. Ein grosser Theil dessen, was als Wanderung von Leuko- eyten auf Deckgläsern und ÖObjeetträgern beschrieben, was als Bewegung an Holundermarkscheibehen gedeutet worden ist, wel- che eine Zeit lang im Lymphsacke des Frosches verweilten und dann in der feuchten Kammer unter Beihülfe einer „physiolo- gischen Chlornatriumlösung“, oder irgend einer anderen Substanz untersucht wurden, muss ohne Zweifel den wechselvollen und mannigfaltigen, aber rem physikalisch-chemischen Erscheinungen der Adhäsion, Diffusion und Absorption von Gasen und Flüssig- keiten zugeschrieben werden. Einwurfsfreie Beobachtungsmetho- den, die an den Zellen innerhalb der Blutbahn ausgeübt werden, und exacte Fixirung beweisen, dass es hinsichtlich der Form- und Bewegungsverhältnisse der amöboiden Zellen im Organismus während der vollen Entfaltung aller Lebensprocesse ganz anders 86 Griesbach: hergeht als unter künstlichen Bedingungen und unter dem Mi- kroskope. Wie ärmlich sind doch unsere technischen Hülfsmittel: heizbare Objeettische, feuchte Kammern, Reagentien von der Zu- sammensetzung des Blutserums, dass sie nicht einmal im Stande sind uns ohne Abtödtung der Zellen die normale Gestalt, ge- 'schweige denn die dadurch bedingten ursprünglichen Bewegungen vorzuführen. Man spricht von einer physiologischen und pathologischen Wanderung und Auswanderung der weissen Blutkörperchen und die Literatur über derartige Beobachtungen ist zu einer enormen Höhe angeschwollen. Beide Vorgänge werden als Lebensprozesse gedeutet, Lebensprozesse, bei denen es zu einer staunenswerthen Kraftentwieklung kommen soll !). Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Formveränderungen der amöboiden Zellen in- nerhalb der Gefässbahn, wie die angeführten Methoden uns leh- ren, in bestimmten und verhältnissmässig engen Grenzen blei- ben und ganz anderer Art sind als diejenigen, welche man unter dem Mikroskope beobachtet, so dürfte es geboten erscheinen, die sogenannten Wanderungen der Leukocyten aufs Neue zu prüfen. Ein Satz, wie Lavdowsky ?) ihn aufstellt: „Die Leukoeyten können im Innern der Gefässe ganz so wandern oder kriechen, wie ausserhalb derselben“ ermangelt vorläufig eines einwurfsfreien Beweises. Dass das Umgekehrte nicht der Fall ist, geht zunächst für die von mir untersuchten Wirbellosen aus den gegebenen Mit- theilungen mit Sicherheit hervor. Unter solchen Gesichtspunkten dürfte die bisherige Lehre vom Phagocytismus einer genauen Revision und insofern einer Einschränkung bedürfen, als von einer Beobachtung desselben auf dem Objeetträger mit Hülfe der bisher üblichen Methoden nicht die Rede sein kann). Das Nämliche gilt auch für Versuche über intracelluläre Verdauung, falls dieselben an Zellen angestellt werden, welche den Einflüssen einer ungewohnten Umgebung ausgesetzt sind. Ja, meine Bedenken gehen noch weiter. Ich bezweifle natürlich nicht, dass innerhalb des Organismus amöboide Zellen 1) Lavdowsky, a.a. 0. die betreffenden Beschreibungen und Abbildungen. 2) Lavdowsky, a.a.0. Bd. 97, S. 188. 3) Dieselben Ansichten spricht Cattaneo a.a. 0. aus. Beiträge zur Histologie des Blutes. 87 fremdartige Elemente irgendwelcher Art aufzunehmen vermögen, aber ich vermisse in den hierüber existirenden Untersuchungen einen unanfechtbaren Beweis einerseits dafür, dass die aufneh- menden Zellen völlig ungeschädigt sind, andererseits dafür, dass, wenn die Eindringlinge beispielsweise lebende Mikroorganismen sind, diese nieht schon vor ihrer Einverleibung in die Phagoeyten bereits durch die Gewebsflüssigkeiten auf physikalische oder che- mische Weise abgetödtet oder doch erheblich geschädigt wurden. Bei eigenen Beobachtungen über die Aufnahme feinvertheil- ter Substanzen durch die amöboiden Blutzellen der Acephalen habe ich aus hinreichend, betonten Gründen natürlich von Objeet- trägerversuchen Abstand genommen. Ich liess die frisch gefan- genen Thiere unter möglichst normalen Verhältnissen im Wasser, setzte diesem aber fein vertheilte Substanzen, wie Carmin-, Kohlen-, Kreide- ete. Pulver zu, im der Hoffnung, dass dasselbe auf irgend einem Wege in das Blut dringen würde. Da dies nicht geschah, so injieirte ich die in Wasser suspendirten Substanzen durch Ein- stieh in den Fuss und schritt in verschiedenen Zeitabschnitten zur Untersuchung des Blutes mittels Herzpunetur und schneller Fixirung der zelligen Elemente. Ich hoffte bei der mikrosko- pischen Untersuchung die langen Pseudopodien und das Innere der Zellen mit Carmin ete. beladen zu finden und auf diese Weise ein instructives Bild über die Aufnahme der genannten Substanzen zu erhalten. In der That fand ich dieselben in dem Zellenleibe abgelagert: die Zelle selbst aber in ihrer Form total verändert. Von den langen normalen Pseudopodien war nichts mehr zu sehen, sondern entweder erschienen die Fortsätze in der Art, wie man sie an nicht fixirten Objecten erblickt, oder die Zellen waren völlig kugelig und die Zellsubstanz zeigte allerhand Zerklüftungen. Ich legte mir die Frage vor, ob diese Umwandlungen die Folge der Substanzaufnahme seien, oder ob vielleicht, ganz abgesehen von einer aktiven Aufnahme und von einem durch physikalisch- chemische Bedingungen bewerkstelligten Eindringen der Fremd- körper in den Zellenleib, das bei der Injection in die Gefässbahn eingedrungene Wasser die Veränderung der Zellen bewerkstelligt habe, oder ob beide, die Fremdkörper und das Wasser, dieselbe hervorgebracht haben könnten. Hinsichtlich der Wirkung der Fremkörper vermag ich eine sichere Entscheidung nicht zu geben, dass aber das eingedrungene Wasser in besagter Weise wirksam 38 Griesbach: ist, dafür spricht folgender Befund: Man braucht das Thier nur dureh Emstich mit Wasser zu injieiren, oder ihm irgend eine mit Substanzverlust verbundene Wunde!) beizubringen, in welche Wasser über kurz oder lang eindringen kann, um alsdann bei der unter den nöthigen Cautelen vorgenommenen Herzpunctur die Leukoey- ten in derselben Weise verändert zu finden; sie präsentiren sich auch in diesem Falle entweder als kugelig aufgequollene, oder als verschieden gestaltete, mit den bekannten stacheligen und lappi- sen Ausstülpungen versehene Gebilde. VIII. Kurze Bemerkungen über das Gefässsystem der Acephalen. Es ist hier wohl der Ort auf die Frage nach der Wasser- aufnahme der Mollusken, über welche ich schon seit längerer Zeit Stillschweigen bewahrt habe, mit emigen Worten einzugehen. Nachdem ich vor Jahren, angeregt durch die Untersuchungen Kollmann’s ?), das Gefässsystem der Najaden und Mytiliden unter- suchte, kam ich zu der Ansicht, dass bei diesen T'hieren eine directe Wasseraufnahme in das Blut durch Oeffnungen auf der Fusskante, welche ich Pori aquiferi nannte, vermittelt würde, wodurch ich dann auch das enorme Schwellungsvermögen der Thiere erklärte. Meine Mittheilungen riefen alsbald eine Fluth von anderen Arbeiten her- vor, welche, abgesehen von einigen wenigen, alle zu demselben Resultate kamen, dass eine directe Wasseraufnahme in das Blut bei den Acephalen nicht vorkomme, nnd dass die von mir be- schriebenen Pori aquiferi theils zufällige Zerreissungen, theils Ausführungsöffnungen von Drüsen seien. Es erscheint überflüssig, die gesammte Literatur, die seit meinen ersten Mittheilungen über den Gegenstand erschien, hier besonders aufzuführen, da sie in betheiligten Kreisen zur Genüge bekannt ist. — Während meiner Studien über das Blut der Acephalen wurde es mir von Tag zu 1) Es würde festzustellen gewiss ganz interessant sein, inwieweit die Thiere kleinere oder grössere Wunden überstehen, und ob und in welcher Weise die Leukocyten sich bei der Regeneration betheiligen. Eine einmalige Herzpunktur scheint das Leben der Thiere nicht zu gefährden. 2) Kollmann, Der Kreislauf des Blutes bei den Lamellibranchia- ten etc. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 26, S. 96 ff. Beiträge zur Histologie des Blutes. 59 Tag unwahrscheinlicher, dass bei denselben eine directe Wasser- zufuhr zum Blute stattfinde. Ich lernte die äusserst empfindlichen Eigenschaften der Leukocyten, ihr Verhalten gegen Wasser und Kochsalzlösung kennen, ich fand bei vielen Arten hämoglobin- artiges Pigment an besondere zellige Elemente gebunden, das Alles, im Verein mit den gegentheiligen Angaben der Autoren liess mich in meinen Ansichten immer schwankender werden. Als ich endlich erkannte, dass das, durch eine dem Thiere bei- gebrachte Wunde, in das Blut eindringende Wasser im höchsten Grade die normale Beschaffenheit der amöboiden Zellen und der farbigen Elemente, wo solche vorhanden, beeinträchtigt, stand es bei mir fest, dass eine permanente oder zeitweilige direkte Wasseraufnahme in das Blut eine physiologische Unmöglichkeit sei. — Es musste daher mein Bestreben sein, mich durch er- neuerte anatomische Untersuchung selbst davon zu überzeugen, dass die von mir als Pori aquiferi beschriebenen Oeffnungen, wenn überhaupt als natürliche Oeffnungen existirend, eine Com- munication des umgebenden Mediums mit dem Blute nicht ver- mitteln. Während meines Aufenthaltes in Neapel hatte ich Ge- legenheit, mit Sehiemenz öfters über den in Rede stehenden Gegenstand zu sprechen und auch dessen Präparate von Natica zu studiren, für welche er bekanntlich ein vom Kreislaufsappa- rat gesondertes Wassergefässsystem beschrieb. Ich sammelte in Neapel manches Material, welches zum Theil nach den Angaben von Schiemenz und mit den von ihm verwendeten Massen in- jieirt wurde. Ich habe seitdem einen Theil dieses Materiales, namentlich Cardium, welches auf seinem Fusse eine sehr eigenthüm- liche Spalte trägt, nachuntersucht, bin damit aber noch nicht zum Abschluss gelangt. Dagegen habe ich mich nach Anferti- gung zahlreicher Schnittserien durch den Fuss der Najaden selbst endlich davon überzeugt, dass die speciell für Anodonta von mir beschriebenen Spalten durch irgend welche Umstände hervorgebrachte zufällige Zerreissungen sein müssen, wobei es mir allerdings noch bis auf den heutigen Tag räthselhaft geblieben ist, warum dieselben gewöhnlich an derselben Stelle auftraten. Ich habe viele Mittel versucht, das Thier behufs der vortheilhaftesten Untersuchung so schnell abzutödten, oder doch zu lähmen, dass es seinen Fuss nicht mehr in so heftige Contractionen zu ver- setzen vermag, wie dies für gewöhnlich bei der geringsten 90 Griesbach: Manipulation, welche man mit ihm vornimmt, geschieht. Seit- dem ich bei meinen Untersuchungen über das Blut in der Punetur des Herzens durch das Schalenschloss einige Fertigkeit erlangt hatte, verfiel ich auf den Gedanken, den Thieren auf diese Weise lähmende Nerven- und Muskelgifte beizubringen, um Contractionen, wenn auch nicht ganz zu beseitigen, doch mög- lichst einzuschränken. Ich habe mich zu diesem Zwecke des Curare, allerdings mit wechselndem Erfolge, bedient, auch habe ich versucht, die Contraetionen durch Einlegen der Thiere m Lösungen von Chloralhydrat abzuschwächen. Nach meinen Controluntersuchungen bin ich jetzt zur Ueber- zeugung gelangt, dass eine direete Wasseraufnahme in das Blut durch Oeffnungen auf der Fusskante bei den Najaden nicht vor sich geht. Durch die Erkennung der Thatsache, in welch hohem Grade Wasser verändernd auf die normale Beschaffenheit der im Blute enthaltenen zelligen Elemente eimwirkt, muss überhaupt eine permanente oder temporäre directe Vermischung des Blutes mit Wasser für den Organismus als unpraktisch und schädlich zu- rückgewiesen werden. Dies gilt meiner Ansicht nach nieht nur für Mollusken, sondern auch für andere im Wasser lebende Wir- bellose, deren Blut ähnlich wie das der Mollusken beschaffen ist. — Damit ist allerdings die Frage nach der Wasseraufnahme im Allgemeinen und nach der bei den Mollusken im Speciellen kei- neswegs aus der Welt geschafft. Es ist möglich, dass Wasser, wie bei Echinodermen, auch bei Weichthieren behufs mechani- scher Verwendung in ein besonderes Wassergefässsystem aufgenom- men wird, wie dies nach den Untersuchungen von Schiemenz kaum noch zu bezweifeln ist. Dass dies nur bei Natica josephina und „vielleicht wenigen anderen Meeresschnecken“, wie Fleisch- mann!) meint, der Fall sein soll, scheint mir, bevor darüber nicht weitere Untersuchungen vorliegen, eine voreilige und etwas kühne Behauptung. 1) Fleischmann, Die Wasseraufnahme bei Mollusken. Biolog. Centralblatt. 1888. No. 23, S. 716. Beiträge zur Histologie des Blutes. 9 IX. Zusammenfassung. 1. Der rothe Blutfarbstoff mancher Acephalen (Poromya granulata, Solen legumen, Tellina planata, Capsa fragilis, Astarte fusca (?), Cardita aculeata, Arca tetragona, Arca Noae, Peetuneulus glyeimeris) ist Hämoglobin, oder steht diesem sehr nahe. 2. Das Pigment ist im besonderen scheiben- oder Kkugel- förmigen Zellen enthalten, welche eine deutliche Membran be- sitzen. Das Pigment ist theils überall gleichmässig vertheilt, theils findet es sich noch in gröberen Körmern abgelagert. 3. Die Structur des Zellenleibes der farbigen Blutzellen erscheint nach besonderen Behandlungsmethoden als eine fein- streifige, die Streifen zeigen zarte Granulirung. 4. Die farbigen Zellen führen einen deutlichen, mit so- genannten Kernkörperchen versehenen Kern von verschiedener Form, welcher von einer Membran und manchmal von einem „freien Raume“ im Sinne der Autoren umgeben wird. In einzel- nen Zellen finden sich zwei Kerne. Eine fädige Beschaffenheit der Kernsubstanz im Sinne der Autoren kam nicht zur Beob- achtung. Theilungsprozesse wurden nicht wahrgenommen. 5. Von Leukoceyten der Acephalen kann man zwei ver- schiedene Arten unterscheiden, solehe, die mit gröberen Körnern angefüllt sind, und solche, in denen sich diese Körner nicht fin- den. Die Zahl der Körnerzellen ist eine schwankende. Die Körner besitzen bei einzelnen Arten eine grünliche Farbe. 6. Beide Arten von Leukoeyten bestehen in ihrem Zellenleibe aus zwei verschiedenen Substanzen, eine von ihnen ist mehr consistent und besitzt eine spongiöse Beschaffenheit, die andere ist mehr weich und füllt die Zwischenräume der ersteren aus. Beide Substanzen lassen sich durch geeignete Fixirungs- und Färbemittel deutlich von einander unterscheiden, woraus auf ihre ehemische Verschie- denheit zu schliessen ist; doch gelang es mit Sicherheit nicht, in ihnen weitere Structuren aufzufinden. 7. Bei Versuchen die Zellen im lebenden Organismus mit Hülfe der durch Diffusion in das Blut eindringenden Farbstoff- lösungen zu tingiren, stellt sich heraus, dass eine Aufnahme des Farbstoffes erst dann stattfindet, wenn die Zellen ihre normale Beschaffenheit eingebüsst haben. 92 Griesbach: 8. Vaeuolen wurden in den intaeten Zellen nieht aufge- funden, wohl aber bilden sich solehe in nicht fixirten Zellen. 9. Die von der Spongiosa umschlossene Zwischensubstanz besitzt in hohem Grade die Eigenschaft der Contractilität und vermag Pseudopodien auszustrecken. An den Stellen, wo dies geschieht, begleitet die Spongiosa den Fortsatz eine Strecke weit in Form einer Scheide. Manchmal ist nur ein Fortsatz vorhan- den, in anderen: Fällen finden sich zwei oder mehrere Pseudo- podien, doch bleibt ihre Anzahl nur gering. 10. Diese normalen innerhalb der unverletzten Gefässbahn von den Zellen entwickelten Fortsätze haben bisher nicht genü- gende Berücksichtigung erfahren. Ihre Bildung hängt lediglich von der Contractilität, als vitale Eigenschaft des Protoplasma, ab. Mit diesen Fortsätzen verankern sich die Zellen unter ein- ander nie. An Länge übertreffen sie den Zelldurchmesser oft um das Drei- bis Fünffache. Ihr Aussehen ist ein ganz charak- teristisches, so dass eine Verwechslung mit anderen Fortsätzen, welche an nicht fixirten Zellen ausserhalb der Gefässbahn auf- treten, unmöglich ist. Diese letzteren, die sehr verschiedene Form besitzen, sind zwar auch Bestandtheile der Zwischensub- stanz, können aber nicht mehr als normal betrachtet werden, und die Ursache ihrer Bildung muss ausserhalb der Zelle in Einflüssen der Umgebung gesucht werden, welche tiefgreifende Verände- rungen an den Leukoeyten hervorzubringen vermögen. Zu die- sen gehört beispielsweise die Plasmochise und die Bildung von Plasmodien. ll. Die Bewegungen der normalen Pseudopodien lassen sich mit Hülfe der bisher bekannten Methoden auf dem Deckglas nicht verfolgen. 12. Die periphere Begrenzung der contractilen Materie wird durch eine sogenannte Plasmahaut bewerkstelligt. Dieselbe ist für die Funetion der Zelle im strömenden Blute von wichtiger Bedeutung. Ausserhalb der Blutbahn bewirken die Einflüsse der Umgebung eine mehr oder weniger schnelle Veränderung der Plasmahaut, womit eine Schädigung der vitalen Eigenschaften der Zelle Hand in Hand geht. 13. Alle Leukocyten der von mir untersuchten Acephalen besitzen einen deutlich ausgebildeten, kugeligen oder etwas ovalen Kern, derselbe wird von einem „freien Raume“ umgeben, durch Beiträge zur Histologie des Blutes. 93 welchen radienartig feine Stützfäden verlaufen, deren Ursprung und Endigung nicht festgestellt werden konnte. 14. Die Lage des Kernes ist eine verschiedene, die Lage- veränderung steht mit dem Formenwechsel der Zelle in Zusam- menhang. 15. Der Kern besteht aus zwei chemisch verschiedenen Substanzen, welche durch Doppelfärbung deutlich zu machen sind; in der Grundsubstanz ist mit Sicherheit eine feinere Strue- tur nieht wahrzunehmen. In derselben befinden sich allerlei Bälkchen und klumpige Massen, welche die verschiedensten For- men zeigen. Von einer Netzstruetur im Sinne der Autoren kann in dem Kerne der Acephalenleukocyten nieht die Rede sein. Eine Kernmembran konnte nicht nachgewiesen werden. 16. An den Leukocyten kamen Theilungsvorgänge nieht zur Beobachtung. 17. Bei einigen Acephalen finden sich im Blute Kıystall- bildungen, die auf Säurezusatz unter Aufbrausen zerfallen, doch muss es dahin gestellt bleiben, ob diese Krystalle im strömenden Blute vorkommen, oder sich erst nach der Entleerung bilden. 18. Die mamnigfaltigen Bewegungserscheinungen der mit dem Blute entleerten Leukoeyten sind zum grossen Theil Tempe- raturdifferenzen und physikalisch-chemischen Einflüssen der Um- gebung zuzuschreiben. Aus diesem Grunde bedarf die Lehre vom Phagoeytismus einer gründlichen Revision. 19. Das Eindringen von Wasser in die Blutbahn des le- benden Thieres schädigt das normale Verhalten der farbigen und farblosen Blutzellen. 20. Eine direete Wasserzufuhr zum Blute ist daher aus physiologischen Gründen unmöglich. Nachtrag. Erst vor Kurzem habe ich von der mir gütigst übersandten, am 20. Juni im Abdruck vollendeten Arbeit Pfeffer’s: „Ueber Aufnahme und Ausgabe ungelöster Körper und zur Kenntniss der Plasmahaut und der Vaeuolen ete.“, (Abhdlg. der math.-phy- sik. Kl. der Kgl. Sächs. Gesellschaft d. Wiss. Bd. XVI) Einsicht nehmen und dieselbe aus diesem Grunde nicht mehr berücksich- ligen können. Pfeffer’s Mittheilungen über Bildung von nor- malen und künstlichen Vacuolen im Zellplasma, über die Ent- stehung einer Plasmahaut und deren Verhalten zu der Umgebung 94 Griesbach: der Zellen, sowie über die Cohäsion und die Ausgestaltungen des Protoplasma sind von weitreichender biologischer Bedeutung, die sich auch bei ferneren Studien über thierische Zellen, beson- ders über Leukoceyten, bemerklich machen wird. Schon in meiner vorstehenden Arbeit finden sich manche Punkte, welche sich an die Ausführungen Pfeffer’s anlehnen. In einer neuen Arbeit von Auerbach: „Zur Kenntniss der thierischen Zellen“ (Sitzungsb. der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. Sitzung der physik.-mathem. Kl. vom 26. Juni, ausgegeben am 3. Juli), welehe mir durch die Güte des Herrn Verf. zuging, wird ebenfalls, wie in meinen vorstehenden Mittheilungen, eine Doppelfärbung im Zellkerne beschrieben, wobei sich zahlreiche Nucleoli darstellen, die nicht Knotenpunkte eines Netzwerkes sind, welches Auerbach überhaupt nicht als normales Verhalten betrachtet (S. 740 [6]), sondern welches, wie er meint, theils un- absichtlich hervorgerufen, theils planmässig in schönster Form erzeugt werden könne. Ich habe schon an anderen Orten, zuletzt in der Münchener Medizin. Wochenschrift, 1889 Nr. 43, darauf hingewiesen, dass wir durch Färbungsmethoden, welehe den Werth von chemischen Reactionen besitzen, auch der chemischen Beschaffenheit des Zell- kernes allmählich näher kommen dürften. Wie sehr überhaupt geeignete Färbungen immer mehr den Werth von chemischen Reactionen beanspruchen, zeigt auch wieder die Arbeit von Hoyer: „Ueber den Nachweis des Mueins in Geweben mittels der Färbemethode“ (dieses Archiv Bd.36), welche mir der Herr Verf. gütigst übersandte. Es war mir unbegreiflich, dass Hoyer, der, wie ich, die chemische Theorie der Färbung, wenigstens für das von ihm behandelte Object, vertritt, wie aus seinen Mittheilungen auf S. 320, 333, 350 und 360 unzweideutig hervorgeht, meine Arbeiten über Färbungen mit keinem Worte erwähnt. Dies zwar mir um so auffälliger, da ich bei der Beschreibung meiner: auf der Würz- burger Anatomenversammlung demonstrirten Präparate (A. A. 1888 Nr. 23—25) ein zu Tinetionen sehr geeignetes Phenosafranin für die Mucin führenden Lippendrüsen erwähnte, und schon früher das Jodgrün als vortrefflich zur Erkennung von Schleim produeirenden Drüsen bezeichnete. Aus brieflichen Mittheilungen, welche Herr Prof. Hoyer mir zu machen die Güte hatte, erkenne ich nun, dass er diese, so wie einige andere, das Knorpelgewebe betreffende, Punkte in meinen Arbeiten übersehen hatte. Beiträge zur Histologie des Blutes. 95 Ganz neuerdings erhielt ich eine Arbeit von Löwt: Ueber s Amitose (Centralbl. f. allgem. Pathol. u. pathol. Anat. Bd. I 1890), in welcher er das Aussehen des Kernes der Krebsblutleukocyten in ähnlicher Weise beschreibt, wie ich dies für die Acephalen sethan habe. Endlich möchte ich noch bemerken, dass ich auf das Buch Altmann’s: Die Elementarorganismen, Leipzig, Veit. 1890, in vorstehender Arbeit nicht mehr eingehen konnte. Erklärung der Abbildungen auf Tafel III u. IV. Es bedeutet für alle Figuren: k Kern; pg Pigment; m Membran; mf Membranfalten ; ps normale Pseudopodien ; & Körnereinlagerungen der Leukocyten; p nicht normale Pseudopodien; n Nucleolen ; st Stütz- fäden des Kernes; h freier Raum um den Kern. Fig. 1. Blutkrystalle, welche durch Einwirkung von Eisessig und Chlornatrium auf das Blut von Peetunculus glycimeris gewon- nen wurden. Dieselben in Bezug auf den Pleochroismus und die Auslöschung IB — 271/50; Xa konnte wegen der Kleinheit der Krystalle nicht genau gemessen werden. Fig. 3. Farbiges Blutkörperchen von Poromya granulata. Der Zellen- leib ist schwach gelb gefärbt und enthält mehrere gröbere braunrothe Pigmentkörner. Der excentrisch gelegene Kern tritt deutlich hervor. Engelbert und Hensoldt Syst. IV. Oc. I. Cam. Fig. 4 Farbiges Blutkörperchen von Cardita aculeata nach Behand- lung mit Pikrokarmin. E. & H. Syst. IV. Oe. I. Cam. Farbige Blutkörperchen von Arca Noae mit spärlichen roth- braunen Pigmentkörnern. a, b im natürlichen Zustande, «© nach Behandlung mit Essigsäure vom spec. G. 1,060. E.&H. Syst. IV. Oe. I. Cam. Fig. 6. Farbige Blutkörperchen von Solen legumen. a Form von der Fläche gesehen, b Form von der Kante gesehen. Bei e und d sind dieselben mit dem Pigment dargestellt; bei d nach Einwirkung von concentrirter Essigsäure E. & H. Syst. IV. Oe. II. Cam. Farbige Blutkörperchen von Arca tetragona. Bei a und b Flächenansicht, bei e Kantenansicht. Bei d mit dem Pigment dargestellt, um den Kern ist eine pigmentfreie Zone sichtbar. E. & HB. Syst. IV; Oc.1I. Cam. 8) el 8 >| > = 08 —| ie} er) Fig. 8. Fig. 10. Pier =l: Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Griesbach: Farbige Blutkörperchen von Capsa fragilis. Bei a bis e zeigen die Zellen durch Druck allerhand Faltungen ihrer Membran. f bis h die Zellen nach Einwirkung von Pikrokarmin, bei g erscheint der Kern doppelt, bei h nierenförmig. i nach Ein- wirkung von Glycerin. E. & H. Syst. IV. Oc. I. Cam. Farbige Blutkörperchen von Peetunculus glyeimeris. a bis d Druckformen. E. & H. Syst. IV. Oc. II. Cam. e bis h nach Einwirkung von Essigsäure vom spec. Gew. 1,060; bei e er- scheint der Kern kugelig, bei f und h nierenförmig, bei g mehr in die Länge gezogen. E. & H. Syst. IV. Oc. I. Cam. Farbige Blutkörperchen von Tellina planata. a bis e nach Einwirkung von Glycerin. E.&H. Syst, IV. Oc. II. Cam. Bei f nach Einwirkung von Essigsäure vom spec. Gew. 1,060. Die Pigmentkörner haben sich zusammengehäuft und verdecken den, wie es scheint, an dieser Stelle gelegenen Kern, im Zel- lenleibe tritt eine feine Granulirung auf. E. & H. Syst. IV. Oe. I. Cam. a bis e Körnerzellen aus dem Herzblute von Mya arenaria mit Osmiumsäure fixirt. In e ist der Kern nicht sichtbar. In b der Fortsatz stark retrahirt, oder im Begriff sich auszu- strecken. E. & H. Syst. IV. Oc. III. Cam. Körnerzelle aus dem Herzblute von Unio pietorum mit AuClz, fixirt. Es hat den Anschein, als bestände der normale Fort- satz aus zwei der ganzen Länge nach dicht aneinander gela- gerten dünneren Pseudopodien. An einzelnen Stellen hat die Zelle das Aussehen, als wolle die Zwischensubstanz aus der Spongiosa hervorquellen, oder als hätte sie sich soeben re- trahirt. E. & H. Syst. IV. Oc. II. Cam. a Leukocyt aus dem Herzblut von Anodonta cellensis nach Fixirung mit Osmiumsäure, b von Mya arenaria nach Fixirung mit Goldcehlorid. Die Spongiosa erscheint dunkel, die Zwischen- substanz hell. Um den Kern erscheint ein freier Raum, durch welchen feine Fasern verlaufen. In b umgiebt die contractile Zwischensubstanz die ganze Zelle und fliesst an einem Pole pseudopodienartig zusammen. Zeiss. Homog. Imm. Num. Apert. 1,30 aeg. Brennw. 2,0. Tubuslänge 160. Oc. VIII. Abb. Cond. Irisbl. 1 mm. Leukoecyt aus dem Herzblute von Anodonta cellensis. Gleich- zeitige Fixirung mit Osmiumsäure und Doppelfärbung mit Methylgrün und Rhodamin. Die Spongiosa erscheint dunkel- blauroth, die Zwischensubstanz violettroth, letzteren Farbenton zeigen auch die bipolar angeordneten normalen Pseudopodien, der eine Fortsatz ist dichotomisch gespalten. Der Kern tritt deutlich hervor, die Balken erscheinen blaugrün, die Zwischen- substanz ist roth. Zeiss. Homog. Imm. Num. Apert. 1,30. aeg. Brw. 2,0. Tubuslänge 160. Oc. XII. Abb. Cond. Irisbl. 1 mm. a, b nicht fixirte Leukocyten aus dem Herzen von Avicula Bio. 16. ie 19. Fie. 21. Fig. ID ID r “ Beiträge zur Histologie .des Blutes. 97 hirundo bei Behandlung mit Methylenblau nach 4stündiger Einwirkung der Farbstofflösung auf das darinliegende Thier. An den Zellen, welche anfangs kaum gefärbt erschienen, färbt sich die Spongiosa während der Beobachtung durch Aufnahme des Farbstoffes aus der Blutflüssigkeit immer dunkler und zeigt einen mehr fädigen Bau. Die Zwischensubstanz, welche in Form grosser gelappter Fortsätze aus der Spongiosa her- vortritt, bleibt so gut wie ungefärbt. In b ist der Kern sicht- bar, doch war derselbe, als die Zeichnung angefertigt wurde, kaum gefärbt; bei f ist der Farbstoff massig abgelagert. E.&H. Syst. IV. Oe. II. Contouren mit Cam. Nicht fixirte Zelle aus dem Herzen von Cardium tuberculatum bei Einwirkung von Essigsäure vom spec. Gew. 1,060. Die hervorquellende Zwischensubstanz lässt eine Art fädig-granu- lirte Beschaffenheit erkennen und beherbergt den mit ausge- tretenen Kern. E. & H. Syst. V (Imm.). Oe. 1. a Körnerzelle aus dem Herzblute von Modiola adriatica, b von Anodonta cellensis, Fixirung mit Osmiumsäure. c von Anodonta cellensis, Fixirung mit Goldehlorid, Körner wenig zahlreich. Bei v eigenthümliche Bildungen, die wie Vacuo- len aussehen, s. Text. E. & H. Syst. IV. Oe. II. Contouren mit Cam. ’ a, b, e Leukocyten aus dem Herzblute von Unio pietorum. Der Zellenleib enthält nur wenige Körner. Fixirung mit Os- miumsäure E. & H. Syst. IV. Oc. II. Cam. Leukocyten aus dem Herzblute von Anodonta cellensis. a mit Pikrinschwefelsäure und Jodjodkaliumlösung fixirt und gefärbt. b ebenfalls mit Jodjodkaliumlösung gefärbte nicht fixirte Zelle. Die Zelle a trägt einen starken normalen Fortsatz, welcher denselben Farbenton aufweist wie die stacheligen und lappi- gen nicht normalen Fortsätze der Zelle b; den helleren Far- benton zeigt auch die nicht ausgeflossene Zwischensubstanz. In b ist um den Kern eine helle Zone sichtbar. .E. & H. Syst. IV. Oc. II. Contouren mit Cam. Leukoeyten mit wenigen Körnern aus dem Herzblute a von Cytherea chione, b und e von Mactra stultorum. Fixirung mit Goldehlorid. Bei b und e sind die normalen Pseudopo- dien bipolar, bei a multipolar angeordnet. E. & H. Syst. IV. Oec. I. Cam. Leukocyten aus dem Herzblute von Solecurtus strigillatus. Fixirung mit Osmiumsäure. Bei a zeigt das Mittelstück eines der normalen Ausläufer eine kurze Abzweigung w. Bei b ist das Ende eines derselben diehotomisch gespalten w!. Dieser Ausläufer scheint eine Strecke weit mit einer Spongiosascheide umgeben zu sein. E. & H. Syst. IV. Oc. II. Formen mit Cam. Körnerzellen aus dem Herzblute von Anodonta cellensis, 10 Minuten nach der Entleerung auf dem Deckglas fixirt. a und Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 7 y8 Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27 Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30 Griesbach: b mit Chromosmiumessigsäure, e und d mit Pikrinschwefel- säure. Die Zellen a, b, d haften am Deckglase und ihre lap- pigen Ausläufer zeigten vor der Fixirung eigenthümliche Be- wegungen. Die beiden Zellen bei b, ursprünglich von einan- der getrennt, flossen während der Beobachtung vor der Fixi- rung mit ihren lappigen Ausläufern zusammen. Die Zelle e haftete nicht am Deckglase, sondern war im Tropfen suspen- dirt. Nach Zusatz der Fixative hörten die Bewegungen auf und es schien eine geringe Verkleinerung der Dimensionen einzutreten. Kerne und Körner treten scharf hervor. E.&H. Syst. IV. Oc. III. Contouren mit Cam. a, b, e Contouren von Leukocyten aus dem Herzblute von Anodonta cellensis, unmittelbar nach der Entleerung auf ein mit Oel bestrichenes Deckglas gebracht. Die beiden Figuren bei a repräsentiren dieselbe Zelle, deren blasige Ausstülpung fortwährend wechselnde, wogende und gleitende Bewegung ausführte. Von der Zelle b haben sich myelintropfenähnliche Gebilde abgelöst. Die Zelle bei ce erscheint langgestreckt mit mehreren Einschnürungen versehen. E. & H. Syst. IV. Oe.1. a, b Plasmoschise zweier Leukocyten aus dem Herzblute von Anodonta cellensis. Zelle a3 Minuten nach der Entleerung. Zelle b 91/, Minute nach der Entleerung. Anwendung von Eis s., Text. E. & H. Syst. IV. Oe. II. 1 bis 11 Formänderung einer und derselben Zelle aus dem Herzblute von Mytilus edulis während 1!/, St. Der Zellenleib enthält grobe, mehr oder weniger kugelige grünliche Körner, deren Austritt aus demselben während der Veränderungen wahrgenommen wurde E. & H. Syst. IV. Oe. I. Cam. al bis &! Leukocytenformen aus dem Herzen von Arca tetra- gona. Fixirung mit Pikrinschwefelsäure. E. & H. Syst. IV. 02.-.1.Cam: Im Herzblute von Pectunculus glyeimeris gefundener Flagel- lat. Zeiss homog. Imm. 1/ia Oe. VI. Nichtfixirte Zelle, myelintropfenähnliche Gebilde und Krystalle aus dem Herzblute von Pecten varius. E. & H. Syst. IV. Oe. I. Cam. Krystalle aus dem Herzblute von Tellina baltica. E. & H. Syst. II. Oc. II. Cam. Leukoeytenkerne von Anodonta cellensis. a bei Behandlung mit Chromosmiumessigsäure, b mit Goldehlorid. Die Biegungen und Knickungen zeigenden Kernbalken erscheinen bald mehr oder weniger zusammenhängend, bald isolirt. Zeiss homog. Imm. Num. Apert. 1,30. Aeq. Brennw. 2,0. Tubus]. 160 mm. Oe. 12. Abl. Cond. Irisbl. 1 mm. Beiträge zur Histologie des Blutes. 93 Verbesserungen. Seite 42 Zeile 5 der Anm. 1 lese man: Metatetramethyldzamidodioxy- phenolophtalein. Zeile 15 muss es vor der Zahl 26 statt 24a 245 heissen; Zeile 31 muss hinter der Zahl 17 noch der Buchstabe e stehen. Seite 55 ih) 9 Zeile 7 muss es statt Fig. 22a b Fig. 22a b.d heissen. 0 2) Seite 6 Seite 6 ® 70 Zeile 6 muss es statt 25a 24a heissen. 82 Zeile 28 muss es statt fixirte Zellen fixirte Zelle heissen. Seite Seite (Aus dem anatomischen Institut der Universität Bonn.) Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. Von Max Wolters. Hierzu Tafel V—-VII. Einleitung. Die letzten Jahrzehnte haben die Systematik und die Kenntniss der biologischen Vorgänge bei den Gregarinen wesentlich gefördert. Eine übersichtliche und erschöpfende Darstellung ist erst vor we- nigen Jahren von Bütschli gegeben worden. Obwohl man aber auf den verschiedensten Wegen versucht hat, Klarheit über die Lebensvorgänge zu erhalten, so ist es doch bisher nur zum kleinsten Theile gelungen, absolut feststehende Resultate zu gewinnen. Das Beobachtungsmaterial ist äusserst reich, aber auch äusserst verschieden, sodass eine durchgreifende Gesetzmässigkeit vorläufig sich nicht wird erkennen lassen. Einer der am meisten bearbeiteten und untersuchten Lebens- processe, dessen Erforschung gleichwohl noch nicht zu einem befriedigenden Abschluss gekommen, ist der der Fortpflanzung. Am zahlreichsten sind die Untersuchungen über diesen Vorgang bei den leicht zugänglichen Gregarinen des Regenwurmhodens, der Monoeystis magna und agilis. Ein Punkt, der von allen Forschern, mögen sie zu Resultaten ge- kommen sein, zu welchen sie wollen, noch nicht berücksichtigt wurde, ist der: Welche Rolle spielt der Kern bei der Fortpflanzung, welche Veränderungen lassen sich an ihm während dieses Vorganges wahr- nehmen ? „Ueber Theilungsvorgänge des Kernes der Gregarinen ist 100 Wolters: bis jetzt durchaus Nichts bekannt; sein Verhalten bei der Eneysti- rung, Copulation und der Fortpflanzung überhaupt wird späterhin zu betrachten sein.“ So lautet der Schlusssatz des dem Nucleus in Bütschli’s Werk gewidmeten Kapitels. In den späteren Ab- theilungen über Copulation und Eneystirung ist aber auch nur wenig über den Kern und seine Betheiligung enthalten, da die bis zum Erscheinen des Werkes bekannten Arbeiten ebenso wenig (darüber enthalten, wie die neuesten Publieationen. Auf Vorschlag meines verehrten Lehrers, Hermm Professor Nussbaum, unternahm ich es, den Kern der Gregarinen, sein Verhalten bei der Fortpflanzung ebenso wie diese selbst einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Meine Studien beschränkte ich auf die Monoeystideen des Regenwurmhodens, die Clepsidrina Blattarum und die Klossia der Schneckenniere. Ich werde daher im Wesentlichen nur auf diese Species eingehen und alles andere thunlichst bei Seite lassen. kegenwärtiger Stand der Kenntnisse. 1. "Die Kernverhältnisse’der Gregarmen Die Monoeystideen des Regenwurmhodens, vor allem des Lumbrieus agrieola, den ich vornehmlich verwendet habe, sind die Monoeystis magna und agilis, die in jedem Hoden zu finden sind. Die andern’ Species, Zygocystis cometa, Monoeystis eristata, Monoeystis euneiformis, Monocystis minuta, habe ich kaum darin gefunden. Die erstgenannte Species, Monoeystis magna, besitzt einen längsovalen Kern mit grossem Kernkörper, der gewöhnlich schräge bis senkreeht zur Längsaxe des Thieres liegt. Der Kern soll bei allen erwachsenen Individuen vorkommen, während jugend- liche Entwiekelungsformen diesen vermissen lassen. Bütschli!) glaubt aber auch für diese den Kern als vorhanden behaupten zu müssen. D’Udekem beschreibt, zwei Kerne bei der Mo- nocystis magna gesehen zu haben; ähnliche Erscheinungen bei anderen Gattungen haben Kölliker, Leydig, A. Schneider \ 1) Ich verweise in Bezug auf die Litteratur auf die Zusammen- stellung in Bütschli’s Werk und werde nur die später erschienenen Arbeiten eitiren. Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 101 behauptet. R. Pfeiffer (Berlin) trat gelegentlich der Demon- strationen im Hygienischen Institut für einen doppelten Kern bei Polyeystideen ein, von denen der eime sogar im Protomerit lie- gen sollte. Von der Monoeystis agilis wird auch allgemein das Vorhan- densein eines Kernes berichtet. Nur Ray-Lankester vermisste ihn gelegentlich. Der Kern ist nach v. Beneden und A. Schnei- der bläschenförmig voll Flüssigkeit, nach v. Frantzius und Stein ein solider, gallertartiger Körper, der nach A. Schneider allein den Kern ausmacht, oder sogenannte Nucleoli verschiedener Zahl und Beschaffenheit enthält. Die Nucleoli sind homogen stark lichtbrechend. Die Gattung Clepsidrina soll nach A. Schneider nur einen und zwar ansehnlichen Kernkörper enthalten. Bütschli beschreibt dagegen einen Haufen kleiner Nucleoli, die in ihrer Gesammtheit als einer imponiren können; doch soll das jugendliche Individuum nur einen solchen besitzen und erst das zunehmende Älter diesel- ben vermehren. Kölliker glaubt die grössere Anzahl Nucleoli durch Zerfall entstanden, da man auch gelappte findet, die nach Bütschli’s Ansicht ebenso gut für eine spätere Verschmelzung sprechen können. 2. Die Conjugation der Gregarinen. Stein fasste zuerst die Syzigienbildung als Conjugation auf, die von anderen Forschern, wie Kölliker, als ein Theilungs- vorgang angesehen wurde. A. Schneider giebt die Syzygien- bildung als Copulation zu, lässt die Individuen sich dann wieder trennen und solitär eneystiren, oder wenigstens nicht verschmolzen, Doppeleysten bilden. Bütschli, der bei zwei Polyeystideen die Eneystirung der Syzygie beobachtet, stimmt der Ansicht Stein’s bei. Henle sah zuerst Regenwurmmonoecystis gepaart mit den gleichnamigen Körperenden aneinander. Bruch und Lie- berkühn behaupten eine solitäre Eneystirung der Monoeystis agıilis im Regenwurmhoden, ohne den Beweis dafür beizubringen. A. Schmidt bestreitet die Conjugation; er sah einen sich ab- schnürenden Theil des Gregarinenleibes, der sich dann eneystiren soll. Ruschhaupt!) hat eine ähnliche Auffassung des Vorganges 1) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften Bd. 18, S. 713. 102 Wolters: geäussert. Die Gregarine des Regenwurmhodens eneystire sich soli- tär, oder sie schnüre ihre Leibessubstanz ein; es resultiren zwei kugelförmige Gebilde, in denen die Sporulation vor sich gehe. Ob nieht zwischen den beiden Individuen der eneystirten Syzygie doch ein vorübergehender eonjugativer Austausch statt- findet, der für die Sporulation von Bedeutung, ist noch nicht ausgemacht (Bütschli). Welche Rolle dem Kerne bei all diesen Vorgängen zukommt, ist nirgend erwähnt; er hat für die meisten Forscher bei dem ganzen Process nicht viel zu bedeuten, wie es scheint. Kurz nach erfolgter Eneystirung soll der Kern, respective die Kerne der beiden Copulanten sehr undeutlich werden. Sie entziehen sich zuletzt dem beobachtenden Auge ganz und sind im Inhalte der ausgequetschten Cyste nicht mehr zu finden. Der Schluss, der daraus gezogen wird, lautet: Der Kern geht nach der Eneystirung dureh Auflösung zu Grunde. Bütschli bezwei- felt die Richtigkeit dieser Ansicht, da es bei einer Gregarinen- form geglückt sei, auf späteren Entwickelungsstadien der Cysten zahlreiche Kerne zu constatiren. Wesentliche Umbildungen lassen sich nach der Eneystirung schon an den noch vorhandenen Kernen zum Theil constatiren, da sie bei Clepsidrina Blattarum die Nu- eleoli ganz verloren haben und in ihrer Grösse redueirt erscheinen. 3. Sporenbildung bei den Gregarinen. Auf die Eneystirung folgt nach einiger Zeit die Bildung der Sporen. Bütschli behauptet, vor der Verschmelzung der Leiber träten bei Clepsidrina Sporen an der Peripherie auf, während Stein die Thierleiber vor der Sporenbildung verschmelzen lässt. 3ei den Monoeystideen des Regenwurmes soll der Process vor sich gehen, wie ihn Bütschli zusammenfassend in seinem Werke beschreibt: Die Sporulation geschieht dadurch, dass auf (der Oberfläche des solitär eneystirten, oder der beiden noch nicht verschmolzenen eopulativ eneystirten Thiere helle, plasmatische Zellen hervorknospen, welche sich schliesslich ablösen, frei wer- den und gewöhnlich in einer Schicht peripherisch unterhalb der Oystenhaut angeordnet sind. Der bei der Sporulation unver- brauchte körmige Rest des oder der Gregarinenkörper zerfällt nun in eine wechselnde Zahl kugeliger oder unregelmässig ge- stalteter Gebilde, vielleicht nachdem vorher eine Verschmelzung =, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 105 der beiden Körper stattgefunden. Diese Reste der ursprünglichen Gregarinenkörper haben, wie es scheint, keine weitere Bedeutung. In ihrem Inneren treten gewöhnlich mehr oder minder ansehn- liche Vacuolen auf und häufig sieht man von ihrer Oberfläche protoplasmatische Fadennetze entspringen, welche das Innere der Cyste bis zu deren Wänden durchsetzen. Den: gegenüber sind von anderen Forschern, besonders Lieberkühn, drei Arten der Sporenbildung angenommen werden: l. Bruch beobachtete einen Furchungsprocess an der Mo- nocystideeneyste, dessen Endergebniss dreissig und mehr kugelige Körnerhauten waren, aus denen sich auf Kosten der Körnermasse die Sporen entwickeln. Nach A. Schneider soll eine fortgesetzte Theilung des Kernes und eine Vertheilung der entstandenen Pro- ducte im Protoplasma zur Sporenentwickelung führen. 2. Der Gregarinenleib zerfällt in eme Anzahl Kugeln, an deren Oberfläche plasmatische Zellen auftreten, aus denen sich die Sporen entwickeln. 3. Auf der Oberfläche beider körmigen Kugeln, die nach Bruch und Lieberkühn durch eime erste Theilung entstehen, sprossen sogenannte Sporoblasten (A. Schnei- der) hervor, die sich als kugelförmige Plasmakörner ab- lösen und sich weiter in Pseudonavicellen entwickeln. Nach Lieberkühn sollen sie sich auf Kosten des körnigen Inhaltes der Cyste noch weiterhin vermehren können, sodass dieser zuletzt ganz verschwinde. Ruschhaupt (l. cc.) behauptet die Sporenbildung um den intacten Kern herum beobachtet zu haben. Von da aus sollen die Sporoblasten nach der Peripherie gehen ; die körnigen Restballen wurden zur Sporenbildung mehr und mehr verbraucht. Wo der imtacte Kern geblieben, neben dem die Sporenbildung auftrat, ob Veränderungen an ihm auftraten u.s. f., darüber fehlt jede Mittheilung. Bei Clepsidrma sollen, wie oben bereits erwähnt, nach Bütschli’s Untersuchungen die Sporoblasten durch Knospung an der Oberfläche entstehen, schon vor dem die Thiere verschmelzen. Die völlige Verschmelzung der unverbrauchten Reste tritt erst nach der Sporulation ein. Die zuerst nach der Peripherie abgegebenen Sporen wandern dann in das Innere des körnigen Cysteninhaltes zurück und werden durch die Sporoduete entleert. 104 Wolters: 4. Die Spore und ihre Entwickelung zur Gregarine. Die Structur der Clepsidrinaspore zeigt längere Zeit nach dem Austritt aus der Cyste nach Bütschli eine feste Hülle, einen granulirten Protoplasmamhalt mit körnigem Kerne. Durch Infeetionsversuche hat genannter Forscher zu erwei- sen unternommen, wie die Spore sich weiter entwiekele. Er fand im Mitteldarme der mit dem Infeetionsmaterial gefütterten Sehaben jugendliche, kernhaltige, hüllenlose Individuen in die Epithelzellen eingesenkt, die er als die Jugendform der Clep- sidrina anspricht. Weiter entwickelte Formen zeigten Differen- zirung in Epi-, Proto- und Deutomerit. Der direete Nachweis, dass diese Formen aus der Spore entstanden und wie dies ge- schehen, steht noch aus. Ueber die Sporen oder Pseudonavicellen der Regenwurm- monoeystideen ist von vielen Seiten berichtet worden. Der kernhaltige Sporoblast umgiebt sich nach Bütschli mit einer Hülle und es entstehen acht wie die Theile einer Orange nebeneinander liegende sichelförmige Körper mit deutlichen Kernen. Von dem Protoplasma bleibt ein Theil unbenutzt übrig als Rest- körper. Die gleichen Beobachtungen hat A. Schneider gemacht. Auch ihm gelang der Nachweis von Kernen in den sichelförmigen Körpern. Ruschhaupt (l. e.) hat sich nie von Kernen in diesen Körpern überzeugen können. Nach seiner Auffassung enthält die mit fester Sporenhaut umgebene Pseudonavicelle neben einer An- zahl von Gregarinenkörnern (sichelförmige Körper) den sogenannten Restkörper (nueleus de reliquat Schneiders), in dem sich ein Kern nachweisen lässt. Dieser Restkörper ist der sogenannte Keimling, während die sichelförmigen Körper das Nährmaterial für diesen darstellen, da ja oft längere Zeit vergeht bis zur Einwanderung in ein passendes Nährsubstrat. Nach demselben Forscher soll die Pseudonavicelle direet im den ganz jungen Spermatoblasten (Kleinkugler A. Schmidt’s) einwandern, respective durch dessen Protoplasmabewegung passiv in denselben hinein befördert werden. Hier löst sich die Hülle und der Keimling liegt frei in dem Organe, entwickelt sich weiter bis zur Gregarine mit dem Haarkleide A. Sehmidt’s. Andere Forscher wie A. Schmidt und Bütschli nehmen eine Entleerung der Pseudonavicellen nach Aussen, even- Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 105 tuell einen Wirthswechsel und neue Infeetion des Organismus an, nicht aber, wie Ruschhaupt, eine fortwährende Selbstinfeetion. Eigene Beobachtungen !). 1. Die Gregarinen des Regenwurmhodens. Die Gregarinen des Regenwurmes (Lumbrieus agricola) Mo- noeystis magna und agilis, die ich fast allein?) bei meinen Un- tersuchungen des Hodens fand, leben in verschiedenen Abschnitten der männlichen Generationsorgane ihres Wirthes. Monoeystis magna hält sich vorwiegend in dem Nebenhoden, mit dem vor- deren Ende im das Epithel eingesenkt, auf, wird aber zu einer bestimmten Zeit, der der Conjugation, mobil, und wandert in den Hoden ein, wo auch ihre Cysten leicht zu finden sind. Mir sind die Cysten nie im Nebenhoden aufgestossen, wie A. Schmidt es beschrieben hat. Monoeystis agilis hält sich als kleiner kermhaltiger Proto- plasmaleib in dem centralen Protoplasmareste der Samenkugeln (Spermatogemmen) auf, verbraucht mit fortschreitendem Wachs- thum nach und nach die ganze ihr zu Gebote stehende Substanz desselben und findet sich dann als lebhaft beweglicher Parasit in dem Haarkleide aus degenerirten Samenfäden, wie A. Schmidt es beschreibt. Aus diesem tritt sie hervor zum Zwecke der Conjugation, die auch im Hoden selbst vor sich geht. Mehrere Male wurde diese Species im frischen Präparate in Conjugation gesehen, ohne dass sich mit Bestimmtheit hätte feststellen lassen, ob die Thiere mit gleichen oder ungleichen Körperenden aneinander hafteten. In beiden Thieren war der Kern und die Copulationsebene deutlich sichtbar. . Auf Schnitt- präparaten waren nie recht eharakteristische Bilder zu erhalten. Die Gregarinen waren da meist Uförmig gebogen und ich vermochte 1) v. Roboz (Mathem. u. Naturw. Berichte aus Ungarn IV, pag. 166) uud Henneguy (C. R. Soc. Biol. 1837) scheinen bei Grega- rina flava und Monocystis ähnliche Beobachtungen gemacht zu haben wie ich. Auf die kurzen Referate über diese Abhandlungen bin ich erst während des Druckes vorliegender Arbeit durch eine Notiz Solger’s aufmerksam gemacht worden. Die Originale waren mir leider nicht zugänglich. 2) Monoeystis eristata, cuneiformis, minuta ebenso wie Zygocystis cometa habe ich nur in wenigen Exemplaren beobachtet. 106 Wolters: nicht mit absoluter Gewissheit den Zusammenhang zu behaupten, obwohl nach den am frischen Präparat gewonnenen Bildern nicht (daran zu zweifeln war. Auch ist aus den Beobachtungen Henle’s ersichtlich, dass er eine Copulation der Regenwurmmonoeystis (spee.?) bereits gesehen hat. Bei der Monocystis magna habe ich einmal eine Conjugation im frisch angefertigten Präparate gesehen, konnte aber auch hier nieht mit Sicherheit die Behauptung Henle’s bestätigen, dass die Vereinigung mit gleichnamigen Körperenden stattfinde. Ein in Serienschnitte zerlegter Lumbricushoden lie- ferte das Bild einer Conjugation der Monoeystis magna, die durch mehr als 30 Schnitte zu verfolgen war und unzweifelhaft die Anwesenheit je eines Kernes in jedem Syzygiten nachwies. Die Thiere hafteten aneinander, ohne verschmolzen zu sein. Beide Arten von Gregarinen, sowohl die Monoeystis magna, als auch die Monoeystis agilis haben zu allen Zeiten, auch in den Jüngsten Stadien, einen deutlichen Kern. Bei der ersteren ist derselbe relativ gross und oval, in der Regel zur Richtung des Thieres senkrecht liegend oder nur wenig geneigt. Doch ist seine Lage keineswegs eine fest fixirte, sondern bei jeder Con- traetion des Thieres wird er hin und her geworfen und von einem Ende zum andern transportirt. Gleichwohl pflegt der Kern im Ruhezustande der Gregarine ungefähr im der Mitte zu liegen; dann nimmt er auch die obenerwähnte Lage senkrecht zur Axe des Körpers an. Er scheint aus einer zähen, festeren Substanz zu bestehen. Aus dem frischen Thiere herausgelassen und stark gequetscht reisst seine Membran ein. Gleichwohl tritt der Inhalt nicht aus, sondern hat das Bestreben, sich auf seine frühere Form zurückzuziehen. Eine gleiche Beobachtung machte ich bei Monoeystis agilis. Der Kern hat eine feste, scharf con- tourirte Membran, und enthält in der jüngsten von mir beobach- teten Form einen rundlichen Kernkörper, der sich gut färbt und in seinem Inneren sich stärker tingirende chromatische Kugeln führt. Bei Monocystis magna wächst der Kern mit dem Thiere. Aus dem anfänglich runden wird ein etwas gelappter, der in den einzelnen Lappen und Ausbuchtungen sich stärker färbende Cen- tren zeigt. Die Veränderungen gehen noch weiter und man findet dann Kerne, die einen aus mehreren (ich sah bis zu acht) Kugeln bestehenden Nucleolus haben. Diese Kugeln führen in ihrem Inneren wieder Stäbehen und Körner von diehterem Gefüge, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 107 welche die Farben intensiver annehmen und länger zurückhalten. Diese grössern und kleinern Kugeln des Kernkörpers ziehen sich auseinander und sind dann, gewöhnlich an der Peripherie des Kernes liegend, durch breitere und schmalere, weniger färbbare Substanzbrücken verbunden. Diese werden dann eingezogen und wir haben Kerme mit emer Anzahl gleich grosser oder meist grösserer und klemerer Kernkörper. Diese letztbeschriebene Kern- form findet sich bei den in Conjugation tretenden Thieren. Bei Monoeystis agilis sind die Veränderungen schon wegen der Kleinheit des Objeetes weniger deutlich. Das jugendliche Thier hat auch einen ovalen Kern der im Zustande der Ruhe senkrecht zur Leibesaxe zu stehen pflegt, doch finden sich ge- legentlich auch abgerundetere Formen. Sie enthalten m der Regel nur einen runden Nuceleolus, der späterhin gelappt wird, aber keine stärker färbbaren Körner erkennen lässt. Auch hier findet ein Zerfall des Kernkörpers statt, so dass im weiteren Verlaufe ein oder mehrere erosse und eine Anzahl kleinerer Nucleoli im Kerne gelegen sind. Eines merkwürdigen Befundes möchte ich hier noch Erwäh- nung thun, auf den später bei der Clepsidrna Blattorum noch näher eingegangen werden soll. Bei einer nicht eonjugirten, ziemlich ausgewachsenen Mono- eystis agilis fand sich ein geflammter Kern, wie ich es nennen möchte. Der scharfe Contour, der dem Kern sonst eigen ist, war aufgelöst, d. h. die Kernmembran war geschwunden, und die Sub- stanz des fein granulirten Kernes setzte sich strahlig in das Proto- plasma des Thieres hinein fort. In der ungefärbten Grundmasse des Kernes lagen mehrere färbbare Körner. Ein ähnliches Bild fand sich auch einmal bei der anderen Gattung, doch war es nicht so vollkommen ausgebildet; es war nämlich der Kerneontour auf einer Seite noch erhalten. Der Leib der Gregarinen beider Gattungen besteht aus ovalen Körnern, die stark liehtbrechend, noch stärker lichtbre- chende Stäbchen enthalten. Diese letzteren treten auf Schnitten gehärteter Präparate deutlich hervor. Nach ihrem optischen Ver- halten am gehärteten Präparat sind dieselben als Hohlräume in den Körnern anzusprechen, Die Körner werden durch schwache Mineralsäuren ebensowenig gelöst wie durch Essigsäure. Concen- trirte Säuren lösen sie rasch, ebenso Kalilauge. Die Farben- 108 Wolters: reaetion mit Jod ergiebt nach Leidy braune Färbung, welche nach Kloss dureh Schwefelsäure in blau umschlägt. Bütsehli hat aus diesen Reactionen geschlossen, dass die Körner aus einer amyloidartigen Substanz bestehen. Jedenfalls sind Fett oder Kalksalze nicht an ihrer Constitution betheiligt, wie Stein und Henle annahmen. Verfolgt man die Entwickelungsstadien der Gregarinen, ihre Copulation und Sporenbildung, so findet man, dass die Gregarinen- körner bei der Sporenbildung völlig von den Sporoblasten auf- genommen und verbraucht werden. Sie stellen also ein Reserve- Nährmaterial dar, das zur Entwiekelung und Fortpflanzung unum- gänglich nothwendig ist. Es stimmt damit überein, dass gleiche Körner sich bei den Eiern und Samenkörpern von Ascaris me- galocephala finden, bei denen der Cirrhipedien und vieler niederen Thiere, sodass auch eine Bezeichnung als Gregarinenkörner wohl kaum mehr zulässig bleibt. Dieses körnige Nährmaterial liegt eingebettet in ein mehr oder weniger flüssiges Substrat. Nach der ungeheueren Beweg- liehkeit der Körner, nach dem Hin- und Hertransportiren des Kernes und des gesammten Inhaltes von einem Ende zum andern scheint die Annahme eines Netzwerkes schwer denkbar. Bütschli hat ein solehes nach Behandlung mit Kali erhalten, aber auch am lebenden Thiere nichts davon nachzuweisen vermocht. Bei dem von mir gehärteten und in Serienschnitten verarbeiteten Material habe ich stets ein gröberes oder feineres Maschenwerk nach- weisen können, in dem die Körner eingebettet waren. In dem feineren Maschenwerk traten wieder derbere Züge auf, welche, besonders bei Monocystis magna ein groberes Gefüge darbieten. Dies Maschenwerk steht in der Regel mit einem Protoplasmahofe in Zusammenhang, der sich fast in allen Fällen um den Kern gelagert vorfand. Nach all dem könnte es scheinen, als ob es sich um ein präexistirendes Maschenwerk handelte. Ich möchte mich aus oben angeführtem Grunde nicht dafür erklären, viel- mehr das nach Anwendung von Reagentien und Härtungsflüssig- keiten auftretende Structurbild als durch Gerinnung der proto- plasmatischen Substanz ansehen, in welcher die Körner suspen- dirt sind. Haben die Monoeystideen des Regenwurmhodens die oben beschriebenen Veränderungen ihres Kernes, besonders im Bezug Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 109 auf den Nucleolus durchgemacht, so ist der Zeitpunkt der Con- jugation gekommen. Es ist daher vielleicht nicht unberechtigt, diese ganze Reihe der Umgestaltungen und Veränderungen am Kerne als Vorbereitungen zur Conjugation und Copulation an- zusehen. Zum Zwecke dieses Vorganges scheiden je zwei vereimigte und kugelig contrahirte Thiere eine Cystenhülle ab, von der man die den Individuen selbst zugehörigen Contoure deutlich scheiden kann. Von Seiten des Wirthes wird, da die Cysten meist in den Interstitien und Gängen des Hodens liegen, in der Regel keine Haut abgeschieden. Gleichwohl kommen Bilder vor, welehe deutlich die Abscheidung eimer kernhaltigen Haut vom Wirthe aus — durch reactive Entzündung des Bindegewebes — demon- striren. Es scheint demnach auf die Lage der Cyste anzukommen, ob dem Wirthe noch neben dem Eindringling die Bildung einer Umhüllung zufällt. Eime solitäre Eneystirung der Monoeystideen habe ich nie beobachtet. Ist die Cystenhaut ausgeschieden, in der die beiden conjugirten Thiere, die Syzygiten, eingeschlossen sind. so findet man den Kern wie oben beschrieben, bei der Monoeystis magna oval, bei der Monoeystis agilis öfters mehr rundlich mit einer Zahl von grösseren und kleineren Nucleol. Wo die Leiber der beiden Syzygiten mit abgeplatteten Ebenen aneinander lagern, ist eine scharfe Trennungslinie bei jeder Ein- stellung deutlich. Die. Peripherie ist frei von Ausscheidungen und Sporen; Sporoblasten sind noch nieht vorhanden. Im wei- teren Verlaufe wandert nun der Kern jedes der Syzygiten nach der Peripherie, die Kemkörperehen verschmelzen und klumpen sich zusammen, während der Kern. sich streckt. Es entsteht eine charakteristische Kernspindel mit Anhäufung der chromati- schen Substanz in der Mitte. Die Chromosomen sind, wie Fig. 1 auf Taf. VI zeigt, sehr klein. An Präparaten aus Flemmingscher Mischung konnten sie im Spindelstadium nieht erkannt werden, bis Erhärtung in Pikrinessigsäure sie schliesslich deutlich zeigte. Die Kermtheilung geht weiter, und die eine Hälfte mit einer Zahl von Chromatin-Körnern, ich sah bis zu neun, wird als Richtungs- körper ausgestossen. Das Gefüge der Thierleiber ist bei diesem Vorgange dasselbe geblieben; doch ist, wie ich auf Serienschnitten auf das Deutlichste sehen konnte, eine Verschmelzung der Leibes- substanz, wenn auch nur an einer begrenzten Stelle, bereits ein- 110 Wolters! getreten. Der scharfe Contour, der wie beschrieben auf früheren Stadien beide Thierleiber trennte, war auf den mittleren Schnitten vieler Serien nur eine Strecke weit zu verfolgen, dann wurde er 'sanz verschwommen und fehlte zuletzt ganz. Der Process der Richtungskörperbildung geht nicht immer genau zu gleicher Zeit m beiden Thieren vor sich. Es kann in einem bereits die Spindel völlig ausgebildet sein, während im anderen der Kern länglich gestreckt, die Zusammenballung der Nueleoli deutlich erkennen lässt. Die Veränderungen zur Ausstossung der Richtungskörper sehen erst dann vor sich, wenn der Kem aus der Mitte jedes Syzygiten an der Peripherie angelangt ist. Die Richtungsspindeln liegen demgemäss immer au der Peripherie und zwar an den Polen einer die Verschmelzungsbrücke nahezu senkrecht schnei- denden Axe in den beiden copulirten Thieren. Ist die Ausstossung der Richtungskörper vorüber, so recon- struirt der Kern sich. Man sieht noch die Strahlung um den Kern, der dicht an der Peripherie liegend eine grössere Anzahl färbbarer Körnehen aufweist. Es lässt sich leicht nachweisen, dass der reconstruirte Kern bei weitem nicht mehr die Grösse des ursprünglichen erreicht. In seine frühere Gestalt zurück- gekehrt, begiebt er sich wieder nach dem Innern seines zuge- hörigen Thieres, in dem man ihn dann wiederfindet. Gleich nach der Ausscheidung der Riehtungskörper lässt sich um beide Thier- leiber eine zweite Hülle nachweisen. Die auf der Rückwanderung begriffenen Kerne machen, auf ihrem früheren Platze angelangt, nicht Halt, sondern streben weiter der Verschmelzungsstelle zu. Wir finden sie bis dicht an diese heran gewandert wieder. Auf den Serienschnitten ist überall die Trennungslinie noch vorhanden bis auf einen oder zwei Schnitte durch das Centrum der Cyste, wo sie auf eine kurze, mediane Strecke verschwunden ist. Dies ist die bereits oben beschriebene Verschmelzungsstelle, welcher der Kern zustrebt. Es ist nicht immer die Mitte, wo diese Communi- cationsstelle sieh etablirt, bisweilen rückt sie auch näher an die Peripherie heran, doch ist das seltener. Die Kerne beider Thiere scheinen ungefähr gleichzeitig diese Stelle zu erreichen. Ihre Substanz versehmilzt und in der Mitte der vereinigten Kerne finden wir kurz darauf Kernkörperchen. In Fig. 13 u. 14, Taf. V sind zwei aufeinander folgende Schnitte wiedergegeben; auf einem Die Conjugation und Sporenhi!” .ı Gregarinen. 111 (Fig. 13) sieht man den +" > verbindungs- oder Conjugations- brücke zwischen * wern der Syzygiten durchgewanderten Kern, der .cm des anderen Thieres (auf dem folgenden S] . »ıg. 14) in Zusammenhang steht. Das auf dieses Stadium folgende zeigt in beiden Syzygiten eine Kernspindel, welehe dieht am Aequator, und etwas gegen diesen geneigt in unmittelbarer Nähe der Conjugationsbrücke liegt, Sie unterscheidet sich von der oben beschriebenen Spindel nei der Ausstossung des Riehtungskörpers durch ihre eharakteristische Lage an der Verschmelzungsbrücke. Es scheint, dass die ver- schmolzenen Kerne sieh wieder getrennt haben nach Austausch ihrer ehromatischen Elemente. Ob dieser Process durch einfache Absehnürung erfolgt, oder auch unter Bildung einer Kernspindel, ist nicht sicher zu sagen, da ich Genaues darüber nicht beobachtet habe; doch möchte ich mich mehr der letzten Ansicht zuneigen. ; Jedenfalls finden wir Stadien, welehe in der Nähe der Copu-- lationsbrücke zwei getrennte Kerne; dann in ihr selbst emen ein- zigen grossen Kern, den Copulationskern, und späterhin wieder in jedem Syzygit eme Kernspindel zeigen. In jeden Syzygit ist ‚also ein Kern zurückgewandert, der sich nunmehr zu theilen be- sinnt. Um diese Spindeln sah ich bei Präparaten, welehe dureh Flemming’sche Lösung abgetödtet waren, viele sich stark färbende Körnchen in der Substanz vertheilt, ebenso hier und da, auch weit ab von den Spindeln, in den Syzygiten. Ich war geneigt dieselben als chromatische Substanz anzusprechen. Spätere Unter- suchungen an Hoden, die ich mit Umgehung dieser Lösung ab- tödtete und härtete, zeigten nichts davon, sodass ich von meiner Ansicht zurückgekommen bin, ohne eine befriedigende Erklärung dieser Körnehen geben zu können. Die Structur des Gregarinenkörpers ändert sich zur Zeit der Spindelbildung in so fern, als die Körner sich um die Spindel anordnen, und zwar liegen diese strahlig an den Polen und halb- kreisförmig von einem Pol zum andern. Das Stadium, welches auf das eben beschriebene nun zu folgen scheint, zeigt in jedem Syzygit zwei Kernspindeln, die bedeutend kleiner sind als die eben beschriebenen; sie liegen ausserdem ganz an der Peripherie. Ganze Serien, die solehe Bilder zeigten, habe ich untersucht, und inieh überzeugt, dass sonst keine Spindel mehr vorhanden war. Von den Riehtungskörperspindeln sind sie leicht durch die Grösse + 113 Wolters: zu unterscheiden, und dadurch, dass maan bei Durehmusterung der weiteren Schnitte auf eine zweite trifft... Die beiden dureh den ersten Theilungsprocess entstandenen Kerne habev sich, wie ich aus meinen Beobachtungen schliesse, sofort wieder in ıKern- spindeln umgewandelt. Im weiteren, finden wir Oysten in denen in beiden Syzygiten zahlreiche Spindeln dicht an der Peripherie nachzuweisen sind. Auf 19 Serienschnitten, in die eine Öyste zerlegt war, konnte ich 12 kleinere, peripherer liegende Spindeln in jedem Thiere nach- weisen. Es geht eine simultane Kerntheilung vor sich, deren Produete, kleine, mit einem Hofe dicht gefügteren Protoplasmas umgebene Kerne, immer von neuem in Theilung gerathen. Das um den Kern liegende Protoplasma steht noch mit dem Netzwerk im Leibe des Thieres in Zusammenhang. Nach und nach erst lösen diese kleinen Zellen sich von dem centralen Protoplasma (des alten Thieres ab. Die Zahl dieser peripher gelegenen Zellen nimmt durch Theilung fortwährend zu; während dem Centralkörper mehr und mehr zu ihrem Ausbau das Bildungsmaterial entzogen wird. In Folge dessen bietet derselbe auch ein ganz r’ven- thümliches zernagtes, zerfallenes Aussehen. Vacuolen trete bald rundlich, bald mehr gestreckt, umgeben von Resten deı ursprünglichen Substanz. Die Ansammlung der Sporoblasteu, die zwischen der nach der Riechtungskörperbildung ausgeschie- denen Hülle und dem Centralkörper liegen, führt durch Raum- mangel nach und nach zu Einbuchtungen desselben, die durch die ganze Substanz durchgeben können. So entstehen Bilder, die mehrere Forscher zu der Annahme von verschiedenem Modus der Sporenbildung führten. Die ursprünglichen Syzygiten scheinen in zwei und drei und mehr Kugeln zerfallen zu sein, die von Sporoblasten an ihrer Oberfläche besetzt sind. Die secundär aus- geschiedene Hülle geht jedoch nicht in diese Buchten mit hinein. Wie lange die Vermehrung der Zellen an der Peripherie andauert, vermag ich nieht zu sagen, doch scheint der Process nach einem gewissen Verbrauche des Nährmaterials sem Ende zu erreichen, und wir wollen von nun an jede an der Peripherie gelegene Zelle eine Sporogonie nennen, da die weiteren Veränderungen zur Sporenbildung führen. Die Sporogonie, die im Anfang emen deutlichen, körnigen Kern zeigte mit geringer Menge protoplasmatischer Substanz, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 115 vermehrt diese bedeutend und umgibt sich jetzt mit einer feinen Hülle, die im weiteren Verlaufe an Dieke beträchtlich zunimmt und die schon oft beschriebenen knopfartigen Verdickungen an den Polen zeigt. Es entsteht die Pseudonavicelle, welehe man besser als Sporoeyste wird bezeichnen können. Hand im Hand mit der Ausscheidung und der Wandver- diekung dieser euticularen, von der Sporogonie gelieferten Cysten- hülle verlaufen am Leibe der Sporogonie und ihrem Kerne Thei- lungsvorgänge, die zur Bildung von acht Sporen und einem een- tralen Protoplasmareste, dem Sporophor, in jeder Cyste führen. Es gelang zwar nicht, eme zusammenhängende Reihe von Bildern für die Constatirung der mitotischen Theilung an den Sporogonien zusammen zu stellen, doch liess sich mit Sicherheit constatiren, dass die Kernmembran an manchen Kernen der un- getheilten Sporogonie geschwunden war und die färbbare Substanz in zwei, durch einen grösseren Zwischenraum getrennte Reihen angeordnet war. Die Kernsubstanz lag excentrisch (vgl. Fig. 13, 14, Taf. VI). Eine Öystenhülle war, wie oben bereits angedeutet, von der Sporogonie um diese Zeit noch nicht gebildet worden. Erst das Jüngste der weiter folgenden Theilungsstadien zeigt eine solehe von ausserordentlicher Zartheit. In ihr liegt ein centraler Körper von Protoplasma und an den beiden Polen der schon spindel- förmigeu Uyste je ein feinkörniger Kern. Man darf somit ver- muthen, dass bei der Kerntheilung je eine Kernhälfte an jeden Pol gewandert sei. Weiterhin wurden Sporocysten beobachtet, an deren einem Pole ein Kern in der Grösse des bei dem eben geschilderten Stadium beschriebenen lag, während am anderen Pole zwei kleinere neben einander zu finden waren. Andere liessen dann wieder zwei Kerne von gleicher Grösse an einem Pole erkennen, während am anderen ein eben so grosser und zwei kleinere Kerne lagen. Die Entstehung der Kerne durch fort- laufende Theilung scheint eben nieht immer zu gleicher Zeit stattzufinden, wodurch diese Bilder bedingt und erklärt werden. Die Vermehrung der Kerne geht bis zur Zahl acht. Man sieht Sporocysten, in denen man deutlich acht, in der protoplasma- tischen Substanz ziemlich regellos vertheilte, intensiv färbbare Kerne nachweisen kann. Diese Kerne umgeben sich mehr und mehr deutlich mit einem Protoplasmahofe und ordnen sich, indem sie den so gewonnenen Leib strecken, derart, dass die Kerne auf Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 fe) 114 | Wolters: dem Querschnitte durch die aequatoriale Region, kreisförmig den Sporophor, das heisst den Rest der protoplasmatischen Substanz der Sporogonie, der nieht in die Bildung von Sporen aufging, umstehen (Fig. 20, Taf. VI. Während zu Anfang die acht Sporen zerstreut in der Cyste an den Polen und den Seiten des spindelförmigen Sporophor sich fanden und auch noch nicht so (deutlich gegen einander abgesetzt waren, dass man die Zell- grenzen erkennen konnte, sind somit späterhin in der reifen dick- wandigen Oyste alle acht Sporen genau zu ihrer Axe orientirt; die Spitzen der spindelförmigen Leiber sind nach den Polen zu gerichtet, die Kernzone liegt in der Kreisfläche, welche die Cyste quer halbirt, und welche wir oben als Aequator bezeichneten. Die Sporocysten sind in jeder Syzygie auf annähernd dem- selben Stadium der Entwickelung. Von der Grössendifferenz, die Ruschhaupt hervorhebt, habe ich mich nie überzeugen können. Ruschhaupt (l. c.), der den Sporophor (Noyau de reliquat Schneider) auf Kosten der sichelförmigen Körper, denen er den Kern abspricht, entstehen lässt, hat augenscheinlich die Ent- wicklungsstadien in umgekehrte Reihenfolge gestellt. Was er b als Anfangsglied annimmt, ist sicherlich das Endstadium, da die Dicke der Cystenwand einen absolut sicheren Maassstab für nn relative Alter der Sporocyste abgiebt. Die Centralkörper der ursprünglichen Gregarineneyste werden, soweit meine Beobachtungen reichen, völlig verbraucht. Die Leibes- substanz der Syzygiten wird von den Sporogonien aufgenommen, so dass wir in reifen Cysten keinen Rest mehr vorfinden, oder nur noch Spuren derselben. Ueber die Weiterentwickelung der in den Sporoeysten ent- wickelten acht Sporen kann ich aus eigener Beobachtung nur Weniges mittheilen. ‚Jugendformen der Monoeystis agilis habe ich innerhalb der Spermatogemmen, am frischen wie gehärteten Objecte, oft beobachtet, und kann die Mittheilungen A. Schmidt’s (Fig. 20 bis 30, Taf. XIV) durchaus bestätigen. Lässt man die Beob- achtungen Ruschhaupt’s (l. e.), der das Eindringen der Sporo- cyste in die Spermatogemmen des Regenwurmes gesehen haben will, als richtig bestehen, so müssten die acht Sporen sich darin nach- weisen lassen. Er beschreibt aber einen protoplasmatischen Körper in dem Spermatophor!), den er aus dem Restkörper?) entstehen 1) Die centrale Protoplasmamasse der Spermatogemme. 2) Unser Sporophor. . Die Conjugation und Spörenbildung bei Gregarinen. 115 lässt. Ich leugne nicht, dass sich späterhin nur noch ein Körper könnte nachweisen lassen, zumal bei anderen Gregarinen, z. B. Klossia, Clepsidrina Blattarum, eine multiple Infeetion einer Zelle vorkommt, und doch für gewöhnlich nur ein Keim zur Entwicke- lung gelangt. Es ist aber wahrscheinlicher, dass die Sporen, bevor sie in die Hodenzellen eindringen, die Cyste sprengen und als frei bewegliche wurmförmige Parasiten in die Zellen ge- langen, um dann hier alsbald birmförmig zu werden. Wie es scheint, liess sich Ruschhaupt durch die entfernte Aehnliehkeit eines jungen Sporophor mit” einer jungen Gregarine dazu ver- leiten, die Gregarine aus dem Sporophor entstehen zu lassen. Der Sporophor geht aber sicher zu Grunde, da die Sporen allein leben und sich bewegen, wie das leicht festzustellen ist. Auch kann ich mich mit der Ansicht von der permanenten Selbst- infeetion, wie sie von Lieberkühn und Ruschhaupt vertreten wird, nicht befreunden, glaube vielmehr mit Bütschli, dass eine so unendliche Masse von Sporen, die im einem Hoden entstehen, nicht im Verhältniss stehe zu der verhältnissmässig geringen Zahl junger Thiere. Dagegen scheint es mir wohl denkbar, dass die Sporocysten nach Aussen entleert werden und von da aus durch die Nahrungsaufnahme in einen neuen Wirth gerathen. Die Cyste würde hier gelöst werden resp. aufspringen und die Sporen frei sich bewegend den Magen oder Darm perforiren können, um an die ihnen zusagende Entwickelungsstätte zu gelangen. Dieser Ansicht würde die Angabe A. Schmidt’s entsprechen, der würm- chenartige Gebilde in der Leibeshöhle des Lumbrieus vorfand. Im Vorstehenden ist der Vorgang der Copulation und Sporenbildung bei Monoeystis magna geschildert; bei Monoeystis agilis ist er der gleiche. Man findet daher auch nicht von beiden Arten separate Reihen von Abbildungen, sondern bald von der einen, bald von der anderen, je nachdem an den mir zur Ver- fügung stehenden Präparaten die eine oder andere Species ein zur figürlichen Wiedergabe geeignetes Bild darbot. 2. Die Conjugation und ‚Sporulation bei Clepsidrina Blattarum. Die zu den Polyeystideen gehörige Clepsidrina Blattarum ist von Bütschli (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 35) in be- sonderer eingehender Studie behandelt worden; genaue Mitthei- 116 Wolters: lungen über das Verhältniss der Kerme vor und während der Copulation fehlen. Ehe ich auf meine in dieser Richtung ge- machten Beobachtungen eingehe, mag es gestattet sein, einige Worte über die Cuticula vorauszuschicken. Die Polyeystideen haben in den meisten Fällen eine deutliche Cutieula, wie sie auch bei vielen Monoecystideen beschrieben worden ist. Bei letzteren ist dieselbe dünner, während fast alle Beobachter der ersten Art eine Cutieula von ziemlicher Dicke zuerkennen. Der ganze Zell- leib wird ohne Unterbrechung von der Hülle überzogen, die hell durchsceheinend, eventuell etwas ins Grünliche oder Gelbliche überspielt. Bei vielen, besonders kleineren Gregarmenarten soll dieselbe homogen, olme jegliche Structur, ohne Auflagerung sein. Bei Clepsidrina Blattarum und ihren Verwandten hat Bütsehli eine deutliche Längsstreifung bei aufmerksamem Zuschauen be- merkt. Er sah hier „die Streifen auf dem optischen Querschnitte schwach über die äussere Fläche hervortreten“, und es schienen ihm sich dieselben durch die Dieke der Cutieula, fortzusetzen, da dieselbe auf dem Querschnitte zart gestrichelt erschien. Zahl- reiche an Clepsidrina Blattarum gemachte Studien haben mich die Beobachtungen Bütschli’s zum Theile bestätigen lassen. An frischen, in Eiweisslösung oder physiologischer Kochsalz- lösung untersuchten Thieren war keine Streifung wegen der Un- durehsichtigkeit ihrer Leibessubstanz zu bemerken. Erst nach Entfernung derselben trat die Structur deutlich vor. Um dies zu erlangen, ohne fehlerhafte, durch Faltung entstandene Bil- dungen zu Gesicht zu bekommen, wurde Flemming’sche Lösung, zehnfach mit Aqua dest. verdünnt, an den Rand des Deckglases eebracht und rasch durchgesogen. Nachdem zwei- bis dreimal (diese Procedur wiederholt, waren die Gregarinen abgetödtet und zugleich soweit erhärtet, dass sie ihre Form beibehielten. Ein kurzer Stoss auf das Deckglas brachte die Hülle des Thieres zum Platzen, und liess den Inhalt austreten. Längere Einwir- kung der Flemming’schen Lösung oder Anwendung stärkerer Ooncentrationen bewirkt eine Erstarrung und Gerinnung im ganzen Thierkörper. An ein Ausdrücken der Leibessubstanz ist alsdann nicht mehr zu denken. An so vorbereiteten, im Kochsalzlösung oder Glycerin untersuchten Objeeten liess sich thatsächlich eine feine Streifung wahrnehmen, welche in der Längsaxe des Thier- körpers verlief. Dieselbe war auf dem Deutomerit, nicht auf dem Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 117 Protomerit nachweislich. Sie unterscheidet sich von den dureh Faltung entstandenen Streifungen durch die regelmässigen Ab- stände der einzemen Streifen von einander und durch die eon- stante, mit der Längsaxe des Thieres zusammenfallende Richtung. Durch Reagentien und ihre Einwirkung entstandene Faltungen halten diese Richtung nicht ein, sie liegen schräg zur Axe des Thieres nach der einen oder anderen Seite, oft fast senkrecht zu ihr. Ausserdem ist, wie oben bemerkt. der Abstand zwischen den ein- zelnen Cutieularstreifen ein constanter, der bei den Faltungs- streifen fehlt. Obwohl nun die Struetur als „teme Streifung“ bezeichnet werden kann, so muss der Deutlichkeit wegen hervor- gehoben werden, dass jeder Streif, jeder Strich zwei deutliche Contouren hat. Je zwei derselben fassen zwischen sich einen Intervall von gleicher Breite; dies stimmt nicht ganz zu der Schilderung Bütschli’s, der seinen Beobachtungen entsprechend weiterhin erwähnt, dass die der Cutieula angehörigen Streifen leicht über die äussere Fläche hervortreten. Da es schwer und » vor allem ungewiss ist, an frisch abgetödteten Präparaten in's Klare zu kommen, ob es sich thatsächlieh nur um ein leichtes Hervortreten handelt, wurden in Flemming’scher Lösung gehärtete Därme der Periplaneta orientalis in Serienschnitten verarbeitet. Die bei frisch abgetödteten und wie oben geschildert untersuchten Objeeten gewonnenen Resultate fanden ihre volle Bestätigung. Das Deutomerit der Clepsidrina ist von ziemlich breiten, doppelt eontourirten Streifen bedeckt, die in der Längsaxe des Thieres liegen. Im Weiteren fand sich auf Ovalär- und Quer- schnitten, dass diese Streifen über das Niveau der Cutis hervor- ragen, nicht leicht hervortreten, sondern mehr als ihre eigene Breite beträgt. Auf den Querschnitten hatte man völlig das Bild eines Kammrades. Die Zacken waren nieht alle scharf eckig, sondern etwas abgerundet, und zeigten ein etwas ge- stipptes Aussehen, was eine aus feinen Fäserehen bestehende Struetur nieht unwahrscheinlich macht. Die direet unter den Zacken liegenden Schichten der Cutis zeigen auch ein fein zer- stipptes Aussehen mit feiner Strichelung, die eoncentrisch verlief, ohne dass eine Continuität in ihr nachweislich war. Der innere, dem Eetoplasma anliegende Contour war glatt ohne Einkerbungen, was wiederum gegen die Annahme spricht, es könne sich um Faltungs- oder Schrumpfungsproducte handeln. 118 Wolters: Unter der Cutieula folgen die auch von den früheren Be- obachtern beschriebenen Muskeln, die am lebenden Thier als breite Längsfasern gesehen werden. Das Beobachtungsmaterial, die Clepsidrina Blattarum, findet sich im Darminhalte des Mittei- und Enddarmes der Periplaneta orientalis. Einzeln und in Conjugation nur in ersterem, während Cysten in beiden Darmabschnitten vorkommen. Die Thiere ha- ben deutliche Kerne, die nach Bütschli’s Beobachtungen bei Jüngeren Individuen einen Kernkörper führen, bei älteren einen Haufen kleinerer, die durch Vermehrung hinzukommen sollen. Kölliker glaubt, da auch gelappte Nucleoli vorkommen, durch Zerfall des ursprünglichen Kernkörpers das spätere Auftreten der Menge kleinerer erklären zu sollen. Die nachfolgenden Beobachtungen sind geeignet, die letztere Ansicht als die richtigere zu erweisen. Der Kern der jüngeren Individuen ist ein runder mit schar- fem Contour. Er enthält einen Nucleolus, der, wie man sich auf Sehnittpräparaten leicht überzeugt, stärker gefärbte Kügelchen in wechselnder Grösse und Gestalt enthält. Seime Substanz scheint ebenso wie bei den Monoeystideen von sehr zähflüssiger Consistenz zu sein. Stark gedrückt reisst seine Membran ein, ohne dass der Inhalt austräte. In anderen Kernen erscheinen neben einem erösseren Kernkörper eine Zahl von kleineren, lebhaft die Farbe aufnehmenden Körnern, während auch der grössere Nucleolus ähn- liche sich stark tingirende Körperchen führt. Wieder andere Kerne liessen nur eine grosse Anzahl chromatischer Körner erkennen, ohne dass noch ein grösserer „Nucleolus“ nachweislich gewesen wäre. Diese Körner lagen nicht wirr durcheinander, sondern waren in Fäden und Schlingen, drei, vier und mehr an Zahl, angeordnet. Häufig fanden sich dieselben wie die aufgeschnürten Perlen eines Rosenkranzes hinter einander liegend, so dass das Ganze ein äusserst zierliches Bild darbot. Weiterhin wurden da- gegen Kerne beobachtet, in denen unzählige kleine chromatische Körner lagen, wie es schien regellos, ohne besondere Anordnung vertheilt. Allen bisheran geschilderten Kernformen war dagegen eine scharf eontourirte Kernmembran gemeinsam. Im Gegensatz dazu stehen Formen, die ebenfalls häufig beobachtet wurden, welche einer solehen Membran entbehrten. Der Kern breitet sich sternförmig mit seinen Fortsätzen in die Leibessubstanz des T’hieres Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 119 aus und steht mit dem protoplasmatischen Gefüge derselben in direetem ununterbrochenen Zusammenhange. Es sind dies For- men, die bei den Monocystideen des Regenwurmes bereits oben erwähnt und als „geflammte Kerne“ bezeichnet wurden. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass alle im Vorstehenden beschriebenen Veränderungen des Kernes und der in ihm enthal- tenen ehromatischen Substanz, sowohl rücksiehtlieh der Zahl wie Anordnung der Körner, und zwar in der Reihenfolge wie sie ge- schildert wurden, successive Vorbereitungen zur Kerntheilung dar- stellen. Später zu berichtende Beobachtungen bei Klossia machen es nicht unwahrscheinlich, dass wir die geflammten Kerne viel- leicht schon als Kernspindeln anzusehen haben, die von dem ge- wohnten Typus abweichen. Gleichwohl bemerke ich, dass der Nachweis von typischen Spindeln bis heran noch nicht gelang, vor allem durch Unzugänglichkeit des Materiales in Folge von hier- orts, für meine Studien allzu eifrig betriebener Vertilgung der Sehaben. Fortgesetzte Untersuchungen an reichlichem Unter- suchungsmaterial sind vielleicht geeignet auch typische Spindel- bildung nachzuweisen. Vorläufig muss das Vorkommen derselben als noch nieht erwiesen betrachtet werden. Kerne mit einem grossen Nucleolus oder mit einem grossen und mehreren kleinen fand ich meist bei noch nicht conjugirten Thieren. Die anderen Formen wurden dagegen alle bei Syzy- gien beobachtet oder bei bereits encystirten Clepsidrinen. Oft fand sich dieselbe Kernform, z.B. der Kern mit rosen- kranzförmiger Anordnung der chromatischen Elemente, bei beiden Syzygiten oder aber der zweite Kern war ein geflammter (Fig. 7 Taf. VID), oder beide waren geflammt. Ebenso war es bei den Cysten. Entweder beide Kerne geflammt, beide mit rosenkranz- artiger Anordnung der chromatischen Körmer, oder der eine von dieser, der andere von jener Form. Die Leibessubstanz war stets die gleiche bei Syzygien und nicht conjugirten Thieren. Ebenso zeigten die eneystirten Syzygien keine Differenz, so lange noch ein Kern vorhanden war. Die das Entoplasma fül- lenden Körner der Clepsidrina sind kleiner als bei den Monoeysti- deen, und zeigen ein rundes, sich stärker färbendes Centrum. Solange der Kern noch nicht geflammt ist, zeigt auch das deut- lich durch doppelten Contour abgesetzte Protomerit keine Struetur- veränderung. Beginnt aber die scharf begrenzte Kernmembran 120 Wolters: undeutlich zu werden, oder ist der Kern bereits geflammt, so treten im Protomerit eigenthümliche Zeiehnungen auf von un- regelmässig fadigem Aussehen, bald gröber, bald feiner endigend (Bis. 8, Taf. VI). Diese Bildungen sind es auch wohl gewesen, welche R. Pfeiffer, wie oben erwähnt, einen zweiten Kern im Proto- merit annehmen liessen. Jedes Schnittpräparat hätte ihn vor diesem Irrthum sicher bewahren können. Dass der geflammte Kern im Deutomerit kein Kunstproduet sei, wie ich zuerst glaubte, beweist der völlig verschwundene Contour des Kernes. Ausser- dem gelang es an frisch untersuchten Objeeten den gleichen Kern nachzuweisen, wenn ich denselben aus dem lebenden Thier vor- sichtig in physiologische Kochsalzlösung ausschlüpfen liess. Här- tungen mit Pikrinsäure und Alcohol-Essigsäure ergaben überein- stimmende Kernbilder. Die zahlreichen Cysten der Ulepsidrina, die auf verschie- dene Weise gehärtet und in Serienschnitten untersucht, oder frisch beobachtet wurden, ergaben ebenfalls einige werthvolle Resultate. Sowohl im Mitteldarme wie im Enddarm fanden sich Cysten, welche eine deutliche Trennungslinie zeigten, dann wieder im Mitteldarm solche, die keine Spur mehr davon aufwiesen. Es geht daraus hervor, dass der Enddarm nicht unbedingt die älte- sten Stadien enthalten müsse, und dass auch junge bereits hier mit dem Kothe entleert werden. Sobald die Cysten ausgebildet sind, scheinen sie vielmehr aus dem Darme entleert zu werden, und ausserhalb desselben, vielleicht in einem anderen Wirthe, ihre Weiterentwickelung bis zur Ausbildung der reifen Sporen durchzumachen. Falls durch glückliche Verhältnisse die Cyste länger zurückgehalten wird, könnte sich ein Theil dieser Vor- gänge natürlich auch noch innerhalb der Blatta abspielen. An frischen Präparaten, und besonders an Serienschnitten von rasch abgetödteten und gehärteten Cysten konnte in Ueber- einstimmung mit den Beobachtungen Bütschli’s festgestellt wer- den, dass die beiden Syzygiten sich auseinander legen, eine derbe doppelt contourierte Uystenhaut ausscheiden, welche wiederum von einer Gallerthülle umgeben ist. Deutlich ist Protomerit und Deutomerit noch zu unterscheiden. In jedem Thiere liegt ein Kern, der geflammt oder durch rosenkranzartige Anordnung der Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 121 ehromatischen Körner eharacterisirt ist, wie oben beschrieben. Im weiteren legen die beiden Syzygiten sich mit ihrer Breitseite fest und innig aneinander. Die Trennungslinie bleibt noch scharf, das Protomerit ist deutlich abgesetzt. Man vermag ohne Mühe die Cystenhülle und die jedem Thiere zugehörige Cutienla zu unterscheiden. Die Kerne sind geflammt oder mit rosenkranz- artiger Anordnung ihrer cehromatischen Elemente, oder der eine von dieser, der andere von jener Form. Der Leib der Syzygiten zeigte keine von den nicht eneystirten differente Struetur. Die von Bütschli angegebene Ausstossung der Sporen an der Peripherie bei noch nicht völlig verschmolzenen Thieren habe ich nieht be- obachtet. Da kein Grund vorliegt, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, so muss ich annehmen, dass ich des entsprechenden Sta- diums noch nieht habhaft geworden bin. Analog den oben über die Monoeystideen mitgetheilten Beobachtungen dürfte es aber auch hier vor der Sporenbildung zu einer Verschmelzung an be- srenzter Stelle kommen. An dieser Stelle würde dann auch ein Austausch der Leibes- und Kernsubstanz stattfinden, der aller- dings an frischen Präparaten nicht nachweisbar ist. Einige sporenhaltige Cysten, die in Serienschnitte zerlegt untersucht wurden, zeigten die Sporen an der Peripherie der Cyste und strahlig nach dem Centrum hin angeordnet. Ein Kern oder ein Rest eines solehen war nicht mehr nachzuweisen. Die Cystenhaut ist doppelt eontourirt, ziemlich dick und von derberer Beschaffenheit als bei den eneystirten Syzygien. Es scheint in den eben beschriebenen Präparaten ein Stadium vorzuliegen, in dem die an der Peripherie angehäuften Sporen sich nach der Mitte hin bewegen, wodurch, nach Bütschli’s Untersuchungen, eine Aufhellung des Centrums stattfindet. Eine andere, nach gleicher Methode behandelte Cyste zeigte die sehr zahlreichen Sporen in Kreisen und sich verästelnden breiten Streifen ange- ordnet, die von einer feinen Membran umschlossen waren. Durch Reconstruetion der Cyste aus den in der Serie aufeinander fol- genden Bildern bin ich zu der Ansicht gelangt, dass es sich um Gänge handelt, m denen die Sporen liegen. Wie es scheint, hängen diese untereinander zusammen, bilden vielleicht in ihrem Zusammenhang nur einen Gang. Jedenfalls liess sich feststellen, dass Endpunkte direet an der Cystenhaut liegen. Vermuthlich 122 Wolters: sind dies die Punkte, an denen nach Bütschli dureh Sporoduete die Entleerung nach Aussen bewerkstelligt wird. Kernreste wa- ren im dieser Cyste nicht mehr nachzuweisen. Ueber die Weiterentwickelung der Sporen in der Öyste oder in eimem anderen Wirthe nach Entleerung derselben kann ich abschliessende Beobachtungen noch nicht vorlegen. Möglich, (dass Periplaneta orientalis sofort durch die Sporen sieh selbst wieder infieirt. Bütschli hat Fütterungsversuche gemacht, die ihn zu dem Resultat führten, dass durch sporenhaltiges Material sofort eine Infeetion der Periplaneta erzeugt werden könne. Es ist bei diesen Versuchen doch wohl zu bedenken, dass der Beweis nicht erbracht worden ist, dass Bütschli’s Versuchs- thiere wirklich vor den Versuchen noch nicht infieirt waren, und dass die von dem Untersucher in die Epithelzellen eingesenkt ge- fundenen jugendlichen Stadien nicht schon vor den Fütterungs- versuchen vorhanden waren und also von früherer Infeetion her- rührten. Was diese Bedenken hervorruft und stärkt, sind fol- sende Beobachtungen: Häufig findet man Exemplare der Peri- planeta orientalis, deren Darm keine Syzygie, keine Gregarine, selbst kein jüngeres Stadium derselben enthält; und doch möchte ich dieselben als bereits durch Gregarinen infieirt ansehen. Der Darm enthält eine grosse Anzahl gelblichbrauner homogener Ge- bilde, bald länglich gestreckt, wie die Würmchen der Klossia, bald vom Aussehen der Clepsidrina mit Proto- und Deutomerit (vgl. Taf. VIII, Fig.2u.4), bald oval, bald kugelig zusammengezogen. Alle diese Formen enthalten einen sichtbaren Kern. Därme die- ser Art, ebenso wie solche, die auch Syzygien enthielten, habe ich nach verschiedenen Methoden gehärtet und im Serienschnitten untersucht. Die Epithelzellen des Mitteldarmes zeigen einen schönen Fransenbesatz (Bürstensaum), der nur wenigen etwas kugelig aufgetriebenen bis auf Rudimente fehlt. Diesen Zellen sitzen auf die auch im Darminhalte vorgefundenen und eben er- wähnten jungen Gregarinen, welche an einem Ende länglich aus- gezogen in die Zelle hineinreichen. Die anderen Formen finden sich gleichfalls kleiner oder grösser, kugelig, langgestreckt, halbmond- förmig in zwei, drei oder mehr Exemplaren in die Epithelzellen eingelagert, oft bilden sie ganze Klumpen. Die befallenen Zellen haben oft noch ihren Fransenbesatz, meist ist er nicht mehr ganz intact, völlig geschwunden aber wohl nie, Alle diese eben be- Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 123 schriebenen Körper, die in den Epithelzellen liegen, zeigen deut- lichen, durch Safranin tingirten Kern. Weiterhin fanden sich die mehr körnigen, helleren und grösseren Gebilde aus den Epi- thelzellen austretend, und ihnen noch aufsitzend, wie Bütschli sie abbildet. Auch weiter entwickelte Formen, in denen man sofort die Clepsidrina mit Epi-, Proto- und Deutomerit erkennt, fanden sich noch mit der Epithelzelle in Verbindung vor (vgl. Taf. VI, Fig. 5). ' Der Kern dieser Formen ist grösser, zeigt gelappten Kernkörper, eventuell schon mehrere derselben. Die eben geschilderten Befunde machen mich glauben, dass wir in den homogenen gelblichen kern- haltigen Körpern die ersten Stadien der Clepsidrina vor uns haben, welche noch hüllenlos amöboider Bewegung fähig sind, ähnlich den Würmehen der Klossia und anderen. Da dieselben aber bedeutend srösser als die in den Cysten gefundenen Sporen, so scheint eine Weiterentwieklung der Sporen ähnlich wie bei den Monoeystideen wahrscheinlich, die zum Schluss zur Bildung einer Anzahl von sichelförmigen Körpern, von Würmehen führt, in der erheblich vergrösserten Sporoeyste. Erst nach völliger Reife der Würm- chen und nach Sprengung der Sporeneyste würde es dann durch die Keime zur neuen Infeetion kommen können. Ob diese Vorgänge im Kothe der Blatta statthaben, oder ob ein Zwischenwirth dazu nöthig ist, ist vor der Hand noch nicht zu sagen, und kann erst durch genaue Thierversuche erwiesen werden. Nach allem, was ich beobachtet, möchte ich letzterer Ansicht mich anschliessen, dass nämlich die Sporocyste, in einem anderen Wirthe weiter sich entwickelnd, ihre Keime frei macht, die dann als Infectionsmaterial aus den Entleerungen von der Periplaneta orientalis wieder auf- genommen wird. Die Keime dringen einzeln oder zu mehreren in die Epithelzelle ein, wo sie bis zu einer gewissen Entwicke- lungsstufe verbleiben; alsdann entwickeln sie Proto- und Deuto- merit und treten nach und nach aus der Wirthzelle heraus (vgl. Taf. VII, Fig. 3). Darauf lösen sie ihre Verbindung mit der Zelle und conjugiren. Die Conjugation tritt sehr frühzeitig ein, denn man findet ungemein kleine Syzygien. Die conjugirten Thiere wachsen heran, encystiren sich, und der ganze Kreislauf beginnt von neuem. Die Untersuchung des Hinterdarmes der Periplaneta ergab in allen Fällen, dass die mit je einem Stachel versehenen Epithel- zellen frei waren von jeder fremden, zelligen Einlagerung. Der 124 Wolters: Darminhalt wies noch einige der beschriebenen Gebilde auf, doch äusserst gering an Zahl und nicht mehr in dem alten Zu- stande. Der scharfe Contour fehlte, der Rand war uneben höcke- rig. hie und da mit klumpigen Gebilden besetzt, die aus dem Innern ausgetreten zu sein schienen. 3. Die Gregarine der Schneckenniere. Obwohl meine Untersuchungen über die Klossia noch keines- Wwegs abgeschlossen sind, möchte ich doch die bis heran gewon- nenen Resultate hier mittheilen, da dieselben geeignet sind, einige von L. Pfeiffer in seiner neusten Arbeit (Die Protozoen als Krankbheitserreger, Jena 1890) noch als durehaus dunkel bezeich- nete Punkte zu klären. Die ersten Stadien sind die sichelförmigen Körperchen oder Würmehen, die man, eingeschlossen in ihre Hülle, in lebhafter Bewegung sich leicht zur Ansicht bringen kann. Aus dieser Hülle hervorgetreten, stellen sie kernmhaltige würmchenförmige (Gebilde dar, mit einem spitzen und einem abgerundeten Ende. Sie bewegen sich schlängelnd weiter. Selten während der Lo- comotion, meist in den Ruhepausen ändern sie ihre Gestalt und sind dann bald eylindrisch, bald flaschenförmig, gestreckt, zusammen- gerollt, länger oder kürzer. Immer ist em Kern in ihnen nach- weislich. Diese von Kloss zuerst als Anfangsstadien gedeuteten Gebilde sind noch von vielen Forschern beobachtet und jüngst von L. Pfeiffer wieder beschrieben worden. Man wird sich unschwer davon überzeugen können, dass man es thatsächlich mit den ersten Stadien des Parasiten zu thun hat. Eine oder mehrere dieser würmcehenartigen Sporen kriechen in rascher Folge oder erst nach eimer gewissen Zeit m die Zelle hinem. Man findet nämlich Zellen, welche 3, 4 und noch mehr ganz kleiner Parasiten enthalten, die auf gleicher Entwiekelungsstufe stehen; in andern Zellen haben sie sich bereits einzeln mit einer Cysten- haut umgeben. Es sind dies Zellen, bei denen die Keime unge- fähr gleichzeitig eingewandert sind. Andere Zellen zeigen Keime von verschiedenen Entwickelungsstufen, neben eneystirten noch freie Parasiten, und diese Bilder sprechen dafür, dass in die bereits durch einen Keim infiecirte Zelle nach Verlauf von einiger Zeit ein neuer Keim, ein zweiter und dritter hineingelangte. Die Form Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 125 des in die Zelle eingedrungenen Fremdlings ändert sich in so- weit, dass er sich zusammenzieht, und ovale, hin und wieder ein- seitig in der Mitte etwas eingeschnürte, nierenförmige Gestaltung zeigt. Kern und Kernkern ist deutlich sichtbar. Nach einiger Zeit umgiebt sich der Parasit mit einer Hülle. Sind mehrere Keime in die Zelle eingewandert, so sieht man wohl, dass alle Keime sich mit einer Cystenhaut umgeben. Doch damit ist, wie es scheint, das Ende in der Entwickelung der meisten Keime erreicht. Nur emer derselben wächst weiter heran, während die anderen an die Zellwand gequetscht liegen bleiben. Wie Kloss zuerst beobachtet, und Pfeiffer neuerdings bestätigt, hypertro- phiren die infieirten Nierenepithelien sehr stark. L. Pfeiffer sagt (l. e. pg. 13): „Der Kerm der Epithel- zelle nimmt nur langsam Theil an der Hypertrophie, wird-un- förmig, höckerig, später verschwindet er allmählich, sobald der Eindringling ungefähr seine halbe Grösse erreicht hat: nur wenn er sehr peripher gelegen ist, bleibt er bis zuletzt als höckeriger, dunkler und färbbarer Körper sichtbar.“ Meine Untersuchungen haben mich zu etwas anderen Resultaten geführt. Die Kerne der befallenen Nierenzellen waren stets als stark granulirte Ge- bilde vorhanden, in denen die chromatische Substanz in inten- siv färbbaren Körnchen vertheilt war. War der Parasit noch klein, führte er z. B. noch keine Hüllen, so war der Zellkern nicht grösser als bei den umliegenden normalen Zellen. (Vergl. Taf. VIII, Fig. 5.) Bei weiter herangewachsenen Thieren war auch der Kern entsprechend grösser, oftmals dabei etwas ver- lagert und verdrängt. (Vergl. Taf. VIII, Fig. 6.) Trotzdem war er auf Serienschnitten immer nachweislich. In einzelnen Fäl- len war die Grössenzunahme des Kernes derartig, dass er in seinen Maassen hinter dem Parasiten nicht zurückstand. (Vergl. Taf. VIIL, Fig. 6.) Mit der weiteren Entwickelung des Parasiten nimmt der Kern an Grösse wieder ab; er verschwindet aber nie ganz. (Vergl. Taf. VII, Fig. 15.) Im Weiteren bezeichnet L. Pfeiffer (l. e. pg. 14) die Entstehung des Borstenbesatzes auf dem frei- stehenden Theile der hypertrophirten Nierenzelle als ein völlig unerklärtes Verhalten. Er schliesst sich darin völlig an Kloss an. „Keine gesunde Nierenzelle hat einen Borstenbesatz, wohl aber bereits die ganz wenig hypertrophirten Epithelien mit einem Fremdling. Bei Wasserzusatz zum Präparate löst sich derselbe 136 Wolters! theilweise ab, und -es treten aus den Epithelien Plasmakugeln aus.“ Späterhin sagt er dann: „Bei lang gezogenen Epithelien fehlt am Schweif der Borstenbesatz.“ L. Pfeiffer erwähnt dann, dass er bis zu 15 Parasiten, jeder für sich mit einer Cystenhülle umgeben, in eimer gemeinschaftlichen Borstenhaut gesehen, und schloss daraus, dass dem Parasit als solchem die Ausscheidung dieser Borsten nicht zukomme. Die Beobachtungen Pfeiffer’s, welche die von Kloss bestätigen, wird jeder Untersucher bald als zu Rechte bestehend anerkennen müssen, mit Ausnahme der ersten, dass nämlich keine normale Nierenzelle einen Borstenbesatz habe. Auf dieser nicht zutretfenden Beobachtung fussend, fehlte ihm, wie früher Kloss, der Schlüssel zu dem unerklärlichen Ver- halten der Epithelzellen. Wie Nussbaum seiner Zeit nachgewiesen, haben die nor- malen Nierenzellen verschiedener Thiere einen Borstenbesatz, was später von vielen andern Forschern bestätigt und an immer neuen Thiergattungen aueh von anderen secernirenden Drüsen berichtet wurde. Es gelang nun auf Schnitten der Niere von Helix nemo- ralis und Helix hortensis, die m verschiedenen Reagentien abge- tödtet und gehärtet waren, überall einen schönen Fransen- oder Borstenbesatz nachzuweisen, und zwar an normalen wie infieirten Epithelien. Der Borstenbesatz ist also ein der normalen Nieren- zelle zukommender Bestandtheil, und so erklärt es sich leicht, dass der Schweif langgezogener Zellen keinen Borstenbesatz führt, weil eben dieser Theil dem Zellkörper entspricht, der auch normaler Weise keine Borsten trägt. Der. von Pfeiffer aus seinen Beobachtungen gezogene Schluss, dass die Parasiten die Borsten zu bilden nicht vermögen, ist damit als richtig erwiesen, und zugleich der Grund dafür gefunden. ‘Somit wird durch den Nachweis des Borstenbesatzes an normalen Epithelien der Schlüssel gegeben sein zur Erklärung aller in dieser Hinsicht räthselhaften Bildungen. Die normale, borstentragende Epithelzelle der Niere wird durch Einwanderung einer oder mehrerer Keime infieirt. Der Parasit wächst, und die Zelle giebt dem Wachsthum an der Stelle nach wo sie es ver- mag,. das heisst an ihrer freien, nicht mit der Umgebung ver- bundenen Seite, also an ihrer borstentragenden Oberfläche. Diese dehnt sich mehr und mehr, und die Borsten rücken dabei etwas auseinander; der Zellkern hypertrophirt. So kommt es, dass der Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarınen. 127 Parasit zum Schlusse in einer mit Borsten besetzten Hülle liegt; dem Schweif, das heisst der Stelle der Nierenzelle, wo der Kern liegt, fehlt der Besatz, da er hier im gesunden Tagen ebenfalls nicht vorhanden ist. Dass der Borstensaum bei Wasserzusatz zum Präparate abfällt, darf nicht befremden, da normale, Borsten uud Flimmern tragende Zellen stets unter solcher Behandlung denselben verlieren, wie wir bei schlecht conservirten Präparaten zu unserem Leidwesen so oft erfahren haben. Das Austreten von Plasmakugeln bei Weasserzusatz, wie Kloss und nach ihm Pfeiffer beschrieben, wurde im Verlaufe der Untersuchungen des öfteren beobachtet. Bilder, die Pfeiffer als lang gestreckte, ausgezogene Zellen bezeichnet, wurden auch auf Schnittpräparaten häufig gesehen. Es konnte festgestellt werden, dass die mehr und mehr an Grösse zunehmenden Zellen, weit über das Niveau sich erhebend, schliesslich wie Beeren einer Traube an emem dünnen Stiele m das Lumen hinein hängen. Es fanden sich auf Schnitten Bilder, die es zweifellos erscheinen lassen, dass der dünne Stiel auch abreissen kann, wobei der Zellkern zurückbleibt. Es sind das Gebilde, welche Veranlassung geben können, an ein Verschwinden des Epithelkernes zu denken. Was den Kern der Klossia angeht, so konnte, wie oben be- reits erwähnt, auch in den jüngsten Stadien ein deutlicher Kern nachgewiesen werden, der gewöhnlich einen runden Kernkörper führte. Bei weiter vorgeschrittenen Formen wurden auch gelappte Nuclei gesehen, die wie bei den Monoeystideen stärker färbbare Körner enthielten. Der zuerst hüllenlose Keim ändert seine Ge- stalt in der Zelle, indem er rundlicher wird. Sehr bald scheidet er eiue Hülle aus, durch die er sich von dem Zellinhalte und von den etwa mit ihm in der Nierenzelle zusammenliegenden anderen Klossiakeimen abschliesst. An dieser von dem Thiere ausgeschiedenen Hülle zeigen sich merkwürdige Bildungen, welche als kleine lang gestreckte Körperehen der Membran eingelagert sind. Kloss, der dieselben beobachtet und abgebildet, hat sie als Kerne gedeutet. Chromatische Einlagerungen lassen sich nicht erkennen, auch macht es bei den verschiedenen Einstellungen nie den Eindruck, als handle es sich um körperliche Gebilde. Es scheint vielmehr nach dem optischen Verhalten, als wenn es kleine Oeffnungen in der Membran seien, die später zur Sprengung der Hülle oder zum direkten Auskriechen der Sporen zu dienen haben 128 Wolters: würden. Der Parasit hat also um diese Zeit bis zum Auskriechen der Sporen zwei Hüllen, von denen die äussere mit Fransenbesatz aus der Nierenzelle der Schnecke gebildet ist, die innere ein Abscheidungsproduet des Parasiten ist. Beide sind übrigens zur Zeit der Sporenbildung sehr elastisch; man kann sie durch Druck nur schwer sprengen. Der heranwachsende Parasit hat meist einen grossen runden oder ovalen Kerm, in dem die chromatische Substanz in Form eines grösseren Nucleolus vertreten ist, neben welchem kleinere Körner liegen; es findet sich auch in manchen eine Anzahl von stärker färbbaren Körnern vor. Immer aber ist der Kern von einer scharf eontourirten Kernmembran umgeben. Der Inhalt des Gregarinenkörpers besteht wie bei den vorher beschriebenen Gat- tungen aus eimer flüssigen protoplasmatischen Substanz, der läng- liche ovale Körner eingelagert sind. Der Kern verliert im wei- teren Verlaufe seine scharfe Begrenzung; er erscheint unregel- mässig, zackig und gleicht den früher beschriebenen geflammten Kernen ungemein. Seine Ausläufer und Zacken stehen, wie man auf Schnitten gehärteter Objeete sieht, mit dem Protoplasma des Thierleibes direet in Zusammenhang und geht in dieses unmittel- bar über. Im Inneren dieser geflammten Kerne lassen sich wie- derum multiple, stark färbbare Körner nachweisen. Wie bei der Besprechung der Clepsidrina Blattarum bereits erwähnt wurde, scheint es sich hier auch um ein direktes Vorstadium der Kerm- theilung zu handeln, wenn nicht um diese selbst. Typische Spindelbildung, wie sie die Monoeystideen darboten, liess sich auch hier niemals constatiren. Es fanden sich dagegen Bilder, an denen man auf der ganzen Serie keinen Kern mehr nachweisen konnte. An der Peripherie lagen jedoch rundliche oder ovale Körper mit körnigem Inhalt, die als Kerne angesprochen werden mussten. Es ist also wohl nicht zu bezweifeln, dass durch die eben beschriebene Veränderung des grossen Kemes, oder direct nach ihr eine Theilung desselben stattgefunden haben muss, deren Produete durch fortgesetzte Theilung die Kerne an der Peripherie erzeugten. Dass sich an diesen Kernen thatsächlich Theilungen abspielen, wurde durch den Befund von Bildern bewiesen, wie Fig. 22, Taf. VIII sie darstellt. Nach und nach treten an der Peripherie eine grosse Menge immer kleiner werdender Kerne auf. Bis zu welcher Zahl diese Vermehrung statthat, ist wohl kaum Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 129 zu sagen. Ist aber diese Grenze erreicht, so’ sistirt die weitere Vermehrung, und es tritt nun erst eine Theilung des Thierleibes ein, entsprechend der Anzahl der gebildeten Kerne. Auf passen- (den Präparaten einer Serie sieht man die doppelt eontourirte Zellmembran, in der die Oyste ruht. Auf den ersten Schnitten bietet sich ein Bild, das eine deutliche Mosaik von Zellen zeigt. Kommt man weiter in die Tiefe, so ist das Centrum der Cyste noch homogen, ungetheilt, während an der Peripherie die kleinen Kerne liegen, welehe von seichten Einbuchtungen an beiden Seiten umschlossen werden. (Geht der Process weiter, so schnei- den diese Einbuchtungen bis zum Centrum durch, und wir er- halten auf jedem Schnitt einer solchen Cyste Bilder, welche birn- förmige kernhaltige Zellen, rosettenförmig um eimen Punkt, das Centrum der Uyste, angeordnet zeigen. Im weiteren Verlaufe lösen alle diese Zellen ihre Verbin- dung in der Mitte und ziehen sich kugelig zusammen. Die Bil- dung der Sporogonien ist beendet. Unterzieht man diese Gebilde einer genaueren Untersuchung, so zeigt sich, dass dieselben einen kleinen Kern führen. Andere zeigen dagegen schon zwei, andere drei und noch mehr Kerme, welche alle sich intensiv fär- bende Körner führen. Diese Sporogonien mit getheiltem Kern sind von einer Cystenhaut umgeben, die von der zuerst nackten Sporogonie ausgeschieden wurde. Wir nennen die eneystirte Sporogonie mit ihrer Hülle die Sporoeyste. Die Sporoeysten liegen ohne Zwischenraum dicht aneinander und unterscheiden sich demgemäss von den gleichen Bildungen bei Lumbricusgre- garinen, die alle peripher von einem Restkörper gelegen sind, in den sie sich erst später einsenken. Hier fehlt ein Restkörper. In einigen Sporoeysten konnte in den Kernen eine Sonderung der chromatischen Substanz in 2 Theile wahrgenommen werden, die in anderen scheinbar regellos durcheinander lag. — Absolut sicher liess sich die Zahl der Keme in der reifen Sporoeyste nicht nachweisen, doch wurden fast eonstant sechs wahrgenommen. Es stimmt dies mit den Beobachtungen von Kloss und Anderen, die gewöhnlich 6 Würmehen in einer Hülle sahen. Um die dureh die Theilung entstehenden Kerne grenzt sich später ein zuge- höriges Protoplasma deutlich ab; doch wird wie bei den Sporen der Lumbrieusgregarinen nicht alles Protoplasma aufgebraucht: ein Theil bleibt als Sporophor zurück. Dann liegen die Sporen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 5) 130 Wolters! als deutlich eontourirte kernhaltige wurmartige Gebilde mit einem spitzen und einem abgestumpften Ende in der Weise dem ziem- lich umfangreichen Sporophor auf, dass sie strahlenförmig von einem Punkte auszugehen schemen, also rosettenförmig angeordnet sind. Der Sporophor wird durch weiteres Wachsthum der Sporen immer mehr verkleinert, sodass man zuletzt nur noch ganz ge- ringe Reste von ihm vorfindet. Die wurmartigen Sporen sind meist in ihrer Sporoeyste in lebhafter Bewegung. An frischen Präparaten lassen sich diese äusserst lebhaft sich bewegenden Sporen leicht darstellen. Auf Schnittserien fällt dies natürlich schwerer, gleichwohl kann man auch hier durch Reconstruirung der Form die Anordnung und Struetur sich vor Augen führen. Kloss hat am frisch untersuchten Object die Würmehen aus ihrer Hülle austreten und sich bewegen gesehen. Nach ihm ist (dieser Vorgang noch von Anderen beschrieben worden. Verweilt man länger bei der Untersuchung, so wird man sicherlich bei geeignetem Material die Auswanderung der Sporen beobachten können. Die jungen Keime bewegen sich wurmartig sich schlän- gelnd und zeigen deutliche Kerne. Auf Schnittpräparaten wur- (len dieselben äusserst selten angetroffen, häufiger die etwas grös- seren schon zu ovaler Gestalt zusammen gezogenen Formen. Diese fanden sich bereits in Zellen vor. Wie m der Helixniere die Sporen frei werden und eine neue Infeetion stattfindet, ist noch eine offene Frage. Eine Selbstinfeetion in infinitum anzuneh- nen, «dürfte wohl aus manchen Gründen nicht richtig sein, wie schon bei den Monoeystideen berichtet wurde. Es scheinen auch in diesem Falle die Sporen durch die Niere ausgeschieden zu werden, und durch sie eine neue Infection stattzufinden. Für (liese Annahme spricht neben der Analogie der Umstand, dass Kloss vornehmlich an den Schnecken reiche Ausbeute an Grega- rinen erhielt, deren Haus lädirt war. Dass eine Infeetion auch sonst denkbar, ist nieht zu bestreiten, da auch Schnecken mit, so viel nachweisslich, gesundem Gehäuse Parasiten beherbergten. Jedenfalls enthält die Niere der mit lädirtem Hause lebenden Schneeke ungleich mehr Fremdlinge als andere, und es scheint (daher nieht unriehtig anzunehmen, dass von Aussen her, durch (die lädirte Stelle die Parasiten ihren Einzug halten. In die Niere eingedrungen infieiren sie die Epithelzellen, wo wir sie, wie oben berichtet, in ganz jugendlichen Formen antrafen. Dort Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 131 machen sie dann, beständig von der Zelle umschlossen, ihre Weiterentwiekelung bis zur multiplen Sporenbildung dureh. Eine Konjugation findet nicht statt. 4. Untersuchungsmethoden. Um bei den im Vorstehenden behandelten Gregarinen zu definitiven Resultaten zu gelangen, mussten die Methoden der Untersuchung des öfteren gewechselt und geändert werden. Die frischen Präparate wurden ebenso zum Studium herangezogen als die gehärteten und gefärbten. Zur frischen Untersuehung kam in erster Linie die 0,75°, physiologische Kochsalzlösung zur Anwendung. Die Parasiten bleiben darin am Leben, doch nimmt ihre Beweglichkeit enorm ab. Es gilt dies besonders von der Clepsidrina Blattarum. Die Anfangs lebhaft sich drehenden Syzygien liegen still. Die Mono- eystideen und Klossia-Keime reagiren weniger. Ich fand die letzteren im hängenden Tropfen noch am dritten Tage in Bewe- gung. Jodserum wurde nur sehr wenig angewendet, da es in kurzer Zeit, wohl durch die Anwesenheit des Jod, die Parasiten abtödtet. Es kam späterhm nur noch als Dahliajodserum zur Verwendung, wo es sich darum handelte, rasch ein gefärbtes Präparat zu haben. Aber auch diese Lösung wirkte bei der wechselnden Dicke der einhüllenden Membranen ungleich. Die besten Resultate lieferte die Untersuchung in Eiweisslösung, wie sie von Bütschli bei Clepsidrina Blattarum empfohlen wurde. Bei Klossia untersuchte ich fast nur m dem aus der Niere mit ausfliessenden Safte oder im Blute aus dem angeschnittenen Herzen der Schnecke. Frisch entnommenes Kammerwasser des Frosches leistete mir gute Dienste bei den Monoeystideen, obwohl, wie sich später fand, CINa-Lösung die gleichen Resultate giebt. Die Präparate wurden, nachdem ein kleines Deckglassplitterchen zur Verhütung der Quetschung untergesehoben war, mit dem Deckglas bedeekt und mit Vaselinerand umgeben. Wachs zum Verschluss zu gebrauchen habe ich später unterlassen, da doch leicht bei dem Erkalten Quetschung eintritt. Präparate im hängen- den Tropfen wurden nach den bei bacteriologischen Unter- suchungen üblichen Methoden angefertigt. Sie geben entschieden die besten und zuverlässigsten Bilder, erlauben allerdings nicht unter dem Deckglase eihe Abtödtung oder Färbung vorzunehmen. 132 « Wolters: Bei der Undurehsichtigkeit der Gregarinenleiber lag es nahe, (lureh die Anwendung der Schnittmethode weitere Resultate zu gewinnen. Zur Abtödtung und Fixirung wurde vor allem die Flemming’sche Lösung benutzt, und zwar wurden z. B. die Syzy- sien der Olepsidrina sowohl als ihre Oysten isolirt abgetödtet, als auch ganze Därme der Blatta so gehärtet. Die gehärteten Objeete wurden Anfangs in Celloidin ein- gebettet und in Serienschnitte zerlegt, auf dem Objeetträger in Aetherdampf fisirt. Zur Färbung diente Saffranin. Diese Me- thode wurde wegen ihrer Mühsamkeit später verlassen und die ÖObjeete in Paraftin eingeschmolzen und geschnitten. Zur Fär- bung diente auch hier Saffranin. Auch bei den Hoden des Re- genwurmes und der Niere der Helix nemoralis und hortensis wurde zum Abtödten und Fixiren Flemming’sche Lösung benutzt, dann aber in Paraffın eingebettet und die Schnitte durch Collodium- Nelkenöl fixirt. Zur Färbung diente Saffranin und das Delafield’- sche Hämatoxylin. So behandelte Präparate sind wohl geeignet Uebersiehtsbilder, und wohl auch hie und da Details erkennen zu lassen. Da ich aber durch die Flemmmg’sche Lösung Ge- rinnungen entstehen sah, welche stellenweise nur mit Abbe’scher Beleuchtung Kerne erkennen liessen, während oft der ganze Cy- steninhalt braunschwarz gefärbt war, falls dieselben nahe der Peri- pherie lagen, so wurde diese Methode der Fixirung verlassen. Zuerst wurde kurze Einwirkung von Alcohol. absol. versucht, doch bald wieder verlassen, da die Schrumpfung zu stark war und der Borstenbesatz der Zelle bei dieser Behandlung leicht abfällt. Al- eohol. absol. und Eisessig, zu gleichen Theilen, besonders erwärmt, leistete gute Dienste, brachte jedoch auch noch zu starke Schrum- pfung hervor. Bessere Resultate ergab wässerige eoncentrirte Pikrinsäure- lösung, der auf 100 Theile 1 Theil Eisessig zugesetzt wurde, doch war die Conservirung, besonders der Epithelien, nieht sehr schön. Folgende Lösung genügte auch diesen Anforderungen: Coneentrirte wässerige Pikrinsäure 100,0 Aqua dest. 200,0 Eisessig 3,0. Fixirung kleiner Stücke 24 Stunden, dann in 70°/, Aleohol bis zur völligen Entfärbung. Härtung in Alcohol successive austeigender Coneentration. Das so gelrärtete Material wurde in ws Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 13: Paraffın eingebettet und in Serienschnitte zerlegt. Die Färbung geschah mit Saffranin; sowohl die gewöhnliche Lösung in Aleohol und Wasser aa als auch die von Vittorio Mibelli (Monitore zoologico Italiano 1890 Nr. 1) kamen zur Anwendung, beide über- färben leicht und bedingen dann zum Erkennen feinerer Struc- turen eine Entfärbung durch Salzsäurealeohol. Diese hat ihre Unzuträglichkeiten. Der richtige Farbenton ist schwer zu treffen, - und die Präparate werden oft blauviolett und lassen kaum feinere Structur erkennen. Es wurde daher im weiteren Verlaufe, wo es sich um die feinere Kernstructur, der Sporogonien und Sporo- eyten handelte, die Färbung mit Hämatoxylin in Anwendung ge- zogen. Von einer aleoholischen Lösung dieses Farbstoffes, gleich- viel welcher Concentration, wurden soviel Tropfen einer 1/,°/, Alaunlösung zugefügt, bis dieselbe eine leicht veilchenblaue Fär- bung annahm. In dieser Lösung verblieben die Schnitte 24 Stun- den, event. auch länger, bis sie eben bläulich wurden. Der rich- tige Färbegrad wurde durch das Mikroskop festgestellt. Es trat so keine Ueberfärbung ein und die lästige und unsichere Entfär- bung durch Salzsäurealeohol fiel weg. Es färbten sich auf diese Weise nur die chromatischen Elemente. Die Kemtheilungsfiguren in der Hodensubstanz des Regenwurmes dienten als Kriterium der gelungenen Färbung. Auf diese Weise gelang es vor allem in den Sporogonien und später in den Sporocyten die Vorgänge zu eonstatiren, die im Vorhergehenden beschrieben wurden. Auch die anderen Parasiten wurden nach dieser Methode gefärbt und ergaben immer klare und distinete Färbungen. Bei Schnecken- nieren ist es oft von Vortheil, besonders im Winter, die Unmassen von Harnsäurekörnchen durch Lithion earbonicum zu entfernen. Das Bild gewinnt dadurch bedeutend an Uebersichtlichkeit. Zu erwähnen ist noch, dass die meisten Uopulationen und Kerntheilungsvorgänge Ende Mai und Anfangs Juni beobachtet wurden. Es stimmt dies mit den Angaben von Ruschhaupt überein. Bei der Ulepsidrina scheint dagegen keime Zeit beson- ders bevorzugt zu sein. Helix nemoralis und hortensis habe ich von verschiedenen Plätzen und Gärten untersucht, und dabei nie die Parasiten vermisst. Die Beobachtung von Kloss, dass die Exemplare die zahlreichsten Parasiten haben, deren Schaale ver- letzt gewesen, wurde durchweg bestätigt. Helix pomatia wurde nie infieirt gefunden. 134 Wolters: Die Zeiehnungen zu den beigefügten Tafeln verdanke ich der Güte meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. Nussbaum. Ich bin ihm dafür ebenso verpflichtet wie für das Interesse, das er dem Fortschreiten meiner Untersuchungen bewahrte. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V—VI. . Natel N. Fig. 1. Schnitt durch eine Syzygie von Monocystis magna vor Aus- scheidung der Cystenhaut. Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss E, Oc. 2. Schnitt durch eine Cyste von Monocystis magna. Präparation und Vergrösserung wie vorher. In jedem Copulanten ein Kern. Fig. 3. Kern und umgebende Leibessubstanz aus einer frei beweg- lichen Monoecystis magna. Flemming’sche Lösung. Vergr. Winkel Syst. 8, Oec. 3. Fig. 4. Schnitt durch eine freie Monoeystis magna. Der Bau der Leibessubstanz ist nur zum Theil auf der rechten Seite wiedergegeben. Der Kern ist bläschenförmig, im leicht tin- girten Nucleolus mehrere stärker gefärbte Körnchen. Flem- ming’sche Lösung. Vergr. Zeiss F, Oc. 2. Fig. 5. Schnitt durch eine Monocystis agilis. Unten in der Figur ein „geflammter* Kern. Flemming’sche Lösung. Vergr. Winkel 6, Oc. 3. Fig. 6. Schnitt durch eine Monocystis agilis. Kern mit einem com- pakten Nucleolus. Präparation und Vergrösserung wie in Fig. 5. Schnitt durch eine Cyste der Monoeystis magna im Stadium der Richtungskörperbildung. Kerntheilung links im oberen Syzygiten. Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss E, Oc.2. Fig. S—10. Schnitte durch eine Cyste der Monoeystis agilis. Schnitt- stärke 15u. Fig. 9 ist um zwei Schnitte von Fig. 8, und Fig. 10 um 3 Schnitte von Fig. 9 entfernt. In der ganzen Cyste kommen nur die in Fig. 8 und 10 abgebildeten und in Theilung begriffenen Kerne vor. Fig. 8 stellt den Kern des einen, Fig. 10 den des anderen Syzygiten dar. In Fig.9 die Communicationsbrücke. Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss E, Oc. 2. Fig. 11 u. 12. Zwei aufeinander folgende Schnitte durch eine Cyste von Monoecystis agilis. Der Kern liegt in jedem der Syzy- giten nahe der Copulationsfläche. Cystenhaut ist nicht dar- gestellt. Präparation und Vergrösserung wie vorher. Er gg ID er Yo 1 Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 135 Fig. 15 u. 14. Zwei aufeinander folgende Schnitte durch eine Cyste von Monoecvstis agilis. Der Kern in Fig. 13 geht durch die Communicationsbrücke von einem Syzygiten in den andern über. Der Kern der Fig. 14 stellt die Fortsetzung des Kernes der Fig. 13 in den oberen Syzygiten hinein, dar. (Der ein- zige Kern der Cyste fiel, da er gebogen ist, in zwei Schnitte.) Präparation und Vergrösserung wie vorher. Fig. 15. Syzygiten der Monoeystis agilis innerhalb der Cyste mit den in der Nähe der Conjugationsebene gelegenen Theilungs- spindeln. Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss. Im. 3, De.'2. Fig. 16. Die Kernfigur aus Fig. 5 stärker vergrössert. arte lv Fig. 1 u. 2. Kernformen aus den beiden Syzygiten einer Cyste von Monoeystis agilis, beide an der Peripherie gelegen. Fig. 1 zeigt den einen Kern im Stadium der Mitose mit ausgebil- deter Polstrahlung, achromatischer Spindel und den Chromo- somen. Die achromatische Spindel zerfällt in zwei Theile, der centrale Theil derselben ist fein längsgestrichelt, ihr äusserer Mantel besteht aus derberen Fasern, die sicher nicht von einem Pol zum anderen ziehen. - Der Kern der Figur 2 hat eine deutliche Membran, sein fester Inhalt ist in zwei grössere Klumpen angeordnet, von denen feine Fortsätze aus- strahlen und in denen stärker gefärbte Körnchen liegen. In der Figur ist auch die ringfösmige Anordnung des Proto- plasmas um den Kern mit den feinen Ausstrahlungen nach der Peripherie hin angedeutet. Pikrin-Essig-säure. Vergr. Leitz homog. Im. 1/j., Oe. 4. Fig. 3. Schnitt durch eine Cyste der Monocystis agilis mit einem Kern und der Protoplasmaanhäufung an der Communica- tionsbrücke. Flemming'’sche Flüssigkeit. Vergr. Leitz hom. Im. Y/g Oec. 0. Fig. 4 Peripherer Schnitt durch eine Cyste der Monoeystis agilis mit Kernen verschiedener Grösse und verschiedenen Stadien der Theilung. Präparation und Vergr. wie vorher. Fig. 5. Schnitt durch eine Cyste der Monocystis agilis mit Sporo- blasten an der Peripherie des Centralkörpers. Fig. 6. Schrägschnitt durch eine Cyste der Monocystis agilis; der obere Syzygit mit verschiedenen Kernformen und ihrem Protoplasmahof peripher, der untere central getroffen. Die Schnittrichtung ergiebt sich aus der Controlle der übrigen Schnitte dieser Cyste. Pikrin-Essig-säure. Vergr. Leitz hom. Im. I. Oe. 0. Fig. 7. Cyste der Monocystis agilis mit bindegewebiger Kapsel, Fig. Fig. Fig. x Fie., Wolters: 8. Peripherer Schnitt durch eine Cyste der Monocystis agilis mit Kerntheilungsfiguren in jedem Syzygiten. Pikrin-Essig-säure. Vergr. Zeiss E, Oc. 2. 9—11. Sporogonien und eingebuchteter Centralkörper in Cysten der Monoeystis agilis und magna. 12—20. Entwickelung der Sporen und ihrer Cyste aus der Sporo- &onie bei Monocystis magna. Pikrin-Essig-säure. Leitz hom. Im. 0e.'4 Dafel yıT. 1. 2.3. 4. Kernformen aus Syzygiten der Clepsidrina Blattarum. Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss F, Oc. 2. 5. Feiner Schnitt. &. 6. Dickerer Schnitt durch den „zeflammten“ Kern und seine Um- gebung von Clepsidrina Blattarum. Präparation und Ver- grösserung wie vorher. Syzygie der Cleps. Blatt. mit „zeflammtem“ Kerne im oberen und membranhaltigem Kerne, dessen cehromatische Substanz rosenkranzartig angeordnet ist, im unteren Syzygiten. Zi ig. 8. Schnitt durch eine junge Cyste der Cleps. Blatt. Ausser den Deutomeriten ist auch das Protomerit des einen Syzygiten im Schnitt getroffen. 9. Schnitt durch eine gleiche Cyste mit Theilen der Deutomerite oben und unten von der Contactfläche, einem „geflammten“ Kern im oberen Syzygiten und Abschnitten der Protomerite rechts und links von der Contaectfläche. 10. Schnitt durch die Contactfläche zweier Syzygiten mit einem Kerne in rosenkrartzförmiger Anordnung des Chromatins im oberen Syzygiten. 11. Schnitt durch eine Cyste desselben Thieres mit Sporen im Centrum. Die Hüllen der Cyste sind nicht dargestellt. 12. Peripherer Schnitt durch eine ältere Cyste mit grösseren Sporen in Strängen und Lücken im Restkörper. Präparation bei Fig. 8-12 Flemming’sche Lösung. Vergr. Zeiss CC, Oe..2. Tafel:yII. 1. Schnitt durch die äussere Leibesschicht einer Clepsidrina Blatt. senkrecht zu den Längsrippen der Cuticula. Im der Figur folgen sich von oben nach unten Cuticula, Ectosark, Ento- sark. Flemming’sche Lösung. Leitz hom. Im. Ye. 2. Epithelzellen mit Fransensaum aus dem Mitteldarme der Blatta orientalis, infieirt mit verschiedenen Entwickelungsstadien der Clepsidrina Blattarum. Flemming’sche Lösung. Vergr. Leitz hom. Im. 1/je, Oe. 2. 3. Eine Olepsidrina Blatt. mit dem Epimerit in einer Zelle des Mitteldarmes der Blatt. orientalis festgeheftet. —| Die Congugation und Sporenbildung bei Gregarinen. 137 Junge Form der Clepsidrina Blatt, frei im Mitteldarme der Blatt. orientalis. Flemming’sche Lösung Safranin, Balsam. Wegen der Präparationsmethode ist die äussere Leibesgrenze und die Cutieula nicht sichtbar. Vergr. Leitz hom. Im. Y/yo Oe. 2. Nierenepithelien der Helix nemoralis mit Fransenbesatz, Harn- säureconerement in der nach links gelegenen äussersten Zelle und einer jungen Klossia in der daneben gelegenen. Flem- ming’sche Lösung. Vergr. Zeiss F, Oc. 2. Sehnitt durch eine Nierenzelle mit vergrössertem Kerne und in der Zelle liegenden Klossia. Schnitt durch eine lang ausgezogene Nierenzelle von Helix nemoralis mit hypertrophischem Kern an der Basis, vier kleinen und einer grossen Klossia. Präparation bei 6 und 7 Pikrin- Essig-säure. Vergrösserung Zeiss F, Oc. 2. .8 u. 9. Kernformen und netzförmige Anordnung des Protoplasmas. gehärteter Klossia. . 11. 12. Sporogonienbildung bei Klossia. Fig. 10 und I1 aus derselben Cyste, Fig. 10 von der Peripherie, Fig. 11 durch den Aequator der Cyste, Fig. 12 durch den Aequator einer älteren Cyste. Pikrin-Essig-säure. Vergr. Leitz 5, Oc. 2. Schwund der Kernmembran und Auftreten von färbbaren Körnchen neben dem Nucleolus im Inneren des Kernes. Schnitt durch eine Klossia in Pikrin-Essig-säure gehärtet. Vergr. Leitz hom. Im. 1/,., Oec. 2. Schnitt durch den Aequator eines membranlosen „geflamm- ten“ Kernes und den gefärbten Körnchen im Inneren sowie durch die umgebende Leibessubstanz einer Klossia. Pikrin- Essig-säure. Vergr. Leitz hom. Im. Y/ıe, Oe. 4. Isolirte Nierenzelle von Helix nemoralis mit stark entwickeltem Borstensaum ringartig verdünnter Zellsubstanz, in der unten der Kern der Zelle, links eine junge Klossia, and in der Mitte eine kugelixz gewordene ausgewachsene Klossia ohne sicht- baren Kern in ihrer Cystenhaut gelegen ist. Frisch in Schnecken- blut bei Leitz Syst. 7, Oe. 2 untersucht. Schnitt durch eine Nierenzelle, die mit einer Klossia auf dem- selben Stadium der Entwickelung wie auf der vorhergehenden Figur infieirt ist. Der Kern der Nierenzelle ist in diesem Schnitt nicht getroffen. Der Kern der Klossia ist geflammt. (Alle anderen Kernformen sind auch während des Lebens sichtbar.) Präparation Flemming’sche Lösung. Vergr. Leitz hom. Im. I/,, 0e22 Flimmerzelle und Heidenhain’sche Stäbchenzellen aus dem zweiten Abschnitt der Niere von Helix nemoralis. Flem- ming’sche Lösung. Schnitt durch eine Nierenzelle und ihren Kern von Helix ne- moralis mit einer eingelagerten Klossia, deren Kern geflammt 138 Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22 Fig. 23. Fig. 24. Wolters: Die Conjugation und Sporenbildung etc. ist und viele einzelne färbbare Körnchen enthält. Pikrin-Essig- säure, Eine Sporogonie der Klossia in Flemming’scher Lösung ge- härtet. Vergr. Leitz hom. Im. !/ı,, Oc. 4 bei ausgezogenem Tubus. Kernvermehrung in den Sporoeysten. Pikrin-Essig-säure. Vergr. wie Fig. 19. Sporoeysten und Kernbilder in denselben. Klossia. Flem- ming’sche Lösung. Vergr. Leitz !/;;, hom. Im. Oe. 4. Schnitt durch eine Nierenzelle der Helix nemoralis mit einer Klossia, die an der Peripherie kleinere Kerne zeigt, während im Centrum kein Kern mehr vorhanden ist. Der Kern der Nierenzelle ist in diesem Schnitt nicht getroffen. Pikrin-Essig- säure. Vergr. Leitz bom. Im. !/s, Oc. 0 bei ausgezogenem Tubus. n Sporocyste mit Sporen und dem Sporoephor von Klossia, frisch in Schnecekenblut untersucht. (Die Kerne der Sporen sind nach einem Präparat aus Pikrin-Essig-säure eingezeichnet.) Vergrösserung Leitz hom. Im. 1/, Oc. 2 bei ausgezogenem Tubus. Nierenzelle einer Helix nemoralis mit Kern und Borstensaum mit einer in ihrem Inneren gelegenen encystirten und in die einzelnen Sporocysten getheilten Klossia. Frisch in Schnecken- blut untersucht. Vergr. Leitz Syst. 7, Oe. 2. Ribbert: Ueber die Regeneration der Mammilla ete. 139 Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen über ihre Entwicklung. Von Prof. Dr. Ribbert., erstem Assistenten am pathogischen Institut zu Bonn. Hierzu Tafel IX. Ueber die Regeneration der Mammilla haben unter meiner Leitung Stuckmann!) und Krapoll?) Untersuchungen ange- stellt und in ihren Dissertationen beschrieben. Die gewonnenen Resultate habe ich durch weitere Experimente ergänzt. Sie scheinen mir wichtig genug, um einem grösseren Leserkreis, als er Dissertationen beschieden zu sein pflegt, vorgelegt zu werden. Sie gaben mir auch Veranlassung, einzelne Stadien der normalen Entwicklung der Mammilla, die zuletzt von Rein?) eingehend untersucht wurde, mit Bezug auf ihre feinere Histologie einer Prüfung zu unterziehen, deren Ergebnisse ich im Anschluss an die Darlegungen über die Regeneration mittheilen werde. I. Die Regeneration der Mammilla. Die Mammilla wurde bei jüngeren und älteren weiblichen und männlichen Kaninchen und bei Hündinnen mit der Scheere oder dem Messer zu einem Drittel oder zur Hälfte abgetragen. Auf der Wunde bildete sich sehr bald ein Schorf, unter welchem 1) Stuckmann, Experimentelle und histologische Untersuchun- gen über die Regeneration der weiblichen Mammilla, Bonn 1889. 2) Krapoll, Exper. u. histol. Unters. über die Regeneration der männlichen Mammilla, Bonn 1890. 3) Dieses Archiv, Bd, 20 u. 21. 110 Ribbert: (lie Heilungsvorgänge abliefen. Die in verschiedenen Intervallen ausgeschnittenen, in Flemming'scher Lösung oder in 0,2 procen- tiger Chromsäure und Alkohol gehärteten Objeete wurden im senkrechte, mit den Ausführungsgängen parallele Schnitte zerlegt. a) Uebersicht über den Verlauf der Regeneration. 1. Untersuchung nach 24 Stunden. (Fig. 1.) Der Schorf hängt fest mit der Wundfläche der Mammilla in einer leicht unregelmässigen welligen Linie zusammen. Er be- steht aus zwei rasch ineinander übergehenden Lagen, einer dunkel gefärbten unteren und eimer helleren oberen. Die dunkle Be- schaffenheit ist bedingt durch die Gegenwart dicht gedrängter kleiner, unregelmässiger Kerne, die sich in der helleren oberen Schicht nur spärlich finden. Das angrenzende Bindegewebe der Mammilla ist mit mehrkernigen Leukoeyten mfiltrirt, durch deren gegen die Wundlinie zunehmende Zahl der Uebergang in den Schorf rasch und ohne scharfe Grenze vermittelt wird. Nach abwärts verliert sich die zellige Infiltration allmählich. Die fixen Gewebszellen smd im ihrem Bereich deutlich vergrössert. Die Ausführungsgänge der Milchdrüse sind weit, verengen sich aber in der Nähe des Sehorfes. Ihr Lumen findet vielfach in letzterem eine enge, unregelmässige, frei ausmündende Fort- setzung, die von einem dunkel tingirten, nach innen zackig, gegen den Schorf sehr scharf begrenzten Saum umgeben ist (Fig. 6). Dieser Saum besteht aus schräg gestellten, nach der Mittellinie bogenförmig convergirenden, sehr schmalen Zellen, deren lang ausgezogene Kerne intensiv gefärbt sind. Er geht nach unten continuirlich über in das Epithel der Milchgänge und zwar so, dass die Zellen ziemlich rasch breiter und niedriger, die Kerne ovaler und heller werden. Es kann also nicht zweifelhaft sein, dass die Drüsenepithelien in die aufgelagerte Gerinnungsmasse hineingedrungen sind, hier aber Veränderungen erleiden, welche als degenerative aufzufassen sind. Man kann annehmen, dass sie später mit dem Schorf, dem sie fest anhaften, abgestossen werden. In der That finden wir diese Voraussetzung, wie vorweg bemerkt sen mag, an den Präparaten der folgenden Tage bestätigt. Ueber die Reseneration der Mammilla nebst Bemerkungen ete. 141 T [e] Die Epithelien der Drüsengänge zeigen ihrer Vermehrung entsprechende Proliferationsvorgänge. Ich konnte in jedem Gange eewöhnlich zwei, nicht selten aber auch drei und vier Mitosen nachweisen. Das Vordringen der Drüsenepithelien in den Schorf ist aber nicht in allen Präparaten und nicht über allen Ausführungsgängen nachzuweisen. Sehr oft ragt es nur auf eine kurze Strecke, in vielen anderen Fällen gar nicht m die untere dunkle Schieht desselben hinein. Die Epidermis an der Seite der Mammilla nimmt gegen die Wundgrenze hin an Dicke allmählich zu, um am Rande derselben etwa die doppelte oder dreifache Dieke der normalen Lage zu besitzen. Es ragt beiderseits etwas unter den Schorf vor, ent- weder als kurzer mit ihm paralleler oder auch als leicht nach abwärts geneigter Fortsatz, der nach innen gewöhnlich abgerundet endet. Es findet also die Regeneration schon in einem Vordringen des Epithels auf die Wundfläche ihren Ausdruck und dement- sprechend bemerkt man in dem neugebildeten Fortsatz sowohl wie in dem angrenzenden an der Seite der Mammilla gelegenen Epithel einzelne Mitosen. Jedoch fällt auf jeden Schnitt durch- schnittlich nicht mehr als eine. Diese Angaben gelten für den ersten an einem Jungen weib- lichen Kaninchen angestellten Versuch. Bei einem ausgewachsenen Thier war das Verhalten in der Hauptsache das gleiche, indessen war das Deckepithel schon weiter zwischen Schorf und Wund- fläche vorgedrungen, etwa bis zur Hältte der Entfernung des Wundrandes vom nächsten Ausführungsgang. Es verjüngte sich vielfach in der Richtung seines Wachsthums bis zu emer ein- zelligen Lage. In dem neugebildeten Epithel fanden sich nur spärliche, in dem angrenzenden restirenden ziemlich zahlreiche Mitosen, etwa zwei auf jeder Seite in jedem Schnitt. Das Epithel der Ausführungsgänge enthielt nur sehr wenige Kemtheilungs- figuren. In einem dritten und vierten Falle boten die Präparate in den wichtigsten Punkten das gleiche Aussehen. Die Verhältnisse während der ersten 24 Stunden genauer zu schildern erschemt überflüssig. Erwähnt sei nur, dass die Diekenzunahme des Deckepithels am Wundrande schon nach acht 143 Ribbert: Stunden deuflich ist und auf einer Grössenzunahme der einzelnen Epithelien beruht, dass ferner auch an einem siebzehnstündigen Präparat schon einzelne Mitosen in der Epidermis und dem Epithel der Milchgänge sichtbar waren. 2. Untersuchung nach 48 Stunden. (Fig. 2.) Der Schorf haftet der Kuppe der Mammilla noch fest an, indessen sitzt er an keiner Stelle dem Bindegewebe mehr auf, sondern überall dem Deckepithel, welches über die ganze Wund- fläche herübergewachsen ist. Es übertrifft zwischen den Oeffnungen (der Milchgänge und seitlich von ihnen das normale Epithel um (das Vielfache. an Dicke, verjüngt sich gegen den Rand der frü- heren Wunde sehr rasch um !/,—!/, und geht darauf an der Seitenfläche der Warze allmählich in die normale Lage über. Es bildet also in den mittleren Theile der Amputationsfläche einen sehr breiten Zapfen, der, oberflächlich ziemlich glatt, an seiner unteren Seite kürzere und längere Fortsätze besitzt. Durch ihn treten nun die Milehgänge hindurch und zwar so, dass sie unten zunächst von‘ jenen Fortsätzen umgeben sind. Sie verengen sich in der Nähe seines unteren Randes und ihr Lumen geht als ver- hältnissmässig schmaler Kanal mit theils glatter, theils zackiger Begrenzung durch ihn hindurch. Die Oylinderzellen der Aus- führungsgänge reichen nun nicht nur bis an die Epidermis, son- dern setzen sich auf der Innenfläche des in dieser gelegenen Kanales bis fast an seinen äusseren Rand fort. Dabei liegen sie dem Deekepithel direkt auf, sind aber zum Lumen nicht so regelmässig geordnet wie im den erhaltenen Theilen der Milch- gänge, sondern entweder schräg oder parallel zu ihm gestellt (Fig. 7). Dadurch ist es auch bedingt, dass die zellige Aus- kleidung des engen Kanalabschnittes meist beträchtlich niedriger ist, als die des restirenden Theiles der Ausführungsgänge. Um eine möglichst übersichtliche Darstellung der Regene- rationsprocesse zu ermöglichen, soll hier und in den zunächst folgenden Beschreibungen von den Beziehungen des Drüsenepithels zu dem neuen äusseren Epithel nur im den Hauptzügen, nicht in Ueber die Regeneration der Mammilla nebet Bemerkungen ete. 143 allen Einzelheiten die Rede sein. In einem besonderen Abschnitt werde ich unten darauf zurückkommen. Im Deckepithel, im Epithel der Milchgänge und im Binde- gewebe finden sich zahlreiche Mitosen. Von dem Verlauf des Regenerationsvorganges während der ersten beiden Tage können wir uns nunmehr folgende Vorstel- lung machen. Die Epidermis ist vom Rande her allmählich über (die ganze Wundfläche herübergewachsen und an den Ausführungs- gängen der Milchdrüse mit dem Epithel derselben zusammen- gestossen, dann aber hat sie über ihren Oeffnungen keine Decke gebildet, sondern als Fortsetzung ihres Lumens einen engen Kanal freigelassen, auf dessen Innenfläche sieh das Oylinderepithel in unregelmässiger Weise bis zur freien Oberfläche vorgeschoben hat. In der Umgebung der Ausführungsgänge ist sie. dann mit breiteren und schmaleren Fortsätzen in die Tiefe, in das restirende Bindegewebe der Mammilla hineingewachsen. 3. Untersuchung nach 72 Stunden. (Fig. 3 u. 4.) Von dem Schorf findet sich nur noch ein kleiner unregel- mässig geformter Rest. Er sitzt nicht mehr auf einer glatten Epithelfläche, da die Mitte derselben eine in einzelnen Schnitten flache, in anderen etwas zugespitzte Vertiefung zeigt, in welcher der Schorf noch lose anhaftet. Das Epithel ist über der Wund- fiäche wieder stark verdickt, aber nun gegen das Bindegewebe nicht nur in flachen Bogen abgesetzt, sondern mit tiefgreifenden Fortsätzen versehen. In der Mitte des Zapfens, der Einsenkung entsprechend, ist das neugebildete Epithel am dieksten, und springt am weitesten, mit mehreren fingerförmigen Ausläufern, nach unten vor (Fig. 3). In diesem mittleren Abschnitte münden nun die Drüsengänge. Ihr Lumen setzt sich durch die Epidermis als enger, etwas unregelmässiger Kanal fort und ist auch hier mit einem, vielfach zerfallenden Cylinderepithel ausgekleidet, welches den Epidermiszellen wieder unvermittelt aufsitzt. Die Gänge treten aber durch das Epithel nicht parallel hindurch, sondern mit einer mehr oder weniger deutlichen Neigung gegen (lie Mittellimie, also gegen die erwähnte Einziehung der Ober- 144 Ribbert: fläche, an «deren tiefster Stelle und Seitenfläche ihre äusseren Oefinungen liegen. Wie ist nun die Einsenkung zu Stande ge- kommen? Da man seitlich von ihr unter dem neuen Epithel deut- lich jugendliches proliferirendes Bindegewebe von dem alten Ge- webe der Mammilla abgrenzen kann, so handelt es sich offenbar darum, dass die peripheren Parthien der Amputationsfläche durch (las Granulationsgewebe höher geworden sind, während central (die Epidermis im Zusammenhang mit dem Rande der durch- schnittenen Ausführungsgänge nicht im gleichem Maasse aufge- stiegen ist und dadurch zu einer nabelartigen Vertiefung desjenigen mittleren Abschnittes der neuen Epithellage geführt hat, ın welchen die Drüsengänge ausmünden. Diese mussten daher eine convergirende Richtung annehmen und in die Einsenkung aus- münden. + Nicht selten sieht man auch, dass die Ausführungsgänge nicht einzeln die Epidermis durchbrechen, sondern sieh dicht unter ihr zu zweien oder dreien zu .einem gemeinsamen Lumen vereinigen, welches für sich dann aber die gleichen Beziehungen zum Deckepithel aufweist. In einem zweiten Falle (Fig. 4), bei einem jungen weib- lichen Kaninchen, ist der Zapfen gleichfalls central etwas einge- bogen, aber nach unten noch vielgestaltiger. Er greift wie mit Wurzeln in eine Tiefe von fast '/, Millimeter, ist aber noch weit beträchtlicher als in dem vorigen Falle in das alte Bindegewebe unter das Wundniveau vorgedrungen, dessen Grenze an dem Unterschiede zwischen dem restirenden Gewebe und dem aus ihm hervorsprossenden jugendlichen Granulationsgewebe leicht zu er- kennen ist. Das Abwärtswachsen des Epithels ist nun dieht am Rande oder besser an der Aussenseite der Ausführungsgänge erfolgt. Dabei spitzt es sich nach unten gewöhnlich etwas zu. Dement- sprechend treten die Drüsengänge am unteren Umfange der einzelnen Epidermiszapfen ein, um, nicht immer geradlienig und meist zu ein- andergeneigt, mit unregelmässigem Oylinderepithel ausgekleidet, eine Strecke weit in ihm nach aufwärts zu verlaufen. In keinem Sehnitte dieses Objeetes konnte aber eine Ausmündung von Drü- sengängen auf der Oberfläche gesehen werden. Es musste sich daher, da die Schnittreihe vollständig war, um eine blinde Endi- eung der Gänge im Deekepithel handeln, welches somit in die- > Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen etc. 145 sem, allerdings auch dem einzigen zur Beobachtung gekommenen Falle, von der Seite her nieht nur bis an den Rand der Drüsen- öffnungen gelangt, sondern über diese eontinuirlich hinweggewach- sen ist. Die besprochene Eimsenkung des centralen Thheiles der neu- eebildeten Epidermis findet sich nun nicht in allen Fällen. Bei einem nahezu ausgewachsenen Thiere war die Oberfläche eben und die Ausführungsgänge verliefen parallel mit einander durch die neue Epithellage, die aber auch hier an der Seite der Gänge Fortsätze nach abwärts schickte und um das Mehrfache dieker war als die normale Epidermis. Eine Vereinigung von zwei oder (drei Gängen zu einem gemeinsamen Lumen war auch in diesem Falle in vielen Schnitten vorhanden. Die von den einzelnen Thieren gewonnenen Präparate des dritten Tages unterscheiden sich also durch die Dieke und die Gestalt des neugebildeten Epidermiszapfens. So weit ich sehe, hat dies seinen Grund in dem verschiedenen Alter der Thiere. Bei jungen Kaninchen wuchert das Epithel lebhafter und bildet, nachdem es die kleinere Wundfläche schneller überwachsen hat, eine diekere Lage, die tiefer in das alte Bindegewebe vordringt als bei älteren Thieren. 4. Untersuchung nach 4 und mehr Tagen. (Fig. 5.) Die Präparate vom vierten Tage ab einzeln zu beschreiben, würde viele Wiederholungen bedingen, da die von Tag zu Tag sich vollziehenden Veränderungen nicht sehr gross sind und da andererseits auch nicht nach Ablauf der gleichen Zeit in allen Versuchsreihen dieselben Entwicklungszustände vorhanden sind. So fand sich z.B. bei einem erwachsenen weiblichen Kaninchen an einem Präparat vom fünften Tage dasselbe Verhalten, wie wir es an den bisher beschriebenen Objeeten schon am zweiten Tage wahrnahmen. Diese Verschiedenheit erklärt sich theils daraus, dass bei jüngeren Thieren die Regenerationsprozesse lebhafter ablaufen als bei älteren, bei denen dementsprechend auch die Dieke des neuen Epithels nicht so beträchtlich wird, theils da- raus, dass bei erwachsenen Kaninchen in Folge des grösseren Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 10 146 Ribbert: Durehmessers der Mammilla die mit Epithel zu überkleidende Fläche erheblich grösser ist und desshalb längere Zeit zur Ueber- häutung beansprucht. Die Schilderung soll also nunmehr im Zusammenhang weiter- geführt werden. Die Regenerationsvorgänge sind vom vierten Tage ab haupt- sächliceh dadurch gekennzeichnet, dass die Mammilla im Ganzen in die Höhe wächst. Dies kommt dadurch zu Stande, dass aus dem Bindegewebe «der Amputationsfläche junges Granulations- gewebe hervorsprosst und, wenn wir so sagen dürfen, das neu- gebildete Epithel nach oben vor sich herdrängt. In einem Prä- parate vom siebenten Tage war die Dicke dieses neuen Binde- gewebes etwa das Doppelte von derjenigen der neuen Epithel- lage, während diese selbst etwa 3—4 Mal so dick war wie das normale Epithel an der Seite der Mammiilla. Das Höhenwachsthum gestaltet sich nun etwas verschieden dadurch, dass in einigen Versuchsreihen, vorwiegend bei jungen Thieren, wie eben beschrieben, die neue Epitheldecke central eine Einziehung und eine grössere Dicke zeigt und dass hier die Drüsengänge convergirend nahe neben einander ausmünden, wäh- rend bei den übrigen Versuchen, die hauptsächlich ältere Thiere betreffen, die Ausführungsgänge parallel, wenn auch nur selten jeder für sich, sondern meist zu zweien oder dreien vereinigt, durch das gleichmässig dieke, nicht mit centralem Nabel ver- sehene Epithel hindurchtreten. Die letzteren Fälle als die ein- facheren, seien zunächst dargestellt. Wenn wir nun die Mammilla durch die seitlich von den Ausführungsgängen und zwischen ihnen vor sich gehende Neu- bildung von Granulationsgewebe höher werden, dabei aber den Zusammenhang der Epidermis mit dem Epithel der Drüsenkanäle erhalten sehen, so kann dies nur dadurch geschehen, dass entweder die um die Gänge gebildeten eylindrischen Einsenkungen der Epidermis mit dem Wachsthum der ganzen Brustwarze höher werden oder die Ausführungsgänge sich durch Wucherung ihres Epithels nach oben verlängern. Der letztere Vorgang kommt nun für die definitive Gestaltung hauptsächlich in Betracht. In der ersten Zeit nach dem dritten Tage ist freilich von einem Wachsthum der Drüsengänge nach oben noch wenig wahr- zunehmen, so dass dann der weitaus grösste Theil der durch Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen ete. 147 das neugebildete Bindegewebe hindurchtrötenden Lumina noch rings vom Deekepithel umgeben ist. Weiterhin aber zieht dieses sich mehr und mehr nach oben zurück, gefolgt von dem nunmehr in gleicher Riehtung wachsenden Drüsenepithel. Jedoch bleibt auch in den ältesten Präparaten nach Analogie der normalen Verhältnisse ein mehr oder weniger grosser Abschnitt der Aus- führungsgänge von dem ceylindrisch sich einsenkenden äusseren Epithel umgeben (Fig. 5 u. 9). Am einfachsten sind diese Verhältnisse dann zu übersehen, wenn nur ein einzelner Gang für sich ausmündet. Aber auch wenn zwei oder drei sich vereinigen, ist in der Hauptsache das gleiche zu beobachten. Die zwischen ihnen gelegenen, sie tren- nenden, auch auf ihrer Kante von Cylinderepithel überzogenen Leisten (Fig.5) erheben sich nur wenig und langsam und so ent- stehen sehr weite Ausmündungsabsehnitte, die nun noch dadurch der Form rundlicher Hohlräume sich nähern können, dass das äussere Epithel meist vorpsringt und so nicht eine der gemein- samen Strecke entsprechende, sondern eine engere Oeffnung freilässt. Die einzelnen Gänge sowohl wie die mehreren Gängen ge- meinsamen Absehnitte können durch Reste des Schorfes oder oder durch verhorntes Epithel verengt oder verlegt sein. Der Verlauf des Regenerationsprocesses bei jungen T'hieren mit der erwähnten nabelartigen Einziehung auf der Höhe der Mammilla, der diekeren Epithellage und mit der wurzelähnlichen Verzweigung derselben gestaltet sich nun in den späteren Stadien ganz analog. Die centrale Einsenkung verschwindet allmählich und zwar dadurch, dass das Epithel sich auch in ihrem Bereich immer mehr erhebt. Es geschieht dies wie in den seitlichen Theilen durch Bildung eines jungen Granulationsgewebes an sei- ner Unterfläche. Dasselbe drängt die Epithellage nach aufwärts vor sich her, wobei sich auch das um die Milchgänge ringsum nach abwärts gewachsene äussere Epithel mehr und mehr nach oben zurückzieht. So werden die Ausführungsgänge zunächst wieder bis zur Höhe der Amputationsfläche von Bindegewebe umgeben, dann geht das weitere Wachsthum ganz wie eben be- reits beschrieben vor sich. Auch hier vereinigen sich häufig mehrere Gänge und bilden in ihrem gemeinsamen Abschnitt la- eunäre Erweiterungen. Die anfänglich so beträchtlich dieke Epi- 148 Ribbert: thellage wird rasch dünner, bis sie am Ende der dritten Woche nur noch etwa drei Mal höher ist, als die benachbarte (Fig. 9). Das junge Bindegewebe hat zu dieser Zeit etwa die neunfache Dieke der neuen Epithellage. b) Genaue Erörterung einiger Einzelheiten des Regenerations- vorganges. 1. Das Verhalten der Kerntheilungsfiguren in der Epidermis. Wie oben bemerkt, konnten schon in den siebzehnstündigen Präparaten in der Epidermis am Rande der Wundfläche einzelne Mitosen aufgefunden werden. In grösserer Zahl sieht man sie nach 24 Stunden, in Präparaten also, in denen das Epithel erst mit emem kurzen Fortsatz unter dem Schorf vorspringt, der grösste Theil der Wunde aber noch unbedeckt ist. Die einzel- nen Schnitte verhalten sich freilich sehr verschieden. Bald nimmt man nur 1—2 Kerntheilungsfiguren und zwar zuweilen nur auf einer Seite des Präparates, bald bis zu 4 auf jeder Seite wahr. Nach 48 Stunden, wenn die ganze Wundfläche mit Epithel über- zogen ist, sind die Mitosen noch zahlreicher. Auch im den von älteren Thieren herrührenden Objecten, in denen selbst am dritten, vierten und fünften Tage die Ampu- tationsfläche noch nicht ganz mit Epidermis überzogen ist, finden sich viele karyokinetische Figuren m dem vordringenden Epithel, oft nicht weniger als in den anderen Versuchsreihen am zweiten Tage. ‚Dass in den späteren Stadien die Mitosen allmählich an Zahl abnehmen, bedarf kaum einer besonderen Erwähnung. Was die Lage der Figuren angeht, so sieht man sie haupt- sächlich in den tieferen Schichten der Epidermis. Ferner liegen sie am zahlreichsten nicht sowohl im dem unter dem Schorf vor- gedrungenen Abschnitt, als vielmehr in dem an ihn angrenzenden alten aber gleichfalls etwa auf die Hälfte bis auf das Doppelte verdiekten Epithel. Jedoch gilt das nicht für alle Schnitte. Ge- legentlich beobachtet man die Figuren auch am reichlichsten in jenem Abschnitt und zwar selbst in seinen am weitesten vorge- (rungenen Zellen. Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen ete. 149 2. Die Wachsthumserscheinungen des Epithels der Ausführungsgzänge. 9703 oO Das Epithel der durchschnittenen Ausführungsgänge wächst in vielen Fällen, wie wir sahen, schon während der ersten 24 Stunden in den Scehorf hinein und durch ihn hindurch. Es ist aber leicht verständlich, dass die so im die Höhe gewachsenen Zellen bald absterben und mit dem Sehorf entfernt werden. In- dessen ist diese Entfernung gewöhnlich nicht so vollständig, dass nicht noch eine 3—4 Lagen umfassende Zellschicht über dem Niveau der Wundfläche zurückbliebe. Sie bildet aber keine gleich weite röhrenförmige Fortsetzung des Ganges. Vielmehr conver- giren die Zellen nach der Mittellinie und stossen hier nicht selten an einander, so dass eine bald mit enger Oeffnung versehene, bald nicht durchbrochene Kuppe den Milchgang nach oben ab- schliesst. Begünstigt wird dieser Vorgang dadurch, dass die an- geschnittenen Mündungen durch die Hyperämie des Bindege- webes und die in dasselbe erfolgte Exsudation von vornherein comprimirt und verengt werden. Bemerkenswerth ist es nun, dass das Drüsenepithel zwar senkrecht in die Höhe wächst, niemals aber Neigung zeigt, nach Analogie der Epidermis zwischen dem Schorf und der Wund- fläche vorzudringen und auf letzterer eine epitheliale Decke zu bilden. Sein Verhalten ist demnach ein anderes, als wir es z.B. bei dem Epithel der Magendrüsen finden. Griffini und Vas- sale!) zeigten, dass bei Wunden der Magenschleimhaut der Er- satz des Oberflächenepithels nicht von dem Wundrande, sondern von den Zellen der mehr oder weniger hoch durchschnittenen Drüsen ausgeht. Wenn man nun auch beide Untersuchungsreihen nicht voll in Parallele setzen kann, so hätte man doch vielleicht erwarten können, dass das Epithel der Milchgänge wenigstens über die nächste Umgebung ihrer Oeffnungen hinüberwachsen würde. Das ist aber nicht der Fall und nur, wo 2 oder 3 Milch- gänge in der beschriebenen Weise ihr Lumen vereinigen, um dann gemeinsam durch die Epidermis hindurchzutreten, bemerkt man, dass ihr Epithel die Kanten der Septa, durch welehe die I) Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie, Bd. III, p. 239. 150 Rihbert: Gänge getrennt werden, mit einem mehr oder weniger regel- mässigen Ueberzug versieht (Fig. 5). Ich habe nun versucht, die Ueberhäutung der Wunde mit Epidermis noch weiter hinauszuschieben, um zu sehen, ob nieht doch nach längerer Zeit ein Oberflächenwachsthum des Drüsen- epithels eintritt. Zu dem Ende schnitt ich die Mammilla dicht an ihrer Basis ab und entfernte ausserdem mit flachen Scheeren- schnitten die anstossende Epidermis ringsum auf mehrere Milli- meter. Trotzdem nun hier die Ueberhäutung stets viele Tage in Anspruch nahm, fand doch kein nennenswerthes Vordringen des Drüsenepithels auf die Wundfläche statt. Zwar wuchs es etwas aus den Mündungen heraus, aber es wurde dann sehr rasch so kümmerlieh und unregelmässig, dass es nicht deutlich mehr von den freiliegenden Zellen des Granulationsgewebes abzugrenzen war. Das Epithel der Ausführungsgänge scheint also nieht mehr die Fähigkeit zu haben auf der äusseren Oberfläche des Körpers eine Decke zu bilden. [2] 3. Die Beziehungen der Epidermis zu dem Epithel der Ausführungsgänge. Die neugebildete Epidermis, die vom Rande her über die Wundfläche wächst, muss natürlich, sobald sie die Ausführungs- sänge erreicht hat, mit ihrer unteren Fläche an die Umrandung derselben und mit ihrer Seitenfläche an das aus den Mündungen hervorragende Epithel anstossen. Ueber dieses aber wächst sie nicht hinweg, sondern lässt, da sie eme dickere Lage bildet, als das vorspringende Drüsenepithel, über diesem eine kanalförmige Stelle als Verlängerung des Lumens der Ausführungsgänge frei. Gleichsam als Ersatz für dieses unterbrochene Wachsthum sehen wir dann aber das Epithel rngs um die Drüsenkanäle nach ab- wärts vordringen, wobei es sich unten bald verjüngt, bald die gleiche Breite beibehält, bald kolbenförmig anschwillt. Sein Ver- halten zu dem Epithel der Milchkanäle ist nun verschieden. In einem Theil der Fälle sehen wir es dicht an der Aussenseite desselben, so dass die Drüsenzellen direet auf dem epidermoidalen Epithel gelagert und so von ihrer bindegewebigen Unterlage ab- getrennt sind (Fig. 7 links). Nicht immer aber stossen die bei- den Epithelarten im ganzer Ausdehnung an einander, vielmehr Ueber die Reseneration der Mammilla nebst Bemerkunsen ete. 151 fe) be} bleibt zwischen ihnen oft noch ein schmaler Streifen von Binde- gewebe erhalten (Fig. 7 rechts). In diesen Präparaten kommt daher die für die gesammten Regenerationsprocesse besonders charakteristische Erscheinung, das Wachsthum nämlich der einen Epithelart, der Drüsenzellen auf der anderen, den Epidermiszellen nicht von vornherein im gleichem Umfange zur Beobachtung, wie -in anderen Präparaten. In ihnen berühren sich ja die. beiden Zellarten zunächst nur am Rande des Durchschnittes der Aus- führungsgänge. Aber im weiteren Verlaufe tritt jene Erscheinung bei dem Höhenwachsthum der Mammilla auch hier deutlich zu Tage. Wenn die Epidermis den Rand der Milehgänge erreicht hat, dauert das Aufwärtswachsen des proliferirenden Drüsen- epithels an. Es schiebt sich auf der Innenfläche der in der Epidermis freigebliebenen Oeffnung weiter in die Höhe und sitzt dabei stets dem Deckepithel unvermittelt auf. Die Zellen stehen aber hier nicht senkrecht zur Wand, sondern, wie theilweise auch schon vor ihrer Vereinigung mit der Epidermis zu erkennen war, mehr oder weniger schräg, so dass sie nahe der äusseren Mün- dung fast parallel zum Lumen angeordnet sind (Fig. 7). Sie werden dabei immer ungleichmässiger in ihrer Form, oft spinde- lig ausgezogen, mit langem schmalem Kern. Sie bilden auch vielfach, besonders in der Nähe der Oberfläche, kein dichtes Stratum, sondern lösen sich von einander und da andererseits auch die obere Lage der Epidermiszellen nach innen nicht immer glatt begrenzt ist, so schieben sich beide Zellarten zuweilen regel- los durch einander. In besonders grossem Umfange sieht man das Wachsthum der Drüsenzellen auf der Innenfläche des epidermoidalen Kanales in jenen Präparaten vom dritten Tage, in denen das neue Epithel die umfangreichen, wurzelförmig nach abwärts vorgedrungenen Zapfen gebildet hat. Aber hier ist auch die Unregelmässigkeit der Cylinderzellen am grössten. Während sie in der Nähe des Bindegewebes noch gut entwickelt sind, werden sie weiter davon entfernt mehr und mehr verändert, so dass man sie, für sich be- trachtet, kaum noch als Drüsenzellen ansprechen und nur aus ihrem Zusammenhang mit dem Epithel der Ausführungsgänge ihre Bedeutung erschliessen kann. Denn nicht nur dass ihre Form ungleiehmässig ist, erscheint auch ihr Kern durch vacuoläre 153 Ribbert: Quellung, der wir sogleich noch wieder begegnen werden, in ein- greifender Weise verändert. Wir müssen annehmen, dass es sich um Degenerationserscheinungen handelt. In Figur 8 sehen wir sie auf der linken Seite in verhältnissmässig geringem Umfange und aus einem älteren Stadium dargestellt. Aus der Vergleichung der Fig 7 mit den Figuren 8 und 9 ergibt sich nun noch ein für unsere weiteren Betrachtungen be- deutungsvoller Umstand. Während wir nämlich m Fig. 7 das Drüsenepithel in zwei Schiehten auf den epidermoidalen Flächen wachsen sehen, finden wir in den späteren Stadien stets nur eine Zelllage. Die Bedeutung dieser Erscheinung wird sich aus den folgenden Auseinandersetzungen ergeben. Wenn nun die Mammilla in dieHöhe wächst, das neugebildete Epithel also durch das junge Bindegewebe gehoben wird, so kommt die Verlängerung der Ausführungsgänge nicht dadurch zu Stande, dass sich der epidermoidale Antheil derselben nach oben verlängerte, im Uebrigen aber die eben geschilderten Verhält- nisse bestehen blieben, sondern auch das um die Kanäle nach unten gewachsene Deckepithel zieht sich allmählich in die Höhe. Die Drüsenzellen aber folgen dem gesammten Wachsthum dadurch nach, dass sie andauernd auf der Innenfläche des von der Epi- dermis gebildeten Kanales in einschiehtiger Lage aufwärts rücken und auch noch an einem Präparate vom einundzwanzigsten Tage fast bis an die äussere Oeffnung heranreichen (Fig. 9). Dabei pflegen sie nun besser geordnet zu sein, als es in den ersten Tagen der Fall war. An den Stellen, an denen die gesammte Entwiekelung am regelmässigsten erfolgt ist, die man daher auch wohl als die typischen ansehen kann, setzen sich die Epithelien der Milehgänge auf die Epidermis stets in emschichtiger Lage fort. Es hat aber den Anschein, als ob sie, je weiter sie auf der Epidermis aus der Tiefe aufrücken, desto ungünstigere Er- nährungsverhältnisse vorfinden. Denn wenn sie unten noch deut- lich eylindrisch und parallel angeordnet sind (Fig. 9), auch einen regelmässigen Kern besitzen, so werden sie weiter oben immer undeutlicher. Dabei geht der Kern eine Veränderung ein, die in dem Auftreten einer Vaeuole und in der Zusammendrückung des Chromatins zu einem halbmondförmigen oder ungleichmässig eckigen Körper ihren Ausdruck findet. Dergleichen wohl als Degenerationsprocesse zu deutende Erscheinungen, auf deren N Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen ete. 153 Aehnlichkeit mit manchen aus Careinomen beschriebenen Bildern hier nur hingewiesen sei, finden sich aueh schon in den ersten Tagen und nicht selten auch m den an das Lumen anstossenden Epidermiszellen. Man darf daraus entnehmen, dass die dem Deck- epithel aufsitzenden Drüsenzellen in den oberen Parthien des -Kanales nicht genügende Ernährung finden und zu Grunde gehen, während von unten immer neue nachrücken. Von besonderem Interesse sind nun ferner die Verhältnisse, wie sie sich an dem unteren Ende des in die Tiefe gewachsenen Epithels zwischen ihm und den Zellen der Ausführungsgänge gestalten. In den normalen Milchgängen ist das Epithel zwei- schichtig, während es bekanntlich m den Alveolen einschiehtig ist. Die dem Bindegewebe aufsitzende äussere Schicht, deren Kerne sich gewöhnlich etwas blasser färben als die der inneren Schicht, ist aber nur im Bereich der Hauptausführungsgänge gut entwickelt. Auch in ihnen wird sie nach unten allmählich nie- driger, bleibt aber zunächst noch gut erkennbar, bis sie in den ersten und noch mehr in den ferneren Verzweigungen immer un- deutlicher wird und sich schliesslich ganz verliert. Ihre Kerne werden dabei kleiner, unregelmässiger und nehmen die Farbstoffe intensiver auf. Während wir nun anfänglich das epidermoidale Epithel aussen vielfach direkt, wenn auch stets mit gut wahrnehmbarer Grenze, an das Drüsenepithel anstossen sehen, ist es in den spä- teren Stadien zu innigerer Verschmelzung gekommen. Wenn wir zuächst die ältesten Präparate betrachten, so sehen wir deutlich, dass die äussere Zelllage der Kanäle sich continuirlich in die dem Bindegewebe aufsitzende Zelllage der Epidermis fortsetzt, dass andererseits die innere Schicht in der besprochenen Weise auf die Innenseite des epidermoidalen Kanales gelangt. Beide Zellreihen trennen sich somit spitzwinkelig von einander und fassen zwi- schen sich die nach oben an Breite zunehmenden Epidermiszapfen. Wenn diese sich nun zurückziehen, so rücken successive auch die beiden Zellreihen der Ausführungsgänge zusammen und bilden von unten herauf immer weiter die doppelte Zellauskleidung (Fig. 8 u. 9). Der Uebergang zwischen den Verhältnissen der ersten Tage und den nach Verlauf von 3 Wochen vorhandenen ist ein allmählicher und wird dadurch vermittelt, dass die Grenze zwischen den epidermoidalen Zapfen und den Drüsenzellen sich 154 Ribbert: verwischt (Fig. 5 links), dass beide zusammenfliessen und so schliess- lich die dureh Fig. 9 wiedergegebenen Verhältnisse zu Stande kommen. Dieser gesammte Wachsthumsvorgang ist nun auch noch desshalb von Interesse, weil wir ihn bei dem gleich zu bespre- ehenden normalen Entwieklungsvorgang in vielfacher Hinsicht ähnlich antreffen werden. Il. Einige Beobachtungen über die Entwieklung der Mammilla. (Fig. 10 u. 11.) Die vorstehenden Ausführungen über die Beziehungen des Epithels der Epidermis zu dem der Ausführungsgänge bei der Regeneration der Brustwarze legten die Frage nach den Beziehun- sen der gleichen Epithelien bei der normalen Entwieklung nahe. Ich habe mich desshalb veranlasst gesehen, die Mammillae älterer Embryonen vom Rind, Kaninchen und Menschen, sowie von Neu- geborenen und von Kaninchen und Kindern aus den ersten Lebens- wochen und -Monaten zu untersuchen. Die frühesten Entwiecklungszustände liess ich unberücksich- tigt und begann mit dem Stadium, in welchem aus der primären Verdiekung der Epidermis solide Sprossen als Anlagen der Aus- führungsgänge hervorgegangen sind. Es ist dureh Rein!) bestätigt worden, dass der primäre epidermoidale Zapfen durch Verhornung der eentralen Zellen und spätere Ausstossung dieser verhornten Massen hohl wird. Man darf aber den so entstehenden Kanal nicht als die Anlage eines Drüsenganges auffassen. Hertwig?) hat ausgeführt, dass die kanalförmige Vertiefung des Epithelzapfens sich im Verlauf der Entwicklung allmählich abflacht, oder besser sich zu einem ebe- nen Felde, dem „Drüsenfelde“ ausbreitet, welches dann weiterhin durch Erhebung über das Niveau der Haut zur Warze wird. Die aus dem Epidermiszapfen hervorgegangenen, zunächst soliden Mel.oc. 2) Lehrbuch der Entwicklungsgeschiechte. 3. Aufl. p. 441. Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen etc. 155 Sprossen machen die Erhebung und Ausbreitung desselben mit und münden zu einer gewissen Zeit parallel zu einander in dem flachen Drüsenfelde, um dann mit diesem weiter anzusteigen. Vergleichen wir diesen Entwieklungsvorgang mit den Re- generationsprocessen in denjenigen Fällen, in denen bei jungen Kanimehen sich um die Drüsengänge und zwischen ihnen eine sehr beträchtliche wurzelförmig im die Tiefe greifende Verdiekung des neuen Epithels und eine centrale nabelförmige Vertiefung eebildet hatte. so ist eine gewisse Aehnliehkeit nicht zu verkennen. Auch bei der kegeneration hebt sich der Epithel- desselben zapfen allmählich, die nabelförmige Grube breitet sich aus, die anfänglich convergirend durch das vertiefte Epithel hindurchtre- tenden Milchgänge liegen nachher parallel nebeneinander. Mit der Herstellung einer ebenen Oberfläche der Mammilla hört dann freilieh die Möglichkeit eines ferneren Vergleiches auf. Von grösserem Interesse ist es, die Beziehungen des Epithels der sprossenförmigen Anlagen der Milchdrüse zu dem der Epi- dermis bei der Entwicklung der Mammilla zu verfolgen. Man nimmt gewöhnlich an, dass der Vorgang der Kanali- sirung der sesammten Milchdrüsenanlage beginnt mit der cen- tralen Verhornung der primären Epidermisverdiekung und dass dann die aus ihr hervorgegangenen Sprossen durch Verfettung oder einen sonstigen Zerfall gleichfalls hohl werden. Dazu stim- men aber die Bilder nieht, die bei drei 20—25 em langen Rinds- embryonen gewonnen und durch Figur 10 wiedergegeben sind. Man sieht von «der Unterfläche der epidermoidalen Verdiekung eine Sprosse in die Tiefe gehen, die schon im grosser Ausdeh- nung kanalisirt ist. Das noch enge Lumen setzt sich nach oben in die Epidermis fort. Es ragt fast bis zur Hälfte der Höhe des Epithelkolbens, ist aber nicht von unveränderten Zellen des- selben umgeben, sondern von einer direkten Fortsetzung der das Lumen des Ganges begrenzenden Epithelien. Wir sehen die Wand des späteren Ausführungsganges in seinen oberen Abschnitten von mehreren Zellagen gebildet, von denen die äussere continuir- lieh in die untere Zellreihe des Epidermiskolbens übergeht, regel- mässig gestellte ovale Kerne enthält und sich von den nach innen gelegenen Zellen durch eine helle kernfreie Protoplasma- zone abgrenzt. Auf ihr sitzen dem Lumen zugewendet 2—3 Schiehten kleinerer rundlicher Zellen, von denen die innerste 156 Ribbert: Reihe die mehrfach erwähnte vacuoläre Umwandlung der Kerne aufweist. Man darf annehmen, dass diese Veränderung den Zer- fall der Zellen andeutet und dass auf diesem Wege auch die Bildung des Lumens zu Stande gekommen ist. Letzteres setzt sich nun, wie angegeben, nach oben fort, wird dann aber inner- halb der Epidermis enger und ist schliesslich nur noch angedeu- tet. Es ist ebenfalls von eimer mehrfachen Schicht derselben kleinen runden Zellen umgeben und nach oben abgeschlossen. Dieselben sind da, wo sie an den weiteren Theil des Lumens anstossen, gleichfalls degenerirt, in dem engeren Abschnitt da- gegen nur vereinzelt vacuolär verändert. An diese mehrfache Zellreihe grenzen nun ringsum und oben Epidermiszellen an, die erstens durch degenerirte vacuoläre Kerne und zweitens dadurch ausgezeichnet sind, «dass sie die geschilderte Verlängerung des (sanges concentrisch umgeben. Weiter nach der Oberfläche zu ist dann der Epidermiszapfen in seinen mittleren Theilen von zequollenen, vielfach mit veränderten Kernen versehenen, wahr- schemlich in Verhornung begriffenen Zellen gebildet, die aber noch als regelmässiges Stratum zusammenhängen und peripher allmählich in die unveränderte Epidermis übergehen. Von einer Ausstossung der verhornenden Zelle und dadurch bedingter Her- stellung eines Kanales ist noch keine Rede. Das Bild lässt sich so erklären, dass aus der nach unten gewachsenen Ganganlage die mittleren Zellen in den Epidermiskolben unter Verdrängung eines Theiles der verhornenden Zellen hineingewachsen sind, während die äussere Zellreihe in ununterbrochenem Zusammen- hang mit der untersten Zelllage der Epidermis blieb. Zwischen ihr und jenen mittleren aufwärtswachsenden Zellen entsteht auf (diese Weise ein durch die Epidermiszellen ausgefüllter spitzer Winkel, ein Verhalten, wie wir es bei der kegeneration kennen lernten und sogleich auch bei den älteren Stadien normaler Ent- wicklung wiederfinden werden. Bei Kaninchen und dem Menschen habe ich ähnliche Bil- der, wie die eben beschriebenen, nicht gesehen, vielmehr schien mir hier die Aushöhlung der Epidermisverdiekung und der aus ihr hervorgegangenen Ganganlagen ziemlich gleichzeitig zu er- folgen. Aber auch hier ergaben sich in den späteren Stadien, bei Neugeborenen, Kindern aus dem ersten Lebensjahre und jun- sen Kaninchen dieselben Beziehungen zwischen dem Epithel der Ueber die Regeneration der Mammilla nebst Bemerkungen etc. 157 Drüsenkanäle und dem der Epidermis, wie wir sie eben bei dem Rindsembryo und in ganz ähnlicher Weise bei den Regenerations- processen kennen lernten. Man sieht immer wieder (Fig. 11), dass die Epidermis sich um das Lumen der Drüsenkanäle eylin- drisch einsenkt und dabei noch in wechselnder Ausdehnung die oberflächliche Verhornung eine Strecke weit beibehält. Der un- tere Rand des so entstehenden Rohres spitzt sich oft lang zu, wobei die äussere Zelllage desselben continuirlich in die dem Bindegewebe aufsitzende Zellreihe des zweischichtigen Gangepi- thels übergeht. Die das Lumen begrenzende innere Zellreihe (les letzteren wächst unter einer durch das nach unten vorragende Deckepithel bedingten spitzwinkeligen Abzweigung auf der Innen- tläche des epidermoidalen Kanales in einfacher Schicht nach oben, flacht sich dabei aber mehr und mehr ab und stösst so mit oft undeutlicher Grenze an die verhornte Lage der Epider- miseinsenkung an. Wir können uns demnach den Vorgang des Höhenwachs- thums der Mammilla ganz ähnlich vorstellen, wie wir ihn bei der Regeneration kennen lernten. Auch hier wird die Epidermis all- mählich in die Höhe gehoben. Die dabei gleichzeitig aufsteigen- den, um das Lumen der Ausführungsgänge in die Tiefe reichen- den Abschnitte ziehen sich, wenn wir so sagen dürfen, aus dem Winkel zurück, der von den auseinanderweichenden beiden Zell- lagen der Ausführungsgänge gebildet wird. Dabei bleibt die äussere Zelllage im Zusammenhang mit der untersten Zellreihe der Epidermis und die innere schiebt sich immer wieder auf der Innenfläche des Kanales des Deckepithels nach oben. Die beiden Zelllagen der Gänge legen sich nach dem Verschwinden der zwi- schen ihnen befindlichen Epidermiszellen dicht an einander und kleiden nach oben immer längere Strecken der Milehgänge aus. 158 Fig. Fig. 27, Fig. Fie. Fie. Fie. Fig. Fig. Fie. Fig. l. 2. > > D ” F ). Ribbert: Ueber die Regeneration der Mammilla ete. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Regeneration der Mammilla nach 24 Stunden. Dasselbe nach 48 Stunden. u. 4. Dasselbe nach 72 Stunden. Dasselbe nach 7 Tagen. In den halbschematischen Figg. 1—5 bedeuten die punktirten Parthien die Epidermis. Das angeschnittene Ende eines Milchganges init seiner Fort- setzung durch den Schorf. Die Vereinigung von Epidermis und Milchgangepithel nach 48 Stunden. Dasselbe nach 7 Tagen. Dasselbe nach 21 Tagen. 10. Senkrechter Durchschnitt durch die Mammilla eines 23 cm 11. 79] langen Rindsembryo. Die eine Seite der Ausmündungsstelle eines Milchganges von einem Gwöchentlichen Rinde. (Aus dem Laboratorium des Herrn Dr. Blaschko.) Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. Von James Loewy in Berlin. Hierzu Tafel X und 1 Holzschnitt. Durch die Arbeit Blaschko’s „Beiträge zur Anatomie der Oberhaut“!) wurde eine neue Methode für die Betrachtung des 3aues der Oberhaut eingeführt. Im Gegensatz zu früheren For- schern, welche ihr Hauptaugenmerk auf die Papillen richteten und deren Anordnung auf Querschnitten zu studiren suchten, eine Methode, welche bei dem komplieirten Bau der Oberhaut zu un- genügenden und falschen Resultaten führen musste, nahmBlaschko als Ausgangspunkt aller Untersuchung die Unterfläche der Epi- dermis. Indem er die Oberhaut faultodter Früchte nach Fär- bung in Hämatoxylin theils feucht im Glycerin, theils trocken untersuchte, fand er, dass die bisherigen Anschauungen von dem architektonischen Aufbau der Oberhaut auf ganz falschen Vor- aussetzungen beruhten. Es wurden nämlich jene Epithelwuche- rungen, die sich zwischen die Cutispapillen einsenken und die verschiedene Figuration derselben bedingen, für zapfenförmige Gebilde gehalten und als Epithelzapfen bezeichnet. Blaschko wies nun nach, dass diese Epithelzapfen nur Querschnitte von Leisten darstellten, welehe, von der Epidermis gegen die Cutis hin wuchernd, ein System von 'einander kreuzenden Längsleisten und Querleisten bildeten, vergleichbar einem Bienenwabennetz von 1) Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 30, pag. 49. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 11 160 James Loewy: verschieden grossen Maschenräumen. Jenes Netzwerk bildet das Negativ, den Ausguss der Papillen. Fehlt das Leistennetz, so fehlen die Papillen, fehlen einige Querleisten oder Längsleisten, so fliessen mehrere einzelne Papillen oder Papillenreihen zu- sammen. Diese Eigenthümlichkeiten hat Blaschko als Eintheilungs- prinzip für die Aufstellung einer Reihe von Typen benutzt, welche das charakteristische Bild der Oberhaut der einzelnen Körper- abschnitte wiedergeben sollen. Wurden dureh diese Flächenbilder unsere Kenntnisse sehr bereichert, so musste es doch als ein Mangel betrachtet werden, dass die Herstellung der Präparate durch Kochen oder Fäulniss unsichere Resultate lieferte, indem theils die natürlichen Verhält- nisse durch jene Proceduren vernichtet wurden, theils für ein- zelne Organe brauchbare Präparate nicht zu gewinnen waren, und so beträchtliche Lücken in dem Gesammtbilde der Körper- decke zurückblieben. Diesem Mangel wurde abgeholfen, als Philippson durch seine Arbeit „Ueber Herstellung von Flächenbildern der Oberhaut und der Lederhaut“t) uns eine Methode kennen lehrte, durch chemische Mittel die Trennung der Oberhaut von der Lederhaut herbeizuführen. — Philippson legte Hautstückchen, je nach ihrer Grösse, ein bis drei Tage in !/,—!/, °/, Essigsäure, fügte, um Fäulniss zu vermeiden, einige Tropfen Chloroform hinzu und war, da die verschiedene Quellungsfähigkeit der Epidermis und Cutis eine Trennung beider bewerkstelligte, im Stande, die Ober- haut als feinen Schleier von der darunter liegenden Lederhaut abzuziehen. Die weitere Untersuchung war dieselbe, wie Blaschko sie angegeben hatte. Die Resultate, welche Philippson gewann, bestätigten die Angaben Blaschko’s und erweiterten dieselben in einigen Punkten. Den grössten Theil seiner Arbeit widmet Philippson der Ober- hautfelderung. Er unterscheidet drei genetisch verschiedene Arten von Furchen: die eine Art soll durch Proliferation der Epidermis und nachfolgendes Einsinken der Hornschicht, also aktiv ent- standen sein, die zweite und dritte durch die Bewegungen der Haut durch Kniekung und Spannung derselben, also passiv. Die 1) Monatshefte für prakt. Dermatolog. Bd. VIII, pag. 389. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 161 Haut des ganzen Körpers zeige alle drei Arten von Furchen, welche der Autor mit den Namen der Senkungs-, Kniekungs- und Spannungsfurchen belegt. Anknüpfend an diese Arbeiten unternahm ich es auf An- regsung und mit freundlicher Unterstützung des HerrnDr. Blaschko, die gewonnenen Resultate einer Nachprüfung zu unterziehen. Lieferte auch die Methode Philippson’s, was die Gewin- nung der Präparate anbetrifft, günstige Resultate, so stellte ich doch eine Reihe von Versuchen an, welche durch andere Mittel zu gleich günstigen Ergebnissen führen sollten. Angeregt wurde ich hierzu durch Herrn Dr. Blaschko. Dieser hatte, ausgehend von den günstigen Resultaten, welche ihm die Maceration in 25 °/, Holzessig bei der Darstellung der Darmnervenplexus!) ge- liefert hatte, lange vor Philippson versucht, durch Holzessig eine Trennung der Cutis von der Epidermis herbeizuführen, je- doch keine zufriedenstellenden Erfolge erzielt. Ich nahm nun die Versuche wieder auf und fand, dass Holzessig in 6 %/, Lösung ebenso schnell als die Philippson’sche Lösung und vollkommen sicher zum Ziele führt. Bei den zartesten Geweben, wie bei der Epidermis der weiblichen Geschlechtsorgane ging ich bis auf eine 1°/, Lösung herunter. Dabei setzte ich die Haut einer konstanten Wärme von 40° aus und war, wenn an haarreichen Stellen die langen und dichtstehenden Haare vorher durch Rasiren entfernt waren, stets im Stande, nach 24—48 Stunden die Epidermis von der Cutis abzuziehen. In gleicher Weise lieferte die Citronen- säure, wie auch Philippson angiebt, in schwacher Lösung, die Salzsäure und, wie mir scheint, alle organischen und Mineral- säuren in geeigneter Uoncentration mehr oder weniger günstige Resultate. Am besten verwendbar erwies sich jedoch das ur- sprüngliche Philippson’sche Verfahren, sowie die Holzessig- methode, welch letztere ich für die Herstellung meiner Präparate ausschliesslich angewendet habe. Die Bilder, welche ich auf diese Weise gewann, zeigten manche Abweichungen von dem bisher Bekannten und manche bisher noch nicht beschriebenen Verhältnisse. ; Im Anschluss an die Blascehko’sche Arbeit will ich nun 1) Ueber eine Erkrankung der sympathischen Geflechte der Darm- wand. Virchow’s Archiv Bd. 9. 162 James Loewy: die verschiedenen Hautstellen einzeln durchgehen und auf diese Weise eine Art von topographischer Schilderung der gesammten Hautdecke zu entwerfen suchen. Unbehaarte Haut. Was die Fusssohle und den Handteller anbetrifitt, so kann ich ebenso wie Philippson die Angaben, welche Blaschko hierüber gemacht hat, voll und ganz bestätigen. Es findet sich ein kleinmaschiges Netzwerk, aus Längs- und Querleisten zusammengesetzt. Die Längsleisten entsprechen den oberflächlichen Riffen und Furchen dieser Hautpartien, wäh- rend die Querleisten als sekundäre Gebilde zwischen zwei Längs- leisten verlaufen. Die Längsleisten zerfallen in zwei Arten, die Drüsen- leisten und Falten, Namen, die Blaschko gewählt hat, weil die Drüsenleisten die Ausführungsgänge der Drüsen aufnehmen, während die Falten das Produkt einer Einstülpung der Oberhaut darstellen. Die Falten verlaufen stets zwischen zwei Drüsenleisten und ihnen parallel. — Die Cutispapillen sind also begrenzt durch zwei Querleisten, eine Drüsenleiste und die Falte. Sie sind klein, meist zusammengesetzt (sekundäre Querleisten Blaschko’s) und schräg gegen die Oberfläche gerichtet. Ohne einen Zusammenhang mit diesen Leisten und Falten zu zeigen, durchzieht ein System heller, bald schmaler, bald brei- terer durchscheinender Linien das Gesichtsfeld. Sich gabelnd und kreuzend erzeugen diese regellos verlaufenden Gebilde ein gross- fächeriges Netzwerk. Diese Linien entsprechen den Knickungs- und Spannungsfurchen Philippsons. — Ich werde später noch genauer auf dieselben zurückkommen, vorläufig den Namen Funktionsfalten für diese Gebilde gebrauchen. Auch im Bezug auf den Bau der Oberhaut der Lippen stimmen im Grossen und Ganzen meine Befunde mit denen Blaschko’s überein. — Wenn auch seine Abbildungen von der Lippenepidermis (Fig. 15 seiner Arbeit) noch unvollkommen die wahren Verhältnisse wiedergeben, so ist doch der Grundtypus der Architektonik richtig getroffen. Da es mir gelang, die ganze. Lippenoberhaut im Zusammen- hange mit der äusseren Haut und der Mucosa abzulösen, möchte Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 163 ich mit der Darstellung der Lippenoberhaut die seiner angren- zenden Theile verbinden (Fig. 1, 2, 3). Es lassen sich fünf verschiedene Zonen deutlich erkennen, von welchen zwei der äusseren Haut angehören, zwei den Lippen und eine der Mundschleimhaut. Die erste Zone ist charakterisirt durch die zahlreich vor- handenen Haare, welche in der Richtung radiär zum Lippen- rande angeordnet sind. Zwischen ihnen, ganz regellos vertheilt, verlaufen schwach angedeutete Leistenstümpfe.. Die gleiche Riehtung mit den Haaren verfolgen zahlreiche Funktionsfalten. Zwischen diesen Gebilden zerstreut liegen die Drüsenausführungs- gänge. — Mit ziemlich scharfer Grenze reiht sich die zweite Zone, welche den Uebergang zum freien Lippenrand bildet, der ersten an: Die Haare sind bis auf eine geringe Anzahl geschwun- den (Fig. 1), dafür treten aber die Drüsen mit grossen Mün- dungsöffnungen als fast allemige Beherrscher des Gesichtsfeldes auf und verleihen dem Bilde eimen typischen Charakter. In zehn bis fünfzehn Reihen angeordnet verlaufen sie quer von einem Mundwinkel zum anderen, dieht aneinander gedrängt. Zwischen ihnen und sie gleichsam mit einem Kranze umgebend ziehen schmale Epidermisleisten, häufig unterbrochen und wie aus kleinen Segmenten zusammengesetzt erscheinend. Wie abgeschnitten ver- schwinden plötzlich die Drüsenöffnungen, gegen den vorderen Lippenrand eine scharfe Grenze bildend. Dagegen verdichten sich die Leisten der Drüsenzone immer mehr, werden breiter und gehen in das Leistensystem des vorderen Lippenab- schnittes über. Bekanntlich haben Luschka und Blaschko die Lippenhaut in zwei Abschnitte oder Zonen getheilt, von denen die vordere wegen ihrer glatten Oberfläche von Luschka als Pars glabra bezeichnet worden ist, während die hintere rauhere und mit kleinen Höckerchen versehene Hälfte den Na- men Pars villosa führt. Die Pars glabra wird nun gebildet durch Längsleisten (Fig. 1 u. 2), welche, von der äusseren Haut zur Mucosa ver- laufend, mit minimalen seitlichen Querleisten versehen sind. Von beiden Seiten gehen sie meist gleichständig ab, ohne die be- nachbarten Querleisten zu erreichen und geben dem Bilde ein äusserst charakteristisches Aussehen. Weiter nach hinten rücken die Läugsleisten näher aneinander, die Querleisten werden stärker, 164 James Loewy: verschmelzen mit den benachharten, und es entwickelt sieh so das Bild emes Netzwerks. In dieser Zone treten wieder die in der Richtung der Lei- sten verlaufenden Funktionsfalten, welche in der Drüsenzone nicht erkennbar waren, sichtbar hervor. Die nächste Zone, die Pars villosa der Lippen (Fig. 5), bildet die Partie der dieken und gewulsteten Epidermisleisten. Die Längsleisten des Netzwerks verbreitern sich, werden höher und tragen auf der Oberfläche eine grosse Zahl dieht neben einander stehender Wärzehen, zottenähnlicher Gebilde, welche die Quer- leisten beschatten, sie unsichtbar machen und dem Bilde ein tannenzapfenähnliches Aussehen verleihen. An einigen Stellen, besonders in den centralen Partien der Lippe, sind diese zot- tigen Auswüchse nicht so ausgeprägt, wenn auch angedeutet, die Querleisten daher sichtbar. Der Uebergang in das weitmaschige Netzwerk der Mucosa giebt sich durch das Verschwinden der Zotten zu erkennen, während die Leisten sonst nichts an Stärke einbüssen. Construirt man sich aus dem Bilde des Rete dasjenige, welches der Papillarkörper darstellt, so erhalten wir in der Pars glabra der Lippen niedrige Cutisleisten, welche mit kleinen seit- lichen Fortsätzen versehen sind. Diese Cutisleisten wachsen in der Pars villosa zu grossen Gebilden heran, welche theils grosse Leisten darstellen, theils wahre Papillen, beide an der Oberfläche mit flachen, zottigen oder warzenförmigen Erhabenheiten bedeckt. Am wenigsten bekannt ist der Bau der Oberhaut der äusseren Geschlechtsorgane (Fig. 4—7). Die wenigen Angaben, welche Henle, Kölliker, Krause und Suppey veröffentlichten, sind durch Blaschko’s Unter- suchungen nur unvollkommen erweitert worden und lassen nicht das wechselvolle Bild, welches gerade diese Theile liefern, er- kennen. Da ich an dieser Stelle nicht die Absicht habe, eine ge- naue Beschreibung des Baues der Oberhaut der Geschlechtsorgane zu liefern, sondern mir diese für eine besondere Arbeit vorbe- halte, will ich nur kurz die allgemeinen Verhältnisse wiedergeben. Was die männlichen Geschlechtsorgane betrifft, so muss man bei ihnen verschiedene Entwicklungsstadien unterschei- den. Beim Foetus bestehen zwischen Serotum, Penis, Präpu- u Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 165 tium und Glans nur geringe Unterschiede, und die Oberhaut stellt meist ein System von Längsleisten dar, zwischen denen schwache Querleisten verlaufen, die das Bild eines kleinmaschigen Netzwerks vervollständigen. Doch schon bei Kindern von einigen Monaten haben wir an den verschiedenen Abschnitten der Ge- nitalien, sowohl was die Grösse, Form und Anordnung der Lei- sten betrifft, wenig übereimstimmende Bilder, welche sich mit zu- nehmendem Alter immer mehr complieiren. So wachsen am Serotum die Längsleisteu, welche von der Peniswurzel zum Perineum angeordnet sind, also in Bogenlinien (Fig. 4 u. 5) von vorn nach hinten das Serotum umziehen, zu breiten Gebilden aus und treiben zottige Erhebungen an der Oberfläche hervor. An anderen Stellen finden wir überhaupt keine zusammenhängenden Leisten, sondern einzelne Segmente setzen sich zu dem Bilde eines Leistensystems zusammen. Die Querleisten bleiben in der Entwicklung sehr zurück. Ganz schwach sind jene Leistehen angedeutet, welche die einzelnen Maschen- räume in Unterabtheilungen sondern und die Cutispapillen des Hodensacks als zusammengesetzte charakterisiren. Einen typischen Charakter erhält erst die Hodensackoberhaut im etwas vorge- schrittenen Alter, wo zahlreiche breite, äusserst flache Funktionsfalten das Gesichtsfeld durchziehen, welehe auf ihrer Oberfläche theils parallel, theils quer zu ihrer Verlaufsrichtung gestellte Epidermisleisten zeigen. Häufig und besonders bei älteren Individuen fehlen letztere ganz. Die Haare, welche in reichlicher Anzahl vorhanden sind, verfolgen die gleiche Richtung wie die Leisten. Einen vom Serotum völlig verschiedener Bau weist die Ober- haut des Penis auf. Wir finden hier ein grossmaschiges Netz- werk (Fig. 4) stark entwickelter Leisten, welche meist einfache Papillen von runder, ovaler oder polygonaler Basis bedingen. An der Peniswurzel am stärksten, werden die Leisten nach dem Prae- putium hin schwächer, die Querleisten sind nur noch angedeutet. Die ganze Epidermis ist von zahlreichen, regellos verlaufenden Funktionsfalten durchzogen, welche auf ihrer Oberfläche meist keine Epidermisleisten erkennen lassen. Am Praeputium nimmt der Verlauf der Leisten eine eireuläre Richtung an. Quere Verbindungsstücke zwischen den einzelnen Leisten sind fast gar nicht zu bemerken. Dafür bilden 166 James Loewy: die Längsleisten, welehe meist mit flachen warzenförmigen Er- habenheiten besetzt sind, Schlangenlinien, welche bald sich kreuzen, bald weit auseinanderweichen, um wieder eine konvergirende Riehtung einzuschlagen. So entstehen auch hier Maschenräume, freilich sehr verschieden von denen, welehe wir auf der übrigen Oberhaut zu finden gewohnt sind. Nachdem die Leisten ein immer gedrängteres Aussehen angenommen haben und fast zu einer Platte verschmolzen sind, m welche die Maschenräume wie mit einem Locheisen hineingeschlagen erscheinen, wechselt plötzlich die Richtung derselben und wird parallel der Längsachse des Penis. Dabei theilen sich die zusammengeflossenen Leisten wieder in einzelne Strahlen, welche im weiteren Verlaufe spiralige und schleifenförmige Gebilde, die einen grösseren Abstand zwischen sich lassen, darstellen. Auch hier sind keine Querleisten zu er- kennen. Dies ist das charakteristische Bild des Suleus, und die Schleifen, welche «die grössten Papillen darstellen, bezeichnen die Stelle der Corona glandis. Auf der Glans selbt ist wieder ein deutliches Netzwerk (Fig. 6) zu erkennen. Grosse gewulstete Leisten ziehen radiär zum Orifieium, untereinander verbunden durch Querleisten und so Maschenräume darstellend, welche wieder in Unterabtheilungen getheilt sind. Ich will hier nicht genauer auf den äusserst wechselnden und komplieirten Bau dieser Hautpartien emgehen und nur noch (larauf aufmerksam machen, dass am Orifieium die Leisten plötzlich wieder eine eireuläre Richtung annehmen, um in die Leisten der Mucosa urethrae überzugehen, welche an dieser Stelle circulär verlaufen und, da sie mit zahlreichen kleinen Querleisten besetzt sind, einen gefiederten Typus darstellen. Von den weiblichen Gescehlechtsorganen will ich nur ganz kurz den Unterschied der kleimen und grossen Labien an- geben. Hat das gleichmässige, stark. entwickelte Leistennetz der letzteren eine Aehnlichkeit mit dem Maschenwerk der Penis- epidermis, so gleicht die Oberhaut der ersteren (Fig. 7) mehr der des Praeputiums. Jene gewulsteten Epithelleisten, welche auch der pars villosa (u. a.) eigen sind, treten hier in äusserst ent- wickelter Form auf. Daneben finden sich schollenännliche Ge- bilde, aus verbreiterten Leisten bestehend, welche nach allen Richtungen hin eine sich dendritisch verzweigende Schaar von Pr Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 167 Leisten entsenden, in grosser Anzahl. Diese gewulsteten Leisten, ihr Zusammenfluss, die Schollenbildung verleihen der Epidermis der kleinen Labien ein so typisches Gepräge, dass eime Ver- wechslung dieser Hautpartien mit einer anderen unmöglich ist. — Gleich mannichfaltig und wechselvoll wie das Leistensystem der Geschleehtsorgane ist ihr Ausguss, d. h. die Cutispapillen, deren genauere Beschreibung ich mir für eine spätere Arbeit vor- behalten möchte. Behaarte Haut. Was die behaarte Haut betrifft, so möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Behauptung Blaschkos, die Leisten dieser Haut seien durchweg schwächer als die der unbe- haarten, weil durch die Bildung der Haare die produktive Energie des Epithels bis zu einem gewissen Grade erschöpft werde, in ihrem ganzen Umfange nicht aufrecht erhalten werden kann. Ich fand nämlich, dass an der behaarten Haut fast überall ein gut entwickeltes System von Leisten vorhanden ist, deren Höhe an einzelnen Stellen die der unbehaarten Haut erreicht, vielleicht sogar übertrifft. Diese Thatsachen konnten Blaschk.o freilich um so leichter entgehen, als sein Material sich auf die Haut von Foeten beschränkte, welche eme vollständige Entwicklung der Leisten noch nicht erkennen liessen. Ging nun auch jener Forscher bei der Eintheilung seiner Arbeit in zwei Haupttheile und zwar der behaarten und unbehaarten Hautpartien von jener Voraussetzung aus, so habe ich diese Ein- theilung aus Zweckmässigkeitsgründen beibehalten, und bin nur bei den Geschlechtsorganen, um sie im Zusammenhange abzu- handeln, von diesem Prinzipe abgewichen. Der speeielleren Eintheilung der Leistensysteme der be- haarten Haut in vier Typen, wie sie Blaschko aufgestellt und Philippson bestätigt hat, kann ich mich nieht anschliessen, da jene Typen nicht als regelmässig wiederkehrende Grundformen anzusehen sind. Allerdings habe auch ieh Bilder gefunden, welche diesen Typen entsprachen und die Beobachtungen jener Autoren bestätigten, aber ich fand nirgends einen Beweis dafür, dass es sich um wirkliche Typen handele, da dieselben Hautstellen 168 James Loewy: verschiedener Individuen sämmtliche vier verschiedenen Typen aufweisen können. Sehen wir vom Serotum ab, so zeigt die Epidermis der be- haarten Haut eine überraschende Uebereinstimmung in den einzelnen Körperregionen. Ueberall ein gleichmässiges Netzwerk einfacher Längs- und Querleisten, welches sich an den verschiedenen Stellen nur durch die Breite der Leisten, die Grösse der Maschen oder die vorwiegende Richtung, welche die Leisten verfolgen, unter- scheidet. Am Halse findet sich ein klemmaschiges, vielgestaltiges Netzwerk von schmalen Leisten. Wo eine ausgesprochene Längs- richtung der Leisten vorwiegt, fehlen die Querleisten hin und wieder ganz, oder erreichen nicht die nächste Längsleiste. Häufig bilden sich Centren oder Wirbel (Fig. 8), indem das Leisten- netzwerk sich in einfache Längsleisten auflöst, welche dann strahlenförmig in einem Knotenpunkt zusammenfliessen. Die ein- zelnen Radien bilden keine geraden Linien, sondern spiralige und parabolische Curven. Soleher Centren habe ich am Halse eine grosse Anzahl gefunden. Was die Funktionsfalten betrifft, so finden sie sich in diesen Hautbezirken äusserst zahlreich vor. Sie stellen sich als breite Linien dar, in deren Verlauf weder das Maschennetz der Leisten noch einzelne Segmente desselben er- halten sind. Der Papillarkörper stellt, dem Bilde des Rete entsprechend, einfache Papillen dar, welche oft konfluiren, oft langgestreckte Cutisleisten bilden. Die Abstände der einzelnen Papillen und Leisten von einander sind äusserst gering. Häufig vereinigen sich bogenförmig auslaufende Papillenreihen sternförmig in einem Knotenpunkt. An zahlreichen Stellen ist, dem Verlaufe der Funk- tionsfalten entsprechend, ein vollständiges Fehlen der Papillen zu konstatiren. Die Brust zeigt ein dem Halse sehr ähnliches Aussehen. Nur die Maschenräume des Leistennetzwerks zeigen einen grösseren Durchmesser und das Faltensystem ist viel schwächer entwickelt. Wirbel habe ich hier seltener beobachtet. Bauch und Rücken stimmen im ihrer Oberhautarchitek- tonik fast vollkommen überein. Ein gleichmässiges, gutentwickeltes kleinmaschiges Netzwerk mit meist völlig geschlossenen Räumen ist das Charakteristische bei beiden (vergleiche im Gegensatz Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 169 hierzu die Darstellung bei Blaschko). Die Richtung welche die Leisten verfolgen, entspricht meist den Haarströmen, ist jedoch an manchen Stellen nieht mit Sicherheit zu bestimmen. Häufig bilden die einzelnen Haare Centren (Fig. 8), von welehen die Leisten radiär nach allen Seiten sich ausbreiten, oder die Maschen- räume sich terrassenförmig um eine kreisförmige Leiste formiren, welche das einzelne Haar umgibt. Auch die Epidermis der Extremitäten zeigt ein meist gleichmässiges Gepräge. Das Leistensystem (Fig. 9—11) stellt ein Netzwerk dar, bald ganz geschlossen, bald durch Fortfall von Querleisten konfluirende, grosse Räume bildend, bald mit vorwiegender Ausbildung der Längsleisten, bald mit gleich stark entwiekelten Querleisten. Die Leisten sind meist schmäler als die des Rumpfes und der Längsaxe der Extremitäten parallel. Die Falten dagegen übertreffen an Zahl und Breite diejenigen des Stammes, treten besonders stark über den Gelenken auf und lassen an den Partien, die sie durchziehen, nur selten vereinzelt stehende Stümpfe von Längs- und Querleisten erkennen. Die Cutispapillen des Rumpfes und der Extremitäten, von Hand- und Fussrücken abgesehen, bilden somit dicht gedrängte Reihe niedriger Gebilde, von runder, ovaler oder polygonaler Basis, welche meist eine ausgesprochene Verlaufsrichtung zeigen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Hautregionen bestehen nur in den grösseren oder kleineren Abständen der Papillen untereinander und in wechselnden Grösse (d.h. Höhe und Basis- umfang). Jene Partien, welche von Funktionsfalten durchzogen werden, zeigen eine ebene Fläche und besonders die Haut über den Gelenken weist eine äusserst geringe Anzahl von Papillen auf. Abweichend von diesem allgemeimen Typus ist das Bild, welches die Oberhaut des Handrückens und Fussrückens liefert. Die Leisten des Handrückens stellen eine gleichmässige Masse dar, fast einem Brette vergleichbar, in welches die Papillen theils einzeln, theils in Gruppen von verschiedener Anzahl, schräg gegen die Oberfläche geneigt, als Zapfen eingelassen sind. Das Leistensystem des Fussrückens ist dem eben beschriebenen äusserst ähnlich. Nur die Zahl und Ausdehnung der Papillenöffnungen, welche hier dicht gedrängt, nur von schmalen Leisten getrennt neben einander liegen, ist eine bedeutend grössere. Die Cutis weist demnach grosse Papillen auf, welche theils einzeln, theils 170 James Loewy: dieht gedrängt in Haufen auf einer im Uebrigen gleichmässig ebenen Fläche aufsitzen und schräg gegen die Oberfläche ge- richtet sind. Im Gegensatz zu dem Hand- und Fussrücken zeigt die Ex- tensorenseite der Finger wieder ein völlig geschlossenes, äus- serst kräftig entwickeltes, grossmaschiges Netzwerk, welches grosse Papillen darstellt, die dieht gedrängt neben einander liegen und in der Längriehtung der Finger verlaufen. Auch hier fand ich einen spiraligen Zusammenfluss der Papillen zu einem Cen- trum oder Wirbel. Auch die Kopfhaut weist ein stark entwickeltes Leisten- system auf. Zwischen ‘den Haaren, ohne die gleiche Richtung mit denselben zu verfolgen, sondern mit den Bindegewebsfasern der Cutis in ihrem Verlaufe übereinstimmend, ziehen breite Lei- sten hin, welehe schräg gegen die Oberfläche geneigt, weite Maschenräume umschliessen. Dementsprechend besitzt die Cutis der Kopfhaut meist einfache grosse Papillen, die, im gleichen Winkel wie die Haare gegen .die Oberfläche geneigt, dem Ver- laufe der Bindegewebsfasern der Cutis folgen. Stellen die Bilder, welehe ieh bisher beschrieben habe, Ver- hältnisse dar, wie sie bei erwachsenen Individuen ange- troffen werden, so zeigen Präparate dieser Hautpartien von Neugeborenen und ganz alten Personen ein von jenen sehr verschiedenes Aussehen. So fand ich, dass das Leistennetz der Oberhaut (Fig. 4. 6. 9) wenige Monate alter Kinder sowohl am Rumpf, wie an den Extremitäten eine auffallende Gleichmässig- keit zeigte. Gut entwickelte Leisten, ein meist völlig geschlosse- nes Netzwerk sind auf allen Präparaten anzutreffen. Die Falten sind minimal, durch feinste Linien angedeutet, unter denen in den meisten Fällen das Leistennetz noch sichtbar ist. Im Greisen- alter dagegen ist von dem architektonischen Aufbau der Ober- haut nur noch äusserst wenig zu erkennen (Fig. 11). Ein zu- sammenhängendes Netzwerk ist nicht mehr vorhanden, nur ein- zelne Stümpfe ganz schmaler Längs- und Querleisten, welche manchmal mit einander zusammenhängen und einige Maschenräume bilden, beleben das Gesichtsfeld im Verein mit den Falten, welche bedeutend verbreitert und vertieft sind. Dieser Schwund jeglicher Leisten und Papillen ist individuell verschieden, tritt bei dem einen früher, bei dem andern später auf und ist unabhängig von Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 171 den einzelnen Körperregionen. So finden wir z. B. die Epider- mis der über die Gelenke ausgespannten Haut viel früher ver- ödet als diejenige des Rückens nnd Bauches. Was die Oberhautformation des Gesichts anbetrifft, so zeigt dieselbe ein sehr mannigfaches Aussehen. Unter den wenigen Angaben, welche darüber vorliegen, er- wähne ich die von Kölliker, dass sich im Gesicht, nament- lieh an den Augenlidern, Stim, Nase, Wange und Kinn die kleinsten Papillen finden, diese ganz fehlen und durch ein Netz- werk niedrigster Leistchen ersetzt werden können. Auch Blaschko hat zwischen den Haaren und Talgdrüsen nur kleine, gebuckelte, wellige Erhabenheiten gefunden, welche an der Ohrmuschel und der Stirn einer glatten Fläche ohne jede Leiste Platz machen. Bedürfen diese Angaben auch in vielen Punkten der Er- gänzung und Richtigstellung, so bezeugen sie doch übereinstim- mend, dass die Oberhaut des Gesichts in dem Alter, wo sie auf dem Höhepunkt der Entwicklung stehen sollte, einen rudimen- tären Charakter trägt, die Cutispapillen nur schwach angedeutet sind, ja ganz fehlen können. Was nun den Bau der Oberhaut desselben anbetrifft, so ist das Leistennetz allerdings das am wenigsten ausgebildete des ganzen Körpers und schon im jugendlichen Alter finden sich Stellen, welche kaum Spuren eines vorhandenen Leistensystems erkennen lassen. Dennoch ist die Behauptung, dass an einigen Partien die Leisten und so auch auf der Cutis die Papillen fehlen, nicht aufrecht zu erhalten. Präparate von Neugeborenen zeigen nämlich überall ein System von Leisten, meist den Haar- strömen entsprechend angeordnet und der Querleisten ermangelnd. Oft strahlen sie büschelförmig von den einzelnen Haaren aus, in- dem sie die gleiche Richtung wie jene beibehalten, wie am Ohr, oder setzen sich, wie an der Nase, aus kleinen Segmenten zu- sammen, so dass die Lederhaut Leisten bildet. Schon nach einigen Jahren macht sich eine einschneidende Veränderung be- merkbar. In der Umgebung des Mundes, an den Wangen, dem Kinn und der Stirn ist fast nichts mehr von einem Netzwerk zu erkennen, und nur schwach angedeutete Reste von Leisten sind Zeugen des ehemaligen Bestehens derselben. Nähern wir uns aber der Gegend des Halses, des Ohres oder den Schläfen, so begegnen wir wieder einem gut ausge- 172 James Loewyg: bildeten Netzwerk, welches an Stärke der einzelnen Leisten dem des übrigen Körpers nicht nachsteht und z.B. an den Schläfen in seinem regelmässigen Aufbau und seiner kräftigen Entwick- lung dem Leistensysteme der Rückenoberhaut äusserst ähnelt. Im Gegensatz zu Kölliker möchte ich noch besonders her- vorheben, dass ich bei Erwachsenen an den Augenbrauen und Augenlidern ein sehr entwickeltes Leistensystem gefunden habe, welches in seinem Aussehen ganz dem der Kopfhaut gleicht und so grosse, schräg gegen die Oberfläche gestellte Papillen darstellt. Am inneren und äusseren Rande des Augenlides fand ich auch jene Formen, welche den Leisten der Pars glabra der Lippen eigen ist. An der Nase verläuft das Leistennetz (Fig. 12) in zwei typi- schen Formen. Entweder finden wir ein geschlossenes Netzwerk oder nahe an einander liegende Leistensegmente. Die Cutispapillen sind gross, durch breite Abstände getrennt und an manchen Stellen auf Cutisleisten ruhend. Schon bei der Beschreibung der Oberhaut der verschiedenen Körperregionen habe ich auf die jedesmalige Richtung, welche die Leisten und so auch die Papillen verfolgen, kurz hingewiesen; an dieser Stelle möchte ich jedoch ausführlicher auf diese Frage eingehen, deren Erörterung mir um so wichtiger erscheint, als eine Reihe anderer Formelemente der Haut ebenfalls eine regel- mässige Anordnung aufweisen, und es von Interesse wäre, die Frage zu erörtern, ob zwischen diesen Gebilden und den Epi- dermisleisten regelmässig wiederkehrende Beziehungen obwalten. Zunächst haben Voigt!) und Esehricht?) uns eine solche für die Haare kennen gelehrt, mdem sie nachwiesen, dass dieselben eine bestimmte Richtung verfolgen, konstante Curven, welche an bestimmten Stellen eine grosse Zahl ceonvergirender und diver- girender Wirbel bedingen; diese treten besonders bei Embryonen 1) Ch. A. Voigt, Ueber die Richtung der Haare am mensch- lichen Körper. Denkschrift d. Wien. Akad. d. Wissenschaften Bd. 13, Wien 1857. 2) Eschricht, Ueber die Richtung der Haare am menschlichen Körper. Müller’s Arch. 1857, pag. 37. e I I R i 4 u Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 173 plastisch hervor, während sie beim Erwachsenen durch die Rück- bildung des embryonalen Haarkleides nur noch wenig deutlich und vereinzelt zu erkennen sind. Ein zweites, konstantes Liniensystem weist die Haut in der Spaltbarkeitsrichtung auf, welche, wie Langer!) in seinen klassischen Arbeiten festgestellt hat, in der bestimmten Verlaufs- richtung der Bindegewebsfasern der Cutis ihre Ursache hat. Die Einstiche mit dem Pfriem, welche Langer systematisch auf der ganzen Körperoberfläche machte, lieferten längliche Oeffnungen, welche sich zu Linien zusammensetzten, die wiederum ein System darstellten, charakteristisch für jeden Körpertheil und konstant bei allen Individuen auftretend. Eine Vergleichung des Verlaufes der Haarrichtung mit der Spaltbarkeitsrichtung lässt eine auffällige Aehnlichkeit beider erkennen. Eine dritte Gruppe von Linien, welche wir noch an der Hautoberfläche erkennen können, ist die sogenannte Oberhaut- felderung, jenes System feinster Furchen, welche, nnter Bildung drei- oder mehreckiger Felder, die gesammte Hautoberfläche durchziehen. Die Frage liegt nahe, in wie weit Leisten und Papillenverlauf mit der Oberhautfelderung übereinstimmt, indem beide Liniensysteme häufig parallel verlaufen, sich kreuzen oder einander decken. — Schliesslich wäre noch in Erwägung zu ziehen, ob nicht zwischen der Endausbreitung der Nerven und Gefäss- bäume einerseits und der Anordnung der Reteleisten anderer- seits gewisse Beziehungen obwalten, eine Frage, welche bei dem eigenthümlichen Verhältnisse der Gefässe und Nerven zu den Pa- pillen besondere Beachtung verdient. Bevor ich jedoch auf die Gleichheit und Abweichungen der Verlaufsrichtung jener Systeme mit derjenigen der Leisten und Papillen näher eingehe, möchte ich einem naheliegenden Einwurfe begegnen, der gegen die Constanz der von mir beobachteten Leistenvorrichtung gemacht werden könnte. Bekanntlich zieht sich die Haut, wenn sie aus der Continuität gelöst wird, durch die Wirkung der elastischen Fasern in der Richtung der Spalt- barkeit zusammen, während sie im Breitendurchmesser im gleichen 1) K. Langer, a) Ueber die Spaltbarkeit der Cutis. Sitzungs- berichte der Wiener Akad. Math.-naturwissenschaftl. Cl. Bd.44. — b) Die Spannung der Cutis, ebenda Bd. 45. 174 JamesLoewy: Verhältniss zunimmt. Die Folge davon ist, dass wir an ausge- schnittenen Hautstücken Bilder der Epidermis erhalten, welche uns die wahren Verhältnisse, die wirkliche Verlaufsrichtung der Leisten nicht mehr erkennen lassen. Die Thatsache ist unbe- streitbar, jedoch nur so lange als die Epidermis noch nicht von der Cutis gelöst ist. Um zu eruiren, wie sich die Grössenver- hältnisse der Epidermis nach ihrer Trennung von der Outis ge- stalten, habe ich an zahlreichen exeidirten Stücken folgende ge- nauere Messungen vorgenommen. Zuerst zeichnete ich mit einem Oelstift die Umrisse des auszuschneidenden Hautstückes auf der Leiche vor, wobei ich mich stets der Figur zweier aneinander- geschobener Rechtecke bediente. Ich wählte diese Figur, weil’ ich einerseits durch ein verhältnissmässig kleines Präparat das Bild eines ziemlich grossen Hautbezirkes erhielt, zweitens an den beiden Schenkeln, deren Längsdurchmesser senkrecht auf einan- der stehen, die Contraction sehr leicht zu erkennen ist, indem der eine Schenkel im Durchmesser wächst, wenn der andere sich verkleinert. Nachdem ich also diese Figur auf der Leiche vorgezeichnet hatte, pauste ich die Zeichnung durch, schnitt dann das Haut- stückehen heraus und trug die Kontraktionsdifferenz genau auf dem durchgepausten Bilde ein. Hatte ich dann die Epidermis . von der Cutis gelöst und breitete erstere auf jenem Bilde aus, so zeigte es sich, dass die Epidermis wieder ihre ur- sprüngliche Grösse zurückgewonnen hatte, dass somit an den zur Untersuchung benutzten Epidermisstücken das Leisten- system sein ursprüngliches Gefüge beibehalten haben musste. Auch gewaltsames Dehnen und Verziehen der Epidermis bewirkte nur eine minimale Verschiebung der Diagonalen der einzelnen Maschen- räume, war aber nicht im Stande die Hauptrichtung des Leisten- verlaufes zu verändern. Was zunächst das Verhältniss der Verlaufsrichtung der Leistenreihen und Papillen zu den Haarströmen betrifft, so finden sich verschiedene Verhältnisse vor. Meist ist eine Uebereimstim- mung beider vorhanden. Besonders am Rumpf, am Serotum, dem behaarten Theil des Penis und an einigen Partien der Extremi- täten tritt diese gleiche Verlaufsrichtung deutlich hervor. Frei- lich erwächst bei der Bestimmung derselben eine Schwierigkeit daraus, dass man selbst mit schwachen Vergrösserungen (20 mal Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhanut. 175 oder selbst 10 mal) nur ein kleines Gesichtsfeld übersehen kann, woraus für die Beurtheilung des Allgemeimverlaufes der Haare sowohl wie der Leistenreihen leicht Irrthümer entstehen können. An den wenigen Stellen, wo sich an der behaarten Haut ein soleher Parallelismus der Verlaufsriehtung nicht nachweisen lässt, finden wir Verhältnisse, wo entweder die einzelnen Leisten eine Art von Öentren bilden, d.h. Punkte, von denen radiär nach allen Seiten die Maschenräume der Leisten und so auch die Pa- pillen ausstrahlen, wie ich dieses an einigen Stellen des Rückens, des Bauches und anderer Körperregionen mehrfach beobachtet habe (Fig. 8). Oder es besteht überhaupt keine Beziehung zwischen den Haarströmen und der Verlaufsriehtung der Leisten und Papillen; das Leistennetzwerk zieht anscheinend regellos zwischen den Haaren hin, gleichsam die Zwischenräume derselben ausfüllend. Eine solehe Anordnung findet sich, wenn auch nur vereinzelt, an der Kopfhaut. In anderen Fällen folgt auch auf dem Kopfe die Riehtung der Leisten derjenigen der Haarstämme und, was sehr wichtig ist, auch ihrer Neigung. Es liess sich dies übrigens schon aus den beiden von Blaschko abgebildeten Schnitten der Kopfhaut erwarten. Ist num im Ganzen die Uebereinstimmung der Haarströme mit der Richtung der Papillen eine geradezu auffallende, so lässt uns an der unbehaarten Haut dieser Vergleiehsfaetor im Stich, gerade an den Hautpartien, welche die ausgesprochenste und best charakterisirte Verlaufsrichtung aufweisen. So verlaufen am Penis die Leisten und Papillen von der Wurzel zum Präputium, dort eireulär um die Urethra, um an der Glans, nachdem sie am Suleus und der Corona glan- dis wieder längsgerichtete Schleifen gebildet, radiär zum Ori- ficium ihren Weg zu nehmen und schliesslich in eireulären Tou- ren in das Leistensystem der Mucosa überzugehen. An den Lippen ziehen die Leisten von der äusseren Haut zur Mucosa, am. Handteller, der Beugeseite der Finger und der Fusssohle verlaufen sie genau den Riffen und Furchen entsprechend. Sehen wir uns nach einem Momente um, welches uns zum Vergleiche der Verlaufsrichtung der Leisten und Papillen auch an der unbehaarten Haut dienen kann, so giebt uns die Spalt- barkeitsrichtung diesen Vergleichsfaktor an die Hand, da ja die Archiv f. mikrosk, Anatomie. Bd. 37. 12 176 James Loewy: sie bedingenden Bindegewebsfasern, sowohl die behaarte wie un- behaarte Haut durchziehen. Durch genauere Untersuchungen habe ich über das Verhältniss der Spaltbarkeitsrichtung zu der Verlaufsriehtung der Leisten und Papillen Folgendes feststellen können. Wie schon Langer angiebt, stimmt im Grossen und Ganzen (der Verlauf der Bindegewebsfasern mit den Haarströmen überein, und nur an wenigen Stellen, wie an den Extremitäten und am Kopf weicht er von denselben ab. An den Stellen nun, an wel- chen die Spaltbarkeitsriehtung mit den Haarströmen übereinstimmt, wie am Rumpf, dem Scrotum, Penis u. a. ist auch der Verlauf der Leisten ein gleicher. Besteht kein Parallelism us der Haarströme und der Spaltbarkeitsrichtung, wie z. B. auf dem Kopf und besonders auf der Patella, so folgen die Leistenreihen und Papillen den Bindege- websfasern. Lässt sich keine Richtung der Papillen und Lei- sten feststellen, oder bilden die einzelnen Leisten Centren, so habe ich bisher eine Analogie mit der Spaltbarkeitsrichtung nicht fest- stellen können. An der unbehaarten Haut liegen die Verhältnisse noch viel charakteristischer. An der Hohlhand, der Beugeseite der Finger und der Fuss- sohle entsprechen die Bindegewebsfasern den Riffen und Furchen, also auch den Leisten. An den männlichen Geschlechtsorganen habe ich die Langer'schen Versuche wiederholt und eine völ- lige Uebereinstimmung der Spaltbarkeitsrichtung mit dem Verlaufe der Leisten und Papillen gefunden. Auch jene feineren Verhältnisse, welche Langer entgangen sind, fmden sich vor, insofern nämlich am Präputium auch die Bindegewebs- fasern einen eirculären Verlauf aufweisen, während dieselben an der Glans radiär zum Orificium gerichtet sind. Sprechen diese Thatsachen mit fast zwingender Gewalt für die Annahme, dass die Richtung der Leisten und Papillen mit derjenigen der Bindegewebsfasern übereinstimmt, so zeigt sonder- barer Weise der Bau der Lippen gerade das entgegengesetzte Verhältniss. Während, wie ich feststellte, die Spaltbarkeits- richtung eireulär von rechts nach links verläuft, sind die Leisten und Papillen radiär von der äusseren Haut zur Mucosa gerichtet. Ob für diese auffallende Differenz besondere Gründe vor- -—1 -—I Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 1 liegen, kann ich noch nicht entscheiden, für den ganzen übrigen Körper jedoch möchte ieh den vollkommen gleichen Verlauf der Leisten und Papillen einerseits und der 3indegewebsfasern andererseits als allgemein giltiges Gesetz hinstellen, eine Abhängigkeit, welche aus den anato- mischen Verhältnissen leicht erklärt wird. Auch ©. Simon!) hat dieses Gesetz schon in gleicher Form aufgestellt. Allerdings sind die Beweisgründe, welche er für seine Behauptung ins Feld führt, wenig bindend. Aus der Ueber- einstimmung der Oberhautfelderung mit der Verlaufsriehtung der Papillen einerseits und der Spaltbarkeitsrichtung andererseits, schliesst Simon auf den gleichen Verlauf der Papillen und der Bindegewebsfasern, welche die Spaltbarkeitsrichtung repräsentiren. Nun sind aber die Gründe, welche dieser Autor für seine Prä- missen angiebt, wenig stichhaltig, ja, wie ich weiter unten darthun werde, den thatsächlichen Verhältnissen geradezu ent- gegengesetzt, so dass Simon, von zwei falschen Voraussetzungen ausgehend, zu seiner richtigen Behauptung gelangt ist. An dieser Stelle möchte ich noch auf folgenden Punkt auf- merksam machen. Im Verlaufe der Leisten treten, wie ich es besonders an der Brust, am Bauch, an den Genitalien und an anderen Stellen beobachtet habe, Centren oder Wirbel auf (Fig. 8), d. h. Figuren, welche sich aus radiär zu einem Punkte hin zusammenströmenden Leisten zusammensetzen. Solcher Wirbel lassen sich verschiedene nachweisen. Manchmal sind die Querleisten, welche die das Centrum bildenden Leisten untereinander verbinden, äusserst wenig, manchmal im vollkommenen Maasse ausgebildet, oft ist das Centrum klein, ja punktartig, oft stellt es ein schollenartiges Gebilde dar, von dem baumartig die Leisten ausstrahlen (Fig. 7). Es läge ja sehr nahe, die Gebilde in eine Linie zu setzen mit den Haarwirbeln und den an den Tastballen der Fingerkuppen befindlichen wirbelförmigen Figuren und sie gleich diesen als eine Art von Tastcentren, Centralpunkten der tastempfindenden Organe und vielleicht auch Punkten erhöhter Tastempfindung zu be- trachten. Doch möchte ich eine solche Auffassung nur als hypo- thetische hinstellen, um so mehr, als es sich nicht um so ausser- 1) ©. Simon, Lokalisation der Hautkrankheiten. Berlin 1873. 178 James Loewy: ordentlich regelmässig gebaute und auch nicht einmal in regel- mässiger Anordnung wiederkehrende Gebilde handelt, wie bei Haarwirbeln und Tastballen. Um schliesslich die Frage näher zu untersuchen, ob und in wieweit die Oberhautfelderung mit der Verlaufsrichtung der Leisten und Papillen übereinstimmt, sollen emige Worte über die Entwieklung und den heutigen Stand der Frage vorausgeschickt werden. Die Oberhaut ist nieht glatt über den ganzen Körper aus- gespannt, vielmehr finden wir die gesammte Hautoberfläche von einem System feiner und feinster Linien, einander kreuzender Furehen durchzogen, welehe zwischen sich die sogenannten Ober- hautfeldehen einschliessen. Ausserdem finden wir noch am Hand- teller, der Fusssohle und der Beugeseite der Finger und Zehen ein zweites ganz typisch angelegtes System von Riffen und Furchen, welche theils gerade, theils in Bogenlinien verlaufen oder jene bekannten Spiralen bilden, welche besonders die Finger- kuppen charakterisiren. Diese letzteren Bildungen sind von Alters her bekannt und schon von Malpighi beschrieben worden. Purkinje unterwarf sie einer genaueren Untersuchung und stellte eine Reihe von Typen auf, welche in neuester Zeit von Engel und besonders von Kollmann eingehend erörtert und erklärt worden sind. Auf die Felderung und Faltung der übrigen Haut hat zuerst Bichat!) sem Augenmerk geriehtet und eine Eintheilung der sesammten Linien, welche die Oberhaut durchziehen, gegeben. Er unterschied im Ganzen fünf Arten: 1. Falten, welehe dureh den Muskelzug bedingt werden, wie die Runzeln der Stirn und des Hodensacks. 2. Die Runzeln, welche sich im Alter einstellen. 3. Falten, welehe durch Gelenksbewegungen veranlasst werden, wie die Falten über den Fingergelenken. 4. Die regelmässigen Furchen der Flachhand, Fusssohle und an den Beugeseiten der Finger und Zehen. 5. Die unregelmässig sich kreuzenden Furchen, welche sich auf der ganzen Hautoberfläche vorfinden. 1) Bichat, Allgemeine Anatomie, übersetzt von Pfaff. Leipzig 1803, I. H., IL. Apth., 8.2166. ee Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 179 Diese Eintheilung Biehat's ist lange Zeit die Grundlage für alle späteren Beschreibungen geblieben und auch O. Simon, der nach ihm als erster sich genauer mit der gesammten Ober- hautfelderung beschäftigte, hat sie übernommen und an die Spitze des Kapitels über „die Richtungslinien der Hautarchitektur“ ge- setzt. Allerdings reduzirt er die Zahl der Falten auf vier, indem er die Falten der Hohlhand ete. und die sich unregelmässig kreu- zenden der gesammten Hautoberfläche als gleichwerthig be- zeichnete. Erst in neuester Zeit ist diese Eintheilung der Furchen und Falten der Oberhaut durch Lewinski erschüttert worden, welcher jene fünf Arten auf zwei zurückführte. Er unterschied nur noch die regelmässigen Furchen an der Hohlhand, Fusssohle ete. einer- seits und alle übrigen: von Bichat beschriebenen andererseits, welche er auf eine gemeinsame Entstehungsursache, auf die Be- wegung der Haut durch Einwirkung der Muskeln zurückführte. Schliesslich hat Philippson in einer neueren Arbeit!) über eine bisher noch nicht bekannte Art von Linien berichtet, die er als Analogon der regelmässigen Furchen in der Hohlhand auf der gesammten Körperoberfläche gefunden haben will und welche er gleich den letztgenannten als Senkungsfurchen bezeichnet. Dass die spiraligen Kurven, welche im der Hohlhand, auf der Fusssohle und den Beugeseiten der Finger und Zehen verlaufen, ein besonderes und eigenartiges Gebilde sind, haben mit Recht alle Forscher hervorgehoben und es bedarf kaum weiterer Aus- einandersetzung, um darzuthun, dass zwischen ihrer Anordnung und derjenigen der Reteleisten der Cutispapilten eine völlige Uebereinstimmung herrscht. Sind doch eben die Riffe und Fur- chen weiter nichts als der auf der Oberfläche zu Tage tretende Ausdruck der tiefer liegenden Formelemente, wie dies Blaschko- des ausführlicheren dargethan hat. Es entsprechen den Riffen und Furchen auf der unteren Seite der Epidermis jene Hervor- wölbungen, welche auf dem Querschnitte zapfenförmige Gebilde, in Wirklichkeit jedoch dem Verlaufe der Riffe und Furchen ent- sprechende Leisten darstellen. Diese Leisten sind keine gleich- werthigen Gebilde, sondern sind scharf in zwei Arten zu trennen. Entsprechen sie nämlich den Ritien, so sind es aktive Produkte, 1) Monatshefte für prakt. Dermatolog. Bd. VII, pag. 389, 180 James Loewy: bedingt durch Proliferation der Epidermis, entsprechen sie den Furchen, so sind sie passiv, erzeugt durch die Einstülpung der sesammten Oberhaut. Die ersteren, welche an Höhe die letzteren weit überragen, nehmen die Ausführungsöffnungen der Drüsen- kanälchen auf. Blaschko, welcher zuerst diese Verhältnisse klarstellte, hat daher die Namen Drüsenleiste und Falte für jene Gebilde in die Anatomie eingeführt. segen diese Anschauung hat sich Unna !) gewandt, indem er geltend machte, dass Blaschko’s Falte keine Einstülpung, sondern eine wahre Leiste, hervorgebracht durch Proliferation der Epidermis, darstelle. Wäre es nämlich eine Falte, so müsste nach Unna sich am untersten Winkel derselben em Maximum des Druckes auf die Cutisunterlage, erzeugt durch das Einstülpen der Epidermis, geltend machen und abgeplattete Epithelzellen er- zeugen. Dies sei nicht der Fall, in Wahrheit werde die Stachelschieht nach unten leistenartig durch Proliferation vorge- trieben und bei mangelndem Nachwuchs sinke die Hornschicht und Körnerschicht, im Maasse als die Stachelschicht verhorme, allmählich ein. Diesen Ausführungen Unna’s kann ich mich nicht anschlies- sen. Vor allem ist jener Forscher den Beweis dafür schuldig geblieben, dass ein nachträgliches Einsinken der Körnerschicht und Hornschicht stattfindet. Kein Präparat Blaschko s, welches der Haut verschiedenaltriger Foeten entnommen war, liess eme solehe Deutung zu, im Gegentheil fand sich stets die Oberhaut von Anfang an mit allen Schichten gleichmässig eingestülpt. Ferner zeigen Querschnitte foetaler Haut, welche durch die Fuss- sohle und den Handteller gelegt werden, einen an allen Stellen gleichmässig starken Durchmesser der Epidermis. Dieselbe nimmt nur dort etwas an Dicke zu, wo an der Oberfläche die Riffe hervor- treten und m der Tiefe sich die Drüsenleisten bilden. Denkt man sich also die Epidermis ausgezogen und zwar so stark ge- spannt, dass die Falten verschwinden, so erhält man an den vorher gefalteten Partien eine gleich starke Epidermis wie an den angrenzenden, und nur die Drüsenleisten erweisen sich als wahre Proliferationen. Auch das Fehlen plattgedrückter Epithelien am tiefsten 1) Monatshefte für prakt. Dermatolog. Bd. VII, Nr. 16. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 181 Winkel der Falte sprieht nicht gegen Blaschko's Deutung, da während der Bildung der Falten eine Zellenwucherung innerhalb der Epidermis und zwar grade an ihren untersten Schichten statt hat. Denn nehmen wir an, auf einer Flächeneinheit Grenzfläche sässen vor Bildung der Falte x Zellen cylindrischer Form, so wären, wenn nach Bildung der Falte dasselbe Stück der Grenzfläche einen doppelten Raum einnähme, die Zellen nur in dem Falle abgeplattet, wenn die Zellvermehrung nur in den oberen Epidermisschichten vor sich gegangen wäre; hat sich jedoch während der Bildung der Falte die Anzahl der Basal- zellen grade verdoppelt (auf 2x Zellen), so muss die Cylinder- form bestehen bleiben. Und eine solche Vermehrung der Basal- zellen während des Wachsthums der Epidermis ist nicht nur wahrscheinlich, sondern durch die Ergebnisse aller Untersuchun- gen, welehe in dieser Schicht die zahlreichsten Karyokinesen gezeigt haben, gradezu für erwiesen zu erachten, wie ja denn auch Blaschko selbst die Proliferation innerhalb der Oberhaut als Ursache der Einfaltung angenommen hat. Darum ist es jedoch nicht angängig, die Falte selbst als Wucherungsprodukt aufzu- fassen, was nur dann erlaubt wäre, wenn wie bei der Bildung der Drüsenleiste an einer Stelle eme eireumseripte Zell- proliferation stattfände. Hiervon ist, wie man sich an jedem Präparate überzeugen kann, nicht die Rede. Ein anderer von Unna und Philippson nicht gemachter Einwand liesse sich gegen Blaschko’s Falte vorbringen. Sehen wir von den Papillen der Handteller und der Fusssohle ab, so finden wir alle Papillen begrenzt von zwei Längs- und zwei Querleisten. Fehlen die letzteren, so fliessen zwei Papillen zu- sammen; nirgends finden wir jedoch bei jugendlichen Individuen eine Falte als einen die Gestalt der Papillen bestimmenden Fak- tor. Dies ist aber am Handteller und der Fusssohle der Fall, wie es deutlich aus der Figur 2 der Blasehko’sehen Arbeit her- vorgeht. Hier verlaufen die Falten stets zwischen zwei Drüsen- leisten, und die Maschenräume, welche das Negativ der Papillen darstellen, sind durch zwei Querleisten, eine Drüsenleiste und eine Falte gebildet. Da läge es allerdings nahe, nach Analogie der übrigen Haut zu dem Schlusse zu kommen, dass wir es hier mit keiner Einstülpung, sondern einem Proliferationsprodukte der Epi- dermis, mit wahren Leisten zu thun haben. Schon eine einfache 182 James Loewy: Erwägung lehrt, dass wir eine solche Analogie nieht zu fordern berechtigt sind. Ist ja doch auf der Palma und Planta aueh schon von aussen eine ständige Einfaltung in Form der „Furehen* siehtbar, während die übrige Haut, abgesehen von den Funktions- falten (s. unten), vollkommen glatt verläuft. Es ist nicht einzu- sehen, warum nicht ebenso wie bei anderen Organen (z. B. beim Gehirme) auch bei der Haut neben der Zellvermehrung auch andere, mechanische Momente gestalt- und formgebend wir- ken können. Diese Auffassung gewinnt noch eime Stütze dureh eine Arbeit von Klaatsch und Krause), welche beim Affen auf ein sehr eigenthümliches Verhältniss aufmerksam gemacht haben. Diese Autoren fanden eine gesetzmässige Verbindung „wischen Epithel und dem Bindegewebe der Haut. „Von der Tiefe der Cutis aus erheben sich nämlich Bindegewebszüge und steigen in dem mittleren Theile der Cutisleisten empor, um sich in der Falte an die untersten Epidermiselemente zu heften. Die feinere Struktur ist dabei die, «dass in der Mitte der Cutisleisten die Bindegewebszüge immer parallel mit den Cutisleisten ver- laufen, auf Schnitten senkrecht zu den Leisten also im Quer- schnitt ihrer Fasern erscheinen, während zu beiden Seiten dieser mittleren Züge andere senkrecht nach oben zur Falte hin ver- laufen, so dass sich in der oben genannten Schnittriehtung die Fasern in ihrer ganzen Länge zeigen. Man kann somit einen fixen und einen mobilen Theil der Haut unterscheiden. Denn diese senkrecht aufsteigenden Faserzüge verbinden gleichsam als mikroskopische Ligamente in der Falte die Cutis mit der Epi- dermis. Die Blaschko’sche Falte ist also der Insertionspunkt aut- steigender Bindegewebsfasern, während die Drüsenleiste, von Bindegewebsfasern, umkreist einen freibeweglichen Theil der Haut darstellt.“ Dieses Ergebniss lässt sich für die Entstehung der Falten in vortrefllicher Weise verwerthen, indem man folgende Entwicklung derselben annehmen kann. Haben wir fixe Punkte in den Falten vor uns, die dureh ein Bindegewebsligament an die Cutis gehaftet sind, und wirkt das Wachsen der Lederhaut als auftreibende Kraft gegen. die Epidermis, so werden die freibeweglichen Theile nachgeben, die l) Krause, Beiträge zur Kenntniss der Haut der Affen. In- augural-Dissertation. Berlin 1888. e. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhant. 185 fixirten dagegen nicht, sondern jene regelmässigen Einkniekungen bedingen. Im gewissen Sinne würde hierdurch die ursprüng- lieh von Blaschko über die Entstehung der Falten gehegte Vor- stellung modifizirt werden. Nach Blaschko sollten nämlich — ebenso wie die Drüsenleisten durch Wucherung — die Falten dureh eine spontane Einsenkung der Epidermis, also durch ein aktives Hervordrängen der wachsenden Epidermis gegen die Cutis entstehen; nach der neuen Auffassung würde, ohne dass ein gleichzeitiges Wachsthum der Epidermis ausgeschlossen wäre, für die Entstehung der Falte wenigstens die aktive Rolle mehr der Cutis zufallen, wie ja denn auch Blaschko in seiner zweiten Mittheilung eine gegenseitige Aktion der beiden Gewebe zugiebt. Führen nun diese Befunde Klaatsch und Krause’s die Streit- frage über die Entstehung der Falte einer einfachen und über- zeugenden Lösung entgegen, so kann dennoch der strittige Punkt nicht als entschieden bezeichnet werden. Hat doch Krause selbst angegeben, nur beim Gibbon und Kynocephalus diese Strukturverhältnisse klar gefunden zu haben. Für die Cutis der menschlichen Haut steht bisher der Beweis für die gleiche Anordnung der Bindegewebsfasern noch aus, und bei der Durch- musterung der zahlreichen mir von Dr. Blaschko überlassenen Präparate fötaler Haut habe ich eine derartige Anordnung nieht nachweisen können. Soviel geht jedoch aus dem bisher Gesag- ten hervor, dass ein Grund, die Blaschko’sche Bezeichnung „Falte“ fallen zu lassen und dafür den von Philippson vorge- schlagenen der „Senkungsfurche* einzuführen, überhaupt nicht vorliegt, um so weniger, als die letzte Bezeichnung gar nicht einmal besonders deutlich die Philippson’sche Vorstellung von der Entstehung derselben — d.h. Wucherung mit nachfolgender Einsenkung — wiedergiebt. Ganz verschieden von den bisher besprochenen Leisten und Falten der Oberhaut, welche in der Anlage gegebene und erblich übertragbare Formgebilde darstellen, die für die menschliche Species, die einzelnen Racen und Individuen be- sondere eigenthümliche Merkmale tragen, ist eine zweite Art von Fälten, welche erst später durch die Lebensäusserungen des Organismus entstehen, in Form, Zahl und Anordnung von der Art der physiologischen Bewegungen abhän- gige Gebilde. Sie halten, wie ich aus einer sehr grossen 184 James Loewy: Reihe von Präparaten konstatiren konnte, keine bestimmte Riehtung inne, stehen in keinem Verhältnisse zu den Epidermisleisten, sondern stellen sich als regellose, bald parallel neben einander herziehende, bald sieh kreuzende und gabelnde, durchscheinende Leisten auf der Unterfläche der Epidermis dar. Diese Gebilde ent- sprechen den Faltungen und Kniekungen der Haut, welche be- sonders scharf an den Gelenken und im Handteller hervortreten und, wie Lewinski!) namentlich dargethan hat, durch die physio- logischen Bewegungen bedingt werden. Bei jeder Bewegung findet im Gebiete der Muskelaktion eine Verschiebung der in Form eines rhomboidalen Maschenwerkes angeordneten Bindege- websfasern der Cutis statt, wodurch diese befähigt ist, einer je- (den auf sie wirkenden Kraft nachzugeben durch blosses Verlän- gern oder Verkürzen bald der einen, bald der anderen Rhombus- diagonale. Die Epidermis besitzt diese Einrichtung nicht. Sie ist nicht sehr elastisch und kann die äusseren Einwirkungen nicht dureh innere Umlagerung ausgleichen, sondern beantwortet jede Verschiebung der einzelnen Punkte zu einander mit einer Faltung und Kniekung nach der einen und Ausziehen von Falten in der anderen Richtung. Daher ist die Epidermis von vornherein im Ueberschuss angelegt und liegt beständig in Falten, welche je- doeh entsprechend den einzelnen Bewegungen ihre Form und Lage ändern. Bei der Besprechung der Lewinski'schen Arbeiten hat Unna einen wesentlich anderen Standpunkt vertreten. Er sagt?): „Die Linien der wahren Oberhautfelderung im natürlich erhaltenen Hautstücke reichen nur bis in die Stachelschieht und stellen nichts weiter dar als linienförmige, tiefere Einsenkungen der Hornschicht, deren Lage durch einen entsprechenden strichförmigen Mangel der Papillen vorgezeichnet ist. Der Mangel der Papillen ist eben an diesen Stellen der zureichende Grund für das tiefere Herabsteigen der Hornschicht, weil er einen geringeren Nahrungs- zuschuss dieser Stellen und daher einen geringeren Nach- wuchs junger Stachelzellen zur Folge hat.“ Die „Model- I Lewinski, Ueber die Furehen und Falten der Haut. Vir- chow’s Arch. Bd. 9. 2) Monatshette d. prakt. Dermatolog. 1883, Bd. II, pag. 225 unten. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 185 lierung der Hornschieht* ist nach ihm dureh „die vorauf- gehende und sehr verschiedenartige Vertheilung der Papillen“ bedingt. Die Oberhautfelderung sei daher — und Unna fügt ausdrücklich hinzu, dass er hierbei auf dem ©. Simon ’'schen Standtpunkte stehe — ein Ausdruck der verschiedenartigen Pa- pillenvertheilung. Schwer verständlich ist der Standpunkt Philippson's!). Philippson nennt Kniekungsfurchen nur die über den Gelenken gelegenen Falten, alle übrigen Spannungsfurchen. Er geht zur Erklärung der Oberhautfalten aus von den Striae gravidarum und den Bildern, welehe die Unterfläche der Epidermis daselbst darbietet. Die Stachelschicht zeigt daselbst „eine glatte, durch- scheinende Fläche, welche nur wenige, niedrige, querverlaufende Leisten, eimige Maschen von annähernd normaler Grösse und zahlreiche von viel klemerem Umfange aufweist. Die der Mitte anliegenden Leisten sind nach ihr zu ausgezogen.“ ‚Jene Bilder sind leicht zu erklären: „Die überaus starke Spannung, welcher die Haut Schwangerer ausgesetzt ist, und welche eine parallele Anordnung der Bindegewebsbündel der Cutis bewirkt, überträgt sich auch auf die aus dem Niveau derselben heraustretenden Bindegewebsfasern der Papillen und strebt danach sie in die Zugriehtung hineinzuziehen. Daher die Abflachung und das Ver- schwinden der Papillen, durch welche Formveränderung anderer- seits wieder die Abflachung und das Verstreichen der zwischen ihnen befindlichen Epidermisleisten verursacht wird. Zuerst wer- den diejenigen Leisten, welche genau oder annähernd senkrecht zur Zugrichtung verlaufen, ausgeglichen, bis schliesslich, wenn überhaupt, nur noch die in die letztere fallenden Leisten übrig bleiben.“ Auf gleiche Weise entstehen nach Philippson die Falten der Oberhautfelderung, darum von ihm Spannungsfurehen genannt. Ist nämlich die auf die Haut ausgeübte Kraft noch grösser wie bei den Striae, so kann es wie bei den bekannten Lewinski'schen Versuchen zum vollständigen Papillenschwund kommen, ist sie aber kleiner, setzt sie nicht plötzlich em und ist sie über eine grössere Fläche vertheilt, „dann erzeugt sie in der Haut keine Striae mehr, sondern nur lineäre Einsenkungen der Haut, Furchen 1) a. a. O. und Virchow’s Arch. Bd. 120, pag. 186. 186 James Loewy: genannt. Der Beweis für die letzte Behauptung liegt in dem Flächenbild der Epidermis eines Erwachsenen: mitten durch das L.eistennetz zieht eine durchschemende Zone ohne Leisten; die an dieselbe stossenden Maschen sind nach ihr zu offen, die Leisten derselben verstreichen in die glatte Fläche der Zone und sind mehr oder weniger senkrecht auf dieselbe gerichtet. Alles dies sind Eigenschaften, welche dem dureh Spannung veränderten Leistennetz der Epidermis zukommen. Sieht man neben jenem auch noch das entsprechende Flächenbilde beim Kinde, wo quer über die dünnere, die Zone bildende Partie der Epidermis noch niedrige Leisten ziehen oder wo auf der Zone noch Maschen vor- handen sind — trifft man dann auch beim Erwachsenen in jener Zone gelegentlich kleine Oeffnungen für entsprechende Papillen, so ist es nahe liegend, diese Partien im Leistennetz nicht als etwas ursprünglich Angelegtes anzusehen, sondern vielmehr als das Produkt einer auf einem überall gleichmässig entwickelten Papillarkörper und auf ein dem entsprechendes epitheliales Leisten- netz wirkenden Zugkraft aufzufassen. Eine solche Kraft liegt in der von der Muskelaktion abhän- gigen Spannung vor und ist bereits von Lewinski als Ursache jener auf dem epithelialen Flächenbild als durchscheinende Zonen auftretenden Furchen in Anspruch genommen worden.“ Wie man sieht hat Philippson den Standpunkt seines Lehrers Unna wieder aufgegeben. Nach ihm sind die Falten der Oberhautfelderung nicht in der Anlage gegeben, sondern — in Uebereinstimmung mit Lewinski — durch die Körperbewe- gung entstanden; von letzterem Autor aber unterscheidet er sich wesentlich dadurch, dass er sich den Entstehungsmodus der Oberhautfelderung auf ganz andere Weise vorstellt. Lewinski lässt, wie wir oben gesehen, durch Knickung der im Ueberschuss angelegten Haut Falten entstehen, wenn diese zusammengedrückt wird; durch Spannung der Haut werden Falten parallel der Zug- richtung erzeugt. Nach Philippson ist offenbar — er spricht sich hierüber nicht des genaueren aus, aber seine Anschauungen sind anders zar nicht zu deuten — die Haut anfangs nieht im Ueberschuss angelegt und erst durch die Spannung der also eigentlich zu kurzen Haut wird die Epidermis an einzelnen Stellen ausge- zogen, verdünnt und wenn dann die Spannung nachlässt, bilden Beiträge znr Anatomie und Physiologie der Oberhanut. 187 diese ausgezogenen verdünnten Partien die „Falten“. Räthselhaft ist nur warum, wenn von vornherein das Leistennetz völlig gleichmässig angelegt ist, em auf dieses Netz wirkender Zug dasselbe nicht gleiehmässig auszieht, räthselhaft ferner, dass dieser Papillenschwund beim Neugeborenen noch nicht sichtbar ist, während die Falten schon beim Embryo dentlieh ausgeprägt sind. Dass die Philippson’sche Anschauung völlig unhaltbar, lässt sich auch sonst leicht darthun. Zunächst ist schon sein Vergleich mit den Striae ein völlig verfehlter, bei denen es sich bekanntlich um ein thatsächliches Zerreissen von Bindegewebs- fasern handelt; eben sowenig können die Lewinski’schen Ver- suche, welehe zum Schwunde der Leisten und Papillen führen, zum Beweise herangezogen werden, da auch hier eine Rückkehr in die alte Form nicht stattfindet. Das Wesentlichste aber ist, dass in der That, wie Lewinski schon mit vollem Recht be- hauptet, die Epidermis von vornherein im Ueberschuss angelegt ist, was eben durch das frühe Vorhandensein der Falten ange- zeigt wird. In Folge dieses Ueberschusses kommt es zu einer wesentlichen Spannung der Epidermis weder in noch zwischen den Falten überhaupt jemals, selbst bei den ausgiebigsten Bewe- gungen werden die der Zugrichtung senkrechten Falten nie ganz entfaltet, wovon man sich jederzeit leicht überzeugen kann. Ja wenn wirklich bei ganz excessiven Bewegungen eine Spannung eintritt, so wirkt sie nieht besonders stark m den Falten, denn diese sind ja jetzt verstrichen, sondern muss gleichmässig auf die ganze, eine glatte Fläche bildende Epidermis wirken, so dass ein Auseinandergehen der Gewebselemente gerade in den Falten und im besonderen in der Mitte der Falten nicht möglich erscheint. In sofern sind also diese Falten der Oberhautfelderung nicht „Spannungsfalten“, sondern ebenso gut Kniekungsfalten wie die über den Gelenken. Wirkliche Spannungsfalten sind nur die von Lewinski so genannten, bei starkem Zuge auftretenden der Zug- richtung parallelen Falten. Da es aber meist nicht möglich ist, im Ruhezustand die durch Kniekung und die durch Spannung erzeugten Falten zu unterscheiden, ja die meisten Falten wohl Kniekungs- und Spannungsfalten zugleich sind, indem sie bei Kniekung senkrecht, bei Spannung parallel der wirkenden Kraft entstehen und die bestehenden Falten bei umgekehrt einsetzender 188 James Loewy: Kraft entfaltet werden, so möchte ich alle Falten der Ober- hautfelderung mit dem gemeinsamen Namen Funktionsfalten bezeichnen. Aber wie kommt denn nun der thatsächiich mit zunehmen- dem Alter sieh einfindende Papillenschwund zu Stande? Um diesen zu erklären, muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht die Entfaltung, sondern die Knickung der Falten den Normal- zustand der Epidermis darstellt, und dass bei vollkommener R Ruhe fast alle Falten ziemlich stark eingeknickt sind. Es besteht somit an den Kniekstellen , wie nebenstehende Figur zeigt, ein beständiger, nur bei (ler theilweisen Entfaltung etwas nach- lassender Druck der Epidermis gegen die Cutis, während die Elemente der untersten Rete und obersten Cutisschiehten in der auf der Falte senkrechten Richtung ausgezogen werden. Es herrscht also in diesen Schichten thatsächlich eine kleine Span- nung senkrecht zur Falte, eme Spannung, welche aber über die allernächste Nachbarschaft der Falten nieht hinausgeht und gerade umgekehrt wie Philippson sich das vorstellt, bei der Kniekung und nicht bei der Ausziehung der Falten in Wirksamkeit tritt. An der Kniekstelle muss also durch den beständigen, nur in seiner Stärke wechselnden Druck eime Ernährungsstörung und somit eine Atrophie zu Stande kommen. Eine gleiche Ernäh- rungsstörung bewirkt mit der Zeit den Sehwund der angrenzen- den, parallel den Falten verlaufenden Leisten, welche bei jeder Kniekung etwas ausgezogen werden. Zu gleicher Zeit ordnen sich die Bindegewebsfasern und Gefässe senkrecht zur Falte und bewirken so ein stärkeres Hervortreten der senkrecht zur Falte verlaufenden Leistenstümpfe, wie aus Figur 1 der oben erwähnten Philippson’schen Arbeit ersichtlich ist!). Dieser Vorgang ist nicht identisch, wie Philippson glaubt, mit der Verödung des Rete und des Strat. papillare im Gebiete der Stria. Bei der Stria bleiben auch in der Mitte derselben einzelne quer verlau- fende Leistenstümpfe, ja ganze Maschenräume stehen, ein Beweis, dass es sich wirklich hier um ein Auseinanderreissen han- delt, während bei den Falten zuerst und am vollständigsten der 1) Virchow’s Arch. Bd. COXX., Taf. Il. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhanut. 189 Leistenschwund gerade in der Mitte, an den Kniekstellen sich zeigt. An dieser Stelle möchte ich noch mit wenigen Worten auf (die sogenannten „Senkungsfurehen“ Philippsons eingehen. Er will nämlich neben den Funktionsfalten (seinen Kniekungs- und Spannungsfurchen) auf der Oberfläche der gesammten Haut sanz feine Furchen entdeckt haben, welche sich an der Unter- tläche der Epidermis durch feinste Linien kund thun sollen und in keinem Präparate fehlen; nach ihm sind, wie ich oben schon kurz angedeutet, diese Gebilde nicht zu verwechseln mit den dureh Körperbewegungen entstandenen Falten, sondern analog den regelmässigen an der Hohlhand, der Fusssohle und der Beuge- seite der Finger und Zehen verlaufenden, schon im der Anlage gegebenen Furehen. Trotz eifrigsten Suchens ist es weder Herrn Dr. Blaschko noch mir gelungen, diese Gebilde zu entdecken. Alles was zu sehen war, liess sich leicht als sekundäre Funetionsfalten deuten, so dass ich vorläufig die Sonderexistenz soleher „Senkungs- furchen“ als zweifelhaft bezeichnen muss. Man muss abwarten, ob Philippson seme Entdeckung durch genauere Beschrei- bung und Demonstration an Präparaten erhärten können a Zu einem gleichen Ergebniss, zur Vernichtung des Leisten- systems und des Papillarkörpers führt noch ein anderer Prozess, der zu gleicher Zeit mit dem oben beschriebenen verläuft, aber streng von diesem zu scheiden ist. Es ist dies die Alters- atrophie. Schon oben!) habe ich Bilder beschrieben von Präparaten der Oberhaut, die ganz alten Individuen entnommen sind. Die Leisten sind, wenn überhaupt noch vorhanden, sehr schmale Stümpfe, welche vereinzelt noch zusammenhängen und Maschen- räume bilden können. Man könnte freilich einwenden, dass mit zunehmendem Alter die Falten breiter und tiefer werden, der Druck auf die Grenzsehiehten also stärker und die Ernährung in diesen Hautpartien behinderter, «dass daher der Schwund des Strat. papillar. und der Leisten auf die vorher beschriebenen Ursachen zurückgeführt werden müsse. Dass dies nicht der Fall ist, geht daraus hervor, dass auch in den Ruhecentren (nach Ph.) 1) pag. 170. 190 James Loewy: d. h. in den von den Falten umschlossenen Feldern «diese Pro- zesse sich abspielen, dass sich die Leisten ebensogut an denjeni- sen Punkten verschmächtigen und schwinden, welche der gering- sten Krafteinwirkung ausgesetzt sind. Hält man Präparate ver- schiedenartiger Individuen nebeneinander, so erkennt man deutlich, wie, vom Neugeborenen an ‚gerechnet, mit zunehmendem Alter die Leisten und die Papillen wachsen. Haben sie dann den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht, so beginnt eine allmähliche tückbildung, welche im Greisenalter mit völliger Atrophie endet. Von diesem Prozess wird die Epidermis en masse ergriffen, d.h. die Epidermis wird dünner und die Leisten schmäler und niedriger, bis letztere schliesslich ganz verschwinden. Allerdings giebt es hierbei individuelle Unterschiede. So = fand ich bei einem T4jährigen Manne das Leistensystem der tüickenoberhaut noch völlig erhalten, während ich die völlige Atrophie bei anderen schon in früheren Jahren eintreten sah. Auch die verschiedenen Körperregionen zeigen ein verschiedenes Verhalten. Im Allgemeinen tritt an den Stellen, welche, den mechanischen Einflüssen am meisten ausgesetzt sind, wo die tuheeentren nur kleine Felder darstellen, die Altersatrophie am frühesten ein. Hier findet ein inniges Zusammenwirken der Druck- und Altersatrophie statt, deren Grenzen nicht mehr aus- einanderzuhalten sind. Schliesslich möchte ich noch auf die verschiedene Disposi- tion der Entwieklungsfähigkeit der Leisten und Papillen der einzelnen Hautpartien aufmerksam machen. Was die Papillen (des Gesichts betrifft, so liegt vielleicht ein Grund ihrer minimalen Entwieklung in der Anlage derselben, aber man darf auch den Einfluss mechanischer Momente nicht unterschätzen. Keine Stelle ist so sehr den Faltungen und Knickungen der Haut ausgesetzt als das Gesicht, und dass die Papillen an Grösse zunehmen, je mehr man sieh von den um den Mund ge- legenen Hauptpartien entfernt, spricht in der That dafür, dass (lie Mimik als ein die Entwicklung der Papillen hemmendes Ele- ment zu betrachten ist. Ob ein Zusammenhang zwischen den Endausbreitungen der Nerven und Gefässe und der Verlaufsrichtung der Leisten be- steht, habe ich mit Sicherheit nicht feststellen können. Aus Pie. 2 Taf. 27 der Blaschko’schen Arbeit ist für die Palma Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. 191 allerdings, wenigstens für die Gefässe, ein solcher Parallelismus ersichtlich. Um diese Frage näher zu untersuchen, versuchte ich Flächenbilder der ganzen Haut herzustellen. Ich bediente ‚mich hierbei der von Sappey!) empfohlenen, mit dem sonderbaren und wenig bezeichnenden Namen belegten thermo-chemischen Methode. Diese besteht darin, dass man Hautstücke 24 Stun- den in eine Lösung aus einem Theile Salzsäure und sechs Theilen Wasser bestehend bringt und dann dieselben 4—D Minuten in einer 2,5°/, Salzsäurelösung kocht. Durch diese Behandlungs- methode sollen nach Sappey die vorher undurchsichtige Haut oder andere Organtheile durchschemend werden und alle ihre Strukturverhältnisse bis zur feinsten Vertheilung der Nerven und (Gefässe hervortreten lassen. Obgleich ich nun eine ganze Reihe von Versuchen nach den Angaben Sappey’s anstellte, obgleich ich die Salzsäure- lösung in allen möglichen Concentrationen anwandte, die Haut- stückchen während der 24 Stunden auf die verschiedensten Tem- peraturen erwärmte und auch die Zeit während welcher die Präparate in der Flüssigkeit lagen, mannigfach modifizirte, ferner der Sappeyschen Methode die Holzessigmethode und Abziehung der Epidermis vorausschiekte, schliesslich mich der verschiedensten Säuren an Stelle der Salzsäure bediente, so ge- lang es mir dennoch nicht, brauchbare Präparate zu gewinnen. Allerdings traten die Drüsen mit ihren Ausführungsgängen und einzelnen Gefässschlingen aus der völlig erweichten, zähflüssigen, glasig durchscheinenden Masse vollkommen plastisch hervor, doch die feineren Strukturverhältnisse wurden durch die eingreifende Behandlung vernichtet. Vielleicht gelingt es durch verfeinerte Methoden, die Endausbreitungen der Nerven und Gefässe auf Flächenbildern darzustellen und so über ihr Verhältniss zu den übrigen Gebilden der Haut Klarheit zu verschaffen. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Dr. Blaschko für seine freundliche Anregung und liebenswür- dige Anleitung, sowie Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Wal- deyer für die gütige Ueberlassung des nothwendigen Materials meinen aufrichtigsten Dank zu sagen. 1) Comptes rends. T. CIX, Nr. 1 (1 Juillet 1889). Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37. 13 192 J. Schottlaender: Erklärung der Photogramme auf Tafel X. Fig. 1. Lippe vom Kind. Pars glabra und Uebergangspartie zur äusseren Haut. Vergr. 21. Fig. 2. Lippe eines Erwachsenen. Pars glabra. Vergr. 21. Fig. 3. Lippe eines Erwachsenen.’ Pars villosa. Vergr. 21. Fig. 4. Scrotum eines Kindes (neugeborenen). Vergr. 21. Fig. 5. Serotum eines Erwachsenen. Vergr. 21. Fig. 6. Glans vom Kind (neugeborenen). Vergr. 12. Fig. 7. Kleine Schamlippe einer Erwachsenen. Vergr. 17. Fig. 8. Bauch eines Erwachsenen. Leistencentrum. Vergr. 12. Fig. 9. Ellbeuge eines Neugeborenen. Vergr. 21. Fig.10. Ellbeuge eines Erwachsenen (26 J.). Vergr. 21. Fig.11. Ellbeuge eines 70jährigen Mannes. Vergr. 21. Fig.12. Nasenrücken eines Erwachsenen. Vergr. 21. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie nebst einigen Bemerkungen über die unveränderten Follikel in den Bierstöcken der Säugethiere. Von Dr. J. Schottlaender. Hierzu Tafel XI. Die nachstehenden Untersuchungen, welche sich mit dem Rüekbildungsprocess ungeplatzter Follikel im Säugethier-Eier- stock beschäftigen, wurden im Anschluss an eine 1885 veröffent- lichte Arbeit W. Flemming’s!) und auf Anregung des genannten 1) Ueber die Bildung von Richtungsfiguren in Säugethiereiern beim Untergang Graaf’scher Follikel. Arch. f. Anat. u. Entw. gesch. Jahrg. 85, 3. u. 4. Heft. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 195 Autors unternommen. Flemming stiess gelegentlich seiner For- schungen über die Riehtungsfiguren in Säugethiereiern auf eine bis dahin noch nicht beschriebene Art des Untergangs Graaf- scher Follikel. Es galt nun zu prüfen, ob die im Eierstock des Kaninchens wahrgenommenen Erscheinungen sich auch in den Eierstöcken anderer Säugethiere wiederholen, mit anderen Worten festzustellen, ob dieselben verailgemeinert resp. ergänzt werden dürfen oder nicht. Wie schon früher mehrfach hervorgehoben worden ist, lässt eine einfache Ueberlegung und Berechnung erkennen, dass eine relativ grosse Reihe von Eiern abortiv im Eierstock zu Grunde gehen muss; denn der in späteren Zeiten gegenüber der geschlechts- reifen Periode zu constatirende Ausfall an Eiern wird bei Weitem nicht durch die bei der Ovulation ausgestossene Anzahl gedeckt, hinsichtlich deren man in den wahren und falschen gelben Kör- pern sichere Anhaltspunkte besitzt. — Das Mikroskop bestätigte vollauf die Richtigkeit des Exempels; es wies ferner, wie a priori zu erwarten war, nach, dass diese ohne Continuitätstrennung der Hülle verlaufende Zerstörung der Eier von einer Zerstörung des ganzen Follikels begleitet ist. Während nun aber der Vorgang an sich schon geraume Zeit als feststehend anerkannt wird, gehen bis auf den heutigen Tag die Ansichten über seine Einzelheiten noch weit auseinander. Ein kurzer Einblick in die diesbezüg- liche Literatur wird das Gesagte verdeutlichen. Grohe!), den wir als den Ersten?) nennen, führt wie alle Späteren bis van Beneden die Rückbildung, welche sogar schon in Primordialfollikeln nach seiner Ansicht eintreten kann, ganz vornehmlich auf fettige Entartung der zelligen Elemente zurück. Von dem Ei, das sich oft schon früh verflüssigt, er- halten sich relativ am längsten Zona und Keimbläschen. Schliess- lich entsteht durch Verdichtung des umgebenden Stromas eine pigmentlose bindegewebige Narbe, die bisweilen die Reste einer während des Unterganges an der Innenfläche (der Theca?) ent- standenen Glasmembran enthält. 1) S. Flemming (l. e.) Literaturverz. 11. 2) Reinhardt’s (Flemming [l. c.] Literaturverzeichniss 18) und Luschka’s (ibid. Literaturverz. 15) Beobachtungen sind schon ein- gehender von Flemming (l. ce.) gewürdigt worden. 194 J. Schottlaender: Pflüger!) beschränkt sich in seinem bekannten Werke, und zwar in dem vom Katzeneierstock handelnden Kapitel, fast aus- schliesslich auf die Mittheilung seiner hochbedeutsamen Ent- deekung, dass die Granulosazellen als sog. Nagelzellen bald brei- tere, bald schmälere Fortsätze in die Eihöhle entsenden, während der Inhalt von der Zona abrückt und sich zum Theil in Körner- kugeln, zum Theil in Flüssigkeit umwandelt. His?) fand die Ueberbleibsel der durch Fettdegeneration zerstörten Granulosazellen meist von einem pigmentlosen fein- gestreiften Bindegewebe umgeben. Einmal jedoch (bei einer 2 Tage p. p. gestorbenen Frau) fand sich in kleinen Zellen ein- geschlossenes Pigment, welches, innerhalb der aus der Membr. follieuli int. entstandenen Bindegewebsschicht , bogenförmigen Strängen, d. h. obliterirten Gefässen, folgte. Slavjansky?°), der in zwei sehr ausführlichen Arbeiten aus dem Anfang der siebziger Jahre unseren Gegenstand behan- delt, verlegt den Produktionsherd des Fettes in die sog. Granu- lationsschicht*) -der Theka, deren präexistentes Fett sich vermehrt und zunächst die Follikelwand bis auf die Membrana propria, dann allmählich den ganzen Follikelinhalt zerstört. Der Vor- gang bleibt unter normalen wie pathologischen Verhältnissen der gleiche; er schliesst, im letzteren Falle nur energischer verlau- fend, ab mit der Ausbildung einer Narbe aus schleimigem Binde- gewebe, das der Metamorphose von Wanderzellen seinen Ursprung verdankt. Aus der zweiten Publikation ist bemerkenswerth, dass Sl. pigmenthaltender Zellen in der Theca erwähnt, ferner, dass er zwischen Theca und dem zu Bindegewebe umgewandelten Fol- likelinhalt, gleich Grohe, glänzende discontinuirliche und ana- stomosirende dieke Streifen beschreibt, die er als Abkömmlinge der Membrana propria deutet und deren Identität mit etwa übrig gebliebenen Zona-Resten er ausdrücklich negirt. Dass er end- 1) Flemming, Literaturverz. No. 17. 2) ibidem Nr. 13. 3) ibidem Nr. 21 und 22. 4) Nach Ansicht des Verfassers treten bei grösseren Follikeln in der Theca, welche durch eine homogene Membrana propria gegen die Granulosa abgesetzt ist, durch den Wachsthumsreiz Wanderzellen als sog. Granulationsschicht auf. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 195 lich der Membrana propria einen durch Arg. nitr. nachweisbaren endothelialen Charakter zuspricht, bedarf ganz besonderer Be- tonung, weil Beulin!) in seiner drei Jahre später erschienenen Dissertation darauf die Vermuthung basirt, das an Stelle des Follikelinhalts befindliehe Bindegewebe nehme statt von Wander- zellen, eben von jenen Endothelien seinen Ursprung. Ausser menschlichen Eierstöcken untersuchte B. noch diejenigen eines Schweines und eines Hundes. Die Glasmembranstreifen (s. oben) waren stets vorhanden, sollen jedoch durch Sklerosirung des perifollikulären Bindegewebes entstehen. Erst nach ihrem Schwund zeigen sich in dem schleimigen Narbengewebe Gefässe. Fett vermochte B. im Gegensatz zu Slavjansky innerhalb der Um- hüllung zu Grunde gehender Follikel nicht zu entdecken; doch, meint er, könnten ihm die ersten Anzeichen dieses Zerstörungs- moments entgangen sein. Die nur spärlichen Eier besassen dicke glänzende Zonae, dunkelkörnigen Dotter und undeutliche Keim- bläschen. Nach Wagner?) vermehren sich (in den Eierstöcken von Menschen, Hunden, Katzen und verschiedenen "Nagern) zunächst die Granulosazellen, zerfallen dann in körmiges Fett und ver- flüssigen sich zuletzt. Am längsten erhält sich der Discus. Das Ei, in dem sich nicht selten späterhin kohlensaure Salze ablagern, wird gemeinhin durch Einwanderung von Nagelzellen im Sinne Pflüger’s zerstört. Schliesslich weist der Follikel, dessen Wand sich inzwischen durch Wucherung der ihr eingelagerten Spindel- zellen verdickt hat, nur noch durch Härtung erstarrte Flüssig- keit, Epithelreste und amöboide Elemente auf. Beigel?), der wiederum nur menschliches Material ver- arbeitet hat, sieht drei verschiedene Vorgänge als maassgebend an. Bei dem ersten, in reifen Follikeln sich abspielenden, zer- fallen die durch den Liquor von der Wand abgelösten Epithelien nach vorheriger Aufblähung in eine körnige Masse (Fett). An ihrer Stelle liegt später ein feinfilziges Gewebe, welches aus Fortsätzen der inneren Follikelwand entsteht. Aussen verdichtet 1) Das Corpus luteum und der obliterirte Follikel. Inaug.-Diss. Königsberg 1877. 2) Flemming, (l. c.) Literaturverz. No. 23. 3) Flemming, (l. c.) Literaturverz. No, 7. 196 J. Schottlaender: sich das gefässreiche Stroma kapselartig. — Der zweite, vor- nehmlich bei nicht ganz reifen Follikeln wahrgenommene Vor- sang ist durch die geringe Ausdehnung der bindegewebigen Fol- likelumhüllung und dadurch ausgezeichnet, dass in den Follikel- raum eingewanderte weisse und auch rothe Blutkörperchen vorhanden sind. Bei dem dritten und letzten Vorgang endlich soll es sich um beginnende Cystenbildung handeln. van Beneden!), dessen Schilderung der Follikelatresie bei Fledermäusen viel Bemerkenswerthes bietet, fand fast aus- schliesslich die Follikel mittlerer Entwicklung betroffen. Was zunächst die Eier anbetrifft, so verwandelt sich der Dotter all- mählich in eine homogene Masse, welche Anfangs (meist nur in der Peripherie, bisweilen aber auch in der ganzen Ausdehnung) unregelmässige schwach tingirbare Gebilde ohne Zellencharakter enthält. Die Zona widersteht der Zerstörung am längsten. Ge- wöhnlich schon vor dem Untergang des Eies gehen die Epithelien zu Grunde und zwar nieht durch fettige Entartung, sondern, wie es seheint, durch direkte Atrophie. Die die Innenfläche der Theca auskleidende Membrana basilaris (propria) wird von einer bindegewebigen, der Theca ohne Betheiligung der Granulosa entstammenden Wucherung durehbrochen, welche schliesslich den ganzen Follikelraum erfüllt. Das Bindegewebe war stets fibrillär, nie retikulirt. — Ob eine abnorme Vermehrung der” Epithelien ihrem Untergang vorangeht, lässt v. B. unentschieden. Doch weist er darauf hin, dass auch der normal heranreifende Follikel ein gewisses Stadium der Epithelvermehrung durchmacht. Sehr eingehend hat sich weiterhin Sehulin?) mit unserem Thema beschäftigt. Auch nach seiner Ansicht?) fallen schon Primordialfollikel der Zerstörung anheim. Die Epithelien sollen nicht durch fettige Degeneration zerfallen, sondern sich zu Wan- derzellen umbilden, wie durch das Vorhandensein deutlicher Pseudo- podien nach Ansieht des Verfassers erwiesen wird. Gleichzeitig erfolgt eine Einwucherung hyalin umsäumter Gefässe in den Ei- diskus. Die Verkleinerung resp. Schrumpfung der Follikelhöhle wird durch das Eindringen fibrillären Bindegewebes mit stern- 1) Flemming, Literaturverz. Nr. 6. 2) ibidem Nr. 19. 3) cl. pag. 19. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 197 förmigen Zellen bewirkt‘). Das Bindegewebe soll zum Theil von dem Endothel der Membrana propria, zum Theil von der umgewandelten Granulosa stammen. Schliesslich ist der Follikel fast ganz von einer gefässlosen mit spärlichen Kernen versehenen Masse erfüllt. Seine Umhüllung ist beträchtlich verdiekt. — Bei den Eiern bildet sich zunächst zwischen Zona und Dotter ein von feinen Fäden durchzogener Zwischenraum. Das Keimbläschen schwindet früh; der Dotter ist nicht selten inäqual gefurcht und besitzt liehtbrechende Körner. Später wird er durch die Pflü- zerschen Nagelzellen zerstört, während die Zona noch lange erhalten bleibt. — Beim Schafe wurden mehrere Male verkalkte Kugeln als Abkömmlinge von Eiern gefunden. Ausser Flemming (l. e.) hat in der neueren und neuesten Zeit nur noch der Italiener Palladino die Follikelatresie ein- gehender studirt?). Ich habe weiter unten ausführlich auf die Mittheilungen der beiden genannten Autoren einzugehen. Hier sei nur erwähnt, dass Palladino’s, aus dem Jahre 1887 stam- mende Arbeit?) fünf Typen des Untergangs aufstellt: einfache Atrophie, hyaline, fettige, körnige resp. chromatolytische Dege- neration, endlich die Bildung des sog. falschen gelben Körpers®). Die genauere Prüfung und Vergleichung der im Obigen enthaltenen Urtheile der Autoren über die Follikelatresie ergiebt, dass mit Ausnahme der ziemlich allgemein constatirten Fettdege- neration, eine Uebereinstimmung eigentlich nur insofern existirt, als dasselbe Endergebniss, nämlich Deckung des in der Zerstörung des Eies und der Granulosa begründeten Substanzverlustes durch eine Bindegewebswucherung, sich fast durchweg wiederholt. Für eine Erklärung der vielfach bestehenden Differenzen kommen wohl 1) Bleibt die Schrumpfung aus, so können Cysten entstehen. 2) Von Waldeyer’s in seinem Werke (Flemming, Litteratur- verzeichniss Nr. 24) eingeflochtenen Bemerkungen glaubte ich absehen zu dürfen, da Flemming (l. c.) derselben ausführlicher gedenkt. v.Brunns’ Arbeit (ibid. Nr. 8) durfte nicht direkt herangezogen wer- den, da sie von dem Vogel-Eierstock handelt. 3) Ulteriori ricerche sulla distruzione e rinnovamento continuo del parenchima ovarico nei mammiferi etc. Napoli 1887. 4) Autor adoptirt den schon von deutscher Seite gemachten Vor- schlag, die Bezeichnung falscher gelber Körper auf ein anderes, als das gemeinhin so benannte Gebilde anzuwenden. 198 J. Schottlaender: nur folgende drei Möglichkeiten in Betracht. Entweder der be- sagte Vorgang ist in der That bei dem verschiedenen, zur Unter- suchung verwendeten Thiermaterial, event. sogar bei demselben Thier in verschiedenen Lebensphasen, ein verschiedener, oder der Vorgang ist überhaupt kein einheitlicher, setzt sich vielmehr aus verschiedenen, gleichzeitig verlaufenden Varianten, von denen bald die eine, bald die andere wahrgenommen und beschrieben worden ist, zusammen; oder endlich, es liegen zu öfteren Malen verschiedene, vornehmlich auch durch die Wahl der Reagentien beeinflusste Deutungen ein und desselben Vorgangs vor. Es dünkt mich kaum zweifelhaft, dass wir fast, wenn nicht ganz ausschliesslich mit den beiden letzteren Eventualitäten zu rechnen haben. Einerseits spricht für den Umstand, dass das nämliche Endresultat auf verschiedenen Wegen gleichzeitig erreicht wird, die Erfahrung einiger früherer, sowie die der neuesten Beobachter, u.a. meine eigene. Andererseits muss die oft ausserordentliche Schwie- rigkeit, welche sich der Deutung mancher Bilder bei Anwen- dung der gleichen, und noch mehr bei Anwendung verschiedener Methoden entgegenstellt, betont werden. Ein definitiver Abschluss wird erst von der Zukunft und mit Bezug auf das Letztgesagte erst dann zu erwarten sein, wenn eine noch genauere Abgrenzung der einzelnen Methoden bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit resp. Unzulänglichkeit möglich ist !). Mir war, wie Eingangs berichtet, eine bestimmte Aufgabe gestellt. Es kam mir vor Allem auf das Studium des chroma- tischen Epithelkernnetzes und semer Veränderungen im Sinne Flemming's an, somit war mir zunächst die Anwendung einer bestimmten Methode, derjenigen Flemming’s (Härtung mittelst Chrom-Osmium -Essigsäure-Gemischs, nachfolgende Färbung mit Saffranin resp. Gentianaviolett) zur Pflicht gemacht. Da ich nun aber mit wenigen Ausnahmen ?) diese Methode ausschliesslich be- 1) Den ausgedehntesten Gebrauch von den verschiedenen Här- tungs- und Färbungsmitteln scheint mir Palladino (l. e.) gemacht zu haben. Es ist mir indessen nicht gelungen, abgesehen von der rüh- menden Erwähnung des einen oder anderen Mittels, Genaueres in dieser Richtung zu eruiren. 2) Ein Hunde-Eierstock wurde mit Alkohol gehärtet (der andere kam in Gemisch); ein menschlicher Eierstock wurde mit Kal. bichrom, behandelt. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 199 nutzt und ihre Grenzen, wie aus dem Folgenden zu ersehen sein wird, kennen gelernt habe, so darf ich eine Publikation meiner Befunde nur unter dem Vorbehalt der Unvollständigkeit wagen, in der Hoffnung, trotzdem auf der einmal betretenen Bahn einen kleinen Schritt vorwärts zu inauguriren. Als Material, bei dessen in bekannter Weise vorgenomme- ner Verarbeitung Herr Professor Flemming so liebenswürdig war mich zu unterstützen, dienten mir die Eierstöcke eines Meer- schweinchens, mehrerer weisser und grauer Mäuse und Ratten, eines Hundes, endlich ein menschlicher Eierstock, den ich der Güte des Herrn Professor Flemming verdanke. Mit Ausnahme des zuletzt aufgeführten wurden sämmtliche Eierstöcke frisch ge- tödteten, zum Theil trächtigen Thieren entnommen. Im Allgemeinen habe ich nach Flemming's Vorgang Längsschnitte bevorzugt. Die Anzahl der Follikel, welche sich im Eierstocksgewebe vertheilt finden, ist entsprechend dem am raschesten und ener- gischsten verlaufenden Geschlechtsleben bei der Maus relativ und absolut am grössten. Dieses Thier ist wegen der Zierlichkeit und Prägnanz aller Verhältnisse für unsere Untersuchungen in vieler Hinsicht sehr geeignet. — Es folgen hierauf Ratte und Meer- schweinchen, welche gleichfalls noch grosse Mengen von Follikeln aufweisen. Bei Ersterer ist die Zahl etwas geringer, weil auch bei den nicht trächtigen Thieren zahlreiche gelbe Körper das Gewebe des Eierstocks durchsetzen, während bei dem trächtigen Meer- schweinchen, dessen: Uterus einen schon hoch entwickelten Foetus barg, der eine Eierstock gar keinen, der andere nur drei frische gelbe Körper enthielt. — Bei der Hündin, eimem allerdings älte- ren Thiere, sinkt die Zahl der Follikel gleich relativ um ein Be- deutendes; beim Menschen endlich, einer älteren Jungfrau, wies der Eierstock nur spärliche Primordial- und ganz junge, sowie zwei oder drei etwas grössere Follikel auf!). Mit Ausnahme von Mensch und Hund — auch hier sind die Primordialfollikel zahl- reicher — überwiegt bei sämmtlichen Thieren die Zahl der Fol- likel mittlerer Entwicklung weit diejenige der Primordial- und wirklich reifen Follikel. — Was nun noch das Verhältniss 1) Leider ist es mir nicht gelungen, bei diesen Präparaten den technischen Anforderungen völlig zu genügen. Sie konnten deshalb nur sehr bedingt verwerthet werden (s. unten). 200 J. Schottlaender: zwischen nicht atretischen und atretischen Follikeln anbetrifft, so stellt sich dasselbe so ausgesprochen zu Ungunsten ersterer, dass eigentlich nur die jüngsten Follikel in grösserer Zahl nicht atretisch, die mittelreifen Follikel schon eben so oft atretisch wie nicht atretisch, die nicht atretischen reifen Follikel endlich so selten angetroffen werden, dass ich bei der Hündin keinen einzigen, bei Meerschweinchen, Ratte und Maus nur einige wenige mit Sicherheit zu constatiren in der Lage war. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass einmal die reifen Follikel über- haupt selten, weiter aber, dass absolut sichere Normen für die reife eines Follikels bisher nicht gefunden worden sind, wohl auch nicht gefunden werden können; letzteres aus dem Grunde, weil bei den verschiedenen Thieren individuelle Schwankungen vorkommen und weil kein plötzlicher, sondern ein allmählicher Uebergang von der Nicht-Reife zur Reife stattfindet. Palla- dino!) hat neuerdings gewisse besondere Merkmale?) als charak- teristisch für die eintretende Reife des Follikels hingestellt. Umsonst habe ich in meinen sämmtlichen Objekten nach den be- züglich der Theca angegebenen Veränderungen geforscht; da- gegen stimme ich, wie das Folgende lehren wird, Palladino in einigen anderen der in der Anmerkung aufgeführten Punkten bei. Viel schemt mir indessen damit nicht gewonnen, wir bleiben nach wie vor hauptsächlich auf die relative Grösse des Follikels, die Entwicklung des Liquorraumes, die Lage des Eies und die übrigen bekannten Hauptkriterien angewiesen. Es wurde weiter oben des numerischen Uebergewichts ge- dacht, welches die atretischen Eierstocksfollikel über die nicht atretischen besitzen. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, warum sich darüber mit ziemlicher Bestimmtheit ein Urtheil abgeben lässt. Die Erscheinungen, die der reife Follikel dem Auge des De 2) In die Theca soll eine grosse Anzahl protoplasmareicher po- lyedrischer Zellen mit markirten Kernen einwandern, an der Oberfläche der Tunica propria (Theca int.) eine molekulare Schicht sich bilden, während sich bei den Epithelien ein gewisser Turgor bemerkbar macht, und zwischen ihnen eine fadenziehende klebrige Substanz, ferner gelb- liches Pigment entsteht, das den Liquor färbt und sich körnig darin und in den Epithelien selbst ansammelt. Ueber die Veränderungen des Eies und seines Inhalts später. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 201 Beobachters bietet, mussten wir, da sich in ihnen nur die höchste Steigerung und Vervollkommnung eines früher schon bestehen- den Zustandes ausprägt, als schwer zu normirende hinstellen. Anders ist es mit den Erscheinungen der Follikelatresie. Die letztere gesellt sich den bis dahin auf den Bestand des Follikels einwirkenden Faktoren als ein neuer, davon grundsätzlich verschiedener hinzu und ist daher als solche relativ frühzeitig kenntlich und in ihrem Wesen abgrenzbar. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass bei der gegen- wärtigen Beschaffenheit unserer optischen Hülfsmittel sich die allerersten Anfänge der Atresie unserer Erkenntniss entziehen und dass erst die Häufung der durch sie bedingten Veränderungen uns bemerklich wird. Es ist daran festzuhalten, dass auch hier kein unvermittelter, sondern ein allmählicher Uebergang des einen in den anderen Zustand stattfindet. Neben der soeben urgirten thatsächliehen Verschiedenheit, welehe zwischen dem atretischen und dem nicht atretischen Follikel existirt, besitzen beide einen gewissen zeitlichen Zusammenhang und insofern eine Gemein- schaft, als sich in beiden durchaus nur eime physiologische Phase dokumentirt. Die Atresie ist keine Erkrankungsform, kein pathologischer Befund und darum auch nicht als soleher zu bezeichnen (ebenso wie der Ausdruck normal im Sinne von „nicht atretisch“ nur der Kürze halber zulässig ist), wir haben vielmehr darin gerade wie im der Bildung der gelben Körper ein Glied jener Kette’ von typischen Processen zu sehen, welche, sich stetig wiederholend, den heranreifenden oder gereiften Fol- likel wieder vergehen lassen. Die Kenntniss, welehe wir von dem Bau des nicht atre- tischen Follikels besitzen, ist dank den trefflichen Arbeiten Waldeyer’s und anderer Forscher so weit gefördert, dass hier nur wenige Punkte noch einer kurzen Besprechung bedürfen. Die Theca, deren zwei Schichten sich bekanntlich erst allmählich sondern, besitzt nach meinen Beobachtungen nicht, wie vielfach angenommen wird, ihre grösste Breiten-Ausdehnung zur Zeit der Reife des Follikels, sondern erreicht dieselbe schon früher. Bei den mittelgrossen, nicht bei den grössten Follikeln, finden wir in der Theca interna die reichlichste Anhäufung von Zellen und Gefässen. Mit zunehmendem Alter des Follikels, vielleicht be- schleunigt durch den Gegendruck des inzwischen reichlicher an- 202 J. Schottlaender: gesammelten Liquors, nimmt der Zellenreichthum auf Kosten von Intereellularsubstanz entschieden ab; das Gewebe der Theca ver- liert an Masse, gewinnt aber dafür an Festigkeit und Wider- standsfähigkeit, Momente, welche für die späteren Schicksale des Follikels gewiss nicht ohne Bedeutung sind. Die erwähnten Zellen der Theca, deren eckige oder runde Kerne meist schwächer gefärbt und grösser erscheinen als die Epithelkerne, besitzen nur wenig Protoplasma. Schon aus diesem Grunde !), dann weil sie bei mittelgrossen Follikeln zahlreicher sind als bei den grössten, endlich weil sie wohl im der Hauptsache Abkömmlinge der präexistenten Bindegewebskörper sind ?), dürfen sie nicht mit den von Palla- dino beschriebenen, die Reife des Follikels anzeigenden identi- fieirt werden. Ausser den genannten Bestandtheilen soll nach Slavjansky?°), Benckiser®) u. A. auch die Theea nicht atretischer Follikel Fett enthalten. Ich muss im Uebereinstimmung mit den Ausführungen van Beneden’s5) betonen, dass Fett (oder fett- artige Körper s. u.) nur in der Theca solcher Follikel vorhanden waren, welche die Merkmale beginnender oder schon fortgeschrit- tener Atresie an sich trugen. — Gegen die Granulosa hin er- schien die Theca stets durch die homogene Kölliker-Slav- jansky’sche Membrana propria abgeschlossen. Das liess sich am deutlichsten da verfolgen, wo die Continuität der Theea unterbrochen war und dieselbe auf eine kurze Streeke isolirt über die ihr anhaftende Granulosa hervorragte. Das nach Slav- jJansky und Beulin®) existirende eontinuirliche Endothel konnte bei der angewandten Methode nicht zur Anschauung gebracht werden, wie denn überhaupt zum Studium der Membrana propria nur frische Präparate sich eignen. Indessen nahm ich wiederholt bei starker Vergrösserung und scharfer Einstellung die schatten- -1) ef. pag. 200, Anm. 2. 2) Die gar nicht seltenen Mitosen erbringen hierfür wohl den Beweis; natürlich erscheint aber eine Betheiligung von Wanderzellen an ihrer Entstehung nicht ganz ausgeschlossen. DS) liucı 4) Zur Entwicklungsgeschichte des Corpus luteum. Arch. für Gyn. 23. Bd. De: 6) ef. pag. 19%, Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 303 haft und undeutlich begrenzten Contouren von Spindelzellen wahr. Ob es sich hier um ein Analogon der Slavjansky schen Beob- achtungen oder etwa um Capillarendothelien !) gehandelt hat, muss unentschieden bleiben. Bei der Granulosa interessirte es mich speciell im Hinblick auf eine kurze Mittheilung Lachi’s?), welcher bei der Kuh unter Anwendung 30°/,igen Alkohols drei scharf unterschiedene, zum Theil mit Fortsätzen versehene Gattungen fand, die Zellen auf ihre äussere Gestaltung zu prüfen. Obwohl Flemming’s Methode bekamntlich viel weniger für Protoplasma- als für Kernunter- suchungen geeignet ist, gelang es doch unter Controle der von dem Hundeeierstock angefertigten Alkoholpräparate zweifellos festzustellen, dass für die oben genannten Thiere Lachi’s Befunde keine Geltung besitzen. Bei den Nagern sind die Epithelien, etwa dem Typus 2 und 3 der Lachi’schen Zellen entsprechend, rund oder mehr eckig, in den äusseren, der Theca genäherten Lagen nur um Weniges höher, als in den inneren; bei der Hün- din sind sie, genau wie sie auch Palladino abbildet, länglich, schmäler und bedeutend höher, auch bei Ansicht von der Fläche (Fig. 1). Sie erinnern an Zelltypus 1 bei Lachi. Die verschie- denen Typen habe ich bei einem Thiere nie vereinigt gefunden; ebensowenig waren Ausläufer von der Länge und Beschaffenheit der von Lachi beobachteten vorhanden. Dagegen bin ich ge- neigt, Palladino °) beizustimmen, welcher den Epithelien kleine Ausläufer in Form eimes zur Ernährung dienenden Interepithelial- netzes zuspricht. Eine genaue Besichtigung lehrt, dass die Spitzen, Zacken und Vorsprünge, in welche das Protoplasına aus- läuft, keineswegs nur zur Verbindung mit den Nachbarzellen die- nen; sie besitzen vielmehr eine gewisse Selbstständigkeit, welche darin zum Ausdruck gelangt, dass sie in deutlich sich abheben- den Knotenpunkten zwischen den Zellen zusammenstossen. Be- sonders klar ist das in Folge der Contrastwirkung an der Grenze des glänzenden Liquorgerinnsels ausgesprochen (vergl. Fig. 36—39 T. IV bei Palladino, Fig. 10 bei mir), dem in der That bei reifen 1wVgl: Benekisertkee. 2) De la membrane granuleuse ovarienne et de ses &l&ments. Arch. ital. de Biol. 1884, T. VI. Snlae: 204 J. Sehottlaender: Follikeln ein, zwischen den turgescenten Epithelien sich ansam- melndes, körnig gelbliches Pigment beigemischt zu sein schemt. Sobald sich m Folge der Auflösung von Epithelzellen Liquor anzusammeln begonnen hat, treten hier und da, besonders in grossen Follikeln, zwischen den Epithelien Hohlräume auf, welche durch ihre Configuration zu Täuschungen Veranlassung gegeben haben. Ihre körnige Beschaffenheit, ihre Form und Grösse erinnert, auch wenn der meist vorhandene Epithelkranz, welcher sie umgiebt, fehlt, in der That an junge Eier !), ganz besonders, wenn noch in der Mitte ein zelliges Gebilde gleich einer vesiecula germ. liegt. Es ergiebt sich indessen sehr bald, dass der körmige Inhalt der Höhle seinem Aussehen nach viel mehr dem Liquorgerinnsel, als dem Dotter gleicht, ferner, dass das vermeintliche Keimbläschen nichts weiter als der zu- fällig noch erhaltene Kern einer Epithelzelle ist; endlich lösen benachbarte kernlose Hohlräume alle Zweifel. Flemming's mehrfach und zuerst geäusserte Ansicht ?), dass es sich hier um Umwandlungsprodukte einer oder mehrerer Epithelzellen im Sinne der Verflüssigung handelt, dürfte wohl kaum noch Widerspruch erfahren ?). Die Granulosa resp. ihr Diseus besitzt gegen das Ei keine scharfe lineare Grenze. Die Zona nämlich, welche sich vom Dot- ter glattrandig abhebt, ist aussen rauh und sieht nicht selten wie angenagt aus. Das gilt besonders von den Follikeln des Meerschweineierstocks, bei denen schon Reichert?) auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht hat. Allerdings sehe ich die Epithelzellen meist nicht direkt, wie es Reichert beschreibt, den flachen Gruben der Zona aufsitzen, sondern letztere sind ge- meinhin ausgefüllt von einer die Eiperipherie stellenweise oder ganz umgebenden, gekörnten und netzförmig angeordneten Masse, die wohl als Interepithelialnetz aufzufassen ist (Fig. 42 Taf. V b. Palladino). Das Bild ist so klar und wiederholt sich so regel- mässig, auch bei den dünnsten Schnitten, dass Ueberlagerung der 1) Vgl. Call undExner. Flemming, Literaturverzeichniss Nr. 9. 2) Archiv f. mikr. Anat. Bd.24, 1885, S. 378—383; ferner 1. c. 3) Palladino (l. c.) tritt lediglich in Folge eines Missverständ- nisses Flemming entgegen. 4) cf. Waldeyer (l. c.) S. 40, Anm. u Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 205 äusseren Zonagrenze, Täuschung durch Reagentienveränderung, dass endlich (die unveränderte Beschaffenheit der inneren Grenze vorausgesetzt) beginnende Degeneration mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die Radiärstreifung der Zona ist, wie bei Anwendung un- serer Methode schon a priori zu erwarten war, nur sehr selten an- deutungsweise zu erkennen. Ist sie vorhanden, so ist ihr im Vergleich zu der typischen Radiärstreifung eine gewisse Ver- waschenheit eigen, welch’ letztere mit Flemming auf die dureh das Gemisch hervorgerufenen Veränderungen bezogen werden muss. Der Dotter zeigt bei meinen Objekten durchweg ein gleich- mässiges Aussehen). Die Lagerung des Keimbläschens darin ist eine durchaus inconstante, bei jüngeren Eiern ebenso oft der Pe- ripherie genäherte wie bei älteren und umgekehrt. Das Chro- matinnetz des Bläschens ist bei Gemischhärtung meist vortrefilich und bis in alle Einzelheiten sichtbar; um so mehr musste es auf- fallen, dass ausser in atretischen Follikeln mitotische Vor- gänge darin mit Sicherheit nicht nachzuweisen waren. Der Keim- fleck, der in seinem Inneren gar nicht selten mehrere schwärz- liche Hohlringe (Luftblasen? Nucleoli ??) ?) birgt, tritt, wenn über- haupt, stets scharf und klar hervor; ein Unterschied zwischen unreifen und reifen Eiern war in dieser Hinsicht nicht zu no- tiren. Die letztbesprochenen Thatsachen bedurften insofern beson- derer Berücksichtigung, als Bischoff ausser aus der sog. Co- rona radiata auch aus der peripherischen Lage des Keimbläs- chens, Palladino aus der Bildung von Richtungsfiguren, Keh- rer?) u.A. aus dem deutlicheren Hervortreten des Keimflecks einen Rückschluss auf die nunmehr nahende oder voliendete Reife des Eies machen zu dürfen glaubten. Mir scheint nach meinen Befunden, ausser der sog. Corona radiata, das einzig stichhaltige Kriterium für die Reife des Eies, ebenso wie mutatis mutandis beim Follikel, in den relativen und individuellen Grössenverhält- 1) Ein äusserer Dotter war von einem inneren nicht zu diffe- renziren. 2) Vgl. Waldeyer (l. c.) S. 41, besonders die Anmerkung. 3) Vgl. Benckiser (I. c.). 206 J. Schottlaender!: nissen zu liegen. — Eine weitere Frage, die sich naturgemäss hier anknüpft, ist, ob Reifung des Eies und Follikels stets gleich- zeitig erfolgen oder nicht!)? Allem Anscheine nach ist gleich- zeitige Reifung die Regel, ungleichzeitige die, allerdings nicht sehr seltene, Ausnahme. Wenn nun aber auch das Ei vielleicht um ein Weniges früher?) (vgl. Fig. 5) als der Follikel reifen kann, so habe ich doch nirgends im meinen Präparaten Anhalts- punkte dafür gewinnen können, dass, wie Schulin?) will, sogar dem Neugeborenen reife Eier zukommen. Einmal finden sich thatsächlich niemals in so jungen Follikeln, wie sie einzig beim Neugeborenen vorhanden sind, gleich grosse Eier wie in den reifen Follikeln desselben Thieres®), weiter aber sind auch, wie mich dünkt, die zur Reifung nöthigen Bedingungen, d. h. die erforderliche Menge von Nährmaterial in dieser Zeit für das Ei noch gar nicht gegeben. Die umgebende ernährende Epithel- schicht ist klein, dünn und wenig entwickelt. Nieht ohne Absicht beginnen wir die Schilderung der Atresie mit den Veränderungen, welche das Ei in seiner soeben skizzirten Configuration erleidet. Diese Veränderungen sind so mannigfaltige und treten in einer solchen Fülle von Bildern in die Erschemung, dass erst ein genaueres Studium und eine fort- gesetzte Vergleichung den zuerst fehlenden Zusammenhang auf- deekt und, behufs übersichtlicher Beschreibung, ihre Einordnung in eine (vielleicht hier und da noch lückenhafte, aber doch im Ganzen eontinuirliche) Reihe ermöglicht. An das obere Ende der letzteren stellen wir die Eier, bei denen die Form wohlerhalten, die Zona nieht unterbrochen, bei denen in der Hauptsache die ehemalige Struktur des Dotters kenntlich ist. Dennoch haben diese Eier Modifikationen erlitten. An der Zona fällt auf, dass hier nicht nur, wie auch sonst wohl (ef. pag. 204) die äussere, son- dern auch die innere, nach dem Dotter hin gelegene Grenzlinie bisweilen unregelmässig contourirt und mit Unebenheiten aller 1) An sich haben jedenfalls beide Zustände nichts mit einander gemein, und Schulin weist m. A. n. mit Recht auf die in der Lite- ratur mitunter vorgekommene Verwechslung hin. 2) Bisweilen wohl auch später. SRG» 4) Schulin führt selbst die individuelle Grösse des Eies als Merkmal für die Reife an. Beitra® zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 207 fe} Art versehen ist,, welehen die äusserste Dotterschieht, ohne selbst speeiell verändert zu sein, überall folgt. Des Weiteren ist die ungleichmässige Breitenausdehnung und im Allgemeinen grössere Dieke der Zona bemerkenswerth. Die hierbei wahrnehmbaren Schwankungen stehen öfters durchaus nicht im Verhältniss zu der Irregularität der Contouren; es muss also, ausser der meist totalen, häufig eine davon unabhängige partielle Verdickung ein- treten, welehe aller Wahrschemlichkeit nach durch Aufnahme von Flüssigkeit oder homogener Substanz erfolgt, also in einer (Qellung besteht. Von irgend welcher Gewebsdifferenzirung ist ausser selten angedeuteter Radiärstreifung in dem blass bis dunkel- rothen resp. blauen Zonaring nichts zu erkennen. Das beschrie- bene Bild fand sich zu wiederholten Malen bei allen Thieren, einerlei, welches Härtungsverfahren eingeschlagen worden war. Gleichwohl würde ich angesichts der bekannten Empfindlichkeit der Zona gegen Reagentien, besonders gegen das Flemming’sche Ge- misch !), nieht gewagt haben, (demselben besondere Bedeutung beizulegen, wenn es nieht mitunter noch mit charakteristischen Dotterveränderungen eombinirt gewesen wäre. Fig. 2 gibt letztere sowie (diejenigen der Zona wieder. Für gewöhnlich bildet der Dotter ein Netzwerk von dunkelen schmalen Fäden, die in feinsten schwärzlichen Punkten auf hellem Grunde zusammenstossen; er erscheint weniger hell und dichter als das Liquorgerinnsel, und zumeist wird jede gröbere Anhäufung darin vermisst. Hier nun enthält er, einzeln oder gehäuft, braun- bis tiefschwarze Körner von wechselnder Grösse, welehe auf Streeken hinaus seine gelbe Farbe verdecken und ihm ein gesprenkeltes Aussehen verleihen. Die Vertheilung der Körner ist eine völlig irreguläre; Centrum und Peripherie sind ohne Unterschied betroffen (vergl. d. Fig.). Die Intensität der Sehwärzung hängt selbstverständlich einmal von der Intensität des Processes selbst, dann aber auch von der Dieke des betreffenden Objektschnittes ab; bei einigen dickeren von der Hündin stammenden Präparaten zeigte sich der Dotter- raum von tief schwarzer körniger Masse fast vollkommen ausge- füllt (s. Fig. 3). Das Keimbläschen, wofern es überhaupt sichtbar ist, besitzt die ursprüngliche Gestalt. Bisweilen liegt es auf- 1) Nach Flemming (l. ce.) schrumpfen die Zonae aller Eier bei Anwendung des Gemisches. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 14 D0S J. Schottlaender: fallend weit peripherisch, ein Vorkommniss, dem indessen wohl nur in den extremsten Fällen ein Werth beizumessen ist (ef. pag. 205). Das für gewöhnlich den ganzen Bläschenraum erfüllende Chromatinnetz ist unter körniger Umwandlung häufig auf einen Theil des Raumes redueirt; mehrere Male fanden sich ausserdem, wenn auch nicht zahlreich, schwarze Körnehen im Bläschenraume verstreut. In dem lebhaft tingirten Keimfleck waren bei starker Vergrösserung die luftblasenähnlichen Hohlringe ') besonders deut- lieh. Die ausser den so veränderten Eiern vorhandenen übrigen Bestandtheile des Follikels liessen auch nicht die geringste Ab- weichung von dem sonstigen, theilweise auch oben pag. 201 ff. erör- terten Bau erkennen. Vor Allem fehlte in dem Epithel jede Spur einer ehromatolytischen oder fettigen Entartung. Ganz anders in den leider nur sehr spärlichen Follikeln, deren Eier das zweite Glied der oben aufgestellten Reihe bildend, aus- geprägte Richtungsfiguren enthielten. Ich habe von solehen im Ganzen nur zwei gefunden; dass sie beide dem Mäuseeierstock (und zwar den Schnitten verschiedener Thiere) entstammen, liegt zum Theil vielleicht daran, dass gerade hier die relativ grösste Anzahl von Eiern und die dünnsten Schnitte zur Verfügung standen. Ich bilde die beiden betreffenden Follikel m Fig. 4 und Fig. 5 ab. Das Ei des ersteren erweist sich von einer, in ihrem Be- stande, wie es scheint, schon hochgradig alterirten Zona umgeben. Muss man sich auch hier sowohl, wie bei dem Ei des zweiten Follikels (Fig. 5) die Möglichkeit artificieller Veränderung gegen- wärtig halten, so ist doch im Zusammenhalt mit den Modifika- tionen des Dotters (s. u.) höchst auffällig, dass die nur theilweise sichtbare Zona bei starker Vergrösserung die erwähnten Unregel- mässigkeiten der Contouren erkennen lässt und dass sie nicht nur in der Quer-, sondern auch in der Längsrichtung unterbrochen ist. Anders: als durch eine Längsspaltung wüsste ich es mir wenig- stens nicht zu erklären, dass der die Eihöhle nicht mehr aus- füllende Dotter eine Strecke weit von einem deutlichen äusseren Saum begrenzt ist. — Bei dem Ei des zweiten Follikels (Fig. 5) ist die Zona fast nirgends scharf erkennbar. Nur hier und da gewahrt man einen hellen, öfters mit dunkelrothen Elementen 1) cf. pag. 205. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 209 bekleideten resp. davon unterbrochenen Saum. Mag die im Uebri- gen schwache Färbung des Präparats, in dem die Zonae sämmt- lieh nieht sehr prägnant hervortreten, und seine geringe Dicke diese Undeutliehkeit begünstigen, so liegt der Hauptgrund dafür doch jedenfalls in emer anderen, später zu besprechenden Er- scheinung'). Die Menge des wnregelmässig vertheilten Dotters ist bei beiden Eiern gering. In Fig. 4 enthält er reichlich, in Fig. 5 spärlich die uns schon bekannten schwarzen Körnchen. An Stelle des Keimbläschens liegt, bei Fig. 5 auffallend weit peripherisch, die Riehtungsfigur. Dieselbe hat in beiden Fällen annähernd den gleichen Bau (Fig. 4a u. 5a); nur ist sie emmal gestreckter. Die nach den Polen eonvergirenden achromatischen Fäden werden im Centrum von einer doppelten oder noch mehr- fachen Reihe chromatischer Körperchen durchsetzt, über deren genauere Beschaffenheit wegen ihrer Kleinheit auch die stärksten Linsen nicht hinreichenden Aufschluss zu geben vermögen. — Die die Eier umgebende Granulosa, in Fig. 4 ausserdem die Theea, zeigen in beiden Follikeln theilweise sehr hochgradige Verän- derungen, über die später der Bericht folgt. — Diese Verände- rungen fehlen auch nie in den weiteren Stadien, in denen wir das Ei jetzt zu verfolgen haben. Wie Fig. 6 lehrt, hat das Ei eine Gestalt angenommen, die sich jedenfalls nicht allein dureh die Schnittriehtung erklären lässt. Die Zona ist diek und ziemlich gleichmässig gequollen; es liegen ihr fast gar keine unveränder- ten, sondern nur ehromatolytisch oder fettig entartete?) Epithel- kerne an. Innerhalb des Gewebes der Zona lässt sich mit Sicher- heit eine Epithelzelle nicht nachweisen. Der Dotter besteht aus einzelnen, unzusammenhängenden Schollen von verschiedener Grösse, zwischen denen die Lücken stellenweise beträchtlich sind und deren Substanz nur noch zum geringsten Theil der durch schwarze Körner getrübten Dottersubstanz entspricht. Meist erin- nert sie vielmehr in Farbe und Aussehen an die Zona, wie sie uns hier entgegentritt, jedoch mit dem Unterschiede, dass das Gewebe nicht homogen ist, sondern neben wenigen wohlerhaltenen Epithelkernen zahlreiche rothe und schwärzliche Körner, offenbar die Ueberreste solcher enthält. Das chromatische Netz des noch I) ef: pag. 212 2) Siehe unten. >10 J. Schottlaender: unzerstörten Keimbläschens ist körnig zerstreut und zersprengt. Von mitotischen Vorgängen ist nichts wahrzunehmen. — In Fig. 7 besitzt das Ei eine ausgesprochen spindelförmige Gestalt und füllt die Eihöhle des völlig verwandelten Follikels bei Weitem nicht mehr aus. Zona und Dotter bilden eine kaum mehr trenn- bare glasige Masse, in der man nur noch wenige Epithelkerne resp. deren Ueberreste findet. Die Zona erscheint, soweit sie isolirbar ist, noch stärker gequollen wie in Fig. 6. Im etwas excentrischer Stellung liegt das nur undeutlich begrenzte Keim- bläschen, dessen Inhalt ausschliesslich aus schwarzen Körnchen besteht. Bei dünnen Schnitten wird in dieser Phase des Unter gangs das Ei oft nur durch eine helle homogene Masse reprä- sentirt, in welcher die Epithelkerne oder die von ihnen herrüh- renden Lücken die einzige Unterbrechung verursachen. Fig. 8a und Sb und Fig. 9 veranschaulichen die letzten Glieder unserer Reihe. Fig. 8 gibt die vielfach gewundene Zona ohne jeglichen Inhalt wieder; ähnliche Bilder sind überaus häufig. In Fig. 9 endlich ist die ursprüngliche Eihöhle ganz leer; auch die Zona ist geschwunden. Die Wandlungen, welche wir die einzelnen Eitheile erfahren sahen, haben mit den in der Litteratur niedergelegten, theils angeführten, theils noch anzuführenden Befunden mancherlei Be- rührungspunkte. Bei der Zona, die verschiedentlich als diek und glänzend beschrieben wird), schildert Palladino?) — es handelt sich um beginnende hyaline Degeneration der Eier?) — die näm- liche Quellung und Diekenzunahme, welche wir oben constatirten, eine Veränderung, „welche mit Verlust der regelmässigen Con- touren, die zerstückelt erscheinen“ endet. Fig. 3 Tafel I seines Werkes erinnert (abgesehen von der Atrophie des Epithels) aus- gesprochen an meine Fig. 2. Anfangs hatte ich mit wohl den meisten früheren Beobachtern *) diese Volumensmehrung der Zona sammt den damit verbundenen Unregelmässigkeiten ihrer Be- grenzung, auf eine durch Flüssigkeitsaufnahme erfolgte Quellung I) Vol, Benlin,ıl..e, 2)2120. 5) ef. pag. 19. 4) v. Beneden (l. e.) spricht zwar von hyaliner Verquellung, führt aber nicht näher aus, was er darunter verstanden wissen will. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 211 "bezogen. Die Mittheilungen Palladino’'s, welcher dieselbe als Resultat von Durchsetzung mit eehter hyaliner, die Reekling- hausen schen Reaktionen liefernden Substanz darstellt, hatten für mich ein um so grösseres Interesse, als auch seine Angaben über die späteren Schicksale des Dotters und des Eies in toto!) Manches mit den meinigen gemein haben. Darüber, dass die Zona, welehe nach Verlust ihres Inhalts zusammenklappt?), von allen Theilen des Eies am widerstandsfähigsten ist, dass sie sich im Allgemeinen am längsten erhält), kann ein Zweifel nieht mehr bestehen. Wie Schulin*) und die meisten Früheren hervor- gehoben, findet man die modifieirte Zona sogar noch zu einer Zeit, wo alle charakteristischen Bestandtheile des Follikels fehlen und statt ihrer einzig Narbengewebe vorhanden ist. Die ersten Anzeichen einer Alteration des Dotters bestehen in Erfüllung desselben mit den oben erwähnten schwarzen Kör- nern, Ihr Vorhandensein in den Eiern atretischer Follikel wird fast durchweg bestätigt und von den Meisten naturgemäss als durch eingetretene Fettanhäufung bedingt angesehen. Die Be- funde Flemming's, der in seiner Arbeit?) noch die Frage auf- wirft, ob man es nicht vielleicht statt mit wirklichem Fett, mit leeithmähnlichen oder anderen Substanzen zu thun hat, die gleich- falls durch die Gemisch-Osmiumsäure gebräunt werden, stimmen bis auf eimen Punkt mit den meinigen völlig überein. Auf 8.233 heisst es bei Flemming: „vielleicht hat sie (die Fleckigkeit des Eies) mit dieser (der Riehtungskörperbildung) gar nichts Näheres zu thun und mag vielmehr auf einen schon abnormen Zustand des Eies zu beziehen sein, welcher mit der beginnenden Entar- tung des Follikelepithels emtritt. Dies möchte ich auch deshalb 1) S. unten. 2) v. Brunn (Zur Kenntniss der physiol. Rückbildung der Eier- stockseier bei Säugethieren. Ort.d. Publ.?) führt das Zusammenklappen der Zona vornehmlich auf eine nachträgliche Verkürzung der gal- lertigen Ausläufer, welche die eingewanderten Epithelien besitzen, zurück. 3) Ein einziges Mal fand ich ein Ei mit fleckigem Dotter, dem die Zona gänzlich fehlte. Ob es sich hier um ein nacktes Ei, um früh- zeitige Zerstörung der Zona oder um einen zufälligen artificiellen Be- fund gehandelt hat, wage ich nicht zu entscheiden. Ay line, He 212 J. Schottlaender: glauben, weil ich diesen Zustand noch niemals ausgesprochen an Eiern völlig normaler Follikel gesehen habe u. s. f.* Meine bereits mitgetheilte Erfahrung (ef. pag. 208) steht damit insofern in Widerspruch, als die beginnende Epithelentartung vielfach bei meinen Objeeten fehlt. Da aber im Verein mit dem veränderten Habitus der Zona die betreffenden Eier sich als degenerirende erweisen, so treffen Flemming's und meime Ansicht wiederum zusammen. An der weiteren Zerstörung des Eies betheiligen sich die Pflüger schen Nagelzellen). Ihre Einwanderung durch die Zona muss im Allgemeinen schnell verlaufen: anders wüsste ich es wenigstens kaum zu erklären, dass mir bei der Beobachtung einer relativ grossen Zahl von Eiern fast ausschliesslich die spätesten Stadien, d. h. solche zu Gesicht gekommen sind, bei denen die Einwanderung schon vollzogen war. Nur selten war die Zona noch mit einer zusammenhängenden Schicht von Epithe- lien besetzt (cf. pag. 209). Gemeinhin fanden sich in der schon stark metamorphosirten und redueirten Dottermasse nur noch einzelne Elemente oder die Trümmer solcher (s. Fig. 6). Gerade aus diesen Bildern erhellt aber auf das Unzweideutigste, dass wirklich nur Epithel- und nicht auch Wanderzellen in den Dotter gelangen, wie verschiedentlich vermuthet worden ist; es lässt sich die Herkunft der Zellen aus den verschiedenen, successive zu verfolgenden Phasen des Untergangs, in dem sie sich befinden, sicher ableiten. Da um diese Zeit die ausserhalb des Eies liegen- den Granulosaepithelien bisweilen noch völlig unverändert erhalten sind, so lässt sich vielleicht mit einigem Recht annehmen, dass die vorher intakte Epithelzelle erst m Folge ihrer Berührung mit dem fettig entarteten Dotter zu Grunde geht; des Weiteren darf man daraus schliessen, dass die Emwanderung der Nagelzellen, wenn sie sich auch gewöhnlich gleichzeitig oder gar später voll- zieht, sich doch schon vor der Riehtungsfigurenbildung im Keim- 1) cf. pag. 194, ferner H. Vircho w's Arbeit: Durchtreten der Gra- nulosazellen durch die Zona pellucida der Säugethiereier. Arch. f. mikr. Anat. 85, Bd. 24. — Nagel’s „Beitrag zur Anat. gesunder und kranker Ovarien (Gyn. Arch. Bd. 31, H. 3), sowie Petitpierre’s Publi- kation „Ueber das Eindringen von Granulosazellen durch die Zona pellueida von menschlichen Eiern u. s. f.“ (ibid. Bd. 35, H.5) sind, wie ich hier bemerken will, leider erst zu spät zu meiner Kenntniss gelangt. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 213 bläschen vollziehen kann; Richtungsfiguren wurden nämlich, wie wir schon sahen !), nur in Follikeln mit nicht mehr intaktem Epithel angetroffen. Ein anderer Modus der Zerstörung des Dotters resp. des ganzen Eies ist nach Palladino°) die hyaline Degeneration. Dieselbe soll in jedem Alter, jeder Entwicklungsphase, die foetale eingesehlossen, und bei allen Thieren vorkommen. Zunächst soll sich das Hyalin gleich dem Amyloid vomehmlich im Binde- gewebe und in den Gefässen ablagern; erst sekundär werden die drüsigen Elemente ergriffen. Das Ei, dessen einzelne Theile nach emander und in verschiedener Ausdehnung entarten, wird in eine hyaline Lamelle, deren Enden die mannigfaltigsten Um- biegungen zeigen, oder in eine hyaline Kugel umgewandelt: schliesslich liegt oft im Ovarialstroma an Stelle des Follikels nur ein hyaliner Klumpen, dessen Durchmesser bis 280 u betragen kann. — Ich muss bekennen, dass hinsichtlich der Zona?) wie des Dotters viele meiner Bilder durchaus den zahlreich von Palladino wiedergegebenen ähneln. Nicht nur das zu gewissen Zeiten auftretende, gleichmässig glasige Aussehen des Dotters®), sondern auch die lamellöse Anordnung, ja bisweilen die Umbie- gungen an den Enden waren deutlich. Da nun in Folge der gut übereinstimmenden, immer wiederkehrenden Befunde an Gemisch- und Alkoholpräparaten Reagentienveränderungen mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden können, so liegt, in Ermangelung positiver Beweise, wenigstens die Vermuthung nahe, dass es sich in meinen Objekten um in ähnlicher Weise degenerirte Eier handelt. Allen auch manche Be- denken lassen sich nicht unterdrücken. Vor Allem ist es auf- fallend, dass es mir nirgends gelungen ist, weder die Anfangs- noch die Endstadien der fraglichen hyalinen Degeneration zu ent- decken. Nirgends habe ich Anzeichen dafür wahrgenommen, dass Granulosa und Theca sich an dem Process betheiligen. Wenn wir nun mit dieser Thatsache zusammenhalten, dass nach der Ansieht mancher Pathologen?) unter dem Reeklinghausen’schen 1) cf. pag. 209, ferner pag. 215 f. DYBERGE 3) S. oben. 4) cf. pag. 1%. 5) Cf. Ziegler, Lehrb. d. allgem. path. Anat. S. 76. 214 J. Schottlaender: Hyalin eine Summe „von nicht ganz gleichwerthigen Substanzen“ zusammengefasst ist; wenn wir ferner berücksichtigen, dass die betreffende Modifikation der Eier nur als eine Vorstufe ihrer Auflösung dient und wohl nur ihre leichtere Resorptionsfähigkeit bezweckt, so erscheint die Ansammlung echten Hyalins, das ähn- lich dem Amyloid bekanntlich sehr widerstandsfähig ist, für unsere Objeete mindestens zweifelhaft. Wahrschemlicher ist wohl, dass eine auf das Ei beschränkte Coagulationsnekrose mit Aus- scheidung fibrinös-hyaliner Massen eimtritt; dass das Bindegewebe der Theca überhaupt und gar zu Beginn davon befallen wird, erscheint um so weniger plausibel, als, wie wir sehen werden, vor Allem von der Theca aus ein Ersatz für das abgestorbene und entfernte Gewebe stattfindet. — Inäquale Furchung des Dotters!), Ablagerung von Kalksalzen?), sowie die van Beneden- schen Gebilde ohne Zellencharakter?) habe ich darin nie wahr- genommen. Der hyalinen Degeneration des Eies soll nach Palladino®) stets eine körnig-chromatolytische, im Keimbläschen sich abspie- lende, vorangehen. Palladino verlegt überhaupt den ganzen Schwerpunkt dieser weiteren Zerstörungsart in das Keimbläschen und erwähnt des Granulosaepithels nur ganz nebenher, ohne, wie ich sehe, Flemming an dieser Stelle überhaupt zu nennen. Das chromatische Keimbläschennetz soll bei beginnender Atresie in den verschiedensten Phasen der Mitose körnig zerfallen und dadurch atypische Kernfiguren bilden, während bei nicht atreti- schen Follikeln alle Phasen der typischen Mitose zu verfolgen seien?). Wie man sich erinnern wird, handelte es sich in meinen beiden Fällen um Richtungsfiguren m Follikeln mit chromatoly- tischem *) Epithel, also genau um dieselben Verhältnisse, wie sie Flemming?) beim Kaninchen beobachtet hat, nur dass die Rich- tungsfiguren dort häufiger waren und dass etliche Male das Fol- 1) ef. pag. 197. 2) ibidem. — Vielleicht kommt die entkalkende Wirkung des Chrom-Osm.-Essigs.-Gemischs in Betracht. 3) cf. pag. 19%. Aylsac: 5) S. die zahlreichen Abbildungen. 6) In einem Fall ausserdem fettig entarteten. TO er Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 215 likelgewebe schon durch Narbengewebe ersetzt erschien. Es kann demnach ebensowenig bei meinen, wie bei Flemming 's Fällen zweifelhaft sein, dass die Richtungsfiguren sich m zu Grunde gehenden oder auch (bei Flemming) in zu Grunde segangenen Follikeln finden. Während wir aber auf den Untergang des Epithels ete. später einzugehen haben, müssen wir hier unsere Meinung darüber abgeben, ob uns die gewöhn- liehe „vielleieht durch die Epithelentartung bedingte“ Richtungs- körperbildung oder Richtungsfiguren vorliegen, die als ein Zeichen beginnenden Untergangs früher als sonst auftreten und das Ei als absterbendes charakterisiren. Flemming entscheidet sich in letzterem Sinne); er begründet seine Entscheidung damit, dass die für das reife mtakte Ei charakteristische Corona radiata stets fehlte und dass nie, oder wenigstens nur bei ganz ge- sehrumpften Folliken, em schon abgetrennter Riehtungskörper unter der Zona lag. Prüfen wir unsere Figuren auf diese Kriterien hin, so ergibt sich gleichfalls ein negativer Befund und zwar noch dazu aus leicht erklärlichen Gründen: Handelt es sich doch das eine Mal um einen unreifen (Fig. 5), das zweite Mal um einen halbreifen (Fig. 4) Follikel; und ist doch höchstens das Ei des ersteren seiner Grösse nach vielleicht als reif anzusehen. Daraus folgt aber, dass die Richtungsfiguren verfrüht aufge- treten sind und wenn wir nun noch die Dotter- und Zona- veränderungen beider Eier in Betracht ziehen, so darf mit grosser Wahrschemliehkeit geschlossen werden, dass auch beı unseren Objekten ihre Bildung auf degenerative Vorgänge im Ei zurückzuführen ist. Es ist gewiss nicht zu erwarten, dass (die betreffenden Figuren nothwendig immer atypische sein müssen, schon deshalb nicht, weil die bei der typischen Richtungskörper- bildung im Ei auftretenden Mitosen von den gemeinhin bekannten Mitosen in mancher Hinsicht abweichen?) und weil zwischen dem Gebiet typischer und atypischer Kerntheilung manche Uebergänge 1) Bellonei (mem. dell’ acad. d. scienz. Bologna T. 6. 1885) fasst die Richtungsfiguren, welche er fast gleichzeitig mit Flemming im Ei des Säugethier-Eierstocks beobachtet und beschrieben hat, als im Beginn ihrer Bildung stehende Richtungskörper auf; nach seiner Darstellung dürfte es sich aber doch vielleicht um Richtungsfiguren in atretischen Follikeln handeln. 2) Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltbeilung. 216 J. Schottlaender: bestehen). Gleichwohl würde es nieht ohne Werth sein, wenn in diesen Fällen häufiger hochgradig missgebildete Figuren sich nachweisen liessen; es würde unsere Anschauung, ohne durch den gegentheiligen Befund umgestossen zu werden, durch diesen Nachweis noch mehr gestützt sein. Leider muss der letztere bei unseren Figuren ihrer geringen Dimensionen wegen unterbleiben ; (dureh Palladino ist er, wie es scheint, für die Spirem- und Asterphase (nieht jedoch für die Metakinese) erbracht. Ich muss mich auf Erwähnung seiner diesbezüglichen Ausführungen be- schränken, da ich mit Sicherheit Aehnliches im Ei nieht gesehen habe. Anders verhält es sich mit dem körnigen Zerfall des chromatischen Keimbläschennetzes olme Mitosen. Einige meiner Bilder (Figg. 2, 6, 12.) weisen entschieden darauf hin, dass ein soleher Zerfall, wie wir ihn im Chromatinnetz der Epithelkerne näher kennen lernen werden und von dem das dort?) Gesagte gilt, vorkommt. Ob es sich dabei um Zertrümmerung atypischer Mitosen handelt, ob eine Mitosenbildung vorher gar nicht statt- gefunden, war nicht zu entscheiden. — Das Keimbläschen als sanzes schwindet meist erst spät?); es war in seinen Contouren noch in Eiern erhalten, deren Dotter kaum mehr als soleher kenntlich war. Gemeinhin scheint es erst zugleich mit der Haupt- menge des Dotters sammt seinem Keimfleck der Auflösung an- heimzutfallen. Noch im Verlaufe seiner und des ganzen Eies Auflösung, meist kurz nachdem letztere begonnen, immer aber erst nach ihrem Beginn, setzen die Processe ein, welche das Granulosa- epithel unaufhaltsam zu Grunde richten. Unter diesen Processen ist an erster Stelle die Flemming’sche sog. Chromatolyse ®) aut- zuführen, welehe sich bei sämmtlichen von mir unter- suchten thierischen und auch bei dem menschlicheu Eierstock in ausgedelmntester Weise wiederfindet. Wir haben I) cf. Flemming und meine Arbeit „Ueber Kern und Zellthei- lungsvorgänge in dem Endothel der entzündeten Hornhaut“. Arch. für mikr. An. Bd. 36. 2) ef. pag. 217 fi. 3) cf. dagegen pag. 197. 4) cf. pag. 195. Dass dieselbe schon vor Flemming gesehen worden ist, dafür sind sichere Beweise nicht zu erbringen. (Vgl. Flem- ming’s Arbeit S. 228 u, ff.) Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 217 darin nach Flemming einen Vorgang zu sehen, bei dem, wie der Name es kurz ausdrücken soll, „das veränderte eonsolidirte Chromatin der Kerne, nachdem der umgebende Zellkörper ver- quollen und zerfallen ist, selbst zunächst körnig zerfällt, sich im Liquor follieuli vertheilt und allmählich in ihm gelöst wird.“ Die allmähliche Decomposition des ehromatischen Kernnetzes verläuft in meinen Objecten, wie successive zu verfolgen ist, durchaus der Flemming’schen Beschreibung gemäss. In Follikeln, deren Theca verändert sein kann, deren Eier stets verändert sind, wird (vergl. die Figg. 10, 11, 12, 13; femer Figg. 4, 5, 6, 15b, 16 und 17.) zunächst in dem einen oder anderen Epithelzellenkern das bekannte verzweigte Fadennetz unsichtbar und ersetzt durch ein oder mehrere Klümpehen stark gefärbter Substanz, die fast durehweg die Gestalt solider, selten hohler, kreisrunder Körner von wechselnder Grösse besitzt. Eigentliche Stäbchen und Halb- ringe, wie deren Palladino erwähnt, fanden sich in meinen Präparaten nirgends. Allmählich mehrt sich die Zahl der Kör- ner, die verschiedenen kleineren beginnen mif einander zu einem grossen Korn zu verschmelzen, während die vorher scharfen Kern- contouren verschwimmen; schliesslich wird die Stelle der ur- sprünglichen Epithelzelle nur noch durch ein solches Korn mar- kirt; denn nicht nur die übrige Kern- sondern auch die Zellsub- stanz sind inzwischen zu Grunde gegangen, letztere häufig schon zu Beginn der Chromatolyse, ohne dass immer der Modus ihrer Zerstörung eruirbar. wäre!). Bei der Maus bilden sich, indem sich die Chromatinkömer einer ganzen Reihe von degenerirten Epithelkernen zusammenballen, auffallend grosse Chromatinklum- pen, die an einigen Stellen länglich gestaltet sind. Fig. 5 stellt solche in dem uns bereits bekannten Follikel des Mäuseeierstocks dar. Noch etwas Anderes erhellt aus der nämlichen Figur. Wenn Flemming beim Kaninchen die Chromatolyse nur in Follikeln mit vorhandenem, meist reichlichem Liquor, zu Gesicht bekam und als integrirendes Faktum des ganzen, danach be- nannten Processes, die Auflösung der Chromatinkörner im Liquor ansieht, mit dem sie vielleicht chemische Verbindungen eingehen, 1) Gemeinhin wird sie nur, wie es Flemming gleichfalls be- schrieben, kleiner und blasser. Ueber weitere Veränderungen s. unten S. 222. 218 J. Sehottlaender: so trifft das für die von mir untersuchten Thiere nicht durchaus zu; aus der vorliegenden, aus Fig. 6 und zahlreichen anderen Bildern geht unzweifelhaft hervor, dass derselbe Process auch in unreifen Folliken, ohne Liquor, vorkommen kann. Es ist, vorausgesetzt, dass das Ei im Schnitt fehlt, gewiss nicht immer leieht, bei mittelgross erscheinenden, völlig mit Epithel gefüllten und mit entwiekelter Theca versehenen Follikelsehnitten festzu- stellen, ob es sieh wirklich um einen Follikel ohne Höhle oder um einen solehen handelt, dessen Höhle vom Schnitte nieht mit- getroffen ist. Sobald aber das Ei vorhanden, sind die Zweifel gelöst und da mittelgrosse Follikel existiren, die Eier enthalten und deren Epithel chromatolytische Entartung zeigt, so ist die obige Behauptung erwiesen !). — Es möchte nun scheinen, dass auf Grund der gemachten Beobachtung auch der Name des Pro- cesses anders gewählt werden müsste. Da indessen, behufs leich- terer Abfuhr dureh die Gefässe offenbar auch in Follikeln ohne Liquor eine Lösung des Kermehromatins stattfindet, so darf der einmal gewählte Näme mit gutem Recht beibehalten werden. — Bedeutend häufiger als in solehen ohne, ist, namentlich beim Meerschweinchen, die Chromatolyse in Follikeln mit Liquor zu beob- achten. In beiden Fällen beginnt sie entschieden dem Centrum genähert und schreitet, ohne sich indessen regelmässig auszu- breiten, nach den peripherischen Zellreihen fort. Bei grossen, liquorhaltigen Follikeln ist gerade das Stadium oft siehtbar, in welehem der erhaltenen Membrana propria nur noch eine oder einige Reihen unveränderter Epithelien anliegen, während die übrigen resp. deren Ueberbleibsel als feine dunkelrothe oder blaue Körner im Liquorgerinnsel vertheilt sind. Mit Flemming ist hier auf die entschieden auch noch anderweitig veränderte Be- schaffenheit des letzteren aufmerksam zu machen. Es ist dunkler als sonst, die Fäden seines Netzes erscheinen gröber und mar- kirter;. es erhält höheren Glanz. Dass es sich bei der Chromatolyse um eine ganz typische Form des Untergangs von Epithelzellen in Graaf’schen Follikeln handelt, kann nach dem Gesagten wohl nieht mehr bezweifelt 1) Beim Menschen waren überhaupt keine reifen Follikel mit Höhlung vorhanden; trotzdem liess sich Chromatolyse des Epithels eonstatiren. S. Fig. 11. 3eitrag zur RKenntniss der Follikelatresie ete. 219 werden. Gegen die Annahme, dass hier Wanderzellen von aussen eingedrungen sind oder dass sich die Epithelien gar in solche verwandelt haben !), spricht deutlich und bestimmt, dass man die Decomposition des Kernehromatins fast Schritt für Schritt verfol- gen kann, dass die geschilderten Körner ganz vorwiegend kreis- rund erscheinen und anfangs noch von deutlichen Kerneontouren umgeben sind; dass sie später sich bisweilen zu ganz grossen Klumpen zusammenballen (s. ob. Fig. 5) oder frei einem etwa vorhandenen Liquorgerinnsel als feinste Bröckchen beigemischt sind. Des Weiteren ergibt sich, dass in der Theca eine stär- kere Anhäufung von Zellen, die etwa als Wanderzellen gedeutet werden könnten, nur dann existirt, wenn die Theca gleichzeitig mit dem chromatolytischen Vorgang im Epithel, jedenfalls aber ganz unabhängig davon, zu wuchern anfängt. Sehr häufig ist sie völlig unverändert; ja gerade die schönsten Bilder ausge- sprochener Chromatolyse wurden in Follikeln mit völlig intakter Theca angetroffen. — Den Einwand, dass wir es lediglich mit Reagentienveränderungen zu thun haben, hat schon Flemming?) beseitigt. Es sei hier nur noch hinzugefügt, dass auch in Al- koholpräparaten und bei Hämatoxylinfärbung die Chromatolyse deutlich erkannt werden kann. Eine der Zerstörung vorangehende und damit zusammen- hängende Vermehrung der Epithelien®) fehlte ebensowohl in Flemming’s, wie in meinen Objekten und zwar, wie gleich hier vorausgeschickt werden kann, nieht nur bei der Chromatolyse, sondern auch bei den übrigen Formen des Unterganges. Eine dichtere Lagerung der Epithelien war überhaupt nur selten und dann immer nur in mittelreifen Follikeln, deren Gra- nulosa häufiger intakt als im Beginn chromatolytischer oder an- derweitiger Degeneration erschien, deutlich zu constatiren. In reifen chromatolytischen Follikeln fehlte die Vermehrung nicht nur, sondern es war sogar meist eine Abnahme der sonst reich- licheren Mitosen vorhanden®). Somit darf entweder in der be- treffenden Ephithelvermehrung nur die dem heranreifenden Follikel stets eigenthümliche gesehen werden und es ist, wenn sich Ver- 1) ef. pag. 1%. 2) 1. c. 8. 225—2%6. 3) ef. pag.. 19. 4) cf. Flemming |. e 220 J. Sehottlaender: mehrung und beginnende Zerstörung gleiehzeitig finden, diese Thatsache nur so aufzufassen, dass die Zerstörung zufällig in dem heranreifenden Follikel Platz gegriffen hat; oder aber — und das scheimt mir auch in Anbetracht der Seltenheit dieser Fälle das Wahrscheinlichere — es sind dem untergehenden Epithel Zellen anderer Herkunft und zwar Wanderzeller beigemischt, zu deren Eindringen die bei «dieser Gelegenheit fast ausnahmslos zahlreich vorhandenen, wohl neugebildeten Gefässe vollauf Anlass geben. Als zweiter Modus der Zerstörung der Granulosa kommt in Betracht die Ablagerung von Fett oder fettähnlieher Substanz !) innerhalb ihres Gebietes. Im Hinbliek auf die hierin durchaus übereinstimmenden Berichte fast aller früheren Beobachter?) ist (die Bildung wirklichen Fettes mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen; es erfahren also unter dieser Voraussetzung die. Epithelzellen eine fettige Degeneration. Flemming sagt in seiner Arbeit?) darüber Folgendes: „es tritt gleichzeitig (se. mit der Chromatolyse) und schon vorher eine Durchsetzung (der Zellsubstanz mit feinen Fetttröpfehen ein, oder doch mit Tröpf- chen, welche bei stärkerer Emwirkung von Osmiumsäure ähnlich wie Fett gedunkelt werden. Diese Körnehen oder Tröpfehen erkennt man jedoch nicht an den Präparaten, welche nach mei- nem Verfahren mit Osmiumgemischen, Saffranin- oder Gentiana- färbung und Aufhellung hergestellt sind; denn in dem Gemisch, in Verbindung mit Chrom- und Essigsäure, wirkt die Osmiumsäure auf die kleinen Körnehen nicht hinreichend dunkelnd ein und (dureh die Aufhellung werden diese dann so gut wie unsichtbar. Um sie deutlich zu schen thut man gut, reine Osmiumpräparate zu benutzen, die durch Stehen am Licht in Alkohol gut nachge- dunkelt sind“ u. s. f. Ich kann mit dem Gesagten in zweierlei Hinsicht nicht ganz übereinstimmen. Obschon unbedingt zugegeben werden muss, dass das Fett in reinen Osmiumpräparaten viel schärfer hervortritt und dass die letzteren den Gemischpräparaten in dieser Hinsicht vorzuziehen sind, so erweisen doch, wie mich Niet, pag; 2. 2) Vgl. die oben angeführte Literatur. 8) 1. e.:8. 223. Beitrag zur Renntniss der Follikelatresie ete. 221 dünkt, die braunen oder schwarzen, pigmentähnlichen !) Körner, welehe bei Gemischpräparaten imnerhalb und zwischen den Epithel- zellen liegen (Fig. 13 u. a.), zunächst zweifellos, dass auch die im Gemisch vorhandene Osmiumsäure genügt, um das Fett, we- nigstens in den allermeisten Fällen, wo es vorhanden, zu schwärzen und dem Auge sichtbar zu machen. Wenn dem aber so ist, so lassen des Weiteren diejenigen chromatolytischen Follikel, bei denen jede Ansammlung von gebräunten Körnchen vermisst wird — soleher sind wiederum in meimen Objekten eine grosse Anzahl vorhanden — nur eine bestimmte Deutung zu. Es kann sich trotz des sicher vielfach ungleichmässigen Eindringens der Gemisch- Ösmiumsäure kaum darum handeln, dass das Fett hier überall als solehes nicht erkennbar ist; es muss vielmehr wenigstens in den meisten Fällen wirklich fehlen?). Das heisst mit anderen Worten: Die Chromatolyse des Follikelepithels kommt zwar sehr häufig eom- binirt mit fettiger Degeneration, durchaus nicht selten aber auch allein, ohne dieselbe, vor, ebenso wie umgekehrt die fettige De- generation als gesonderter Vorgang, unabhängig von der Chroma- tolyse, zu beobachten ist. Bei gemeinschaftlichem Auftreten haben wir uns die Sache vielleicht so zu denken, dass die primär chro- matolytisch entarteten Epithelzellen sekundär fettig zerfallen. Im 1) Wegen ihres Aussehens an wirkliches Pigment zu denken, dazu dürfte keine Veranlassung vorliegen. 2) Zwei kleine Veröffentlichungen Flemming’s: „Ueber die Lös- lichkeit osmirten Fettes und Myelins in Terpentinöl“ und „Weiteres über die Entfärbung osmirten Fettes in Terpentin und anderen Sub- stanzen (Zeitschr. f. wissenseh. Mikr. und für mikr. Technik Bd. 6, 1889, pag. 39—40 und pag. 178—181) sind mir noch nachträglich durch die Güte des Verfassers zugegangen. In Anbetracht des in den beiden Arbeiten geführten Nachweises, dass Terpentinöl oder terpentinhaltiger Canadabalsam osmirtes Fett löst, darf ich nicht unterlassen zu er- wähnen, dass meine Präparate ausnahmslos mittelst Nelkenöles aufge- hellt, und wenn ich mich recht erinnere, in Xylol-Canadabalsam ein- gebettet worden sind. Nelkenöl aber und Xylol, letzteres allerdings nur mit Einschränkung, d. h. nur unter dem Deckgläschen, sollen nach Flemming osmirtes Fett nicht lösen. Sollte ich mich bezüglich des Balsams täuschen und derselbe mit Terpentin bereitet gewesen sein, so ist damit gleichwohl kaum eine genügende Erklärung für die enorme Verschiedenheit der Bilder gegeben. Das Entscheidende dürfte nach wie vor der thatsächlich verschiedene Fettgehalt der Ob- jekte bleiben. 299 J. Schottlaender: Uebrigen scheint bedingungsweise eine (resetzmässigkeit nur darin zu bestehen, dass in grösseren Follikeln die Chromatolyse, in kleineren die Fettdegeneration (combinirt oder jede für sich) vor- waltet. Ganz ausnahmsweise habe ich auch in Primordialfollikeln, hier allerdings nur reine Fettdegeneration des Epithels wahrge- nommen). — Die feimeren oder gröberen Fettkörner — selten waren es Tröpfehen — liegen, wie gesagt, ausser- oder innerhalb der Zellen. (S. Figg. 15, 16, 4.) Im letzteren Fall ist, einerlei ob das Kernehromatin in Auflösung begriffen oder nicht, die ur- sprüngliche Form der Zelle zerstört; sie ist bläschenförmig aufge- trieben und nach einiger Zeit nicht mehr abgrenzbar. Oft ist sie ganz compakt mit Fett erfüllt; die einzelnen Körner bilden auch hier dann durch Zusammenballen grössere Klumpen. Kıy- stallinische Fettsäure-Anhäufungen und eine den ganzen Eierstock ergreifende Fettdegeneration, wovon Palladino?) berichtet, habe ich nie wahrgenommen. Das Epithel, besonders dasjenige junger Follikel, scheint bisweilen ausser in der geschilderten, noch im anderer Weise zu Grunde zu gehen. In Fig. 14 — einem jedenfalls nicht mehr intakten Follikel — sehen wir, umgeben von einer fibrillären sindegewebshülle, eine grosse Zahl, stellenweise undicht liegen- (der Zellkerne mit blass und diffus gefärbtem, undeutlichem Chro- matinnetz vor uns. Diese Zellkerne sind von einem unvollkommen schliessenden Netze dunkler Sprossen, welche mit einem benach- barten Gefäss in Verbindung stehen, umgeben. Wenn aus dieser Thatsache, wie wir noch sehen werden, unzweifelhaft hervorgeht, dass die Theca m einem Zustande der Wucherung begriffen ist, wie denn überhanpt dem Kerncomplex Bindegewebskerne beige- mischt zu sein scheimen (in der Figur weggelassen), so stellen die übrigen Keme ebenso unzweifelhaft verkleinerte und verän- derte Epithelkerne dar. In den Figg. 18 und 19 zeigt sich, wie ich glaube, ein früheres Stadium derselben Veränderung bei einem anderen Follikel. Die Epithelkerne sind zwar nicht oder kaum verkleinert, aber sie sind blasser wie sonst. Die dunkelen Sprossen sind ebenfalls vorhanden, nur ist der Zusammenhang mit einem Gefäss der Peripherie hier nicht nachweisbar. In allen diesen 1) cf. pag. 1%. D)alac, Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 223 Fällen fehlt jede Spur von Chromatolyse’ oder Fettdegeneration. Man wird mir bezüglich letzterer einwenden wollen, dass viel- leicht gerade hier de facto vorhandenes Fett durch unzulängliche Einwirkung der Gemischosmiumsäure nicht sichtbar geworden, und anfangs glaubte ich mich auch in diesem Sinne entscheiden zu müssen. Nachdem ich jedoch sanderorten in denselben Objek- ten sehr reichliche Fettansammlung und zahlreichere ähnliche Bilder entdeckt, bin ich zu einer anderen Ueberzeugung gelangt, zumal da auch die ganze Configuration der Zellen positiv zu einer anderen Deutung drängt. Man könnte an zweierlei den- ken: Erstens an eine hyaline Degeneration !), zweitens an eine durch die gewucherte Theca bedingte einfache Druckatrophie des Epithels, das nach Palladino (der das Resultat dieses Vor- gangs als falschen gelben Körper?) bezeichnet), dann in situ und ohne seinen Zusammenhang zu verlieren, schwindet. Während gegen eime hyaline Degeneration die oben angeführten theoreti- schen Gründe und der Umstand sprechen, dass niemals fortge- schrittenere Stadien, also etwa Schollenbildung oder dergl.3) zu verfolgen war, so braucht eine Analogie unserer Befunde mit Palladinos sog. falschen gelben Körper wohl nieht ganz von der Hand gewiesen zu werden, obwohl letzterer nach Palladino’s Angaben nur aus reifen oder nahezu reifen Follikeln entstehen soll. Es ist sehr wohl möglich, dass uns in unseren Bildern (Figg. 14, 18, 19.) eine Art des durch Druck verursachten Ge- webstodes vorliegt. Wie dem nun auch sem mag, durch die soeben vermuthungs- weise bezeichnete, durch die beiden anderen sicher beobachteten Formen der Epithelzerstörung, welche ebenso wie die beim Ei geschilderten Processe damit endigen, ein durch die Gefässe leicht zu resorbirendes Material zu schaffen, wird der Anstoss zu den inzwischen eingetretenen Veränderungen der Theca gegeben: es hat für das verlorene Gewebe der Ersatz begonnen, der nun seinerseits mit der Narbenbildung abschliesst. Die Wandlungen, welche die Theca im Verlaufe der Fol- likelatresie erfährt, sind sehr verschiedene, z. Th. ausserordent- 1) ef. pag. 213 £. 2) ef. pag. 197. 3) ef. pag. 213. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 37 15 9224 J. Schottlaender: lich schwierig zu erklärende. Gerade in dieser Beziehung herr- schen noch die grössten Differenzen unter den Autoren, obsehon darin wenigstens jetzt Eimigkeit erzielt zu sein scheint, dass die durch den Untergang von Ei und Epithel entstandene Lücke durch Inanspruchnahme der Theca gedeckt wird. Während aber die Einen!) diese Deckung mittelbar auf Endothelvermehrung der Membrana propria, Andere?) mittelbar auf Anhäufung und Ver- mehrung von Wanderzellen, resp. Umbildung in solche?) zurück- führen, rekuriren wieder Andere*) vornehmlich auf die präexi- stenten Bindegewebskörper der Theca und nehmen an, dass durch deren Vermehrung die geschaffene Höhle ausgefüllt wird. Wir wollen an der Hand »unserer Präparate das Mitgetheilte einer Prüfung unterziehen. Sehr häufig ist zunächst bei Follikeln der verschiedensten Grösse vom reifen oder nahezu reifen bis zum kleinsten hinab (mit Ausnahme des Primordialfollikels) folgendes Bild: Granulosa und Ei sind fast immer, gewöhnlich schon hochgradig verändert oder gar theilweise oder ganz geschwunden. Die Theca externa ist, als die bekannte dünne, fibrilläre Bindegewebsschicht in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit erhalten; nicht so die Theca interna. Anfangs fällt darin neben anderen Erscheinungen?) nur ein grös- serer Zellreichthum auf; die innere, durch die Membrana propria gegebene Begrenzung ist noch regulär und scharf. Bald jedoch hört die scharfe Begrenzung auf: Die Membrana propria wird an einzelnen Stellen oder an der gesammten Cireumferenz un- sichtbar; eine Gewebsneubildung greift entweder insulär oder eoncentrisch in die Follikelhöhle resp. den Epithelialraum ein; letzterer wird eingeengt. In der Intensität dieser Einengung sind alle Abstufungen vertreten: bald rückt das neue Gewebe nur in der Dieke einer Zellenschicht an einzelnen Punkten oder auf der ganzen Linie gegen das Centrum vor; bald zieht ein breiter brückenartiger Strang, dessen verschiedene Ausdehnung an auf- 1) Beuknnlaes3Schulin,.L=e. 2), SBlavjansky..].e.; Beigel,.l.e.; Palladino 2ize. 3) Sechulins.lze 4) Wagner, l. c.; v. Beneden, | c. u. A.; andeutungsweise Flemming |. c. 5) S. unten $S. 225 ff. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 225 einanderfolgenden Schnitten trefflich zu verfolgen ist, quer durch die ganze Höhle und scheidet dieselbe, am gegenüberliegenden Ende angelangt, in 2 Hälften (s. Fig. 16). — Aus welchen Be- standtheilen setzt sich das neugebildete Gewebe zusammen? So lange es durch die Membrana propria noch in feste Grenzen ge- bannt ist, bietet die Beantwortung der Frage keine Schwierigkeit: Die neu hinzugekommenen Thecazellen verhalten sich, mit Aus- nahme ihrer diehteren Lage und noch grösseren Armuth an Inter- eellularsubstanz, genau wie die ursprünglichen !); sie scheinen aus diesen, wie die grössere Zahl von Mitosen und das Auftreten Junger Zellen erweist, entstanden. — Wir können aber noch weiter gehen. Auch da, wo unter Aufhören der festen Begrenzung die Wueherung beginnt sich in den Epithelraum (resp. die Höhle) ein- zusenken (Figg. 15, 15 .a.), ist der gleiche Ursprung ihrer Zellen aus denselben Gründen mit grosser Sicherheit anzunehmen. Viel schwieriger wird es den letzteren zu analysiren, sobald das neue Gewebe, weit gegen oder über die Mitte des Follikels hinaus vor- rückend, mit den zerfallenden, aber noch nicht geschwundenen Elementen der Granulosa in Berührung kommt und von diesen durchsetzt ist. Bei der oben erwähnten Fig. 16 z. B. ergibt sich erst nach genauerer Betrachtung und nach Ausschaltung der chro- matolytisch und fettig zerfallenen Epithelkerne, dass der brücken- artige Strang, welcher die Membrana propria an einer Stelle durch- brochen, gleichfalls einer Wucherung der bindegewebigen Theca interna entstammt. Allerdings fällt hier Eines gewaltig auf: der grosse Fibrillenreichthum und das entsprechende Zurücktreten der Zellen. In dieser Hinsicht besteht unzweifelhaft ein ganz bedeutender Unterschied zwischen kleineren und grossen Follikeln. Was für die Theeca nicht atretischer Follikel galt?), darf auch auf die Theecawucherung atretischer Follikel angewendet werden: bei Jüngeren ist sie zellenreich, bei älteren zellenarm. Es ergeben sich daraus verschiedene, später verwerthbare Schlüsse. Bisher haben wir zwei Erscheinungen, welche in dem neu- gebildeten Gewebe, so lange es zellenreich ist, eine ganz bedeu- tende Rolle spielen, unberücksichtigt gelassen, nämlich die Neu- bildung resp. Einwucherung von Gefässen ?) und die Ansamm- 1) ef. pag. 202. 2) cf. pag. 201. 3) cf. pag. 196 256 J. Schottlaender: lung von fettiger Substanz. Lässt sich schon innerhalb der noch starr begrenzten Theca, sobald ihr Zellengehalt grösser geworden, eine deutliche Zunahme der Gefässmenge constatiren, so ist weiter auch innerhalb des irregulär im die Höhle vordringenden Gewebes das Vorhandensein von Gefässen verschieden klar, nicht selten aber so klar ersichtlich, dass ein Zweifel an der That- sache ihrer Einwucherung nicht mehr bestehen kann. Zwischen (len Zellen liegen sehr zahlreich zerstreut (Figg. 14, 15a, 17.) dop- pelt eontourirte, ab und zu gabelig getheilte Gebilde von verschie- dener Länge, die wie Perlen- oder Korallenschnüre glänzen und deren capillarer Charakter durch ihren oft, aber nicht immer er- kennbaren Inhalt — erhaltene und veränderte rothe Blutkörperchen — hinreichend erwiesen wird '). Bei günstiger Schnittführung lässt sich durch den Zusammenhang der Capillaren mit einem peri- pherischen Gefäss (Fig. 14) direkt erweisen, was schon a priori wahrscheinlich war, dass in den Gefässen der Peripherie die Ma- trix der neuen Capillaren zu suchen ist. — Für gewöhnlich tritt naturgemäss die Anhäufung von Bindegewebszellen gegenüber derjenigen von Capillaren in den Vordergrund, mitunter jedoch, wie in eben der Fig. 14, ist das Verhältniss auch umgekehrt; ja manche Anzeichen deuten darauf hin, dass die Gefässe im All- gemeinen früher in den Epithelialraum eindringen, als die Haupt- masse des Bindegewebes. Bei eimigen Thieren mit überhaupt sehr gefässreichen Follikeln (Ratte, Maus) liegen die feinen, läng- lichen, gleichmässig oder spitz endigenden Capillarsprossen ohne jede wahrnehmbare Betheiligung von Bindegewebszellen zwischen dem nur abgeblassten (atrophirenden?) (Fig. 18, 19.) oder gar un- veränderten Epithel. Da sie kurz, lebhaft tingirt, meist homo- genen Inhalts sind und dadurch quergetroffenen Epithelien ausser- ordentlich ähneln, so war es anfangs nicht leicht, über ihre Ge- fässnatur ins Klare zu kommen. Ihre Vergleichung mit den m benachbarten gelben Körpern befindlichen Gefässen, sowie häufige Vorbuchtungen der in diesen Fällen äusserst gefässreichen Theca in den Epithelialraum, liessen mich zwar das Richtige vermuthen; (ewissheit wurde mir indessen erst, als ich nach langem Suchen bei hellster Beleuchtung Blutkörperchen, resp. deren Derivate in 1) Ein umgebender hyaliner Saum (ef. Schulin |. e.) war nicht sicher nachweisbar. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 327 den Sprossen entdeckte. Einige Male glaube ich ferner auch hier eine Verbindung der letzteren mit peripherischen Gefässen gesehen zu haben. — Ein besonderes, in dieser Art nur einmal vorhandenes Bild giebt Fig. 20 wieder. Im Centrum des von auffallend blasser und sehr gefässreicher Theca umgebenen Fol- likels findet sich ein compaktes Convolut von Capillaren mit zahlreichen Blutkörpern. Letztere sind, wie man scharf und be- stimmt sieht, hintereinander aufgereiht, also in feste Bahnen ge- bannt. Zwischen Centrum und Theca liegen dicht gedrängt stark gefärbte Zellkerne von der Art der Granulosakerne, nur oft klei- ner, ohne sichtbares Zellprotoplasma. Es macht durchaus den Eindruck, als ob hier nur die Epithelien sich stark vermehrt; doch ist, glaube ich, eine Betheiligung von Zellen anderer Her- kunft (Wanderzellen?) nicht sicher auszuschliessen '). Wie kom- men die Gefässe in die Mitte des Follikels, da am Rande eine Einwucherung nicht zu constatiren ist? Giebt uns eine das Epi- thel irregulär durchziehende Lücke (s. die Fig.) einen Fingerzeig dafür, dass hier ein grösseres, Peripherie und Öentrum verbinden- des Gefäss, welches zufällig nicht in den Schnitt gefallen, gelegen hat? Wenn auch diese Fragen unbeantwortet bleiben müssen, so ist durch das Bild die Thatsache der frühzeitigen Gefässein- wucherung wohl sicher dargethan. In dem gewucherten Bindegewebe der Theca sammeln sich sehr häufig grössere (Ratte, Maus) oder geringere Mengen von Fett oder fettähnlieher Substanz an, welche bei Gemisehhärtung in Gestalt verschieden grosser, braunschwarzer Körner, gleich denen des Epithels, von denen sie jedoch ganz unabhängig sind, zwischen und in den Zellen auftreten. Die Bedeutung der in dieser Art aufgespei- cherten Fettpartikel, die mitunter in Folge ihrer Zahl alle übrigen Bestandtheile des Follikelraumes unkenmntlich machen, scheint mir keine unwesentliche zu sein. Bei der auf Deekung der entstan- denen Lücke hinzielenden Gewebsneubildung wird ohne Zweifel überschüssiges, später durch die Gefässe wieder abzuführendes Material angebildet. Es dürfte nun durch fettigen Zerfall des letzteren dieser Zweck am leichtesten und schnellsten erreicht werden. 1) Vgl. unten 228 J. Schottlaender: Wir haben oben die Entstehung der geschilderten Bindege- webswucherung aus einer Vermehrung der ursprünglichen, fixen Bindegewebskörper der Theca als erwiesen betrachtet, ohne die weiteren Möglichkeiten der Entstehung (aus Wanderzellen resp. dem Slavjansky schen Endothel) !) eingehender zu diskutiren. Ich glaube, wir dürfen mit gutem Recht den angegebenen Stand- punkt einnehmen. Denn sprachen positiv für denselben gewisse Thatsachen ?), so machen noch ausserdem per exclusionem ganz besondere Gründe die Betheiligung von Wander- resp. Endothel- zellen an der Constituirung der betreffenden Gewebsneubildung unwahrschemlich. Betrachten wir zunächst die mittelgrossen und kleineren Follikel, so ergiebt sich, dass mitunter innerhalb der ersten peri- pherischen noch eine zweite, deutlich davon zu scheidende, cen- trale Wucherung gefunden wird, deren Beschaffenheit deutlich darauf hinweist, dass hier ein anderes Moment als die Vermeh- rung der fixen Theecazellen ins Spiel kommt. In Figur 15, an welche wir wieder anknüpfen, zeichnet sich die centrale Gewebs- schicht gegenüber der peripheren, mit der sie streckenweise zu- sammenhängt, dadurch aus, dass die Zellkerne bedeutend kleiner und zahlreicher sind, dass sie diehter gedrängt liegen und ein stärker gefärbtes dichteres Chromatinnetz besitzen. Ganz beson- ders fällt weiter auf, dass dieselben nur selten die rundovale, nie die längliche Gestalt der anderen besitzen, dass sie häufig halbmondförmig, mit kleinen Ausläufern versehen sind und dergl. m. — Von der Zellsubstanz ist nur an den äussersten Gren- zen der ganzen Gewebsschicht etwas nachweisbar; ausser hier und da verstreuten rubinrothen Körnern fehlen weitere Besonder- heiten. — Auf den ersten Blick liegt die Täuschung nahe, dass es sich hier um nichts weiter, als um vermehrte Granulosaepi- thelien handelt. Berücksichtigt man jedoch die genannten Form- veränderungen, so kann man bei der Annahme einer einfachen Vermehrung kaum stehen bleiben; man muss auf die Unter- mischung des Epithels mit anderen Zellen rekuriren. Dass diese anderen Zellen Pseudo-Wanderzellen im Sinne Sehulin’s sind, wird man desshalb kaum vermuthen können, weil die chromatolyti- 1) Vgl. oben. 2) cf. pag. 225. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 229 schen Körnehen unzweifelhaft auf eine beginnende , wahrscheinlicher schon weit vorgeschrittene, jedenfalls vorhandene Zerstörung des Epithels zurückzuführen sind. Es bleiben demgemäss nur die zwei weiteren Möglichkeiten, nämlich, dass wir echte Wander- zellen oder die Abkömmlinge des Endothels !) oder endlich Bei- ddes vor uns haben. Eine siehere Entscheidung hierüber zu tref- fen, ist bei den angewandten Methoden, vielleicht auch überhaupt nicht möglich. Immerhin lässt sich wenigstens Einiges pro et contra anführen. Ist einerseits durch die zahlreich eingewucher- ten Gefässe reichlich Gelegenheit zum Austritt von Wanderzellen geboten, so ist, vorausgesetzt, dass ein solches existirt, auch eine Betheiligung des Endothels insofern nicht von der Hand zu wei- sen, als analoge endotheliale Neubildungen im Sinne der Rege- neration oder Narbenbildung häufig genug zur Beobachtung ge- langen ?). Indessen erregt in dieser Beziehung hier doch ein Umstand Bedenken. A priori sollte man meinen, dass wenigstens stellenweise, da, wo die Theca noch unverändert geblieben und die eentrale Gewebsschicht der Peripherie anliegt, die Membrana propria als solche erhalten oder wenigstens eine scharfe Abgren- zung sichtbar sein müsse. Das ist aber nicht der Fall. Ebenso- wenig konnte ich in meinen Präparaten jemals Glasmembran- streifen ?) oder etwas Analoges auffinden. War ein heller Strei- fen da, so bildete er, central gelagert, die innere Grenze des Narbengewebes und war seiner ganzen Configuration nach sicher als Eirest oder Zona zu erkennen. Es bleibt somit, wollen wir an der Betheiligung des Endothels festhalten, gegen die des Wei- teren vielleicht die Unregelmässigkeit der centralen Gewebsschicht ins Feld geführt werden kann, nichts übrig, als mit v. Beneden®) eine frühzeitige Resorption der Membrana propria nach erfolgter Funktion des Endothels vorauszusetzen. Nicht immer sind die beiden different zusammengesetzten 1) cf. pag. 224. 2) Unwillkürlich bin ich an Bilder erinnert worden, wie ich sie s.Z. nach Chlorzinkätzung der Hornhaut des Froschauges wahrge- nommen. Fast genau dieselben Formveränderungen wie hier fanden sich dort an den Endothelien einige Tage nach vollzogener Aetzung a).ect par. .193702 192 4) cf. pag. 1%. 230 J. Schottlaender: Gewebseomplexe auch noch als different zu analysiren. Weit häufiger findet man innerhalb des Ovarialstromas eime ein- heitliche, meist ovale, aus stark gefärbten dicht gedrängten Zellkernen (Zellsubstanz ist nicht sichtbar) von wechselnder Grösse und Gestalt bestehende Gewebsmasse. Dieselbe lässt hier und da zarte Bindegewebsfibrillen, ausserdem oft Fett und Ge- fässe deutlich erkennen. Ich war anfangs versucht hier statt an ddegenerirte Follikel an gelbe Körper späterer Stadien zu denken. Die wahre Sachlage erhellte jedoch sehr bald aus den nicht selten im Centrum vorhandenen Eiresten, namentlich der zusammen- gseklappten Zona (vergl. Figg. 7 u. 9.). Es waren dadurch alle übrigen Fälle ohne Weiteres klar. — Die Herkunft des zellen- reichen Bindegewebes, in dem wir ein gegenüber Fig. 15 weiter fortgeschrittenes Wucherungsstadium zu sehen haben, muss bis auf Weiteres auf gleichzeitige Vermehrung der fixen Thecazellen, Wanderzellen, ev. auch Endothelien zurückgeführt werden; viel- fach sind ihm jedenfalls erhaltene Granulosakerne beigemischt. Bei den jüngsten Follikeln scheint, wie aus manchen Bildern hervorgeht, die Vermehrung der Thecazellen im Vergleich zu der- jenigen der anderen Elemente zurückzutreten. Ueber die späteren Schicksale der zellenreichen binde- sewebigen Neubildung gibt uns Fig. 21 Aufschluss. Während von der äusseren Form und den peripherischen Schichten genau das eben Gesagte gilt, zeigt das Centrum eime durchaus andere Beschaffenheit. Dasselbe ist ausgefüllt von einer aus hellglän- zenden straffen Bindegewebsfibrillen bestehenden Grundsubstanz, die zerstreut nur spärliche, kleine, langgestreckte Bindegewebs- körper birgt. Es ist ohne Weiteres ersichtlich, dass wir hier spätere Stadien der Figg. 7 u. 9 vor uns haben. Die letzten Zweifel werden durch die oft noch erhaltene, oft aber auch schon ausgefüllte geschrumpfte Eihöhle beseitigt. Was demnach a priori zu erwarten war, wird durch die Thatsachen bestätigt: Aus dem zellenreichen, fibrillenarmen wird zunächst ein schleimiges, dann aber ein festes fibrillenreiches narbiges Gewebe. Es schreitet dabei die Narbenbildung vom Centrum nach der Peripherie fort. Durch v. Brunn!) ist bei den Vögeln nach Zerstörung des Epithels eine Einwucherung typisch sternförmiger Zellen mit cen- 1), efipag. 197, Anm, Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 231 tralwärts gerichteten Ausläufern beschrieben worden, ein Befund, der vielfach !) auch für die Säugethiere bestätigt worden ist. Ich kann, wenigstens für einen Theil meiner Objekte, versichern, dass die Bildung eines derartigen Gewebes nur eine Zwischen- stufe ist, der die Entwicklung stark fibrillären Bindegewebes folgt. — Die geschilderten Corpora fibrosa besitzen bisweilen eine nicht unbeträchtliche Grösse, offenbar weil dem Wachsthum des mittelreifen Follikels, auch nach Beginn der Zerstörung, nicht plötzlich, sondern erst allmählich ein Ziel gesetzt wird. Dass wir uns trotz ihrer Grösse die Narbenkörper nicht oder nur aus- nahmsweise aus ganz oder nahezu reifen Follikeln entstanden denken dürfen, erhellt aus Fig. 16 und ähnlichen Bildern. Ist bei mittelreifen Follikeln der Zustand des vollkräftigen Theea- gewebes zur Auffüllung der durch Ausfall des Eies und Epithels hervorgerufenen, überdies klemeren Lücke, ferner zu zweckdien- licher sekundärer Umwandlung geeignet, so gilt nicht das Gleiche für die grössten Follikel. Hier kommt es zwar zur Vernichtung des Inhalts, aber der Ersatz von der Peripherie bleibt entweder ganz aus — möglicher Weise ist dadurch Veranlassung zu Cysten- bildung ?) gegeben — oder er ist unvollständig. Im letzteren Fall, wenn also eine Theeawucherung vorhanden, nimmt die Intercellularsubstanz relativ frühzeitig auf Kosten der Zellen an Masse zu; es kommt nur zu spärlicher Anbildung von Gefässen; ein centrales von dem peripherischen zu unterscheidendes Gewebe, wie wir es bei kleineren Follikeln beobachtet, wird vermisst. Da somit für eine reichlichere Ansammlung von Wanderzellen die Gelegenheit abgeschnitten ist und gegen eine Betheiligung des Endothels der thatsächliche Befund spricht, so kann des Wei- teren geschlossen werden, dass in grossen Follikeln die Deckung des Substanzverlustes fast ausschliesslich, wenn nicht ganz durch Vermehrung der fixen Thecazellen erfolgt. Betrachten wir die zur Atresie führenden Veränderungen der Follikel mit Berücksichtigung des Beginnes und der Ver- theilung auf die verschiedenen Thiere sowohl wie auf die verschiedenen Entwicklungsphasen der Follikel, nochmals im Zusammenhang, so gelangen wir zu folgendem Resultat: 1) Vgl. die oben angeführte Literatur. 2) Grohe, Beigel und Schulin. 232 J. Schottlaender: Die Follikelatresie verläuft in gemeinhin durchaus überein- stimmender Form in den Eierstöcken des Meerschweinchens, der Ratte, der Maus und des Hundes. Beim Menschen konnte in Folge der ungünstigen Beschaffenheit der betreffenden Präparate nur eine Theilerschemung, die Chromatolyse des Follikelepithels nachgewiesen werden; es ist indessen auf Grund der Befunde bei genannten Thieren die Vermuthung zu hegen, dass auch hier die übrigen Erscheinungen nicht fehlen. — Mit Ausnahme der Primordialfollikel, bei denen gleichfalls nur eine Theilerscheinung, (die Fettdegeneration des Epithels gefunden wurde, können der Atresie sämmtliche Follikel, vom jüngsten bis zum ältesten, er- liegen; am häufigsten erliegen ihr die mittelreifen noch wachsenden Follikel. — Die Atresie beginnt in der Mehrzahl der Fälle mit der Zerstörung des Eies; im Verlaufe der letzferen setzen die zum Untergang des Epithels führenden Processe ein; meist vor völliger Vernichtung des Epithels, selten erst später, wird der entstandene Substanzverlust von der Theca aus gedeckt. Im Ei erfährt zunächst die Zona eine wahrscheinlich hyaline Verquellung; dazu gesellt sich bald darauf eine fettige Degene- ration des Dotters, welche mit einer Umlagerung der ehroma- tischen Keimbläschensubstanz im Sinne chromatolytischer Ent- artung verbunden ist. Ob der letzteren immer mitotische Pro- cesse vorangehen, muss dahingestellt bleiben, jedenfalls kommen aber solche vor, wenn auch im Ganzen selten, vielleicht auch nicht bei allen Thieren. Die Mitosenbildung, höchst wahrschein- lich durch die beginnende Umwandlung des Dotters veranlasst, weicht insofern von dem gemeimhin bekannten Verlaufe ab, als sie verfrüht, d. h. schon in unreifen Eiern ihren Anfang nimmt. Um die Zeit, in welcher sie beobachtet wird, ist immer die Granulosa mehr oder weniger hochgradig verändert, bisweilen ausserdem die Theca; nie mehr ist der ursprüngliche Bestand des Follikels gewahrt. Von den verschiedenen Phasen der Mitose, die in zu Grunde gehenden Eiern anderweitig gesehen und als nicht typisch beschrieben worden sind, fanden sich in meinen Präparaten nur (zweimal) wohlerhaltene? Richtungsfiguren. — Während die Fettdegeneration um sich greift und der mitotische resp. chromatolytische Vorgang sich abspielt, erfolgt, selten schon vor der Entstehung der Richtungsfiguren, die im Ganzen jeden- falls schnell verlaufende Einwanderung von Granulosazellen in Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 233 den Dotter. — Fernerhin wird letzterer, falls er nicht schon vorher zerstört ist, schollig umgewandelt durch eine, wie es scheint, fibrinös-hyaline Degeneration. Diese besteht nie für sich allein, sondern schliesst sich stets den geschilderten Formen des Untergangs später an. Allmählich in einen für die Abfuhr geeig- neten Zustand versetzt, wird der Dotter durch die zum Theil neugebildeten Gefässe aufgenommen und schwindet schliesslich ganz. Die nach Entleerung ihres Inhalts meist zusammengeklappte Zona erhält sich wegen der relativ grossen Festigkeit ihres Ge- webes am längsten, wird jedoch endlich wohl auch resorbirt, wobei möglicher Weise die präliminare Verquellung nicht ohne Einfluss ist. Das Epithel wird gleichfalls in verschiedener Weise ver- nichtet. Entweder es zersetzt und löst sich das Chromatin seiner Kerne, der Zellkörper wird gleichzeitig kleiner und blasser, ohne dabei besondere Veränderungen erkennen zu lassen (reine Chromatolyse); oder der Zellkörper zerfällt fettig, ohne dass dabei das Kernehromatin sich modifieirt (reine Fettdegeneration); oder endlich beide Processe verlaufen combinirt (Chromatolyse und Fettdegeneration). Reine Chromatolyse war absolut und relativ (zur Anzahl der Follikel) am häufigsten beim Meerschweinchen; es folgt, jedoch nur relativ, die Hündm'!). Reine Fettdegene- ration war am häufigsten bei der Ratte, die Combination von Chromatolyse und Fettdegeneration am häufigsten bei der Maus. — Ausser dem Genannten scheint noch, nur bei kleineren Fol- likeln und vielleicht nicht bei allen Thieren, eine einfache, durch den Druck der in diesen Fällen eingedrungenen Thecagefässe be- dingte Atrophie des Epithels vorzukommen. Noch bevor Ei und Epithel endgültig der Auflösung anheim- gefallen sind, geräth die Theca in einen Wucherungszustand. Es senkt sich eine Gefäss-, später auch fettführende Bindegewebs- schieht in den Follikelraum ein. Das Fett dient vielleicht zur Zerstörung überschüssig angebildeten Materials. Der Gehalt an Fett und Gefässen, der bei meinen Objekten ziemlich parallel geht, ist bei den verschiedenen Thieren und individuell sehr wechselnd. Am geringsten ist er bei der Hündin, am grössten bei Ratte und Maus. Bei den letztgenannten Nagern scheint 1) In Betreff des Menschen s. oben. 234 J. Schottlaender: nicht selten die Gefäss-, gegenüber der Bindegewebseinwucherung (las Primäre zu sein, ja sogar bisweilen das erste Anzeichen der Atresie überhaupt darzustellen. — Die Bindegewebsneubildung verhält sich je nach dem Alter der Follikel verschieden. Bei nahezu oder ganz reifen Follikeln, die im ganzen seltener von der Atresie befallen werden als die wachsenden mittelreifen, ist sie, wenn überhaupt vorhanden, nur unvollkommen d. h. sie füllt, frühzeitig fibrillär umgewandelt, die Follikelhöhle nicht ganz aus. Während sie in diesen Fällen ihre Entstehung fast oder ganz ausschliesslich der Vermehrung fixer Thecazellen verdankt, entspringt die Bindegewebsneubildung bei mittelgrossen und kleineren Follikeln höchst wahrscheinlich der Coneurrenz meh- rerer Faktoren: sicher betheiligen sich daran die fixen Theea- zellen, vermuthlich Wanderzellen, vielleicht endlich die bis auf Weiteres supponirten Endothelien der Membrana propria. Hier bleibt die Neubildung lange zellenreich; sie erstreckt sieh über das ganze Gebiet des absterbenden Follikels. Erst allmählich macht sich eine vom Centrum nach der Peripherie fortschreitende Narbenbildung geltend, welche an Stelle des ursprünglichen zuerst ein schleimiges, dann ein festes fibrilläres Gewebe entstehen lässt. Wir kommen zum Schlusse. Wir haben die Geschicke des atretischen Follikels vom Anbeginn bis zum Ende verfolgt. Aus dem verschiedenartig zusammengesetzten, die Eizelle enthaltenden (Gebilde ist dureh eomplieirte Vorgänge ein nur an der äusseren Form kemntlicher Bindegewebskörper geworden. Ob derselbe wirklich räumlich dem Aufbau neuer Follikel dient, die wie Palladino glaubt, stetig in demselben Maasse entstehen, wie andere vergehen, darüber muss erst die Zukunft Klarheit schaffen, wie denn auch die Lösung mancher unbeantwortet gebliebener Fragen von zukünftiger Forschung erwartet werden darf. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Alle Figuren sind in natürlicher Grösse hergestellt. Sie ent- stammen sämmtlich Schnittpräparaten, bei denen, wofern nicht eine besondere Bemerkung beigefügt ist, zur Härtung Chrom-Osmium-Essig- säure-Gemisch (Flemming) und Alkohol, zur Färbung Saffranin mit ee Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie etc. 235 nachfolgender Alkoholextraktion angewandt worden. Ungleichmässig- keiten ihres Colorits erklären sich durch die verschiedene Schnitt- dicke, sowie durch die Verschiedenheit der benutzten Vergrösserung. Alles Weitere siehe unten. Fig. 1. Fjo:::2} Fig. 4. Fig. 4a. e Segment der Parietal-Granulosa aus dem Durehschnitt durch einen halbreifen Follikel des Hundeeierstocks. Alkoholhärtung. (Z. apochr. Imm. 2,0 mm Comp. Oe.4. Tubusl. 18.) — Zellen .und Kerne langgestreckt, erstere spitz auslaufend. Ei nebst Discus aus einem nahezu reifen Follikel des Meer- schweineierstocks. (Z. DD. Comp. Oe. 4. Tubusl. wie oben.) — Das Ei im Beginn der Degeneration. Zona gequollen, von wechselndem Volumen, aussen und innen irregulär con- tourirt, theilweise durch Epithelkerne überlagert. Dotter mit schwärzlichen Fettkörnchen!) erfüllt, enthält einen unverän- derten Epithelkern. Keimbläschen, stark excentrisch gelegen, zum grössten Theil ohne Inhalt, zum kleineren Theil gleich- falls fetterfüllt. Das chromatische Gerüst in Gestalt kleiner Körnchen auf die Peripherie zusammengedrängt. Im Untergang begriffenes Ei aus einem Follikelschnitt des Hundeeierstockes. Vergr. wie oben. — Volumen der ge- quollenen, an mehreren Stellen Fettkörnchen enthaltenden Zona nicht ganz gleichmässig. Aeusserer Dotter bis zur völligen Unkenntlichkeit seiner Struktur mit Fettkörnchen er- füllt. Geringere Fettansammlung im inneren Dotter und im Keimbläschen, das wiederum, stark excentrisch gelegen, kein chromatisches Gerüst wahrnehmen lässt. Durchschnitt durch einen halbreifen atretischen Follikel des Meerschweineierstocks. Vergr. wie oben. Theca nicht mehr in ursprünglichem Zustande, besonders einseitig feiterfüllt. Einzelheiten nicht erkennbar. Epithel gleichfalls besonders einseitig, in hochgradiger fettiger Degeneration befindlich, zeigt ausserdem hochgradige Chromatolyse. Zona des Eies nirgends in ihrer ganzen Dicke, zum Theil gar nicht sichtbar. Der Dotter, welcher die Eihöhle nicht ganz ausfüllt und nir- gsends ihre Begrenzung erreicht, ist an einer Seite von einem scharfen Saume umgeben (Längsspaltung der Zona?). Er ent- hält Fettkörnchen und eine excentfisch gelegene Richtungs- figur. Die Richtungsfigur mit Z. apochr. Imm. 2,0 (Oe. und Tubusl. wie oben). Beschreibung s. Text S. 209. Durchschnitt durch einen unreifen atretischen Follikel des Mäuse-Eierstockes. Z. DD. Oc. 4. Tubusl. wie oben. Weit fortgeschrittene chromatolytische Entartung des Follikelepithels. 1) Der Kürze halber ist hier und im Folgenden stets der Aus- druck „Fett“ gebraucht. J. Schottlaender: Grosse Chromatinbrocken. Zona des auffallend grossen (reifen ?) Eies nicht sichtbar. Im der Peripherie der im Uebrigen grösstentheils leeren Eihöhle finden sich ein chromatolytisch veränderter Epithelkern, mehrere längliche Chromatinstreifen und spärliche Mengen fettig degenerirten Dotters mit Rich- tungsfigur. 5a. Dieselbe Riehtunesfigur mit Z. apochr. Imm. 2,0 Comp. Oc. 4 {o) > b) Fie. 6. Fie. 7. (Tubusl. wie oben). Beschreibung s. Text S. 209. Schnitt durch einen hochgradig atretischen unreifen Follikel des Mäuse-Eierstocks. Z. DD., Oc. und Tubusl. wie oben. Theca nicht mehr in ursprünglichem Zustande, theilweise an- scheinend gewuchert. Einzelheiten nicht erkennbar. Epithel fettig und chromatolytisch entartet. Zona gequollen. Dotter, der Fett, einzelne unveränderte, ferner chromatolytisch ent- artete Epithelkerne, sowie deren Ueberreste enthält, schollig zersprengt und von eigenthümlich glasiger Beschaffenheit. (fibrinös-hyaline Metamorphose?) Keimbläschen, peripherisch gelegen, in seiner Form erhalten, zeigt nur einzelne Bröck- chen chromatischer Substanz. Theil eines Schnittes durch ein Follikelderivat aus dem Meer- schwein-Eierstock. Vergr. wie oben. Ein zellenreiches, stellen- weise Fett (f) enthaltendes Bindegewebe umgiebt, in dieselbe eindringend, die spindelförmige, eingeengte Eihöhle. Das gleichfalls spindelförmige Ei, welches letztere nicht mehr aus- füllt, enthält nur noch einen glasigen Dotterrest mit mehreren Epithelkernen und das kleine fettgeschwärzte Keimbläschen. Die gequollene Zona ist halb zusammengefaltet und hebt sich stellenweise von dem veränderten Inhalt nicht mehr ab. Fig. Sa u. b. Zusammengefaltete Zonae ohne Inhalt aus degenerirten Follikeln des Mäuse-Eierstockes. Vergr. wie oben. Theil eines Schnittes durch ein Follikelderivat des Meerschwein- Eierstockes. Ein in den äusseren Lagen zellenreiches (s. Fig. 7), in den inneren fibrilläres Bindegewebe umgiebt, in sie ein- dringend, die hier leere Eihöhle. Segment eines Durchschnittes durch einen reifen, rein chro- matolytisch degenerirten Follikel des Meerschwein-Eierstockes. Z. apochr. Immi. 2,0 Oc., Tubusl. wie oben. Th. — Theca, er yexiema,. interna, E. = Epithel, L. = Liquor, n. = Interepithelialnetz (Palladino). — In dem Kern einer nach aussen gelegenen und denjenigen der inneren Epithelzellen ist Zerfall des Chromatinnetzes eingetreten. Zelleontour nur bei einer der betroffenen Zellen noch undeutlich sichtbar. Kerneontouren theils noch, theils nicht mehr erkennbar. Chro- matinbrocken hier durchweg kreisrund. Segment eines Durchschnittes durch einen unreifen, rein chromatolytisch degenerirten Follikel des menschlichen Eier- stockes. Härtung mit Kal. bichr. und Alkohol. Hämatoxylin- Fig. 12. Fig. 13. Fig. 15. g. 15a. Beitrag zur Kenntniss der Follikelatresie ete. 237 färbung. Vergr. wie oben. Th. = Theca, mit ce. = capillare, Ep. == chromatolytisch zerfallenes Epithel. An Stelle des völlig zerstörten Epithels finden sich in dem Zellprotoplasma theils zerstreut, theils noch in die ursprüngliche Kernform ge- bannt, kleine Chromatinkörner. Zellgrenzen unsichtbar. Durchschnitt durch einen der Reife nahen chromatolytisch de- grenerirten Follikel des Hunde-Eierstockes. Saffranin-Gentiana- färbung. Z. DD. Comp. Oec. 2. Tubusl. wie oben. Epithel chromatolytisch zerfallen. Der von einer gequollenen, an einer Stelle unterbrochenen Zona umgebene Dotter ist stark mit Fettkörnern imprägnirt. Das weit excentrisch gelegene Keimbläschen enthält gleichfalls Fett. Sein Chromatinnetz be- steht aus zahlreichen dicht gedrängten Chromatinkörnern. Segment eines Durchschnitts durch einen oberflächlich ge- legenen reifen chromatolytisch und fettig degenerirten Follikel des Ratten-Eierstockes. Z. apochr. Imm. 2,0 Comp. Oe. 4. Tubusl. wie oben. 0. == Oberfläche des Eierstockes, Th. ec. — Theca, an dieser Stelle nur durch ein Capillargefäss re- präsentirt. Ep. — Epithel, Lig. = Liquor. Die bläschenförmig aufgeblähten Zellen enthalten theils nur Fettkörnchen (der Kern ist schon zu Grunde gegangen), theils enthalten sie ausserdem unveränderte oder chromatolytisch entartete Kerne oder endlich Chromatinbrocken (einmal in Form eines Ringes). Dass in einigen Zellen der Figur scheinbar mehrere Kerne resp. auch deren Ueberreste liegen, erklärt sich durch ver- schiedene Einstellung. 'Sehnitt durch einen unreifen atretischen Follikel des Meer- schwein-Eierstockes. Z. DD. Oc. Tubusl. wie oben. Beschrei- bung s. Text S. 222 f. (Atrophie des Epithels?). Durchschnitt : durch einen unreifen atretischen Follikel des Meerschwein-Eierstockes. — Halbschematisch. Z. A. Oec. Tubusl. wie oben. » Th. int. = 'Theea‘ interna; a'= der in Fig. 15a vergrössert wiedergegebene Theil derselben. Ep. Epithel, b = der in Fig. 15b vergrössert wiedergegebene Theil desselben. Bindegewebseinwucherung in das Gebiet der Epithelien. Z. apochr. Imm. 2,0. Oe. Tubusl. wieoben. Die mit grossen Kernen versehenen Bindegewebszellen der Theca int., welche zwischen sich Capillaren (e.) erkennen lassen, dringen zwi- schen die Epithelien ein. Fig. 15b. Vergr. wie oben. Beschreibung s. Text S. 228. Fig. 16. Durchschnitt durch einen reifen oder jedenfalls nahezu reifen atretischen Follikel des Meerschwein-Eierstockes. Z. DD. Comp. De. 2. Tubusl. wie oben. Bindegewebseinwucherung in die Follikelhöhle. Die Follikelhöhle, deren Inhalt im Uebrigen aus unveränderten, chromatolytisch zerfallenen Epithelien resp. deren Ueberresten und Fett- und Chromatinerfülltem Liquor 9] zii Fie. Fie. Fio. Fi. J. Sehottlaender: Zur Kenntniss der Follikelatresie etc. KT. 19: 21. besteht, ist durch einen brückenartigen, von der Theca aus- sehenden, deutlich fibrillären Bindegewebsstrang in zwei un- oleiche Abschnitte getheilt. Der Strang ist mit Chromatin- brocken und Fett durchsetzt. An der Stelle seiner Einsenkung in die Follikelhöhle ist das Epithel und die Membrana propria geschwunden. In dem oberen Abschnitt befindet sich anschei- nend ein fettig degenerirter Eirest. Theil eines Schnittes durch einen halbreifen atretischen Follikel des Ratten-Eierstockes. Z. apochr. Imm. 2,0. Comp. 0Oe. 4. Tubusl. wie oben. Bindegewebs- und Gefässeinwucherung in die Follikelhöhle. Die Theca int. (Th.), welche reichlich Ca- pillaren (c) enthält, beginnt sammt letzteren in die Follikel- höhle einzudringen.. Die Grenze gegen das Epithel, wel- ches sich im Zustande chromatolytischer Entartung befindet, ist geschwunden. 19. Theile eines Schnittes durch einen unreifen atretischen Follikel des Ratten-Eierstockes. Vergr. wie oben. Gefässein- wucherung zwischen die im Beginn der Atrophie (?) befind- lichen Epithelien. Th. Theca interna und Ep. Epithel gehen ohne scharfe Grenze in einander über. Das chrom. Gerüst der nicht ver- kleinerten Epithelkerne abgeblasst. Zwischen ihnen wie zwi- schen den Bindegewebszellen stark gefärbte Capillarsegmente. Blutkörperchen hier nicht sichtbar. Zwischen den Epithelkernen (Ep.), für die das in Fig. 18 Ge- sagte gilt, die gleichen Capillarsegmente wie oben. Hier stellenweise Blutkörperchen sichtbar. Durchschnitt durch einen unreifen oberflächlich gelegenen Follikel des Ratten-Eierstockes. Z.DD. Comp. Oc. 2. Tubusl. wie oben. Centrale Gefässeinwucherung. Beschreibung siehe Text 8. 227. Schnitt durch ein Follikelderivat aus dem Eierstock des Meer- schweinchens. Z. DD. Comp. Oc. 4. Tubusl. wie oben. Pe- ripherisch dasselbe im Ovarialstroma gelegene zellenreiche, spärliche Gefässe enthaltende Gewebe wie in den Figg. 7 u.). Central eine ovale stark fibrilläre Bindegewebsschicht, welche an Stelle der ursprünglichen Eihöhle und ihrer Umgebung ge- treten ist. ‘ ir ET Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XI. Gordius tolosanus Duj. Fig. 1—9. Im Frühling und Sommer des Jahres 1890 setzte ich meine Untersuchungen an Gordius tolosanus fort und hatte im Auffinden dieses Helminthen Glück, denn ich fand in der nächsten Nähe Göttingens nicht weniger als 105 Exemplare. Zunächst versuchte ich wieder Larven in aus dem Wasser gefischten Käfern zu erhalten, und gelang es mir, in 17 Käfern 8 Gordius-Larven zu finden; im Monat April schwammen wieder die schwarzen Laufkäfer an der Oberfläche der Wiesengräben, theils lebend, theils sterbend, theils todt, wie ich es im Frühling 1889 in ähnlicher Weise be- obachtete und im diesem Archiv!) geschildert habe; man wird also diese Art und Weise der Gordius-Larven in das Wasser zu gelangen als die regelmässige ansehen können. Pterostichus niger war auch dieses mal der Wirth der Larve. Die Fundzeit er- streckte sich vom 9. bis 19. April, doch hatten meine Exeursionen wohl etwas zu spät begonnen, denn am erstgenannten Tage fand ich bereits 3 Gordien frei in einem Graben. Nie fand sich mehr als eine Larve in einem Käfer, welche dessen Hinterleib bewohnte; neben derselben fand man nur noch den Darm; der Fettkörper, von dem der Gordius offenbar lebt, war gänzlich geschwunden, ebenso die Geschlechtsorgane (Fig. 5). Die Käfer schwammen alle auf der Wasseroberfläche, nur einmal fand ich einen Pterostichus, der zu Boden gesunken war und bei der Untersuchung einen Gordius ergab. Als ich eines 1) Bd. XXXIV, pag. 249. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 16 240 v. LinstoWw: Abends eine Anzahl dieser Käfer aus dem Wasser gefischt und mit nach Hause genommen hatte, ohne dass ich sie gleich unter- suchen konnte, zeigte sich am andern Morgen ein freier Gor- dius neben ihnen im Glase, der sich während der Nacht selbst- ständig aus einem der Käfer herausgebohrt hatte. Nur in einem Falle traf ich noch im Sommer eine Larve in einem Käfer; am Rande eines kleinen Tümpels im Felde lief am 22. Juni ein Pseudophonus pubescens, der eine Gordius-Larve enthielt. Was die Fundstätten der freilebenden Exemplare betrifft, so waren es ausnahmslos kleine, seichte, stagnirende Gewässer oder solche mit kaum merklichem Strom. Im Frühling ist das Auf- finden leicht, wenn der Grund der Gräben und Tümpel noch ohne Vegetation ist und die sich unaufhörlich bewegenden Thiere leicht in die Augen fallen; später wird das Entdecken bei dem Ueberhandnehmen des Pflanzenwuchses bald unmöglich. Uebri- gens müssen die Gordien massenhaft durch Austrocknen der Ge- wässer sterben; die Gräben und Tümpel, welche mir im diesem Jahre die Gordien lieferten, waren am Ende des Sommers fast alle ausgetrocknet; diese Gewässer können also nur durch Käfer im kommenden Frühling von neuem mit Gordien bevölkert wer- den. Im Folgenden gebe ich eine Uebersicht der in diesem Jahre gefundenen Gordien mit Angabe der Tage. Datum Käfer Fi in Käfern | Frei im Wasser en | 9. April 12 1 2 1 2 0 —_ = — 2 | — A 1 1 | 3 1 15°: 2 1 1 — — 120,5 fi —_ il —_ _ 13. Mai _ — = 1 — 6. Juni - — u 3 2 RE: E= —_ _ — 1 Ss. —_ — = 14 8 SAU BE —_ — —_ 2 3 102 5 —_ — — 5 —_ 1 Ka _ — —_ 1 1 DIE il — J: 5 2 DEM —_ — — 10 1 DON _ = _ 2 1 29. az — = _ 1 —_ a == — | — 2 il Aal ai = = — 9 = DON, ar — — E= -_ 1 30 x .- — | - 10 2 Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. 241 Am 19. April fand ich in einem Pterostichus eine noch ganz schneeweisse Larve, welche am Kopfende noch den em- bryonalen Bohrstachel zeigte. Sie war 65 mm lang und 0,62 mm breit und ungemein zart und zerreisslich; sie wurde 5 Minuten in eine concentrirte Sublimatlösung gelegt, dann ausgewässert und nun in 7O-, 80-, 90- und 991/,-procentigem Alkohol vor- sichtig gehärtet, um dann in der gewöhnlichen Weise gefärbt und eingebettet zu werden. Weisse Gordius-Larven mit embryonalem Bohrstachel hat Villot bereits in seiner Monographie des Dragonneaux erwähnt. Diese weissen Larven müssen in den Käfern aufgewachsen sein, denn sie vertragen kein Wasser; in den Käfern machen sie eine Häutung durch. Unter dem Mikroskop gewähren diese weissen Larven einen sehr merkwürdigsn Anblick; die ganze Körperoberfläche erscheint zellig (Fig. 1); überall sieht man rundliche, gekernte Zellen, welche der Hypodermis angehören, die durch das noch kaum entwickelte Derma durchscheinen; auf Durchschnitten erkennt man letzteres (Fig. 4, d) als sehr dünne, hyaline Membran, dar- unter die aus grossen, schönen, gekernten Zellen bestehende Hy- podermis (Fig. 4, h), unter ihr die Muskellage und darunter eine Schicht, welche aus gewellten Fibrillen besteht (Fig. 4, f); in ihr liegt in der Bauchlinie dieht unter dem Darm ein Strang, welcher aus 3 parallelen Zellsträngen besteht (Fig. 4, n), die An- lage des Bauchnervenstranges. Die Hypodermis ist also die Matrix der Hautschicht, was Villot!) in Abrede stellt. Mächtig ist der Darm entwickelt, der aus granulirten Zellen mit Kern und Kernkörperchen besteht und von einer Membrana propria eingehüllt wird; er ist viel stärker als in den älteren, braunen Larven, in denen er '/; des Körperdurchmessers gross ist, in den weissen, jüngeren Larven aber !/,; in geschlechts- reifen Larven misst er oft nur !/,, des Körperdurehmessers; um- geben wird er hier von einer gekernten Bindegewebshülle. Der Zellkörper besteht aus Zellen mit verhältnissmässig sehr grossen Kernen. Der embryonale Bohrstachel findet sich im zurückge- zogenem Zustande; er ist 0,034 mm lang und 0,011 mm breit, während der Körper vorn eine Breite von 0,28mm hat (Fig. 3). 1) Sur l’anatomie des Gordiens. Ann. des sc. natur. 7. ser. Nr. 3—4, Paris 1837, pag. 193. 242 v. Linstow: Die Hypodermis-Zellen erscheinen von der Körperoberfläche gesehen kreisförmig, die Kerne sind 0,021 mm gross (Fig. 2); das Derma ist unfärbbar und hat eine Dicke von 0,0012 mm. Der Darm ist 0,12 mm breit und 0,075 mm hoch; seine Wandung misst 0,021 mm; die Kerne sind 0,011 mm gross. Die Anlage des Bauchnervenstranges ist 0,094 mm breit und 0,021 mm hoch. Nach diesen Beobachtungen halte ich das Ertrinken der Käfer in den Frühlingsmonaten für ein regelmässiges Vorkomm- uiss im Gegensatz zu Villot!), welcher das Vorkommen der Gordiuslarven in Käfern und deren ins Wasser fallen „un cas“ nennt, „qui a un caraetere trop exceptionnel pour servir de base a une explication rationelle du phenomene*. In einfachster Weise wird so auch das Vorkommen grosser Gordien in Fischen erklärt; man hat sie gefunden in Thymallus vulgaris, Salmo spec. (?), Trutta fario, Coregonus Wartmanni, Aspius rapax und Abramis brama?), was wohl nicht wunderbar ist, da alle diese Fische gelegentlich Käfer und andere Insekten fressen, also nur zu leicht einen Käfer, welcher eine Gordius- larve enthält, verschlingen können. In Holstein habe ich Aspius rapax mit grossem Erfolg durch Maikäfer gefangen, welche auf einen Angelhaken gespiesst waren. Da die Bäche und Tümpel, in welchen die Gordien leben, im Sommer häufig austrocknen, wird durch die Käfer ihr Aus- sterben verhindert, welche zugleich für eine Weiterverbreitung sorgen. Das Geschlecht der erwachsenen, im Wasser lebenden Thiere kann man an der Farbe erkennen, denn die Männchen sind schwärzlichbraun, die Weibchen hell lehmbraun; durchschnitt- lich sind erstere 120 mm lang und 0,55 mm breit, letztere aber 170 mm lang und 1,04mm breit; häufig fmdet man unter ihnen Zwergexemplare; die männlichen erreichen nur eine Länge von 39 mm und eine Breite von 0,32 mm, während diese: Weibchen 51 und 0,55 mm messen; ob diese Zwerge zu mehreren in einem Pterostichus oder ob sie in einem kleineren Käfer, etwa einer Amara gelebt haben, vermag ich nicht zu sagen. 1) Nouv. rech. sur le d&volopp. des Gordiens. Ann. des se. natur. zoolog. f. XI, Paris 1881, pag. 17. 2) E. Dallmer, Fische und Fischerei im süssen Wasser. Schles- wig 1877, pag. 59. BE 4 ” ‘ Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. 243 Die Männchen sind erheblich häufiger als die Weibchen, und ihre Menge verhält sich zu der der letzteren etwa wie 7:9. Beim Studium des Baues der geschlechtsreifen Thiere habe ich dieses Mal nur auf einen in meiner vorigen Arbeit zweifel- haft gebliebenen Punkt geachtet, auf die Verbindung des Rücken- kanals beim Weibehen mit den Geschlechtsorganen und hat sich meine dort!) ausgesprochene Vermuthung, derselbe möchte ein gegen Ende des Geschlechtslebens funktionirender Verbindungs- gang sein zwischen Ovarien und Eiersäcken, wenn die direeten Commmunieationen zwischen beiden sich wieder geschlossen haben, bestätigt. 0,9mm vom Kopfende entfernt findet man die Verbindung zwischen dem Rückenkanal und den Eiersäcken (Fig. 7, r); der- selbe endet hier und läuft nach der Bauchseite hin in 2 Aeste aus, von denen jeder in einen der Eiersäcke tritt; das hintere Ende aber verbreitert sich 0,66 mm vom Schwanzende entfernt plötzlich sehr (Fig. 8, r), um links und rechts in die Ovarien einzumünden. So werden also, wenn die Eiablage fast vollendet ist und die Verbindungen zwischen Ovarien und Eiersäcken nicht mehr bestehen, die letzten Eier in der Weise entleert, dass sie im Ovarium von vorn nach hinten geleitet, hier in den Rücken- kanal gelangen, in diesem bis zum Kopfende geführt werden und von da in die Eiersäcke gelangen, in denen sie von vorn nach hinten in den Uterus kommen. Mit Rücksicht auf diese Veränderungen im Körper kann man mit Sicherheit annehmen, dass das Leben der Thiere nur ein einjähriges ist; der fast ausgeleerte Körper des Weibehens wird sich nicht wieder füllen können, da im Wasser keine Nah- rung aufgenommen wird. Die Copula, welche bereits im April vollzogen werden kann, ist schon von Meissner?) beobachtet und abgebildet; nach der- selben bemerkt man am Schwanzende beider Geschlechter weisse, flockige Massen, die sich als Samen erweisen. Bald darauf umschlingen die befruchteten Weibehen dünne Pflanzenstengel im Wasser, um an dieselben die anfangs schnee- 1) 1. e. pag. 266. 2) Zeitschr. für wissensch. Zoolog. VIII, Leipzig 1855, Tab. VT, Big. 27. 244 v. Linstow: weissen Eiersehnüre zu kleben (Fig. 6), während die Männchen sich lebhaft im Wasser bewegen; die erste Eiablage bemerkte ich am 14. April, die letzte am 2. August und scheint dieselbe für jedes Weibehen 4 Wochen zu dauern. Die schneeweissen Eimassen werden nach 24 Stunden bräunlich; die Eier sind kugelförmig und 0,039 mm gross. Bald tritt der granulirte Dotter weit von der hyalinen Hülle zurück, es werden zwei Richtungs- körperchen ausgeschieden, und die Embryonalentwicklung ist in etwa vier Wochen vollendet. Am Embryo, den schon Meissner!) beobachtet und abge- bildet hat, unterscheidet man einen 0,031 mm langen und 0,018 mm breiten Vordertheil mit Querriegeln (Fig. 9) und einen 0,034 mm langen und 0,016 mm breiten Hintertheil mit zwei Spitzen am Ende; der ein- und ausstülpbare Rüssel ist 0,017 mm lang und besteht aus drei Chitinstäben; an der Basis stehen zwei Kränze von je seehs mit einer Spitze versehenen Wülsten; die der bei- den Kränze stehen alternirend. Der ganze Apparat wird in zurückgezogenem Zustande gebildet und kann erst nach der Voll- endung vorgedrängt werden. Das Eindringen dieser Embryonen in Ephemera-Larven wurde von Meissner beobachtet, der auch im der Göttinger Gegend, vermuthlich an denselben Orten, an welchen ich die zweite Larvenform in Käfern fand, seine Funde machte; ver- muthlich werden die Gordiuslarven mit den entwickelten Ephe- meren aus dem Wasser gebracht und so am Lande von den Laufkäfern gefressen. Mermis erassa. Fig. 10. In dem Graben, in welehem ich die in diesem Archiv?) beschriebene Mermis erassa fand, suchte ich in diesem Sommer nach den Larven derselben und war so glücklich, sie in den Wasserlarven von Chironomus plumosus zu fmden. Am 14. Juli und am 15. August untersuchte ich eine grössere Menge der- selben und fand am ersteren Tage vier, am letzteren ein Exem- plar, das die Larven Mermis crassa enthielt, die zu 1 bis 6 Exem- 1) a.a.O.pae. 126—129, Tab. VI, Fig. 28-29, Tab. VII, Fig. 30—38. 2) Bd. XXXIV, 1889. pag. 392-396, Tab. XXI, Fig. 28. Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. 245 plaren in diesen Dipteren-Larven leben. Die Helminthen sind ungemein zart und verletzbar, sie sind ganz unbeweglich und liegen frei in der Leibeshöhle neben dem Darm ihres Wirthes. Der Körper ist durehscheinend, die Cutieuda ist sehr dünn und zart, sie zeigt schwer erkennbare, 0,005 mm entfernte Querringel; dazwischen stehen undeutlichere, unmessbar nahe Längsstreifen der Muskulatur. Ein scharf eontourirtes, an der Bauchseite ver- laufendes Chitinrohr des Oesophagus lässt sich weit nach hinten verfolgen, das Ende ist nicht genau zu bestimmen. Der Darm endet blind 0,3 mm vom Schwanzende entfernt; ein Anus fehlt. Die Grösse beträgt 5,53 bis 9,5 mm, die Breite 0,15 bis 0,25 mm. Die Breite verhält sich zur Länge wie 1:37—38. Vermuthlich verlässt die Mermis-Larve diejenige von Chironomus plumosus vor deren Verwandlung im Wasser; im andern Falle würde das vollkommene Insekt zur Verbreitung des Helminthen beitragen und den Parasiten vielleicht nach der Eiablage in's Wasser frei geben, da diese Dipteren nach Vollendung derselben oft erschöpft ins Wasser fallen und sterben, worauf die Mermis-Larven frei würden. Diese letzteren sind so fein und zart, dass Durchschnitte nicht zu erlangen sind. Grosse Mermis-Larven sind früher schon zweimal in Chiro- nomus plumosus, nicht in der Wasserlarve desselben gefunden, zuerst von v. Siebold!) der einen Fadenwurm ohne Schwanz- horn, vielleicht zu Mermis albicans gehörig, erwähnt, und Krae- mer?), der einen 31 mm langen und 0,5 mm dicken, Merinthoidum mucronatum genannten Helminthen anführt, den v. Siebold eben- falls für eine Mermis hält. Mermis Hyalinae. Fig. 11—14. Herr V.v. Koch in Braunschweig hatte die Güte, mir eine von ihm in Hyalina cellaria Müller im einem Buchenwalde auf Plänerkalk im Braunschweigischen gefundene Mermis zu schicken, wofür ich an dieser Stelle nochmals bestens danke. ‘Der Fund- 1) Stettin. entomolog. Zeitung, Bd. IX, 1848, pag. 299. 2) Münchener illustr. medic. Zeitung, Bd. III, 1855, Heft 6, pae. 29, Tab. XI, Fig. 9—10. 246 v. Linstow: ort liegt am Nordabhange der Höhenzüge von Weddingen bis Dören bei Liebenburg, und unter 10 Exemplaren von Hyalina enthielt eins die Mermis. Das Exemplar ist 96 mm lang und 0,36 mm breit. Das Sehwanzende ist abgerundet, ohne griffelförmigen Fortsatz, wie man ihn bei anderen Mermis-Larven, so bei der von M. albicans und M. erassa findet; die Cutieula ist glatt, die Cutis ist m der Gegend der Dorsolateral- und der Ventrolateral-Wülste verdickt nach der. Innenseite zu; der Oesophagus hat ein starkwandiges, enges Chitinrohr, das im Scheitelpunkt des Kopfes seinen An- fang nimmt und dann von der Mittel- zur Bauchlinie hinabsteigt; am Kopfende (Fig. 12) stehen 6 Papillen in der Dorsal-, Ven- tral-, in den Dorsolateral- und den Ventrolateral-Linien; dicht hinter der an der Bauchseite gelegenen mündet das Exeretions- gefäss (Fig. 12 e); 1,76 mm vom Kopfende entfernt bemerkt man in der Bauchseite zwei länglich-runde, dunkle Organe, welche die Anlage der Geschlechtsorgane zu sein scheinen (Fig. 118). Eine Subeutieularschieht sendet an den sechs genannten Linien Wülste nach innen, von denen die vier lateralen sehr mächtig sind und in Längsreihen geordnete, granulirte Kerne zeigen (Fig. 14); zwischen ihnen stehen sechs Muskelfelder (Fig. 14 m), und der übrige Raum wird grösstentheils vom Zellkörper aus- gefüllt, dessen grosse, meistens 0,11 mm breite Zellen man durch die sehr derbe Cutis hindurch schimmern sieht, welche die bei Mermis gewöhnlichen zwei sich unter bestimmtem Winkel kreu- zenden Liniensysteme zeigt. Mermis-Larven scheinen in Mollusken nur höchst selten vor- . zukommen; soweit mir bekannt ist, wird ausser dem hier mit- getheilten Fall nur über zwei andere berichtet. v. Siebold erwähnt im Jahre 1837!) das Vorkommen eines Rundwurms in Suceinea putris Lin. (= S. amphibia); er spricht von einem dünnen Fadenwurm von 4!/, Zoll = etwa 122mm Länge, der eher einem Gordius als einer Filaria glich und mehrere Wochen im Brunnenwasser lebte. Im Jahre 1855?) 1) Archiv für Naturgeschichte III. Jahrg., Berlin 1837, Bd. II, pag. 255. e 2) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoolog. Bd. VII, Leipzig 1855, pag. 144. Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. 247 zog er die Form mit zu Mermis albicans, aber wohl mit Un- recht, denn es ist kaum anzunehmen, dass eine Art, deren Larve in Insekten, vorwiegend in Schmetterlingsraupen lebt, auch in Mollusken vorkommen sollte. Die Larve von Mermis nigrescens lebt nach van Beneden!) in Melolontha vulgaris und zwar enthielten die Weibehen beim Verlassen der Käfer be- reits Eier. Der zweite Fall wurde von W. Mitten?) beobachtet, der eine Mermis-Larve in Limax agrestis Lin. fand. Das Exemplar war 5 Zoll = 81mm lang; es war rahmfarben mit einer feinen, schwarzen Linie und zeigte sich fest und starr (firm and rigid) wie gewöhnlich. Der Artikel ist überschrieben „Mermis ni- srescens“, da eine Beschreibung aber hier wie bei v. Siebold fehlt, ist es gestattet, die richtige Bestimmung anzuzweifeln. Eine andere Form ist m Spinnen beobachtet, so in Pha- langium opilio, Mieryphantes bieuspidatus, Lycosa seutulata (2), Lyeosa spec. (?), Drassus spee. (?), Laatrodeetus spec. (?), Taran- tula inquilina, Saltieus formiearius, Tegeneria atriea, und viel- leicht gehört auch der von Rösel?) beobachtete Fall aus Epeira diademata hierher. Die Beobachtungen der Mermis-Larven in Ta- rantula, Saltieus und Tegenaria stammen von Bertkaut). Die geschlechtsreife Form dieser aus Spinnen und der aus Mollusken kommenden Larven kennen wir nicht, und so lange sie unbe- kannt ist, halte ich es der gänzlich verschiedenen Larvenwirthe wegen für nicht thunlich, sie mit Mermis albicans und nigrescens zu vereinigen. Unsere Kenntniss der geschlechtsreifen Mermis- Formen ist ja noch eine sehr lückenhafte, was wohl seinen Grund in ihrem Aufenthaltsorte hat; leben sie doch entweder in der Erde, aus der sie nur bei seltenen Gelegenheiten, im Sommer nach heftigen Regengüssen, an die Oberfläche kommen, oder am Boden schlammiger Gewässer. 1) M&moire sur les vers intestinaux. Paris 1861, pag. 277—278, tab. XXIV, Fig. 10—23. 2) Annals and magaz. of nat. hist. 3. ser., vol. XX,-London 1867, pag. 445—446. 3) Insektenbelustigung Bd. IV, Nürnberg 1761, pag. 264, Tab. XXXIV, Fig. 5. 5 4) Verhandl. d. naturhist. Vereins d. preussischen Rheinlande etc. Bd. 45, Bonn 1888, pag. 91—92. 248 v. Linstow: Was den anatomischen Bau des Genus Mermis betrifft, so ist allen Arten gemeinsam eine dünne, anscheinend strukturlose Cutieula, eine sehr derbe Cutis, welehe von zwei sich in einem bestimmten Winkel kreuzenden Systemen von Parallellinien be- deckt ist, eine Hypodermis, die an sechs Linien nach innen zu Längswülsten vorgebuchtet ist, sechs zwischen ihnen liegende Muskelbänder und sechs am Kopfende stehenden Papillen. Der Oesophagus ist lang und zeigt im Innern ein diekwandiges Chi- tinrohr. Als Darm schemt der Zellkörper zu funktioniren; ein Anus fehlt. Der Hauptnervenstrang verläuft wie bei Gordius in der Bauchlinie. Später schwindet der Oesophagus bis auf das Chintimrohr. Die sechs Längswülste liegen in der Dorsal-, der Ventral-, den Dorsolateral- und den Ventrolateral-Linien. Meiss- ner!) findet bei Mermis albicans zwei Zellenschläuche in den Seiten- und eine in der Bauchlinie; drei andere Längsstränge, welche in der Rücken- und in der Mitte zwischen Bauch- und Seitenlinie liegen, hält er für Nervenstränge. Aehnlich schildert Schneider?) diese Verhältnisse bei Mermis nigreseens. Hier werden eine Bauch-, eine Rückenlinie, zwei secundäre Bauch- linien und zwei Seitenfelder unterschieden. Ich kann aber auf Grund eigener Untersuchungen versichern, dass auch hier sechs Längswülste der Hypodermis an den mehrfach bezeichneten Orten vorkommen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI. Fig. 1—9. Gordius tolosanus. 1. Kopfende einer weissen Larve aus Pterostichus niger mit em- bryonalem Bohrstachel und durchscheinenden Zellen der Hy- podermis. 2. Diese Zellen sehr stark vergrössert. 3. Der Bohrstachel, ebenso. 4. Theil eines Querschnitts einer weissen Larve; Bauchgegend. d Derma, h Hypodermis, m Muskulatur, n Zellen, aus denen der Bauchnervenstrang entsteht, z Zellkörper, i Darm, f Fibril- lenschicht. ]) Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. V, Leipzig 1856, Tab. XI, Fig.1. 2) Monographie der Nematoden, Berlin 1866, Tab. XVI, Fig. 12. Fig. Weitere Beobachtungen an Gordius tolosanus und Mermis. 249 5. Hinterleib von Pterostichus niger, von dem die Rückenwand entfernt ist, um die in ihm liegende Gordius-Larve zu zeigen. 6. Wasserpflanze, die von einem weiblichen, eierlegenden Gordius umschlungen wird, am Schwanzende Eiermassen, e weisse Ei- schnüre. 7u.8. Querschnitte geschlechtsreifer, weiblicher Gordien, 7 vom Kopf-, 8 vom Schwanzende, e Epidermis, d Derma, h Hypo- dermis, m Muskulatur, z Zellkörper, n Bauchnervenstrang, i Darm, s Samenblase, o Ovarium, ei Eiersack, r Rückenkanal. 9. Embryo im Ei; b Bohrstachel, HU u. HI die Kränze von je 6 Spitzen. £g.10. Kopfende der Larve von Mermis crassa aus der Larve von Chironomus plumosus. 11—14. Mermis Hyalinae. 11. Vorderende, z Zellkörper, & Geschlechtsanlage. 12. Kopfende, p Papille, e Exeretionsgefässöffnung. 13. Querschnitt durch die Gegend der Papillen ;o Oesophaguslumen. 14. Querschnitt durch die Mitte; e Epidermis, d Derma, h Hypo- dermis, d Dorsal-, v Ventral-, dl Dorsolateral-, vl Ventrolateral- wulst, z Zellkörper, m Muskulatur, o Oesophaguslumen. Ueber Theilung und Kernformen bei Leuko- cyten, und über deren Attractionssphären. > Von W. Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XIII und XIV. I. Mitotische Theilung bei Leukocyten. Es besteht bis jetzt noch Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob Zellen, wie Leukocyten des Blutes, der Lymphe und ähnlich beschaffene Wanderzellen in Geweben, sich ausser auf amitotischem Wege auch auf dem der Mitose theilen können. Die Frage hat nicht nur Bedeutung vom cellular-physiologischen 250 W. Flemming: Standpunkt, sondern gewiss auch einiges praktisches Interesse für die pathologische Gewebelehre; denn der Forscher in dieser hat ja vielfach damit zu rechnen, ob eine Zelle, die er irgendwo in Mitose findet, eine wirkliche freie Wanderzelle sein kann oder nicht. Die ersten Angaben über mitotische Theilung von Wander- zellen und farblosen Blutzellen hat Peremeschko nach Be- obachtungen bei der Tritonlarve gemacht!). Sie gaben zwar keine bestimmte Gewähr dafür, dass jene Zellen in der That freie Wanderzellen, und dass die in Gefässen gesehenen nicht vielleicht junge rothe Blutzellen waren; doch habe ich mich der Deutung Peremeschko's angeschlossen?2), nachdem ich bei eigenen Arbeiten an der Salamanderlarve, an verschiedenen Stellen des Bindegewebes, Zellen gefunden hatte, bald verstreut, bald in Häufechen angeordnet, die sich durch Form und Färbungseigen- schaften sicher als freie Elemente kundgaben und von denen einzelne in Mitose waren. Eine solche Zellengruppe ist a.a. O., S. 296, Fig. R, gezeichnet. Bereits früher?) hatte ich Mitosen aus dem leukämischen menschlichen Blut beschrieben, aber dar- aus allein noch keinen sicheren Schluss dahin wagen können, „dass farblose Blutzellen sich mit Mitose vermehren“, da sich nicht feststellen liess, ob die betreffenden Zellen nicht etwa aus dem Knochenmark oder der Milz stammten; ich schloss jenes erst nach den vorher erwähnten Beobachtungen. Etwa gleichzeitig*), und weiter 18845), theilte Arnold den Befund von Kernfiguren vom Typus der indirekten Kemtheilung in erkrankten (chronisch- und acut-hyperplastischen) Lymph- drüsen mit und beschrieb) das häufige Vorkommen von Mitosen 1) Kurze erste Notiz im Centralblatt f. d. med. Wiss. 1878, 7. Juli, S. 547, und Arch. f. mikr. Anat. 1880, S. 170. 2) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, 1882, S. 256. 3) Beiträge zur Kenntniss der Zelle etc. 1881, S, 57—58. 4) Arnold, Beiträge zur Anat. des miliaren Tuberkels. Ueber Tuberkulose der Lymphdrüsen und Milch, Virch. Arch. 1882, S. 132. 5) Ueber Kern- und Zelltheilung bei acuter Hyperplasie der Lymphdrüsen und Milz, daselbst 1884, S. 46. 6) Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. Daselbst 1883, S. 23 ff. Sep.-Abdr. — Eine frühere Angabe von Mayzels. bei Arnold S.3 a. a. ©. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 251 in Zellen des Knochenmarks; letztere Angabe ist für unseren Gegenstand dadurch bemerkenswerth, dass Arnold hierbei nach seiner ganzen Beschreibung (S. 21 ff.) offenbar farblose Knochen- markzellen im Auge hatte, nicht Hämatoblasten, bei welchen letz- teren die Mitose ja damals schon bekannt war. Nach den eben erwähnten Angaben Arnold’s über die hyperplastisch erkrankten Lymphdrüsen trat in diesen die mito- tische Zeiltheilung gegenüber den anderen von ihm beschriebenen Kerntheilungsvorgängen — Fragmentirung, direete Segmentirung — so sehr in den Hintergrund, dass man sich fragen musste, ob sie in diesen Organen ein physiologischer Vermehrungsmodus und nicht vielleicht bloss Folge des vorliegenden pathologischen Zustandes sei, ob also nicht die Amitose für die wesentliche Er- neuerungsform der Leukocyten zu gelten habe. Bei Untersuchung der normalen Lymphdrüsen mit geeignetem Verfahren fand ich!) jedoch alsbald in denselben fast nichts von amitotischen Thei- lungen, dagegen so massenhafte Mitosen, dass ich den Schluss ziehen konnte: die normale Neulieferung von Lymphzellen in diesen Organen beruht auf mitotischer Theilung, die amitotische — an deren wirklichem Vorkommen ja schon damals kein Zweifel sein konnte — kann in den Lymphdrüsen und -Knötchen selbst dabei wohl keine wesentliche Rolle spielen. Und mit Hinblick auf meinen vorher eitirten Befund — Mitosen in augenschein- lichen Wanderzellen bei den Larven —, sowie nach den Ver- hältnissen in den Lymphdrüsen selbst?) konnte ich zugleich schliessen, dass es wesentlich freie Zellen sind, die sich hier mitotisch theilen, wenn ich auch das einzelne Vorkommen dieses Vorgangs in fixen Zellen des Reticulums selbst beobachtete und notirte?). Es lag somit für mich in diesem Ergebniss ein neuer Beleg dafür, dass Leukoeyten sich auch mit Mitose theilen können. Diese Verhältnisse in den Lymphdrüsen sind allgemein be- stätigt, und von Vielen ist die Deutung, die ich ihnen gab, an- genommen worden; es sind aber auch zwei andere, von ihr wie unter sich abweichende, aufgetreten. 1) Die Zellvermehrung in den Lymphdrüsen und verwandten Organen und ihr Einfluss auf deren Bau. Dieses Archiv 1884, Bd. 24, und Studien über Regeneration der Gewebe, 1885. 2) Daselbst S. 64—65 (Sep.-Abdr. S. 15—16). 3) Ebenda. 252 W. Flemming: Löwit!) betrachtete wie ich die Mitosen in den Iymphati- schen Organen als solche von freien Zellen, nahm aber an, dass diese hier nicht Leukoeyten, sondern künftige rothe Blut- zellen zu produeiren hätten. Denn, wie bekannt, besagt seine Ansicht über die Blutzellenbildung, dass nur die Vorstufen der letzteren (Erythroblasten) zur Mitose befähigt und dabei anfangs farblos sind, während die eigentlichen Leukocyten (Leukoblasten) sich mit einer besonderen Art vereinfachter Kerntheilung ohne Mitose (nach Löwit: divisio per granula) vervielfältigen sollen. Baumgarten?) und Ribbert?) andererseits fassten gleich mir die Zellen, die sich in den Lymphdrüsen theilen, als Mütter von Leukoeyten auf; aber sie hielten diese Mütter nicht für freie Zellen, sondern für fixe, zum retieulären Bindegewebe der Drüsen gehörige — nach Baumgarten Reticulumzellen, nach Ribbert Endothelzellen, die noch ausser jenen vorhanden sind ®). Arnold hat vor zwei Jahren in seiner bekannten Arbeit „Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen“®) unter den freien Zellen, die er in seinen Hollundermarkplättchen aus der Lymphe und vom Mesenterium des Frosches auffing, solche ge- funden, die in Mitose standen (S. 265). Für ihre Deutung ver- hehlt er sich aber nicht das Bedenken (S. 266), „dass dieselben vielleicht verschleppte, in Theilung befindliche rothe Blutkörper, oder Endothelien oder fixe Bindegewebszellen, welche mobil ge- worden sind“, sein könnten. Arnold kam danach zu dem Schluss: „Dass die Wanderzellen nach dem Typus der Mitose sich theilen können, ist zwar sehr wahrschemlich, aber nicht sicher erwiesen.“ 1) Ueber Bildung rother und weisser Blutkörperchen, Wiener Sitzungsber. Bd. 88, Abth. II, 1885. Ueber Neubildung und Zerfall weisser Blutkörperchen, ebenda Bd. 92, Abth. III, 1885, und: Die Um- wandlung der Erythroblasten in rothe Blutkörperchen, ebenda Bd. 9%, Abth. II, 1887. 2) Ueber Tuberkel und Tuberkulose, Berlin 1885. Besonders S. 60 ff. 3) Ueber Regeneration und Entzündung der Lymphdrüsen. Ziegler's Beiträge zur pathol. Anat. und allg. Pathol., Bd. VI, 1889. 4) Ribbert spricht sich auch für die Möglichkeit aus (S. 223), dass „die einkernigen Wanderzellen in den späteren Stadien der Ent- zündung zum grossen Theil aus den fixen Zellen an Ort und Stelle entstanden sind“. 5) Dieses Archiv 1888, S. 270. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten etc. 253 Löwit, wie man aus einer ÄAeusserung in seiner letzt er- schienenen Arbeit schliessen kannt), scheint gegen diese Mög- lichkeit sehr starke Zweifel zu hegen. Um in dieser Frage der Sicherheit weiter zu kommen, schien es mir zweckmässig, weitere Arbeit an meinen eigenen vorher eitirten Befund anzuknüpfen. Denn es handelt sich dort, bei Amphibienlarven, um Fundorte, wo man den natürlichen Situs der Gewebstheile, physiologische Verhältnisse, ein lebhaftes Wachs- thum, und vor allem grosse und grosskernige Zellen vor sich hat. Es schien mir aber zunächst auch weiteres Suchen nöthig, denn es hatte sich bei jenen Befunden nur um wenige (5) Prä- parate gehandelt, und diese besass ich nicht mehr, um sie von Löwit's Gesichtspunkt aus auf’s neue prüfen zu können; auch hatte ich keinen bestimmten Beweis geben können, dass die be- treffenden Zellen nicht etwas anderes seien als Leukocyten, und hatte deshalb dieser Bezeichnung a. a. O. selbst noch ein Frage- zeichen angehängt. Ich habe also seitdem weiteres Material gesammelt, zunächst ebenfalls bei mittelgrossen und älteren Salamanderlarven, wegen der Grösse ihrer Zellen. Es ist das keine ganz leichte Arbeit, und sie hat darum etwas lange gedauert. An dünnen Schnitten und Serien kommt man damit nicht gut vorwärts, weil es dar- auf ankommt, grössere solcher Zellengruppen in situ, mit den vorhandenen Bindegewebszellen und Blutgefässen daneben, über- sichtlich vor Augen zu haben; dafür hat man sich an Membranen oder dünne Bindegewebsfetzen zu halten, die man in toto als Präparate benutzen kann. Um diese ablösen zu können, ist ein gewisser Macerationsgrad zu treffen, und das Suchen wird ferner dadurch langwierig, dass Vorkommen und Reichlichkeit der Wanderzellen sehr wechselnd ist. Ich habe besonders das parie- 1) M. Löwit, Ueber Amitose. Centralbl. f. allg. Pathol. und pathol. Anatomie 18%, S. 282: „Hier möchte ich die Resultate andeuten, welche ich bei der Verfolgung der Frage erhielt, warum sich die Leukocyten nicht dureh Mitose, sondern durch Amitose nermehren, „2.7. wobei ich den nach der Anschauung zahl- reicher Autoren noch strittigen Punkt, ob eine Neubildung der weissen Blutkörperchen nicht auch durch Mitose erfolgt, hier nicht weiter er- 254 W. Flemming: tale Bauchfell!), Bindegewebsblättehen aus dem Kopf (besonders aus der Gegend der ersten Kiemenbögen), die Lunge der Larve und das Lungenmesenterium benutzt. In der Bindegewebs- platte, welche unter dem Zungenwulst dem Mylohyoideus an- grenzt und das schöne grosszellige Epithel trägt, das ich in meinen früheren Arbeiten kurz als „Mundbodenepithel“ bezeich- nete, finden sich die betreffenden freien Zellen oft recht häufig, bald einzeln, bald gruppirt?). Um sie hier recht deutlich zu studiren, wird am besten das Epithel abgeschabt. Als Verfahren, um die Wanderzellen an allen diesen Orten recht scharf hervorzuheben, habe ich theils das gleiche Verfahren wie früher?) benutzt, wobei ich eine vorherige lange Autbewah- rung am Licht (über 2 Monate) in starker Chromosmiumessig- säure oder Hermann'scher Lösung*) zweckmässig fand, um die Leukoeytenleiber bei nachfolgender- Hämatoxylinfärbung recht dunkel gegenüber den fixen Zellen hervorzuheben. Noch besser gelingt dies bei gleicher Vorbehandlung durch Safranin-Gentiana- färbung mit Gram’schem Verfahren?) und dann noch folgender Hämatoxylintinetion. Ferner habe ich sehr guten Erfolg mit dem am Schluss dieser Arbeit angegebenen Verfahren gehabt, bei dem die Leukocytenkörper etwas weniger dunkel als mit Hämatoxylin, blassgrau bis braungrau, aber immer recht deutlich abgrenzbar hervortreten ®). örtern will.“ Wenn ich auf die interessanten Fragen, die Löwit in diesem Aufsatz weiter anregt, hier nicht eingehe, so geschieht dies nur, weil ich glaube, dafür seine bevorstehende ausführliche Mitthei- lung abwarten zu sollen. 1) Präparation: siehe dieses Archiv Bd. 35, S. 276. 2) Dass es sich hier und anderswo bei diesen Zellen nicht um irgendwelche Iymphatische oder anderweitige Organanlagen handeln kann, wird eben dadurch gezeigt, dass diese Zellen bei gleich grossen Larven am selben Orte bald fehlen, bald einzeln verstreut sind, bald endlich in verschieden grossen Häufchen auftreten, und öfter bei jüngeren Larven dort vorkommen, wo sie bei älteren fehlen. 3) Zellsubstanz etc. S. 256. \ 4) F. Hermann, Beiträge zur Histol. des Hodens, dieses Archiv Bd. 34, S. 59. 5) Dieses benutzten wir hier schon seit seiner Einführung mei- stens bei der Safranin- und Gentianafärbung. 6) Arnold spricht in seiner oben eitirten Arbeit (S. 214) aus, dass unter anderen Mitteln mein Chromessigosmium-Gemisch, beson- -ders das starke „den Nachtheil habe, bei Leukocyten (ich weiss nicht, KR ä r Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 255 Von den mehr als 40 Fällen, in denen ich an solchen Prä- paraten die fraglichen Zellengruppen fand!) und die sich ohne ob auch andere Zellenarten gemeint sind) den Leib der Zelle mangel- haft Au conserviren; die peripheren Protoplasmaschichten würden da- durch in Form einer Membran abgehoben, in fadenförmige Ausläufer ausgezogen oder aber sie zerfielen, so dass der Contour der Zellen wie angenagt aussähe“. Ich gestehe, dass mir diese Erfahrungen Ar- nold’s unerklärlich sind; ich bekomme mit meinem starken Gemisch, wie auch mit der Hermann’schen Mischung, Formerhaltungen der Leukocytenleiber, welche, wie der Vergleich mit lebenden kriechenden Zellen zeigt, ganz naturgetreu sind, und so ist es auch bei anderen Zellenarten. Die Gemische müssen allerdings für diesen Zweck nicht zu lange gestanden haben, so dass sie noch reichlich Osmiumsäure enthalten; wenn die Essigsäurewirkung zu sehr überwiegt, bekommt man wohl auch die bekannten Abhebungen künstlicher Membranen vom Zellumfang. So starke Verstümmelungen aber, wie sie Arnold beschreibt, sind mir auch dahei nicht begegnet. — Ich will übrigens gern zugeben, dass, wie Arnold hervorhebt, Sublimat und Alkohol für die Erhaltung feinster Ausläufer kriechender Wanderzellen noch besser wirken mag als die Ösmiumgemische, durch deren Action solche Fortsätze (wie z.B. die an den meisten Figuren von Arnold’s Taf. 14) meist ganz zur Einziehung gebracht werden und mehr lappige Aus- läuferformen herauskommen, wie z.B. in meiner Figur 7, 8 u. a. ähn- lichen. Auf Erhaltung dieser Fortsätze kam es mir für diese Arbeiten nicht an. — Auch darin kann ich Arnold nicht beistimmen, dass, wie er sagt (a. a. O.), „das starke Chromessigosmiumgemisch, so gute Dienste es bei der Auffindung der Mitosen leiste, in allen Fällen zu vermeiden sei, in denen es auf den Nachweis der Structur der Kerne, sei es in ruhendem Zustand, sei es in dem der mitotischen oder amitotischen Theilung ankomme“. Da Arnold die Nachtheile, die das Reagens für diesen Zweck haben soll, nicht namhaft macht, so weiss ich auch nicht, wogegen ich es in diesem Fall zu vertheidigen habe; ich kann also nur anführen, dass ich die Mitose und den Bau der ruhenden Kerne, unter Vergleich der lebenden Objecte, mit die- sem Reagens wie mit den meisten übrigen sehr lange untersucht habe und dass ich dabei in den Fällen, wo man Natur und Fixirungspro- duet recht sicher vergleichen kann (z. B. Mitose), kein Mittel kennen gelernt habe, welches den Osmiumgemischen (auch den starken) in der Bewahrung der Naturtreue gleickkäme. Im Uebrigen möchte ich auf das verweisen, was bei der Mittheilung des Verfahrens (Zeitschr. für wiss. Mikroskopie Bad. I, S. 353), sowie hier am Schluss bei „Methode“ gesagt ist. — Mit Arnold bin ich aber ganz einig in der Meinung, dass man in manchen Fällen einen zu einseitigen Gebrauch von dem Osmiumgemisch gemacht und ihm mehr Vorzüge zugetraut hat, als ich ihm je habe anrechnen wollen. 1) Es sind hierbei nur die Fälle gerechnet, wo grössere Mengen Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 1% 256 W. Flemming: Zweifel dureh weiteres Suchen beliebig vermehren lassen würden, sind hier zur Uebersicht im Fig. 1—3 emige in toto abgebildet; aus denselben Objeeten sind viele der einzelnen, in Fig. 7 u. folg. gezeichneten Zellen. In 8 von diesen Fällen waren daunter Zellen mit Mitosen, bald viele, bald wenige. ‘Nach meinem Urtheil, das sich aus dem Folgenden moti- viren wird, sind diese Zellen Leukocyten, oder um ganz objectiv zu reden: farblose, freie, amöboide Zellen, die aus Gefässen aus- gewandert und in den Gewebslücken weitergedrungen theils noch gruppirt liegen, theils sich lockerer verstreut haben; zum Theil durch Theilung vermehrt worden sind. Dass sie aus Ge- fässen gewandert sind, ist deshalb anzunehmen, weil in zahlrei- chen der Fälle die Zellenhäufehen dieht um Blutgefässe her lagern (wie in Fig. 1, 3), während die benachbarte gefässlose Umgebung von ihnen frei ist; es sind das ganz dieselben Bilder, wie man sie bei geringeren Graden von Auswanderung am leben- den Objeet beobachten kann, und wie ich sie mir bei früheren Arbeiten?) durch künstliche Reizung der Harnblasenwand sehr vielfach fixirt verschafft habe. Ausserdem sprechen schon an sich die Eigenschaften der betreffenden Zellen für die obige Ansicht, nichts aber dafür, dass diese Zellen irgendwie localisirte Gewebszellen der betreffenden Orte sein könnten. Von den grossen, zarten, platten oder ver- ästelten Bindegewebszellen, zwischen denen sie verstreut sind, stechen sie scharf ab durch die erwähnten Färbungen und auch — bei dieser Fixirung — schon durch das stärkere Licht- brechungsvermögen ihrer Leiber. Ihre Kerme haben, wie die Abbildungen zeigen, sehr vielfach polymorphe Formen), Ab- Wanderzellen an einer Oertlichkeit vorkamen. Einzeln, oder in meh- reren, wie etwa in Fig. 3, Taf. XIII, findet man sie fast überall in der 3indesubstanz der Amphibienlarven, wie auch bei erwachsenen Thieren. '1) Letzteres ist an anderen der Präparate der Fall, die hier, wegen der Grösse des dazu nöthigen Flächenraumes, nicht gezeich- net sind. 2) Dieses Archiv 1878, S. 361—62. 3) Unter polymorphen Kernen verstehe ich, wie es jetzt wohl meistens Gebrauch ist, nicht bloss stark mehrlappige Kerne, sondern alle, die von der regelmässigen runden oder ellipsoiden Form stärker abweichen, also sowohl Formen wie Fig. 7, 14, 20, als die von Fig. 6b oder 17. Ueber Theilune und Kernformen bei Leukoevten etc. 357 oO p schnürungsformen (wie Fig. 7, 14 u. a.), nicht so oft regelmäs- siger runde Gestalt. Ein Theil der Zellen enthält Körnerbildun- gen von wechselnder Grösse und Menge (Fig. 2 links oben). Die Gestalt der Zellenleiber wechselt zwischen rundlichen !) und allen möglichen Kriechformen, wie die Abbildungen zeigen, und wie sie von Wanderzellen bekannt sind. Mit einem Wort, diese Zel- len verhalten sich völlig so, wie Blutleukocyten von Salaman- dra oder Rana sich verhalten, wenn man ihnen in einem frisch- eingedeckten Blutpräparat Zeit gegeben hat, theilweise in amö- boide Bewegung überzugehen; oder wie wandernde Zellen, die man in der Flosse oder in Kiemenblättchen der Larve lebendig eontroliren, und unter dem Deckglas in ihren verschiedenen For- men fixiren kann. Dieselbe Aehnlichkeit besteht in Bezug auf die innere Be- schaffenheit der Kerne dieser Zellen; ich kann darüber im We- sentlichen auf das verweisen, was ich früher über die Kernstruc- turen von Leukocyten bei Urodelen und ihren Larven gesagt habe?) und auf die ausführliche Beschreibung, die H. F. Müller?) im vorigen Jahre davon gegeben hat. Die Kerne sind hier, wie auch bei den Blutleukoeyten, relativ zu ihrer Grösse recht chro- matinreich, die Anordnung ihrer Innenstruetur ist wechselnd. Es kommen reichlich Formen vor, wie sie bei Leukocyten so häufig sind (Fig. 6, b—h), bei denen das Chromatin in einzelnen grösseren Massen, innen oder zugleich an der Kernwand, vertheilt ist und diese Massen durch dünne, chromatinlose oder -arme Stränge verbunden sind, Kerne also von grob-scheckigem Aus- sehen, die Löwit’s Leukoblastenkernen ähneln. Solches Aus- sehen ist bei den polymorphen Kernen stark kriechender Zellen, welche durch Ausbreitung des Zellleibes stark in die Fläche ge- dehnt sind, besonders ‚auffallend (Fig. 7, 8, 9, 16, 19). Es kom- men aber auch Kerne vor (besonders bei Zellen die keine stär- ker amöboiden Formen zeigen, doch auch bei letzteren), in denen die Innenstructur mehr gleichmässig durch den ganzen Kern vertheilt, die Knoten darin kleiner und die Bälkchen dicker sind 1) Rein kugelrund oder regelmässig ellipsoid finde ich sie nur, wo sie in Mitose und zwar in Metaphasen sind (Fig. 2a, Fig. 3). 2) Dieses Archiv Bd. 16, S. 312. 3) Wiener Sitzungsberichte 1889, Abth. III, Juni 1889. 358 W. Flemming: (wie z. B. Fig. 6a, 10, 15); und zwischen diesen und jenen Formen findet man reichliche Zwischenglieder ). Nach Allem, was ich über Kerne von Blut-, Lymph- und Wanderzellen bis jetzt gesehen habe, kaun ich mich von der specifischen Verschiedenheit zweier Typen darunter, wie die Leu- koblasten- und Erythroblastenkerne Löwit's, ebensowenig wie Andere (Müller, Neumann) überzeugen; ich gebe völlig zu, dass Löwit die extremen Formen durchaus richtig geschildert hat, finde sie aber durch sehr viel Mittelformen verbunden. Ich habe den Eindruck, dass die Kernstructur der Leukocyten je nach dem Lebens- und Bewegungszustand dieser Zellen die ver- schiedenen Formen annehmen kann, die wir finden. Von denen dieser freien Zellen, die in Mitose stehen, sind die in Prophase befindiichen rundlich, wenigstens habe ich noch keine stärker amöboide Form darunter gefunden, als z. B. Fig. 5; die Metaphasen sind regelmässig rund oder ellipsoid (Fig. 2a, 3). In den Anaphasen zeigt sich dagegen eine Eigenthümlichkeit gegenüber anderen Zellenarten: die Abschnürung und Trennung des Zellkörpers tritt etwas verfrüht, bereits m dem Ende der Dyasterphase ein, statt wie sonst im Dispirem. Ob dies durch- gehend ist, kann ich freilich nicht sagen, denn ich habe bis jetzt erst vier dieser Phasen zu sehen bekommen (drei davon gez. in Fig. 2be und Fig. 4); in diesen allen ist es, wie eben ge, sagt. Ferner ist es bemerkenswerth, dass die Tochterzellen nach der Absehnürung alsbald in amöboide Formen zu verfallen schei- nen, wie es die Figuren, besonders Fig. 4, zeigen. Spronck (s. unten, a. a. O. p. 573) hat vor 2 Jahren an Mitosen farb- loser Zellen im freien Blutstrom das gleiche Verhalten gefunden; er sah „sehr deutlich "kleine Ausläufer an den Zellen im Dy- asterstadium, wenn die Körper der beiden „Fochterzellen nur noch eben dureh einen klemen Protoplasma-Strang verbunden waren.“ Da eine solche letzte dünne Abschnürungsbrücke bei anderen Zellenarten nicht im Dyaster, sondern erst im Dispirem vorliegt, 1) Kerne zum Beispiel, wie die der Fig. 6a, 10 und 22, haben Structuren ähnlich den Erythroblastenkernen Löwit’s, sind aber viel- fach polymorph (vgl. Fig. 22) und gehören offenbar amöboiden Zellen an, und es finden sich in Bildern wie Fig. 6b, 9, 20, 12, 21 Ueber- gangsformen genug zwischen ihnen und den leukoblastenartigen Kern- formen. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 259 so kann ich schliessen, dass die von Spronck beobachteten Zel- len sich in Bezug auf die verfrühte Abschnürung ganz so ver- hielten wie die meinigen. Diese Uebereinstimmung kann als wei- terer Beleg dafür dienen, dass es sich in meinen Präparaten um Zellen vom Charakter farbloser Blutzellen handelt. Mehrfach habe ich Prophasen in Knäuelform getroffen, wie Fig.5. Nach der Totalform ist es ein polymorpher, strang- förmiger, zum Ringe gebogener!) Leukocytenkern; mit einer engen Blendung würde man nicht denken, dass er eine Mitose vorstellt, im Farbenbild aber zeigt er das schönste gleichmässige Spirem. Wiederum ein Hinweis darauf, dass es sich hier um amöboide Zellen handelt, und dass solche im Stande sind, ihre Kerne geradezu noch aus dem polymorphen Zustand heraus in Mitose treten zu lassen, ohne Dazwischenkunft einer ausgerunde- ten Form der Kemruhe. Dies ist der einzige so stark poly- morphe Knäuel, den ich bis jetzt sah; halbeimgeschnürte, wie einer in Fig. R, a. a. OÖ. meines Buches gezeichnet ist, kommen öfter, und auch bei verschiedenen Gewebszellen vor. Im Uebrigen finde ich an den Mitosen der freien Zellen keine Abweichung vom gewöhnlichen Typus. Polkörperchen und Spindelenden sind recht gut sichtbar, die übrige achromatische Figur wegen der starken Lichtbreehung des Zellkörpers nicht gut erkennbar. Ausser den Mitosen finden sich Fragmentirungen der Kerne bei diesen Wanderzellen häufig, stellenweise viel reichlicher als jene und auch, wo Mitosen fehlen; ich verweise dafür auf den zweiten Abschnitt. Nach alledem liegen hier also Zellen vor, die zunächst auf den Namen „Wanderzellen* vollstes Anrecht haben. Es kann für das Folgende nur noch die Frage in Betracht kommen: sind sie deshalb auch gleichwerthig mit den Leukocyten, die im Blute strömen? Können diese freien Zellen nicht vielleicht in loco im Gewebe entstanden sein, entweder so, dass fixe Gewebszellen ohne Weiteres „frei wurden“, wie man zu sagen pflegt; oder so, dass sie im Theilung traten, eine der Toochterzellen oder auch beide 1) Die Enden sind jedoch hier nicht verbunden, sondern decken einander nur, wie die Einstellung zeigt. 260 W. Flemming: sich ausrundeten und loslösten, und dann als freie Zellen weitere Vermehrung eingingen ? Ich habe bis jetzt vergeblich gesucht etwas zu sehen, das sich als Stütze für diese Annahme brauchen liesse. Die fixen Bindegewebszellen sind im Bauchfell und in der Lunge äusserst platt, dünn und zart, gar nicht oder nur undeutlich abgrenzbar und haben grosse, platte, chromatinarme Kerne (Fig. 1, 2, 3); im Kopfbindegewebe sind sie und ihre Kerne kleiner und sie be- sitzen besser sichtbare Ausläufer, die Form und Verzweigung der letzteren ist aber stets ganz anders, wie die Körperform kriechender Wanderzellen. Ich habe noch keine Form gefun- den, die als Uebergangsform — als eine fixe Zelle, die im Be- griff wäre frei zu werden — brauchbar genannt werden könnte. — Was ferner die Mitosen fixer Bindegewebszellen angeht, so sind sie an all diesen Orten reichlich zu finden‘), ebenso bei den Endothelzellen des Bauehfells, und sowohl in Objeeten, welche zugleich jene Haufen freier Zellen enthalten, als in solchen wo diese fehlen. Ich habe grade hier die Mitosen für andere Zwecke eben näher studirt und werde in einem folgenden Aufsatz auf sie zurückkommen. Ich kann ihnen aber nichts anmerken, was zu der Annahme berechtigte, dass die Tochterzellen, welche eine solche Mitose liefern, plötzlich frei werden sollten?). Die Binde- gewebszellen behalten, wie schon lange bekannt?), während der Mitose ihre Ausläufer; in den Metaphasen und im Anfang der Anaphase tritt an ihrem Zellkörper, wie ganz allgemein bei der Mitose, die bekannte Dunkelung*) des Zellkörpers ein, durch 1) Das heisst, natürlich nicht an jedem Präparat; es ist hier wie überhaupt im wachsenden Gewebe, die Zelltheilungen treten schub- weise auf und sind also individuell und local bald reichlich, bald fehlend. 2) Für die serösen Häute weisen die neuen Arbeiten Dekhuy- zen’s (Nederl. Tijdschrift voor Geneeskunde 1890, S. 341, und: Berliner int. med. Congress) darauf hin, dass fixe Bindegewebszellen proto- plasmareich werden, und an die Stelle von absterbenden Endothel- zellen sich einschieben können. Dies ist aber natürlich etwas anderes, als eine dauernde Production freier Wanderzellen von jenen aus. 3) Dieses Archiv Bd. 16, Taf. 18, Fig. 10; Bd. 35, S. 279. 4) Zuerst gesehen von van Beneden an Kaninchen-Keim- scheiben (La maturation de l’oeuf ete., 1875), näher beschrieben von mir in: Zellsubstanz etc., S. 206 ff.; z.B. Fig. 23, Taf. IIb daselbst, von Epithelzellen, Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten etc. 261 welche sie in diesem Zustand den dunklen dichten Körpern der Wanderzellen etwas ähnlich werden, und die ein Neuling in diesen Dingen also vielleicht als eine Erscheinung des Ueber- ganges „zum Freiwerden“ ansehen könnte; aber wie ja ebenso bekannt ist, geht diese Dunkelung in der späteren Anaphase wieder zurück und die Tochterzellenpaare sehen dann wieder ebenso blass aus, wie die ausser Theilung stehenden fixen Zellen. Ebenso bei den Bauchfellendothelien. Bei der Häufigkeit, im der die freien Zellen grade an Blut- gefässen!) zu finden sind, und zwar hier in so wechselnder Menge, wird es jedenfalls viel mehr Wahrschemlichkeit haben sie auf eine locale Auswanderung, als auf eine Entstehung an Ort und Stelle zu beziehen. Ausgeschlossen ist letztere hiermit natürlich nicht;, die eben erwähnten Befunde sind negativ, es könnte jederzeit ein posi- tiver gemacht werden. Ueberhaupt bin ich weit entfernt, die Möglichkeit einer Bildung von Wanderzellen aus fixen Gewebszellen, auch während des physiologischen Wachsthums, anzuzweifeln; ich verweise dafür auch auf den Schluss dieses Aufsatzes. Aber gesetzt, sie käme vor, so lohnt es wohl hier einmal die Frage zu stellen, was die Conse- quenzen davon wären. Würden wir damit einen plausiblen Grund haben, streng zu unterscheiden zwischen Leukoeyten, die im Blut treiben, und zwischen Wanderzellen, die aus fixen Gewebselementen entstan- den sind? Wenn solche Wanderzellen eben so aussehen, sich 1) Es könnte etwa noch die Hypothese gemacht werden: „die freien Zellen hier seien zwar nicht Abkömmlinge von fixen Binde- substanzzellen, oder von Flächenendothel, sie seien aber entstanden durch Theilung von Blutgefässendothelien, indem bei diesen die eine Tochterzelle nach aussen sich von der Wand ablöse. So seien die Zellenhaufen an Gefässen aufzufassen, wie in meiner Fig. 1 und 3%. — Diese Hypothese würde meines Erachtens nach jetziger Kenntniss noch weniger Halt haben, als die, dass die freien Zellen hier frei- gewordene Bindegewebszellen sein sollten. Denn ein solcher externer Absprossungsprocess von Capillargefässen müsste bei längerem Suchen ziemlich leicht zu sehen sein; ich habe bis jetzt nichts davon ge- funden, obwohl ich (dieses Archiv Bd. 35, S. 283) viel an den wachsen- den Capillaren herumgesucht habe. Wo ich an ihnen Anaphasen fand, lagen die Tochterzellen immer flach in der Wand. 262 W. Flemming: ebenso bewegen, ebenso wechselnde und polymorphe Kernformen und wechselnden Körnerinhalt zeigen, wie ausgewanderte Blut- leukoeyten oder Lymphzellen thun' — und das ist ja mit meinen freien Zellen hier der Fall — wie will man dann beide noch irgendwo auseinanderhalten? Diese Wanderzellen, die ja in Ge- websspalten liegen, werden natürlich bald hier bald’ dort durch die Lymphwege ihren Weg ins Blut finden können. Dann strö- men sie also in diesem; und da wir ihnen ja keine reelle Ver- schiedenheit gegenüber den sonstigen Leukoeyten des Bluts an- merken können, kämen wir — wenn wir sie mit diesen nicht gleichwerthig setzen wollten — zu dem eigenthümlichen Schluss, dass im Blut nebeneinander insgeheim zwei Arten von farblosen Zellen eireuliren: die einen wirkliche, d. h. schon vom frühen Embryoleben her durch Theilung im freien Zustand fortgepflanzte; die anderen extraordinäre, d.h. mobil gewordene und in das Blut verschleppte Producte fixer Gewebszellen — aber beide von einander nicht zu unterscheiden. Sonach würde man niemals beurtheilen können, ob eine in der Lymphe, im Blut oder im ausgewanderten Zustand befindliche farblose Zelle zur einen oder zur anderen Kategorie gehört. Dann bleibt uns aber auch niehts übrig, als von einer theo- retischen und hypothetischen Eintheilung der farblosen Zellen abzusehen, die sich auf ihre fragliche Herkunft bezieht, und diese Zellen einfach nach den Eigenschaften zu beurtheilen, die sie uns zeigen. Und in diesem Sinne kann ich wohl sagen, dass man die hier beschriebenen amöboiden Wanderzellen im Binde- sewebe mit amöboiden Leukocyten des Blutes gleichwerthig setzen darf, wie sie nun auch entstanden sein mögen; denn sie zeigen alle Charaktere der letzteren; sie können ohne Zweifel auf dem Wege der Lymphbahnen m das Blut gelangen; und wenn wir sie uns dann aus diesern wieder ausgewandert und in derselben Gestalt, wie hier m den Präparaten, im Gewebe verweilend denken, so würde uns eben jeder Anhalt dafür fehlen zu entscheiden, wo sie entstanden sind. — Löwit hat memen früheren Befund dieser Art nicht über- sehen und wohl erkannt, dass semer Erythroblastentheorie Schwie- rigkeiten daraus erwuchsen: nach dieser würden ja Leukoblasten nieht zur Mitose im Stande sein. Löwit stellte deshalb die Ver- Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 263 muthung auf!), die bezüglichen freien Zellen mit Mitosen könnten Erythroblasten sem. Für ihr gemischtes Vorkommen mit Zellen von offenbaren Leukoblasteneigenschaften an diesen Orten stellte er zwei Erklärungen als möglich hin: entweder, beide zugleich könnten local aus Blutgefässen ausgewandert sein, oder es könnte sich hier um eine verspätete Blutbildung im Bindegewebe, ausser- halb von Gefässen, handeln. Ich habe hier noch zu sagen, wes- halb mir Beides nicht durchführbar erscheint. Dass die vorliegenden freien Zellen aus Blutgefässen aus- sewandert sind, habe ich von vornherein selbst als das Wahr- scheinlichste angenommen und den Grund dafür oben genannt. Wenn nun aber, unter dieser Voraussetzung, die emen dieser Zellen Erythroblasten, die anderen und meisten Leukoblasten sein sollten, so würde es nicht erklärlich sein, wie die ersteren dorthin gerathen sind, wo sie liegen, ganz untermischt mit den letzteren. .Denn nach Löwit ist der Mangel amöboider Beweg- lichkeit ein wesentlicher Charakter der Erythroblasten?). Diese könnten also nicht in der gewöhnlichen Weise, wie Leukocyten es thun, durch die Gefässwände gekommen und dann im Ge- webe weiter gewandert sein; sondern sie müssten, wie es bei Stauungen mit rothen Blutzellen geschieht, durch passive Diapedese herausgepresst sein. Gesetzt, es wäre so geschehen, dann liegen sie also neben dem Gefäss; sie wären nieht im Stande mit den mobilen Leukoeyten weiter zu kriechen, und doch findet man sie vielfach unter diesen verstreut, auch wo kein Gefäss in der Nähe ist. Vor Allem aber: wenn diese Zellen mit Mitosen durch passive Diapedese aus den Gefässen gekommen sind, dann muss das zu gleicher Zeit doch auch mit rothen Blutzellen geschehen sein, welche im Blut der Larve so sehr viel zahlreicher sind, als jene; wir müssten also dann erwarten, unter den in Rede stehenden Haufen freier Zellen auch reichlich rothe Blut- zellen zu finden: das ist niemals der Fall?). Gegenüber dem zweiten Erklärungsversuch Löwit’s: dass 1) Wiener Sitzungsberichte Bd. 88, Abth. III, 1883. 2) Was freilich seitdem (Denys a. a. O.) in Abrede gestellt wor- den ist. 3) Abgesehen von einzelnen Fällen, wo bei der Präparation ein Gefäss zerbrochen und sein Inhalt herausgestreut ist; dies ist dann natürlich leicht festzustellen. 264 W. Flemming: eine locale Blutzellenbildung im Gewebe vorliegen könnte, ist zu- nächst darauf hinzuweisen, dass die bezüglichen Zellen, wie schon beschrieben, vielmehr nach ihrer häufigen Lage an Blut- gefässen (Fig. 1 u. 3) augenschemlich aus solchen ausgewandert sind. Aber selbst wenn man dies bezweifeln und annehmen wollte, sie wären in loco ausserhalb der Gefässe entstanden, woraus könnten sie dann entstanden sem? Doch nur aus den in loco vorhandenen fixen Zellen des Bindegewebes. Denn andere Elemente sind an den Orten, wo sie sich finden, nicht vorhanden?). Dies sind nun flache Zellen mit grossen platten Kernen (vgl. Fig. 2, Taf. XIII) und Zellkörpern von solcher Zartheit und Blässe, dass sie im ruhenden Zustand nieht einmal klar begrenzt sichtbar sind; zwischen diesen Zellen und den in Rede stehenden findet man keinerlei Uebergänge in Form, Grösse, Liehtbrechung und Färbungsvermögen. Aber wenn man dies auch annimmt, so wird damit die Hypothese nicht haltbarer gemacht, dass an den hier beschriebenen Stellen eine locale Blutbildung im Gewebe und aus fixen Gewebszellen statthaben sollte. Denn nach solcher Annahme würden sich aus diesen Gewebszellen nebeneinander und durcheinander bilden: erstens, in viel grösserer Zahl Zellen, mit polymorphen Kernen und amöboider Bewegung, also nach Löwit Leukoblasten, und zweitens Zellen, die in Mitose treten können, also Erythroblasten. Es wäre nun doch für die Annahme einer specifischen Verschiedenheit dieser beiden Zellenarten sehr bedenklich, dass sie beide aus einer und derselben Zell- form, der plattverästelten Bindegewebszelle, oder der Endothel- zelle sich recrutiren sollten. Und zwar müsste dies geschehen an den verschiedensten Orten des Körpers, wie die Lungenwand, das Bauchfell, das intermuseuläre Bindegewebe, und es müsste geschehen zu einer Zeit des Wachsthums, wo das Blut selbst schon längst von Mitosen rother Blutzellen wimmelt, so dass sich für einen Zuschuss ‚durch extravaseuläre Blutbildung gar kein Erforderniss sehen lässt. Die Annahme einer solchen in diesem Falle ist also mit so vielen Unwahrscheinlichkeiten verknüpft, dass sie selbst erst 1) Es handelt sich bei allen diesen Befunden um Larven von bereits 3,5—5 em Länge, bei denen die betreffenden Stellen der Binde- substanz längst nicht mehr dichtzellig-embryonalen Charakter haben und vielfach reichliche Fibrillenmassen führen. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 265 irgend eines Beweises bedürfte, ehe sie zur Erklärung von etwas Anderem benutzt werden soll. Zum Schluss dieser Erörterung will ich auf den Punkt in meinen Befunden zurückverweisen, der mir für die Beurtheilung der Sache besonders wesentlich erscheint. Zellen, wie Fig. 2b, 2e und Fig. 4, Taf. XIII, sind offenbar amöboid, würden also nach Löwit’s Ansicht nieht „Erythroblasten“ sein können. Dann wären sie also „Leukoblasten“. Da sie sich nun in Mitose be- finden, so habe ich hinreichenden Grund, gegen Löwit an mei- nem früheren Ausspruch festzuhalten, dass Leukoeyten sich so- wohl mitotisch als amitotisch zu theilen vermögen. Hierfür kann ich mich jetzt auch auf eine Reihe anderer Forscher beziehen: Bizzozero, Denys, H. F. Müller, Spronck und Neumann, welche bei Verfolgung des Problems der Blutbildung an anderen Objeeten ebenfalls zu dem Schluss gekommen sind, dass Vermehrung von Leukoeyten (Leukoblasten) durch Mitose reichlich vorkommt. Bizzozero hatte schon vor langer Zeit!) gefunden, dass im Knochenmark der Vögel die Re- generation der rothen Blutzellen durch Mitose innerhalb vasculärer (venöser) Bahnen vor sich geht, während in dem Gewebe ausser- halb dieser Bahnen keine hämoglobinhaltigen Zellen lagern, son- dern farblose; dass zahlreiche der letzteren hier bei den Vögeln eigenthümliche stäbehenförmige Körper enthalten, und dass farb- lose Zellen mit diesen selben Stäbchen reichlich auch im Blute der Vögel vorkommen, wodurch die Leukocytennatur jener extra- vasculären Zellen des Knochenmarks dargethan wird. Diese Befunde hat Denys?), ohne Kenntniss der erwähnten Angaben Bizzozero’s, bestätigt, und Beide haben gefunden, dass in jenen extravaseulären Leukocyten häufig Mitosen vor- kommen). Wenn nach meinen Beobachtungen an der Salamander- 1) Siehe Bizzozero, Neue Untersuchungen über den Bau des Knochenmarks bei den Vögeln, Arch. f. mikr. Anat. 22. Juli 1890. Die früheren Angaben des Autors sind dort eitirt. 2) Denys, la structure de la moelle des os etec., in La Cellule, T. 4, 1837, pag. 3. 3) Für den Hauptgegenstand der beiden genannten Arbeiten, die Regeneration der rothen Blutzellen, der mein hiesiges Thema nicht näher berührt, darf ich auf die Originalien und besonders auf Bizzo- zero’s Abhandlung verweisen. 266 W. Flemming: larve vielleicht noch daran gedacht werden könnte, dass die Be- fähigung dieser Zellenart zur Mitose nur bei embryonalen und Larvengeweben vorliege, so kann das also jetzt nicht mehr ın Betracht kommen. — H. F. Müller hat in emer sehr um- fassenden und sorgfältigen Arbeit!) zwar — wie auch ich dies thun kann, s. oben — das Vorhandensein der beiden extremen Kernformen bestätigt, durch welche sich nach Löwit die Leuko- blasten einerseits und die Erythroblasten andererseits kennzeichnen sollen; er hat aber auch farblose Zellen gefunden, welche im Kernbau und in sonstigen Eigenschaften weder mit dem einen noch mit dem andern Typus übereinstimmen, — die von ihm so- genannten theilungsreifen ruhenden Zellen — welche er von ein- kernigen Leukoeyten ableitet, und welche nach ihm sowohl zu Erythroblasten werden, als anderseits vermittelst mitotischer Thei- lung Leukoeyten liefern können. Er lässt somit die weissen und die farbigen Blutzellen von einem gemeimsamen Ausgangspunkt aus entstehen. Es ist hier nicht die Stelle, das Für und Wider dieser Auffassung und den Gegensatz zu erörtern, in dem sie be- sonders zu Bizzozero’s Befunden "über die Blutbildung steht; ich wollte nur darauf hinweisen, dass Müller die Befähigung von Leukoeyten (Leukoblasten) zur Mitose nicht nur durchaus festgehalten hat ($ 70 seiner Arbeit Satz 3, und ff.), sondern selbst eine Menge von Belegen dafür beigebracht hat. Die Arbeit Spronek’s?) ist für den hier behandelten Punkt von besonderem Interesse. Er hat das strömende Blut des Säuge- thiers (Kaninchen und Mensch) auf das Vorkommen von Mitosen untersucht, bei zwei Kaninchen an gefärbten Durchsehnitten des mit Chromosmiumessigsäure gehärteten Inhalts der Vena cava inf., beim Menschen an Blut aus der Fingerspitze, das in glei- cher Weise fixirt war und in Celloidin vertheilt geschnitten wurde. Das höchst überraschende Ergebniss war, dass unter sämmtlichen kernhaltigen Zellen des Blutes beinahe 2 pro Mille 1) Hermann Franz Müller, Zur Frage der Blutbildung. Wiener Sitzungsberichte 6. Juni 1889. 2) Over Regeneratie en Hyperplasie van Leukocyten in het cir- culeerend bloed. Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde, 29. März 1889. Ich gehe auf den Inhalt etwas näher ein, da die Arbeit noch wenig bekannt zu sein scheint; in den neuesten Publikationen über den Gegenstand ist sie nicht berücksichtigt. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 267 in Mitose sind!); das heisst, wie Spronck berechnet, es würden sich im Blut des erwachsenen Kaninchens in jedem Augenblick ungefähr 1,000,000 Zellen im Mitose befinden, eme genügende Zahl, um in 24 Stunden ein Zwanzigstel der im Blut strömenden sesammtzahl farbloser Zellen zu erneuern, ganz abgesehen von denen, die noch durch die Lymphe zugeführt werden. Es könnte gesagt werden, dass diese Zählungen noch nicht ohne Weiteres allgemein maassgebend sind, weil sie — so müh- sam sie schon an sich waren — erst drei individuelle Fälle um- fassen, in denen zusammengenommen auf 10000 bis 11000 farb- lose Zellen erst 20 Mitosen im normalem Blut gefunden worden sind. Immerhin bleibt es gewiss höchst bemerkenswerth, dass gleich in diesen drei ersten Fällen die Verhältnisszahl so auf- fallend constant blieb, wie es die citirten Ziffern zeigen, und wir können den Nachweis als durch Spronck geführt ansehen, dass Mitosen im Blutstrom in einer bisher ungeahnten Menge vor- kommen. Den Gedanken, dass man es bei denselben mit Hämato- blasten aus den Knochenmarksvenen zu thun haben könnte, die noch in Mitose stehend in den Blutstrom gelangt wären, wies Spronck mit der Erwägung zurück?), dass man in solchem Falle noch in viel grösserer Zahl kermhaltige rothe Blutzellen (Hämatoblasten), wie sie ja im Knochenmark vorkommen, auch im Blute finden müsste, was bekanntlich nicht der Fall’ ist. Spronck hält demnach seine im Blut gefundenen Mitosen für solche von Leukocyten, indem er sich dafür auch auf meine früheren und auf Denys’ Angaben beruft, nach welehen ja freie Leukoeyten zur Mitose befähigt sind. Von Löwit’s Standpunkt könnte nun aber gesagt werden: die Spronck’schen Mitosen im Blut sind vielmehr solche von noch farblosen Erythroblasten aus den Lymphdrüsen, die aus den letzteren, noch in Theilung stehend, in die Lymphe und 1) Kaninchen A (Vena cava) unter 3053 gezählten kernhaltig. Zellen 6 Mitosen (0,19 p. c.). Kaninchen B (ebenso) unter 6600 gezählten kernhaltig. Zellen 12 Mitosen (0,18 p. c.). Mensch, Fingerblut unter 1091 gezählten kernhaltig. Zellen 2 Mitosen (0,18 p. c.). 2) a. a. O. pag. 14—15. 268 W. Flemming: weiter in’s Blut geschwemmt worden sind, oder die vielleicht erst in der Lymphe oder im Blut mit der Mitose begonnen haben. Hierauf lässt sich zunächst antworten, was ich meinem Freunde Löwit schon vor Jahren in einem Briefwechsel über seine erste Arbeit eingewandt hatte: wenn überhaupt Erythro- blasten in noch farblosem Zustand aus den Lymphdrüsen in’s Blut gelangen, und wenn — was jetzt nach Spronck hinzu- käme — ein Theil dieser Zellen noch im Blut in Theilung ist, dann müssen diese noch weissen kernhaltigen Zellen, beziehungs- weise ihre Töchter, ihre Metamorphose zu kernlosen rothen (beim Säugethier) im Blutstrom durchmachen, und wir müssten also in diesem reeht reichlich die Uebergangsformen — kernhaltige rothe Blutzellen — vorfinden, während sie, wie bekannt, äusserst spär- lich sind. Dieser Einwand ist, wie ich nieht verkenne, nach Löwit’s zweiter Hauptarbeit!) nicht mehr ausreichend. Der Verfasser be- schreibt in dieser, als reichlich im Blut vorkommend, die Gebilde, die er „gekernte rothe Blutzellen“ nennt?), unterscheidet sie durchaus von den aus dem Knochenmark bekannten „kernhaltigen rothen Zellen“ (Hämatoblasten), und sieht in ihnen die Formen der Umbildung seiner Erythroblasten zu kernlosen rothen Scheib- chen. Er lässt diese Umbildung sehr rasch vor sich gehen: auf dem Wege von den Venen durch den kleinen Kreislauf bis zum linken Herzen soll sie schon vollendet sein, oder sollen minde- stens die „gekernten* rothen Zellen schon ihre Kerne verloren haben?). Wenn es so zuginge, würde man also im Blut auch keine aus den Lymphdrüsen stammende Zellen vom Habitus der Hämatoblasten (rothe kernhaltige) erwarten können. Dem gegenüber hat kürzlich Neumann) gewiss mit gutem Grund den Nachweis vermisst, dass die „gekernten rothen Blut- körper“ Löwit’s auch sicher physiologisch-normale Elemente, und nicht vielleicht ebenso Reagentienprodukte seien, wie die 1) Die Umwandlung der Erythroblasten in rothe Blutkörperchen. Wiener Sitzungsberichte Bd. 92, Abth. III, 1885. 2) Für das Nähere ihrer Eigenschaften siehe a. a. O. 3) a. a. ©. 8.498: 4) Ueber die Entwicklung rother Blutkörperchen in neugebilde- tem Knochenmark. Virchow’ Archiv 1890, S. 397—98. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 269 schon verschiedentlich beschriebenen gekernten rothen Blutzellen bei Säugethieren, und hat das Bedenken erhoben, dass nach Löwit's neuer Auffassung „die Entwicklung der Erythroblasten der Milz und Lymphdrüsen zu rothen Blutzellen in ganz anderer Weise vor sich gehen müsste, als im Knochenmark“. Ich theile dies Bedenken ganz; Löwit selbst wird dies wohl nicht thun, denn ein zweifacher Habitus der Blutzellenbildung liegt schon a priori in seiner ganzen Auffassung bedingt: im Knochen- mark und beim Embryo theilen sich Vorstufen rother Blutzellen in hämoglobinhaltigem Zustand, in den Lymphdrüsen aber müss- ten sie es nach Löwit als farblose Zellen thun. Ich habe aber einen weiteren Einwurf gegen Löwit's neueste Darstellung, der sich auf die Spronek’schen Mitosen im Blut stützt. Diese können doch nur entweder Theilungen von Leuko- eyten (Leukoblasten) sein, was die Theorie Löwit's nicht zu- geben könnte, oder Theilungen von Erythroblasten aus den Iymphatischen Organen. Gesetzt, das Letztere wäre der Fall mit den Mitosen, die 2 per Mille der farblosen Zellen in der Vena cava des Kaninchens ausmachen (Spronck). Nach Löwit müssten die Töchter dieser Mitosen im Venenblut und im kleinen Kreislauf bis zum linken Herzen bereits die Umwandlung durch die Formen der „gekemten rothen Blutzellen* zu rothen kern- losen Körpern durchmachen. Nun wissen wir zwar die Dauer einer solchen Mitose beim Säugethier noch nicht genau, es ist möglich, dass sie mit einer halben Stunde, wie Spronck sie ansetzt, viel zu hoch gegriffen ist, aber angesichts der mehr- stündigen Dauer bei Amphibien, derjenigen bei Eiern, und über- haupt des ganzen complieirten Vorganges der Mitose wird. wohl Niemand glauben, dass sie beim Säugethier weniger als einige Minuten beanspruchen sollte. Eine Zelle also, die sich in der Vena cava in einer Prophase oder Metaphase der Kerntheilung befindet, müsste die Theilung vollenden, ihre Tochterzellen müss- ten die Kerne zur Ruheform zurückkehren lassen, diese Kerne müssten sich deconstituiren und der Zellleib müsste Hämoglobin erhalten — und Alles das binnen der Zeit, welche der Blut- strom von der Vena cava bis zum linken Herzen braucht. Das ist nicht möglich; die Hälfte der Mitose allein wird länger dauern, als dieser Stromweg. Sollen diese Zellen Erythroblasten sein, 270 W. Flemming: dann müssten nicht nur zahlreiche Mitosen bis über -das linke Herz hinaus in’s Arterienblut gelangen — wo ja Spronck auch solche gefunden hat — sondern es müssten sich die weiteren Umwandlungsformen, die „gekermten rothen Blutzellen* ebenso gut im Arterienblut finden, wie im venösen und dem des kleinen Kreislaufs, was doch nach Löwit nicht der Fall ist. Wie mir scheint, würde man also auch vom Boden seiner neuen Ansicht zu dem Sehluss zurückgelangen, dass die Spronck’schen Blut- mitosen nicht Erythroblasten, sondern Leukoblasten angehören. Doch ich will diese Betrachtungen nicht weiter fortsetzen und mich lediglich an die Thatsachen halten, die für den vor- liegenden Gegenstand die wichtigsten sind. Nach meinen früheren und hier mitgetheilten Beobachtungen, sowie nach denen von Bizzozero und Denys, können freie, farblose, amöboide Zellen mit polymorphen Kernen, Zellen von der Be- schaffenheit, wie Leukocyten des Blutes, als Wander- zellen im Bindegewebe und als Inhaltszellen der Knochenmark- räume vorkommend, sich dureh Mitose theilen, und es ge- schieht dies recht reichlich. Angesichts dieser Thatsachen hat man vollkommenen Grund, die von Spronek im Blut gefundenen Mitosen, mit diesem Autor, gleichfalls für solche von Leukocyten zu halten, so lange nieht mit irgend einer sicheren Gewähr ge- zeigt werden kann, dass sie etwas anderes sind. Im Anschluss hieran möchte ich noch meine Stellung zu der Deutung bezeichnen, welche Baumgarten und Ribbert!) den Mitosen in den Lymphdrüsen gegeben haben. Nach beiden Autoren sind es Theilungen von fixen Gewebszellen; nach Baumgarten von Zellen des Retieulärgewebes, nach Ribbert, der hier zwei Arten von fixen Zellen, Reticulumzellen und Endo- thelien, auseinanderhält, den letzteren angehörig. Beide Autoren haben diese Ansicht dadurch gestützt, dass sie an Schnitten von Chromsäurepräparaten, welche die Freilegung des fixen Gewebes in den Lymphdrüsen besser gestatten als Osmiumgemische, Mi- tosen der fixen Zellen feststellten. Gegen deren Vorkommen habe ich gewiss nichts einzuwenden, um so weniger, als ich selbst schon früher Theilungsfiguren in fixen Bälkchenzellen aus den Lymphbahnen der Drüsen erwähnt hatte’); auch gebe ich 1) An den im Eingang eitirten Orten. 2) Dieses Archiv 1885, S. 65. . Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 271 nach Baumgarten’s und Ribberts Befunden völlig zu, dass diese Theilungen fixer Zellen auch in den Keimcentren häufiger sind, als ich es damals annahm. Dagegen kann ich keinen Be- weis dafür erbracht sehen, dass nicht auch freie Zellen hier in den Keimeentren in Mitose sind. Denn ich habe, wie $ 16 a. a. OÖ. schon erwähnt ist, oft genug in den Keimeentren Zellen in solcher Theilung gefunden, die rund oder länglich-rund und ohne Ausläufer waren, und habe bei neueren Arbeiten Dr. Heil- brunn’s seitdem noch manche weitere solche Bilder gesehen. Es scheint mir auch nicht, dass die beiden genannten Forscher dies in Abrede stellen wollen; Ribbert zeichnet die Mitose einer freien Zelle im seiner Fig. 4 und spricht von solchen auf Seite 192; er wie Baumgarten leugnet nur das Vorkommen von Mitosen in „typischen Lymphzellen“. Wenn hierunter das verstanden sein soll, was Baumgarten auf seiner Seite 62 definirt als „typische Lymphkörperchen, d.h. frei in den Maschen liegende kleine, dunkel tingirte, fast nackte Kerne“, dann sind wir auch über diesen Punkt einig; im einer solchen Lymphzelle klein- ‘sten Calibers, wie sie besonders in der Peripherie der Keim- “ eentren zusammengedrängt liegen, habe auch ich in den Lymph- drüsen noch keine Mitosen beschrieben oder gefunden, wenn ich auch nicht annehmen möchte, dass solche Zellen in ihrem wei- teren Leben steril bleiben müssen. Es weist ja Vieles darauf hin, dass eme gewisse Grösse des Leibeswachsthums nöthig ist, um eine Zelle theilungsreif zu machen. Danach dürfte hier weniger eine Differenz über die that- sächlichen Befunde, als über die Deutung bestehen, und auch in dieser bin ich nicht gemeint unbedingte Opposition zu machen; mir scheint, wir stehen hier vor einer noch unentschiedenen Frage. Nach Baumgarten’s und Ribbert’s Auffassung wür- den alle Zelien, die aus den Lymphdrüsen und sonstigen Iym- phatischen Organen in die Lymphe treten, in diesen Organen m letzter Instanz von fixen Zellen produeirt sein. Dies ist mög- lich, aber wie mir scheint, nicht sicher gestellt. Es wird nieht dadurch erwiesen, dass eine ziemliche Anzahl fixer Zellen am Reticulum normaler Lymphdrüsen mit Mitosen demonstrirt ist‘). 1) Wenn sich hier und speciell im Bereich der Keimcentren die fixen Zellen reichlicher theilen, als an anderen Orten, so könnte dies Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 18 212 W. Flemming: Denn die freien Zellen, die hier aus den Maschen herausfallen mussten, damit jene erkennbar wurden, sind jedenfalls viel zahl- reicher gewesen als die restirenden, und man weiss nicht, wie viele von ihnen im vorliegenden Falle in Theilung standen. Dass die grösseren dieser freien Zellen, in denen ja sicher auch Mi- tosen vorkommen, alle von den fixen Zellen abstammen, ist wiederum möglich, aber nicht bewiesen. Es wird nicht dadurch belegt, dass die Kerne der grossen freien Zellen hell und von lockerer Structur sind und dadurch Aehnlichkeit mit den Kernen der Endothelzellen (Ribbert) haben; ich wenigstens muss daran festhalten, dass Leukoeytenkerne je nach dem Zustand der Zellen sehr variable Gebilde sind, und dass sie, wenn jene sich durch Wachsthum vergrössern, dies ebenfalls thun und damit einen lockeren Bau erhalten können. Mir scheint also, dass die Auf- fassung der Vorgänge in den Lymphdrüsen, die ich in meinen früheren Arbeiten gegeben habe!), durch Baumgarten und auch von anderem Gesichtspunkt versändlich sein: erstens, weil das Reticulärgewebe vermöge der wechselnden Anfüllung seiner Maschen eine sehr plastische Formation sein muss, dann aber und besonders mit Hinsicht darauf, dass die Zelltheilungen in den Lymphdrüsen ja augenfällig local gruppirt, nesterweise auftreten, wovon eben der Ausdruck in den Keimcentren vorliegt; es muss nothwendig eine eng- locale Disposition angenommen werden, die das bedingt, wenn ihr Wesen uns auch unbekannt ist, und diese Disposition kann ebenso- wohl die am Orte befindlichen fixen Zellen, als die freien mitbetreffen. — Aehnliches findet man, wie ich früher beschrieben habe, vielfach deutlich ausgesprochen bei wachsenden Geweben: bei Amphibienlarven zeigen sich ganz auffallend locale Häufungen von Zelltheilungen, welche sowohl die in loco befindlichen Epithelien, als die Bindegewebs-Gefässzellen etc. betreffen. 1) Studien über Regeneration der Gewebe, a.a.O. Nach dieser beruht die Erneuerung der Leukocyten wesentlich oder grossentheils auf mitotischer Theilung freier Zellen und geschieht wesentlich in den Lymphdrüsen und Iymphoiden Knötchen; die Zellen, welche diesen Organen durch die Lymphe zugeführt werden, stauen in den Maschen des Reticulums der Knoten und Stränge, unter ihnen bilden sich lo- cale Wucherungsnester (Keimcentren), die hier gebildeten Tochter- zellen werden nach und nach in die Lymphbahnen hinausgedrängt und aus den Drüsen geführt. — Dass ausserdem auch Mitose von frei im Blut und in der Lymphe eirculirenden Leukocyten mitspielt, konnte ich damals noch nicht in Rechnung stellen; dass ferner Ver- mehrung von wandernden Leukocyten durch amitotische Theilung Ueber Theilung und Kerniormen bei Leukocyten ete. 273 Ribbert ebensowenig widerlegt ist, als ich die ihrige wider- legen kann, deren Möglichkeit ich vollkommen anerkenne. Das aber lässt sich jetzt wohl behaupten, dass mitotische Theilungen freier Zellen vom Charakter der Leukocyten des Blutes und der Lymphe wirklich, reichlich und als physiologischer Process vorkommen. Baumgarten konnte in seimer erwähnten Abhandlung noch mit Grund bezweifeln!), dass dergleichen in der Blutbahn geschähe, und annehmen, dass in dieser „nur ein allmählieher Untergang der Blutkörperchen, rother wie weisser, sich vollziehe“; heute aber ist zu solehem Zweifel wohl kein Anlass mehr, angesichts der fremden und eigenen Beobachtungen, die hier besprochen sind. Wenn Wanderzellen im Bindegewebe des Salamanders und Leukoeyten im Knochenmark der Vögel, die sicher gleichartig mit denen des Blutes sind), sich mitotisch theilen, so lässt sich füglich kein Grund dagegen finden, dass Zellen dieser Art das Gleiche auch im Blut und in der Lymphe thun können, und dazu stimmt es sehr gut, dass Spronck gleich bei der ersten Untersuchung des strömenden Blutes im situ mit geeigneter Methode darin nach seiner Berechnung etwa eine Million Mitosen gefunden hat. Das Gesagte wird hoffentlich nicht dahin missverstanden werden, als ob ich eine Entstehung von freien wanderfähigen Zellen aus fixen Gewebszellen leugnen, oder auch nur ihre Mög- lichkeit anzweifeln wollte. Die pathologischen Arbeiten geben ja zahlreiche Hinweise, dafür, dass aus sessilen Gewebselementen durch Theilung zunächst freie und bewegungsfähige Granulations- zellen werden können; in der Embryologie herrscht zwar über die ersten Quellen der Blutbildung noch grosse Meinungsverschie- denheit, ich wüsste aber nicht, womit von den heutigen Kennt- nissen aus die Ansicht K. E. Ziegler's?) widerlegt werden könnte, nach weicher die farblosen Blutzellen aus dem mesen- reichlich vorkommen kann, habe ich auch damals angenommen; nur in den normalen Lymphdrüsen selbst konnte ich sie nicht häufig finden und weiss auch jetzt nicht, ob man sie für die physiologische Regeneration in Anschlag bringen darf. 1) a. a. ©. S.39 und Anmerkung daselbst. 2) Bizzozero und Denys, a. a. O. 3) Die Entstehung des Blutes der Wirbelthiere. Berichte der naturf. Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. 4, 1889. 274 W. Flemming: chymatischen Bildungsgewebe, einem Gewebe also, das man ein fixes nennen kann, hervorgehen. Die Frage, die ich hier behan- delt habe, stellt sich also nicht so: ob freie Zellen wie die Leu- koeyten auch immer von freien Zellen abstammen müssen; son- dern so: ob farblose amöboide Zellen, die sich, auf welche Weise sie nun entstanden sein mögen, frei im Säftekreislauf oder frei in den Gewebsspalten befin- den, und die dabei nicht Vorstufen rother Blutzellen sind — durch mitotische Theilung ihresgleichen pro- dueiren können. Diese Frage müssen wir jetzt, wie mir scheint, mit ja beantworten, so bedauerlich es auch gefunden werden kann, dass damit der pathologischen Gewebelehre ein früher erhofftes Unterscheidungsmerkmal zwischen fixen und wan- dernden Zellen entgeht. Gesetzt also auch, es würde durch weitere Forschung der Beweis beigebracht, dass in den Iymphatischen Drüsen die fixen Zellen einen ständigen Mutterboden für die Lymphzellen abgeben, indem sie durch Mitose solche erzeugen: so würde doch zuzu- geben sein, dass ihre frei gewordenen Töchter auf ihrem ferneren Lebenswege die Fähigkeit zur Vermehrung auf gleiche Art be- halten und ausgedehnten Gebrauch davon machen können. II. Ueber Attraetionssphären und Centralkörper in Leukocyten und ihr Verhalten bei der Kernfragmentirung. Bei den Untersuehungen, über die im vorigen Abschnitt be- richtet ist, suchte ich zugleich mich über andere, ausser der Mi- tose noch vorkommende Theilungsvorgänge bei Wanderzellen zu unterrichten; denn diese Zellen sind an den Präparaten, die ich verwendete, ja sicher in ganz physiologischen Verhältnissen von der Fixirung überrascht, dabei sehr gross, und bei der Behand- lung klar zu studiren. Was ich dabei sehr reichlich zu sehen bekam, sind Vor- gänge der Kernfragmentirung oder -Zerschnürung, von der Art, wie sienach Arnold als direkte Fragmentirung zu be zeichnen wäre. Denn es macht sich bei ihnen keine Zunahme, oder besondere Anordnung der chromatischen Substanz im Kern bemerklich, wie solche von Arnold als Kennzeichen seiner „in- er ee se re Ann u ed a ek Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten ete. 275 direkten Fragmentirung“* hingestellt worden sind®). Formen, welche bestimmt der Definition dieser letzteren, oder auch der „direkten Segmentirung“ entsprechen würden, habe ich unter diesen Wanderzellen der Salamanderlarve nicht angetroffen. Direkte Fragmentirungen von Leukoceytenkernen, wie ich sie hier in den Figuren T7—9, 14, 16, 19, 20 darstelle, sind bekannt- lich schon vor längerer Zeit im lebenden Verlauf beobachtet wor- den, zuerst in einzelnen Fällen von Bizzozero, Stricker, Klein und Ranvier?), weiter von Lavdowsky?) und beson- ders genau neuerdings von Arnold?) experimentell an lebenden Wanderzellen studirt worden. Ueber die Bilder, die man davon an fixirten und gefärbten Objeeten erhält, hatte ich früher in meinem Buch (S. 348 ff.) Einiges mitgetheilt; Arnold hat dar- über a. a. OÖ. jetzt mit Rücksicht auf das lebende Objeet so aus- führliche Schilderungen gegeben, dass ich eine nähere Beschrei- bung dieser Kernzerschnürungsformen hier füglich unterlassen kann. 1) Dabei muss ich auch die ringförmigen Kerne einbegreifen, die unten näher besprochen werden, denn auch ihnen fehlt eine Chro- matinvermehrung, sowie irgendwelche besondere Aenderung des inne- ren Kernbaues; und da sie sich dabei doch sicher zerschnüren können, müssen sie nach Arnold's Definition- doch wohl unter den Begriff der direeten Fragmentirung fallen. — Ein bestimmter Unterschied zwi- schen direeter und indirecter Fragmentirung will mir überhaupt nicht recht durchführbar erscheinen. Auch kann ich eine vorgängige Ver- mehrung der chromatischen Substanz nicht als ein ständiges und noth- wendiges Kennzeichen irgend einer Art von Kerntheilung ansehen; bei der Mitose, bei welcher Arnold sie als ein solches ebenfalls be- trachtet, kann sie nach meinen Erfahrungen oft genug auch fehlen, oder doch in keiner Art nachweisbar sein (vgl. dieses Arch. 1889, S. 449, Anm.). — Da in dem Fall von Fragmentirung im Blasenepithel (am eben eitirten Ort) in der That ein Theil der Kerne, und darunter die in Abschnürung befindlichen, stärkere Färbbarkeit zeigte als die übrigen, habe ich besonders darauf geachtet, ob das Gleiche nicht auch bei den hier vorliegenden Leukocytenkernen Geltung haben könnte und habe deshalb nicht bloss Safranin- und ähnliche regressive Tinetionen benutzt — bei denen ja ungleiche Ausziehungsgrade vor- kommen können — sondern auch progressive Färbung (Hämatoxylin). Aber auch bei letzteren zeigen sich die in Fragmentirung stehenden Kerne nicht chromatinreicher, als es die der Leukocyten überhaupt im Durchschnitt sind. 2) Citate dieser Angaben s. dieses Arch. Bd. 24, 1885, S. 75. 3) Virchow’s Arch. 1884, Bd. 9, H. 1, S. 60. 4) Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen am oben a. 0, 276 W. Flemming: Nur das Eine will ich darüber anmerken, dass ich bei den Wanderzellen der Larve das Vorkommen von wirklich voll ständigen Zerschnürungen der Kerne in zwei bis mehr Frag- mente, und damit also das Vorkommen von wirklieh mehrker- nigen Leukoeyten, recht selten gefunden habe; zu meiner eigenen Verwunderung, denn bei früheren Arbeiten waren mir diese Fälle weit häufiger erschienen, ebenso reichlich, wie sie auch Andere angenommen haben. Aber es gab damals noeh kein System Zeiss 2mm 1.40, und ich hatte auch keine ganz so geeigneten Färbungen wie jetzt. Mit diesen Hülfsmitteln sehe ich vielfach Zusammenhänge der Kernfragmente dureh sehr zarte lange Brücken, wo ich solche früher nicht sah (wie m Fig. 8); und in vielen Fällen, wo die Kerne getrennt scheinen, findet man sehr feine Zipfel von einem Fragment ausgehen (Fig. 7 unten, 9), die man zwar nicht bis zu einem andern verfolgen kann, (die aber in feinster Form doch wohl noch hinanreiehen könnten. Solche Zipfel sah ich in der grossen Mehrzahl der Fälle, wo die Zellen mehrkernig er- schienen. — Hiermit soll nicht etwa Zweifel dagegen gerichtet sein, dass wirklich vollständige Fragmentirungen der Kerne und auch der Zellen vorkommen; denn Arnold (a. a. ©.) hat nicht nur die Fragmentirung der Kerne, sondern auch die Zerschnürung der Zellenleiber selbst in manchen Fällen im Leben beobachtet, ich selbst habe ferner in einem, wohl pathologischen Falle, aller- dings bei Epithelzellen, eine vollständige Kernfragmentirung als sicher und eine nachfolgende der Zelle als sehr wahrschemlich annehmen können !), und endlich kommen doch auch die Verhält- nisse in Betracht, die sich bei starker lokaler Leukoeytenanhäufung unter pathologischen Verhältnissen darbieten. Wo man in solehen Fällen — wie bei Eiterungen, Katarrhen — Massen von Wander- zellen mit polymorphen Kernen örtlich auftreten und sich exeessiv vermehren sieht, bliebe zwar immer die Möglichkeit, dass diese Vermehrung ganz, oder so gut wie ganz auf Nachrücken von Zellen durch Auswanderung beruht; aber nachdem überhaupt ein- mal am lebenden Objeet der Nachweis geführt ist, dass solche Wanderzellen ihre Kerne und dann sich selbst wirklich auf ami- totischem Wege theilen können, liegt es gewiss sehr nahe, solche 1) Dieses Arch. 1887, S. 437. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 277 Theilungen auch als eine fortdauernde Vermehrungsquelle der ausgewanderten Zellen zu betrachten. Damit sind meine eben erwähnten Befunde nicht in Wider- spruch; sie zeigen uns, dass man die Reichlichkeit der amitoti- schen Theilung für normale Verhältnisse nicht zu sehr überschätzen darf und nicht — wie es wohl manchmal geschieht — glauben darf, dass jede Wanderzelle, die einen stark polymorphen, in mehrere Lappen zerschnürten Kern führt (wie etwa Fig. 18, 21), nun auch immer der Kernfragmentirung entgegengehen, und sich gar nachher selbst theilen würde. Dass solche Formen vielmehr wieder in einen mehr ausgerundeten Zustand des Kerns zurück- fallen können, habe ich verschiedentlich an lebendigen Wander- zellen in den Kiemenblättern der Larve verfolgt. Ausser den bisher besprochenen Kernzerschnürungen von ge- wöhnlicher und bekannter Art finden sich in meinen Präparaten nicht selten Zellen mit den eigenthümlichen ringförmigen Ker- nen, wie solche hier in Fig. 11, 13, 22 gezeichnet sind; Formen, wie sie Arnold in seinen früheren Arbeiten über das Knochen- mark und die Milz, sowie in den Abhandlungen über Theilungs- vorgänge an Wanderzellen und über die Milz der Maus!) vielfach beschrieben hat?), und wie ich sie in dem oben eitirten Falle von Fragmentirung im Epithel der Blase auch dort vorfand?) und mit Bestimmtheit als Ausgangsformen amitotischer Kerntheilung er- kennen konnte. Die ringförmigen Kerne, die sich bei der Salamanderlarve finden, gehören jedenfalls zum grössesten Theil wandernden Leukocyten an. Nur in ganz vereinzelten Exemplaren habe ich sie auch in Lungenepithel- und Bauchfellendothelzellen ge- gefunden. Sehr auffallend ist das local gehäufte Vor- kommen der Leukoceyten mit Ringkernen: man findet Stellen, wo unter grossen Gruppen von Wanderzellen kein einziger solcher Kern zu sehen ist, und an anderen Orten besitzt fast die Mehr- 1) a. a. O.; die früheren Arbeiten sind dort eitirt. 2) Wenn auch Arnold’s Auffassung dieser Kernformen darin von meinem Befund etwas abweicht, dass er nicht eigentliche Löcher in den Kernen, sondern helle Differenzirungen in ihrem Inneren an- zunehmen scheint, so muss ich doch glauben, dass wir hier die glei- chen Dinge vor uns gehabt haben. 3) Dieses Archiv 1889, 8. 438. 278 W. Flemming: zahl der vorhandenen Leukoeyten diese Kernform. Für diese locale Prädisposition zum Auftreten der Ringkerne weiss ich für jetzt keine Erklärung, nur eime Analogie: das ist die, dass auch die Mitosen local gehäuft aufzutreten pflegen, wovon im vorigen Abschnitt die Rede war. Es könnte mit diesen Fragmentirungen ähnlich sein; der Grund bleibt in beiden Fällen noch dunkel. Die Ringkerne, welehe mir in den hier besprochenen Prä- paraten vorliegen, besitzen ein ganz sicher durchgehendes Loch von verschiedener Grösse; die Deutung, welche Denys manchen solchen von Arnold beschriebenen Kernbildern gegeben hat: dass sie Vaeuolisirungen im Kernkörperchen entsprächen, ist für diese meine Bilder durchweg ausgeschlossen. Mehrfache Durehlöcherungen der Kerne, wie sie Arnold verschiedentlich aus der Milz der Maus und an Riesenzellenkernen des Knochen- marks gefunden hat (a. a. O.), sind mir an diesen Wanderzellen vom Salamander noch nicht begegnet!). — Ihrem inneren Baue nach zeigen die Ringkerne an diesen meinen Objecten keine be- merkliche Verschiedenheit gegenüber anderen, polymorphen oder rundlicehen Leukocytenkernen, wie solehe im vorigen Abschnitt beschrieben wurden; sie sind auch nieht reicher an chromatischer Substanz. Zaeckige Aussenformen der Ringkerne, wie sie Arnold aus der Milz der Maus gezeichnet hat, finde ich bei Salamandra in Präparaten aus Osmiumgemisch nieht vor, habe sie aber einige Male in Chromsäureobjeeten gesehen, an denen auch die Binde- gewebskerne geschrumpft waren, und möchte sie demnach nicht für vital halten. Jedenfalls muss ich aber diese Ringformen, in Uebereinstim- mung mit Arnold, als Anfangsformen einer Kernzerschnürung ansehen; oder doch, um ganz vorsichtig zu reden, annehmen, dass sie in eine solehe Zerschnürung ausschlagen können und es oft thun. Denn es bleibt gewiss auch möglich, dass sie es nicht immer thun, sondern sich wieder zu geschlossenen Kernen zurück- bilden können. 1) Dies bitte ich nicht so zu deuten, als ob damit ein Zweifel gegen das Vorkommen jener von Arnold beschriebenen Formen er- hoben sein sollte. Sie mögen wohl entweder beim Säugethier reich- licher sein als bei Amphibien, oder in Geweben wie Knochenmark und Milz häufiger vorkommen, als bei wandernden Zellen im Bindegewebe. Im Blasenepithel fand ich einige Male Kerne mit Doppellöchern. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten ete. 279 Dafür aber, dass sie m volle Fragmentirung übergehen können, habe ich nieht nur einen Belesx in meinen erwähnten Er- fahrungen am Blasenepithel, auf die ich hierfür verweisen darf, sondern auch zahlreiche bei den hier besprochenen Wanderzellen. Fig. 11 (vergl. Erklärung), als Beispiel für viele andere, giebt dafür Zeugniss. Auseinanderschnürungen der Kernringe mittelst dünner Brücken sind nicht eben selten und in allen Abstufungen der Durchmesser dieser Brücken zu finden; manchmal wird man erst durch sehr genaues Nachsehen mit der starken Linse und bestes Licht gewahr, dass eine Form, die man für einen in zwei Portionen gezerrten, zwerchsackartigen Kern gehalten hat, in der That emer sehr lang ausgezogenen Ringform entspricht, bei der die eine Verbindungsbrücke äusserst dünn ist oder verdeckt liegt. In dem eben Gesagten ist auch zugleich ein Beleg dafür enthalten, dass die Ringkerne nicht etwa durchweg ganz un- natürliche Dinge, reine Kunstprodukte der Reagentien oder der postmortalen Veränderung sein können. Mit einem solchen Ver- dacht muss man deshalb rechnen, weil F. Reinke kürzlich hier die merkwürdige Thatsache gefunden hat, dass ringförmige Kerne in absterbenden Geweben und bei Anwendung gewisser Re- agentien — und zwar nicht bloss bei Leukoeyten — massenhaft auftreten können, wo sie im intacten Gewebe nicht vorhanden waren!). Ganz gewiss können also solehe Formen unter unnatür- lichen Bedingungen entstehen; dies schliesst aber nicht aus, dass das Gleiche auch im physiologisch lebenden Gewebe geschehen kann, und dass solches der Fall ist, dafür geben die eben be- schriebenen Dinge wohl hinreichende Gewähr. Denn Formen, welche den Ausgang einer wirklichen Zerlegung von Kernen bil- den, müssen wohl vital genannt werden. Uebrigens wird der Verdacht, man könnte es mit Artefaeten zu thun haben, auch schon dadurch ausgeschlossen, dass sich die Leukoeyten mit Ring- kernen überall in den gleichen Präparaten vorfinden, in denen daneben die Mitosen ganz vorzüglich erhalten sind, und in denen die Kerne kriechend ausgebreiteter Wanderzellen (wie z. B. Fig. 9 oder 18) den gleichen Zustand ihrer Innenstruktur fixirt darbieten, den man auch lebend erkennen kann?). 1) Eine nähere Beschreibung darüber wird von Reinke an an- derem Orte gegeben werden. 2) In Kernen von kriechenden Zellen wie Fig. 9, 15, 18, wenn 280 W.'Eiemmin®: Besonders interessirte es mich nun, zu prüfen, ob bei diesen relativ grossen und klaren Objeeten von Kernfragmentirung, so- wohl an den Ringformen als an den sonstigen, etwas über das Ver- halten der Attracetionssphären und Centralkörper sich ausmachen liess, die ja bei der Mitose nach van Bene- den’s!) Entdeckung eine so wesentliche Rolle spielen. Die Sphären und ihre Centralkörper sind bei Leukoeyten, so viel ich weiss, bis jetzt noch nicht beschrieben worden. Mit der hier benutzten Methode sind sie unter einem guten starken System sehr leicht in solchen Formen von Wanderzellen zu sehen, die flachkriechend ausgebreitet liegen (wie Fig. 7 und andere auf der zweiten Tafel. Aber auch in etwas mehr gerundeten Zellenformen kann man sie meistens noch erkennen, natürlich mit Ausnahme solcher Fälle, wo sie durch den Kern, oder durch Körner im Zellenleib verdeckt liegen. Ist man einmal darauf auf- merksam, so kann man sie selbst mit weniger als 300facher Ver- grösserung wahrnehmen. Gegenüber dieser Deutlichkeit der Cen- tralkörper und Sphären in den Leukoeyten ist es bemerkens- werth, dass sie in anderen flachgeformten Zellen (Epithelien, Endothelien, flache Bindegewebszellen) viel weniger leicht er- kennbar sind. Die Centralkörper sind in diesen Zellenarten, ausserhalb der Mitose, sehr viel kleiner als in den Wanderzellen und ich erkenne sie dort nur bei gut gelungener scharfer Fär- bung nach der am Schluss besprochenen Methode, und auch dies nur an einer Minderzahl der Zellen. Die Sphäre um die Cen- man sie in Kiemenblättern oder im Blutpräparat lebend beobachtet, lässt sich oft die Anordnung der chromatischen Structur deutlich in vivo sehen und in ihren langsamen Verschiebungen verfolgen, und wenn man solche Zellen dann durch Osmiumgemisch abtödtet, kann man finden, dass sich diese Anordnung ebenso fixirt, wie man sie lebendig gesehen hat. — Dies giebt wohl auch einen der besten Be- lege dafür ab, dass ich Recht habe, für die Fixirung von Kernstructu- ren, Fragmentirungen und Mitosen in dem Gebrauch der Osmium- gemische, und zwar auch der starken, fortzufahren, obwohl Arnold (s. 0.) ihnen in dieser Hinsicht Vorwürfe gemacht hat. Kerne, wie z.B. der in Fig. 18, sind mit starkem Osmiumgemisch fixirt und zeigen, dass dasselbe sogar so zarte fluctuirende Formen, wie deren Innen- structur, getreu in dem Zustande abtödtet und festhält, der sich auch im Leben controliren lässt. 1) E. van Beneden und Nevt, Nouvelles recherches s. 1. fe- condation de l’Asc. meg., 1887, Arch.-de-Biologic. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 281 tralkörper sehe ich an den genannten fixen Zellenarten nur manchmal angedeutet als eine verwaschene, etwas dunkler tingirte und un- bedeutend stärker lichtbreehende Stelle nahe dem Kernrande; diese ist besonders oft an Tochterzellen, die zur Ruhe zurück- kehren uud eine Polbucht haben, in letzterer zu finden, an wel- chem Orte schon Rabl!) bei Triton diese hervorstechende Stelle bemerkt und als Attraetionssphäre gedeutet hat. Ueber die Centralkörper und Sphären bei diesen fixen Zellen theile ich an anderem Orte Näheres mit. Jedenfalls also sind für deren Beobachtung ausserhalb der Mitose die Leukocyten weit günstigere Objecte, als die genannten fixen Zellenarten. An Leukoeyten mit ringförmigen Kernen, welche dem Auge gerade die Oeffnung des Ringes zukehren, sieht man den Centralkörper mit seiner Sphäre scheinbar — aber nicht wirklich, wie unten erläutert wird — in dem Raum des Kernringes gelegen (Fig. 13, 22). Ich habe in meiner erwähnten früheren Mittheilung ?) bei Lochkernen des Blasenepithels eine Differenzirung erwähnt, die in einigen Fällen anscheinend im Inneren der Löcher in Ge- stalt von Fäden und Körnern sich zeigte, und habe dort die Frage aufgeworfen, ob diese Dinge nicht Attraetionssphären ent- sprechen könnten; wegen der Unzulänglichkeit des damals be- nutzten Mittels (Chromsäure) musste ich dies unentschieden lassen. Jetzt kann ich bei Vergleich meiner neuen Präparate nicht mehr daran zweifeln, dass dort im der That die Sphäre in verstüm- meltem Zustand vorliegt. Auch glaube ich, dass wohl der gleichen Deutung die Dinge zu unterliegen haben, die schon Arnold an den ringförmigen Kernen mehrfach besprochen und gezeichnet hat?): er bemerkt (a. a. 0. S. 559), dass in der Mitte der hellen Felder der Kern- ringe „sehr häufig ein glänzendes Korn gelegen sei und einzelne liehte Fädehen in der Substanz der vermeitlichen Vaecuole ein- gebettet seien“. Arnold deutete dort allerdings die Entstehung 1) Ueber Zelltheilung. Anatomischer Anzeiger 1889, Nr. 1, Ss. 23—24. 3) Dieses Archiv Bd.34, S.439 und 446, Fig. 4 u. 5, Taf. 27. 3) Kern- und Zelltheilungen in der Milz a. a. O., S. 558; Thei- lungsvorgänge an den Wanderzellen a. a. OÖ. in manchen Figuren, auch schon in Arnold’s früheren Arbeiten in Virchow’s Archiv 1883 und 1884. 282 W. Flemming: dieser Dinge als eine Metamorphose im Kern selbst und be- trachtete offenbar das betreffende Korn und die Fädcehen als spe- cielle Erscheinungen der Fragmentirung und als aus dem Kern hervorgegangen. Da er aber kleinere Objeete vor sich hatte als die hier beschriebenen, lässt sich gewiss daran denken, dass es sich auch bei diesen seinen Bildern um Centralkörper und Sphären gehandelt hat. An Ringkernformen aus der Milz der Maus hat F. Reinke hier bereits am Anfang letzten Sommers, bei Behandlung mit Methylenblau und pikrinsaurem Kali gefunden, dass eine Substanz, die in dem Kernringe zu liegen schien, sich stärker gelb färbte und stärker liehtbrechend erschien als der übrige Zellenleib, und hat schon damals in diesem Theil die Attractionssphären ver- muthet. Manchmal liess sich in dieser Substanz ein undeutlich radiärer Bau erkennen; Centralkörper traten bei dieser Behand- lung nicht erkennbar hervor. Reinke wird an anderem Orte über diesen und weitere Befunde berichten. Bei der hier benutzten Methode und an den grossen Leu- koeyten des Salamanders sieht man die Sphäre bald ziemlich regelmässig, bald verwaschener radiär gestreift, und den Central- körper in ihr als ein einfaches, stark liehtbrechendes Korn, das in Safranin-Gentiana-Orange-Präparaten, bei günstigem Ausziehungs- grade, hellröthlich gefärbt ist (viele der Figg.), aber auch wo diese Farbe extrahirt wurde, durch seinen Glanz noch recht deut- lich vortritt. In einzelnen Fällen erscheint der Centralkörper etwas länglich geformt; die Frage, ob dies nicht auf schräger Ansicht und Mitsehen von verkürzten Sphärenstrahlen beruht, kann ich bei der Kleinheit des Dinges noch nicht entscheiden. Zweifachheit des Centralkörpers habe ich bei diesen Leukoeyten noch nicht gesehen. Die Fragen, die mir nach Erkundung dieser Dinge vor- lagen, stellten sieh zunächst so: geschieht bei der Fragmentirung des Kerns in Leukoeyten eime Theilung der Sphäre und ihrer Centralkörper, so wie sie bei der Mitose erfolgt, oder bleibt sie aus? Und zweitens: lässt sich ein mechanischer Einfluss der Sphären auf die Kerntheilung erkennen, oder nicht? Ich fand alsbald, dass die erstere Frage verneint werden muss. Weder die Sphäre noch ihr Centralkörper zer- legt sich während der Kernzerschnürung. Ich kann da- Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 285 für auf die Figuren der zweiten Tafel verweisen. Es ist mir wenigstens nie gelungen, in einer Wanderzelle, welche zwei Kerne hatte oder (wie etwa 19, 16, 20) einen in zwei Portionen beinahe abgeschnürten Kerm zeigte, mehr als eine Sphäre zu sehen, oder eine Andeutung von Verdoppelung des Centralkörpers zu finden. Die Bilder der Fig. 7, 16 und 9 zeigen vielmehr, dass in Fällen, wo die Kernzerlegung schon vollständig geworden ist, nur eine einfache Sphäre mit einfachem Centralkörper in der Zelle besteht. — Es wird durch weitere Untersuchung zu entscheiden sein, wie es sich hiermit in solchen Fällen verhält, wo der Kernzerschnü- rung in einer Wanderzelle eine Zerschnürung des ganzen Zell- leibes nachfolgt, wie dies ja durch Arnold und Andere in vivo beobachtet ist. Von vornherein ist zu vermuthen, dass dabei dann eine Theilung der Sphäre erfolgen wird, da wir dieselbe nach den vorliegenden Beobachtungen (van Beneden, Boveri, Solger, v. Kölliker und Andere) doch wohl als einen wesentlichen und ständigen Bestandtheil jeder Zelle zu betrachten haben. Für die amitotische Theilung emes Kernes aber in einer Wanderzelle ist eine Zerlegung der Sphäre nach dem Gesagten offenbar nicht erforderlich. Damit ist jedoch die zweite, oben aufgestellte Frage nicht beseitigt: ob bei dieser Art der Kernzerlegung die Sphäre nicht irgend einen Einfluss äussern kann. Allerdings, wenn nach den Befunden van Beneden’s sowie denen Boveri’s und Rabl’s — auf die ich mich in einem fol- genden Aufsatz noch näher zu beziehen habe — die Theilung der Kernsubstanz bei der Mitose sich auf eine direete Auseinander- ziehung, ausgehend von den getheilten Centralkörperhälften und vermittelt durch die achromatischen Fäden, zurückführen lässt, so kann man hier zwar an Aehnliches nieht denken, da ja Central- körper und Sphäre ungetheilt bleiben. Dagegen scheint mir die Lage, welche diese Dinge während der Kernfragmentirung in dem Leukocytenkörper einhalten, doch nicht ohne Bedeutung zu sein. Bei den Leukocyten mit Ringkernen fällt es auf, dass die Sphäre stets einseitig dem Innenraume des Ringes gegenüber, und dabei nahe am Kern liegt, so dass ein Loth, das man sich von ihrem Centralkörper gegen die Ebene des Kernringes gefällt denkt, ungefähr in dessen Mitte treffen würde. Sphäre und Kern 284 W. Flemming: liegen einander dabei so nahe, dass, wie ich schon sagte, beim Einblick in den Kernring (z. B. Fig. 13) das Centralkörperchen in diesem zu liegen scheint; jedoch man erkennt an diesen grossen Zellen schon dureh die Einstellung, dass dies nicht so ist, und bleibt vollends bei Ansichten, wie in Fig. 11 ab (vergl. Erklä- rung) nicht in Zweifel, dass die Sphäre vielmehr an einer Seite des Ringes gelegen ist; sie mag sich vielleicht in diesen mit der zugewendeten Kuppe etwas eindrängen, der Centralkörper liegt aber jedenfalls ausserhalb der Mittelebene des Ringes. Noch bemerkenswerther erscheint die Lage der Sphäre an solehen stark zersehnürten Kernen, wie in Fig. 8, 14, 18, 19, 20, sowie nach völliger Trennung der Kernportionen (Fig. 7, 9, 16). An halbmondförmigen Kernen, wie in Fig. 12, liegt sie, so viel ich finde, immer in der Bucht des Halbmonds. Bei Formen, wie Fig. 18, wo zwischen zwei Kernlappen eine erst mässig ver- dünnte Brücke ausgezogen ist, steht die Sphäre dieser Brücke gegenüber. Wo letztere länger ist (Fig. 8, 19, 20) befindet sich die Sphäre nahe der verdünntesten Kernstelle: meistens so, dass ein von ihr auf den gezerrten Kern gefälltes Loth dessen Masse in zwei ziemlich gleiche Portionen theilen würde. Oder, wo wie in Fig. 14 und 8 mehr als zwei Kernlappen auseinandergezerrt sind, steht die Sphäre doch auch hier einer der dünnen Abschnü- rungsbrücken gegenüber. Bei Formen letzterer Art, und über- haupt bei Leukoeyten, die offenbar in sehr erheblicher Kriech- bewegung lang und flach ausgedehnt sind (Fig. 14, 16), findet sich die Sphäre zuweilen in einer Gestalt, wie in den beiden Fi- guren gezeichnet: ihre Radien sind nach einer Seite gegen einan- der umgeklappt, etwa wie die Spangen eines halbgeschlossenen Regenschirms, die Spitze des Kegels nimmt der Centralkörper ein. Es ist wohl augenscheinlich, dass der Zug der Kriechbewegung das Gebilde in diese Lage gebracht hat. Wo endlich eine Fragmentirung der Kernportionen ganz oder anscheinend vollständig geworden ist, und diese sich nur noch eben dünne Zipfel zusenden, an denen der Ort der Abschnürung sich erkennen lässt (Fig. 7, 9), liegt die Sphäre zwischen den getrennten Portionen, und so, dass die Verlängerung jener Zipfel dieht an ihr vorbeilaufen würde). 1) In einigen Fällen schien die Verlängerungslinie eines Zipfels Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 285 Nach alledem scheint es mir unverkennbar, dass irgend eine Beziehung zwischen der Lage der Sphäre und dem Orte der Kernfragmentirung vorliegt. Man kann zwar sagen: die Sphäre liegt ja überhaupt ganz nahe am Kern!), also wird sie ihm auch nahe sein, wenn er sich zerschnürt, ihre Lage und seine Fragmentirung brauchen deshalb nichts mit einander zu thun zu haben. Dem gegenüber ist aber im Auge zu behalten, dass bei den Abschnürungen die Sphäre eben nicht einer beliebigen Stelle der Kernmasse benachbart liegt, sondern grade an den Ab- schnürungsbrücken; was doch wohl auf eine topographische Ab- hängigkeit der letzteren von ihrer Lage hinweist. Auch zwischen dem Auftreten der Kernringformen und der Sphäre muss nach dem, was ich hier beschrieb, wohl eine Abhängigkeit existiren. Denn die Mitte der Sphäre mit dem Centralkörper liegt ja, soviel ich gefunden habe, stets der Mitte des entstehenden Ringes gerade oder doch ungefähr gegenüber. Wäre das Auftreten des letzteren ganz ohne Beziehung zu der Lage der Sphäre, dann sollte man doch erwarten, auch Ring- kerne zu finden, bei denen die letztere statt dessen irgendwo an der äusseren Peripherie des Ringes gelegen wäre. Es wäre ja möglich, dass dies vorkommt, ich habe es aber noch nie gesehen; und denke mir demnach, dass durch die Lage der Sphäre die Stelle der Perforation am Kern im irgend einer Weise prädisponirt sein muss. Ob es sich dabei aber um einen direeten, mechani- schen Einfluss der Sphäre handelt, lässt sich für jetzt nicht ent- scheiden. Es knüpft sich hier die Frage an, ob die Entstehung der Ringkerne bei den Leukocyten nicht vielleicht immer die Vor- läufern von Fragmentirungen der Kerne sein mag. In vielen Fällen ist sie es gewiss, wie dies ja auch schon von Arnold a.a. 0. angenommen, und hier oben und in meiner eitirten früheren Arbeit motivirt wurde. Wenn man nun Formen, wie hier meine auf den Centralkörper zuzulaufen; da dies aber selten war, glaube ich, dass sie hier nur mit dem letzteren in Deckung lag, und nahe über oder: unter ihm verlief. 1) Dies ist übrigens bei diesen mobilen Zellen nicht stets der Fall: mehrfach sah ich Exemplare wie Fig. 17, wo, offenbar durch die Ausdehnung des kriechenden Zellenleibes, die Sphäre ziemlich weit vom Kern entfernt war. 286 W. Flemming: Figuren sie wiedergeben, in der entsprechenden Folge in eine Reihe ordnet, so liesse sich wohl daran denken, dass alle Formen, wie sie auf der zweiten Tafel vorliegen, in gleicher Weise, ver- mittelst des Durchreissens von Ringkernen, entstanden sein könnten. Ich will diese Annahme hier nicht vertreten, aber doch ihre Mög- lichkeit als diseutirbar hervorheben. Arnold hat zwar in seiner letzten Arbeit, dort wo er die durchlöcherten Kerne aus der Milz uäher bespricht, offenbar eine solche Annahme nicht gemacht, sondern geschlossen, dass die Fragmentirung der Kerne an seinen dortigen Objeeten bald mit Vorhergang von Ringformen, bald ohne solehen stattfinden kann. Dies geht wohl bestimmt aus Arnold’s Worten auf S. 547—8 a.a. O. hervor: „Kerne :..... Zeigen Abschnürungen der Kermfiguren !) bei gleichzeitiger Abfurchung des Zellleibes in zwei, drei und mehr Theile. Anderemale geht ein Auftreten von hellen Feldern?) an einer oder mehreren Stellen in der eben geschilderten Weise voraus und dann erst kommt es zur Zerschnürung der Kernfigur.“ Aber Arnold hatte hierbei, ganz ebenso wie ich jetzt, fixirte Formen vor Augen, deren Reihenfolge man sich nur durch Schlüsse zu construiren vermag: es scheint nicht ausgeschlossen, dass die Ringform doch immer die Anfangsform sein könnte. Die Untersucher lebender Leu- kocytentheilungen, wie Arnold selbst, Lawdowsky und Andere, haben zwar dabei von Ringformen als Anfängen der lebenden Kerntheilung nichts gemeldet, soviel ich wenigstens finde; aber es ist zu bedenken, dass an den blassen lebenden Kernen die Feststellung solcher Ringformen sehr schwer, in den meisten Fällen wohl nicht sicher möglich sein müsste, auch wo sie existirten. Es kann nun noch die weitere Frage gestellt werden, ob die Centralkörper und Sphären bei den Leukocyten vielleicht nur in Zuständen der Kernfragmentirung so deutlich werden, wie ich sie gefunden habe; dann würde dieses ihr scharfes Hervortreten überhaupt als eine Erscheinung angesehen werden können, die 1) Dieser Ausdruck ist im Sinne von Fragmentirungsformen ge- meint, es sind nicht Mitosen darunter verstanden. 2) Dass diese „Kerne mit hellen Feldern“, wenigstens grossen- theils, denselben Dingen entsprechen, die ich hier als Ring- oder Loch- kerne geschildert habe, glaube ich sowohl nach Arnold’s Beschrei- bung und Bildern, als nach eigener Kenntnissnahme der Mäusemilz bestimmt annehmen zu können, wovon oben schon die Rede war. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 287 mit der amitotischen Kerntheilung zusammenhängt. Man könnte an dergleichen deshalb denken, weil ja (wie oben erwähnt ist) in Epithelien, Endothelien u. a. fixen Zellen die Sphären und Centralkörper während der Kernruhe wenig deutlich sind, während der Mitose aber deutlicher sichtbar werden; ähnlich könnte es sich ja auch bei der amitotischen Kerntheilung verhalten. — Diese Frage ist nach dem vorliegenden Material wohl noch nicht spruch- reif. Ich habe schon gesagt, dass man Sphären und Centralkörper auch an Leukoeyten von rundlicher Form sehen kann, in denen die Kerne keine Fragmentirungserscheinungeu oder auch nur Ein- schnürungen zeigen, wie z. B. Fig. 10; auch in ganz runden kleineren Formen von Wanderzellen und Leukocyten des Blutes meine ich sie manchmal zu erkennen, meistens werden sie hier natürlich durch die Kerne verdeckt und bei der Kugelform der Zelle überhaupt schwer sichtbar sein. Es lässt sich aber freilich nicht sagen, ob nicht alle solche Zellen, in denen man die Sphären überhaupt sieht, sich vielleicht schon im Begriff befinden im eine Kernfragmentirung einzutreten, und ich muss also in dieser Him- sicht vorläufig mit einem Fragezeichen schliessen, bis sich Mate- rialien oder Methoden finden, um diese immerhin sehr zarten Dinge der Beobachtung zugänglicher zu machen. Wie schon gesagt glaube ich mit van Beneden, dass die Sphären und Centralkörper allgemeine Attribute der Zelle zu nennen sind; ihre Feststellung auch bei Leukocyten, einer Zellen- art, die man als eine besonders einfache und indifferente zu be- trachten pflegt, kann gewiss nur in diesem Sinne sprechen. Doch scheint mir überhaupt ein Zweifel gegen das allgemeine Vorkommen dieser Dinge schon deshalb nicht berechtigt, weil nachgewiesener- maassen bei der Mitose die .Polkörperchen aus eimer Theilung des Centralkörpers hervorgehen, Polkörperchen aber nach Allem, was wir wissen, doch wohl bei einer jeden mitotischen Theilung - vorkommen. III. Schlussbetrachtungen über Theilung der Leukoeyten und über Amitose. Aus allem Vorstehenden ergiebt sich, dass der Satz heute ohne Bedenken hingestellt werden kann: Leukocyten vermögen sich sowohl mit Mitose, als ohne Mitose zu theilen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 19 288 W. Flemming! Eine andere Frage ist es, ob beide diese Theilungsarten hier die gleiche physiologische Bedeutung haben: das heisst, ob durch die eine wie die andere fortdauernd neue, weiterlebende und fortpflanzungsfähige Zellen gebildet werden. Diese Frage lässt sich nieht bloss für die Leukoeyten, sondern auch ganz all- gemein für andere Gewebe stellen. Für die Mitose kann es ohne Zweifel gelten, dass sie wie überhaupt, so auch bei den Leukoeyten solches keimfähige Ma- terial liefert; da wir ja sehen, dass durch sie bei den Säuge- thieren in den Iymphatischen Organen eine fortwährende Neu- lieferung von Lymphzellen stattfindet. Danach ist der Schluss gestattet, dass bei Thieren, welche keine solchen Organe besitzen, bei denen aber in den Geweben und Körpersäften Mitosen von Leukoeyten vorkommen, diese die gleiche regenerative Bedeutung haben. Es handelt sich nun darum, ob wir eine gleiche Bedeutung auch der Amitose zuschreiben können. A priori bestände hiergegen kein Einwand. Vor längerer Zeit, als die Mitose und ihre grosse Verbreitung eben erst be- kannt geworden war, und Kenntnisse über amitotische Vorgänge noch fast ganz fehlten, liess sich wohl daran denken, dass alle normale Zellenvermehrung und Kernvermehrung nur auf mi- totischem Wege erfolge. Heute würde es nicht mehr berechtigt sein dies zu behaupten; ich für mein Theil habe es schon seit lange nicht mehr geglaubt. Aus der grossen Zahl von einschlä- gigen Angaben über Amitose, die schon vorliegen, mögen hier nur einige der wichtigsten kurz erwähnt sein: bei den Infusorien theilen sich zwar bekanntlich die Geschlechtskerne mitotisch, die Stoffwechselkerne aber durch Fragmentirung!). Bei den Radio- larien erfolgt nach den Untersuchungen Brandt’s?) die Schwär- merbildung unter Erscheinungen, welche offenbar zu den amito- «tischen zu rechnen sind. Bei Arthropoden sind von Frenzel, Carnoy, Platner u. A. Beobachtungen gemacht, nach denen sich bei der Regeneration verschiedener Gewebe des erwachsenen 1) Es darf dafür auf die neueste Arbeit R. Hertwig’s und die dort erwähnte Literatur verwiesen sein. 2) Mitth. des Vereins Schleswig-Holst. Aerzte, 13. Januar 1890, 12. Heft, Stück 3. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten etc. 289 Körpers keine Betheiligung der Mitose ersehen lässt, Kernfrag- mentirungen dagegen reichlich zu finden sind!). Wenn nach diesen und anderen Erfahrungen die Amitose überhaupt an normaler Kern- und Zellenvermehrung betheiligt sein kann, so wäre es an sich vollkommen möglich, dass auch die Leukoeyten des Wirbelthieres sich je nach den Umständen bald mit ihr, bald mit Mitose fortpflanzen; und es wäre danach zu verstehen, dass sich unter den Wanderzellen, die hier beschrieben wurden, beide Vorgänge vertreten finden. Und da es sich hier ja um junge, lebhaft wachsende Thierkörper handelt, würde sich der erstere Weg der Vermehrung als ein ebenso physiologisch- normaler ansehen lassen, als der letztere. Es giebt aber doch einige Punkte, die dem gegenüber Zweifel bedingen können, und zwar folgende: Erstens kann es auffallen, dass sich die amitotische Ver- mehrung hier bei meinen Objecten ganz, oder so gut wie ganz, auf die Leukoeyten beschränkt zeigt. In den sämmtlichen Arten fixer Gewebszellen bei den wachsenden Larven finden sich amitotische Theilungen nieht vor, oder doch so vereinzelt, dass man sie für das normale Wachsthum gegenüber den massen- haften Mitosen gar nieht in Anschlag bringen kann. Der einzige Fall, wo ich beim gleichen (erwachsenen) Thier die erstere Thei- lungsart an fixen Zellen fand, war offenbar ein pathologisches oder doch abnormes (Harnblasenepithel, s. oben). Zweitens kommt in Betracht, dass im den normalen Lymph- drüsen und Lymphknötchen der Säugethiere die Regeneration der Lymphzellen ohne Zweifel von der Mitose beherrscht wird, und die Amitose, wenn sie hier überhaupt mitspielt, dagegen ganz in den Hintergrund tritt. Drittens ist es meines Wissens noch für kein anderes Ge- webe der Wirbelthiere — und so auch der höheren Pflanzen — dargethan oder wahrscheinlich gemacht, dass amitotische Theilung bei normalem Gewebswachsthum, oder bei physiologi- scher Regeneration überhaupt mitwirkt. Wenn dies der Fall 1) Ich füge hier bei, dass im Anschluss an die Arbeiten Plat- ner’s über amitotische Kerntheilung in den Malpighi’schen Gefässen des Wasserkäfers Herr stud. Meves hier Untersuchungen am glei- chen Object angestellt hat, bei denen es uns nicht gelang, dort eine einzige Mitose zu finden, während Fragmentirungen sehr häufig waren. 290 W. Flemming: wäre, so müsste man solche Kerntheilungsformen doch bei Em- bryonen und bei lebhaftem postembryonalen Wachsthum irgendwo in den Geweben finden; nach jetziger Kenntniss findet sich dabei aber nur Mitose, und diese in solcher Menge, dass sie für die statthabende Zellenvermehrung nach aller Schätzung sehr wohl ausreicht !). Hiernach scheint es mir nicht ausgeschlossen, dass man sich über die Fragmentirungen der Leukocytenkerne — und über die amitotische Theilung überhaupt — auch folgende Anschauung bilden könnte: 1) Es scheint verschiedentlich angenommen zu werden, dass beim physiologischen Wachsthum der Muskeln die amitotische Theilung mitspielt; ich wüsste aber nicht, womit das bis jetzt zu begründen wäre. Mitose der Muskelfaserkerne, die ich vor 12 Jahren zuerst be- schrieben habe (dieses Archiv Bd. 16, S. 394), kommt in wachsenden Muskeln so massenhaft vor, dass man angesichts solcher Präparate nicht versucht wird, noch eine andere Kerntheilungsart für betheiligt zu halten; auch finde ich in derartigen Objecten, die ich zahlreich be- sitze, keinerlei Formen, die sich mit Grund als Fragmentirungen oder sonstige amitotische Theilungen ansehen liessen. Aus der genauen Besprechung, die v. Kölliker in seinem Handbuch der Gewebelehre (1889, S. 400 ff.) der Muskelentwicklung zuwendet, scheint mir hervor- zugehen, dass auch dieser Forscher die normale Vermehrung der Muskelkerne durchweg auf Mitose bezieht, nicht allein für die anfäng- lichen, sondern auch für die späteren, von Felix genau untersuchten Wachsthumsvorgänge, bei denen die eigenthümlichen massenhaften Kernwucherungen vorliegen; es findet sich wenigstens weder bei Felix selbst, noch a. a. O. bei v. Kölliker ein Hinweis darauf, dass bei letzteren eine amitotische Kernvermehrung anzunehmen wäre, be- stimmt ausgedrückt. — Dass bei pathologischer Regeneration von Muskelfasern nicht bloss Mitosen, sondern auch Fragmentirungserschei- nungen an Muskelkernen auftreten, ist bekannt; ich darf dafür auf die Arbeit Robert’s (Ueber Wiederbildung quergestreifter Muskel- fasern. Diss. Kiel, 1890) und die darin zusammengestellte Literatur verweisen. Nach der sorgfältigen Untersuchung des Genannten, welche ich verfolgen konnte, bin ich jedoch gleich dem Verfasser undLeven zu dem Eindruck gelangt, dass die Mitose hier der generatorische Vorgang ist, und die nebenher gehenden amitotischen Kernvermeh- rungen die Bedeutung degenerativer Erscheinungen haben; wenn auch Nauwerck in seiner soeben veröffentlichten Arbeit (Ueber Muskelregeneration noch Verletzungen, 1890) zu einer etwas abwei- chenden Anschauung gekommen ist. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten etc. 291 Die Leukocyten finden ihre normale physiologische Neu- bildung, gleich den Zellen anderer Gewebe, durch Mitose; nur die auf diesem Wege neuentstandenen erhalten das Ver- mögen, länger fortzuleben und auf demselben Wege ihres Gleichen zu erzeugen. Fragmentirung des Kerns, mit oder ohne nachfolgende Theilung der Zelle, ist überhaupt in den Geweben der Wirbel- thiere ein Vorgang, der nicht zur physiologischen Vermehrung und Neulieferung von Zellen führt, sondern wo er vorkommt, entweder eine Entartung oder Aberration darstellt, oder viel- leicht in manchen Fällen (Bildung mehrkerniger Zellen durch Fragmentirung) durch Vergrösserung der Kernperipherie dem cellulären Stoffwechsel zu dienen hat?). Wenn sich also Leukoeyten mit Fragmentirung ihrer Kerne theilen, so würden hiernach die Abkömmlinge dieses Vorganges nicht mehr zeugungsfähiges Zellenmaterial sein, sondern zum Unter- gang bestimmt, obwohl sie zunächst noch lange in den Geweben und Säften weiterleben mögen. Eine solehe Ansehauung stände mit den jetzt vorliegenden Kenntnissen über das Vorkommen von Amitose, so viel ich sehen kann, keineswegs in Widerspruch. Wo immer man in Geweben der Wirbel- thiere noch sichere amitotische Kerntheilung gefunden hat, ist die Möglichkeit nicht abzuweisen, dass es sich dabei um abartende, oder verkümmernde, oder erkrankte?) Zellen, kurz um Vorgänge handelt, die irgendwie von der Norm abweichen; in diesen sämmt- lichen Fällen — und es sind gar nicht sehr viele — ist wenig- stens kein Beweis geliefert, dass solehe Vorgänge in Bezug auf Gewebsersatz irgendwie der Mitose gleichwerthig dastehen. Die Kernfragmentirungen in den grossen Spermatogonien des Ho- 1) Dies letztere entspricht einem Gedanken, den Chun in einem kürzlich veröffentlichten Aufsatz (Ueber die Bedeutung der directen Kerntheilung. Phys.-ökon. Gesellsch. zu Königsberg, 3. April 1890) geäussert hat. Doch möchte ich nicht mit Chun die vielkernigen Muskelzellen, so auch nicht die Nervenfasern der Wirbelthiere dabei heranziehen, da es sich bei deren physiologischem Wachsthum nicht um directe, sondern um mitotische Kerntheilung handelt (vgl. die letzte Anmerkung). 2) Dieser Ausdruck ist in dem Sinne gemeint, dass auch in einem Gewebe, das als Ganzes nicht krank zu nennen ist, einzelne Zellen sehr wohl abnorm oder krankhaft verändert sein können. 292 W. Flemming: dens der Amphibien, die von v. la Valette St. George und Nussbaumt®), mir?), und Bellonei?) untersucht sind, können sehr wohl, wie ich es gleich dem letztgenannten Forscher an- nehme, entartenden Zellen angehören; denn im Hoden finden sich ja in solehen Zellen dabei Mitosen übergenug, um für alle nor- male Spermatogenese aufzukommen, und die erwähnten Fragmen- tirungen finden sich in Reichlichkeit nicht zu den Zeiten, wo die Samenbildung anbricht, sondern zu denen, wo sie ruht. — Die zahlreichen Formen von Amitose, welche Arnold®) aus dem Knochenmark und aus der Milz bekannt gemacht hat (Fragmen- tirung, direete Segmentirung), können, soweit sie als unzweifelhafte Kerntheilungen anzusprechen sind), zwar beweisen, dass in diesen eigenthümlichen Organen bei Iymphoiden Zellen Amitosen von Kernen häufig sind, aber nicht, dass sie einer normalen Regene- ration zu Grunde liegen. Denn gerade in denselben Organen findet sich als ein Factor derselben ja wiederum die Mitose in grosser Reichlichkeit; und in den normalen Lymphdrüsen, wo solche Re- generation durch Mitose doch besonders stark geschieht, fehlen jene amitotischen Formen fast ganz. Unzweifelhaft verfällt ja eine Menge von Leukocyten an anderen Orten fortwährend dem Untergang: dafür braucht nur an diejenigen erinnert zu werden, die aus den Tonsillen, den Lymphknötchen des Mundes und des Darms und auch anderswo durch das Epithel wandern, um draussen zu sterben. Wenn also hier eine Ueberproduction dieser Zellen- art und ein entsprechender Untergang stattfindet, so lässt sich fragen, ob das Gleiche nicht auch in der Milz — in der ja auch rothe Blutzellen zu Grunde gehen — und im Knochenmark der Fall sein kann. — Die Riesenzellen in dem letzteren, in der Milz, der Embryoleber und der Decidua, bei welchen die von 1) Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen, dieses Archiv 1882, S. 28. 2) Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, 1882, S. 335 u. f. 3) Bellonei, Sui nuclei polimorfi delle cellule sessuali degli Anfıbi. Memorie della Reale Acad. d.Sc. dell’ Istituto de Bologna, 1886. 5) Ich vermag nicht alle die Formen so zu deuten, die Arnold als indireete Fragmentirungen beschrieben hat; für einen Theil der- selben scheint mir der Beweis auszustehen, dass sie überhaupt Kern- theilungen sind. Vgl. dieses Archiv Bd. 24, S. 449. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 293 Arnold und Hess!) beschriebenen Kernfragmentirungen gewiss keinem Zweifel unterliegen, sind schwerlich für die Ansicht zu verwerthen, dass die Amitose bei normaler Gewebsregeneration mitspielen sol. Denn nach Allem, was wir über diese sonder- baren Gebilde wissen und nicht wissen, steht der Annahme noch nichts entgegen, dass sie abnorm angewachsene und funetionslose Lymphoidzellen sind?), die ihre Entstehung nur den eigenartigen Stoffwechselbedngungen in den wenigen Geweben verdanken, in welchen sie vorkommen. Niemand hat noch irgend eine Funktion der Riesenzellen nachgewiesen?), und das müsste doch vor allem geschehen, wenn man ihre Kerntheilungsformen den bei normalem Gewebswachsthum vorkommenden gleichwerthig setzen will. Ich habe früher*) gezeigt, dass vielkernige Zellen, die denen der De- eidua ganz ähnlich sein können, aus gewöhnlichen Fettzellen ent- stehen, aber nur unter krankhaften oder atrophischen Bedingungen: das giebt schon einen Hinweis darauf, dass solche Zellen, wo sie anderswo vorkommen, auch nur aberrirte Nebenproducte sein können. — Ein weiterer solcher Hinweis wird durch die Mitosen der Riesenzellen gegeben. Diese sind verschiedentlich be- schrieben, im Knochenmark sowie in der Milz der Maus sehr häufig, und mir aus früheren eigenen Arbeiten am Knochenmark und aus Untersuchungen Reinke’s an der Milz, die demnächst publieirt werden, wohlbekannt°’). Ich habe aber ebensowenig wie 1) Ziegler’s Beiträge Bd. 8, 1889, S. 221 ff. 2) Diese Annahme würde der Ansicht Löwit’s, nach der die Bildung der Riesenzellen geradezu ein degenerativer Process zu nennen wäre, nahe stehen; doch es lässt sich ja ein Unterschied zwischen Bil- dungsanomalie und Degeneration machen, und ich möchte die Riesen- zellen eher unter den ersteren, als unter den letzteren Begriff stellen. 3) Ich rede hier nicht von den ÖOsteoklasten v. Kölliker’s, die an den Knochenwänden liegen, sondern von den viel zahlreicheren Riesenzellen, die sich mitten im, Knochenmark, in der Milz und De- eidua mancher Thiere finden, und deren Vorkommen an letzteren Orten schon beweist, dass sie mit Knochenresorption nichts zu thun haben. 4) Dieses Archiv 1871, S. 329 u. f., Taf. 28, und Virchow's Archiv, 1872. 5) Es handelt sich bei diesen meinen und bei Reinke’s Ob- jeeten nicht um Formen wie Fig. 21—23 bei Hess a. a. O., welche, wenn Mitosen, dann entweder keine typischen oder irgendwie ver- ändert sind; sondern um unzweifelhafte mitotische Figuren, mit gleich- 294 W. Flemming: Hess (a. a. ©. S. 234) je eine normale bipolare Mitose in einer Riesenzelle gesehen, sondern nur pluripolare, also atypische)); meines Wissens ist auch noch nicht gezeigt, dass aus einer mehr- poligen Mitose einer Riesenzelle im Mark oder in der Milz auch eine Theilung des Zellkörpers in mehrere Tochterzellen hervor- ginge. Wenn dies aber auch geschehen sollte, so geschieht es hier also jedenfalls auf ungewöhnlichem Wege. — Dass sich an die Kernfragmentirungen der Riesenzellen Theilungen des ganzen Zellkörpers anschliessen können, wird für das normale Milz- und Knoehenmarkgewebe zwar nur durch wenige, von Arnold be- schriebene Fälle von Einschnürung der Zellenleiber wahrscheinlich gemacht; unter pathologischen Verhältnissen aber (unter Milztumor nach Impfung mit Milzbrand) hat Hess (a. a. O.) ein sehr reich- liches Auftreten von Fragmentirungstheilungen der Riesenzellen in der Mäusemilz ermittelt. Grade dies spricht doch aber wohl nieht dafür, sondern dagegen, dass derartige Theilungen bei nor- maler Gewebsbildung mitspielen sollten. — Es ist ferner für die Deutung der Riesenzellen daran zu erinnern, dass sie ausser in den relativ wenigen, vorher genannten Geweben im Wirbelthier- körper normal nicht vorzukommen scheinen; dass sie in der Milz bei einzelnen Thieren (Maus) sehr reichlich sind, während sie bei anderen dort fast ganz fehlen, und auch in anderen Iymphatischen Organen wie Lymphdrüsen, Tonsillen, Darmknötchen sich in der Norm nicht finden. Endlich ist es nicht erwiesen, dass sie dort, wo sie vorkommen, eine bestimmte Art von Gewebselementen sind, die sich aus sich selbst regenerirt, denn es finden sich alle mög- mässig dicken Fäden, bald in Knäuel-, bald in Radiäranordnung, und dabei mehrpolig: gleich als hätte in einem viellappigen Kern ein jeder Lappen für sich eine Mitose begonnen. 1) Arnold (dieses Arch. Bd. 31, S. 541) wendet sich gewiss mit Recht dagegen, dass man die pluripolare Mitose ohne Weiteres als „pathologisch* bezeichne, da sie doch auch in der normalen Milz vor- komme. Aber „atypisch“ oder „anomal“ muss ich doch fortfahren diese Formen zu nennen. Denn sie fehlen, oder finden sich nur äusserst selten einmal bei normalem Wachsthum fast aller Gewebe, ausgenommen die wenigen, in denen Riesenzellen vorkommen; sie sind, ausser unter pathologischen Bedingungen, eigentlich nur bei eben dieser einen Zellenart häufig, von welcher es — wie ich ja hier ausführe — recht fraglich bleibt, ob sie nicht selbst als eine Art Ano- malie zu betrachten ist. Ueber Theilung und Kernformen bei Leukoeyten etc. 295 lichen Uebergangsstufen in der Grösse zwischen ihnen und den kleinen Milz- und Knochenmarkzellen. Die Riesenzellen können demnach mit Grund dem Verdacht unterliegen, dass sie nur Bildungsanomalien einiger weniger Ge- webe sind; dann kann man aber auch nicht sagen, dass eine Kerntheilungsform, die bei ihnen besonders reichlich vorkommt, deshalb ein Faetor normaler Gewebsbildung sein müsste. Nach alledem ist, soviel mir scheint, der Gedanke nicht ab- zuweisen, dass die amitotische Theilung, bei Protozoen und bei einigen Metazoenformen noch vielfach in generativer Wirksamkeit, diese bei den übrigen, und speciell bei Wirbelthieren und höheren Pflanzen verloren hat; dass sie sich hier in der Norm nur noch in der von Chun vertretenen Bedeutung (Erzeugung vielkerniger Zellen, s. oben) geltend macht, sonst aber nur entweder unter pathologischen Bedingungen, oder doch als ein Vorgang auftritt, der kein keimfähiges Zellenmaterial mehr liefert. Es würde dies auch mit der Auffassung Waldeyer's!), nach welcher wir in der amitotischen Theilung die Grundform zu erblieken haben, in phylogenetischem Sinne sehr wohl vereinbar sein. Indem ich die Hypothese hinstelle, die auf den letzten Seiten ausgeführt ist, möchte ich mich keineswegs als ihr Vertreter auf- thun, sondern bis auf Weiteres ganz neutral bleiben; denn ich glaube, wir wissen von diesen Dingen noch immer nicht genug, um endgültig urtheilen zu können. Es sehien mir aber richtig, darauf hinzuweisen, dass eine solche Anschauung bei dem jetzigen Stand der Kenntnisse ganz wohl zulässig ist, und also bei der Beurtheilung des Befundes von amitotischen Theilungen in irgend welchen Geweben Berücksichtigung verdient. Behandlung der Präparate. Im Eingang dieses Aufsatzes ist erwähnt, dass ich ausser der Hämatoxylintinetion auch die Doppelfärbung von Osmium- gemisch-Objeeten mit Safranin-Gentiana, meist mit Gram’scher Behandlung, benutzt habe, ein Verfahren, das ich schon seit 1884 1) Waldeyer, Ueber Karyokinese. Bonn 1888, S. 45, Sep.-Abdr. 296 W. Flemming: viel verwende (s. dies Archiv Bd. 24, 1885, S. 53 Anm.). Zur Vorbehandlung für solche Färbung hat im vorigen Jahre F. Her- mann, in seinen Arbeiten über die Spermatogenese (dies Archiv Bd. 34, 1889, S. 59) eine Aenderung empfohlen, die für das Studium der achromatischen Figur, der Centralkörper und Sphären von grossem Nutzen ist: Ersetzung der Chromsäure in dem Os- miumgemisch durch Platinchlorid im 1°/,iger wässeriger Lösung. (Näheres s. a.a. OÖ.) Man kann zwar die genannten Dinge auch mit meinem (chromsäurehaltigen) Osmiumgemisch scharf sichtbar erhalten, wenn das letztere nicht zu wenig Essigsäure enthält und die Aufbewahrung darin länger gewährt hat; doch gelingt dies seltener, als mit der Hermann’schen Lösung, die ich deshalb bei Untersuchung der Sphären und Centralkörper der Leukoeyten bevorzugt habe. Für die Färbung habe ich mir ein Verfahren herausprobirt, welches, wenn gelungen, die Centralkörper, Sphären und Spindel- fäden vorzüglich scharf sichtbar macht: lange Vorbehandlung mit schwächerem Osmiumgemisch oder mit Hermann’scher Lösung, Auswaschen mit Wasser, Doppelfärbung successive mit Safranin und Gentiana; dann kommen die Objecte, nach kurzer Abspülung der Gentianafarbe mit Wasser, in eine eoncentrirte wässerige Lö- sung von Orange. In dieser (sauren) Flüssigkeit wird nach und nach der grösste Theil der Gentianafarbe ausgezogen; wenn nur noch schwache violette Wölkehen beim Schütteln des Schälchens abtreiben, überträgt man die Objeete in absoluten neutralen Al- kohol, bis sich keine oder sehr wenig Farbe mehr löst, darauf in Nelken- oder Bergamottöl, und schliesst in Damar oder Canada ein. — Die Chromatinfärbung ist dann gleichmässig, purpurroth in etwas schwankenden Nuancen, die Nucleolen nicht besonders gefärbt; die achromatischen Spindelfäden aber, bei richtig ge- troffenem Färbungsgrad, graubraun, grau oder in manchen Fällen violettgrau und sehr deutlich, die Centralkörper entweder ebenso oder leicht röthlich gefärbt; die Attractionssphäre zwar ohne be- sondere Färbung, aber etwas dunkler als der umgebende Zell- körper!). — Leider habe ich diese Methode bis jetzt nicht so 1) Präparate dieser Art habe ich im August d. J. auf der Ber- liner Versammlung der Anatom. Gesellschaft vorgelegt, wo auch über den Gegenstand des I. Abschnittes berichtet wurde (Verhandlungen der Anat. Gesellschaft, noch nicht publieirt). Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten ete. 297 sicher in der Hand, dass sie jedesmal gleich gut anschlüge; es kommt sehr darauf an, bei der Orangebehandlung den richtigen Ausziehungsgrad genau zu treffen. x Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIII und XIV. In den roth oder schwarz dargestellten Kernstructuren sind überall die gröberen und mittelfeinen Chromatinmassen und -Stränge möglichst treu nach Dieke und Vertheilung unter dem Oelsystem ein- getragen, so dass die sehr wechselnden Mengen und Anordnungen des Chromatins (ich bitte die Figuren der zweiten Tafel vergleichend zu überblicken) keineswegs schematischer Darstellung, sondern wirklich verschiedenem Reichthum an färbbarer Kernsubstanz und sehr un- gleicher Disposition derselben entsprechen. Schematisch ist bei den Kernen der zweiten Tafel nur, dass ich zur Erleichterung der Wiedergabe die feinsten Lininstränge, die kein oder sehr wenig Chromatin enthielten, nicht mit gezeichnet habe. In Fig. 6 der ersten Tafel sind dieselben mit angegeben. Ferner sind, ebenfalls zur Erleichterung des Farbendrucks, auf der zweiten Tafel alle Chromatinstränge und -Körper in eine Ebene projieirt und in gleich starker Farbe dargestellt; einzelne derselben müssten, da sie weniger chromatinreich sind als andere, blasser roth schattirt sein, wie dies in Fig. 6 der ersten Tafel in Schwarz ge- schehen ist. In Fig. 8, 9, 11, 16, 21 ist absichtlich nur der Contour des Zellen- leibes angegeben, um die feinen Kernbrücken und die Sphären recht deutlich zu geben. Alle Figuren sind von Objecten aus dem Bauchfell, der Lunge oder dem fibrillären Bindegewebe der Salamanderlarve; ein Theil der Zellen in Fig. 6 aus dem Blut des erwachsenen Salamanders. Nähere Erklärungen der Bilder im Text. | Fig. 1. Bauchfell. Haufen von Leukocyten an einem Capillargefäss, schwach vergr. zur Uebersicht. Die blassen Kerne gehören fixen Bindegewebs- und Endothelzellen an. Fig. 2. Ebendaher, bei mittelstarker Vergr. Nicht unmittelbar an einem Gefäss. Unter den Wanderzellen 3 Mitosen, eine (a) lag etwas entfernter und ist herangezeichnet. Fig. 3. Kleine Gruppe von nur 5 Wanderzellen an einer Lungen- capillare. Fig. 4. Zwei ebengetrennte Tochterzellen aus der Mitose einer Wander- zelle, Bindegewebe, in amöboiden Formen; vgl. auch die beiden Dyasteren in Fig. 2. Näheres s. im Abschnitt I oben. S. 258 ff. Fig Fig Fig. iQ. M. | „13 20. F. Marchand: Ein Leukoeyt mit bogenförmigem polymorphem Kern, der in Knäuelform der Mitose steht. (Der Kern ist kein geschlossener Ring, die Enden, rechts, decken sich eben, vgl. z. B. Fig. 22). Die Attractionssphäre war hier nicht deutlich im Innern der Kernbucht zu sehen, lag wahrscheinlich halb unter dem con- caven Kernrand. Verschiedene Kernstructuren in Leukocyten, Osmiumgemisch, Hämatoxylin. d—h aus dem Blut, die übrigen Wanderzellen im Bindegewebe. Vergl. im Abschnitt I oben, S. 257—58. u. folgende: Leukocyten, grösstentheils mit Kernfragmenti- rungsformen. Alles Nähererüber diese, sowie über die Sphären und Centralkörper in ihnen, im Abschnitt II oben. Zu bemerken ist noch zu : b zeigt genau nach verschiedener Einstellung, dass der Kern ein Ring mit zwei sehr dünn ausgezogenen Stellen ist; die dunkel schattirte Stelle deckt sich mit der darüberliegenden. Die Sphäre liegt nicht in, sondern neben der Ebene des Kern- ringes, welche vertical steht. u. 22 (viele ähnliche wurden beobachtet): Die Sphären mit Centralkörpern sind auch hier nicht genau in der Ebene des Kernringes zu denken, in welchen man hineinsieht, sondern, wie wechselnde Einstellung zeigt, etwas ausserhalb dieser Ebene. In eine der zarten Kern-Abschnürungsbrücken ist ein kleines Chromatinklümpchen hineingezogen, was öfter vorkommt. Kiel, December 1890. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. Von Prof. Dr. F. Marchand in Marburg. Hierzu Tafel XV und XVI. Abth. I. Morphologie. Die bisherigen Darstellungen der Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn enthalten noch immer manche Dunkel- heiten und Widersprüche. Meine eigenen, hauptsächlich mit Rücksicht auf das Ver- ständniss gewisser Gehirn - Missbildungen unternommenen Ver- Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 299 suche, mir über diesen Gegenstand Klarheit zu verschaffen, be- schränkten sich zunächst auf das Studium der morphologischen Verhältnisse, soweit dieselben makroskopisch und mit der Lupe erkennbar sind, doch ergab sich sehr bald, dass ohne gleich- zeitige Berücksichtigung der Faserentwickelung an Serienschnitten eine genauere Einsicht nicht möglich war. Die Schwierigkeit, hinreichend gut conservirtes Material von menschlichen Embryonen zu erhalten, hat sich mir dabei leider sehr fühlbar gemacht, so dass ich auch jetzt nicht in der Lage bin, über eine vollständige Reihe gut erhaltener Gehirne zu verfügen. Dennoch erlaube ich mir, das Resultat der über einen mehrjährigen Zeitraum, wenn auch mit vielen Unterbrechungen sich erstreckenden Unter- suchungen, für welche ich die Nachsicht der Fach-Embryologen erbitten muss, hier vorzulegen, in der Hoffnung, dadurch etwas zur Lösung der Frage beizutragen. Es sei mir gestattet, die wichtigsten Angaben de neueren Autoren über die Entwickelung des Balkens hier in Kürze vor- auszuschiecken, da sich hierbei wohl am besten die noch strei- tigen Punkte ergeben werden. Von den Aelteren seien hier nur die Namen Döllinger!), J. F. Meckel?), Tiedemann?), Va- lentin®), v. Baer’), Bischoff‘) und Arnold’) angeführt, auf deren zum Theil noch heute sehr werthvolle Beobachtungen im weiteren Verlauf noch Rücksicht zu nehmen sein wird. Eine von den Anschauungen der Vorgänger wesentlich ab- 1) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des menschlichen Ge- hirns. Frankf. a.M. 1814. 2) Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Centraltheile des Nervensystems in den Säugethieren. Deutsches Archiv für die Phy- siologie Bd. I, 1815, S. 1 und S. 334. 3) Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Foetus des Menschen. Nürnberg 1816. 4) Handbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen. Berlin 1835, S. 167. 5) Entwickelungsgeschichte der Thiere. 2. Abth. Königsberg 1837, S. 217. 6) Entwickelungsgeschichte der Säugethiere und des Menschen Bd. IV und Soemmerring, Vom Bau des menschlichen Körpers. Neue Ausg. Leipzig 1842, S. 178. 7) Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Zürich 1842, Th. II, 8-41237. 300 F. Marchand: weichende Meinung vertritt zuerst Reichert!), weleher die im Beginn der Commissurenbildung auftretende Verdiekung im oberen Theile der Endplatte nicht für die Anlage des Balkens ansah, wie Tiedemann, sondern für die Anlage der „Commissura an- terior, der Commissur der Stiele des Septum pellueidum und der Säulehen des Fornix“. Von hier aus sollte die Verwachsung der Hemisphären, also die Anlage des Balkens, gleichzeitig auf die ganze Umgebung einer durch mangelhaftes Dieckenwachsthum ausgezeichneten Stelle der Hemisphärenwand, des Septum pellu- eidum, fortschreiten. Der Balken sollte daher gleich im Ganzen angelegt, ein Weiterwachsen desselben von vorn nach hinten nur scheinbar sein. Auch F. Sehmidt?), dessen sorgfältige Untersuchungen die wichtigste Grundlage der späteren Beobachtungen bilden, unterscheidet die Anlage des Balkens von der ursprünglichen Verbindungsstelle am vorderen Umfange der ersten Hirnblase, lässt den Balken aber dieht am oberen Ende dieser Verbindung (durch Verwachsung der gegen diesen Punkt convergirenden Fasern der inneren Schicht der Hemisphärenwandung) entstehen, und zwar in der Grenzlinie zwischen den beiden concentrischen Halbringen, in welche sich der Randbogen der Hemisphäre im Anfang des vierten Monats sondert. Der äussere dieser beiden Halbringe, welcher den Balken somit von oben her umgiebt, bildet das Corpus fimbriatum, die Stria obteeta und die Stria alba Laneisi, der innere, wie schon allgemein bekannt, das Ge- wölbe und die Scheidewand. Nach Schmidt’s Ansicht ist von vorn herein gleich der ganze Balken angelegt, wie aus dem Ver- halten der Faserung hervorgehe; das Wachsthum geschieht aber vorzüglich in der Längsrichtung; das anfangs nicht vorhandene Knie ist am Schluss des fünften Monats erst deutlich. In der ersten Zeit ist noch keine eigentliche Scheidewand da, indem der ganze unter dem Balken gelegene Raum von dem vorderen Gewölbeschenkel eingenommen wird; während der Balken wächst, dehnt sieh dieser (oder vielmehr der vordere Theil des inneren 1) Der Bau des menschlichen Gehirns, Th. I, Taf. XI; Th. IH, S. 70, 1859—1861. 2) Beitr. zur Entwickelungsgeschichte des Gehirns. Zeitschrift für wissensch. Zoologie von Siebold und Kölliker Bd. XI, 1862, B..48, Es VE _ Ueber. die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 301 Ringes des Randbogens) immer mehr in eine dünne dreieckige Platte aus, die sich gegen die untere Fläche des Balkens er- hebt; eine Communication der Höhle der Scheidewand mit dem dritten Ventrikel ist nieht vorhanden, da das obere Ende der Verwachsung der beiden Hemisphären dieht unter dem hinteren Ende des Balkens gelegen ist. Kollmann!) lässt den Balken von emer kleimen Brücke Nervensubstanz in der Höhe des oberen Randes der Sehhügel entstehen, welche den Rest der ehemaligen Verbindung der He- misphären darstellen soll. Dieser Theil wird nach ihm zum Knie, von welchem aus sich der Balken durch Auswachsen nach hinten verlängert. Die Höhle des Septum pellueidum steht nach K. an- fangs in weiter Verbindung mit dem dritten Ventrikel. Kölliker?) schliesst sich im Wesentlichen an die Dar- stellung von Schmidt an. Bei dem viermonatlichen Foetus ist der noch sehr unentwickelte Balken in dem vorderen etwas ver- breiterten Theil des Randbogens bereits erkennbar; von dieser Stelle aus zieht vor der Schlussplatte des dritten Ventrikels ein schmales dreieckiges Feld nach der Basis des Gehirns nach ab- wärts. Dieser Raum, welcher als die Anlage des Septum pellu- cidum bezeichnet wird, ist jedoch noch nicht allseitig geschlossen, sondern vorn offen. An dem Gehirmm eines fünfmonatlichen Em- bryo zeigt sich der Balken bereits ganz gut ausgeprägt, und Knie, Wulst und Rostrum deutlich, wasK. für einen Beweis an- sieht, dass der Balken gleich in toto angelegt ist, und später nur in die Länge wächst, nicht aber an dem einen Ende neue Theile ansetzt. Das Septum pellueidum ist nunmehr eingefasst, und die Höhle desselben gebildet. Während der Balken nach hinten wächst, zieht sich mit demselben auch das Septum pellu- eidum und der Fornix immer mehr in die Länge. Ganz abweichend ist die Darstellung des Vorganges von v. Mihalkoviez°). Auch er beschreibt allerdings einen drei- eckigen Raum, in dessen Bereich die Hemisphäreninnenwände 1) Die Entwickelung der Adergeflechte, ein Beitrag zur Ent- wickelungsgeschichte des Gehirns. Leipzig 1861. 2) Entwickelungsgeschichte 2. Aufl. 1879, S. 554 ff., Fig. 352 bis 355. 3) Entwickelungsgeschichte des Gehirns, nach Untersuchungen an höheren Wirbelthieren und dem Menschen. Leipzig 1877. 303 F. Marchand: vor der Schlussplatte sich einander nähern und verwachsen. Während aber bei Säugethieren diese Verwachsung eine totale ist, beschränkt sie sich beim Menschen nur auf die Peripherie des Dreiecks, und zwar soll sie in der Mitte des dritten Mo- nats zu Stande kommen. Die verwachsene Stelle unmittelbar vor der Schlussplatte differenzirt sich zu den Säulchen des Fornix, welche von dort aus im unteren Saume des Randbogens weiter ziehen, während der vordere und obere Theil der Verwachsungs- stelle zur Bildung des Balkenknies verwendet wird. Körper und Wulst werden dann an den Knietheil von vorne nach rückwärts angesetzt, nach vorheriger Verwachsung der beiderseitigen Rand- bögen (pag. 129). Bei Embryonen vom fünften Monat findet man nur den Knietheil des Balkens ausgebildet; die definitive Entwickelung dauert bis zum Ende des fünften Monats. Durch die Vereinigung der beiden Randbögen wird zugleich der untere Theil der embryonalen Hirmsichel von der definitiven Sichel ab- getrennt (pag. 132); der Zusammenhang des verticalen Theils der Hirnsichel mit den horizontalen Seitenschenkeln (den nach- herigen Plexus laterales) wird dadurch gelöst (S. 166). Löwe!) schildert die Entwickelung des Balkens und des Septum pellueidum in sehr eigenthümlicher Weise, indem er zu- nächst durch die Vorwölbung der medialen Hemisphärenwand (nach den schematisirten Abbildungen Fig. 14 und Fig. 15 auf S.45 und 53, oberhalb des Sule. Ammonis und nahe dem oberen Rande der Hemisphäre!) eine Verdünnung der primitiven Hirn- sichel, schliesslich eine vollkommene „Dehiscenz“ derselben zu Stande kommen lässt, wodurch die Hirnsichel in einen oberen und einen unteren Abschnitt zerfällt, welch’ letzterer an beiden Endpunkten die Plexus laterales trägt. „In dem Raum zwischen den beiden von einander dehiseirten Abschnitten berühren sich die früher durch die primitive Hirnsichel getrennt gewesenen Innenwände der Hemisphären und kommen nun theils vollständig (Kaninchen), theils unvollständig (beim Menschen) zur Verwachsung. An dem gesammten vorderen und oberen Rande der Verwachsungs- stelle brechen die Stabkranzfasern quer durch die verwachsene 1) Ludw. Löwe, Beiträge zur Anatomie und zur Entwicke- lungsgeschichte des Nervensystems der Säugethiere und des Menschen. Berlin 1880. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 303 Hirnrinde hindurch und formiren den Balken.“ An dem hinteren Rande der Verwachsungsstelle bildet sich der Fornix aus dem Verwachsungsrande parallel verlaufenden Längsfasern. Das Ver- schwinden des Bindegewebes aus der Höhle des Septum pellueidum erklärt sich nach L. dadurch, dass „sofort nach Dehiscenz der Hirmnsichel die durehbrochenen bindegewebigen Theile sich in ent- gegengesetzten Richtungen retrahiren* (S. 53). Wenn L. selbst sagt, dass „der Prozess des Durchbruches der primären Hirnsichel so wenig in den Rahmen der übrigen bei der Gehirnbildung zu beobachtenden Vorgänge passt, dass man sich a priori denselben gar nicht vorstellen kann“ (S.56), so kann ich dieser Aeusserung nur beipflichten. Wenn L. ferner meint, dass seine Darstellung mit der von Mihalkovicz gegebenen Schilderung übereinstimmt, so ist das in sofern nicht richtig, als letzterer die Ablösung des Plexus von der Hirnsichel durch die Vereinigung der Rand- bögen zu Stande kommen lässt, in welchen dann durch Diffe- renzirung der Fasern der hintere Theil des Balkens im Anschluss an das vorher gebildete Knie entstehen soll. Die neueren Angaben Hamilton’s!) über die Entwicke- lung der Balkenfasern werden später noch berücksichtigt werden. Vom vergleichend-anatomischen Standpunkte ist die Kenntniss der Bildung des Balkens und der übrigen Hirn-Commissuren bei den Wirbelthieren durch eine Reihe wichtiger Untersuchungen wesentlich gefördert, und dadurch auch für die Entwickelung dieser Theile beim Menschen mancher werthvolle Anhaltspunkt geliefert worden. Unter anderen sind hier die Arbeiten von Flower?) Rabl-Rückhard?), ganz besonders aber die um- fassende Darstellung von Osborn?) zu erwähnen. Nachdem meine eigenen Untersuchungen im Wesentlichen 1) On the corpus callosum in the embryo. Brain, July 1885. 2) On the commissures of the cerebral hemispheres of the Mar- supialia and Monotremata as compared with those of the Placental mammals. Philosophical Transactions. London 1865, vol. 155, p. 633. 3) Einiges über das Gehirn der Edentata, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XXXV, 1890, S. 165. 4) The origin of the corpus callosum, a contribution upon the central commissures of the Vertebrata. Morpholog. Jahrbuch Bd. XII, 1877, S. 223 u. S. 530. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 20 504 F. Marchand: bereits beendet waren, erschien die wichtige Arbeit von W. His!) über die Formenentwickelung des menschlichen Vorderhirns vom Ende. des ersten bis zum Beginn des dritten Monats. Wenn dem- nach diese Untersuchung bereits vor dem Beginn der ersten An- lage des Balkens abschliesst, ist sie doch von grosser Bedeutung für das Verständniss der Formen, und es war mir daher von grossem Werth, die His’sche Arbeit noch bei der Darstellung meiner Ergebnisse benutzen zu können. Auf einige Differenzen, welche sich dabei ergaben, werde ich weiter unten zurückkommen. Leider war es mir nicht möglich, einige zweifelhafte Punkte der Morphologie durch Nachprüfung an meinem Material zu contro- liren, da das letztere bereits verarbeitet war. Meine eigenen Beobachtungen beginnen erst mit dem dritten Foetal-Monat. Die Gehirne wurden nach möglichst sorgfältiger Härtung (meist in Müller’scher Flüssigkeit und Alkohol) in der Medianebene durehschnitten, die jüngeren Stadien in situ, nach Abtragung der Schädeldecke, die grösseren nach der Herausnahme. Sodann wurde die mediale Fläche möglichst genau untersucht und gezeichnet, bevor zur weiteren Verarbeitung geschritten wurde. Häufig war es bei dieser Methode nur möglich, die eine Hälfte des Gehirns in brauchbarem Zustande zu erhalten, ausserdem musste (mit einer Ausnahme) darauf verzichtet werden, Durch- schnitte des ganzen Gehirns im Zusammenhang herzustellen, da es an hinreichend gut erhaltenem Material fehlte. Dennoch schien es mir aber vortheilhaft, vor der Anfertigung der Schnitte die makroskopisch und mit der Lupe sichtbaren morphologischen Ver- hältnisse möglichst genau festzustellen, da dies Verfahren doch noch grössere Sicherheit ergeben dürfte, als die nachherige Re- construction, besonders da es sich hier bereits um grössere Gegen- stände handelt. Ich halte es für zweckmässig, zunächst die rein morphologische Beschreibung vorauszuschicken, und dann in einem zweiten Theil der Arbeit die’ Ergebnisse der Untersuchung der Serienschnitte zusammenzufassen. Ich brauche nicht hervorzu- heben, dass die nachfolgende Beschreibung keineswegs alle Ge- hirne zum Gegenstand hat, welche mir im Laufe der Jahre durch die Hände gegangen sind, sondern nur diejenigen, welche hin- 1) Abhandlungen der mathematisch-physischen Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. XV, Nr. 8, 1889. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 305 reichend gut, wenn auch leider nicht immer ganz fehlerlos, er- halten waren. Man erlebt bei der Untersuchung des foetalen menschlichen Gehirns so viele unangenehme Enttäuschungen, dass man häufig zufrieden sein muss, wenn man wenigstens Einzelnes genau feststellen kann. Andere, welche in der glücklichen Lage sind, über ein grösseres Material gut eonservirter Embryonen zu verfügen, mögen die zahlreichen noch vorhandenen Lücken ausfüllen. Wenn die nachfolgenden Beschreibungen vieles bereits Bekannte enthalten, so bitte ich den Leser, dies zu entschuldigen; eine möglichst genaue Beschreibung der fortlaufenden Entwickelungs- stadien sehien mir nothwendig sowohl mit Rücksicht auf die viel- fach ungenauen älteren Angaben, als auf das Verständniss der Durchschnitte. Dritter Foetalmonat. Ich beginne mit der Beschreibung eines sehr gut erhaltenen Gehirnes vom 3. Monat (C SSL = 45 cm; Fig. 1, 2). Die Länge der Grosshirnhemisphäre im gehärteten Zustand beträgt 14,5 mm. Der Schläfenlappen ragt wenig nach abwärts, der Hinterhauptlappen bildet einen kaum merklichen Vorsprung nach hinten. Die Fossa Sylvii ist eben angedeutet; die convexe Fläche der Hemisphäre ist übrigens vollkommen glatt. An der Medianfläche der Hemisphäre erkennt man die hin- tere Bogenfurche (Sule. Ammonis s. Hippocampi), welche den Sehhügel umgiebt; von ihrem vorderen Ende, ungefähr dem Vor- derrande des letzteren entsprechend, gehen nach aufwärts und vorn einige flache Radiärfalten ab; die mediale Fläche des Stirn- hirns ist etwas concav eingesunken und leicht faltig (Effekt der Härtung). Auch in der Nähe des hinteren Randes des Sehhügels steigt eine etwas geschlängelte tiefere Furche von der Bogen- furche nach aufwärts bis in die Nähe des oberen Hemisphären- randes (Artefact ?). Am unteren Rande der Hemisphäre wird der Stimlappen durch eine tiefeinschneidende senkrechte Furche von dem dahinter liegenden Stammtheil abgegrenzt (vordere Bogenfurche, später Ineisura prima von His). Das obere Ende dieser Furche geht durch eine ganz seichte Vertiefung in das vordere Ende der hin- teren Bogenfurche über, wodurch das Gebiet des vorderen Theiles des Randbogens abgegrenzt wird. Die vordere Bogenfurche senkt 306 F. Marchand: sich ziemlich tief in der Richtung von hinten nach vom im den Stirnlappen ein; ihr unteres Ende setzt sich nach vorn m den Suleus olfaetorius fort, während ein hinterer Schenkel sich im mehr schräger Richtung lateralwärts wendet, wo er die Grenze zwischen dem Stirnlappen und der Gegend der späteren Sub- stantia perforata bildet; der zwischen beiden Schenkeln gelegene Raum wird durch den mehr lateral entspringenden, noch ziemlich kurzen Riechlappen ausgefüllt. Der zwischen der vorderen Bogenfurche und der vorderen Begrenzung des 3. Ventrikels gelegene Theil besitzt eine voll- kommen glatte (mit zarter Pia mater überzogene) Oberfläche, an welcher man indess einen etwas ebeneren hinteren, und einen etwas mehr gewölbten vorderen Abschnitt unterscheiden kann. Die ebene (senkrechte) Fläche liegt der entsprechenden der an- deren Hemisphäre unmittelbar gegenüber, und ist nur durch den hinteren unteren Rand der Sichel von dieser getrennt. Lateral- wärts geht die Fläche am unteren Rand der Hemisphäre in die untere (schräg geneigte) Fläche des Stammlappens, der spätern Substantia perforata anterior über. Nach aufwärts verläuft der leicht gewölbte vordere Abschnitt in die Oberfläche des Rand- bogens, während der kleinere hintere Abschnitt sich in einer ganz seichten Vertiefung in der Richtung nach dem freien Rande des letzteren verliert. Die vordere Begrenzung des 3. Ventrikels wird durch die grösstentheils sehr dünne vordere Schlussplatte gebildet, welche von dem Recessus optieus His (R. chiasmatis Michel) in einem nach vorn convexen Bogen aufsteigt; die stärkste Krümmung liegt gegenüber dem Ursprung des Riechlappens. Unmittelbar darüber geht die dünne Platte im eine längliche senkrecht gestellte Ver- diekung über, welche nach hinten und vorn durch convexe Linien begrenzt ist, und dadurch auf dem Durchschnitt spindelförmig, mit leichter S-förmiger Krümmung erscheint. Die Höhe dieser Verdiekung der vorderen Schlussplatte beträgt an dem vorliegen den Gehirn kaum 1,5, die Dicke 0,5 mm. Der untere Theil ihrer nach hinten vorspringenden Convexität wird, wie sich aus den Durchsehnitten ergiebt, durch die vordere Commissur ein- senommen, von welcher ich jedoch auf dem Medianschnitt mit der Lupe nichts zu entdecken vermochte. Das obere Ende der verdiekten Schlussplatte setzt sich in Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 307 Gestalt eines etwas geschlängelten, feinen Saumes in den Rand- bogen fort; hier beginnt gleichzeitig die Anheftungsstelle der Tela chorioidea (auf der Figur nur zum Theil erhalten). Der erwähnte Saum hat demnach eime ähnliche Bedeutung, wie die Taenia me- dullaris des Sehhügels für den oberen Theil der Decke des 3. Ventrikels. Dieht hinter dem vorderen Ende des Randbogens und dem oberen Theil der verdiekten Schlussplatte kommt an der Wand des 3. Ventrikels eine senkrecht verlaufende abgerundete Leiste zum Vorschein, welche dem medialen Stiel des Streifen- hügels angehört. Ihr unteres Ende entspricht ungefähr der hin- teren Convexität der verdiekten Schlussplatte. Nach vorn ist der Stiel des Streifenhügels von der medialen Hemisphärenwand (dem Randbogen) durch einen tiefen Einschnitt getrennt, welcher nichts anderes ist, als der hier an der Verbindung zwischen 3. Ventrikel und Seitenventrikel mündende Recessus olfactorius, oder richtiger die .von diesem noch übrig gebliebene tiefe Furche zwischen Streifenhügel und medialer Hemisphärenwand. Nach hinten wird der Stiel des Streifenhügels durch einen zweiten Einschnitt, oder Spalt vom Sehhügel getrennt, welcher sich an der Seitenwand des Ventrikels in Gestalt einer ziemlich tiefen Rinne bis an das untere Ende des Recessus opticus fortsetzt. Dieser Einschnitt bildet den Eingang in die noch sehr tiefe Furche zwischen Seh- und Streifenhügel (Suleus striae corneae nach His). Eine zweite etwas flachere Furche, welche in schräger Rich- tung nach dem vorderen oberen Theil des Sehhügels verläuft, und sich nach abwärts etwas fächerförmig ausbreitet, bildet ge- meinschaftlich mit der vom hinteren Umfange herkommenden Furche die Abgrenzung der oberen und unteren Abtheilung der Ventrikelwand (S. Monroi). Die Höhlenfläche der beiden Abthei- lungen ist im Uebrigen ziemlich flach und eben, nur nach oben und vorn leicht gewölbt. Eine Andeutung der grauen Commissur ist noch nicht zu entdecken, vielmehr ist (wie auch die Durch- schnitte zeigen) die glatte Epithelfläche nirgends unterbrochen. Am unteren Umfang des Ventrikels tritt das Chiasma, das Infun- dibulum und das Corpus mammillare mit den entsprechenden Aus- buchtungen der Höhle hervor, am oberen Rande die nach hinten an Höhe zunehmende Markleiste mit ihren leichten Faltungen, welche an ihrem hinteren Ende eine etwas stärkere, dem Ganglion 308 F. Marchand: habenulae entsprechende Anschwellung bildet; darunter verläuft der Suleus habenulae His. Die Anlage der Gland. pinealis ist nieht hinreichend deutlich erhalten. An der Stelle des von His so genannten Recessus geniculi ist noch ein ziemlich tiefer Ein- schnitt am hinteren Umfang des Thalamus-Wulstes vorhanden. An einem ungefähr demselben Entwickelungsstadium ange- hörigen Gehirn!) (A), an welchem die rechte Hemisphäre an der Grenze zwischen Seh- und Streifenhügel abgetragen worden war, zeigt die mediale Fläche der Hemisphäre ein etwas abweichendes Verhalten (Fig. 3). Bei der Betrachtung von der rechten Seite sieht man die Trennungsfläche, welche die Gestalt einer 8 hat; der untere vordere Rand derselben erreicht nicht ganz die Mittel- linie; die obere etwas schräg nach abwärts geneigte Abtheilung entspricht der Ausbreitung der Stammstrahlung, die untere dem Stammtheil der Hemisphärenwand, die Trennung verläuft zwischen der Seitenwand des 3. Ventrikels (Triehter-Region) und der Sub- stantia perforata anterior. Dicht vor dem sich vorwölbenden rechten Sehhügel, unmittelbar oberhalb der Trennungsfläche sieht man den scharfen Saum des Randbogens der linken Hemisphäre, welcher sich etwas von der Medianebene entfernt; dieht dahinter, nur durch die oben erwähnte Spalte getrennt, den Stiel des (linken) Streifenhügels; hinter diesem kommt noch eben die Furche zwischen Seh- und Streifenhügel zum Vorschein. Von der vorderen Schlussplatte des 3. Ventrikels ist selbstverständlich nur der vordere Rand sichtbar, welcher nach abwärts in den Vorsprung des Chiasma übergeht. An der Medianfläche der Hemi- sphäre zeigt sich oberhalb des Sehhügels die sehr tiefe hintere Bogenfurche, welche sich nach hinten in eine tiefe zweischenke- lige Falte fortsetzt; von ihrem vorderen Ende geht eine tiefe Furche nach aufwärts bis nahe an den Hemisphärenrand, eine zweite Furche nach vorn und abwärts nach der Spitze des Stirn- lappens. Die vordere Bogenfurche ist ebenfalls stark ausgeprägt und grenzt den Ursprung des Riechlappens nach hinten ab. Ich bin der Ansicht, dass die drei tiefen Radiärfurchen Folgen der Härtung sind, wenn auch Andeutungen derselben be- 1) Leider ist dies Gehirn, welches sehr gut erhalten war, durch Eintrocknen für die weitere Untersuchung unbrauchbar geworden. Auch die Zeichnung entbehrte leider noch der letzten Correctur. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 309 reits normaler Weise vorhanden sein mögen, wie an dem vorher beschriebenen Gehirn; auch die Bogenfurchen sind abnorm vertieft. An dem nun folgenden etwas älteren Gehirn E (Fig. 4, 5, SSL 5,5 em, Länge der Grosshirnhemisphäre 18 mm) sind die Hemisphären augenscheinlich durch die Härtung stark deformirt; ihr oberer Rand ist herabgedrängt, die mediale Fläche ein- gerollt und stark gefaltet. Die Ammonsfurche ist sehr tief; weiter nach vorn findet sich noch eine zweite tiefe Furche unter dem Hemisphärenrande, durch welche von’ oben her eine stark her- vortretende Falte an der medialen Fläche abgegrenzt wird. (Diese vorspringende Falte wird nicht selten beobachtet, und kann leicht zu erheblichen Täuschungen, namentlich auch in Bezug auf die Anlage des Balkens Anlass geben.) Auch hier findet sich die in der Richtung nach der Spitze des Stirnlappens verlaufende schräge Furche, sowie eine Anzahl radiärer Einkerbungen an dem oberen Rande des Stirnlappens und in der Nähe der hinteren Spitze. Die vordere Bogenfurche ist deutlich, und verläuft nach aufwärts allmählich in einen flachen Eindruck. Der Ursprung des Riechlappens tritt an der medialen Fläche des Stimlappens, an dessen hinterem unterem Winkel hervor, ebenso wie an dem vorigen Gehirn; es fehlt also die Verbindung zwischen vorderer Bogenfurche und Sule. olfactorius. Der ver- diekte Theil der vorderen Schlussplatte hat sich im Vergleich zu dem jüngeren Gehirn erheblich in der Richtung von oben nach unten gestreckt, und besitzt auf dem Durchschnitt eine schwach S-förmig gekrümmte Gestalt, 3,5 mm Länge und etwa 0,5 mm Dieke. Die nach vorn gerichtete Convexität liegt gegenüber dem Ursprung des Riechlappens, die nach hinten gerichtete, welche der Lage nach der makroskopisch noch nicht erkennbaren vor- deren Commissur entspricht, liegt dieht unterhalb des Einganges in den Seitenventrikel; der untere, die vordere Begrenzung des Recessus chiasmatis bildende Theil der vorderen Schlussplatte ist dünn; nach aufwärts endet die Schnittfläche der verdiekten Schlussplatie abgerundet; lateralwärts schliesst sich dann das etwas geschlängelte Fältchen an, welches in den Saum des Rand- bogens übergeht?). 1) Die Gestalt der Schnittfläche der verdickten Schlussplatte habe ich möglichst genau festzustellen gesucht, indess ist es natürlich, dass 310 F. Marchand: An der Höhlenfläche des 3. Ventrikels zeigt sich zunächst hinter der Schlussplatte der spaltförmige Eingang in den Seiten- ventrikel, dahinter der Stiel des Streifenhügels, welcher nur in Gestalt einer schmalen. Leiste zum Vorschein kommt, und nach abwärts in die Höhlenfläche des 3. Ventrikels übergeht. Dahinter liegt der Fingang in den Suleus striae corneae (His), welcher sich nach abwärts in Gestalt einer ziemlich tiefen Rinne fortsetzt. Auch die übrigen Furchen stimmen mit denen des Gehims © über- ein, sie sind nur flacher. Bezüglich einiger Abweichungen der vorstehenden Beschrei- bung von den ungefähr dasselbe Stadium betreffenden Darstel- lungen von His gestatte ich mir Folgendes hervorzuheben. 1) Nach His entsteht die Commissura mollis noch vor Ende des zweiten Monats, indem sich die beiden Thalamuswülste in der Mittelebene begegnen. Dieser Angabe kann ich nicht bei- stimmen, da ich auch an viel älteren Gehirnen noch keine solche Verbindung gesehen habe. Möglicherweise kommen individuelle Verschiedenheiten vor, welehe auch an Gehirnen Erwachsener in Bezug auf die graue Commissur nicht selten sind. Schon Meckel hebt indess ausdrücklich hervor, dass er weder beim Embryo von 14, noch bei dem von 16—18 Wochen eine Verwachsung der Sehhügel gefunden habe, wohl aber im 6. Monat eine sehr aus- sedehnte. 2) Die vordere Schlussplatte verläuft nach His vom Recessus optieus aufwärts concav nach vorn (Fig. 37), bei einem etwas älteren Embryo von 2!/, Monat (SSL 4,5 em, also dem oben beschriebenen entsprechend) etwas weniger als früher. 3) Die auffälligste ‚Differenz ist in diesem Stadium das Fehlen der Verdiekung im oberen Theil der Schlussplatte in den Ab- bildungen von His; diese Verdickung ist aber von den älteren Autoren bereits ziemlich übereinstimmend beschrieben ‚worden. 4) Der Stirntheil der Hemisphäre ist weit weniger entwickelt dar- gestellt, der Riechlappen noch sehr viel weniger ausgebildet und unvollkommen abgegrenzt. Diese Unterschiede beruhen theilweise bei so kleinen Gebilden bereits sehr geringe Abweichungen von der Mittellinie die Gestalt der Schnittfläche wesentlich beeinflussen. Auch waren einige kleine Stückchen aus der Schnittfläche ausgebrochen, wodurch ebenfalls Irrthümer möglich waren, doch ergab der Vergleich mit den Durchschnitten die Richtigkeit der obigen Beschreibung und der Abbildung. Bud ı Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 311 vielleicht darauf, dass der mir vorliegende Embryo © (welcher am besten als Vergleichsobjeet mit dem von His beschriebenen dienen kann) bei ziemlich gleicher Länge weiter entwickelt war; auch ist das Gehirn im Ganzen etwas grösser. Besonders auf- fallend ist mir indess 5) auf den Abbildungen von His der Mangel des Einsehnittes zwischen dem Stiel des Streifenhügels und der medialen Hemisphärenwand, welchen ich kaum auf eine Un- genauigkeit der Zeiehnung beziehen kann. Auf Fig. 37 und 38 ist zwischen vorderem Rand des Sehhügels und Schlussplatte nur eine Oeffnung vorhanden, welche demnach das bleibende Foramen Monroi darstellen würde. Denkt man sich den oberen Theil des Sehhügels (auf meinen Abbildungen) nach vorn ver- schoben, so würde derselbe wohl die beiden Spalten, zunächst die hintere, ziemlich verdecken können, doch entspricht dies nicht den natürliehen Verhältnissen. Auch später sind diese beiden Spalten noch vorhanden, welche aus dem ursprünglichen Foramen Monroi durch Hervortreten des Stieles des Streifenhügels gebildet werden (vergl. die Darstellung des Modells Fig. 8, Taf. 1 der His’schen Arbeit). Da His (auf S. 56 des Sep.-Abdr.) angiebt, dass von der 7. Woche ab im hintern Bereiche der Area trape- zoides die Sichelfalte (d. h. die vordere mediale Wand der Hemi- sphäre) mit dem sie berührenden Theil des Streifenhügels zu ver- schmelzen beginnt, so dass von dieser Zeit ab der letztere nicht mehr bis unten hin isolirbar ist, so kann ich die Fig. 37 und 38 nur so verstehen, als sei diese Verschmelzung bereits bis zur Höhe des vorderen Endes des Sehhügels vorgeschritten, was jedoch nicht der Fall ist, da die mediale Wand des Stirnlappens in dieser Gegend eine selbständige Verdiekung bildet, welehe von dem Streifenhügel dauernd durch eine Spalte getrennt bleibt. Die Verschmelzung erstreckt sich nieht viel über die vordere Commissur nach aufwärts. Gerade die vordere Spalte wird zum bleibenden Formen Monroi, während die hintere Spalte, der An- fang des Suleus striae corneae allmählieh durch die Ver- wachsung zwischen Seh- und Streifenhügel verstreiceht, und ebenso auch die senkrechte in den Recessus optieus hinabsteigende Furche schwindet. Eine erhebliche Differenz findet sich ferner 6) zwischen meiner Fig. 3 und der Abbildung der Seitenansicht des Gehirns eines menschlichen Foetus von 42 mm SSL, nach Wegnahme der rechten 312 F. Marchand: Hemisphäre bei His (Fig. 26, welche ziemlich genau der Abbil- dung des Medianschnittes Fig. 37 entspricht). Nach His be- sehränkt sich die Verbindung der Hemisphäre mit dem Zwischen- hirn auf den Stiel des Streifenhügels, wozu dann später die secun- däre Verwachsung zwischen Seh- und Streifenhügel hinzu kommt; die Grenze der Verwachsung nach vorn und unten fällt zusam- men mit einer concaven Linie, „welche vom vorderen Ende der Deckplatte des dritten Ventrikels im einem etwas zurückweichen- den Bogen nach dem Stiel des Streifenhügels hinabsteigt. Längs (dieser Linie findet der Umschlag der Sehhügelwand!) in die me- diale Wand der Hemisphäre statt“ (S. 37). Diese Linie ist dem- nach identisch mit der vorderen Grenze der Schlussplatte, wie auch der Vergleich mit der Fig. 37 ergiebt. Wo bleibt dann die Verbindung an der Basis der Hemisphäre, der eigentliche Stamm- lappen, welcher doch nothwendig durehtrennt sein muss? Denkt man sich die Abtrennung der Hemisphäre medianwärts fortgesetzt bis zur Schlussplatte, so muss nothwendig die Seitenwand der Regio infundibuli mit entfernt sein, der dritte Ventrikel müsste also offen vorliegen. Was nun die Furehenbildung der Hemisphären in diesem Stadium anlangt, so halte ich das zuerst beschriebene Gehirn für dasjenige, welches die natürlichen Verhältnisse am besten wieder- giebt (abgesehen von der geringen Einsenkung der medialen Fläche des Stirnlappens). Abweichend von den beiden übrigen Gehirnen desselben Stadiums ist das Verhalten der vorderen Bogenfurche zum Ursprung des Riechlappens. Bekanntlich ent- springt dieser (der „vordere Riechlappen“ von His) lateralwärts am hinteren Rande des Stirnlappens; in der Fortsetzung desselben verläuft an der Oberfläche der Hemisphäre, an der oberen Grenze des noch weit nach aussen reichendem Stammtheils, der späteren Substantia perforata, ein bogenförmiger weisslicher Streif nach dem vorderen Ende des Schläfenlappens, der spätere äussere Riechstreifen. Oberhalb dieses Streifens beginnt also erst das Gebiet der späteren Insel. In der Seitenansicht der Hemisphäre sieht man den hier befindlichen Ursprung des Riechlappens vor sich. Bei der Ansicht von unten wird der letztere am hinteren Rande durch einen querverlaufenden Einschnitt von der Substantia 1) Ventrikelwand? Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 313 perforata abgegrenzt, welcher sich als „vordere Bogenfurche“ (Ineisura prima) auf die mediale Fläche fortsetzt!). Bei der An- sieht von der medialen Fläche scheint der Riechlappen aus dem hinteren Winkel dieser Fläche des Stirnlappens hervorzugehen; dies würde also einer medialen Wurzel entsprechen, so bei dem Gehirn A und E, sowie bei allen späteren. Es mag sein, dass die Tiefe der vorderen Bogenfurche an ihrem unteren Theile am Gehirn C in Folge der Härtung zuge- nommen hat, und dass in Folge dessen ein direeter Uebergang dieser Furehe in den Suleus olfactorius, und in Folge dessen eine scheinbare Abtrennung des Riechlappens von der medialen Wand des Stirnlappens zu Stande gekommen ist; jedenfalls zeigt aber auf den Durchsehnitten die Hemisphärenwand an dieser Stelle ein durehaus normales Verhalten. An den hier in Betracht kommenden Abbildungen 26, 37 und 38 von His sind, wie mir scheint, die Abgrenzungen der Theile, namentlich die vordere Bogenfurche, zu wenig scharf ausgeprägt, auch erscheint der Stirntheil der Hemisphäre zu kurz und wulstig, indess mögen hierbei Verschiedenheiten des Conser- virungs- und Härtungsgrades eine Rolle spielen. Die flachen Radiärfurchen an der Convexität der Hemi- sphäre, die am stärksten im Gehirn E ausgebildet sind, welche ich aber auch an anderen Gehirnen dieses Entwickelungsstadiums, ebenso wie Andere, in wechselnder Ausbildung beobachtet habe, möchte ich wegen ihrer Unregelmässigkeit für Produkte der Här- tung halten, wenn mir auch Thatsachen, besonders aus dem Ge- biete der Hirnmissbildungen bekannt sind, welche auf eine Son- derung des Gehirnmantels in keilförmige Segmente durch tiefe Radiärfalten hindeuten. Die Verdiekung der vorderen Schlussplatte wurde zuerst von Tiedemann für die Anlage des anfangs noch senkrecht stehenden Balkens gehalten (l.e. S. 21. Taf. I 12, q.). Viele der späteren Autoren sind ihm hierin gefolgt, u. a. auch Hen- sen, während Reichert, Schmidt und Andere sich dagegen aussprechen, und zwar mit Recht. Von der Anlage des Balkens 1) Vgl. auch die Fig. 22—24 bei Kölliker, Zur Entwickelung des Auges und Geruchsorganes menschlicher Embryonen. Würzburger Verhandlungen Bd. XVIII, Nr. 8, 1883. 314 F. Marchand: ist m dem beschriebenen Stadium an der Medianfläche noch nichts zu sehen. Dem zwischen 3. Ventrikel und vorderer Bogenfurche gelegenen Raum, der Pars trapezoides von His, entspricht nach der Darstellung von Mihalecoviez die umrandete Verwach- sungsstelle der Hemisphären als erste Anlage des Balkenknies und des Septum. Die Verwachsung beschränkt sich indess, wie wir sahen, auf die verdickte vordere Schlussplatte; der davor- gelegene Theil ist durch die Sichel von der anderen Seite getrennt, und ist auch am ausgebildeten Gehirn noch als kleiner dreieckiger Raum nachweisbar. Was den Fornix anlangt, welcher bekanntlich in naher Be- ziehung zum Randbogen steht, so ist für die vorderen Säulchen desselben in diesem Stadium der Entwickelung noch so gut wie kein Raum vorhanden. Weiteres wird sich bei der Betrachtung der Durchschnitte ergeben. Vierter Foetalmonat. Das Grosshirn unterscheidet sich in diesem Stadium durch einige sehr wichtige Eigenthümlichkeiten von den vorhergehenden Entwickelungsstufen. Die Länge der Grosshirnhemisphäre beträgt nach der Härtung 24—25 mm, der Schläfenlappen ragt bereits erheblich nach abwärts hervor, dementsprechend bildet auch die Fossa Sylvii eine deutlichere Vertiefung; das hintere Ende der Hemisphäre ist zugespitzt und reicht nach hinten bereits über die Mitte der Vierhügel hinaus; gleichzeitig mit der Verlängerung der Hemisphäre hat eine gewisse Drehung derselben um eine ideale Queraxe in der Gegend des Foramen Monroi nach aufwärts und hinten stattgefunden. Die ceonvexe Fläche der Hemisphäre war an einem besonders gut erhaltenen Exemplar (F. Fig. 10) vollkommen glatt und frei von Furchen; an einem zweiten dagegen mit einigen flachen Radiärfurchen in der Gegend der Fossa Sylvii, und einigen tieferen Einkerbungen am vorderen und hinteren Ende, ebenfalls in ziemlich radiärer Richtung versehen. Die Höhlenfläche des 3. Ventrikels ist fast ganz eben, die Abgrenzung der oberen und unteren Region durch Abflachung des Suleus Monroi sehr viel undeutlicher; auch die übrigen Fur- chen an der Innenfläche sind fast verstrichen. Der Stiel des Streifenhügels ist in Gestalt eines schmalen leistenförmigen Vor- sprunges von dem vorderen Ende des Sehhügels an der Höhlen- Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 315 o fläche sichtbar, dahinter der Anfang der Furche zwischen Seh- und Streifenhügel (Suleus striae corneae), davor der Eingang in den Seitenventrikel. Das Conarium ragt bereits etwas über den Vorderrand der Vierhügel hervor, die hintere Commissur, der Recessus infrapinealis, die Stiele des Conarium sind deutlich sicht- bar. Besonders charakteristisch ist die Streckung der vorderen Schlussplatte nach aufwärts; der untere Theil derselben ist noch immer nach vorn convex, der obere senkrecht oder selbst leicht concav nach vorn (Gehirn G. — vielleicht Folge der Härtung). Von der früheren Verdiekung der Schlussplatte ist nichts mehr zu sehen, dagegen geht diese an ihrem oberen Ende in eine rund- liche Anschwellung über,- welche den Durchschnitt einer neu entstandenen Verbindung beider Hemisphä- ren darstellt. Diese Verwachsungsstelle liegt genau vor dem Foramen Monroi; ihr Durchmesser von vorn nach hinten beträgt 1—1,5 mm; der vordere Rand ist halbkreisförmig, der hintere etwas concav; der hintere obere Winkel setzt sich in den zu- geschärften Saum des Randbogens fort, während der untere etwas allmählich in die vordere Schlussplatte übergeht; etwas unterhalb liegt (noch in der letzteren) die vordere Commissur, welche je- doch auf dem Medianschnitt nicht deutlich erkennbar ist. Das vordere Ende des Sehhügels überragt die Verwachsungsstelle der Hemisphären ziemlich erheblich nach aufwärts. Eine Andeutung der mittleren Commissur ist weder an diesem noch an dem zweiten Gehirn dieses Stadiums vorhanden. Die mediale Fläche der isolirten (rechten) Hemisphäre zeigt eine sehr charakteristische Ausbildung der Furchen oder Faltungen, welche jedoch an den beiden dargestellten Gehirnen etwas ver- schieden ist. Eine tiefe Bogenfurche umgiebt die Hemisphären- öffnung in einiger Entfernung vom freien Rande derselben; das untere Ende des hinteren Schenkels erstreckt sich bis in die Nähe des unteren Randes des Schläfenlappens; durch einen etwas flachen Eindruck, welcher mehr nach vorne gegen das untere Ende des Randbogens ansteigt, wird bereits eine stumpfrund- liche Hakenwindung abgegrenzt. Der vordere Schenkel der Bogenfurche verläuft in schräg absteigender Richtung nach der Spitze des Stirnlappens und schneidet hier ein dreieckiges Ge- biet ab, welches nach hinten von der Schlussplatte des dritten Ventrikels begrenzt wird. Die ganze Bogenfurche zerfällt am 316 F. Marchand: deutlichsten in einen vorderen oberen und einen hinteren unteren Schenkel, welcher die eigentliche Ammonsfurche darstellt. Von der Vereinigungsstelle beider Schenkel erstreckt sich eine Fort- setzung des oberen in ziemlich gerader Riehtung nach hinten gegen die Spitze des Hinterhauptlappens (an der linken Hemi- sphäre mehr nach aufwärts). Das dreieckige Gebiet der me- dialen Fläche zwischen dieser Furche und der Ammonsfurche wird durch einen etwas flacheren Eindruck in zwei Hälften ge- theilt. Der vordere obere Schenkel der Bogenfurche giebt zwei radiäre Furchen nach aufwärts und nach vorn ab. Die soge- nannte vordere Bogenfurche (His) stellt sich nieht mehr deut- lieh als vorderer Theil der ebem beschriebenen Furche dar; sie bildet nur noch einen wenig ausgedehnten Einschnitt am hin- teren Rande des Riechlappens, welcher aus dem medialen unteren Theile des Stirmlappens hervorgeht. Der oberhalb der Bogen- furche gelegene Theil der Hemisphärenwand ist, abgesehen von den erwähnten radiären Furchen, glatt und eben; er hängt deckel- artig über den Randbogen herab, und zwar zeigt dieser über- hängende Theil entsprechend der Wölbung des Sehhügels eine leichte Concavität. In ähnlicher Weise entspricht der Eindruck im hinteren unteren Theil der Hemisphäre der Hervorragung der Vierhügel und der Kleinhirnhemisphären. Man erhält bei der Betrachtung der medialen Fläche vollständig den Eindruck, als sei dieselbe einerseits vom oberen und vorderen, andererseits vom hinteren unteren Rande her um den mittleren Theil, in Folge des stärkeren Flächenwachsthums, eingerollt und dabei gefaltet. Was den freien Rand der Hemisphärenöffnung, den Rand- bogen Schmidt’s anlangt, so schliesst sich dieser oberhalb der Verwachsungsstelle unmittelbar an das erwähnte untere Dreieck des Stirnlappens an, welches eine ziemlich ebene, in seinem obe- ren Theil allmählich mehr lateralwärts geneigte Oberfläche besitzt. Im vorderen oberen Theil ist der Randbogen selbst etwas convex gewölbt (nicht bloss m der Längs-, sondern auch in der Querrichtung). Dieser Theil geht im weiteren Verlauf, indem der freie Rand sich etwas gegen die Höhle umschlägt, in eine leichte Concavität über, welche genau der oberen Wöl- bung des Sehhügels entspricht; nach abwärts wird die Ober- fläche des Randbogens wieder convex, während sich der freie zugeschärfte Rand mehr nach vorme und etwas medianwärts Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 317 wendet. Die flache rinnenförmige Vertiefung des Randbogens in seinem mittleren Theile ist durch eine schwache Kante oder kielförmige Erhabenheit begrenzt, welche concentrisch um den freien Rand verläuft und sich im unteren Theile allmählich verliert. An dem zweiten Gehim (G Fig. 8, 9), welches ziemlich genau demselben Entwickelungsstadium angehört, zeigt die me- diale Fläche der Hemisphäre dieselbe Ausbildung der Bogen- furche, jedoch zahlreichere radiäre Furchen, von welchen vier gegen den convexen Rand der Hemisphäre gerichtet sind. Die an dem Uebergang des oberen in den hinteren unteren Schenkel der Bogenfurche abgehende tiefe Furche theilt sich gabelförmig und umfasst hierbei ein keilförmiges Gebiet, welches selbst vom convexen Rande her tief eingekerbt ist. Die vordere Bogen- furche ist etwas stärker ausgebildet; das dreieckige Feld zwi- schen dieser und der vorderen Schlussplatte ist etwas breiter (vielleicht nur in Folge der etwas concaven Einsenkung der Schlussplatte). Wie sich aus dem Verhalten der Durehschnitte der Hemi- sphäre ergiebt, ist die Verwachsungsstelle am oberen Ende der Schlussplatte die erste Anlage des Balkens. Ebenso sicher ist, dass die Stelle mit der ursprünglichen Verdickung der Schluss- platte nicht identisch ist, wie sich bereits aus ihrer Lage ent- nehmen lässt. Die Verwachsung schliesst sich aber unmittelbar an das obere Ende der Schlussplatte an, und beginnt, wie ich vermuthe, an derselben, um dann weiter nach vorn vorzuschreiten. Von der Anlage eines Septum pellucidum ist noch nichts nach- weisbar. Schmidt hat dieses Stadium mit der ersten Anlage des Balkens zuerst richtig dargestellt und gedeutet, doch ist seine Abbildung nicht hinreichend genau, namentlich ist das Verhältniss der Balkenanlage zum Saum des Randbogens und der vorderen Schlussplatte nicht ganz richtig dargestellt; die vor- dere Commissur liegt zu tief; auch die Deutung der als Crus an- terius, Corpus des Fornix und Septum pellueidum bezeichnete Theil ist nicht ganz zutreffend. Kölliker giebt in Fig. 352 und 353 eine gute Abbildung desselben, oder eines etwas spä- teren Stadiums, doch stimmt die Bezeichnung Septum pellueidum für den unterhalb der Balkenanlage befindlichen dreieckigen Raum, welcher sich bis zur vorderen Bogenfurche erstreckt, nicht 318 F. Marchand: genau. Uebrigens bemerkt K. selbst ausdrücklich, dass dieses kleme Feld nach vorn noch offen ist (l.e. S. 555). Die Figuren 21 und 22 bei Mihalcoviez, welche gleiche Entwickelungs- stadien zum Gegenstand haben, sind nieht richtig und geben auch die Verhältnisse des Randbogens nicht genau genug wieder. Das folgende Gehirn (P) gehört emem nur wenig späteren Entwickelungsstadium an!) (Länge der Grosshirnhemisphäre nach der Härtung 26 mm, Fig. 11, 12). Die Gestalt der Grosshirnhemisphäre entspricht im Ganzen der im Vorhergehenden beschriebenen, doch sind die Hemisphären etwas gedrungener und compaeter in Folge eimer merklichen Dickenzunahme der Wandung. Die convexe Fläche ist glatt, die Fossa Sylvii kaum stärker ausgeprägt als an den beiden letzten Gehirnen. An der medialen Fläche der Hemisphäre (welche nicht vom Hirnstamm abgelöst wurde) zeigt die Bogen- furche die gleiche Entwickelung wie dort; sie ist mit vier schräg nach dem oberen Rande aufsteigenden radiären Furchen ver- sehen; ihr vorderes Ende ist nach dem vorderen unteren Winkel des Stirnlappens gerichtet. Das unterhalb dieses Theiles der Furche gelegene dreieckige Feld der medialen Fläche ist sehr eben und senkrecht, nach aufwärts geht dasselbe in die obere Fläche des Randbogens über. Die vordere (senkrechte) Bogen- furche ist schwach ausgeprägt. Die Gestalt des dritten Ventrikels ist in sofern verändert, als der Durchmesser der Trichter-Region von vorn nach hinten verringert ist, während die Höhe etwas zugenommen hat. Besonders bemerkenswerth ist, dass der Stiel des Streifen- hügels an der Höhlenfläche des dritten Ventrikels nicht mehr sichtbar ist, indem der vordere Rand des Sehhügels sich der Vorderwand des dritten Ventrikels mehr genähert hat. (Dies könnte zum Theil wohl auch durch Compression des Gehirns in der Richtung von vorne nach hinten bedingt werden, bleibt aber 1) Leider fehlt jede Angabe über das Alter des Embryo und über die Körperlänge, da der abgetrennte Kopf, welchen ich der Freundlichkeit des Herrn Collegen Strahl verdanke, von ausserhalb in einem Gefäss mit Müller’scher Flüssigkeit eingesandt war. Leider zeigte das Gehirn nach der Durchschneidung einige Beschädigungen, es konnte jedoch zur Anfertigung einer Schnittserie noch verwendet werden. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 319 auch in den späteren Stadien so.) Es findet sich also nur eine senkrechte Spalte, welche den Eingang in den Seitenventrikel bildet und sich nach abwärts in den Suleus Monroi fortsetzt. Ausserdem sind zwei bis drei flache Fältchen vorhanden, welche vom unteren Ende des Foramen Monroi auf die Seitenwand der Triehterregion übergehen. Die sehr dünne vordere Schlussplatte des dritten Ventrikels bildet einen schwach convexen Bogen nach vorn; an ihrem oberen Ende ist die vordere Commissur sichtbar, welche einen leichten Vorsprung nach hinten bedingt. Die wichtigste Veränderung betrifft die Verwachsungsstelle der Hemisphären, welche an Aus- dehnung, besonders in der Richtung nach vorn zugenommen hat. Ihre Länge beträgt 2,5 mm, die Entfernung von ihrem oberen Rande bis zum unteren Rande der vorderen Commissur 4?/, mm. Die Gestalt der Schnittfläche ist keulenförmig, mit leicht con- caver hinterer und kreisförmiger vorderer Begrenzung; am Ueber- gang vom hinteren zum oberen Rande findet sich ein kleiner Vorsprung, welcher mit dem Saum des Randbogens zusammen- fällt; von hier aus steigt der obere Rand der Verwachsungsstelle noch etwas nach vorm an; dieser Rand schneidet etwa mit dem Oberrande des Sehhügels ab. Bei sorgfältiger Untersuchung mit Hülfe der Lupe zeigte sich im unteren Theil der Verwachsungsstelle auf dem Durch- schnitt eine flachgrubige Vertiefung, welche ich anfangs geneigt war für ein Artefaet zu halten, da die Oberfläche der kleinen Vertiefung etwas rauh und höckerig erschien. Doch zeigte die weitere Beobachtung, besonders mit Hülfe der Mikrotomsehnitte, dass im Bereiche der kleinen Grube in der That keine Verbin- bindungsfasern zwischen beiden Hemisphären vorhanden waren. Die Vertiefung hat die Gestalt einer kleinen Bucht, welche sich von unten nach oben etwa bis in die Mitte der Verwachsungs- stelle erstreckt, und zwar näher an dem Vorderrande; die hin- tere Grenze ist undeutlicher, indem die vertiefte Stelle hier all- mählicher in die Schnittfläche übergeht. Die untere Begrenzung der kleinen Ausbuchtung bildet eine scharfe Linie, doch ver- mochte ich nicht zu entscheiden, ob im Bereiche dieser Linie die gegenüberliegenden Flächen der Hemisphäre verwachsen waren, oder ob die kleine Bucht sich nach abwärts öffnete. Aus dem ganzen Verhalten derselben dürfte aber zweifellos hervor- Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37. 21 320 F. Matchaud: gehen, dass es sich hier um die erste Anlage der Höhle des Septum pellueidum handelt, deren Entstehung bisher noch sehr zweifelhaft war. Der vordere Theil der Verwachsungsstelle ist demnach die Anlage des Balkenknies und des Rostrum, der stärkere obere Theil der Körper des Balkens. Ein an der Höhlenfläche des dritten Ventrikels gesondert hervortretendes Fornix-Säulehen ist auch im diesem Stadium noch nicht erkennbar. Es dürfte sich empfehlen, hier einige Worte über die Deu- tung des beschriebenen Befundes einzuschalten, soweit dies vor- läufig ohne Berücksichtigung der Durchschnitte möglich ist. Die erste Anlage des Balkens nimmt demnach den vorder- sten Theil des Randbogens unmittelbar oberhalb der verdicekten vorderen Schlussplatte ein und kommt in der Weise zu Stande, dass die Verwachsung der Hemisphären durch Commissurfasern sich an die bereits oberhalb der vorderen Commissur bestehende Verbindung derselben anschliesst. Die halbkreisförmige vordere Begrenzung der neuen Verwachsungsstelle entspricht bereits frühzeitig dem Balkenknie mit dem Rostrum, während an- dererseits der Winkel, in welchem der Balken mit dem freien Rande des Bogens zusammentrifft, die hintere Begrenzung des Balkens bildet, also die Anlage des Splenium darstellt. In so- fern kann ich also nur Kölliker beistimmen, dass in diesem Stadium (Gehirn P) bereits der ganze Balken angelegt ist. Indem nun im weiteren Verlauf jener hintere Winkel immer weiter unterhalb der Bogenfurche nach hinten rückt, muss auch der Verwachsungsrand zwischen jenem Punkt und der vorderen Commissur sich mehr und mehr in die Länge strecken. Beides ist untrennbar von einander, und es ist keineswegs richtig, dass zuerst die gegenüberliegenden Randbogen mit einander ver- wachsen und dass dann längs dieser Linie ein allmähliches Hin- durehtreten der Balkenfasern stattfindet (Mihalkoviez). Dar- aus ergiebt sich aber auch weiter, dass die angebliche Durch- breehung der primären Hirnsichel durch jene Verwachsung, welche an sich wenig plausibel erscheint, gar nicht erforderlich ist, da (der von vorn herein vorhandene Ausschnitt der Hirmsichel, wel- cher der vorderen Schlussplatte entspricht, bei der ganz allmäh- lieh und eontinuirlich fortschreitenden Vergrösserung der Ver- wachsungsstelle einfach zurückgedrängt wird. An dem Gehirn P habe ich mich auf’s deutlichste über- Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 321 zeugen können, dass der freie Rand der Hirnsichel von der Schädelbasis aufsteigend sich genau dem oberen Rand der Ver- wachsungsstelle anpasst und in Gestalt eines spitzen schnabel- förmigen Fortsatzes hinter derselben mit der Tela choroidea resp. dem Plexus zusammenhängt. Bei der allmählich weiter nach hinten fortschreitenden Streekung des Balkens wird dieser con- vexe Ausschnitt der Sichel immer weiter nach hinten zurück- gedrängt, bleibt aber hinter dem Splenium in dauernder Ver- bindung mit der Tela chorioidea. Dass die Ansicht Löwe’s über die Bildung des Balkens vollständig verfehlt ist, braucht hiernach wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Ausbildung des Fornix, namentlich der vorderen Säul- chen, ist in diesem Stadium noch sehr im Rückstande; der schmale Saum, längs dessen die Verwachsung der Randbogen oberhalb der vorderen Commissur allmählich nach hinten fortschreitet, ge- wissermaassen als wenn dieser Theil durch das immer weiter nach hinten rückende Splenium ausgezogen würde, bildet eine unmittelbare Fortsetzung der vorderen Schlussplatte, welche daher als „verlängerte Schlussplatte“ bezeichnet werden kann. Schwieriger zu deuten ist die Bildung des Septum pellueidum, besonders der Höhle desselben. Dass die alte Ansicht von ihrem ursprünglichen Zusammenhang mit dem dritten Ven- trikel (ef. Tiedemann Taf. II, Fig. 3) nicht richtig ist, ist lange erwiesen (Schmidt, Reichert). Allerdings bildet der dritte Ventrikel oberhalb der vorderen Commissur eine schmale spaltförmige Ausbuchtung nach vorn, indess ist diese so gering, dass sie auf dem Sagittalschnitt nur die Gestalt eines ganz flachen Bogens besitzt (Fig. 12). Die Begrenzung des dritten Ventrikels wird aber hier durch den oberhalb der vorderen Com- missur gelegenen Theil der vorderen Schlussplatte gebildet. In welcher Weise die erste Anlage der Höhle des Septum pellueidum zu Stande kommt, ob durch allmähliches Herum- wachsen des Balkenschnabels, oder durch Spaltbildung innerhalb der ursprünglich totalen Verwachsung, ist nicht leicht zu ent- scheiden. Ich halte jedoch das letztere für wahrscheinlicher und zwar erstens aus dem Grunde, weil die Form der- Balkenanlage im Ganzen bei dem Gehirn P ganz der Verwachsungsstelle des früheren Stadiums entspricht, und nur vergrössert ist, zweitens, weil die kleine Vertiefung im der Verwachsungsstelle am unteren 399 F. Marchand: Rande durch eine Linie begrenzt ist, welche dem ursprünglichen Rande der Verwachsungsstelle entspricht. Weitere Gründe ergaben sich aus dem Verhalten der Durchschnitte. Dafür würde ferner noch der Mangel der Höhle bei T'hieren sprechen, bei welchen die Lückenbildung in der Verwachsungsstelle nicht eimtritt, wäh- rend die Form der Verwachsung im übrigen dieselbe und der Balkenschnabel, welcher den Vorderrand bildet, ebenfalls aus- gebildet ist. Dass die Faltenbildung an der Medianfläche der Hemi- sphäre, welche im vierten Monat ihre vollständige Ausbildung erfährt, kein Kunstprodukt ist, ist eine hinlänglich erwiesene Thatsache (vgl. Ecker, Kölliker, Mihalkoviez, Anton u.A. Beiläufig hebt ersterer ausdrücklich hervor, dass er die Faltungen an frischen Gehirnen beobachtet habe, nicht erst nach Chlor- zinkbehandlung, wie Mihalkoviez und nach ihm Anton angiebt). Nichtsdestoweniger ist einleuchtend, dass die vorhandenen Fal- tungen durch Schrumpfung m Folge von Härtung, Abnahme und Gerinnung der Flüssigkeit der Seitenventrikel stärker hervortreten können, ebenso wie im .früheren Stadium, denn die Wand der Hemisphäre ist auch jetzt noch sehr dünn, der Ventrikel weit. Auch das Gehim G (Fig. 8, 9) macht den Eindruck, dass die Faltung durch die genannten Einwirkungen abnorm verstärkt ist. Die Zahl der Radiärfalten (oder Furchen) ist nicht ganz con- stant, ebenso wie ihre Lage. (Ueber das Verhältniss derselben zu den bleibenden Furchen weiter unten.) Fünfter Monat. Das folgende Gehirn (J) gehört meiner Schätzung nach einem Embryo vom Anfang des fünften Monats an (SSL? Länge der gehärteten Grosshirnhemisphäre 28 mm, Fig. 13, 14). Leider erwies sich das Gehirn nach der Durchschneidung als beschädigt durch Druck, wodurch besonders der mittlere und vordere Theil der Bogenfurche erheblich verändert war, während im übrigen das Gehirn sehr gut conservirt war!). 1) Es war daher anfangs schwer zu entscheiden, was normal und was künstlich alterirt war; erst die Mikrotomschnitte ergaben volle Sicherheit, dass erstens ein Einbruch der Wand in der Gegend des vorderen Theils der Bogenfurche und eine Einrollung (dieses Theils) Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 323 Die wichtigste Veränderung, welche beim Vergleieh mit dem vorhergehenden Stadium zunächst hervortritt, ist die Er- hebung des hinteren Endes des Balkens nach aufwärts, welche gleichzeitig mit einer Streckung desselben verbunden ist. Eine erhebliche Verschiebung des Balkenknies nach vorn hat augenschemlich nicht stattgefunden, da dasselbe (bei gleicher Lage der Hemisphäre) noch immer ziemlich genau senkrecht über dem Hinterrande des Riechlappens steht. Durch die Er- hebung (des hinteren Endes des Balkens über den vorderen Theil des Sehhügels ist gleichzeitig eine Verlängerung des zwischen jenem und der vorderen Commissur gelegenen Bogentheiles be- dingt, längs dessen die beiden Hemisphären mit einander ver- wachsen sind. Die Fortsetzung der vorderen Schlussplatte nach aufwärts bildet jedoch nur mit dem untersten Abschnitt noch die Begrenzung des dritten Ventrikels, nämlich nur bis zur Anhef- tungsstelle der Tela ehorioidea etwas oberhalb der vorderen Com- missur; nur bis hierher ist der Bogen an seiner hinteren (unteren) Fläche mit Epithel bekleidet, welches sich dann sowohl seitlich auf den Plexus lateralis durch das Foramen Monroi, als auf die Unterfläche der Tela chorioidea des dritten Ventrikels fortsetzt und sich an der Stria medullaris des Sehhügels inserirt. Der oberhalb jener Stelle gelegene Theil der hinteren (später unteren) Fläche des Bogens ist frei von Epithel. Gleichzeitig mit der Formveränderung des Balkens hat auch das darunter gelegene ursprünglich ganz kleine Feld an Aus- dehnung in der Höhe und Breite gewonnen. Die vordere untere Begrenzung dieses Feldes, des Septum pellueidum, war leider an dem vorliegenden Gehirn nieht vollkommen zweifellos erkennbar, nur der obere Theil war in Gestalt einer feinen vorspringenden Linie sichtbar, welche sich vom Balkenknie in der Riehtung nach der vorderen .Commissur fortsetzte, ohne dieselbe ganz zu er- reichen. Die grösste Länge des Balkens beträgt 3,5 mm; die Länge des Verwachsungsrandes von der vorderen Commissur bis nach innen stattgefunden hatte, und dass ferner der vordere obere Theil des Randbogens offenbar in noch weichem Zustande über die Mitte der Bogenfurche nach aufwärts geschoben und hier mit der me- dialen Fläche oberhalb in so innige Verbindung getreten war, dass dieselbe vollkommen natürlich erschien. Durch die Compression er- klärt sich die verhältnissmässig geringe Höhe des Stirnhirns. 324 F. Marchand: zum hinteren Balkenrande 5mm. Die Entfernung zwischen der ersteren und dem Chiasma ist nicht erheblich verändert. Von besonderer Wichtigkeit ist ferner das Verhalten des Randbogens zu dem überhängenden (gewissermaassen eingerollten) Theil der Hemisphärenwand. Die anfangs tiefe und weite Bogen- furche hat sieh derartig verengert, dass ihre Ränder sich be- rühren, nur in der Nähe des unteren Endes findet ein stärkeres Klaffen zwischen Randbogen und dem angrenzenden Theil des Sehläfenlappens statt. Auch die radiären Furchen sind eng, die mediale Fläche der Hemisphärenwand oberhalb des Ausschnittes ist glatt und setzt sich hier durch eine deutliche Kante von der dem Sehhügel zugekehrten Fläche ab. Der Randbogen, welcher sich genau dieser zur Aufnahme des Sehhügels bestimmten Con- cavität anschliesst, zerfällt durch eine nach abwärts sich ab- flachende Rinne deutlicher in einen äusseren und einen inneren fing (Schmidt). Am Uebergang des oberen mehr horizontalen Theiles in den unteren senkrechten bildet der äussere Ring eine kleine Anschwellung, welche auch später noch an der Faseia dentata sichtbar ist. Was die Furchen der Medianfläche der Grosshirnhemisphäre anlangt, so sind am Hinterhauptlappen zwei derselben offenbar übereinstimmend mit der späteren Fissura parieto-oceipitalis und calearina; unterhalb der letzteren findet sich noch ein Einschnitt, welcher unter der Spitze des Hinterhauptlappens auf den Hemi- sphärenrand übergeht. Die vordere (senkrechte) Bogenfurche ist deutlich. An der Höhlenfläche des dritten Ventrikels zeigt sich das Foramen Monroi bereits stark eingeengt durch das Hinüber- wachsen des Balkens mit dem „Verwachsungsrand“ oder der verlängerten Schlussplatte nach hinten. Eine Commissura mollis ist nicht sichtbar. Das folgende Stadium (Ende des fünften Monats) wird dureh die grössere Streckung des Balkens nach hinten ceharakterisirt. Die Länge des Balkens beträgt bei einem Gehirn (L) von 38 mm Hemisphärenlänge, in gerader Richtung gemessen bereits 10 mm. 3ei der von zufälliger Gestaltveränderung durch Druck, Härtung u. s. w. abhängigen Verschiedenheit der Krümmung kann dieses Maass sich ebenfalls ändern. Der Abstand des Balkenknies vom vorderen Ende der Hemisphäre ist 9, der Abstand des Splenium Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 325 vom hinteren Ende 19mm, die Dieke des Balkens an seinem hinteren Ende etwa 1,2mm, die Höhe des Septum pellueidum oberhalb der vorderen Commissur 5 mm, ‚seine grösste Länge 9 mm. Das hintere Ende des Balkens reicht auf dem Medianschnitt bis zur Mitte des Sehhügels; dem entsprechend bildet der Ver- wachsungsrand zwischen vorderer Commissur und Splenium einen flachen gegen die Horizontale geneigten Bogen, welcher sich genau der Wölbung des Sehhügels anschliesst und das Foramen Monroi fast vollständig verdeckt. Die mediale Fläche des Septum pellueidum ist nach oben und lateralwärts geneigt, so dass die Höhle dieht unter dem Balken am weitesten ist; hier ist auch die Wand der Hemisphäre am stärksten verdünnt, weswegen an dieser Stelle leicht Einrisse bei der Härtung entstehen. An dem Gehirn L bildet das Knie am Uebergang zum Schnabel einen ziemlich scharfen Winkel, und zwar ist die Trennungsfläche des Rostrum etwas nach aufwärts gerichtet, wohl in Folge einer geringen Einziehung der Hemisphärenwand bei der Härtung. Zwi- schen dem Ende des Rostrum und der vorderen Commissur ver- läuft eine glatt abgerundete Kante, als untere Begrenzung des Septum, doch vermochte ich keine Spur einer Trennungslinie zu erkennen. Das unterhalb dieses Randes gelegene dreieckige Feld vor der Schlusslamelle wird nach vorn von dem Rest der vorderen Bogenfurche (Ineisura prima) begrenzt. Der ganze Balken wird an seinem convexen Umfang von der Spitze des Rostrum an durch einen schmalen nach hinten etwas verdiekten Saum umgeben, welcher so aussieht, als stecke der Balken in einer Art Hülse, die durch den lippenförmig hervorgedrängten Saum der Hemisphärenoberfläche gebildet wird. Nach hinten geht der Saum mit einer leichten Anschwellung unmittelbar in den äusseren Ring des Randbogens über. Das Splenium tritt in Form eines abgerundeten Keils in schräger Richtung aus der Rinne zwischen beiden Abtheilungen des Randbogens hervor und geht nach vorn mit seiner unteren Fläche allmählich in den inneren Ring über; die Verbindung zwischen beiden wird durch den flügelartig verbreiterten Theil des Bogens gebildet, welcher nach vorn in das Septum sich fortsetzt. Die Verbindung der Hemisphären längs des Bogens bildet dauernd eine ganz schmale Linie. Wie aus der Abbildung (Fig. 16) ersichtlich ist, kreuzen 326 F. Marchand: sich die beiden Bögen, der Fornix mit seiner Fortsetzung nach vorn, welehe das eigentliche Septum bildet, und der median- wärts verbreiterte Bogen, welcher sich an das Splenium anlegt, in eigenthümlicher Weise, nach Art der Flügel einer Schiffsschraube. Bei aufmerksamer Betrachtung sieht man um den freien Rand des Splenium eime zarte Streifung verlaufen, welche sich auf die „verlängerte Schlussplatte“ fortsetzt. Dieselbe ist nichts an- deres als die Stria longitudinalis Laneisi, während der den Bal- ken umgebende Saum die Taenia tecta darstellt. Der innere Randbogen mit seiner vorderen Fortsetzung hat bereits ganz die Bedeutung des Fornix, doch sind die vorderen Säulchen desselben auch in diesem Stadium noch wenig ausgebildet. Der äussere Randbogen bildet, wie dies bereits ebenfalls längst bekannt ist, die Fascia dentata, welche aber noch keine Einkerbungen be- sitzt. Die Furche zwischen beiden Theilen des Bogens ist stark verschmälert, nach unten jedoch wieder erweitert. Was die Beschaffenheit der Medianfläche der Hemisphäre im übrigen anlangt, so zeigt dieselbe nur im hinteren Theile zwei Einkerbungen, als letzte Reste der entsprechenden Radiärfurchen, die Anfänge..der F. parieto-oceipitalis und der F. calcarina; an der Medianfläche des Stirnlappens den Anfang des S. calloso-mar- sinalis, welcher anscheinend aus den Resten des vorderen Theils der Bogenfurche hervorgegangen ist; der den Balken umgebende Theil der letzteren ist ganz abgeflacht. In diesem Stadium hat das Grosshirn seine wesentliche Ausbildung erhalten. An der conveten Fläche zeigt sich die Fossa Sylvii als allseitig umgrenzte Vertiefung, nur die vordere Begrenzung ist noch flacher; anderweitige Furchen sind noch nicht vorhanden. Ein zweites, ungefähr demselben Stadium angehöriges Ge- hirn (Hemisphärenlänge 38 mm) zeigte leider den Balken im vor- deren Theil auseinandergerissen, den vorderen oberen Theil des Septum pellueidum beiderseits durch eine länglieh-runde Lücke durchbrochen, indess war das Gehim im übrigen sehr gut er- halten und gut gehärtet (K Fig. 15). Auf dem Medianschnitt zeigt sich "die Form des dritten Ventrikels in sehr charakteristischer Weise gegen’ ‚früher‘, durch das Hinüberwachsen des Balkens mit der verlängerten Schluss- platte, welche sich mehr und mehr der Horizontalen nähert, ver- Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 327 ändert. Hierdurch wird die Regio thalamica erheblich eingeengt, das Foramen Monroi verdeckt. Unterhalb der verlängerten Schlussplatte liegt die Tela chorioidea des dritten Ventrikels mit dem Plexus, welcher dieht oberhalb des Foramen Monroi durch Gefässe mit der Schlussplatte verbunden ist, während zugleich das Epithel an dieser Stelle von der Unterfläche der Ventrikel- decke auf die vordere Schlussplatte übergeht. In dem vom Balken noch nicht überdeekten Theile des dritten Ventrikels wölbt sich die Deeke desselben (d. h. Epithel mit Tela chorioi- dea) blasenförmig hervor, an der Insertion seitlich die Fälte- lung des sich entwickelnden Plexus zeigend. Die Bildung des Conarium, der Stiele desselben und der hinteren Commissur ent- spricht bereits der bleibenden Form. Die mittlere Commissur war auch an diesem Gehirn noch nicht nachweisbar. Sechster bis achter Monat. An dem Gehirn des sechsten Monats (O, Länge der Grosshirnhemisphäre 42mm) reicht der Balken, dessen Länge 14 mm beträgt, mit seinem hinteren Ende noch nicht ganz über den Sehhügel. Knie und Rostrum sind vollständig ausgebildet, das erstere an dem abgebildeten Gehirn etwas schärfer gebogen als gewöhnlich (Folge der Härtung, wodurch der Stirntheil etwas stärker eingedrückt ist). Das Rostrum setzt sich in die Tmm lange dünne Lamina genu fort, welche das Septum pellueidum von unten begrenzt!). Der obere Rand des Septum war auch an diesem Gehirn von dem Balken durch eine Spalte getrennt. Die Höhle des Septum erstreckt sich nach hinten bis zum Splenium und wird zwischen diesem und dem Foramen Monroi durch die sogenannte „verlängerte Schlussplatte* abgegrenzt, welche nunmehr als „Bodenlamelle des Cavum septi“ zu bezeichnen ist. Der vorderste, das Foramen Monroi umgebende Theil dieser Platte bildet einen kleinen Vorsprung an der unteren Fläche, welcher die Verbindungsstelle mit der Tela ehorioidea an der Decke des dritten Ventrikels bezeichnet. Von hier an liegt die 1) Die Bezeichnung „Commissura baseos alba“ (Henle) ist für diesen Theil nicht zutreffend, da diese Lamelle gar keine Commissur- fasern enthält. Jener Ausdruck passt füglich nur auf das hintere Ende des Rostrum, wie aus der Betrachtung der Durchschnitte her- vorgehen wird. — 328 F. Marcehand: dünne Lamelle frei über der letzteren, jedoch noch durch em zartes Blatt der Pia mater von derselben getrennt. Der hintere, der Oberfläche des Sehhügels sich anlegende Theil der Lamelle ist ausserordentlich zart und durchseheinend. Seitlich geht das Blatt in den bereits deutlich zum Fornix umgebildeten Theil des Randbogens über, bildet jedoch keineswegs eine zwischen den freien Rändern des letzteren ausgespannte Verbindung; eine solehe findet eigentlich nur in dem vordersten Theil statt, wel- cher der Gegend des späteren Corpus fornieis entspricht. Doch liegen hier die beiden Hälften des Fornix so eng aneinander, dass der dieselben verbindende Theil der Lamelle nur äusserst schmal ist (s. Fig. 22e). Aus der ganzen Darstellung geht ohne Weiteres hervor, dass keineswegs die ganze Wandung der Höhle des Septum pellueidum der eigentlichen Wand des Seitenventrikels angehört. Man hat vielmehr den Sei- tenwandtheil, welcher dem bleibenden Septum entspricht, von der Boden-Lamelle zu unterscheiden, welche später mit dem Balken verschmilzt. Der Seitenwandtheil besitzt eine ziemlich beträchtliche Dieke und hat auf dem Querschnitt in den vorderen Abschnitten eine zugespitzt konische, weiter hinten mehr drei- eckig prismatische Form, dem Querschnitt des Fornix entsprechend, welcher sich nach vorn flügelförmig verbreitert. Der zwischen Splenium und Glandula pinealis freibleibende Raum wird durch die kappenförmig sich vorwölbende Decke des dritten Ventrikels eingenommen, an deren Innenfläche, der Taenia medullaris des Ventrikels folgend, der regelmässig gefältelte Plexus chorioideus erscheint, welcher sich bis auf die Stiele der Zirbeldrüse fortsetzt. Hier liegt auch die Insertions- stelle der Tela chorioidea. An der Höhlenfläche des dritten Ventrikels ist das sehr deut- liche Ganglion habenulae sichtbar, welches sich in die allmählich sich. verschmälernde, etwas eingekerbte Taenia medullaris fort- setzt, davor der noch erkennbare Suleus habenulae, welcher unter der Regio thalamieca mit dem Suleus Monroi zusammenfliesst. Am vorderen Theile des letzteren ist eine Anzahl feiner Fältchen an der Ventrikelwand sichtbar, welehe über die bereits einen deutlichen Vorsprung bildende Columna Fornieis hinziehen. Die mittlere Commissur ist vollständig entwickelt. An der isolirten (rechten) Hemisphäre dieses Gehirns (Fig. 18) Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 329 treten die Verhältnisse des ursprünglichen Randbogens zu dem Fornix, Splenium und der noch ganz glatten Fascia dentata am deutlichsten bei geneigter Stellung im der Ansicht von hinten und unten hervor. Man sieht hier gleichzeitig die noch sehr zarten Striae albae um das Splenium auf die untere Fläche der Boden- lamelle, und zwar seitlich von der am meisten verdünnten Stelle derselben übergehen. Alles übrige ergiebt die Erklärung der Abbildungen. An der Medianfläche der Hemisphäre sind einige Furchen bemerkbar, und zwar erstens der sehr tiefe Einschnitt der Fissura parieto-oceipitalis, der weniger tiefe der F. calcarina. Am Stirn- hirn sind die Anfänge des Sule. calloso-margmalis (Pars anterior und P. intermedia oder posterior (?) nach Eberstaller)!), sowie des Suleus rostralis vorhanden. Der Rest der vorderen Bogen- furche verläuft in senkreehter Richtung nach aufwärts. Die späteren Stadien bieten keine wesentlich neuen Ver- hältnisse; ich kann mich daher begnügen, den Abbildungen einige kurze erläuternde Bemerkungen hinzuzufügen. Die Darstellung des Kopf-Durehschnittes eines Foetus von 14,5 cm SSL ist hauptsächlich gewählt, um die Gestaltverhält- nisse des Balkens in möglichst natürlichem Zustande an einem Gefrierschnitt zu zeigen, da alle stark gehärteten Gehirne durch die unausbleibliche Sehrumpfung mehr oder weniger erhebliche Formveränderungen des Balkens darbieten. An der gezeichneten linken Hälfte ist die Hirnsichel nebst den weichen Häuten in Verbindung mit dem Schädel und Gehirn gelassen. Die Länge der Hemisphäre beträgt eirca 50mm. Der Balken erscheint im seiner natürlichen Krümmung, welche viel stärker ist, als: an den vorher beschriebenen Gehirnen. Er reicht nach hinten bis zum Hinterrande der Zirbeldrüse, ist aber von dieser noch durch einen Abstand von 3mm getrennt. Seine Länge beträgt 20 mm, seine Dieke 1,5mm. Die Höhle des Septum, welche sich noch bis an das Splenium erstreckt, misst 17—18mm in der Länge und 6 mm in der Höhe. In dem Raum zwischen dem Splenium und der Glandula pinealis ragt die Tela chorioidea des dritten Ventrikels in Ge- stalt einer nach hinten etwas zugespitzten Kappe hervor, indem 1) Das Stirnhirn, Wien und Leipzig 1890. 330 F. Marchand: sie sich mit ihrer oberen Grenze genau an den bogenförmigen unteren Rand der Sichel anlegt. Die untere Wand der Kappe bedeckt die obere Fläche der Glandula pinealis, an deren Vorder- rand die Tela ehorioidea fixirt ist. Die Fixirungslinie geht seit- lieh auf die Stiele der Zirbel über, dann weiter auf die Taenia medullaris des Sehhügels. An einem Gehirn aus dem siebenten bis achten Monat be- trägt die Länge des Balkens im gehärteten Zustande 34 mm, doch ist der Balken durch stärkere Krümmung des vorderen Theiles etwas verkürzt. Das Splenium bildet bereits eine deut- liche Anschwellung am hinteren Ende. Die Höhle des Septum pellueidum reicht nach hinten bis an das Splenium heran (Länge 25 mm, grösste Höhe 8Smm). Die Bodenlamelle des Cavum septi ist in ihrem ganzen hinteren Theile sehr dünn und durchschei- nend; sie legt sich hier dieht an die Oberfläche des Thalamus an. Die Tela chorioidea des dritten Ventrikels ist in ihrem hinteren freien Theile, wo dieselbe zwischen Splenium und Glan- dula pinealis hervorragt, noch etwas spitzer kappenartig hervor- gezogen, als früher; sie reicht noch etwa 4mm über die Glan- dula pinealis nach hinten und ist mit der oberen Fläche der letzteren bereits fest vereinigt. Das Foramen Monroi ist spaltförmig verengt; die Säulehen des Fornix, welche dasselbe im Bogen von vorn her umgeben, sind nur an ihrem unteren Rande durch einen schmalen Saum vereinigt, welcher sich nach hinten in die dünne Bodenlamelle des Cavum septi fortsetzt; dieht hinter dem Foramen Monroi liegt die Fixirungsstelle der Tela chorioidea. Der Ueberrest der vorderen Bogenfurche ist als scharf aus- geprägte, senkrecht nach der Spitze des Rostrum gerichtete ge- rade Furche erkennbar; zwischen ihr und der vorderen Schluss- platte bleibt eim unregelmässig dreieckiges ebenes Feld. Der Suleus ealloso-marginalis ist bereits vollständig ausgebildet, ebenso der Suleus rostralis. Von der linken Hemisphäre dieses Gehirns wurde eine Reihe frontaler Durchschnitte angefertigt, welche die Gestalt- und Lageverhältnisse des Seitenventrikels, des eigentlichen Septum pellueidum, des Fornix und der Bodenlamelle des Cavum septi zeigen (s. Fig. 22). Die Gestalt des letzteren ist auf dem Durch- schnitt dreiseitig prismatisch, mit nach unten gerichteter Kante; Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 331 der Formix nimmt nach hinten gar nicht mehr Theil an der Be- grenzung der Höhle). Im weiteren Verlauf der Entwickelung kommt bekanntlich eine Verkleinerung des Cavum septi dadurch zu stande, dass 1) die beiden Seitentheile des Formix sich oberhalb und hinter dem Foramen Monroi an einander legen und verwachsen, und dass 2) die Bodenlamelle des Cavum septi sich an die untere Fläche des Balkens anlegt und sich meist untrennbar mit ihr verbindet. Eine Querfaserung ist in dieser sehr feinen Lamelle nicht be- merkbar. Die Verschmelzung scheint vom Splenium nach vorn fortzuschreiten. Zuweilen *bleibt ein spaltförmiger Raum zwischen der Lamelle und der unteren Fläche des Balkens übrig (sog. Verga’scher Ventrikel); ich habe nur einmal beiderseits neben dem vollständig verschmolzenen mittleren Theile Reste eines sol- chen Spaltraumes beim Erwachsenen gefunden. Der kappenförmige hintere Theil der Tela chorioidea des dritten Ventrikels redueirt sich allmählich zu einem sehr engen spitzen Fortsatz, welcher sich in den schmalen Zwischenraum zwischen Splenium und Corpora quadrigemina einschiebt (Recessus suprapinealis Reichert). Auf dem Querschnitt ist dieser Fort- satz kreisförmig?). : In einer späteren Arbeit soll die innere Entwickelung des foetalen Gehirns mit besonderer Berücksichtigung des Balkens und der vorderen Commissur nach den Durchschnitten dargestellt werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVI. Gemeinschaftliche Bezeichnungen. e Grosshirn. vb Vordere Bogenfurche. bf Bogenfurche, oberer Theil. rı? Radiärfurchen. em Sule. calloso-marginalis. po Fiss. parieto-oceipitalis. sh S. Hippocampi. ca Fiss. calcarina. 1) Diese Gestaltverhältnisse des Cavum septi sind bereits gut dargestellt von Reubold, Festschrift zur 3. Säcularfeier der Univer- sität Würzburg, 1882, Bd.I, S. 176 und Taf. VII. 2) Eine gute Darstellung dieser Theile vom Gehirn des Er- wachsenen auf den Längsschnitt findet sich in dem grossen Pracht- werk von Key und Retzius. 332 F. Marchand: rb Randbogen. i Infundibulum. rb‘ Aeusserer Randbogen. h Hypophysis. fx Fornix. {m Foramen Monroi. fi Fimbria. ı sm Sulec. Monroi. fd Fascia dentata. ı t? Tela chorioidea ventr. III. eh Gyrus Hippocampi. | pl® Plexus ventric. III. u Uneus. ' lt Lamina terminalis, vordere is Insel. Schlussplatie. ce Corp. eallosum. l/ Verdiekung derselben. spl Splenium. | ep Commissura posterior. ro Rostrum. cm Comm. mollis. ge Genu corporis callosi. ‚ gp Glandula pinealis. sl Stria longitudinalis (Nerv. Lan- | rp Rtcessus pinealis. eisi). tm Taenia medullaris ventr. II. tt Taenia tecta. (s. habenula). sp Septum pellueidum. gh Ganglion habenulae. ssc Sulc. striae corneae. sh Suleus habenulae. es Corp. striatum. ro Recessus opticus (s. chiasmatis). ss Stiel des Corp. striatum. ı ch Chiasma. pl Plexus lateralis. | o Nerv. optieus. ol Nerv. olfactorius, Riechlappen. | ma Corp. mammillare. so Suleus olfactorius. ' a Aquaeduetus. th Thalamus opticus. p Pulvinar. eg Corp. quadrigemina. cb Cerebellum. v3 Ventrieulus II. v* ventrieul. IV. rt Regio thalamica. ri Regio infundibuli. Pie. 1. pl* Plexus ventrie. IV. Gehirn aus dem dritten Foetalmonat, Ansicht von der rechten Seite, natürl. Grösse, geometr. Zeichnung. (Embryo von 45mm SSL; Länge der Grosshirnhemisphäre 14,5 mm). (C). Dasselbe Gehirn, nach Abtragung der rechten Hemisphäre und des rechten Sehhügels durch Medianschnitt. Vergr. 4 mal. (C). x Schnittfläche. It” der feine Saum des Randbogens ober- halb der Verdickung der vorderen Schlussplatte. Gehirn aus dem dritten Foetalmonat, nach Abtrennung der rechten Hemisphäre an der Verbindung mit Sehhügel und Stammlappen;. Ansicht von der rechten Seite 2mal vergr. Länge der Grosshirnhemisphäre 17 mm. (A). x Schnittfläche der Stammstrahlung (Caps. interna). x X Schnittfläche des Stamm- lappens. i Aeussere Fläche der Trichter-Region. Gehirn eines Embryo von 5,5 em SSL; Länge der Grosshirn- hemisphäre eirca 20 mm; Ansicht von der rechten Seite, natür- liche Grösse. (E). An der Oberfläche eine Anzahl flacher radiär angeordneter Furchen, von der Fossa Sylvii ausgehend, eine tiefere Furche in der Verlängerung der letzteren nach der Spitze des Hinterhauptlappens. Ueber die Entwickelung des Balkens im menschlichen Gehirn. 3353 Fig. 5. Fig. 6. = 1 1 Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Dasselbe Gehirn, nach Abtragung der rechten Hälfte des Grosshirns durch einen Medianschnitt. 4 mal vergr. Medianschnitt des Kopfes eines Embryo von 4 Monaten, nach Abtragung des Schädeldaches. Natürl. Grösse. Medianschnitt des Gehirns (in situ) desselben Embryo (G), 2mal vergr. ce erste Anlage des Balkens. Die isolirte linke Hemisphäre, von aussen gesehen, mit einer Anzahl mehr oder weniger tiefer radiärer Furchen und Ein- schnitte, welche als Folge der Härtung zu betrachten sind. Dieselbe Hemisphäre, nach der Ablösung vom Sehhügel, me- diale Fläche, 2mal vergr. r/’—r* Radiärfurchen. ce erste An- lage des Balkens. rb Randbogen mit der sich nach hinten vertiefenden Rinne zwischen dem inneren und dem äusseren Ring. Unter dem Saum des ersteren schiebt sich der sichel- förmige Rand des Plexus lateralis hervor, welcher bei der Ablösung des Sehhügels von der Stria cornea (richtiger vom Suleus striae corneae) abgetrennt ist. . Rechte Hemisphäre eines zweiten Gehirns desselben Ent- wickelungsstadiums nach Ablösung vom Sehhügel (F). x Tren- nungsfläche. Medianschnitt des Kopfes eines Embryo von 4 Monaten. Länge der Hemisphäre 26mm. Natürl. Gr. (P). Linke Hälfte desselben Gehirns, Medianschnitt, 2mal vergr. Erster Anfang der Höhle des Septum pellueidum. Linke Hälfte eines Gehirns vom fünften Foetalmonat, natürl. Gr. (J). Länge der Hemisphäre 23mm. Das Gehirn war durch Compression des Kopfes in der Gegend des Stirn- und Scheitellappens beschädigt und erscheint dadurch etwas ab- geflacht; der vordere Theil der Bogenfurche ist tiefer als normal; die Hemisphärenwand erwies sich im Grunde der Furche als eingebrochen und einwärts gerollt; oberhalb des noch kurzen Balkens ist die Bogenfurche verstrichen, indem hier ein Wulst aus Hirnsubstanz vorgedrängt ist. Linke Hemisphäre desselben Gehirns, 2mal vergr. Die Bogen- furche ist in der Zeichnung wiederhergestell. Der kurze Balken lässt Splenium und Knie mit Rostrum deutlich er- kennen; die vordere untere Begrenzung des Septum pelluc. ist dagegen nicht deutlich. auch ist der Raum zwischen vor- derer Schlussplatte des dritten Ventrikels und der vorderen Bogenfurche (Ineisura prima) ungewöhnlich breit, wie es scheint, in Folge einer geringen Abweichung des Schnittes von der Medianebene nach links. Medianschnitt eines Gehirns vom fünften Monat (K), linke Hälfte. Länge der Hemisphäre 38mm. Der vordere Theil des Balkens ist in der Mitte auseinandergewichen; in Folge dessen ist eine Lücke im Septum pellueidum beiderseits ent- standen. An der medialen Fläche des Hinterhauptlappens sind 334 Fig. 16. Biel: Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Tig:r22: F. Marehand: Ueber die Entwickelung des Balkens ete. als Residuen der Radiärfurchen zwei tiefe Furchen erkennbar, welche den Cuneus zwischen sich fassen, also die F. parieto- oceipitalis und Fissura calcarina darstellen. Die schräge Furche, welche über die mediale Fläche des Stirnlappens ver- läuft und der Lage nach dem vorderen Ende der Bogenfurche entsprechen würde, scheint durch die Härtung stärker aus- geprägt zu sein. Rechte Hemisphäre eines zweiten Gehirns vom fünften Monat, vom Sehhügel abgelöst, 2mal vergr. (L). (Im Septum pellu- cidum ein kleiner Einriss.) Gehirn eines 6monatl. Embryo, rechte Hälfte, zweimal vergr. (0). Der Stirnlappen in Folge der Härtung etwas abgeflacht. Rechte Hemisphäre desselben Gehirns, isolirt, Ansicht schräg von hinten und medianwärts, um die Verhältnisse des Fornix und der jetzt noch glatten Fascia dentata zum Splenium und der Verwachsungslinie der Randbogen (sog. verlängerte Schlussplatte) zu zeigen. Ueber das Splenium verlaufen die zarten Striae longitudinales. Durchschnitt des Kopfes eines Embryo von 14,5 cm SSL, nach einem Gefrierschnitt, der in Alkohol aufgethaut wurde. f Falx. t Tentorium cerebri. sl Sin. longitudinalis, im hinteren Theil angeschnitten. st Sin. tentorii. Leider weicht der Schnitt im unteren Theil von der Mitte nach rechts ab, so dass die Me- dulla oblongata unten schräg abgeschnitten ist. Die mittleren Theile des Gehirns von demselben Durchschnitt, 2mal vergr. Man sieht das Maschenwerk der Pia mater, wel- ches den Raum zwischen Dura und Hirn ausfüllt. x Spalt- raum zwischen dem oberflächlichen Blatt der Pia und der Dura mater. k Knochenkern im Keilbein. v Vena magna. a Aeste der Arteria cerebri ant. Vorderer Theil der Medianfläche der rechten Hemisphäre eines 7monatl. Foetus. Die vordere Krümmung des Balkens ist in Folge der Härtung etwas stärker als gewöhnlich. Frontalschnitte durch Balken und Septum pellucidum mit den angrenzenden Theilen, von demselben Gehirn. Natürl. Gr. a Schnitt dicht hinter dem vorderen Ende des Septum pellu- ecidum. b Schnitt durch die Lamina genu. c Schnitt durch das Foramen Monroi und die Commissura ant. d,e Etwas weiter nach hinten. f etwa in der Mitte des Sehhügels. & Sehnitt durch den hinteren Theil des Balkens. h Kurz vor dem Splenium corp. callosi. 1 bedeutet die Bodenlamelle des Cavum septi, th die freie Fläche des Thalamus, tch die Tela chorioidea des dritten Ventrikels. 335 Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. Von Prof. E. Klebs in Zürich. Hierzu Tafel XV1. Die allmählichen Umgestaltungen, welche nach der An- nahme Darwin's unter dem Einfluss der Anpassung und Zucht- wahl die Umformung einfacherer zu vielgestaltigen Wesen be- wirkt haben, bringen an den Einrichtungen für die Ernährung des Foetus so bedeutsame Veränderungen hervor, dass auch von phylogenetischem Gesichtspunkt aus ein vergleichendes Studium derselben grosses Interesse darbietet. Welche Bedeutung in dieser Beziehung der Placentabildung zukommt, ist allerseits an- erkannt und hat seinen Ausdruck gefunden in der Bezeichnung der grossen Gruppe der Placentathiere, der Placentalia. Legt man sich die Frage vor, welche Bedeutung diese Art der Foetal- ernährung besitzt, so kann dieselbe wohl nur in einer Verbesse- rung oder Verfeinerung‘ des Nährmaterials gesucht werden, durch welche eine Weiterentwickelung der Foetalanlage, vielleicht nur in gewissen Richtungen bewirkt wird; als solche müsste nament- lich an das Nervensystem gedacht werden, welches die bedeut- samsten Weiterentwickelungen bei den Placentathieren erfährt. Aber auch innerhalb der ganzen Reihe der letzteren bestehen gewaltige Verschiedenheiten sowohl in der Entwickelung des Central-Nervensystems, wie auch in derjenigen der Foetalanhef- tung und -Ernährung. Auch die Dauer der Foetalentwickelung nimmt zu mit der höheren Stellung in der Thierreihe, wenn hier auch vielfache Ausnahmen bekaunt sind. So mag eine nach Quan- tität und Qualität reichlichere Ernährung in der Foetalperiode einen mitbestimmenden Einfluss auf die Phylogenese gewinnen und kann es daher nieht Wunder nehmen, dass die dieser wichtigen Funetion gewidmeten Einrichtungen ausserordentlich mannigfaltige Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 22 336 SEE KülrerbiE Verhältnisse darbieten können. In allen diesen variablen Zu- ständen aber wird sich ohne Zweifel eine stetige Reihenfolge der Entwickelungsvorgänge nachweisen lassen. Das erste Erforder- niss hierzu wäre eine genaue Kenntniss von der Bedeutung, welche die einzelnen, an dieser Bildung theilnehmenden Gewebe sowohl in morphologischer, wie in physiologischer Beziehung be- sitzen. Betrachtet man die mächtigen Bluträume, welche die Zotten der menschlichen Placenta erfüllen, so könnte man geneigt sein, dien Placentaten einen sehr hohen Grad des Gasaustausches zwi- schen Mutter und Foetus zuzuschreiben. Dennoch bleibt nicht zu übersehen, dass auch bei diesen 'Thieren eine einfache, oft doppelte Schicht von Epithelien, vielleicht auch Endothelien (Waldeyer), sowie die nicht unbeträchtliche Dicke des meso- dermalen Antheils der Chorionzotten die beiden Blutarten von einander trennt. Es ist dies ein Verhältniss, welches sehr wohl geeignet ist, dem mächtigen Bau dieser Placentarbildungen in erster Linie andere, mehr den eleetiven Leistungen der Drüsen sich anreihende Funktionen zuzuschreiben, Anschauungen, welche durch die Glycogenbildungen in der maternen Placenta nicht wenig unterstützt werden. In höherem Maasse wird diese Auffassung gefördert bei denjenigen Formen der Placenta, bei denen nur ein lockerer Zu- sammenhang mütterlicher und embryonaler Theile stattfindet, wie bei den Wiederkäuern, bei denen sich die Chorionzotten leicht aus dem mütterlichen Gewebe herausziehen lassen. Bei der Pla- centa zonaria dagegen der Raubthiere, wie bei der discoiden Form der Nagethiere, Affen und Menschen ist bekanntlich der Zusammenhang beider Theile ein so inniger, dass die Loslösung der Eihäute stets innerhalb des mütterlichen Gewebes erfolgt. Auch in dieser letzten Gruppe kommen noch Differenzen in der Fixirung vor, mdem z.B. die Nagethiere, namentlich das Kanin- chen, eine totale Trennung des reifen Eies zulassen, wie die von Dohrn und mir beschriebenen freien Eisäcke in der Bauchhöhle von Kaninchen beweisen, sowie andererseits das beim Menschen nieht allzuseltene Zurückbleiben foetaler Theile im Uterus, in wel- chem sie selbständige Weiterentwickelungen durchmachen und zu Geschwulstbildungen (Deeiduome und Placentome) Veran- lassung geben können. Es ist dies unzweifelhaft der Fall bei Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 337 dem Placentarpapillom (vgl. Klebs, Allg. Pathologie II, S. 610), während die von R. Maier vor längerer Zeit beschriebene, in jüngster Zeit von V. Pfeiffer (Prager med. Wochenschr. 1890, Nr. 26) als Deeiduoma malignum bezeichnete Neubildung im Uteruskörper vielleicht als eine dauernde Weiterentwickelung mütterlicher Placentarbestandtheile aufgefasst werden kann. Namentlich diese letzteren Befunde drängen den pathologi- schen Anatomen dazu, sich in jeder möglichen Weise Aufschluss zu verschaffen über die Histogenese der menschlichen Placenta und insbesondere die genauere Bestimmung der verschiedenen Gewebsbestandtheile zu ermitteln, welche dieselbe zusammen- setzen und unter Umständen zu schweren pathologischen Stö- rungen Veranlassung geben können. Indem die vergleichende Anatomie eine so grosse Verschiedenheit in dem Bau der Pla- eenta erkennen lässt, war zu hoffen, dass sich unter den ver- schiedenen Formen auch solehe finden würden, welche die eine oder die andere der hier in Betracht kommenden Fragen leichter aufzuklären im Stande sein würden. Prineipiell dürfte ja wohl anzunehmen sein, dass im Grunde in allen Formen der Placenta derselbe Entwickelungsvorgang stattfmdet; allein indem die Durehwachsung mütterlicher und foetaler Theile: sich gegen das obere Ende der Reihe mehr und mehr steigert, wird die ur- sprüngliche Anlage mehr und mehr verwischt und unkemntlich, wie u. A. die Discussion über die Auskleidung der mütterlichen Bluträume in der menschlichen Placenta erweist. Nachdem der Satz von E. H. Weber von der intravaseulären Lagerung der Chorionzotten durch die neueren Arbeiten, namentlich aus der Schule von Langhans (Nitabuch, Rohr), sowie durch die unter meiner Leitung von L. Bloch ausgeführte Arbeit durch den genauen Nachweis der Einmündungen der Uterusgefässe in die intervillösen Bluträume sicher erwiesen erscheint, und Wal- deyer an der Affenplacenta sicherer als dies bei dem Menschen möglich, die endotheliale Auskleidung dieser letzteren erwiesen hatte, bleiben doch noch manche Fragen zu lösen übrig, unter denen namentlich diejenige nach der Natur der grossen, von Minot als Monstereells bezeichneten Deeiduazellen im Vorder- grund steht. Indem dieser Forscher in auffallender Weise die- selben erst etwas zurückhaltend (Uterus und Embryo, Boston 1889, S. 375) und hypothetisch als Abkömmlinge des mütter- 338 E. Klebs: lichen Epithels bezeichnet, dann in einer späteren Arbeit (Biolo- gisches Centralblatt Bd. 10, Nr. 4, S. 119, 1890) diese Deutung mit grösserer Bestimmtheit aufrecht erhält, geräth er in auf- fallenden Widerspruch zu allgemein angenommenen Anschauungen, welche ihnen eine mesodermale Abkunft zuschreiben. Noch mehr werden die neu gewonnenen Anschauungen Minot’s an der Ka- ninehenplacenta in Frage gestellt werden müssen, indem derselbe die zuerst als glandulöse Theile gedeuteten, in den oberen Schich- ten der Placenta vorhandenen grobkörnigen, verzweigten und ana- stomosirenden Züge (Uterus und Embryo S. 376) jetzt für inter- villöse Scheidewände erklärt, ohne eine histogenetische Erklärung zu geben (Biol. Centralbl. ]. e. S. 121). Diese Zweifel, welche auch auf die Beurtheilung patholo- gischer Vorgänge im Uterus zurückwirken müssen, veranlassen mich, auf ein Objeet einzugehen, welches ich bereits seit längerer Zeit kenne und das wohl geeignet erscheint, einzelne der un- sicheren und schwieriger zu deutenden Verhältnisse bei Kanin- chen- und Menschen-Placenten zu erklären. Es ist dies der gra- vide Uterus der weissen Ratte, über weiches Object sich Minot (Uterus und Embryo S. 379) folgendermaassen äussert: Sections of the rat’s placenta near full term show that the structure in that species is strietliy comparable to what exists in the rabbit. The surface is covered by a thin epithelium overlaying a vaseular connective tissue layer; the vacuolated tubular glands, very much degenerated, oceupy the greater part of the placenta, leaving only a thin vascular zone from which the outer zone ist lost(?), and which is therefore oceupied solely by the much altered subglandular zone of multinucleated cells. "There are many diffe- rences in details of structure from the rabbit, but the funda- mental likeness is self-evident. Die beifolgenden Zeichnungen, welche nach Paraffinschnit- ten von 10—12 Mikren Dieke angefertigt und in Delafield’s Hämatoxylin gefärbt sind, mit Nachfärbung von Eosin oder, in neuerer Zeit, mit Ponceau 4R und Orange 2L (von Meister- Lucius), wurden theilweise zuerst photographisch aufgenommen und stellt Fig. 1 eine genaue Copie eines solchen Photogramms dar (Vergr. 27 lin.). Nur einzelne Details wurden auf Grund vergleichender Betrachtung vieler Objeete auch bei stärkeren Vergrösserungen abgeändert. Allein die Schwierigkeit der Her- Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 339 stellung eines guten photographischen Drucks hat mich genöthigt, zur Zeiehnung zu greifen, welche ja immer noch Raum bietet für willkürliche Darstellung. Kollege Waldeyer, welchem ich die Photographie mittheilte und mit dem ich als einem der eom- petentesten Kenner der vergleichenden Anatomie der Placenta über viele Punkte correspondirt habe, wird mir die Ueber- einstimmung der Zeichnung mit dem Original bezeugen können. Indem bei der weiteren Verfolgung der Schnittserie, die im All- gemeinen senkrecht zur Achse des Uterus geführt war, sich ein- zelne, zuerst zweifelhafte Punkte, namentlich die Unterscheidung des mütterlichen und foetalen Epithels in unerwarteter Weise aufklärten, war ich genöthigt, noch zwei weitere Zeichnungen zu geben, welehe die centralen und seitlichen Parthien der Pla- centa darstellen (Fig. 2, 3). Hier konnten auch einige De- tails gegeben werden, welche in dem Uebersichtsbilde der ge- ringen Vergrösserung wegen nicht so wiedergegeben werden konnten, wie sie in der Photographie bei Anwendung von Loupen- vergrösserung noch ganz deutlich wahrgenommen werden können. Das Uebersichtsbild Fig. 1 zeigt bei 27facher Linear-Ver- grösserung einen Querschnitt durch die das Ei enthaltende An- schwellung. Der Ansatz des Mesenterium findet sich an der unteren, placentaren Seite und sieht man hier die mit schwarzen Massen, den gelb gefärbten rothen Blutkörperchen vollkommen ausgefüllten Arterien (a); die orangegelbe Farbe ergab die tiefe Schwärzung in der Photographie, welche auch in der Zeichnung beibehalten wurde. Nach rechts und links von diesen Arterien sieht man nur kleinere Gefässdurchschnitte, welche, nach ihrem Blutgehalt zu urtheilen, gleichfalls arterielle Bahnen darstellen. Central über den grösseren Arterien sieht man dieselben theils im Querschnitt (2), theils "aber auch im Längsschnitt (3); die grossen Venen dagegen finden sich weiterhin in den Seitentheilen des Uterus (V) und erscheinen vorzugsweise im Längsschnitt. Nach der Ausdrucksweise von Minot befinden sich demnach die arteriellen Zuflüsse vorzugsweise im dem der Subplacenta an- liegenden Uterusabschnitt, die Venen dagegen unter der Peri- placenta. Es wird daher der Blutstrom in der Decidua vera (D. v.) von der arteriellen Eintrittsstelle nach Art einer Fon- taine gegen das Uteruscentrum gerichtet sein; indem er aber hier zahlreichen Widerständen begegnet, welche durch das Ueber- 340 E. Klebs: wiegen querverlaufender Bahnen, namentlich in den äusseren Schichten der Deeidua gegeben sind, wird ein bedeutender Theil des Stromes von vorne herein nach den Seiten der Placenta hin abgelenkt. Indem ferner die einen capillaren Charakter besitzen- den Gefässbahnen der Deeidua vera sich enorm erweitern gegen die Innenfläche derselben, wird die Strömungsgeschwindigkeit in hohem Maasse verringert werden, während der Seitendruck vielleicht nur eine geringe Abschwächung erfährt. Es bleiben also auch am Ende des Gefässsystems, in den Seitentheilen der Plaeenta bedeutende Triebkräfte disponibel, durch welche die relativ grosse Blutmasse in die Abflussvenen geschafft wird. Es findet sich hier somit em Zustand arteriell capillarer Stauung, ähnlich wie sie nach den Exstirpationen des Hals-Sympathieus im Kaninchenohr auftritt, ein Zustand, der, wie neuerdings durch Morpurgo (Arch. ital. d. Biologie XII, 2) gezeigt ist, beson- ders günstig für die Vegetationsvorgänge sich darstellt. Nur ist in dem vorliegenden Falle nicht die Erweiterung der Ar- terien, sondern des Capillarraums die Ursache der höheren Druck- übertragung. Ob eine Verlangsamung der Bluteireulation bei der vasomotorischen Lähmung besteht, hängt natürlich von der Weite des capillaren Blutraumes und den Abflussverhältnissen ab; die unter allen Bedingungen angenommene Beschleunigung er- scheint nicht genügend gesichert und kann schon die bei län- serem Bestande der vasomotorischen Lähmung eimtretende mehr venöse Färbung des Theils dagegen angeführt werden. Im Glei- chen zeigt sich ja auch bei der venösen Stauung eine merkbare Hypertrophie der Theile in Gestalt der braunen Induration. Die Mehrleistung des höheren Kapillardruckes für die Ernährung des Gewebes ist wichtiger, als der Sauerstoffreicehthum des Blutes. Diesem höheren Kapillardruck leistet nun in der Decidua vera ein Gewebe Widerstand, welches als zellreiches Granula- tionsgewebe bezeichnet werden kann. Dasselbe besteht in dem mittleren Theil der Placenta, soweit dieselbe von weiten Gefäss- bahnen durchzogen ist, aus einem feinen Grundnetz von Fäden, die in Eosin und anderen hyalinfärbenden Anilinfarbstoffen, z. B. Ponceau, eine intensivere Färbung annehmen, als dies bei der gewöhnlichen Bindegewebsgrundsubstanz der Fall ist. Auch das sonst ähnlich gebaute Gewebe der Periplacenta (P. pl.) erscheint viel lichter und setzt sich hierdurch in der Photographie sehr Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 341 deutlich von den gefässreichen Theilen der Placenta materna ab. Ich möchte annehmen, dass wir es hier auch mit einem höheren Gewebsdruck zu thun haben, wie sich Aehnliches auch bei der braunen Induration zeigt. In dieses Maschennetz sind nun sehr dicht grosskermige Zellen mit mässig entwickeltem Protoplasmakörper eingelagert, welehe entweder rund sind oder etwas länglich je nach der über- wiegenden Richtung der sie umgebenden Fasermassen, welche ihrerseits durch die Gefässanordnung bestimmt wird. In der Kaninchenplacenta finden sich diese perivasculären Zellen, wie Minot ganz richtig angiebt, nur in schmälerer Schicht; bei der Ratte füllen sie den ganzen Raum zwischen den Gefässen aus. Bemerkenswerth ist dann das Verhalten der Endothelien in diesen Gefässen, welehe ungewöhnlich gross, dicht gelagert sind und stark vorspringende Kerne besitzen. Wir müssen nunmehr die innere Oberfläche der decidualen Gefässschicht in's Auge fassen. In der Photographie sehen wir dieselbe durch eine schmale dunkler gefärbte Schicht angedeutet (M), welehe von den zahlreichen und weiten Oeffnungen der Blutgefässe durchbrochen wird. Die Untersuchung mit stärkeren Vergrösserungen zeigt, wie auch mein Kollege Stöhr sofort be- stätigte, dem ich das Präparat ohne Erläuterung vorlegte, dass es sich hier kaum um etwas anderes, als glatte Muskelfasern handeln kann. Es sind lang gestreckte, namentlich in Ponceau sehr intensiv gefärbte Spindelzellen, die sämmtlich einen tief mit Hämatoxylin gefärbten, länglichen schmalen, stäbchenförmigen Kern enthalten. — Da die deciduale Wucherung, wie bekannt, sich nicht auf die Submukosa beschränkt, die im Uterus höch- stens als eine sehr dünne Bindegewebsschicht nachgewiesen wer- den kann, vielmehr die grossen Deeiduazellen, wie auch Minot angiebt, vielfach zwischen glatten Muskelfaserschichten liegen, nehmen auch die muskelhaltigen Theile der Uterinwand an der Deeidualbildung Theil und wird die oberste Schicht der Muskel- fasern durch die Zell- und Gefässwucherung weit von der nächst- folgenden abgehoben und entfernt; diese letztere findet sich als ein dunkel gefärbter Streifen an der äusseren Fläche der De- cidua vera in der Subplacenta. Nur längs der grösseren Gefäss- stämme greift das deeiduale Granulationsgewebe durch diese Schicht hindurch und dringt ein wenig in die tieferen Schichten 342 Ei Klebs: der Muskularis ein. Es erweist sich somit auch klar, wie bei dem Kaninchen als eine echte perivasceuläre Bildung!), fast könnte man sagen als eine vasculäre selbst, indem es unzweifel- haft die Gefässzellen sind, welche das Material liefern; damit tritt diese Schicht in eine Reihe mit sarcomatösen Bildungen, denen sie auch durch das starke Klaffen ihrer Gefässlumima gleicht. Für beide Fälle dürfte die gleiche Ursache, ein in höherem Maasse auf das Grundgewebe übertragener Gefässdruck in Anspruch zu nehmen sein, ein physikalisches Verhältniss, wel- ches von nicht geringerer Bedeutung sein würde, wenn auch noch andere Ursachen sich an der hyperplastischen Gewebsent- wickelung betheiligen sollten. Man sollte nun nach den früheren Darstellungen auch nach Minot erwarten, an diesen weitesten T'heilen des decidualen Gefässbaumes die epithelialen mütterlichen und foetalen Bestand- theile zu finden. Allein davon ıst in dem seitlichen Placentar- felde, das in Fig. 1 vorliegt, keine Spur vorhanden, sondern es breitet sich über den Gefässöffnungen eine zusammenhängende Schicht auffallend grosser, platter Zellen aus, welche selbst bei der geringen Vergrösserung des Bildes Kerne von ca. I—2 mm Länge erkennen lassen, die in Wirklichkeit einen längeren Durch- messer von 42 u und einen kürzeren von 33 u besitzen. . In der eigentlichen oder Gefäss-Placenta bildet diese Lage eine aus etwa 6—7 übereinandergeschichteten Zellen bestehende Lage, verdünnt sich beim Uebergange auf die Periplacenta zu einer zwei- und einzelligen Lage und lässt sich an der Innen- fläche der Ob-Placenta, der Decidua reflexa, noch als eine nicht mehr continuirliche einzellige Lage verfolgen. Die grössten dieser Zellen liegen, wo sie m mehrfachen Lagen vorhanden sind, stets zunächst der vasculären Placenta und erscheint hier auch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Zellen lockerer, als in den oberflächlichen, dem Ei zugewendeten Lagen. Die Zellen sind platt und spindelförmig, die flachen Seiten parallel der Ei- und Uterus-Oberfläche, der kürzere Durchmesser befindet sich in der Längsrichtung des Uterus, der längere in der Querrichtung; doch kommen manche Abweichungen nament- lich an den mehr vereinzelten Zellen der Ob-Placenta vor. Auch 1) Vgl. hierüber Waldeyer, Arch. f. mikrosk. Anatomie 35. Bd., 1890, S. 47 ff. Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 345 an den diehtesten Lagen dieser Zellen bemerkt man, dass sie nur mit ihren Ausläufern, deren oft eine grosse Anzahl an den spitzen Enden vorhanden ist, zusammenhängen, so dass sie eine Art Maschenwerk bilden, dessen Diehtigkeit von der Gefäss- schicht der mütterlichen Placenta gegen die Eioberfläche zu- nimmt. Nun bleibt die innere und äussere Oberfläche dieser Monster- zellenschicht zu betrachten, von denen die letztere an guten Prä- paraten sofort sicheren Aufschluss über die Bedeutung derselben ergiebt. Schon bei der Betrachtung des Uterus-Querschnittes in Fig. 1 ergiebt sich, dass dieselben regelmässige Einsenkungen in die weiten Gefässöffnungen der vasceulären Schicht aussenden, welche wie Zapfen in dieselben eintreten, ohne sie gänzlich aus- zufüllen. An zahlreichen Stellen sieht man diese Zapfen an die eine Wand des Gefässes sich anschliessen, während an anderen sie scheinbar frei im Lumen liegen. Gerade in der Mitte der Zeichnung, an der tiefsten Stelle der Aushöhlung der becher- förmigen Placenta sieht man diese beiden verschiedenen Verhält- nisse dieht neben einander in deutlichster Weise. Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man aber m den aufeinanderfolgenden Schnitten den Uebergang eines jeden dieser Zapfen in das Ge- fässendothel, dessen Zellen gegen die offene Mündung des Ge- fässes bin ziemlich plötzlich an Höhe und Breite zunehmen. Wäh- rend jene stark vorspringende, aber blasse, nur wenig chroma- tinreiche Kerne besitzen, erscheint bei diesen der Kern um das 10Ofache vergrössert und enthält ein sehr reiches Fadennetz, das mit zahlreichen Chromatinkugeln besetzt ist und ausserdem ein oder mehrere Nucleolen besitzt. Die letzteren färben sieh na- mentlich intensiv in Saffranin und erreichen mit 5 u Grössen, welche derjenigen der ursprünglichen Kerne gleichkommen. Mi- tosen habe ich auffälliger Weise in diesen Monsterzellen nicht gesehen, obwohl sie sich in dem von der Oberfläche viel weiter entfernten embryonalen Gewebe ausserordentlich häufig vorfinden. Jene erscheinen daher mehr als eine stationäre Bildung, deren Volum, durch gesteigerte Nahrungsaufnahme bewirkt, eine reine Form der Hypertrophie darstellt. Es wird dadureh natürlich nicht ausgeschlossen, dass in jüngeren Entwickelungsstadien, bei der ersten Bildung dieser Zellen auch hier mitotische Processe stattfinden. 344 E. Klebs: Die innere Oberfläche dieser Zone von Monsterzellen ver- hält sich verschieden in der eigentlichen, vasculären Placenta und in der gefässarmen Ob-Placenta. Dort tritt mütterliches und foetales Epithel in nächste Beziehung zu demselben, indem sich in den seitlichen Theilen der Placenta nur eine schmale und auch nach den Seiten hin wenig ausgedehnte Auflagerung des ersteren zeigt (Fig. 1), während dagegen in den Figuren 2 und 3 diese Lage immer mehr zunimmt in beiden Dimensionen (m. E.). In den mittleren Zonen (Fig. 2) stellt dasselbe einen senkrechten, parallel zur Achse geführten Kegelschnitt dar, während im Cen- trum der Placenta sich die Spitze des Kegels vorfindet in Ge- stalt einer drüsenartigen Bildung, deren Ende nach oben umge- bogen ist (Fig. 3), so dass der ganze Durchschnitt der mütter- lichen Epithelmasse die Form einer umgekehrten phrygischen Mütze besitzt. Der tiefste Theil derselben trägt unverkennbar den Charakter einer Drüse an sich, welche nur gegenüber den zewöhnlichen Uterindrüsen enorm vergrössert ist; auch entspricht dieser Theil nur einer einzigen Drüse. In dem ganzen übrigen Umfang der durch die Eientwiekelung aufgetriebenen Uterus- höhle ist keine einzige Uterindrüse erhalten ausser dieser. Es lässt sich also annehmen, dass die befruchtete Eizelle sich in oder an einer einzigen Drüsenmündung implantirt hat und beide mit einander dann zu der gegenwärtigen Grösse herangewachsen sind. Der Deeidua-Sack aber, welcher das Ei umhüllt, ist aus der nächsten Umgebung dieser Drüse hervorgegangen, die übrigen Drüsen des durch den Eisack aufgetriebenen Uterinabschnitts scheinen gänzlich verloren gegangen zu sein. Die ersten, etwas atrophischen und verdrückten, der Oberfläche parallel gestellten Uterindrüsen finden sich erst am unteren und oberen Ende der Uterinauftreibung, wo dieselbe in engere Abschnitte des Uterus- schlauches eindringt. Ich komme später auf die Verhältnisse dieser Theile nochmals zurück. Die die Grundlage der Eientwiekelung und Placentarbil- dung liefernde Uterindrüse besteht, ‘wie Fig. 3 zeigt, aus einem tieferen, horizontal oder parallel zur Uterusoberfläche gestellten Fundustheil, der eine regelmässige Epithelauskleidung zeigt mit eubischen oder etwas eylindrischen Zellen und ein freies Lumen, in welehem sich stellenweise einige Leukocyten vorfinden, und aus einem aufsteigenden, sich kegelförmig erweiternden Theil. Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 345 Dieser letztere besitzt nır m dem unteren Absehnitt, bis etwa zur Oberfläche der ursprünglichen Schleimhaut, ein Lumen, das aber nach oben hin von immer dieker werdenden Lagen von Epithelzellen ausgekleidet ist. Es endet dieses Lumen L genau in der Höhe der Monsterzellenschieht. Der oberste Theil der mütterlichen Epithelschieht bildet eine solide Ausfüllungsmasse der triehterförmigen Einsenkung der Monsterzellen-Schicht und verbreitet sich nur in der Mitte noch ein wenig als mehrfache Zelllage über die innere Oberfläche der letzteren (Fig. 3 rechts). An dem vorderen Ende, gegen den Uterus hin hört diese Schicht viel früher auf, indem sie sich hier bald zu einer dünnen, ober- flächlich gelegenen Zunge verschmälert, deren Querschnitt in Fig. 1 zu sehen ist; dieselbe ist auch hier der Monsterzellen- schicht aufgelagert. Dieser obere, eines Drüsenlumens entbehrende Theil der mütterlichen Epithelschicht erscheint nun von zahlreichen, bald rundlich-eckigen, bald länglichen Lücken durchzogen, welche in querer oder schräger Richtung zur Längsachse des Drüsentheils verlaufen und sich vielfach an der äusseren Oberfläche des Epi- thelzapfens eröffnen (Fig. 3); hier lagert sich das Monsterzellen- gewebe ihnen unmittelbar an und sendet Fortsätze in diese Epithelspalten hinein, wie namentlich in Fig. 2 zu sehen ist. Ob der in dieser Figur abgebildete grössere Hohlraum in der Mitte noch ein Theil des Drüsenlumens sei, konnte ich nicht sicher ermitteln, doch entbehrte derselbe der Monsterzellen. Zahlreiche dieser Kanäle münden auch an der inneren Oberfläche der Epithelschieht aus und zwar in eimen breiten Spalt (Sp.), der die Oberfläche des mütterlichen von dem foetalen Epithel scheidet; nur an relativ weit entfernten Stellen wird derselbe von Epithel- balken durchzogen, welche die beiden Epithellager mit ein- ander verbinden. Das foetale Epithellager (Foet. Ep.) ist überall von ziem- lich gleicher Breite, welche nur in der Mitte derjenigen der mütterlichen Epithellage (m. Ep.) gleichkommt, so dass hier die Enden beider in gleicher Höhe sich finden (Fig. 3, namentlich rechts). Weiter gegen das obere und untere Ende der Placenta behält die foetale Epithellage ihre Breite bei, während das mütterliche Epithel sich, wie schon bemerkt, mehr und mehr verschmälert. Hier sind nur noch einzelne Epithelbalken vor- 346 E. Klebs: handen, welche den Spalt überbrücken und sich unmittelbar der Monsterzellenschieht anlegen, wie dies hier auch der Fall ist mit den äusseren Enden dieser Schicht (bei Fig. 1B). Betrachten wir nun die foetale Epithelschicht, so begegnen wir bekannten Gebilden und Anordnungen. Dieselbe ist viel- fach gefältelt und dringen in die der Eihöhle zugekehrten Hohl- räume dieser Falten die foetalen Blutgefässe der Chorionzotten ein, namentlich in Fig. 3 bei v. F. S. (vasculäre Foetalschicht) gut zu sehen. Die Chorionzotten sind also hier nur von foetalem Epithel überzogen, dem sieh vielleicht stellenweise endotheliale Elemente (in den Zeichnungen nicht abgebildet) in geringer Menge bei- mischen. Die Epithelbalken, welche den interepithelialen Spalt durchsetzen, scheinen theils dem mütterlichen, theils dem foetalen Epithel anzugehören; es ist dies schwierig zu unterscheiden, da beide Elemente nahezu die gleiche Grösse besitzen. Im Allge- meinen mögen allerdings die foetalen Elemente etwas kleiner sein, als die mütterliehen, aber indem manche der ersteren an Grösse zunehmen und manche der letzteren auffällig klein sind, wird eine scharfe Grenzbestimmung zwischen diesen beiden Ele- menten ganz unmöglich. Es liegt natürlich auch die Möglich- keit einer Vermischung derselben vor, so dass mütterliche Zellen, indem sie balkenförmig auswachsen, in die eigentliche foetale Epithelschicht hineingelangen, wie dieses an solchen Stellen wahr- scheinlich, an denen die Balken mit breiter Basis von der zu- sammenhängenden mütterlichen Epithelschieht entspringen, wie dies auf der rechten Seite der Fig.3 und in der Mitte von Fig. 1 dargestellt ist. Für diejenigen Epithelbalken, welche seitlich von der mütterlichen Epithelschieht von dem zusammenhängen- den Lager des foetalen Epithels mit breiterer Basis entspringen (Fig. 1 links), erscheint eine foetale Abstammung derselben wahr- scheinlich. Ich gebe zu, dass zur sicheren Entscheidung der hier von mir vertretenen Anschauung über die Bedeutung des in Rede stehenden Zellenlagers noch weitere Untersuchungen, na- mentlich jüngerer Entwickelungsstadien, erforderlich sind. Zur Erläuterung des Ursprungs des Epithelüberzugs der Chorionzotten sei hier nur einiges über den Bau der Eihäute hin- zugefügt, wie er sich in dem vorliegenden Objeete darstellt. Vielleicht komme ich bei einer anderen Gelegenheit darauf zurück Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 347 und behalte mir vor, dann eingehender diese Fragen zu behan- deln. Die Eihäute bestehen in der ganzen Ausdehnung des Ei- sacks der Ratte aus 3 Lamellen, die sich leicht von einander trennen. Zu innerst befindet sich, theilweise noch dem Foetus- körper dicht angelagert, das Amnios, hier eine einfache Schicht platter spindelförmiger Zellen. Dann folgt nach aussen eine breite, dunkler gefärbte Schicht, welche Blutgefässe enthält, die nach innen zu stark vorspringen und mit kernhaltigen foetalen Blutkörperchen gefüllt sind, so in Fig. 1 bei All. Es ist dies die allantoide Schicht, welche aber nicht bloss mesodermale Ele- mente und Blutgefässe enthält, sondern noch eine continuirliche Lage Allantois-Epithel besitzt. An anderen Schnittserien habe ich den Uebergang der Epithelauskleidung des Allantoisganges in diese Epithelschicht nachweisen können. Eine besondere Beachtung verdient nun die dritte, am wei- testen nach aussen gelegene Schicht der Eihäute, welche aus einer feinen doppelteontourirten Membran besteht, die an ihrer inneren Oberfläche damit fest verbundene Zellen trägt. Die Kerne derselben sind kugelig und springen stark hervor, wäh- rend der Zellkörper nur sehr schwach entwickelt ist. Die Mem- bran erscheint daher auf dem Querschnitt wie eine Perlschnur (S. M. Figur 1), deren Perlen aber einseitig aufgereiht sind. Von der Fläche gesehen, stellen sie polygonale Elemente dar, deren Ränder vielfach in feine Fäden übergehen, die Lücken zwischen sich lassen. Sie erinnern am meisten an die bekannt- lich eontraetilen Endothelzellen der inneren Fläche der desceme- tischen Membran. Ich wäre geneigt, sie für den ursprünglichen inneren Zellüberzug der Zona pellueida zu halten, eme Bildung, die aus eingewanderten Elementen hervorgeht. Ob sie mit Minot als Eetoderm bezeichnet werden dürfen, ist mir zweifelhaft; besser ist die in der Zeichnung gewählte Bezeichnung „seröse Membran“ (S.M.). Jedenfalls stehen die Zeilen dieser Schicht in keiner Verbindung mit den epithelialen Elementen, welche von Seiten der Allantois den Eihäuten zugeführt werden. Von den letzteren unterscheiden sie sich in ihrer Gestalt sehr wesentlich. Sicherer zu deuten ist die zweite Schicht, die ich als allan- toide Lage der Eihäute bezeichnen kann. Dieselbe enthält die beiden Elemente, aus denen sich die Allantois zusammensetzt, eine nach innen gelegene Gefässmembran, deren grosse Gefäss- 348 E. Klebs: querschnitte stark über die Innenfläche hervorragen und in den Präparaten mit kernhaltigen rothen Blutkörperchen gefüllt sind (z. B. bei All. im Fig. 1). Die foetalen rothen Blutkörperchen haben in diesem Fall, indem noch nicht die völlige Schliessung der Bauch- wand stattgefunden hat, noch keine rothe Substanz entwickelt, welche bei der angewendeten Färbung eine intensive Orange- färbung annimmt. Die äussere Lage der Allantoisschieht bilden dagegen protoplasmareiche Epithelzellen, die in ein-, auch zwei- facher Schieht angeordnet sind und, wie an Durchsehnitten des Nabelstrangs gezeigt werden kann, in direetem Zusammenhang mit den Epithelien des Allantoiskanals stehen. Derselbe öffnet sich in dieser Lage. Selbstverständlich werden die beiden Schichten der Allantoisepithelien, die innerhalb der Eihautaus- breitung verschmolzen sind, durch diese Schicht repräsentirt; andererseits hat sich das als geschlossene Blase hervorwuchernde Allantoisepithel m der Rückengegend des Foetus durch Ver- wachsung zu einer den Foetuskörper umhüllenden Schicht um- gestaltet. Die innerste Lage der Eihäute bildet das Amnios, welches theilweise noch der Oberfläche des Foetuskörpers anliegt. In Fig. 1 ist an dem kleineren Foetaldurehschnitt, der einem Theile der Bauchhöhle entspricht, der Ursprung des Amnios aus der seitlichen Leibeswand gut zu erkennen. Es besteht dasselbe hier aus einer einfachen Zellmembran, deren platte, spindelförmige Elemente dicht aneinander gelagert sind. Die Kerne sind schmal, länglich, stäbehenförmig, intensiv vom Hämatoxylin gefärbt; über die Deutung dieser Zellen vermag ich nichts Bestimmtes zu äussern, ausser dass sie mesodermalen Ursprungs sind; vielleicht lässt sich eine Beziehung zu glatten Muskelfasern annehmen, für welche Deutung auch ihre Contraectilität sprechen würde. Manche andere Beziehungen des Amnios, namentlich seine Verhältnisse am.Nabelsirang und seine Insertion an das Herz und die grossen (Gefässstämme gedenke ich später zu berühren. Es bleibt nun der Antheil zu erörtern, welchen diese Eihaut- schichten an der Bildung der Placenta foetalis nehmen. Zunächst ist unzweifelhaft, dass die allantoide Gefässschieht der ersteren in die Gefässschicht der letzteren unmittelbar übergeht: sie wandelt sich durch reichere Gefässentwickelung und durch die Bildung eines myxomatösen Grundgewebes in die placentare Gefässschicht um (v. - Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 349 F. S.t) Fig. 2 u. 3). An ihrer äusseren Fläche hervorspriessende, nahezu nackte Gefässe dringen in die foetale Epithelschicht (Foet. Ep.) und bilden, indem sie dieselbe einstülpen, mit ihr die Chorion- zotten. — Die Epithelschicht der Chorionzotten, welche in die- sem Entwiekelungsstadium noch eine bedeutende Breite besitzt, kann wohl nur von der allantoiden Epithelschieht abgeleitet werden, mit deren Zellen sie die grösste Uebereinstimmung dar- bietet; doch ist ein unmittelbarer Uebergang der einen in die andere nicht sicher festzustellen, da sich die Allantoisschicht bei ihrem Uebergang in die Placenta sehr bedeutend verdünnt und hier in meinen Präparaten kein unmittelbarer Uebergang stattfindet. Auch der weitere Verbleib der Zellschieht der serösen Membran, wie der letzteren selbst innerhalb des placen- taren Gebiets ist nicht aus den Objeeten zu ersehen und müssen hier weitere Zwischenstadien zur Entscheidung herangezogen werden, ob wirklich ein Verschwinden derselben stattfindet oder ob sie sich am Aufbau der Placenta betheiligen. Der leicht übersichtliche Autbau der Rattenplacenta ge- stattet, in diesem Falle die Ernährungsverhältnisse des Foetus, welche durch dieses Organ vermittelt werden, genauer festzu- stellen und zu übersehen, als dies bei complieirteren Placentar- formen möglich ist. Andererseits aber wird angenommen wer- den können, dass auch bei den letzteren, namentlich bei der menschlichen Placenta, die gleichen Einriehtungen, wenn auch in modifieirter Form, vorhanden sein werden. Wie schon hervorgehoben bei der Erläuterung der Circu- lation in der vasceulären Schicht der mütterlichen Placenta, wird durch die weiten Bluträume derselben ein stark verlangsamter, aber unter relativ hohem Druck stehender Blutstrom eireuliren, welcher, am Mesenterialansatz beginnend, in den Seitentheilen, der sog. Peri-Placenta, seine Hauptabflüsse findet. Unter dem Einfluss der von diesem Strome in reichlicher Menge dem um- gebenden Gewebe gelieferten Ernährungsmaterialien wird dieses in allen seinen Theilen eine mächtige hypertrophische Entwicke- lung erlangen. Dieselbe betrifft sowohl die mütterlichen Epithelien, hier repräsentirt durch eine einzige Uterindrüse, die bindegewe- bige Grundsubstanz, wie in erster Linie die Endothelien der sich 1) In den Zeichnungen 2 und 3 ist irrthümlich v. F. r. geschrieben. 350 E. Klebs: erweiternden Gefässe selbst. Diese endotheliale Wucherung bildet in der Schiehte der Monsterzellen den Abschluss der offenen Ge- fässmündungen; aber diese Schlussmembran ist keine undurch- dringliche, sie lässt vielmehr im den zahlreichen Spalten, welche zwischen den Monsterzellen übrig bleiben, rothe Blutkörperchen hindurchtreten und findet man die letzteren sowohl in dem breiten Spalte zwischen mütterlichem und foetalem Epithel (Sp.), wie auch zwischen der dünner werdenden Ausbreitung der Monster- zellen in den Seitentheilen der Placenta und der serösen Mem- bran des Eisackes. Freilich sind in meinen Präparaten nicht alle diese Hohlräume prall mit Blutmassen gefüllt, sondern bilden dieselben nur schmale streifige Einlagerungen zwischen den Mon- sterzellsehichten und ebenso zwischen diesen und der serösen Membran, an letzterem Orte namentlich regelmässig in der am Querschnitt des Eies als spitzer Winkel sich darstellenden Ein- senkung zwischen der Eihaut und dem stark vorwuchernden foetalen Epithel, an der mit einem X bezeichneten Stelle der Fig. 1. Gerade diese Art der Vertheilung widerlegt aber die Annahme einer traumatischen Verbreitung, auch abgesehen da- von, dass die Thiere durch Entbluten mittelst Abtrennung des Kopfes getödtet wurden. Handelte es sich um Blutextravasate, vielleicht durch Quetschungen herbeigeführt, so müsste das in diese Räume ergossene Blut in grossen zusammenhängenden Massen sich daselbst vorfinden, da auch postmortale Contrae- tionen des Uterus wohl kaum eine so vollständige Entleerung be- wirkt haben würden, wenn nicht besondere Einrichtungen, prä- formirte Bildungen, die leichte Entleerung dieser Bluträume unter- stützt hätten. Wir müssen daraus schliessen, dass auch während des Lebens das hier eimdringende Blut einen leichten und ge- nügenden Abfluss findet. Indessen eben so sicher erscheint es, dass dieser Abfluss nieht mehr auf die Triebkraft des Blutstroms zurückgeführt wer- den kann, indem Zufluss- und Abflusswege auf der gleichen Seite liegen und die durch das Sieb der Monsterzellen gepresste Blut- masse der unübersteiglichen Schranke der Chorionzotten und der serösen Eihaut begegnet. So würde in dem für die Ernährung des Foetus wichtigsten Theil der placentaren Bluträume, dem interepithelialen Spalt (Sp.) eine ruhende Blutmasse ent- stehen, welche nicht auf die Dauer die Ernährung und den Gas- 2 Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 351 austausch des Foetus vermitteln könnte, zumal sie auch die, allerdings vielleicht nicht bedeutenden Secrete des Foetus in sich aufnehmen müsste. Es macht diese Anordnung die Annahme von Triebkräften zur Entleerung der interepithelialen (und intervillösen) Bluträume zu einer physiologischen Nothwendigkeit. In dem vorliegenden Falle werden dieselben von der glatten Muskelfaserschicht ge- liefert, welche die Innenfläche der vasculären Schicht der mütter- lichen Placenta überzieht. Durch ihre Contraetion wird der durch die Punkte ABC bezeichnete bieoncave Raum verengert, indem die äussere, von einem kleineren Radius gebildete Kugel- fläche sich der inneren mit grösserem Radius mehr und mehr nähert; dabei verhindert die durchaus tangentiale Riehtung der Fasern eine Verengerung der offenen Gefässmündungen der mütterlichen Gefässschieht und erleichtert hierdurch das Zurück- treten des in den Spalträumen der Monsterzell- und Epithel- schichten vorhandenen Blutes. Es lässt sich wohl annehmen, dass diese Auspressung in regelmässigen Zeiträumen sich wieder- holt, deren Rhythmus von der Absorption des Sauerstofis Seitens des Foetus und dem zunehmenden Kohlensäurereichthum des intervillösen Blutes abhängt. Zweifelhaft mag es gelassen wer- den, ob dieser Rhythmus von Emrichtungen unterstützt wird, die innerhalb der rhythmisch wirkenden Musculatur sich befinden, oder ob er nur vom wechselnden Reiz abhängt, der durch die Blutveränderung ausgelöst wird. Immerhin aber erscheint es nicht ganz unzulässig, auch hier an Einrichtungen zu denken, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit den rhythmisch wirkenden Theilen vieler Abschnitte des Gefässsystems niederer Thiere oder wenigstens mit den von dem Secretstrom ausgelösten rhythmi- schen Contractionen der Ureteren (Engelmann) verglichen wer- den können. Mit einer allerdings etwas kühnen Metapher könnte somit von emem Placentar-Herzen gesprochen werden. Leider werden wir der experimentellen Lösung dieses Problems, das durch die anatomischen Verhältnisse gegeben ist, kaum irgendwie näher treten können, es sei denn, dass ähn- liche Einrichtungen auch bei grösseren Thieren nachgewiesen werden. Für den Menschen und das Kaninchen können sie nicht in Betracht kommen, da deren Placenten nach einem gänz- lich abweichenden Typus gebaut sind. Während die Ratten- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 25 352 E. Klebs: placenta einem Typus entspricht, welcher als Aneinander-Lage- rung der foetalen und mütterlichen Bestandtheile bezeichnet werden kann, sind die beiden letzteren Formen gebildet durch ein Hineinwachsen der foetalen Elemente in die mütterlichen Ge- webe. Bei dem Menschen geht dieses Hineinwachsen der Cho- rionzotten in die mütterlichen Blutgefässe so weit, dass die Wandelemente der letzteren nur in sehr spärlicher Menge in Jüngeren Stadien nachzuweisen sind; leichter scheint dies nach Waldeyer in der Affenplacenta nachweisbar. In der Placenta des Kaninchens findet dagegen ein einfaches Durehwachsen der mütterlichen und foetalen Blutbahnen statt, ohne dass es zu einem Eindringen dieser in jene kommt. In Bezug auf die letz- tere kann ich nach den mir vorliegenden Präparaten bestimm- tere Angaben über die Zusammensetzung der oberflächlichen Schicht der Placenta machen, welehe Minot zuerst als glandu- läre Zone bezeichnete, während er in der zweiten oben eitirten Arbeit mittheilt, dass er nunmehr die von ihm als Uterindrüsen bezeichneten Gebilde als „intervillöse Scheidewände“ auffasst. Bis zu einem gewissen Grade ist diese zweite Auffassung rich- tiger, als die erste, doch erläutert sie nicht vollständig die Ver- hältnisse des Theils. Einige Andeutungen werden genügen, um auch ohne Abbildungen die Sachlage an dem so viel besprochenen Objecte klarzulegen. Der mittlere Theil einer älteren Kaninchenplacenta ragt pilzförmig in das nahezu kreisförmige Lumen des Uterus und des Eisacks hinein, so dass nur der oberste Theil der Eihöhle für den Embryo vorbehalten bleibt. Ueber demselben ist die Uterus- wand auf das Aeusserste verdünnt, so dass hier eine Ruptur der- selben, wie sie zum Austreten der ganzen Eisäcke in die Bauch- höhle angenommen werden muss, sehr leicht verständlich wird. Der pilzförmige Körper der Placenta kann, wie auch Minot angiebt, als aus drei Schichten zusammengesetzt betrachtet wer- den. Die unterste besteht aus dem stark wuchernden Schleim- hautgewebe, dessen Zusammensetzung Minot ganz richtig schil- dert. Die grossen Deciduazellen, welche hier aus den Binde- gewebselementen hervorgehen, umlagern in breiter Schicht die weiten Blutgefässe, deren Endothelien sich enorm vergrössern, ganz ähnlich wie in der Rattenplacenta. Diese als Subplacenta bezeichnete Schicht erstreckt sich weit über die Area placentalis Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 353 hinaus und wird wahrscheinlich nicht abgestossen. In ihrem grössten Theil ist sie von den von Minot sehr treffend beschrie- benen wuchernden Epithelmassen überzogen. Dieselben bilden hier zusammengeflossene protoplasmatische Massen, in deren innerer Lage die enorm vermehrten Kerne in grossen Haufen liegen. Das Protoplasma ist hyalin, lässt keine Zellgrenzen mehr erkennen und färbt sich intensiv mit Ponceau, während die Kerne chromatinreich sind und Hämatoxylin in reichlicher Masse an- nehmen. Der Zustand dieser Zellen hat somit eine grosse Aehn- lichkeit mit demjenigen der pathologischen Riesenzellen, wie sie im Tuberkel und den leprösen Neubildungen vorkommen. Die Kerne wuchern, während das Protoplasma hyalin degenerirt, man kann hier in der That von Nekrose mit Kermwucherung sprechen, bei der aber die hyaline Infiltration als das primäre zu deuten ist. Da die tieferen Zellen namentlich in den Drüsen von dieser Veränderung freibleiben, so wird dieselbe wohl als eine unter dem Einfluss reichlicher hyaliner Transsudation auf- tretende Alters-Nekrose aufzufassen sein. Die zweite Schicht, von Minot als’ subglanduläre Zone be- zeichnet, bildet sich, indem an einer ziemlich beschränkten Stelle das Grundgewebe mit seinen hier besonders gewaltig entwickelten Blutgefässen noch stärker hervortritt und sich pilzartig an der Oberfläche der ersten Schicht ausbreitet. In der Mitte dieser Schicht, wo Minot eine spaltförmige Einsenkung abbildet, sehe ich in meinen Präparaten die mächtigsten Blutgefässe aufsteigen. Wahrscheinlich beziehen sich seine Angaben auf ein früheres Entwickelungsstadium. Zwischen den enorm weiten, aber im Ganzen gestreckt verlaufenden Gefässen der zweiten Schicht finden sich die von Minot beschriebenen vielkernigen Riesen- zellen mit netzartig entartetem Protoplasma, vielleicht glykogen- haltige Elemente; in den Seitentheilen dagegen finden sich aus- gebreitete Zellnekrosen in Form von Kernschwund und möchte ich die vorhandenen Bildungen mit den Bildern identifieiren, welche Minot in Fig. 12 abbildet und als degenerirte Drüsen bezeichnet. Die Deutung ist schwierig, weil hier an Stelle der Zellen überall, oft in langen verzweigten Zügen, sich grosse Massen von Tropfen vorfinden, die in Orange stark gefärbt werden und somit eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Globulin der rothen Blutkörperchen besitzen. Auch Pigmentmassen finden 354 E. Klebs: sich hier vor, so dass ein reiehlicher Austritt rother Blutkörper- chen wohl anzunehmen ist. Ob hier Nahrungssubstanzen für den Foetus aus einem theilweisen Zerfall des mütterlichen Gewebes hervorgehen, kann zur Zeit nur vermuthet werden. Die das Centrum dieser Schicht durchsetzenden ausserordentlich weiten Blutgefässe breiten sich an ihrer Oberfläche zu der dritten Schicht aus, die wegen ihres ungeheuren Gefässgehalts am besten als vasculäre Schieht bezeichnet werden kann, entsprechend der glandulären Minot’s. Drüsen habe ich im dieser Schicht nicht wahrnehmen können, vielmehr besteht dieselbe durchweg aus netzartig verzweigten Blutgefässen, welche einen gewundenen Ver- lauf darbieten und sich vielfach durchfle&hten. Die Gefässe tragen alle einen capillaren Character an sich und fliessen nir- gend zu cavernösen Räumen zusammen. Ihre Wandungen sind äusserst zart und mit regelmässigen Ausbuchtungen versehen. Die regelmässig, etwa in der Breite des betr. Gefässlumens auf- einander folgenden Einschnürungen werden gebildet von feinen Fäden, welche sich über das prall gefüllte Gefäss in der Quer- richtung hinüberspannen. Im leeren Zustande wird diese bei höchster Blutfüllung so auffallende Erscheinung wahrscheinlich fehlen und wird es dann schwerer sein, die Natur dieser Stränge zu erkennen. Darauf beruht wahrscheinlich der Zweifel Minot’s. Von foetalen Zotten erkennt man in dieser Schicht, wenn man an die von der menschlichen Placenta bekannten Bildungen denkt, keine Spur. Zunächst ist überhaupt in den schmalen Zwischenräumen zwischen „den mit mütterliehem Blut gefüllten Gefässen nichts zu erkennen, was als foetales Gewebe gedeutet werden könnte. Es schemt sich hier um geringe Mengen eines lockeren Bindegewebes zu handeln, in denen man nur hier und da schmale Gefässbahnen erkennt. Die meisten derselben sind leer, unterscheiden sich indess von den weiten mütterlichen Ge- fässen durch ihren Kernreichthum und einen mehr gestreckten Verlauf; wahrscheinlich gehören hierher die von Minot in seiner Figur unter v abgebildeten verzweigten Gefässbahnen. An meinen, mit Ponceau und Orange nachgefärbten Präparaten er- kennt man indessen mit Leichtigkeit in zahlreichen dieser Blut- gefässe runde kernhaltige Elemente, deren helles Protoplasma eine intensive Orangefärbung angenommen hat; es sind dies foetale rothe Blutkörperchen, welche vollkommen mit denjenigen Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. 355 übereinstimmen, welche die in den gleichen Schnitten vorhan- denen Blutgetässe und das Herz des Foetus erfüllen. Es sind demnach foetale Gefässbahnen, welche das materne Blutgefäss- netz ihrerseits netzartig durchflechten und so den intimsten Aus- tausch der in den beiden Blutarten vorhandenen Substanzen ver- mitten. Mit Bezug auf die Blutgefässe ist daher die Anordnung der vasculären Schicht der Kaninchenplacenta als eine geflecht- artige zu bezeichnen, und kann man die letztere als eine plexi- forme Placenta bezeichnen, während die menschliche Placenta die Bezeichnung einer Pl. cavernosa, die Rattenplacenta die- jJenige einer appositionellen, einer Pl. per appositionem verdienen würde. Alle drei Formen könnten aber auf den Cha- racter einer vaseulären Placenta Anspruch erheben, indem es Bestandtheile des Blutgefässsystems sind, an welche sich die Chorionzotten anlagern. Somit dürften die Weiterentwickelungen des Organs in der Thierreihe wohl auf einer mit der fortschrei- tenden phylogenetischen Entwickelung zunehmenden Betheiligung des mütterlichen Gefässsystems beruhen. Die Ratte würde in dieser Beziehung die niedrigste Stufe einnehmen, das Kaninchen die stärkste Fixation der Foetuslage darbieten, während bei dem Menschen die günstigsten Ernährungsbedingungen für den Foetus gewonnen sind. Die sich träge hewegende, meist in engen Räumen lebende Ratte und das heftige Sprungbewegungen aus- führende Kaninchen scheinen demnach auf dem Wege der An- passung ihren Lebensverhältnissen entsprechende Einrichtungen der Foetalanheftung gewonnen zu haben. Die grossen Verschie- denheiten der letzteren werden hierdurch einigermaassen ver- ständlich. Fig. Fig. Fig. ID E. Klebs: Zur vergleichenden Anatomie der Placenta. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Querschnitt durch den trächtigen Uterus einer weissen Ratte. 27fache Vergr., nach einer Photographie gezeichnet. M. U. Uteruswandung, ar. arterielle, v. venöse Gefässe, S. pl. Sub- placenta, P. pl. Paraplacenta, O.pl. Obplacenta, D. v. Decidua vera, M. glatte Muskelschicht an ihrer inneren Fläche, M. z. Monsterzellschicht (Gefässendothelien), A.B.C. der Wirkung der glatten Muskelschicht M. z. ausgesetzte häume, S.M. se- röse Membran, All. Allantoisschicht der Eihäute, Am. Amnios. Theil eines Querschnittes ungefähr in der Mitte zwischen Cen- trum und Rand der Placenta. Föt. Ep. Foetales Epithel, m. Ep. mütterliches Epithel, Sp. Spalt zwischen beiden, v. F.S. vasculäre Foetalschicht, M. Monsterzellen, g1.M. f. glatte Muskel- faserschicht der Deeidua v., D. v. Decidua vera. Centraler Querschnitt. D. Fundus der Uterindrüse, L. Lumen derselben, sonst wie in Fig. 2. Zürich, 13. August 1890. 357 Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta bei der Katze. Von Prof. &« Heinrieius in Helsingtfors. Hierzu Tafel XVII und XIX. In diesem Archiv, Bd. 33, S. 419, habe ich meine Unter- suchungen über die Entwickelung und Struetur der Placenta beim Hunde veröffentlicht. Seitdem habe ich mich mit Untersuchungen über die Katzenplacenta beschäftigt, deren Ergebnisse ich nach- stehend zu schildern gedenke. Die Methode blieb dieselbe, wie ich sie in meinen Unter- suchungen über die Hundeplacenta befolgt und beschrieben habe. Ich werde hier keme historische Uebersicht über die ein- schlägigen Arbeiten geben, sondern nur die Resultate meiner eige- nen Untersuchungen mittheilen und durch eine grössere Anzahl Abbildungen erläutern. Betrachten wir den Querschnitt des normalen, nicht schwan- geren Uterus der Katze, so finden wir die Uteruswand aus drei Häuten, einer Serosa, Muscularis und Mucosa bestehend. Die Schleimhaut ist ohne eine Zwischenlage direct und fest an die unter- liegende Ring-Muskellage angeheftet; eine Submucosa fehlt also. Die normale Schleimhaut besteht aus Drüsen, Bindegewebe und Epithel. Die Drüsen sind zweierlei Art, theils lange, welche durch die ganze Dicke der Mucosa bis zu der Museularis hinab- reichen, theils kurze, sogen. „Krypten“. Die langen Drüsen ha- ben im allgemeimen einen geraden, gestreckten Verlauf, einige besitzen jedoch am Ende eine etwas geschlängelte Form. Das Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37. 24 358 G. Heinrieius: Epithel der Drüsen ist ein niedriges Cylinderepithel; von der- selben Beschaffenheit ist auch das Epithel der Uterusinnenfläche und das der Krypten. Die Zellen des Uterus-Epithels sind et- was niedriger, als die der Drüsen, die Kerne sind queroval. Zwischen den einzelnen Drüsen und Krypten findet sich Binde- sewebe aus spindelförmigen Zellen mit ovalen und runden Ker- nen bestehend; gegen die Museularis ist das Bindegewebe der Schleimhaut reichlicher vorhanden. Mit dem Eintritt der Gravidität treten bedeutende Verän- derungen der Uteruswand, besonders der Schleimhaut auf, welche bald zu einer vollkommenen Zerstörung des Baues der normalen Mucosa führen. Meine frühesten Präparate stammen von einer Katze, bei welcher der Uterus an mehreren Stelleh erweitert sich zeigte, wo die Fruchtsäcke deutlich als runde Anschwellungen des Ge- bärmutterhorns‘ vorhanden waren. Der Entwickelungsgrad des Embryo ist aus Fig. le ersichtlich. Die Chorionzotten fangen an in die Schleimhaut hineinzudringen. Die Uterinschleimhaut ist bereits wesentlich verändert. Die Drüsen sind in sehr lebhafter Hyperplasie begriffen; mit Aus- nahme einiger Drüsenabschnitte dicht auf der Museularis, sind die übrigen ziemlich stark erweitert, sie haben ihre langge- streckte Form im allgemeinen beibehalten, obgleich sie seitliche Sprossen und Aussackungen treiben. Das zwischenliegende Binde- sewebe wird durch die Ausdehnung der Drüsenschläuche stark zusammengepresst, und man sieht jetzt statt der früheren ver- hältnissmässig stärkeren Balken nur noch dünne bindegewebige Septen; in diesen verlaufen die mütterlichen Capillaren. Unmit- telbar über der Museularis befindet sich eine etwas stärkere, aus spindelförmigen anastomosirenden Zellen bestehende Bindegewebs- lage, in welcher man die Querschnitte einiger nicht erweiterten Drüsenabschnitte sieht. Die Uterindrüsen münden nicht mehr in das Lumen der Gebärmutter; die Ausführungsgänge sind nach der Oberfläche hin von einer Bindegewebslage (Figur le) be- deekt, die Drüsen sind nunmehr ringsum verschlossen. Ich finde wenigstens diese bindegewebige Schicht nicht von Ausfüh- rungsgängen der Drüsen durchsetzt. Diese Schicht besteht aus ziemlich weit von einander stehenden, mit einander anastomosi- renden Zellen mit ovalen oder runden Kernen (siehe Fig. 2d Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta bei der Katze. 359 2 und 3f). In diese bindegewebige Schicht wach- sen die Chorionzotten hinein. — Strahl beschreibt beim Maulwurf einen erheblichen Wucherungsprocess des Bindegewebes an der zukünftigen Placentarstelle bereits zu einer Zeit, in wel- cher die Ansatzstellen der Eier im Uterus -eben als kleine Knoten äusserlich sichtbar sind. In meinen Präparaten dieses Entwickelungsstadiums der Katze sind die Chorionzotten nur an einer eireumseripten Stelle entwickelt; in den grössten Theil der Schleimhaut sind sie noch nicht hineingedrungen, sondern die oberflächliche bindegewebige Schicht, welche die Drüsen ver- deckt, liegt grösstentheils nackt, wahrschemlich, weil durch die Ein- wirkung der Härtungsflüssigkeit und des Xylols das fötale Eetoderm an den Präparaten sich zurückgezogen hat; auf andere Stellen liegt wohl das Eetoderm der Schleimhaut mehr oder weniger dieht an, aber nirgendwo habe ich, wenigstens an diesen Präparaten ein deutlich erhaltenes mütterliches Epithel der Uterus-Schleimhaut gesehen. Die Frage: wie verhält sich bei der Katze das foetale Epithel zum mütterlichen und wie verhält sich das mütterliche Epithel, verschwinden dessen Zellen oder bleiben sie erhalten? kann ich leider nicht entscheiden. Ich finde nur, dass da, wo das fötale Eetoderm resp. das Chorionepithel an die Uterin- schleimhaut herantritt, das oberflächliche Epithel dieser letzteren verschwunden ist. Wahrscheinlich werden die mütterlichen Zel- len von den fötalen zerstört resp. resorbirt, denn dieses Vermögen ist, wie wir weiterhin finden werden, im hohem Grade diesen letzteren eigen. Beobachtungen über den Vorgang der ersten Anlagerung des Eies an die Uteruswand sind nicht viel vorhanden. Aus den Untersuchungen von Strahl über ‘die Anlagerung des Eies an den Uterus beim Hund, Kaninchen und Maulwurf ergiebt sich, dass der Eetoblast des Embryo sich an das erhalten gebliebene Epithel der Gebärmutter grösstentheils Fläche an Fläche anlegt. Fleischmann fand ein Zugrundegehen des Epithels nur beim Fuchse, nicht bei der Katze; in ihren Abhandlungen über die Placenta der Fledermaus nehmen E. van Beneden und From- mel ein Zugrundegehen des Uterusepithels während der Anlage- rung des Eisackes an. Beim Hunde habe ich gefunden, dass da, wo das Ectoderm auf die Uterinschleimhaut übertritt, das oberfläehliche Epithel dieser letzteren verschwindet. 360 G. Heinrieius: Schon in diesem Stadium, in welchem das Ei sich an die Uterusschleimhaut zu befestigen anfängt, unterliegt das Drüsen- epithel eigenthümlichen Veränderungen, den grossen Einfluss, welchen der Foetus resp. die Eihüllen der Frucht auf die müt- terlichen Elemente ausüben, andeutend. Während das Drüsen- epithel in den unteren Theilen der erweiterten Drüsen sich ziem- lich unverändert verhält und in einer regelmässig angeordneten Lage sich befindet, werden die Zellen in den oberen, näher dem Chorion gelegenen Abschnitten der Drüsen etwas vergrössert und es findet sich an manchen Stellen eine Proliferation der Zellen. An anderen Stellen wieder sind die Zellen von der Drüsenwand abgelöst, liegen im Drüsenlumen angehäuft. Die Kerne der Zel- len sind bald vergrössert, bald geschrumpft, aber immer stär- ker gefärbt. Darum zeiehnen sich schon bei geringer Ver- grösserung die Anhäufungen der Zellen als dunkler gefärbte Klumpen von den umgebenden Gewebselementen ab. Fleischmann nimmt auf Grund von Untersuchungen des Fuchses an, dass es bei diesem Thiere zu einer Zerstörung des Uterusepithels kommt, bevor noch die seröse Hülle mit der Uteruswand verwächst. Meine Beobachtungen an der Katze stimmen mit dieser Angabe theilweise überein. Bereits in diesem frühen Stadium sieht man Veränderungen in den Drüsenzellen, sowohl in den höher zum Gebärmutterlumen hin belegenen Theilen der Drüsen, wie auch im den tieferen; man bemerkt nämlich, wie vom Rande des dem Drüsenlumen zu- gewandten Theiles der Zellen theils runde grössere Klumpen, theils feine Körner ausgehen (vergl. Fig. 4). Der Drüsenraum ist in höherem oder geringerem Grade von ähnlichen Zellproduk- ten erfüllt. Eine homogene geronnen erscheinende Masse um- giebt reichlich die Keimblase da, wo sich noch keine Chorion- zotten gebildet haben, und das fötale Eetoderm im Präparat sich von der Schleimhaut zurückgezogen hat; ich halte diese Massen für Produkte der Drüsenzellen, welche durch die oberflächliche Bindegewebsschieht in die Uterineavität gelangt sind, wo sie ver- muthlich von den Zellen des Eetoderms resorbirt werden. 3ei der mikroskopischen Untersuchung der Uterinschleim- haut desjenigen Theiles des Uterus, welcher das Verbindungsstück zwischen den einzelnen Fruchtsäcken bildet, sieht man auch die Be- standtheile der Schleimhaut, besonders das Bindegewebe und die Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta bei der Katze. 361 oberflächliehen Drüsen, verstärkt. Bei stärkerer Vergrösserung bemerkt man, wie die Zellen dieser Drüsen fein granulirte Kör- perchen entwickeln (Schleim ?). In einem Fruchtsack, wo die Entwickelung des Embryo so weit vorgeschritten ist, wie es Fig. 5 zeigt, sehen wir, wie die Chorionzotten in den grössten Theil der Schleimhaut hinein- sedrungen sind; allein die Schleimhaut an den beiden Polen des Fruchtsackes, wo dieselbe an die Schleimhaut des Verbindungs- stückes zwischen den Fruchtsäcken übergeht, nimmt nicht an dem Autbau der Placenta Theil. Die Verschmelzung der Eihäute mit der Uteruswand zur Bildung der Placenta findet im Bereich einer breiten mittleren gürtelförmigen Zone des eitronenförmigen Eies statt, die beiden Kuppen des Eies bleiben frei im der Gebärmut- terhöhle liegen. Doch hat der Theil der Schleimhaut, welcher in die Bildung der eigentlichen Placenta nicht einbegriffen ist, seine normale Beschaffenheit nicht beibehalten, sondern die Drü- sen sind gleichfalls in lebhafter Hyperplasie begriffen und haben auch Seitensprossen entwickelt. In Folge der Schrumpfung der Uterinwand bei der Erhärtung sind Querfalten der Schleimhaut entstanden und geben im Durehsehnittsbilde allerdings das Bild eines dendritischen Aufbaues zottenartiger Auswüchse (Fig. 5 bei 8, 8). An einem Querschnitt der Uteruswand resp. der Placenta dieses Stadiums sieht man (Fig. 6) dieht über der Museularis ei- nige nicht erweiterte Uterindrüsen mit erhaltenem Epithel (e), dann die unregelmässig erweiterten Drüsen (e,e). Das zwischen- liegende Bindegewebe ist durch die Ausdehnung der Drüsen- schläuche ziemlich stark redueirt; in diesen dünnen bindegewe- bigen Septen verlaufen die mütterlichen Gefässe. Ueber den er- weiterten Drüsen befindet sich ein Zellenlager (h, h), einem Syn- eytium gleichend, entsprechend der oberflächlichen bindegewebi- gen Schicht des vorhin beschriebenen früheren Entwickelungssta- diums (vergl. e Fig. 1), in weleher die Chorionzotten eingedrun- gen sind, ohne jedoch die Schicht der erweiterten Drüsen schon erreicht zu haben. Das bindegewebige Gerüst der Zotten ist nur spärlich ent- wickelt; es besteht aus einem zarten Gallertgewebe und hat sich 362 G. Heinricius: in den Präparaten wahrscheinlich durch den Einfluss der Här- tungsflüssigkeit und des Xylols vom foetalen Epithel zurückge- zogen; es erscheint wie feine, vom Chorion selbst herabhängende Zapfen (k, k). Das foetale Epithel (i, i) ist (s. Fig. 6) in Ver- bindung mit dem mütterlichen Gewebe geblieben und ist innig mit demselben vereint. Im Chorion selbst sieht man foetale Blutkörperchen, theils zerstreut, theils zusammengehäuft, beson- ders an den Stellen, von denen eine Zotte ausgeht. Ich habe in meinem vorhin genannten Aufsatze „Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta beim Hunde“ die Frage wie die Chorionzotten in die Schleimhaut hineinwachsen, berührt und gezeigt, wie die Meinungen der Autoren in dieser Hinsicht auseinandergehen. Die Untersuchungen über die Placentarbildung beim Kaninchen und Maulwurf von Strahl, beim Hunde von Strahl und mir, bei der Katze von mir ergeben, dass bei diesen Thie- ren vor oder während der festeren Anlagerung des Embryo an den Uterus es zu einem entweder ganz oder nahezu vollständi- sen Verschluss der Uterindrüsen kommt. Es kommt demnach niemals zu Anfang, bei diesen Thieren wenigstens, zu einem Ein- wachsen des Chorion-Eetoderms in offene Uterindrüsen, sondern diese werden in nach oben abgeschlossene Räume verwandelt. Ein direetes Einwachsen von Zotten in offene Uterindrüsen schliessen auch Turner, Ereolani, Romiti, Tafani, E. van Beneden, Kupffer und Frommel aus. Die Chorionzotten bei der Katze dringen zuerst nicht in die Uterindrüsen, sondern in das oberfläch- liche Bindegewebe (e Fig. 1) hinein. In diesem Punkte muss ich von Fleischmann abweichen; nach Fleischmann wachsen die Zotten bei der Katze unmittelbar und durchgängig in Uterindrüsen hinein. Im Anfang, wann die Chorionzotten nur ganz wenig in die oberflächliche bindegewebige Lage hinein- gewachsen sind, besteht diese (wie aus Fig. 2d und 3f ersicht- lich ist) aus ziemlich weit von einander stehenden, durch Aus- läufer anastomosirenden Zellen; aber sobald die Zotten tiefer ein- gedrungen sind, besteht das zwischenliegende Gewebe aus einem Syneytium (h Fig.6, S Fig. 7), welches theils aus durch Aus- läufer mit einander verbundenen Zellen, theils aus grossen, De- ciduazellen ähnlichen Zellen mit grossen Kernen, theils aus einer feingranulirten Masse, in welcher grosse, stärker gefärbte Kerne Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta bei der Katze. 363 eingelagert sind, zusammengesetzt ist (Fig. 8). In diesem Syn- eytium bemerkt man Längs- und Querschnitte von Gefässen, be- sonders an der Oberfläche dieht unter dem Chorionepithel (Fig. 9). Die Bildung des Syneytium ist eine Erscheinung, die bei der Placentarentwicklung weit verbreitet ist. Fein granulirte Proto- plasmamassen mit eingestreuten Kernen sind bereits von Lau- lanie, Duval, Masquelin und Swaön, van Beneden, Strahl, Klaatseh, Frommel, Masius, Fleischmann und mir be- schrieben. Die meisten Autoren halten das Syneytium für müt- terlichen Ursprungs; Duval, van Beneden und Masius sind der Ansicht, dass es sich bei dem Syneytium theilweise um foe- tale Zellen, welche erhalten bleiben, theilweise um mütterliehe, die zu Grunde gehen, handle. Ich fasse das Syneytium als eine Art Deeiduabildung auf; man sieht oft in: dem Syneytium Zellen, welche den vom Menschen bekannten Deeiduazellen sehr ähnlich sind. Es ist gewiss sehr schwer, eine sichere Entscheidung über den Ursprung des Syneytiums zu geben. Meine Präparate be- rechtigen mich jedoch die Meinung auszusprechen, dass es bei der Syneytiumbildung bei der Katze sich um eme Umwandlung mütterlicher Zellen handle. Die oberflächliche bindegewebige Schieht, in welche die Zotten Anfangs hineindringen, verwandelt sich bei vorgeschrittener Entwickelung und tieferem Eindringen der Zotten in ein Syneytium. Statt der weit auseinander ste- henden, oft durch Ausläufer anastomosirenden Zellen des ober- flächlichen Bindegewebes (vergl. Fig. 2, 3) sieht man jetzt (vergl. Fig. 6, 7) das von den Zotten durchzogene mütterliche Lager als aus grossen, Deeidua ähnlichen Zellen bestehend, die vielfach nach Art eines Syneytium unter einander verschmelzen. Ich bin nun der Meinung, dass weder das Drüsenepithel, noch das foetale Epithel eine Rolle bei der Syneytiumbildung spiele. Der grösste Theil des Syneytium geht später zu Grunde, wird mit aller Wahrscheinlichkeit von dem Foetus aufgenommen, wie wir spä- ter sehen werden. In den zunächst den Zotten befindlichen Drüsenräumen er- leiden die Drüsenzellen Veränderungen derart, dass sie einem Zerfalle unterliegen; man sieht die Zellen vom Rande losgelöst, an manchen Stellen angehäuft, in Zerfall begriffen; man bemerkt stark gefärbte, rundliche oder geschrumpfte Kerne, Protoplasma- klumpen, feinkörnigen Detritus. In den tieferen Abschnitten der 364 G. Heinrieius: Drüsenräume sind die Zellen ziemlich gut erhalten, doch sieht man auch hier dieselben Erscheinungen der Zellenthätigkeit wie in Fig.4. Die Vermuthung liegt nicht weit, dass diese Drüsen- zellen in irgend einer Beziehung zur Ernährung der foetalen Ge- webe stehen, denn wir werden weiter unten sehen, dass die Drüsenzellen eine grosse Rolle für die frühzeitige Ernährung des Foetus spielen. Rund herum an den Polen des Fruchtsackes, wo das Cho- rion sich von der Schleimhaut abhebt und diese nicht mehr un- mittelbar von demselben bedeckt wird, sieht man eine Menge rother Blutkörperchen zwischen den aus Drüsen und Bindegewebe zusammengesetzten Leisten und im den Drüsenräumen, sowie grössere zusammenhängende Massen derartiger Blutkörper im Raume zwischen Schleimhaut und Chorion (vergl. Fig.5f). Diese Blutkörperehen treten aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Gefässwände aus, gehen durch das Drüsenepithel und gelangen so nach aussen. Gegen das Chorionepithel häufen sich diese Blutkörperchen in relativ grossen Massen an, sie liegen dieht dem Epithel an, welches an diesen Stellen schon eine an- dere Form angenommen hat; die Zellen sind bedeutend grösser, länglich, mit grossem Kern versehen. Dass diese Zellen ganze rothe Blutkörperehen in sich aufnehmen, ist in diesem Stadium noeh nicht, wie es in einem höheren Entwickelungsstadium allerdings der Fall ist, zu bemerken; aber das Zellenprotoplasma scheint an einigen Stellen eine bräunliche Schattirung zu besitzen und ist dieht besetzt mit kleinen dunklen Punkten. In einem etwas weiteren Entwickelungsstadium, wo der Fruchtsack nach Härtung in Alkohol einen Durchmesser von 2,5 em und der Embryo die Länge von 11 mm hat, sind die Zotten an Zahl vermehrt, sowohl dadurch, dass neue Zotten sieh in die Schleimhaut hineingesenkt haben, wie auch dureh Ausbildung von Seitensprossen auf Kosten des intervillösen Gewebes, welches jetzt besonders gegen die Mitte der Placenta aus ganz schmalen Balken besteht. Das Chorionepithel liegt unmittelbar an den in den Balken verlaufenden mütterlichen Capillargefässen. Gegen den Rand der Placenta hin findet sich noch reichlich das Syn- eytium zwischen ‚den Zotten. Die Zotten sind jetzt auch tiefer Ueber die Entwickelung und Structur der Placenta bei der Katze. 365 in die Schleimhaut eingedrungen, die Schicht der erweiterten Drüsen ist komprimirt und nimmt im Hinblick auf die Höhe der Sehleimhaut keinen so grossen Theil derselben mehr ein, wie im vorher beschriebenen Entwiekelungsstadium. Doch haben die Enden der Zotten noch nicht die Drüsenräume erreicht, weshalb auch das Chorionepithel fast überall noch von derselben Be- schaffenheit ist. Das Epithel in den Drüsen unterliegt denselben Veränderungen wie vorher und weiterhin beschrieben. Am Rande der Placenta geht das Chorion auf die zur Placenta im eigentlichen Sinne nicht umgewandelte Uterinschleimhaut über, doch scheint diese schon jetzt in Bezug auf die Ernährung der Frucht eine wichtige Rolle zu spielen, welche im nächsten Ent- wickelungsstadium ganz deutlich wird und dort näher beschrie- ben werden soll. Man sieht nämlich hier Anhäufungen von Blut- körperehen theils in den nach dem Gebärmutterlumen münden- denden Drüsenräumen, theils ausserhalb derselben unter dem die Schleimhaut bedeckenden Chorion. Die Epithelzellen des Chorion, welche in der Placenta klein und rund sind, sind hier länglich und mit Blutkörperchen gefüllt (wie weiter unten beschrieben wird). Weiter von der Placenta entfernt, wo man keme Anhäu- fungen von Blut unter dem Chorion mehr findet, sind die Epithelzellen des Chorion wieder niedrig und klein, wie auch das Drüsenepi- thel hier aus regelmässig angeordneten Cylinderzellen besteht. Betrachten wir die Placenta in einem Fruchtsack, wo der Embryo eine Länge von 5 cm besitzt, so finden wir, dass die- selbe schon die endgültige Ausbildung erreicht hat; ihre Struc- tur ist in der Hauptsache dieselbe wie in einem weiter fortge- schrittenen Stadium der Schwangerschaft. Das, was die Placenta jetzt auszeichnet, ist, dass das Gewebe zwischen den Zotten in bedeutendem Grade redueirt ist; die Zotten sind fast in ihrer ganzen Länge nur durch schmale Balken getrennt, welche je ein mütterliches Capillargefäss enthalten, dem das Chorionepithel un- mittelbar anliegt. Das Syneytium, jene grossen Zellen, welche sich im früheren Stadium im reichlicher Menge zwischen den Zotten befanden, ist jetzt zum grossen Theil verschwunden; nur um die oberflächlichen mütterlichen Blutgefässe herum, welche sich in senkreehten Durchsehnitten in Querdurchschnitt präsen- 366 G. Heinricius: tiren (siehe Fig. Ile) sowie weiter nach unten näher den ührig- xebliebenen Uterindrüsen,, von deren Scheidewänden sie sich zwischen die in diese Drüsenräume ausmündenden Zottenenden fortsetzen, findet man noch Anhäufungen von Syneytiumzellen (vergl. Fig. 12d). Ferner haben die Chorionzotten nunmehr die tiefen erweiterten Drüsenräume erreicht, sich in sie versenkt und es hat das Chorionepithel daselbst eine andere Form angenom- men, welche geeignet erscheint, die in den Drüsenräumen befind- lichen Zellprodukte, die s. g. Uterinmilch, aufzunehmen. Betrachten wir einen senkrechten Durchschnitt der Placenta in diesem Entwiekelungsstadium, sei es vom Rande derselben, sei es aus der Mittelpartie (Fig. 10, 1 und Fig. 11), so finden wir, wie die schmalen, dicht an einander gelegenen Chorionzotten sich leicht geschlängelt tief hinunter erstrecken und mit ihren breiteren Enden in die Drüsenräume eindringen. Das Chorion- epithel besteht überall, ausser an dem in den Drüsenraum mün- denden Ende der Zotten, aus niedrigen Zellen mit verhältniss- mässig kleinem Kern. Das Stroma der Zotten besteht aus Gal- lertgewebe. Das Zottenepithel ist innig mit dem mütterlichen Gewebe der intervillösen Balken vereint. Während das Gallert- xscwebe in den Härtungsflüssigkeiten schrumpft, bleibt das Epithel fest mit dem mütterlichen Gewebe in Verbindung. Fig. 13 und 14 zeigen das Verhältniss zwischen der Zotte und dem mütterlichen intervillösen Gewebe. Im senkrechten sowohl wie im parallel der Oberfläche gemachten Durchschnitt der schmalen imtervillösen Balken findet man in der Mitte derselben ein geschlängeltes Blut- gefäss; unmittelbar an das Gefässendothel grenzt das Chorionepi- thel; die Zellen des letzteren sind grösser, mit schwach gefärbtem, grossen Kerm, die ersteren kleiner mit stärker tingirtem Kern. Durch diese Anordnung wird natürlich die Ernährung des Foetus durch das mütterliche Blut erleichtert. Es finden sich jedoch Stellen in den intervillösen Balken, wo das Chorionepithel nicht unmittelbar den mütterlichen Blutgefässen anliegt, sondern sich noch Anhäufungen von grossen Syneytiumzellen in grösserer oder geringerer Menge finden, wie um die oberflächlichen mütterlichen Gefässe (s. vorhin), am Knotenpunkte der Balken und weiter nach unten zwischen den Enden der Zotten, wo die intervillösen Balken dieker sind und in das zwischen den Uterindrüsen be- findliche Gewebe übergehen (siehe Fig. 12d). Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta bei der Katze. 367 Die Zotten erstrecken sich nunmehr in die erweiterten Drü- senräume (Fig. 10e, Fig. 11b, Fig. 12D). Wie bereits bemerkt, sind die Seiten der Zotten von einem kleinzelligen Epithel be- kleidet; ihr Ende dagegen ist mit einem ganz anderen Epithel versehen (Fig. 12a, Fig. 15). Die Zellen sind grösser, länglich, mit schwach tingirten Kernen und wenig gefärbtem Protoplasma, oft in Wucherung, so dass sie eine mehrfache Schicht bilden. Bei starker Vergrösserung sieht man, wie diese Chorionzellen die Eigenschaft besitzen, die Zellprodukte der Drüsenräume, die s. g. Uterinmilch, in sieh aufzunehmen. Eine lebhafte Thätigkeit in den mütterlichen Drüsen findet nämlich statt, wenn das foetale Gewebe eingedrungen ist. Man sieht den Drüsenraum erfüllt von ganz kleinen Körnern, ähnlich einem feinkörnigen Detritus; grösseren und kleineren homogenen, runden, hellen Körpern: Fettkügelehen; ganzen, losgerissenen Zellen mit oder ohne Kern und feinkörnigem oder netzförmigem Protoplasma; Kernen von Drüsenzellen, oft geschrumpft, stark gefärbt, theils in Häufchen, theils isolirt, bisweilen mit noch anhaftendem Protoplasma; gros- sen Protoplasmaklumpen. Diese s. g. Uterinmilch besteht theils aus den Bestandtheilen der zerfallenden Drüsenepithelien, theils aus den Seeretionsprodukten der Drüsenzellen (siehe Fig. 15). Hier wirft sich nun die Frage auf, warum verändert sich das Zottenepithel, so wie es die erweiterten Drüsenzellen erreicht? So lange die Zotten noch nieht in die erweiterten Drüsenräume eingedrungen sind, besteht das Epithel im der früheren Form und verwendet wahrscheinlich die mütterlichen Gewebselemente, die in ein Syneytium umgewandelt sind, zur Aufnahme. Der Um- stand, dass das im Anfang so mächtig entwickelte Syneytium in diesem Entwickelungsstadium der Frucht, wo die Enden der Zotten die erweiterten Drüsenräume erreichen, grösstentheils ver- schwunden ist, scheint mir ein Beweis dafür, dass das Syneytium theilweise zur Nahrung des Embryo dient. Nachdem dieses ab- sorbirt worden ist, müssen die Zotten sich ihre Nahrung anderswo suchen; die Zellenprodukte der erweiterten Drüsen dienen nun- mehr dem Foetus als Nahrung durch Vermittelung der, Zotten, und um dieselben aufnehmen zu können, verändert das Epithel wohl seine Form. Es herrscht eine grosse Uebereinstimmung in der Form und in den Funktionen der Zellen der Darmzotten und den- jenigen der Chorionzottenenden. 368 G. Heinricius: Eine solche Bildung von Uterinmilch geht nieht allein in den Drüsen der eigentlichen Placenta vor sich, sondern auch in dem der Placenta zunächst belegenen Theile der Schleimhaut, in die keine Chorionvilli eingedrungen sind, sondern die nur vom Chorion bekleidet ist (Abschnitt 2 Fig. 10). Auch hier fin- det sich eine Hyperplasie der Uterindrüsen; das Epithel verän- dert sich derart, dass die dem Chorion zunächst belegenen Zellen grösser werden und das Protoplasma dicht angehäufte, kleme runde Körner (Fettkörner) enthält; der Kern ist dunkler gefärbt. In den Drüsenräumen, wie auch unter dem Chorion sieht man Pro- dukte der Uterindrüsen, ähnlich den eben beschriebenen, im den erweiterten Drüsenräumen der Placenta (Fig. 16). So besteht auch das Chorionepithel nicht aus kleinen, niedrigen Zellen wie in der Placenta, sondern dieselben sind lang, schmal, ähnlich denen, welehe die Zottenenden bekleiden und besitzen gleich die- sen die Eigenschaft, die aus den Drüsenzellen bereiteten Produkte in sich aufzunehmen. Es findet sich eine wesentliche Ueberein- stimmung der Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Ent- stehung und Verwendung der Uterinmilch bei der Katze mit denjenigen über denselben Gegenstand, die Tafani in seiner schönen Arbeit: „Sulla eondizioni uteroplacentari della vita fetale* niedergelegt hat. Etwas weiter von der Placenta entfernt sieht man An- häufungen von Blut zwischen Uterinschleimhaut und Cho- rion. Schon in früheren Stadien finden sich, wie bereits er- wähnt, solche Blutanhäufungen, aber nicht in der Ausdehnung, wie in einem Fruchtsack der jetzt besprochenen Grösse (vergl. Abschnitt 3 in Fig. 10). In den Drüsenräumen, besonders aber ausserhalb derselben unter dem bekleidenden Chorion sieht man mehrere Blutanhäufungen; bei mikroskopischer Untersuchung des Inhalts findet man darin vorzugsweise rothe Blutkörperchen, aber auch Fibrinfasern, Blutkrystalle, Epithelzellen der Drüsen, ge- wöhnlich mit geschrumpftem, stark tingirten Kern, und feinkörni- gem, braunen Detritus (Fig. 17). Wie dieses Blut in die Drüsen- räume und ausserhalb derselben gelangt ist, kann ieh nieht ent- scheiden, wahrschemlieh geschieht eine Filtration von Blut zwi- schen oder durch die Cylinderzellen hindurch, obgleich ich in und zwischen diesen Zellen keine deutlichen Blutkörperehen un- terscheiden konnte; doch scheint es, als ob in einigen zunächst Ueber die Entwickelung und Structur vn Placenta bei der Katze. 369 an dieses Blut grenzenden Zellen das Protoplasma mit klemen runden, den Blutkörperchen ähnlichen Körpern besetzt wäre; es könnten dies aber auch Protoplasmakörner sein. Diese Blutanhäufungen sind nach oben vom Chorion bekleidet, dessen Epithel also vom mütterlichen Blute bespült wird. Die Zellen nun sind von dem Epithel, welches die Mehrzahl der Zot- ten bekleidet, ganz verschieden; sie sind bedeutend grösser und länglich und enthalten rothe Blutkörper. Man sieht nämlich in diesen Zellen, sowohl in den quer- wie längsgetroffenen das Protoplasma eine Menge runder, bräunlicher Bildungen enthalten, die ihrer Grösse, Form und Farbe nach vollständig mit den die Zellen umgebenden Blutkörperchen übereinstimmen. Ausser die- sen Blutkörpern bemerkt man auch in den Zellen kleme, feine Körnchen, dem feinkörnigen Detritus gleich, den man ebenfalls in den Blutanhäufungen beobachtet und welcher wahrscheinlich zerfallene rothe Blutkörperchen darstellt. Die rothen Blutkörper- chen sind in dem peripheren, gegen das Blut gerichteten Theil der Zellen vorhanden. Die Zellkerne werden stets deutlich mit Hämatoxylin gefärbt, ebenso die im Gallertgewebe des Chorion befindlichen Kerne. Dieses Verhalten der Chorionzellen gegen- über den Blutanhäufungen ähnelt vollständig der von Lieber- kühn und mir, unabhängig von einander, beobachteten und be- schriebenen Erscheinung an der Hundeplacenta; dort sind es die Zellen des Chorion, welche die gefässartigen Blutanhäufungen ringsum, aber innerhalb der eigentlichen Placenta, bekleiden, die dieselbe Rolle spielen. Vor mir hat Tafani dieses Verhalten der Chorionzellen der Katze, Blutkörperchen aufzunehmen, be- schrieben. Auf Grund dieser angeführten Beobachtung muss ich annehmen, dass das Chorionepithel dort, wo es die Blutanhäu- fungen ausserhalb der Placenta bei der Katze bekleidet, die Eigenschaft, in sich rothe Blutkörperchen aufnehmen zu können, besitzt und diese wahrscheinlich so zu verändern vermag, dass sie weiterhin als Nahrung dienen können. In einem noch weiter fortgeschrittenen Stadium, Embryo von 9,5 em, sind die Zotten dicht aneinander gelagert und noch mehr geschlängelt. Zwischen den Zotten sieht man die mütter- lichen Gefässe, deren Wände aus grossen Endothelzellen mit grossem hellen Kern bestehen; diesem liegt das Chorionepithel un- 370 G. Heinricius: mittelbar an; die Zellen sind aber nicht mehr so regelmässig an- geordnet wie im früheren Stadium (vergl. Fig. 18), sondern mehr in Gruppen; die Zellenkerne sind theils grösser, unverändert, theils kleiner, stark gefärbt, was auf einer reicheren Entwicke- lung von stark gefärbten Kernkörperehen beruht. Fig. 20 zeigt die nächste Umgebung einer mütterlichen Ge- fässwand tiefer in der Placenta (entspricht Fig. 12ec). In der Nähe der Gefässmündung unter seinem Endothel sieht man grosse Zel- len mit grossem hellen Kern: Syneytiumzellen; ausserhalb dieser wieder Zellen, theils isolirt, theils in Reihen angeordnet, theils in Haufen mit stark gefärbtem Kern; das Zellprotoplasma ist auch dunkler, es liegt gleichsam coagulirt um den Kern. In diesem Stadium sieht man keine Blutanhäufungen mehr zwischen Uterusschleimhaut und Chorion; das Chorionepithel ausserhalb der Placenta besteht aus niedrigen Zellen; das Epithel der Uterindrüsen jedoch aus hohen Cylinderzellen (Fig. 19). Bei hochsehwangeren Thieren ist die Struetur der Placenta ziemlich dieselbe wie in Fruchtsäcken von 4 bis 9,5 em langen Embryonen. Nachtrag. Als ich mein Manuseript druckfertig an die Redaktion des Archivs für mikroskop. Anatomie eimgesandt hatte, erschien die Arbeit von Strahl: Untersuchungen über den Bau der Placenta. IV: Die histologischen Veränderungen der Uterusepithelien in der Raubthierplacenta. Archiv f. Anat. und Phys. Anatom. Abthei- lung, Suppl.-Band 1890 p. 118. Ich freue mich, dass wir im vielen Punkten zu übereimstimmenden Resultaten gelangt sind; so in Bezug auf die Veränderungen der Uterindrüsen im Anfang der Schwangerschaft, welche nach oben abgeschlossen werden ; ferner darin, dass die Zotten nicht direet und von vorn herein in die Uterindrüsen einwachsen. Auch damit sind wir einver- standen, dass die extravasirten Blutkörperchen am Randgebiete der Placenta vom Chorionepithel aufgenommen werden. In einem wesentlichen Punkte muss ich indessen von Strahl abweichen: in Bezug auf die Herkunft und Bestimmung des Syn- Ueber die Entwiekelung und Structur der Placenta bei der Katze. 371 eytium, welches Strahl im Wesentlichen als eine Umwandlung des Drüsenepithels auffasst, während ich ein Syneytium binde- gewebiger Abkunft annehme. Die Präparate Strahl’s stammen vom Uterus einer Katze, deren Embryonen schon eine Länge von etwa 2 cm besassen; ich habe die Syneytiumbildung in früheren Entwicklungsstadien verfolgt, zu Zeiten, wann die Zotten noch ziemlich weit entfernt von den in nach oben geschlossene Räume verwandelten Uterindrüsen sich befinden und die Zellen der Drü- sen noch keine weitgreifenden Veränderungen durchgemacht haben. In diesem Entwickelungsstadium sind die Zotten schon von dicken Massen Syneytium umgeben; das Syneytium geht hier jedoch unzweifelhaft aus dem oberflächlichen Bindegewebe, welches die Drüsen verschliesst, hervor. Die Drüsen selbst sind alle geschlossen, die Räume noch nicht von geformten Zellen- produkten in grösserer Menge gefüllt; einen Durchbruch der Drüsenzellen nach oben habe ich nicht beobachtet (vergl. meine Fig. 6 und 7). Eine Betheiligung des Bindegewebes wird übri- gens auch von Strahl angenommen, denn S. 122 sagt er: „Auch das zwischen den Drüsen gelegene spärliche gefässführende Binde- gewebe geht nach oben in die Umlagerungszone weiter, indem es sich in eine grosszellige Bindesubstanz umwandelt, welche die Gefässe einschliesst.*“ Und weiter S.123: „In der Umlagerungs- zone gehen vielfach Bindegewebszellen und das epitheliale Syn- eytium so durcheinander, dass man sie gewissermassen als ver- flochten bezeichnen kann. Trotzdem bleiben dieselben auch in dieser Situation wohl unterscheidbar.“ In einem weiteren Entwickelungsstadium (Embryo von I1 mm Länge) ist das Syneytium schon theilweise verschwunden; doch finden sich noch ziemlich grosse Massen davon um die oberfläch- lichen Gefässe, in den Knotenpunkten der intervillösen Balken und nach unten in der Nähe der erweiterten Drüsenräume, zwi- schen den Enden der Zotten. An vielen Stellen wieder, beson- ders in der Mitte der Placenta, ist das Syneytium derart ver- schwunden, dass das Chorionepithel unmittelbar an das mütter- liche Gefäss anstösst, so wie ich in Fig. 13 und 14 (Embryo 5 em) gezeichnet habe. Was das doppelte Epithel. Strahl’s an- geht, so bin ich zwar in meiner Arbeit nicht auf dieses Verhalten eingegangen, bemerke übrigens nachträglich, dass ich besonders da, wo vom Syneytium mehr zurückgeblieben ist, ein Verhältniss 372 G. Heinricius: vollkommen ähnlich dem von Strahl in seiner Fig. 4 dargestell- ten, wo die mütterlichen Gefässe von den foetalen durch zwei epitheliale Zellenlagen getrennt werden, beobachtet habe. (Vergl. meine Fig. 12, zwischen d und b in der Nähe des Gefässes c.) Die Zellenklumpen und das Netzwerk, welche im späteren Entwickelungsstadium das Lumen der Drüsen ausfüllen und von Strahl für eine Vorstufe des Syneytium gehalten werden, fasse ich auf als Sekretionsprodukte des Uterusepithels, als s. g. Uterin- milch; zur Syneytiumbildung vermag ich sie nicht in Beziehung zu bringen. Die in den Drüsenräumen der Zone 2 Fig. 10 (Periplacenta Minot’s) befindlichen Zellen betrachte ich gleicherweise als Um- wandlungsprodukte und veränderte Epithelzellen in dem Sinne einer Uterinmilch. In den Abschnitten 3 und 4 Fig. 10 der Placenta, bezw. des Uterus habe ich keine Syneytiumbildung an- getroffen. Die Blutextravasate habe ich bei der Katze in derselben Weise gefunden, wie Strahl sie genau beschrieben hat. Was den grünen Saum der Hundeplacenta anlangt, so habe ich den- selben nicht als emen Raum verstanden, in welchem Blut eireu- lirt. Ich fasse das Blut der Hundeplacenta als extravasirtes ganz so wie bei der Katze und anderen Thieren auf. Ich habe in meiner früheren Arbeit den Namen „Sinus“ nur gewählt, um den Saum als eine gefässähnliche Blutanhäufung zu bezeichnen. Ich gestehe zu, dass diese Bezeichnung nicht passend gewählt war und es besser gewesen wäre, die betreffende Bildung kurz und gut „Blutanhäufung“ oder „extravasirtes Blut* genannt zu haben. Pag. 432 im memer Arbeit über die Hundeplacenta 1. ce. schreibe ich: „Eine Endothelauskleidung des Simus lateralis habe ich nicht gesehen und scheint es, als ob das Blut sich frei in das Gewebe des Placentarrandes ergossen hätte.“ ‚ Schliesslich muss ich noch der von Selenka inzwischen gemachten Veröffentlichungen in den „Sitzungsberichten der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften 1890“ gedenken, im welchen für den Menschen und für Affen wieder das Emwachsen der Zotten in die Uterindrüsen vertreten wird. Ueber die Entwickelung und Struetur der Placenta bei der Katze. 373 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIII und XIX. Fig. Fig. 1. Fig. 4 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Querschnitt des Embryo und der Uterinwand im Anfang der Schwangerschaft. a Muscularis, b die erweiterten Uterin- drüsen, ce die bindegewebige Schicht, später die Decidua- schicht, Syneytium, d Chorion und beginnende Zotten, e Em- bryo.4 Verick; 0bj+2, Qe..IIl: Das Eindringen der Chorionzotten in die Uterinschleimhaut. a Zwischenwände der erweiterten Drüsenräume, b Drüsen- abschnitt mit gewöhnlichem, erhaltenden Epithel, e Drüsen- abschnitt mit zerfallendem, veränderten Epithel, d die binde- gewebige Schicht (späteres Syneytium), e Zottenepithel, f zarte bindegewebige Axe der Zotte, g Querschnitt eines Gefässes. Vierick,.Obj., 7,.0e.. IH. Die Uterinschleimhaut, in welcher die Zotten nicht hinein- gedrungen sind, stärker vergrössert. a Muscularis, b nicht erweiterte Drüse, ce Zwischenwände der erweiterten Drüsen, d Drüsenraum mit unverändertem Epithel, e Drüsenraum mit zerfallendem, veränderten Epithel, f die bindegewebige Schicht (späteres Syncytium). Verick, Obj. 7, Oec. Ill. Drüsenzellen und deren Produkte. Zeiss hom. I. 1/j, Oec. IV. Querschnitt des Embryo und der Uteruswand von einem vorgerückteren Stadium. a Serosa, b Muscularis, e die Schicht der erweiterten Drüsen, d die oberflächliche Bindegewebs- schicht resp. Syneytium, in welches die Chorionzotten einge- drungen sind, e der bindegewebige Theil der Zotten vom Epithel zurückgewichen, f Anhäufungen von Blutkörperchen, £& der in Placenta nicht umwandelte Theil der Uterinschleim- haut, sich in das Verbindungsstück der Fruchtsäcke fort: setzend. Verick, Obj. 2, Oe. I. Das weitere Eindringen der Chorionzotten in die Uterinschleim- haut. Durchschnitt der Uteruswand. a Serosa, b Muscularis, e tiefe, nicht dilatirte Drüsen, d Zwischenwände der erwei- terten Drüsen, e Drüsenräume mit ziemlich erhaltenem Epithel, f Drüsenräume mit zerfallenem, verändertem Epithel, & Quer- schnitt der Gefässe, h Syneytium, i Zottenepithel, k zarte, bindegewebige Axe der Zotten vom Chorion ausgehend, vom Epithel zurückgewichen. Verick, Obj. 7, Oe. I. Ende einer Zotte (Z), welche die erweiterten Drüsenräume (D) mit den losgelösten, theilweise veränderten Epithelzellen bei- nahe erreicht hat. G Gefäss, S Syneytium. Zeiss hom. I. !/js, OEEE. Syneytium mit Gefässen. Z eine Zotte. Querschnitt. Zeiss hom: TI. 1/5, OcJ1IV. Öberflächliches Gefäss mit Blutkörperchen, nach oben von Chorionepithel, nach unten von Syneytium umgeben. Zeiss hom. I. 1/j, Oec. IV. Argehiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 25 5374 G. Heinrieius: Fig. 10. Randplacenta und Uterusschleimhaut, theilweise von Chorion Fig. Fig. Fig. a Fig. Fig. it: 2! 13. 14. 15. 16. bedeckt. Embryo5cm lang. 1 Placenta, 2 Theil der Schleim- haut, in welcher Chorionzotten nicht hineinragen; die Drüsen sind hyperplasirt, die Drüsenräume mit Zellprodukten (Uterin- milch) gefüllt, Chorion ohne Zotten, mit vergrössertem Epithel. 3 Theil der Schleimhaut, wo Anhäufungen von Blut zwischen der Schleimhaut und Chorion sich befinden, 4 Theil der von Chorion nicht bedeckten Schleimhaut. a Serosa, b Musecularis, e die erweiterten Drüsenräume, in welchen die Zotten hinein- ragen und wo Uterfnmilch gebildet wird, d Zotten und inter- villöse Balken, e Chorion. V&rick. Obj. 2, Oc. III. Eine mittlere Partie der Placenta. Embryo 5 cm lang. a Muscu- laris, b die erweiterten Drüsen, in welche die Zotten hinein- ragen, c Ende einer Zotte mit grösseren, ovalen Epithelzellen, d Zotten und mütterliches Zwischengewebe, e Querschnitt eines oberflächlichen mütterlichen Gefässes, f Chorion. V&rick, 067: 2, ©e. IM. Ende einer Zotte (Z); die niedrigen Epithelzellen (b) gehen in grössere, ovale Zellen (a) über. D Drüsenräume, bei x An- häufungen von Zellenprodukten (Uterinmilch), e mütterliches Gefäss, d Syneytium, e Drüsenepithel. Embryo 5 cm lang. Zeiss hom. I. 1a, Oc. IV. Querschnitt eines intervillösen Balkens. Embryo 5 em lang. Z Zottengewebe, a Chorionepithel, b mütterliches Gefäss mit Endothelzellen. Zeiss hom. I]. 1/ı, Oec. V. Mit der Oberfläche paralleler Schnitt eines intervillösen Bal- kens. Embryo 5 cm lang. Die Buchstaben wie in Fig. 13. Zeiss 'hom. 1. A, OCHWV. Zellen der Zottenenden und Uterinmilch. Die Zellen in Thätig- keit Uterinmilch aufzunehmen. Fimbryo 5 em. Zeiss hom. Tl, ON. Zellen der Uterindrüsen am Placentarrande in Thätigkeit, Uterinmilch zu bilden begriffen. Embryo 5cm. Zeiss hom. IE, 0e. NV. Chorionepithel an die Blutanhäufungen der Uterinschleimhaut ausserhalb der Placenta grenzend. In den Zellen sieht man Blutkörperchen. C Choriongewebe, D Drüsengewebe. Em- bryo 5em. Zeiss hom. I. Yo, Oc. V. Querschnitt intervillöser Balken. Embryo 9,5 em lang. Z Zotten- gewebe. Zeiss hom. 1. 1/,, Oc. V. Drüsenepithel (D) und Chorionepithel (C) ausserhalb der Pla- centa. Embryo 9,5 cm. Zeiss hom. I. 1/js, Oe. IV. Gefässwand aus der Placenta. G Gefässlumen. Embryo 95cm. Zeiss hom. I. 1/jo, Oc. IV. 375 (Aus dem II. anatomischen Institut der Universität zu Berlin.) Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung in der lymphatischen Randschicht der Salamandrinenleber. Von „Dr. E. Göppert. Hierzu Tafel XX. In der Iymphatischen Randschicht der Leber von Sala- mandra maculata und Triton alpestris fand ich einen Kernthei- lungsvorgang, der, wie sich bald herausstellte, als „indirekte Fragmentirung“ aufgefasst werden musste. — Vor der Beschrei- bung desselben will ich kurz das, was bisher über die indirekte Fragmentirung veröffentlicht worden ist, besprechen. Bekanntlich hat J. Arnold!) zuerst diesen Kerntheilungs- modus beschrieben. Nach ihm tritt bei diesem Vorgang in den Zellkernen zunächst eine Vermehrung der chromatischen Sub- stanz und eine Veränderung in der Anordnung derselben ein. 1) J. Arnold, a) Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. Virchow’s Archiv Bd. 93. — b) Ueber Kern- und Zelltheilung bei acuter Hyperplasie der Lymphdrüsen und Milz. Virchow’s Archiv Bd. 95. — c) Weitere Beobachtungen über die Theilungsvorgänge an den Knochenmarkzellen und weissen Blut- körpern. Virchow’s Archiv Bd. 97. — d) Ueber Kerntheilung und vielkernige Zellen. Virchow’s Archiv Bd. 98. — e) Ueber Theilungs- vorgänge an den Wanderzellen, ihre progressiven und regressiven Metamorphosen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. — f) Weitere Mitthei- lungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz; zugleich ein Bei- trag zur Kenntniss der von der typischen Mitose abweichenden Kern- theilungsvorgänge. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 31. 376 : E. Göppert: Dies betrifft anfangs nur das geformte Chromatın, das m Kör- nern, Fäden und Balken, oft in gerüst-, netz- oder knäuelförmiger Anordnung angetroffen wird. Dazu kommt später eme diffuse Vertheilung von Chromatin im Kernsaft, welche oft den Kernen ein homogenes Ansehen verleiht. Gelegentlich findet sich das Chromatingerüst innerhalb des Kerns radiär angeordnet. Bereits in diesem Stadium kann eine Zerschnürung des Kerns eintreten. Gewöhnlich nimmt derselbe aber vorher eine mehr oder weniger complieirte Gestalt an: er wird ring- oder netzförmig, gelappt oder verästigt u.s.w. Auch in den Kernringen kommt eine radiäre Anordnung der chromatischen Substanz vor. — Die in solcher Weise umgestalteten Kerne zerschnüren sich nun in eine meist grössere Reihe von Tochterkernen, welche Anfangs noch durch helle Bänder und Fäden zusammenhängen, später nach dem Schwund der letzteren selbständig werden und auch zu dem gewöhnlichen Chromatingehalt zurückkehren. Darauf kann eine Neubildung junger Zellen erfolgen, indem entweder die Zelle, deren Kern sich in der besprochenen Weise getheilt hat, in eine der Zahl der Tochterkerne gleiche Anzahl von Theilen zerlegt wird, oder, indem Theile des Protoplasma der Stammzelle endogen oder peripherisch sich in der Umgebung der klemen Kerne los- schnüren. — Dieser eben beschriebene Kerntheilungsvorgang ist hauptsächlich charakterisirt durch Erhaltenbleiben der Kerm- membran und durch die Vermehrung und Umordnung der cehro- matischen Substanz. Das letztere kennzeichnet ihn als eine in- direkte Theilung, das erstere unterscheidet ihn von der Mitose. Dieser Unterschied wird ferner markirt durch das Fehlen einer äquatorialen Umordnung der chromatischen Substanz und das Fehlen der achromatischen Figur bei der indirekten Fragmen- tirung. — Arnold hält die letztere aber nicht für einen ganz isolirt . dastehenden Vorgang, sondern nimmt eine Verknüpfung derselben durch Uebergangsformen mit der Mitose an. Mög- licherweise bestehen auch Beziehungen zur direkten Kerntheilung. Er konstatirte den Vorgang sowohl unter pathologischen wie unter normalen Verhältnissen, und zwar im Knochenmark, in Lymphdrüsen, in der Milz, an Wanderzellen und an Zellen von Geschwülsten (Sarecome und Carcinome). Eine ganze Reihe von Arbeiten bestätigte die Arnold- schen Beobachtungen und erweiterte die Kenntniss von der Ver- Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung etc. 377 breitung der indirekten Fragmentirung. Dazu gehören zunächst drei Arbeiten aus dem Arnold’schen Laboratorium: Werner?) constatirte diese Art der Kerntheilung an den Riesenzellen des Knochenmarks auch bei Hund, Katze und Mensch, während die Resultate Arnold’s hauptsächlich beim Kaninchen gewonnen waren. — Sehottländer?, fand in dem hinteren Hornhaut- epithel der mit Chlorzink geätzten Froscheornea Kermtheilungs- figuren, die der indirekten Fragmentirung angehören. — Hess?) endlich kam bei seiner Untersuchung über die grossen Zellen der Milz von mit Milzbrand infieirten Mäusen auch wieder zu dem Resultat, dass bei der Vermehrung dieser Zellen die indirekte Fragmentirung eine wichtige Rolle spiele, dass ausserdem zwi- sehen pluripolarer Mitose und indirekter Fragmentirung keine scharfe Grenze bestehe; er fand Kernfiguren, die als Uebergangs- formen aufzufassen waren. Auch von anderer Seite stammen bestätigende Beobach- tungen: die Befunde Geelmuyden’s’) an Myeloplaxen weichen von denen Arnold’s nieht ab. — Beltzow®) fand auf indirekte Fragmentirung zu beziehende Kerntheilungsfiguren bei seinen Be- obachtungen über die Regeneration des Harnblasenepithels beim Kaninchen. — Besonders erwähnenswerth ist eine Arbeit von Ströbe?): Derselbe sagt (S. 355) über die Riesenzellen im Knochenmark junger Kaninchen: „Wer ganz unbefangen die Präparate durchmustert, wird sozusagen mit Gewalt dazu ge- drängt, sich den Arnold’schen Anschauungen, insbesondere mit 2) Werner, Ueber Theilungsvorgänge in den Riesenzellen des Knochenmarks. Virchow’s Archiv Bd. 106. 3) Schottländer, Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothel der entzündeten Hornhaut. Archiv f. mikr. Anat. Pd. 31. 4) Hess, Ueber Vermehrungs- und Zerfallsvorgänge an den grossen Zellen in der acut hyperplastischen Milz der weissen Maus. Beiträge zur pathol. Anat. u. zur allg. Pathol., herausg. von Ziegler, Bd. VI. 5) Geelmuyden, Das Verhalten des Knochenmarks in Krank- heiten und die physiologische Funktion desselben. Virchow’s Arch. Bd. 106. 6) Beltzow, Zur Regeneration des Epithels der Harnblase. Virchow’s Arch. Bd. 97. 7) Ströbe, Ueber Kerntheilung und Riesenzellenbildung in Ge- schwülsten und im Knochenmark. Beitrg. z. pathol. Anat. u. zur allg. Pathol., herausg. von Ziegler, Bd. VI. 378 E. Göppert: Bezug auf die indirekte Fragmentirung mehr oder weniger rück- haltslos anzuschliessen.*“ Ebenso fand Ströbe in Sarcomen und Careinomen, namentlich aber in den ersteren, Kernfiguren, „die in die Formenreihe der Arnold’schen mehrfachen indirekten Fragmentirung“ gehören (S. 357). — Ferner ist eine Arbeit von Flemming®) zu erwähnen über „amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders“. Der Kerntheilungsvorgang, der übrigens in diesem Fall wahrscheinlich abnormen Verhältnissen seinen Ursprung verdankte, begann mit einer Zunahme der Tin- girbarkeit des Kerns. In ihm traten stark chromatische Stränge und Körner auf. Der Kern konnte sich jetzt schon zerschnüren. Gewöhnlich wurde er vorher von einem Loch durchsetzt, das sich allmählich vergrösserte. Auch mehrfache Durchbohrungen kamen vor. Die Seitenränder dieser Lücken wurden zu ver- schmälerten Strängen ausgespannt, nach deren Durchbrechung die Theilung vollendet war. Nach Allem ist der geschilderte Vorgang doch als indirekte Fragmentirung zu bezeichnen. — Hervorzuheben ist schliesslich noch, dass Löwit?) bei amitotischen Theilungen von Leucoceyten, speciell auch beim Salamander, eine Vermehrung des Chromatins, sowie eigenthümliche Umlage- rungen desselben beobachtet hat. Gegen die Arnold’schen Angaben sind eine Anzahl von Einwendungen erhoben worden (so von Cornil!®), Denys), Ayoama!2), Löwit(®), Demarbaix!?). Auf diese ist zum Theil 8) Flemming, Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 34. 9) Löwit, Ueber Neubildung und Zerfall weisser Blutkörper- chen. Ein Beitrag zur Lehre von der Leukämie. Sitzungsber. der mathem.-naturw. Klasse der kaiserl. Akad. der Wissenschaft Bd. 92, Heft 1. 10) Cornil, Sur la multiplication des cellules de la moelle des os par division indirecte dans l’inflammation. Arch. de physiol. norm. et pathol. T. X, 3me serie. 11) Denys, a) La ceytodierese des cellules g&antes et des petites cellules incolores de la moelle des os. La Cellule T. II. — b) Quel- ques remarques ä propos du dernier travail d’Arnold sur la fragmen- tation indirecte. La Cellule T. V. 12) Ayoama, Indirekte Kerntheilung in verschiedenen Neubil- dungen. Virchow’s Arch. Bd. 106. 13)Demarbaix, Division et d&generescence des cellules g&antes de la moelle des os. La Cellule T.V. Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung etc. 379 Arnold selbst (ef), zum Theil Hess(%) und Ströbe(?) ein- gegangen. Ich will deshalb bloss einiges über die letzte Arbeit von Denys(!!®) und die Arbeit Demarbaix(!?) sagen und zwar nur deshalb, weil nach Kölliker!#) durch sie die ganze Lehre der indirekten Fragmentirung in Zweifel gestellt werden soll. Demarbaix behauptet nämlich auf Grund seiner Beobachtungen, dass der Chromatinreichthum der Kerne, welchen Arnold als ein Zeiehen der indirekten Fragmentirung auffasst, nur der Aus- druck einer eadaverösen Veränderung der Kerme sei, welche immer erst einige Zeit nach dem Tode eintrete. Nun hat aber Arnold zweifellos seine Beobachtungen an ganz frischem Ma- terial anstellen können. Dasselbe heben Hess(!) und Ströbe(‘) mit Rücksicht auf die Demarbaixschen Angaben für ihre Untersuchungen hervor. Der erstere hat überdies die Versuche Demarbaix’s an der Milz der Maus wiederholt, ohne zu dessen am Knochenmark gewonnenen Resultaten zu kommen. Demar- baix giebt nun ferner seiner Arbeit Zeichnungen mit, welche die cadaverösen Veränderungen an den Kernen der Riesenzellen dar- stellen und zugleich beweisen sollen, dass diese, thatsächlieh dureh postmortale Degeneration zu Stande gekommenen, Kern- strueturen identisch seien mit denjenigen, welche Arnold fälsch- lieh für seine indirekte Fragmentirung in Anspruch nehme. Bei der Vergleiehung der hierher gehörigen Arnold’schen und De- marbaix'schen Figuren fallen aber fast überall so bedeutende Unterschiede in die Augen, dass an eine Identität der von beiden beobachteten Erscheinungen nicht zu denken ist. Nirgends sieht man nämlich in den von Demarbaix abgebildeten Kernen, so- weit sie überhaupt nieht völlig homogen erscheinen, den Unter- schied von diffus vertheiltem und geformtem Chromatin; aber auch abgesehen davon, habe ich derartige Structuren, wie sie z.B. in den Figuren 3,4, 5, 6, 16, 17, 18, 19, 20, 30, 37, auch 43 wiedergegeben sind, weder in den Arnold’schen Zeichnungen dargestellt, noch in seinen Arbeiten beschrieben gefunden. Nach alledem entbehrt also die oben eitirte Behauptung Demarbaix's thatsächlich der Begründung. — Derselbe behauptet weiter, dass die Kernfiguren, in denen die Theilstücke noch durch Bänder 14) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen (6. Aufl,) Seite 62). 380 E. Göppert: und Fäden zusammenhängen, zurückzuführen seien auf eine Zer- zerrung der cadaverös veränderten Kerne durch die Präparir- nadel. Abgesehen davon, dass Arnold seine Beobachtungen auch an Schüttelpräparaten machte, ist die Annahme, die hier- hergehörigen complieirten Kernfiguren könnten auf diese Art entstanden sein, noch dazu, ohne dass am Kern wie an den Zell- körpern deutliche Spuren einer derartigen gewaltsamen Einwir- kung erkennbar gewesen wären, einfach undenkbar. — Schliess- lich sagt Demarbaix auf S. 53 seimer Arbeit: La division eine- tique multiple est le seul mode de division bien etabli des cel- lulles geantes de la moelle. Dass die Riesenzellen auch amitotisch sich theilen können, ist sicher bewiesen durch den Befund von kleinen Zellen im Innern der Riesenzellen, deren Kerne noch mit dem Kern der letzteren durch dünne Fäden in Zusammenhang stehen. — Auf die eben zurückgewiesenen Behauptungen De- marbaix’s stützt sich nun auf Denys in seiner letzten Arbeit 11”), in der er das Vorkommen einer indirekten Fragmentirung gänz- lich leugnet. Durch die Widerlegung Demarbaix’s fällt also zugleich ein Theil der Grundlagen für die Denys’sche Ansicht. — Hess(*) ist bereits auf einige Punkte dieser Arbeit einge- gangen. Ich will deshalb nur noch die Behauptung Deny’s an- führen, die Beobachtung Arnold's von ringförmigen Kernen be- ruhe auf einem Irrthum; thatsächlich handle es sich in den Fällen, in welchen Arnold zu dieser Auffassung geführt wurde, um Kerne, deren Nucleolus sich in eine Vacuole umgewandelt habe. Von vornherein erscheint es schon undenkbar, dass Ar- nold sich in dieser Weise hätte täuschen lassen können; Denys hat ausserdem in keiner Weise, weder in seiner Beschreibung noch in seinen Abbildungen dieser vaeuolisirten Kerne den Be- weis geliefert, dass seine Befunde wirklich identisch seien mit den Beobachtungen Arnold’s und nur eine falsche Deutung von Seiten des letzteren vorliege. Schliesslich beweisen die in den Binnenräumen von Kernringen von Arnold angetroffenen Struc- turen: Fäden, welche mit den chromatischen Elementen der Kern- figur in Zusammenhang stehen können, dass es sich hier unmög- lich um Vaeuolisirung des Nucleolus handeln kann ®). 15) Flemming(®) bestätigt das Vorkommen von ringför- migen Kernen in Lymphzellen, speciell auch in der Milz der Maus. Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung etc. 381 Trotz dieser Entgegnungen ist also an. dem Vorkommen der Arnold’sehen indirekten Fragmentirung nicht zu zweifeln. Ich gehe jetzt zur Besprechung meiner Befunde über. Bei der Durchmusterung der Randschicht der Urodelenleber fallen besonders Zellen auf, deren Kerne Ringform besitzen. Ein soleher Kern stellt einen wirklichen Ring vor, ist thatsächlich durehbohrt. Durch Heben und Senken des Tubus kann man die Perforation dureh die ganze Dieke des Kerns verfolgen und kann sich davon übezeugen, dass man es nicht etwa blos mit einem vacuolisirten Kern zu thun hat (Fig. 5). Ohne Weiteres ergiebt sich dies auch, wenn man in dieckeren Schnitten einen derartigen Kern etwas von der Seite zu sehen bekommt. Der Zusammenhang zwischen der nach Aussen und der nach Innen, gegen den Binnenraum gerichteten Begrenzung desselben ist dann deutlich zu erkennen. An solchen Bildern sieht man ausserdem noch, dass die Kernringe in der Riehtung der Durchbohrung etwas abgeplattet sind (Fig. 4). Die Kern- substanz wird ebenso, wie an, allen übrigen Stellen, auch gegen den Binnenraum des Ringes durch die unveränderte Kernmembran begrenzt. Die Substanz, welche die Perforation ausfüllt, unter- scheidet sich in nichts von dem den ganzen Kern peripher um- schliessenden Protoplasma. Besondere Strueturen, wie sie Arnold in den „hellen Feldern“ der durch indireete Fragmentirung sich theilenden Zellen der Mausmilz auffand ('f), konnte ich in den Binnenräumen der Kernringe nirgends wahrnehmen. Die Grösse des Loches schwankt; meist stellt es sich nieht grösser dar, als es in Figur 5 erscheint. Anderseits findet man Kerne, deren Perforationen ihrer Kleinheit wegen sich leicht der Beobachtung entziehen können. Verschieden ist auch die Form der Kernlöcher. Häufig nähert sie sich der Kreisform, oft erscheinen die Durch- Ferner sind unzweifelhaft ringförmige Kerne noch beschrieben in einer Arbeit von Poljakoff: „Ueber eine neue Art von fettbildenden Or- ganen im lockern Bindegewebe.“ Arch. f. mikr. Anat. Bd. 32, S. 138 u. 139. P. beobachtete an gewissen Zellen im subeutanen Bindegewebe der Ratte einen Theilungsvorgang, bei welchem der Kern erst Ring- form annahm, um sich dann in gewöhnlich zwei Theile zu zerlegen, welche, ähnlich, wie es Arnold beschreibt, noch längere Zeit durch helle Streifen mit einander in Verbindung bleiben. An die Kernthei- lung schliesst sich die Zelltheilung an. Die Kernstructur hat hier keine Berücksichtigung gefunden. 382 E. Göppert: brechungen fast polygonal mit etwas abgerundeten Ecken, ge- legentlich auch als längliche Spalten. Das letztere fällt oft, aber nicht regelmässig mit einer gestreekten Form des ganzen Kernes zusammen. — In einigen Fällen ergab sich, dass die Mündung ‘des den Kern durchbohrenden Kanals auf der einen Seite der Kernoberfläche einen ziemlich grossen Spalt, auf der entgegen- gesetzten nur ein kleines rundliches Loch darstellt. An dieses Verhalten schloss sich der Befund von Kernen an, in denen nur eine Einsenkung von einer Stelle der Peripherie aus in’s Innere des Kernes zu constatiren war, aber keine vollständige Durch- bohrung vorlag. Derartige Kerne sind dann etwa mit einem sehr diekwandigen Becher zu vergleichen (Fig. 2). Diese beiden zu- letzt beschriebenen Kernformen zeigen nie weitergehende Thei- lungserscheinungen, wie dies bei den Kernringen der Fall ist. Man ist deshalb berechtigt, in ihnen Vorstufen zur Ringform zu sehen. Danach würde der Vorgang der Kerndurehbohrung aufzu- fassen sein, als eine Durchschnürung der Kernsubstanz, welche wenigstens in vielen Fällen an einem Pol des ursprünglich mehr oder weniger kugeligen Kerns beginnt, denselben zunächst in einen sich allmählich vertiefenden Becher und schliesslich in einen Ring umwandelt. Das Stadium, in welchem die Durchbohrung eben eingetreten ist, stellen die Kerne vor, an welchen die eine Oeffnung kleimer ist, als die andere. Die letztere weitere wird dann als die Ausgangsstelle des ganzen Processes zu gelten haben. Die Differenz in der Weite des den Kern durchbohrenden Kanals gleicht sich später aus. Es scheint, als wenn der eben beschrie- bene Vorgang seinem Wesen nach nicht verschieden ist von dem gewöhnlich zu beobachtenden Zerschnürungsprozess, welcher z.B. bei der direkten Kerntheilung die Zweitheilung eines Kerns be- wirkt 19). Die Ringform bildet den Ausgangspunkt für die weitere 16) Hatschek hat bei Amphioxuslarven einer gewissen Ent- wickelungsstufe ringförmige Kerne in dem äusseren stark abge- platteten Epithel beobachten können. Da derartige Kernformen in dem vorhergehenden und folgenden Stadium, welche cylindrische Epithelzellen an der entsprechenden Stelle aufweisen, fehlen, bringt Hatschek die Entstehung derselben mit der starken Abplattung der Epithelschicht in Zusammenhang (Anatom. Anzeiger 1889, Verhandl. d. Anatom. Ges, auf d. III. Vers. in Berlin 10—12. Okt. 1889). Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung ete. 383 Zerlegung der Kerne, welche zur Bildung von 2—8 Tochter- kernen führt. Man unterscheidet dabei zwei Modificationen. Das Resultat des häufigeren Modus ist, dass man den Kernring durch Scheidewände in eine Anzahl von Theilstücken zerlegt findet, ohne dass die ursprüngliche Form des Ringes wesentlich beein- trächtigt ist. Die Orientirung dieser Scheidewände ist eine der- artige, dass. dieselben im optischen Querschnitt des Kerns sich als dunkle Linien darstellen, welehe mehr oder minder genau in den Radien des von der Kernperipherie begrenzten Kreises oder Ovals verlaufen (Fig. 6). Aus diesem Verhalten ergiebt sich schon, dass die Trennungsebenen etwa senkrecht zur Aequatorial- ebene des Ringes stehen. Nicht immer greifen die Scheidewände durch die ganze Dieke der Kernsubstanz hindurch. Gelegentlich findet man sogar die Trennungsstelle zwischen 2 Kerntheilen ge- rade nur angedeutet durch eine kleine Einfurchung der Kern- membran, welche scharf etwas in’s Innere der Kernsubstanz vor- springt. In anderen Fällen besteht allerdings eine deutliche Scheidewand, dieselbe ist aber auf die Nähe der Kernperipherie beschränkt und würde dann etwa die Form einer rundlichen, mit einem grösseren oder kleineren Loch versehenen Scheibe haben. Man findet schliesslich alle Uebergangsformen zwischen diesem Zustand und dem Zustand völliger Trennung der Theilstücke von einander; aber auch hier wird man immer zwischen je zweien derselben eine kleine Einfurchung wahrnehmen, da die Scheide- wand sich stets in der Nähe der Kermperipherie m zwei Lamel- len spaltet, welche auseinander weichend in die Kernmembranen der betreffenden Tochterkerne übergehen (Fig. 19, 22). Aus alledem ergiebt sich, dass die Zerlegung des Kernrings durch einen Emfurchungsprocess von der Kernperipherie her erfolgt. Wenn man im Innern der Kernsubstanz die Zusammensetzung der Scheidewand aus zwei Lamellen nicht feststellen kann, so liegt dies an der grossen Feinheit und dem engen Aneinander- liegen der letzteren. — Zu erwähnen ist noch, dass die eindrin- gende Furche sich nicht in allen ihren Punkten gleichmässig ein- zusenken braucht, oft greift sie an der einen Stelle tiefer ein als an der andern. Auch braucht die Einschnürung nicht gleich von vornherein die ganze Peripherie der Ringwandung in der oben bezeichneten Richtung zu umgreifen. Der Process kann auch an einem einzelnen Punkt beginnen. So erkennt man z.B, 384 E. Göppert: in Fig. 17, dass an zwei Stellen die Einfurchung an der inneren, an einer an der äusseren Peripherie des Kerns aufgetreten ist, ohne dass an den gegenüberliegenden Punkten der Peripherie das Gleiche zu bemerken wäre. Ist die Durchtrennung des Kernrings erfolgt, so fangen die Theilstücke, welche bisher mit abgeplatteten Flächen zusammen- stiessen, an, sich gegeneinander abzurunden, so dass sie schliess- lich als selbstständige, mehr oder weniger kugelige Gebilde neben einander liegen (Fig. 7, 8, 12, 13, 15). Eine häufige Folge die- ses Vorgangs ist, dass die Ringe weiter werden, der Binnenraum sich vergrössert, wenn es nicht durch eine Verschiebung der Theilstücke gegen einander verhindert wird. . Nieht immer sieht man nun aber die Kerntheile so dicht neben einander gelagert und in so regelmässiger Weise gegen ein- ander abgegrenzt, wie dies eben beschrieben wurde. Oft findet man zwei benachbarte Kerntheile mehr oder weniger von einan- der abgerückt und zwischen ihnen eine band- oder fadenartige Verbindung (Fig. 9, 10, 24, 26, 27). Diese Brücke scheint im- mer farblos zu sein. Von irgend welcher Struetur konnte ich an ihr in der Regel nichts wahrnehmen, nur selten war eine äusserst zarte Längsstreifung zu bemerken. Die Substanz der mit einan- der verbundenen Kerntheile war stets scharf gegen die Brücken- substanz abgegrenzt, aber nie durch eine Membran von ihr ge- schieden. Die Kernmembran ging in die Brücke über. Der Querdurchmesser eines derartigen Verbindungsstranges blieb stets kleiner als derjenige der von ihm zusammengehaltenen Theil- stücke. Zwischen die beiden letzteren senkt sich somit immer eine ringförmige Furche ein, deren Boden eben von dem Ver- bindungsstrang gebildet wird. Gelegentlich war der Verbindungs- faden so dünn, dass er gerade nur noch wahrnehmbar blieb; da- bei war in der Regel zu beobachten, dass die Fadendicke um- gekehrt proportional war der Entfernung beider Kerntheile von einander, je grösser die letztere, desto dünner der Faden. Zu- weilen fand sich aber auch zwischen dieht neben emander ge- legenen Kerntheilen eine nur äusserst zarte Verbindung (Fig. 9). In den Fällen mit langem, dünnem Verbindungsfaden waren öfters die der Anheftung desselben dienenden Stellen der Kernperipherie etwas in der Längsrichtung des Fadens verzogen, so dass der- selbe von kleinen kegelförmigen Erhebungen entsprang (Fig. 10). Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung ete. 385 Dann war der Faden häufig in seiner Mitte dünner als an beiden Enden. — Die letzteren Befunde weisen darauf hin, dass der Verbindungsfaden relativ stark gespannt ist, dass er gedehnt wird, indem sich die durch ihn verbundenen Theilstücke von eimander entfernen. Daraus ergiebt sich der Zusammenhang zwischen den beiden Theilungsmodi. Von vornherein ist es schon klar, dass eine tiefere Verschiedenheit zwischen beiden nicht bestehen wird. Man findet sie nämlich neben einander an derselben Kermfigur. Ein Kerntheil kann gegen den einen Nachbartheil in der oben beschriebenen Weise abgeplattet und scharf begrenzt sein, mit dem andern dagegen durch einen hellen Faden zusammenhängen (Fig. 24, 26). Die Faden- oder Bandverbindung kommt also wohl dann zu Stande, wenn zwei in Abschnürung von einander begriffene Kernstücke sich während dieses Vorgangs von einander entfernen. — Ob das letztere nun aber geschieht durch Bewegungen innerhalb des Kernrings oder von Seiten des Protoplasma, ist natürlich schwer zu sagen. — Die Verbindung wird wahrscheinlich gelöst durch ein Zerreissen des dünn ausgezogenen Fadens. Schon vorher hat sich die dem einen Theilstück zugehörige Kernsubstanz von der des andern Kerntheils getrennt, so dass die Verbindungsbrücke dann nur aus Kernmembran und achromatischen Kernbestand- theilen zusammengesetzt ist. In den Fällen, bei welchen sich zwischen zwei nur wenig von einander entfernten Tochterkernen ein ganz dünner Faden befindet, wird das Auseinanderrücken beider erst eingetreten sein, als sie sich bereits durch den an erster Stelle beschriebenen Vorgang fast völlig von einander los- geschnürt hatten. In der Regel bleiben die Theilstücke des Kerns auch spä- terhin wenigstens annähernd kreisförmig angeordnet. Sie sind oft von ziemlich gleicher (Fig. 7, 8), oft aber auch recht ver- schiedener Grösse (Fig. 12). Sie weichen ferner in ihrer Form zuweilen selbst innerhalb derselben Zelle ganz bedeutend von ein- ander ab: man findet längliche Tochterkerne neben kugeligen, spindelförmige neben wurst- und bohnenförmigen (Fig. 11, 13, 15, 20, 25). Gelegentlich ist die Grössendifferenz eine so bedeutende, dass man annehmen muss, die grösseren Theilstücke werden spä- ter nochmals zerschnürt werden (Fig. 16). Man findet ferner oft in derselben Kernfigur die Trennung der einzelnen Stücke ver- schieden weit vorgeschritten. Einen sehr häufigen Befund bilden 386 E. Göppert: sichel- oder hufeisenförmige Kerne, die beiden Enden des Kern- bandes können verschieden weit von einander entfernt sein, sich aber auch gegenseitig berühren oder sogar gegen einander ver- schoben sein, sodass der ganze Kern eine leichte Spiraldrehung aufweist (Fig. 23, 24, 25, 18, 14, 19, 17, 21, 22). Im Uebrigen braucht eine Zerlegung desselben in kleinere Stücke noch gar nicht eingetreten zu sein; sie kann aber auch bereits mehr oder weniger grosse Fortschritte gemacht haben. Derartige Kernformen können natürlich entstanden gedacht werden durch entsprechende Verbiegung von wurst- oder bandartigen Kernen. Wenn man dies nun auch im einzelnen Fall nicht ausschliessen kann, so wird es doch sehr unwahrscheinlich dadurch, dass man nirgends solche langgestreckte Kerne findet, welche als Vorstufen für die erwähnten Kernfiguren angesehen werden können. Dass letztere aber aus Ringen ent- stehen können, indem dieselben an einer Stelle eime frühzeitige Durehschnürung erfahren, wird klar bewiesen durch den Befund von Sicheln und Hufeisen, deren Enden noch durch einen mehr oder weniger dünnen Verbindungsfaden zusammenhängen (Fig. 26). — Nach Allem kann also die Zertrennung eines Kerns an seinen verschiedenen Stellen sehr ungleichzeitig erfolgen. Gewöhnlich liegen die Kernringe, namentlich die Tochter- kernringe nicht in einer Ebene, sondern sind in der verschieden- sten und mannigfaltigsten Weise verborgen und verkrümmt. Ge- legentlich kommen sogar Achterfiguren vor. Es bleibt noch zu bemerken, dass man manchmal an die Möglichkeit einer Umgehung des Ringstadiums bei der Kernzer- schnürung denken könnte. Man findet nämlich zuweilen in einer Zelle zwei kleine Kerne ziemlich gleicher Grösse neben einander gelagert, welche einander eine etwas abgeplattete Fläche zuwen- den; an einer kleinen peripheren Stelle dieser Fläche hängen manchmal derartige Kerne noch unmittelbar mit einander zusam- men. Dieser Befund kann den Anschein erwecken, als wenn ein Kern durch eine an seiner einen Seite einsetzenden, nach der anderen fortschreitenden Einfurchung in zwei Theile zerlegt wer- den könnte. Man findet nun aber auch Kerne, welche sich nur dadureh von der zuletzt beschriebenen Form unterscheiden, dass noch eine zweite, aber fadenförmige Verbindung zwischen ihnen existirt, welche annähernd symmetrisch zu der ersten gelegen, die ganze Kernfigur zu einem Ring abschliesst. In anderen Fällen Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung ete. 387 sieht man nur noch die beiden Kerntheile durch zwei oft schon sehr dünne, helle Fäden an den entsprechenden Stellen verbunden (Fig. 27). Danach sind also die beiden Befunde, welche auf eine einfache Zerschnürung hinzuweisen scheinen, auch abzuleiten von ringförmigen Kernfiguren, in denen eine Zweitheilung ein- geleitet ist, und bei welcher die zwischen beiden Theilstücken ursprünglich vorhandene Verbindung bereits an einer oder an bei- den Stellen verloren gegangen ist. Betrachtet man die noch ungetheilten Kernringe mit Rück- sicht auf ihre feinere Struktur bei starker Vergrösserung, so be- obachtet man in ihnen ein feines maschiges Gerüstwerk von chro- matischer Substanz. Die Balken desselben sind von verschiedener Dieke, aber auch die dicksten stellen immer noch sehr zarte Ge- bilde vor. In vielen, manchmal in fast allen Knotenpunkten des Netzes finden sich kleine rundliche, scharf begrenzte Chromatin- körnchen eingelagert. Die Grösse derselben schwankt. Im höch- sten Fall erreichen sie meist doch nicht den Umfang der Nucleoli ruhender Kerne, während die kleinsten Gebilde dieser Art nur als Punkte erscheinen. Im Grossen und Ganzen zeigen die Ge- rüstbalken eine deutlich radiäre Anordnung um das Kernloch herum (Fig. 3), sodass man schon bei relativ schwacher Ver- grösserung in den Kernringen eine strahlige Struktur erkennt (Fig. 5). — Wenn man sich nun unter den nicht perforirten Ker- nen der Leberrandschicht umsieht, so findet man bald solche, deren Struktur im Allgemeinen genau übereinstimmt mit der der Kernringe, nur eine radiäre Anordnung der chromatischen Sub- stanz fehlt bei ihnen (Fig. 1). Denselben Bau zeigen auch die nur unvollständig durchbohrten, becherförmigen Kerne (Fig. 2). Die eben beschriebenen Strukturverhältnisse weichen nun erheblich ab von dem inneren Bau der übrigen noch nicht umgestalteten Kerne der Randzone. In diesen sieht man nämlich ausser den Kernkörperchen auch Chromatinfäden oder -balken, die wohl selbst in netzförmiger Verbindung unter einander angetroffen wer- den; von einer so deutlichen und regelmässigen Structur aber, wie in den vorher beschriebenen Kernen, ist nicht die Rede. Die letzteren zeichnen sich auch dadurch aus, dass die Chromatin- körmnchen in ihnen meist im grösserer Anzahl vorhanden und gleichmässiger über den Kern vertheilt, aber auch im Durchschnitt, wie schon oben erwähnt, von geringerer Grösse sind, als es in 388 E. Göppert: den unveränderten Kernen der Fall ist. Ob es sich nun aber in ihnen wirklich um eine Vermehrung oder ob es sich nur um eine veränderte Anordnung des Chromatins handelt, ist natürlich schwer zu sagen; oft scheint allerdings thatsächlich eine Zunahme der chromatischen Substanz vorzuliegen. — Wenn man nun also die- selbe Struktur, welche man in ring- und becherförmigen Kernen beobachtet, auch in einzelnen noch kugeligen Kernen wahrnimmt, so wird man dadurch zu der Ueberzeugung gebracht, dass letztere auch bereits in Theilung begriffen sind und dieht davor stehen, die Ringform anzunehmen. Somit leitet sich der vorliegende Kerntheilungsprozess ein durch eine Veränderung der Anordnung des Chromatins, wahrschemlich verbunden mit einer Vermehrung desselben. Sobald dann der Kern Ringform angenommen hat, gruppirt sich das chromatische Netzwerk radiär zu dem Mittel- punkt des Kermrings. — Von weiteren Veränderungen im Bau des Kernes kann ich nicht viel berichten. Auch nach dem Be- ginn der Zerschnürung des Ringes besteht die radiäre Anordnung _ des Chromatinnetzes noch fort. Bei hufeisenförmigen Kernen habe ich sie sogar oft besonders gut wahrnehmen können. Während des weiteren Fortschrittes der Zertheilung tritt das Chromatin- netz dann wieder mehr zurück. Die Chromatinkörnchen scheinen an Zahl abzunehmen, dafür zeichnen sich wieder ein oder mehrere Nucleoli in jedem Theilstück durch besondere Grösse aus. — Ir- gend welche Veränderungen an der Kernmembran konnte ich nicht wahrnehmen. Von einer diffusen Vertheilung des Chroma- tins im Kernsaft habe ich mich nieht ganz sicher überzeugen können. Die auf die beschriebene Weise entstandenen multinucleären Zellen finden sich nun nicht nur in dem Iymphatischeu Gewebe der Leber, sondern auch ziemlich zahlreich frei im Blut schwim- mend vor (Fig. 20). Die Art und Weise, wie sie dorthin ge- langen, ist ohne Weiteres klar: durch Eberth'!”) ist schon die Fähigkeit zu amöboiden Bewegungen bei den Zellen der Leber- randschieht nachgewiesen worden. Dazu sieht man, wie die Blutgefässe der Leber unmittelbar an die Randzone herangehen (Fig. 28), so dass eine Einwanderung auf dem direktesten Wege 17) Eberth, Untersuchungen über die Leber der Wirbelthiere. Arch. für mikr. Anat. Bd. 3. Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung etc. 389 möglich ist. — Dieselben vielkernigen Zellen trifft man auch in der Milz. Ich habe aber nicht feststellen können, ob sie bloss eingeschwemmt sind oder einem an Ort und Stelle vor sich gehen- den Theilungsprocess ihren Ursprung verdanken. Es sei noch erwähnt, dass ich in einem Präparat des Blutes von Protopterus anneeteus Kernfiguren gesehen habe, die genau den oben beschriebenen Formen entsprechen. Es fanden sich ring- wie hufeisenförmige Kerne. — Schliesslich muss ich noch hervorheben, dass in meinen Präparaten sich im der Leberrand- schicht gar nicht selten Mitosen vorfanden. Kurz zusammengefasst stellt sich der im Vorhergehenden beschriebene Kermtheilungsvorgang etwa folgendermassen dar: Zuerst wird in den Kernen ein deutliches, maschiges Chromatin- gerüst sichtbar mit Chromatinkörnehen in den Knotenpunkten. — Darauf giebt ein Durchschnürungsprocess den Kernen Ringform. Das Chromatinnetz ordnet sich nun radiär zu der Perforation an. — Dann wird der Kernring in 2 bis 8, häufig nach Form und Grösse ungleiche Theilstücke zerschnürt, welehe nunmehr annähernd in einem Kreis angeordnet bleiben. — Während des ganzen Vor- gangs bleibt der Kern in semen Theilen stets an allen Stellen durch eine Kernmembran gegen das Protoplasma abgegrenzt. — Eine an die Kemtheilung sieh anschliessende Zelltheilung konnte ich nicht sicher nachweisen. Ich muss aber auch hervorheben, dass ich nirgends degenerative Erscheinungen an den multinueleären Zellen finden konnte. Vergleicht man nun diesen Kerntheilungsvorgang mit dem von Arnold als indirekte Fragmentirung beschriebenen Processe, so ergiebt sich in allem Wesentlichen eine völlige Uebereinstim- mung zwischen beiden: Entsprechend den Arnold’schen Befunden wird auch die eben beschriebene Kerntheilung durch Umordnung und auch wohl Vermehrung des Chromatins eingeleitet!®). Nur die diffuse Vertheilung desselben konnte ich nicht nachweisen. Auch Arnold beobachtete ein ringförmiges Stadium, und konnte auch hier gelegentlich eine radiäre Anordnung der chromatischen Sub- stanz um die Perforation herum nachweisen. Ferner fand er 15) Es muss hervorgehoben werden, dass manche von Arnold wiedergegebenen Kernstrukturen grosse Aehnlichkeit besitzen mit denjenigen, welche ich oben beschrieben habe. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 26 390 E. Göppert: gleichfalls die Tochterkerne durch helle Fäden und Bänder ver- bunden. Im vorliegenden Fail findet sich nun aber noch eine zweite Modification der Kernzerschnürung: die einzelnen Stücke können sich durch regelmässige Theilungsflächen gegen einander abgrenzen. Dies berührt die Fassung der ersten Definition, wel- che Arnold von der Fragmentirung gab, als eines Theilungsvor- gangs, bei welchem die Kernabschnitte sich nicht durch regel- mässige Theilungsfiächen abgrenzten (1°). Da aber diese zweite Modifieation der Theilung, wie oben gezeigt wurde, nicht wesent- lich verschieden ist von derjenigen, bei welcher die Stücke noch eine Zeitlang durch Bänder und Fäden mit einander in Verbin- dung stehen, so giebt sie keinen irgend erheblichen Differenz- punkt zwischen den oben wiedergegebenen Arnold’schen und den hier beschriebenen Befunden ab. Uebereinstimmend mit Arnold fand schliesslich auch ich die Kernmembran während des ganzen Vorgangs erhalten. Aus Allem geht also hervor, dass die Kerne Iymphatischer o° ) Zellen bei Salamandrmen eine indirekte Fragmentirung im Arnold- schen Sinn durchmachen können. Zum Sehluss spreche ich Herrn Professor O0. Hertwig meinen besten Dank für die freundliche Unterstützung aus, die derselbe mir bei meiner Arbeit hat zu Theil werden lassen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX. - Die Figuren geben mit zwei Ausnahmen Zellen aus der Iympha- tischen Randschicht der Leber von Triton alpestris wieder. Fig.1. Kugliger Kern mit einem deutlichen netzartigen Chromatin- gerüst. Die Balken desselben sind von verschiedener Stärke. In den Knotenpunkten des Netzes sind Chromatinkörnchen verschiedener Grösse eingelagert. Optischer Querschnitt eines becherförmigen, also eben in Durchschnürung begriffenen Kernes, mit demselben inneren Bau, den Fig. 1 zeigt. Fig. 3. Kernring mit deutlich radiärer Anordnung des Chromatin- geerüstes, welches sich im übrigen wie in Fig. 1 u. 2 verhält. Fig. 1—3 gezeichnet mit Zeiss homog. Imm. 1/5, Oe. 8. ID Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 6. g. 9. Kerntheilung durch indirekte Fragmentirung ete. . 391 Seitliche Ansicht eines Kernringes. Die Umrisse desselben sind bei starker Vergrösserung genau wiedergegeben. Die Schattirung ist hergestellt entsprechend der leicht zu consta- tirenden Lagebeziehungen der einzelnen Kernabschnitte zu einander. Der Kern erscheint in der Richtung der Perfo- ration abgeplattet. Kernring. Man erkennt auch hier die radiäre Anordnung der chromatischen Substanz. In 6 Theilstücke zerlegter Kernring. Die Theilstücke grenzen sich durch regelmässige Theilungsflächen gegen einander ab. Die äussere Form des Kernringes ist durch die Zertheilung nicht verändert. . 7 u. 8 Die Theilstücke haben sich gegen einander abgerundet und sind damit selbständig geworden. An zwei Stellen stehen benachbarte Kerntheile noch durch helle dünne Fäden mit einander in Verbindung. . 10. Der Verbindungsfaden zweier Theilstücke entspringt nament- lieh an einer Seite von einer kleinen kegelförmigen Erhebung der Kernperipherie; er ist in der Mitte dünner als an beiden PeEIT ; Enden. 11—16. Die einzelnen Tochterkerne weisen auch innerhalb der- selben Zelle verschiedene Form und Grösse auf. 17—25. Hufeisen- und sichelförmige Kerne. Die beiden Kern- enden stehen verschieden zu einander; sie berühren sich in Fig. 18; sie sind entfernt von einander in Fig. 19, 20, 23, 24, 25; sie sind gegen einander verschoben in Fig. 17, 21, 22; hier zeigt also der Kern eine leichte Spiraldrehung. (Fig. 20 stammt aus dem Blut.) . 26. Hufeisenkern, dessen Enden noch durch einen dünnen Faden zusammenhängen. . 27. Zweitheilung eines Kernringes. Die Theilstücke hängen noch durch zwei helle Fäden zusammen. (Lymphatische Zelle aus der Leber von Salamandra maculata). Im Fig. 5—27 haben die feineren Strukturverhältnisse der Kerne keine besondere Berücksichtigung gefunden. Fig. 5—27 gez. mit Zeiss, ®Bj.D:,,0€.18: . 28. Darstellung eines Stückes der Iymphatischen Randschicht der Leber von Triton alpestris (R) mit dem anstossenden Leber- parenchym (L). Ein Capillargefäss tritt unmittelbar an die Randzone heran; in ihm liegen mehrere polynucleäre Zellen. 392 D. Barfurth: (Aus dem vergleichend-anatomischen Institut in Dorpat.) Versuche zur functionellen Anpassung. Von D. Barfurth. Hierzu Tafel XXI. Vorbemerkung. Die Untersuchungen, über die ich in diesem und dem nach- folgenden Aufsatze berichte, wurden zum grössten Theile im ana- tomischen Institut zu Göttingen, an welchem ich drei Semester als Proseetor arbeitete, ausgeführt. Ich nehme hier Veranlassung, dem Direetor des genannten Instituts, Herm Professor Dr. Fr. Merkel, herzlich zu danken, da er mir nicht nur in bereitwillig- ster Weise die Beschaffung des Materials und der Apparate er- möglichte, sondern auch meinen Arbeiten volles Interesse zuwandte und mich in jeder Hinsicht wissenschaftlich förderte. Um über die schwierigsten Objeete der Regenerationsstudien, Stützapparat (Chorda und Skelet) und quergestreifte Muskulatur, zu einem besseren Verständniss zu gelangen, habe ich dann in Dorpat weitere Experimente und Untersuchungen besonders an Jüngeren Amphibienlarven (Axolotl) angestellt. Sie sind im Zu- sammenhang mit den früheren Beobachtungen in der nachfolgen- den Arbeit „Zur Regeneration der Gewebe“ mitgetheilt. Einleitung. Das alte Lamarcek’sche Prineip der Wirkung des Gebrauchs und Nichtgebrauchs der Organe hat in der neueren Zeit steigende Anerkennung gefunden. Ueber die einschlägige Literatur, beson- ders die Stellung Darwin’s und Haeckel’s zu diesem Prineip verdanken wir Roux eine ausführliche Darstellung !), so dass ich 1) W. Roux, Ueber die Leistungsfähigkeit der Prineipien der Descendenzlehre zur Erklärung der Zweckmässigkeiten des thierischen Organismus. Breslau, 1850. — Roux, Der Kampf der Theile im Or- ganismus. Ein Beitrag zur Vervollständigung der mechanischen Zweckmässigkeitslehre. Leipzig, 1831. Versuche zur functionellen Anpassung. 393 mieh mit einer kurzen, die neueste Zeit betreffenden Literaturan- gabe begnügen kann. Dieselbe macht aber keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit; die hier in Betracht kommenden Arbeiten, besonders der Kliniker und pathologischen Anatomen sind so zahl- reich, dass ich auf das Literaturverzeichniss hinweisen muss, welehes Roux seit 1887 unter der Bezeichnung „Entwickelungs- mechanik“ im Jahresbericht von Hermann und Schwalbe ver- öffentlieht. Ich möchte nur denjenigen Fachgenossen, deren Ar- beitsfeld auf einem anderen Gebiete liegt, einen Einblick in diese Bestrebungen ermöglichen. Als Pflüger!) im seinem „allgemeinen Prineip der Selbst- steuerung der lebendigen Natur“ eine neue Erklärung des Zweck- mässigen in der organischen Welt gab, wies er auch auf die Be- deutung der Funetion für die zweekmässige Gestaltung der Or- gane hin. Er erkannte in der Ursache des Bedürfnisses nach einer gesteigerten Funetion zugleich die Ursache der Befriedigung dieses Bedürfnisses durch Hypertrophie des Organs, beziehungs- weise durch ecompensatorische Hypertrophie. Roux) war der erste, der das Lamarck’sche Prineip kurz und treffend als „funetionelle Anpassung“ bezeichnete. In einer ausführlichen Untersuchung ?) stellte er die Wirkung derselben auf die äussere Form und Qualität (Leistim&sfähigkeit), sowie die innere Gestalt-(Strtetur)%ler Organe fest und fand die Erklärung für diese Wirkung wesentlich in einer Aectivitätshypertrophie und Inactivitätsatrophie,- die durch den Kampf der Theile im Organis- mus, beziehungsweise durch funetionelle Reize bedingt werden. Auf diese Weise ist es möglich, dass das Zweckmässige direet dem Willen des Individumus oder dem Bedürfniss entsprechend ausgebildet wird, ohne dass der Umweg einer „Auslese“ dabei nöthig wäre. Roux hat in einer Anzahl von Speeialarbeiten *) die Wir- 1) Pflüger’s Archiv 29. Bd., pag.28. In der eigentlichen Ar- beit (Pflüger’s Archiv 15. Bd.: „Die teleologische Mechanik der leksen- digen Natur“) war das Prineip „teleologische Mechanik genannt. 2) Roux,.a.a. O. pag. 14 und 15, und .;Der Kampf der Theile im Organismus“ pag. 6. Se 3) Roux, Der Kampf ‘der Theile im Organismus. Leipzig, 1881. 4) W. Roux, a) "Ueber die Verzweigting der Blutgefässe. Je- naische Zeitschrift für M. u. Naturw. 12.Bd. — b) Ueber die Bedeu- 394 DD. Barzusth: kung des Prineips an einzelnen Organen (Gefässe, Schwanzflosse des Delphins, Skeletmuskeln, Kniegelenksanchylose) dargethan. Dasselbe geschah von Strasser!) an der quergestreiften Muskulatur, von Hans Stahel?) an Arterien. Fraisse) wies darauf hin, dass bei der Regeneration gan- zer Körpertheile eine funetionelle Anpassung als beständig corri- girendes Prineip wirksam sei. Fr. Eilh. Schulze) führte die theilweise Umwandlung der ursprünglichen Epithelzellen embryonaler Lungen in grosse, helie, strueturlose Platten auf den Druck der sich erhebenden Capillaren und die Spannung der sich ausdehnenden Alveolen zurück. John Berry Haycraft und E. W. Carlier) beobachte- ten die Verwandlung von Flimmerepithel in mehrschichtiges Plat- tenepithel in der Trachea der Katze und erklären dieselbe aus der Reibung der Ringknorpel während der Contraetion des hintern M. trachealis. | Reinhold Altmann‘) behandelte die Inactivitätsatrophie der weiblichen Brustdrüse. tung der Ablenkung des Arterienstammes bei der Astabgabe. Ebenda, Bd. 13. — c) Beiträge zur Morphologie der functionellen Anpassung; No. I. Arch. f. Anat. u. Physiol.,, anat. Abth. 1883; No. II. Jenaische Zeitschrift f. Med. u. Naturw., 16. Bd., 1883; Nr. III. Archiv f. Anat. u. Physiol., anat. Abth. 1885. 1) Strasser, Zur Kenntniss der functionellen Anpassung der quergestreiften Muskeln. Stuttgart, 1883. 2) Hans Stahel, Ueber Arterienspindeln und über die Be- ziehung der Wanddicke der Arterien zum Blutdruek, I. u. II. Abhand- lung in: Archiv für Anatomie und Physiol., anat. Abtheilg. pag. 45 ff. und pag. 307 ff. 3) Fraisse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren, besonders Amphibien und Reptilien. Cassel und Berlin, 1885. - 4) Fr. Eilh. Schulze, Die Lungen. Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1871. Vgl. auch: N. J. dela Croix, Die Entwickelung des Lungenepithels beim menschlichen Foetus und der Einfluss der Athmung auf dasselbe. Dieses Archiv Bd. 22, pag. 9 ft. 5) John Berry Haycraft u. E. W. Carlier, Ueber die Ver- wandlung von Wimper- oder Flimmerepithel in mehrschichtiges Platten- epithel. Centralblatt für Physiol. 1889, pag. 221 ff. 6) Reinhold Altmann, Ueber die Imactivitätsatrophie der weiblichen Brustdrüse. Virchow’s Archiv Bd. 111. . 4 & Versuche zur functionellen Anpassung. 395 R. Thoma!) machte die Bindegewebsneubildung in der Arterienintima von den mechanischen Bedingungen des Blut- umlaufs abhängig. R. Fick?) stellte im Anschluss an die grundlegenden Unter- suchungen von L. Fiek und Henke über den Einfluss der Mus- kelfunetion auf die Form der Gelenke neuerdings Versuche an über den Einfluss der Muskelansätze auf die Gelenkform und kam zu dem Ergebniss, „dass dasjenige Gelenkende, bei wel- chem die Muskeln nahe am Gelenk ansetzen, zur Pfanne, das- jenige, an dem sie entfernt angreifen, zum Kopf wird“ (p. 401). Ferner sprechen sich mehr gelegentlich zu Gunsten unseres Prineips aus: Kölliker?), Eimer‘), Claus), Kleinenberg®), M. Wagner”), Gegenbaur®), O. Hertwig?’, Kölliker ?9), F. Merkel!!), Wiedersheim '?), Götte 2). 1) R. Thoma, Ueber die Abhängigkeit der Bindegewebsneu- bildung in der Arterienintima von den mechanischen Bedingungen des Blutumlaufs. I.—VI. Mittheilung. Virchow’s Archiv Bd. 9%, 9, 104, 105, 106. 2) Rudolf Fick, Ueber die Form der Gelenkflächen. Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte, anatomische Abth. 1890, pag. 391 ff. 3) Kölliker, Die Aufgaben der anatomischen Institute. Ver- handlungen der physik.-med. Gesellschaft zu Würzburg. 1884, pag. 9. 4) Eimer, Die Entstehung der Arten auf Grund vom Vererben erworbener Eigenschaften nach den Gesetzen organischen Wachsens. Jena 1888, pag. 165 ff. 5) Claus, Ueber die‘ Werthschätzung der natürlichen Zucht- wahl als Erklärungsprineip. Wien 1888. 6) Kleinenberg, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd.44, pag. 6 ff. 7) Moriz Wagner, Die Entstehung der Arten durch räumliche Sonderung. Gesammelte Aufsätze von M. Wagner. Herausgegeben von Dr. med. Moriz Wagner. Basel 1889, pag. 472, 483. 8) Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 3. Aufl. 1888, pag. 294 ff., pag. 308, pag. 992. 9) O. Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Men- schen und der Wirbelthiere. 3. Aufl. 1890, pag. 132, pag. 496 u. 497. 10) Fr. Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie I. Bd. Braunschweig, 1885—90, pag. 39, pag. 217. 11) Kölliker, Entwickelungsgeschichte, 2. Aufl. 1879, pag. 49. 12) Wiedersheim, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1886, pag. 232 (2. Aufl.). 13) Götte, Die Entwickelungsgeschichte der Unke, Leipzig, 1875, pag. 407. 396 D. Barfurth: Wesentlich im Anschluss an die vortreffllichen Untersuchungen von Fraisse möchte ich im Nachfolgenden einen klemen experi- mentellen Beitrag zum Nachweis der functionellen Anpassung bei der Bildung und Gestaltung der Organe liefern. Versuche. Als Objeete für meine Versuche dienten mir mehrere ein- heimische Amphibien und ihre Larven; von Anuren Rana fusea, R. esceulenta und Bufo vulgaris; von Urodelen besonders Triton eristatus, T. taeniatus und Salamandra maculosa. Die Larven sämmtlicher angeführten Species eignen sich durchweg besser für solche Versuche als die erwachsenen Thiere. Da die Thiere sich in Wasser von höherer Temperatur zu bald verwandeln und da- durch die Dauer des Versuchs in unliebsamer Weise abkürzen, so habe ich sie meist in kühleren Räumen gehalten, so dass die Temperatur des Wassers in der Regel 17°C. nieht überstieg. Als Behälter dienten mir von la Valette’sche Fischbruttröge aus Porcellan, die ich früher!) beschrieben habe. Für Wasserwechsel und gleichmässige Temperatur wurde in der früher angegebenen Weise gesorgt. Die Schnelligkeit der Regeneration ist durchaus abhängig von der Temperatur ?). Bei 10°C. hört sie fast ganz auf, bei 28° verläuft sie sehr schnell. Die Vernarbung lässt man nach meiner Erfahrung am besten bei niedriger Temperatur (10—15° C) geschehen. Als ich einmal eine grosse Zahl von amputirten Krötenlarven direct in Wasser von e. 28°C brachte, ging nach und nach die ganze Schaar zu Grunde, wahrscheimlich, weil das warme Wasser die Blutung zu lange unterhielt. Ich habe des- halb später die Thiere immer erst in kühlerem Wasser gehalten, bis die Vernarbung (im 1—2 Tagen) fertig war; darauf brachte ich sie in wärmeres Wasser, um die Regeneration etwas zu be- schleunigen. Die Ernährung hat kemen wesentlichen Einfluss 1) Dieses Archiv 29. Bd., pag. 2., 2) Das haben schon Spallanzani und Leydig beobachtet. Fraisse (pag. 153) beobachtete bei 15—18° C. eine schnellere Regene- ration, bei 20° C. sank die Reproduktionsfäkigkeit und die Thiere gingen meist bald zuGrunde. Ich habe Tritonenlarven in mit Wasser- pflanzen versehenen Aquarien bei 260 C. wochenlang gehalten. Die Regeneration erfolgt entsprechend schneller. Versuche zur funetionellen Anpassung. 397 auf die Regeneration; hungernde Thiere regeneriren gerade so gut wie gefütterte. Ich theile nun zunächst das Ergebniss einer Anzahl von Vorversuchen mit, die mir die Grundlage für die eigentlichen Versuche lieferten. Einer grösseren Anzahl Larven der Rana fusea hatte ich im April die Schwanzspitze etwa im letzten Drittel mit scharfer Scheere amputirt, um Regenerationsstudien vorzunehmen. Auf die Richtung des Sehnittes hatte ich dabei nicht geachtet. Nach etwa 14 Tagen fand ich, dass alle diese Thiere die Schwanz- spitze zum grössten Theil regenerirt hatten. Das Regenerations- stück war aber vielfach nicht gerade, sondern schief angewachsen, und es fand sich bei näherer Besichtigung, dass die Ursache da- von in der Riehtung des Schnittes zu suchen sei. Um darüber Klarheit zu erlangen, stellte ich die weiteren Versuche in folgender Weise an. Eine grössere Zahl — ge- wöhnlich 45—60 — Froschlarven theilte ich in drei Gruppen. Der ersten Gruppe wurde die Schwanzspitze ganz gerade ab- geschnitten, also so, dass die Schnittebene senkrecht auf der Längsachse des Schwanzes stand; der zweiten Gruppe wurde das Schwanzende schief nach oben, der dritten schief nach unten zu abgeschnitten, so dass also in den beiden letzten Fällen die Sehnittebene mit der Längsachse des Schwanzes einen nach oben oder unten spitzen Winkel bildete (Taf. XXI, Fig. 14—16). Diese Versuche wurden mehrfach an Kröten- und auch Tritonen- larven wiederholt und hatten immer folgendes Ergebniss: Liegt die Scehnittebene senkrecht zur Längsachse des Sehwanzes , so erfolgt die Regeneration genau in der Rich- tung derselben Achse, fällt die Schnittebene schief nach oben oder unten, so steht auch die Achse des Regenerationsstückes schief nach oben oder unten. Immer also steht die Achse des Regenerationsstückes senkrecht auf der Schnitt- ebene. Wie sicher diese Regel ist, konnte ich am erwachsenen Triton taeniatus darthun. Fiel der Schnitt nach einer der oben bezeichneten Richtungen , so erfolgte auch die Regeneration in der beschriebenen Weise (Taf. XXI, Fig. 13). Und legte ich den Sehnitt schief seitwärts an, so wuchs auch das Regenerationsstück schief nach der Seite heraus. I 398 D. Barfurth; Hieraus ergab sich also, dass die Regeneration an sich ganz mechanisch so vor sich geht, als ob auf der Schnittfläche ein Baustein auf den andern gelegt würde. Ich hebe dies beson- ders hervor, weil es die Grundlage für die folgenden Erörterungen und Versuche ist. Beobachtet man so operirte Thiere 3—4 Wochen lang, so bemerkt man, dass sich das schief gewachsene Regene- rationsstück allmählich zu strecken beginnt, so dass also der Winkel, den seine Längsachse mit der des Schwanzes bildet, sich immer mehr dem normalen Winkel von 180° nähert. Dabei muss betont werden, dass es sich hier vorzugsweise um das starke Mittelstück des Schwanzes handelt, welches alle wesentlichen Organe: Chorda dorsalis, Rückenmark, Muskulatur und die grossen Gefässe enthält. Diese Streekung ist keine Folge der Regeneration an sich, die lediglich in der oben her- vorgehobenen Weise erfolgt, sondern sie ist vorzugsweise eine Wirkung der Schwerkraft und der Schwimmfunetion des Schwanzes, also der functionellen Anpassung. Die Wirkung der letzteren lehren die nachfolgend mitgetheilten Ver- suche. Bei diesen habe ich entsprechend grosse, schief oben oder unten amputirte Thiere in zwei Gruppen getheilt, die eine Gruppe (Schwimmer) in tiefes Wasser gesetzt, die andere (Nicht- schwimmer) in sehr seichtes. Die Brutapparate wurden mit Wasserpflanzen versehen, die im seichten Wasser das Schwimmen fast ganz verhinderten, im tiefen nicht. Auf diese Weise wurde bei den Nichtschwimmern die Function auf ein Minimum be- schränkt, wenn auch nicht ganz aufgehoben. Die ersten Ver- suche, deren Ergebniss im Uebrigen ganz mit den späteren über- einstimmte, theile ich desshalb nicht mit, weil sie nicht ganz einwandfrei waren. Ich hatte nämlich zwar den Niehtschwim- mern dasselbe Futter (Froschfleisch) verabreicht, wie den Schwim- mern, glaubte aber zu bemerken, dass dieselben in dem seiehten Wasser schlechter an das Futter heran könnten und weniger frässen als die Schwimmer. Um deshalb die Versuchsbedingungen ganz gleich zu machen, legte ich bei den späteren Versuchen in gewissen Zeiträumen für beide Partien einen Futtertag ein, an welchem auch die Nichtschwimmer in tiefes Wasser kamen. Nachher wurde dann aus beiden Behältern das Futter wieder entfernt, Versuche zur functionellen Anpassung. 399 Da die Versuche ganz gleichmässig verliefen und während ihrer Dauer wenig Bemerkenswerthes geschah, so begnüge ich mich damit, ein Versuchsprotokoll ausführlich mitzutheilen und bringe von den übrigen nur das Ergebniss. Zu Versuch I wurden 48 im Institut gezüchtete Larven der Rana fusca verwandt, in zwei Partien getheilt und von die- sen je 12 schief oben, 12 schief unten amputirt. Von den Schwimmern starben bald nach der Operation 6 Thiere, von den Niehtehwimmern 2 ie Versueh I. Da- en Temp. 27./5. | 18,90 28./5. ji 18,50 29./5. | 19,00 30./5. | 19,78 31./5. | 19,25 1./6. | 19,72 2./6. | 20,72 3./6. 1 20,80 4./6.| 19,72 5./6. | 20,10 6./6. | 21,90 7./6. 1 22,62 8./6..| 22,70 9.16: |, 21,92 10./6. | 23,12 11./6. | 22,98 12./6. | 21,40 13./6. | 23,84 Schwimmer Bemerkung Liegen meist still, so dass der Schwanz flach auf auf dem Boden liegt. — Die schiefstehendeSpitze krümmt sich nach der Mitte zu. S. nebenan. Schwarzer Vernarbungs- rand. Futtertag. \ | S. nebenan. 2| Die Seitenplatten ragen 1—2 mm über das Mit- telstück hervor. Futtertag. Schwanzende fängt sich abzurunden. an ı Länge des Regenerations- stückes 2,5—3mm. Mit- telstück wie nebenan. Ein Thier verwandelt. Futtertag. Nur bei Thieren ist das Schwanzende noch ungleich, sonst überall zugespitzt. 5) - Futtertag. Ende des Versuchs. Temperatur-Mittel = 20,600 C. Temp.) 19,02 18,55 21,82 93,14 | 22,90 21,20 23,92 Niehtsehwimmer Bemerkung | Wie bei denSchwimmern. | | Beginnende Vernarbung: Schwärzlicher Rand an der Schnittfläche. ‚S. nebenan. Liegen mehr auf der Seite, als die | Schwimmer. Futtertag. |\ Der schwarze Saum |) fängt an den ganzen Stummel zu über- ziehen. S.nebenan. Liegen mehr auf der Seite, als die Schwimmer. Futtertag. S. nebenan. Das Mittelstück wächst schief nach oben oder unten. Schwanzende bei den meisten stumpf. | Futtertag. Futtertag. Ende des Versuchs. 1 20,810. 400 D. Barfurth: Am Ende des Versuches wurden sämmtliche Thiere in Flemming’scher Mischung abgetödtet und dann bei Schwim- mern und Nichtschwimmern der Winkel, den die Längsachse des Schwanzstumpfes mit der des Regenerationsstückes (Streekungs- winkel) bildet, gemessen. Dazu muss bemerkt werden, dass diese Messungen natürlich nieht mathematisch genau werden können. Fehler bis zu mehreren Graden sind selbstverständlich. Da man aber nur vergleicht und bei einer grossen Zahl von Messungen die Fehler sich ausgleichen, so ist das Ergebniss trotzdem wissen- schaftlich brauchbar. Auch sind die Unterschiede so gross, dass es auf kleine Messungsfehler wahrlich nieht ankommt. Das Ergebniss des ersten Versuches war folgendes: A. Schwimmer: 13 Thiere mit Streekungswinkel 180% (7 schief oben, 6 schief unten), B) ” ” » 1769 (2 ” ” 1 » ” ), 1 2x A = 1620 «0.22, is jl = a): 1 ” verwandelt. B. Nichtschwimmer: 10 Thiere mit Streckungswinkel 180° (6 schief oben, 4 schief unten), 8 » „ „ 1550 (4 ” „ 4 „ ” ); 4 F A ss ID On SUEDZELR u: Versueh LI. 64 Rana fusca, im Institut gezüchtet. In die Versuchs- behälter je 16 schief oben und 16 schief unten amputirte Thiere eingesetzt. Dauer des Versuches vom 23./6. bis 28./7. Tem- peratur im Mittel 18,65°C. Es starben 10 Thiere. Ergebniss: A. Schwimmer: Bei 9 Thieren Streckungswinkel 180°. (7 schief oben, 2 schief unten), „10 s a 165 DAR vn); b) ») >) >) 150° (0 „ » 5) „ ” )- B. Niehtschwimmer: Bei 12 Thieren Streckungswinkel 162° (5 oben, 7 unten), 712 n 136m en Rad): PO . en 11404 „2 so): Versuch I. 40 Rana exculenta. Grosse kräftige Thiere aus einem Tümpel im Freien. Je 10 schief oben und unten amputirt. 23./6. bis 16./8. Temperatur 18° C. Schwanzenden ganz regenerirt mit Seitenplatten und Mittelstück; nur bei wenigen noch eine Einkerbung zwischen dem alten Stumpf und dem Regenerations- Versuche zur funetionellen Anpassung. 401 stück, was mit der ausserordentlichen Breite der Schwänze dieser Species zusammenhängt. Regenerationsstück 10—183 mm lang. Ergebniss: A. Schwimmer: Bei 13 Thieren Streekungswinkel 180° (8 oben, 5 unten), 0 R 5 116 (0 2 2 3) 4 R a BO rg B. Nichtschwimmer: Bei 6 Thieren Streckungswinkel 180° (2 oben, 4 unten), ” I AB) r 163%, (asaraı 33 I): ER f TE N EN LE H 1300 MEN HOUR) >), large ? 1 AU 6 iaegrerrena pgirm Versuch IV. 48 R. esculenta, gross und kräftig, natürliche Zucht. Je om 12 oben und unten amputirt für beide Behälter. 3 Thiere starben. 23./6. bis 17./3. Temperatur 18°. Ergebniss: Ar Schwimmer: 12 Thiere mit Streekungswinkel von 180° (6 oben, 6 unten), % Rn " 5 De a N): 2 h . ei eG! SR BER U +3 0): 1 ) 2 I le Re Tee B. Nicehtschwimmer: 8 Thiere mit Streckungswinkel 150° (4 oben, 4 unten), Dr: . 4 IT Aheah)" Dun “ e ne u 9): PR ” En 1 | ER Versuch \.: Ein im Beginn meiner Untersuchung angestellter Versuch mag noch mitgetheilt werden, weil er gewissermaassen als Con- trolversuch gilt. 80 Rana fusea künstlicher Zucht wurden im zwei Partien getheilt, je 20 schief oben und unten amputirt und dann in zwei Brutgefässe, die beide viel Wasser enthielten, gesetzt. Be- sinn 27./5. Am 14./6., also nach 18 Tagen, ist ein Unterschied in der Grösse des Streckungswinkels bei beiden Partien nicht zu bemerken. Derselbe war bei einer grösseren Anzahl von Thieren noch stumpf. Von diesen wurden je 10 Thiere aus jedem Be- hälter ausgewählt und nun die ersten 10 in tiefes, die anderen 10 in seichtes Wasser gebracht. Nach 7 Tagen wurde der Ver- such abgebrochen und die Thiere, wie oben beschrieben, unter- 402 D. Barftrth: sucht. Es fand sich kein irgendwie bemerkbarer Unterschied zwischen beiden Gruppen. Das negative Resultat dieses Ver- suches lehrt, dass eine so kurze Zeit (7 Tage) nicht aus- reicht, um die Wirkung der Function deutlich zu machen und — beim Vergleich mit den übrigen Versuchen —, dass die Streekung mit der Regeneration gleichen Sehritt hält, in der Weise, dass die Function ganz langsam auf alle neugebildeten Zelleomplexe einwirkt. Ich stelle nun zunächst das Gesammtresultat fest. Gesammt-Ergebniss der Versuche. A. Schwimmer I B. Nichtschwimmer schief schief schief | schief oben unten oben unten OR a a Versuch. \@8 | |®8 Streckungs- | |o5 || nz Streckungs- = 3|5_.© =1520 winkel=2R[3|3_ © 3. © |jwinkel—2R SI SEIS «oO = bei Sagen s bei s|2 35|5|25 alozald 2 = 4 S.Beilleoneie! oa 9. Br DE BE ie I [91790 || 8| 1770 13 12| 164010, 1600| 10 II }12|174° |12| 1610| 9 14) 132 0116| 1429| 0 MI 110] 1770 9| 176°] 13 12| 146 0 | 8| 168 9 6 IV j10/ 1760 112] 1770 12 10) 173° || 9| 165 ® 8 | | | Summa W41| 176 9 |41| 1720 | 47 48| 15201143) 155 9 24 Bei 82 Schwimmern betrug also der [BeiS1 Nichtschwimmern betrug mittlere Streckungswinkel 174°. also der mittlere Streckungs- winkel 183°. Dieses Ergebniss ist deutlich genug. Unter den Schwim- mern fanden sich doppelt so viel Thiere (47) mit ganz gerader Sehwanzspitze (L=2R), als unter den Niehtschwimmern (24). Bei ersteren betrug der Streckungswinkel im Mittel 174°, bei letzteren nur 153°; die Function hat also eine grössere Streckung von 21° zu Stande gebracht. Sieht man sich das Gesammt-Ergebniss genauer an, so wird man sich sogleich die Frage vorlegen: Welche Kraft oder welche Kräfte wirken denn aber noch ausser der Funetion, da ja doch auch bei den Niehtschwimmern eine Streckung er- folgt? In der That ist die Function nicht die einzige wirk- same Kraft. Es bedarf keines Beweises, dass die Schwer- kraft ebenfalls beständig und erheblich mitwirkt, und es bleibt Versuche zur functionellen Anpassung. 405 ein grosses Verdienst Pflüger’s!), dass er neuerdings die Auf- merksamkeit der Morphologen auf die Einwirkung der Schwer- kraft bei Entwiekelungsvorgängen gelenkt hat. Ob man aber berechtigt ist, den ganzen Rest der Streckung auf Rechnung der Schwerkraft zu setzen, muss ich in Zweifel ziehen. Ich habe bei der Beschreibung des ersten Versuches hervorgehoben, dass die Nichtschwimmer sehr viel mehr seit- lich flach auf dem Boden liegen, als die Schwimmer, wie das seichte Wasser es bedingt. Es ist klar, dass in dieser Lage die Schwerkraft nicht streekend wirken kann. Trotzdem aber wird bei einer grossen Zahl von Thieren (24) der Schwanz wieder vollkommen gerade. Ich schliesse daraus, dass ausser der Func- tion und der Schwerkraft noch andere Kräfte an der stillen Ar- beit der Streckung sich betheiligen. Diese Kräfte müssen wir ohne Zweifel im Organismus selber suchen. Man mag hier die Herzaction zur Erklärung heranziehen. Die unter der Chorda gerade verlaufende Schwanzarterie führt den Blutstrom in direetem Stoss auf den regenerirten Theil -der Arterie und könnte an demselben von vornherein eine Streckung erzwingen. Thatsächlich aber sehen wir, dass die regenerirte A. caudalis mit dem Mittelstück zuerst schief wächst und sich nachher erst wieder im Verband mit dem Mittelstück gerade richtet. Eine irgendwie erhebliche Einwirkung des Blutstromes darf daher wohl nicht angenommen werden. Was aber machen wir mit dem ungelösten Rest unseres Problems? Wie wohl alle Forscher ?) der neueren Zeit, die solchen 1) Pflüger, Ueber den Einfluss der Schwerkraft auf die Thei- lung der Zellen und auf die Entwickelung des Embryo. Pflüger's Archiv 32. Bd. I. Mittheilung. Bd. 32, II.; Bd. 34, III. Mittheilung. 2) Pflüger, Die teleologische Mechanik der lebendigen Natur. Archiv für die gesammte Physiologie Bd. 15, pag. 57 ff. — W. Roux, Der Kampf der Theile im Organismus. (Besonders pag. 226 ff.) — Der- selbe, Die Entwickelungsmechanik der Organismen, eine anatomische Wissenschaft der Zukunft. Festrede, gehalten in Innsbruck 1889. Wien, 1890. In letzterer Schrift gibt Roux eine Zusammenstellung von neuerdings gefundenen „regulatorischen Thatsachen bei atypi- schen Vorgängen, welche bei gehöriger Würdigung auf ein viel inni- geres Zusammenwirken der Theile zum Ganzen und auf eine grössere Abhängigkeit der Theile vom Ganzen hindeuten“ (pag. 17 ff). Dahin gehören die Regenerationserscheinungen, die von Roux entdeckte „Postgeneration“, die eigenartige Regeneration durch Umlagerung von 404 D. Barfurth: Fragen nachgespürt haben, komme ich zu der Ueberzeugung, dass der Organismus gewisse regulatorische Fähigkeiten besitzt, vermöge welcher Störungen des normalen Zustandes bald wieder ausgeglichen werden. In dem von mir untersuchten Falle kommt ganz gewiss auch diese Fähigkeit des Organismus zur seltung. Die sich regenerirenden Zellen der einzelnen Gewebe repräsentiren gewissermassen untergeordnete Organe: sie häufen mechanisch eine Zelle auf die andere und bringen durch diese Arbeit das schiefgewachsene Regenerationsstück des Schwan- zes zu Stande. Der Organismus als solcher vertritt nun hierbei die Oberleitung, indem er die Gewebstheile allmählich in die- Jenige Lage!) bringt, die der Funktion des Organs und damit Zellen bei Hydra (Trembley und Nussbaum), die Eneystirung und Panzerbildung der Englypha alveolata bei Gefahr des Eintrocknens (Gruber, Blochmann, Schewiakoff) und die höchst interessanten Beobachtungen von Ribbert und seinen Schülern, dass nach Entfer- nung noch nicht fungirender Organe bei Säugethieren, z.B. eines jugendlichen Hodens, Eierstocks ete. die anderen gleichen Or- gane compensatorisch grösser werden. 1) Man vergleiche die wichtigen Versuche von Nussbaum an Hydra, die sich auf die „Orientirung der Zellen und ihrer kleinsten Theile“ beziehen. „Was sich in den Plan des Ganzen gelegentlich des störenden äusseren Eingriffs nicht fügen will, wird resorbirt und durch Neubildung ersetzt. Es kann nicht dem Zufall überlassen sein, dass am vorderen Ende des kopflosen Polypen die Tentakel mit dem Mund- ring wieder wachsen, dass an der Stelle des abgeschnittenen Fusses sich wiederum neue Drüsenzellen bilden; dieses muss in der Orienti- rung der Zellen im Raume begründet sein.“ M. Nussbaum, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Materie. I. Mittheilung. Beiträge zur Naturgeschichte des Genus Hydra. Archiv für mikr. Anatomie Bd. 29, pag. 265 f. (pag. 346). Die Regenerationen und Umlagerungen von Zelleomplexen bei Hydra mit vollständiger Wiederherstellung eines normalen Thieres erscheinen um so wunderbarer, als sogar Theil- stücke eines Leibesringes neue vollständige Organismen bilden (Nussbaum, page. 325 ff.), der Begriff des „Individuums“ hier also verloren geht. Dass aber bei manchen Thieren auch äussere Um- stände die Organbildung beherrschen können und zwar in der Weise, „dass wir an der Stelle eines weggeschnittenen Organs ein der Form und den Lebenserscheinungen nach von dem abgeschnittenen verschiedenes Organ wachsen lassen können“, berichtet in einer so- eben erschienenen Schrift J. Loeb: er nennt diese bei Hydroidpolypen beobachteten Vorgänge Heteromorphose. J. Loeb, Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Thiere. 1. Ueber Heteromor- phose. Würzburg, 1891. Versuche zur functionellen Anpassung. 405 der Wohlfahrt des ganzen Individnums am förderlichsten ist. Dass dabei das Centralnervensystem eine Rolle spielt, erscheint mir sicher, wäre aber durch weitere Versuche zu beweisen. Denkbar wäre eine streckende Wirkung durch die blosse stets gleichartig arbeitende Innervation der quergestreiften Stammesmuskulatur, auch wenn es dabei nicht zur Ausübung der Function kommt; das wäre also eine versteckte functionelle Anpassung. Auch Roux!) schreibt der Innervation an sich einen gros- sen Einfluss zu. Nach ihm hängt von der Reizcentralisation des ganzen Individuums im Gehirn die für das Ganze zweck- mässige Ausbildung der Theile ab. „Die vom Gehirn ausgehen- den Willensimpulse gehen durch die Ganglienzellenlager und die Nerven zu den Muskeln und beeinflussen damit, neben der Aus- bildung dieser Theile, zugleich auch die ihrer Stützorgane, der Neuroglia (des Nervenkitts), der Sehnen, Knochen, Knorpel, Bänder und Faseien in quantitativer Weise.“ Zusammenfassung. 1. Die abgeschnittene Schwanzspitze unserer einheimischen Am- phibien und ihrer Larven wird vollständig regenerirt. 2. Für die Wundheilung und Vernarbung ist eme niedrigere Temperatur günstiger, als eine höhere. Die Regeneration selber erfolgt um so schneller, je höher die Temperatur ist. 3. Die Regeneration geschieht mechanisch im der Weise, dass sich die Achse des Regenerationsstückes senkrecht auf die Schnittebene stellt, also gerade, schief oben oder schief unten. 4. Die schief regenerirte Schwanzspitze wird im Verlauf des Wachsthums gestreckt. 5. Streckend wirkt zunächst die Schwimmfunetion des Schwan- zes; sie erzielt durch funetionelle Anpassung eine bedeu- tend stärkere und schnellere Streckung. 6. Streckend wirkt ferner die Schwerkraft. 7. Ausser den mechanischen Kräften der Funetion und der Gra- vitation muss eine ordnende Einwirkung des Organismus selber angenommen werden. 1) Roux, Der Kampf der Theile etc. pag. 208. ID — Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 406 D. Barfurth: Aus dem vereleichend-anatomischen Institut zu Dorpat. g I Zur Regeneration der Gewebe. Von DB. Barfurth. Hierzu Tafel XXII—XIV. Im vorhergehenden Aufsatz habe ich darauf hingewiesen, dass sich die amputirte Schwanzspitze unserer einheimischen Am phibien und ihrer Larven vollständig regenerirt. Da diese Rege- neration sich auf sämmtliche Gewebe erstreckt, so hat man in einem verhältnissmässig klemen Objeet alle Gewebsarten vertreten, und deshalb eignet sich diese regenerirte Schwanzspitze ausge- zeichnet zu Regenerationsstudien. Es ist nun nicht meine Absicht, diese Regeneration aus- führlich zu schildern, da das in vortrefflicher Weise ganz vor Kurzem von Fraisse!) geschehen ist. Ich habe mich über- zeugt, dass Fraisse’s Angaben in den wesentlichen Punkten richtig sind?) und stimme vor allen Dingen auch in dem Haupt- ergebniss mit ihm überein, dass die Regenerationen durch- weg vom alten Gewebe aus erfolgen. Wenn ich nun trotzdem in aller Kürze meine Beobachtungen mittheile, so geschieht das hauptsächlich, um den Gesichtspunkt zur Geltung zu bringen, dass bei der zeitlichen Aufeinander- folge der Gewebsregenerationen im Grossen und Gan- zen ebenso die erste Entwickelung wiederholt wird, wie es beim Modus der Regeneration geschieht. Da die einschlägige Literatur von Fraisse nahezu er- 1) Fraisse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren. Cassel und Berlin 1885. 2) Meine abweichende Auffassung einiger Fragen werde ich weiter unten am geeigneten Ort zur Sprache bringen. Zur Regeneration der Gewebe. 407 schöpfend mitgetheilt worden ist, so kann ich mich darauf be- schränken, einzelne Schriften da zu eitiren, wo es meine Dar- stellung nöthig macht; besonders werden dabei die seit dem Erscheinen des Fraisse’schen Werkes (1885) veröffentlichten Untersuchungen zu berücksichtigen sein. Aus meinen früheren Angaben erhellt, dass die Zeit allein für die Regenerationsstadien nicht maassgebend ist, sondern viel- mehr die Temperatur. Bei 28° C. wird in vier Tagen so viel regenerirt, wie bei 14° C. in 8—10 Tagen. Am sichersten ent- scheidet über das Stadium der Regeneration die Länge des Regenerationsstücks. Ich habe gewöhnlich die drei An- gaben über Zeit, Temperatur und Länge des regenerirten Stückes vereinigt. Die Regenerationsfähigkeit der Schwanzspitze ist unbe- grenzt (Spallanzani): nach wiederholter Amputation wächst sie immer wieder; ich habe vom regenerirten Schwanzende noch wieder dreimal nacheinander die Spitze weggeschnitten und sie immer wieder sich regeneriren sehen. Die Schnittgrenze bleibt sehr lange sichtbar; selbst wenn nach 3—4 Wochen keine Spur von Verjüngung an dem regenerirten Stück mehr zu sehen ist, hebt sich dasselbe durch seine hellere !) Farbe vom alten Schwanzstummel deutlich ab. Für die mikrosko- pischen Studien habe ich fast stets gerade amputirte Thiere genommen, weil bei diesen das Regenerationsstück wieder ge- rade wächst und dadurch die Anfertigung geeigneter Schnitte leichter macht. Die Untersuchung machte fast stets die Anfertigung von Schnitten, besonders von Sehnittreihen, nöthig. Die abge- schnittenen Schwanzenden wurden sofort in Flemming'sche Chromsäuregemische, selten in Pikrinsäure, Sublimat und abso- luten Alkohol gebracht, entsäuert, mit Hämatoxylin oder Borax- Carmin durchgefärbt, in Paraffin eingebettet und geschnitten. Es wurden Querschnitte, frontale und sagittale Längsschnitte ange- fertigt. Zum Aufkleben der Schnitte bediente ich mich nach dem Vorgang von Schällibaum eines Gemisches von 2 Theilen Nelkenöl und 1 Theil Collodium. Ausgezeichnet schöne Kern- 1) Bei den Reptilien ist im Gegensatz dazu der neugebildete Schwanzstummel stärker pigmentirt, als der alte Schwanzstumpf. 408 D. Barfurth: färbungen erzielt man beim Färben der Schnitte auf dem Objeet- träger mit Hämatoxylin. Zum Sichtbarmachen der Fibrillen junger Muskelfasern bediente ich mich öfter mit sehr schönem Erfolge des mir von Herrn Professor Dr. Merkel empfohlenen Naphthylaminbraun und des Vesuvin. In manchen Fällen habe ich auch das dünne Schwanz- ende von Rana fusca in toto Irisch in Wasser untersucht. Für das Studium von Capillaren und jungen Muskelfasern erwies sich folgende Methode sehr brauchbar. Die regenerirten Schwanz- enden wurden in eine Mischung von Wasser (350,0), Alkohol (125,0) und Glycerin (25,0) gebracht und blieben längere Zeit darin, bis sich die Epidermis leicht entfernen liess. Die Schwanz- enden wurden dann leicht mit Hämatoxylin gefärbt und in toto in Glycerin oder Canadabalsam untersucht. Bei der Anfertigung von Schnittreihen habe ich nach der Fixirung die für die Untersuchung unwesentlichen Seitenplatten weggeschnitten und nur das Mittelstück, in dem alle wesentlichen Gewebe vertreten sind, benutzt. Vom alten Gewebe des Schwanz- stumpfes nahm ich nur 0,5—1,5 mm mit. Die Schwanzspitze habe ich öfter unter Wasser abgeschnit- ten, ohne das Thier selber weiter zu berühren; gewöhnlich aber nahm ich die Larven aus dem Wasser und schnitt dann die Schwanzspitze ab. Erstere Methode wählte ich für die aller- ersten Stadien der Regeneration, letztere — die bequemere — für die vorgeschritteneren. Nimmt man nämlich die Thiere am ersten oder zweiten Tage nach der Amputation aus dem Wasser, so genügt ein etwas starker Schlag des Schwanzes, um eine Blu- tung aus den angeschnittenen und noch nicht genügend ver- schlossenen Gefässen hervorzurufen. Bei den grossen wilden Larven von Rana esculenta trat solche Blutung oft noch am vierten Tage ein. Um bei meiner Darstellung Wiederholungen vermeiden zu können, schildere ich der Reihe nach die Regenerationserschei- nungen, wie sie sich an den einzelnen Geweben abspielen. Die Reihenfolge, der ich dabei nachgehe, ist keineswegs willkürlich gewählt, sondern entspricht der zeitlichen Aufeinanderfolge der Regeneration bei den Geweben. Es ergiebt sich dabei die eingangs erwähnte Thatsache, dass bei dieser Aufeinander- folge die erste Entwiekelung im Allgemeinen wieder- Zur Regeneration der Gewebe. 409 holt wird. In Bezug auf den Modus der Regeneration sind bekanntlich zahlreiche Beobachter, z. B. Götte?), Bülow?), Car- riere®), Nussbaum, Ribbert’), Podwyssozki®) u.a. zu dem Ergebniss gelangt, dass die primäre Entwickelung wieder- holt wird. Auf die etwas abweichende Auffassung Fraisse’s komme ich später zurück. Ich selber muss diesen Satz eben- falls etwas modifieiren, da bei dieser Wiederholung nicht immer nur einfach die primäre, sondern je nach dem Alter des Ver- suchsthieres auch die postembryonale Entwickelung in Be- tracht kommt. 1. Epidermis. Ich stimme mit Fraisse (l. e. p. 153) und anderen Autoren darin überein, dass die ersten Regenerationserscheinungen sieh an der Epidermis bemerkbar machen. Von keinem Gewebe sind nun diese Erscheinungen so oft beschrieben worden, wie von der Epidermis und es mag überflüssig erscheinen, die zahllosen Dar- stellungen ?) des Vorganges noch um eine weitere zu vermehren. l) Götte, Ueber Entwickelung und Regeneration des Glied- massenskelets der Molche. Leipzig, 1879. 2) Bülow, Ueber Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern. Archiv für Naturgeschichte. 49. Jahrg. 1883. 3) Carriere, Studien über die Regenerations-Erscheinungen bei den Wirbellosen. I. Die Regeneration bei den Pulmonaten. Würz- burg, 1880. 4) Nussbaum, Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Ma- terie. II. Mittheilung. Beiträge zur Naturgeschichte des Genus Hydra. Dieses Archiv Bd. 29, pag. 265 ff. (pag. 327). 5) Ribbert, Ueber die Regeneration des Schilddrüsengewebes. Virchow’s Archiv, 117.Bd. (pag. 157; 158). 6) Podwyssozki, Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der Drüsengewebe. I. In: Ziegler und Nauwerck, Beiträge zur pathol. Anatomie und Physiologie, 1. Bd. Jena, 1886, pag. 239 ff. (pag. 325). 7) Eine der besten und bekanntesten ist die von Klebs: Die Regeneration des Plattenepithels. Archiv für experiment. Pathologie und Pharmakologie, 3. Bd., pag. 125 ff. (pag. 134 ff... Eine kurze Be- sprechung der einschlägigen Arbeiten findet man bei Klebs, a.a.0. pag.225 ff.; bei Fraisse, a. a. O. pag. 44 ff., bei Flemming [Ueber Epithelregeneration und sogenannte freie Kernbildung. Dieses Arch., 18. Bd., pag. 347 ff. (pag. 361 ff), A. Peters [Ueber die Regenera- 410 DBramskmeritihre Trotzdem müssen wir zugeben, dass über sehr wichtige Fragen der Epithelregeneration eine Einigung noch nicht erzielt ist. Desshalb werde ich meine Beobachtungen in aller Kürze mit- theilen und dabei besonders auf strittige Punkte Rücksicht nehmen. Einer Anzahl Larven von Rana fusca, 3—4 em lang, am- putirte ich mit einer kleinen scharfen Scheere !) die Schwanz- spitze, Temperatur 18°. Nach 4 Stunden brachte ich ein Thier, in feuchtes Fliesspapier gewickelt, unter das Mikroskop und unter- suchte den Wundrand frisch in Wasser. Nach dem Wundrande zu waren die Epithelzellen von aufgelöstem Blutfarbstoff blass röthlich gefärbt und ihr Zusammenhang gelockert, so dass die Zellgrenzen deutlicher waren als an centralen Stellen. Vielfach ragten die Zellen buckelförmig über den Wundrand hervor, die Zellkerne waren bei scharfer Einstellung sichtbar. Die Wund- fläche selber war bei dieser Methode nicht zu sehen. Drei an- dern Exemplaren wurde dann nach 5!/, Stunden ein Stückchen des Schwanzes (0,5 em lang) abgeschnitten und sofort in eine Fixirungsflüssigkeit ?) gebracht. Sie wurden später mit Borax- Carmin oder Hämatoxylin durchgefärbt, in Paraffin eingebettet und mikrotomirt. Die Schnittserien zeigten, dass bei allen diesen Thieren die Wundfläche schon von einem 2—3schichtigen Epithel bedeekt war?). Die Wundfläche war an der breite- sten Stelle, dem Mittelstück des Schwanzes, 1 mm breit. Die centraleren Partien der Epidermis sind normal und weisen die bekannten 2 Schichten auf. Von Interesse ist aber das Verhalten der persistirenden Epidermis in der Nähe des Wundrandes. Hier ist sie dünner, die keulenförmigen Zellen der unteren Schicht sind platter und manchmal findet man nicht mehr zwei Schichten, tion des Epithels der Cornea. Dissertation, Bonn, 1885, pag. 6 ff.]. Von neueren Arbeiten werden im Laufe der Darstellung noch mehrere er- wähnt werden. 1) Nur selten habe ich nach Fraisse’s Angabe (pag. 52) ein Rasirmesser benutzt. 2) Ich verwandte die Flemming’schen Gemische: Osmium- chromessigsäure und Chromessigsäure, wässerige Pikrinsäurelösung und Sublimat nach Heidenhain. 3) Fraisse fand, dass bei Siredon nach Verlauf von 5—6 Stun- den eine Wunde von 2mm Breite und beliebiger Länge völlig ge- schlossen ist (pag. 53). Zur Regeneration der Gewebe. 411 sondern nur eine einzige. Dieser eigenthümliche Befund wird verständlich, wenn man annimmt, dass eine Anzahl von Zellen in der Nähe des Wundrandes zur Deekung des Defects !) heran- gezogen wurden. Die verschmächtigten Stellen der Epidermis in der Nähe des Wundrandes fallen um so mehr auf, als die Epitheldecke der Wundfläche viel dieker (2—3 mal dicker) er- scheint. Während an der persistirenden Epidermis der Aussenrand fast gerade verläuft, ist der Rand der jungen Epitheldecke un- regelmässig, weil die Köpfe der Epithelzellen noch buckelförmig vorragen. Die Zellgrenzen sind meist gut sichtbar, Kerne vor- handen, meist mit Kernkörperchen versehen. Unter der neuen Epitheldecke liegt über den durchschnittenen Geweben eine theils homogene, theils mit Körnehen und Schollen durchsetzte Masse — das Wundeoagulum. Mitosen sind in der Epitheldecke nicht vorhanden ?). Von Rana fusca und R. esculenta habe ich dann 1) Vgl. dazu: Eberth, Untersuchungen zur normalen und pathologischen Anatomie der Froschhaut. Leipzig, 1869. — Fraisse, a. a. OÖ. pag.55. — A. Peters, Ueber die Regeneratlon des Epithels der Cornea. Dissertation Bonn, 1885. — Derselbe, Ueber die Regene- ration des Endothels der Cornea. Dieses Archiv, 33. Bd. 2) Mayzel (Ueber eigenthümliche Vorgänge bei der Theilung der Kerle \n Epithelialzellen. Centralblatt für die med. Wissensch. 1875, pag. 849 ff.) gebührt der Ruhm, die Mitosen bei pathologischen Epithelneubildungen zuerst gesehen zu haben (pag. 81 ff... May- zel’s Verdienste um die Karyokinese hat Flemming [Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. I. Dieses Arch., 16. Bd., pag. 302 ff. (pag. 401 ff.)], seine Verdienste um die Epithelrege- neration (W. Mayzel, Ueber die Regeneration der Epithelien und die Zelltheilung. I. Theil. 127 Seiten. Arbeiten aus den Laboratorien der med. Facultät der Universität in Warschau, unter Redaction von F. Nawrocki. Heft IV, 1878. Autoreferat im Jahresbericht von Hof- mann und Schwalbe, 1878, pag.45. Das Original war mir leider nieht zugänglich.) hat Fraisse anerkannt (a.a. O. pag. 45 ff., pag. 54). Mayzel fand die Mitosen im Epithel des Wundrandes am häufigsten am 6.—9. Tage. — Man vergleiche ferner dazu: Fraisse, a. a. O. pag. 55. Peters, a. a. O. L, pag. 26 und II, pag. 161. Im Endothel traten sogar erst am sechsten Tage Mitosen auf. Beltzow (Unter- suchungen über Entwickelung und Regeneration der Sehnen. Dieses Archiv, 22. Bd., pag. 714) fand die ersten Mitosen am 3.—4. Tage. Si- manowsky (Ueber die Regeneration des Epithels der wahren Stimm- bänder. Dieses Archiv Bd. 22, pag. 710 ff.) fand Mitosen nach 24 Stun- den, mehr nach 48 Stunden. O. Fischer (Experimentelle Unter- 412 D.Bearnumrth® noch zahlreiche spätere Regenerationsstadien an Schnittreihen studirt (6.—24. Stunde) und im wesentlichen dieselben Erschei- nungen gefunden. An älteren Stadien (2.—35. Tag) sah’ ich in der Vertiefung, die durch das Zurückschnurren der abgeschnit- tenen Chorda entsteht, grosse Epithelmassen (Taf. XXII, Fig. 22e) angehäuft. Mitosen finde ich erst am 2. Tage. Von Triton taeniatus untersuchte ich die Epithelregeneration am amputirten Schwanze nach 6 Stunden. Ich beschreibe nur den Befund an einem etwas grösseren Exemplar (3,2 em), bei welchem die knorpeligen Wirbelkörper schon vorhanden waren. Das Präparat war zuerst eine Stunde lang mit Flemming’s Osmiumehromessigsäure, dann 23 Stunden mit Chromessigsäure behandelt worden, es wurde mit Borax-Carmin durchgefärbt und in eine Serie von Sagittalschnitten zerlegt. Ein Schnitt, der durch Rückenmark und Chorda geht und einem Medianschnitt nahe kommt, zeigt folgendes. Ueber den durchschnittenen Organen liegt eine sehr zarte helle Linie, das Coagulum. Blutkörperchen sehe ich im Coagulum nicht, wohl aber unter demselben. Die dorsale Partie der Epidermis ist sehr reich an Pigmentzellen suchung über die Heilung von Schnittwunden der Haut unter dem Jodoformverband. Dissertation. [Unter Ziegler’s Leitung.] Tübingen, 1888. Citirt nach: Fortschritte der Mediecin, 1889, No. 3, pag. 102—103) fand nach 30 Stunden Mitosen im Epithel in der Umgebung des Wund- randes. — Stilling und Pfitzner (Ueber die Regeneration der glatten Muskeln. Dieses Archiv, 28. Bd., pag. 306 ff.) fanden in dem sich regenerirenden Peritonealepithel einer Magenwunde von Triton taeniatus Mitosen nach mehreren Tagen (pag. 401), im Bindegewebe in den ersten zwei Monaten (pag. 403), in der glatten Muskulatur nach etwa 8 Tagen (pag. 409 ff.), während der Defect der Muskulatur selber viel später (nach 2—3 Monaten, pag. 405 ff.) ausgeglichen wird. Ritschl (Ueber Heilung von Wunden des Magens, Darms und Uterus mit be- sonderer Berücksichtigung des Verhaltens der glatten Muskeln. Vir- chow’s Archiv, Bd. 109, 1887, pag. 507 ff.) sah schon am ersten Tage der Wundheilung (beim Kaninchen) Mitosen in allen Geweben. — Pod- wyssozki (Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der Drüsengewebe. II. Theil. Beiträge zur pathol. Anat. u. Physiol. von Ziegler, II. Bd., 1887, pag.1 ff.) fand in der Infraorbital- und Submaxillardrüse des Kaninchens schon nach 24—30 Stunden fast alle Stadien der mitotischen Kerntheilung (pag. 17). Somya (Ueber die Re- generation des Epithels der Cornea. Diss. Bonn, 1889) sah Mitosen schon während der Bekleidung des Epitheldefects (1. Tag). Her- mann u. Schwalbe, Jahresbericht 1889. Zur Regeneration der Gewebe. 413 (Chromatophoren), aber auch die Epithelzellen dieser Gegend selber sind mit Pigmentkörnern reichlich versehen; der ventrale Abschnitt der Epidermis hat wenig Pigment. Es hat nun auf diesem Stadium der Regeneration die Bedeekung der Wunde mit Epithelzellen begonnen und man kann von oben und unten her das Vordringen derselben deutlich beobachten. An den Rändern, in der Nähe des persistirenden Epithels, ist die Wunde schon mit einer mehrfachen (3>—4fachen) Epithelschicht bedeckt, weiter nach dem Centrum der Wunde zu findet man nur noch eine einzige Zelllage, und die ganze mittlere Partie (Chorda, Rückenmark und Wirbelbögen) ist noch ganz unbe- deekt. Dieses Vorrücken des Epithels beruht nur auf einer Wanderung der jüngeren persistirenden Epithelzellen vom Wundrande her, wie das schon von Klebs!) und neuer- dings sehr zutreffend von A. Peters?) in seiner unter Nuss- baum’s°) Leitung ausgeführten Dissertation ausführlich beschrie- ben wurde. Dies liess sich in meinem Falle durch eine eigen- thümliche Erscheinung sicher stellen. Ich habe oben hervorgehoben, dass die dorsalen Epithelien sehr reich an Pigment waren, die ventralen aber sehr wenig davon enthielten. Nun zeigten auch sämmtliche junge Epithelzellen auf dem dorsal gelegenen Theil der Wunde dasselbe braune Pigment, wie die persistirenden Epi- 1) Klebs, a. a. ©. schildert das Auftreten eontractiler Epithel- zellen am Wundrande, die amöboide Bewegung ihres Protoplasmas (pag. 134, 135), ihre Loslösung vom Mutterboden (pag. 138) und ihren Marsch, der Klebs Veranlassung gab, sie „epitheliale Wanderzellen (pag. 138) zu nennen. Treffen sie auf der Wundfläche zusammen, so bilden sie netzartige Figuren oder grössere Platten polygonaler Zellen (pag. 159). 2ENSlreters, ar 202, pas >20: 3) Nussbaum (Fort&esetzte- Untersuchungen über spontane und künstliche Theilung der lebendigen Substanz. Sitzungsberichte der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn, 1885) hatte schon früher eine sehr weitgehende Verschiebung und Ver- lagerung des Ectoderms und Entoderms umgestülpter, auf einer Borste oder einem feinen Silberdraht befestigter Polypen (Hydra) beschrieben. Die ausführliche Arbeit ist schon oben (pag. 409) eitirt. Von einer sehr merkwürdigen Wanderung neugebildeten Epithels berichtet Marchand (Wanderungsfähigkeit neugebildeten Epithels. Tageblatt d. Vers. d. Naturf. zu Wiesbaden, 1887, 8. 275, eitirt nach dem Jahresbericht vonHermann u. Schwalbe, 1887, pag. 676). 414 Di ABarkumtıhe: thelzellen, die ventral gelegenen waren dagegen fast ganz pigmentfrei. Diese Thatsache lässt nur die eine Deu- tung zu, dass die Epithelien auf der Wundfläche vom persistiren- den Epithel herstammen. Aber könnten nicht die neu aufgetretenen Zellen durch Theilung von den stehengebliebenen herstammen ? Nein, denn dann müsste bei der fortgesetzten Theilung und der gleichbleiben- den Grösse der Zellen das Pigment so schnell abnehmen, dass die vorgerückten Zellen gar nichts mehr davon enthalten dürften; dieselben haben aber so viel Pigment, wie die in der Nähe des alten Epithels befindlichen. Von Triton eristatus untersuchte ich einige ältere Regene- rationsstadien. Ich berichte nur weniges über ein regenerirtes Schwanzende, welehes 24 Stunden nach der Amputation (Tempe- ratur 18°) zur Untersuchung kam. Ein Sagittalschnitt, der durch Chorda und Rückenmark ging und einem Medianschnitt nahe kam, zeigte auf der Wundfläche ein doppelschichtiges Epithel und in der unteren Lage desselben ventralwärts eine Mitose. Ich habe dann bei jungen 3—4 cm langen Larven von Siredon piseiformis die ersten Stadien der Wundbedeckung und Regeneration untersucht. 45 Minuten nach erfolgter Ampu- tation zeigte die Wundfläche mit Sublimat fixirter und mit Borax- carmin gefärbter Präparate folgendes Aussehen. An den schmalen Seitenplatten war die Wundfläche vom alten Epithel be- deckt, welches bei Application des Scheerenschnittes !) ledig- lich durch Quetschung so zusammengedrückt war, dass die Epi- thelränder durchaus zusammen stiessen ?). Die ganze Wundfläche 1) Fraisse hat also ganz Recht (pag. 52), wenn er der Scheere quetschende Wirkungen auf zarte Theile zuschreibt. Ich bin trotz- dem der einfacheren Anwendung, wegen in der Regel bei der Scheere geblieben, habe aber der Sicherheit wegen nicht die zarten Seiten- platten, sondern das resistente Mittelstück des Schwanzendes studirt. 2) Man hat freilich den Eindruck, als ob doch nicht bloss me- chanisch das Aneinanderlegen der Epithelränder zu Stande käme, sondern als ob die Natur, bez. die selbststeuernde Kraft des Organismus mitwirkte. Durch das Austreten des Blutes und der Lymphe aus den angeschnittenen Gefässen muss nothwendiger Weise eine Art Schrumpfung im Wundbezirk eintreten, wodurch die Bedeckung des Defecets und der Abschluss der Wunde von der Aussenwelt erleich- tert wird. Zur Regeneration der Gewebe. ' 415 des Mittelstücks mit Chorda, Rückenmark, Schwanzarterie war dagegen vollständig epithelfrei; es waren hier nur Rudimente durehsehnittener Zellen und rothe Blutkörperchen — wenig weisse — zu sehen; ein eigentliches Coagulum war nicht vorhanden. Die Zeit war also zu kurz gewesen, als dass eine Reaction der Gewebselemente hätte erfolgen können. Es stimmt diese Erfah- rung mit der von Fraisse gemachten (p. 53) überein. Die Wundfläche eines anderen Exemplars von Siredon, die 1!/, Stunde nach Amputation der Schwanzspitze untersucht wurde, zeigte die ersten Reactionen der Epidermis. Am Wund- rande waren ihre Zellen platt geworden und schoben sich über die Wundfläche vor. An den schmaleren Stellen war die Ver- einisung mit entsprechenden Zellen der andern Seite erfolgt, an den breiteren war noch eine Lücke vorhanden. Da gerade dieses Stadium der Regeneration von prineipieller Wichtigkeit ist, so habe ich das Ende eines Schnittes der Serie mit dem Nachet- schen Zeichenapparat möglichst naturgetreu wiedergegeben (Taf. XXIV, Fig. 26). Die Zeichnung wurde mit dem Leitz’schen Objectiv 7, Ocular 1 bei 250 mm Abstand des Zeichentisches von dem Zeichen- apparat entworfen. Der Scheerenschnitt traf die Epidermis bei e und e’; die Wundränder sind etwas zusammengedrückt, wess- halb besonders bei e’ (vonL. Z. an) die Epidermis um die Wund- ecke herum gebogen erscheint. Die elastische Cutis wich dem Schnitt etwas aus und: legte sich desshalb bis e’und e’ über die Wundfläche. Bei f liegen die Bindegewebsfasern wahrscheinlich in Folge der Quetschung diehter gedrängt als weiter seitlich ; sie färbten sich mit Borax-Carmin kräftig roth. Die Pigment- schicht ist der Cutislamelle gefolgt. Bei m und m‘ liegen durch- schnittene Stücke quergestreifter Substanz, an der andern Seite des Schnittes lagen dieselben etwas höher. Der Schnitt (frontal) fiel durch die Muskulatur des Mittelstückes, hat aber die wich- tigen Organe des Mittelstücks (Chorda, Rückenmark ete.) nicht er- reicht. Ueber der Wundfläche liegt kein Coagulum ; etwas tiefer findet man wenige rothe Blutkörperchen (b), die aus angeschnit- tenen Capillaren ausgetreten sind. Wie hat nun der Organismus auf den Wundreiz reagirt ? Was zunächst die Wundfläche selber anbetrifft, so sehen wir sie von einem 1—2schichtigen Epithel bedeckt (e—e‘). Die 416 DeBarturth: Grenzen der Zellen sind nieht überall deutlich, hier und da sieht man Vacuolen zwischen denselben. Kernlose Zellen finde ich nicht; die beiden Zellen (kz), die ich zuerst bei Besichtigung lei mit Leitz Objectiv 7 als kernlos gezeichnet hatte, erwiesen sich später bei Untersuchung mit !/,, Immersion als kernhaltig. Einige Spalten (sp) zwischen Epithelbelag und Wundfläche sind der Einwirkung der Fixirungsflüssigkeit (Sublimat) zuzuschreiben. Mitosen sind weder hier noch in dem persistirenden Epithel der Wundränder vorhanden. Ebenso fehlen Erscheinungen, die man auf „direete* Kerntheilung beziehen könnte, durchaus. Sehr auffallend ist, dass in dem neuen Epithelbelag keine Leydig’sche Zellen vorhanden sind; das silt nicht nur von diesem Schnitt, sondern von der ganzen Serie, und ich stimme Fraisse (a.a. O.p. 64) darin vollständig bei, dass die specifischen Organe der Epidermis, die durch Umwandlung aus Epithelzellen entstehen, also Drüsen und nervöse Apparate, erst viel später in der re- senerirten Epithelschicht sich differenziren. Am epithelialen Wundbelag fällt ferner der Mangel einer gestreiften Cutieula !) und der Zellbrücken ?) auf; von grösse- 1) Man vergleiche darüber: Leydig, Ueber die Schleichenlurche (Coeeiliae). Zeitschrift für wiss. Zool. 18. Bd., pag. 280 ff. (pag. 284). F. E. Schulze, Ueber euticulare Bildungen und Verhornung von Epithelzellen bei’den Wirbelthieren. Dieses Archiv, Bd.5, pag. 295 ff. (pag. 299). — Leydig, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Am- phibien. Dieses Archiv, 12. Bd., pag. 119 ff. (pag. 132). — Auf Frosch- larven (Bombinator igneus) speeciell bezüglich: Eberth, Zur Unter- suchung der Gewebe im Schwanze der Froschlarven. Dieses Archiv, Bd.2, pag. 490 ff. (pag.497). — Auf‘ Salamanderlarven bezieht sich: Langerhans, Ueber die Haut der Larve von Salamandra maculosa.| Dieses Archiv, 9. Bd., pag. 745 ff. — Pfitzner, Die Epidermis der Amphibien. Morphol. Jahrbuch, 6. Bd., pag. 469 ff. (pag. 484). — Ba- trachierlarven (Rana, Hyla) untersuchte: Kölliker, Histologische Studien an Batrachierlarven. Zeitschr. für wiss. Zool., 43. Bd., pag.1 ff. (pag. 17). — Ueber Ichthyophislarven handeln: P. u. F. Sarasin, Er- gebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon. Wiesbaden, 1887. — Vgl. ferner: Eisig, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel ete. in: Fauna und Flora des Golfes von Neapel etc. XVI. Monographie. Berlin, 1887, pag. 414 (Cuticularbildungen bei den Vertebraten). — Leydig, Altes und Neues über Zellen und Ge- webe. Zool. Anzeiger 1888. 2) Leydig, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Zur Regeneration der Gewebe. 417 rerBedeutung aber ist, dass diese Einrichtungen auf eine grosse Strecke hin auch der persistiren- denEpitheldecke fehlen; erst in einer Entfernung von ea. 0,3mm vom Wundrande sehe ich den Cutieularsaum wieder deutlich; die Zellbrücken haben sich, wenigstens an einigen Stellen, besser er- halten (Z b). Mitosen finden sich weder im Epithelbelag der Wund- fläche, noch in den anstossenden Partien des stehen gebliebenen Epithels. In Bezug auf letzteres ist noch die wichtige Thatsache hervorzuheben, dass seine Zellen nicht den regelmässigen Verband zeigen, den man an der normalen Epidermis findet: der Zusam- menhang der Zellen ist gelockert, ihre Formen sind vielfach un- regelmässig, sie liegen an manchen Stellen in einfacher Schicht, . statt in der doppelten des normalen Epithels. Die Cardinalfrage nun: Woher stammen die Epithelzellen der Wunddecke? lässt nach meiner Ansicht auch in diesem Falle nur eine Antwort zu: Sie stammen her vom persistirenden Epi- thel des Wundrandes, sind nicht etwa durch Theilung aus diesen Epidermiszellen hervorgegangen, sondern haben sich aus dem Epi- thelverbande losgelöst, sind embryonal beweglich (amöboid) ge- worden und schieben sich langsam über die Wundfläche vor, bis sie mit den Zellen der andern Seite Fühlung gewonnen haben. Aber auch dann hört der Nachschub von Zellen noch nieht auf, es kommen immer neue, bis eine mehrfache Schicht die Wunde bedeckt. Bei diesem Vorschieben der Zellen gehen feine Struc- turen (Cutieularsaum, Zellbrücken) !) verloren; es treten gelegent- Thiere. Bonn, 1883. E. Strauss. — Derselbe, Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. Morphol. Jahrb., 2.Bd., pag.3. — Flemming, Zellsubstanz, Kern und Kerntheilung, pag. 52 ff. — EiRikz ner ,).3, a. 0. ‚Pag. AIR, — .P..u. FE. Sarasin, a. a: O. pag. 66 ff. — Mitrophanow, Ueber die Intercellularlücken und Intercellularbrücken im Epithel. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 41. Bd., pag. 502 ff. — Das Verschwinden der Zellbrücken wird (pag.55) von Fraisse beschrieben: „Die Riffzellen, welche den Wundrändern an- liegen, runden sich ab.“ — Neuerdings hat Ko dis in einer interessanten Untersuchung (Epithel und Wanderzelle in der Haut des Froschlarven- schwanzes. Archiv für Anatomie und Physiologie, Physiol. Abtheil., 1889, Supplement pag. 1 ff.), diese Zellbrücken gezeichnet (Taf. I, Fig. 1, 2 etc.) und als „Querfäden“ beschrieben (pag. 8). 1) Fraisse fand das „intercelluläre Lacunensystem“ im rege- nerirten Epithel von Pleurodeles erst nach 48 Stunden wieder, nach- dem schon 5—6 übereinanderliegende Zellschichten da waren (pag. 63). 418 D. Barfurth: lich Vacuolen auf und die Zellgrenzen werden hier und da un- deutlich. An der Zellwanderung nehmen die Zellen des Stratum eorneum und des Stratum mucosum Theil, nieht aber die zu speeifischen Organen differenzirtenLeydig’schen Zeiten. Zum Schluss bemerke ich ganz kurz, dass ich wie viele früheren Beobachter !) im Wundgebiete fast aller Regenerations- stadien Epithelzellenkerne mit den Erscheinungen der Zerklüftung, der Maulbeerform u. s. w., sowie Wanderzellen gesehen habe. Einen Einfluss auf die Regeneration vermag ich aber diesen Din- gen nicht zuzuschreiben. Aus den mitgetheilten 'Thatsachen ziehe ich folgende Schlüsse: 1. Die Angabe Fraisse’s?), dass die erste Reaction des Organismus nach Anlage der Wunde bei Amphibien ungefähr nach 1 Stunde sich bemerkbar macht, wird durch meine Beobh- achtungen bestätigt. Die in der Nähe der Wunde liegenden Ge- webstheile collabiren wegen des Verlustes an Blut und Lymphe und desshalb nähern sich die Wundränder einander. Die Wund- fläche wird in vielen Fällen mit einem Coagulum überzogen, welches aber auch fehlen kann; dann erfolgt die Bedeckung der Wunde mit Epithelzellen. 2. Mit A. Peters?) bin ich der Ansicht, dass der erste Epithelbelag der Wundfläche von restirenden Epithelzellen der Wundränder durch einfache „Verschiebung“ (Nussbaum) *), also nicht durch Neubildung, geliefert wird. Die durch den Schnitt 1) Von neueren Forschern eitire ich nur: Pfitzner, Zur patho- logischen Anatomie des Zellkerns. Virchow’s Archiv Bd. 103, pag. 2191. Peters, a. a. 0. Pag. 20: ‚2) Fraisse, a.a.0. pag. 53, bezeichnet diese erste Reaction als „Neubildung von Epidermiszellen“. Wir sind offenbar darin einig, dass es sich hier um die erste Bedeckung der Wunde mit Epithel- zellen handelt. Dass ich dabei keine „Neubildung von Epidermis- zellen“, sondern nur ein Vorschieben vorhandener Epidermiszellen finde, ergiebt sich aus meiner Darstellung. 3) A: Peters, a. 2.0.0 pa22Ti 4, Nussbaum, a.a. O. (Fortgesetzte Untersuchungen ete.): „Es hat keine Neubildung und keine Umwandlung, bloss eine Ver- schiebung der Zellen stattgefunden.“ (pag. 7.) Zur Regeneration der Gewebe. 419 hergestellte „Unterbrechungsfläche* (Roux) !) bewirkt durch Auf- hebung des Seitendrucks zunächst eine wohl nur passive Ver- schiebung der Epidermiszellen. Es scheint aber, dass der „stetige einseitige Druck“ die Zellen bald „zu einer Art activer Umord- nung“ ?) veranlasst. Das ergiebt sich aus der merkwürdigen Thatsache, dass zur Bedeckung der Wundfläche nur die ge- wöhnliehen und indifferenten Zellen des Stratum muco- sum und corneum, nicht aber die zu speeifischen Or- ganen (Leydig’sche Zellen ete.) differenzirten Epithelzellen ver- wandt werden. Die Ursache liegt wohl darin, dass diese Zellen die ursprüngliche leichte amöboide Beweglichkeit verloren haben 3). 3. Mit fast allen neueren Forschern bin ich zu dem Re- sultat gelangt, dass die ersten Kermtheilungserscheinungen erst geraume Zeit *) nach Anlage des Defects im praeexistirenden Epi- thel, also meist erst nach Bedeckung der Wundfläche mit Epithel, auftreten. Die Theilungserscheinungen an den Kernen sehe ich im den Mitosen, bin also der Ansicht, dass die dann auftretenden Kern- und Zelltheilungen auf dem Wege der sog. „indireeten Kerntheilung“ ablaufen. Die eigentliche „Regeneration“ geht von den an der Schnittgrenze gelegenen Epithelzellen aus, was ich aus den gerade an’ dieser Stelle immer am hänfigsten auftretenden Mitosen schliesse. Eine „direete“ Kerntheilung an- zunehmen habe ich keinen Grund, denn die Erscheinungen, die 1) W. Roux, Beiträge zur Entwickelungsmechanik des Em- bryo. Nr. 5. Ueber die künstliche Hervorbringung halber Embryonen durch Zerstörung einer der beiden ersten Furchungskugeln, sowie über die Nachentwickelung (Postgeneration) der fehlenden Körper- hälfte. Virchow’s Archiv Bd. 114, Separatabdruck pag. 68. 2) Roux, a. a. O. pag. 62 u. 63. 3) Damit ist nicht gesagt, dass diese Zellen unverändert an ihrem Ort sitzen bleiben. Die mikroskopischen Bilder (siehe Figur 26) weisen vielmehr darauf hin, dass dieselben von der allgemeinen Fluth, wenn auch vielleicht nur passiv, ergriffen werden, Gestaltsverände- rungen erleiden und verschoben werden. Ueber der Wundfläche selber aber fand ich keine einzige dieser Zellen. 4) Nur Neese (Ueber das Verhalten des Epithels bei der Hei- lung von Linear- und Lanzenmesserwunden in der Hornhaut. Archiv für Ophthalmol. Bd. 33, pag. 1ff.) sah die karyokinetischen Figuren am reichlichsten schon in der vierten Stande nach der Verletzung in einem gewissen Abstande vom Wundrande; in der zwölften Stunde fanden sie sich zum ersten Mal im Epithel der Wunde selbst (pag. 13). 420 D. Barfurth: man wohl für eine solche verwerthet hat (Zerklüftung, Einschnü- rung ete.), sehe ich mit Pfitzner!) als Rückbildungen an. Da- gegen tritt Fraisse?) lebhaft für eine direete Kerntheilung ein und hält es für höchst wahrschemlich, dass alle diese typischen Figuren (Mitosen) nur dort auftreten, wo es zur Bildung eines speciellen Organs kommt ?). 1) Pfitzner, Zur pathologischen Anatomie des Zellkerns, a. a. O. pag. 294 ff. 2) Fraisse, a. a. O. pag. 143. 3) Die Frage der amitotischen und mitotischen Kerntheilung ist in letzter Zeit von Waldeyer ®ingehend und übersichtlich behandelt worden (Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Dieses Archiv, 32. Bd., pag.1 ff. [pag. 38 ff.]). Die Beobachtungen über das Vorkommen amitotischer (direeter) Kern- theilung sind dort zusammengestellt. Ich glaube aber, dass wir in der Diagnose dieser Art von Theilung immer vorsichtiger werden müssen. So beschreibt in jüngster Zeit Oscar Schultze (Ueber den Einfluss des Hungers auf die Zellkerne. Sitzungsberichte der Würzburger phys.-med. Gesellschaft, 1888) Epithelzellenkerne von Tritonenlarven, die durch langes Hungern eine eigenthümlich lappige Form bekommen haben. Derselbe giebt einen Ueberblick über das Vorkommen der eingeschnürten und gelappten Kerne überhaupt (pag. 4 des Separat- abdrucks). Solche Erscheinungen am Zellkern sind früher wohl un- bedenklich als auf beginnende Theilung bezüglich gedeutet worden. Ferner erinnere ich daran, dass Flemming vor Kurzem erst eine amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders (dieses Archiv, 34. Bd., pag. 437 ff.) als abnormen Ausnahmezustand nachwies, der „wahrscheinlich auf irgend eine pathologische, vielleicht katarrha- lische Veränderung zurückzuführen sein wird“ (pag. 448). Derselbe (Ueber die Theilung von Pigmentzellen und Capillarwandzellen. Dieses Archiv, 35. Bd., pag. 276 ff.) wies mitotische Kerntheilung von Pigment- zellen nach, während Kodis (Epithel und Wanderzelle in der Haut des Froschlarvenschwanzes, Archiv für Anat. und Physiol.,, Physiol. Abtheil., 1889, Suppl. pag. 23) karyokinetische Figuren bei den Pigment- zellen nie beobachtet hatte und eine Vermehrung der Pigmentzellen nicht annahm, und Solger (Nachtrag zu dem Artikel: Zur Structur der Pigmentzelle. Zool. Anzeiger 1890, pag. 93 ff.) angegeben hatte, dass „(in späteren Entwickelungsstadien wenigstens) die Vermehrung der Kerne nicht auf dem Wege der Mitose, sondern der einfachen Zerschnürung vor sich geht“ (pag. 94). Wie schnell die Mitosen post mortem undeutlich werden oder ganz verschwinden und wie sehr ihre Conservirung von der Fixirungsflüssigkeit abhängig ist, hat jüngst H. Scehenek in seiner unter Ribbert’s Leitung ausgearbeiteten Dissertation (Ueber Conservirung von Kerntheilungsfiguren, Bonn, Zur Regeneration der Gewebe. 421 4. Abweichend von Fraisse gelange ich zu dem Resul- tat, dass nicht nur bei erwachsenen Thieren, sondern auch bei Larven (Siredon, Triton, Rana) eine freie Kernbildung nicht vorkommt. Fraisse fand, „dass bei Larven, besonders den Larven der Tritonen, neben der einfachen Kerntheilung auch eine freie Kernbildung in emem gleichmässig über die Wundfläche vertheilten Blastem bei der Epithelregeneration vor- kommt, während bei erwachsenen Thieren die freie Kernbildung wenigstens sehr beschränkt, wenn nicht ganz aufgehoben wird.“ (Fraisse a. a. ©. p. 59). Fraisse’s Ahnung, dass seine Ansicht über diesen Punkt „ganz besonders angefochten werden würde“, wird sich wohl erfüllen. Ich will ihm wohl zugeben, dass die Zellgrenzen oft undeutlich sind, oder ganz verschwinden, dass die Kerne blass, chromatinarm nach Analogie der embryonalen Kerne !) sein können, dass einmal Kerne sich der Beobachtung entziehen können, aber das alles veranlasst mich nicht, Fraisse beizustimmen, wenn er meint, die in das proliferirende Gewebe eintretenden Wanderzellen bildeten durch ihren Zerfall „das Blastem, in welchem dann wiederum später die Kerne der neuen Epider- miszellen secundär dadurch entstehen, dass nach und nach die feineren Körnchen zusammentreten, um dann allmählich zu rich- tigen Kernen zu werden“ (p. 57). Wie schon oben bemerkt wurde, habe ich im Wundbelag bei Siredon mit einer guten Im- mersion in einigen Zellen Kerne gesehen, die mit einem schwäche- ren System der Beobachtung unzugänglich waren. Was die Wanderzellen anbetrifft, so stimme ich mit Fraisse darin überein, dass sie zerfallen. Dass aber dieser Zerfall plötzlich da Halt macht, wo das „Blastem“ sich bildet, glaube ich nicht. Es wird hier wie in so vielen andern Fällen die Decomposition 1890) nachgewiesen. Nach dem jetzigen Stande der Frage müssen wir sagen, dass eine positive Beobachtung von mitotischer Kernthei- lung mehr Werth hat als drei negative. — Soeben erscheint eine Ar- beit von Giovanni über Regeneration von Haaren nach der Epila- tion, in welcher derselbe zu dem Ergebniss kommt, dass „cette r&ge- neration s’opere par karyokinese des cellules £pitheliales restees A lintörieur du follicule atrophi&*. Giovanni, De la regeneration des poils apres l’epilation. Dieses Archiv, 36. Bd., 4. Heft. 1) Pfitzner, Zur pathologischen Anatomie des Zellkerns, a. a. 0. pag. 251: „Die Chromatinarmuth des Kerns ist ein Kennzeichen für den embryonalen Charakter der Zelle.“ Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 98 422 D. Barfurth: weiter schreiten, bis das verflüssigte Material durch die Lymph- bahnen aufgenommen wird, oder es mag dieses Material als Nah- rung direct von andern Zellen (Epithelzellen), wie Fraisse und vanRees?) angeben, aufgenommen werden. Wenn ich Fraisse’s Darstellung und Zeichnungen (p. 56 ff. Taf. I Fig. 5, Fig. 11) rich- tig verstehe, so entspricht sein „Blastem“ dem mehr oder weni- ger zusammen geflossenen Protoplasma der vorrückenden Epithel- zellen. In den dunkel gefärbten Körnchen sehe ich mit ihm Zer- fallsprodukte der Leukocyten und die vorhandenen Kerne deute ich als Kerne der vorgeschobenen präexistirenden Epithelzellen. So erklärt sich auch das Fehlen „der Kernfiguren und der ein- fachen Kerntheilungen im den jüngsten Stadien“ (Fraisse a. a. O. I), Krmaısısie, ara. 0. Pas,57. 2) J. van Rees, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamor- phose von Musca vomitoria. Spengel’s Zoologische Jahrbücher, 3. Bd., 1888 (pag. 116). Die Angaben von van Rees über die Thä- tigkeit der Leukocyten stimmen mit meinen Beobachtungen (Biolo- gische Untersuchungen über die Bachforelle. Dieses Archiv, 27. Bd., 1886, pag. 152 ff. und: Die Rückbildung des Froschlarvenschwanzes und die sog. Sarkoplasten. Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 42 ff.) überein. Man vergleiche dazu die vor van Rees’ Arbeit erschienene interessante Untersuchung von Kowalevsky, Beiträge zur Kenntniss der nach- embryonalen Entwickelung der Musciden. Zeitschrift für wiss. Zool., 45. Bd., 1887, pag. 542 ff. Neuerdings wurde dieser Gegenstand be- arbeitet von A. Looss, Ueber die Betheiligung der Leukocyten an dem Zerfall der Gewebe im Froschlarvenschwanze während der Re- duction desselben. Ein Beitrag zur Phagocytenlehre. Leipzig, 1889. Ich eitire diesen Titel nach der Literaturangabe im „Anatomischer Anzeiger“, 1889, pag. 677, da mir die Arbeit, wie die später erschienene Preisschrift nicht zugänglich waren. Den Angaben von Looss über die Rolle der Leukocyten bei der Muskeldegeneration tritt neuerdings entgegen: Bataillon, La degenerescence musculaire dans la queue des larves d’anoures et la phagocytose. Comptes rendus des seances de la societ& de biologie. Paris, 1890. — Die älteren Arbeiten von A. von Brunn, Metschnikoff etc. habe ich früher berücksichtigt. Einer ganz eigenartigen Auffassung über das Auftreten der Leuko- eyten hat Sigmund Mayer Ausdruck gegeben: „Meiner Ueberzeu- gung nach sind die bei vielen Rückbildungsprocessen auftretenden Leukoceyten das directe Product der sich rückbildenden Gewebe.“ Siemund Mayer, Einige Bemerkungen zur Lehre von der Rück- bildung quergestreifter Muskelfasern. Zeitschrift für Heilkunde, 8. Bd., Prag, 1887, pag. 177 ff. (pag. 187). Zur Regeneration der Gewebe. 423 p- 56). Die Annahme einer freien Kernbildung !) scheint mir desshalb hier nieht begründet zu sein. 5. Ich stimme Fraisse (p. 64) darin bei, dass specifische 1) Dieser Modus der Kern- und Zellbildung ist neuerdings von Flemming (Ueber Epithelregeneration und sogenannte freie Kern- bildung. Dieses Archiv Bd.18, pag. 347. Literaturangaben pag. 359 ff.) erfolgreich bekämpft worden. Wenn Fraisse sich auf die „Dotter- kerne“, als frei entstehend, beruft (pag. 59), so ist dagegen auf die Untersuchungen von Rückert und Kastschenko zu verweisen, denen zufolge die Meroeyten von Furchungskernen (nach Rückert sicher vom ersten Furchungskern) abstammen. [Kastschenko, Zur Entwickelungsgeschichte des Selachierembryos. Anat. Anzeiger, 1888, pag. 445 ff. (pag. 459); Rückert, Weitere Beiträge zur Keim- blattbildung bei Selachiern. Anat. Anzeiger, 1889, pag. 353 ff. (pag. 362). Ich eitire nur diese neuen Arbeiten.]|] Zu demselben Ergebniss gelangt C. K. Hoffmann (Ueber den Ursprung und die Bedeutung der so- genannten „freien“ Kerne in dem Nahrungsdotter bei den Knochen- fischen. Zeitschr. f. wiss. Zool., 46. Bd., pag. 517 ff.) in Bezug auf die Knochenfische. Die Mittheilungen von Henking (Die ersten Ent- wickelungsvorgänge im Fliegenei und freie Kernbildung. Zeitschr. für wiss. Zool., 46. Bd., pag. 289 ff.) über freie Kernbildung wurden u. a. von Blochmann (Ueber die Zahl der Richtungskörper bei be- fruchteten und unbefruchteten Bieneneiern. Morphol. Jahrbuch, 15. Bd., pag. 85 ff.) bekämpft. (Ich eitire nur diese beiden Aufsätze) — Die Mittheilungen Stadelmann’s (Die Histologie des Pseudoknorpels in der Achillessehne des Frosches und dessen Veränderung bei entzünd- licher Reizung. Königsberg, 1878, Dissertation, und Virchow’s Arch,, 80. Bd., pag. 105 ff.) können nicht ohne weiteres für eine „freie Kern- bildung“ verwerthet werden, weil zu der Zeit die „Karyokinese“ noch in den ersten Anfängen lag und die Deutung solcher Befunde in den Zellen durchaus unsicher war. Mayzel, der von Fraisse und Sta- delmann als Gewährsmann eitirt wird, konnte für seine Angabe, dass die am freien Rande des sich regenerirenden Epithels der Cornea „reichlich auftretenden Kerne ohne Zweifel durch Differenzirung aus dem Protoplasma sich frei bilden“, nach eigener Erklärung unzweifel- hafte Beweise nicht beibringen (Mayzel, Ueber eigenthümliche Vor- gänge ete. Centralblatt für die med. Wissenschaften 1875, pag. 49 ff.). Dass Mayzel noch an der „freien Kernbildung“ festhält, muss nach den Mittheillungen Flemming’s (dieses Archiv, 18. Bd., p.361, An- merkung 4) zweifelhaft erscheinen. — Nach dem jetzigen Stande der Frage müssen wir wohl Hertwig (Entwickelungsgeschichte, 3. Aufl., 1890) beistimmen, wenn er sagt, „dass nach unserer jetzigen Kenntniss überhaupt freie Kernbildung im Thier- und Pflanzenreich nicht vor- zukommen scheint“ (pag. 56). 424 D. Barfurth: Organe der Epidermis sich viel später regeneriren, d. h. in diesem Falle aus gewöhnlichen Epithelzellen differenziren. Zu dem- selben Resultat gelangten Griffini und Vassale!) bei ihren Versuchen über die Regeneration der Magenschleimhaut. Aus dem restirenden Drüsenepithel der Wundränder bildete sich ein indifferentes Ueberzugsepithel und aus diesem entstanden wieder neue Drüsen. Diese Vorgänge entsprechen. den von Kölliker?) ausgesprochenen Prinzipien über Regeneration. 2. Rückenmark (und peripheres Nervensystem). Die Regeneration des Rückenmarks beginnt bei Frosch- und Tritonenlarven am 2. Tage (15°C.). Diese schnelle Neu- bildung ist um so auffallender, als Schiefferdecker?) bei Säu- gern eine Regeneration des Rückenmarks überhaupt nicht nach- weisen konnte; in der die Stümpfe verbindenden bindegewebigen Narbe war bei einem Hunde 238 Tage nach der Operation keine einzige Nervenfaser aufzufinden. Bei Amphibien und Reptilien scheint durchweg eine Regenera- tion des abgeschnittenen Rückenmarks vorzukommen, wie namentlich durch die Untersuchungen von Heinrich Müller, Fraisse und Caporaso bewiesen wurde %). Die Regeneration desselben im Reptilienschwanz hat deshalb ein besonderes Interesse, weil hier 1) Griffini und Vassale, Ueber die Reproduction der Magenschleimhaut. Beiträge zur pathol. Anat. und allg. Path. von Ziegler und Nauwerck, 3. Bd. pag: 425 ff. 2) A. Kölliker, Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vor- gänge der Vererbung. Zeitschr. f. wiss. Zool., 42.Bd.: „In allen Fällen, in denen ein Organ oder ein Gewebe fähig ist sich wieder zu er- zeugen, muss dasselbe Elemente von embryonalem Charakter ent- halten oder wenigstens solche, die diesen Charakter anzunehmen im Stande sind.“ „Diese Zellen bedingen dann nach denselben Gesetzen, wie beim Embryo, die Organgestaltung.“ (pag. 44.) 3) Schiefferdecker, Ueber Regeneration, Degeneration und Architeetur des Rückenmarkes. Virchow’s Archiv, 67. Bd. 4) Schiefferdecker (a. a. O. pag. 545) meint, die Beobach- tungen Müller’s sprächen direct gegen eine Regeneration (bei Rep- tilien), weil die functionelle Wiederherstellung gleich Null war; eine Regeneration müsse sowohl anatomisch, wie physiologisch sein. Es scheint mir aber, dass eine thatsächliche Regeneration angenommen werden darf, wenn dieselbe aus morphologisch gleich- werthigen Elementen besteht. Zur Regeneration der Gewebe. 425 ein in einem Knorpelrohr eingeschlossenes, nicht mehr funetioniren- des und schon der Degeneration unterliegendes Organ wiederher- gestellt wird. Fraisse bemerkt dazu: „Trotz alledem aber müssen wir dieses Organ doch als ein nervöses Centralorgan an- sehen, wenigstens morphologisch; denn physiologisch ist allerdings dieser Vergleich nieht mehr durchzuführen.* Ich habe diese Thatsache besonders hervorgehoben, weil ich hierin ein Analogon zu dem sich regenerirenden Schwanze älterer Froschlarven finde: auch bei diesen wird noch kurz vor und während der Metamor- phose der zur Degeneration bestimmte Schwanz regenerirt! Fraisse beobachtete 24 Stunden nach der Verletzung Kern- wucherung in den Elementen des Rückenmarkstumpfes und zwar in den sogenannten Körnern (Siredon) (p. 111). Nach 46 Stun- den und noch am 3. Tage sehe ich folgende Regenerationserschei- nungen am Rückenmark von Froschlarven (Taf. XXII, Fig. 20, Taf. XXIIL, Fig. 22). An der Schnittstelle ist das Gefüge der Zel- len um den Centralkanal etwas gelockert, die eylindrische Ge- stalt. der Zellen ist verschwunden, die Kerne sind undeutlicher, blasser. Leukocyten („Körnehenzellen“, nieht zu verwechseln mit den „Körnern“, von denen Fraisse spricht) findet man in der Umgebung des Rückenmarks, manchmal im Centralkanal. Das Bemerkenswertheste ist aber die eigenthümliche kolben- artige Erweiterung (Taf. XXII, Fig. 20) am untersten Ende des Medullarrohres und das Verhalten der dort liegen- den Zellen (az). Diese Erweiterung des Medullarrohres ist keine zufällige, denn ich finde sie an sämmtlichen Präparaten mehr oder weniger stark ausgeprägt. Sie findet sich auch nicht bloss in den ersten Tagen der Regeneration, sondern erhält sich in geringerem Grade bis zum 10. Tage. Auch Fraisse hat Taf. IH, Fig.4, AS, am regenerirten Rückenmark von Lacerta agilis diese Erscheinung dargestellt. Ihr Zustandekommen erkläre ich mir auf folgende Weise. Das Rückenmark, welches hier als einfaches Epithelial- rohr (Leydig) auftritt, enthält innerhalb des Canalis centralis eine dem Liquor cerebrospinalis der Säuger analoge Flüssigkeit, die nach Durchschneidung des Centralkanals frei austritt !). Wie 1) Die Epitheldecke, die nach ca. 24 Stunden die ganze Wund- fläche überzogen hat, hindert schliesslich den weiteren Austritt von Flüssigkeit. Der Druck lässt aber noch nicht nach: Grössere Vacuolen 426 DeeBiarrkuseitıhe: ich nun gleich ausführlicher mittheilen werde, bemühen sich die untersten Zellen des durchschnittenen Rohres möglichst schnell, den Abschluss nach aussen wiederherzustellen, indem sie durch protoplasmatische Ausläufer mit einander in Verbindung treten und dadurch den provisorischen Verschluss des. Rohres bewerk- stelligen. Der sich wieder ansammelnde Liquor cerebrospinalis drückt aber nun auf die neugebildeten, noch wenig resistenten untern und seitlichen Theile des Rohres und treibt sie kolben- artig auseinander. Die Zellen passen sich einstweilen durch ihre Lagerung diesem Druck an und behalten später diese Lage noch eine Zeit lang bei. Was dann das Verhalten der Zellen anbetrifft, so möchte ich hier eine Eigenthümlichkeit besprechen, die ich an einem Präparat von Rana fusca wahrnahm und auf Tafel XXIL, Fig. 20, dargestellt habe. Man sieht hier, dass die Zellen amöboid!) ge- worden sind, also ähnliche Veränderungen durchmachen, wie die Epithelzellen bei der ersten Bedeekung eines Defeets. Die Zellen treten dabei manchmal etwas aus dem Verbande mit den benaeh- barten Zellen heraus und senden nun durch das Lumen des Cen- tralkanals hindurch, also auch durch den Liquor cerebrospinahs, protoplasmatische Fortsätze, wie Fühler, aus, um die gegenüber- liegende Wand herauszutasten und dann mit ihr in Verbindung zu treten. Diese Art, den Verschluss des Rohres allmählich zu bewerkstelligen, hat einige Mängel im Gefolge, wie die Betrach- tung von Fig. 20 lehrt. Da die Zellen von verschiedenen Stellen der Wand aus zur gegenüberliegenden Wand hinstreben, entsteht zuerst wohl eine Anzahl von Fächern, Abtheilungen, ehe unten ein genügender Abschluss hergestellt ist. Spätere Stadien (Fig. 22r; das Präparat ist mehrere Stunden älter.) zeigen dann die fertige, nach unten zu ausgebauchte, aber glatte Wand des Rohres. zwischen Rückenmark und Chorda einerseits und Epidermis anderer- seits führe ich ihrer Entstehung nach auf ihn zurück. Auch die Blasenbildungen, die Fraisse gerade in der Verlängerung des Rückenmarks in der Epidermis bei Amphibien und Reptilien fand (pag. 117), haben wohl gleichen Ursprung. 1) Man denkt dabei an die „Neuroblastenwanderung“: W. His, Histogenese und Zusammenhang der Nervenelemente. Arch. f. Anat. u. Entwickelungsgeschichte. 1890. Supplement. pag. 95 ff. (pag. 101). Zur Regeneration der Gewebe. 427 Do Diese merkwürdige amöboide Bewegung an den Zellen des Centralkanals habe ich in diesem Maasse an keinem andern Prä- parat wahrgenommen. Es ist aber interessant, dass die Zellen des Rückenmarks sich gewissermaassen wieder auf ihre Herkunft vom Eetoderm zu besinnen vermögen und wie ihre nächsten Ver- wandten, die Epidermiszellen, amöboid werden können. Das regenerirte Medullarrohr ist in seinem untern Theile durchweg aus einer einschiehtigen Lage von Cylinderzellen zu- sammengesetzt. Die dieser Schicht peripher aufsitzende Lage von hohen hyalinen Zellen, die man in Querschnitten von Frosch- larvenschwänzen sehr schön sieht, ist nicht vorhanden; erst in viel älteren Stadien — bei R. esceulenta nach 9 Tagen — findet man auch diese Schicht regenerirt. Eine Kermtheilung mittels Mitosen finde ich in den ersten Stadien der Regeneration so wenig, wie Fraisse (p. 111). Spä- ter freilich (nach 5—5 Tagen) treten sie gerade im Rückenmark massenhaft auf (Tafel XXI, Fig. 21). Dabei zeigt sich wieder die Eigenthümlichkeit, dass man an der Schnittgrenze in der Regel die meisten Mitosen findet, als wären durch den Reiz der Verwundung gerade diese Zellen zur Proliferation angeregt worden (Fig. 21). Der unterste Theil des regenerirten Medullarrohres beher- bergt in seinem Innern und zwischen seinen Epithelzellen zahl- reiche fettig degenerirende Leukoeyten; viele kleine und grosse Fetttropfen, die man hier überall findet, führe ich ihrem Ursprunge nach auf solche zerfallene Wanderzellen zurück. Ausserdem fin- den sich hier auch viele Pigmentkörnchen, die wohl bei der re- gressiven Metamorphose der zerfallenden Leukoeyten entstehen (Pigmententartung)!). Man könnte nun im Anschluss an die Auffassung Schieffer- 1) Versuche, die ich über die Resorption nicht abgelaichter Ge- schlechtsstoffe bei Fröschen und Kröten angestellt habe, ergaben auch in den Ovarien eine Pigmentbildung beim Zerfall alter Eier. Ein Jungfräuliches Ovarium in den ersten Lebensjahren ist ganz farblos, weiss; fast in jeder Laichperiode bleiben aber Eier zurück, die dem Zerfall und der Resorption unterliegen. An der Stelle im Ovarium, wo ein altes Ei zerfällt, liegt später ein schwarzer Pigmentklumpen. Solche findet man im ‘Sommer bei Krötenweibehen, die wegen ihres Aufenthalts in Gärten sehr oft nicht zum Ablaichen kommen, ausser- ordentlich häufig. 428 DE Barfanmch: deckers (a. a.0.p.545) im Zweifel ziehen, ob das regenerirte Epithelialrohr, welches hier als Rückenmark auftritt, wirklich als solches aufgefasst werden darf, ob also hier eine thatsächliche Regeneration vorliegt oder nicht. Dass die Regeneration in morphologischer Beziehung als vorhanden anerkannt werden muss, geht daraus hervor, dass ich, wie Fraisse, die Entstehung des regenerirten Theils aus den Elementen des alten Medullarrohres direct verfolgt habe (Fig. 20 und 21). Fraisse sieht das Epithel als Matrix für sämmt- liche Nervenelemente an und hat bei Pleurodeles Waltlii die Ent- stehung der Spinalganglien am regenerirten Rückenmark beob- achtet (p. 123, 124). Ich finde ein regenerirtes Spinalganglion im Schwanzende einer Rana esculenta (Larve), welches 12 Tage bei 170°C. regenerirt war; das regenerirte Schwanzstück misst 6mm und ist durch eine verjüngte Stelle deutlich vom alten geschieden. Dieses Ganglion liegt fast 1 mm unterhalb der Sehnitt- grenze zu beiden Seiten des Rückenmarks (an Frontalschnitten). Weiter oberha!b nach dem Kopfe zu findet sich das nächstliegende erste Ganglienpaar !) des alten Schwanzendes in der Höhe des Sehnittes. Da gerade hier auch die alten Muskelfasern aufhören und weiter unten zu beiden Seiten des regenerirten Ganglions lauter junge Muskelfasern liegen, so kann kein Zweifel ob- walten, dass wir hier in der That ein regenerirtes Ganglion vor uns haben. Nach oben und unten gehen von demselben Nerven- stränge aus und an dem drittnächsten Schnitt sieht man auch die Wurzeln des Ganglions vom regenerirten Rückenmark aus- gehen. Aus dem Gesagten folgt, dass die anatomische Regene- ration auch der peripheren Nervenelemente im Anschluss an das Rückenmark vollendet ist. Ob auch eine physiologische Regeneration, also Herstellung der Funetion erfolgt war, habe ich damals an dieser Larve nicht festgestellt. Ich habe aber durch einfache Versuche an anderen Thieren, Larven von Siredon piseiformis, die Wiederherstellung der Funetion in diesem Stadium der Regeneration constatirt. Berührte ich mit einer spitzen Nadel 1) Fraisse beobachtete an demselben bei Eidechsen eine be- sondere Hyperplasie (pag. 122), die er mit der verstärkten Function desselben in Zusammenhang bringt; denn diese Ganglien haben die physiologische Function für das ganze Schwanzende, an dem sich keine regenerirten Ganglien finden, zu übernehmen. Zur Regeneration der Gewebe. 429 das regenerirte Schwanzende des ruhig schwimmenden Thieres, so erfolgte eine sofortige energische Bewegung des Schwanzendes und das Thier schoss davon. Aus meinen Mittheilungen ergibt sich ferner, dass die Re- generation der peripheren Nervenelemente lange Zeit erfordert: am 12. Tage ist erst ein einziges Spinalganglion regenerirt. Es ist ganz gut möglich, dass die Herstellung der Funetion noch mehr Zeit in Anspruch nimmt. An dieser Stelle will ich noch darauf aufmerksam machen, dass auch angeschnittene Spinalganglien und Nervenstränge !) sich regeneriren. Eine Serie von Frontalschnitten durch das 8 Tage bei 16°C. regenerirte, 3,5 mm lange Schwanzstück einer Larve von R. esculenta zeigt diese Regeneration (Fig. 25). Bei g liegt eine auffallend grosse Mitose dicht über einer Ganglien- zelle; Lage und Grösse derselben lassen nur die Deutung zu, dass wir es hier mit dem Kern einer Ganglienzelle zu thun haben, deren Protoplasma nicht mit getroffen wurde. An demselben Schnitt sieht man bei n ein angeschnittenes Nervenbündel (m), welches mit dem Ganglion g in Verbindung steht. Bei mn liegt 1) Neumann beobachtete die Regeneration gequetschter Nerven am 12. Tage nach der Operation (dieses Archiv, 18. Bd., pag. 328); die Regeneration durchschnittener Nerven findet nach Eichhorst bei Fröschen frühestens am 30. Tage statt (Vir- ehow’s Archiv, 59. Bd.); die Literatur findet man bei Neumann. — Neuere Arbeiten sind: Vanlair (Archives de Biologie, T. VI). Aus seinen Untersuchungen „ressort la demonstration objective de la possi- bilit® d’une reg@neration complete, par drageonnement central, des nerfs p£ripheriques seetionnes“ (pag. 232). Eine zweite Regeneration erfolgte nicht. — von Hochwart, Ueber De- und Regeneration von Nervenfasern. Wiener med. Jahrb. N. F. II:, pag. 1 ff. — Hanken, Ueber die Folgen von Quetschung peripherer Nerven. Internat. Mo- natsschrift für Anat. und Histol., Bd. III, pag. 265 ff. Derselbe fand Mitosen im peripher von der Quetschungsstelle gelegenen Theil vom fünften Tage an (pag. 270. — Albrecht, Klinische Beiträge zur Nervenchirurgie. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 26, pag. 450. Albrecht ist mit Ranvier der Ansicht, dass sich das centrale Ende des durchschnittenen Nerven nur durch Sprossung der Axencylinder in der Bahn der alten Nerven, nicht aber immer inner- halb der einzelnen Fasern vollzieht. — Grosses Interesse hat die Mit- theilung von Landerer: Einheilung eines Kaninchennerven in einen Defeet des Nervus radialis. Deutsche Zeitschrift für Chir., 28. Bd., pag. 604 ff. 430 D. Barfurth: eine Mitose, deren Theilungsprodukte nach meiner Auffassung zur Regeneration der Nerven beitragen sollen; dafür spricht wieder die Lage, die Grösse und die Richtung der Kernachse. Die Stümpfe der angeschnittenen Axenceylinder wachsen später aus der Markscheide hervor, wiederholen also das centrifugale primäre Wachsthum (His). Regeneration nervöser Elemente durch Zelltheilung mit Karyokinese wiesen Mondino, Torre und Fıl. Cattani nach !). Die Regeneration einer marklosen Nervenfaser habe ich in Fig. 26 dargestellt. Die Mitose liegt nach dem Schwanzende zu. Näheres über das Präparat bringt die Figurenerklärung. Hier- nach geht die Regeneration dieser Fasern gerade so vor sich, wie das normale Wachsthum, worüber jüngst Kölliker?) Mit- theilungen gemacht hat. 3. Chorda dorsalis und Knorpelstab. Obgleich die Regeneration der Bindesubstanzen fast gleich- zeitig mit der der Chorda erfolgt, bespreche ich doch die letztere zunächst und gesondert, weil sie im Schwanzende eine so her- vorragende Wichtigkeit hat und weil ich die ersten Regene- rationserscheinungen an ihr doch früher sche, als am Binde- gewebe. Die Untersuchung zeigt, dass nach Anlage des Schnittes die äussere und innere Chordascheide ?) bei Rana wegen ihrer Elastieität zurückschnurrt und sich dabei am äussersten Ende etwas verdickt. Die grossen glashellen Chordazellen liegen dann frei zu Tage; die angeschnittenen werden resorbirt, die nächst folgenden bleiben intact. Am 2. Tage findet man von dem Blut- 1) Bizzozero, Ueber die Regeneration der Elemente der Ge- webe unter pathologischen Bedingungen. Centralblatt für die med. Wissenschaften, 1886, pag. 81. Bizzozero hat hier die Ergebnisse der Forschung zahlreicher italienischer Autoren, die ihre Untersuchungen in wenig verbreiteten italienischen Journalen veröffentlicht haben, zusammengestellt. ; 2) Kölliker, Histologische Studien an Batrachierlarven. Zeit- schrift für wiss. Zoologie, 43. Bd., pag. 3, Tafel I, Fig. 4. 3) Näheres darüber bei Götte, Die Entwickelungsgeschichte der Unke, pag. 353 ff. Zur Regeneration der Gewebe. 431 coagulum, welches die Chorda wie die ganze Wundfläche über- zogen hatte, zwischen den Chordazellen nur wenige Reste: rothe und weisse Blutkörperehen; auch wandern wohl aus der Um- sebung Leukoeyten hierher, wie zu allen andern gereizten Partien. Da die Epithelschieht, mit der sich die Wunde in der beschrie- benen Weise überzogen hat, schon am 2. Tage auch das Centrum der Wunde, d.h. die Chorda, ganz bedeckt, so findet man hier die Epithelzellen direet auf den obersten Chordazellen liegen, eine eigenthümliche Lagerung, die an ein Pflaster auf einer Wundfläche erinnert. In der That ist ja auch dieses Lage- verhältniss nur vorübergehend. Am 3. Tage finde ich die äussere Chordascheide an allen Präparaten von Froschlarven ausserordentlich diek und zwar so verdickt, dass ich an eine wirkliche Zunahme ihres Volums glau- ben möchte (Fig. 238). Dass die blosse Retraetion diese starke Verdiekung hervorrufen sollte, erscheint mir nicht recht glaub- lich; eine Vermehrung ihrer Elemente ist nicht anzunehmen, da die Entstehung derselben — Bindegewebsfasern — eine vorherige Zellvermehrung doch wohl voraussetzen würde. Die nächstliegende Erklärung scheint mir aber die zu sein, dass wir eine Volums- zunahme durch Quellung der Fasern in Folge starker Durehtränkung mit Lymphe (oder Liquor eerebrospinalis aus dem angeschnittenen Centralkanal) vor uns haben. Diese Verdiekung der Scheide erhält sich recht lange. Bei Rana esculenta finde ich sie noch am 7. Tage. Hier ist die regenerirte Chorda aus der Scheide hervorgesprosst und lässt dieselbe wie einen Wall seitlich stehen. Solche Präparate zeigen deutlich, dass die Junge Chorda sich ihre Scheide selbst bildet und zwar nicht direet im Anschluss an die alte Scheide. Die erste Anlage der regenerirten Chorda ist ein Kegel, dessen Basis mit der Wand der alten Scheide zusammenstösst, aber so, dass die alte Scheide sich noch eine kleine Strecke weiter über diese Basis fortsetzt und auf diese Weise den oben erwähnten Wall bildet. Letzterer wird später resorbirt und dadurch die vollständige Verschmelzung des regenerirten Chordaendes mit dem alten Stumpf hergestellt. Wovon geht nun die Regeneration der Chorda aus? Ich finde mit Fraisse, dass das Chordaepithel, eine Lage kleiner protoplasmatischer Zellen auf der inneren Chordascheide, die Ma- trix des neuen Chordaendes ist. Schon am 2., noch mehr am 432 D.eBarkurmth:; 3. Tage (Fig. 22) findet man die Zahl dieser Zellen an der in- neren Wand der Chordascheide vermehrt; etwas später rücken sie nach der Mitte zu zusammen und bilden hier einen Kegel, den ersten Ansatz der zu regenerirenden Chorda. Diese Zellen sind klein, protoplasmatisch, die Kerne treten ziemlich scharf hervor. Mitosen finde ich in früheren Stadien (1.—2. Tag) nicht; auch Fraisse erwähnt sie nicht, fand also wohl keine (p. 93). Diese Zellen treten schon am zweiten Tage in grosser Zahl am Ende der Chordascheide auf und schieben sich dann zwischen der neuen Epitheldecke und den grossen Chordazellen nach der Mitte zu vor (Fig. 22). In der ersten Zeit mag wohl bloss eine Verlagerung schon vorhandener Zellen nach der Wunde zu statt- finden; schon am dritten Tage aber ist ihre Zahl so gross, dass diese Erklärung nicht als ausreichend angesehen werden kann, dass man vielmehr eine Vermehrung derselben annehmen muss. Dass diese Vermehrung durch Karyokinese erfolgt, ist hier keines- wegs leicht zu erweisen. Es liegen an und in dem Regenerations- kegel so viele Blutelemente, zerfallende Wanderzellen, Fetttröpf- chen, Pigmentkörner ete., dass die Untersuchung sehr erschwert wird. Selbst an feinen Schnitten ist es manchmal unmöglich, die Chordaepithelzellen von Leukocyten zu unterscheiden; nur der Umstand, dass in letzteren die Kerne gewöhnlich in den verschie- densten Modifieationen zerfallen, gestattet in der Regel die Unter- scheidung. Mit Anwendung der Leitz’schen Immersion !/,, fand ich indessen nach 72 Stunden die erste Mitose in einer Chorda- epithelzelle bei Rana fusca, bei einem andern Präparat vom 5. Tage sind sie häufiger, nach 7 Tagen ist der junge Chordakegel schon ziemlich lang und zeigt viele Mitosen. In späteren Stadien erscheint die Chorda als ein Cylinder, dessen Durchmesser sehr viel kleiner ist, als der der alten Chorda und dessen Wand sich allmählich zum Umfang der alten Chorda verbreitert. Der ganze Cylinder besteht nur aus mehr oder we- niger plattgedrückten Zellen, die zuerst protoplasmatisch sind und später den grossen hyalinen Chordazellen ähnlich werden. Nur diese protoplasmatischen Zellen bewerkstelligen durch ihre Ver- mehrung das Wachsthum der Chorda; in allen diesen Stadien findet man sehr zahlreiche Mitosen. Die Zellen der jungen Chorda stossen direct an die Bindegewebskörper; die Verbindung ist oft so innig, dass es schwer wird, beide Arten von Elementen aus- AR Zur Regeneration der Gewebe. 433 einander zu halten. Die Chordascheide bildet sich erst in spä- teren Stadien. Die Regeneration der Chorda bei den Urodelen kann ich erst besprechen, wenn ich einige Bemerkungen über das normale Chordaende desselben vorausgeschickt habe. Bei seinen Untersuchungen über die Wirbelsäule der Tri- tonen gelangte H. Müller!) zu dem Ergebniss, dass die- selbe nicht mit einem knöchernen Wirbel endigt, sondern in einem knorpeligen Strang verläuft“ (p. 7). Dieser Befund wurde von Flesch?) und Fraisse?°) bestätigt. H. Müller warf nun die naheliegende Frage nach der Beziehung dieses Knorpelstabes zur Chorda dorsalis auf. Im Knorpelstab sieht er nichts von der Chorda, wiewohl ihre Reste in den Intervertebralstellen der vor- deren Schwanzwirbel leicht zu sehen sind. „Ist die Chorda“, so fragt nun H. Müller weiter, „im Schwanzende innerhalb des Knorpels spurlos verschwunden, oder hat sie sich selbst in den Knorpelstrang umgewandelt? Im letzten Fall würde die Auffas- sung von A. Müller*), welcher letzteren bei den regenerirten Schwänzen mit einer Chorda verglich, etwas für sich haben. Es ist aber nicht wohl anzunehmen, da sich der Knorpelstrang des normalen Schwanzendes an den Intervertebralknorpel anschliesst, hinten diffus in eine weiche Masse ausgeht und der so sehr ähn- liche regenerirte Knorpelstrang sicher nicht aus der eigentlichen Chorda entstand“ (p. 8). Lasse ich die Beweiskraft der von H. Müller angegebe- 1) H. Müller, Ueber Regeneration der Wirbelsäule und des Rückenmarks bei Tritonen und Eidechsen. Frankfurt a. M., 1864. 2) Flesch, Ueber das Schwanzende der Wirbelsäule. Verhandl. der physik.-medicinischen Gesellschaft in Würzburg, N.F., 13. Bd., 1879. (Sitzungsberichte pag. XXX ff.) 3) Fraisse, Eigenthümliche Structurverhältnisse im Schwanze erwachsener Urodelen. Zool. Anzeiger 1880, pag. 12. Fraisse hatin seinem Werke über Regeneration die älteren Angaben über den Knorpelstab eitirt (pag. 14, 35 etec.). 4) A. Müller, Beobachtungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule. Müller’s Archiv, 1853, pag. 260 ff. (pag. 262). Weiter- hin werde ich auseinandersetzen, dass ich mich der Auffassung von A. Müller anschliesse, nach welcher der „Knorpelfaden“ des regene- rirten Urodelenschwanzes jüngerer Stadien eine echte Fortsetzung der Chorda ist. 434 D. Barfurth: nen Gründe, die er gegen die Chordanatur des „Knorpelstranges“ an- führt, einstweilen dahin gestellt, so ergiebt sich, dass derselbe mit einiger Zurückhaltung die Ansicht ausspricht, der Knorpelstrang stehe in keinem genetischen Zusammenhange mit der Chorda. Flesch war der erste, der über die Entwickelung des „Knorpelstabes* Untersuchungen anstellte. Er fand die erste Anlage des Stabes bei Siredonlarven von 25 mm Länge als klei- nen, dem Chordaende aufliegenden, aber durch die Chorda- seheide von ihm abgesetzten Zellhaufen. Bei älteren Larven war dieser Zellhaufen zu einem Strange ausgewachsen, der später in Hyalinknorpel übergeht und eine eigenthümliche Gruppen-Anordnung zeigt; letztere führt weiterhin zum „Auftreten von Wirbelsegmenten hinter dem Ende der Chorda“ (p. XXX). Flesceh erkannte dann später bei jüngeren Tritonlarven den- selben Entwiekelungsmodus des Chordaendes und weist in seiner kurzen, aber inhaltreichen Mittheilung darauf hin, dass bei Fischen ähnliche Verhältnisse vorkommen. „Auch bei diesen läuft viel- fach die Wirbelsäule in ein ungegliedertes, meist nach aufwärts gerichtetes Endstück aus. Auch hier reieht das Chordagewebe nieht immer bis an das Ende der Wirbelsäule, sondern wird, wie v. Kölliker u.a. für Polypterus gezeigt hat (Ueber das Ende der Wirbelsäule der Ganoiden und einiger Teleostier, Leipzig 1860) durch Hyalinknorpel ersetzt“ (p. XXX). Flesch zieht aus seinen Beobachtungen folgende Conse- quenzen: „Die besehriebene Endverlängerung der Wirbelsäule der ge- sehwänzten Amphibien geht aus Elementen hervor, die selbstän- dig sind, weder zu dem Chordagewebe, noch zu deren Scheiden, noch auch zu den beim Axolotl im der Nähe der Schwanzspitze zwischen deren Blättern nachweisbaren kleinen Zellen in Beziehung stehen. Der Endstab erscheint daher als eine selbständige Bil- dung, aus weleher sich wirkliche Wirbel abzugliedern vermögen. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass der Endstab nicht aus Chordagewebe besteht. Wenn man ihn aber auch zur Chorda zählen wollte, dann müsste man eine direete Abgliederung des Chordagewebes in Wirbel annehmen, eine Aufstellung, für welche bis jetzt analoge Beobachtungen in der hier besprochenen Wirbel- form nicht existiren“ (p. XXXID. Wie Flesch ist auch Fraisse!) 1) Fraisse, Zool. Anzeiger a. a. O. pag. 12. Zur Regeneration der Gewebe. 435 der Ansicht, dass der Knorpelstab der Chorda oder Chordascheide durchaus nicht angehört. ü Um in dieser Sache ein eigenes Urtheil zu gewinnen, habe ich den Knorpelstab in jungen Stadien bei Triton untersucht und kann mich, wenigstens in Bezug auf diesen Molch, den Ausfüh- rungen der genannten Autoren nicht anschliessen. Mir schien es nämlich, als wenn der „Knorpelstab“ ursprünglich doch mit der Chordazusammenhinge undzwarinder Weise, dassdieChorda- epithelzellen denselben bilden, dass also hier eine ähnliche Umwandlung in Knorpelzellen stattfindet, wie wir sie durch Gegen- baur!) bei der Bildung „des Chordaknorpels“ in der Chorda kennen gelernt haben und wie sie auch Götte?) an gewissen Stellen der Chorda fand. Die Art, wie sich der „Knorpelstab“ aus dem Chorda- epithel bildet, habe ich auf Taf. XXI, Fig. 23 dargestellt. Auf eine genauere Schilderung der Entwickelung des Knorpelstabes gehe ich aber nicht ein, weil ich dadurch zu weit von meinem Gegen- stand abgedrängt würde und weil ausserdem Herr Dr. V.Schmidt auf meine Veranlassung mit einer Untersuchung über diese Ent- wiekelung im hiesigen Institut beschäftigt ist. Es gibt also jedenfalls in der Entwickelung der Chorda bei den Urodelen drei Hauptphasen: 1. Ausbildung der Chorda dorsalis mit den bekannten grossen hyalinen Chordazellen. 2. An das caudale Ende der Chorda setzt sich ein knorpeliger Stab an, den ich Chordastab°) nennen will. 3. Die Chorda wird von der sich mächtig entwickelnden äus- seren Chordascheide, der skeletogenen Schicht, von Strecke zu Strecke eingeschnürt, und der Chordastab glie- dert sich in sich selbst. Diese Vorgänge leiten die Wirbel- bildung ein. 1) Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig, 1862, pag. 19 ff. 2) Götte, Die Entwickelungsgeschichte der Unke, pag. 365, pag. 401 ff. 3) Ich wähle die Bezeichnung „Chordastab“ statt des von H. Müller gebrauchten Ausdrucks „Knorpelstrang“ („knorpeliger End- stab“ bei Flesch, „Knorpelstab“ bei Fraisse), weil ich dem Gebilde eine andere Genese zuschreibe und durch dieses Wort die von allen Autoren anerkannte innige Verbindung mit der Chorda besser her- vorgehoben wird. 436 D. Barfurth: Ob in der letzten Phase das skeletogene Gewebe auch auf den Chordastab übergreift, muss durch weitere Untersuchungen entschieden werden. Aus meiner Darstellung ergiebt sich, dass ich den Chorda- stab nicht dem Leydig’schen „Knorpelfaden* im regenerirten Schwanz der Eideehsen!) („Knorpelrohr*, .Heinrich Müller), noch auch dem „Knorpelstrang* des regenerirten und normalen Tritonenschwanzes nach H. Müller?) homologisiren kann. Vom „Knorpelfaden* giebt Leydig an, „dass er jene Schichten und Theile in sich begreift, welche sonst aus der Scheide der Chorda ihren Ursprung nehmen“ (pag. 69), und Fraisse?) macht mit Vorbehalt die Annahme, „dass das Knorpelrohr homolog sei einer Bildung, die durch Verschmelzung der obern und untern Bögen mit Ausfall der Wirbelkörper zu Stande gekommen“ (pag. 107). Beide schliessen sich im Grossen und Ganzen der morphologi- schen Deutung an, die schon Gegenbaur*) dem Knorpelrohr gegeben hatte: „Das Knorpelrohr erscheint als nichts anderes, als ein neugebildetes, ungegliedertes Rückgrat, eine Hülle für das in der Fortsetzung des Rückenmarkes neugebildete Gewebe, entspricht somit einer Summe von Wirbelkörpern und oberen Bogenstücken“ (pag. 49). Ueber den regenerirten „Knorpelstrang“ sagt H. Müller, dass er als „Aequivalent des Stranges von äusserer skeletbil- dender Substanz“ betrachtet werden müsse, welcher aussen an der Chorda liegt. Hiernach wäre der „Knorpelstrang“ ein De- rivat der skeletogenen Schieht und hätte mit der Chorda gar nichts zu thun. Später macht H. Müller aber folgende Con- cession: „Allenfalls kann man die Sache so ansehen, dass der neue Knorpelfaden das Aequivalent der Chorda sammt äusserem Beleg ist, welche in dem reprodueirten Theil der Wirbelsäule unter wesentlich anderen Verhältnissen nicht zur Differenzirung gekommen ist“ (pag. 21). Ich habe in diesem Citat die Worte, auf die es ankommt, gesperrt. Die Ansicht Fraisse’s 1) Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen, 1872. 2) H. Müller, a. a. O. pag. 8. 3) Fraisse, Die Regeneration ete. a. a. O. pag. 107. 4) Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien ete., pag. 49. Zur Regeneration der Gewebe. 437 über den regenerirten „Knorpelstab“ werde ich später bei Be- sprechung meiner Versuche im Zusammenhang mit meiner eigenen Anschauung erörtern. Hier will ich aber noch des „Chordastäbehens“ (Braun) gedenken, welches zuerst E. Rosenberg!) bei menschlichen Embryonen fand, nachher von Braun?) an der Schwanzspitze von Säugern und Vögeln nachgewiesen wurde. Es entspricht nach meiner Auffassung morphologisch dem „Chordastab“ der Urodelen. Nach diesen Vorbemerkungen schildere ich nunmehr meine Versuche über die Regeneration der Chorda bei den Urodelen. Es wird sich dabei herausstellen, dass ich nach genauerer Unter- suchung des normalen Chordaendes und nach Anstellung umfang- reicherer Versuche meine früber mitgetheilten Anschauungen (Anat. Anzeiger, 1888, pag. 403 ff.) bedeutend modifieirt habe. Ich halte es für richtig, auch hier, wie bei Besprechung der Epithelregeneration, über meine Versuche zuerst historisch zu be- richten und nachher meine Folgerungen aus den Beobachtungen übersichtlich zusammenzustellen. Die ersten Versuche machte ich an Larven von Triton eristatus, die frei in der Natur aufgewachsen, gross und kräftig waren; ihre Länge betrug 4—6 em. Am sechsten Tage nach Amputation der Schwanzspitze wurde eine Larve in Flemming- scher Mischung abgetödtet und das regenerirte Stück, welches bei 17° C. 3,2 mm lang geworden war, in Verbindung mit einem etwa ebenso langen Stück des persistirenden Schwanzstückes in sagittaler Richtung mikrotomirt. Ich beschreibe den Regenera- tionsbefund an einem Schnitte, der nahezu ein Medianschnitt war. Das regenerirte Rückenmark (Tafel XXII, Fig. 17) liegt in der Mitte, unter demselben hat der Schnitt einen Wirbel- körper, über demselben emen oberen Bogen getroffen. Im ver- schmächtigten Theile des Körpers liegt der Gegenbaur’sche Chordaknorpel, an den sich nach der Schnittgrenze zu die Chorda 1) E. Rosenberg, Ueber die Entwickelung der Wirbelsäule und das Centrale carpi des Menschen. Morphol. Jahrb., 1. Bd., 1876, pag. 83 ff. (pag. 124 ff., Tafel III, Fig. 2, 4, 10). 2) Braun, Aus der Entwicklungsgeschichte der Papageien. IV, pag. 174. Verhandl. der physie.-med. Gesellschaft in Würzburg. Neue F. 15. Bd., 1881. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 29 438 DB arkumitih® anschliesst. Die Chorda verbreitert sich etwas nach unten zu, und an dieser Stelle liegt nun die erste Regenerationszene des Knorpel- stabes. Man bemerkt hier an den seitlich von der Chorda ge- legenen Geweben eine lebhafte Bildung spindelartiger Zellen, die so gekrümmt sind, dass ihre convexe Seite nach unten, die con- cave nach oben zu gerichtet ist; auf diese Weise entsteht eine zwiebelschalenartige Kappe, die dem angeschnittenen Wirbel- körper aufsitzt. Der mittlere Theil dieser Kappe hängt in ziem- licher Ausdehnung sehr enge mit dem Chordarest zusam- men, und hier sehe ich nun sehr deutlich, dass vom untersten Ende der Chorda her eine grosse Zahl junger proto- plasmatischer Zellen sich mit den von der Seite her nach unten zu proliferirenden Elementen verbindet. Dass diese Zellen echte junge„Chordazellen sind, ist mir un- zweifelhaft. Sie liegen nicht nur den alten grossen hellen Chorda- zellen ganz dieht an, sondern manchmal gar zwischen ihnen. Es scheint also, dass auch hier in der Chorda einzelne den Zellen des Chordaepithels gleichwerthige Zellen zurückbleiben und nach dem durch die Verwundung gesetzten Reiz zur Proli- feration gelangen. Die junge Brut betheiligt sich demgemäss an der Bildung der ersten Regenerationskappe und weiterhin des Knorpelstabes; in letzterem würden also auch die Elemente der Chorda vertreten sein, und dadurch gewinnt die Anschauung von der „Chordaähnliehkeit“ des Knorpelstabes!) noch eime genealo- gische Grundlage. Zu verwundern ist es ja durchaus nicht, dass an der Bildung des Knorpelstabes, der den Ersatz der ganzen Wirbelsäule darstellt, auch die noch vorhandene jugendliche Chorda theilnimmt. Ich habe ferner Larven und erwachsene Individuen von Triton taeniatus auf den regenerirten Knorpelstab untersucht und denselben so gefunden, wie er von H. Müller und Fraisse be- schrieben wurde. Bei einer Larve, deren Schwanzspitze 12 Tage lang bei 20° C. regenerirt war, fand ich den Knorpelstab in Gliederung begriffen; es liessen sich sechs Segmente erkennen. 1) Leydig, Lehrbuch der Histologie, pag. 62 u. Die in Deutsch- land lebenden Arten der Saurier, pag. 64. Leydig meint von dem regenerirten Knorpelfaden der Eidechsen mit Recht, er „behalte etwas Chordaähnliches und sei in gewissem Sinne auch Chorda“. Zur Regeneration der Gewebe. 459 Der Knorpelstab eimes erwachsenen T. taeniatus weist nach 20 Tagen (15° C.) noch keine deutliche Gliederung auf. Es ist dies ein Beweis dafür, dass erwachsene Thiere langsamer regeneriren als jugendliche und dass die höhere Temperatur die Regeneration beschleunigt. Um nun eine Regeneration des eigentlichen Chordagewebes zu erzielen, amputirte ich ganz junge, eben erst ausgeschlüpfte Larven von Triton taeniatus, die im anatomischen Institut zu Göttingen gezüchtet waren. Die Thiere waren, wie die von Fraisse!) benutzten, 6—10 mm lang. Der Erfolg entsprach in- sofern nicht meinen Erwartungen, als nicht der „Gallertkörper“ der Chorda mit seinen grossen hyalinen Zellen, sondern wieder ein stabähnliches Gebilde („Knorpelstab“, Fraisse) regenerirt wurde. Ich stimme also Fraisse in der Beobachtung ganz bei, nicht aber in der Deutung. Fraisse leitet die Regeneration seines Knorpelstabes auch bei diesen jungen Larven vom skeleto- genen Gewebe ab und kommt desshalb folgerichtig zu dem Schluss, dass die Chorda sich „überhaupt nur bei den Anuren regene- rirt, und zwar bei den Larven derselben; auch bei den jüngsten Urodelenlarven, die ich zu diesem Zwecke amputirte, konnte ich niemals eine Regeneration der Chorda constatiren* (pag. 93). Dass Fraisse das Verhalten der Chordazellen bei der Regene- ration schr gewissenhaft geprüft hat, ergiebt sieh aus dem fol- genden Satze: „Allerdings sitzt bei diesen kleinen Larven . der neugebildete axiale Stab nicht so kappenartig den letzten Chordazellen, die unverletzt geblieben sind, auf, wie das bei den älteren Larven und den erwachsenen Thieren der Fall ist, son- dern es scheint sogar mitunter, als ob die Elemente der Chordazellen direet in den regenerirten Knorpel- stab übergingen“ (pag. 95). Den gesperrten Druck der letzten Zeilen habe ich veranlasst, um die Wichtigkeit derselben hervor- zuheben. Ich bin nun nicht der Meinung, dass die ausgebildeten hyalinen Chordazellen sich etwa in embryonale protoplasmatische Zellen umwandeln und auf diese Weise direet in den Knorpel- stab übergehen, sondern ich leite die Regeneration hier, wie bei den Urodelen und überall in der Chorda, vom Chordaepithel ab. Wie das geschieht, habe ich in Fig. 23b, IN Erarsıee), 2.2.,0.Pag293. 440 D. Barfurth: Tafel XXIII zu veranschaulichen gesucht. So wie ım normalen Schwanzende die Zellen des Chordaepithels den Chordastab da- durch erzeugen, dass sie sich nicht mehr in hyaline Chorda- zellen, sondern allmählich in Knorpelzellen umwandeln, genau so geschieht die Bildung des regenerirten Chordastabes. Die proto- plasmatischen Chordaepithelien (che) proliferiren unter Bildung von Mitosen und legen sich kappenförmig um das abgeschnittene Chordaende. Sie bilden dabei nach aussen eine nicht immer deutliche Begrenzung, das Homologon der inneren Chordascheide (ich). Die Zellen selber bekommen später eine sehr deutliche Zellmembran (zm) und die Zwischensubstanz wird copiöser; eine Umwandlung in eigentliches Knorpelgewebe war aber bei diesem Thier (Triton taeniatus, Larve, 0,58cm lang, Vorderglieder vor- handen, sechs Tage bei 20° C. regenerirt) noch nicht nachzu- weisen. Nach der Schwanzspitze zu werden die Zellen wieder protoplasmatisch und verlieren sich zuletzt in das anstossende Bindegewebe. Es sei noch hervorgehoben, dass ich eine Bethei- ligung des skeletogenen Gewebes bei der Regeneration des Chorda- stabes deshalb ablehnen muss, weil die Chorda noch ganz frei liegt, ohne Umhüllung der äusseren Chordascheide. Aus diesen Versuchen hatte sich ergeben, dass das eigent- liche Chordagewebe (Gallertkörper) nicht regenerirt wurde, dass vielmehr sogleich der Chordastab hergestellt wurde. Da nun unter den Urodelen die Salamandrinen sich verhältnissmässig schnell zu Landthieren umwandeln, beschloss ich, weitere Ver- suche über die Regeneration der Chorda an einem sich lang- samer entwickelnden Perennibranchiaten anzustellen. Dazu eig- nete sich Siredon vortrefflich. Versuche an jungen, im hiesigen vergleichend-anatomischen Institut gezüchteten Larven wurden von mir im Laufe des letzten Sommers in grosser Zahl ange- stelit und hatten durchweg das interessante Ergebniss, dass bei ganz jungen, noch im Ei oder gleich nach dem Ausschlüpfen operirten Thieren sich zunächst eine Partie echter hyaliner Chordazellen und dann erst im Anschluss an diese der Chordastab regenerirt. Die im Ei operirten Thiere waren etwa 7mm lang und be- kundeten durch zeitweilige energische Schwanzschläge, dass sie beinahe zum Ausschlüpfen reif waren. Die Schwanzspitze wurde im Ei mit einer feinen Scheere abgeschnitten; zuweilen blieb ein Zur Regeneration der Gewebe. 441 Rest des angeschnittenen Eies und seiner Hüllen!) noch kurze Zeit am Thiere sitzen, in der Regel wurde es ganz frei, lebte aber auch dann ganz munter weiter. Die ausgeschlüpften Thiere, die ich operirte, waren bis zu ll mm lang. Alle operirten Larven wurden isolirt und in reinem Quellwasser gehalten. Ob- gleich die Larven auch nach dem Ausschlüpfen ja noch längere Zeit keine Nahrung zu sich nehmen können und auf die Resorption der in den Zellen massenhaft aufgespeicherten Dotterschollen angewiesen sind, regeneriren sie in 1—2 Wochen die abge- schnittene Sehwanzspitze bis zu ea.1,5 mm Länge. Den Thieren wurde dann nach 3, 5, 6 ete. Tagen die Schwanzspitze (also das Regenerationsstück mit einem kurzen Stück des persistirenden Schwanzes) abgeschnitten, fixirt, gefärbt und sagittal oder frontal mikrotomirt. Da es mir hierbei auf feinere histogenetische Stu- dien ankam, fertigte ich Schnittserien von 7,5u an. Um nieht weitläufig zu werden, bespreche ich nur zwei Präparate ausführlicher. . Das erste Präparat stammte von einer im Ei amputirten Larve, deren Schwanzspitze dann 7 Tage lang bei 18° C. rege- nerirt war. Das abgeschnittene Schwanzende wurde in Chrom- essigsäure fixirt und mit Borax-Carmin gefärbt. Die regenerirte Chorda eines Schnittes der angefertigten Serie wurde mit der Ca- mera lueida, Leitz Obj. 7, Oc. 1 in Fig. 29, Tafel XXIV ge- zeichnet. Die Schnittgrenze liegt bei g, wie sich aus dem Ver- halten der Chordazellen und der nebenan liegenden quergestreiften Muskulatur (die in der Zeichnung nicht berücksichtigt wurde) mit Sicherheit schliessen liess. Man sieht die grossen hyalinen Zellen der persistirenden Chorda bei pch; Chordaepithelzellen liegen an der Innenseite der inneren Chordascheide is bei che. Neugebildete Chordazellen liegen in der ersten Regenerations- zone bei rch. Im Anfangstheil dieser Zone finden sich merk- würdiger Weise noch einige Dotterkörper K; sie waren in diesem Schnitt zufällig nicht vorhanden, sind aber aus dem drittfolgenden 1) Oscar Schultze, Untersuchungen über die Reifung und Be- fruchtung des Amphibieneies, Zeitschrift für wiss. Zool., 45. Bd., pag. 177 ff, gab neuerdings eine sorgfältige Beschreibung (pag. 212) und Zeichnung derselben am Amphibienei (Rana) nach der Befruchtung Tafel XIH, Fig. 42. Ueber die Dotterkörper, die eine kugel-, schlecht würfelförmige oder eiförmige Gestalt haben, handelt pag. 190 ff, 449 - D. Barfurth: Sehnitt der Serie hier eingetragen. In anderen, auch noch länger regenerirten Präparaten fanden sich die Dotterkörper noch in grossen Mengen an derselben Stelle. Ich war zuerst der Mei- nung, es handle sich hier vielleicht um Tröpfehen von Muein, fand aber bald genau dieselben Körper noch sporadisch in anderen Zellen desselben Präparats und stellte durch Vergleich mit un- zweifelhaften Dotterkörpern in embryonalen Zellen die Identität fest. Sie färben sich mit Hämatoxylin und Borax-Carmin (schwächer). Dass wir nun in der Zone rc h echte regenerirte Chorda- zellen vor uns haben, zeigt ein Blick auf die Zeichnung. Das Charakteristische dieser Zellen, die allmähliche Verdrän- gung oder Umwandlung des Protoplasma dureh Bil- dung einer hyalinen Substanz, finden wir in ausgesproche- nem Maasse. Dabei sieht man deutlich, dass das Protoplasma hier und da noch in grösserer Menge vorhanden ist, als m den persistirenden Zellen. Die hyalinen Tropfen aber haben sich, wie in den persistirenden Chordazellen, mit einer sehr deutlichen Membran umgeben, und da sie noch nicht überall die ganze Zelle erfüllen, so werden die Zellgrenzen selber an vielen Stellen zweifelhaft. Die Eigenthümlichkeit der hyalinen Substanz, eine feste Membran zu bilden, erklärt nun eine Erscheinung an dem regenerirten Chordastab älterer Larven, wie sie in Fig. 23b, Tafel XXIII dargestellt ist. Da diese Mem- branen natürlich da aufhören, wo die hyaline Substanz aufhört, so sieht es so aus, als überzöge an der Schnittgrenze g die innere Chordascheide den Amputationsstumpf. Wäre das der Fall, so hätten Flesch und Fraisse Recht, wenn sie angeben, dass der „Knorpelstab“ in keinem genetischen Zu- sammenhang mit der .Chorda stünde. Gerade aber das Studium dieser Regenerationsstadien von Siredon beweist, dass dies eine Täuschung ist. Die Membran, die den Amputationskegel überzieht, ist nur die Gesammtheit der Membranen, die die hyaline Substanz einschliessen, ist aber nicht gleichwerthig der innern Chordascheide; diese zieht vielmehr aussen um den Regenerationskegel weiter. Sie folgt den neugebildeten Chordazellen, weil sie ein Produkt derselben ist und hört in Folge dessen am peripheren Theil des Regenerationskegels auf, weil hier die Zellen noch durchweg protoplasmatisch sind. wer = WET RE A 12} Zur Regeneration der Gewebe. 443 Auf die Zone der regenerirten hellen Chordazellen folgt eine Zone von Zellen, die mit deutlichen Membranen versehen sind (zm), in denen aber die Bildung hyaliner Substanz abnimmt. Zuletzt werden die Zellen, wie schon erwähnt, ganz protoplasma- tisch, haben keine Membran und nicht einmal deutliche Proto- plasmagrenzen mehr. Sie stossen dann an das caudale Binde- gewebe und sind zuletzt von den Zellen desselben mit Trocken- linsen gar. nicht, mit Immersionslinsen aber meist gut zu unter- scheiden. Zum Sehluss beschreibe ich noch ein weiter vorgeschritte- nes Stadium, an dem in mehrfacher Hinsicht etwas neues zu sehen war. Das Thier war nach dem Ausschlüpfen amputirt, die Schwanzspitze war 14 Tage bei 18°C. regenerirt. Das Prä- parat war fixirt mit Chromessigsäure, gefärbt mit Hämatoxylin; Sehnittdieke 7,5u. Man sieht in der ersten Regenerationszone Junge Chordazellen, die ganz hyalin geworden sind, wie die per- sistirenden, aber nur etwa halb so gross sind. Darauf folgt eine Zone von Zellen mit sehr scharf begrenzter Membran, in denen nur hier und da noch hyaline Substanz sich findet. Einige die- ser Zellen zeigen nun sehr deutlich in ihrem Umkreise diejenigen Veränderungen, die wir durch Born!) und Strasser?) bei der Bildung des jungen Knorpels kennen gelernt haben und die auch von Fraisse?°) bei der Entwickelung des Knorpelstabes von Pleurodeles Waltlii beobachtet wurden. Der Kerm ist gross, wie gewöhnlich im Chordastabe in der Richtung der Längsachse etwas abgeplattet. Um ihn findet sich ein leicht granulirtes Pro- toplasma, welches sich durch seine hellere Farbe scharf von einer äusserst fein concentrisch geschichteten Zwischensubstanz (Inter- cellularsubstanz) abhebt: letztere ist durch Hämatoxylin zart blau gefärbt und geht an einer Seite in ein dunkleres fast spindel- förmiges Gebilde über. Diese zart geschichtete Zwischensubstanz entspricht nach meiner Auffassung dem primären Alveolen- 1) G. Born, Zum Carpus und Tarsus der Saurier. Morphol. Jahrb., 2. Bd., pag. 1 ff. (pag. 20). 2) Strasser, Zur Entwickelung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen. Morphol. Jahrb., 5. Bd., pag. 240 ff. 3) Fraisse, Beitr. zur Anatomie von Pleurodeles Waltlii, Disser- tation. Würzburg, 1880, pag. 23, 24. 444 D. Barfurth: werk Strasser’s (p. 248) und geht gelegentlich in die dunkeln prochondralen Elemente über: (p. 254). Während hier schon die ersten Anfänge der Knorpelbildung zu sehen sind, findet man peripher nur die schon vorhin beschrie- benen Zellen mit deutlichen Membranen, denen noch weiter peri- pher die ebenso schon erwähnten protoplasmatischen Zellen folgen. Nach einer 14tägigen Regeneration wird also bei genauer histo- genetischer Untersuchung des jungen Chordakegels folgendes klar: Die durch Proliferation der Chordaepithelien zunächst entstehenden protoplasmatischeu Zellen haben in der ersten Zeit noch die Fähigkeit sich dureh Bildung hyalinen Inhalts in gewöhnliche Chordazellen zu ver- wandeln; bald aber geht ihnen diese Fähigkeit ver- loren, sie bilden Knorpelsubstanz und werden selber zu Knorpelzellen. Nach dem Vorgange von Roux versuchen wir neuerdings Umbildungen dieser Art vom Standpunkte der Entwicklungs- mechanik aus zu durchleuchten. Das ist nun gerade für den Knorpel in vortrefflliceher Weise schon von Strasser geschehen und ich wüsste für mein Objeet seinen Ausführungen kaum etwas zuzusetzen. Es scheint, dass bei den Schwimmbewegungen des Schwanzes Druck und Zug eigenthümliche Reaetionen der Gewebe erzwingen. Bei den Anuren, deren Chorda durchweg bis zur äussersten Spitze aus hyalinen Zellen besteht, wird die grössere Widerstandsfähigkeit durch eine sehr starke Verdiekung der Chordascheiden herbeigeführt. Das Analogon dieser Ver- diekung liefert bei den Urodelen die skeletogene Sehieht durch die eigentliche Skeletbildung. Da diese aber in den Jüngsten Entwicklungsstadien und besondersam periphersten Theile der Chorda noch nicht vor- handen ist, so tritt eine Art Selbsthülfe des“ Chorda- gewebes in der Weise ein, dass statt der weniger resistenten hyalinen Zellen Knorpelgewebe gebildet wird. Ich sehe also mit Fraisse in dem Chorda- und Knorpelstabe eine funetionelle Anpassung, erkläre mir aber das Zustandekommen derselben in anderer Weise ). 1) Fraisse, Die Regeneration etc. a.a. O0. pag. 104: „Dagegen beruht die Bildung des Knorpelstabes aber selbst allerdings auf einer Zur Regeneration der Gewebe. 445 Aus meinen Mittheilungen ergeben sich folgende Schlüsse : 1) Die Chorda regenerirt sieh nicht nur bei anuren, sondern auch bei urodelen Amphibien. 2) Die Umwandlung der neugebildeten Chordazellen in grosse hyaline Zellen geschieht nur bei sehr jungen Individuen (Siredon) und auch hier nur in den ersten Stadien der Re- generation. Später wandeln sie sich zum „Chordastab“ um. 3) Etwas ältere Larven von Siredon und wie es scheint von Triton schon die jüngsten Larven regeneriren den Chordastab, der dem echten Chordagewebe isogene- tisch ist. 4) Noch ältere Larven, bei denen das skeletogene Ge- webe um die Chorda sehon überall entwickelt ist, regene- riren aus skeletogenem und Chordagewebe (Chordaepithel) den „Knorpelstab* (H. Müller, Fraisse). 5) Es ergiebt sich also für die Regeneration der Chorda und des Skelets (Knorpelstab) das einfache Gesetz, dass die Art der Regeneration durchaus abhängig ist vom jeweiligen Entwieklungsstadium des Stützapparats (Chorda und skeletogenes Gewebe). Anhangsweise will ich hier noch auf die verschiedene Schnelligkeit in der Regeneration des Rückenmarks und des Stützapparats hinweisen. Wie früher schon bemerkt wurde, ist in den ersten Tagen das Rückenmark der Chorda resp. demKnorpelstab etwasvoraus. Bei den Anuren wächst dann aber etwa vom 4. Tage an die Chorda schneller und holt das Rückenmark ein. Etwa vom 5.—9. Tage finde ich beide Organe gleich lang, beide gehen bis dieht an die Haut heran. Dann aber beginnt die Chorda das Rückenmark zu über- holen oder, was auf dasselbe hinauskommt, das Rückenmark wächst langsamer: an zahlreichen Präparaten vom 12. Tage functionellen Anpassung, denn es kann constatirt werden, wie ich das auch an anderen Orten erwähnt habe, dass eine Turgescenz des ganzen Schwanzendes zu bestimmten Zeiten, und zwar zur Brunstperiode der Urodelen eintritt und dass höchst wahrscheinlich dann beim Landauf- enthalt der Thiere wiederum eine, wenn auch geringe, Reduction der so gebildeten Wirbel stattfindet.“ 446 D. Barfurth: (R. eseulenta, regenerirt bei 17°C., Regenerationsstück 5,5 mm) ragt die Chorda beträchtlich weiter nach dem Schwanzende vor, als das Rückenmark. Noch viel auffallender ist das Verhältniss bei den Urodelen, deren Knorpelstab sich auch in dieser Be- ziehung ähnlich verhält wie die Chorda der Anuren. Hier hat das Rückenmark einen Vorsprung, der sich viel länger geltend macht, als bei den Froscehlarven. An einer Querschnittsserie von Triton eristatus (6. Tag der Regeneration, 17°C.) ragt das Rückenmark bis zum 36. Schnitt = 0,54 mm vom Schwanzende vor, der Knorpelstab (50. Schnitt) bei 0,75 mm, der obere Wir- belbogen und die Muskulatur (81. Schnitt) bis 1,22mm vom Schwanzende. Zum Vergleich damit habe ich eine Querschnitts- serie dureh das normale Schwanzende einer gleichaltrigen Larve von Triton eristatus angefertigt. Hier fand sich das Ende des Knorpelstabes und der obere Wirbelbogen schon im 6., das Rücken- mark im 10. Schnitt. Bei der Regeneration hat das Rückenmark noch am 8. Tage einen kleinen Vorsprung, dann wird es vom Knorpelstab eingeholt und endlich überholt. Es wachsen also hier wie bei den Anuren Chorda und Rückenmark in Folge ungleich schneller Regeneration an einander vorbei. 4. Bindegewebe, Cutis und Gefässe. Fast gleichzeitig mit der Chorda beginnt die Gruppe der Bindesubstanzen ihre Regeneration. Zwei so enge zusammenhän- gende Gewebe, wie Epidermis und Cutis, werden nicht gleich- zeitig, sondern nach einander regenerirt: die Epidermis viel früher als die Cutis N). Wenn in der Chorda dorsalis (2. und 3. Tag) die Vermeh- rung der Chordaepithelzellen und ihre Anhäufung Zwischen dem Ende der Chordascheide und dem nach innen zu liegenden alten Chordagewebe (Fig. 22 ce) begonnen hat, zeigen sich auch im Bindegewebe schon Regenerationserscheinungen. An einer Serie von Sagittalschnitten einer Larve von R. eseulenta finde ich am 3. Tage (17°C.) die ersten Mitosen in fixen Binde- gsewebzellen, sehr bald werden diese überaus zahlreich. Die neugebildeten Zellen sind zuerst protoplasmatisch (Fig. 25 mb); 1) Fraisse, a. a. O. pag. 71. Zur Regeneration der Gewebe. 447 später wächst das Protoplasma nach einer oder mehreren Seiten aus und bildet die Fibrillen. Näheres darüber hat Fraisse mit- getheilt (p. 78). Das regenerirte Bindegewebe ist ausserordentlich reich an Kernen; ausserdem findet man sehr viele Wanderzellen (Körnehenzellen) und Pigmentzellen. Nach 5 Tagen ist bei Frosch- larven die bindegewebige Grundlage des Schwanzes am äussersten Ende ganz so regenerirt, wie wir sie nach den Untersuchungen vonLeydig, Hensen, Eberth u.a. im normalen Schwanze finden. | Die erste Anlage der Cutis ist regenerativ wie embryonal „zuerst ein homogenes dünnes Häutchen (Remak), welches dann mit dem Diekerwerden ganz und gar in feine Fibrillen zerfällt“ }). Dieses Häutchen ist stark liehtbreehend und liegt in den ersten Stadien der Regeneration der untersten Zellenschicht der Epider- mis so dieht an, dass ich wohl verstehen kann, wie Hatschek ?) zu der Ansicht kam, es sei „eine von der Epidermis ausgesehiedene Basalmembran“. Ich bin indessen der Meinung, die auch Hat- schek als diseutabel gelten lässt, dass wir hier die äusserste Schicht der Cutis ®) vor uns haben. Diese Cutislamelle sehe ich 1) Kölliker, Histologische Studien an Batrachierlarven. Zeit- schrift für wiss. Zool., 43. Bd., pag.1 ff. (pag. 15). 2) Hatschek, Ueber den Schichtenbau von Amphioxus. Ana- tomischer Anzeiger, 1888, pag. 662 ff. (pag. 666). Hatschek’s Ansicht erinnert an eine ähnliche Anschauung Hensen’s, nach welcher die gallertige Substanz zwischen den Epidermisplatten des embryonalen Froschlarvenschwanzes „von der Epidermis ausgeschieden werde“. — Hensen, Ueber die Entwickelung des Gewebes und der Nerven im Schwanze der Froschlarve. Virchow’s Archiv, 31. Bd., 1864, pag. 51 ff. (pag. 54). 3) Diese Ansicht wurde zuerst von Remak ausgesprochen: Die erwähnte gallertige Substanz „verdichtet sich unterhalb der zelligen leicht ablösbaren Oberhaut zu einer festen glashellen Membran“. Unter- suchungen über die Entwickelung der Wirbelthiere. Berlin, 1855, pag. 152. Hensen gab zu, dass eine dichtere Schicht sich auf der Oberfläche des Schwanzes findet, glaubte aber nicht, dass dieselbe als eine besondere Membran aufzufassen sei. Hensen, Virchow’s Archiv, a. a. O. pag.55. Später stimmte er dann Eberth zu, der den Nachweis geführt hatte, dass in späteren Entwickelungs- stadien die Cutislamella allerdings zu einer besonderen Membran werde Hensen, dieses Archiv, 4.Bd., pag. 111 ff. (pag. 114). — Eberth, dieses Archiv, 2. Bd., pag. 490 ff. — Siehe feımer Fraisse, a. a. O. pag. 76. 448 DaB arkunrdh: “ am deutlichsten an den Larven von Rana und etwas ältern Uro- delenlarven; bei den im Ei oder gleich nach dem Ausschlüpfen amputirten Siredonlarven ist sie äusserst schwach entwickelt und vielfach schwer zu sehen, weil sich fast gleichzeitig mit ihr eine Pigmentschicht entwickelt (Fig. 27, Taf. XXIV p). Die neue Cutislamelle setzt sich, wie ich an einem Präparat von R. eseulenta (3 Tage bei 16 ° regenerirt) deutlich sehe, ganz genau an die persistirende an; letztere ist an dem Präparat etwa dreimal mächtiger, als die regenerirte. Trotzdem ist wohl ein genetischer Zusammenhang zwischen beiden nicht anzunehmen, da das feine Häutchen der jungen Cutis mit der Entwickelung des Bindegewebes zwischen den Epidermisplatten gleichen Schritt hält und — nach meiner Ansicht — als Verdichtungsschicht der Bindegewebsfasern resp. „der gallertigen Substanz“ an der Epider- mis aufzufassen ist. Was die Regeneration der Gefässe anbetrifft, so habe ich den Angaben Fraisse’s kaum etwas zuzufügen. Ich habe mich damit begnügt die Regeneration der Capillaren zu studiren und finde diese so verlaufen, wie wir durch die Un- tersuchungen von Arnold, Ziegler, Rouget, Mayer, Bobritzki, Fraisse, Kölliker!) ete. wissen. Nur m einem, allerdings nicht unwesentlichen Punkte, weiche ich von Fraisse ab. Fraisse findet bei dem Vorgange keine Mitosen, ich finde sie. Ich will ganz kurz einige Beobachtungen schildern. Das Präparat stammt von einer Siredonlarve, die bald nach dem Ausschlüpfen amputirt war und dann 12 Tage bei 18°C. regene- rirt hatte. Zwischen zwei Capillarschlingen hat sich eine Ana- stomose gebildet, die von der einen Capillare aus schon bis zu zwei Drittel canalisirt ist und in diesem Theil zwei rothe Blut- körperchen enthält; das letzte mit der andern Capillare verbundene Drittel ist noch durchaus solide und ist nichts anderes als das langausgezogene Protoplasma einer Zelle, deren Kern in mito- tischer Theilung begriffen ist. Während dieser Kern schon in der jüngsten Capillare liegt, seine Herkunft vom Endothel der Muttercapillare also nicht direet sichtbar ist, sehe ich an einer andern Siredonlarve, die 10 Tage bei 18°C. regenerirt hatte, 1) Die Literatur ist bei Fraisse, pag. 134 ff. und bei Kölliker (Histologische Studien an Batrachierlarven a. a. O. pag. 34 ff.) eitirt. Zur Regeneration der Gewebe. 449 eine in Karyokinese begriffene Zelle in der Wand einer Capillare liegen und von ihr den jungen protoplasmatischen Spross direet ausgehen. Ich ziehe aus diesen Beobachtungen den Schluss, dass Binde- gewebe, Cutis und Gefässe sich vom entsprechenden restirenden Gewebe auf dem Wege der mitotischen Kerntheilung regeneriren. Der Zeit nach kommt erst das Bindegewebe an sich, dann Cutis, zuletzt Gefässe. 5. Quergestreifte Muskulatur. Am spätesten von allen Geweben!) des Amphibienschwanzes (mit Ausnahme des peripheren Nervensystems) regeneriren sich die quergestreiften Muskelfasern. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass auch die Elemente, aus denen sie entstehen, am späte- sten auftreten; diese, die jungen Muskelzellen, sind schon längst vorhanden, bevor die Differenzirung derselben zu quergestreiften Muskelfasern nachweisbar ist. Die Art der Regeneration dieses Gewebes setzt nach allen Erfahrungen der Untersuchung die grössten Schwierigkeiten ent- gegen. Dem entsprechend giebt es nächst dem Epithel wohl kein Gewebe, dessen Regeneration so oft untersucht und besehrie- ben ?) wurde, wie die der quergestreiften Muskulatur. Diese zahl- reichen Untersuchungen haben immerhin schon manche der vielen strittigen Punkte erledigt. So kann es nach den neuesten Unter- 1) Ich bestätige damit die Angaben Fraisse’s, pag. 128. „Immer ist doch ein gutes Stück des Schwanzes regenerirt, welches Epithel, Bindegewebe, Blutgefässe und Knorpel enthält, ehe einmal die Mus- kulatur zur Proliferation sich anschickt.“ 2) Literaturangaben findet man bei Fraisse, pag. 129 ff. — Zaborowski, Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der quergestreiften Muskeln. Dissertation (unter Leitung von Zahn in Genf ausgeführt). Leipzig, 1889. — Nauwerck, Ueber Muskel- regeneration nach Verletzungen. Jena, 1890. — Felix, Ueber Wachs- thum der quergestreiften Muskulatur nach Beobachtungen am Men- schen. Zeitschrift für wiss. Zoologie, 48. Bd., pag. 224 ff. (pag. 226 ff.). 450 D. Barfurth: suchungen von Fraisse, Leven!), Steudel?), Zaborowski und Nauwerck als sicher gelten, dass die Bildung der jungen Muskelfasern nicht von weissen Blutkörperchen (Maslowsky, Erbkam), nicht von Bindegewebszellen (von Wittich, Zenker, Waldeyer), auch nicht von präexistirendem Muskelgewebe und Bindegewebszellen (C. OÖ. Weber, ©. E. E. Hoffmann, Doze)?), sondern ganz allein vom präexistirenden Muskelgewebe ausgeht. Hier stehen aber zwei Theorien einander gegenüber. Nach der einen, die besonders von C.O. Weber ®), C.E. E. Hoff- mann?) und P. Kraske‘) vertreten wird, lösen sich die alten Muskelfasern gewissermaassen erst in ihre Elemente, die Muskel- körperchen, Sarcoblasten, auf; diese vermehren sich und ent- wickeln sich zu jungen Muskelfasern (Sarcoblastentheorie); nach der andern, hauptsächlich durch Neumann’) und Nauwerck) 1) Leven, Experimentelle Untersuchungen über die Regenera- tion der quergestreiften Muskelfasern unter besonderer Berücksichti- gung der Karyokinese. Dissertation. Halle, 1887, und: Deutsches Archiv für klin. Mediein, 43. Bd., 1888. 2) Steudel, Zur Kenntniss der Regeneration der quergestreiften Muskulatur. Dissertation. Tübingen, 1887. 3) Zaborowsky (a. a. OÖ. pag.”) zählt zu den Autoren dieser Anschauung auch Neumann (Ueber den Heilungsprocess nach Mus- kelverletzungen. Dieses Archiv, 4. Bd., pag. 323 ff). „In gleicher Weise nimmt auch Neumann (8.330) neben der Neubildung aus Muskelknospen die Möglichkeit einer solchen aus den zelligen Ele- menten des Perimysiums an.“ Ich möchte dazu bemerken, dass Neu- mann jedenfalls für seine Person die Neubildung aus Bindegewebs- zellen abweist. Er giebt nur zu, dass viele muskulöse Elemente in der Narbe „zur Beobachtung kommen, von denen es zweifelhaft sein muss, ob sie durch die Präparation aus ihrer Verbindung mit den alten Fasern abgelöst sind, oder ob sie ursprünglich keinen Zusammen- hang mit diesen hatten“. 4) C.O. Weber, Ueber die Neubildung quergestreifter Muskel- fasern, insbesondere die regenerative Neubildung derselben nach Ver- letzungen. Virchow’s Archiv, 39. Bd., pag. 216 ff. 5) C. E. E. Hoffmann, Ueber die Neubildung quergestreifter Muskelfasern, insbesondere beim Typhus abdominalis. Virchow'’s Archiv, 40. Bd., pag. 505 ff. 6) P. Kraske, Experimentelle Untersuchungen über die Rege- neration der quergestreiften Muskeln. Habilitationsschrift. Halle, 1878. 7) Neumann, Ueber den Heilungsprocess nach Muskelver- letzungen. Dieses Archiv, 4. Bd., 1868. 8) Nauwerck, a.a. OÖ. Ich hebe oben bloss das wesent- Zur Regeneration der Gewebe. 451. verfochtenen Lehre wachsen von den angeschnittenen Muskelfasern Knospen oder Sprossen heraus, die proliferirende Kerne enthalten und junge Muskelfasern bilden (Knospentheorie). Diese verschie- denen Anschauungen werden uns im Laufe der Darstellung noch öfter beschäftigen. Ich schildere nun meine Beobachtungen, indem ich mit den jüngsten operirten Thieren (Siredonlarven) beginne und nachher die Untersuchungen an älteren Larven (Rana), die zu einem viel- fach modifieirten Resultat führten, mittheile. Bei einer Siredonlarve, deren Schwanzspitze 7 Tage lang bei 18°C. regenerirt war, dann in COhromessigsäure fixirt, mit Borax-Carmin durchgefärbt und in eine Serie von 7,5 « dicken Frontalschnitten zerlegt war, liessen sich folgende Regenerations- erscheinungen an der quergestreiften Muskulatur feststellen. De- generative Veränderungen!) der präexistirenden Muskelfasern waren nicht vorhanden; dagegen sind auch in den weiter von der Schnitt- grenze entfernten Fasern nicht gerade selten Mitosen zu sehen ; ein Sareolemm ist noch nieht gebildet. Die der Sehnittgrenze zunächst liegenden Muskelfasern sind auffallend reich an Mitosen und gerade in der peripheren Spitze derselben findet man öfter Kernfiguren. Die spindelförmigen Muskelfasern liegen der Seg- mentirung des Körpers entsprechend in gewissen Abständen von einander und sind meist zu Gruppen von 2 und 3 so verbunden, dass die Gesammtfigur wieder spindelartig wird. Die Querstreifung ist kräftig und überall sehr deutlich; »ur die äussersten Fasern vor der Sehnittgrenze sind manchmal matt gestreift (Fig. 27). Da gerade diese Fasern für die Regeneration die grösste Bedeu- tung haben, so habe ich eine solche mit ihren Eigenthümlichkeiten in Fig. 27 bei starker Vergrösserung (Leitz, Obj. 7, Oe. 1) mit der Camera lueida gezeichnet. liche der Neumann-Nauwerck’schen Lehre hervor. Einige Besonderheiten der Nauwerck!schen Anschauung werden später berücksichtigt werden. 1) An anderen ÖObjecten sah ich scholligen Zerfall der quer- gestreiften Substanz in den angeschnittenen Fasern. Die Resorption dieser Bruchstücke scheint hier leicht zu verlaufen. Complieirtere De- generationserscheinungen, wie sie bei älteren Larven und erwachsenen Thieren bekannt geworden sind, scheinen bei ganz jungen Larven kaum vorzukommen. 453 D. Barfüurth: Man sieht in dem untern Theil der Faser einen grossen Kern, in dem das Chromatin zu mehreren Klumpen angehäuft ist. Links oben liegt bei p seitlich in der Faser eine Anhäufung leicht granulirten Protoplasmas, wahrscheimlich der Rest eines Muskel- körperchens, dessen Kern weggeschnitten ist. Am wiehtigsten sind ohne Zweifel die an der rechten Seite (k) und am peripher- sten Ende (k‘) gelegenen Kerne. Em Blick auf die Figur zeigt, dass sie aus der präexistirenden Muskelfaser entspringen, wie etwa eine laterale und terminale Neumann-Nauwerck- sche Muskelknospe. Dass diese Kerne eine lebhafte Neigung zur Theilung haben, ist nicht zu bezweifeln; k ist in Karyokinese be- griffen und von k’ hat sich vor nicht langer Zeit der weiter oben liegende Kern !) s abgetrennt, der nun seinerseits schon wieder die mitotischen Veränderungen begonnen hat, Ich habe ihn mit s „Sarcoblast“ bezeichnet, weil er nach meiner Auffassung den Kern einer jungen Muskelzelle repräsentirt. Dass diese Auffassung richtig ist, wird sich bei Besprechung der späteren Regenerations- stadien ergeben. Die gezeichnete (Fig. 27) und beschriebene Muskelfaser war durchaus nicht die einzige, an der sich knospenartige Bildungen fanden; sie zeigen sich mehr oder weniger deutlich fast an allen Schnitten, die die äussersten präexistirenden Muskelfasern getroffen haben. Der viertnächste Schnitt der Serie enthält eine solche Faser, die am periphersten Ende eine Bifureation mit aller- dings sehr kurzen Zacken aufweist; Kerne waren in denselben auf diesem Schnitt nicht getroffen. Es ist dies eine ähnliche, nur einfachere Bildung, wie sie Nauwerck p.48 ff. beschreibt und Tafel V, Fig. 12 zeichnet. Eine Längsspaltung der präexistirenden Muskelfasern, wie sie von vielen Autoren beschrieben wird, habe ich an diesem Ob- Jeet nicht beobachtet ?), ich werde aber später zu berichten haben, dass sie bei älteren Larven (Rana) vorkommt. 1) Man darf keinen Anstoss daran nehmen, dass ich nur vom „Kern“ spreche und nicht ausdrücklich noch des allerdings nur spär- lich vorhandenen Protoplasmas Erwähnung thue. Da der Kern durch- aus der allein maassgebende Theil bei den oben beschriebenen Vor- gängen ist, so gewinnt die Darstellung an Einfachheit, wenn nicht immer noch wieder das Protoplasma erwähnt zu werden braucht. 2) Damit soll nicht gesagt sein, dass in einer angeschnittenen Zur Regeneration der Gewebe. 453 Was die Art der Kerntheilung anbetrifft, so fand ich in der lateralen „Knospe* eine Mitose (Fig. 27T k); Mitosen trifft man fast auf jedem Schnitt in den äussersten präexistirenden Muskel- fasern ; es muss jedoch hinzugefügt werden, dass man dieselben in diesen sehr jungen Muskelfasern überhaupt oft findet. Ich habe aber in dieser Serie nicht solche Kernveränderungen wahr- genommen, wie wir sie durch Arnold’s Untersuchungen zuerst kennen gelernt haben und wie sie nachher von mehreren Forschern (Steudel 2), Zaborowski?), Nauwerck %)) auch bei der Kern- wucherung in verletzten Muskelfasern beobachtet wurden. Von dem weiteren Fortschritt der Regeneration giebt Fig. 28 eine Anschauung. Sie stellt einen Theil eines Sagittalschnittes durch das regenerirte Schwanzende einer Siredonlarve dar. Das Thier war nach dem Ausschlüpfen amputirt worden; die Dauer der Regeneration betrug 10 Tage bei 18°C., die regenerirte Schwanzspitze maass 1,5 mm. Sie wurde in Chromessigsäure fixirt, mit Hämatoxylin durchgefärbt und in eine Serie von 7,5 u dieken Sagittalschnitten zerlegt. Nach oben rechts (im Bilde) ist die Epidermis zum Theil flach geschnitten, weil hier das Seiten- stück des Schwanzes etwas gekrümmt war. Auch die Chorda ist nicht median getroffen, weshalb vom eigentlichen Regene- rationskegel derselben nicht viel zu sehen ist; aus demselben Grunde hat der Schnitt den Chordastab oben links (im Bilde) nur eben gestreift. Die präexistirende Muskulatur, die der Chorda ganz dieht anliegt, ist gut getroffen (pm). Man sieht die Quer- streifung der Fasern deutlich, die Zahl der Keme ist in den meisten Muskelfasern, besonders aber in den äusseren, stark Muskelfaser nicht einmal Spalten aufträten; es handelt sich aber dabei wohl bloss um eine rein mechanische Wirkung des operativen Ein- griffs, nicht um eine echte Reaction der Muskelfaser selber. 1) Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. Virchow’s Archiv, 93. Bd., pag. 1 ff. — Derselbe, Weitere Beobachtungen über die Theilungsvorgänge an den Knochenmarkzellen und weissen Blutkörperchen. Virchow's Archiv, 97. Bd., pag. 107 ff. — Derselbe, Ueber Theilungsvorgänge in den Wanderzellen, ihre progressiven und regressiven Metamorphosen. Dieses Archiv, 30. Bd., pag. 205 ff. 2) Steudel, a. a. O. pag. 17 ff. 3) Zaborowski, a. a. O. pag. 13 ff. 4) Nauwerck, a. a. O. pag. 23 ff. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 30 454 D. Barfurth: vermehrt. Diese Kernwucherung geschieht nach dem Typus der Karyokinese, wie zahlreiche Mitosen zeigen. Das Characteri- stische des Bildes liegt nun in der mehrzeiligen Zell- reihe, die sich von den äussersten präexistirenden Mus- kelfasern aus dicht unter der Epidermis eine ganze Streeke weit nach dem Schwanzende zu erstreckt. Diese Zellstrasse wird zusammengesetzt aus jungen Muskel- zellen, die ich mit Klebs u. a. Sarcoblasten!) nennen will. Die Beweise dafür, dass diese jungen Zellen in der That die neuen Muskelfasern bilden, sehe ich in folgenden That- sachen. 1) Die erwähnten Zellen entstehen aus den Mus- kelkörperehen der präexistirenden Muskelfasern, sind also Abkömmlinge echter Muskelzellen. Die mitotischen Kern- theilungen in den präexistirenden Muskelkernen, die häufig mit einer Knospenbildung einhergehen, lassen sich an den Schnitten dieses Präparates, wie des vorher beschriebenen Stadiums mit Sicherheit feststellen. Die jungen Muskelzellen werden durch den Act der Theilung selbst gezwungen aus dem Verbande der Mus- kelfaser herauszutreten und sich vorzuschieben. Das wird natur- gemäss am meisten terminalwärts geschehen, weil nach dieser Richtung in dem neugebildeten Gewebe Platz ist; aber auch la- teral treten solche Zellen aus und liegen dann eine Zeit lang zwischen den alten Muskelfasern oder auch zwischen Muskel- fasern und Epidermis (Fig. 27). Ueber das weitere Geschick derselben wird nachher noch ein Wort zu sagen sein. Das Vor- schieben der Zellen und ihre starke Vermehrung scheint um diese Zeit den höchsten Grad zu erreichen. Die Zellen heben sich durch die dunkleren chromatinreichen Kerne deutlich von Binde- gewebs- und Epithelzellen ab, ihre Form ist mehr oder weniger 1) „Sarcoblast“ ist etymologisch gleichbedeutend mit „Sarco- plast“. Da der letztere Ausdruck schon von Margo und Paneth für andere Bildungen, die ich nach S. Mayer’s Vorgang Sarcolyten ge- nannt habe, verwandt wurde, so wähle ich im Anschluss an die durch Klebs eingebürgerte Bezeichnung die Schreibweise „Sarcoblast“. Vgl. Barfurth, Die Rückbildung des Froschlarvenschwanzes und die so- genannten Sarcoplasten. Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 35 ff. — Klebs, Die allgemeine Pathologie oder die Lehre von den Ursachen und dem Wesen der Krankheitsprocesse. Jena, 1889, pag. 467. Zur Regeneration der Gewebe. 455 gestreckt, die Lagerung in der Regel so, dass ihre Längsachse der Längsachse des Schwanzes parallel gerichtet ist; das Proto- plasma ist spärlich, mit Immersionssystem aber fast stets leicht zu sehen. Längs- oder Querstreifen sind dagegen in diesem Sta- dium mit den stärksten Vergrösserungen nicht wahrzunehmen. Die Frage, woher das Protoplasma der Zellen stammt, ist im meinem Falle leicht zu beantworten: es hat denselben Ursprung, wie das Protoplasma jeder Tochterzelle, die sich beim karyo- kinetischen Process bildet, d.h. es stammt vom Protoplasma der Muskelzelle, des Muskelkörperchens. Dass bei meinem Objeet nicht etwa das Material der quergestreiften Substanz direct zur Umhüllung des neugebildeten Kerns mit Protoplasma verwandt wird, folgt daraus, dass die präexistirende Muskelfaser auch post- existirt ). Kraske?) sah an seinem Objeet (Kaninehenmuskel), dass bald nach der Kernwucherung in der alten Muskelfaser sich jeder Kern mit einem stark granulirten Protoplasmahof (p. 6) „aus der contraetilen Substanz der Faser* (p. 13) umgab. Ziegler?) sieht dagegen, wie Nauwerek (p. 17) hervorhebt, das Protoplasma als eine neu entstandene Bildung an, zu der die Faser nur Rohmaterial liefert 4. Meine Beobachtung beweist, dass jeden- falls die Anwesenheit zerfallender quergestreifter Substanz zur Bildung des Protoplasmas junger Muskelzellen nicht nöthig ist. 2) Die mehrbesprochenen Zellen entwickeln sich nach bekanntem embryonalen Modus zu jungen Muskel- fasern. Dies zeigen die weiteren Regenerationsstadien, von denen ich eins in Fig. 29 topographisch zur Anschauung gebracht habe. 1) Dies könnte nur zweifelhaft sein von dem abgeschnittenen und etwas vorgeschobenen Muskelfaserrest mr (Fig. 28, Tafel XXIV). Da aber bei Amphibienlarven die Resorption unbrauchbaren Materials in der Regel schon nach einer Woche beendigt ist, das vorliegende Stadium aber 10 Tage alt ist, so glaube ich, dass dieser Muskelrest ebenfalls postexistiren wird. 2) Kraske, a. a. O. pag.6 und pag. 13. 3) Ziegler, Lehrbuch der allgemeinen und speciellen patholo- gischen Anatomie, Bd. II, 2. Aufl., Jena, 1885, pag. 1096-1097 und pag. 1098. 4) Bremer (dieses Archiv, 22. Bd., pag. 329) glaubt, dass die Vermehrung des Protoplasma von der eingeschmolzenen contractilen Substanz unter „Rückumwandlung derselben in Protoplasma“ ausgeht. 456 D. Barfürth: Es mag die Besichtigung dieser Figur zur Grnndlage für die Be- sprechung des folgenden Regenerationsstadiums dienen. Dasselbe stammt von einer Siredonlarve, die nach dem Aus- schlüpfen operirt wurde; die Schwanzspitze regenerirte 14 Tage lang bei 18°C. bis zu einer Länge von ca. 2mm. Die ab- geschnittene Schwanzspitze wurde in Chromessigsäure fixirt, mit Hämatoxylin durchgefärbt und in eine Serie von 7,5 « dieken Frontalschnitten zerlegt. Die Zeichnung geschah mit der Camera lueida bei Leitz, Obj.4, Oe.5. Die Feinheiten wurden mit !/js Immersion und starken Oeularen eontrohirt, die Längsstreifung in m und m’ mit !/,, Immersion, Oe. + eingezeichnet. Bei pm lie- gen die äussersten präexistirenden Muskeliasern; p ch bezeichnet die präexistirenden, rch die regenerirten Chordazellen; oberhalb rch sind die Membranen einiger Chordazellen ausgefallen; ich in- nere Chordascheide, ch Chordastab. Die Kermwucherung in den präexistirenden Muskelfasern hat fast ganz aufgehört, eine lange Reihe von Sarcoblasten (s) erstreckt sich jederseits unter der Epidermis bis ans Ende des regenerirten Chordastabes. Das Charaeteristische dieses Regenerationsstadiums liegt nun darin, dass sich meist in gewissen Abständen die Sareoblasten dureh Bildung von Fibrillen in junge Muskelfasern umgewandelt haben. Diese Fibrillen sind nur mit den stärksten Vergrösserungen bei günstiger natürlicher oder künstlicher Beleuchtung zu sehen. Dasselbe Verhalten zei- gen die Sareoblasten auf einer ganzen Zahl von Schnitten; Mi- tosen sind häufig. Ob ein einkerniger Sarcoblast schon Fi- brillen bildet, kann ich nieht mit Sicherheit entscheiden, glaube es aber nicht. Fig. 29 giebt einen der Wirkliehkeit genau ent- sprechenden Befund und dieser lehrt, dass die junge Muskelfaser schon mehrere Kerne besitzt, wenn die erste Streifung auftritt. Im Uebrigen muss ich auf diesen Punkt später noch zurückkommen. Es ergiebt sich aus diesen Mittheilungen, dass ich mit Nau- werek!) die Längsstreifung früher sehe, als die Querstreifung, während Kraske?) nur von Querstreifung spricht. 1) Nauwerck, a.a. O. pag. 30. — Auch Zaborowski sieht eine solche „schwache Längsstreifung‘“, kann aber nicht sagen, ob diese Spindelzellen sich zu jungen Muskelfasern umbilden (pag. 22). 2) Kraske, a. a. O. pag. 25. Zur Regeneration der Gewebe. 457 Von grossem Interesse ist nun hier die Beobachtung (Fig. 29), dass in diesem Stadium einzelne Sarcoblasten (m und m‘) sich durch Fibrillenbildung schon zu jungen Muskelfasern ent- wickeln, während andere (s) auf dem Zellenstadium verharren. Eine genaue Musterung der ganzen Serie zeigt nun zwar, dass die zu Muskelfasern sich umwandelnden Sarcoblasten nicht m regelmässigen Abständen liegen, wie man aus Fig. 29 schliessen könnte; indessen ist es doch Thatsache, dass einzelne Sarcoblasten bevorzugt werden. Mit dieser Auslese bevorzugter Sarcoblasten scheint ein Untergang der andern Hand in Hand zu gehen. Während auf dem vorigen Stadium die Sarcoblasten dieht gedrängt meist zu zweien neben einander liegen (Fig. 28), hat sich in diesem Stadium die Schaar schon sehr gelichtet. Man sieht in der Regel nur eine einschichtige Reihe von Sarco- blasten (Fig. 29,s) und nicht selten Abstände zwischen den ein- zelnen. Wie die Besichtigung der ganzen Reihe (Fig. 29sss) lehrt, sind mehrere Kerne auffallend klein geworden; es scheint also, dass der Untergang der Sarcoblasten durch einfache Atrophie erfolgt. Ich gelange also hier zu demselben Resultat wie Zabo- rowskit), der die Spindelzellen (Sarcoblasten) später spärlicher werden sah, „da eine gewisse Zahl derselben atrophirt“, wäh- rend Nauwerck ?) an seinem Objeet beobachtete, dass sämmt- liche Muskelzellen durch Verfettung zu Grunde gingen. Bei den von mir untersuchten Amphibienlarven bleibt ein so grosser Theil der Sarcoblasten erhalten, dass dieselben nach ihrer Umwandlung zu jungen Muskelfasern ganze, fast durchaus lückenlose Muskelbänder bilden. So sehe ich an einer Larve von Rana esculenta (12 Tage?) bei 17°C. regenerirt) jederseits 1) Zaborowski, a. a. O. pag. 18. 2) Nauwerck, a. a. O. pag.18; es wird sich übrigens aus der weiteren Darstellung ergeben, dass diese Verschiedenheit mit dem Auftreten der „Muskelzellschläuche“ im Zusammenhang steht und dass die in denselben sich bildenden Muskelzellen nicht ohne weiteres meinen Sarcoblasten gleichgesetzt werden dürfen. 3) Dieses Regenerationsstadium (12 Tage) ist also der Zeit nach Jünger, als das besprochene von Siredon (14 Tage); es betrug aber die Länge des Regenerationsstückes beim ersten Object 4,5, beim letzteren nur 2mm und dem entsprechend war die Regeneration 458 DD Bramkusntıh® dicht unter der Epidermis ein langes Muskelband sich hinziehen, in dem nur hier und da Lücken sind. Diese Lücken sind um so zahlreicher und regelmässiger, je näher sie der präexistirenden Muskulatur kommen; es geht also die Aus- merzung von Sarcoblasten und jungen Muskelfasern vom persisti- renden Schwanzende aus. Das Endziel dieser Vorgänge ist die Herstellung einer Anordnung der Musku- latur, die der normalen entspricht. Diese Anordnung ist durch die Bildung von Segmenten (Myomeren) charakte- risirtt. Wie ein Blick auf Taf. XXI, Fig. 1—6, Fig. 14—16 und auf Taf. XXIII, Fig. 22 zeigt, ist die quergestreifte Muskulatur des Stammes bei den Amphibienlarven kammartig in schmalen nach hin- ten convergirenden Bändern um das kräftige Mittelstück gelagert. Sie umfasst in diesem Mittelstück die Chorda, resp. die Wirbel- säule, das Rückenmark und die Arteria caudalis und zerlegt den ganzen Schwanz in so viele Segmente, als Muskelbänder vorhan- den sind. Zwischen je zwei Segmenten bleibt also ein schmaler Raum (Ligamentum intermusculare), der selber keine quergestreifte Muskulatur enthält, sondern von den Insertionen zweier benach- barter Muskelbänder begrenzt wird. Für die Muskelsegmente und Chordaabsehnitte bezw. Wirbelkörper gilt das allgemeine Gesetz, dass sie sich nicht deeken, sondern in ihrer Stellung mit einander alterniren!), wie es die Function der Muskulatur erfordert. Durch die beschriebene Eigenthümlichkeit in der An- ordnung derMuskulatur ist nun die Auslese unter den Sarcoblasten und späterhin unter den noch gebildeten jungen Muskelfasern bedingt: diejeni- gen, die durch ihre Lage bevorzugt sind, werden schneller zur Function herangezogen und wandeln sich schneller in junge Mus- kelfasern um, als die andern. Die gebildeten jungen Muskelfasern erhalten sich in den Muskelkämmen, während in den Zwischen- räumen (Ligg. intermuseularia) die Ausmerzung der Sarcoblasten im ersteren auch weiter vorgeschritten. Es beweist dieser Befund, dass nicht die Zeit in erster Linie, sondern andere Factoren (Species- unterschied, individuelle Anlage, Temperatur) für die Schnelligkeit maassgebend sind. Die ausserordentlich kräftigen wilden Larven von Rana esculenta regeneriren an und für sich viel schneller, als die trägen Siredonlarven. l) Hertwig, Entwicklungsgeschichte, 3. Aufl., pag. 496. TEN EN Zur Regeneration der Gewebe. 459 und jungen Muskelfasern so lange dauert, bis der definitive Zu- stand hergestellt ist. Die hier beschriebene Proliferation der Muskelkörperchen und die massenhafte Bildung von Sarcoblasten hat ihre Ursache ohne Zweifel in dem durch die Wunde gesetzten Reiz. Dieser Reiz hat ähnlich, wie beim Stoffwechsel !), eine Art Ueber- compensation ?) zur Folge: es werden viel mehr Zellen producirt, als später nothwendig sind. Diese Wirkung des Wundreizes hört nun nach Ausbildung des Sarcoblastenmantels ?) und Herstellung einer, neuen Schwanzspitze allmählich auf, und nun tritt ein an- an die Funetion, an seine Stelle. Hier findet dann eins der von Roux formulirten Gesetze des Kampfes der Theile im Organismus eime sehr schöne Anwendung. „Aendert sich die Qualität des Reizes, so wird wiederum, wie beim Kampf der Molekel, aus den vorkommenden Variationen auch eine neue Zellqualität gezüchtet werden, welche siegend die alte direet inihrer Ernährung beeinträch- tigt, ganz abgesehen davon, dass die alte durch den ihr nun mangelnden Lebensreiz auch von selber schon der Atrophie ver- fallen muss.“ Aus den ursprünglich gleichwerthigen Sarcoblasten wird eine Anzahl durch den functionellen Reiz zu jungen Muskel- zellen gezüchtet, die anderen atrophiren. Ich habe die Regenerationserscheinungen an der Muskulatur ganz Junger Siredonlarven so ‚ausführlich besprochen, weil ich der Ansicht bin, dass sie uns den einfachsten Modus dieser Re- generation vorführen, den ich zugleich für den typischen halte. Wollte man mir einwenden, dass diese Thiere zu jung gewesen seien, so würde ich den Einwand gern und dankend zu meinen Gunsten entgegennehmen. Ich will aber aus guten Grün- den allgemeine Erörterungen nicht hier, sondern zuletzt bringen. Aus meinen bisherigen Angaben darf man nicht schliessen, dass ich den Modus der Muskelregeneration bei ganz jungen Si- 1) Pflüger, Die teleologische Mechanik der lebendigen Natur. Pflüger’s Archiv, 15. Bd., pag. 84. 2) Roux, Der Kampf der Theile im Organismus, pag. 217 ff. 3) Die Combination der Frontal- und Sagittalschnittserien er- gibt, dass die Gesammtheit der Sarcoblasten die Form eines platt- gedrückten Hohlkegels bildet, der oben (dorsal) einen schmalen, unten (ventral) einen weiten offenen Schlitz aufweist. 460 DB amkurth: redonlarven ohne weiteres auch für ältere und erwachsene Thiere als gültig ansehe. Wie die Angaben der Autoren lehren und wie mir meine eigenen Beobachtungen zeigen, bietet die Muskel- regeneration wieder einmal einen Beweis dafür, dass die Natur nicht nach der Schablone arbeitet, die wir ihr so gerne auflegen sondern dass sie bei der Verfolgung ihres Zieles mancherlei durch die Umstände gebotenen Variationen wählt. Solche Abweichung habe ich gleich bei älteren Larven von Rana gefunden. Es waren die Species Rana fusca und R. eseu- lenta. Die Thiere wurden m dem Stadium der Entwickelung verwandt, welches durch Hervorsprossen der hinteren Extremi- täten charakterisirt ist. Die Regeneration der Schwanzspitze er- folgt aber merkwürdiger Weise auch dann noch, wenn die vor- deren Extremitäten schon angelegt und unter der Haut sichtbar sind). Die Methode der Operation und Untersuchung entsprach der früher angegebenen. Wie schon bemerkt, zeiehnen sich die ausserordentlich muskelkräftigen Larven von Rana eseulenta, die ja auch durch ihre Grösse die meisten übrigen Amphibienlarven übertreffen, durch eine ungewöhnliche Regenerationsfähigkeit aus; dem entsprechend ist auch die Muskelregeneration in derselben Zeit viel weiter vorgeschritten, als bei Siredon und Triton. Ich halte es nun im Interesse der Uebersichtlichkeit meiner Darstellung für zweckmässig, die an diesen Objeeten von mir beobachteten Erschemungen zunächst ganz kurz zusammenzu- stellen und dann erst im einzelnen zu besprechen. Es wird sich dabei gleich zeigen, dass meine Befunde von denen anderer Autoren wenig abweichen; es sind ja auch weniger die Beob- achtungen, die die Muskelregeneration zu einem so heiss umstrittenen Objeet machen, als die Deutung derselben. An diesen älteren Larven zeigte sich folgendes: 1. Scholliger Zerfall angeschnittener Muskelfasern und ab- gerissener Bruchstücke quergestreifter Substanz; Auftreten von Leukoeyten. 2. Wucherung der Kerne in den Muskelkörperchen, Zer- 1) Vgl. Barfurth, Versuche über die Verwandlung der Frosch- larven. Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 1ff. „Selbst solche, die sich schon am ersten oder zweiten Tage verwandelten, hatten wenigstens die Re- generation eingeleitet.“ (pag. 24.) Zur Regeneration der Gewebe. 461 fall der quergestreiften Substanz zu ‚Sarcolyten“, Bildung von „Muskelzellsehläuchen‘“ und ‚Sarcoblasten‘“. 3. Zerspaltung von Muskelfasern der Länge nach, ver- bunden mit Kernwucherung der Muskelkörperehen: Bildung schmaler Bänder, ‚„bandförmiger Platten“; Auftreten von Spindel- zellen und Sarcoblasten. 4. Bildung kernhaltiger Sprossen (Neumann, Sokolow, Nauwerck etc.) an gewissen alten Muskelfasern. Sie laufen vielfach wirr durcheinander und sind oft ziemlich lang. Aus diesen lösen sich terminal Sarcoblasten ab, schieben sich vor und bilden, wie auch die Sprossen, junge Muskelfasern. Von genauen Zeitbestimmungen für die einzelnen Stadien nehme ich Abstand, weil die Erscheinungen zeitlich vielfach neben einander herlaufen. Es mag genügen, wenn ich erwähne, dass die beiden ersten Stadien bei Rana in der ersten Woche ablaufen, die beiden letzten Anfang und Mitte der zweiten Woche auftreten. Ich bespreche jetzt die einzelnen Stadien etwas genauer. Ad 1. In den ersten Tagen nach der Verletzung spielen sich vorzugsweise die Erscheinungen der Rückbildung und Resorption in den der Wunde nahe gelegenen Muskelfasern ab. Auffallender Weise sind es nicht allein die direet vom Schnitt getroffenen Fasern, die der Rückbildung unterliegen, sondern auch ganz unverletzte. Das hier angedeutete verschie- dene Verhalten der Muskelfasern wird leicht verständlich, wenn man einen Blick auf Tafel XXIII, Fig.22 wirft. Aus der Anord- nung der Muskulatur ergiebt sich, dass der Schnitt etwa die Muskelfasern bei m in der Mitte treffen könnte, während die Muskelfasern bei m’ ganz unverletzt bleiben würden. Nun zeigt die Untersuchung der Regenerationsstadien, dass keineswegs immer die Muskelfasern bei m zerfallen, sondern dass manchmal bei m/ die Rückbildung viel umfangreicher ist, als bei m. Es wird sich nachher zeigen, dass dieses eigenthümliche Verhalten für die Art der Regeneration von grosser Bedeutung ist. Auf die ersten Stadien der Rückbildung will ich hier nicht näher eingehen, weil über diese kaum ein Zwiespalt der Ansichten herrscht und ich mich ausserdem darüber an anderer Stelle!) 1) Die Rückbildung des Froschlarvenschwanzes und die soge- nannten Sarcoplasten. Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 35 ff. 462 D. Barfurth: schon ausgesprochen habe. Der schollige Zerfall der querge- streiften Substanz, die Verfettung und Atrophie der untergehenden Muskelfasern werden wohl von allen Autoren übereinstimmend geschildert. Ich will nur noch speciell die Angabe Nauwerek’s über blasige Entartung an den Muskelfasern bestätigen. Am siebenten und achten Tage sah ich öfter helle Bläschen im den Fasern, die wie hyaline Tröpfehen aussahen; in andern Fällen hatten sich grössere und kleinere Bläschen vereinigt und die Muskelfasern, bez. den Rest derselben ganz aufgetrieben. Ob in allen Fällen eine vollständige Zerstörung und Resorption solcher Fasern eintritt, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden; da aber manchmal nur einzelne kleine Tröpfehen (Fig. 29 r) vor- handen sind und dabei die Muskelfaser sonst durchaus normal aussicht, so glaube ich, dass die geringeren Grade dieser Ent- artung wieder verschwinden. Auch das Auftreten der Wanderzellen und der Riesenzellen bespreche ich hier nicht weiter, weil ich in der erwähnten Arbeit meine Beobachtungen darüber schon mitgetheilt habe!). Nur neige ich jetzt mehr zu der Ansicht, dass die hierbei auftretenden viesenzellen nicht aus Leukoeyten oder aus zunächst „epitheloid gewordenen Leukocyten‘“ (Stschastny), sondern aus fixen Bindegewebszellen entstehen (Baumgarten, Mar- chand, Ribbert, Nauwerck). Ad 2. Einer Besprechung bedürfen aber diejenigen Bil- dungen, die wir mit Waldeyer als „Muskelzellen- schläuche‘“?) bezeichnen und die Kölliker?) schon früher am Froschmuskel gesehen und beschrieben hatte. Ueber die Bedeutung dieser Schläuche, bez. der in ihnen liegenden Zellen gehen nun die Ansichten der Forscher auseinander: die einen sehen sie als dem Zerfall geweihte Produete der Rückbildung an, die andern glauben dagegen, dass sie die neuen Muskelfasern 1) Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 54. 2) Waldeyer, Ueber die Veränderungen der quergestreiften Muskeln bei der Entzündung und dem Typhusprocess, sowie über die Regeneration derselben nach Substanzdefeeten. Virchow'’s Archiv, 34. Bd., pag. 473 ff., pag. 478. 3) Kölliker, Einige Bemerkungen über die Endigungen der Hautnerven und den Bau der Muskeln. Zeitschrift für wiss. Zool., 8. Bd., pag. 312 ff. (pag. 315, Anmerkung, Tafel XIV, Fig. 9). Zur Regeneration der Gewebe. 463 bilden, und eine dritte Riehtung nimmt eine vermittelnde Stellung ein. Zu den ersteren gehören!) die Entdecker der Muskelzellen- schläuche, Kölliker und Waldeyer, selber, ferner Neu- mann und seine Anhänger Dagott, Lüdeking, Perron- eito, Sokolow?) und besonders Nauwerck, sodann De- marquay, Hayem, Bergkammer, endlich Sigmund Mayer und Fraisse; als Anhänger der andern Anschauung sind besonders Otto Weber?), Kraske®) und Leven?) zu nennen; die vermittelnde Anschauung wird vertreten durch ©. E. E. Hoffmann‘) und Zaborowski?). 1) Die Literatur ist bei Fraisse, a. a. O. pag.129 ff., Zabo- rowski, a.a.0.pag. 15ff, Nauwerck, a.a.0.pag. 19 ff. angegeben. 2) Sokolow, der unter Peremeschko arbeitete, hat eben- falls die Veberzeugung gewonnen, dass die Regeneration durch di- rectes Auswachsen der durchschnittenen Fasern in die Länge bewirkt wird. — Sokolow, Ueber die Regeneration der quergestreiften Mus- keln nach traumatischen Eingriffen. Universitätsnachrichten von Kiew, 1881, October, pag. 147—184 (pag. 177, Fig. 3.) (Russisch.) 3) 0©. Weber, Ueber die Neubildung quergestreifter Muskel- fasern, insbesondere die regenerative Neubildung derselben nach Ver- letzungen. Virchow’s Archiv, 39. Bd., pag. 216 f. Weber findet, „dass diese Zellen unter regelrechtem Verlaufe der Verletzung fast nie fettig degeneriren“ und hat „nur bei Muskeleiterung fettig entartete und zu Grunde gehende Elemente der Art beobachtet“ (pag. 238). 4) Kraske, a. a. O. pag. 23. b)’Leven, a. a. 0. pag.173 f.ys, 6) C. E. E. Hoffmann, Ueber die Neubildung quergestreifter Muskelfasern, insbesondere beim Typhus abdominalis. Virchow’s Archiv, 40. Bd., p. 505 ff. Derselbe glaubt, dass von den gewucherten Muskelkernen eine grössere Zahl durch fettige Entartung zu Grunde geht, als Weber annimmt, meint aber, dass ein Theil derselben er- halten bleibt und sich in junge Muskelfasern umwandelt. 7) Zaborowski, a. a. O. pag.18. „Späterhin werden sie (die Spindelzellen) sogar spärlicher, da eine gewisse Zahl derselben atrophirt.“ Anmerkung. Eine von den Ansichten der erwähnten Autoren ganz abweichende Anschauung über die Entstehung und Bedeutung der Muskelzellenschläuche haben Erbkam, der dieselben als mit ein- gewanderten Leukocyten erfüllte Sarcolemmschläuche (,Wanderzellen- schläuche“) und Gussenbauer, der die Muskelzellenschläuche als Faserabschnitte ansieht, „in welchen die schollig zerklüftete oder körnig veränderte contractile Substanz von farblosen Zellen umlagert und in der Weise durchsetzt ist, dass diese Zellen in die zwischen den klei- 464 D. Barfurth: Nur wenige der genannten Autoren haben bei Besprechung der Muskelzellenschläuche der Angaben von Margo und später Paneth über die „Sarcoplasten‘“ gedacht, in denen dieselben die Bildungselemente neuer Muskelfasern erkennen wollen, wäh- rend Sigmund Mayer und ich, wie später auch Looss!), die Ansicht aussprachen, dass diese Gebilde vielmehr Zerfalls- produete degenerirender Muskelfasern vorstellen ; demgemäss habe ich sie in einer früheren Arbeit?) nach Sigmund Mayer’s?) neren rundlichen oder eckigen Stücken befindlichen Spalträume ein- gedrungen sind“ (pag. 1034). Die „farblosen Zellen“ sind der Abstam- mung nach Leukoceyten oder Bindegewebszellen des Perimysium inter- num. — Erbkam, Beiträge zur Kenntniss der Degeneration und Re- generation von quergestreifter Muskulatur nach Quetschung. Vir- chow’s Archiv, 79. Bd. — Gussenbauer, Ueber die Veränderungen des quergestreiften Muskelgewebes bei der traumatischen Entzündung. Archiv für klinische Chirurgie, 12. Bd., pag. 1010 ff. (pag. 1034. Hier ist ferner die eigenartige Auffassung Aufrecht’s zu erwähnen, der sich über das Verhalten der zu Muskelzellenschläuchen umgewandelten Muskelfasern folgendermaassen ausspricht: „Ueberall wo dasselbe (das Sarcolemm) erhalten ist, regenerirt sich.die Muskelfaser innerhalb der- selben zu einer in Aussehen und Grösse den vor der Verwundung vorhandenen vollkommen gleichen, wo dasselbe zerstört ist, gehen unter der Vermittelung der Muskelkerne neue Muskelfasern aus ihnen hervor.“ Wie das letztere geschehen soll, wird nicht ausdrücklich ge- sagt und über die jungen Muskelfasern selber äussert sich Aufrecht, wie Nauwerck hervorhebt, sehr zurückhaltend. — Aufrecht, Ueber die Genese des Bindegewebes, nebst einigen Bemerkungen über die Neubildung quergestreifter Muskelfasern und die Heilung per primam intentionem. Virchow’s Archiv, 44. Bd., pag. 180 ff. (pag. 19). — Rachmaninow hält mit Erbkam die zelligen Elemente in den Mus- kelzellenschläuchen für ausgewanderte farblose Blutkörperchen. — Rachmaninow, Zur Frage der Regeneration quergestreifter Muskel- fasern. Dissertation. Moskau, 1881, pag. 82. (Russisch.) 1) Looss, Ueber die Betheiligung der Leukocyten etc. a. a. O. Referat von J. H. List im Biolog. Centralblatt, 9. Bd., pag.59% ff. — Looss, Ueber Degenerationserscheinungen im Thierreich, besonders über die Reduction des Froschlarvenschwanzes und die im Verlaufe derselben auftretenden histologischen Processe. Leipzig, 1889 (Preis- schriften, gekrönt und herausgeg. von der Fürstlich Jablonowski- schen Gesellschaft zu Leipzig, No. 10 der mathematisch - naturwiss. Section, XXVI). 2) Dieses Archiv, 29. Bd., pag. 52 ff. 3) Sigmund Mayer, Zur Histologie des quergestreiften Mus- kels. Biol. Centralblatt, 4. Bd., pag.129 ff. (D. — Derselbe, Die soge- Zur Regeneration der Gewebe. 465 Vorgang als „Sareolyten“ bezeichnet. Es sind dies spindel- oder wurstförmige Stücke quergestreifter Substanz, die von den amöboiden!) (S. Mayer) Muskelzellen aufgenommen werden oder auch frei im Sareolemmschlauch — nach Paneth auch ausser- halb desselben — liegen. Diese Sarcolyten findet man nun manchmal in grosser Menge in den „Muskelzellschläuchen“ nor- maler Thiere (Frosch, Land- und Wassersalamander [S. Mayer], Sperling, Wanderratte, Barsch, menschlicher Embryo von 6 cm Länge [Margo], Froschlarven, junge Frösche, Schweinsembryo von 16cm Länge [Paneth]). Es scheinen sich hier Vorgänge abzuspielen, durch welche einzelne ‚„Muskelfasern in ihrer nor- malen Form und Zusammensetzung zeitweilig eingeschmolzen werden, um dann in der Folge wieder einem Neubildungsprocesse anheim zu fallen* (Sigmund Mayer, I, pag. 135). Solche Sarcolyten kommen nun ohne Zweifel auch, manchmal in grosser Menge, in degenerirenden Muskelfasern an einer Wundstelle vor. Waldeyer zeichnet sie z.B. Tafel X, Fig. 5—7 (Virehow’s Archiv, 34. Bd.); O0. Weber stellt auf Tafel IV, Fig. 2 solche Gebilde aus einer eiternden granulirenden Muskelwunde vom Kaninchen am siebenten Tage dar, die er für Junge Muskelzellen mit schon deutlich quergestreifter Substanz hält; ich halte dieselben für Sarcolyten, da man in so frühen Stadien noch keine echten jungen Muskelzellen mit Querstreifung findet; ich werde in dieser Auffassung bestärkt durch Weber's Angabe, dass er schon am dritten und vierten Tage solche Zellen mit quergestreifter Substanz sah?). Ich selber finde solche Sarco- lyten bei Froschlarven in den ersten Tagen nach Amputation der Schwanzspitze; Querstreifung ist selten zu sehen, fettige Ent- artung tritt frühzeitig auf. Diese Befunde sind nun deshalb von grosser Wichtigkeit, weil die Sarcolyten nach den Beobachtungen von Sigmund nannten Sarcoplasten. Anat. Anzeiger, 1.Bd., 1886, pag. 231 ff. (I). — Derselbe, Einige Bemerkungen zur Lehre von der Rückbildung quergestreifter Muskelfasern. Zeitschrift für Heilkunde, Bd.8, pag. 1'401 (ID) 1) S. Mayer, III, pag.187. Derselbe hat sehr angemessen den Vorschlag gemacht, die Sarcolyten in freie und in eingeschlossene, quergestreifte und glatte Sarcolyten zu trennen. 2) O0. Weber, Virchow’s Archiv, 39. Bd., pag. 245. 466 D. -Barturth® Mayer und mir in ungeheurer Menge in den der Rückbildung unterworfenen Muskelfasern des Sehwanzes metamorphosirter Batrachierlarven vorkommen, also sicherlich Producte der Rückbildung, nieht der Neubildung sind. S. Mayer hat deshalb ganz Recht, wenn er die atrophirendeu Froschlarvenschwänze die „klassischen Stätten“ für den Nachweis der Sarcolyten nennt. Nach diesen Erörterungen trage ich kein Bedenken mich mit der grossen Mehrzahl der Forscher dahin auszusprechen, dass die Muskelsehläuche der regressiven Meta morphose unterliegen und bei der eigentlichen Regeneration keine Rolle spielen. Hier kann man mir nun gleich einige Emwände machen. Zunächst den, dass ich inconsequenter Weise das eine Mal die gewucherten Muskelkörperchen als „Sarcoblasten‘“ weiterleben und junge Muskelfasern bilden lasse, das andere Mal sie als „Sarco- Iyten“ dem Untergang weihe. Dieser Einwand fällt aber vor der Erwägung, dass recht wohl bei schwerer Ernährungs- störung eine Muskelfaser nach vorhergegangener „atrophischer Kernwucherung“ (Bergkammer)* ganz zu Grunde gehen kann, während bei leichterer Störung des Stoffwechsels wenig- stens ein Theil der Faser erhalten bleibt und die gewucherten Kerne lebenskräftig sind. Ein anderer Einwand aber fällt hier schwerer in’s Gewicht. Wie ist das von neuern Forschern?) eonstatirte Auftreten von 1) Bergkammer, Beiträge zur Lehre von der Entzündung und Entartung der quergestreiften Muskelfasern. Dissertation, Strassburg, 1884. (Unter von Reeklinghausen’s Leitung gearbeitet.) „Die Kern- wucherung in denselben (kernreichen Bändern und Platten) hat nur die Bedeutung einer atrophischen Wucherung.“ (pag. 32.) Nauwerck, a. a. O. pag. 15. 2) Dazu gehören Tizzoni (vom fünften Tage an), Leven und Zaborowski (nach 24 Stunden), Steudel (die ersten nach 24 Stun- den, „sehr ausgebreitete Wucherung unter dem Bilde der mitotischen Karyokinese“ nach 48 Stunden); Nauwerck fand an den alten Muskelfasern in den beiden ersten Tagen eine eigenartige Kernthei- lung, die der Arnold’schen indireeten Fragmentirung ähnlich ist (pag.24), nach 48 Stunden traten an den jungen Muskelzellen (Sarcoblasten) Kerntheilungsbilder auf, die sich in den folgenden Tagen mehrten und ausschliesslich typische Karyomitosen waren (pag. 16). S. Nauwerck, pag. 25 ff. Zur Regenerätion der Gewebe. 467 Mitosen in den Kernen der Muskelschlauchzellen zu erklären, wenn man die Elemente für Todescandidaten erklärt? Da die mitotische Kerntheilung eine Bethätigung der Lebensenergie ist, so muss hier doch ein Widerspruch vorliegen! Dieser schein- bare Widerspruch wird aufgeklärt durch die neueste Untersuchung von Nauwerek. Er fand, dass die Muskelzellenwucherung ihren Höhepunkt am dritten bis fünften Tage erreicht, dass nach 48 Stunden Kemtheilungsbilder auftreten, die sich in den fol senden Tagen mehren, dann aber abnehmen, dass aber vom fünften Tage an nach der Verletzung die neugebildeten Muskel- zellen einer zunehmenden Verfettung unterliegen und rasch zer- fallen; schon Ende der zweiten, Anfang der dritten Woche waren die Muskelzellen völlig verschwunden (pag. 16, 18). Hiernach muss der Vorgang so aufgefasst werden, dass die Muskelkörper- chen allerdings noch Lebensenergie besitzen und sich lebhaft theilen, dass aber die junge Brut untergeht, weil die Ernährungs- bedingungen zu ungünstig sind. Man wird wohl nicht irren, wenn man annimmt, dass die schnell zerfallende quer- gestreifte Substanz dieSchuld trägt. Das zerfallende Material kann nicht schnell genug weggeschafft werden und be- einträchtigt die Emährung und weitere Entwicke- lung der jungen Zellen. Eine Analogie hierzu bietet die früher von mir festgestellte Thatsache, dass nicht abgelaichte und nachher in loeo zerfallende Geschlechtsproduete (Eier, Samenkörper) die Entwiekelung der jungen Eier und Samenelemente vollständig verhindern können!) Es scheint, dass die beim Zerfall der Gewebsele- mente sich bildenden Produete der regressiven Metamorphose eine toxische Wirkung auf junge Zellen ausüben, die stärker ist, als die vitale Energie derselben. Dem entsprechend melden fast alle Autoren übereinstimmend, dass die eigentliche Re- generation erst beginnt, wenn die Resorption des zerfallenen alten Materials der Hauptsache nach beendigt ist. Nachdem ich diese Einwände durch — wie ich glaube — gute Gründe beseitigt habe, wiederhole ich den oben schon aus- 1) Barfurth, Biologische Untersuchungen über die Bachforelle. III. Die Rückbildung nicht abgelaichter Geschlechtsstoffe bei der Bach- forelle. Dieses Archiv, 27. Bd., pag.129 ff. (pag. 149). 468 D. Barfurth: gesprochenen Satz: dass ich mit Nauwercek in den Mus- kelzellsechläuchenBildungen sehe, die dem Unter- gang geweiht sind, obgleich die in den Zellen auftretenden Mitosen auf eine noch vorhandene Lebensenergie hinweisen. Ad 3. Ich wende mich jetzt zur Besprechung der dritten Gruppe von Regenerationserscheimungen, die durch eine Längs- zerspaltung einzelner Muskelfasern und Bildung kernreicher Bänder, Spindelzellen und Sarcoblasten gekennzeichnet ist. Wie ich oben (pag. 460) angab, kommt für die Beobach- tung und das Verständniss dieser Bildungen die Art der Muskel- faseranordnung bei Rana sehr in Betracht; ich verweise deshalb auf meine früheren Bemerkungen darüber. An Präparaten vom siebenten und achten Tage sieht man nun, dass einzelne, ge- wöhnlich in der Mitte des Muskelbandes (Fig. 22 m/, seltener terminal m) gelegene Fasern sich der Länge nach im immer kleiner werdende Faserbündel zerspalten haben. Manchmal ist die ganze Faser vollständig aufgelöst in eine ziemlich weit zer- streute Anzahl von Bündeln, die kernreich und meist spindel- förmig oder bandartig sind; auch sind spindelzellenartige Bil- dungen mit zwei und mehr Kernen oder Sarcoblasten mit einem Kern nicht selten. Die Kerne theilen sich nach der typischen Karyomitose. Ob an einkernigen Sarcoblasten Fibrillenbildung oder gar Querstreifung vorkommt, kann ich nicht mit Sicherheit angeben; ich sah Formen von Sarcoblasten, wie ich sie in Fig. 24, Tafel XXIII dargestellt habe; ich sehe auch hier die Fibrillen- bildung zuerst!), später erst die Querstreifung (Fig. 24 b, ec). Ich muss hierzu bemerken, dass die Präparate mit Flemming's Osmiumehromessigsäure fixirt sind, die, wie die Chromsäure- gemische überhaupt, die Längsstreifung besser erhält, als die Querstreifung, während die ehromsauren Salze die Querstreifung besser zur Anschauung bringen; letztere waren aber für meine Zwecke unbrauchbar, da sie, wie Flemming nachgewiesen hat, die Mitosen nicht conserviren. Eine solehe Längsspaltung von Muskelfasern hat zuerst 1) Vgl. Nauwerck, „An dem Protoplasma macht sich schon sehr frühzeitig eine leichte Andeutung von Längsstreifung erkenn- bar.‘ (pag. 28.) Zur Regeneration der Gewebe. 469 Weismannt) bei Fröschen beobachtet. Sein Befund wurde dann von andern Forschern (Aeby, Waldeyer, Born) als Kunstproducet aufgefasst, von Kölliker aber, Rouget und neuerdings Felix?) als normal bestätigt. Aehnlich wie bei diesen im unverletzten Muskel ablaufenden Spaltungen sind nun die Ansichten der Forscher über die nach künstlichen Verletzungen, also bei der Muskelregeneration, auftretenden Spaltungsproduete verschieden. Die einen halten sie für degenerirende Bruchstücke alter Muskelfasern (Waldeyer, pag. 510, Bergkammer, pag. 20, 21), die andern für Zwischenstufen zwischen den Sarco- blasten und den fertigen jungen Muskelfasern (0. Weber, pag. 247, C.E. E. Hoffmann, pag.5135). Peremeschko?), der die Spalten bei der Regeneration zuerst beobachtete, lässt durch dieselben die alte Muskelfaser in ein ganzes Bündel neuer Fasern zerfallen. Kraske®) und Leven?) sehen in den Spal- tungsprodueten nur Stufen weiterer Auflösung der alten Muskel- faser in Muskelzellen. Nauwerck®) hält sie für Spaltungs- produete alter Muskelfasern, von denen ein geringer Theil er- halten bleibt und sich höchst wahrscheinlich zu kürzeren oder längeren quergestreiften Muskelfasern umwandelt; er glaubt aber, dass dieser Modus der Regeneration durchaus in den Hintergrund tritt vor der durch Knospenbildung (Neumann) erfolgenden Regeneration. Nach meinen Beobachtungen kann ich mich Nau- werck im allgemeinen anschliessen: ich halte ebenfalls die Ge- bilde für Abspaltungsproducte präexistirender Muskelfasern, die zum Theil wieder neue Muskelfasern bilden, glaube aber mit Kraske, dass hierbei auch Muskelzellen?) frei werden können, 1) Ueber das Wachsen der quergestreiften Muskeln nach Be- obachtungen am Frosch. Zeitschrift für rationelle Mediein, 3. Reihe, X. Bd., 1861, pag. 263 ff. (271 ff.). 2) Felix, a. a. O0. pag. 242. Literaturangaben bei demselben pag. 226 ff. 3) Peremeschko, Die Entwiekelung der quergestreiften Mus- kelfasern aus Muskelkernen. Virchow’s Archiv, 27. Bd., pag. 116 ff. (pag. 119). 4) Kraske, a. a. O. pag. 23. 5) Leven, a. a. O. pag. 175. 6) Nauwerck, a. a. O. pag. 31. 7) Nauwerck lässt für diese Bildung nur eine Möglichkeit offen; er sagt: An diesen Muskelfasern lassen sich gleichzeitig zwi- Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 37 31 470 D.Barkurth: und dass diese Muskelzellen die Fähigkeit besitzen, neue Muskel- fasern zu bilden. Wie ich oben bemerkte, kommt an meinen Objeeten die Längsspaltung vorzugsweise an Fasern vor, die in der Mitte eines Muskelbandes liegen; sie findet sich aber auch an den am weitesten vorgeschobenen, terminal liegenden Fasern (Fig. 22 m)?). Im ersteren Fall scheinen die Spaltungsproducte nur insofern ver- wandt zu werden, als die Deekung des Defeets erfordert; man sieht da, wo die alte Muskelfaser sich durch Spaltung auflöste, eine helle Stelle zwischen den seitlich erhaltenen Fasern und in diesem hellen Raum kemreiche Bänder, Spindelzellenverbände, Spindelzellen und einzelne Sarcoblasten; wir haben auch hier wieder eine Ueberproduetion, die den "Untergang der meisten dieser Gebilde im Gefolge hat. Im andern Fall, bei der Längszerspaltung der äussersten Fasern, spielen die Spaltungs- producte und Sarcoblasten eme viel wichtigere Rolle, da sie für das neugebildete Schwanzstück eine fort- laufende Reihe von jungen Muskelfasern zu bil- den haben. Am achten Tage sehe ich einen vollständigen Längszerfall solcher angeschnittenen äussersten Muskelfasern und caudalwärts von diesen Spaltungsproducten Sarcoblasten. Dass die letzteren durch Wucherung von Muskelkörperchen in den abgespaltenen Faserpartien entstanden sind, schliesse ich aus den zahlreichen Mitosen in den Muskelkörperchen und aus dem Umstande, dass die Sarcoblasten die direete periphere Fort- setzung ‘der Muskelbruchstücke sind. Freilich sieht man nun recht oft statt der Spaltungspro- ducte alter Muskelfasern ein ganzes Gewirre von Muskel- schen den beschriebenen Gebilden (Bänder, Spindelzelleneomplexe, Spindelzellen) keine der runden oder vielgestalteten Muskelzellen nachweisen, womitindessen nicht gesagt sein soll, dass eine Muskelfaser, dieanihrem Stumpfe Muskelzellen prodweirt Smreht'in ihrem"weiterna"'VerlaufiaieTze: schilderte Zerspaltung eingehen kann (pag. 29). 1) Ich verweise auf diese Figur nur, um den Leser über die topographischen Verhältnisse zu orientiren; die Muskelregeneration selber ist in diesem Stadium (dritter Tag) noch nicht zu sehen. Von weiteren topographischen Zeichnungen, die viel Zeit kosten, musste ich Abstand nehmen, weil mich äussere Umstände zwangen, diese Ar- beit abzuschliessen. Zur Regeneration der Gewebe. 471 sprossen, die bis an die Sarcoblasten heranreichen. Dieser Umstand führt mich zur Besprechung der letzten Regenerations- erscheinung, die nach Neumann die einzige, nach Nau- werek die wichtigste ist: die Bildung von Knospen oder Sprossen aus den präexistirenden Muskel- fasern. Ad 4. An Präparaten vom 7.—10. Tage (Rana esculenta, Larven) finde ich zahlreiche Muskelfasern, die an dem einen, oralwärts gelegenen Ende die normale Structur fast vollständig erhalten haben, die aber am peripheren Ende sich vollständig auflösen in eine grosse Menge blasser, meist schmaler kernreicher Fortsätze. Man hat den Eindruck, als ob solche Fasern peripher in ein ganzes Büschel ausserordentlich blasser Sprossen ausein- anderflössen. In den Sprossen liegen zahlreiche Kerne, oft reihenweise, mit vielen Mitosen. Sie zeigen eine äusserst feine Längsstreifung, von Querstreifung ist nichts zu sehen. Der Zusammenhang mit den alten Fasern ist durch Heben und Senken des Tubus leicht festzustellen. Eine Verwechselung mit zerspaltenen Muskelfasern wird durch diesen Zusammenhang, durch die oft bedeutende Länge der Sprossen, sowie durch die Thatsache unmöglich, dass diese Sprossen selbst an mit Flemming’scher Mischung be- handelten Präparaten auffallend blass sind, während Spaltstücke stets einen dunklerefi Ton und kräftige Fibrillenbildung aufweisen. Es kann desshalb keinem Zweifel unterliegen, dass dies die ech- ten Neumann’schen Muskelknospen!) sind. Im Uebrigen habe ich der vortrefflichen Beschreibung dieser Gebilde bei Neu- mann und Nauwerck nichts hinzuzufügen. Die erwähnten Gebilde entsprechen den terminalen Mus- kelzellen Neumann’s, laterale, wie ich sie wenigstens der An- lage naclr bei den früher beschriebenen Siredonlarven fand, habe ich hier nicht gesehen. Es scheint, dass etwa sich ausbildende seitliche Defecte der Muskelbänder durch den Modus der Zer- spaltung alter Muskelfasern ausgeglichen werden. Ich sche darin nur einen Beleg zu der früher geäusserten Anschauung, dass die Natur um Varianten bei ihrer Arbeit nie verlegen ist und 1) Neumann, a. a. O. pag.327; Nauwerck, 2.2.0.p.37ff. 472 D. Barfurth: dass sie sich bei solchen Vorgängen dem jedesmaligen Bedürf- niss in einer uns oft räthselhaften Weise anzupassen versteht. Die terminalen Sprossen erreichen, wie schon erwähnt, zu- weilen eine bedeutende Länge, die besonders an nicht zu feinen Schnitten leicht verfolgt werden kann. Sie erstrecken sich manch- mal über einen Raum, der zwei Myomeren umfasst; dazu ist zu bemerken, dass die normaler Weise vorhandenen muskel- freien Scheidewände zwischen den Myomeren (Ligamenta intermuscularia) in dem neugebildeten Schwanzstück dieser Sta- dien noch nicht ausgebildet ist. Dieselben, sowie die deut- lich abgegrenzten Muskelbänder findet man erst in der 3. Woche. Dass nun aus diesen Muskelknospen im Laufe der Regeneration echte junge Muskelfasern werden, kann keimem Zweifel unter- liegen. Man sieht in etwas älteren Stadien die Längsstreifung kräftiger, die Fasern dicker werden und bald (Ende der 2. Woche) stellt sich Querstreifung em. Das Sarcolemm ist aber dann noch nicht vorhanden. Wie Nauwerck sehe ich gabelige Theilungen (p. 47) und seitliche Abspaltungen (p. 48) der Muskelfortsätze. Caudalwärts von den erwähnten Sprossen finde ich nun. ebenfalls wieder frei liegende, meist längliche Zellen, die ich mit Nauwerck für aus den Sprossen ausgetretene Sarcoblasten halte, weil sie in derselben Flucht liegen, weil ihre Längsachse fast stets der Längsachse des Schwanzes parallel liegt und weil sie ungewöhnlich viele Mitosen aufweisen. Diese Sarcoblasten bilden die langgestreckte Reihe von jungen Muskelfasern, die man an ältern Regenerationsstadien (12.—15. Tag) jederseits dicht am Epithel verlaufen sieht !). Hier könnte man nun gleich folgenden nicht unberechtigten Einwand erheben: Wenn die Muskelsprossen sich über einen Raum von 2 Myomeren erstrecken und sich nachher im Bereiche derselben neue Muskelbänder mit Ligg. intermuseularia bilden, so steht prin- eipiell der Auffassung nichts entgegen, dass die Sprossen immer weiter wachsen und ohne ausgetretene Sarcoblasten die neuen Myomeren bilden; die freiliegenden als Sarcoblasten gedeuteten Zellen können abgeschnittenene Theile von Muskelsprossen sein. 1) Nauwerck sah diese freien Muskelzellen in seinen Objeeten nur ausnahmsweise und konnte keine Weiterentwickelung an ihnen entdecken (pag. 48). Zur Regeneration der Gewebe. . 475 Dagegen ist zu sagen, dass sich dann bei einer Länge des rege- nerirten Stückes von etwa O,5cm auch die Sprossen un- gefähr bis zu dieser enormen Länge, d.h. über ca. 6—8 Myomeren erstrecken müssten, oder mit anderen Worten: die Sprossen müssten 6—8 mal so lang werden, wie die normale Faser. Diese Annahme wäre abenteuerlich und ist durch keine Beobachtung gestützt. Andererseits sieht man aber auch an et- was diekeren Schnitten deutlich, dass die Sarcoblasten nicht ab- geschnittene Knospentheile, sondern abgegrenzte Zellen sind. Aus den mitgetheilten Thatsachen ziehe ich den Schluss, dass bei älteren Amphibienlarven (Rana) der ursprüngliche ein- fachste Modus der Regeneration complieirter geworden ist: Die Regeneration geschieht 1) durch Längszerspaltung prä- existirender Fasern und Entwicklung dieser Theilstücke, sowie der aus ihnen freigewordenen Sarcoblasten zu jungen Mus- kelfasern; sie geschieht ferner 2) durch Bildung terminaler Sprossen (Neumann) aus den alten Muskelfasern und durch Freiwerden und Vorschieben vonSarcoblasten aus den Sprossen. Meine Beobachtungen sind, wie erwähnt, durchaus an jun- gen Thieren (Larven) gewonnen worden; es lag nicht im Plane dieser Arbeit auch erwachsene Thiere zu untersuchen. Ich kann also über den Modus der Muskelregeneration bei diesen Thieren nichts aussagen. Die grundlegenden Beobachtungen Neumann's, die mit Unrecht so viel angefochten sind, und die sorgfältige ex- perimentelle Untersuchung vonNauwerck liefern hier eine will- kommene Ergänzung. Man wird mit mir den Eindruck bekom- men, dass im Prineip die Vorgänge der Regeneration bei ganz jungen und bei erwachsenen Thieren nicht mehr von einander verschieden sind als es die embryonale und die postembryonale physiologische Entwiekelung der Muskelfasern sind. Nauwerck hat mit Recht auf die werthvolle Arbeit von Felix hingewiesen und „in dem Regenerationsvorgang an der Muskulatur des er- wachsenen Thieres nach Verletzungen die wesentlichen Grundzüge der embryonalen* — (ich hätte hier lieber gesagt postembryo- nalen) — „Entwickelung wieder zu erkennen“ geglaubt (p. 53). Hält man nun Fraisse’s und meine Befunde bei ganz jun- gen und jungen Thieren mit denen zusammen, die von zahlreichen Forschern (0. Weber, Kraske, Neumann, Nauwerck, 474 DB amzinemich®e Leven, Zaborowski u.a.) an erwachsenen Thieren gefunden wurden, so ergiebt sich folgendes. I. Bei ganz jungen Amphibienlarven (Siredon) sind die Degenerationserscheinungen an den angeschnittenen Muskelfasern gering: schollige Zerklüftung, Resorption. Die Regeneration er- folgt durch Wucherung und Vorschieben von Muskelkörperchen, wobei knospenähnliche terminale und laterale Bildungen auftreten. Die vorgeschobenen Muskelzellen (Sarcoblasten) entwickeln sich grösstentheils nach embryonalem Typus (F. E. Schulze) zu neuen Muskelfasern (Weber, Kraske, Leven, Zabo- rowski). II. Bei älteren Larven (Rana) und erwachsenen Thieren (Kaninchen) sind alle Erscheinungen complieirter. Man kann unterscheiden : AuDezeneratlivervorsanze. I. Scholliger Zerfall angeschnittener Muskelfasern und ab- gerissener Bruchstücke quergestreifter Substanz; als Begleiterschei- nungen die Anhäufung von Wanderzellen und Bildung von Riesen- zellen. 2. Atrophische Wucherung der Kerne in den Muskel- körperchen degenerirender Muskelfasern, Zerfall der quergestreif- ten Substanz zu Sarcolyten, blasige Entartung, Verfettung und einfache Atrophie der Muskelsubstanz (Nauwerck), Bildung von „Muskelzellenschläuchen* (Waldeyer) und von bald absterbenden Sarcoblasten. B. Regenerative Vorgänge. 1. Längsspaltung von Muskelfasern mit Kernwucherung der Muskelkörperchen nach postembryonalem Entwicklungstypus (Weismann, Kölliker, Felix). Bildung schmaler Bänder, bandförmiger Platten, Auftreten von Spindelzellen und Sarco- blasten. 2. Bildung kernhaltiger Sprossen (Neumann, Nau- werck, Sokolow ete.) an präexistirenden Muskelfasern. Die- selben entwickeln sich zu jungen Muskelfasern und erzeugen durch Kernvermehrung Sarcoblasten, die sich peripher ebenfalls zu neuen Primitivbündeln ausbilden. Ich habe in dieser gedrängten Zusammenstellung natürlich nicht die Differenzen in der Anschauung der Beobachter einfügen Zur Regeneration der Gewebe. 475 können. Es stehen sich hier im wesentlichen zwei Richtungen: Neumann-Nauwercek und Weber-Kraske gegenüber. Nachdem die Angaben Neumann’s durch Nauwerck in man- chen Punkten ergänzt und modifieirt sind und Neumann!) sieh der Nauwerck’sehen Darstellung wohl anschliessen wird, so erscheinen einige Gegensätze nicht. mehr so ganz unversöhnlich wie früher. Die Bildung von Muskelzellen, Sarcoblasten, aus den Muskelkörperchen der präexistirenden Fasern ist im Prineip von beiden Parteien anerkannt; Neumann-Nauwerck lassen dieselben untergehen oder sich nur in geringem Maasse an der Neubildung von Muskelfasern betheiligen, Weber-Kraske sehen in ihnen die Elemente, aus denen allein ?) die Neubildung erfolgt. Die Längszerspaltung sehen ebenfalls beide Parteien; Weber-Kraske lassen diese erst Halt machen bei der voll- ständigen Auflösung der alten Faser in Sarcoblasten und lassen wieder nur aus diesen die neuen Muskelfasern entstehen; nach Neumann-Nauwerck geht die Zerspaltung bis zu Bändern, Spindelzelleneomplexen und Spindelzellen, nur in wenigen Fällen können Sarcoblasten frei werden; die genannten Spaltungsprodukte regeneriren sich zu neuen Muskelfasern. Unlösbar ist aber der Widerspruch in Bezug auf die Neu- mann’schen Muskelknospen, von denen Kraske nicht zugiebt, dass sie wirkliche Auswüchse seien und als solche weiter wach- sen, während Neumann-Nauwercek gerade das Hervorsprossen aus den alten Muskelfasern betonen und ihnen die Hauptrolle bei der Neubildung von Muskelfasern erwachsener Thiere zuschreiben. Mir scheinen meine Untersuchungen an Amphibienlarven insofern eine Lücke auszufüllen, als sich der Zusammenhang der Regenerationserscheinungen mit den embryonalen und postembryo- nalen Entwickelungsvorgängen jetzt besser übersehen lässt. Die- sen Zusammenhang will ich durch folgende Sätze ins Licht zu stellen suchen. I. Primäre Entwickelung der Muskelfasern aus einzel- nen Zellen der Ursegmente, die den Sarcoblasten morphologisch gleichwerthig sind; ihr entspricht der erste und einfachste 1) Vgl. die Aeusserung Nauwerck’s pag.15 u. 32. 2) Auf kleinere Abweichungen der Weber’schen Lehre gehe ich hierbei nicht ein. 476 DB anfkumicche: Modus der Regeneration bei ganz jungen Larven: nach mi- totischer Vermehrung der Muskelkörperchen treten einzelne (Sar- coblasten) unter knospenähnlichen Bildungen aus dem Verbande der Mutterfaser heraus, rücken vor und bilden junge Muskel- fasern. I. Postembryonale Entwickelung der Muskelfasern aus Sarcoblasten, durch Längstheilung alter Muskel- fasern, sowie durch Längen- und Diekenwachsthum der einzelnen Fasern !). Diesem Uebergangsstadium entspricht die Regeneration bei ältern Larven (Rana) und bei erwachsenen Thieren (N au- werck)?): Die Neubildung geschieht durch Spaltungsprodukte und Knospen präexistirender Muskelfasern, ausserdem aber durch Sarcoblasten, die sich bei diesen Vorgängen frei machen. III. Postembryonale Neubildung von Muskelfasern nur durch Längstheilung (Felix)!) vorhandener Fasern. Ihr ent- sprechen die bei der Regeneration älterer Larven und erwachsener Thiere vorkommenden „Spaltungen und Abfurchungen“, die wie in dem vorher besprochenen Stadium zur Neubildung von Mus- kelfasern Veranlassung geben. Dieses Stadium unterscheidet sich also von dem vorigen wesentlich dadurch, dass weder bei der physiologischen Neubildung (Felix), noch bei der Re- generation (Nauwerck) eine Bildung von Muskelfasern aus Muskelzellen (Sarcoblasten) vorkommt. 1) Felix, a. a. O. pag.255ff. „Bei Tritonenlarven oder Frosch- larven überwiegt in der ersten Zeit die Neubildung nach embryonalem Typus bei weitem diejenige durch Längstheilung, man sieht in der Peripherie der Muskeln ungemein zahlreiche spindelförmige Muskel- fasern mit ein oder zwei Kernen, während man Mühe hat, Kernreihen- fasern zu finden.“ Im dritten Monat (Homo) tritt ein Stillstand in der Vermehrung der Fasern ein, der „zum Längen- und Diekenwachsthum der einzelnen Fasern benutzt wird“ (pag. 256). „Von einer bestimmten Grenze an, die zwischen der Mitte des dritten Monats und dem vierten Monat liegen muss, beginnt wieder eine Vermehrung der Faserzahl, diesmal nur durch Theilung der vorhandenen Fasern. Von dieser Grenze an scheint die Vermehrung der Faserzahl immer durch Längs- theilung der vorhandenen Fasern stattzufinden (pag. 256). 2) Nauwerck, a.a. O. pag.53—54. Es ist hierzu ausdrück- lich zu bemerken, dass Nauwerck überhaupt eine Entwickelung neuer Muskelfasern aus muskulären Bildungszellen (Sarcoblasten) nicht anerkennt. Zur Regeneration der Gewebe. 477 Zum Schluss noch einige allgemeine Bemerkungen. Ich habe das Kapitel der Kerntheilungen, welches besonders von den andern neueren Beobachtern so sorgfältig erörtert wird, wenig berührt. Das letzte Wort über das Arnold’sche Kern- theilungsschema ist noch nicht gesprochen. Bis wir in den Ar- nold’schen Befunden die Degeneration von der physiologisch- regenerativen sicher unterscheiden können, bedarf es noch vieler Untersuchungen an normalen Objecten. Bis dahin bin ich mit Pfitzner, Krafft u. a. der Ansicht, dass sicherlich viele der Arnold’schen Kerntheilungserscheinungen auf Rückbildung beruhen. Bilder, wie sie z.B. Zaborowski in Fig. 1,a, b darstellt, habe ich bei meinen Studien öfter gesehen, aber als Degenerationserschemungen aufgefasst: es möchte auch Zabo- rowski schwer werden, die „indireete Fragmentirung“ von Mus- kelkernen in Fig. la von dem „Zerfall“ in Fig. 1b zu unter- scheiden. Andererseits habe ich bei meinen Objecten an den entscheidenden Stellen so viele typische Mitosen gefunden, dass ieh auch für die Regeneration der quergestreiften Muskeln, wie für die der übrigen Gewebe die mi- totischeKern- und Zelltheilung als den normalen Modus ansehe. Ich bin mir wohl bewusst, dass meine Untersuchungen lückenhaft sind; andererseits bin ich aber überzeugt, dass Fraisse und ich den richtigen Weg, den vergleichend- anatomischen und entwicklungsgeschichtliehen, zur Untersuchung der Muskelregeneration eingeschlagen haben. Köllikert) undHertwig?) empfehlen übereinstimmend Amphi- bienlarven zum Studium der Entwickelungsgeschichte des Muskel- gewebes; die bisherigen Arbeiten über Muskelregeneration sind aber fast alle an Säugethieren (Ratte, Kaninchen ete.) ausgeführt worden, und ich erkläre mir aus diesem Umstande die Thatsache, dass eine ungeheure Menge von Fleiss und Arbeit diesem Gegen- stande geopfert wurde, ohne dass dabei eine Einigung über viele prineipiell wichtige Dinge erzielt werden konnte. Eine dieser prineipiell wichtigen Fragen ist nach meiner Ansieht schon durch die neuere vergleichend-embryologische und 1) Kölliker, Gewebelehre, 6. Aufl., 1889, I. Bd., pag. 402. 2) Hertwig, Entwickelungsgeschichte, 3. Aufl., 1890, pag. 291. 478 DeBarkueth: und biologische Forschung erledigt worden, nämlich die Frage, ob bei der Muskelregeneration die Kerne oder das Proto- plasma bez. die quergestreifte Substanz alsmodi- fieirtes Protoplasma die Hauptrolle spielen. Dass diese Frage zu Gunsten der Kerne entschieden werden muss, geht aus folgenden Thatsachen hervor: 1. Die ganze neuere durch O. Hertwig, Auerbach, Bütsehli, van Beneden, Strasburger u.a. begründete Befruchtungslehre fusst auf der Thatsache, dass der Kern das eigentliche Befruchtungs- und Vererbungsorgan der Zelle ist. 2. Durch die Untersuchungen von Nussbaum, Gruber, Schmitz, Klebs u. a. an einzelligen Thieren und Pflanzen ist este worden, dass kernlose Pr © nicht lebensfähig sind. aut Die yehsiche von Nussbaum, Gruber und Ver- worn an einzelligen Thieren haben ergeben, dass die Regene- ration gewisser abgeschnittener Theile (Wimper, Schalenstücke) ohne Anwesenheit eines Kernes un- möglich ist. Diese Anschauung scheinen übrigens die meisten neueren Bearbeiter der Muskelregeneration zu hegen, auch die Haupt- vertreter der Knospentheorie. Zaborowski sagt zwar: „Die Einen, wie C.O. Weber, C.E.E.Hoffmann und P.Kraske finden den Ursprung der jungen Muskelfasern mn den Muskel- kernen.... Andere, wie Neumann, C.A.Dagott, Lüde- king und neuerdings Perroneito dagegen verlegen den Ur- sprung der neuen Fasern in die contractile Substanz* (p- 5). Dem gegenüber muss ich doch darauf hinweisen, dass sowohl Neumann wie Nauwerck das Vorhandensein und die Wirksamkeit der Kerne in den Muskelknospen sehr bestimmt hervorheben. So fält Neumann „ein grosser Kernreichthum auf, die Kerne erscheinen häufig in so grosser Zahl von den alten Fasertheilen aus in die Fortsätze derselben vorgeschoben, dass diese von ihnen bisweilen fast bis zur Spitze hin erfüllt sind“ (Neumann, a.a.O.p. 328). Und Nauwerck betont, „dass an den beiden Enden der Muskelfortsätze ein sehr lebhaftes Wachsthum in die Länge, gegen die Narbe hin, stattfindet, wel- ches mit einer erheblichen Protoplasmaanhäufung und einer ent- sprechenden Kernproliferation einhergeht (Nauwerck, Zur Regeneration der Gewebe. 479 a.a.0.p. 41). Den wesentlichen Unterschied zwischen der Weber-Kraske’schen Sareoblastentheorie und der Knospentheorie von Neumann-Nauwerck habe ich früher schon hervor- gehoben. Besprechung und Zusammenfassung der Ergebnisse. Bei meinen Untersuchungen ergab sich, dass der Zeit nach die Regeneration der Gewebe bei den Amphibien in fol- gender Reihenfolge verläuft: 1. Epidermis; 2. Rückenmark; 3. Chorda und Knorpelstab; 4. Bindegewebe, Cutis, Gefässe; 5. Quergestreifte Muskulatur und fast gleichzeitig peripheres Nerven- system. Man sieht, dass diese Reihenfolge im Prineip derjenigen entspricht, die wir auch bei der embryonalen Entwickelung finden. Dieses Zusammentreffen kann wohl nicht zufällig sein, sondern muss einen innern Grund haben und dieser kann nur in der speeifischen Qualität der Gewebe liegen: die einfachen Gewebe werden schneller regenerirt, die höher differenzirten langsamer!). Dieser Grundsatz tritt be- sonders schlagend hervor bei der Regeneration der Epidermis: die gewöhnlichen Epithelzellen werden sehr schnell regenerirt, die aus ihnen hervorgehenden eomplieirteren Leydig’schen Zellen und Sinneszellen differenziren sich viel später (Fraisse). Es ergab sich ferner, dass dem Modus nach bei der Re- generation ebenfalls im Prineip die Entwickelung wieder- holt wird. Dieser Satz bedarf jedoch nach meinen Untersuchungen in- sofern einer Erläuterung, als nicht gerade immer die primäre 1) Podwyssozki, A. jun. (Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der Drüsenepithelien unter physiologischen und pathologischen Redingungen. Fortschritte der Medicin. Bd. 5, 1887) kam zu einem gleichen Ergebniss in Bezug auf die Drüsenzellen; nach ihm „steht die Schnelligkeit in Bezug auf den Beginn der rege- nerativen Erscheinungen an den Drüsenzellen, sowie im allgemeinen die Intensität und Fähigkeit zur Fortpflanzung, resp. zur Regeneration von verschiedenen Drüsenzellenarten in einem umgekehrten Verhält- niss zur physiologischen Differenzirung oder zur Complieirtheit ihrer secretorischen Function“. Jahresbericht von Hermann u. Schwalbe, 1887, pag. 577. 480 D+ Bar Punch: Entwiekelung ganz rein wieder in die Erscheinung tritt, sondern auch die etwas modifieirte postembryonale Entwickelung (Wachsthum und physiologische Regeneration) eine Rolle spielen kann. Richtiger würde der Satz desshalb nach meiner Ansicht in folgender Fassung sen: die Art der Regenerationist abhängig vom jeweiligen Entwickelungsstadium des Versuchsthieres und wiederholt im allgemei- nen die diesem Stadiumentsprechendennormalen Entwickelungsvorgänge. Eine freie Zell- und Kernbildung habe ich bei der Regene- ration nicht gefunden. Die Kerntheilungen verlaufen nach der typischen Karyo- kinese. Alle Gewebsarten im Amphibienschwanz besitzen die Fähig- keit sich zu regeneriren (Fraisse). Jedes Gewebe kann nur gleichartiges Gewebe wieder er- zeugen (Fraisse). Alle Regenerationen gehen in letzter Instanz aus von den Kernen der präexistirenden Gewebselemente; das Protoplasma spielt nur eine untergeordnete Rolle (Deckung eines Epitheldefeets durch Verlagerung [Klebs, Peters], Bildung von Knospen bei der Muskelregeneration [Neumann, Nauwerck]). Das Auftreten der Leukocyten bei der Regeneration ist eine Begleiterscheinung; sie spielen bei der Regeneration keine Rolle). Bei der Rückbildung betheiligen sie sich in untergeordnetem Maasse als „Phagoeyten“, zerfallen aber bald selber. Ihre Zer- fallsprodukte gelangen in die Lymphbahnen oder werden direet zur Ernährung anderer Zellen verwandt. Aus Fraisse’s und meinen Untersuchungen ergiebt sich ein starker Beweis für die Speeifieität der Gewebe. Kölliker?) hat ganz Recht, wenn er meint, dass die Elemente der fertigen Gewebe das Vermögen, andere Gewebe zu bilden, eingebüsst haben. Es ist hier der Ort, der schon erwähnten grundlegenden 1) Ribbert (Ueber Regeneration und Entzündung der Lymph- drüsen. Ziegler’s Beiträge etc. 6.Bd.) wies nach, dass die Lymph- zellen nicht einmal bei der Regeneration der Lymphdrüsen mitwirken; sie geht von den Endothelien und fixen Reticulumzellen aus (pag. 206). 2) Kölliker, Die embryonalen Keimblätter und die Gewebe. Zeitschrift für wiss. Zool., 40. Bd., pag. 179 ff. (pag. 211). Zur Regeneration der Gewebe. 481 Versuche Roux’s!) über künstliche Erzeugung halber Embryonen und der von ihm entdeckten Postgeneration zu gedenken, um die Beziehung der letzteren zur Entwickelung und Regene- ration feststellen zu können. Roux gelangte zu folgenden Er- gebnissen: Jede der beiden ersten Furchungskugeln vermag sich unab- hängig von der andern zu entwickeln und bildet ihre entsprechende (rechte oder linke) Körperhälfte (p. 25ff). . Nach Zerstörung einer der beiden ersten Furchungszellen vermag die andere sich auf dem normalen Wege zu einem im Wesentlichen normalen halben Embryo zu entwickeln (Semi- morula, Semiblastula, Semigastrula, Hemiembryo, p. 85, p. 13 ff.). Die durch die Operation ihrer Entwickelungsfähigkeit be- raubte Furchungszelle kann allmählich wieder belebt werden. Dies geschieht zum Theil dadurch, dass das noch vorhandene Dottermaterial mit Kernen, die von dem Furchungskern der operirten Zelle stammen, wieder belebt und direct ver- wendet wird; zum andern Theil aber dadurch, dass eine grössere Anzahl von Zellkernen (nebst Protoplasma? [Roux]) aus der normal entwickelten Eihälfte in die operirte Furchungskugel übertritt (p. 8, p. 43 ft.). Dieser Reorganisation der operirten Eihälfte schliesst sich eine nachträglicheEntwickelung, Postgeneration, an, die den fehlenden Hemiembryo vollkommen herstellen kann (p- 86). Die Postgeneration unterscheidet sich von der primären Entwiekelung wesentlich dadurch, dass sie nicht durch selbst- ständige erste Anlage der Keimblätter vor sich geht, sondern dass sievondenbereitsinderentwickeltenHälfte gebildeten Keimblättern aus stattfindet (p. 86). Sie unterscheidet sich ferner von der gewöhnlichen Rege- neration, dadurch, dass bei dieser die verletzten Gewebe sich nur aus den Nachkommen ihrer eigenen Elemente regeneriren, während bei der Postgeneration das Zellmaterial nicht von den Elementen des sich postgenerirenden Blattes ab- stammt, sondern, wie schon erwähnt, zum Theil vom Material der operirten Eihälfte, zum Theil durch nur an zufälligen Stellen 1) Roux, a. a. O. Virchow’s Archiv, 114. Bd. Ich eitire die Seitenzahl nach dem Separatabdruck und hebe nur die wichtigsten, für meine Zwecke speciell verwerthbaren Resultate hervor. 482 D. Barfurth: aus der primär entwickelten Hälfte übergetretenen Kernmaterial (p. 79). „Eine wichtige UVUebereinstimmung zwischen Postgeneration und Regeneration spricht sichje- doch darin aus, dass beide nur von den schon prä existirenden Gewebsschichten und nur nach Her- stellung von Unterbrechungsflächen vor sieh sehen“ (p. 79). Hiernach wird man verstehen, wesshalb ich mit Roux (p. 80) überzeugt bin, dass „die erwähnten Verschiedenheiten der Postgeneration von der Regeneration und beider von der normalen Entwiekelung nieht m dem Sinne aufzufassen sind, dass bei der Post- und Regeneration wesentlich neue, bei der normalen Ent- wickelung nicht vorkommende Bildungsvorgänge stattfinden“; son- dern wir dürfen „vermuthen, dass die Nachbildung und die Wiederbildung in der Art ihrer Vorgänge bloss unter minimalen, durch den Character des Ersatzes fehlen- der Theile von der Abgrenzungsfläche des Defectes aus beding- ten, Abweichungen vondernormalen Entwickelung sich vollziehen, während im Uebrigen die Grundvorgänge dieselben seien.“ Was nun speciell die Regeneration der Gewebe nach traumatischen Eingriffen anbetrifft, so möchte ich noch auf Vor- gänge hinweisen, die den Regenerationserscheinungen nicht nur durchaus verwandt, sondern nach meiner Meinung in gewissem Sinne sogar gleichartig sind; ich meine die Vorgänge beim postembryonalen Wachsthum und der „physiologischen“ Regeneration. Ich bin mit vielen, vielleicht gar allen Histologen, der Mei- nung, dass die Gewebselemente nicht so lange leben, wie das Individuum, welches sie zusammensetzen, sondern dass, sich Wer- den und Vergehen bei ihnen in einem zeitlich begrenzteren Cyelus abspielen. Obgleich unsere Kenntnisse in diesem Punkte noch sehr lückenhaft sind, wissen wir doch von manchen Geweben (Epi- dermis, quergestreifte Muskulatur, Capillaren, periphere Nerven, Drüsenzellen) schon mit Sicherheit, dass in ihnen fortwährend Untergang und Neubildung stattfindet. Man pflegt diese Neubil- dung als physiologische von der nach Verletzungen erfol- genden pathologischen zu unterscheiden. Vergleicht man aber Zur Regeneration der Gewebe. 483 die Vorgänge genauer, so wird man mit mir zu der Ueberzeugung kommen, dass prineipielle Unterschiede nicht vorliegen, son- dern dass die „pathologische“ Regeneration nur eine gesteigerte „physiologische“ ist. Die Unter- schiede sind bedingt durch die Herstellung einer „Unterbreehungs- fläche“ (Roux) und den hierdurch erzeugten „Wundreiz“. Diese beiden Umstände zwingen die Gewebe zur höchsten Entfaltung ihrer regenerativen Potenz, und desshalb verlaufen Rückbildung und Neubildung schneller und in grösserem Umfange als bei der physiologischen Regeneration. Von diesem Gesichtspunkte aus wird die öfter hervorgehobene Thatsache verständlich, dass M o- dus undProduetderRegenerationvon den jeweili- gen Entwiekelungsstadien abhängig sind. So re- generirt z. B. die Chorda das specifische hyaline Chordagewebe nur solange, als sieauchnormaler (physiologischer) Weise diese Elemente zu bilden im Standeist; späterbedingtdasfortgeschrittene Entwiekelungsstadium die Regeneration des Chordastabes. Ganz entsprechende Verhältnisse finden wir in Bezug auf Knorpelstab und Skelet, sowie bei der Regeneration der quergestreiften Muskulatur. Nauwerck!) hatte desshalb ganz Recht, wenn er auf Grund seiner Befunde an erwachsenen Säugethieren die Muskelregeneration nicht ohne Weiteres mit der primären, sondern mit der postembryonalen Ent- wiekelung (Wachsthum, Felix) parallelisirtte.e Nimmt man dazu meine Resultate über die Muskelregeneration bei ganz jun- gen Amphibienlarven, die nach Analogie der primären Ent- wickelung verläuft, so finden wir den oben festgestellten Satz bestätigt, dass Modus und Product der Regeneration von dem gerade vorliegenden Entwickelungsstadium abhängig sind. Ich stelle jetzt die wesentlichsten Ergebnisse meiner Unter- suchung zusammen. e 1) Alle Gewebsarten der Amphibienlarven be- sitzen die Fähigkeit sich zu regeneriren (Fraisse). 2) JedesGewebe kann nur gleichartigesGewebe wieder erzeugen (Fraisse). 1) Nauwerck, a. a. O. pag. 53. 484 %) IR Sr 9) 10) D. Barfurth: Alle Regenerationen gehen aus von den prä- existirenden Elementen (Fraisse); die Kerne spielen dabei die Hauptrolle. Die regenerativen Kerntheilungen verlaufen nach der typischen Karyokinese. | Die Leukocyten spielen bei den Regenera- tionen selber keine Rolle. Die „pathologische“ Gewebsregenerationist eine gesteigerte und durch Herstellung einer Unterbrechungsfläche(Roux)modifieirte „phy- siologische* Regeneration. Die Art der Regeneration ist abhängig-vom jeweiligen Entwickelungsstadium und wie- derholt im allgemeinen die diesem Stadium entsprechenden normalen Entwickelungsvor- gänge. DieGrundvorgängebei der „Postgeneration“, derRegeneration unddernormalenEntwicke- lung (Wachsthum) sind dieselben (Roux). Die einfachen Gewebe werden schneller re- siemerirt als »dies,höhen.differenzirten;r dies ist eineAnalogie zu der Thatsache, dassauch bei der ersten Entwickelung die primitiven Gewebe (Epithelien) früher ausgebildet sind, als die complicirten (quergestreifte Musku- latur). Dem entsprechend wird bei der zeitlichen Aufeinanderfolge der Regeneration der Ge- webe die primäre Entwickelung im allgemei- nen wiederholt. DieGewebe regenerirensich indieseri/keihenfolge: a) Epidermis.DerersteEpithelbelagder Wund- fläche wird von den restirenden Epithel- zellen der Wundränder durch einfache Ver- schiebung (Klebs, A. Peters) geliefert. Spä- ter. erstobeginnt.dieweigentiliche,Repene- ration durch mitotische Theilung der prä- existirenden Epithelzellen an der Schnitt- grenze. Zur Regeneration der Gewebe. 485 b) Rückenmark. Der angeschnittene Central kanal wird provisorisch durch amöboide Kortsätze der präexistirenden Meduüllar- rohr-Epithelien verschlossen. Nach etwa 2 Tagen erfolgt die eigentliche Regene- ration auf mitotischem Wege von den Epi- thelien der Schnittgrenze aus. Der Druck des Liquor gerebrospinalis baucht die zu- erst wenig widerstandsfähige Wandkolben- artig nach Analogie eines Sinus caudalis (W. Krause) vor: ec) Chorda und Knorpelstab. ı5 Die’ Chordiarriegenerirt sich nieht nur bei anuren, sondern auch bei urodelen Amphibien. 22 Die Reseneration’geht, ausıvon.den zu- rückgebliebenen, Chorda-Epithelzellen (Fraisse). 3. DieUmwandlungderneugebildetenChorda- zellen inserosse hyalıne Zellen ,(„Eächer desGallertkörpers“, Götte) geschieht nur beisehrjungenThieren(Siredon)undauch hier’nurin den ersten Stadien, der Rege- neration. Später wandeln sie sich zum „Chordastab“ um. 4. EtwasältereLarven vonSiredon und von Tritonsehondiejüngsten Stadien (Fraisse) regenerirendenChordastab(Knorpelstab, HKraisse, knorpeliger Endstab,nRlesch), der nach meiner Auffassung dem echten Chordagewebe isogenetisch ist. 5. NochältereLarven, bei denen das skeleto- sene Gewebe um die Chorda schon überall entwiekelt ist, regeneriren aus skeleto- genem undChordagewebe(Chordaepithel) den Knorpelstab (H. Müller, Fraisse). Es.ergiebt sich also für dieRegeneration der Chorda und desSkelets (Knorpelstab) dasseingsche Gesetz dass die,Art der Re generation durchaus abhängig istvomje- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 32 (er) 486 DD: Barturth: weiligenEntwiekelungsstadium des Stütz- apparates (Chorda und skeletogenes Ge- webe). d) Bindegewebe, Cutis und Capillaren. Die Elemente des Bindegewebes und der Cutis regeneriren sich vom entsprechendenresti- renden Gewebe auf dem Wege der mito- tischen Kerntheilung. Die Capillaren ent- stehen dureh Sprossenbildung von den prä- existirendenEndothelienundnachfolgende Canalisırung (Arnold #Ziegkerit Rouge Mayer, Bobritzki, Fraisse, Kölliker ete.). QuergestreifteMuskulatur. DerModusihrer Regeneration ist abhängig vom Entwicke- lungsstadium des Versuchsthieres. Die Be- ziehung zwischen Regeneration und Ent- wieklung ergibt sieh ausfolgenden Sätzen: 1. Primäre Entwickelung der Muskelfasern aus einzelnen Zellen der Ursegmente, die den Sareoblasten (Klebs) gleichwerthig sind. Ihr entspricht. der 'erstesundsem- fachsteModus der Regeneration bei ganz jungenLarven: nach mitotischer Vermeh- rung der Muskelkörperchen treten ein- zelne (Sareoblasten) unter knospenähn- lichen Bildungen aus dem Verbande der Muskelfaser heraus, rücken vor und bil- den junge Muskelfasern. 2. Postembryonale Entwickelung der Mus- kelfasernausSarcoblasten, durch Längs- theilung aller Muskelfasern, sowiedurch Längen- und Dieckenwachsthum der ein- zelnen Fasern (Felix). Diesem VUeber- gangsstadium entspricht die Regenera- tion bei älteren Larven (Amphibien) und bei erwachsenen Thieren (Säuger, Nau- werek): Die Neubildung geschieht durch Spaltungsprodukte und Knospen präexi- stirender Muskelfasern (Neumann, Nau- x Zur Regeneration der Gewebe. 487 wercek), ausserdem aber durch Sareco- blasten, die sich bei diesen Vorgängen frei machen. Postembryonale Neubildung von Muskel fasern nur durch Längstheilung vorhan- denerFasern (Felix). Ihr entsprechen die beider Regeneration älterer Larven und erwachsenerThierevorkommenden,„Spal tungen und Abfurehungen“ (Nauwerck), die wiein dem vorher besprochenen Sta- dium, zur Neubildung von Muskelfasern Veranlassung” geben. Dieses, Stadium unterscheidet sich also von dem vorigen wesentlich dadurch, dass weder bei der physiologischen Neubildung (Felix), noch bei der Regeneration (Nauwerck) eine Bildung von Muskelfasern aus Muskel- zellen (Sarecoblasten) vorkommt. t) Peripheres Nervensystem. Angeschnittene Ganelien und’Nerven regenerirensich auf mitotischem Wege aus den restirenden Ele- menven, die. Axeneylinderreseneriren sich durch centrifugales Auswachsen der cen- tralen Stümpfe nach Analogie der primä- ren Bildung (His). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI—-XXIV. Die in Fig. 1—12 dargestellten Froschlarven sind in natürlicher Grösse photographirt und dann nach der Photographie lithographirt worden. Sie veranschaulichen die Wirkung der Schwimmfunetion auf die Streckung des schief regenerirten Schwanzendes. 09 de ug ug 08 er 1—3. Rana esculenta, Nichtschwimmer. 4—6. Rana esculenta, Schwimmer. . 7,9, 11. Rana fusca, Nichtschwimmer. . 8, 10, 12. Rana fusca, Schwimmer. . 13. Triton taeniatus.. Der Schwanz ist in der Zeichnung zur Seite gedreht, um das schief regenerirte Schwanzende zu zeigen. ab Schnittrichtung. 488 Fig. Fig. Fig. D. Barturth: 14—16 veranschaulichen an Froschlarvenschwänzen bei Loupen- vergrösserung, wie die Regeneration bei verschiedener Schnitt- richtung erfolgt. Es bedeutet immer ab die Schnittrichtung, od die Axe des alten, oc die Axe des regenerirten Schwanz- stückes; / aoc mag kurz als Regenerationswinkel, / cod als Streckungswinkel bezeichnet werden. 14. Gerade regenerirtes Schwanzende einer Larve von Rana fusca. Der Regenerationswinkel aoc beträgt 90% der Streckungs- winkel cod 1809. 5. Schief unten regenerirtes Schwanzende einer Larve von Rana fusca. Regenerationswinkel = R, der Streckungswinkel ist ein stumpfer Winkel. . 16. Schief oben regenerirtes Schwanzende einer Larve von Rana fusca. Regenerationswinkel = R, Streckungswinkel stumpf. . 17—19. Querschnitte durch den regenerirten Schwanz von Triton ceristatus (Larve). Sechster Tag der Regeneration; Temperatur 170C.; Länge des Regenerationsstückes 4,5 mm. Vom Schwanz- ende an findet man am weitesten vorgeschritten das Rücken- mark (36. Schnitt), dann den Knorpelstab (50. Schnitt), dann erst Wirbelbogen und Musculatur (81. Schnitt). Da man im normalen Schwanzende das Rückenmark im zehnten Schnitt, „Knorpelstab* und Wirbelbogen schon im sechsten Schnitt findet, so ergiebt sich, dass bei der Regene- ration das Rückenmark einen bedeutenden Vorsprung hat; später erst wachsen die andern Organe schneller und schliess- lich über das Rückenmark hinaus. Flemming’sche Mischung. Winkel, Oc. 2, Obj. 4. 17. 81. Schnitt des oben beschriebenen Präparats, 1,22 mm vom Schwanzende. de Drüsen der Cutis, de Drüsen der Epidermis, m Muskeln, r Rückenmark, K Knorpelstab, & Gefässe, wb Wirbelbogen (oberer Bogen, Neuralbogen), n Nervenbündel. .. 18. 50. Schnitt desselben Präparats, 0,75 mm vom Schwanzende. de Drüsen der Epidermis, r Rückenmark, K Knorpelstab. g. 19. 36. Schnitt desselben Präparats, 0,54mm vom Schwanzende. de Drüsen der Epidermis, r Rückenmark. £. 20. Regenerirtes Rückenmark von Rana esculenta. Dritter Tag der Regeneration; 15,50 C.; Länge des Regenerationsstücks 0,2mm. Das Medullarrohr ist noch nicht ganz geschlossen, die amöboiden Zellen az suchen Fühlung mit den benach- barten Zellen, um die Verbindung herzustellen und den Ab- schluss des Rohres zu vollenden. Der Druck des Liquor cere- brospinalis verursacht die Ausbauchung des untern Theils des Rohres. kz Körnchenzelle (mit glänzenden Körnern gefüllte Wanderzelle). — Flemming, Hämatoxylin. Winkel, Oc. 2, Obj. 8. DE Fi 7 a 5 Zur Regeneration der Gewebe. 489 Regenerirtes Rückenmark einer Larve von Triton eristatus. Sechster Tag der Regeneration. Temperatur 17%. Länge des Regenerationsstückes 3,2mm. s Schnittlänge, an welcher sich die meisten Mitosen finden. le Leukocyten im caudalen er- weiterten Theil des Centraleanals und aussen an den Zellen desselben. f Fetttröpfchen, durch fettig degenerirte Leuko- eyten entstanden. — Flemming, Winkel, Oc. 2, Obj. 8. Medianschnitt durch den regenerirten Schwanz einer Larve von R. esculenta; drei Tage regenerirt; 170 C.; Regenera- tionsstück 0,2mm lang. ch Chorda dorsalis. Sie ist nach dem Schnitt durch ihre Elastieität etwas zurückgeschnurrt und ihre Scheide (s) bildet deshalb ringsherum einen gekräuselten Wulst. Die Epidermis (e) hat den ganzen Stumpf schon über- zogen und bildet in der Nähe der Chorda zur Ausgleichung des Defects einen ringförmigen Wulst. ce Chordaepithel, n Nervenfasern, & Gefäss, m, m/ alte Muskeln, r Rücken- mark. Das Medullarrohr ist schon ganz geschlossen, die cau- dale Erweiterung sehr auffallend. — Flemming, Hämato- xylin. Winkel, Oc. 2, Obj. 4. Fig. 23a. Normales Chordaende einer 0,8cm langen Larve von Triton taeniatus. Flemming’s Mischung, Borax-Carmin. Median- schnitt. Leitz 4, Oe. 1. chz letzte hyaline Chordazelle vor dem Chordastab, chz’ helle (hyaline?) Zelle im Chordastab, che Chordaepithel, ich innere Chordascheide, zm Zelle mit deutlicher Membran, „dichte Grenzschicht* (Strasser), zp protoplasmatische Zellen ohne deutliche Zellgrenzen. Fig. 23b. Regenerirtes Chordaende von Triton taeniatus, Larve oO ’ e} Fig. 25. 0,8cm lang, Vorderglieder vorhanden, 6 Tage bei 20° C. re- generirt. Flemming’s Mischung, Eosin-Hämatoxylin. g Schnitt- grenze, sonst alles wie in 23a. Junge Muskelzellen (Sarcoblasten): a ohne Fibrillen, b mit einer Fibrille, e mit zwei Fibrillen und beginnender Quer- streiffung. Bei b ist der Kern bei der Karyokinese fast ganz aus dem Protoplasma herausgetreten. Aus einem Fron- talschnitt durch den regenerirten Schwanz einer Larve von Rana esculenta, 8 Tage regenerirt bei 16° C.; Länge des Re- generationsstückes 3,5 mm. Flemming, Hämatoxylin. Winkel, Oc. 4, Obj. 10. Aus demselben Präparat. Gruppe von Ganglienzellen (g) mit einem Nervenbündel. mn Mitose einer Nervenzelle (in der Nervenfaser), mg Mitose einer Ganglienzelle (das Protoplasma ist weggeschnitten), m b Mitose einer Bindegewebszelle, n Ner- venbündel markhaltiger Nerven, p Pigmentzellen. Winkel, Oe. 2, Obj. 10. Caudales Ende eines Frontalschnitts der Schwanzspitze von Siredon piseiformis, Larve, 4,0cm lang, 1!/, Stunde bei 189 C. regenerirt. $ublimat, Borax-Carmin. Mit der Camera lueida 490 Fi 33 Fi 2 Fig D. Barfurth: nach Leitz, Obj. 7, Ocular 1 gezeichnet. p Pigmentzellen, f Fasern des Bindegewebes, m Muskelrest, b rothe Blutkörper- chen, Zb Zellbrücken, L.Z. Leydig’sche Schleimzellen, v Va- euolen, e—e’ Epithelbelag der Wunde, aus vorgeschobenen persistirenden Epidermiszellen bestehend, ce’ Grenze der durch- schnittenen Cutislamelle, ke scheinbar kernlose Zellen, deren Kerne aber durch Anwendung von !/j Immersion sichtbar wurden, sp Spalt zwischen dem Wundbelag und der etwas retrahirten bindegewebigen Grundsubstanz. .. 27—29. Drei Stadien der Muskelregeneration bei Larven vom Axolotl; die Pfeile geben die Richtung der Regeneration an. g. 27. Siredon piscif.; Schwanzspitze im Ei amputirt, 7 Tage bei 18° regenerirt. Chromessigsäure, Borax-Carmin. Schnittdicke der Serie (frontal) 7,5 u. g Schnittgrenze, die regenerirte Partie liegt in der Figur nach oben. pm äusserste präexistirende Muskelfaser, k seitlich heraustretender Muskelkern entsprechend einer Neumann'’schen Lateralknospe, k’/ peripher heraus- tretender Kern (Terminalknospe), von dem sich der in Mitose begriffene Kern s als Sarcoblast abgetrennt hat; p schwach granulirtes Protoplasma an der Muskelfaser. Gezeichnet mit der Camera lucida bei Leitz Obj. 7, Oe.1. . 28. Siredon piscif.; Schwanzspitze nach dem Ausschlüpfen am- putirt, 10 Tage bei 18° regenerirt. Chromessigsäure, Häma- toxylin. Serie von Sagittalschnitten, 7,5 « dick. p Pigment, e Epidermis, oben etwas flach getroffen; pm präexistirende Muskelfasern mit Kernreihen. Letztere setzen sich fort in eine langgezogene Reihe junger Muskelzellen: s Sarcoblasten, & Gefäss, pch präexistirende Chorda; ch Chordastab. Ge- zeichnet mit der Camera lucida, Leitz Obj. 4, Oe. 5. . 29. Siredon piseif.; Schwanzspitze nach dem Ausschlüpfen am- putirt, 14 Tage bei 180 regenerirt. Chromessigsäure, Häma- toxylin. Serie von Frontalschnitten, 7,5 dick. e Epidermis, ich innere Chordascheide mit Chordaepithelzelle; pm prä- existirende Muskelfaser, pch präexistirende Chorda; rch re- senerirte Chordazellen; oberhalb derselben sind die Scheide- wände der Zellen herausgefallen. ch Chordastab, s Reihe von Sarcoblasten, in der sich segmentweise aus den Sarcoblasten die jungen Muskelfasern m, m’ ausbilden. Bei m ist die Fi- brillenbildung deutlich, bei m’ äusserst zart. Gezeichnet mit der Camera lueida bei Leitz Obj.4, Oc.5. Die Fibrillen in m und m’ wurden mit 1/5 Immersion, Oc. 4 eingezeichnet. . 30. Regenerirtes Chordaende von Siredon pisciformis, im Ei am- putirt, 7 Tage bei 180 C. regenerirt. Chromessigsäure, Borax- Carmin, Serie 7,5u dick. Mit Camera lucida, Leitz Obj. T, Oc. 1 gezeichnet. che Chordaepithelzelle, p ch persistirende Chordazelle, & Schnittgrenze, rch regenerirte Chordazellen, k Dotterkörner und -schollen, h hyaline Massen in den rege- Zur Regeneration der Gewebe. 491 nerirten Chordazellen, is innere Chordascheide, bz Binde- gewebszelle, chz äusserste Chordazelle. Fig. 31. Aus einem Sagittalschnitt durch den regenerirten Schwanz einer Larve von Rana esculenta, 7 Tage regenerirt bei 17°. Regenerationsstück 4,0 mm lang. ‘Marklose Nervenfaser in Regeneration; m Mitose. Flemming’ Mischung, Hämato- xylin. Winkel, Oe. 2, Obj. 10. Nachtrag. Als der Druck dieser Arbeit fast vollendet war, erschien die Untersuchung von Flemming: Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten. Dieses Archiv, 37. Bd., 2. Heft. Die von ibm erwähnte Dissertation von Robert — Ueber Wiederbildung quer- gestreifter Muskelfasern. Kiel, 1890 —, die mir nicht bekannt war, habe ich mir noch verschafft und aus derselben ersehen, dass wir beide in dem Satze übereinstimmen: „Die mitotische Theilungsform der Kerne ist es allein, welche zur Wiederbildung von Muskelfasern zu führen vermag“ (p. 39). Ebenso wird man den von Flemming ausgesprochenen Gedanken, dass die Mitose wenigstens bei den Wirbelthieren die normale generative Kern- theilungsform sein dürfte, in meinen Ausführungen öfter wieder- finden. — Die Arbeit von Ribbert über die Regeneration der Mamilla (dieses Archiv, 37. Bd., 1. Heft) konnte ich bei meiner Darstellung der Epithelregeneration nieht mehr berücksichtigen, weil die Correetur der betrefienden Bogen schon abgesandt war. Bei Ribbert's Object erfolgt die Regeneration unter einem der Wundfläche fest anhaftendem Schorf, der hier die erste Bedeekung des Defeets bildet. Nach 24 Stunden springt das Epithel erst mit einem kurzen Fortsatz unter dem Schorf vor; einzelne Mitosen treten schon nach 17 Stunden, mehr nach 24 Stunden am Wund- rande auf. Von Interesse ist das Verhalten der Epidermis zu dem Epithel der Ausführungsgänge (p. 150 ff.) und die Analogie des Höhenwachsthums der Mamilla bei der Regeneration und der Entwickelung (p. 154 ff.). 492 M. Wolters: (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn.) Zur Kenntniss der Grundsubstanz und der Saftbahnen des Knorpels. Von Dr. M. Wolters in Bonn. Hierzu Tafel XXV. In der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie (Bd. VI, pag. 508) hat Herr Prof. Schiefferdecker ein Referat ge- geben über die Mörner’sche Arbeit „Chemische Studien über den Trachealknorpel“ (Skandinavisches Archiv für Physiologie Bd.I, 1889, pag. 216). Die in dieser Veröffentlichung beschrie- benen Versuche, soweit sie mikroskopisch sichtbare Reaktionen und Färbemethoden anlangten, habe ich im letzten Sommer nach- zuuntersuchen Veranlassung genommen. Die Anregung dazu gab Herr Prof. Schiefferdecker, der neben der Prüfung der Mörner’schen Methoden auch einen Vergleich mit den durch Hämatoxylin und Pikrinsäure hervor- gerufenen Bildern dabei im Auge hatte. Es wird daher im Folgenden zuerst über die bei Anwen- dung der ersten Methode gewonnenen Resultate zu berichten sein, um dieselben alsdann mit den durch Hämatoxylin erhal- tenen Bildern zu vergleichen. Die Untersuchungen wurden, soweit dies möglich war, an frischem, nicht gehärtetem Knorpel angestellt. Bei den vom Menschen stammenden Objekten muss dabei zwei- bis dreimal 24 Stunden post mortem noch als frisch gerechnet werden. Denn früher als nach der angegebenen Zeit gelangten die Untersuchungs- objekte meist nicht zur Verarbeitung. Zuweilen konnte aber nicht alles Material durchuntersucht werden und wurde daher theilweise in 96 °/, Alkohol konservirt. Die an diesen konser- virten, gehärteten Objekten gewonnenen Resultate waren ebenso günstig wie die an nicht gehärteten. Mörner erwähnt darüber nichts in seiner Abhandlung, darum sei hier darauf hingewiesen. Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 493 Was die angegebene Concentration der Farblösungen an- langt, so stellte sich bald heraus, dass die 2—3°/, Tropäolin- lösung zu stark ist. Der Farbstoff wird in einer so geringen Menge Wassers nicht mehr gelöst. Es entsteht keine Lösung, sondern ein Brei, der mit gleichen Theilen Wasser verdünnt wer- den musste. Ebenso ist die Lösung des indigoschwefelsauren Natrons zu 4—5°/, zu stark. Nur ein Theil löst sich, der Rest bleibt als Bodensatz zurück. Indigoschwefelsaures Kali war von Gehe u. Comp. nicht zu beziehen, da die Firma solches nieht liefert. Gleichwohl führt Mörner, unter Beziehung auf obige Firma, das Kali als von ihm benutzt an. Die mit indigoschwefelsaurem Natron angestellten Versuche schlugen alle fehl. Die Färbung war sehr blass und dabei diffus. Eine Differenzirung, wie Mörner sie angiebt, wurde niemals er- reicht. Die Methode mit Eisenchlorid und gelbem Blutlaugen- salz ergab ebenfalls Resultate, die m keiner Weise befriedigten. Es fehlt bei Angabe dieser Methode jede Mittheilung über Con- centration der anzuwendenden Flüssigkeiten, sowie über die Dauer der Einwirkung. Für die Färbung des Balkennetzes wurde Tropäolin, für die der Chondrinballen ausschliesslich Methylviolett angewendet, beides immer mit gleich vorzüglichem Erfolge. Beide Methoden wurden dann im weiteren nach Mörner’s Angabe combimirt und gaben so allerdings die eklatantesten Resultate. Das Verfahren, welches ich anwandte, war folgendes. Die möglichst dünnen Knorpelschnitte werden auf !/, Stunde in 1°/, wässerige Lösung von Tropäolin 000 Nr. 2 von Schu- chard gebracht, in Wasser ausgewaschen, ungefähr 3 Minuten darnach dann auf 1—2 Minuten in eine 0,15°/, wässerige Me- thylviolettlösung gebracht, in Wasser abgespült und einige Minuten in 10°/, Essigsäure entfärbt; m Alcohol abs. entwässert tritt erst die deutlichste Differenzirung ein. Dann folgt Aufhellen in Oel und Lack. Die ersten Versuche mit der Mörner’schen Färbung wurden an dem Thyreoid-, Cricoid- und Arytaenoid-Knorpel, sowie der Epiglottis des erwachsenen Rindes gemacht, alsdann auch die Rippenknorpel herangezogen. In alien Fällen wurden dieselben farbenprächtigen Bilder erhalten, wie Mörner sie in seiner Publi- kation abbildet. Die Gelenkknorpel gaben die Reaktion nicht. 494 M. Wolters: In zweiter Linie wurden dann die gleichen Knorpel des Kalbes zum Versuche verwendet, zuerst die des Kehlkopfes, späterhin auch die anderen. Alle diese Knorpel sollen, da nach Mörner erst bei erwachsenen Thieren die Trennung der Chondrin- und Albumoidsubstanz stattfindet, keine Farbenreaktion aufweisen. Diese Behauptung wurde durchgehends bestätigt. Allein es fand sich eine Ausnahme. Der Arytaenoidknorpel gab in der frappantesten Weise die Farbenreaktion. Die Epiglottis wiederum zeigte nichts davon. Da in dem Aryknorpel, ebenso wie in der Epiglottis, früher als in allen andern Knorpeln elastische Elemente auftreten, so wäre vielleicht daran als Grund für die Differenzirung der Substanzen zu denken gewesen. Doch die Befunde an Epiglottis und Ohr- knorpel, die negativ waren, liessen diese Auffassung als nicht richtig erkennen. Alle anderen Knorpel ergaben, um dies noch- mals hervorzuheben, keine Resultate. Thyreoid-, Crieoid-, Arytaenoid-Knorpel, Epiglottis, ebenso wie Gelenk- und Rippenknorpel eines fast ausgetragenen Rinder- foetus lieferten auch nur negative Befunde. Im Anschlusse an diese Untersuchungen wurden auch die Knorpel des Menschen nach denselben Methoden behandelt. Hier wäre es von dem grössten Interesse gewesen, das erste Auftreten der Diiferenzirung zu konstatiren, um eine ungefähre Alters- grenze festzustellen. Doch fehlte mir leider ausreichendes Ma- terial von jüngeren Individuen. Zur Verfügung standen mir Stücke der Gelenk-, Rippen- und Kehlkopf-Knorpel eines Mannes von 50 Jahren und zweier Männer von etwa 25 Jahren; Stücke der Kehlkopf- und Tra- cheal-Knorpel zweier Männer von 25 Jahren; kleine Stücke des Tracheal-, Thyreoid- und Crieoidknorpels eines 13-jährigen Mäd- chens; sämmtliche Knorpel eines 6-tägigen Knaben. Die Versuche an den genannten Kehlkopfknorpen sowie an den Gelenk- und Rippenknorpeln der Erwachsenen führten alle zu den gleichen Resultaten, wie die mit den Knorpeln des erwachsenen Rindes angestellten. Ueberall, mit Ausnahme der Gelenkknorpel, erschienen die Chondrinballen prachtvoll blau ge- färbt auf gelbem Grunde. Die Asbest-Zerfaserung fand sich auch bei den jugendlichen Individuen in den zwanziger Jahren bereits vor. Es stimmt dies überein mit der Ansicht von Chie- Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 495 vitz, dessen Untersuchungen nachwiesen, dass diese Zerfaserung normaler Weise bereits im zwanzigsten Jahre eintritt. Auch bei den drei mir zur Verfügung stehenden Knorpeln von dem 13-jährigen Mädchen — dem Thyreoid-, Crieoid- und Tracheal- knorpel — trat eine Farbendifferenz deutlich zu Tage. Aller- dings war dies nicht überall der Fall, sondern meist in klei- neren, central im Knorpel gelegenen Partien. Der Arytaenoid- knorpel dieses Individuums stand mir nicht zur Verfügung. Bei den Knorpeln des 6-tägigen Knaben führten alle Ver- suche zu negativen Resultaten. Auch die Aryknorpel zeigten keine Differenzirung. Ebenso liess die zwischen Epiphysen- Diaphyse liegende Knorpelplatte desselben Individuums keine Farbenreaktion erkennen. Dagegen wiesen Schnitte aus dem Epiphysenknorpel eines 10—12 Tage alten Kaninchens, das in den übrigen Knorpeln keine Differenzirung zeigte, deutliche Färbung der Chondrmballen auf. Die Epiphyse zeigte noch keinen Knochenkern, und in der Gegend, wo dieser sich später ent- wickelte, war eine deutliche Differenzirung zu erkennen. Es ist dies der einzige Fall, wo bei einem so jungen Individuum an dieser Stelle schon eine Differenz der Knorpelsubstanz konstatirt wurde, ein Fall, der zu bedenken giebt, ob als Uebergang zu der Bildung der Knochenkerne nieht schon eine Trennung der Knorpelsubstanz statthabe. An der Ossificationsstelle selbst zeigte sich die ganze Substanz geiblich gefärbt, ohne eine Spur von Abgrenzung der Chondrimballen. Die Mörner’sche Färbung er- giebt also auch beim erwachsenen Menschen bis zu 13 Jahren und vielleicht noch weiter abwärts ausser einer Gelbfärbung des Periehondriums eine Differenzirung der Grundsubstanz in Chon- drinballen und Balkenwerk. Foetale und junge Knorpel zeigen von dieser Differenzirung keine Spur mit Ausnahme der erwähnten Epiphyse bei dem jungen Kaninchen. Zum Vergleiche wurden Knorpel vom Rinde und vom Men- schen, und zwar die erwähnten Kehlkopfknorpel, Rippen- und Gelenkknorpel, mit Hämatoxylin gefärbt. Zu diesem Zwecke wurde die Delafield’sche Hämatoxylinlösung mit Aqua dest. soweit verdünnt, dass sie noch leicht veilchenblau war. In diese Lösung kamen die möglichst dünnen Schnitte auf 24 Stunden, nach Bedürfniss auch länger. Alsdann wurden die blau gewor- denen Schnitte auf 10 Minuten in eine concentrirte Lösung von 496 M. Wolters: Pikrimsäure in Alkohol gebracht, in Oel aufgehellt und in Lack eingeschlossen. Längere Einwirkung der Pikrinsäure bis zu 24 Stunden hatte absolut keinen andern Erfolg, als die kurze Einwirkung. Bei den auf diese Weise hergestellten Präparaten von frischem Knorpel vom Rinde zeigte sich, dass Streifen und unregelmässig geformte Partien zwischen den Knorpelzellen durch das Hämatoxylin gefärbt worden waren, während die Zellen in gelbgefärbter Grundsubstanz lagen. Gleiche Resultate ergaben die verschiedenen menschlichen Knorpel, die auf diese Art ge- färbt waren. An den Knorpeln der älteren Individuen, in denen sich um die Zellen schon Kalkablagerungen zeigten, wurden be- sonders an den im Knorpel central gelegenen Stellen Färbungen der direkten Umgebung der Knorpelzellen beobachtet, welche entfernt an die durch die Mörner’sche Methode erhaltenen Bilder erinnerten. Stellenweise umgab die Zelle ein imtensiver gefärbter Ring, stellenweise war nur ein stark gefärbtes Oval zu erblicken, woraus zu schliessen ist, dass diese Färbung allein die Kapsel oder einen Theil derselben betraf. An den peri- pheren Partien fehlten derartige Bilder ganz. Doch waren diese Färbungen weder konstant noch so scharf abgegrenzt, dass man sie als chondrinballenförmig hätte bezeichnen können. Die Knorpel des sechs Tage alten Knaben ergaben ebenfalls eine Hämatoxylinfärbung, die m Flecken und Strichen die Substanz durchsetzte, ohne dass man daraus einen Schluss auf bestimmte Strukturverhältnisse hätte machen können. In den Epiphysen dieses Individuums sowohl wie des jungen zu den Versuchen be- nutzten Kaninchens zeigte sich die bekannte distinkte Färbung der Knorpelsubstanzreste in den schon verknöcherten Partien, eine Färbung, welche in ähnlicher Weise zwischen die grossen Zeilsäulen hinaufstieg. Eine Uebereinstimmung mit der Mörner’schen Färbung ergab somit die Tinetion mit Hämatoxylin nicht, ebensowenig aber eine irgend sonst zu verwendende Differenz. Aehnliche Bilder wurden von Spina, Fürbringer, Flesch, Strasser, Renaut, Schiefferdeeker und anderen durch Hämatoxylin- und Anilinfärbungen erhalten. Die geringen Reste der von menschlichen Objekten stam- menden Präparate wurden in 96°/, Alkohol conservirt und erst nach längerer Zeit zu nochmaliger Kontrolle der oben geschil- Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 497 derten Resultate wieder herangezogen. Es fanden sich dabei an einer Stelle wesentlich neue Strukturverhältnisse, auf die im Folgenden ihrer Wichtigkeit wegen eingegangen werden soll. Die von den früheren Versuchen übrig gebliebenen Stücke waren leider nur gering und die mir noch vor Uebertritt in eine an- dere Stellung zu Gebote stehende Zeit zu kurz, um die Re- sultate in ihrer ganzen Bedeutung zu verfolgen. Ich muss mich daher darauf beschränken, die am Tihyreoidknorpel eines ca. 25Jjährigen Mannes gemachten neuen Beobachtungen mitzutheilen. Es handelt sich dabei um das System der Saft- bahnen im Hyalinknorpel. Die zahlreichen Arbeiten über diesen Gegenstand haben, obwohl meist die gleichen oder verwandte Methoden angewendet wurden, nicht zu einer Uebereinstimmung geführt, oft sogar bei fast identischen Befunden zu conträren Deutungen Veranlassung gegeben. Wie von Solger, Spina, Vogel und Zuckerkandl er- wähnt wird, sind nach den bisher geltend gemachten Ansichten vornehmlich drei Arten zu nennen, auf welche der Saftstrom den Knorpelzellen zugeführt werde. 1) Längs der protoplasmatischen Fortsätze der Knorpel- zellen, die unter einander verbunden sind. 2) Dureh die zwischen den Fibrillen des Knorpels bestehen- den Spalten. 3) Durch eigene Kanälchen. 4) Ausser diesen ist als vierte noch Gerlach’s Ansicht zu erwähnen, der durch Injektion von Zinnober zwar negative Re- sultate erhielt, aber bei Anwendung von Indigokarmin Farbstoff in Kapsel und Zelle fand. Aus seinen Befunden schloss er, dass der Saftstrom keine eigenen Wege habe, sondern den Knorpel diffus durchdringe. Der ersten Ansicht, dass durch protoplasmatische Zellfort- sätze der Saftstrom geleitet werde, neigen Stricker und Noris zu. Sie schlossen, dass die Knorpelzellen, unter einander in Ver- bindung stehend, Nahrungsmaterial zugeführt erhielten, analog den Zellen der entzündeten Hornhaut, die bei einem mit Farb- stoffen gefütterten Thiere zahlreiche Farbkörnehen in ihren Fort- sätzen führten. Gestützt wurde diese Ansicht durch die verglei- chend anatomischen Untersuchungen, welche das Vorkommen von 498 M. Wolters: verästelten, unter einander eommunieirenden Knorpelzellen nach- wiesen. Beobachtungen derart wurden von Queckett bei Ce- phalopoden und Plagiostomen, Gegenbaur bei Selachiern, Boll bei Cephalopoden, Leydig bei Haien und Rochen, Kölliker bei Cephalopoden, Flesch, Fürbringer u.a.m. gemacht. Bei Säugern und dem Menschen fand Waldeyer in den oberfläch- lichen Schichten des Gelenkknorpels Zellen mit Fortsätzen, die communieirten. Heitzmann wies 1872 am Gelenkknorpel des Hundes durch Anwendung von Gold- und Silberchlorid ein Protoplasma- netz nach, das im den Hohlräumen der Grundsubstanz ver- läuft. Petrone beschreibt wie Heitzmann ein mit protoplas- matischen Fortsätzen gefülltes Canalsystem im hyalinen Knorpel, das mit der Synovial-Membran zusammenhänge. Auch Rubnoff wies durch Osmiumsäure, neben anderen Structurverhältnissen, bei Säugern derartige Zellen nach. Van der Strieht, der Ce- phalopoden-, Selachier- und Amphibienknorpel neben dem von Gelenken und Trachea des Kalbes und Menschen (Kniescheibe der Neugeborenen) verwendet, fand bei letzteren beiden Zellen mit Fortsätzen, die spärlich anastomosirend in Kanälchen liegen, de- ren eigne Wandung eine Fortsetzung der Kapsel ist. Hertwig und Colomiatti bestätigten diese Befunde an nicht hyalinem Knorpel bei Amphibien und Säugern. Die Streifung, die beide ausserdem im Knorpel beobachteten, ist Hertwig geneigt, als Saftkanälchen zu deuten, während Colomiatti sie als elastische Fasern ansieht. Aehnlich spricht sich auch Deutschmann über diese Gebilde aus. Spina fand nach Alkoholeinwirkung bei Froschgelenken solide Fortsätze an den Knorpelzellen, die zumeist von den geschrumpften Zellen ausgehen und, indem sie sich mit den Fortsätzen anderer Zellen verbinden, die Grundsubstanz durch- ziehen. Dieselben sind in den obersten Schichten am feinsten und zahlreichsten und gehen von der Zelle aus wie die Speichen eines Rades. In der Regel verzweigen sich diese Fortsätze nicht und treten gewöhnlich von zwei conträren Punkten der Zelle ab, doch kommt auch eine Netzbildung vor. Die Knorpelkapsel soll auf diese Fortsätze übergehen. Zum weiteren Beweise injieirte Spina Fröschen Carminlösung und fand, dass nach Verlauf eini- ger Zeit sich Farbstoffkörmchen in dem dureh die Zellausläufer gebildeten Netzwerke und den Kapseln vorfanden. Er schloss Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 499 aus alle dem, dass der Saftstrom im Knorpel durch dies protoplas- matische Netz gehe. In seiner neuesten Knorpelarbeit (1886), zu der er Arytaenoid-Knorpel des Pferdes nach Alkoholhärtung ver- wendet, beschreibt er ein Netzwerk, das von dem weissen Knor- pel gebildet wird. Dazwischen liegen die Bogen gelben Knorpels. Der gelbe färbt sich mit Hämatoxylin und Methyl violett. Die Granulirung, die bei Alkoholpräparaten erscheint, ist der optische Ausdruck eines feinen Netzwerkes, das an den Zellen wurzelt. Dieses wird gebildet durch protoplasmatische Fortsätze der Knor- pelzellen, deren sich verästelnde Enden durch Anastomosen sich zu einem dichten Netze verbinden. Die Versuche Spina’s, sowie die der meisten anderen Au- toren sind von Vogel nachgemacht worden. Er fand nirgendwo Stellen, die ihm ein Uebergehen der Kapsel auf die Zeilfortsätze gezeigt hätten. Seine weiteren Befunde führten ihn zur Annahme der zweiten Ansicht, dass der Saftstrom durch die Fibrillenstruk- tur geleitet werde. Dagegen sah auch er nach Alkoholbehand- lung eine Streifung im Knorpel auftreten, konnte sich aber, im Gegensatz zu Spina, nicht von einem Zusammenhange derselben mit den Zeilen überzeugen. Kleine Fortsätze der Zellen, die durch präformirte Lücken in der Kapsel durchtreten können, werden von ihm anerkannt. Sie endigen in der fibrillären Grund- substanz, ohne mit denen anderer Zellen zu communiciren. Diese Fortsätze kommen oft nicht zur Beobachtung, da sie sehr fein sind und durch Sehrumpfungsprozesse leicht abreissen. Zellfort- sätze beschrieb auch Flesch und ebenso Frommann, der an Knorpel von Amphibien, Schwein und Rind ganz feine Fäserchen in die Grundsubstanz übergehen sah. Vogel kommt zum Schlusse seiner Arbeit zu dem Resul- tate, dass der Knorpel niederer Thiere als nicht gleichwerthig mit dem hyalinen Knorpel der Säuger zu betrachten sei. Die Zellen bei Wirbelthieren haben kleine Fortsätze, die Kapseln Lücken zum Durehtritt des Saftstromes, welcher ge- leitet wird in der Kittsubstanz der Fibrillen, aus denen der Knor- pel sich aufbaut. Schon vor Vogel hat Zuekerkandl bei dem Nasen- knorpel des Tapir eine fibrilläre Struktur im Knorpel beschrieben, welche, aus zarten, büschelweise angeordneten Fasern bestehend, die Knorpelsubstanz durchzieht, immer zwischen benachbarten 500 E M. Wolters: Kapseln ausgespannt. So entsteht ein Netzwerk, zwischen dem eine homogene Kittsubstanz liegt. Gegen die Oberfläche wird das Netzwerk enger. Das Faserwerk zieht sich hier auch ausser- halb der Zellterritorien und füllt die Lücken des Maschen- werkes aus. Eine Verbindung zwischen Zelle und Faserbündeln konnte Zucekerkandl niemals nachweisen, ebensowenig Verbindungen zwischen den einzelnen Fasern. Das Faserwerk nahm das alko- holische Anilin-Roth intensiver auf, als die übrige Substanz. Auch Spronck, der besonders mit Alkohol arbeitete, sah beim Knorpel des Caput Femor der Rana eseulenta zahlreiche eiweiss- artige Fasern in der Grundsubstanz, welche die Kapsel durch- bohren und benachbarte Zellen verbinden. Er deutet sie als so- lide Fasern, die auf dem Ausschnitt stärker lichtbrechend sind, als die übrige Substanz. Spronck spricht sich auf Grund seiner Befunde dahin aus, dass es sich um Bahnen handle, auf denen den Knorpelzellen die Ernährungsflüssigkeit zugeführt werde. Ebenso beschreibt van der Stricht fibrilläre Streifung der Grundsubstanz, die er neben den obenerwähnten Ausläufern der Knorpelzellen sah. Beides zu gleicher Zeit darzustellen sei unmöglich. Die Fibrillen seien zu Lamellen angeordnet, welche durch Fasern verbunden seien. Ausserdem sah er intercapsulare Faserbündel zwischen den Kapseln der Knorpelzellen, verbunden durch eine interfibrilläre Kittsubstanz, die mit der interlamellären identisch sei. Auf Grund seiner Befunde, die durch Injektion von indig- schwefelsaurem Natron beim Frosch und Kanimehen erhalten wurden, spricht sich Arnold dahin aus, das durch die Gefässe des Perichondriums zugeführte Material dringe in engen Spalten der Zwischensubstanz vor, um dann durch feine, in der Kapsel befindliche Poren in den pericellulären Raum zu gelangen und die Zelle zu versorgen. Er fand die Kapseln von radiären Strei- fungen durchsetzt, zum Theil Netzbildungen. Die Streifung ging theilweise in der Intercellularsubstanz als körnige, feine Linien weiter. Wie Arnold nimmt auch Socolow an, dass die ernährende Flüssigkeit durch die interfibrillinen Räume gehe. Seine Befunde an Knorpeln von Pferd, Kuh, Schwein, Hund, Schaf, Kaninchen und Katze, die er mit Osmiumsäure nach Bubnoff erhielt, lassen Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 501 . ihn deren Befunde als Kunstprodukte ansehen und er glaubt so- gar die Spalträume vielleicht durch Einwirkung der Osmiumsäure erklären zu sollen, wodurch das Gewebe brüchig werde. Achn- liche durch Chromsäure und Müller’sche Flüssigkeit erhaltene Bilder scheinen das zu bestätigen. Eine grössere Anzahl Autoren wie Colomiatti, Retzius, Brückner, Gerlach und viele andere halten die von Arnold durch Injektionen hervorgerufenen Bilder für Kunstprodukte in Folge der Imbibitionsfähigkeit des Knorpels und des Druckes bei der Injektion. Für die Existenz präformirter Kanälchen trat vor allen Budge ein. Auch er machte, um die Saftkanälchen darzustellen, Injektionen mit Berliner Blau und Asphalt, den er in verschie- denen Reagentien löste. Er erhielt Farbniederschläge in den Knor- pelkapseln und hier und da in der Zwischensubstanz Linien, die sich aus Körmchen zusammensetzten. Reitz injieirte Zinnober, den er in den Zellen ais Körnchen wiederfand. Hutob bestä- tigte diesen Befund, ebenso Heitzmann, Maass und Stricker, dagegen fand Barth den Farbstoff nur in den jüngeren Zellen. Ponfick, Hoffmann, Langerhans, vor allen aber Cohnheim sprachen sich mit der grössten Entschiedenheit dahin aus, dass es unmöglich sei, durch Injektion Farbstoff in dem Thhierkörper in die Knorpelzellen zu bringen und leugneten dadurch die Existenz eines Saftkanalsystems. Bubnoff, der unter Stricker arbeitete, stellte auch Injektionsversuche an. Er fand, dass der Farbstoff in die Knor- pelkapseln eindringt und sich in Form eines feinen Netzwerkes ablagert, ebenso wie in einer dicken pericellulären Schieht in der Knorpelkapsel. Nyeamp erhielt durch Behandlung mit 5°, Ammonium bichromat. eine fibrilläre Streifung im Knorpel, in welcher er Hohlräume mit verzweigten Ausläufern konstatiren konnte. Injektionsversuche mit indig-schwefelsaurem Natron liessen an diesen von ihm als Kanälchen betrachteten Gebilden Farbstoff- körner nachweisen, woraus er schloss, dass es Saftkanälchen seien. Budge versuchte im weiteren, das Kanalsystem, welches die Injektionen ihn annehmen liessen, auch auf andere Weise darzustellen. Macerationsversuche mit Trypsin, Pepsin, sowie mit den verschiedensten Säuren hatten nur beschränkte Resultate. Es zeigte sich hie und da eine Streifung der Substanz. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37. 33 502 M. Wolters: Chromsäure nach der Angabe von H&nocque liess ein Netz- werk stark glänzender Balken vortreten. Die besten Bilder von allen erhielt Budge aber durch Aetlier in Verbindung mit Col- lodium. Von den Kapseln aus sah er nach allen Richtungen hin doppeltkonturirte Fasern ziehen, die bündelweise angeordnet waren. Sie communieiren hier und da mit einander und gehen von einer Kapsel zur benachbarten. Es entsteht so ein Netzwerk. Die Wandung der Kanälchen soll aus emer eigenthümlich modifizirten Grundsubstanz bestehen, die gegen Chromsäure und Kalilauge sehr widerstandsfähig ist. Budge nimmt darauf gestützt an, dass die geschilderten Fasern ein eigenes, festbegrenztes Röhren- system seien, in dem die Ernährungsflüssigkeit eirceulire und das mit den grösseren Lymphstämmen communieire. Orth bildet in seinem Lehrbuche der Histologie auch die sogenannten Saftkanälchen des hyalinen Knorpels ab, die er durch Behandlung mit Aether darstellte und giebt an, dass aller Wahr- schemliehkeit nach diese so erhaltenen Gebilde als Saftkanälchen würden zu deuten sein. Seine Bilder stimmen mit denen von Budge überein, zum Theil auch mit denen von Solger. Letz- terer Autor, der die Einwirkung des Alkohols auf den Knorpel genau studirte, kommt in Bezug auf die Deutung der gewonne- nen Bilder zu ganz anderen Resultaten. Den mit Aether dar- gestellten Strichelungen der Grundsubstanz, ebenso wie den nach Alkohol auftretenden identischen Zeichnungen erkennt er nur den Werth von Schrumpfungsphänomenen zu. Auch nach seiner neuesten Arbeit betrachtet er die Frage nach Vorkommen von Saftkanälchen im Hyalinknorpel noch für ungelöst und erkemnt den in frischem Zustand in Aether und Alkohol fixirten Objekten keine Beweiskraft zu. Wie bereits oben erwähnt, hatte ich die Reste des zu den Färbeversuchen verwendeten Materiales in Alkohol konservirt und erst nach geraumer Zeit wieder zu neuen Versuchen hervor- gesucht. Zu diesen wurde auch ein etwa 2 Quadratcentimeter grosses Stück der mittleren Partie der einen Platte des Thyreoidknorpels aus dem Kehlkopf eines ungefähr 25jährigen Mannes verwendet. Vor dem Schneiden brachte ich dasselbe noch 24 Stunden in Alcoh. abs. und fertigte dann 5—7 u dieke Schnitte an, welche Zur Kenntniss der Grundsubstanz ü. der Saftbahnen d. Knorpels. 503 nach der oben genau angegebenen Art und Weise mit Hämatoxy- lin und Pikrinsäure-Alkohol gefärbt wurden. Die zuerst ange- wendete Schnittriehtung war senkrecht zur Knorpeloberfläche, horizontal zur Körperachse. Die auf diese Weise hergestellten Präparate zeigten schon bei schwacher Vergrösserung ein eigenthümlich streifiges Aussehen, hervorgerufen dadurch, dass ein Theil der Substanz die Häma- toxylinfärbung zurückgehalten hatte und sich scharf von den durch Pikrinsäure gelb gefärbten Partien absetzte. Bei näherem Zusehen erwiesen sich die gelb gewordenen Streifen als ein netzartiges Flechtwerk, welches immer auf die Knorpelzellen als Knotenpunkte zulief. Die Zellen selbst waren augenscheinlich nur an ihrer Oberfläche gefärbt und zeigten da- her bald tief dunkle Färbung, bald ganz helle, je nachdem der Schnitt oberflächliche oder centrale Partien getroffen. Im letzte- ren Falle ‘waren die hellen Zellen von einer intensiv gefärbten Peripherie umgeben. Das Perichondrium war gelb gefärbt, die Kerne traten dunkel hervor. Das ganze System von Streifen, das gelb gefärbt auf dem violetten Grunde sich abhob, war in seiner Hauptrichtung senk- recht zur Peripherie und liess 5 Zonen erkennen, wie die Abbil- dung Tafel XXV, 2 es darstellt. 1. Zone. Kleine, längliche Knorpelzellen, die der Peri- pherie parallel gerichtet liegen und keinen sich besonders aus- zeichnenden Hof zeigen, sind durch zarte gelbe Streifen verbun- den, die meist nur an zwei entgegengesetzten Seiten der Zelle entspringen. Richtung: senkrecht zur Peripherie. Anastomosen sind unter diesen Streifen selten. Mitunter überspringen dieselben wohl eine Zelle, um zwischen zwei benachbarten durchgehend zu einer entfernteren zu ziehen. 2. Zone. Die Knorpelzellen sind mehr rundlich geworden. Ihre Riehtung zur Peripherie ist keine konstante mehr. Die we- nig zahlreichen Streifen sind bedeutend verbreitert und lassen grosse violettgefärbte Territorien zwischen sich. Die Richtung bleibt im allgemeinen senkrecht zur Peripherie, doch sind zahl- reiche Anastomosen vorhanden und die Streifen treten von allen Seiten der Zellen ab zu den benachbarten. Die der dritten Zone nahe liegenden Zellen zeigen Anfänge der Bildung von besonders differenzirten Höfen. 504 M. Wolters: 3. Zone. Die Zellen sind grösser, haben deutliche Höfe, welehe dureh die Pikrinsäure, wie die Streifen, gelb gefärbt sind und liegen zu mehreren zusammen. Eine Richtung der Zellen zur Peripherie ist nicht mehr zu erkennen. Die Streifen sind zarter, das durch sie und ihre Anastomosen gebildete Netzwerk ist engmaschiger. Trotz der nach allen Richtungen von den Zellen abgehenden Streifen bleibt die Richtung im allgemeinen senkrecht zur Peripherie. 4. Zone. Die Zellen liegen, meist zu mehreren, in breiten, gelb gefärbten Höfen und haben an Grösse sehr bedeutend zu- genommen. Sie sind nicht mehr zur Peripherie rangirt. Hier und da sind sie geschrumpft und füllen die Knorpelhöhlen nicht mehr ganz aus. Die Höfe besitzen theilweise, besonders an dem Uebergang zur folgenden Zone, körnige Kalk-Einlagerungen. Das Maschenwerk der Streifen ist enger geworden, doch lassen die zahlreichen Anastomosen die zur Peripherie senkrechte Richtung immer noch als hauptsächliche erkennen. Die Streifen treten an allen Seiten von den Höfen ab. 5. Zone. Die Zellen, in ihrer Grösse ungemein verschieden, liegen einzeln oder meist zu mehreren umgeben von breiten Höfen, welche die erwähnten körnigen Einlagerungen in grosser Verbreitung aufweisen. Das Netzwerk der Fasern zeigt nur noch undeutlich die prinzipielle Richtung radiär zur Peripherie. Die Anastomosenbildung ist eine ungemem reiche, die Maschen sind dementsprechend sehr enge. Während in den früheren Zonen die anastomosirenden Züge im spitzen Winkel abtraten, stehen dieselben jetzt fast senkrecht und ergeben so ein Netzwerk von eckigen Maschen, welches an die Struktur der Knochenspongiosa lebhaft erinnert. Die Fasern gehen von der ganzen Peripherie der Zelle resp. des Hofes aus. Die gelben Streifen verbinden meist alle Zellen mit ein- ander,. nur wo die Streifenbildung überhaupt nachzulassen be- ginnt, bleibt hin und wieder eine Zelle in der violett gefärbten Grundsubstanz isolirt liegen. Auf die fünfte, eben geschilderte Zone folgt unter allmäh- lichem Verschwinden der gelben Streifen eine solche, in welcher in der violetten Grundsubstanz eine verschieden grosse Anzahl von grösseren und kleineren Kalkkrümeln eingelagert sind, die sich dureh ihre gelbe Farbe auszeichnen. Die gelben Höfe um Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 505 die Zellen sind noch vorhanden. Verschiebt man das Objekt weiter, so tauchen wieder Fasern auf und zwar die fünfte Zone, an welehe sich dann suecessive rückwärts gehend die andern anschliessen bis zum Perichondrium. Die geschilderten fünf Zonen sind nicht an allen Stellen der Schnitte und nieht überall gleich schön vorhanden. Es kommt vor, dass eine oder mehrere Zonen ausfallen, ja es kann die fünfte sofort an die erste anschliessen. Es folgt alsdann aber keine der anderen mehr. Niemals findet sich ein Durcheinander- werfen der einzelnen Zonen, so dass es den Anschein hat, als wenn die fünf geschilderten das Schema bildeten, in welchem wohl eine oder die andere ausfallen, nie aber ihre Stellung zu den übrigen wechseln könne. Auf Schnitten, die senkrecht zu den oben beschriebenen entweder senkrecht zur Knorpeloberfläche und gleichzeitig pa- rallel der Körperaxe oder parallel der Knorpeloberfläche gemacht wurden, zeigten sich mutatis mutandis dieselben Bilder. XNie- mals — und das verdient besonders hervorgehoben zu werden — waren Bilder zu sehen, die als Querschnitte von eylindri- schen oder prismatischen Gebilden zu deuten gewesen wären. Es ist dieser Umstand schwer zu verstehen, aber nur dahin zu deuten möglich, dass die gelben Streifen eben nicht cylindrische oder prismatische Gebilde sind, sondern der Ausdruck des Quer- resp. Schrägschnittes von mässig breiten Platten oder ähnlichen Bildungen. Vielleicht ist so auch das mitunter zu beobachtende plötzliche Auftreten von breiteren gelben Streifen zu erklären (Fig. 2, 2 unten); es würden die Platten dann mehr flächenhaft gesehen werden. Für eine plattenartige Ausdehnung spricht auch der Umstand, dass man die gelben resp. am Alkoholpräparat stark liehtbrechenden Streifen mit der Mikrometerschraube mehr oder weniger weit in die Tiefe des Schnittes zu verfolgen vermag, wobei man konstatiren kann, dass die Krümmung der Platten sich ändert. Auffallend ist es dabei immerhim, dass man nur selten ausgedehntere Platten wirklich der Fläche nach sieht, indessen kommt das doch vor, es erscheinen dann ev. die gelb gefärbten Partien breiter als die violetten. Wir würden es hier also mit einem Netz von plattenförmigen Zügen sich gelb fär- bender Substanz zu thun haben, die mit Höfen um die Zellen zusammenhängen. Wichtig zu bemerken ist noch, dass in der 506 M. Wolters: Umgebung einiger in den Knorpel eintretender Blutgefässe ganz die- selben Bildungen hervortraten, wie in Bezug auf das Periehondrium. Die geschilderten Strukturverhältnisse, die, wie leicht er- sichtlich, eine ungemeine Aehnlichkeit mit den als Saftbahnen angesprochenen Bildungen haben, legten es nahe, die von Budge, Orth und anderen so warm empfohlene Darstellungsmethode durch Aether und Collodium in Anwendung zu ziehen. Sehnitte von dem gleichen Knorpelstücke, 10 Minuten in Aether behandelt und in Collodium eingeschlossen, ergaben prinzipiell die gleichen Bilder, wie aus Figur 1, Tafel XXV zu ersehen ist. Allerdings sind auch hier kleinere Differenzen. Ich sehe ab von den Breite-Unterschieden der einzelnen Zonen, die ja auf jedem Schnitte wechseln. In der Zone, welehe dem Perichon- drium zunächst liegt, erbliekt man im Vergleich mit dem „Hä- matoxylinbilde“ eine grössere Anzahl von Streifen, welche von allen Seiten der Zellen abgehen, obwohl auch hier die Haupt- richtung senkrecht auf die Peripherie geht. Ebenso zeigt die zweite Zone zahlreichere Anastomosen. Die Zellen haben in den unteren Partien deutliche Höfe, sind aber durch die Behandlung vielfach geschrumpft. Intensiv tritt schon in der vierten Zone die körmige Kalk- einlagerung in den Höfen und ihrer Umgebung auf, während auch hier die Zellen stark geschrumpft erscheinen. Die Mittel- zone ist ohne Streifung, zart granulirt. Trotz dieser leichten Differenzen wird man nicht anstehen, die Identität beider durch verschiedene Methoden gelieferten Bilder anzuerkennen. Vergleicht man die von anderen Autoren früher gegebenen Bilder mit den vorliegenden, so kommt man zu dem Schlusse, dass dieselben mit einzelnen Zonen unverkennbare Aehnlichkeit haben. So ist z.B. die Abbildung von Zuckerkandl und Spina mit der Zone 1 fast übereinstimmend u. s. f. Gleich- wohl ist bisher ein solches den ganzen Knorpel durchsetzendes Streifensystem noch nicht dargestellt worden. Behandelte man die Schnitte nach der von Spronck an- gegebenen Chromsäure-Methode, so traten die Streifen genau in derselben Weise sehr klar hervor, dagegen fehlten die Höfe; die Streifen gingen entweder bis an den Rand der Knorpelhöhle heran oder — da, wo schon Kalkablagerungen vorhanden waren Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 507 — endigten an der Peripherie der Ablagerungen. Es muss dar- aus geschlossen werden, dass die Spronck’sche Flüssigkeit noch anders wirkt, als die beiden anderen Methoden, und dass die Höfe und Streifen von einander verschieden sind, trotz der Ueber- einstimmung bei Färbung und Behandlung mit Collodium. Was die Deutung der Bilder angeht, so ist dieselbe eine ungemein schwierige, die wohl auch nur bis zu einem gewissen Punkte positiv sicher sem kann. Ich greife zu diesem Zwecke zurück auf die im Vorhergehenden gemachten kurzen Angaben über die bisher ausgesprochenen Ansichten. Fortsätze der Knorpelzellen habe ich an meinen Präparaten niemals gesehen und kann daher nicht annehmen, dass es sich im Vorliegenden um protoplasmatische Netze handele, die von den Zellen ausgehen, abgesehen davon, dass auch die Form der Streifensysteme durchaus nicht für solche spricht. Die Zone 1 könnte vielleicht noch am ersten einen solchen Eindruck machen. Bei den anderen Zonen ist das nicht mehr der Fall. Irgend- welche darauf hindeutende Strukturen (Poren ete.) in den Höfen, wie Arnold und Vogel sie beschrieben, sind ebenfalls nicht vorhanden. Auch würde es nicht verständlich sein, weshalb die Zelle das Hämatoxylin annehmen und zurückhalten sollte, das protoplasmatische Netzwerk aber nicht. Als elastische Fasern können die gelben Streifensysteme sicher auch nicht gedacht werden. Es spricht alles dagegen und nichts dafür. Dass die erste Zone grosse Aehnlichkeit mit einer Abbil- dung von Zuckerkandl hat, ist bereits erwähnt. Doch stim- men seine übrigen Bilder, welche Faserzüge von einer Zelle zur andern verlaufend darstellen, nicht zu meinen Befunden, die überhaupt keine Faserung in den gelben Streifen ergaben. Eine solche trat auch nicht im Alkoholbilde hervor, wie Fig. 1 es zeigt. Es erscheinen die Streifen und Höfe hier einfach, homogen und stärker lichtbrechend (daher in der Zeichnung dunkler wieder- gegeben). Die grösste Aehnlichkeit mit meimen Bildern hat eine Abbildung in Spina’s letzter Arbeit. Seiner Annahme indessen, dass es sich um zwei verschiedene Knorpelsubstanzen, weissen und gelben, handle, von denen der erste eine spätere Differen- zirung des letzteren sei, vermag ich mich nach meinen Präpa- raten nicht anzuschliessen. Das massenhafte Auftreten der gelben 508 M. Wolters: Streifen (Spina’s „weissem“ Knorpel) dieht am Periehondrium spricht schon gegen seine Annahme, die ausserdem im ganzen mehr als eine Umschreibung der Thatsachen, denn als eine Er- klärung anzusehen sein dürfte. Mitunter habe auch ich Zellen gesehen, die nur in der violetten Substanz lagen, doch waren dieses entschieden Ausnahmen und befanden sich dieselben immer in solchen Partien, an denen im ganzen eine Abnahme der Menge der gelben Streifen zu beobachten war. Desshalb aber Zellen des gelben und des weissen Knorpels anzunehmen, wie Spina es thut, scheint mir nicht hinreichend begründet zu sein. Proto- plasmatische Fortsätze und Netze, welche von solchen in den beiden Knorpelarten, wie Spina will, gebildet werden, habe ich, wie schon mehrfach erwähnt, niemals auch nur im irgendwelchen Andeutungen gesehen. Am meisten scheint mir die Beschreibung von Spronck, der leider in seiner Arbeit keine Abbildung gegeben hat, mit meinen Befunden zu stimmen. Er betont, dass das von ihm gefundene Netzwerk senkrecht zu dem Periehondrium ver- laufe und sich in dieses verliere. Er nimmt an, dass die Fasern, die er als solide Körper auffasst, von einer eiweisshaltigen Sub- stanz gebildet seien, dass sie die Kapseln durehbohren und die Zellen untereinander verknüpfen und glaubt, dass sie die Bahnen des Ernährungsstromes seien. Spronck hat Querschnitte der soliden Fasern gesehen, die stärker lichtbrechend waren, als die Umgebung. Wie oben erwähnt, habe ich auf meinen Schnitten niemals Querschnitte gesehen, die annehmen liessen, dass es sich um pris- matische oder eylindrische Fasern handele; in dieser Hinsicht vermag ich also Spronck nicht beizustimmen. Die von Solger für die Alkoholbilder versuchte Erklärung, dass es sich dabei um Schrumpfungen und dadurch bedingte Wellen im Verlaufe der Knorpelfibrillenbündel handele, ist für meine Bilder absolut nicht verwendbar; einmal würde sie zur Er- klärung der Alkoholbilder nicht ausreichen und zweitens würde es nach ihr nicht zu erklären sein, wie die verschiedene Färbung zu Stande kommt. Fassen wir alles zusammen, so haben wir also in einem be- stimmten Bezirke eines menschlichen Kehlkopfknorpels ein die Knorpelgrundsubstanz durchsetzendes System von eigenthümlichen, platten, mit einander anastomosirenden Bildungen gefunden, das Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 509 sich durch Alkohol resp. Collodium, durch die Methode von Spronek und durch eine besondere Färbemethode leicht dar- stellen lässt. Dasselbe zeigt ganz bestimmte Beziehungen zu den Zellen und zu dem Periehondrium, zu dem die Verlaufsriehtung senkrecht ist. Die Bildungen, die diesem System zu Grunde liegen, können weder als einfache Schrumpfungsprodukte auf- gefasst werden, noch als elastische Elemente, noch als Ausdruck der Knorpelfibrillenbündel oder als Zellfortsätze. Die Annahme zweier Knorpelarten (Spina) ist an sich keine Erklärung und stimmt auch nicht mit den Thatsachen. Der ganze Verlauf dieser Bildungen, ihre Beziehungen zu den Zellen, ihre Veränderlich- keit, ihr eventuelles Aufhören spricht dagegen noch am meisten für die Annahme, dass es Saftbahnen sind. Dieselben würden — und darin würde ich mich in Uebereinstimmung mit der An- schauung von Herrn Prof. Schiefferdeeker befinden — so auf- zufassen sein, dass der Saftstrom, der den Knorpel durchsetzt, die Grundsubstanz auf beliebigen Wegen durchzieht, welche nur durch das Prinzip der Wahl des geringsten Widerstandes bedingt werden. So erklärt sich leicht der Wechsel der Bahnen in ver- schiedenen Schichten bei Veränderung der Beschaffenheit der Grundsubstanz, so wären die sehr feinen Bahnen im jüngsten Knorpel zu verstehen, so würde die eigenthümliche plattenartige Form, wenn auch auffallend, doch verständlich sein. Welche Bedeutung die durch zwei Methoden darstellbaren Höfe haben, müsste erst durch weitere Untersuchung klargelegt werden. Her- vorzuheben wäre, dass sich in diesen Höfen später zuerst Kalk- ablagerungen finden, wobei noch besonders darauf hinzuweisen ist, dass — wie die vorliegenden Bilder lehren — die Ablagerung zuerst nicht im Hofe, sondern an dessen Peripherie ausser- halb vor sich geht und erst bei stärkerer Zunahme in den Hof hineinrückt. Wie weit diese Höfe mit dem zusammen- fallen, was man als „Knorpelkapseln* zu bezeichnen pflegt, ist durchaus nicht zu sagen. Es würde aus dieser Annahme natürlich folgen, dass diese Saftbahnen weder eigene Wandungen haben, noch überhaupt Kanälchen oder Hohlräume darstellen; es sind nur stärker mit Flüssigkeit durchtränkte Partien der Grundsubstanz. Man müsste hierzu die weitere, zunächst hypothetische Annahme machen, dass diese so durchtränkten Partien das Hämatoxylin nieht so stark 510 M. Wolters: aufnehmen resp. es nicht so festhalten, wie die übrige Grund- substanz, so dass sie in Folge dessen die Pikrinsäure aufnehmen, welche ja eine diffuse Färbung aller der Theile ergiebt, aus denen das Hämatoxylin herausgeht. Diese Annahme würde indessen wohl einigermassen wahrscheimlich sein. Wir wissen, dass die Grundsubstanz des Knorpels an sich eine ausgeprägte Neigung hat, sich mit Hämatoxylin zu färben und dass es besonderer Ver- änderungen derselben bedarf, wenn diese Färbung nicht eintreten soll. An solchen Stellen nun, an denen die Grundsubstanz in re- lativ geringer Menge vorhanden ist wegen der sie durchtränkenden Flüssigkeit, wird sie die Farbe auch nicht so stark zurückhalten können, daher dann die Streifenfärbung, daher auch die über- haupt schwache Färbung in der Nähe des Periehondriums, wo- selbst die Grundsubstanz noch nicht so stark entwickelt ist, wie weiter im Innern des Knorpels. Nun wäre noch die Frage zu beantworten, warum die eigen- thümlichen Bildungen sich auf einen bestimmten Bezirk dieses emen Knorpels beschränkten. Meiner Meinung nach kann man da nur annehmen, dass es sich an dieser Stelle um eine besonders leb- hafte Saftströmung handelte, und dass diese wieder bedingt war durch den ersten Anfang der Umwandlung des Knorpels in Knochen. Es war ja Verkalkung schon vorhanden, wenn auch noch nicht sehr hochgradig, und ebenso fanden sich bereits einzelne (nur wenige) Blutgefässe im Knorpel. In der Umgebung dieser ver- hielt sich, wie oben schon gesagt, das hypothetische Saftbahnen- system ganz so wie am Periehondrium. Es würde demnach nur in einem ganz bestimmten Zeitpunkte der Knorpel solche deut- liche Saftbahnen aufweisen. Dieser Zeitpunkt stimmt mit dem von Chievitz für den Beginn der Verknöcherung angenommenen. Auch Spina hat seine beiden Knorpelformationen besonders gut in der Umgebung von Knorpelgefässen gesehen und Spronck giebt an, dass nur an einer ganz bestimmten Zone des Gelenk- knorpels am Femurköpfchen des Frosches sich seine ev. Saftbahnen gut ausgebildet vorfanden, wo aussen schon Perichondrium, innen ein breiter Knochenring war. Es würde jetzt also darauf an- kommen, bei günstig erscheinenden Objekten weiter nach ähnlichen Befunden zu suchen, um so aus einer grösseren Anzahl das Wesent- liche ableiten und daraus noch nähere Schlüsse auf die ev. Bedeu- tung ziehen zu können. Dazu fehlt mir augenblicklich leider, wie Zur Kenntniss der Grundsubstanz u. der Saftbahnen d. Knorpels. 511 oben angegeben, die Zeit und daher habe ich schon jetzt diese kurze Mittheilung veröffentlicht. Litteraturangabe. Arnold, Die Abscheidung des indigoschwefelsauren Natrons im Knorpel- gewebe. Virch. Arch. Bd. 13, 1878. Barth, Medic. Centralblatt 1869, Nr. 40. Boll, Beiträge zur vergl. Histologie des Molluskentypus. Arch. für m. A. 1869. Brückner, Ueber Eiterbildung am hyalinen Knorpel. Dissertation Dorpat, 1873. Bubnoff, Sitzungsber. d. k, Acad. d. W. in Wien, Bd. 57. Budge, Die Saftbahnen im hyalinen Knorpel. Arch. f. m. A. Bd. 14 u. 16. Chievitz, Arch. für Anat. u. Phys. 1881. Cohnheim, Untersuchungen über d. embol. Process. Berlin, 1872. Colomiatti, Sulla stuttura delle cartilagine ialini e fibroelastica reticolata. Gazetta eliniche di Torino 1873. V.H. Jahresber. 1874. Deutschmann, Ueber die Entwickelung der elast. Fasern im Netz- knorpel. Dissert. Erlangen, 1873. Flesch, Ueber Ernährungswege und Resorptionsvorgänge im hyalinen Knorpel. Württembg. naturw. Zeitschrift 1877. Flesch, Untersuchungen über die Grundsubstanz des hyal. Knorpels. Würzburg 1880. Frommann, Untersuchungen über normale und patholog. Anatomie des Rückenmarkes. Jena, 1867. Fürbringer, Ueber. die Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. Morphol. Jahrb. 1877. Gegenbaur, Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. Arch. f£ m. A. VII u. VIU. Gerlach, Ueber das Verhalten des indigoschwefelsauren Natrons im Knorpelgewebe lebender Thiere. Erlangen, 1876. Henoeque, Structur des cartilages. Gaz. medic. 1873. Hertwig, Ueber die Entwickelung und den Bau des elastischen Ge- webes im Netzknorpel. Arch. f. m. A. IX. Heitzmann, Studien am Knorpel u. Knochen. Wiener med. Jahr- bücher 1872. Hoffmann u. Langerhans, Ueber den Verbleib des in der Cireu- lation eingeführten Zinnobers. Virch. Arch. Bd. 48. Hutob, Untersuchungen über Knorpelentzündung. Wiener med. Jahr- bücher 1871. Kölliker, Entwickelungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich, 1844. — Handbuch der Gewebelehre. Leipzig, 1889. Langerhans, v. Hoffmann. 512 M. Wolters: Zur Kenntniss der Grundsubstanz ete. Leydig, Beiträge zur mikroskop. Anatomie d. Rochen und Haie. Leipzig, 1852. — Zur Anatomie und Histologie der Chimaera monstros. Müller’s Arch. 1881. — Lehrbuch der Histologie. Frankfurt, 1857. Maass, Ueber das Wachsthum und die Regeneration der Röhren- knochen. Langenbeck’s Arch. XX. Nyeamp, Beitrag zur Kenntniss der Structur des Knorpels. Arch. f. MEN. TEST. Noris, Studien aus dem Institut für exper. Patholog. 1870. Orth, Cursus d. normalen Histologie. Ponfick, Studien über das Schicksal körniger Farbstoffe. Virch. Arch. Bd. 48. Petrone, Sulla struttura normale e pathologica dello cartilagine. Annali universali Giugno pag. 507, 1874. Queckett, Cattalogue of the histological series in the Museum of the voyal College of Surg. 1856. Reitz u. Stricker, Sitzungsber. d. k. Acad. d. W. in Wien, Bd. 55. Retzius, Beitrag zur Kenntniss des Knorpelgewebes. Nord. med. arkiv. IV, 1872. van der Stricht, Recherches sur le cartilage hyaline. Archives de Biologie Tom VI. Socolow, Ueber den Bau des Nasenknorpels etc. V. H. Jahresber. 1870. Solger, Die Wirkung des Alcohols auf den hyalinen Knorpel. 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Wenn der „nicht orientirte* Leser*) den Eindruck erhielt, — wie Weismann meint und fürchtet — die Arbeit Ischi- kawa’s gebe nur eine Bestätigung meiner eigenen Resultate, so habe ich in ganz rechtmässiger Weise erreicht, was ich zu be- weisen unternommen hatte. Die von Weismann?) zur Vertheidigung seines Schülers Ischikawa veröffentlichten Bemerkungen gehen auf die Trem- bley betreffenden Stellen nicht ein; sie reprodueiren aus meiner Kritik die mich angehenden Citate zum Theil und versuchen dann den Leser zu folgender Annahme zu bestimmen: Wenn Nussbaum auch schliesslich von einer Rückstülpung der Leibesschichten spricht, so musste Ischikawa doch zu der Meinung kommen, der Vorgang werde als eine Wanderung des Ectoderm über das Entoderm dargestellt. Hat Nussbaum auch die richtige Ansicht ausgesprochen, so kann ein umgestülpter und quer durchbohrter Polyp doch niemals in der beschriebenen Weise zur natürlichen Lagerung seiner Leibesschiehten zurückkehren. Demzufolge wird es meine Aufgabe sein, aus meiner früheren Abhandlung nachzuweisen, 1) Dieses Archiv Bd. 35. 2) Dieses Archiv Bd. 29. 3) Memoires, Leide 1744. 4) Siehe die Bemerkungen Weismann’s, dieses Archiv Bd. 36, pag. 627. 5) Dieses Archiv Bd. 36, pag. 627—638. 514 M. Nussbaum: dass man beim aufmerksamen Lesen derselben zu keinen anderen Schlüssen kommen kann, als zu den meinigen, und dass umgestülpte und quer durchbohrte Polypen in der von mir beschriebenen Weise am Leben bleiben. Da ich aber nach dem Erscheinen der Weismann’schen Bemerkungen mich durch Befragen mehrerer Biologen davon überzeugt habe, dass das Verständniss des von mir beschriebenen Umstülpungsvorganges auf Schwierigkeiten stosse, so musste ich mich dazu entschliessen, neben der Erwiderung auf die An- griffe Weismann’s noch eine detaillirtere Auseinandersetzung zu geben und die einzelnen Variationen, durch die ein umgestülpter und gefesselter Polyp zur ursprünglichen Lage zurückkehren kann, im Einzelnen zu besprechen. Alle diese Variationen er- folgen nach demselben, in meiner Abhandlung (dieses Archiv, Bd. 29) dargethanen Prineip der einfachen oder complieirten Rückstülpung. Das Prineip festzustellen war damals meine Auf- gabe, um durch die Widerlegung der alten Trembley’schen Er- klärung einen gewichtigen Einwand gegen meine Theorie von der eontinuirlichen Abstammung durch die Geschlechtszellen zu beseitigen. I. Es steht fest, dass Ischikawa die Trembley’schen Ver- suche über die Verschmelzung zweier Polypen nicht gekannt hat. Sollte die gleichfalls für neu gehaltene Erklärung des Trembley’schen Umkehrungsversuches bei Ischikawa nicht auf ähnliche Weise zu Stande gekommen sein ? Das ist, was ich dem Leser meiner Kritik zur Beurtheilung überliess. Durch Weismanns Bemerkungen veranlasst, komme ich auf die Untersuchung dieser Frage nochmals zurück und gehe die Bemerkungen der Reihe nach durch. Entgegen Weismann!) muss ich statt meiner für Trembley noch immer die Anerkennung fordern, dass er zuerst Polypen umgekehrt und am Leben erhalten habe. Trembley irrte nicht in der Beobachtung, dass nach einiger Zeit bei umgestülpten und mit einer Borste durchbohrten Polypen das Eetoderm wieder aussen liege, sondern in der Deutung dieses Vorganges. Wie Trembley uns auf Seite 254 seiner vierten Abhand- 1) 1. ec. pag.628. Di Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 515 lung zur Geschichte der Polypen berichtet, ging er bei seinem Experiment von dem Gedanken aus, die Bläschen „auf der äusseren Oberfläche der Haut“ füllten sich mit Nährsaft, der von den Bläschen der Magenwand zuerst aufgenommen sei. Er dachte daran, der äusseren Oberfläche diesen gelösten Nährsaft mit Umgehung der Bläschen der Magenwand (oder wie man jetzt sagen würde: der Entodermzellen) direet zuzuführen und suchte zuerst nach einer Nährflüssigkeit, worin er die unver- sehrten Polypen einsetzen könnte. Da ihm dies nicht gelang, so glaubte er den Beweis für die Möglichkeit einer unmittelbaren Ernährung der äusseren Oberfläche ebenso leicht erbringen zu können, wenn er die Polypen umkehrte, und so die äussere Ober- fläche ihrer Haut in den Magen umwandelte. Nach anfänglich vergeblichen Versuchen gelang ihm in Jahresfrist die erste Umstülpung an einer Hydra grisea (seconde espece, Trembley).. Das Fussende eines mit einem Wurm oder einer Insectenlarve vollgepfropften Polypen wurde ver- mittelst einer Schweinsborste eingestülpt und durch die Mund- öffnung wieder nach aussen geführt. Trembley überzeugt sich durch direete Beobachtung mit einer Lupe von dem Erfolg: die innere Oberfläche liegt in der That aussen. Bald nach der Umstülpung schliesst sich die Mundöffnung des Polypen, und seine Lippen kehren sich sogar ein wenig einwärts; dann aber stülpen sich die Lippen nach auswärts, und der Polyp ist vor Ablauf einer Stunde, wieder zur früheren Lage zurückgekehrt. bei manchen Exemplaren dauert die Rückstülpung ungefähr 24 Stunden. Die zurückgestülpten Polypen fressen, wachsen, vermehren sich: man kann sie von anderen nicht unterscheiden. Dieser Versuch entsprach jedoch nicht den gehegten Fr- wartungen. Trembley musste einen Polypen in umgekehrtem Zustande am Leben erhalten. Es schloss sich der Versuch an, den umgekehrten Polypen mit einer Borste zu durchbohren und an der Rückstülpung in die natürliche Lage zu hindern. Nach Trembley’s Versicherung macht es den Polypen nichts aus, gespiesst zu sein: sie fressen und vermehren sich weiter. Trembley beschreibt weiter einen Versuch, den ich schon in meiner Abhandlung über die Polypen wieder anzustellen ver- sprochen habe, zu dessen Ausführung es mir bis jetzt jedoch an der nöthigen Zeit gebrach. Man findet in der zweiten Abthei- 516 M. Nussbatim: lung der vorliegenden Abhandlung die Beschreibung des von mir nunmehr wiederholten Versuches. Was Trembley selbst mittheilt, gewährt keine klare Vorstellung über den Vorgang. Es handelt sich um die Umstülpung von Polypen mit an- haftender Knospe, wenn die Magenräume des erwachsenen Thieres und der Knospe noch miteinander zusammenhängen. Der Einfachheit halber möge die betreffende Stelle aus Trembley’s vierter Abhandlung hier wörtlich folgen. Pag. 262: „L’ouverture de communication, qui est encore entre l’estomae de ces petits et celui de leur mere, est encore dans toute sa grandeur. Lorsque la mere est retournee, le jeune peut se retourner de lui-m&me; et c’est ce qwil fait. Il arrive alors preeisement ce qui arriveroit, si, apres avoir retourne un gant, les doigts de ce gant se retourmmoient d’eux memes. Sion observe avec attention le corps de la mere, d’abord apres quelle a ete retournee, on voit, & l’endroit ou tient un de ces jeunes dont je parle, un ereux qui peu-A-peu se remplit; apres quoi, on distingue sensiblement le corps du jeune Polype, qui en sort en se retournant. ÜO’est ce que j’ai vu plusieurs fois et avec un tres grand plaisir. Il ne faut que quelques minutes, pour que le petit Polype soit tout-A-fait retourne. Ensuite, il continue & eroitre, il se detache de sa mere, et ne differe en rien de tout autre Polype. J’ai nourri de pareils jeunes, et eux et leurs pe- tits ont multipli& dans mes verres. Wer die Beschreibung aufmerksam liest, wird finden, dass in der Beobachtung eine empfindliche Lücke ist. Der Ausdruck „retourne“ in dem Satze: „Il ne faut que quelques minutes pour que le petit Polype soit tout-A-fait retourne* spricht zwar dafür, dass die Knospe bei der Umstülpung der Mutter nicht sofort mit umgestülpt gewesen sei, sondern erst später diese Umstülpung spontan vollzogen habe. Wäre dem nicht so, so würde die Knospe. auch nicht im Leibe der Mutter, sondern wieder wie vor der Umstülpung aussen gesessen haben. Ferner gebraucht Trembley stets für die Umstülpung, d. h. — im Sinne unserer heutigen Kenntnisse über die Polypen ausgedrückt — sobald das Entoderm aussen liegt, das Wort re- tourner; deretourner dagegen, wenn das Eetoderm sich wieder aussen befindet, nachdem ein umgestülpter aber nicht mit einer Borste durchbohrter Polyp sich zurückgestülpt hat. u Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 517 Es kommt aber nicht darauf an, mit Worten zu streiten, sondern durch die Beobachtung die jedenfalls richtigen aber nicht vollständigen Angaben Trembley’s zu ergänzen. Bis jetzt sind wir nicht darüber unterrichtet, wie eine junge Knospe nach Umstülpung ihrer Mutter in die natürliche Lage zurückkehre. Wir sind durch Trembley auch nicht damit bekannt ge- macht worden, auf welche Weise an einem umgekehrten Polypen sich die ursprüngliche Lagerung der Theile wiederherstelle. Wohl findet sich pag.263 der vierten Abhandlung folgende Stelle: La superficie exterieure d’un Polype, nouvellement re- tourne, n’est pas d’abord aussi unie que celle d’un Polype non retourne. Elle est telle, que j’ai deerit, dans le premier M&moire (pag. 55), la superficie interieure de la peau des Polypes. Il arrive meme, la plupart du tems, que plusieurs des grains, qui tapisseut cette superficie exterieure d’un Polype retourne, se de- tachent: elle paroit pendant quelques jours environnee de ces grains qui sien separent: mais, ensuite, elle devient absolument aussi unie que l’est la superficie exterieure des Polypes qui n ont pas ete retournes. Daraus geht sachlich so viel hervor, dass nach einiger Zeit bei einem umgekehrten und aufgespiessten Polypen die ur- sprüngliche Lage der Theile wiederhergestellt ist, dass das Ee- toderm sich wieder aussen befinde. Dies ist unwiderleglich, da Trembley mit seinen optischen Hülfsmitteln schon sehr wohl Eceto- derm von Entoderm zu unterscheiden vermochte. Trembley hat einen umgekehrten Polypen mehr als zwei Jahre am Leben erhalten. Damit endet die Beschreibung des Umkehrungsversuches. Der folgende Theil der Abhandlung ist der Beschreibung nicht hierher gehöriger Experimente gewidmet. Man vermisst ein Raisonnement über die Bedeutung, die Trembley dem Umkehrungsversuch beimisst und namentlich eine Auseinandersetzung über die das Experiment veranlassende Absicht zu erfahren, ob Bläschen der äusseren Hautoberfläche denn in der That direet Nahrung aufnehmen können, wenn sie in die geeigneten Bedingungen versetzt werden. Wie Trembley sich den Vorgang vom Beginn der Um- stülpung bis zur Wiederherstellung der natürlichen Lagerung der Leibesschichten vorstelle, kann aus einer auf pag.253 zu den Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 34 518 M. Nussbaum: Umstülpungsversuchen gegebenen einleitenden Bemerkung ge- schlossen werden. Pag. 253: „Si javois scu qu’un morceau de peau de Po- ‚Iype pouyait devenir un Polype complet, seulement en s’enflant de maniere quil se forme dans le milieu de cette peau simple un vuide qui devient l’estomae du Polype; si dis-je, javois sgu cela, jaurois eu plus d’esperance de voir vivre un Polype re- tourne: jJ’aurois deja eu une preuve que la superficie interieure de la peau d’un Polype peut devenir, au moims en partie, super- fieie exterieure, ainsi qu’on la vu dans les Experiences preee- dentes. Mais, lorsque j’entrepris de retourner les Polypes, je n’avois pas encore fait ces Experiences.“ Somit war Trembley, soweit unsere Kenntniss reicht, der Erste, der mit Erfolg Polypen umkehrte und am Leben erhielt. An dieser Sachlage wird Nichts geändert, ob man Trem- bley’s Beschreibungen Glauben schenkte oder nicht. Da nun in der That, was ich bisher nicht geglaubt habe, der Versuch eine besondere Geschicklichkeit vorauszusetzen scheint, so konnte es mir nur erwünscht sein, wenn Weismann in seinem Schüler Ischikawa den rechten Mann entdeckt hatte, der die nöthige feine Untersuchungsgabe besass, die seit beinahe 150 Jahren beschriebenen, aber mehr oder weniger angezwei- felten Versuche der Umstülpung von Polypen nochmals zu wieder- holen. Mir würde eine Bestätigung der von mir aus meinen Versuchen, abgeleiteten Ansichten durchaus nicht überflüssig er- schienen sein; da jedes Experiment unter den geeigneten Be- dingungen, hier unter der Voraussetzung einer besonderen Ge- schiekliehkeit, muss wiederholt werden können. Damit erledigt sich auch die Frage, ob ich die „Form“ der Ischikawa’schen Publikation hätte für die richtige halten müssen. Ebensowenig als ich in der Ischikawa’schen Arbeit einen persönlichen Angriff gefunden habe, ebensowenig erwiderte ich in gereiztem Tone; ich überliess dem Leser, sich ein Urtheil zu bilden, ob Ischikawa oder ich den Trembley’schen Um- kehrungsversuch an Hydra erklärt habe. Kam der Leser zu der Ansicht, oder hatte er sie sich schon früher gebildet, dass vor Ischikawa schon ich die richtige Er- klärung gegeben hätte, so war die „Form“ der Ischikawa- schen Veröffentlichung verfehlt; da sie nur eine — mir immer- Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 519 J puns hin werthvolle — Bestätigung bekannter, aber nur unter gün- stigen Bedingungen zu beobachtender Thatsachen enthielt. Wir kommen jetzt zu dem sachlichen Theil der Weis- mann’schen Bemerkungen (l. e. pag. 629). Nach Weismann suchte Ischikawa zu zeigen, „dass die Borste nur scheinbar ein Hinderniss für die Umstülpung ist, dass sich in Wahrheit der Polyp an der einen Seite der quer durch seinen Körper gesteckten Borste hervorstülpt, was natürlich nur dann vollständig gelingen kann, wenn die Substanz des Thieres an der anderen Seite schliesslich einreisst, um sich nach dem Durehpassiren der Borste wieder zusammenzuschliessen.“ Der Autor der Bemerkungen ist ganz im Recht, wenn er annimmt, ich verstände diese Erklärung des Vorganges; ich be- streite aber, dass sie neu sei und bestreite, dass umgekehrte Polypen ausschliesslich auf diese Weise sich wieder zurückstülpen. Es ist gar nicht nöthig, dass die Substanz des Thieres an der an- deren Seite einreisse. Man betrachte nur den auf Tafel XIV, Fig. 47 meiner Ab- handlung vom Jahre 1887 (dieses Archiv Bd. XXIX) abgebildeten Polypen. Die Zeichnung ist nach einem lebenden Polypen ge- fertigt, der umgestülpt und mit einem Silberdraht quer durch- bohrt auf eine Kautschukplatte gespiesst wurde und der nach drei Tagen, wie die eitirte Figur zeigt, noch immer völlig durch- bohrt auf der Platte haftete.e. Wir kommen noch auf diesen Versuch später zurück. Weismann und Ischikawa haben beide die Vorstellung, Nussbaum lasse die Restitution des umgestülpten Polypen durch active Wanderung der Eetodermzellen erfolgen. Dafür eitirt Weismann mit einigen Abkürzungen nochmals zwei schon von Ischikawa abgedruckte Stellen meiner Abhandiung und eine dritte in meiner Kritik enthaltene Stelle aus derselben Quelle. Vergleicht man die Weismann’schen Citate und die sie verbindenden Worte: „Dann aber folgt die von Nussbaum ete.“ (pag. 629) mit dem Text meiner Abhandlung auf den beiden Seiten 342 und 343 (dieses Archiv Bd. XXIX), so findet man, dass diese ‚beiden Gruppen von Citaten in meiner Abhandlung durch eine für das Verständniss nicht unwichtige Auseinander- setzung von einander getrennt sind, also nieht so unvermittelt einander folgen, wie Weismann es darstellt. 590 M. Nussbaum: Die beiden ersten Citate Weismann’s auf Seite 629 des 36. Bandes sind der mit Seite 342 des 29. Bandes zu Ende gehenden Beschreibung meiner Versuche entnommen und enthalten die Schilde- rung dessen, was man ohne weitere Präparation am lebenden Thiere „bei öfterem Untersuchen mit nieht zu schwachen !) Linsen“ (pag. 339) erkennen kann. Der Abschnitt schliesst bei mir mit den Worten (pag. 345): „Hiermit sei der Beschreibung der ohne weitere Präparation am lebenden umgestülpten Polypenleibe wahrnehmbaren Ver- änderungen genug.“ Ehe nun die von Weismann in semen Bemerkungen mit einigen Auslassungen am Fusse der Seite 629 abgedruckte Stelle folgt, spreche ich mich in meiner Abhandlung zusammen- fassend über das aus, was an umgestülpten und mit emem durch- bohrenden Draht an der Rückstülpung gehinderten lebenden Po- Iypen unter dem Mikroskop zu sehen ist. Es ist in der That nur Ectoderm zu sehen, und jeder unbefangene Beobachter würde glauben, es sei das Eetoderm allein, „das stets in dünner Schicht, wie ein zarter Schleier mit seinen Muskelzellen und den Nessel- apparaten von den drei bestimmten Lokalitäten, der Mundöffnung und den beiden durch den fixirenden Silberdraht gemachten Stichöffnungen* her vordringt. Die zu den beiden ersten Ci- taten Weismann’s gehörigen Stellen memer Abhandlung schil- dern somit, was man am lebenden Versuchsthier unter dem Mi- kroskop sehen kann. War nun durch die Beobachtung am lebenden Thiere schon nachgewiesen, dass das Entoderm sich nicht m Eetoderm um- wandelte, wie Trembley geglaubt hatte, so suchte ich durch die weitere Untersuchung der im Leben beobachteten Versuchs- thiere Aufschluss darüber zu erhalten, ob denn in der That, wie es nach den bis dahin von mir gewonnenen Erfahrungen schien, allein .das Eetoderm von den drei genannten Punkten über das Entoderm hinkrieche. Zu dem Zwecke tödtete ich die Versuchsthiere in verschie- denen Stadien der Rückbildung ab, zerlegte sie in feine Schnitte und gab in dem mit dem Weismann’schen dritten Citat: „Da man nun“ ete. eingeleiteten Abschnitt meiner Abhandlung?) die )Z eiss A (siehe ]. c. pag. 325). 2) Dieses Arch. Bd.29, pag. 343. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 521 Beschreibung dessen, was an den in feine Schnitte zerlegten, vor- her umgestülpten Polypen zu sehen ist. Dabei zeigte sich, dass das Ectoderm mit der Stützlamelle, und, wie man annehmen muss, auch mit dem zugehörigen Entoderm über das vorher nach aussen verlagerte Entoderm hinzieht. Wenn nun Weismann glaubt, dass „Nussbaum jetzt also bei der Ansicht angelangt sei, dass an diesen Stellen eine par- tielle Umkrempelung stattfinde“, so hätte Ischikawa uns Allen gewiss einen Dienst erwiesen, wenn er von dieser meiner An- sicht Notiz genommen hätte. Weismann sucht die Beweiskraft der Thatsachen, die ich für diese meine Anschauung vorgebracht habe, zu entkräften und wiederholt nochmals den theilweise schon von Ischikawa ge- machten Einwand, „dass aus dem Stichkanal keine Zurück- stülpung erfolgt und dass der weisse Schleier, den Nussbaum beschreibt und abbildet, wie er sich vom Stichkanal aus über die Aussenfläche des umgestülpten Polypen hinzieht (s. a. a. ©. Tafel XIX, Fig. 104), entweder auf einer Quellung der Ento- dermzellen durch Wirkung des Wassers, oder auf einer wirklichen Auswanderung später zu Grunde gehender Eetodermzellen beruht, die aber mit der eigentlichen Restitution der Schichten nichts zu thun hat“. Ischikawa habe ich auf diese Einwendung nicht geant- wortet, weil ich mich in meiner Abhandlung hinlänglich darüber ausgewiesen hatte, dass ich Eetoderm von Entoderm zu unter- scheiden verstehe !). Auf die von Weismann hinzugefügte Alternative, es möge der Schleier aus später zu Grunde gehenden Ecetodermzellen be- stehen, kann ich vorläufig nur erwidern, dass diese Erklärung meiner Beobachtungen ebenfalls nicht zutrifft. Man findet im 1) Vgl. dazu noch folgende Stellen. Pag. 329 des 29. Bandes dieses Archivs: „oft genug ging’ ein grosser Theil des umgestülpten und nach aussen gekehrten Entoderm in Fetzen ab und löste sich völlig im Wasser auf.“ Pag. 341. „Von den Wundöffnungen und von den Tentakeln zieht sich das Eetoderm wie ein feiner weisser Schleier über das gefärbte und an den übrigen Stellen des Leibes nach aussen gelagerte Entoderm hin. Die verletzte Stelle mit dem abgän- gigen Entoderm liegt unverändert nahe dem Fuss, von der Stichwunde durch normales Entoderm getrennt.“ 522 M. Nussbaum: experimentellen Theil dieser Abhandlung die Beweise für meine Behauptung, freilieh nur in einer Wiederholung meiner alten Beobachtungen. In seinen Bemerkungen sucht Weismann nunmehr die Deutung zu widerlegen, die ich den in Fig. 14—50 der Ischi- kawa’schen Abbildungen zu Grunde liegenden Versuchen ge- geben hatte. Für die Fig. 14—18 (Versuch Nr. 15, Ischikawa), muss man gestehen, ist der Erfolg auf Weismann’s Seite, nachdem er die Fig. 18 anders orientirt, d.h. um 180° gegen die Ischi- kawa’sche gedreht hat. Mein Einwand bezog sich auf die Ischikawa’sche Origmalfigur 18, die als solche niemals für eine erfolgte Rückstülpung beweisend sein konnte. Ich weiss, dass ausser mir noch vielen Anderen die Ischikawa’schen Figuren und die zugegebenen Erläuterungen unverständlich blieben. Da nach Weismann’s Holzsehnitten die Tentakel aber in der That lagen, wo sie nach meiner Argumentation hätten liegen müssen, wenn der Polyp, wie wir jetzt wissen, sich wirklich in toto umgestülpt hatte, so ist damit dieser Punkt erledigt. Auf die Ischikawa’schen Figuren 19—30 geht Weis- mann nicht ein. Da an diesen Versuchsthieren sicher keine Rückstülpung im Sinne Ischikawa’s vorgekommen ist, und ich vor wie nach in denselben eine werthvolle Bestätigung des von mir zuerst beschriebenen Vorganges der gleichzeitigen Rück- stülpung von verschiedenen Stellen her erblicke, so will ich dies- mal eingehender auf dieselben zurückkommen. Zuvor müssen wir jedoch an einem Handsehuhfinger als Modell untersuchen, welche Lageveränderungen für verschiedene Formen der Umstülpung charakteristisch sind, um aus diesen Be- trachtungen sichere Daten zu gewinnen für die Beurtheilung der stattgehabten Verlagerungen nach Ablauf eines Versuches am lebenden Polypen. Tafel XXVIL Figur 1—. 1) Ein Handschuhfinger, dessen eine Seite gegen das offene Ende zu mit einer Nadel von aussen nach innen durchbohrt und auf einer Unterlage befestigt ist, wird nach der Umstülpung vorn mit hinten vertauscht haben, d. h. das offene Ende wird jetzt da liegen, wo die geschlossene Fingerspitze zuvor gelegen hatte. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 523 Die Nadel geht jetzt nicht mehr von aussen nach innen durch die durcehbohrte Seite hindurch, sondern von innen nach aussen. Man kann dem Handschuhfinger seine frühere Orientirung mit Bezug auf die Längsaxe wieder geben, wenn man ihn 180° um die fixirende Nadel rotirt: dann liegt das offene Ende wieder genau so, wie vor der Umstülpung, aber die vorher sichtbare Nadel wird dem Beschauer jetzt durch die nicht durchbohrte Seite des Handschuhfingers verdeckt. Man kann weiter durch Rotation von 180° um die Längsachse des Fingers die Nadel zum grössten Theil wieder sichtbar machen. Dann ist der Hand- schuhfinger aber nicht mehr an der aufwärts gerichteten Wand, sondern an der unteren durchbohrt. Die Nadel bleibt bei dieser Rotation um die Längsachse des umgestülpten Fingers von innen nach aussen durchgestochen. Tafel XXVI, Figur 6—8. 2) Führt man an einem Handschuhfinger durch die untere Wand von innen nach aussen eine Nadel durch und stülpt das blinde Ende durch das offene hindurch, so vertauschen wieder die beiden Enden der Längsachse des Fingers ihren Platz. Man kann aber jetzt, wenn die durchgesteckte Fingerspitze vor der völligen ‘Durchstülpung gefasst und über den oberen Rand des offenen Endes vom Handschuhfinger in ihre alte Richtung zurück- geführt wird, durch einfaches Umklappen die beiden Enden trotz der Umstülpung wieder so lagern, wie sie vor der Umstülpung gelegen hatten. Die Nadel steckt aber jetzt in der oberen Wand des offenen Endes von aussen nach innen und der Finger hat seine obere Fläche mit der unteren vertauscht. Tafel XXVI, Figur 9—12. 3) Man kann aber auch an einem Handschuhfinger eine Nadel durch die obere und untere Wand hindurchstecken, den Finger also doppelt durehbohren, ohne dass die Möglichkeit ihn umzustülpen geschwunden wäre, sobald die Durchstechung nur seitlich genug liegt, um den durchzustülpenden Finger vorbeiführen zu lassen. Die Enden der Längsaxe vertauschen nach der Um- stülpung ihren Platz. Konnte man bei der Seitenansicht die durchgesteckte Nadel im Innern des vorderen Fingerendes sehen, so wird sie jetzt durch die nicht durchbohrte Partie des vorderen 524 M. Nussbaum: Endes verdeckt. Man kann aber wiederum den Handschuhfinger durch Drehung von 180° um die Nadel mit Bezug auf sein blin- des und offenes Ende so legen, wie vor der Umstülpung. Nur liegt jetzt die Nadel auf der dem Beschauer zugewandten Seite mit ihrem Mittelstück an der Aussenseite des Fingers, die Enden ragen aus der Lichtung hervor. Bei der voraufgehenden Schilderung ist die Nadel jedesmal senkreeht auf einer Unterlage befestigt gedacht; es ändert aber offenbar an dem Ganzen nichts, wenn die Nadel horizontal durch- gesteckt und in dieser Lage fixirt wäre. Es wäre also möglich, dass ein umgestülpter Polyp, der nach einer der vorbeschriebenen Arten mit einer Borste oder mit einem Draht durehbohrt wurde, sich zurückstülpe. Es muss dann aber abgesehen von der Umkehrung seiner Leibesschichten auch vorn mit hinten vertauscht sein. Um diese Fälle handelt es sich aber gar nicht bei dem Umkehrungsversuch Trembley’s und der zugehörigen Erklärung. Auch der folgende Verlauf eines Umstülpungsversuches ge- hört nicht hierher. Tafel XXIX, Figur 11a und b. 4) Rückt die durehbohrende Nadel weiter gegen das blinde Ende des Handschuhfingers zu, so tritt der von Weismann als die einzige Möglichkeit für die Rückstülpung eines doppelt durch- bohrten Polypen hingestellte Fall en. Wie Fig. 11b der Taf. XXIX zeigt, wird die völlige Umstülpung des vorderen Endes durch die von der Nadel gefasste und zwischen den beiden Löchern gele- gene Partie gehindert. Die Nadel muss aus einem Loch zurück- gezogen werden, dann kann die völlige Rückstülpung wie in Fig. 3, Tafel XXVI stattfmden. In Fig. 11a ist das Ausgangs- stadium dieser Abart des Umkehrungsversuches dargestellt. Man gelangt zu dem Endstadium im Figur 11b derselben Tafel XXIX, wenn man den Handschuhfinger vom blinden Ende aus ein- und durehstülpt, 180° um die Nadel dreht und das blinde Ende nach abwärts klappt. Die Nadel ist horizontal durchgebohrt und in dieser Lage befestigt. Hier handelt es sich vielmehr um umgestülpte und durchbohrte Polypen, die während der von mehreren Stellen aus erfolgenden Rückstülpung durehbohrt bleiben und in Folge dessen die Characte- Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 525 ristiea der einfachen Um- oder Rückstülpung mit Bezug auf die Längsaxe nieht zeigen: d.h. um umgestülpte Polypen, die, wenn sie aussen statt des Entoderm ganz wie normale Polypen wieder Eetoderm zeigen, trotzdem die absolute Lage von Mund und Fuss im Raume nicht gewechselt haben. Es muss somit die Frage entschieden werden, ob ein an der einheitlichen Rück- stülpung von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn gehin- derter umgekehrter Polyp lebensfähig sei, und auf welche Weise das Eetoderm wieder aussen zu liegen komme. Wir argumentirten nach der von Trembley gelieferten Be- schreibung, dass der von ihm umgestülpte und durehbohrte Polyp in Fig. 16, Taf. XI seines Buches zu dieser Kategorie gehörte. Er versichert uns, dass das Thier am Leben blieb, dass die innere Haut zur äussern sieh umwandle. Somit ist nieht daran zu zweifeln, dass das Eetoderm an diesem auf der Borste verbliebenen Polypen wieder aussen lag. Von einer Rückstülpung berichtet Trembley Nichts. Wir machten dabei die Annahme, dass wenn eine Rück- stülpung vorgekommen wäre, sie von Trembley, der diesen Vor- gang in anderen Versuchen oft genug beobachtet hatte, nicht würde übersehen worden sein. Leider kann man keinen zwin- genden Beweis für diese Annahme beibringen, da es ein Ding der Unmöglichkeit ist, viele Stunden continuirlich zu beobachten, und Trembley dies auch sicher nicht gethan hat. Man könnte wegen der von Trembley gewählten Manier der Aufhängung des umgestülpten Polypen an einer Borste immerhin den Einwand machen, der Polyp habe sich doch in toto zurückgestülpt und sei späterhin durch Drehung um seine Queraxe zur anfänglichen Lage zurückgekehrt, d. h. Mund oben und Fuss unten bei der Trem- bley’schen Versuchsanordnung. Bei meinen Versuchen habe ich nun umgestülpte Polypen am Leben erhalten, die nicht durch einfache und einheitliche Rückstülpung ihre Leibesschichten umkehren konnten, so dass Ectoderm wieder aussen lag. Die Polypen meiner Versuche waren wirklich durch den durchgestossenen und senkrecht auf einer Platte befestigten Draht daran gehindert. Die Möglichkeit eines derartigen Experiments bestreiten Ischikawa und Weismann. Damit wäre der Trembley’sche Versuch aus der Welt geschafft und man müsste mit Ischikawa annehmen, dass ein an der einheitlichen, von Weismann m 526 M. Nussbaum: seinen Holzschnitten erläuterten Rückstülpung gehinderter Polyp zu Grunde gehen müsse. Die Versuche Ischikawa’s, zu denen die Figuren 19—20 und 26—30 gehören, wurden in meiner Kritik, wie oben erwähnt, gedeutet, wie ich meine eignen Versuche und den Versuch Trem- bley’s erklärt habe, und ich will jetzt ausführlicher an Ischikawa’s Figuren zeigen, dass ein Polyp doch am Leben bleiben kann, wenn er an der einheitlichen Rückstülpung gehindert und ge- zwungen ist, von zwei oder mehreren Stellen aus Rückstülpungen auszuführen. Wie oben auseinandergesetzt wurde, kann ein durehbohrter, umgestülpter Handschuhfinger nach der Rückstülpung nur durch Rotation um eine Queraxe, die mit der fixirenden Nadel zusam- menfällt, in seine ursprüngliche Lage mit Bezug auf sein offenes und blindes Ende zurückgebracht werden. In Ischikawa’s Versuchen, wo der umgestülpte Polyp auf dem Glasstäbehen verblieb, fiel aber das Fixirungsmittel in die Längsaxe der Versuchsthiere (l. e. Figg. 19—30); es konnte somit keine Drehung der Thiere um eine Queraxe erfolgen. Lag des- halb das Mundende vor der Rückstülpung und nach derselben oben am Glasstab, so konnte dies keine einfache Rückstülpung nach Art eines Handschuhfingers sein, da ihr die Merkzeichen derselben fehlen. Die Ischikawa’schen Versuche eignen sich deshalb ganz besonders zum Nachweis, dass eine mehrfache, von verschiedenen Stellen aus getrennt eriolgende Rückstülpung an dem an einer einheitlichen Rückstülpung gehinderten Polypen möglich ist. Denn man kann auch ohne continuirliche Beobachtung eine einfache Rückstülpung in diesen Versuchen ausschliessen. Wählen wir für unseren Beweis die zum Versuch 17 gehöri- gen Fig. 21—25 der Ischikawa’schen Abhandlung aus. Ein Polyp war über ein Glasstäbchen umgestülpt und etwas unter seiner Leibesmitte von demselben Glasstäbehen durchbohrt worden, so dass das tentakelführende vordere Ende das Glasstäb- chen einhüllte, das hintere Ende dagegen frei war. Nach Ischi- kawa’s Beschreibung und den beigefügten Abbildungen stülpte sich das hintere Ende zurück wie ein Handschuhfinger. Da nun gemäss Fig. 23 das blinde Fussende des zurückgestülpten hinte- ren Abschnittes wieder so lag wie in Fig. 21 und 22, d.h. wie Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 527 vor der Rückstülpung, so muss dieser Theil eine Drehung um seine Queraxe vollzogen haben und der Eingang zu seinem Inne- ren von der dem Beschauer zugewandten auf die entgegengesetzte Seite gerückt sein. (Vgl. auf Seite 522 die Auseinandersetzung über die Umstülpung eines einseitig am offenen Ende durehbohrten Handschuhfingers Absatz 1); ebenso Taf. XXVI, Fig. 1-5). Am tentakelführenden Ende erschien gleichzeitig mit der Rückstülpung des vorhin betrachteten Theiles das Eetoderm wieder auf der Aussenfläche; die Rückstülpung erfolgte aber nicht wie beim hinteren Ende, da die Tentakel in ihrer Lage verharrten und eine Drehung um die Queraxe durch die Versuchsanordnung ausge- schlossen ist. An diesem vorderen Abschnitt erfolgte eine Rückstülpung der Leibesschiehten vom Mundrande und von der in der Mitte des Körpers gelegenen Wundfläche her, die zur Verwachsung führte, wie Ischikawa in seiner Tafelerklärung auf Seite 458 (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 49) selbst angiebt. „Der freie Rand des Körpers mit a bezeichnet schob sich weiter nach oben zu und wuchs endlich mit dem freien Rande des Mundes zusammen.“ Hätte Ischikawa den in Fig. 30 (l.e.) dargestellten Poly- pen in feine Schnitte zerlegt und ebenso das tentakelführende Ende statt des Fussstückes aus Fig. 25, so würde er gewiss Bilder erhalten haben, die ihn mit meiner Erklärung des Trem- bley’schen Versuches mehr befreundet hätten. In solchen Prä- paraten würde innen und aussen Eetoderm gelegen haben, da- zwischen Entoderm. Eetoderm und Entoderm wären durch die Stütz- lamelle mit einander verbunden gewesen. Um kein Missverständ- niss aufkommen zu lassen, soll die Schichtfolge von einer Seite eines Querschnittes solcher Polypen bis zur andern hier aufgezählt wer- den: Eetoderm, Stützlamelle, Entoderm, Stützlamelle, Eetoderm; Loch, wo die Borste gelegen hatte; Eetoderm, Stützlamelle, En- toderm, Stützlamelle, Eetoderm. Das könnte man an einem aus der Umstülpung zur normalen Lagerung des Eetoderm durch einfache uncomplieirte Rückstül- pung zurückgekehrten Polypen nicht finden. Das Fussende der Fig. 25 (Tafel 18 der Isehikawa’schen Abhandlung) ist durch einfache Rückstülpung zur normalen Lage zurückgekehrt: dess- halb bietet der Schnitt in Figur 68, Tafel XX 1. ce. Nichts zur Erklärung des Trembley’schen Versuches. 528 M. Nussbaum: Das vordere Ende dagegen hat sich vom Mundrande und der Wundfläche aus gleichzeitig und in entgegengesetzter Rich- tung, vom Mundrande von vorn nach hinten, vom Wundrande von hinten nach vorn zurückgestülpt, .bis beide Ränder mit ein- ander verwachsen konnten. Das ist aber genau dasselbe, was ich von der Verheilung der vom Mundrande und den Wundöffnungen meiner Versuchs- thiere her vorkriechenden freien Ränder gesagt habe. Es ist somit möglich, einen umgestülpten Polypen am Leben zu erhalten, der an der einheitlich vom Mund zum Fuss oder vom Fuss gegen den Mund zu erfolgenden Rückstülpung gehindert ist, wie dies Fig. 47 meiner früheren Abhandlung zeigt. An diesem Po- Iypen liegt das Eetoderm wieder aussen; der Polyp lebt und ist vor wie nach von einer Borste quer durchbohrt. Er kann sich somit nicht in der Art, wie Weismann sie in seinen Holz- schnitten illustrirt hat, zurückgestülpt haben. Ueberdies war an meinem Polypen die absolute Lage von Mund und Fuss vor und nach der Rückstülpung dieselbe, was gleichfalls unmöglich wäre, wenn der Polyp sich einfach vom Fuss durch das Innere hindurch zurückgestülpt hätte. Ich begnüge mich vorläufig mit dem bis- hierher geführten Beweise, um im zweiten Abschnitt ausführlich zu zeigen, dass neben der von Weismann als der einzig möglich hinge- stellten Art der Rückstülpung noch eine Reihe anderer vorkommt. Ob dabei, wie Weismann als unbedingt nothwendig vor- aussetzt (l. ec. pag. 650) eine mehrfache Zerreissung des ganzen Polypen sich ereignen müsse, wollen wir im zweiten Abschnitt an einem Handschuhfinger als Modell prüfen. Am Handschuh- finger sind die von Weismann bezweifelten Formen der Rück- stülpung, wie ich im Voraus bemerken will, ohne irgend welche Zerreissung angängig. Es dürfte also wahrscheimlich sein, dass der contractile und zugleich stark dehnbare Polypenleib ohne Schaden einen Vorgang vollziehen könne, der ohne Zerreissung am Handschuhfinger vorzunehmen ist. Weismann bildet zwar einen mit zwei Borsten kreuzweise durchbohrten Polypen ab, der einen Tag nach der Umstülpung zu Grunde ging. Man wird sich doch wohl hüten müssen, einen Versuch mit negativem Erfolge für einen Beweis gegen die Mög- lichkeit eines andern Versuches mit positivem Ergebniss zu hal- ten. Bei Trembley’s, memen eigenen Versuchen, den Versuchen Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 529 Ischikawa’s sind viele umgestülpte, undurchbohrte oder durch- bohrte Polypen zu Grunde gegangen, andere haben sich zu viel- köpfigen Hydren umgestaltet. Sehr viele Experimentatoren haben vergeblich den Versuch angestellt. Giebt das ein Recht zu sagen, die Möglichkeit, ein umgestülpter und an der einfachen totalen Rückstülpung gehinderter Polyp könne am Leben bleiben, sei ausgeschlossen ? Nun noch ein Wort zur „heimlichen“ Rückstülpung. Da ich ge- sehen hatte, dass die Verlagerung des Eetoderm auf die Aussenseite eines umgestülpten gefesselten Polypen in dem Umschlag der Leibes- schichten vom Mund und den Wundrändern her beruhe, dass die gewöhnliche Umstülpung nach dem Schema des umgestülpten Handschuhfingers aber ausbleibe, so nannte ich die modifieirte Umstülpung, die in diesen Fällen nicht am lebenden Thier, sondern erst an den feinen Schnitten durch -die gehärteten Versuchsthiere erkannt werden kann, eine heimliche. Durch dieses Wort wurde in einfachster Form ausgedrückt, dass auch bei dem ächten Trembley’schen Versuch das Wiedererscheinen des Eetoderm auf einer Umstülpung beruhe, die aber dem geschickten Experimen- tator Trembley verborgen bleiben musste, weil sie am lebenden Thier nicht augenfällig verläuft. Es war somit nicht allein die Möglichkeit des Versuchs, sondern auch der Grund dafür ange- geben worden, wie Trembley zu seiner Theorie von der Ver- wandlung von Entoderm in Eetoderm kommen konnte, ja kommen musste. Zu seiner Zeit war es absolut unmöglich, in den Vor- gang dieser Form der Rückstülpung tiefer einzudringen, und am lebenden Thier ist von einem ohne Weiteres mit dem Vorgang der Umstülpung oder Rückstülpung vergleichbaren Vorgange nichts zu sehen. Auch für Ischikawa ist die Rückstülpung bei dem ächten Trembley’schen Versuch eine „heimliche“ geblieben, da er die- sen Versuch gar nicht angestellt hat. Der ächte Trembley’sche Versuch setzt voraus, dass ein umgestülpter Polyp sich zurück- stülpe und dabei von der Borste quer durehbohrt bleibe. In meiner früheren Abhandlung schloss ich, das Wiederer- scheinen des Eetoderm auf der Oberfläche eines umgestülpten und quer durchbohrten Polypen erfolge durch den Umschlag der Leibesschichten, weil ich an Schnitten durch die gehärteten Versuchsthiere gesehen hatte, dass unter dem Eetoderm in allen x 530 M. Nussbaum: Fällen auch die Stützlamelle liege. Selbstverständlich folgte unter der Stützlamelle Entoderm. Ob dies aber zu dem darüber liegenden Eetoderm gehöre, konnte nicht in allen Fällen nachgewiesen wer- den. Dazu hätte gehört, dass wie beim normalen Polypen die Kerne des Entoderm an den umgeschlagenen Stellen überall der Stützlamelle anlagen, dass überall ein deutliches Lumen zwischen den einander zugewandten Entodermzellen der zurück- gestülpten und der noch nicht zurückgestülpten Leibeswand sichtbar gewesen wäre, und dass man in diesem Lumen die Cilien auf den Köpfen der Entodermzellen hätte erken- nen müssen. Da aber die Contraction der Theile eine so grosse ist, dass die Entodermzellen, an den meisten Umschlag- stellen dicht aneinandergepresst, ihre normale Gestalt total ver- ändert haben und kein Zwischenraum die zu der einen Schicht gehörige Reihe von der andern trennt, so konnte ich nicht mehr als die Annahme machen, es schlage sich mit dem Ectoderm und der Stützlamelle auch das Entoderm an den bezeichneten. Stellen um. Zu beweisen war dies nur an einigen günstigen Partien weniger Schnitte. Um keinem Zweifel Raum zu geben über die Art, wie ich zu dem Schluss gekommen war, das Wiederscheinen des Ectoderm auf der Oberfläche umgestülpter Polypen sei durch Rückstülpungsvorgang bedingt, hob ich hervor, dass man zu der Annahme gezwungen sei, mit dem Eetoderm und der Stützlamelle schlage sich gleichzeitig das Entoderm um. Von dem Eetoderm war dies schon am lebenden Thiere zu beweisen, von der Stütz- lamelle an den mikroskopischen Schnitten, aber selbst an den Schnitten vom Entoderm nicht immer. Macht man eine Annahme, so leitet man nur aus der Ana- logie den Schluss ab. Die Analogie war durch die günstigen Schnitte, an denen der Umschlag der Leibesschichten wirklich gesehen worden war, gegeben. Der allgemeine Schluss war be- rechtigt, weil kein zwingender Grund vorlag, nach den weniger günstigen Schnitten die Erscheinung anders zu deuten, als ich es gethan habe. Die auf Seite 654 und 635 folgenden Auseinandersetzungen Weismann’s, der Kampf mit dem „proteusartigen Gegner“, sind durch das von mir vorhin vorgebrachte Beweismaterial erledigt. Es ist sicher, dass Ischikawa meine Erklärung nicht ge- kannt hat; denn sonst würde er die von mir als unrichtig be- Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsverstiches. 531 zeichnete Meinung nicht noch einmal mit dem Aufwand von drei Holzschnitten (siehe pag. 452 der Abhandlung Ischikawa's, Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. 49) bekämpft haben. Wäre ihm meine Erklärung bekannt gewesen, so hätte er sich sicher ebenso gut damit befasst, als mit einer, die ich selbst verwerfe. Dem Leser seiner Bemerkungen gesteht Weismann, dass wenn ihm auch die ganze Nussbaum’sche Abhandlung nicht mehr im Gedächtniss war, er sich doch sehr gut erinnerte, dass dort fortwährend von einem „Herauskriechen* der im Inneren des umgestülpten Polypen liegenden Ectodermzellen „aus den Stichöffnungen“ der fixirenden Borste und vom Mundrand her die Rede sei. Wenn Weismann sich nur dieser Worte erinnerte, so konnte dies auch auf eine Erinnerung an ein Referat im Biolo- gischen Centralblatt Bd. VI, pag. 571!) zurückgehen und eher noch als auf meine Abhandlung; da in der Abhandlung auch von Umstülpung der Leibesschichten die Rede ist. Die betreffende Nummer des Biologischen Centralblattes (Bd. VI, No. 18) datirt vom 15. November 1886 und enthält ein sinn- und wortgetreues Referat meines in der zoologischen Seetion der Naturforscher-Versammlung in Berlin im Herbst 1886 gehal- tenen Vortrages über die Umstülpung der Polypen. In Berlin beschrieb ich die Veränderungen, die an lebenden umgestülpten Polypen zu sehen sind: das Ectoderm kriecht vom Mundrande und dem Durchbohrungsstellen her bis zur völligen Umwachsung des vom Draht gefesselten umgestülpten Polypen vor. Ob die zu den betreffenden Partien des Eetoderm zugehörige Stützlamelle mit dem Entoderm sich mitumklappe, konnte ich nicht sagen, da die Antwort auf diese Frage erst nach einer genauen mikroskopischen Untersuchung feiner Schnitte durch meine ge- härteten Versuchsthiere gegeben werden konnte. Dies ist in meiner ausführlichen Abhandlung geschehen. Das Bioiogische Centralblatt hat aber über meine im Jahre 1887 erschienene Ab- handlung kein Referat gebracht. _ Als nun Weismann meine Abhandlung nach dem Er- scheinen meiner Kritik gelesen hatte („Sehe ich jetzt die Abhand- lung nach“ pag. 629 d. Arch. Bd. 36), übersah er, dass die beiden 1) Von Weismann auch auf pag. 635 seiner Bemerkungen eitirt. 533 M. Nussbaum: in der Abhandlung vorgetragenen Meinungen nieht gleichwerthig seien. Die erste lautete !): „Da man nun das allmähliche Vorwärtsschieben des fertigen Ecetoderm von den Punkten aus, wo ein einfaches Ueberwandern möglich ist, direet unter dem Mikroskop verfolgen kann, so könnte man glauben, das Eetoderm vollziehe diese Wanderung ganz allein.“ Spricht schon die Fassung des Satzes dafür, dass ich es nur für möglich halte, man könnte zu dieser Ansicht kommen, so sagt doch der folgende Satz: „Das ist aber nicht richtig“ deut- lich genug, dass ich persönlich diese Ansicht nicht theile. Ebenso bestimmt, wie ich die vorhin besprochene Mösglich- keit einer Erklärung zurückgewiesen habe, gebe ich am Schlusse der Schilderung des mikroskopischen Befundes an feinen Schnit- ten durch gehärtete Versuchsthiere die Erklärung, an der ich auch festhalte ?): „Die bei der Restitution eines umgestülpten und gefesselten Polypen auftretenden Vorgänge haben nichts Besonderes und von anderweitig Bekanntem Abweichendes; sie bestehen im Umschlagen der verwundeten Theile, so dass Ectoderm wieder aussen liegt; in der Resorption der nicht weiter lebensfähigen Elemente und in dem Ersatz des Abgängigen durch Zelltheilnng und Neu- bildung.“ Die irrige Vorstellung Trembley’s, der auch die Regene- ration kleiner Stücke der Leibessubstanz zu ganzen Polypen in unzutreffender Weise erklärte, hatte ich durch den Nachweis be- seitigt, dass sowohl bei der Restitution umgestülpter Polypen, als auch bei der Regeneration aus kleinen Stücken die Leibes- schichten bis zur Verwachsung sich einander zuwenden und dass bei diesen Vorgängen, möge man die Thiere oder die Stücke lagern wie man wolle, das Eetoderm stets nach aussen zu liegen komme. Ich muss somit dabei beharren, dass Trembley umgestülpte und mit einer Borste durchbohrte Polypen am Leben erhalten, dass Nussbaum das Wiedererscheinen des Eetoderm auf der Aussenfläche der quer mit der Borste durehbohrt bleibenden Ver- suchsthiere durch die vom Mundrand und den Stichöffnungen her 1) Dieses Archiv Bd. 29, pag. 343. 2) Dieses Archiv Bd. 29, pag. 347. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 933 erfolgende gleichzeitige Rückstülpung erklärt hat. An der Rück- stülpung nicht durehbohrter oder schlecht durehbohrter Polypen hatte Niemand gezweifelt. Der von Weismann reprodueirte Versuch Ischikawa’s ist kein Trembley’scher Versuch, da der Polyp bei der Rück- stülpung sich zum Theil von der Borste befreite, und Mund und Fuss ihre absolute Lage im Raum veränderten. Die von Ischikawa gegebene Erklärung seines Versuches beruht auf direeter Beobachtung, ist aber nieht neu. Sie ist eine Bestätigung der Nussbaum’schen Ansicht, dass das Wiederer- scheinen des Eetoderm auf der Oberfläche umgestülpter Polypen nicht in einer Umwandlung, sondern in einer Umlagerung bestehe, ein Rückstülpungsvorgang sei. Die von Weismann aufgestellte Behauptung, ein umge- stülpter Polyp könne sieh nicht vom Mundrande und der Stich- öffnung her zugleich zurückstülpen, kann nicht allein aus der Ar- beit Nussbaum’s, sondern auch aus der Arbeit Ischikawa’s widerlegt werden. Wir wenden uns nun mit Weismann zu dem zweiten Punkte, die „intermediären Zellen“ anlangend. Da, wie Weismann zugiebt, Ischikawa mir hier etwas zugeschrieben hat, was meine Meimung gar nicht ist, so soll Ischikawa zwar etwas unvorsich- tig gewesen sein, aber wiederum nothgedrungen zu seiner Ansicht über meine Meinung gekommen sein, wie gelegentlich der Erklä- rung des Umstülpungsversuches. Dieser zweite Punkt der Weis- mann'schen Bemerkungen betrifft die Regeneration von Polypen aus abgeschnittenen Tentakeln. In den Tentakeln der Hydren kommen im Eetoderm die von mir intermediäre Zellen genannten Bildungszellen nicht vor. Im Entoderm der Tentakeln fehlt die zweite Art von Drüsenzellen. Die Basis der Tentakel, der eigent- liche Mundring, hat beides. Eine Reihe von Beobachtern hat aus abgeschnittenen Ten- takeln der Hydren keine neuen Thiere züchten können. Nun sagte ich bei der Beurtheilung der positiven Ergebnisse Engelmann’s, pag. 332: „Man müsste die Annahme machen, dass aus der einen Art von Entodermzellen der Arme sich auch die andere bilden könne. um den fehlenden Magentheil zu ersetzen.“ Es hätte also Ischikawa weder zu vermuthen noch zu Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 - 6) Io) 534 M. Nussbaum! schliessen brauchen, ich mache die Annahme, dass sich Entoderm aus intermediären Zellen bilde. Weismann fährt dann in seinen Bemerkungen fort: „Wenn doch, wie Nussbaum glaubt, die Entodermzellen des Tentakels die andern Entodermzellen des Magentheils nicht hervorbringen können, intermediäre Zellen aber an der Tentakel- basis vorkommen, müssen dann nicht diese letzteren nach N uss- baum die sonst nieht hervorzubringenden Magen-Entodermzellen bei der Regeneration gebildet haben? Mir scheint dieser Schluss logisch unabweisbar.“ Darauf ist zu antworten, dass dieser Schluss gar nicht lo- gisch ist; da an den zur Regeneration fähigen Tentakelbasen nicht allein intermediäre Zellen im Eetoderm, sondern auch beide Zellenarten im Entoderm vorkommen. Nun soll ich heute, nachdem Ischikawa’s Versuche ver- öffentlicht worden sind, meine Meinung klar und bestimmt dahin ausgesprochen haben, dass zur Regeneration eines ganzen fort- pllanzungsfähigen Polypen mindestens eine Eetoderm-, eine Ento- derm- und eine Zelle des intermediären Keimlagers nöthig seien. „Aber — fährt Weismann fort pag. 637 — warum sprach er sich nieht schon in seiner Arbeit 1887 so verständlich aus, wie in diesem Satz?“ Ich glaube dies gethan zu haben und eitire von pag. 322 des XXIX.Bds. d. Arch.: „Wir werden zeigen können, wie dureh die definitive Ar- beitstheilung im Form einer strengen Sonderung von Entoderm und Eetoderm zur Reproduetion eines Ganzen nicht einmal mehr eine Entoderm- und Eetodermzelle zusammengenommen oder Theile von ihnen genügen, sondern wie zur Ergänzung des Ganzen nun- mehr schon indifferente Zellen erforderlich sind, die unter Umständen auch zu Geschleehtsprodukten sich heranbilden“ und von pag. 332: „Die Regeneration eines Armes zu einem ganzen Polypen schliesst stillschweigend die Annahme in sich ein, dass derselbe auch fructifieiren, Knospen und Geschleehtsprodukte bilden könne. Dazu sind aber die indifferenten intermediären Zellen unerläss- lieh. Es müsste sich somit aus völlig charakteristisch gebildeten Muskel- oder Nesselzellen dies Keimlager [die intermediären Zel- len, die den Tentakeln fehlen, sind gemeint Ref.] rückläufig resti- tuiren können; an dieser Annahme wird man aber vorläufig einigen Anstoss zu nehmen nicht umhin können.“ Mechanik des Trembley’'schen Umstülpungsversuches. 535 Die in den Bemerkungen Weismann's folgende Ausein- andersetzung über die mögliche Ursache des Erfolges und Nicht- erfolges bei der Züchtung von Polypen aus abgeschnittenen Ten- takeln sprieht deutlich dafür, dass zwischen meiner Theorie von der eontinuirliehen Abstammung durch die Geschlechtszellen und Weismann's Lehre von der Continuität des Keimplasmas eme grössere Verschiedenheit besteht als man nach unseren ersten Pub- lieationen !) über diesen Gegenstand hätte erwarten sollen. Wenn die Grösse der Tentakel, wie Weismann annimmt, die Ursache sein sollte, dass trotz des Mangels an intermediären Zellen in den Tentakeln — wir dürfen das Entoderm bei dieser Frage ausser Acht lassen, da sich bei den Hydren des süssen Wassers die Geschlechtsprodukte aus den intermediären Zellen des Eetoderm entwiekeln —, wenn also ohne die intermediären Zellen ein ab- seschnittener Tentakel zum ganzen fortpflanzungsfähigen Polypen auswachsen könnte, so wäre damit der Beweis geliefert, dass aus einer Nessel- oder Muskelzelle sich Samen und Eier bilden könn- ten, was ich noch immer zu bezweifeln mir erlaube ?). Wenn freilich alle Körperzellen auch Keimplasma enthalten, so ist der Zweifel an der von mir bestrittenen Möglichkeit be- seitigt. Dann wäre es aber nicht nöthig, die Geschlechtszellen so früh auszusondern, als wir für viele Thiere bis jetzt nachgewiesen haben; die ganze Mechanik der Keimblätterbildung durch die Gastrulation wäre überflüssig, die Bildungsgeschichte des Auges unverständlich, wenn eben aus Allem Alles werden könnte. Die Frage nach der Möglichkeit der Regeneration eines Polypen aus abgeschnittenen Armen, in denen sich nur eine Zel- lenart im Entoderm, und im Eetoderm keine intermediären Zellen finden, ist noch ebenso unentschieden, als ich sie 1887 lassen musste; sie bleibt es, bis durch das Experiment die Abwesenheit von intermediären Zellen im Eetoderm abgeschnittener regenerations- fähiger Polypenarme nachgewiesen ist und die Bildung einer zweiten Form von Entodermzellen aus der in den Tentakeln aus- schliesslich vorhandenen Form beobachtet wurde. 1) Vgl. dieses Archiv Bd. XVIII vom Jahre 1880, pag. 112 u. 113. — Weismann, Ueber die Vererbung. Ein Vortrag. Jena, 1883, pag.57 und 58. 2) Auf die Einwände, die in neuerer Zeit auch O. Hertwig gegen meine Theorie erhoben hat, werde ich an einer anderen Stelle näher eingehen. 536 M. Nussbaum: II. | Eine nochmalige Beschäftigung mit dem Umkehrungsversuch an Hydra grisea während der beiden ersten Monate dieses Jahres hat mir die Veranlassung geboten, genau darauf zu achten, worin die Schwierigkeiten des Versuches begründet seien, und an welchen Etappen seiner Ausführung am leichtesten ein Misslingen desselben stattfinden kann. Der Beschreibung der einzelnen Ver- suche soll deshalb eine Schilderung der Methodik und eine An- weisung voraufgehen, am Handschuhfingermodell den Vorgang der Um- und Rückstülpung nachzuahmen. Methodik. »ehalten werden die Polypen in grossen, mit Wasserpflanzen gut besetzten Aquarien. Die von mir in diesem Jahre benutzten Thiere sind alle einem solehen Aquarium entnommen, das im Jahre 1885 mit Polypen besetzt worden war. Schwankungen erheblicher Art im Salzgehalt des Wassers haben dem Bestand nicht geschadet. Ausgetrocknet ist das Aquarium freilich nicht gewesen. Man kann die Umstülpungsversuche, wie ich neuerdings gefunden habe, an grossen und kleinen Polypen anstellen; nur muss man die zum Umstülpen und zur Durchbohrung benutzten Borsten entsprechend auswählen. Namentlich bei der von Ischi- kawa eingeführten Modification des Trembley’schen Versuches hängt das ganze Gelingen von der Dieke der Borste ab. Vor allen Dingen darf man nur solehe Borsten auswählen, an denen der vertrocknete Rest der Haarbalgtasche erhalten und diese basale Partie ganz gerade ist. Man weicht das stumpfe Ende mit der Haarbalgtasche in Wasser auf und reibt mit einem feinen Tuche gut ab, bis alle Fetzen glatt entfernt sind. Unterlässt man das vorherige Aufweichen, so quillt die Haarbalgtasche während des Versuches selbst und führt Zerreisungen herbei. Der Polyp wird mit dem Fuss nach rechts gewandt in einem Wassertropfen auf eine Kautschuk- oder schwarze weiche Wachs- platte gelegt und so lange mit dem stumpfen Ende der ge- reinigten Schweineborste betupft, bis er Napfform angenommen hat. Jetzt wird der Wassertropfen mit Fliesspapier abgesaugt, bis er so weit abgeflacht ist, dass er den zusammengezogenen Polypen Mechanik des Tremblev'schen Umstülpungsversuches. 537 ü [e} nur eben bedeckt. Die Procedur ist insoweit wichtig, als der Polyp dadurch relativ fest gelegt wird; nur muss man sich hüten, zuviel Wasser abzusaugen, weil sich sonst der Polyp abflacht ünd an seiner oberen Wand im störender Weise das Licht reflectirt. Hierauf folgt die Umstülpung, wobei man rasch und sicher vorgehen muss, da bei längerem Verweilen der Fuss sich an der Borste festsaugt und dadurch das Gelingen des Versuches ge- fährdet wird. Man kann alsdann auch in vortheilhafter Weise den Versuch so abändern, dass man den umgestülpten Polypen beim Zurückschieben von der Borste nicht mehr am Fussende, wie ich dies früher angegeben habe, mit der Pineette leicht zu fassen braucht; da der Fuss bei schneller Ausführung der Um- stülpung gar nicht Zeit gehabt hat, sich an der Borste festzu- saugen, also anch nicht durch Zug davon entfernt zu werden braucht. Man schiebt mit der rechten Hand die Borste, genau das Centrum des Fusses fassend, gegen die Mundöffnung vor und hält mit der Linken eine glattarmige feine Pincette wider die Tentakel, dieht in der Umgebung des Mundes. Dann schlüpft alsbald die Borste mit dem umgestülpten Polypenleib durch die Pincette hindurch. Zieht man jetzt die Borste aus dem Innern des Polypen hervor, während man mit der Pincette einen leichten Gegendruck von der Mundöffnung des Polypen her ausübt, so hat man die Umstülpung ohne jede Verletzung ausgeführt. Zur weiteren Durehführung des eigentlichen Trembley’schen Versuches muss nunmehr der Polyp mit einer Borste quer durch- bohrt werden. Dabei zeigte sich für die Anwendung einer Schweinsborste die Benutzung einer weichen schwarzen Wachs- tafel vortheilhafter als die Kautschukplatte, die nur bei der Durehbohrung mit Silberdraht zulässig ist. Die Borste darf nur kurz sein und muss in einem Winkel von 45—60° durchgestossen werden, weil die senkrechte Anbringung derselben der mikro- skopischen Beobachtung in auffallendem Licht hinderlich ist. Um die äusserlich sichtbaren Veränderungen an dem umge- stülpten und quer durchbohrten Polypen unter dem Mikroskop bequem verfolgen zu können und gleichzeitig über die Lagerung von Mund und Fuss vor und nach der Rückstülpung gut orientirt zu sein, bringt man den, soweit wie angegeben, hergerichteten Polypen in eine Glasdose, die folgendermaassen beschaffen und in nachstehender Figur abgebildet ist. M. Nussbaum: pass] Eine Glasdose von 4 cm Durchmesser, 1,5 em Höhe mit einem auf dem Boden und nach einer Seite hin befestigten Klötz- chen von weichem schwarzen Wachs wird bis zur Höhe des Klötzehen mit Wasser gefüllt und mit Wasserpflanzen besetzt, die in der Verlängernng der Längsaxe des Wachsklötzchen eine freie Gasse lassen. Der Polyp wird von der Platte, auf der er vor- läufig durchbohrt festhaftete, durch Zug an der Borste in die Höhe gehoben und die Borste auf dem Klötzehen des Glascylinders nicht wieder so tief eingestossen, als vorher, damit der untere Wundrand nicht fest auf der Unterlage aufliege, und eine Rück- stülpung von dieser Stelle aus nicht gehindert werde. Zum Schluss giesst man noch soviel Wasser aus dem Aqua- rıum, aus dem der Polyp genommen wurde, in die Dose, bis der Polyp mit einer Imm dieken Wasserschicht bedeckt ist. Ueber das Ganze wird, wenn man nicht gerade unter dem Mikroskop beobachtet, ein passender Glastrichter gestülpt, der vor Staub und rascher Verdunstung schützt. Die Vorrichtung darf nieht von der Sonne beschienen werden, da die Versuchs- thiere sonst in dem erwärmten Wasser absterben. Die von Isehikawa eingeführte Modifikation des Trem- bley’schen Versuches habe ich zum Zweck der direeten Be- & Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 539 obachtung und der Orientirung über die Lageveränderung von Mund und Fuss in folgender Weise ausgeführt. Der Polyp wird in der vorhin angegebenen Weise umgestülpt; diesmal aber mit einer Borste, die diek genug ist, um das Innere des Polypen ganz auszufüllen. [Ist die Borste zu dünn, so stülpt sich der Polyp nieht von beiden Seiten, sondern nur von einer zurück, der Versuch gehört alsdann nicht m die Categorie des Trembley’schen, da der Polyp nieht an der gewöhnlichen Rückstülpung gehindert wird.| Man schneidet mit einem feinen Lanzenmesser die Gegend des Fusses über dem stumpfen Ende der Borste ein und schiebt vorsichtig den Polypen eine kurze Strecke über die Borste hin vor. Um ein Abgleiten des Fusses zu hindern, wird an das stumpfe Ende der Borste eine kleine Wachskugel angeschmolzen, die Borste mit dem aufsitzenden um- gestülpten und am Fussende von der Borste durchbohrten Polypen horizontal in die freistehende Schmalseite des Wachsklötzehen der Glasdose eingelassen. Man erreicht dies am einfachsten dadurch, dass man mit einem heissen Draht eine Rinne in das Wachs- klötzehen einsechmilzt und die Borste mit ihrem freien Ende in das verflüssigte Wachs bringt. Dann wird Wasser nachgefüllt, bis der Polyp bedeckt ist. Soll der Versuch abgebrochen werden, so hebt man die horizontal befestigten Polypen mit ihrer Bortse aus der Glasdose heraus und tödtet sie mittelst aufgespritztem absoluten Alkohol, den man alsbald durch 50 %/, Alkohol ersetzt, um erst von dieser Concentration aus die Vorbereitung für die Zerlegung in feine Schnitte ausgehen zu lassen. Bei der Vorbereitung der quer durehbohrten Polypen für das Mikrotom saugt man,’ sobald die Beobachtung am lebenden Thier zu Ende geführt ist, soviel Wasser ab, bis der Polyp nur noch in einem kleinen Tropfen auf dem Wachsklötzchen in der Glas- dose daliegt, spritzt Alkohol auf, der da® T'hier sofort abtödtet und dureh Mischung mit dem in der Dose verbliebenen Wasser soweit verdünnt wird, dass keine Schrumpfung des Präparates ein- tritt. Alsdann wird die Borste mit dem Polypen von der Unter- lage herausgehoben und das Präparat völlig entwässert. Zur Entfernung der Borsten, die bis vor dem Einlegen in die Einbettungsmasse im Polypen stecken bleiben, muss man das längere Ende dicht am Polypen mit einer starken, gut schliessenden 540 M. Nussbaum: Pineette fest fassen, das andere Ende der Borste mit einer Scheere cieht am Polypen durehsehneiden und diesen selbst von der Borte abstreifen. Hält man beim Schneiden die Borste nicht ganz fest, so wird durch die Elastieität der Borste der gehärtete Polyp fort- geschnellt. An diesem Punkte scheint mir die Gelegenheit, den ganzen Versuch zu verderben, am ehesten gegeben zu sein; doch wird man bei genauer Befolgung der gegebenen Vorschrift gute Resultate erzielen und die Polypen von der Borste befreien, ohne dass auch nur eine Zelle dabei verloren gegangen wäre. Besondere Vorsicht erfordert auch das Einschmelzen in Paraffin, wenn man eine gewünschte Schnittrichtung mit Sicher- heit einhalten will. Einfacher ist dies beim Einbetten in Celloidin; nur ist die Methode langwieriger. Der Umkehrungsversuch am Modell. In dem ersten Theil dieser Abhandlung wurde schon gezeigt, dass man einen quer durehbohrten Handschuhfmger völlig um-, oder, wenn man will, zurückstülpen kann, ohne dass er die Nadel verlässt, wenn diese nur nahe genug der Oeffnung quer durch- gestossen ist (siehe Tafel XXVI, Fig. 9—12). Selbstverständlich müssen dabei die Lagen des blinden und offenen Endes vertauscht werden; wo früher die Oeffnung lag, liegt nach der Umstülpung das blinde Ende. 1) In Fig. 15--16 der Tafel XXVI ist nun ein Fall dar- gestellt, wo die Rückstülpung erfolgt, ohne dass ein Lagenwechsel eintrete; freilieh eombiniren sich dabei m zwei Abarten des Ver- suches die einaktigeRückstülpung, die Weismann als die einzig mögliche anerkennt und die mehraktige, wie sie früher von mir beschrieben wurde. Man findet in Fig. 15, Tafel XXVI emen Handschuhfinger quer durchbohrt und die aufwärts gerichtete Durchbohrungs- stelle ein wenig erweitert. Stülpt man jetzt das blinde Ende ein, so kann man es durch die erweiterte Stichöffnung hervor- holen, wie Fig. 14 zeigt und durch Umlegen in seine frühere Lage zurückbringen, wie in Fig. 15 dargestellt ist. Dadurch wird die untere und früher nur von innen sichtbare Stichöffnung nach aussen und oben verlagert und die erweiterte, frühere obere Stichöffnung umgiebt mit ihren Rändern wie ein Reif den umge- stülpten blinden Absehnitt. Siehe in Fig. 15 die obere Ansicht Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. Sal nach der Umstülpung und in Fig. 16 die untere Ansicht. Es würde jetzt nur noch nöthig sein, das vordere offene Ende durch dieselbe Stichöffnung von innen her zurückzustülpen, dann läge der Handschuhfinger in seiner ursprünglichen Lage wieder da, ohne dass er die Nadel verlassen hätte. Es wäre aber auch mög- lich, den Rand der Handschuhfingeröffnung nach aussen und dem blinden Ende zu umzuklappen und die entsprechenden Stich- ränder nach aussen und der Handschuhfingeröffnung zu, damit der ganze Handschuhfinger ohne Lagewechsel und ohne Verlassen der Nadel völlig umgestülpt sei. 2) Zur Erläuterung dieses Vorganges sind die Figuren 9 und 10 der Tafel XXIX beigegeben worden. Beide Durchbohrungstellen sind breit gehalten; der dem Beschauer zugewandte Rand der einen ist mit a bezeichnet, der andere Rand mit b und der Rand der Oeffnung mit ec. In das Innere ist die Borste dd’ eingeführt. Die Fig. 10 stellt ein Mittelstadium der beabsichtigten völligen Umstülpung dar und ist so entstanden, dass das blinde Ende der Fig. 9 nach innen und im Sinne der Axenrichtungen auf unserer Tafel nach oben eingestülpt wurde. Holt man das eingestülpte Ende aus dem Loch a hervor, so wird das untere Ende d’ der Borste dd‘ frei (s. Fig. 10), der obere Theil des Randes a bleibt dem Beschauer zugewandt, der untere Theil wendet sich vom Beschauer ab, der dafür jetzt die ganze Umrandung b direet übersehen kann; der untere Sack ist also umgestülpt, sein blindes Ende liegt an derselben Stelle wie vor der Umstülpung, und der Eingang zu ihm ist auf die entgegen- gesetzte Seite gerückt. Zur Demonstration dieser Verlagerung ist die Borste ee‘ in den untern Blindsack nach der Umstülpung eingeführt worden. An dem obern Abschnitt unseres Modelles ist der vordere Rand umgeklappt worden. Um zu einer völligen Umstülpung zu gelangen, muss nunmehr noch folgendes gemacht werden. Man klappt den oberen und jetzt dem Beschauer zu- gewandten Abschnitt des Randes a nach aufwärts um und heftet ihn an den entsprechenden Theil des nach abwärts umgeschlagenen ' Randes ec. Auf dieselbe Weise wird der obere Theil des Randes b mit dem zugehörigen Theil des Randes ce vereinigt, die unteren Abschnitte der Ränder a und b aneinandergelegt, ebenso die linken Seitentheile der Ränder a und b und die rechten Seiten- H4> M. Nussbaum: theile derselben Ränder, indem man sie unter der Tafelebene ein- ander zuführt. Dadurch entsteht ein Körper, der oben einen Doppelring darstellt, dessen innere Lichtung durch die Lage der Borste dd’ gekennzeichnet ist. Der Raum zwischen der Doppel- wand des Ringes führt durch zwei eylindrische Gänge in einen unteren kugeligen Hohlraum. Man findet aussen an diesem Körper nur die früher im Innern der Figur 9 gelegene Oberfläche und in dem soeben beschriebenen Hohlraum des durch die complete Umstülpung gebildeten Körpers nur die Aussenfläche des in Fig. 9 abgebildeten Handschuhfingers. Die Lage von oben und unten hat sich im unseren ‚Figuren nicht verändert. 3) Ebenso nun wie das blinde Ende nach innen und oben eingestülpt und zu einer der Durehbohrungsstellen herausgeführt werden kann, kann man das blinde Ende nach unten und aussen von den unteren Abschnitten der Ränder a und b der Fig. 9 umstülpen und diese Ränder dann unten aneinanderheften. Die Umstülpung des offenen Endes bleibt dabei dieselbe wie die in Fig. 10 angedeutete und vorhin ausführlich beschriebene. Man findet keine Abbildungen dieses Vorganges am Modell in den beigegebenen Tafeln, weil ich in meiner früheren Ab- handlung diesen Vorgang am lebenden Thier schon ausführlich beschrieben habe. Ist das blinde Ende gross genug, so kann es bequem durch eine Stichöffnung hervorgezogen und im seme alte Lage zurückgebracht werden; dann werden die Theile seeundär die Lage einnehmen, wie sie bei der vorhin beschriebenen Ab- art des Versuches sich ergiebt. Ist das blinde Ende kleiner, so bleibt es nach der Herausstülpung "der unteren Ränder der Stichöffnungen und deren Verlöthung am blinden Pole im Innern des Modelles und zwar am unteren Rande der Stichöffnung liegen. Fig. 6 und 7 der Tafel XXX stellen schematische Durch- schnitte durch umgestülpte Polypen dar, wo bei dem einen das hintere Ende nach innen und bei dem anderen nach aussen um- gestülpt worden ist. Obschon dieselben Unterschiede am Modell gezeigt werden können, so werde ich auf eine Beschreibung doch erst bei der Schilderung der Versuche am lebenden Thiere ein- gehen, die nunmehr folgen. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 545 Der Umkehrungsversuch am lebenden Thiere. 1. Umkehrung eines Polypen mit einer noch nicht abgeschnürten Knospe. Tafel XXVIL, Fig. 1—4, Tafel XXVILU, Fig. 1. Versuch vom 10. Januar 1891. Hydra grisea mit zwei Knospen nahe dem Fussende. Die eme ältere, deren Magenraum sich schon von dem des Mutterthieres abgeschnürt hat, wird dicht an ihrer Insertion abgeschnitten (Tafel NXVII, Fig. 1) und dar- auf das Thier mit der jungen, noch als einfache Ausstülpung erscheinenden Knospe vom Fusse aus mittels einer Borste umge- stülpt, das Fussende eingeschnitten und der Polyp, wie Figur 2, Tafel XNXVII erläutert, auf der Borste belassen. Die Knospe ist noch nicht umgestülpt; man sieht vielmehr von aussen in ihren Gastralraum hinein. Die Tentakel strecken sich und ziehen sieh zusammen. Nach 45 Minuten hat sich auch die Knospe ganz hervorgestülpt, so dass sie, wie vor der Umstülpung des Polypen als ein Sack mit ectodermaler Oberfläche, jetzt als ein gleich be- schaffener Sack mit entodermaler Oberfläche dem umgestülpten Polypen anhaftet (siehe Taf. XXVII, Fig. 3). Nach 7 Stunden liegt der Polyp stark eontrahirt da; überall aussen mit Entoderm be- kleidet; die Tentakel unverändert wie vor der Umstülpung. 24 Stunden nach der Operation ist der Polyp wie direct nach der Umstülpung orientirt, die Tentakel bilden einen Kranz in der Mitte emes vom Eetoderm aussen bekleideten Ringes. Bei stärkerer Vergrösserung erkennt man auf der einen Seite im Eetoderm einen feinen Spalt, aus dem das Entoderm hervorsieht (Tafel XXVII, Fig. 4). Die Knospe ist nach der Wachskugel zu gerichtet und hat inzwischen einen Teentakel getrieben; auch bei ihr liegt das Eetoderm wieder aussen (Taf. XXVII, Fig. 4, a). Der Polyp wird in Alkohol abgetödtet und von der Borste ab- genommen. Es zeigt sich, dass die Innenfläche des Ringes con- tinuirlich mit Eetoderm bekleidet ist. Das Präparat wird in Celloidin eingebettet und in eine Serie von Längsschnitten zerlegt. Tafel XXVIII, Fig. 1 zeigt einen solchen, der auch die Knospe getroffen hat. Der Raum zwischen beiden Partien bezeichnet die Stelle, wo die Borste gelegen hatte. Beide Hälften sind ringsum mit Ausnahme einer kleinen lateralen Stelle continuirlich von Ec- 544 M. Nussbaum: toderm bekleidet, das hier wie auf allen Figuren weiss gehalten ist; das Entoderm ist in einem grauen Tone wiedergegeben. Die frühere Leibeshöhle ist wegen der starken Contraction der Theile nicht überall sichtbar; nur in der Knospe ist sie deutlich. An diesem Polypen konnte wegen der Ungunst der Verhält- nisse während des Lebens die Restitution nieht verfolgt werden; doeh dürfte sich der Vorgang aus dem mikroskopischen Befund unzweideutig genug ergeben. Ich würde aus meinem Beobachtungsmaterial diesen Versuch nicht besonders ausgewählt haben, wenn nicht gerade die noch Junge Knospe dem Polypen angehaftet hätte und schon früher von mir es als eine Lücke empfunden war, gerade einen Umstülpungs- versuch mit einem solchen Thier nicht angestellt zu haben. Wieder- holen konnte ich den Versuch bis jetzt auch nicht, da die Ge- legenheit einen Polypen mit einer geeigneten Knospe aufzufinden, sich mir nicht wieder darbot. Doch ist mir der Vorgang wohl an anderen in gleicher. Weise umgestülpten Hydren in’ seinem ganzen Ablauf zu Gesichte gekommen, so dass ich mich für be- rechtigt halte, ihn in folgender Weise auch für den vorliegenden Versuch zu schildern. Der umgekehrte und am Fuss durchbohrt auf der Borste belassene Polyp stülpt zuerst die Knospe hervor, so dass überall, mit Ausnahme an den Tentakeln, aussen Entoderm liegt. Dann klappt sich das Thier von der Mundöffnung und vom Fuss gleich- zeitig wieder um, nähert die beiden aussen jetzt wieder mit Ec- toderm bekleideten Ränder der Mittellinie des Körpers, bis sie miteinander verwachsen. Es kommt auf die Schnelligkeit an, mit der die entgegengesetzten, zurückgestülpten Ränder aufeinander losrücken, um am Ende des Versuches die Tentakel ganz vorn (siehe Taf. XXIX, Fig. 3) in der Mitte des Leibes (Fig.4, Taf.XX VI) oder ganz in der früheren Gegend des Fusses zu finden. Im letzteren Falle hat sich der Polyp aber ganz einfach zurückge- stülpt, und es kommt nieht zur Verwachsung, nicht zur Bildung eines Doppelringes. Da bei der letzten Art der Rückstülpung wie am normalen Polypen innen Entoderm und aussen Eetoderm wieder liegt, so ist keine Abbildung eines Schnittes durch einen sol- chen Polypen beigegeben worden, obschon ich die betreffenden Präparate besitze. In allen den Fällen, wo eine einfache Rück- stülpung stattfinden konnte, war die Borste, die der Länge nach Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 545 dureh die umgekehrten Polypen hindurchgesteckt war, zu dünn gewesen. Es kommt auch gelegentlich vor, dass einige Tentakel nach vorn und andere nach hinten gerichtet sind (vgl. Tafel XXIX, Fig. 1), wenn ein am Fuss durchbohrter umgestülpter, auf einer Borste der Länge nach haftender Polyp sich zurückstülpt und einen innen und aussen von Eetoderm bekleideten Ring gebil- det hat. Dass die Fig. 4 aus der Fig. 3 der Tafel XXVII in der beschriebenen Weise hervorgegangen ist, beweist die Anwesenheit des kleinen Entodermstreifen auf der Aussenfläche zwischen dem sonst continuirlichen Eetoderm, und dass es wirklich zur Ver- wachsung kommen wird, geht aus der Verschmächtigung und dem schliesslichen Verschwinden dieses Streifen nach rechts hin hervor. Wo die Borste gelegen hatte (siehe Taf. XXVIII, Fig. 1) ist das Eetoderm dicker als an der Oberfläche des Ringes (die lateralen Eetodermpartien in beiden Hälften unserer Figur) eine Erscheinung, die immer während der Restitution nach der Um- stülpung wiederkehrt. Die vorgeschobenen Ränder zu Beginn und im Verlauf der Rückstülpung sind stets verdünnt. War nun durch den gleichzeitigen Umschlag der Leibesschichten von der Mund- und Fussgegend das Eetoderm wieder an die Oberfläche gekommen, so konnte sich auch die Knospe ebenso wieder zu- rückstülpen, wie sie sich unserer Beobachtung gemäss kurz nach der Umstülpung des, Polypen ebenfalls umgestülpt hatte. Es ist somit richtig, wie Trembley angiebt, dass man Polypen mit anhaftenden jungen Knospen umstülpen kann, dass der Polyp und die Knospe am Leben bleiben, und dass nach einiger Zeit an beiden Eetoderm wieder aussen liegt. Doch hat, wie ich dies sehon früher für die erwachsenen Polypen nachgewiesen habe, und wie Ischikawa es bestätigt hat, keine Umwandlung, son- dern eine Umlagerung stattgefunden. Will man die Assonanz in den Worten Um-wandlung und Um-lagerung vermeiden, die ich absichtlich wählte, um meine Erklärung nicht allein in Gegensatz zu Trembley’s Erklärung zu bringen, so kann man den Vor- gang auch „Rückstülpung“* nennen. Man findet beide Bezeich- nungen in meiner früheren Abhandlung. Das Wort Umlagerung ist die allgemeinere Bezeichnung. Für mich war es nöthig, auch die Regeneration der Polypen aus kleinen plattenförmigen Stücken 546 M. Nussbaum: ihres Leibes anders zu erklären, als es Trembley gethan hatte. Da ich fand, dass sowohl bei der Rückstülpung umgekehrter Polypen, als bei der Umbildung platter Stücke der Leibessubstanz zu ganzen Polypen derselbe Vorgang sich abspielt: nämlich das Umklappen der Leibesschichten von den freien Rändern aus, so dass das Eetoderm wieder aussen liegt, so nannte ich den Vor- gang eine Umlagerung. Eine Umlagerung bedingt keme innere Verschiebung, und die Regenerationsvorgänge bei der Entstehung neuer Polypen aus klemen platten Stücken smd keine Rückstül- pung. 2. Versuche über die Orientirung der ursprünglichen Leibesaxen nach der Umstülpung. Sollte ein in dem vorigen Versuch beschriebener Polyp nach der Verwachsung des Leibes zu einem Ringe, der an der ganzen Oberfläche von Eetoderm bekleidet war und zu dessen Entoderm keine Mundöffnung mehr hinführte, am Leben bleiben, so musste sich ein neuer Mund bilden. Es schien mir von grosser Wichtig- keit den Ort dieser Neubildung durch den Versuch festzustellen. Da weithin in vielen Fällen die Gegend des Fusses bis dicht unter die Tentakel verlagert worden war, jedesmal dann, wenn die Tentakel an Ort und Stelle verblieben waren, so war es zur völligen Wiederherstellung nöthig, dass der alte Fuss verschwinde und ein anderer neugebildet werde. Es war zu erwarten, dass dieser gegen den neu entstandenen Mund orientirt sei, wie am normalen Thier. { Aus dieser Reihe von Versuchen sollen zwei näher beschrie- ben werden. Es war nöthig, die mikroskopische Untersuchung von Serienschnitten an verschiedenen Stellen des Versuches durch- zuführen. Ein Thier genügte also nicht zur Aufklärung des gan- zen Verlaufs der Veränderungen. Versuch vom 25. Januar 1891. Eine Hydra grisea wird umgestülpt, ihr Fuss von der Borste nach der Umstülpung durch- bohrt, und das Thier auf der Borste (siehe die Methodik) m das kleine Beobachtungsaquarium gebracht (vgl. Taf. XXVII, Fig. 2). Aussen liegt jetzt Entoderm mit Ausnahme an den sieben Ten- takeln. Nach drei Stunden erscheint vorn und hinten Eetoderm an der Aussenfläche, doch geht die Rückstülpung von der Ten- takelgegend schneller vor sich als vom Fusse her. Am folgenden Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 547 Tage (26. Januar) ist der Polyp em schmaler, ganz von Ecetoderm bekleideter Reif geworden. Fünf Tentakel sehen nach der Rich- tung, wo früher der Fuss gelegen hatte, zwei nach der entgegen- gesetzten Richtung. (In Fig. 1, Tafel XXIX sind von den fünf nach der Wachskugel gerichteten Tentakeln nur vier sichtbar.) Einen Tag später ist der Polyp von der Borste abgefallen und liegt als ein eylindrisches Rohr auf dem Boden des Gefässes. In Alkohol abgetödtet, nimmt das Thier die etwas contrahirte Form der Fig. 2 auf Tafel XXIX an. Die Tentakel liegen nach der einen Seite; an der entgegengesetzten Seite liegt ein Fuss, von dem ich in diesem Falle nur der Analogie nach, in dem sogleich zu beschreibenden jedoch gemäss der direeten Beobachtung be- haupten kann, dass er neugebildet sei. Die Lage des Fusses ist in der Figur 2, Tafel XXIX durch Strichelung in dem weiss gehaltenen Eetoderm kenntlich gemacht. Das Eetoderm ist allseitig ge- schlossen und an dem abgetödteten Thier auf den Tentakeln in Folge der Contraction geringelt. Aus der Serie von Schnitten durch diesen Polypen, im Ganzen waren es 38, sind drei Stück in den Figuren 2, 3 und 4 auf Tafel XXVII abgebildet. Der Polyp wurde annähernd genau senkrecht zur Längsaxe von rechts nach links (siehe Fig. 2, Taf. XXIX) geschnitten. Alle Schnitte sind aussen rings von Eetoderm, innen von Entoderm bekleidet. Zwischen beiden Häuten liegt die Stützlamelle. Das Entoderm um- giebt einen geschlossenen Hohlraum, die ursprüngliche Magen- höhle. - Entsprechend der Form von Fig. 2, Taf. XXIX findet man am 9. Schnitt (Fig. 3, Taf. XXVIII) einen Tentakel im Längsschnitt, am 25. Schnitt (Fig. 2, Taf. XXVIII) dem längsge- troffenen Tentakel gegenüber im Eetoderm die durch Strichelung bezeichneten Drüsenzellen des Fusses und neben dem längsgetrof- fenen Tentakel auch den Querschnitt eines andern. Im Schnitt 31 ist em Tentakel der Länge nach, der andere schräg getroffen ; der Innenraum beider ist in offenem Zusammenhang mit der früheren Leibeshöhle (Taf. XXVII, Fig. 4). Wie war die Umwandlung eines Ringes in den geschlossenen Cylinder mit den einseitig anhaftenden Tentakeln vor sich ge- gangen? Wo würde sich der neue Mund bilden? Diese Fragen sollen durch die Mittheilung des folgenden Versuches ihre Er- ledigung finden. | Versuch vom 27. Januar 1891. Eine Hydra grisea wird 548 M. Nussbaum: umgestülpt und nach der Durchbohrung ihres Fusses auf der sorste im das Beobachtungsaquarium gebracht. Die vor der Um- stülpung im Magenraum enthaltenen Daphnien werden gelegentlich der Umstülpung durch den ‘Mund entleert. Vier Stunden nach Beginn des Versuches beginnt an den freien Rändern durch Um- schlag das Eetoderm wieder zu erscheinen. Diesmal geht das Vorschieben des aussen sichtbaren Eetoderm von der Fussgegend her rascher vor sich, als von der Gegend der Mundöffnung. Am folgenden Tage hat der Polyp Ringform angenommen und liegt der Längsaxe nach orientirt wie direet nach der Um- stülpung, d.h. die Tentakel sind von der Wachskugel abgewandt (vgl. Fig. 2 auf Tafel XXVII und Fig. 3 auf Tafel XXX). Dies war bei dem schnelleren Vorwärtsschieben des umgeschlage- nen Randes vom Fusse aus auch zu erwarten. Fig. 3 auf Taf. XXIX zeigt den Polypen vom 28. Januar 1891. Am folgenden Tage fand sich eine eingeschnürte Stelle im Ringe, an der kein Entoderm durch das Eetoderm mehr durch- schimmerte. Man findet das Stadium in Fig. 4 der Taf. XXIX. Da am folgenden Tage, dem 30. Januar 1891, der Polyp von der Borste abgefallen war und nunmehr einen geschlossenen langen Hohleylinder darstellte, so muss man annehmen, dass die Figur 4, Taf. XXIX ein vorbereitendes Stadium zu dieser Umänderung der Form des Polypen darstellt. Es muss somit durch Resorption des Entoderm an der eingeschnürten Stelle mit gleichzeitiger Ver- löthung der zurückweichenden Ränder auf den beiden Seiten der weiss erscheinenden Partie die Aufspaltung des Doppelringes ein- geleitet werden. Darauf wird die Resorption der betreffenden Eetodermzellen folgen, und aus dem Doppelring der geschlossene Hohleylinder der Fig. 5, Taf. XXIX hervorgehen, an dem natur- gemäss die Tentakel auf einer Seite liegen. Die entgegengesetzte Seite entspricht der Mitte des Polypen vor der Umstülpung. Diese tentakellose Seite liegt also der früheren Lage des Fusses näher als die tentakelbesetzte. Was wird aus diesem Monstrum werden, das mit einem normalen Polypen gar keine Aehnlichkeit mehr besitzt? Zog ich meine früheren Erfahrungen zu Rathe, so war es ganz sicher, dass der Polyp einen neuen Mund und einen neuen Fuss bilden würde. Würden dabei aber auch die alten Tentakel erhalten bleiben ? Unbedingt nöthig würde dies letztere nieht vorauszu- Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 549 setzen sein, da ich es oft beobachtet hatte, dass alte Tentakel an Stellen, wo sie nicht in die Organisation und die gegebene Orientirung hineinpassten, resorbirt wurden. Wo würde der Mund und wo der Fuss erscheinen müssen? An den Längsseiten oder an den stumpf geschlossenen Enden? Wollte man an der als sicher durch meine Versuche erwiesenen und von Ischikawa bestätigten zähen Beständigkeit der Orientirung festhalten, so mussten Mund und Fuss an der Längsseite durch Neubildung wieder auftreten, da die Längsseiten dem vorn und hinten des alten Polypen der Richtung, wenn auch nicht der Form nach entsprechen. Der Mund musste auf der Seite der Tentakel sich entwickeln und der Fuss auf der entgegengesetzten Längsseite. Berücksichtigte man ferner, dass die Muskelfasern des normalen Polypen im Eetoderm Längszüge, im Entoderm eine Ringlage bilden, so würde, falls man Neuentstehung von Mund und Fuss an den stumpfen Enden des Cylinders erwartete, der umgeformte Polyp eime äussere Ringmuskulatur und eine innere Längsmusku- latur erhalten haben. Wenn dies sich durch die Beobachtung als irrig erwies, wenn der Polyp in der That an den stumpfen Enden des Cylinders der Fig. 5, Taf. XXIX Mund und Fuss neu gebildet und trotzdem aussen Längs- und im Entoderm Ringmuskelfasern besessen hätte, so müssten beide Muskellagen neugebildet worden sein. Da dies nicht wahrscheinlich war, so durfte darauf gereelnet werden, dass auf den Längsseiten selbst und nicht an den Enden Mund und Fuss wieder erschemen würden. Die Entscheidung liess den folgenden Tag noch auf sich warten. | Am 1. Februar jedoch zeigte der Poly folgende Gestalt. Der lange Cylinder ist in drei Abtheilungen eingeschnürt. Jede Abtheilung hat zwei der alten Tentakel, die auf einer Seite eines kleinen Mundkegels sitzen. Der siebente der alten Ten- takel haftet der Brücke zwischen der zweiten und dritten Ab- theilung an. An den beiden Mundkegeln der beiden ersten Ab- theilungen ist je ein neuer Tentakel auf der den beiden alten Tentakeln entgegengesetzten Seite aus der Mundkegelbasis hervor- gesprosst (siehe Fig. 6, Tafel XXIX). Die Einbuchtung zwi- schen erster und zweiter Abtheilung (von links aus gerechnet) ist nicht so tief, als zwischen der zweiten und dritten. Auf der den Tentakeln entgegengesetzten Seite ist ein Fuss vorhanden, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 36 550 M. Nussbaum: in der Figur dureh Strichelung im Eetoderm kemntlich ge- macht. Am 3. Februar ist wiederum eine auffallende Veränderung an dem Polypen nachzuweisen. Die beiden Abtheilungen, die direet über dem Fuss gelegen waren (siehe Fig. 6, Tafel XXIX vom 2. Februar 1891), sind mehr zusammengerückt und haben Jetzt das Aussehen von emem Polypen mit zwei Köpfen. Neue Tentakel sind nicht hinzugekommen, aber der früher an der Brücke zur dritten Abtheilung sitzende alte Tentakel steht jetzt in einer Flucht mit den beiden anderen an der Basis des Mund- kegels des zweiten Kopfes (siehe Fig. 7, Tafel XXIX), so dass dieser zweite Kopf rechts drei alte Tentakel und einen neuen, der erste Kopf Iimks nur zwei alte und einen neuen Tentakel aufweist. Die ursprünglich dritte am meisten nach rechts ge- legene Abtheilung hat auch gestreckt eylindrische Form ange- nommen. Um den Mundkegel derselben stehen zwei alte und ein kleiner junger Tentakel (in Fig.7, Tafel .XXIX nicht sicht- bar, weil auf der dem Beschauer abgewandten Seite gelegen). Die Brücke zwischen dem zweiköpfigen nach links gelegenen Polypen und dem einköpfigen rechts gelegenen Polypen liegt nahe dem Fussende, ist breit und setzt die Magenräume beider Abtheilungen in offene Verbindung (Fig. 7, Tafel XXIX). Auch der rechts gelegene Polyp hat einen Fuss. Bis dahin war das eigenartig gestaltete Thier am Boden des Glasgefässes zuerst mit dem einen, dann mit beiden Füssen festgeheftet, ohne Ortswechsel liegen geblieben. Am 4. Februar erfolgten spontane Ortsveränderungen. Die Tentakelzahl ist nieht vermehrt, die jungen Tentakel sind gewachsen. Am 5. Februar ist die Brücke zwischen beiden Abtheilungen verschmälert, aber noch im Innern durchgängig, so dass die Communication der beiden Magenräume erhalten ist. An diesem Tage folgte ich den Bewegungen des Thieres genauer. Oft hing es mit den Füssen an der Oberfläche des Wassers, die Köpfe nach abwärts gerichtet: eine Beobachtung, die schon Trembley mitgetheilt hatte (siehe Trembley, Mem.I, Pl.III, Fig. 11). Kroch das Thier zwischen den Wasserpflanzen umher, so heftete es oft den einen Fuss an ein Blatt und den zweiten Fuss an ein anderes Blatt. Die Zahl der Tentakel war auf 12 gestiegen, 7 alte und 5 neue. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. Sal Von diesem Zeitpunkte an trat keme eigentliche, Neubil- dung, sondern nur noch Wachsthum und Rückbildung weiter auf. Die jungen Tentakel wurden länger, die alten Tentakel und die ganzen Leiber schmächtiger, die Brücke dünner und dünner, bis sie am 8. Februar resorbirt war, und die beiden Abtheilungen als ein zweiköpfiger Polyp mit 3 Tentakeln und ein einköpfiger Polyp mit 4 Tentakeln weiter lebten. Beide wurden am 10. Fe- bruar getödtet und in Figur 8 und Sa der Tafel XXIX ab- gebildet. Alsdann wurde von dem kleimeren Polypen ein Stück der Leibeswand zum Zweck der histologischen Untersuchung mit einer feinen Nadel abgespalten. Die Längsmuskeln lagen im Eetoderm. Somit war die ursprüngliche Riehtung der Muskel- elemente durch die Rückstülpung nicht verändert worden. Sie war es aber auch nicht auf dem früheren Stadium, dargestellt in den Figuren 2 und 5 der Tafel XXIX. An den Schnitten durch den in Fig. 2, Tafel XXIX abgebildeten Polypen, die man schwach vergrössert in den Figuren 2, 3 u. 4 auf Tafel XXVIII findet, erkannte man bei starker Vergrösserung deutlich die Quer- schnitte der Muskelfasern des Entoderm. _ Dies ist aber nur möglich, wenn die ursprüngliche Richtung der Muskelfasern in den beiden Schichten beibehalten worden ist. Die Muskeln des Eetoderm werden auf Querschnitten, die Muskelfasern des Ento- derm auf Längsschnitten durch einen unveränderton Polypen als Punkte erscheinen. Da nun in Fig.5 auf Tafel XXIX die Längsriehtung des ursprünglichen Polypen in die kurze Axe des aufgespaltenen Ringes fällt, so müssen von rechts nach links vor- schreitende Schnitte, obschon sie Quersehnitte der Figur 5 dar- stellen, doch in der Anordnung ihrer Muskeln sich wie Längs- schnitte des normalen ursprünglichen Polypen verhalten. Sie müssen die Entodermmuskelfasern der Quere nach, die Muskeln des Eetoderm längs getroffen haben, wenn keine Umordnung der histologischen Theile während der Veränderung der äusseren Gestalt stattgefunden hat. Gemäss den Präparaten ist jedoch die ursprüngliche Anordnung der Muskeln im Entoderm und Ee- toderm trotz der veränderten äusseren Form (siehe Fig. 1 und 2, Tafel XXIX) dieselbe geblieben. Zu den übrigen Abbildungen bemerke ich noch, dass Fig. 5 aus ökonomischen Rücksiehten um 90° nach rechts gedreht ist. Hätte die Zeichnung mit den Tentakeln nach aufwärts auf der »92 M. Nussbatim: Tafel angebracht werden können, so wäre die Uebersicht er- leichtert gewesen. Man wird aber trotzdem aus den Figuren den eben beschriebenen Ablauf der Veränderungen herauslesen können; auch die Ersparung einer Abbildung des eben umgestülpten Po- Iypen, die der Fig. 3 auf TafelXXIX hätte voraufgehen müssen, wird das Verständniss nicht stören, da bei allen diesen Umkeh- rungen, wo der Polyp auf der umkehrenden Borste verblieb, der Fuss nach der Umkehrung auf der Seite der Wachskugel lag (siehe die Methodik) und man mit Zuhülfenahme der Figuren 1 bis 4 auf Tafel XXVI sich em Bild machen kann von den Ver- änderungen vor und nach der Umstülpung bis zur Umwandlung des Polypen in die Figur 3 der Tafel XXIX. Fassen wir die Umwandlungen, die der ursprüngliche Polyp erlitten hatte, kurz zusammen, so war er nach der Rückstülpung in einen Doppelring umgewandelt, an dem die Tentakel an der Stelle liegen geblieben waren, wo sie nach der Umstülpung ge- legen hatten (vgl. Fig.2 auf Tafel XXVII und Fig. 3 auf Tafel XXIX). Dann spaltete sich der Ring auf und ging da- dureh in einen langen Cylinder über. Auf der einen Seite lagen die Tentakel, auf der entgegengesetzten, der ursprünglichen Leibesmitte, war kein Fuss zu erkennen. Es folgte eine zwei- fache Einsehnürung, die schliesslich zur Bildung von zwei Po- Iypen führte. Die Axen blieben dabei genau so orientirt, wie am ursprünglichen Polypen: die alten Tentakel umstanden an der- selben Stelle mit mehreren neuen den neugebildeten Mundkegel, und die Füsse waren an der entgegengesetzten, in Fig. 5, Tafel XXIX nackten Längsseite des Cylinders neugebildet worden. Ob bei der Aufspaltung des Doppelringes, d.h. bei der Umwandlung der Fig. 4 in Fig. 5 auf Tafel XXIX nachweisbare mechanische Ursachen mitwirken, soll durch spätere Versuche entschieden werden. Bei den complieirten Vorgängen von Neu- bildung und Resorption, welehe die Umwandlung begleiten, bei dem Sehwund der verbindenden Brücke, dem. Kleimerwerden der ganzen Thiere im Laufe der Beobachtung, der Vergrösserung der neuen Tentakel und der Verklemerung der alten, der Neubildung von zwei Füssen an Stellen, wo sie zwar der Axenrichtung nach auftreten mussten, wo sie aber am normalen Thier niemals auf- getreten wären, bei allen diesen Umwälzungen im Leibe des ur- sprünglichen Polypen ist es wohl erlaubt, daran zu denken, dass wi! os Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. Sa der ursprüngliche Fusstheil, der durch den Umschlag nach der Umstülpung seine Axenrichtung änderte, im Laufe der Restitution resorbirt und von der Nachbarschaft her durch richtig orienfirte neugebildete Zellen allmählich ersetzt worden sei. Naturgemäss stösst der Beweis dieser Hypothese auf erhebliche, wenn nicht unüberwindliche Schwierigkeiten. Trotzdem wird durch die beschriebenen Versuche der von mir schon früher erbrachte Nachweis bestätigt und erweitert, dass ein umgestülpter Polyp sich gleichzeitig von mehreren Stellen, und zwar in dem vorliegenden Falle von zweien aus, zurückstülpen kann, und dass die ursprüngliche Orientirung dabei erhalten bleibt. Die Erhaltung der ursprünglichen Orientirung beruht auf complieirten Neubildungs- und Resorptionsvorgängen (vergl. d. Arch. Bd. 29, pag. 346—348). 3. Umstülpung und quere Durchbohrung eines Polypen. (Der Trembley’sche Versuch.) Versuch vom 21. Januar 1891. Umstülpung einer Hydra grisea. Beim Zurückziehen der Borste aus der Mundöffnung des umgestülpten Polypen stülpt sich ein kleiner Theil des Fussendes in die künstlich geschaffene und jetzt mit Eetoderm bekleidete Leibeshöhle zurück. Dies konnte sich ereignen, weil ich nach der modifieirten Methode nicht mehr das Fussende beim Zurück- ziehen der Borste fasse, sondern eine Pincette als Widerlager gegen die Mundöffnung halte!) und weil ich bei diesem Versuche die Borste nicht sofort nach der Umstülpung zurückgezogen hatte. Der Fuss gewann Zeit, sich an der Borste festzukleben. Nachdem die zur Umstülpung verwandte Borste wieder ent- fernt worden war, wurde der Polyp dicht unter den Tentakeln mit einer Borste quer durehbohrt und auf dem Wachsklotz des Beobachtungsaquarium mittelst der senkrecht eingestossenen Borste befestigt. Am folgenden Tage liegt das Fussende wieder an der Stelle, wo es gestern auf dem Wachsklotz gelegen hatte. Der Polyp ist mit Ausnahme eines schmalen Ringes nicht weit unterhalb der Tentakel von Eetoderm bekleidet; die Saugscheibe des Fusses ist deutlich zu erkennen, und der Polyp haftet fest auf der Borste (siehe Tafel XXVII, Fig. 5). 1) Vgl. Ischikawa’s Methodik. 554 M. Nussbaum: Die Ursachen der Veränderungen werden sich aus dem Stu- dium der Schnitte und einem Vergleich mit dem entsprechenden Versuch am Modell ergeben. Der Polyp wurde in eine Serie von Längsschnitten zerlegt, die parallel der Lage der Borste geführt wurden. Auf Taf. XXVII sind in Fig.5 und 6 zwei von den erhaltenen 27 Schnitten abge- bildet. Fig. 5 stellt: den zwölften Schnitt, von rechts nach links in der Fig. 5, Taf. XXVI gerechnet, vor. Der Schnitt hat die Durehbohrungsstelle der Borste getroffen. Unten im Bild liegt ein von Eetoderm aussen und innen von Entoderm bekleideter, nach oben auf der Tafel geöffneter Sack; seine Lichtung ist die alte Leibeshöhle. Durch einen Zwischenraum — die von der Borste durch den Polypen quer hindurchgetriebene Oeffnung — getrennt, folgen weiter aufwärts rechts und links Theile des Mund- randes, an denen medial Eetoderm und lateral Entoderm sich findet. Weiter nach oben zu liegt links ein Tentakel schräg vom Messer getroffen. Der Zusammenhang mit dem Mundrande ist nur an dem äusseren rechts ersichtlich, wo der Uebergang der Magenhöhle in das Innere des Tentakel getroffen wurde. Selbstverständlich muss dieser Eingang zur Höhle des Tentakels auf der Seite des Entoderm des Mundrandes liegen, hier also la- teral, da die Mundgegend sich, wie Fig.5 auf Taf. XXVII zeigt, noch nicht zurückgestülpt hatte. Betrachtet man den in Fig. 6 der Tafel XXVIII abgebil- deten 21. Schnitt, der nach links von der Borste durch Figur 5 auf Tafel XXVII gelegt ist, so findet man rechts im Bilde eme srössere zusammenhängende Partie und durch einen Kanal davon getrennt oben links eine kleinere. Beide Theile wenden dem tren- nenden Kanal Eetoderm zu. Die links gelegene Partie ist lateral von Entoderm bekleidet. Auf jeder Hälfte ist ein Tentakel, rechts im Längsschnitt, links im Scehrägschnitt getroffen. Die Tentakel sind der Raumersparniss halber nicht in ihrer ganzen Länge dar- gestellt. Der grössere rechts gelegene Theil, der dicht unter dem Tentakel medial von Eetoderm und lateral von Entoderm bedeckt ist, setzt sich nach abwärts in eine Tasche fort, deren Eingang nach rechts in der Figur in einiger Entfernung vom Ansatz des Tentakels liegt und die aussen mit Eetoderm, innen aber mit En- toderm bekleidete Wandungen zeigt. Unten in der Figur sind die Drüsenzellen des Fusses durch Strichelung hervorgehoben. u an Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 999 Die mikroskopischen Schnitte entsprechen somit, was die Anordnung von Entoderm und Eetoderm anlangt, dem Befund am lebenden Thier, da auch an den Schnitten aussen dieht unter den Tentakeln eine Zone von Entoderm, im Uebrigen aber nur Eetoderm sich findet. Die Schnitte erlauben aber einen wei- teren Schluss, der auch am lebenden Thiere bei eontinuirlicher Beobachtung sich ergeben haben würde: Das Fussende hat sich durch die obere von der Borste geschaffene Wundöffnung zurück- gestülpt. Eingeleitet wurde diese Rückstülpung durch die vorhin beschriebene Festheftung des Fusses an die bei der Umstülpung benutzte Borste. Der Polyp weist die am Modell studirten Cha- racteristica auf, die sich bei einer solchen partiellen Rückstülpung ereignen müssen, da er gemäss den Schnitten, im die er nach der Erhärtung zerlegt wurde, genau der Figur 10 auf Tafel XXIX entspricht. Die Orientirung der Figur 5 auf Tafel XXVII und der Figur 10 auf Tafel XXIX ist dieselbe, so dass man ihre Uebereinstimmung nach dem Gesaßten leicht erkennen wird. Nur ist bei der Erhärtung offenbar die beginnende Rück- 'stülpung vom Mundrande her in Folge der Contraetion rückgängig -semacht worden, da an den Schnitten (Fig.5u.6, Taf. XXVII) in der Tentakelregion das Eetoderm lateral nicht so weit herab- zieht, als man es nach dem Aussehen des lebenden Thieres hätte erwarten sollen. Um die Beschreibung der einzelnen Versuche nicht zu einer leeren Wiederholung des schon Gesagten herabzudrücken, will ich nur hinzufügen, dass bei anderen gleichen Versuchen die Ver- wachsung des Tentakelendes zu einem Ringe, der ‚seitlich mit zwei Röhren in das zurückgestülpte Fussende eimmündete, zu Stande kam, wenn die Thiere nicht so früh als in dem vorlie- senden Falle abgetödtet wurden. Somit kann, sich ein umgestülpter Polyp, ohne die quer durehgestossene Borste zu verlassen, zurückstülpen und am Leben bleiben. Diese Form der Rückstülpung ist aber nicht die einzige. Es wäre denkbar und am Modell auch zu zeigen, dass ein um- gestülpter und quer durchbohrter Polyp mit seinem vorderen Ende sich durch dieselbe Wundöffnung zurückstülpte, wodurch vorher das Fussende geschlüpft war. Diesen Fall habe ich freilich am lebenden Thier noch nieht beobachtet. Dabei würde der Polyp il, 556 M. Nussbaum: die Borste gleichfalls nicht verlassen müssen; er bliebe nach der kückstülpung genau so orientirt, wie vor derselben. Begünstigt wird die im Versuch vom 21. Januar 1891 be- schriebene Art der Rückstülpung durch langsame Umstülpung und dadurch verursachte Festheftung des Fusses an der umstül- penden Borste. Man leitet durch das Zurückziehen der Borste die Rückstülpung schon ein. Sie wird weiter erleichtert, wenn man den umgestülpten Polypen dicht unter den Tentakeln quer durehbohrt und die Ränder der unteren Wundöffnung durch die quer düurchgestossene Borste fest gegen die Unterlage anpresst. Ein umgestülpter Polyp kann sich aber auch nach der von mir schon früher beschriebenen Art zurückstülpen. Im Folgenden soll einer der im Laufe dieses Jahres angestellten Versuche mit- getheilt werden. Versuch vom 19. Januar 1891. Eime Hydra grisea wird umgestülpt und mit einer quer durch den Leib gesteckten Borste auf dem Wachsklotz des Beobachtungsaquarium befestigt (Fig. 6, Tafel XXVM). Am folgenden Tage, dem 20. Januar, liegt der Polyp un- verändert da; nur an den Wundrändern zeigt sich em feiner Saum von Eetoderm. Am 21. Januar hat sich das Eetoderm von der Wunde aus ganz über den hinteren Abschnitt ausge- breitet). Der Polyp ist am 22. Januar aussen ganz von Eeto- derm bekleidet (siehe Tafel XXVII, Fig. 7). An den Schnitten durch das getödtete Thier lässt sich feststellen: Dass der Polyp sich vom Mundrande und von den Wund- rändern her zurückgestülpt hat. Während bei dem vorigen Ver- such das Fussende sich nach innen und gegen die Tentakel zu einstülpte, stülpt es sich jetzt von den Wundrändern nach ab- wärts zu heraus. , Während bei dem vorigen Versuch der Fuss schon am lebenden Thier an seiner alten Stelle zu erkennen war, wird er bei dem vorliegenden Versuch erst auf den Schnitten deutlich und liegt an der unteren Peripherie der Borste, also im Innern des Thieres. 1) Man kann am lebenden Thier nicht mehr sehen, aks hier be- schrieben ist. Erst die mikroskopische Untersuchung der Schnitte dureh den abgetödteten Polypen lehrt, dass mit dem Eetoderm auch das zugehörige Entoderm und die Stützlamelle sich vom Wundrande aus umgeschlagen haben. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 557 Das Tentakelende hat sich in beiden Versuchen zu einem Doppelring umgestaltet. Will man den Bau dieses Ringes an einem einfachen Modell nachahmen, so denke man sich ein Rohr ringförmig gebogen und an den freien Rändern ohne Aufhebung der Liehtung verlöthet. Von diesem jetzt geschlossenen Hohlraum, nieht von der Ringöffnung, mittelst derer man den Ring über einen passenden Cylinder streifen könnte, führen an unseren Ver- suchsthieren, sobald sie aussen wieder ganz von Eetoderm be- kleidet sind, seitliche Röhren m die Lichtung des Fussendes. Die Liehtung des Fussendes ist bis auf die Communications- stellen mit der Lichtung des Ringes in beiden Abarten der Rückstülpung durch Verwachsung der Wundränder geschlossen worden. Im Versuch, begonnen am 21. Januar 1891, kam die Verwachsung in der Mitte des Thieres zu Stande, der Fuss lag somit wieder an seiner alten Stelle. Im Versuch, begonnen am 19. Januar 1591, dem zweiten der unter dieser Rubrik mitge- theilten Versuche, fand die Verwachsung der nach aussen um- geklappten Wundränder in der Gegend des alten Fusses statt; dieser selbst lag in der Mitte des Thieres. Zur Illustration des Gesagten sind auf Tafel XXX die schematisirten Längsschnitte durch zwei umgekehrte, in der Mitte des Leibes quer durehbohrte Polypen nach der Rückstülpung in den Figuren 6 und 7 abgebildet worden. Beiden ist die äussere Form gemeinsam. Ein zwei Tentakel im Längsschnitt tragender Hohlraum im normaler Weise innen von Entoderm und aussen von Eetoderm begrenzt, hat zwischen den Tentakeln eine tief ein- gesenkte Höhlung, die aber nirgendwo in die Lichtung zwischen den Wänden des Leibes hineinführt, sondern auf unseren Schnitten in den von der Borste erzeugten und, wie man sieht, wieder mit Eetoderm überkleideten Wundkanal übergeht. In Fig. 7 — Schema des nach aussen zurückgestülpten Fussendes — liegt der unteren Peripherie des Borstenkanals der Fuss an, kenntlich an der Schraffirung im weissen Eetoderm. In Fig. 6 — Schema des nach innen und gegen die Tentakel zurückgestülpten Fuss- endes — liegt der Fuss wie an einem normalen Polypen an der Basis und nicht, wie in Fig. 7, in der Mitte des Leibes. Das Verständniss dieser Schemata wird durch Vergleich von Fig. 10 auf Tafel XXIX erleichtert. Fig. 6 und 7 der Tafel XXX sind als Längsschnitte durch die Figur 10 in der Ebene der Tafel 558 M. Nussbaum: XXIX zu denken, nachdem man an der Figur auf Tafel XXIX die Verlöthung der Ränder in der bei der Schilderung der Modell- versuche angegebenen Weise gemacht hatte. Es erübrigt nunmehr noch einige Längs- und Quersehnitte dureh die nach der zweiten Art zurückgestülpten Polypen zu be- schreiben. Die in den Figuren 1, 2 und 3 auf Tafel XXX abgebildeten Schnitte stammen von dem in Fig. 6 und 7, Tafel XXVII dar- gestellten und am 19. Januar 1391 umgestülpten Polypen. Die Schnitte sind schräg zur Tafelebene der Fig. 7 der Länge nach geführt und gegen die Figur 7 auf Tafel XXVII um 90° nach rechts gedreht, so dass die Tentakel in den Schnitten auf der Tafel XXX nach oben und beim ganzen Thier auf Tafel XXVII nach links gerichtet sind. Figur 1 auf Tafel XXX stellt einen Schnitt dar, der die Tentakelgegend und den Wundkanal schräg getroffen hat und nahe der Oberfläche gelegen ist. Fig. 2, Tafel XXX liegt sechs Schnitte mehr nach dem Innern zu; der Wundkanal ist ganz ge- troffen und wird von emem ringförmigen Hohlraum umgeben, der in seinem Innern mit Entoderm, aussen von Eetoderm bekleidet ist. Zwei Schnitte weiter folgt ein Bild, wie es in Fig. 7 der- selben Tafel schematisirt dargestellt ist. Der Schnitt würde ab- gebildet worden sein, wenn Tentakel und Fuss an ihm sichtbar gewesen wären; so stellt er aber blos einen C-förmig gebogenen Hohleylinder dar. Die Oefinung in dem © entspricht, wie an Figur 7 schon erläutert wurde, dem Durchschnitt des Wund- kanales, wie er gerade in die Oeffnung des von der Tentakel- region gebildeten Ringes übergeht. Taf. XXX, Fig. 3 zeigt die Lage des Fusses, an der Schraf- firung des weissen Eetoderm kenntlich. Diesem Schnitt folgen noch fünf, an denen der Durchsehnitt des Fusses gleich orientirt ist und nicht an der Peripherie unten, sondern im Borstencanal sich findet. Fig. 4 und 5 der Taf. XXX sind Querschnitte durch einen umgestülpten, quer durchbohrten und zurückgestülpten Polypen (Versuch vom 26. Juni 1886). Fig. 4 stellt eimen Querschnitt durch die Tentakelregion dar: Querschnitt des Hohlringes. Fig. 5 giebt einen Querschnitt durch das Fussende wieder. Im ersten Schnitt Fig. 4 (vgl. den Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 559 schematischen Längsschnitt in Fig. 6 auf Tafel XXX), der nach oben links einen Tentakel getroffen hat, ist gleichsam in den äusseren von normal gelagerter Wandung der Polypen gebildeten Ring — aussen Ectoderm, dann Stützlamelle und Entoderm — ein anderer hineingesetzt mit umgekehrter Reihenfolge der Schichten. Fig. 5 hat aussen Eetoderm, innen Entoderm und zwischen bei- den die Stützlamelle. Der Magenraum ist unregelmässig vom Ento- derm begrenzt. Die Querschnitte durch die verschiedenen Re- gionen entsprechen somit den Längsschnitten und dem was man nach dem Modellversuch erwarten konnte. Gelegentlich meiner früheren Versuche waren die Polypen, nachdem das Eetoderm wieder aussen lag, vom Draht befreit worden und hatten nach zwei Tagen ihre normale Leibesbeschaffen- heit wieder erlangt. Diesmal versuchte ich festzustellen, wie lange ein umgestülp- ter Polyp nach der Rückstülpung auf der Borste würde sitzen bleiben, und welche Wege er etwa zu seiner Befreiung einschlagen möchte. Da die umgestülpten Polypen, wenn sie nicht die vordere Leibeshälfte gleich der hinteren zurückstülpen, nach den bisheri- gen Erfahrungen in der Tentakelregion einen Doppelring bilden, siehe Taf. XXX, Fig.4, 6 und 7, so wäre es denkbar gewesen, dass ähnlich wie bei den Versuchen, wie sie in den Figuren 1 bis 5 auf Tafel XXIX bildlich dargestellt wurden, auch hier der Doppelrng sich in’ der Längsaxe des Thieres aufspalte. Das traf jedoch nicht ein. Es ereignete sich vielmehr eine Resorption der inneren Wand des Doppelringes, wie ich dies auch schon früher nach Befreiung der Polypen von der Borste gesehen hatte. Hier folgt die Beschreibung eines derartigen Versuches. .Eine kräftige Hydra grisea wird am 10. Februar 1891 um- gestülpt und mit einer Borste quer durchbohrt. Nach 24 Stunden hat sieh das hintere Leibesende durch die eine der Wundöffnungen zurückgestülpt und hat sich mit den Drüsenzellen des Fusses am Wachsklotz des Beobachtungsaquarium festgeheftet. Die Ten- takelregion ist zu einem Doppelring umgestaltet. Fuss und Ten- takel liegen wie vor der Rückstülpung orientirt, und die ganze äussere Oberfläche mit Einschluss des ursprünglichen Wundeanals ist mit Eetoderm bekleidet. Am 15. Februar sind zwei neue Tentakel an der vorderen Grenze des Doppelringes erschienen. 560 M. Nussbaum: Am 18. Februar kann man die Ringöffnung nieht mehr erkennen, der Polyp haftet aber noch gut auf der Borste. Eine Aufspaltung des Ringes ist nicht erfolgt, da die Teentakel noch immer eine Kreisfläche umstehen. Hätte man es wagen dürfen, den Polypen auf eine durchsichtige Unterlage zn bringen, so würde man er- kannt haben, dass nunmehr die Resorption der inneren Ringwand erfolgt war. Den Beweis hierfür kann ich jedoch erst aus den folgenden Beobachtungen erbringen. Am 21. Februar war ein dritter junger Tentakel am vor- deren Leibesende hervorgesprosst, der Polyp haftete gut auf der Borste. Am folgenden Tage zeigte sich, wie ich dies auch bei dem Versuch vom 27. Januar d. J. beobachtet hatte (s. S. 548), ein weisslicher Streif auf einer Seite des Borstenecanals — dies- mal quer zur Längsaxe des Polypen. — Am 23. Februar, also nach 13 Tagen, war der Polyp von der Borste abgefallen. Er sass mit seinem Fuss festgeheftet an einer Wasserpflanze, das ent- gegengesetzte Ende, die frühere Mundregion war von sechs alten und drei jungen Tentakeln umgeben. Die äussere Form glich einem U, öfters auch durch Drehung des Leibes emem Z. Oben an dem Längsbalken lag der Tentakelkranz, unten der Fuss. Die kurzen Querbalken waren durch die quere, einseitige Aufspal- tung des Borstencanales entstanden. Der Polyp war ganz von Eetoderm bedeckt. Wie man jetzt bei durchfallendem Lichte ohne Weiteres erkennen konnte, war der Innenraum von Ento- derm bekleidet und zog sieh eontinuirlich durch den ganzen ge- bogenen und an den Enden geschlossenen Cylinder hin. Somit war der Doppelring, den die Tentakelregion gebildet hatte, eben- falls in einen einfachen, innen von Entoderm und aussen von Ee- toderm gebildeten Cylinder umgewandelt worden. Bis zum 16. Fe- bruar hatten sich aus der vorderen und hinteren Oeffnung des direet nach der Rückstülpung entstandenen Doppelringes abge- storbene Gewebsfetzen entleert, die nach der mikroskopischen Untersuehung aus Entoderm- und Eetodermzellen bestanden. Es waren somit Theile zu Grunde gegangen. Auch später noch, be- vor sich wieder eine Mundöffnung gebildet hatte, lagen in dem Magenraum des Polypen geballte Massen, die nur von abgestosse- nen Theilen des Leibes herrühren konnten, da jede Möglichkeit einer Aufnahme von aussen ausgeschlossen war. Schon bei den jeobachtungen über die Regeneration aus länglichen Stücken der Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 561 Leibeswand hatte ich feststellen können, dass bei den Restitutions- vorgängen Resorptionserscheinungen auftreten (d. Arch, Bd. XXIX, Taf. XIX, Figg. 90—94). Im vorliegenden Versuche müssen aber nach der Ausschaltung der unbrauchbaren Theile dureh Aus- stossung und durch Resorption auch noch Verwachsungen der Wundränder eingetreten sein; denn sonst hätte aus einem Doppel- ring kein einfacher Hohleylinder entstehen können. Einen ähn- lichen Vorgang wird man in den folgenden Versuchen beschrie- ben finden, wo ebenfalls aus der Continuität ein Stück der Lei- bessubstanz verloren ging und darauf Verwachsung der durch Demarkation gebildeten freien Ränder erfolgte. Der Polyp hatte am 26. Februar seine Gestalt noch nicht geändert; an der alten Stelle sass ein Kranz von 12 Tentakeln; es waren somit 6 neu gebildet. An diesem Polypen sah ich zum ersten Male die schon von älteren Autoren beschriebene Gabelhmg eines Tentakels. Nach meinen Beobachtungen ist der zweiarmige Tentakel durch Verschmelzung zweier alten Tentakel entstanden; da mit der Zeit die basale Partie immer länger, die freien Zin- ken dementsprechend kleiner und der verwachsene. Tentakel allmäh- lich resorbirt wurde. Diese Verwachsung von Tentakeln wurde im Laufe der weiteren Beobachtung noch zweimal festgestellt. Am 6. März hatte der Polyp 7 Tentakel, darunter zwei ver- wachsene, von denen der eine aus zwei alten und der andere aus drei alten Tentakeln bestand, die in beträchtlicher Ausdehnung an ihrer Basis verwachsen waren. Nach drei Tagen, am 9. März, waren alle Tentakel einfach, die beiden aus dem Zusammenfluss von je zwei oder drei ent- standenen dicker, als die übrigen fünf. Die seitlichen Zinken waren fast ganz geschwundeu. Die beiden verwachsenen Tentakel wurden resorbirt; man konnte ihr Schwinden von Tag zu Tag beobachten. Am 12. März war ein neuer Tentakel hervorgesprosst. Am 15. März war der Polyp in Nichts mehr von einem normalen Polypen mit sechs Armen zu unterscheiden. Greifen wir jetzt wieder zurück auf die bei den Versuchen vom 25. und 27. Januar 1891 (pag. 552) aufgeworfene Frage, ob bei der Aufspaltung des Doppelringes zu einem eylindrischen Rohr nachweislich mechanische Ursachen mitgewirkt haben, so wird man nach den bei dem vorigen Versuch gemachten Erfah- h rungen diese Frage bejahen müssen. In den Versuchen vom 25. 569 M. Nussbaum: und 27. Januar 1891 hat offenbar die longitudinale Aufhängung der Polypen zu einer Längsspaltung des Doppelringes die Ver- anlassung gegeben; da mit dem Wegfall der Aufhängung im Ver- such vom 10. Februar, dem so eben beschriebenen Versuche, auch die Längsspaltung des Doppelringes nicht eintrat. Hier wurde der Doppelring durch den eomplieirten Process der localen Nekrose, Resorption und secundären Verwachsung der neu geschaffenen freien Ränder in ein eimfaches eylindrisches Rohr umgewandelt. Dagegen wirkte die quer durchgestossene Borste auch beim letzten Versuche in ähnlicher Weise wie bei den Ver- suchen vom 25. und 27. Januar 1891. Nur erfolgte hier der Lage der Theile entsprechend eine quere Aufspaltung an der Pe- ripherie des Borstencanals, wie wir sie vorhin des Näheren be- schrieben haben. Wäre der Polyp wie in allen im 29. Bd. d. Arch. beschriebenen Versueheu früher von der Borste, also etwa am zweiten oder dritten Tage nach der Rückstülpung, befreit wor- den, so würde nach dem Wegfall der mechanischen Ursache auch hier keine Aufspaltung erfolgt sem, da in meinen früheren Ver- suchen der Borstencanal einfach verschwand. Diese Fähigkeit der Verwachsung von ächten Canälen er- innert an die Verwachsung epithelialer Flächen oder Ränder bei höheren Thieren. Nur schemt sie bei Polypen in etwas anderer Weise vor sich zu gehen; da der Verwachsung stets ein Substanz- verlust, also gewissermassen eine Anfrischung voraufgeht. Man würde zur genaueren Erkenntniss dieses Vorganges erst durch eigens darauf gerichtete Versuche kommen können. Hier genügt es vorläufig, gezeigt zu haben, dass ein abnorm gestalteter Polyp je nach den äusseren Bedingungen in verschiedener Weise zur naturgemässen Gestalt zurückkehren kann. Um in der Sprache der Chirurgen zu reden würde man sagen müssen, dass bei den Polypen ächt benarbte Canäle entweder durch mechanische Auf- spaltung oder durch Verwachsung verschwinden können. 4. Zur Frage, ob ein an der Rückstülpung gehinderter Polyp zu Grunde gehen müsse. Die sogleich mitzutheilenden Beobachtungen verdanke ich dem Zufall; da in beiden Fällen kein ersiehtlicher und durch das Experiment beabsichtigter Grund für die Erscheinungen vorlag. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 963 Versuche vom 14. Janunr 1891. Eine umgestülpte Hydra grisea wurde in ein Beobachtungsaquarium gebracht, ohne dass sie irgendwie verletzt worden wäre. Der Polyp war am 19. Ja- nuar noch nieht zurückgestülpt. Am 20. Januar zerfiel das Fuss- ende zum Theil, es erfolgte von dort eine totale Rückstülpung. jald darauf hatte die Fusswunde sich geschlossen und dort ein neuer Fuss sich gebildet. Am 21. Januar zeigte das Thier seine ursprüngliche, aber verkleinerte Form. Eine umgestülpte Hydra grisea wird mit emem Draht quer durehbohrt, nachdem sie vorher 5 Stunden dagelegen hatte, ohne sich zurückzustülpen. Am 19. Januar ist der Polyp vom Draht abgefallen und mit Ausnahme eines klemen Reifes im der Mund- gegend aussen ganz von Entoderm bekleidet. Am 21. Januar liegt der Polyp als eine verkleinerte von Eetoderm aussen ganz bekleidete Kugel da, wird am 22. Januar eylindrisch und hat am 23. Januar drei neue Tentakel gebildet. Somit kann ein umgestülpter Polyp doch länger als man früher glaubte, in den geschilderten Versuchen sechs Tage lang, am Leben bleiben, ohne sich zurückgestülpt zu haben. Erfolgt dann die Rückstülpung, so ist immer eine bedeutende Verkleime- rung des Thieres damit verbunden. Da die Thiere, so lange sie umgestülpt sind, hungern müssen, so ist die Verkleinerung erklär- lich. Der Polyp zehrt vom eigenen Leibe. Darin ist aber zugleich der Grund gegeben, dass ein an der Rückstülpung absolut gehin- derter Polyp zu Grunde gehen müsse. Er wird nie wieder zur Nahrungsaufnahme geschiekt, wenn das Entoderm nicht innen liegt. 564 M. Nussbatim: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI-—-XXX. Tafel XXVI Fig. 1-5. Umstülpung eines Handschuhfingers, dessen eine Wand nahe der Oeffnung von aussen nach innen durchbohrt wurde. Fig. 1. Ausgangstadium, Fig. 2incomplete, Fig. 3 complete Umstül- pung vom blinden Ende aus, Fig. 4 Drehung des umgestülpten Handschuhfingers von 180° um die Nadel, Fig.5 Drehung von 150° um die Längsaxe des umgestülpten Handschuhfingers. Fig. 6—8. Umstülpung eines Handschuhfingers, dessen eine Wand nahe der Oeffnung von innen nach aussen durchbohrt wurde. Die Nähte sind der besseren Orientirung halber eingezeichnet. Fig. 6. Ausgangstadium: die Nähte liegen aufwärts, Fig.7 incom- plete Umstülpung. Fig. 8. Der blinde Zipfel ist 180° um die horizontale kurze Axe des Fingers gedreht. Die im Fig. 6 und 7 sichtbaren Nähte sind nach abwärts gerichtet und des- halb nicht mehr zu sehen. Fig. 9—12. Umstülpung eines Handschuhfingers, der nahe der Oeff- nung doppelt durchbohrt ist. Fig. 9. Ausgangstadium, Fig. 10 incomplete Umstülpung vom blinden Ende aus, Fig. 11 complete Umstülpung, Fig. 12 Drehung von 180° um die Nadel. Fig. 15—16. Theilweise Umstülpung eines in der Mitte doppelt durch- bohrten Handschuhfingers. Fig. 13. Ausgangstadium, wo die obere Durchbohrungsstelle erwei- tert ist, Fig. 14 Ein- und Durchstülpung des hinteren Endes durch die Oeffnung in der oberen Wand, Fig. 15 Drehung von 90° um die horizontale Queraxe des Handschuhfingers, Fig. 16 stellt Fig. 15 von der Unterseite her dar. ISA RERSVINTE “ N.B. In allen folgenden Figuren ist das Entoderm grau, das durchschimmernde Entoderm mattgrau und das Ectoderm weiss ge- halten, die Fussgegend mit ihren Drüsenzellen gestrichelt. Fig. 1-4. Umstülpung und Rückstülpung eines Polypen, der mit seiner Knospe noch einen gemeinschaftlichen Magenraum hat. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 565 Fig.1. Der lebende Polyp, Fig. 2 der lebende Polyp 10 Minuten nach der Umstülpung, Fig. 3 der lebende Polyp 55 Minuten nach der Umstülpung, Fig. 4 der 24 Stunden nach der Umstülpung in Alcohol abgetödtete Polyp. — Vergr. Zeiss a, Oc. II; a die Knospe; b unteres Ende einer abgeschnittenen Knospe, deren Magenraum nicht mehr mit dem des Mutterthieres in offener Verbindung stand; e die zur Orientirung über die Lage und zur Verhinderung des Abgleitens an dem einen Ende der Borste angeschmolzene Wachskugel. ‘5. Ein umgestülpter und mit einer Borste quer durchbohrter Polyp 24 Stunden nach der Umstülpung in Alcohol abgetödtet. Vergr.!) Zeiss a, Oc. II. f der Fuss. .6. Ein umgestülpter und quer durchbohrter, lebender Polyp. N Derselbe Polyp nach drei Tagen in Aleohol abgetödtet. Vergr. Zeiss a, Oc. N. Tafel XXVII. ig. 1. Längsschnitt durch den in Fig. 4 der Tafel XXVII darge- stellten Polypen; rechts unten die Knospe mit ihrem Tentakel getroffen. Vergr. Zeiss A, Oe. II. . 2, 3, 4. Querschnitte durch den in Fig.2 der Tafel XXIX abge- bildeten Polypen. Der Polyp wurde in eine von rechts nach links vorschreitende Serie feiner Schnitte zerlegt. Fig. 3 ist die Abbildung des 9, Fig. 2 des 25. und Fig. 4 des 34. Schnittes. Der Schnitt der Fig. 2 fällt durch den oberen Höcker der Fig. 2 auf Tafel XXIX. Dieser Höcker ist der Fuss, in den Zeichnungen längsschraffirt. Vergr. Zeiss A, OEM. Fig. 5 und 6. Längsschnitte senkrecht zur Tafelebene durch den in die Fig. 5 der Tafel XXVII abgebildeten Polypen. Fig.5. Schnitt durch die Borstenwunde; Fig. 6 seitlich davon. Vergr. Zeiss A, Oc. HT. — N.B. Die Schnitte durch den Polypen der Fig. 2, Tafel XXIX sind conform den übrigen Schnitten der Tafel XXVIII orientirt worden, was hoffentlich zu keinem Missverständniss führen wird, da der Polyp in Fig. 2 der 1) Würde man die Theile auseinander ziehen, so erhielte man Figur 10 auf Tafel XXIX, wie sich auch aus den Längsschnitten > ) ke) durch die vorliegende Figur auf Taf. XXVIII, Fig. 5 und 6 ergibt. Die aussen weisse Wand, die man von der Borste durchbohrt sieht, geht somit unter der aussen grauen, tentakelwärts gelegenen durch. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 37 q 566 Fig. 1. Fig. 2. M. Nussbaum: Tafel XXIX mit seinem Fuss nach aufwärts und mit den Ten- takeln nach abwärts gerichtet ist, die Schnitte auf der vor- liegenden Tafel XXVIII aber umgekehrt gerichtet sind. — Die Magenhöhle und die Umgebung des Polypen sind auf den Abbildungen schwarz. Tafel XXIX. Polyp über eine Borste umgestülpt, das Fussende durchbohrt wie auf Tafel XXVII, Fig.2; 24 Stunden nach der Umstülpung, lebend. Vergr. Zeiss a, Oc. I. Derselbe Polyp, 24 Stunden später in Alcohol abgetödtet. Vergr. Zeiss a, Oc.Il. Fig. 3—-8a. Umwandlungen eines über eine Borste umgestülpten, am Fig. Fussende wie in Fig. 2, Tafel XXVII durchbohrten Polypen. 3. Der Polyp 24Stunden nach der Umstülpung. Fig. 4. Der Polyp 2 Tage nach der Umstülpung. Fig. 5. Dasselbe Thier am dritten Tage nach der Umstülpung. Fig. 6. Derselbe Polyp am fünften Tage nach der Umstülpung. Fig. 7. Aussehen des lebenden Polypen am sechsten Tage nach der Umstülpung. Fig. 8 und 8a. Zwei in Alcohol abgetödtete Polypen, die am zwölften Tage nach der Umstülpung des ursprünglichen Po- lypen sich durch Schwund der in den Figg. 6 und 7 sicht- baren Brücke von einander trennten und bis zur Abtödtung in Aleohol noch zwei Tage unverändert weiter lebten. — Der Polyp in Fig.8 hat 2 Köpfe mit 3 Tentakeln, der Polyp in Fig. Sa hat 4 Tentakel, jeder Polyp hat einen Fuss. Vergr. Zeiss a, Oc. II. Fig. 9 u. 10. Zweiactige Umstülpung eines in der Mitte doppelt durch- bohrten Säckchen. Fig. 9. Ausgangstadium. a Der von aussen sichtbare Rand des Loches in der vorderen Wand; b der von innen sichtbare Rand des Loches in der hinteren Wand; ce der freie Rand der Lichtung; dd‘ eine in das Innere eingeführte Sonde. Fig.10. Endstadium, hervorgegangen aus Fig. 9, indem der untere blinde Theil des Säckchen eingestülpt und aus dem Loch in der vorderen Wand hervorgezogen wurde, so dass der Rand a, wie Fig. 10 zeigt, sowohl auf der vorderen wie auf der hin- teren Seite und das untere mit d’ bezeichnete Ende der Borste dd’ frei liegt. In den unteren Sack, dessen Oeffnung jetzt nach hinten gerichtet ist, wurde die Borste ee’ eingeführt. Der freie Rand e ist nach unten umgeklappt. In der Oeffnung des hierdurch entstandenen Doppelringes steckt noch, wie ur- sprünglich, der mit d bezeichnete Anfangstheil der Borste dd‘. Mechanik des Trembley’schen Umstülpungsversuches. 567 Fig. 11. Umstülpung eines nicht ganz nahe der Oeffnung doppelt durch- bohrten Handschuhfingers. a Ausgangstadium, b Endstadium nach der vom blinden Ende her erfolgenden Umstülpung 180° um die Nadel gedreht. (Das blinde Ende der Raumersparniss wegen nach abwärts umgeklappt.) Tafel XXX. Fig. 1-3. Schnitte durch den in Fig.7 der Tafel XXVII abgebildeten Polypen schräg zur Tafelebene. Fig.1 stellt den 4. Schnitt, Fig. 2 den 10. Schnitt und Fig. 3 den 15. Schnitt der Serie dar. (Die Schnitte sind gegen die Fig. 7 auf Tafel XXVII um 90° gedreht.) Vergr. Zeiss A, Oc. I. Fig. 4 Querschnitt durch die obere Partie (Tentakelgegend, oberhalb der durchgesteckten Borste) eines umgestülpten, quer mit einer Borste durchbohrten und nach 24 Stunden restituirten Polypen. Ein Tentakel ist oben schräg getroffen. Das Ganze stellt einen Doppelring vor, dessen Oeffnung keine Magenhöhle ist, da sie von Ecetoderm begrenzt wird. Die alte Magenhöhle liegt zwischen .den beiden Wandungen des Doppelringes selbst; sie ist an manchen Stellen spaltförmig, an andern er- weitert und an noch andern durch Querbrücken im Schnitt verdeckt. Vergleiche hierzu den Längsschnitt eines solchen Doppelringes in Fig. 1, Tafel XXVII. Fig. 5. Querschnitt durch die untere Region desselben Polypen. Fig. 6 u. 7. Ideale Längsschnitte median durch umgestülpte, mit einer Borste quer durchbohrte und wieder restituirte Polypen, senk- recht zur Borstenebene. Fig.6. Umstülpung des unteren Abschnittes vom Fuss aus — also nach innen und oben — und Herauskriechen durch den einen Wundrand (vgl. Figg. 14—16, Tafel XXVI und die Fig.5 auf Tafel XXVII. Der schraffirte Fuss liegt unten, auf der ent- gegengesetzten Seite der Tentakel. Fig.7. Umstülpung des unteren Abschnittes von den Wundrändern aus, also nach aussen und unten. Der schraffirte Fuss liegt nach unten der Borste an. Die oberen Abschnitte haben sich in beiden Fällen durch Umschlag von den Wundrändern und den Tentakeln her zu einem Doppelring umgebildet, und in beiden Fällen kann man von der Lücke zwischen den Tentakeln, wo früher die Mund- öffnung lag, nicht mehr in die Magenhöhle eindringen. Diese Lücke ist die innere Lichtung des Doppelceylinders (ef. Fig. 4, Tafel XXVII, die auf den durch die quer durchgesteckte Borste geschaffenen Wundcanal hin und von da beiderseits 568 M. Nussbaum: Mech. des Trembley’schen Umstülpungsversuches. wieder ins Freie führt. Der obere Rand des Borstencanals ist in den Schemata nicht getroffen. Da es bei der Wiedergabe dieser Schemata wesentlich darauf ankam, die verschiedene Lage der Fussdrüsenzellen bei den beiden Arten, nach denen die Rückstülpung des Fussendes möglich ist und vorkommt, zu zeigen, so sind keine weiteren schematisirten Durchschnitte beigegeben worden. Man kann sie leicht aus den Figuren 5 und 6 der Tafel XXVIII und namentlich mit Zugrundelegung der Figur 10 auf Tafel XXIX construiren. 569 Aus dem anatomischen Institut der Universität Erlangen. fe} Beitrag zur Lehre von der Entstehung der karyokinetischen Spindel. Von Dr. F. Hermann. Hierzu Tafel XXXI und 2 Holzsehnitte. In dem Studium des Kerntheilungsvorganges ist im neuerer Zeit in sofern eine gewisse Wandlung eingetreten, als die Beob- achtung jener wunderbar gleichmässigen Bewegungserscheinungen der gefärbten Kermbestandtheile während der Karyomitose mehr und mehr in den Hintergrund trat gegenüber der Frage nach einer mechanischen Erklärung der Kerntheilung, gegenüber der Frage nach dem Sitze der Kräfte, welche die bei der Karyo- kinese sich abspielenden Bewegungen auszulösen vermögen. Es war wohl van Beneden!) der erste, welcher auf Grund semer Untersuchungen am Ascarisei den Satz aussprach, dass die dicen- trische Anordnung der Chromatinelemente durch eine direkte Contraetion jenes farblosen Fibrillenapparates erfolge, der ja schon lange als die „achromatische Spindelfigur* bei der Thei- lung der Zellen bekannt war. Wenn wir also den Versuch einer mechanischen Erklärung des Kerntheilungsvorganges wagen wollen, so muss sich wohl unser Augenmerk vor allem der Entstehungs- geschichte jener achromatischen Spindel zuwenden, und ich kann es wohl als bekannt voraussetzen, dass die Arbeiten über diesen Gegenstand gerade in neuerer Zeit ziemlich zahlreich geworden sind. Von eimer sog. „historischen Uebersicht“ glaubte ich an 1) Bulletins de l’acad&mie royale des sciences de Belgique. 57. 1887, pag. 279. Archiv für mikrosk, Anat. Bd. 37 33 ZT 70 F. Hermann: dieser Stelle um so mehr Abstand nehmen zu dürfen, als Stras- burger!) erst jüngst eine sehr umfassende Zusammenstellung der Angaben der verschiedenen Autoren gegeben hat. Freilich sind diese Angaben noch weit davon entfernt, eine einheitliche Auffassung über die Entstehungsweise der Kernspindel berechtigt erscheinen zu lassen und auch die Beobachtungen, die in den folgenden Seiten zur Kenntniss der Fachgenossen gebracht werden sollen, sind viel zu wenig ausgedehnt, eime solehe zu erlauben. Wenn trotzdem die Resultate meiner Untersuchungen hier Ver- öffentlichung finden sollen, so glaubte ich dazu die Berechtigung aus der Ansicht herleiten zu dürfen, dass wir nur durch mög- lichst zahlreiche, an den verschiedensten Objekten durchgeführte Einzelbeobaehtungen mit der Zeit das Ziel erreichen werden, uns eine allgemeine Ansicht über die Genese der achromatischen Kerntheilungsfigur zu bilden. In einer in diesem Archiv erschienenen Arbeit?) über „die Histologie des Hodens“ habe ich neben dem Kerme der grossen Spermatocyten des Salamanders einen farblosen Körper von ovaler oder rundlicher Gestalt beschrieben und habe nachweisen können, dass derselbe während der Theilung dieser Zellen erhalten bleibt, ja dass er gerade zu diesem Vorgange in gewisse Beziehungen tritt, die lebhaft an die von van Beneden?) und von Boveri®) am Ascarisei zuerst beschriebenen Verhältnisse erinnert. Leider erlaubten meine damaligen Untersuchungsmethoden, die mehr dem Studium der Chromatinelemente dienen sollten, nicht, einen ge- naueren Einblick in die erwähnten Beziehungen zu erhalten. Ich ging deswegen an eime wiederholte Untersuchung der Spermato- cyten des Salamanders, indem ich dabei eine Methode in An- wendung brachte, die neben der Beobachtung der chromatischen Bestandtheile auch eine solche der Protoplasmaverhältnisse ge- stattete. Die Hoden von Ende Juli oder Anfangs August ein- gefangenen Salamandern wurden in dem schon früher angegebenen Gemisch von Platimehlorid-Osmium-Essigsäure ein bis zwei Tage fixirt, nach sorgfältigem Auswässern in fliessendem Wasser in 1) Histologische Beiträge. 9) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. 34. BEE 5 (OL 4) Zellenstudien. Heft 2. Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 571 Alkohol von steigender Concentration nachgehärtet und hierauf auf 12 bis 18 Stunden in rohen Holzessig gelegt. Es erfolgt durch denselben eine so ausgiebige Reduktion des Osmiums, dass neben den dunkel schwarzbraun gefärbten Chromatin-Elementen auch die feinsten Protoplasmafäden distinkt graugrün tingirt er- scheinen. Dabei ist die ganze Färbung eine so starke, dass die nach- trägliche Anwendung eines Kernfarbstoffes vollständig unnöthig er- scheint. Einen Nachtheil freilich muss man mit in Kauf neh- men, darin bestehend, dass wenigstens in gewissen Fällen, ver- schiedene Granula im Zellleibe so sehr geschwärzt werden, dass dadurch ein Einblick in die feineren Protoplasmastrukturen er- schwert werden kann. Auch mag darauf aufmerksam gemacht werden, dass die erwähnte Methode, soweit meine Erfahrungen reichen, nicht an allen Zellen das Gleiche leistet; wenigstens er- schienen die Eikerne aus dem Salamanderovarium etwas ge- schrumpft, ein Nachtheil, dem übrigens sicher durch eine passende Wahl der Concentration der Flüssigkeiten abgeholfen werden könnte. Die in Paraffin eingebetteten Organe wurden in feine Schnitte zerlegt und sind hier bei der Feinheit der Verhältnisse Schnitte von Du unerlässlich. Bei der Schilderung der Befunde, der wir uns nun zu- wenden wollen, halten wir uns zunächst an jene grossen Zellen (23—30 u), die Flemming!) als die erste Generation der Sper- matocyten bezeichnet. Der grosse (Fig. 1) kugelige oder auch ovale Kern dieser Zellen wird im Ruhestadium von einem derben Chromatingerüste durchsetzt, dessen leicht geschwungene Stränge aus rosenkranzartig aneinander gereihten Chromatinelementen be- stehen und durch schwächer chromatische feine Brückenfäserchen untereinander in Verbindung stehen. Ausserhalb der deutlich sichtbaren Kernmembran liegt nun diesen Kernen ungefähr in der Form eines flachen Brodlaibes eine Scheibe körnigen Proto- plasmas an, die durch ihre dunklere Färbung deutlich sichtbar wird; eine eigentliche Fibrillirung ist im derselben sicher noch nicht nachzuweisen, wenn man auch von ihr aus in radiärer An- ordnung zarte Stränge im das Protoplasma ausstrahlen sieht, wo- durch es den Anschein bekommt, als sei der ganze Zellleib gegen die erwähnte Scheibe dunkleren Protoplasmas centrirt. Leider 1) Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 29. 2 F. Hermann: or war es mir aber nicht möglich, etwas aufzufinden, was einem Polkörperehen, Centrosoma entsprechen würde, da der Umstand, dass gerade in der Protoplasma-Ansammlung mehr oder minder reichlich durch Osmiumsäure geschwärzte Körnerbildungen ge- legen sind, eine sichere Diagnose eines Polkörperchens un- gemein erschwert. Gleichwohl zögere ich nicht, die dem Kern angelagerte Protoplasmamasse mit dem Namen Archoplasma zu belegen und nehme die Berechtigung hierzu aus den Vorgängen, die sich, wie wir sogleich sehen werden, in ihr bei der Kerm- theilung abspielen. Wenn nämlich der Kern in das Spiremstadium tritt und die Längstheilung der einzelnen Kernfäden beginnt, werden auch die Verhältnisse in dem Archoplasma klarer; man sieht deutlich (Fig. 2) zwei Centrosomen, die eben auseinander weichen und noch durch eine lichte Brücke mit emander in Verbindung stehen. In der Mitte wird die letztere von einer etwas dunk- leren Binde überquert, über deren Bedeutung ich mir jedoch keine Ansicht bilden konnte; von einer eigentlichen Polstrahlung ist auch in diesem Stadium noch nichts zu sehen, nur einige wenige ziemlich grobe Fibrillen gehen von den beiden Centro- somen in den Zellleib hinein. Es muss übrigens dieser Thei- lungsprocess der Centrosomen enorm rasch erfolgen, da ich den- selben nur zweimal deutlich beobachten konnte an Präparaten, die mit Platinosmiumessigsäure ohne nachherige Reduktion mit Holzessig behandelt waren. Die Fig. 2, welche diesen für die Genese der Spindel so überaus wichtigen Vorgang der Centro- somentheilung illustriren soll, stellt die Copie einer bei Zeiss Apochr. 2,0 mit Projektionsokular IV aufgenommenen Photo- graphie dar und sind nur wenige Details, die auf dem Negativ nicht mit erwünschter Schärfe hervortraten, im das etwas unter- exponirte Platinpapierpositiv eingetragen. Während sich nun die einzelnen Chromatinfäden verdicken und verkürzen, beginnt allmählich der Schwund der bis dahm deutlich sichtbaren Kernmembran; sie verliert durch leichte buchtige Einkerbungen ihren glatten Contour und verschwindet endlich vollkommen. Bevor dies aber eintritt, sieht man deut- lich, wie sich die ehromatischen Fäden konstant an der dem Archoplasma gegenüberliegenden Seite des Kernes zusammenballen und hier einen Knäuel bilden, dessen Elemente Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 573 so dieht ineinander geschlungen sind, dass sich nur in Ausnahme- fällen ein Einblick in die Verlaufsrichtung der einzelnen gewinnen lässt (Fig.5). Auch Flemming!) sind diese dichten, der Aster- form der gewöhnlichen Mitose entsprechenden Knäuel aufgefallen; er bemerkt, die Knäuel hätten „die sonderbare Disposition, dass nach der einen Seite sich die Windungen dieht geschlängelt zu- sammenhäufen“ und dass „sich das Fadengewinde immer mehr centrisch zusammenlagert“. Ich verweise hier auf die Fig. 10 bis 12 a. a. OÖ. Durch die erwähnte Retraetion der Chromatin- fäden wird nun im Inneren des Kernes das achromatische Kerngerüst auf das prägnanteste sichtbar, und man sicht klar, wie sämmtliche Fasern desselben nach dem Archoplasma hin eentrirt sind. Wodurch übrigens diese geschilderte Retraction der Chroma- tinfäden an die dem Archoplasma gegenüberliegenden Kernseite erfolgt, ist natürlich schwer direkt zu entscheiden. Man könnte sich ja denken, dass dieselbe durch eine active Bewegung der CUhromatinelemente, durch eine gewisse Contraction derselben er- folge; allein abgesehen davon, dass wir vielleicht gut thun werden, nach gewissen Erfahrungen, die man beim Studium sich theilender Kerne gemacht hat, eine eigentliche active Beweglichkeit der ehromatisechen Elemente mehr und mehr zu leugnen, ist auch nicht recht einzusehen, warum die Contraetion der Chromatinfäden stets an jener Stelle des Kernes erfolgen soll, die dem Archo- plasma direkt gegenüberliegt. Es ist demnach wahrscheinlicher, an etwas anderes zu denken; es ist kaum zu leugnen, dass dort, wo das Archoplasma dem Kerne anliegt, in den Prophasen der Karyokinese zuerst die Selbständigkeit des Kernes gegenüber dem Zellleib gelockert wird und dass dann von dieser Stelle ge- wisse Flüssigkeitsströmungen in das Innere des Kernes eindringen. Lässt man dieselben an den achromatischen Gerüststrängen, die Ja, wie oben erwähnt, sämmtlich zum Archoplasma eentrirt sind, erfolgen, so ist es unschwer einzusehen, dass die Chromatinfäden sämmtlich an die entgegengesetzte Kernseite, wo die Kernmem- bran ihre Selbständigkeit am längsten beibehält, gewissermaassen angeschwemmt werden und hier, zu einem dichten Knäuel zu- sammengeballt, einstweilen liegen bleiben. Für die Folge müssen wir nun dem Archoplasma unsere Maar): 574 F. Hermann: volle Aufmerksamkeit widmen, da sich innerhalb desselben Vor- gänge von der einschneidendsten Bedeutung abspielen. Ich habe oben angegeben, dass die während des Spiremstadiums ausein- anderrückenden Centrosomen durch eine liehte Brücke mit ein- ander in Verbindung stehen; diese bildet sich nun zu einer äusserst zierlichen kleinen Spindel (Fig. 4) um, die als liehter Körper sich von dem körnigen dunklen Archoplasma, in dessen Mitte sie gelegen ist, scharf abgrenzen lässt. An den beiden Polen finden wir die Centrosomen (Polkörperehen) und sehen, wie dieselben durch wenige äusserst feine Fädehen mit einander in Verbindung stehen. Von einer eigentlichen Strahlen- sonne ist aber auch jetzt noch nichts wahrzunehmen; allerdings fällt eine gewisse zu der kleinen Spindelfigur zentrische Verlaufs- richtung sämmtlicher Protoplasmastrukturen deutlich in die Augen, allein es handelt sich hier noch nieht um jene charakteristischen feinsten Fibrillen, wie wir sie bei den Polstrahlungen zu sehen gewohnt sind, und ausserdem sind die in diesem Stadium zu be- obachtenden Protoplasmastrukturen nach der jungen Spindel in toto, nicht nach deren beiden Centrosomen hin eentrirt. Die kleinste Junge Spindelfigur, die ich beobachtet habe, habe ich in Fig. 4 bei 1000facher Vergrösserung unter Benutzung der Ca- mera lueida abgebidet; vergleicht man dieselbe in Hinsicht ihrer Grösse mit der bei der nämlichen Vergrösserung gegebenen Dar- stellung der fertigen Kernspindel in Fig. 11, so zeigt sich, dass diese um ca. das Siebenfache grösser ist, als jene. Die junge Spindel kann ziemlich weit von dem Knäuel der ehromatischen Fäden entfernt sein, wodurch sich die Thatsache erklärt, dass man an feinen Schnitten von 5 u nicht selten in den Zellen le- diglich die Spindel, von den chromatischen Fäden aber gar nichts zu sehen bekommt und auch in dem Schnitte, der in Fig. 4 dar- gestellt ist, finden sich nur zwei ehromatische Elemente. Solehe kleine neben den sich theilenden Kernen gelegene Spindelfiguren sind schon von van Beneden beschrieben und abgebildet worden. Er schildert am Ascaridenei die sich bei der Bildung der Furchungsspindel abspielenden Vorgänge in einer Art, die mit unseren oben mitgetheilten Befunden vollständig übereinstimmt und ich kann es mir nicht versagen, die betreffenden Sätze van Beneden’s!) hier wörtlich wiederzugeben: „Les deux 1) a. a. 0. pag. 277. —— Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 575 spheres attraetives, quoique separces une de Vautre, se trouvent eneore du m&me eöte du noyau, au stade de pelotonnement (spirem). Leurs eorpuseules ceentraux sont relies entre eux par des filaments, qui eonstistuent avec les fibrilles dirig&es vers le noyau un fuseau achromatique de tres petites dimensions.“ (ef. PLI. near II PIOVE. Fig. 1.5214.) Ein gewisser Unterschied besteht jedoch zwischen diesen Befunden van Beneden’s und den hier mitgetheilten darin, dass dort schon eine Zweitheilung des körnigen Archoplasmas, der sphere attractive van Beneden'’s, stattgefunden hat, während hier die kleine Spindel mitten in der einheitlichen Archoplasma- ansammlung gelegen ist und eine Zweitheilung dieser letzteren, wie hier gleich bemerkt werden soll, überhaupt auszubleiben scheint. Boveri, dessen schöne Untersuchungen bekamntlich an demselben Objeete wie die van Beneden’s angestellt wurden, leugnet das Auftreten einer kleinen, die beiden Centrosomen ver- knüpfenden Spindelfigur (pag. 96) vollständig und ist auch auf den schönen Zeichnungen dieses Forschers nichts davon zu sehen; doch mag darauf hingewiesen werden, dass auf seiner Fig. 40 Fädehen von Polkörperchen zu Polkörperchen zu ziehen scheinen, ein Umstand, der später noch nähere Berücksichtigung finden wird. : Ist nun die junge Spindel ungefähr zum doppelten (Fig. 5) oder dreifachen ihrer Länge herangewachsen, so treten plötzlich von den ÜCentrosomen ausgehende Fibrillenstrahlungen zu Tage (Fig. 6, 7). Man beobachtet dann, dass, und zwar konstant, stets zuerst von einem der beiden Gentrosomen ein mächtiges Bündel ausgeht, dessen feinste, ziemlich glattrandige Fäserchen divergent auseinander strahlend, sich an den Chromatinschleifen ansetzen und zwar derart, dass mit dem einzelnen ehromatischen Element stets eine grössere Anzahl von Fäserchen in Verbin- dung tritt. Ich kann damit die Angabe Rabl’s!), der zufolge „die Zahl der von einem Pol zu einer ganzen Schleife ziehenden Fasern etwa 16—20 beträgt“, vollkommen bestätigen. Wir haben oben gesehen, dass durch die Retraktion der Chromatinschleifen das achromatische Kerngerüst frei sichtbar wird und dass sämmtliche Bälkchen desselben nach dem Archo- 1) Anatomischer Anzeiger 1889. 576 F. Hermann: plasma centrirt sind; dies ist auch dann noch der Fall, wenn die Kernmembran schon längst unsichtbar geworden und die Junge im Archoplasma gelegene Spindelfigur schon ziemlich heran- gewachsen ist. Ich möchte jedoch von vorneherein dem Ein- wurf begegnen, dass es etwa diese achromatischen Kernfasern seien, die sich als Fibrillenbündel an die Centrosomen der Spindel ansetzen; davon kann absolut nicht die Rede sein, man sieht zu deutlich die Fibrillen von den Polkörperehen aus gegen die Chro- matinelemente hinziehen, namentlich in den Fällen, wo die Fi- brillen in der Nachbarschaft der Spindelpole schon ausgebildet sind, die Kernschleifen aber noch nicht erreicht haben. Damit soll keineswegs geleugnet werden, dass sich die Polstrahlungen nachträglich mit den achromatischen Gerüstfasern m Verbindung setzen und letztere so bei der Bildung der Spindel verwendet werden können; doch ist das eine Frage, die sich direkt wohl schwer wird entscheiden lassen. Haben nun beide Centrosomen ihre Strahlenbündel nach den Kernelementen hin entsendet, so stehen dieselben durch einen ganzen Wald feiner Fäserchen mit den beiden Spindelpolen in Verbindung (Fig. 8, 9) und zwar will es mir scheinen, als wenn jedes Chromatinelement von beiden Centrosomen her Fasern bezöge. Allerdings, dies gestehe ich gerne ein, habe ich diesen doppelten Ansatz von Fibrillen an die einzelne Kernschleife- bei der eminenten Feinheit der ganzen Verhältnisse nicht direkt be- obachten können, möchte ihn aber aus dem Umstande, dass die beiden Strahlensysteme sich unter den verschiedensten Winkeln durehkreuzen und durchflechten, für höchst wahrschemlich an- sehen. Ist einmal durch die Fibrillenbündel von der Spindel nach dem Knäuel der Kernschleifen eine Brücke geschlagen, so findet der weitere Verlauf des Prozesses in ganz einfacher Weise statt. Während nun die Spindel sich rasch vergrössert, kommen die von den Polen derselben abgehenden Fibrillen in Contraetion und werden so die Chromatinelemente mehr und mehr in die Nähe der Spindel ziehen (Fig. 10). Wir kommen so auf ganz natürlichem Wege zu jenen eigenthümlichen Kerntheilungsfiguren, die auch Flemming aufgefallen sind und von ihm auf das ge- naueste beschrieben und abgebildet wurden. „Die Spindel liegt schräg neben dem Kerngewinde, sie ist demselben einseitig eng Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 577 angelagert“, so sagt Flemming; den Grund dieser „einseitigen Lage“ haben wir wohl in der Genese der ganzen Spindelfigur und ihrer Fibrillenzüge deutlich genug vor Augen gehabt. Mit dem Eintritt der Contraetion der Fibrillen ist übrigens noch etwas anderes sichtbar geworden; von der Spitze der Spindel geht nun auch die typische Polstrahlung in den Zellleib hinein, die übrigens, wie dies ja auch schon von Flemming erwähnt wird, nur von geringer Ausdehnung ist und deshalb wenig in die Augen fällt. Die ferneren Prozesse sind einfach und vermögen uns nicht mehr zu interessiren. Durch riehtende Einflüsse, die wir doch wohl den Spindelfibrillen zuzuschreiben berechtigt sind, werden die Chromatinschleifen an der Oberfläche der Spindel herumgeschoben und es entsteht dadurch in der Metzkinese jener Gleichgewichts- zustand, der zu jener tonnenförmigen, bauchigen Kernfigur führt, die ja schon vor längerer Zeit in dem klassischen Werke Flem- ming’s über Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung als besonders charakteristisch für die Spermatoeyten des Salamanders angeführt wird. Zur Demonstration der Grösse, bis zu welcher die Spindel aus kleinen Anfängen sich ausgebildet hat, habe ich in Fig. 11 ebenfalls bei 1000facher Vergrösserung ein halbschematisches Bild dieser metakinetischen Tonnenfigur gegeben. Damit bin ich mit der Schilderung der thatsächlichen Ver- hältnisse, wie sie sich aus dem Studium meiner Präparate ergaben, zu Ende gelangt und ich hoffe auf Grund derselben zu dem Satze berechtigt zu sein, dass in den grossen Spermatocyten des Salamanders die achromatische Spindel dem Zellleib, dem Protoplasma ihre Entstehung verdankt. Uebrigens möchte ich auf eine rein protoplasmatische Herkunft der Spindel selbst nicht zu starken Nachdruck legen, da ich ja oben die Möglichkeit zu- geben musste, dass vielleicht auch das achromatische Kerngerüst beim Aufbau der Spindel sekundär Verwendung findet. Prüft man allerdings in unserm Falle diese Möglichkeit etwas näher, so wird man sich doch wohl der Ansicht nicht verschliessen können, dass diese Theilnahme der achromatischen Kerngerüstsub- stanz, wenn sie wirklich stattfinden sollte, jedenfalls nur eine ge- ringe und unwesentliche sein wird, denn für den Haupttheil der Spindel ist doch die protoplasmatische Herkunft unverkennbar. Ja, für einen gewissen Theil der Spimdelfaserung komnte diese Ge- nese aus den Präparaten direkt bewiesen werden, nämlich für jenen, 578 F. Hermann: der sich aus der die beiden auseinanderweichenden Centrosomen verbindenden Brücke ableiten liess. Wenn nun auch die Genese der Spindel aus dem Zellleib in unserem Falle direkt beobachtet und bewiesen, während die Mitbetheiligung der achromatischen Kernsubstanz nur als eine Möglichkeit nieht abgewiesen werden konnte, so möchte ieh mich doch jenen anschliessen, welche die Spindelfigur im Allgemeinen aus dem Protoplasma und dem achromatischen Kerngerüste ent- stehen lassen. Dabei kann die mögliche Betheiligung dieses letz- teren eine verschiedengradige sein; sie kann, wie wir eben bei den Spermatoeyten des Salamanders gesehen haben, eine ver- schwindend geringe sein, während in anderen Fällen — dazu müssen wir z. B. die von Platner!) bei der Bildung der ersten Furchungsspindel in den Eiern. von Aulostomum gulo gemachten Erfahrungen rechnen — recht wohl mehr oder minder ausge- dehnte äquatoriale Bezirke der Spindel dem achromatischen Kern- gerüste ihre Entstehung verdanken dürften. Ja, wie ich glaube, dürfte die Frage, ob neben dem Zellleib auch die geformte achro- matische Kernsubstanz bei der Genese der Spindelfigur in ver- schiedenem Grade sich betheiligt, überhaupt nieht so sehr unser Interesse beanspruchen, vielmehr scheint mir in theoretischer Be- ziehung darin die Hauptsache zu liegen, dass die Bildung der karyomitotisehen Spindel von dem Protoplasma aus einge- leitet wird, indem von den sich theilenden Centrosomen nach dem Kerne hin kontraktile Fibrillenzüge sieh entwickeln, die eventuell mit den achromatischen Ge- rüstfasern des Kernes eine sekundäre Verbindung ein- gehen können. Wir sind gewohnt, den ganzen Prozess der Kerntheilung als einen innerhalb der Zelle sich abspielenden Be- wegungsvorgang anzusehen, indem die gefärbten Kernbestandtheile nach zwei in dem Protoplasma auftretenden Centren hin sich ordnen, und wir haben namentlich durch die Untersuchungen van Beneden’s und Boveri’s kennen gelernt, dass diese die zentrische Anordnung durch die Kontraktion der Spindelfibrillen nach den Polkörperchen zu erfolgt. Nun ist es das entschiedene Verdienst von Ballowitz?), in jüngster Zeit auf den intimen 1) Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. 33. 2) Archiv für die gesammte Physiologie Bd. XLVI. Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 579 Zusammenhang von Contraetilität und fibrillärer Struktur aufmerk- sam gemacht zu haben; hinweisend auf das schon lange bekannte Vorhandensein von fibrillären Strukturen in den Flimmerzellen, in den Fortsätzen amöboid sich bewegender Zellen, in der Muskel- substanz, konnte er auch für das Bewegungsorgan des Spermato- zoons, den Sehwanzfaden, eine Zusammensetzung aus feinsten Fi- brillenzügen sicher stellen. Gelegentlich meiner Untersuchungen über die Spermatogenese bei Salamandra maculosa habe ich die Ansicht vertreten, dass der Schwanz des Spermatozoons wahr- scheinlicherweise der extranuclear im Protoplasma entstehenden Mittelstückanlage entsprosst; seitdem haben mich Beobachtungen über die Entstehung der Selachierspermatosomen belehrt, dass das, was ich für Salamandra als möglich festgestellt, 'Thatsache ist, dass nämlich der Schwanz des Spermatosoms in einer körnigen Protoplasmaansammlung neben dem Spermatidenkerne seine Ent- stehung nimmt und erst sekundär mit dem letzteren in Verbindung tritt. Wir sehen also, dass auch die Fibrillensysteme, aus denen nach den Ballowitz’schen Untersuchungen das Bewegungsorgan des Samenfadens zusammengesetzt ist, dem Zellleib entstammen; halten wir damit unsere oben beschriebenen Erfahrungen über die Entstehung der karyokinetischen Spindel zusammen, die ja wenigstens sicher für den Haupttheil der Spindelfibrillensysteme einem protoplasmatischen Ursprunge das Wort reden, so dürften wir vielleicht zu dem Schlusse berechtigt erscheinen, die Hypo- these von Ballowitz dahin zu erweitern, dass wir sagen: sämmtliche die Contractilität vermittelnden Fibrillen- strukturen entstammen dem Zellleib, oder allgemeiner, sämmtliche aktiven Bewegungen der Zelle werden vom Protoplasma ausgelöst. Man könnte mir nun gegen diese Ansicht emwenden, dass ja bei dem Zustandekommen der sich so häufig findenden gelappten Kernformen, die wir doch auch auf Bewegungsphänomene zurückführen müssen, bislang noch nichts von fibrillären Strukturen in Form von Polstrahlungen etc. habe nachweisen lassen. Nun sind freilich gerade über die Struktur der sog. gelappten Kerne unsere Kenntnisse noch recht dürftige, allein ich möchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass es mir gelungen ist, neben den exquisit gelappten Kernen der Sper- matogonien des Frosches Strahlungen mit einem im Centrum des- selben gelegenen Polkörperchen zur Anschauung zu bringen (Fig. 12), H80 F. Hermann: und zwar erfolgt die Lappung des Kernes stets nach der Seite, wo sich im Zellleib das radiäre Fihrillensystem gelagert findet. (Anmerk.) Wenn wir uns nun, nachdem wir im Hoden des Salaman- ders die Genese der karyokinetischen Spindel verfolgt haben, ein Bild zu machen suchen, welche Fasersysteme wir in der fertigen Spindel anzunehmen haben, so dürften wir zu folgenden Scehlüssen gelangen. Wir haben gesehen, dass die beiden aus- einanderweichenden Centrosomen durch eine Brücke mit einander in Verbindung stehen, die, sich ausbauchend, zu einer sich rasch vergrössernden Spindel heranwächst; an der fertig ausgebildeten Spin- del wird dieser Theil die axiale Mitte derselben einnehmen, weshalb ich ihn mit dem Namen Centralspindel belegen möchte und wird aus Fibrillen bestehen müssen, die direet und eontinuirlich von Polkörperchen zu Polkörperchen ziehen, ohne auf ihrem Wege überhaupt mit chromatischen Kern- elementen in Beziehung zu treten (Holzschnitt Fig. 1). Ge- . x Schematische Darstellung der Zusammensetzung der Spindelfigur. Anmerkung. Die Beobachtung eines Archoplasmasystemes neben gelappten Kernen findet eine rasche Bestätigung in einer, erst nach Abschluss vorliegenden Manuscriptes erschienenen Mittheilung von Flemming (Anatom. Anzeiger, Jahrg. VI, Nr.3). InFig.5 findet sich die Abbildung eines Leucoeyten der Salamanderlarve, die mit unserer Fig. 12 bis auf’s Kleinste übereinstimmt. Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 581 wissermassen als Mantel werden sich über diese Centralspindel jene Fasersysteme herüberlegen, die von den beiden Centrosomen aus zur Herbeiholung der Chromatmelemente entsendet wurden, und diese Fibrillenzüge können nicht von Pol zu Pol ziehen, son- dern werden in der Nähe des Spindeläquators durch ihren Ansatz an die sich färbenden Kernbestandtheile eine Unterbrechung er- leiden müssen. Geht nun aus der Metakinese das Stadium des Dyasters hervor (Holzschnitt Fig. 2), so werden die letz- teren Fibrillenzüge durch Contraetion die dicentrische Verschie- . bung der Chromatinschleifen längs der Centralspindel besorgen, und ich kann mich dabei des Gedankens nicht erwehren, dass die Centralspindel jene Fibrillen darstellt, welche als Verbindungs- fasern bezeiehnet werden und von denen bekannt ist, dass sie sich auch in optischer Hinsicht etwas anders verhalten, wie die übrigen Spindelfibrillen. Unleugbar dem Protoplasma entstam- mend, kehren die Fibrillen der Centralspindel bei Rekonstruktion der Tochterkerne, radienartig ausstrahlend, wieder in das Proto- plasma zurück, während die übrigen Spindelfasern nach ihrer Contraction in Verbindung mit der Polstrahlung, indem sie ihre fibrilläre Struktur aufgeben, das Archoplasmasystem der neugebil- deten Tochterzelle darstellen. Die Angaben, die ich mir über die Zusammensetzung der ausgebildeten Spindel des Salamanderspermatocyten zu machen erlaubte, finden eine Stütze in den Beobachtungen, die van Be- neden an einem amleren Objeete, den Eiern von Ascaris me- galocephala, machte. Er giebt an, dass die Spindel aus zwei Fibrillenkegeln bestände, die mit ihren Basen aneinander stossen, und dass zwischen diese Halbspindeln die chromatischen Elemente im Aequator eingeschaltet seien; er bemerkt aber auch, dass nicht alle Fibrillen mit den Chromatinschleifen in Contact treten, son- dern „dass eine gewisse Zahl derselben die beiden Cen- tren der dieentrischen Figur miteinander werknüpfen“ und leitet diese Fäden von der Verbindungsbrücke der ausein- anderweichenden Centrosomen ab. Dagegen huldigt van Beneden in Bezug auf die Verbindungsfäden der Ansicht, dass dieselben dem Achromatin des Kernes entstammen, indem bei der Trennung der Schwesterfäden die achromatische Grundlage derselben ge- dehnt und zu Fadenbildungen ausgezogen wird, und wird diese Ansicht auch von Boveri getheilt. Ich bin natürlich weit da- 582 F. Hermann: von entfernt, dieses Verhalten bei Ascaris megalocephala bestreiten zu wollen, möchte aber darauf hinweisen, dass in den Spermato- eyten von Salamandra maculosa die Sache sich jedenfalls anders verhalten dürfte, schon deshalb, weil hier in der Metakinese be- kanntlich überhaupt keine Längsspaltung der chromatischen Fäden eintritt, sondern eine Quertheilung der ringförmigen Chromatinfäden in zwei Tochterschleifen erfolgt. Nun könnte man sich freilieh denken, dass zwischen den freien Schenkeln . der auseinanderweichenden Schleifen die achromatische Substanz sich zu einem Fadenwerke, dass den Verbindungsfasern entsprechen würde, ausziehen könnte; allein auch dies scheint mir nicht recht wahrscheinlich zu sein. Denn dann müsste man ja die Verbin- dungsfasern ausschliesslich zwischen den freien Schleifenschenkeln ausgespannt finden, was aber nicht der Fall ist, vielmehr ragen die letzteren ziemlich weit über die seitliche Begrenzung des Bündels der Verbindungsfäden frei hervor. In Bezug auf die Konstitution der Spindel stimmt Boveri mit den Ansichten van Beneden’s, die ja den von mir an den Spermatocyten gemachten Befunden im grossen und ganzen ent- sprechen , nicht überein. Er lässt die Spindel lediglich aus zwei im Aequator durch die chromatischen Elemente in Contact stehenden Spindelhälften bestehen und leugnet Fasern, die direkt ohne Berührung chromatischer Elemente von Pol zu Pol ziehen, vollständig. Wie diese Differenz zwischen van Beneden und 3overi zu erklären ist, vermag ich, da ich die Verhältnisse bei Ascaris aus eigener Anschauung viel zu wenig kenne, nicht anzu- zugeben, möchte jedoch betonen, dass auf den Fig. 40 und 41 Boveri's doch Verhältnisse wiedergegeben werden, die dafür sprechen dürften, dass auch hier Fäserehen direkt von Pol zu Pol gehen. Bei der geringen Sehleifenzahl bei Ascaris mögen Ja diese Fäserchen selbst stark reduzirt sein und durch den Um- stand, dass hier die Chromatinschleifen an die Spindelaxe voll- ständig heranrücken, der Beobachtung weniger leicht zugänglich werden, als es an den bauchigen Spindeln der Salamandersperma- tocyten der Fall ist. Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 583 Nachtrag. Vorstehende Mittheilungen waren bereits niedergeschrieben, als ich so glücklich war, in den Besitz eines nahezu geschlechts- reifen, lebenden Proteus anguineus zu gelangen. Die Hoden, in Grösse und äusserem Habitus ziemlich denen des Salamanders gleichend, wurden gleichfalls der oben angeführten Methode mit Platinchlorid-Osmiumessigsäure und nachheriger Reduction mit Holzessig unterworfen, im Weiteren aber etwas abweichend be- handelt. Ich wandte nämlich zur Darstellung der Protoplasma- verhältnisse die von Pal eingeführte Methode der Nervenfärbung mit- passenden Modifieationen auf das Objeet an. Zu diesem Be- hufe kommen die Hoden in toto im Dunkeln in die Pal’sche Hämatoxylinlösung (Hämatoxylin 1,0, Aleoh. abs. 70,0, Wasser 30,0) auf 12—18 Stunden, werden hierauf auf dieselbe Zeit ebenfalls im Dunkeln mit Alcohol von 70 ®/, bis abs. behandelt und hierauf eingebettet. Die undurchsichtig schwarze Farbe, die die mit Ei- weiss aufgeklebten dünnen Schnitte zeigen, wird mit einer ganz verdünnten Lösung von Kalihypermanganat (Färbung hellrosa) extrahirt, so lange, bis die Schnitte (unter steter Controlle des Mikroskopes) ein ockerfarbiges Aussehen zeigen. Nach flüchtigem Abspülen in Wasser wird die braune Farbe des in den Schnitten gebliebenen Mangansuperoxyds durch das auf das 5—10fache ver- dünnte Pal’sche Säuregemisch (Acid. oxal. 1,0, Kal. sulfuros. 1,0, Aq. dest. 200,0) gelöst und die Schnitte hierauf auf 3—5 Minuten (nicht länger!) mit Saffranin in gewöhnlicher Weise nachgefärbt. Die gelungenen Präparate zeigen ein sehr elegantes und instrue- tives Bild: nur die Körnchen des Archoplasmas sind durch das Hämatoxylin verschieden intensiv geschwärzt, das übrige Proto- plasma ist völlig farblos, während die Kernelemente das leuch- tende Roth des Saffranin zeigen. Auch bei Proteus hielt ich mich zunächst an jene grosse Form der Spermatocyten, die, etwas, wenn auch nicht viel grösser als bei Salamandra, ziemlich grosse Partien des Hodengewebes ausschliesslich zusammensetzten. Die meist leicht ovalen Kerne (Fig. 13) zeigen im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie bei Salamandra, nur sind die chroma- tischen Fäden graciler gebaut und lassen in ihrer Anordnung mit einer geradezu frappirenden Deutlichkeit und Schärfe das Rabl- 584 F. Hermann: sche Pol- und Gegenpolfeld erkennen. An dem Polfelde findet sich constant eine leichte Delle und hier liegt dem Kern, in Form einer mächtigen, granulirten Kugel, das Archoplasma an. Die intimere Structur desselben, die ich an meinen Präpa- paraten von Salamandra vergeblich aufzudecken suchte, liegt hier klar und deutlich zu Tage. Es besteht bei Proteus das Archo- plasma aus einer kugeligen Ansammlung differeneirten Protoplas- mas, dessen Zusammensetzung aus feinen Körnehen deutlich in die Augen fällt und zwar liegen dieselben so dicht gelagert, dass irgend eine radiäre Anordnung derselben sich nicht nachweisen lässt; auch vermag ich nicht anzugeben, ob die einzelnen Archo- plasmakörnehen untereinander durch irgend ein Netzwerk zusam- menhängen. Dagegen liessen sich, eingebettet in die körmige Archoplasmakugel, zweierlei Gebilde mit aller Schärfe beobach- teten. Erstens gelang es, das im den Salamandraspermatoeyten vergeblich gesuchte Centrosoma nachzuweisen und zwar fand sich dasselbe in den meisten Zellen als ein sehr kleines, sich scharf färbendes Kügelchen, welches stets im Centrum des Archoplas- mas gelegen war. Der lichte Hof, der von van Beneden und von Boveri als characteristisch für das Centrosoma bei Ascaris angegeben wird, scheint hier nicht immer vorzukommen, wenig- stens konnte ich desselben nur in relativ wenigen Zellen ansich- tig werden. Mitunter, wenn auch selten vorkommende hantelförmige Cen- trosomen dürften wohl unschwer als Formen der Theilung der Polkörperehen zu deuten sein, die danach noch während des Ruhezustandes des Zellkernes sich einzuleiten scheint. In einer zunächst um das Centralkörperchen gelegenen Zone birgt das Archoplasma aber noch andere, recht eigenthümliche, Gebilde, die meines Wissens bis jetzt noch nicht in Wirbelthierzellen beob- achtet sein dürften. Durch eine dunklere Tinetion auffallend, liessen sich näm- lich im jeder Zelle ohne Ausnahme Fadenstructuren nachweisen, die bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck machen, als sei das Oentralkörperchen von emem sperrigen Netzwerk oder einem lockeren Fadenknäuel umgeben. Genauere Untersuchungen, na- mentlich an Spermatocyten, deren Archoplasma weniger dunkel gefärbt ist, lehren aber, dass diese Anschauung nicht der Wirk- lichkeit entspricht und zeigen auf das Deutlichste, dass es sich Beitr. zur Lehre von d. Entstehung d. karyokinetischen Spindel. 585 um Gruppen einzelner kurzer, S-förmig oder schleifen- föürmig gebogener Fädehen handelt, die um das Centrosoma gelagert sind. Bei der Feinheit der ganzen Verhältnisse und der Unmöglichkeit, eine scharf differeneirende Tinetion dieser Fäd- chen zu erhalten, waren meine Bemühungen, genaue Zählungen derselben vorzunehmen, leider erfolglos; trotzdem möchte ich nicht versäumen, darauf aufmerksam zu machen, dass jede Gruppe aus annähernd gleichviel Elementen zu bestehen scheint, und dass die Zahl derselben schätzungsweise höchstens 16—20 betragen dürfte. Ueber die Bedeutung dieser Archoplasmaschleifen, , wie ich die beschriebenen Fadenstrueturen benennen möchte, will ich mir vor der Hand kein Urtheil erlauben, ich möchte nur auf Erfah- rungen hinweisen, die ich. gelegentlich einer Nachprüfung der 3eobachtungen von Platner !) und Prenant?) an den Spermato- eyten von Helix pomatia gemacht habe. Platner beschreibt an den ruhenden Spermatocyten von Helix den „Nebenkern“ als ein scewundenes Element und lässt denselben mit dem Beginn der Theilung in eme bestimmte Anzahl von Stäbchen (Helix 6, Li- max 8) zerfallen, die, sich durch Längsspaltung verdoppelnd, in zwei Gruppen auseinanderrücken und an den Spindelpolen die sog. „Hauptstrahlen“ der Polstrahlung darstellen. Ich will an dieser Stelle auf die Angaben Platner's nicht näher eingehen, möchte vielmehr hier nur erwähnen, dass sich unter Anwendung der oben beschriebenen Tinetionsmethode an jeder ruhenden Sper- matocyte von Helix (Fig. 14) nachweisen lässt, dass der „Neben- kern“* von vornherein aus einer bestimmten Anzahl regellos ge- lagerter, schleifenförmig gebogener Stäbchen besteht und - zwar konnte ich in einer grossen Zahl von Fällen stets 12 solcher Sehleifen zählen. Auch Prenant fand neben ruhenden Sper- matocytenkernen solche Gruppen von schleifenförmigen Fädchen und hält dieselben für rudimentäre Formen der Nebenkernes, eine Deutung, die jedenfalls nicht richtig erscheinen dürfte. Halten wir diese an den Geschlechtszellen der Pulmonaten gemachten Beobachtungen mit den oben bei Proteus beschriebenen Verhältnissen zusammen, so dürfen wir wohl die Nebenkernstäb- 1) Archiv für mikrosk. Anatomie Bd.26 u. 33. 9) La Gellule. IV, 1. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 357 39 586 F. Hermann: Beiträge zur Lehre von der Entstehung ete. chen von Helix und die Archoplasmaschleifen bei Proteus als identische Bildungen auffassen und wird uns die typische Anzahl | von 12, in der die Stäbehen bei Helix auftreten, darauf hinweisen müssen, dass diese Gebilde bei der Theilung der Spermatocyten eine gewisse Rolle spielen, die freilieh noch einer emgehenden Untersuchung bedarf. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Sämmtliche Zeichnungen sind ‘bei Zeiss Apochromat homog. Immers. 2,0. 1,5 und Ocular 8 unter Benützung des Ab be’schen Zeichen- prismas entworfen. Vergr. 1000:1. Fig. 1. Ruhende Zelle mit der Archoplasmazone. Fig. 2. Theilung des Centrosoma’s während des Spiremstadiums. Vergr. ca. 800:1. Näheres im Text. Fig. 3. Retraction der Chromatinschleifen. Sichtbarwerden des achro- matischen Kerngerüstes. Fig. 4 Frei im Archoplasma gelegene kleinste Spindel. Fig. 5. Archoplasmazone mit darin befindlicher Spindel. Centrirung des Protoplasmas nach dem Archoplasma. Fig. 6 u. 7. Ausstrahlung der Fibrillenzüge von den Centrosomen nach den Kernelementen. Fig. Ss u. 9. Durchkreuzung der Fibrillenzüge. Fig. 10. Annäherung der Chromatinelemente an die Centralspindel. Fig. 11. Halbschematische Ansicht der ausgebildeten Spindel (lediglich zur Vergleichung der Grössenverhältnisse). Fig. 12. Gelappter Kern einer Spermatogonie des Frosches mit an- liegender Archoplasmastrahlung. Fig. 13. Proteus anguineus. Spermatocyt im Ruhestadium mit Archoplasmakugel. Fig. 14. Helix pomatia. Spermatocyt im Ruhestadium mit Archo- plasmastrahlung und darin enthaltenen Archoplasmaschleifen. Erlangen, 5. Februar 1891. 587 Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. Von Max Goldberg (St. Petersburg). Hierzu Tafel XXXTII. Die Forscher auf dem Gebiete der Ganglienentwickelung !) zerfallen in zwei Gruppen: Der ersten, welche auf eine oder die andere Weise die Ganglien von dem Mesoderm ableitet, gehören an: Bidder und Kupffer, Goette, Hahn, Kölliker (1866), Salensky, Foster und Balfour und Remak an ihrer Spitze. Zur zweiten Gruppe, welche die Ganglien von dem Eetoderm herleitet, zählen: Balfour (später, Beard, Hensen, His, OÖ. Hertwig, Kölliker (1879), Loewe, Marshal, Owsjan- nikow, Onodi, Ostroumow, Sagemehl, Schenk und Birdsal. Der Zeit nach fallen die Untersuchungen der genannten Forscher mit wenigen, Ausnahmen in zwei Perioden: 1) von 1845 — 1876 2) von 1876—1889. Was die erste Periode anbetrifft, so hat sie für uns gegen- wärtig nur ein rein historisches Interesse; die zweite Periode hingegen ist noch imsofern interessant, als die verschiedenen Au- toritäten, ungeachtet der vervollkommneten Forschungsmethoden der letzten Jahre, dennoch von einander abweichende Ansichten aufstellen. Die einen leiten die Ganglien unmittelbar von dem 1) Ein Verzeichniss der benutzten Werke s. am Schlusse der Abhandlung. Ausserdem verweise ich auf meine in russ. Sprache Beilage zum LATI. Bd. der Berichte der kaiserl. Akad. d. Wissensch. Nr. 3, St. Petersburg 1890 — erschienene Arbeit „Zur Geschichte der Ganglienentwickelung beim Hühnchen.“ 588 Max Goldpyerz: Central-Nervensystem her, andere von dem Eetoderm als solchem und eine dritte Gruppe von einem zwischen diesen beiden liegen- den Bildungsmaterial. Zu diesem letzteren Schlusse bin auch ich sckommen [bezüglich aller Spmmalganglien, aber nicht sämmtlicher Ganglien des Kopfes, wie aus den weiteren Auseinandersetzungen ersichtlich] auf Grund einer grossen Anzahl meiner eigenen Prä- parate, welche mir folgendes zeigten: Die erste Anlage (Keim) der Nervenganglien beim Hühnchen beobachtet man bei Durehsehnitten von Embryonen aus der ersten Hälfte des zweiten Bruttages. Am besten lässt er sich an Quer- schnitten beobachten, die man aus der Halsgegend genommen, wo der Nervenkanal sich zuerst zu einer Röhre schliesst. Wir sehen hier an der Rückenseite des Medullarrohres zwischen dem Halse und dem Eetoderm eine Masse von Zellen, die dem Um- fange nach grösser sind als die übrigen in der Nähe befindlichen Zellen. Diese Zellenmasse steht durch ihren oberen Theil mit dem Eetoderm, durch den unteren mit dem Medullarrohr in Verbin- dung, so dass sie den Eingang in dasselbe verschliesst, da, wo es sich noch nieht ganz geschlossen hat (Fig. D; da, wo das Medullarrohr schon vollkommen geschlossen ist, steht der Zellen- strang mit ihm längs der dorsalen Mittellinie (Schlussnaht) in Ver- bindung. Dieser Zellenstrang, welcher sich durch die ganze Länge des Embryo als ein ununterbrochener Streifen zeigt, geht hervor aus Zellen der unteren Schichten des Eetoderms, in Folge ihrer Trennung von der oberen Schicht, und später — bei der Ab- schnürung des Medullarrohres — wird er, d. h. der hier in Rede stehende Strang, dünner. Nach meinen Präparaten halte ich die folgenden Sätze für sicher: 1. Der m Rede stehende Zellenstrang ist em Produet des .. Eetoderms. 2, Sein Zusammenhang mit dem Medullarrohr ist ein seeun- därer. 3. Dieser Zellenstrang ist der Keim der Ganglien des tumpfes wie der meisten Ganglien des Kopfes, sowie der peripherischen Nervenganglien. 1) Nach Beard (s. Nr. 2, Seite 182) wird der Anfang der Gang- lienbildung zwischen der 22.—26. St. beobachtet. — Den von Beard Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 589 Ich komme zu Fig. 2. Wir sehen hier, dass von dem Zellen- strange jederseits ein Zellenwulst abgeht; die ihn bildenden Zellen entsprechen den Epithelzellen, auf die Prof. Owsjannikow hindeutet, indem er sagt: „Ich habe Epithelzellen zapfenartig von der Haut nach innen zu, zwischen die Urwirbel, sich erstrecken gesehen.“ Den hier in Rede stehenden Wulst nennen einige Autoren gangliös, andere (Balfour, Kölliker, Marshal, Loewe) be- zeichnen ihn als Anlage der hinteren Wurzel. Mir scheint die erstere Benennung richtiger, und zwar weil dieser Wulst später, indem er wuchert, die dorsalen Ganglien abgiebt, während die hintere faserige Wurzel unabhängig von ihm erscheint. Gegen das Ende des zweiten Bruttages besteht der Gang- lienwulst schon aus 2—3 Zellenreihen und hat die obere Seiten- wand des Urwirbels erreicht; das Wachsthum seiner Zellen geht energischer vor sich in dem freien dreieckigen Raume als zwischen Medullarrohr und Eetoderm, wo die Zellen mehr zusammenge- drückt sind. In demselben Zustande wie beim Hühnchen fand ich den Ganglienwulst an einem zweitägigen Embryo (dem einzigen Exem- plare) der Schnepfe. Indem wir weitergehen, sehen wir in der zweiten Hälfte des dritten Tages, dass der Ganglienwulst, übereinstimmend mit der Ansicht Onodi's, bedeutend in seiner Entwickelung vorge- schritten ist, indem er sich schon als eine bedeutende Ganglien- masse darstellt; er erfüllt den ganzen dreieckigen Raum. An den Urwirbel schliesst sich diese Masse von Ganglienzellen so eng an, dass nur bei starker Vergrösserung die Grenze zwischen diesen beiden Gebilden sichtbar wird. Stellenweise kann man die Fort- setzung dieser Ganglienzellen sehen, welche zwischen den Ur- eingeschlagenen Weg verfolgte Golowin in seiner Untersuchung („Zur Frage der Entwickelung des Gangliensystems bei den Wirbel- thieren“ (diese Arbeit wurde ausgeführt im Laboratorium des zootom. Kab. d. St. Petersburger kaiserl. Univ. Nr. 2, 1890, unter Anleitung von Prof. Schimkewitsch)] und giebt als Anfang der Ganglien die- selben Punkte an, auf die auch Beard hinweist. Völlig unverständ- lich ist jedoch seine Schlussfolgerung (auf S. 11), „dass die obere Schicht des Eetoderms bei der Bildung von Ganglienzellen eine grössere Rolle spielt als die untere“. 590 Max Goldberg: wirbeln und das Medullarrohr unter die ventrale Seite des letz- teren hinuntersteigt. Von der Selbständigkeit des Ganglions am dritten Tage (Onodi) kann man, wie mir scheint, indessen nicht sprechen, da die Ganglienmasse mit dem Medullarrohr an dem ddorsalen Theile desselben vermittelst des dünneren, jetzt auch kürzeren Ganglienwulstes in Verbindung bleibt. Die Ganglienzellenmasse, welche wir auf Fig. 3 sehen, fin- den wir auch auf frontalen Durchschnitten längs des ganzen Rohres (Fig. 4). Der Länge nach bildet diese Ganglienmasse eiförmige Gruppen, die unter einander verbunden sind, jede derselben ent- spricht einem Segmente des Medullarrohres. Zwischen diesen Gruppen von Ganglienzellen treten die Gefässe hindurch (v); an der äusseren Seite sehen wir auf der Abbildung die Muskelplatten, deren innere Seite sich schon m Muskelfasern verwandelt hat. Zwischen den Ganglienzellen und dem Medullarrohr befindet sich ein Fasergebilde, das auf der Abbildung nicht dargestellt ist. Ganz ebenso finden wir die Gangliengruppen auf Längs- durehschnitten von Kaulquappen, bei denen die Elemente bedeu- tend grösser sind. An Querschnitten von Hühnerembryonen aus der Mitte des vierten Tages kann man (zwischen dem Medullarrohr und dem Eetoderm an der lateralen Seite) drei Schichten unterscheiden, nämlich: 1. Die Muskelplatte, deren einer Theil sich in Fasern ver- wandelt hat. 2. Die Ganglienmasse, die eine Fortsetzung des Zellenwul- stes bildet und ihrerseits in weiterer Fortsetzung in ven- traler Richtung bis zur Chorda dorsalis sich erstreckt. 3. Ueber den ganzen übrigen Raum zerstreute Mesodermal- zellen. Diese Mesodermalzellen smd nach oben gelangt in den Zwi- schenraum zwischen Eetoderm und Medullarrohr, wo sie Ratlıke’s Vereinigungshaut bilden, übereinstimmend mit der Angabe dieses Autors, wie auch Remak’s, Foster’'s und Balfour’s; das ver- hindert die Anlagen der Spinalganglien jedoch nicht die Fort- setzung derjenigen Eetodermalzellen zu bilden, welche (Fig. 1) im Moment der Absehnürung des Medullarrohres mit diesem in Ver- bindung blieben. Diese Zellen gerade bilden die Spimalganglien, ebenso auch ihre Kapsel, welche an der Innenseite des Ganglions als Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 591 Hülle für das Mark dient, auch geben sie die Fortsetzung, welche unter die ventrale Seite des Nervenrohrs hineingeht und sieh über die Chorda spinalis legt, wo sie eine ebensolche von der anderen Seite kommende Fortsetzung trifft. Auf diese Weise ist das ganze Nervenrohr von einer dünnen Schnur umschlungen, die aus Eetodermalzellen besteht. Diese Schnur legt sich an den dorsalen Theil des Medullarrohres eng an, an den Seiten bleibt sie davon aber abgesondert. Und alles dieses — das Medullarrohr, die dasselbe umgebende Eetodermalschnur mit Ganglien an den Sei- ten — ist von Zellen des mittleren Keimblattes umgeben. Das hier Gesagte wird noch deutlicher an Präparaten vom Ende des vierten Bruttages. Bei ihnen sind die Ganglien schon mit der im Medullarrohr erschienenen weissen Substanz verbun- (den vermittels der Nervenwurzeln, von (denen die vorderen schär- fer ausgeprägt sind. Das erste Auftreten der Wurzeln bemerkt man schon am Ende des dritten Tages. An der Stelle, wo die weisse Substanz erscheinen muss, die dann die Wurzelfasern aussendet, drängt sich das Medullarrohr nach aussen heraus. Die Wurzeln bilden, indem sie unterhalb und ausserhalb des Ganglions ihre Fasern vereimigen, einen gemeimschaftlichen Nsrvenstamm. Die hier aufgeführten Beziehungen bleiben dieselben während des fünften und sechsten Tages bis zum sechsten Tage 8 Stun- den, dem Zeitpunkte, über den hinaus ich die Bebrütung nicht geführt habe. Und aus welchem Theile des Embryo-Rumpfes wir auch Querschnitte nehmen, auf allen sehen wir während dieser Tage das Spinalganglion so, wie es auf Fig. 6 dargestellt ist. Auf dieser Abbildung sehen wir, dass das Ganglion an einem dünnen Zellenstrange hängt, der sich an der dorsalen Seite des Medullarrohres hinauf erstreckt; dass die hintere Wurzel, indem sie aus dem oberen oder hinteren lateralen Theile des Medullar- rohres hervorkommt, als dünne Fäserchen durch die Masse des Ganglions selbst hindurchgeht, und ebenso längs seiner oberen äusseren seitlichen Grenze. An Längsdurehschnitten von Embryonen vom Ende des vierten Tages bemerken wir, dass das auf Fig. 4 geschene Bild complieirter wird zufolge des Auseinandergehens und sich Kreuzens der Wurzelfasern. Während, wie oben angeführt, die Beziehungen 599 Max Goldberg; zwisehen den Ganglien und dem Medullarrohr unverändert bleiben bis zum 6. Tage und 8 Stunden der Bebrütung, so gehen m dem Medullarrohr selbst folgende Veränderungen vor sich: Es treten immer mehr Sehichten der weissen Substanz hervor, «der Charakter der Zellen selbst verändert sich — vom Länglichen ins Ovale übergehend; der centrale Kanal bedeckt sich mit einem scharf ausgeprägten Epithel. Das in Bezug auf die Spinalganglien Gesagte lässt sich fol- gendermaassen resumiren: 1. Von dem Ganglienkeim geht ein Zellenwulst, der soge- nannte Ganglienwulst ab (erste Hälfte des zweiten Tages). 2. Dieser Wulst wuchert in die Ganglienmasse aus, welche sich an den Urwirbel anlehnt (zweite Hälfte des dritten Tages). 3. Die Ganglienmasse senkt sich herab bis zu der Stelle des Austritts der vorderen Wurzel (Önodi) aus dem Medullarrohr; sie verschiebt sich zur Seite des Medullar- rohres zufolge des Auftretens des Fasergebildes (Loewe) zwischen ihnen: in dem dorsalen Theile des Medullar- rohres, zwischen ihm und den anliegenden Ganglien- zellen, erscheint eine scharfe Abgrenzung (erste Hälfte des vierten Tages). 4. Die Ganglienmasse erscheint in der Gestalt gesonderter Ganglien, die mit dem Medullarrohr durch die Wurzeln verbunden sind (Ende des vierten Tages und weiter). Zu dem Gesagten füge ich noch hinzu, dass jedes Ganglion topographisch einer Segment-Krümmung des Medullarrohres ent- spricht und dass alle Spinalganglien sich nach einem und dem- selben Typus bilden. Die Ganglien des Kopfes entstehen auf zweierlei Weise: die einen aus demselben Zellenstrange wie die Spinalganglien, die anderen aus den Wänden der Gehimblasen. Den Beginn der Ganglien des Kopfes finde ich an Quer- schnitten von Embryonen aus der 36. Brütstunde. An derjenigen Stelle, wo die Abscehnürung des Eetoderms von dem Medullar- rohre vor sich gegangen ist, finden wir zu beiden Seiten der Nähte des letzteren, in der Gegend der Gehörblasen, die uns bekannte zwischenliegende Zellenmasse, und hier sehen wir eine vollkommene Analogie dessen, was wir bei den Spinalganglien Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 595 gesehen haben: Die zwischenliegende Zellenmasse wird dünner; von ihr geht ein Zellenwulst von 2—5 Zellenreihen aus. Dieser Wulst giebt, indem er etwas später auswächst, die Ganglienmasse (Fig. 7) ab. Nehmen wir einen Längsschnitt aus dem Kopfe eines 48 stün- digen Embryo, so sehen wir auch auf ihm vollständig abgeson- derte Ganglien und dem entsprechend, wo der Schnitt durehge- führt ist, finden wir die Ganglien bald näher zum Gehirne liegend, bald weiter von ibm entfernt. Es ist wichtig zu bemerken, (dass schon am Ende des zweiten Tages die in der Gegend der Ge- hörblasen liegenden Ganglien des Kopfes mit dem Gehim nicht in Verbindung stehen; zwischen ihnen besteht eine scharfe Ab- srenzung, natürlich ist ein Zusammenhang vorhanden, aber nur von der dorsalen Seite vermittels des Ganglienwulstes (wie bei den Spinalganglien). Da wir in den Zwischenstadien (von 36 bis 48 Stunden) nirgend finden, dass die Wände der Gehirnblasen mittels Ausbiegung irgend welche Ganglien bilden, so können wir auf diesem Stadium nieht von eimer Abschnürung soleher Ganglien vom Gehirn reden, um die es sich hier handelt, d. h. soleher Ganglien, die im Gebiete der Ohrbläschen liegen. Wir sehen zwar, dass das Gehirn mittels Ausbiegung Segmente bildet; aber dieselben haben an der Ganglienbildung wenigstens auf dem beschriebenen Stadium keinen Antheil. Nach der Angabe Ostroumow’s nimmt Orr an, dass die 5 Segmente, die man im Nachhirn gezählt hat, den 5 Nerven- paaren entsprechen: V, VI, VII, VII, IX. Wenn man auch dieses Entsprechen nur im topographischen Sinne zu verstehen hat, wie oben für die Spinalganglien angegeben wurde, so ist auch dann die Bemerkung Ostroumow’s richtig, „dass man sehr vorsichtig sein muss beim Zählen der Furchen, da dieselben eine grosse Symmetrie beim Zerschneiden erfordern, um so mehr, da diese Furchen auch künstlich erzeugt sein können“ (durch die Wirkung des Aleohols bei der Entwässerung des Präparates). Rabl zählt im Nachhirn 7—8 Segmente auf; an meinen Präpa- ‚raten habe ich ihrer nur 5 gefunden. Nehmen wir einen Längsschnitt aus dem Kopfe eines Em- bryo von 77 Stunden, so sehen wir auf ihm (Fig. 9), dass die Ganglien mit dem Gehirn durch aus demselben ausgetretene Fäser- chen verbunden sind. Das Heraustreten dieser Fäserchen er- 594 Max Goldberg: innert an das, was wir an den ventralen Wurzeln der Spinal- nerven gesehen haben: Dort wie hier biegt sich das Medullar- rohr an der Stelle, wo die Fasern heraustreten sollen, stark nach auswärts, nach der Seite des Ganglions, aus. Auf der genannten Abbildung sehen wir auf ihrer rechten Hälfte zwei Ganglien vor dem Ohrbläschen; auf der linken Hälfte derselben sind diese Ganglien dureh Punktirung bezeichnet; aber ausser diesen sehen wir auf der Inken Hälfte der Abbildung noch zwei Ganglien hinter dem Ohrbläschen. Bevor ich diese Ganglien jedoch mit ihren Namen benenne, will ich die Aufmerksamkeit darauf richten, dass in Fig. 9 auf der linken Hälfte noch ein Ganglion liegt. Es liegt vor dem Ohrbläschen, näher zum Eetoderm als das ihm angrenzende, dureh Punktirung bezeichnete und mit dem Medullarrohr verbundene. üs erhebt sich die Frage, woher dieses Ganglion gekommen ist. Um die Antwort zu finden, wenden wir uns zu Fig. 8. Auf dieser Abbildung emes 5dstündigen Embryo sehen wir an der Wand des Gehirns in der Ohrgegend (der Durchschnitt ist nicht symmetrisch: die Ohranlage nur auf emer Seite getroffen) einen bedeutenden Auswuchs, und dieser ist eben das Ganglion, das im Begriff ist sich abzuschnüren und das auf Fig. 9 schon als abgeschnürt dargestellt ist. Dieses Ganglion können wir an dem Präparate eines 55stündigen Embryo bei Verschiebung des Präparates unter dem Mikroskop ebenfalls von dem Medullarrohr getrennt liegen sehen, doch hängt dies von der Stelle ab, wo der Schnitt durchgegangen ist. Auf Präparaten von 77stündigen Embryonen finden wir an keinem einzigen Durchschnitte das in Rede stehende Ganglion mit dem Meduliarrohr mehr in Ver- bindung, was daher kommt, dass dieses Ganglion sich inzwisehen ganz vom Medullarrohr losgelöst hat. Dieses unmittelbar vom Medullarrohr abgesehnürte Ganglion ist eben ein typischer Re- präsentant der zweiten Kategorie von Ganglien, die sich später differenziren als die der ersten Kategorie. Nachdem ich so den Ursprung der Ganglien beider Kate- gorien untersucht habe, gehe ich zu ihrer Benennung über. Auf Fig. 10 sehen wir hinter dem Ohr drei Ganglien, dar- unter das nächste zum Ohr, das G. petrosum für den N. glosso- pharyngeus, die beiden anderen: das G. jugulare und nodo- sum für den N. vagus. Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 595 Bezüglich der vor dem Ohrbläschen liegenden Ganglien haben wir folgende Angaben: 1) Das G. genieuli kommt aus den tiefer liegenden Theilen (His)!). j 2) Das G. genieuli geht wahrscheinlich aus dem Zwischen- strang hervor (Hertwig). 3) Vor dem Öhrbläschen befindet sich der Anfang des Fa- eialis (?) — (Kölliker). 4) Der Anfang des Facialis ist im 6. acustieum gelegen (Foster und Balfour). 5) Dasselbe sagt Ostroumow. Auf Grund meiner Präparate kann ich folgendes sagen: Am Ende des zweiten Tages sehen wir vor dem Ohrbläschen, demselben ganz nahe, ein Ganglion. Anfangs des dritten Tages beginnt vor dem Ohrbläschen aus dem Medullarrohr ein anderes Ganglion hervorzukommen (Fig. 8), das wir abgeschnürt finden in der 77. Stunde (Fig. 9), wo wir also zwei gesonderte Gang- lien sehen; das eine, welches früher erschienen, das G. acusticum, ist mit dem Gehirn und dem Epithel des Ohres in Verbindung, das andere liegt näher zum Ecetoderm. (Das letztere Ganglion finden wir mit dem ersteren in Zusammenhang auf Fig. 10.) Alles von diesem Ganglion Gesagte, seine unmittelbare Ab- schnürung vom Medullarrohr, seine topographische Lage (die geringe Entfernung vom Eet.) und sein Zusammenhang mit dem G. acusticum, spricht dafür, dass dieses Ganglion das G. genieuli für den VII. N. (Faeialis) ist. Die Verbindung zwischen den Ganglia geniculi und acu- stieum, welche wir gesehen haben, ist kem Ausnahmefall; nach Angabe Marshal’s (für die Vögel) sind anfangs auch die Gang- lien der Nervi vagi und glossopharyngei verbunden, was ich bei meinen Präparaten nicht finde, ebenso wenig wie die von Fro- riep?) angegebene Verbindung zwischen dem Eetoderm und den Ganglia geniculi, petrosum, jugulare und nodosum; ich finde nur, dass das G. geniculi sehr nahe an das Eetoderm herankommt. Das zweite Ganglion vor dem Ohrbläschen ist das G. Gasseri, in welchem His zwei Theile unterscheidet: Nee S, Froriep, Nr-40,8.1-2: 596 Max’/Goldberg: 1) Den vorderen, das G. ciliare, Wegweiser für die N. ocu- lomotorius und trochlearis. 2) Den hintern, das G. Gasseri, für die Portio major tri- semini. Ostroumow stellt das G. eiliare als abgesondert hin; im G. Gasseri sieht er gleichfalls zwei Theile: „Der N. oculomo- torius kommt als eine Masse äusserst dünner Fäserchen aus der Basis des mittleren Hirns nahe seiner Medianlinie hervor. Ein sehr dünner Zweig dieses Nerven, Ramus anastomotieus, geht zu dem bedeutend entfernten G. eiliare.“ . ... (Dasselbe sagt Schwalbet) Fig. 15. — Embryo der Gans.) Weiter sagt Ostroumow: „Der N. trigeminus beginnt mit einer breiten Wurzel vor der Seitenwand des verlängerten Markes und bildet ein. umfangreiches Ganglion. Der vordere Theil dieses Ganglions sendet in der Richtung zum Auge einen kegelförmigen Ausläufer ab, Ramus ophthalmieus. Die beiden anderen Zweige des Nerven gehen von einem anderen Theile des Ganglions nach hinten und niedriger als gememschaftlicher Stamm hervor.“ Bezüglich des G. eiliare sagt Krause?): 1) Der N. oculomotorius entsendet mehrere Zweige für die bekannten Augenmuskeln und ausserdem die Radix brevis g. eiliaris. 2) Der N. nasoeiliaris giebt die Radix longa g. eiliaris so- wie zwei Nn. ciliares longi ab. 3) Das G. cilrare liegt an der lateralen Seite des N. optieus, enthält eine Radix longa vom N. nasociliaris, eine Radix brevis vom N. oculomotorius, entsendet die Nn. ceiliares (Taf. V, Fig. 4 vom Kaninchen). Von der Complieirtheit des G. eiliare kann ich mir nach meinen Präparaten kem Urtheil bilden, dieselben bestätigen mir aber, .dass das G. Gasseri wirklich aus drei Theilen besteht; diese sind auf Figur 10 dargestellt; der dem Auge am nächsten liegende ist wahrscheinlich das G. eiliare. Nach Kölliker geht das G. Gasseri unmittelbar aus dem Gehirn hervor (Embryo des Kaninchens). Dr Schwalbe, NT37 SD) Ka user Ned Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 597 Also, wie wir weiter oben gesehen haben, ist der typische Repräsentant der Ganglien zweiter Kategorie das G. geniculi. Auf gleiche Weise, d h. unmittelbar aus dem Gehirn ent- stehen die Gg. n. optiei (Fig. 11). Diese Ganglien werden indessen nieht völlig gleich dem G. genieuli vom Gehim abge- schnürt, sondern bilden einen unmittelbaren Theil der Augen- stiele, welche später (am fünften Bruttage) sich m die Sehnerven (Nervi optiei) umbilden. Am fünften Tage finden wir auch die Nervi acustici. Es lässt sich also für die Ganglien des Kopfes folgendes aufstellen: 1. Aus der zwischenliegenden Zellenmasse entwickeln sich nach Art der Spimalganglien die folgenden: Gg. Gasseri (V n.) und eiliare (IH u. IV n. nach Balfour, His, Krause, Ostroumow, Schwalbe und Erlitzky)!), ferner das G. aeu- stieum (VIII n.), petrosum (IX n.), jugulare und nodosum (X n.). Die letzten beiden Ganglien muss man auch zu den Nn. XI und XII rechnen, deren Zweige durch dieselben hin- durch gehen. 2. Sämmtliche aufgezählten Ganglien werden mit dem Ge- hirn verbunden vermittels der aus diesem hervortretenden Fasern (vergl. Spinalganglien). 3. Unmittelbar aus dem Gehirn entstehen die Gg. geni- euli (VIIln.), wohin man (nach Balfour und Erlitzky) auch den n. VI zählen muss,, dann die Ganglien der Sehnerven (IIn.), welche sich vom G. genieuli dadurch unterscheiden, dass sie nicht vom Gehirn abgeschnürt werden. Zu den zuletzt aufgezählten Ganglien müssten wir noch die Gg. olfaetorii (In.) hinzufügen, die nach Angabe vieler Autoren unmittelbar aus den Wänden des Gehirns entstehen 2). Was die sympathischen Ganglien anbetrifft, so lässt sich von ihnen folgendes sagen: In der Periode der Herrschaft der Theorie Remak’s wurden auch die sympathischen Ganglien 1) Erlitzky, Nr. 41, S. 833. 2) Die Schlussfolgerung Golowin’s |. e., dass die Ganglien des Kopfes und des Rumpfes sich ganz unabhängig vom Centralnerven- system bilden, halte ich demnach für zweifelhaft in Bezug auf die Ganglien geniculi, Nn. optici und olfactorii. (?) 598 Max Goldberg: vom mittleren Keimblatt abgeleitet; selbst His, der sich (nächst Hensen) zuerst für den eetodermalen Ursprung der Spinal- ganglien und der Ganglien des Kopfes aussprach, stimmt in Be- zug auf die sympathischen Ganglien und deren Ursprung Re- mak bei. Während der zweiten Periode, da fast alle Forscher m der Frage über den Ursprung der Ganglien anfingen, sich zu Gunsten des ectodermalen Ursprungs der Spinalganglien und der Ganglien des Kopfes auszusprechen, wurden auch die sympathischen Gang- lien bald als Produkte des centralen Nervensystems, aus dem sie unmittelbar hervorgehen sollten, bald als Produkt der Spinalgang- lien angesehen. In diesem Zustande befand sich die Frage bis zum Jahre 1885, bis zum Erscheinen der eingehenden Abhandlung von Onodi®); seitdem spricht die grösste Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Ursprunges der symp. Ganglien aus den Spindelganglien. Onodi sagt (vom Hühnchen) folgendes: „Hühnerembryonen vom dritten jruttage zeigen noch nichts von der Entwiekelung des sympa- thischen Nervensystems; an den Querschnitten eines in seiner Ent- wickelung vorgeschrittenen 3tägigen Hühnerembryo hatten wir Gelegenheit, an mehreren Stellen einen Zellenstrang zu beobachten, weleher unmittelbar unter dem vorderen Wurzelbündel lag wnd dessen Elemente mit ihrer entschieden runden Form von den um die Chorda dorsalis gelagerten Mesodermalzellen verschieden waren (Fig. 1, Embryo 80 St.) ..... Hühnerembryonen vom vierten Tage zeigen ähnliehe Bilder. An den Querschnitten von Hühnern des fünften Bruttages lassen sich schon vorgeschrittenere Verhältnisse beobaehten. An einzelnen Sehnitten sind die ersten Communicansfasern gut ausgegrägt zu sehen (Fig. 2, Embr. 5 Tg.). Einige Nervenfasern sind die Vorläufer der Rami ecommunicantes.“ An meinen Präparaten sehe ich erst an viertägigen Embryonen die sympathischen Ganglien im dem von Onodi angebenen Zu- stande. Am fünften Tage befinden sich diese deutlicher ausge- prägten Ganglien nicht nur nahe der Chorda und Aorta, sondern sie begleiten den spinalen Nervenstamm eine bedeutende Strecke. Noch besser ausgeprägt sind diese Ganglien bei Embryonen von 6 Te. 8 St. In diesem Stadium sind die Rami communi- Y\rero 1) Onodi (Nr. 55), T.1I, S.68, T.I, 8.553. Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 599 eantes schon in entwickelter Form vorhanden (vel. Fig.3 — Em- bryo der Ente — bei Onodi mit meiner Abbildung 12). Zum Schlusse füge ich noch hinzu: 1. Wenn, wie Prof. Sernow sagt, „die Ganglien in phy- siologischem Sinne der centrale Theil des Nervensystems“ genannt werden müssen, so muss man sie im embryologischen „als einen Theil des centralen Nervensystems“ bezeichnen. 2. Wenn Ostroumow die Segmeute als bequemen Punkt zur Vergleichung des Rückenmarkes mit dem Gehirn bezeichnet, so erschemen die Ganglien als ein nicht minder wichtiger Punkt. 3. Auf Grund der Forschungsergebnisse der letzten Jahre (1876— 89) und gestützt auf meine eigenen Präparate, kann ich mit den Worten Hertwig’s schliessen: „Bezüglich des Ent- stehens der Ganglien aus Elementen des oberen Keimblattes be- steht kein Zweifel mehr.“ Verzeiehniss der benutzten Werke. 1. Bidder und Kupffer, Untersuchungen” über die Textur des vückenmarks und die Entwickelung seiner Formelemente. „Leipzig 1557. 2. Beard, Quarterly journal of Miceroscopial Science 1859. 9 Balfour, On the developement of the spinal nerves in Elasmo- branch fishes. Philosoph. Transactions. Bd. 166, 1876. 4. Desselben Handbuch der vergleichenden Embryologie. II. Bd. Jena 1881. 5. Goette, Die Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 6. Hahn, Cursus der Entwickelungsgeschichte des menschlichen Em- bryo. Charkow 1876 (in russ. Sprache). (. Hensen, Zur Entwickelung des Nervensystems. Virchow’s Arch. Bd. XXX, 1864. 8. Derselbe, Beobachtung über die Befruchtung und Entwickelung des Kaninchens und Meerschweinchens. Zeitschrift für Anat. und Entwickelungsgesch. Bd. I, 1876. His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. Leipzig 1868. 10. Derselbe, Ueber die Anfänge des peripherischen Nervensystems. Arch. für Anat. u. Entwickelungsgeschichte. Anat. Abtheil., 1879. 11. Derselbe, Anat. menschlicher Embryonen. Abtheil. TI, 1880. 12. Derselbe, Die Lehre vom Bindesubstanzkeim (Parablast). Arch. für Anat. und Entwickelungsgeschichte. 1882. Ne) 15. 16. or Or), Max Goldberg: Hertwig, ©. Entwickelungsgesch. des Menschen und der Wirbel- thiere. Jena 1880 (in russ. Uebersetzung von Schulgin. I. und Il. Th. Odessa 1889). Dursy, Der Primitivstreif des Hühnchens. 1867. Salensky, Entwiekelungsgeschichte des Sterlets (in russ. Spr.). Sernow, Anatomie des Nervensystems. Moskau 1885 (in russ. Sprache). Kölliker, Entwickelungsgesch. des Menschen und der höheren Thiere. 1866. Derselbe, Entwickelungsgesch. des Menschen und der höheren Thiere. Auflage II, Th. I, 1879. Krause, W., Ueber die Doppelnatur des G. eiliare. Morphol. Jahrb. Bd. VII. Loewe, L., Beiträge zur Anat. u. Entw, des Nervensystems der Säugethiere und des Menschen. Berlin 1880. Marshal, On the early stages of developement of the nerves in birds. Journal of Anat. and Physiology, vol. XI, 1877. Owsjannikow, Zur Entwickelungsgesch. des" Flussneunauges. 1888. (Bulletin de !’Acad&emie Imperiale des Sciences de St. Peters- bourg, T. XIM.) Derselbe, Von der Zusammensetzung der hinteren Stränge des tückenmarkes auf Grund der Geschichte ihrer Entwickelung (in russ. Spr.). Onodi, Ueber die Entwickelung der Spinalganglien und Nerven- wurzeln. - Internat. Monatsschrift, Bd. I, Heft 3—4, 1884. Derselbe, Ueber die Entwickelung des sympathischen Nerven- systems. Archiv für mikroskop. Anat. 1886, I. u. II. Th. Ostroumow, Zur Entwickelungsgesch, der Eidechse. Kasan 1858. Remak, Ueber die Entwickelung des Hühnchens im Ei. Müller’s Archiv 1843. Derselbe, Ueber ein selbständiges Darmnervensystem. Berlin 1847. Derselbe, Untersuchungen über die Entwickelung der Wirbel- thiere. Berlin 1855. vathke, Entwickelung der Natter. 1839. Derselbe, Entwickelungsgeschichte der Wirbelthiere. 1861. Rattone, Ueber das Vorhandensein von Ganglienzellen in den hinteren Wurzeln der Spinalnerven beim Menschen. Mediein. Rundschau (in russ. Sprache). tabl, Bemerkung über die Segmentirung des Hirns. Zool. An- zeiger, VIII. Jahrg., 1885. Sagemehl, Die Entwickelung der Spinalnerven. Dorpat 1882 oder „Aus welchem Keimblatt entwickeln sich die Spinalnerven der Wirbelthiere“. Sitzungsber. der Nat. Gesellsch. zu Dorpat. Bd. VI, Heft I, 1881. Schenk, Entwickelungsgeschichte der Ganglien und des Lobus elecetrieus. Sitzungsber. der k. k. Akad. der Wissensch. in Wien, Math.-Nat. Klasse, Bd. 75, III. Abtheilung, 1876. Ueber die Entwickelung der Ganglien beim Hühnchen. 601 36. Schenk und Birdsal, Die Entwickelung des Sympathieus. Mit- theilungen aus dem embryol. Institut in Wien, Bd.TI, 1879. 37. Schwalbe, Das G. oculomotorii. Jenaische Zeitschr. für Natur- wissenschaft, Bd. XIII, 1879. 38. Foster u. Balfour, Elemente der Embryologie:- 39. Freud, Spinalganglien und Rückenmark des Petromyzon. Sitzungs- berichte der math.-naturw. Klasse der Akad. Wien, Bd. 78, 1878. 40. Froriep, A., Ueber Anlagen von Sinnesorganen am Faeialis und Glossopharyngeus. Arch. f. Anatomie u. Physiologie. Anat. Abth. 1885. 41. Erlitzky, Das Rückenmark und die Ganglien zwischen den Wir- beln. (Siehe Grundzüge zur Untersuchung der mikroskopischen Anatomie des Menschen und der Thiere. Unter der Red. von M. D. Lawdowsky und Ph. W. Owsjannikow [in russ. Spr.].) Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Die Abbildungen sind angefertigt mit Hülfe des Zeichenprismas und eines Hartnack’schen Mikroskops. 0Oe. 3, Ob. 4 u. 3; die Längs- zeichnung (Nr. 4) ist etwas verkleinert. (Bei Abzeichnung der Um- risse lag das Papier auf dem Tische.) Bedeutung der Buchstaben. A — Augenblase. | Mr. — Medullarrohr. FI — erste Kiemenöffnung. | mp. — Muskelplatte. glk — Ganglienkeim. mw. — Wurzel des Bewegungs- glv — Ganglienwulst. | nerven. glm Ganglienmasse. | n.st. Nervenstamm. gls Ganglienfortsatz. ı 0. — ÖOhrbläschen. ge.II — G.n. optici. | R.e. — Rami communicantes. (ol .V — G. Gasseri. | 8. gl. — Spinalganglion. . VII — G. geniculi. Sw. — Sensible Nervenwurzel. . VIII — G. acusticum. Sp. gl. — Sympathisches Ganglion. . IX — G. petrosum. ' v. — Gefäss im Durchsehnitt. .X — G.jugulare oder nodosum. | Ze. — Grenzzellen zwischen den e. — 6. eiliare. | Spinal- und den symp. G. SF ve 00 0 us us Abbild. 1. Querschnitt ans der Halsgegend eines Embryo von 35 St. Wässerige Berlinerblaulösung. Querschnitt durch den Rumpf eines Embryo von 47 St. Wässerige Berlinerblaulösung. Abbild. 3. Querschnitt durch den Rumpf eines Embryo von 62 St. Eosin. . Abbild. 4. Frontalschnitt eines Embryo von 69 St. Abbild. 5. Querschnitt eines Embryorumpfes von 81 St. Abbild. 6. Querschnitt eines Embryorumpfes von 4 Tagen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 40 Abbild. ID 602 A. S. Dosgiel: Abbild. Querschnitt durch die Gegend der späteren Ohrbläschen eines Embryo von 47 St. (von welchem Abbild. 2 ge- SI nommen ist). Abbild. 8. Querschnitt (unsymmetrisch) durch das Nachhirn eines 55stündigen Embryo. | Abbild. 9. Längsschnitt durch das Nachhirn und das mittlere Hirn eines 77stündigen Embryo. Abbild. 10. Der Schnitt hat einen Theil des Nachhirns und einen Theil des vorderen Hirns getroffen, Embryo vom vierten Tage. Abbild. 11. Durchschnitt durch das vordere Hirn eines Embryo von 77 Stunden. Abbild. 12. Querschnitt durch den Rumpf eines Embryo von 6 Tagen 8 Stunden. Die Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause) in der Cornea und Conjunctiva bulbi des Menschen. Von A.®S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk. Hierzu Tafel XXXII und XXXIV. Als ich die Hornhautnerven des Menschenauges mit Me- thylenblau färbte, stellte es sich heraus, dass sowohl in dem ge- sammten gefässhaltigen Hornhautrande, als auch 1—2 mm nach innen von demselben, in der Substantia propria cormeae, eigen- thümliche Nervenendapparate — Terminalkörperehen — enthalten sind. Ganz ähnliche Nervenendbildungen finden sich, wie dies durch weiter fortgesetzte Untersuchungen von mir im Gemeinschaft mit dem in meinem Laboratorium arbeitenden stud. J. Michai- lowsky festgestellt wurde, auch in der Conjunetiva bulbi, wo- selbst sie zuerst von W. Krause entdeckt und Yon ihm unter dem Namen „Endkolben* beschrieben worden sind. In Betracht dessen, dass die Endkörperehen in der Cornea bis jetzt noch von Niemand beschrieben worden und dass auch die analogen Endapparate in der Conjunetiva noch nicht genügend Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 603 erforscht sind, will ich in der vorliegenden Arbeit die Resultate meiner Untersuchungen über den Bau der fraglichen Endkörper- chen ausführlich darlegen. Wie bereits oben erwähnt, benutzten wir behufs der Nervenfärbung hauptsächlich das Methylenblau. Mein Verfahren bestand im folgendem: die in toto ausge- schnittene Cornea wurde in ein Uhrgläschen oder auf einen grösseren Objectträger in einige Tropfen Humor aqueus gebracht, sodann wurden 2—5 Tropfen einer !/,‚procentigen Methylen- blaulösung auf die concave Hornhautoberfläche aufgetröpfelt. Um den Gang der Nervenfärbung verfolgen zu können, brachten wir die Cornea von Zeit zu Zeit auf einen reinen Objeetträger und untersuchten dieselbe bei nach oben gewandter Vorderfläche mit- telst schwacher Objeetive; eine mehr oder minder vollständige Nervenfärbung erfolgte, soweit ich bemerken konnte, in den meisten Fällen nach ee /sstündiger Emwirkung der Fichlökingi Während dieser Zeit musste, um ein Eintrocknen des Präparates zu verhüten, demselben mehrmals entweder ein Tropfen Humor aqueus oder ein Tropfen der Farblösung beigefügt werden. Sobald die Nerven der Cornea hinreichend gefärbt erschienen, wurde sie sogleich in ein mit gesättigter Lösung von pikrin- saurem Ammoniak oder pikrinsaurem Kali gefülltes Schälchen übertragen. Im dieser Lösung blieb das Präparat 18—20 Stunden und wurde dann, mit der Epithelfläche nach oben, auf einem Objectträger in verdünntem Glycerin eingeschlossen. Gewöhnlich erscheint nach Ablauf eines Tages das Hornhautgewebe bereits so durchsichtig, dass die darin enthaltenen Nervenendkörperchen selbst mittelst starker Systeme untersucht werden können. In. denjenigen Fällen, im welchen die unversehrte Hornhaut sieh nicht in toto unter dem Deckglase ausbreiten liess, wurde sie zu- vor in mehrere Theile zerschnitten. 3ei der Färbung der Endkolben der Conjunetiva ist es am zweckmässigsten, die letztere in ihrem Zusammenhange mit der Sclera und der Cornea zu belassen; zu diesem Behufe wird der Augapfel sammt seiner Bindehaut längs einer Limie durehsehnitten, welehe 5-8 mm weit hinter dem Cornealrande und dem Aequator parallel verläuft. Der so erhaltene vordere Abschnitt des Bulbus wird von dem Ciliarkörper, der Linse etc. befreit und darauf in mehrere Theile zerschnitten, deren jeder für sich nach der oben angegebenen Methode gefärbt wird. 604 A. S. Dogiel: An den besagter Weise gefärbten und fixirten Präparaten ist es leicht ersichtlich, dass die zur Cornea sich begebenden Nervenstämmcehen (und zwar hauptsächlich die vorderen, mit- unter aber auch die hinteren, d. h. tiefer gelegenen dieser Stämm- chen) unter mehr oder weniger geradem oder aber unter spitzem Winkel abgehende Aestehen von verschiedener Dieke entsenden; ein Theil dieser Aestehen verläuft dem Rande der Hornhaut fast parallel, ohne ihre Randzone zu überschreiten, während die übrigen ein wenig weiter in die Substantia propria cornea vor- dringen. Sowohl die einen als auch die anderen dieser Aestehen zeigen einen mannigfach gewundenen Verlauf, wobei sie ihrerseits mehr weniger feine Aestehen abgeben und schliesslich durch mannigfaltige Verflechtung unter einander einen diehten Plexus (Randplexus) bilden, welcher vorwiegend in dem gefässhaltigen Randtheile der Homhaut gelegen ist. Die diekeren, aber mit- unter auch die dünneren Stämmehen dieses Randplexus bestehen gewöhnlich aus marklosen Nervenfasern, denen sich markhaltige in geringer Zahl beigesellen ; letztere treten sodann aus den Stämmehen aus und lassen sich in ihrem isolirten, mannigfach geschlängelten Verlaufe nieht selten auf weitere Strecken hin verfolgen (Fig. 1), wobei einige dieser Nervenfasern sogar in die Substantia propria corneae eindringen, um von da auf's Neue in die gefässhaltige Randzone dieser Membran zurückzukehren. Während des be- schriebenen Verlaufes theilen sich viele dieser markhaltigen Fasern an Stelle der Ranvier’schen Sehnürrmge m 2 oder 3 Fasern, welehe ihrerseits, nachdem sie eme gewisse Streeke zurückgelegt, auf's Neue in 2—3 mehr weniger kurze Theilungsfasern zer- fallen (vgl. Figg. 1, 5, 6, Tu. 8); schliesslich treten die be- schriebenen markhaltigen Nerven sowie deren Theilungsfasern in die Endkörperehen ein und enden hier im Gestalt eigenthümlicher Bildungen, die ich Nervenendknäuel nenne. Vor ihrem Eintritte in die Endkörperchen verlieren die Nervenfasern ihre Markscheide, was gewöhnlich an einem der Pole des Endkörper- chens oder an dessen Seitenfläche stattfindet; indessen ist es kein seltenes Vorkommniss, dass die eine oder die andere dieser Nervenfasern bereits in einer beträchtlichen Entfernung von dem Terminalkörperechen ihre Markscheide verliert (Figg. 1, 3, 4, 5, 6, T und 8). Mitunter sehen wir direet aus einer markhal- tigen Nervenfaser, an Stelle einer Ranvier'schen Einschnürung, Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunetiva bulbi ete. 605 entweder eine oder zwei, oft recht lange marklose Fasern aus- treten, welche letzteren schliesslich in Endkörperehen übergehen (Figg. 5, 6, Tu. 8). Endlich hatten wir Gelegenheit zu be- obachten, dass der Axeneylinder einer oder der anderen, be- reits marklos gewordenen Nervenfaser, ohne in ein Endkörper- chen einzutreten, sich in 2—3 mehr weniger feine marklose Aest- chen spaltet; diese letzteren erscheinen mannigfach gewunden und durehsetzen nicht selten eine beträchtliche Strecke, ehe sie in den Endknäueln ihr Ende finden, oder sie theilen sich auf’s Neue in mehrere feine Zweige, welche letzteren schliesslich in die Terminalkörperehen übergehen (Figg. 1, 5, 7 A); nicht selten sehen wir den beschriebenen marklosen Fasern ovale oder runde Kerne anliesen (Fig. Sf“ u. f!M). Die Gestalt der Endkörperchen kann sehr wechseln; am häufigsten aber zeigen dieselben eine rundliche, ovale oder ei- förmige Gestalt (wie es zum Theil auch aus den beigegebenen Abbildungen ersichtlich ist), wobei sie manchmal stark längs ge- streckt und an irgend einer Stelle mehr weniger eingeschnürt er- scheinen. Ungeachtet dieser verschiedenartigen Gestalt der End- körperehen ist dennoch, soviel ich bemerken konnte, die runde oder die ovale Form derselben verhältnissmässig die häufigste. Die Grösse der Endkörperchen ist gleichfalls eine ver- schiedene: die einen derselben erschemen als kleine Gebilde von 0,02—0,03 mm Länge. und 0,015—0,025 mm Querdurchmesser, während andere von ihnen grössere Dimensionen bieten, indem sie eime Länge von 0,045—0,10 mm und eine Breite von 0,02 bis 0,08 mm erreichen. Sämmtliche Endkörperchen, d. h. sowohl die der gefäss- haltigen Randzone der Cornea als auch die der Conjunetiva bulbi, liegen unmittelbar unter dem Epithel, so dass dessen Innenfläche mitunter durch ein darunter liegendes Endkörperchen ein wenig eingedrückt erscheint (Fig. 2); nur diejenigen Endkörperchen, . welche aus der Randzone in die Substantia propria corneae vorragen, liegen gewöhnlich unterhalb der vorderen Basilarmem- bran und nur in seltenen Fällen direet unter der Epitheldecke. Grösstentheils sind die Körperchen gruppenweise angeordnet, in- dem 3—D und mehr Körperchen zusammentreten; innerhalb des, jeder emzelnen Gruppe zugehörigen Bezirkes verzweigen sich ge- wöhnlich eine, zwei oder drei markhaltige Nervenfasern, an 606 A.S. Dogiel: deren Endverästelungen die Terminalkörperchen gleich Beeren an den Stengeln sitzen (Fig. 1). In der gefässhaltigen Randzone der Hornhaut finden sich diese Endkörperchen in beträchtlicher Menge, so dass ich inner- halb einer etwa einen halben Millimeter langen Strecke über 20 soleher Endkörperchen zählte; viel spärlicher sind sie hingegen in der Substantia propria comeae vertreten, während sie in der Conjunetiva bulbi, namentlich aber in dem, 2—3 mm breiten Randtheile derselben auf’s Neue in grosser Menge zugegen sind. Die Structur der Endkörperehen und die Nerven- endigungen in denselben. Die Methylenblaufärbung ermög- licht wohl die Klarstellung der Nervenendigungen im den End- körperehen, aber die Structur dieser letzteren selbst, wie nament- lich das etwaige Vorhandensein einer Umhüllung, sowie die Be- standtheile des sogenannten Innenkolbens sind an solchen Präpa- raten der Untersuchung nicht zugänglich. Zu letztgenanntem Be- hufe ist es erforderlich, das Gewebe zunächst durch halbverdünnte Müller’sche Flüssigkeit, Alkohol, Sulbimatlösung oder in der 3: Vol. destillirten Wassers verdünnt) zu fixiren und dann Sehnitte an- Flemming’schen Lösung (1 Vol. dieser letzteren mit 2 zufertigen; letztere können in Hoyer ’schem Pierocarmin, Häma- toxylin oder auch in anderen Farbstoffen gefärbt werden. Von allen oben genannten Fixirungsmitten gibt die mit Wasser ver- dünnte Flemming’sche Lösung die besten Resultate. Das Prä- parat wird mehrere Stunden lang in der genannten Lösung ge- lassen, darauf in Wasser ausgewaschen und behufs definitiver Er- härtung in schwächeren und sodann suceessive in stärkeren Al- kohol übertragen. An so erhaltenen Schnittpräparaten ist es leicht ersichtlich, dass ein jedes Endkörperchen von einer mehr oder weniger dünnen, nicht selten mehrschichtigen Bindegewebskapsel umhüllt wird. Diese letztere besitzt recht zahlreiche Kerne mit einem oder mehreren Kernkörperehen. Die in der Kapsel mancher dieser Endkörperehen enthaltenen Kerne liegen theils der Längs- axe des Körperchens parallel, theils aber sind sie zu derselben quer oder schräg gerichtet; die letztgenannten Kerne gehören aller Wahrscheinlichkeit nach den, das Körperehen umwindenden markhaltigen Nervenfasern an (Figg. 2 u. 5). Die Bindege- webskapsel ist zwar auch an den, mit pierinsaurem Ammoniak Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 607 fixirtten Präparaten wahrnehmbar (Fig. 3), indessen tritt sie hier nicht sehr deutlich hervor und wenn das Präparat hinreichend aufgehellt ist, lässt sich die Kapsel fast gar nicht mehr von dem umgebenden Gewebe unterscheiden. Bei Emwirkung des Methylen- blau's auf eine nicht genug frische Comea oder Conjunetiva bleibt die Nervenfärbung in den Endkörperchen meist ganz aus, während die Kerne der Bindegewebskapsel an solchen Präparaten eine intensive blaue Färbung annehmen und nunmehr scharf her- vortreten. In dem von der Bindegewebskapsel umschlossenen Hohlraume — dem Innenkolben — gelang es mir an Schnittpräparaten nie, die geringste Spur von Kernen oder von Zellen irgend welcher Art zu entdecken, der ganze Innenkolben erschemt von einer Masse stark glänzender und scharf eoutourirter Körnehen angefüllt; inmitten dieser Körnchen liegen kurze, nicht selten varieöse und ebenfalls glänzende Fäden, die gewöhnlich in verschiedenen Rich- tungen verlaufen (Fig. 2); oft erscheinen einige von diesen Fäden in Gestalt kurzer Schlingen. Die Körnchen des Innenkolbens sind von sehr geringer Grösse und erscheinen meist rundlich, oval oder spindelförmig; bei wechselnder Emstellung fällt es aber nicht schwer sich zu überzeugen, dass viele von diesen Körnchen allmählich in bogenförmig gekrümmte, mehr weniger kurze Fäden übergehen; es ist mithm die Mehrzahl dieser Körnchen als op- tische Querschnitte von Fäden anzusehen, welche letzteren sich in dem Bereiche der Endkörperehen mannigfach winden. Die spärlichen Zwischenräume zwischen den fast den ganzen Binnen- raum des Endkörperchens einnehmenden Fäden und Körnern wer- den durch eine geringe Menge leicht granulirter oder homogener Substanz ausgefüllt. So präsentiren sich die Endkörperchen, wenn man sie an Schnittpräparaten studirt, welche in den oben angegebenen Fixi- rungsmitteln erhärtet waren. Die im Inneren der Körperchen sichtbaren glänzenden Fäden sind auf die Nervenfäden zu be- ziehen, welche, wie dies weiter unten erörtert werden wird, an der Bildung der Endknäuel theilnehmen. Was das Verhalten der Nervenfasern zu den beschriebenen Endkörperchen anlangt, so sehen wir, wie dies zum Theil bereits früher erwähnt wurde, zu jedem Körperchen entweder ein einzel- nes, oder noch häufiger zwei oder gar drei Nervenästchen heran- 608 A. S. Dogiel: treten, welche letzteren aus der Theilung einer oder aber zweier verschiedener markhaltiger Nervenfasern hervorgegangen sind (Figg. 1, 2, 3, 4, 5, 6,7 u. 8). In dem ersteren Falle nähert sich das Nervenästehen dem einen der Pole des Terminal- körperchens und verliert hier (aber nicht selten auch schon viel früher) seine Markscheide, der nackte Axeneylinder tritt in (das Körperehen ein und zerfällt meist sogleich in 2—3 dünne varieöse Fäden (Figg. 5, SB, 6); letztere schlagen entweder sämmtlich die gleiche Richtung ein oder sie gehen in verschie- dienen Richtungen hin, indem sie hierbei eine oder mehrere bogen- oder ringförmige Krümmungen bilden, darauf spalten sie sich auf's Neue in eine Anzahl feiner varieöser Fäden, die sich auf die verschiedenste Weise hin- und herwinden und mit einander ver- flechten. Die letztbeschriebenen Fäden senden während ihres sesammten Verlaufes mehr oder weniger kurze laterale Fädchen, die unter häufiger Verästelung und mannigfachen Windungen die Verbindungen zwischen den nächstliegenden Nervenfäden vermit- teln (Fig. 3, 5, 6); soleher Weise entsteht ein, von einem diehten Netze varicöser Nervenfäden gebildeter Knäuel. Die ein- zelnen, in den Bestand dieses Knäuels tretenden Fäden sind der- massen mit einander verwickelt und verflochten, dass es in vielen Fällen fast unmöglich ist, den Verlauf irgend eines einzelnen Fadens eine gewisse Strecke weit zu verfolgen. Die soeben be- trachtete Form der Nervenendknäuel können wir den diehten Knäuel nennen, da er aus einem dichten Netze von Nervenfäden besteht, zwischen welchen nur sehr spärliche und kleme Lücken übrig bleiben. In den Endkörperehen, welche sich durch eine ovale oder mehr oblonge Form characterisiren, tritt der Axeneylinder eines Nervenästehens an emen der Pole des Körperchens heran und dringt hier in dessen Inneres ein; darauf zerfällt der Axeneylinder sogleich in mehrere feine varieöse Fasern, welche unter mannig- fachen Windungen der Längsaxe des Körperchens entlang ziehen und derart den entgegengesetzten Pol desselben erreichen; wäh- rend dieses Verlaufes entsenden sie zahlreiche, gleichfalls varieöse Fäden, welche auf's Neue häufige Theilungen eingehen und sich auf verschiedene Weise sowohl mit einander als auch mit den soeben erwähnten primären Theilungsfasern des Axeneylinders ver- binden. Auf diese Weise entsteht ein Endknäuel von mehr oder \ Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 609 weniger langgestreckter Form (Fig. 4B u. Fig. 7C%). Nicht selten treten ein, zwei oder auch drei varieöse Fädchen aus einem Endknänel heraus, um im einer gewissen Entfernung von demsel- ben in das Innere eines oder zweier anderer solcher Körperchen einzudringen und hier ähnliche Endknäuel zu bilden (Fig.7, D, D/). Was den Fall betrifft, wo ein einziges Terminalkörperchen 2—5 Nervenästchen aufnimmt, so sehen wir hierbei, dass eines oder auch zwei von ihnen an dem einen, die übrigen aber an dem entgegengesetzten Pole des Endkörperchens in dasselbe ein- treten (Rigg. 4, 6:0‘, 7:Cu. .0/,,,8.B); aber mitunter sieht man auch eines oder das andere dieser Nervenästchen an einer Seitenfläche in das Körperchen treten. Die zu den Endkörper- chen sich begebenden Nervenfasern verlieren ihre Markscheide entweder unweit ihres Eintrittes in das Körperchen oder hart an (dessen Oberfläche, oder endlich in selteneren Fällen in einem mehr oder weniger beträchtlichen Abstande oberhalb des Endkör- perchens. Nicht selten aber erscheint eines oder gar zwei der bezüglichen Nervenästehen in ihrem gesammten Verlaufe als mark- lose Faser (Figg. TC, C’ u. 8). Ein jedes der beschriebenen Nervenästchen tritt demnach als marklose Faser in das Endkör- perchen ein und zerfällt hier in mehrere feine varicöse Fäden; letztere schlängeln sich Anfangs und entsenden dann in ihrem weiteren Verlaufe eine Anzahl varicöser Fäden, welche sich man- nigfach umwinden und sich hierbei mit einander verflechten und + verbinden; derart gestaltet sich der ganze Endapparat zu einem dichten Knäuel (Figg. 4, 5B/, 6C/, 7C, C u. 8B). Aber abgesehen von der beschriebenen Endknäuelform finden wir constant, zumal im Inneren der kleinen Endkörperehen, noch eine andere Form der Nervendigung, die man den lockeren Knäuel nennen kann; an der Bildung eines solchen Knäuels betheiligt sich em einzelnes oder aber zwei Nervenästchen. Im ersteren Falle tritt das Nervenästchen in das Innere des Endkörperehens ein und nimmt hier an Volumen zu, so dass es jetzt als ein ziemlich dicker varicöser Faden erscheint; letzterer beschreibt eine, zwei und mehr schlingenförmige Windungen (Fig. 8A u. C); an den so entstandenen Fadenschlingen ent- springen grösstentheils kurze varieöse Fädchen, die theils zu ge- genseitiger Verbindung der Schlingen dienen, theils aber in dem Binnenraume des Endkörperehens in Gestalt unregelmässiger oder 610 A: SeDogrel: knopfförmiger Verdiekungen frei zu enden scheinen (Fig. DC u. ©’, Fig. SA). Mitunter endet das Nervenästehen im Inneren (des Körperehens in Gestalt eines einzelnen, bogen- oder ziekzack- förmig gekrümmten dieken varieösen Fadens, der schliesslich in eine Verdiekung ausläuft, während seine Ränder fein gezähnelt sich ausnehmen (Fig. SD). Anlangend den andern Fall, d.h. wenn zwei Nervenästchen an der Bildung eines lockeren Knäuels Theil haben, mögen (dieselben nun aus einer einzigen oder aus zwei verschiedenen markhaltigen Fasern hervorgegangen sein, so dringen beide Aest- chen an einem der Pole des Körpershens im dasselbe ein, um hier alsbald in mehrere dieke varieöse Fäden zu zerfallen. Diese Fä- den zeigen einen mehr oder weniger gewundenen Verlauf und werden dureh kurze laterale Fädehen unter emander verbunden. Soleher Weise entsteht ein lockerer Knäuel, wie es in den Figg. DC und TD dargestellt ist. Indess sieht man nicht selten das eine Aestchen an dem einen, das andere an dem entgegengesetzten Pole in das Endkörperchen eindringen. Hier verlaufen sie schleifenförmig gewunden und bilden so einen lockeren Knäuel von spiraliger Form; die einzelnen Schlingen eines derartigen Knäuels sind gewöhnlich mittelst kurzer und feiner Nervenfädehen unter einander verbunden (Fig. 6). Die diehten Endknäuel erscheinen, soweit meine Beobach- tungen reichen, an dem einen oder an den beiden Polen, d.h. an den Eintrittsstellen der Axeneylinder der Nervenfasern in das End- körperehen diehter als in dessen übrigen Theilen, da die Nerven- ästehen und Fäden gleich nach ihrem Eimtritte sich viel stärker winden als weiterhn (vgl. Fig. 3). Sowohl die dichten als auch die lockeren Knäuel senden beständig eine gewisse Anzahl (1—2—3) feiner varicöser Nerven- fäden ab, welehe nach ihrem Austritte aus dem Endkörperehen eine oft mehr oder minder weite Strecke zurücklegen, ehe sie endlich in das Nervennetz emes der benachbarten Endknäuel über- schen (Figg. Dh, 6e und 7a, a). Mittelst dieser Fäden wird die Verbindung zwischen den einander nächstliegenden End- knäueln hergestellt und es ist zu bemerken, dass diese Ver- bindungsfäden nichts gemein haben mit denjenigen Nervenfäden, welehe, wie bereits früher erwähnt, nach ihrem Austritte aus einem gegebenen Endkörperchen in ein anderes übergehen, um hier- Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunetiva bulbi ete. 611 selbst in dem Nervennetze des Endknäuels völlig aufzugehen. Manchmal gelingt es ein solches terminales Nervenfädchen eine Strecke weit in seinem Verlaufe innerhalb des Endkörperchens zu verfolgen; dann sieht man dasselbe nach seinem Eintritte in das Endkörperehen sich mannigfach windend mit den anderen Fäden des Endknäuels sich verflechten; schliesslich jedoch ent- zieht es sieh unserer Beobaehtnng inmitten des dichten Flecht- werkes der übrigen, in den Bestand des Endknäuels tretenden Fäden (Fig. 6e). Wie bereits bemerkt, finden sich die Endkörperchen nicht nur in der gefässhaltigen Randzone der Hornhaut, sondern auch innerhalb ihrer Substantia propria, in emem Abstande von 1—2 mm von der Randzone. Die innerhalb der Substantia propria befindliehen Endkörperehen liegen unmittelbar unter der vorderen Basalmembran. Die zu diesen letzterwähnten Endkörper- chen hinzutretenden Nervenästehen haben einen zweifachen Ur- sprung: entweder sie gehen aus den Theilungsfasern der den vor- deren Cornealstämmehen zugehörigen markhaltigen Nerven hervor, oder sie entstammen den durehbohrenden Fasern (Rami perforantes). In letzterem Falle löst sich in der Nähe der vorderen Basal- membran von einer perforirenden Faser gewöhnlich ein mehr oder weniger feines Aestehen ab, welches nicht selten bogenförmig ge- wunden an das Endkörperchen herantritt, um hierselbst einen diehten oder einen lockeren Knäuel zu bilden (Fig. 9e). Mit- unter durchsetzt ein perforirendes Aestehen zunächst die vordere Basalmembran und geht darauf, ohne in die Fäden des subepi- thelialen Plexus zu zerfallen, in toto im ein unmittelbar unter dem Hornhautepithel gelegenes Endkörpercehen über; solchenfalls treten bei der gleichen Tubuseinstellung sowohl die Fäden des subepithelialen Geflechtes als auch der Nervenknäuel deutlich her- vor (Fig. 10b). Was die Endkörperchen der Hornhaut betrifft, so bieten, soweit ich bemerken konnte, die Nervenknäuel dersel- ben meist das Ansehen von lockeren Knäueln dar; sie werden von einer oder- von mehreren bogenförmigen Schlingen gebildet, die unter einander mittelst kurzer lateraler Fäden zusammenhängen. Dies sind die hauptsächlichsten Formen der Endknäuel, wie wir sie in den uns beschäftigenden Endkörperchen antreffen. Letztere finden sich, wie gesagt, in dem eigentlichen Hornhaut- gewebe, in der Gefässzone dieser Haut und endlich in der Con- 612 A. S. Dosgiel: Junetiva bulbi, von wo aus sie aller Wahrschemlichkeit nach auch in die Hornhaut vordringen. Aber ausser den oben beschriebenen Endknäuelformen treffen wir noch eime grosse Anzahl von Formvarietäten an, die sich in- dess nur durch geringfügige Differenzen in der Anordnung der Knäuelfäden von einander unterscheiden. Bevor ich die Beschreibung der Endkörperehen schliesse, erachte ich es für nothwendig, betreffs zweier der oben beschrie- benen Nervenendformen noch einige Worte hinzuzufügen, und zwar handelt es sich hier um diejenigen Endknäuel, deren Fäden scheinbar frei, in Gestalt knopfförmiger Verdiekungen enden, so- wie um diejenigen, in welchen der ganze Nervenendapparat als ein einzelner, im Binnenraume des Endkörperchens sich winden- ler Faden erscheint. Diese beiden Endformen sind meiner Ueber- ‘zeugung nach als Kunstproducte zu betrachten, die entweder in- folge einer unvollständigen Färbung der Endfäden des Knäuels entstanden sind, oder aber dadurch, dass die Fixirung des Prä- parates zu spät erfolgte, als bereits die Färbung der Nervenele- mente abzublassen begann und eme Anzahl der den Endknäuel bildenden Nervenfäden ihre Färbung vollständig oder wenigstens zum Theil verloren hatte. Zu Gunsten dieser Annahme kann ich (die Thatsache anführen, dass an Präparaten, welche bei sehr vollständiger Nervenfärbung rechtzeitig fixirt waren, die in Rede stehenden Nervenendformen entweder gar nicht oder nur höchst selten anzutreffen sind. Einem jeden mit der Methylenblaumethode Vertrauten ist es wohl bekannt, dass es überhaupt kein Leichtes ist, in irgend einem gegebenen Gewebe eine vollständige Nerven- färbung zu erhalten, zumal wenn man sich behufs dessen der Ehrlich’schen Methode bedient, d.h. die Farblösung direet in das Blut der Versuchsthiere einführt. Gewöhnlich tritt unter sol- chen Bedingungen die Nervenfärbung sehr rasch ein, um aber leider eben so schnell zu entschwinden wie sie erfolgt war; nicht selten blasst die Färbung eines Theiles der Nervenelemente be- reits ab, währenddem sie an anderen Nerven eben erst auftritt, und es ist daher manchmal recht schwierig, den Zeitpunkt zur Fixirung des Präparates richtig zu treffen. Angesichts des soeben Gesagten müssen wir sehr vorsichtig sein bei unseren Schluss- folgerungen betreffs der frei mit knopfförmigen Anschwellungen endigenden Nervenfäden. Denn diese Form der Nervenendi- Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 613 gungen kann wohl das Resultat einer unvollständigen Nervenfär- bung sein. Abgesehen von den beschriebenen Endkörperehen finden sich in dem eigentlichen Hornhautgewebe, in emer Entfernung von !/;—2 mm von dem gefässhaltigen Cornealrande noch andere eigenthümliche Nervenendapparate im Gestalt von Endplättchen. Die vorderen Nervenstämmehen der Cornea entsenden gewöhnlich nach ihrem Eintritte in dieselbe mehrere markhaltige Fasern, welche bald darauf ihre Markscheide verlieren und im je 2—4 varicöse Aestehen zerfallen; dieselben verlaufen eime geringe Strecke weit entweder dem Hornhautrande mehr oder weniger parallel, oder aber in radialer Richtung zum Centrum der Cornea hin und schliesslich geht ein jedes dieser Aestehen in ein End- plättehen über (Fig. 11b). Diese Endplättchen präsentiren sich als Gebilde von viereckiger oder unregelmässig abgerundeter Form; einige von ihnen erscheinen schaufelförmig ausgehöhlt und öfter hie und da wie eingeschnürt (Fig. 11). Die Ränder der Endplättchen sind häufig uneben, gezackt; mitunter löst sich von dem Rande eines Endplättchens‘ ein kurzer varicöser Faden ab, welcher sich bald darauf wiederum dessen Rande nähert und mit demselben verschmilzt (Fig. 11). Die Grösse der Endplättchen ist verschieden und neben grösseren finden wir solehe von sehr geringem Umfange. Die beschriebenen Endplättehen enthalten keine Kerne und ungeachtet dessen, dass sie einigermaassen den Hormhautzellen ähneln, haben sie dennoch mit den letzteren nichts gemein. Bei Fixirung der Methylenblaupräparate mittelst pierin- sauren Ammoniaks entsteht bekanntlich ein feinkörniger Nieder- schlag; dieser letztere ist in den Endplättchen ungleichmässig vertheilt und in Folge davon bilden sich daselbst stellenweise in Reihen liegende, intensiv gefärbte Fleckehen und Körnchen (Fig. 11). Es ist sehr möglich, dass die Aehnlichkeit dieser End- plättehen mit den Hornhautzellen die Ursache gewesen .ist, wess- halb mehrere Forscher, wie Kühne, Waldeyer und Izquierdo u.A. sieh für einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Nerven und dem Protoplasma der zelligen Elemente der Hirnhaut aussprechen. Die von mir in der Cornea und Conjunetiva bulbi beschrie- benen Endkörperehen sind durchaus identisch mit den zuerst von 614 A. S. Dogiel: W. Krause in der Conjunetiva bulbi des Menschen, des Affen und anderer Thiere entdeckten Endkolben. Die Gegenwart die- ser letzteren in der Bindehaut des Menschenauges wurde bald darauf durch die Untersuchungen von Frey, Kölliker, Lüdden, Ciaecio, Longworth und Waldeyer, A.Key und G. Retzius, Merkel, Schwalbe u. A. bestätigt und gegenwärtig zweifelt wohl Niemand mehr an ihrer Existenz. Was den Bau “der End- kolben anlangt, so stimmen fast sämmtliche Beobachter darin überein, dass diese Gebilde von einer, zahlreiche oblonge Kerne tragenden, bindegewebigen Kapsel umhüllt werden (W. Krause, Frey, Kölliker, Merkel u. A.). Die Kapsel emiger zusammen- gesetzterer Endkolben lässt nach G. Retzius einen geschichteten Bau erkennen, wobei em Theil der in der Kapsel liegenden Kerne auf die Nervenfasern zu beziehen sind, welche die End- kolben an ihrer Oberfläche umwinden. Gemäss Longworth’s Ansicht besteht die Bindegewebshülle der kugeligen Endkolben beim Menschen aus zwei Lamellen, einer äusseren und einer in- neren; sie sind durch einen engen, von homogener Substanz ge- füllten Zwischenraum von einander getrennt und enthalten beide recht zahlreiche Kerne. Ganz anders verhält es sich mit der Frage über die Bestand- theile des sogenannten Innenkolbens und über die Nervenendi- gungen in demselben. Nach W. Krause tritt als Bestandtheil des Innenkolbens eine eigenthümliche, feingranulirte und längsgestreift erscheinende Substanz auf. Die Nervenfaser tritt, nachdem sie vorher ihre Markscheide verloren, in den Innenkolben ein und zeigt hier di- und triebotomische Theilungen und die daraus hervorgegangenen Theilungsästehen (Terminalfasern) zeigen einen gewundenen Ver- lauf und enden schliesslich in Gestalt knopfförmiger Anschwel- lungen. Im einer späteren Arbeit hat W. Krause seine ursprüng- liche Ansicht über den Bau des Innenkolbens einigermaassen mo- difieirt; er betrachtet denselben nunmehr als aus besonderen Zellen bestehend, die er „Längskolbenzellen“ nennt; zwischen diesen Zellen liegen die gewundenen Endästchen (Terminalfasern) mit ihren knopfförmigen Endanschwellungen. In den Endkolben der Conjunetiva bulbi des Menschen zählt W. Krause je 1—4, mit den eben erwähnten Endknöpfehen endigende Terminalfasern. Mit den Beobachtungen von W. Krause stimmen Frey, Lüdden Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 615 und Kölliker überein; letzterer schreibt, gleichwie Krause, den „Längskolbenzellen“ keine besondere physiologische Bedeu- tung zu, indem er meint, dass dieselben genetisch als zur Schwann- schen Scheide gehörig oder einfach als Theile des Neurilems aufzufassen seien. G. Retzius, welcher sehr detaillirte und gründliche Untersuchungen über den Bau der Conjunetivalend- kolben des Menschen angestellt hat, kann die Existenz der Längs- kolbenzellen nicht bestätigen; nach seinen Beobachtungen besteht der Innenkolben bloss aus einer granulirten Masse, in welcher keinerlei zellige Elemente zu Tage treten. Der nackte Axen- eylinder der Nervenfaser tritt nach Retzius in den Innenkolben ein, windet sich hier schlingenförmig und zerfällt bald in Fibrillen, welche die granulirte Masse in verschiedenen Richtungen durch- setzen, um als kurze, stabförmige Fäserchen hier und da hervor- zutreten. In den zusammengesetzten Endkolben zerfällt der Axen- eylinder im einzelne Fibrillen, die in der granulirten Substanz des Innenkolbens eingelagert sind; die besagte granulirte Masse wird von Retzius „Terminalsubstanz“ genannt und mit der analogen körnigen Substanz der Endknospen der Paeini’schen Körper- chen verglichen, wobei er vermuthet, dass die Nervenfibrillen in dieser granulirten Masse endigen. Longworth, Waldeyer und F. Merkel gelangen auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Schlusse, dass der ganze Innenkolben aus einer gewissen Menge über einander geschichteter, kernhaltiger Zellen bestehe; in den letzteren enden, nach Long- worth und Waldeyer, die aus Theilung des Axeneylinders der Nervenfasern hervorgegangenen Fibrillen. Merkel reiht die Con- Junetivalendkolben auf Grund ihrer Struetur und der Endigungs- weise ihrer Nerven den Tastkörperchen an. Meine eigenen Beobachtungen betreffs der Structur und der Nervenendigungen in den Endkörperehen der Cornea und Con- jJunetiva bulbi des Menschen lassen sich, wie es aus der vorher- gehenden Beschreibung ersichtlich, folgendermaassen zusammen- fassen: Die Endkörperchen werden von einer mehr oder weniger dünnen Bindegewebshülle — der Kapsel — bekleidet; letztere enthält runde oder ovale Kerne, von denen einige, wie bereits Retzius mit Recht bemerkt, den markhaltigen Nervenfasern an- gehören. 616 A. S. Dogiel: In dem von der Kapsel umgrenzten Binnenraume der End- körperehen ist nicht die geringste Spur von Zellen oder Kernen enthalten; derselbe wird vielmehr von Nervenästchen und Nerven- fäden ausgefüllt, welche einen Nervenendknäuel bilden; die zwi- schen den Fadenschlingen des Endknäuels übrigbleibenden spär- liehen Lücken sind von einer geringen Menge einer homogenen oder leicht granulirten Substanz besetzt. Zu einem jeden Endkörperchen treten em, zwei oder drei Nervenästehen heran, welche aus der Theilung emer einzigen oder aber zweier verschiedener markhaltiger Nervenfasern hervorge- sangen sind. Die Nervenästchen treten, nachdem sie ihre Mark- scheide verloren haben, in den Hohlraum des Endkörperchens ein, um hier in mehrere feinere Zweige zu zerfallen, welche letzteren sich in ihrem mannigfach gewundenen Verlaufe wiederholt in feine varieöse Fäden spalten. Diese Nervenfäden bilden, indem sie sich auf die verschiedenste Weise verflechten, schlängeln und mit einander vereinigen, entweder einen dichten oder einen locke- ren Knäuel. Die in den Bestand des Endknäuels tretenden Nervenfäden laufen nicht etwa frei, in Gestalt knopfförmiger Anschwellungen aus, und wenn man mitunter auch solche, dem Anscheine nach freie Nervenendigungen in den Endkörperehen zu Gesichte be- kommt, so lassen sich derartige Bilder am wahrscheinlichsten aus einer unvollständigen Färbung der im Endknäuel enthaltenen Nervenfäden erklären. Aus den Endknäueln treten nicht selten mehrere Nerven- fäden aus, welche mehr oder minder beträchtliche Strecken durch- setzen, um in andere Endkörperchen einzudringen und hier auf's Neue an der Bildung von lockeren oder dichten Knäueln theilzu- nehmen. Die Endknäuel benachbarter Endkörperchen stehen mittels besonderer, feiner, varieöser Fäden unter emander in Verbindung. In dem Gewebe der Hornhaut begegnen wir eigenthümlichen Endapparaten der Nervenfasern, welehe ich Endplättehen ge- nannt habe. Die Endkörperchen der Comea und Conjunetiva bulbi des Menschen stehen in Hinsieht ihres Baues, sowie in dem Verhalten Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi ete. 617 ihrer Nervenendigungen den von A. Smirnoff!) in der Frosch- lunge beschriebenen Nervenendapparaten, gleichwie den sogen. „Genitalnervenkörperchen“, sehr nahe. In den letztgenannten Ge- bilden zerfallen, zufolge der neuesten Beobachtungen von Aron- son?) und G. Retzius?), die Axeneylinder der Nervenfasern im Innern des Körperchens in einzelne Zweige und Fäden, die in Anschwellungen von verschiedener Gestalt auslaufen. Im Hinblick auf meine eigenen Beobachtungen betreffs der Endkörperchen der Cornea und Conjunetiva bulbi des Menschen und bei Durehmusterung emer ganzen Reihe von Abbildungen, welche der gründlichen Arbeit von G. Retzius beigelegt sind, gelange ich zu der Ansicht, dass die Anschwellungen, in welche nach seiner Meinung die Nervenfäden auslaufen, nichts anderes sind, als varieöse Verdiekungen der durch Methylenblau unvoll- ständig gefärbten Nervenfäden. Aller Wahrscheinlichkeit nach bilden die Nervenfäden innerhalb der Genitalnervenkörperchen, ebenso wie wir es in den von uns beschriebenen Endkörperchen sahen, ein Nervennetz, dessen Schlingen sich auf verschiedene Weise umwinden und verflechten. Literatur. 1. W. Krause, Zeitschrift für rationelle Medicin Bd. V, 1858. Derselbe, Die terminalen Körperchen der einfach sensiblen Nerven. Hannover, 1860. 3. Derselbe, Die Nervenendigung innerhalb der terminalen Körper- chen. Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XIX, 1881. 4. Frey, Histologie und Histochemie des Menschen. Leipzig, 1859. 5. Lüdden, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 12, 1863. 6. A. Kölliker, Handb. der Gewebelehre des Menschen. 4. Aufl. 1863. 1. Derselbe, 55 e a + 5 6 2.51889: IND 1) A. Smirnoff, Ueber Nervenendknäuel in der Froschlunge. Anatom. Anzeiger, III. Jahrg., 1888. 2) Aronson, Beitr. zur Kenntniss der centralen und peripheren Nervenendigungen. Inaug.-Diss. Berlin 1856. 3) G. Retzius, Ueber die Endigungsweise der Nerven in den Genitalnervenkörperchen des Kaninchens. Internat. Monatsschr. für Anatomie und Physiologie Bd. VII, Hett 8, 1890. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 41 618 A. S. Dogiel: 8. G. Ciaccio, Memorie dell’ Academia delle Seienze dell’ Istituto di Bologna. Ser. III. Tomo IV. Fascicolo 4, 1874. 9. Derselbe, Ueber den Bau der Bindehaut des menschlichen Auges. Moleschott’s Untersuchungen zur Naturlehre. XI. 10. Longworth, Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XI, 1875. 11. Waldeyer, Tageblatt d. Breslauer Naturforscher-Versamml. 1874. 12. Derselbe, Ueber die Endigungsweise der sensiblen Nerven. Arch. für mikrosk. Anatomie Bd. XVII, 1880. 13. Axel Key u. G. Retzius, Studien in der Anatomie des Nerven- systems und des Bindegewebes. Stockholm, 1876. 14. F. Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock, 1880. 15. G. Schwalbe, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Er- langen, 1887. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIII u. XXXIV. Sämmtliche Abbildungen sind mit Hülfe der Camera lucida nach Präparaten gezeichnet, welche, ausgenommen das der Fig. 2, durch Methylenblau gefärbt und sodann mittels pierinsauren Ammoniaks oder Kalis fixirt waren. Fig. 1. Nervenästchen (a) des Randplexus der Hornhaut, in dem markhaltige Fasern (b) enthalten sind. Diese letzteren endigen in dichten und lockeren Endknäueln von ver- schiedener Form. Gefässzone der Cornea. Obj.4. Reichert. Fig. 2. Endkörperchen aus der Conjunctiva bulbi. Längssebnitt durch die in Flemming’scher Lösung fixirte Bindehaut des Auges. Obj. 8a. Reichert. Fig. 3. Endkörperchen aus dem Randtheile der Conjunetiva bulbi. a) Markhaltige Nervenfaser, deren Axeneylinder in einen dichten Endknäuel übergeht. Obj. Sa. Reichert. . 4. A und B) Nervenendknäuelchen aus der Conjunctiva bulbi. a) Markhaltige, dem Knäuelchen A sich nähernde Nerven- faser, theilt sich in drei Aestchen, die das Knäuelchen bil- den. Obj. Sa. Reichert. Fig. 5. A) Markhaltige Nervenfaser, die in zwei Aestchen (d und e) zerfällt; das eine von diesen Aestchen (e) endigt mit einem dichten Knäuel (B), das andere (d) theilt sich auf’s Neue in drei Zweige (f, f’ f“). Das marklose Zweigchen f zer- fällt in die beiden feinen Fasern R und ?; die Faser h endet in einem lockeren Knäuel (C) und in einem bogenförmig verlaufenden dicken varicösen Faden (D), die Faser 2 da- gegen betheiligt sich an der Bildung des lockeren Knäuels C’; das marklose Zweigchen /” geht in einen dichten Knäuel (B’) über. Das markhaltige Zweigchen f” endlich theilt sich in die beiden marklosen Fasern f’“ und fIV, welchen Die Nervenendkörperchen in der Cornea u. Conjunctiva bulbi etc. 619 Fig. &. 10. ME letzteren Kerne anliegen; die genannten Fasern gehen in die lockeren Endknäuel C’ und C” über. g) Aestchen einer (in der Figur nicht abgebildeten) markhaltigen Faser, welches in mehrere varicöse Fäden zerfällt; letztere gehen in den Endknäuel B’ über. h) Anastomotischer Nerven- faden. Gefässzone der Cornea. ÖObj. Sa. Reichert. A und B) Zwei markhaltige Fasern, von denen eine jede sich gabelförmig in zwei Aestchen (a, b und e, d) theilt. Das Aestchen a geht in einen lockeren Knäuel über, wäh- rend die übrigen dichte Endknäuel (C, €, C’) bilden. e) Varieöser Nervenfaden, der zwei Endknäuel mit einander verbindet. f) Aestchen, die aus der Theilung von (nicht in die Zeichnung aufgenommenen) markhaltigen Fasern hervorgegangen sind. Gefässzone der Cornea. Obj. 8a. veichert. A und B) Markhaltige Nervenfasern. Die aus der Theilung der Faser A hervorgegangenen marklosen Aestchen bilden zwei dichte Knäuel (C und ©’). Das eine der Aestchen der Faser B geht in einen dichten Knäuel von länglicher Form (C’) über; letzterer entsendet fünf Nervenfäglen; drei von ihnen gehen in den lockeren Knäueln D und D’ auf, wäh- rend die beiden anderen Fäden (a und a’) als anastomo- tische Fäden erscheinen. b) Aestchen markhaltiger Nerven- fasern. Gefässzone der Cornea. Obj. 8a. Reichert. A und C) Lockere Endknäuel. B) Dichter Endknäuel. a, b, e und d) Aestchen, hervorgegangen aus der Theilung markhaltiger Nervenfasern. e) Anastomotischer Nerven- faden. Randtheil der Conjunectiva. Obj. Sa. Reichert. a) Aestehen eines der vorderen Nervenstämmchen der Cor- nea. b) Perforirende Aestchen, die in die Fäden (d) des subepithelialen Nervenplexus zerfallen; von einem der per- forirenden Aestchen geht der Faden e ab, der in einem lockeren Knäuel endet. e) Dickeres Nervenästchen, das in den Bestand des im Hornhautstroma gelegenen Nerven- geflechtes tritt. Randtheil der Cornea. Obj. 7. Hartnack. a) Aestchen eines der vorderen Nervenstämmcehen der Cor- nea. b) Perforirendes Aestchen in einem lockeren Knäuel endigend; letzterer liegt unter dem Epithel der Cornea. c) Fäden des subepithelialen Geflechtes. Randzone der Cornea. Obj. 4 Reichert. Tubus halb ausgezogen. A) Aestehen eines der vorderen Nervenstämmcehen der Cornea. a) Axencylinder einer markhaltigen Nervenfaser; derselbe zerfällt in dünne Aestchen, welche in Endplättchen (b) auslaufen. Cornealrand. Obj. Sa. Reichert. 620 W. Nagel: (Aus dem I. anatomischen Institut in Berlin.) Ueber die Entwickelung des Uterus und der Vagina beim Menschen‘). Von Dr. med. W. Nagel, Privatdocent, Assistenzarzt der geburtshülflich-synäkologischen Univ.- Klinik des Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Gusserow zu Berlin. Hierzu Tafel XXXV u. XXXVL . Bekamntlich waren es zunächst theoretische Erwägungen, welche verschiedene Forscher (siehe bei Kussmaul)?) zu der Behauptung führten, dass zwei symmetrische Uranlagen für Uterus und Vagina bestehen müssten. Für die Richtigkeit dieser Be- hauptung sprach das Verhalten der inneren Genitalien bei ver- schiedenen niederen Wirbelthieren und die Häufigkeit des Vor- kommens von Duplieität des Uterus und der Vagina (Leuckart, Thiersch, Dohrn). Die Untersuchungen von Thiersch, Dohrn, Kölliker, Kussmaul, Waldeyer u. A. haben längst die oben erwähnte theoretische Erörterung zu einer anatomischen Thatsache erhoben und die Annahme Johannes Müller ’s?), dass die nach ihm benannten Gänge als Bildungsstätte der Tuben und der Gebärmutterhörner dienten, dahin erweitert, dass der ge- sammte innere Genitaltractus des Weibes, einschliesslich des Hymens, aus den beiden genannten Gängen hervorgehen. 1) Siehe Sitzungsberichte der kgl. preuss. Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 22. Mai 1890. Dr. W.Nagel, Ueber die Entwickelung des Uterus und der Vagina beim Menschen. 2) A. Kussmaul, Von dem Mangel, der Verkümmerung und Verdoppelung der Gebärmutter. Würzburg, 1859. 3) Johannes Müller, Bildungsgeschichte der Genitalien aus anatomischen Untersuchungen an Embryonen des Menschen und der Thiere. Düsseldorf, 1830. Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 621 Sobald aber von der Trennung des Genitalkanals (der ver- einigten Müller'schen Gänge also) in Uterus und Vagina die Rede ist, dann liegt die Sache anders. Dohrn!) meint, dass sich der Nachweis, dass ausser dem Uterus auch die Vagma aus den Müller'schen Gängen hervorgehe, durch direkte Beobachtung schwer führen lasse und eine Durehmusterung der einschlägigen Literatur lehrt, dass Dohrn mit obigem Ausspruche bisher Recht behalten hat. In einer späteren Abhandlung sagt Dohrn?): — „gegen Ende der neunten Woche bildet der Genitalschlauch des Men- schen einen kurzen glattwandigen Kanal von nahezu gleich- mässig weitem Lumen, welcher nur leicht gekrümmt in das Becken hinabsteigt, um in den Sinus urogenitalis einzumünden; von einer Gliederung des Kanals in Uterus und Vagina findet sich dann, so wenig als von Anfängen einer Hymenalbildung, noch keine Spur.“ Gleichzeitig spricht der genannte Forscher die Ansicht aus, dass der Genitalkanal während der9.—15. Woche des Embryonallebens keine für die makroskopische Betrachtung hervorstechenden Veränderungen erfährt; nur das wird ersicht- lich, dass sich der Kanal stärker dehnt und nach vorne zu- sammenbiegt. In der 15.—16. Woche findet nach den Unter- suchungen Dohrn’s die Trennung in Uterus und Vagina statt, indem um diese Zeit die vordere Lippe der Vaginalportion als flache halbkugelige Prominenz erkennbar wird, welche hervor- wachsend die hintere Wand des Genitalschlauchs zurückdrängt. Nach Tourneux und Legay’) zeigt der Genitalstrang des menschlichen Embryo zu Anfang des dritten Monats noch keine Trennung in Uterus und Vagma, und seine Wände sind in ihrer ganzen Länge mit dem einheitlichen ursprünglichen Epithel der Müller'schen Gänge ausgekleidet. Im Laufe des 1) F.A. R. Dohrn, Zur Kenntniss der Müller’schen Gänge und ihrer Verschmelzung. Schriften der Gesellschaft zur Beförderung ‘der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg Bd. IX. Marburg und Leipzig, 1872. 2) Derselbe, Ueber die Entwickelung des Hymens. — Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. Bd.X, Supplement-Heft I. Cassel, 1875. 4°. 3) Tourneux und Legay, Memoire sur le developpement de l’Uterus et du Vagin. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. 1884, 622 W. Nagel: dritten Monats erleidet dieses Epithel eine Veränderung, indem es sich nach und nach umwandelt: in dem unteren Theile des Genitalstranges in ein mehrschichtiges Pflasterepithel (Epithelium pavimenteux stratifi6), in dem oberen Theile in Cylinderepithel (Epithelium prismatique). Die erste Anlage der Portio vaginalis uteri haben die Verfasser bei einem menschlichen Embryo von 16,5 em Länge gesehen und zwar in der Weise, dass das Epithel sichelförmig in die bindegewebig-musculöse Wand des Genital- stranges einwucherte. v. Mihalkoviez!), auf dessen Arbeit zurückzukommen ich mehrfach Gelegenheit haben werde, fand bei einem 14 em langen Embryo Vagina und Uterus deutlich gesondert und sagt (a. a.0. S. 348): „an der Grenze zwischen Uterus und Vagina hat die Scheide als Emleitung zur Bildung des Fornix eine geringe Di- latation erhalten, oberhalb welcher die Stelle des Muttermundes liegt“. v. Kölliker?) verlegt die Trennung zwischen Uterus und Vagina in den fünften und sechsten Monat, und zwar beginnt, nach diesem Forscher, der Uterus sich dadurch abzugrenzen, dass an der Stelle des späteren Orifieium externum ein leichter ringförmiger Wulst entsteht, der dann nach und nach in den letzten Monaten der Schwangerschaft zur Vaginalportion sich gestaltet. Zu einem ähnlichen Ergebnisse kam van Ackeren?), in- dem er das erste Zeichen einer Differenzirung bei menschlichen Embryonen aus der zweiten Hälfte des vierten Monats fand und zwar als eme plötzliche Erweiterung des Genitalkanals unterhalb einer engen spaltförmigen Stelle, dem Orifieium uteri externum; damit verbunden war eine Wandverdiekung in derselben Höhe und im nächst höheren Abschnitte des Uterus). Das ausklei- 1) G. v. Mihalkoviecz, Untersuchungen über die Entwickelung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Histologie. Bd. 1I. Paris, Leipzig, London, 1885. 2) A. v. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig, 1879, S. 992. 3) F. van Ackeren, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der weiblichen Sexualorgane des Menschen. lTnaug.-Diss. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XLVIII, S. 20. 4) Bei Thieren hat E. von Baer (Ueber Entwickelungsgeschichte Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 623 dende Epithel zeigt nach dem genannten Forscher ausserdem im unteren Theile des Uterus und in der Vagina nicht mehr den Charakter des Cylinderepithels bei jüngeren Embryonen, sondern erscheint als Pflasterepithel beziehungsweise aus kubischen und rundlichen Zellen zusammengesetzt. In Bezug auf die Entstehung der Portio vaginalis schliesst van Ackeren sich der oben an- geführten Ansicht Tourneux’ an, jedoch sagt er (a.a. O0. S. 17), dass er bei emem Embryo aus der Mitte des fünften Monats (Körperlänge 24,5,- Rumpflänge 13,5 em) einen deutlich ausge- bildeten Fornix vaginae anterior gesehen hat, während von einem Fornix posterior nichts zu bemerken war. Cadiat!) sagt, dass im dritten Monat noch keine Grenze zwischen Uterus und Vagina bestehe. Im vierten Monate soll eine Portio von 4mm Länge vorhanden sein. Bei einem mensch- lichen Embryo weiblichen Geschlechts von 13 em Länge fand er einen wohlausgebildeten Uterus, aber ohne Unterschied zwischen Collum und Corpus. Die Arbeit Cadiat’s enthält indessen, wie auch van Ackeren mit Recht hervorhebt, so grosse Wider- sprüche, dass es schwer ist, sich eme klare Vorstellung über die Ansichten des Verfassers zu bilden. Die neueste Arbeit, welche die uns hier beschäftigende Frage streift, nämlich diejenige von Schaeffer?), beschäftigt sich nur mit älteren Embryonen. In den allgemein bekannten Lehrbüchern der Anatomie und Entwickelungsgeschiehte werden im wesentlichen die oben ange- führten Ansichten vertreten, und der gegenwärtige Stand der Frage lässt sich demnach folgendermaassen kennzeichnen: An- fänglich ist der Genitalstrang (im Sinne von Thiersch) in seiner ganzen Länge mit dem ursprünglichen Cylinderepithel der der Thiere. Königsberg, 1823—1837) etwas ähnliches gefunden, indem er sagt (S. 224): „— es erweitert sich nämlich der kurze gemeinschaft- liche Kanal von der Ausmündung aus gegen die beiden Eileiter, wird in seiner Wand dicker und theilt sich durch einen nach innen ring- förmig vorspringenden Wulst in Scheide und Hals des Fruchthalters.“ 1) M. ©. Cadiat, M&moire sur l’UÜterus et les Trompes. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. Paris, 1884, S. 409. 2) OÖ. Schaeffer, Bildungs-Anomalien weiblicher Geschlechts- organe aus dem fötalen Lebensalter mit besonderer Berücksichtigung der Entwickelung des Hymen. Archiv für Gynäkologie Band 37. Berlin, 1890. 264 w: Nagel: Müller’'schen Gänge ausgekleidet und zeigt ein gleichmässiges Aussehen; eine Trennung desselben in Uterus und Vagina findet erst um die Hälfte der Schwangerschaft statt durch Bildung der Portio vaginalis. Etwas früher, nämlich im Laufe des dritten Monats, wandelt das Epithel des unteren Abschnittes des Geni- talstranges sich in ein mehrschichtiges Pflasterepithel um (Tour- neux und Legay). Meine Untersuchungen haben ein etwas anderes Ergebniss gehabt; zum Theile mag dieses davon herrühren, dass ich in der Lage war, eine ziemlich vollständige, fortlaufende Reihe mensch- lieher Embryonen von 1,1 em Länge und aufwärts unter- suchen zu können und somit die Ausbildung des Genitalstranges von einer sehr frühen Entwickelungsstufe an Schritt für Sehritt zu verfolgen. Einige Hunderte menschlicher Embryonen, welche ich in meiner mehrjährigen Thätigkeit als Assistenzarzt der Gusse- row schen Klinik nach und nach, zum Theil mit freundlieher Unterstützung meiner Collegen, der Herren Doctoren Meyer, Hensoldt, Schwarze, Vowinkel, Hünermann, gesammelt habe, sind von mir untersucht worden. Durch die Reichhaltig- keit des Materials, für dessen freundliche Ueberlassung ich Herrn Professor Gusserow, meinem hochverehrten Lehrer, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank sage, war ich in der glücklichen Lage, eine Auswahl treffen zu können, und ich habe nur diejenigen Objekte für meine Schlussfolgerungen verwendet, welche sich bei der mikroskopischen Untersuchung von tadel- loser Beschaffenheit zeigten. Die Embryonen habe ich theils in Müller'scher Flüssigkeit, theils in Alkohol, Kleinenberg'scher, Flemming'scher oder Fol’scher Lösung gehärtet. Die klei- neren Objekte wurden ganz in die Härtungsflüssigkeit eingelegt, von den grösseren habe ich das Beeken abgetrennt und nur dieses gehärtet und zwar unter Belassung der Genitalorgane in ihrer natürlichen Lage. Vor der Durehfärbung und Einbettung in Paraffin habe ich bei den grösseren Embryonen die Skelettheile entfernt, dabei jedoch jede Berührung der Genitalorgane mögliehst vermieden; von den kleineren wurde der ganze Unterkörper in Paraffınm ein- geschmolzen. Mittels eines Schlitten-Mikrotoms (von Becker in Göttingen) wurden die m obiger Weise hergerichteten Präparate Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 625 in Reihenschnitte zerlegt theils in frontaler, theils in sagittaler oder querer Riehtung und in üblicher Weise weiter behandelt. Dem Direktor des I. anatomischen Instituts zu Berlin, Herrm Geh. Mediemal-Rath Prof. Dr. Waldeyer sage ich für seine freundliche Theilnahme und werthvollen Rathschläge, die er mir auch während dieser Arbeit hat zu Theil werden lassen, meinen liefgefühlten Dank. Dureh frühere Untersuchungen habe ich!) nachgewiesen, dass der Müller’sche Gang bei ganz jungen menschlichen Em- bryonen (von 11—13mm Länge) beiderlei Geschlechts als eine trichterförmige Einstülpung des Coelomepithels der Urniere an- gelegt wird, welche mit ihrem soliden, spitz zulaufenden Ende dem Wolff’schen Gange dieht anliegt, wobei eine imnige Ver- bindung des Epithels der beiden Gebilde eintritt, jedoch ohne dass es, wie es scheint, zu einer Verschmelzung kommt. Während der weiteren Entwickelung wächst der Müller'sche Gang der ventralen Wand des Woltff’schen Ganges entlang ab- wärts, bis er den Sinus urogenitalis erreicht. Dadurch, dass die ventrale Kante der Urniere durch eine spiralige Drehung des ganzen Organs nach innen, das heisst nach der Längenachse des embryonalen Körpers zu, allmählich umbiegt, wird es erklärlich, weshalb der Müller’sche Gang, der in dem proximalen Theile der Urniere nach aussen von dem Wolff’schen liegt, in dem distalen Theile des Organs, in der Plica urogenitalis (Wal- deyer) und in dem Genitalstrange (Thiersch) nach innen von dem genannten Gange belegen ist. Auf der letztgenannten Strecke liegen die beiden Müller’schen Gänge dieht aneinander; ihre nach innen liegenden Wandungen berühren sich und werden gleichzeitig an mehreren Stellen durchbrochen: durch diesen Vorgang entsteht schliesslich aus den ursprünglich getrennten Gängen ein einziger Hohlraum. Ferner habe ich?) nachgewiesen, dass die solide Spitze des Müller'schen Ganges aus eigen- artigen eubischen protoplasmareichen Zellen besteht, ganz gleich, ob es sich um weibliche oder männliche Individuen handelt. 1) W. Nagel, Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd. 34, 1889. Dear ame)! 626 W. Nagel: Während des Abwärtswachsens des Müller’schen Ganges ändern die genannten Zellen ihr Aussehen nicht; .in dieser ganzen Periode, von der ersten Anlage des Ganges als röhrenförmiges Gebilde bis zur Erreichung des Sinus urogenitalis, kann man vielmehr zwei Abtheilungen an demselben deutlich von einander unterscheiden: nämlich emen proximalen (grösseren) Abschnitt, welcher ein deutliches Lumen besitzt und dessen Wände mit hohen und schmalen Cylinderzellen ausgekleidet sind, und einen distalen (kleineren) Abschnitt, weleher keine Höhlung besitzt und aus den oben gedachten grossen Zellen von vorwiegend eubischer Gestalt gebildet wird. Dieser Unterschied in der epithelialen Auskleidung besteht auch noch fort, nachdem die Müller’schen Gänge den Sinus urogenitalis erreicht haben. Zahlreiche Schnittreihen in den oben erwähnten Körperrichtungen durch das Becken von mensch- lichen Embryonen, weiblichen Geschlechts, mit einer Rumpf- länge von 3 bis 4'/,cm haben übereinstimmend folgenden Be- fund gegeben (siehe Fig. 1, Tafel XXXV): Der Geschlechtsstrang und die angrenzenden Theile der Plicae urogenitales (der spä- teren uterinen Abschnitte der Tuben mit angrenzendem Stück der Ligamenta lata) zeigen eine seichte dorso-ventrale Krümmung mit vorderer Concavität. An seinem proximalen Ende ist der Geschlechtsstrang gabelförmig getheilt, während sein distales Ende etwas spitz zulaufend die hintere Wand des Sinus urogeni- talis in schräger Riehtung durchbohrt und in diesen hügelartig hineinragt; die hierdurch entstandene Erhabenheit hat v. Mihal- koviez!) mit dem Namen „Müller'scher Hügel“ belegt. In seinem mittleren Theil zeigt der Geschlechtsstrang eine gleich- mässige spindelförmige Verdiekung und besteht in seiner ganzen Länge aus dieht angehäuften mesodermalen Bildungszellen ?), zwischen welehen einzelne Gefässverzweigungen deutlich zu er- kennen sind. Der Geschlechtsstrang umschliesst folgende epi- theliale Gebilde: Nrasam0r 8,380! 2) Ich bemerke hierbei, dass ich unter „Bildungszellen“ die- jenigen zelligen Elemente verstehe, aus welchen die nicht epithe- lialen Bestandtheile eines Organs ihren Ursprung nehmen und welche noch keine histologische Differenzirung (in Bindegewebs- oder Muskel- zellen) zeigen. Ueber die. Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 627 1. Die Müller’schen Gänge, welche im dem proximalen Absehnitte, der oben erwähnten gabeligen Theilung entsprechend, divergirend nach den Plieae urogenitales verlaufen, in dem mitt- leren Abschnitte dagegen dicht aneinander liegen und an meh- reren Stellen — bei Embryonen von 3,5 bis 4em in ihrer ganzen Länge — zu einer einzigen epithelialen Röhre mit (auf dem Querschnitte) quer-ovalem Lumen verschmolzen sind. Das bisher geschilderte (proximale) Stück des Ganges ist mit einem Epithel ausgekleidet, welches aus 16—25 « hohen schmalen Cylinder- zellen mit längliehem Kern besteht. Bei Embryonen der oben erwähnten Grösse ist jedoch der Epithelsaum in dem mittleren Abschnitte, der oben erwähnten spindelförmigen Verdiekung des Geschlechtsstranges entsprechend, etwas höher, er misst an dieser Stelle 32—40, bis 50 u (je nach der Grösse des Embryo) und hat — bei Embryonen von 4--4,5 em Rumpflänge — auf Längs- schnitten einen wellenförmigen Contur; auch liegen hier, wie es scheint, die Cylinderzellen in mehreren Schiehten über einander. Das letzte (distale) Stück des Ganges, der oben erwähnten distalen Verjüngung des Geschlechtsstranges entsprechend, und zwar bis zu einer Entfernung von 80 u von der Mündung in den Sinus urogenitalis, hat, wie bemerkt, kein Cylinderepithel und zeigt keine Höhle; es ist ausgefüllt mit grossen protoplasma- reichen Zellen, welche rundliche blasse Kerne tragen und im Uebrigen dasselbe Verhalten zeigen, wie auf früheren Entwicke- lungsstufen des Müller’schen Ganges (siehe vorne). An Sagittalschnitten durch den Geschlechtsstrang erkennt man, dass die Mündung bei den verschiedenen Embryonen ein etwas verschiedenes Aussehen hat, indem die Ränder der Mün- dung (Lippen) bald gegen einander umgekrümmt sind, bald pa- rallel zu einander stehen !). Da, wie eben gesagt, das distale Ende keine Höhle besitzt, so ist es einleuchtend, dass von einer Verschmelzung in dem- selben Sinne wie höher oben, wo zwei Röhren zu einer sich ver- einigen, nicht die Rede sein kann. Eine Grenze zwischen den epithelialen Massen der beiden Gänge lässt sich an meinen Prä- paraten aus dieser Entwickelungsstufe nicht nachweisen; es ist 1) Fig. 1a, Tafel XXXV zeigt einige Beispiele von diesem un- gleichmässigen Verhalten der erwähnten Mündung. 628 W. Nagel: demnach unmöglich zu entscheiden, welche Zellen dem einen und welehe dem anderen Müller'schen Gange angehören. Von diesem Gesichtspunkte aus kann ich mich mit Dohrn und Thiersch einig erklären, dass die Müller’schen Gänge in der Regel nicht getrennt in den Sinus urogenitalis einmünden. Ich bemerke aber, dass ich bei Jüngeren Embryonen (von 3 em) noch dieht oberhalb des soliden Endes zwei Röhren gesehen habe, während höher oben die Verschmelzung vollzogen war. Das solide epitheliale Ende der vereinigten Müller’schen Gänge vermittelt also die Verbindung des Geschleehtsganges mit dem Sinus urogenitalis; es ragt hügelartig in denselben hinein, wobei das Epithel des Sinus etwas vorgestülpt wird. Das gilt besonders für die seitliche Begrenzung, wo die beiden Epithelien ganz gut von einander zu trennen sind (siehe Fig. 2, Tafel XXXV); auf der Höhe des Epithelhügels findet dagegen, wie es schemt, entweder eine innige Verschmelzung der beiden Epithelarten oder eine Atrophie des Sinusepithels statt; wenigstens lässt sich hier, an der Stelle des späteren Orificium vaginae vestibulare, keine Grenze nachweisen (siehe Fig, 2, Tafel XXXV). Aus dem eben geschilderten Verhalten des distalen Endes geht hervor, dass eme offene Einmündung der Müller’'schen Gänge nieht bestehen kann und ich habe bei Embryonen dieser und der nächstfolgenden Grösse auch niemals eine solche gesehen. Dieser Befund stimmt also bis zu einem gewissen Grade mit demjenigen von Kölliker!) und Mihalkoviez überem, indem (diese beiden Forscher die Müller'schen Gänge bei Embryonen von 3,5 bis 4 em Länge, beziehungsweise (Kölliker) aus dem 4. Monate, als blind endigenden beschreiben. Ich betone aber, dass man den Verschluss nieht etwa als durch eine bindegewe- bige Membran bewerkstelligt auffassen darf; derselbe ist aus- schliesslich epithelialer Natur und kommt in der oben be- schriebenen Weise zu Stande. 2. Die Wolffschen Gänge. Dieselben verlaufen zu beiden Seiten der Müllerschen Gänge In dem proximalen 1) A.v. Kölliker, Einige Beobachtungen über die Organe junger menschlicher Embryonen. Sitzungsberichte der physik.-med. Gesell- schaft zu Würzburg. 18853. 2) v. Mihalkovicz, a. a, O. S. 349. fr En Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 629 Abschnitte des Geschleehtsstranges beträgt die Entfernung 1—2 u, während sie distalwärts den vereinigten Müller'schen Gängen "dieht anliegen; jedoch vermag man die beiden Gänge auf dieser Entwickelungsstufe bis zu ihrer Einmündung in den Sinus uroge- nitalis deutlich von einander abzugrenzen (siehe Figg. 2 u. 5). Das Epithel der Wolff’schen Gänge besteht aus Cylinder- zellen, deren Protoplasma in geringerem Grade Farbstoff aufnimmt, als die Epithelzellen des Müller'schen Ganges und deren läng- liche Kerne exeentrisch (nach dem Lumen des Ganges hin) liegen. Die Mündungen der Wolff’schen Gänge in den Sinus urogeni- talis finden sich — als notlıwendige Folge der Entwickelung der Müller’schen Gänge — dieht neben der Einmündung dieser und in gleicher Höhe. Das gilt aber nur von derjenigen Ent- wiekelungsstufe, wo die Müller'schen Gänge den Sinus urogenitalis soeben erreicht haben; um diese Zeit sind die Wolff’schen Gänge noch mit einem deutlichen Lumen ver- sehen. Sobald aber der Geschlechtsstrang zu wachsen beginnt, so tritt in dem Verhalten der Mündungen der beiden Gänge zu einander eine bedeutende Aenderung ein, welche weiter unten besprochen werden soll. Der Geschlechtsstrang bei männlichen Embryonen der- selben Grösse unterscheidet sieh von den eben geschilderten Ver- hältnissen in folgenden Punkten: Unter Beibehaltung der gabelförmigen Gestalt ist der proxi- male Theil viel dünner und schwächer entwickelt, als bei weib- lichen Individuen; auch macht sich an dieser Stelle eine begin- nende Atrophie der Müller'schen Gänge bemerkbar, indem ihr Lumen enger wird und das Epithel sein eigenthümliches Aussehen einbüsst. Dagegen zeigen die Wolff’schen Gänge eine stärkere Entwickelung, indem ihr Lumen etwas weiter wird; gleichzeitig treten die einzelnen Zellen ihres Epithels, dadurch, dass ihr Proto- plasma Farbstoff aufnimmt, schärfer hervor. Die untere Hälfte des Geschlechtsstranges zeigt in dieser Entwickelungsperiode ein fast gleiches Aussehen bei beiden Geschlechtern; auch bei männ- lichen Individuen ist nämlich das letzte Stück der vereinigten Müller’schen Gänge solid und besteht aus grossen eubischen Zel- len, während der übrige Theil des Ganges mit einem hohen Cy- linderepithel ausgekleidet ist. Die Einmündungen der vereinigten Müller’schen und der Wolff’schen Gänge in den Sinus urogeni- 630 W. Nagel: talis verhalten sich so, wie oben für die weiblichen Embryonen beschrieben wurde (siehe Fig. 3, Taf. XXXV). Infolge des innigen Zusammenhanges in der Entwickelung der Wolffschen und der Müller’schen Gänge sowie der Ure- teren ist die topographische Werthstellung der Mündung der ver- einigten Müller’schen Gänge bei beiden Geschleehtern leieht zu bestimmen. Wie ich früher !) beschrieben habe, münden die Wolff’sechen Gänge bei menschlichen Embryonen von 12 bis 15 mm Länge in die hintere Wand des Urachusschlauches so ziemlich in derselben Höhe wie die Ureteren, aber etwas mehr nach innen. Durch die Entwiekelung eines Theiles des Urachusschlauches zur jlase entfernen sich allmählich die Ureteren von den Wolff- schen Gängen, so dass man schon bei Embryonen beiderlei Ge- schlechts von 20—22 mm Länge von einem Trigonum vesicae Lieutaudii reden kann; die untere Spitze des Dreiecks wird von den dicht aneinander liegenden Mündungen der beiden Wolff- schen Gänge bezeichnet und die topographische Lage der Ein- mündungen der vier Kanäle (die beiden Wolff'schen Gänge und die beiden Ureteren) ist bei beiden Geschlechtern dieselbe. Da nun die Müller’schen Gänge in gleicher Weise bei bei- den Geschlechtern den Wolff’schen Gängen entlang abwärts wachsen und in gleicher Weise den unteren Absehnitt des Urachus- schlauches (= Sinus urogenitalis) erreichen, nämlich zwischen den Einmünduugen der beiden Wolff'schen Gänge, so ist es von emem entwickelungsgeschichtlichen Standpunkte aus klar, dass, wie Mihalkoviez ?) auch betont, das Orifiecium vaginae vesti- bulare mit dem Oaput Gallinaginis gleichwerthig sein muss. Nur bei männlichen Individuen bleibt das Trigonum vesieae Lieutaudii im eigentlichen Sinne des Wortes bestehen, während es bei weib- lichen Individuen von dem Augenblicke an verschwindet, wo das distale Ende der vereinigten Müller'schen Gänge in die Länge zu wachsen beginnt. Zur Klarstellung der Bedeutung der so- genannten Gartner’schen Kanäle beim Weibchen und für das Aufsuchen der Endigungen derselben, worüber noch grosse Uneinigkeit herrscht, ist es wichtig die oben geschilderte topo- graphische Lage der Mündungen der Ausführungsgänge des Uro- 1) a. a. 0. S. 368. 2):Mihalkoviecz, a.a.O. S. 330. Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 631 genitalsystems auf den frühesten Entwiekelungsstufen in Erinne- rung zu behalten. Ich muss Dohrn Recht geben, wenn er es als falsch be- zeichnet, den Sinus urogenitalis als einen Blindschlauch darzu- stellen, in dessen obere Wand die Müller’schen Gänge einmünden. Derartige Verhältnisse bestehen überhaupt nieht während der ganzen Entwickelung des menschlichen Urogenitalsystems, wenig- stens nicht, soweit meine Untersuchungen zurückreichen. Bevor ich zur Schilderung der weiteren Entwickelung über- gehe, möchte ich die Bemerkung vorausschicken, dass die Länge keinen sicheren Maassstab abgiebt für die Bestimmung des Alters und der Entwiekelung des Embryo. Embryonen gleicher Grösse zeigen nämlich unter sich manchmal eine grosse Verschiedenheit in der Entwickelung sowohl der Körperhüllen wie der inneren Organe. Andererseits muss ich aber bestreiten, dass ein so grosser Unterschied in dem Verhältnisse zwischen Alter und Länge be- stehen solle, wie aus der Arbeit Mihalkoviez’ hervorzugehen scheint; dieser Autor sagt z.B. (a.a.0.S.334) von einem 5,5 em langen Embryo, dass derselbe ca. 5 Monate alt sei und das Alter eines 14 em langen Embryo berechnet er ebenfalls auf 5 Monate (a.a. 0.8.5348). Da augenscheinlich auch die Individualität eine Rolle spielt ‚bei dem früheren oder späteren Erscheinen dieses oder jenes Ge- bildes, so ist es nach meinem Dafürhalten bis jetzt nicht möglich, den Zeitpunkt für die erste Anlage z. B. der Portio vagmalis be- stimmt anzugeben. Wir sehen auch, dass grosse Widersprüche in der Zeitangabe der Autoren über diesen Punkt bestehen; so verlegen Kussmaul, Tourneux und Legay das Erscheinen der Portio vaginalis uteri in den dritten Monat, v. Ackeren, Dohrn, Kölliker in den fünften Monat. Aus diesem Grunde nehme ich davon Abstand, die einzelnen Embryonen je nach ihrer verschiedenen Länge genau zu beschrei- ben. Letzteres würde leicht zu einer ermüdenden Wiederholung führen und ich ziehe es desshalb vor, eine gemeinsame Schilde- rung der Vorgänge in der nächstfolgenden Entwickelungs- periode zu geben, nämlich bis zum Erscheinen der Portio vagi- nalis. Diese Periode umfasst Embryonen mit einer Rumpflänge von 5—12—15 cm und ich werde zunächst nur die 'weib- 6832 W. Nagel: lichen Individuen berücksichtigen. Die wichtigsten Entwicke- lungsvorgänge bei diesen sind folgende: Zu der bei Embryonen der vorhergehenden Entwickelungs- stufe beschriebenen dorso-ventralen Krümmung des Geschlechts- stranges mit vorderer Coneavität kommt noch eine besondere Neigung des obern Abschnittes des Geschlechtsstranges nach vorn hinzu, welche bei einigen Embryonen einen auffallend hohen Grad erreicht. So war bei zwei Embryonen mit einer Rumpflänge von 6 (siehe Fig, 13, Taf. XXXVI) und 12!/, em die Beugung nach vorne eine so starke, dass der obere Theil des Geschlechtsstranges horizontal zur Körperachse lag. Bei beiden Embryonen begann die Kniekung dort, wo der die Höhle des Geschlechtsstranges auskleidende Epithelsaum anfängt höher zu werden und Einsen- kungen in die Tiefe zu treiben. Von dem erstgenannten 6 cm langen Embryo besitze ich auch Schnittreihen dureh die seitlichen Theile des Beckens, welche erkennen lassen, dass die erwähnte starke Beugung nach vorme sich bis in die seitlichen Partien der Plieae urogenitales erstreckt. An den gabelförmig getheilten proximalen Enden des Ge- schleehtsstranges ist die Verschmelzung der beiden Müller'schen Gänge weiter fortgeschritten und hat jetzt ihren Höhepunkt er- reicht. Die Gestalt des erwähnten Abselmittes lässt jedoch deut- lich die ursprünglich doppelte Anlage erkennen, indem derselbe viel breiter ist, als der übrige Theil des Geschlechtsstranges und - auf seiner Kuppe mit einer seichten herzförmigen Einkerbung ver- sehen ist (siehe Fig. 4, Taf. XXXV). Die Eierstöcke sind in das kleine Becken herabgesunken und liegen bei den älteren Embryonen mit ihren untersten Spitzen hinter der Kuppe des Geschlechtsstranges. Der Wollf’sche Körper ist in starker Rückbildung begriffen und nur als schwache Spur zwischen Tuba und Ovarıum zu er- kennen. Die Tube zeigt ungefähr in ihrer Mitte eine stumpfwinklige Knickung und ausserdem mehrere seichte Faltungen. Wie die Beobachtung der unmittelbar auf einander folgenden Entwicke- lungsstufen lehrt, entspricht die Kniekung derjenigen Stelle inner- halb des Wolff’schen Körpers, wo derselbe — und infolgedessen auch der Wolff’sche und Müller’'sche Gang — bei jüngeren Embryonen nach innen abbiegt. este ee Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 633 Die Entstehung der Faltungen lässt sich wohl ungezwungen folgendermaassen erklären: Die Tuben wachsen fortwährend und schritthaltend mit der übrigen Entwiekelung des Embryo; durch das Herabsinken der mit ihnen eng verbundenen Eierstöcke wer- den sie jedoch verhindert, der Länge nach sich auszudehnen und müssen infolgedessen sich in Falten legen. Sagittalschnitte durch das Beeken lassen an dem Geschlechts- strange deutlich zwei Hauptabschnitte erkennen. Der leich- teren Uebersicht halber werde ich jeden der beiden Abschnitte für sich besprechen. 1. Der proximale Abschnitt zeigt die schon erwähnte Neigung und Beugung nach vorne und ist durchweg mit einer Höhle versehen, welche, der äusseren Form entsprechend, ‘oben am breitesten ist; eine epitheliale Scheidewand habe ich an die- ser Stelle nicht gesehen, die Verschmelzung zu einer Höhle ist vielmehr, so weit meine Untersuchungen reichen, eine vollkommene. Um diese Zeit ist es also besonders die äussere Form, welche die doppelte Anlage des Geschlechtsstranges verräth. In dem sehr zellenreichen (embryonalen) Gewebe der Wan- dungen dieses Abschnittes verzweigen sich zahlreiche Gefässe; in der Nähe der Höhle, senkrecht auf diese verlaufend, sieht man in regelmässigen Zwischenräumen zahlreiche Züge von zarten Fasern, welche sich allmählich in die Wand verlieren, ohne den peritonealen Ueberzug zu erreichen; sie sind am deutlichsten in den oberen Partien. Im übrigen ist es auffallend, dass glatte Muskelfasern während dieser Entwickelungsstufe im Geschlechts- strange nicht sichtbar sind, während doch Blase und Mastdarm bei ganz jungen Embryonen (von 3,5—4 em Länge) mit zahl- reichen Bündeln deutlicher glatter Muskelfasern versehen sind. Die Erklärung dieser Thatsache liegt wohl darin, dass Mastdarm und Blase viel früher in Thätigkeit treten müssen, als der Geni- taltraetus und infolgedessen auf einer sehr frühen Entwickelungs- stufe ihre endgültige Gestalt und ihre völlig organisirten Bestand- theile bekommen. Erwähnen will ich noch, dass ich bei emem in Kleinen- berg'scher Lösung gehärteten und mit Hämatoxylin gefärbten Embryo von Sem Rumpflänge an sagittalen Längsschnitten durch den Geschlechtsstrang emen grossen Nervenstamm mit seinen Ver- zweigungen habe verfolgen können. Der Hauptstamm lag in der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37 42 634 W. Nagel: Seitenwand des proximalen Abschnittes und schiekte seine Zweige in die vordere und hintere Wand desselben. Das Epithel des proximalen Abschnittes besteht durchweg aus hohen schmalen Oylinderzellen mit länglichen Kernen. Es hat aber nicht überall ein gleichartiges Aussehen, indem es in dem oberen Dritttheile einschichtig ist bei einer Höhe von 12 bıs 16— 28 u (je nach der Entwickelungsstufe des Embryo), während es in den unteren zwei Dritttheilen anschemend aus mehre- ren Schichten besteht (bei einer Höhe von 25—32—42 u). Diese allmählich anschwellende Epithelverdiekung hat bei jünge- ren Embryonen (von 4—8 em Rumpflänge) mitunter ein welliges Aussehen, während sie bei etwas älteren Embryouen von 10 bis 12 em Rumpflänge kleine Einsenkungen in die Tiefe zeigt. Da, wo das Epithel niedriger ist, also in den oberen Partien, sind keinerlei Einsenkungen zu bemerken. 2. Der distale Abschnitt beschreibt bei Jüngeren Em- bryonen einen seichten Bogen nach unten, bevor er im den Sinus urogenitalis mündet, bei etwas älteren Embryonen (von 6—7 em Rumpflänge aufwärts) hat er emen mehr gestreckten Verlauf; seine Längsachse bildet nicht eine gerade Fortsetzung derjenigen des proximalen Abschnittes, sondern bildet mit dieser einen stumpfen Kniekungswinkel (siehe Figg. 12—14, Tafel XXXVI), welcher gleichwerthig ist mit dem ursprüngliehen (ersten) Kniekungswinkel des Geschlechtsstranges (siehe vorn). Die Wände des distalen Abschnittes werden von zellenreichem embryonalem Gewebe ge- bildet, in welchem zahlreiche Capillaren sich verzweigen; die bei der Beschreibung des proximalen Abschnittes erwähnten senkrecht zur Höhle verlaufenden Faserzüge finden sich hier nirgends. Der Geschlechtsgang bietet im ganzen Bereiche dieses Ab- schnittes dasselbe Aussehen, wie bei den Embryonen der vorhin beschriebenen Gruppe, indem er hier wie dort mit grossen proto- plasmareichen Zellen ausgekleidet ist, welche das ganze Lumen des Kanals ausfüllen. Je älter der Embryo, um so mehr nimmt dieser distale Abschnitt an Länge zu; gleichzeitig tritt eine ge- wisse Aenderung in dem Verhalten der Epithelzellen ein, imdem sie im ganzen etwas kleiner werden, den Wänden entlang sich regelmässig ordnen und nach der Mitte zu platt werden; zur jildung einer Höhle kommt es jedoch auf dieser Ent- wiekelungsstufe nicht. Ich kann desshalb Tour- Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 635 neux!) in keiner Weise beipflichten, wenn er die Sachlage so dar- stellt, als bestände in dem distalen Abschnitte von vorneherein eine Höhle, die sich nach und nach schliesse, indem die Wände mit einander verkleben. Auf diese nachträgliche Verklebung legt Tourneux so grosses Gewicht, dass er am Schlusse seiner hier angeführten Arbeit gelegentlich der Beschreibung eines Embryo von 13 cm Rumpflänge als eine Merkwürdigkeit erzählt, dass eine Verklebung noch nicht stattgefunden hatte, obwohl die Portio va- ginalis schon angelegt war. Nach meinen Untersuchungen muss ich vielmehr daran festhalten, dass während der ganzen hier in Frage kommenden Entwiekelungsperiode keine präformirte Höhle in dem unteren Abschnitte besteht, welche nachträglich verklebt. Durch die vorhin erwähnte Umänderung der median belegenen Zellen in platte Epithelzellen tritt wohl in der Mittellinie des Kanals eine gewisse Lockerung ein; es ist aber erst auf einer viel spä- teren Entwickelungsstufe, nach Bildung der Portio vagmalis, dass eine wirkliche Höhle durch Zerfall der medianen Schiehten der Plattenepithelien entsteht. Zeigen die Präparate aus der hier in Rede stehenden Entwickelungsstufe eine Höhle im distalen Ab- schnitte des Geschlechtsganges, so ist dieselbe nach meinen Unter- suchungen stets als eine künstliche zu betrachten, indem eine kleine Zerrung genügt, um bei Embryonen von 8—12 em Rumpf- länge die locker mit einander verbundenen Epithelwände ausein- ander zu reissen. Dicht oberhalb . des Orifiecium vestibulare tritt nach und nach eine ampullenartige Erweiterung ein, indem an dieser Stelle eine stärkere Anhäufung von Epithelzellen stattfindet (siehe Fig. 7, Tafel XXXV); zur Bildung einer Höhle kommt es jedoch hier ebenfalls nicht. Das Orifieium vestibulare behält sein vorhin ge- schildertes Aussehen und ragt als hügelartiger Vorsprung in den Sinus urogenitalis hinein. Da, wo die hintere Wand des Sinus uro- genitalis in die vordere Lippe des Orifieium vestibulare übergeht, habe ich an einigen Embryonen von 4—5!/, em Rumpflänge eigenthümliche, theils birnförmige, theils eylindrische Zellen gesehen (siehe Figur 1, Tafel XXXV). Bei etwas grösseren Embryonen sind dieselben verschwunden, sie bilden also nur eine vorübergehende Erscheinung und haben weiter keine Be- 1), Fourme us, 2.2, ©. 636 W. Nagel: deutung. Da die erwähnten Zellen sich in der Gegend befinden, wo bei männliehen Individuen die Prostata sich bildet, so sind (dieselben möglicherweise als Andeutung eines Organs aufzufassen, welches ausschliesslich bei männlichen Individuen zur Entwicke- lung kommt. Bestärkt wird diese meine Annahme dadurch, dass bei männlichen Embryonen zur Zeit der Entwickelung der Pro- stata Zellen von ähnlicher Gestalt an derselben Stelle sich vor- finden. Die Abgrenzung des distalen Abschnittes nach oben wird gegeben durch den Uebergang des ceubischen Epithels im das sehon beschriebene hohe Cylinderepithel des proximalen Abschnittes. Der Uebergang, welcher zuweilen an der hinteren Wand höher liegt als an der vorderen, ist — darin pfliehte ich Tourneux bei — kein plötzlicher, sondern vollzieht sich allmählich inner- halb einer Strecke von einigen Mikromillimetern (siehe Figg. 10 u.11, Tafel XXXV). Durch das Längenwachsthum des distalen Abschnittes wird der Epithelübergang allmählich mehr und mehr von dem Orifieium vestibulare entfernt; jedoch bleibt die topo- graphische Lage im klemen Becken dieselbe. Abgesehen von individuellen Abweichungen, die bei Embryonen ebenso häufig sind wie bei Erwachsenen, wo bekamntlich eine grosse Verschieden- heit herrscht in Bezug auf Länge, Gestalt und Ausbildung von Uterus und Vagina (vergleiche auch Tourneux)!), so findet man die Epithelgrenze meist oberhalb des Bodens des Cavum Dou- glasii. Fällt man eine Senkrechte auf die höchste Stelle der durch die mehrfach erwähnte Neigung des Geschlechtsstranges nach vorne hervorgerufenen Krümmung der hinteren Wand, so liegt ferner die Uebergangsstelle der beiden Epithelarten einige Mikromilli- meter oberhalb dieser Linie. Je älter der Embryo, um so schärfer wird der Epithelunterschied und um so constanter seine Entfer- nung von den angeführten Grenzlinien. . Die Wolff’sehen Gänge sind, soweit sie innerhalb des Ge- nitalstranges verlaufen, in Rückbildung begriffen. Ihre Mündung ist nicht mehr deutlich zu erkennen, und sie scheinen in der Höhe des erwähnten Epithelüberganges blind zu endigen; sie liegen nicht mehr, wie auf früheren Entwickelungsstufen, den vereinigten Müller’schen Gängen dieht an, sondern im einer gewissen Ent- il) Tourneux, a..2.:07 8.941. Ueber die Entwiekelung d. Uterus u. der, Vagina beim Menschen. 637 fernung, welehe mit dem Wachsthum des Embryos noch zunimmt. Die Verödung schreitet schnell vorwärts, und die Regel ist, dass man bei Embryonen mit 12—14 em Rumpflänge den W olff’schen Gang als einen zusammenhängenden Kanal nur im Bereiche der Plieae urogenitalis verfolgen kann, während man in dem Geschlechts- strange denselben nur hier und «dort als einzelne Epithelinseln zu beiden Seiten des Geschleehtsganges trifft. Am deutlichsten habe ieh die Epithelinseln gesehen in der Höhe der Einmündung der Ureteren in die Blase und zwar bei Embryonen von 6'/;,—7 em Rumpflänge; die Epithelreste lagen zu beiden Seiten des Ge- schleehtsganges, etwa 0,1-mm von diesem entfernt; bei einzelnen Embryonen waren sie mit einer Höhle versehen und hatten eine Ausdehnung von 58 X 64 u. Bekamtlich hat Beigel!) für den menschlichen Embryo zuerst die Ansicht ausgesprochen, dass diese Epithelinseln als Ueberbleibsel der Wolff’schen Gänge aufzu- fassen sind. Die Verödung des distalen Endes der Wolff’schen Gänge fängt zur selben Zeit an, wann das distale Ende der vereinigten Müller’sehen Gänge in die Länge zu wachsen beginnt. Die Funktion der Wolff’sechen Gänge ist um diese Zeit (bei Em- bryonen von 4 sich nieht mehr an der weiteren Entwickelung des Geschleehts- stranges — wenigstens nicht, wie Kölliker?) auch betont, mit ihren epithelialen Elementen — und somit ist es erklärlich, dass man in der Regel unterhalb des vorhin beschriebenen Epithelüberganges in dem Geschlechtsgange, also unterhalb ihrer ursprüngliehen Mündungsstelle, keine Spur der W olff’schen Gänge mehr findet. Selbstredend ist es nicht ausgeschlossen, dass Ausnahmen vorkommen. So fand ieh bei einem Embryo von 12 em Rumpf- länge den Wolff’sehen Gang noch zum grossen Theile erhalten. Im Bereiche der spindelförmigen Verdiekung des Geschlechts- stranges, da wo das Cylinderepithel des Geschlechtsganges die oben besprochene Verdiekung zeigt, erweiterte derselbe sich zu 5 em Rumpflänge) beendigt und sie betheiligen 1) H. Beigel, Zur Entwickelungsgeschichte des Wolff’schen Körpers beim Menschen. Centralblatt für die medieinischen Wissen- schaften. 1878. N REolliker, a. 2.20.82. 990: 638 W. Nagel: einer 0,16 mm breiten Höhle. Diese war mit einem aus niedrigen zierlichen Cylinderzellen bestehenden, 16 u holen Epithel ausge- kleidet; das Protoplasma der Zellen hatte nur in geringem Grade Farbstoff aufgenommen und sie zeigten in ihrem ganzen Verhalten eine grosse Aehnlichkeit mit den früher beschriebenen Epithel- zellen der Wolff’schen Gänge. Im distalen Abschnitte des Ge- schleehtsstranges desselben Embryo, nach vorne und hinten von dem geschlossenen epithelialen Gange, fanden sich drei Kanäle, welche eine verschieden lange Ausdehnung zeigten und weder mit dem soeben beschriebenen Wolff’schen Gange, oder mit dem Sinus urogenitalis noch unter sich in Verbindung standen. Der längste dieser Kanäle war mit einem 10 u hohen, aus kurzen Cylinderzellen bestehenden Epithel ausgekleidet und zeigte stellen- weise Andeutung eines Lumens. Derselbe liess sich fast in der ganzen Länge des distalen Abschnittes verfolgen, ohne, wie ge- sagt, den Wolff’schen Gang zu erreichen; distalwärts verschwand er allmählich, ebenfalls ohne das Orifieium vestibulare zu er- reichen. Dieser Befund steht unter meinen Präparaten vereinzelt da und es scheint mir fraglich, ob die erwähnten drei Bruch- stücke epithelialer Kanäle überhaupt etwas mit den Wolff’schen Gängen zu thun haben. Erwähnen will ich noch, dass ich bei demselben Embryo, und zwar an derjenigen Stelle, wo bei männ- lichen Individuen die Prostata sich bildet, mehrere traubenförmige Einwucherungen des Sinusepithels fand. Wahrscheinlich haben wir es hier mit einer seltenen Missbildung zu thun, mit Erhal- tung von Gebilden, die sonst nur dem männlichen Geschlechte zukommen. Auf Grund meiner Untersuchungen muss ich Tourneux widersprechen, wenn er sagt, dass die Wolff’schen Gänge sich mit ihren unteren Endstücken an der Bildung des Genitalkanals in der Weise betheiligen, dass sie mit den Müller’schen Gängen verschmelzen. An einem menschlichen Embryo, weiblichen Ge- schlechts, von 12,5em Länge meint Tourneux!) die innige Verschmelzung des Genitalkanals mit den beiden Wolff’schen Gängen gesehen zu haben und bildet auch ein solches Präparat ab, nämlich einen Schnitt durch das vestibulare Ende der Va- gina. Die epitheliale Masse, welche das distale Ende der Vagina 1) Tourneux, a. a. O. 353, Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 639 füllt, soll nach Tourneux zwei längliche Spuren von gelblichen Körnern zeigen („deux trainees longitudinales de granules jau- nätres“), analog denjenigen, welche man im Inneren der Wolff- schen Kanäle findet zur Zeit ihres Verschwindens. Bei zwei menschlichen Embryonen von 9 und 13 em Länge will van Ackeren!) gesehen haben, dass die Wolff’schen Gänge, wenigstens der rechte, in die Vagina und nicht in den Sinus urogenitalis mündeten. Es scheint mir, als werden die von Tourneux und van Ackeren aufgestellten Behauptungen nicht hinreichend durch ihre Beschreibung, beziehungsweise durch ihre bildlich darge- stellten Präparate gestützt, und ich habe etwas ähnliches unter meinen Präparaten nicht gesehen. Nach meinen Untersuchungen muss ich vielmehr folgende Darstellung für richtig halten: so lange die Mündungen der Wolff’schen Gänge bestehen, liegen dieselben allerdings dem Orificium vestibulare der vereinigten Müller’schen Gänge dicht an, sind aber deutlich von denselben zu trennen (siehe Figg. 2 und 3, Tafel XXXV). Da die Ver- ödung im Gange ist, wenn das distale Ende der veremigten Müller’schen Gänge zu wachsen beginnt, so ist wohl ein fer- neres Wachsen der Wolff’schen Gänge ausgeschlossen; in Uebereinstimmung hiermit findet man ihre letzten Spuren dort, wo sie ursprünglich in den Sinus urogenitalis einmündeten, näm- lich etwas unterhalb oder in gleicher Höhe mit dem Epithel- übergange des Geschlechtsganges. Fände eine Verschmelzung der Wolff’schen und Müller ’schen Gänge im Bereiche ihrer Mündungen statt, so müsste dieser Vorgang auf einer früheren Entwiekelungsstufe sich vollziehen, als von Tourneux ange- nommen ist; nach Eintritt der Verödung entfernen sich nämlich die Wolff’schen Gänge mehr und mehr von den vereinigten Müller’schen. Anmerkung. Mit Dohrn?, bei dem man einen historischen Ueberblick dieser Frage findet, Rieder®), Kölliker®) u. A. bin ich 1) van Ackeren, a. a. 0. 2) Dohrn, Die Gartner’schen Kanäle beim Weibe. Archiv für Gynäkologie Bd. XXI, 1883. 3) C. Rieder, Ueber die Gartner’schen Kanäle beim mensch- lichen Weibe. Virchow’s Archiv für pathologische Anatomie Bd. 96. 4) Kölliker, Ueber Zwitterbildung bei Säugethieren. Sitzungs- berichte der physik.-med. Gesellschaft zu Würzburg. N. F. 1883. 640 W. Nagel: darin einverstanden, dass man die Reste der Wolff’schen Kanäle, welche den Namen desjenigen Forschers!) tragen, der sie zuerst bei der Kuh und beim Schweine genauer beschrieb und welche als Gart- ner'sche Gänge bekannt sind, nur im Bereiche des Uterus, vorzüglich des Collum, zu suchen hat. In sehr seltenen Fällen lassen die Spuren sich vielleicht über das Collum hinaus verfolgen, es ist aber nach mei- nem Dafürhalten ein Irrthum, die von Skene, Schüller und Ober- dieck näher beschriebenen Gänge, welche man auch nach meinen Be- obachtungen fast constant an der Mündung der Urethra, wenigstens bei jüngeren Frauen findet, mit den Mündungen der Wolff’schen Gänge gleichzustellen, wie Kocks®), Böhm), Wassiliefft) und v. Mihalkoviecz°) thun. Ich kann Dohrn’s Ansicht bestätigen, dass die Gartner’schen Gänge im Bereiche des Uterus in der Regel in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft verschwinden, während sie bekanntlich im Bereiche der Ligamenta lata lebenslänglich — wie das Par- und Epoophoron — erhalten bleiben können. Da es aber keineswegs ausgeschlossen ist, dass die Gartner’schen Gänge nicht auch in dem erstgenannten Organe zuweilen bestehen bleiben können, so ist es wohl möglich, dass die von Freund, G. und J. Veit, v. Preuschen u. A. beobachteten eigenthümlichen Cysten im Be- reiche des Collum und des oberen Theils der Vagina derartigen Ueber- bleibseln der Wolff’schen Gänge ihren Ursprung verdanken. Da es für das Verständniss der Entwiekelung und für die anatomische Werthstellung der weiblichen Geschlechtsorgane von besonderem Interesse ist, auch die Entwiekelungsgeschichte der männlichen Genitalien zu kennen, so gestatte ich mir an dieser Stelle auch über meine Untersuchungen an männlichen Em- bryonen desselben Entwickelungsabschnittes zu berichten. Seite 625 u. flg. habe ich dargelegt, dass der Geschlechtsstrang bei Jüngeren Embryonen (von 1,5 bis 2,5cm Länge) männli- chen Geschlechts in der Hauptsache ein ähnliches Aussehen darbietet wie bei weiblichen Individuen derselben Grösse. Diese 1) H. Gartner, Anatomisk Beskrivelse over et ved nogle Dyr- arters Uterus undersögt glandulöst Organ. Det kongelige Danske Videnskabernes Selskabs naturvidenskahelige og mathematiske Af- handlinger. I. Deel. Kjöbenhavn. 1824. 2) Kocks, Ueber die Gartner’schen Gänge beim Weibe. Archiv für Gynäkologie Bd. 20. 3) Böhm, Ueber Erkrankung der Gartner’schen Gänge. :Arch. für Gynäkologie Bd. 21. 4) Wassilieff, Betreffend die Rudimente der Wolff’schen Gänge beim Weibe. Archiv für Gynäkologie Bd. 22. Sy: Mihalko vie2}a.a.0,78: 398. Ueber die Entwiekelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 641 Aehnliehkeit besteht jedoch nicht lange; während bei weiblichen Individuen die Verschmelzung des gabelig getheilten proximalen Endes des Geschleehtsstranges weiter fortschreitet, so bleibt bei männlichen Individuen der Geschlechtsstrang zunächst auf der eben genannten Entwickelungsstufe stehen (siehe Fig. 5, Tafel XXXNV). Durch die distalwärts fortschreitende Rückbildung der Müller’sehen und die stärkere Entwickelung der Wolff’schen Gänge erhält derselbe ferner ein von dem weiblichen Typus ver- schiedenes Aussehen und auf Sagittalsehnitten durch das Becken Sem Rumpflänge erkennt man männlicher Embryonen von 5 folgendes: Im Bereiche der Plica urogenitalis (des späteren Vas deferens) findet man entweder gar keinen Müller’schen Gang, oder doch nur unbedeutende Spuren im Gestalt von Epithelresten. Der Ge- schlecehtsstrang ist noch insofern erhalten, als der distale Abschnitt der Wolff’'schen Gänge mit dem noch erhaltenen Rest der ver- einigten Müller’schen Gänge von einem schmalen, nach abwärts breiter werdenden Mantel von zellenreichem embryonalen Gewebe umgeben ist; derselbe zeigt noch eine deutliche seichte Krümmung mit vorderer Concavität. Die Wolff’schen Gänge münden in den Canalis urogenitalis dicht neben der hügelartigen Mündungs- stelle der vereinigten Müller’schen Gänge und sind mit einem regelmässigen 12—17 bis 25 u (je nach der Grösse des Embryo) hohen Saum von schmalen Cylinderzellen mit länglichen Kernen ausgekleidet. Etwas oberhalb ihrer Einmündung zeigen die Wolff'schen Gänge eine spindelförmige Erweiterung (die spä- tere Ampulle des Samenleiters); bei den grösseren Embryonen zweigt sich von dieser zu beiden Seiten je ein horizontal ver- laufender blind endigender Kanal ab; sein Epitheil gleicht dem- jenigen des Wolff’schen Ganges und, wie dieser, ist er in sei- nem Verlaufe von einer Schiehte dieht angehäufter Bildungs- zellen, welche in der Nähe des Kanals eine eireuläre Anordnung zeigen, umgeben. Obwohl ich seine Entwickelung bis zu be- endeter Ausbildung nicht verfolgt habe, so ist es doch zweifellos, dass dieser seitliche Kanal die erste Anlage des Samenbläschens darstellt. Die Wolff’schen Gänge fassen die zu einem gemeinschaft- lichen Kanale vereinigten Müller’schen Gänge zwischen sich. Dieser Kanal ist in dem proximalen Abschnitte des Geschlechts- 442 W. Nagel: stranges in Rückbildung begriffen; er hat an dieser Stelle sein Lumen eingebüsst, und anstatt des Cylinderepithels sieht man nur eimen formlosen Zelldetritus. Dagegen hat der gedachte Kanal weiter abwärts, im Bereiche der vorhin erwähnten spindel- förmigen Erweiterung der Wolff’schen Gänge ein deutliches quer-ovales Lumen und ist mit einem 16—25 u hohen Saum von den dem Müller’schen Gange eigenartigen Cylinderzellen aus- gekleidet. Der Kanal misst bei den grösseren Embryonen von Sem Rumpflänge in dem grössten Querdurchmesser immer noch 145 u, in dem kleinsten 96 u. Etwas oberhalb seiner Einmün- dung in den Sinus urogenitalis verschwindet das Lumen und das Oylinderepithel hört allmählich auf; statt dessen findet man ein aus grossen eubischen Zellen bestehendes Epithel, welches das Endstück des Kanals bis zur Mündung füllt. Man sieht also, dass der distale Abschnitt der vereinigten Müller’schen Gänge eme gewisse Aehnliehkeit hat mit dem- jenigen bei weiblichen Individuen gleicher Grösse. Da ferner im Bereiche des soliden Endstückes eine bauchige Erweiterung sich findet, während die Mündung in den Sinus urogenitalis ihre ursprüngliche Enge behält, so bekommt diese eine noch grössere Aehnliehkeit mit dem Orificium vestibulare bei weiblichen Indivi- (duen, welchem sie ja auch, wie gesagt, in topographischer Hm- sicht gleichwerthig ist. Da, wo die Wolff’schen und vereinigten Müller ’schen Gänge in den Canalis urogenitalis einmünden, erfährt derselbe zuweilen eine auffallende Erweiterung, welche man in diesem Grade an der Pars prostatica urethrae der Erwachsenen vermisst. Die Anlage der Prostata kennzeichnet sich als Ein- wucherungen des Epithels des Canalis urogenitalis in die hintere Wand desselben sowohl oberhalb wie unterhalb der Einmündung des Geschlechtsstranges. Zuerst stellen die Einwucherungen ein- fache Schläuche dar, später verzweigen sie sich. In der Um- gsebung der Schläuche stehen die Bildungszellen dichter, weshalb die ganze Prostataanlage bei etwas älteren Embryonen (von 8 cm Rumpflänge) ziemlich scharf gegen die Umgebung sich abgrenzt. An den Mündungen der Schläuche sieht man dieselben birn- förmigen Zellen, welche bei jüngeren Embryonen an der Mündung des Geschleehtsstranges sich befinden und welcher ich schon bei Beschreibung der weiblichen Embryonen Erwähnung gethan habe Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 643 (siehe Seite 635). Die von Cadiat!) in seiner Figur 32 abge- bildete Prostata mit flügelartigen Lappen von einem mensch- liehen Embryo von 2!/, Monaten, männlichen Geschlechts, ist entschieden zu gross ausgefallen; nach der Zeichnung zu schliessen möchte ich indessen die von Cadiat als Prostata bezeichneten Gebilde eher als Querschnitte von Muskelbündeln ansehen. In der Figur 6, Tafel XXXV ist ein sagittaler Längssehnitt durch das Becken eines männlichen Embryo von 5!/, em Rumpf- länge abgebildet, welcher einen auffallend gut erhaltenen Ge- schleehtsstrang zeigt. Dem entsprechend zeigen die zu einem Kanal vereinigten Müller’schen Gänge ein wohlerhaltenes, 15 u hohes Cylinderepithel, welches distalwärts höher wird; soweit das Cylinderepithel reieht, besitzt der Gang eine Höhle. Der distale Abschnitt ist mit cubischen protoplasmareiehen Zellen ausgefüllt; die Mündung in den Sinus urogenitalis zeigt das früher beschriebene Verhalten. Anmerkung. Seitdem ©C.H. Weber (siehe bei Leuekart)?) das von Morgagni und Albin als Sinus prostatae beschriebene Organ als „Repräsentant eines Gebildes, welches man früher dem aus- gebildeten männlichen Säugethier absprach“, feststellte und als Rudi- ment eines Apparates bezeichnete, welches bei den weiblichen Säuge- thieren zu einer sehr mächtigen Entwickelung gelangt, ist es längst eine allgemein anerkannte Thatsache geworden, dass man auch beim Menschen in dem erwähnten Organ die Reste der Müller’schen Gänge zu suchen hat. Der Name „Uterus masculinus“ deutet an, dass man das Weber’sche Organ eine Zeit lang als den verkümmerten Uterus ansah; ich möchte mich jedoch den Ansichten späterer Forscher, wie Dohrn?), Ahlfeld, v. Mihalkovicz°) anschliessen, dass in der Regel nur die Mündung und der distale Abschnitt der vereinigten Müller’schen Gänge (also die rudimentäre Vagina) sich an der Bil- dung des Weber’schen Organs betheiligen. Es ist jedoch nicht aus- geschlossen, dass auch ein grösserer Theil des Geschlechtsganges er- halten bleiben kann, und es ergiebt sich aus meinen Untersuchungen, 1) Cadiat, Du Developpement du Canal de l’Urethre et des organes genitaux de l’embryon. Journal de "Anatomie et de la Phy- siologie. Paris 1884. 2) Leuckart, Das Weber ’sche Organ und seine Metamor- phose. Illustrirte medicinische Zeitung, I. Bd., 1852. 3) D.ohrn,,2..2 0. 4) Ahlfeld, Die Misshildungen des Menschen. Leipzig 1880 bis 1882, S. 250. Dry, Mihalk ovTiezst 2.02.70! 644 WW. Naeei: dass bei Embryonen von 8cm Rumpflänge ausser Introitus mit Hymen und der rudimentären Vagina noch derjenige Theil des Geschlechts- ganges, welcher mit hohem Cylinderepithel ausgekleidet ist und wel- cher, wie weiter unten dargelegt werden soll, dem Collum uteri ent- spricht, deutlich besteht. Auch sind mehrere Fälle in der Literatur bekannt, wo das Weber’sche Organ eine ausserordentliche Entwicke- lung erlangt hatte; die seltensten unter diesen sind wohl die von v.Franqu& und Boogaard mitgetheilten. Indem von v. Franque!) beschriebenen Falle waren Vagina, Uterus und die zum Theil durch- gängigen Tuben mächtig entwickelt; die Samenleiter endeten jedoch blind im Bereiche des Collum uteri; ein Descensus testiculorum war nicht erfolgt, Eierstöcke fehlten. Boogaard’s?) Mittheilung betrifft einen 66jährigen Mann, bei welchem die Müller’schen Gänge als getrennte Kanäle persistirten; der rechte hatte eine Länge von 3,5 em, der linke 7—8 cm; ihre Dieke war ähnlich derjenigen der Ureteren, in deren unmittelbarer Nähe sie verliefen, anscheinend in der Richtung nach der Niere. . Hinzufügen möchte ieh noch, dass ich öfters bei männlichen Embryonen der erwähnten Grösse im frischen Zustande eine mit klarer Flüssigkeit gefüllte Harnblase gefunden habe; ebenso oft fand ich bei Zerlegung der in Paraffin eingebetteten Objeete die mit glatter Muskulatur reichlich versehene Blase gleichmässig aus- gedehnt als Zeichen, dass dieselbe mit einer Flüssigkeit gefüllt gewesen sei. Das sprieht zunächst für eine Absonderung von Seiten der Nieren in die Blase hinein während des embryonalen Lebens. Ferner deutet der Umstand, dass die gefüllte Harnblase keinen regelmässigen Befund bei allen Embryonen bildet, nebst anderen, früher von Anderen und mir) besprochenen Merkmalen auf eine zeitweilige Entleerung des angesammelten Urins in die Frucht- blase hin. Für die Richtigkeit der letzteren Ansicht scheint mir end- lich die Thatsache zu sprechen, dass ich bei weiblichen Indivi- duen derselben Grösse verhältnissmässig selten eine Ansammlung 1) v. Franqu&, Beschreibung eines Falles von sehr hoher Ent- wickelung des Weber’schen Organs. Scanzoni's Beiträge zur Ge- burtshülfe und Gynäkologie Bd. IV. Würzburg 1860. 2) J. A. Boogaard, Persistance du canal de Müller chez ’homme adulte (aus dem Holländischen: Verslagen en mededeelingen der Kong]. Akademie van Wetenschapen. Afdeeling Naturkunde, 2Reeks, 9. Deel). Journal de l’Anatomie et de Physiologie 1877, S. 200. 3) W. Nagel, Beitrag zur Lehre von der Herkunft des Frucht- wassers. Archiv für Gynäkologie Bd. 35. Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 645 von Flüssigkeit in der Harnblase gefunden habe. Bei der kurzen fast geraden Urethra der weiblichen Embryonen genügt nämlich ein weit geringerer Druck von oben, um den angesammelten Urin herauszupressen, als bei der verhältnissmässig langen, engen und gekrümmt verlaufenden Urethra der männlichen Embryonen. Bei den weiblichen Embryonen der nächstfolgenden Gruppe mit einer Rumpflänge von 15—22 em vollziehen sich so wichtige Entwickelungsvorgänge, dass damit die endgiltige Trennung in Uterus und Vagina gegeben wird. An sagittalen Längsschnitten, welehe am besten zum Studium dieser Entwickelungsperiode geeignet sind, erkennt man folgendes: Der proximale Abschnitt des Geschlechtsstranges zeigt die bei jüngeren Embryonen beschriebene zweifache Neigung nach vorne. In semen Wandungen sind glatte Muskelfasern deutlich erkennbar, welche, in Bündeln geordnet, dieht unterhalb des Peritonealüberzuges zuerst auftreten. Bei Embryonen von 20—22 em Rumpflänge ist die Wand in ihrer äusseren Hälfte mit wirr durcheinander liegenden Bündeln von glatten Muskel- fasern durchsetzt, während die innere Hälfte von solehen frei ist und nur aus embryonalem Bildungsgewebe zu bestehen scheint, in welchem die früher beschriebenen senkrecht zur Uterushöhle verlaufenden Faserzüge liegen. Nach der Höhle zu ist der proximale Abschnitt mit Cy- linderepithel ausgekleidet, welches im oberen Theile einschichtig ist und mit einer Höhe von 16 u einen regelmässigen Saum bildet; hier und dort ist jedoch eine seichte Falte sichtbar. Nach ab- wärts wird der Saum allmählich höher, indem das Epithel, wie es scheint, hier mehrschichtig ist, und bildet eine Verdickung, welche sich über etwa zwei Dritttheil des proximalen Abschnittes erstreckt. Diese Epithelverdickung hat eine Höhe von 23—30 u und zeigt in ihrer ganzen Länge zahlreiche Eimwucherungen in die Tiefe, wodurch dieser ganze Abschnitt nach der Höhle zu ein sägeförmiges Aussehen erhält und sich deutlich von dem ober- halb der Verdiekung belegenen Theile des Geschlechtsstranges unterscheidet. Die Epitheleinsenkungen haben bei den jüngeren Embryonen das Aussehen von einfachen Furchen, bei etwas älteren Embryonen dieser Gruppe (mit einer Rumpflänge von 16—17 em und darüber) zeigen sie jedoch mehrfache Verzweigungen. Schritt- haltend mit der Ausbildung der genannten Einsenkungen nimmt 646 W. Nagel: die Epithelverdiekung an Höhe ab, so dass bei den älteren Em- bryonen der erwähnten Grösse das Cylinderepithel im ganzen Bereiche des proximalen Abschnittes eine fast gleiche Höhe hat. Wie auf früheren Entwickelungsstufen, so zeichet sich auch jetzt der distale Abschnitt durch seinen gestreekten Ver- lauf aus und bildet, dadurch, dass er schräg nach unten und vorne absteigt, mit dem proximalen Abschnitt einen stumpfen Winkel. Seine Wand besteht aus sehr zellenreichem embryonalem Bildungsgewebe, in welchem, wie auch im Bereiche des proxi- malen Abschnittes, zahlreiche Gefässe sich verzweigen und in dessen peripheren Tagen man stellenweise starke Bündel von Bindegewebsfasern bemerkt. Bei den Jüngern Embryonen dieser Entwickelungsperiode besteht noch keine Höhle in dem distalen Absehnitte; die Wände desselben sind noch.immer mit einander verklebt und ihr Epithel wird aus zweierlei Zellen gebildet, nämlich aus eubischen, welche der Wand zunächst liegen, und aus platten, die nach der Mitte zu belegen sind. Hier und dort schickt das Epithel kleine Einsenkungen in die Wand hinein, welche ge- wissermaassen ringförmige Verdiekungen des Epithelstranges dar- stellen und demselben em perlschnurähnliches Aussehen verleihen. 3ei etwas älteren Embryonen nehmen diese Einwucherungen schnell an Tiefe zu und erreichen bei Embryonen von 20—22 em Rumpflänge eine so mächtige Ausdehnung, dass der ganze distale Abschnitt nach innen zu ein stark faltiges Aussehen zeigt. Die nach der Mitte zu belegenen Plattenepithelien sind in regstem Zerfall begriffen; durch diese Detritusmassen sind die bis dahin verklebten Wände auseinander getrieben worden, so dass der distale Abschnitt des Geschlechtsstranges jetzt eine Höhle besitzt, welehe (auf dem Querschnitte) eine querovale Gestalt hat und deren Weite 5 mm beträgt. Die bauchige Erweiterung dieht oberhalb des Orifieium vestibulare nimmt andauernd an Breite zu und streckt sich höher hinauf (siehe Fig. 8, Tafel XXXV). Ihr Epithel zeigt dasselbe Verhalten wie in dem übrigen Theile des distalen Abschnittes und es ist ohne weiteres einleuchtend, dass die bauchige Erwei- terung, sobald die oben beschriebene Falten- und Höhlenbildung eine gewisse Ausdehnung erlangt hat, eine besondere Abtheilung des Geschlechtsstranges nicht mehr bildet. Dieses Verhalten habe ich bei allen meinen Embryonen ge- Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 647 funden und ich kann desshalb Dohrn !) nieht beipflichten, wenn er sagt, dass die Papillarwucherung in der Mitte der Scheide am meisten hervortritt und ferner, dass die Scheide bei Embryonen der 17.—19. Woche — sich in ihrer oberen Hälfte ausweitet und sich dagegen unten mit fester werdenden Wänden enger zusam- menlegt. Nach meinen Untersuchungen fängt die Ausweiterung des distalen Abschnittes (der späteren Vagina, siehe unten) stets unten, dieht oberhalb des Orifiecium vestibulare, an und schreitet allmählich aufwärts. Der in den Simus urogenitalis hineinragende ringförmige Rand des Orifieium vestibulare des distalen Abschnittes ist nach innen umgebogen (siehe Fig. 9, Taf. XXXV). Die hintere Hälfte dieses Randes ist stärker entwickelt als die andere, wo- durch die Mündung des Geschlechtsganges, welcher immer noch mit Epithelien verstopft ist, etwas mehr nach vorne verlegt wor- den ist. Die Gestalt der Oeffnung ist nicht rund, wie bei jJünge- ren Embryonen, sondern bildet einen Schlitz, dessen Längenachse von vorne nach hinten verläuft. Die Grenze zwischen dem Cylinderepithel des proximalen und dem ceubischen Epithel des distalen Abschnittes des Ge- schlechtsstranges tritt insofern viel schärfer hervor, als der Ueber- gang auf einer kürzeren Strecke sich vollzieht als bei Jüngeren Embryonen. Im Bereiche des distalen Abschnittes, 0,16—0,25—0,3 mm unterhalb der Uebergangsstelle zeigt das eubische Epithel eine sichelförmige Einwucherung im die hintere Wand des Geschleehtsstranges. _ Der Zeitpunkt für das erste Auftreten dieser Erscheinung lässt sich nicht genau bestimmen, weil Embryonen gleicher Grösse, wie oben gesagt, unter sich eine grosse Ver- schiedenheit in der Entwickelung zeigen. Der kleinste Embryo, bei welchem ich die erste deutliche Anlage der erwähnten Ein- wucherung gesehen habe, hatte eine Rumpflänge von 12 em; ich habe jedoch Embryonen von 14—15 em Rumpflänge unter- sucht, bei denen nicht das geringste von einer Einkerbung zu bemerken war, obwohl die vorhin beschriebene Epithelverdiekung im Bereiche des proximalen Abschnittes zahlreiche tiefe, zum Theil verzweigte Einsenkungen zeigte und die Embryonen also 1) Dohrn,va'2.0. 648 W. Nagel: auf einer ziemlich weit fortgeschrittenen Entwickelungsstufe standen. Ist die sichelförmige Einkerbung einmal angelegt, so wächst sie schnell weiter und alsbald erkennt man die Form der hin- teren Muttermundslippe (siehe Fig. 15, Taf. XXXVD. Erst nach- dem diese angelegt ist, entsteht eine ganz ähnliche Einwucherung in die vordere Wand des Geschlechtsstranges, wodurch die vor- dere Muttermundslippe gebildet wird (siehe Fig. 16, Taf. XXXV]). Alle meine Präparate zeigen, dass die erwähnte Epithelein- wucherung an derjenigen Stelle des Lumens stattfindet, wo der Kniekungswinkel der ursprünglichen ersten Krümmung sich befindet nnd damit ist eine entwickelungs- geschichtliche Erklärung gegeben, wesshalb die Portio vaginalis uteri unter normalen Verhältnissen nach hinten abwärts gerichtet ist (siehe Figg. 15 u.16, Tafel XXXV]). Falls man die sichelförmige Epithelemwucherung, die Bil- dung des Scheidengewölbes also, als erste Anlage der Portio vaginalis uteri betrachten will, wie Tourneux und v.Ackeren dies zu thun scheinen, so ist es, soweit meine Untersuchungen reichen, die hintere Lippe, welche sich zuerst bildet. Es scheint jedoch, als bilde sich zuweilen auch das vordere Scheiden- gewölbe früher als das hintere, denn v. Ackeren fand bei seinen Embryonen nur einen deutlich ausgeprägten Fornix anterior, wo- gegen der Fornix posterior entweder gar nicht oder doch nur eben angedeutet war. Geigel!) hat bei einem Ö monatlichen Embryo die Portio vaginalis zum ersten Male gesehen, aber nur das hintere Scheiden- gewölbe war vorhanden, kein vorderes. Tourneux äussert sich nieht darüber; ob vordere oder hintere Lippe sich zuerst bildet; in seiner Fig. 21 sind beide Lippen zu erkennen; gelegentlich der Beschreibung eines Embryos von 20 em Rumpflänge sagt Tourneux (a.a.0. 8.365), dass nur die vor- dere Lippe deutlich angelegt ist. An einigen meiner Embryonen habe ich gesehen, dass die vordere Wand eine buckelige Hervorragung nach innen zeigt genau an derjenigen Stelle, wo später die vordere Lippe liegt, ohne 1) Geigel, Ueber Variabilität in der Entwickelung der Ge- schleehtsorgane beim Menschen. Verhandlungen der physik.-med. Ge- sellschaft zu Würzburg. N. Folge. Bd. XVII, 1883. Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 649 dass an der hinteren Wand von einer solchen Hervorragung oder von einer Epithelemwucherung etwas zu sehen war. Dieselbe Beobachtung hat beim Menschen vor mir Dohrn gemacht, wess- halb dieser Forscher behauptet, dass die vordere Lippe sich zu- erst bildet. Auf Grund meiner Präparate muss ich für gewisse Fälle Dohrn Recht geben und es wäre vielleicht richtiger, zumal auch v. Baer, Kölliker und van Ackeren von einem ring- förmigen Wulst sprechen, welcher in der Gegend des späteren Orifieium externum uteri auftritt, den Bildungsvorgang der Portio vaginalis folgendermaassen zusammenzufassen: die vordere Muttermundslippe wird zuweilen zuerst angelegt, je- doch entwickelt sich in der Regel das hintere Scheiden- gewölbe früher als das vordere, und die hintere Mutter- mundslippe erlangt dadurch früher als die vordere eine vollkommenere Ausbildung. Durch das Auftreten der Portio vaginalis uteri lässt sich (lie anatomische Bedeutung der bisher beschriebenen Entwickelungs- vorgänge leicht feststellen: Die Uebergangsstelle zwischen den beiden Epithel- arten, mit welchen die Müller’schen Gänge von Anfang an ausgekleidet sind (soweit meine Untersuchungen reichen, nämlich bei Embryonen von 11—13 mm Länge) entspricht derjenigen Stelle innerhalb des äusseren Muttermundes, wo bei ausgebildeten Individuen die Grenze zwischen dem Cylinderepithel des Uterus und dem Plattenepithel der Vagina sich findet (siehe Fig. 17, Tafel XXXV): Die Epithelverdiekung innerhalb des proximalen Ab- schnittes, welche sich ebenfalls bis auf eine frühe Entwiekelungs- stufe zurückverfolgen lässt (bei Embryonen von 2,5—3,9 em Länge), wird zum Epithel des Cervicalkanals. Die Epitheleinsenkungen, welche im Bereiche der er- wähnten Epithelverdickung entstehen, bilden die Anlage der Cer- viealdrüsen und nicht, wie Tourneux meint, die Plicae pal- matae des Cervicalkanals („les sillons des arbres de vie“). Ich habe diese Einsenkungen von Stufe zu Stufe verfolgt von dem- Jenigen Zeitpunkte an, wo sie das Aussehen seichter Falten haben, bis zu derjenigen Entwickelungsperiode, wo sie tiefe Furchen mit deutlichen fingerförmigen Ausbuchtungen bilden und somit ihre spätere Bestimmung als Drüsen kund geben. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37 43 650 W. Nagel: Derjenige Abschnitt des Geschlechtsstranges, welcher der Epithelverdiekung entspricht und welcher schon bei ganz jungen Embryonen (von 5—6 em Länge) eine spindelförmige Ver- diekung zeigt und etwa zwei Dritttheil des proximalen Absehnittes einnimmt, wird zu Collum uteri. Da, wo die Epithelverdiekung mit den Einsenkungen nach oben aufhört, bildet sich der innere Muttermund; für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch die Thatsache, dass der vorhin beschriebene zweite Knickungswinkel stets an dieser Stelle sich vorfindet. Was oberhalb liegt, gehört dem Cor- pus uterian. Dasselbe hat also auf einer frühen Entwickelungs- stufe (bei Embryonen von 6—8 bis 12 em Rumpflänge und auf- wärts) eine mehr oder weniger ausgeprägte deutliche Beugung nach vorne und ist in semem Inneren mit einem einreihigen Cy- linderepithel mit hohen schmalen Zellen ausgekleidet, welches um die Hälfte niedriger ist als das Epithel des Oervicalkanals. Tourneux gegenüber betone ich dieses ganz besonders, weil er gelegentlich der Beschreibung eines menschlichen Embryo von 19 em Rumpflänge sagt!), dass das Epithel des Corpus uterj viel höher sei als dasjenige des Collum uteri. Im Gegensatze zu van Ackeren, der einen solchen ver- neint, muss ich daran festhalten, dass ein Unterschied zwischen dem späteren Corpus und Collum uteri auf einer ganz frühen Entwiekelungsstufe auftritt, nämlich von dem Augenblicke an, wo die Epithelverdickung in dem unteren Theile des proximalen Ab- schnittes bemerkbar wird. Das Epithel des Corpus uteri besitzt keine oder doch nur ganz spärliche und seichte Epitheleinsenkungen, welche in der von mir untersuchten Entwickelungsperiode keine Verzweigungen zeigen. Die Drüsen des Corpus uteri entwickeln sich also viel später als diejenigen des Cervix; nach einigen (Tourneux, de Sinety u. a.) fehlen dieselben beim ausgetragenen Kinde, nach anderen Autoren (Cadiat) sind die Drüsen um diese Zeit, das heisst kurz nach der Geburt, wohl entwickelt. Beide Ansichten mögen zu Recht bestehen, auch Wyder?) sagt, dass „die kindliche Uterus- Ro Urn en, arar 08,86 2) Wyder, Beiträge zur normalen und pathologischen Histo- Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 651 schleimhaut in Bezug auf das Vorkommen und die Entwickelung der Drüsen sehr wechselvolle Bilder zeigt“. Dureh das Erscheinen der Portio vaginalis uteri wird ferner die Bedeutung des distalen Abschnittes des Geschlechts- stranges klar, welcher zunächst keine Höhle besitzt, mit eubischem Epithel ausgekleidet ist und dessen erste Anlage, wie von mir nachgewiesen wurde, auf eine sehr frühe Entwickelungsstufe des Müller’schen Ganges sich zurückführen lässt: dieser Abschnitt ist nämlich gleichwerthig mit der Vagina. Die Vagina entsteht also nicht, wie bisher allge- mein angenommen wurde, durch eine Umwandlung des ursprünglichen Cylinderepithels des Müller’schen Ganges, sondernist von vorneherein als eine besondere Abtheilung des Müller’schen Ganges angelegt, welche sich dureh die Seite 627 beschriebenen Eigenschaften auszeichnet und deren weitere Entwiekelung ich von Stufe zu Stufe verfolgt und in dem Vorhergehenden beschrieben habe. Es ist ferner einleuchtend, dass die Mündungsstelle der vereinigten Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis mit dem Orifieium vaginae vestibulare gleichbedeutend ist. Durch das stärkere Wachsthum der Vagina in die Länge gegen- über der langsamer fortschreitenden Entwickelung des Sinus uro- genitalis wird dieser allmählich abgeflacht und das Orificium va- ginae vestibulare Mimmt schliesslich denjenigen Platz ein, welcher ihm in dem späteren Embryonalleben und bei ausgetragenen In- dividuen zukommt. Es ist demnach vollkommen berechtigt, wie Kölliker und Mihalkovicz thun, von emer Anlage des Hymens von dem Augenblicke an zu sprechen, wo das distale Ende der (vereinigten) Müller’schen Gänge den Sinus urogenitalis erreicht hat, jedenfalls bei denjenigen Embryonen, wo die Ränder der hügelartig in den Sinus hervorragenden Mündung des Ge- schlechtsstranges nach innen umgebogen sind. Noch deutlicher wird die Hymen-Anlage bei etwas grösseren Embryonen (mit einer Rumpflänge von’ 5,6—8 cm und darüber), wenn nämlich die Seite 635 beschriebene bauchige Erweiterung dicht oberhalb der Mündung erscheint. Dieselbe tritt nach meinen Untersuchungen logie der menschlichen Uterusschleimhaut. Archiv für Gynäkologie Ba..13,.8%6. 653 W. Nagel: viel früher auf als von Dohrn und Tourneux angegeben wird; und reicht vollkommen aus, um dem Orificium vaginae vestibulare seine eigenthümliche spätere Gestalt zu geben, indem die Mündung der vereinigten Müller’schen Gänge, wie berichtet, ihre ursprüng- liche Enge behält. Je grösser die bauchige Erweiterung wird, um so mehr müssen die Ränder der Mündung (Lippen) die Ge- stalt eimer ringförmigen Membran annehmen, welche die spätere Vagina von dem Sinus urogenitalis abschliesst. Ich leugne jedoch keineswegs, dass nicht auch eme selbständige Hervorwucherung der Ränder der Mündung stattfinden kann; dieselbe hat aber nicht überall diejenige Bedeutung für die erste Bildung des Hymens, wie Dohrn und v. Aekeren ihr zuschreiben. Nach meinem Dafürhalten tritt ein actives Wachsthum erst dann ein, wann eine in obiger (passiver) Weise gebildete Scheidenklappe schon besteht. Da ich indessen bei einigen meiner Embryonen an Sagittalschnit- ten durch die Medianebene gesehen habe, dass die Hymenalöff- nung an dieser Stelle (in der Medianebene also) verhältnissniässig grösser ist, als es der Regel nach der Sachlage bei Neugeborenen und Erwachsenen entsprechen würde, so muss ich annehmen, dass in gewissen Fällen auf einer späteren Entwickelungsstufe auch ein actives Wachsthum (im Sinne von Dohrn, v. Ackeren, Schaeffer), insbesondere des hinteren Theiles der Scheidenklappe, stattfindet, wodurch die Hymenalöffnung theils enger, theils mehr nach vorne verlegt wird. Hierbei muss man jedoch bedenken, (dass auch bei Kindern und Erwachsenen die Hymenalöffnung in- dividuell ein verschiedenes Verhalten darbietet, sowohl in Bezug auf ihre Grösse wie auf ihre Lage. Auf allen Entwickelungsstufen, wenigstens bis zu einer Grösse des Embryo von 20—22 em Scheitel-Steisslänge, ist die Oeffnung des Hymenalringes mit Epithelien ausgefüllt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXV u. XXXVI Fig. 1. Menschlicher Embryo von 4cm Rumpflänge; weiblich. Sa- gittaler Längsschnitt durch die Mündungsstelle der vereinigten Müller’schen Gänge Flemming sche Lösung. — Leitz 8, Ocul. I. MG = Müller’scher Gang. Bl Harnblase. S.U.= Sinus urogenitalis. Ueber die Entwickelung d. Uterus u. der Vagina beim Menschen. 653 Fig. la. Sagittale Durchschnitte durch die Mündungen der vereinigten Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 6. je 6) 10. IL. 12. 15. 14. Müller’schen Gänge (schematisirt) in den Sinus urogenitalis bei weiblichen Embryonen von 4—5—6 cm Kumpflänge. Einmündungsstelle der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis bei einem weibliehen Embryo von 3 cm Länge. — Flemming'sche Lösung; Querschnitt (etwas schräg). Leitz 6, Ocul. I. S.U. = Sinus urogenitalis; Mg = Müller’sche Gänge; Wg — Wolff”sche Gänge. Dieselbe Stelle bei einem männlichem Embryo von 4cm Länge. Flemming'sche Lösung; Querschnitt. — Bedeu- tung der Buchstaben w. 0. Menschlicher Embryo, weiblichen Geschlechts, von 4 em Rumpflänge. Topographische Lage der Beckenorgane; nach einem gehärteten Präparat gezeichnet. Menschlicher Embryo, männlichen Geschlechts, von 4 cm Rumpflänge. Topographische Lage der Beckenorgane; nach einem gehärteten Präparat gezeichnet. Sagittaler Längsschnitt durch den Geschlechtsstrang eines menschlichen Embryo, männlichen Geschlechts, von 51/, em Rumpflänge. Aussergewöhnlich starke Ausbildung der ver- einigten Müller’schen Gänge und des Geschlechtsstranges. Bedeutung der Buchstaben wie oben. Sagittaler Längsschnitt durch das distale Ende des Geschlechts- ganges eines weiblichen menschliehen Embryo von 7 cm Scheitel-Steisslänge. Auftreten der bauchigen Erweiterung. (v)== vorne. Sagittaler Längsschnitt durch das distale Ende des Geschlechts- ganges von einem weiblichen Embryo (Mensch) von 14 cm Rumpflänge. U Urethra; R — Rectum. Orifieium vaginae vestibulare im sagittalen Längsdurchschnitte; weiblicher Embryo (Mensch). Rumpflänge 15 cm. Flem- ming’sche Lösung. — V — Vagina; O = Orificium vaginae vestibulare; (h) — hintere Hymenallippe. Sagittaler Längsschnitt durch den Geschlechtsgang eines weib- lichen Embryo (Mensch) von Tem Rumpflänge. Uebergang vom Cylinderepithel des proximalen Abschnittes in das cubische Epithel des distalen Abschnittes. Sagittaler Längsschnitt durch den Geschlechtsstrang eines weibliehen Embryo (Mensch) von 10 em Rumpflänge. Uebergang vom Cylinderepithel des proximalen Abschnittes in das cubische Epithel des distalen Abschnittes. (Flemmingsche Lösung.) Sagittaler Längsschnitt durch das Becken eines weiblichen Embryo (Mensch) von 4), cm Rumpflänge. Sagittaler Längsschnitt durch das Becken eines weiblichen Embryo (Mensch) von 6 cm Rumpflänge. Sagittaler Längsschnitt durch das Becken eines weiblichen, Embryo (Mensch) von 10cm Rumpflänge. 654 W. Nagel: Ueber die Entwickelung des Uterus ete. Fig. 15. Sagittaler Längsschnitt durch den Geschlechtsstrang eines weiblichen Embryo (Mensch) von 13cm Rumpflänge. Anlage des hinteren Scheidengewölbes. Fig. 16. Sagittaler Längsschnitt durch den Geschlechtsstrang eines weiblichen Embryo (Mensch) von 17cm Rumpflänge. Anlage der Portio vaginalis uteri. Fig. 17. Die Anlage der Portio vaginalis uteri von Fig. 16 bei starker Vergrösserung (Leitz 6, Oc. I. — F.’a = vorderes, F.p = hinteres Scheidengewölbe. Die Zeichnungen sind auf Kosten der Gräfin Luise Bose- Stiftung angefertigt. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma und die Contraction der quer- gestreiften Muskelfasern. Von Prof. Dr. A. Rollett in Graz. Hierzu Tafel XXXVI. Es ist in jüngster Zeit von Prof. Dr. Gustav Retzius!?) in Stockholm, der unter den lebenden Histologen einen so her- vorragenden Platz einnimmt, eine Arbeit über „Muskelfibrille und Sarkoplasma“ veröffentlicht worden. Diese Arbeit kommt dureh die rückhaltlose Anerkennung der Fibrille und des Muskel- säulchen als präformirte Bauelemente der Muskelfaser den von Kölliker?) und von mir?) vertretenen Anschauungen über den Bau der quergestreiften Muskelfaser in sehr erfreulicher Weise 1) Biologische Untersuchungen von G. Retzius. Neue Folge, I., pag. 51. Stockholm 1890. 2) Zeitschrift für wiss. Zoolog. XLVII, 1888, pag. 689. — Handb. d. Gewebl., 6. Aufl., Bd.I, Leipzig 1889, pag. 356 u. d. f. 3) Denkschrift. d. m. n. Klasse der kais. Akad. d. Wiss. in Wien Bd. XLIX, 1885, pag. 81 (I. Theil) und Bd. LI, 1886, pag.23 (II. Theil) und dieses Archiv Bd, XXXIlI, 1888, pag. 233, A.Rollett: Ueb.d. Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 655 gegen Melland!), Carnoy?), van Gehuchten?) und Mar- shall®),. welehe die Fibrillen und Muskelsäulchen leugnen, zu Hülfe. Es wird das gewiss sehr wesentlich zur Klärung der An- schauungen über den Muskelbau beitragen. Allein der Freude, die man darüber empfinden muss, ist auch ein Wermuthstropfen beigemischt. Retzius leugnet die von Brücke an reich gestreiften Insektenmuskeln zuerst gesehenen, dann von Engelmann?) präeiser unter dem Namen der Nebenscheiben definirten und be- schriebenen Querstreifen, welehe auch ich in meinen Unter- suchungen in vielfacher Weise studirt und mit dem Buchstaben N bezeichnet habe. Zwar stellt Retzius nicht in Abrede, dass dort, wo Engelmann, ich und auch Kölliker den Streifen N sehen, wirklich ein Querstreifen gesehen wird. Allein diese Streifen N sollen nieht, wie die Streifen @ (Querscheiben) und die Streifen J (isotrope Bänder) und die Streifen Z (Zwischen- scheiben) durch eine besondere Gliederung der Fibrillen bedingt sein, sondern die Streifen N sollen durch eine regelmässig an- geordnete Reihe von Körnern, Sarkosomen, die dem zwischen den Muskelsäulchen liegenden Sarkoplasma angehören, veranlasst werden. Das Sarkoplasma lässt aber Retzius zusammengesetzt sem aus Sarkosomen und feinen, die Sarkosomen verbindenden „proto- plasmaähnlichen Fäserchen“. Dasselbe soll aufgehängt sein im käumen zwischen «en Muskelsäulchen, den „intereolumnaren Spalträumen“, welche ausserdem einen Gewebssaft enthalten sollen, der die Muskelsäulehen rings umspülen und eine „seröse, chemisch sehr gemischte Flüssigkeit, ein interstitielles, intercolum- nares — Serum — der Muskelfaser“ darstellen soll. Diese Flüssigkeit soll der contraetilen Substanz sowohl die ernährenden Bestandtheile von aussen von den Blutgefässen her zuführen, als auch die Excretionsstoffe in sich aufnehmen, um sie weiter nach aussen hin zu befördern. 1) Quaterly Journ. of mie. Seiene. ıN.S. Vol. XXV, pag. 371, 1885. 2) Biologie cellulaire 1884, pag. 193. 3) La cellule T.II, 2. fasc., 1886. 4) Quaterly Journ. of mic. Sciene. N.S. Vol. XXVII, pag. 75, 1837 u. Vol. XXXI, pag. 65, 1890. 5) Pflüger’s Archiv Bd.7, pag. 18. 656 ArRorll’ett: Diese Anschauungen von Retzius befinden sieh also in Bezug auf die Streifen N (Nebenscheiben) in einem völligen, in Bezug auf das Sarkoplasma aber im einem theilweisen Wider- spruche mit den von mir in meinen Untersuchungen niederge- legten Anschauungen. Es scheint, dass Retzius eine genauere Darlegung dieser Gegensätze vermeiden wollte. Trotz der Entschiedenheit, mit welcher‘ Retzius die Neben- scheiben aus dem Schema der quergestreiften Muskelfaser ge- strichen wissen will und trotz der verlockenden Angabe von Retzius, dass dann ein Unterschied ausgetilgt sei, welchen man bisher zwischen den Muskelfasern von Arthropoden und Wirbel- thieren annehmen zu müssen glaubte, lautete die kurze Kritik, welehe ich nach aufmerksamer Durchlesung der mir durch Retzius’ Güte zugekommenen Arbeit über die Darstellung, die Retzius von den Nebenscheiben giebt, doch: Unmöglich! Ich hatte ja so vielfache und schlagende Beweise für die Existenz der Streifen N im Smne Engelmann’s kennen gelernt, dass mir die Veranlassung derselben durch besondere Glieder der Muskelfibrillen als ganz unbezweifelbare Thatsache gelten musste. Die von Retzius nach der Behandlung der Muskelfasern mit Flemming’s Gemisch (Chrom-Osmium-Essigsäure) mit Ros- anilin und mit Kaliacetat erhaltenen Bilder mit den Sarkosomen- reihen an der Stelle der Nebenscheiben müssen eine andere Er- klärung zulassen, als die, welche Retzius von denselben ge- geben hat. Ich hätte es nun vielleicht der Zeit und andern Forschern überlassen, Klärung in diese widerstreitenden An- schauungen zu bringen, allein ich habe der Wiener Akademie schon am 20. Novbr. 1890 eime Abhandlung unter dem Titel: „Untersuchungen über Contraction und Doppelbrechung der quer- gestreiften Muskelfasern“ überreicht, welche demnächst erscheinen wird), und ich kann die Leser dieser Abhandlung nicht unter dem Eindrucke stehen lassen, dass ich die Leugnung der Neben- scheiben durch Retzius acceptire. Ausserdem ist mir aber seit- her das überaus interessante Buch: „Theorie der Muskelcon- traction“ von Prof. Dr. G. Elias Müller, 1. Th., Leipzig 1891, 1) Denkschrift. der m. n. Kl. der kais. Akad. d. Wiss. in Wien Bd. LVIII, pag. 41. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 657 zugekommen, in welchem meine Untersuchungen vielfach heran- gezogen sind. In diesem Buche findet sich aber auf S. 295 auch die Bemerkung, dass die neuen Untersuchungen von Retzius kaum darauf schliessen lassen, „dass dieser Forscher die in den Abhandlungen Rollett's niedergelegten Thatsachen und Gesichts- punkte voll und ganz berücksichtigt habe“, wenn er behauptet, „dass die sog. Nebenscheiben nicht den Fibrillen und Fibrillen- bündeln (Muskelsäulehen) angehören, d.h. nicht in ihnen liegen, sondern neben und zwischen den Fibrillenbündeln liegen und mehr oder weniger regelmässig angeordnete Körner des Sarko- plasma darstellen“. Auch daraus ergiebt sich, dass die Frage der Nebenscheiben eine nicht zu umgehende Actualität für mich gewonnen hat. Ich will darum hier die Existenz der Streifen N in dem Sinne, dass sie bedingt sind durch bestimmte anisotrope Glieder der Fibrillen, nochmals vertheidigen und zwar dureh die Beob- achtung derselben im polarisirten Lichte, durch ihr Verhalten beim Scheibenzerfall der Muskelfasern in Alkohol, durch ihr Ver- halten bei schwacher Säurewirkung auf zerfallene Muskelfasern, dureh ihr Verhalten bei Tinetionen und Imprägnation der Muskel- fasern und durch ihr Verhalten bei der Contraetion der Muskel- fasern. Erst damach sollen die Bilder, welche man bei starker Säurewirkung von dem Sarkoplasma und den Muskelsäulchen bekommt, und die nach der Methode von Retzius erhaltenen Muskelbilder besprochen werden, weil sich auf diesem Wege eine Erklärung für die letzteren finden lässt. Wie schon angeführt wurde, hat Brücke!) und zwar im Jahre 1858 die Streifen N an reich gestreiften Muskelfasern von Hydrophilus schon gesehen. Ebenso sah Brücke .an denselben Muskeln die Streifen Z, welche in demselben Jahre auch von Amicei?) bei Inseetenmuskeln beobachtet und später unter dem Namen der Krause ’schen Querlinien allgemeimer bekannt wurden. Und man weiss seit Brücke’s Untersuchungen, dass die Streifen N und Z ebenso wie die Streifen @ doppeltbrechend, und zwar 1) Denkschriften der m. n. Klasse der kais. Akad. d. Wiss. in Wien Bd. XV, pag.69, Taf. II, Fig. 3. 2) Il Tempo, Vol. I, 1858, pag. 328. 658 A. Rollett: alle einaxig positiv doppeltbrechend sind. Aber Brücke hat den Streifen N und Z dadurch, dass er sie als verschiedene An- ordnungen von Gruppen seiner hypothetischen Disdiaklasten in eine Linie mit den Streifen Q stellte, eine Deutung gegeben, welche von den späteren Untersuchern nicht festgehalten werden konnte. Genauer wurden die Streifen N und Z erst von Engel- mann!) untersucht. Er führte für die ersteren die Bezeichnung Nebenscheiben, für die letzteren die Bezeichnung Zwischenscheiben ein. Auch Engelmann erkannte, dass die Streifen N und Z eine Doppelbrechung von demselben Charakter wie die Streifen (J besitzen, er machte aber auch die Bemerkung, dass die Streifen N und Z schwächer doppeltbrechend sind als die Streifen Q. Brücke und Engelmann haben ihre Beobachtungen an Muskelfasern im dunklen Sehfelde des Polarisationsmikroskopes zwischen gekreuzten Nikol’schen Prismen, oder an Muskelfasern, die noch überdies über Glimmer- oder Gypsplättchen lagen, in derselben Weise gemacht. Und das genügt auch vollständig, um die Doppelbrechung der Streifen N der Muskelfasern zu eon- statiren. In späterer Zeit habe ich mich selbst mit der Untersuchung der Doppelbrechung der quergestreiften Muskelfasern und zwar nach einer neuen Methode, nämlich unter Anwendung von speetral zerlegtem polarisirten Lichte beschäftigt. Die Resultate sind in der eitirten Abhandlung enthalten. Man erhält auf diese Weise noch viel schönere Bilder von den Muskelfasern und kommt auch in der Erkenntniss der anisotropen Streifen der Muskelfasern etwas weiter. Ich werde auch hier eine Reihe von nach dieser Methode zu erhaltenden Bildern besprechen, weil dieselben für die Frage der Nebenscheiben sehr belehrend sind, und darum muss ich. hier auch die Methode kurz besprechen. Eine für histologische Zwecke brauchbare Combination eines zusammengesetzten Mikroskopes mit einem Speetral- und einem Polarisationsapparate habe ich?) zuerst ausführen lassen und beschrieben. Meine Anordnung wurde aber bald darauf von Abbe und Dippel?) modifieirt, und der letztere hat der Vor- RE: 2) Zeitschrift für Instrumentenkunde 1881, S. 366. 3) Dippel, Das Mikroskop. I. Th., 2. Abth., S. 619, 2. Aufl. Braunschweig 1882. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 659 richtung, welche das speetral zerlegte polarisirte Licht liefert, den Namen „Speetropolarisator* gegeben, welchen ich der Kürze wegen germe acceptire. Die wesentlichen Theile emes Speetropolarisators sind ein polarisirendes Nikol’sches Prisma und ein kleiner Speetralapparat, der in die Ebene des Objeetes ein kleines Speetrum projieirt; das Nikol’sche Prisma befindet sich vor dem Spalte des unter dem Objeettische angebrachten Speetralapparates; der Analysator befindet sich über dem Oeulare. Stehen Polarisator und Analysator mit ihren Schwingungs- richtungen gekreuzt und sind beide unter einem Winkel von 45° zum Spalte des Spectralapparates orientirt und bringt man vor dem Spalte, also zwischen diesen und den Polarisator eine Gypsplatte Roth I. Ordnung so an, dass die Schwingungsrichtung des stärker gebrochenen Strahles in der Gypsplatte (erste Mittellinie, grösste Elastieitätsaxe des Gypses) mit der Richtung des Spaltes zusam- menfällt, so sieht man im Sehfelde das Speetrum von Roth I. Ord., welches bekanntlich einen breiten dunklen Interferenzstreifen (Müller’schen Streifen) besitzt, dessen Mitte je nach der Nuance des Gypsblättchens auf die Wellenlängen von 0,000499 mm bis 0,000545 mm fällt !). Wie ein solches Sehfeld zur Bestimmung der Lage und re- lativen Grösse der Elastieitätsaxen doppeltbrechender Substanzen benutzt werden kann, findet sich in meinen früher eitirten Ab- handlungen und bei Dippel auseinandergesetzt. Hier nur das folgende: Wenn eine Muskelfaser so in das Sehfeld gebracht wird, dass ihre Längenaxe mit der Richtung des Spaltes zusammen- fällt, wobei sie als Verdickung der wie früher orientirten Gyps- platte wirkt, so leuchten, wenn die Faser über dem dunklen In- terferenzstreifen des spectral zerlegten Roth I. Ord. sich befindet, alle ihre doppeltbrechenden Theile in dem vom Interferenzstreifen 1) Vgl. darüber A. Rollett, Ueber die Bedeutung von New- ton’s Construction der Farbenordnungen dünner Blättchen für die Spectralanalyse der Interferenzfarben. Sitzungsberichte der m. n. Klasse der kais. Akad. d. Wiss. in Wien Bd. LXXV, Abth. III, 1877, pag.173, und: Ueber die Farben, welche in den Newton’schen Ring- systemen aufeinander folgen. Ebenda, Bd. LXXVII, Abth. III, 1878, pag. 177. 660 ArRIoMkeitite ausgelöschtem Lichte. Dagegen erscheinen alle einfach brechen- den Theile völlig dunkel. Wenn man aber nun das Spectrum unter der festliegenden Muskelfaser senkrecht auf die Axe der letzteren verschiebt, so findet man bei der angegebenen Orientirung für die Streifen N und Z früher, für die Streifen Q später eine Speetralregion gegen das rothe Ende hin, in welcher die Streifen N und Z und dann die Streifen @ völlig dunkel erscheinen, während alle anderen Theile und der Grund hell in bestimmtem monochromatischem Liehte erscheinen. Das ist dadurch bedingt, dass bei der Addition der Wir- kung der Gypsplatte und der doppeltbreehenden Theile des Mus- kels der beiden zusammen entsprechende dunkle Interferenzstreifen gegen das rothe Ende gerückt erscheint, denn jede Verdiekung der Gypsplatte verschiebt den Interferenzstreifen gegen das rothe Ende hin. Ich fand nach der neuen Methode bestätigt !), dass sowohl die Streifen N als auch die Streifen Z eine Doppelbreehung von demselben Character besitzen, wie die Streifen Q. Es ergab sich aber ausserdem, dass die Doppelbrechung der Streifen N und Z messbar schwächer ist, als die Doppelbrechung der Streifen Q. Für das Verständniss des Nachfolgenden wird das, was ich über die Untersuchung mittelst des Speetropolarisators gesagt habe, genügen. Und wir wollen hier mit Bezug auf die Frage der Streifen N hauptsächlich nur das Bild der Muskelfaser im dunklen Inter- ferenzstreifen des Roth I. Ord. näher betrachten. Die Figuren 1 und 2 stellen Muskelfasern im dunklen In- terferenzstreifen des Roth I. Ord. in der genannten Orientirung dar. Fig. 1 ist die Abbildung einer Muskelfaser von Lucanus cervus, Figur 2 die einer Muskelfaser von Onthophagus taurus. Beide Muskelfasern sind in 93°/,igem Alkohol ertränkten Thieren entnommen und in verdünntem Glycerin aufpräparirt. Im Allgemeinen sind diese Bilder ausgezeichnet durch die grosse Deutlichkeit, mit welcher alle einzelnen Querstreifen her- vortreten, ausserdem ist aber an den Spectropolarisatorbildern der Muskelfasern auch die den Sarkoplasmadurchgängen zwischen den 1) Denkschrift. ete. l.c. Bd. LVIII, 1890, pag. 82. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 661 Muskelsäulehen entsprechende Längsstreifung mit seltener Präeision und Deutliehkeit zu sehen. Besehen wir zuerst die Querstreifen. Wir finden Q doppelt- breehend, nur der in der Mitte von @ befindliche Streifen h erscheint einfachbrechend. Doppeltbrechend erschemen ferner die Streifen N und Z; eimfachbreehend dagegen die Streifen J und E. Was die Längsstreifung betrifft, so erscheinen die Sarko- plasmadurchgänge vollkommen dunkel. Die durch die dunklen (Quer- und Längsstreifen auseinander gehaltenen doppeltbrechenden Glieder der Muskelsäulehen, nämlich die Stäbe von @ und die Körner oder kurzen Stäbe vonN und von Z erscheinen wie voll- ständig isolirt auf schwarzem Grunde in regelmässiger Anord- nung nebeneinander liegende glitzernde Edelsteme. Man kann die Reihe der doppeltbrechenden Glieder jedes zwischen zwei Sarkoplasmadurchgängen liegenden Muskelsäulchen genau verfolgen und in dieser Reihe liegen die Glieder Q@, die Glieder N und die Glieder Z so genau hintereinander, dass N ebenso gut, wie Q und Z den Muskelsäulchen angehören muss, dagegen erscheinen die die Muskelsäulchen trennenden Sarkoplasmadurchgänge als schwarze ununterbrochen zwischen den von den Gliedern Q, N und Z der Muskelsäulchen gebildeten Längsreihen hinlaufende Trennungslinien. Die Nebenscheiben oder Streifen N der quergestreiften Muskelfasern können also nieht durch im Sarkoplasma liegende Sarkosomen, wie Retzius angibt, bedingt sein, sondern sie sind ebenso durch doppeltbreehende Glieder der Muskelsäulchen be- dingt, wie die Streifen Q und die Streifen Z. Ich füge hinzu, dass die Einstellung der Muskelfaser in jene Spectralregion gegen das rothe Ende hin, in welcher, wie wir früher auseinandergesetzt haben, die N dunkel erschemen, unsere Wahrnehmungen über dem Interferenzstreifen vollkommen bestätigt. Es erscheinen dann auch die Z dunkel, dagegen die Q und die J und die E und die Sarkoplasmadurchgänge hell in monochro- matischem Lichte und man sieht auch m diesem Bilde die dunk- len Glieder Z und N mit den dann nur durch ihren Contour un- terscheidbaren Gliedern @ in ganz genauen Längsreihen zwischen Je zwei hellen Sarkoplasmadurchgängen stehen. Nachdem wir uns so die Muskelsäulchen mit ihren doppelt- brechenden Gliedern in situ angesehen haben, erscheint es mir 662 A. Rollett: passend daran zu erinnern, dass mit diesen Wahrnehmungen völ- lig übereinstimmend auch die Wahrnehmungen sind, welehe man im gemeinen Lichte an Muskelfasern machen kann, an welchen sowohl die Querstreifung, als auch die Längsstreifung deutlich sichtbar ist. Ein wahrhaft classisches Beispiel habe ich unter Berücksichtigung aller einzelnen Querstreifen und der Sarkoplasma- durehgänge bei tiefer und hoher Einstellung beschrieben und ab- gebildet von den Muskelfasern von Osmoderma eremita !). Ebenso überemstimmend sind auch die mit Hämatoxylin tingirten Muskelfasern, bei welchen die Glieder Q, N und Z der Säulchen stark, die Glieder J und E schwach und die Sarko- plasmadurchgänge noch schwächer oder nicht gefärbt erscheinen 2). Aehnliche Tinetionen von Alkoholmuskeln erhielt ich auch mit Fuchsin, Safranin, Eosin, lösl. Anilinblau, Methylenblau, Me- thylgrün, Gentianaviolett, Methylanilinviolett 5B, Dahlia, Vesuvin und Bismarckbraun, welche sich im Kaliacetat lange Zeit vortreff- lich halten. An Alkoholmuskeln von Lucanus cervus und Apho- dius-Arten, die mit Pierocarmin gefärbt waren, sah ich die Glie- der @ schön roth, die Glieder N und Z dagegen wurden beide in demselben Tone stark gelbroth gefärbt, die Glieder J und E und das Sarkoplasma sehr blass röthlich. Man findet bei allen diesen Präparaten die differenzirten N immer im Verlaufe der Muskelsäulchen und hat niemals den Eindruck, als ob die Streifen N bedingt wären durch Körner, die neben den Muskelsäulchen im Sarkoplasma lägen. Wir wollen aber nun zur Untersuchung mittels des Spee- tropolarisators zurückkehren und aus Gründen, welche sich später ergeben werden, mittels desselben auch solche Käfermuskeln unter- suchen, welche in Alkohol in Scheiben zerfallen sind. Es wieder- holt sich dabei Vieles, was wir schon an den unzerfallenen Fasern beobachtet haben, allein für die Auffassung der Streifen N ist es doch wesentlich, auf diesen Scheibenzerfall näher einzugehen. Ich habe im Jahre 1885 den Scheibenzerfall in Alkohol an Käfermuskeln in sehr ausgedehntem Maasse beobachtet und eingehend beschrieben und habe mit Bezug auf denselben hier 1) Untersuchungen, II. Theil, l.c. Bd. LI, pag.51 u. d. f. Fig. 13, Tafel II. 2) Le. Tafel IL Pie.8, 910 Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma etc. 665 zunächst eine Angabe von Retzius zu besprechen, von welcher ich nieht weiss, ob sie auf einem Druck- oder Schreibfehler be- ruht, jedenfalls möchte ich sie nicht unberichtigt lassen. Es heisst in der geschichtlichen Darstellung meiner Arbeit bei Retzius (l. e. pag. 64): „Zuerst bespricht er (Rollett) den Seheibenzerfall von Käfermuskeln im Alkohol, welcher mit den von Bowman nach Säurebehandlung beschriebenen gar nieht identisch ist.“ Nun hat aber bekamntlich Bowman!) nur den kurz vor ihm, wie er angiebt, von Skey?) einmal gesehenen Scheibenzerfall der Muskelfasern in Alkohol an zahlreichen, ver- schiedenen Vertebraten entnommenen Muskelfasern beobachtet. Den Scheibenzerfall der Muskelfasern in Säuren habe da- gegen ich?) selbst im Jahre 1857 an Vertebraten-Muskeln be- schrieben und damals glaubte ich, dass der von Bowman be- obachtete Scheibenzerfall und der Scheibenzerfall in Säuren die- selben Scheiben aus den Muskelfasern isolire. Das war eine un- richtige Annahme, welche ich, als ich im Jahre 1885 den Scheiben- zerfall von Käfermuskeln im Alkohol auffand *), berichtigt habe. Ich behandelte damals den Scheibenzerfall in Alkohol und jenen in Säuren ausführlich und zeigte, dass der Bowman sche Scheiben- zerfall etwas ganz anderes ist als der Scheibenzerfall in Säuren. Betrachten wir uns nach dieser Berichtigung nun den Scheibenzerfall in Alkohol. Ich habe in meinen Untersuchungen?) gezeigt, dass bei diesem Scheibenzerfalle in einzelnen Fällen die den Streifen @ entsprechenden Schichten isolirt werden. In anderen Fällen be- finden sich aber an den isolirten Scheiben @ auch noch die den Streifen N entsprechenden Schichten (die Nebenscheiben Engel- mann’s), und zwar hängt dann mit jedem Ende von Q eine solche Schichte N zusammen, mit @ durch einen hellen Streifen J verbunden. Endlich kommt eine dritte Art von Scheibenzerfall vor, bei 1) Philosophie. Transaet. 1840. Part. II, pag. 469 und 470. 2) Ibid. 1837, Plat. XIX, Fig.5. 3) Sitzungsberichte der m. n. Kl. der kais. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. XXIV, pag. 291. 4) Untersuchungen I. Theil, l.c. Bd. XLIX, pag. 84. 5) l.c. Bd. XLIX, pag. 86. 664 A. Rollett: welehem die Sehiehten Q einerseits, die Schichten N+E+Z + E-+N andererseits in Form von Scheiben isolirt werden. Von diesen drei verschiedenen Arten von Scheibenzerfall sollen mit Bezug auf die Frage der Streifen N nur die zwei letzteren Arten behandelt werden. Ich habe, als ich den Scheiben- zerfall in Alkohol an Käfermuskeln beobachtete, auch sofort be- merkt, dass die Schichten @,,N und Z auch an den isolirten Scheiben ihr Doppeltbrechungsvermögen bewahrt haben). An den isolirten Scheiben ist ferner meistens die Längs- streifung in sehr ausgezeichneter Weise hervortretend. Wenn man nun im die Schiehten N+J + Q + J-+N zeı- fallene Muskelfasern über den dunklen Interferenzstreifen des speetral zerlegten Roth I. Ordnung im Sehfelde des Mikroskopes orientirt, so erhält man, wenn die Mantelfläche der Scheiben mit der Riehtung der Fraunhofer’schen Linien zusammenfällt, das 3ild, welches in Fig. 3 von Muskelfasern von Opatrum sabulosum dargestellt ist. Sowohl die Streifen Q, als die Streifen N leuchten in dem blaugrünen durch den Interferenzstreifen ausgelöschten Lichte des Speetrums. Was zunächst die Sehichte Q betrifft, so sieht man in der. Mitte derselben den Streifen h dunkel, also einfach brechend, ferner erweist sich Q zusammengesetzt aus blaugrünen Stäben, . zwischen welchen schwarze Durchgänge, dem Sarkoplasma ent- sprechend, sich befinden. Entsprechend der Anzahl von Stäben, welche die Schichte Q, auf-einem bestimmten optischen Längsschnitte zusammensetzen, erscheinen in den Schiehten N, zu welehen wir jetzt übergehen wollen, wieder durch schwarze Durchgänge von einander getrennte kürzere blaugrün leuchtende Stäbe, deren Axe genau mit der Axe je eines auf dem optischen Längsschnitte sichtbaren Stabes von Q zusammenfallen, so dass auf demselben optischen Längs- schnitte der Scheibe die gleiche Anzahl von Stäben in @ und in N vorhanden ist. jringt man Muskelfasern, die jene Art von Scheibenzerfall erlitten haben, bei welchen abwechselnd den Schichten @ und den Schichten N+ E+Z+ E-+ N entsprechende Scheiben er- halten werden, in der entsprechenden Orientierung über den Welzerpasr 106: Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 665 dunklen Interferenzstreifen des speetral zerlegten Roth I. Ord- nung, in das Sehfeld des Mikroskopes, Fig. 4, so sieht man wieder die Stäbe, welche die Scheiben Q zusammensetzen, blaugrün leuchten und scharf getrennt durch dunkle Sarkoplasmadurchgänge, Fig. 4 Q@, und ebenso erscheinen in den anderen Scheiben Fig. 4 N+E+Z+E+H+N die blau-grün leuchtenden Stäbe, welehe N entsprechen, scharf getrennt durch dunkle Sarkoplasmadurchgänge und die Reihe der Stäbe, welche einen Streifen N bilden, er- scheint durch einen dunklen Streifen E verbunden mit der Reihe von kurzen Stäbehen oder Körnern, welche die Schichte Z zu- sammensetzen, in der letzteren sind die einzelnen Stäbchen wieder dureh dunkle Durehgänge getrennt, welche ebenso in der Längen- richtung mit den dunklen Durchgängen zwischen den Stäben von N zusammentreffen, wie die leuchtenden Stäbe von N genau in der Längenrichtung mit den leuchtenden Stäbchen von Z zusammen- fallen. Fig. 4 ist emem Präparate der Muskeln von Scarabaeus latieollis entnommen. Wir sehen also an den in Scheiben zerfallenen Muskeln wieder, und zwar mit der grössten Uebersichtlichkeit, in jeder einzelnen Scheibe, dass die Streifen N der Muskelfasern ebenso gut wie die Streifen Q und die Streifen Z bedingt sind durch anisotrope Glieder der Muskelsäulehen, und nicht bedingt sein können durch Sarkosomenreihen im Sinne von Retzius. Ich habe aber hier an den in Scheiben zerfallenen Mus- keln gleichsam das, was uns auch schon die Bilder Fig. 1 u. 2 von unzerfallenen Muskeln zeigten, wiederholt, weil ich jetzt, daran anknüpfend, an das erinnern will, was man beobachtet, wenn man auf Muskeln, welehe in der Art, wie das Fig. 3 und 4 darstellt, in Scheiben zerfallen sind, vorsichtig ganz schwache Säuren, z. B. sehr schwache Ameisensäure, wirken lässt. Ich reproducire zur Bequemlichkeit des Lesers die be- treffenden Bilder aus meinen Untersuchungen in Fig. 5A und B und in Fig. 6. Es entspricht Fig. 5 einer Muskelfaser, welche nach Art der Fig. 3 in Scheiben zerfallen ist; Fig. 6 einem Präparate, welches nach Art der Fig. 4 in Scheiben zerfallen ist. Ich muss auch hier wieder hervorheben, was ich gleich bei der ersten Beschreibung dieser Bilder bemerkte, dass ınan beim Anblicke der Zeichnung sich des Gedankens nicht erwehren Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 44 666 AR olliett: kann, dass die Darstellung eine stark schematische sei. In der That ist das aber durehaus nicht der Fall. Ich habe die Prä- parate oft demonstrirt und es ist mir immer bezeugt worden, dass sie in den Zeichnungen sehr naturgetreu dargestellt sind. Aehnliches gilt überhaupt von einer grossen Zahl von Mus- kelbildern; je getreuer sie dargestellt smd, desto schematischer sehen sie aus, was auf Rechnung der überaus regelmässigen An- ordnung der verschiedenen Theile der quergestreiften Muskel- fasern zu setzen ist, Man bemerkt m Fig. 5A, dass in Folge der schwachen Säurewirkung die Sehiehten Q beträchtlich breiter geworden sind als die Schichten N; diese kleben auf den beiden Grundflächen der stark verbreiterten Q, ohne dass sie ihren Charakter wesent- lieh verändert hätten, während @ um Vieles heller geworden ist und die Längsstreifung verloren hat oder dieselbe nur noch als sehr feine zarte Linie erkennen lässt. Sieht man eine Scheibe in diesem Stadium der Säure- wirkung von der Fläche, so zeigt sich das Bild Fig. 5 B. Die innere Figur in dieser Zeichnung entspricht einem Querschnitte von N, sie ist gleichmässig von einem Hofe umgeben, dessen äussere Grenze der Peripherie der verbreiterten Schiehte Q entspricht. Man sieht also auf der Fläche von N die Cohnheim- schen Felder, welche den Stäben von N entsprechen und zwi- schen den Cohnheim’schen Feldern das dieselben trennende Sarkoplasmageäder. Ich habe auch ausführlich auseinander ge- setzt, dass dieses Bild von N beim Heben und Senken des Tubus an jeder Scheibe zweimal deutlich zu sehen ist, entsprechend dem oberen und unteren auf der verbreiterten Scheibe Q kle- benden N. Würde man nun, wogegen aber alles bisher über die Stäbe von N Angeführte spricht, diese Stäbe für Sarkosomen im Sinne von Retzius halten, so würde auf unseren Querschnitten von N kein Raum mehr für die Querschnitte der Muskelsäulchen bleiben. Und man müsste fragen: Wo sind die Muskelsäulehen hinge- kommen ? Es geht also auch daraus hervor, dass die Deutung, die Retzius der Nebenscheibe giebt, nieht richtig sein kann. Das Bild Fig.6 zeigt uns wieder die Schichten @ beträcht- lich verbreitert, die Längsstreifung derselben verstrichen. _ Da- Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma etc. 667 gegen sind die Schichten N-E+Z-+E-+N schmal. Die Längsstreifung der N tritt sehr deutlich hervor. Aus diesen Bildern nach schwacher Säurewirkung und den Bildern nach starker Säurewirkung, auf welche ich später zurück- kommen werde, habe ich den Schluss gezogen, dass die den Schiehten @ entsprechenden Glieder der Muskelsäulchen viel rascher und in viel höherem Grade in Säuren quellen, als die den Schichten N und Z entsprechenden Glieder der Muskel- säulehen, und dass das verschiedene Quellungsvermögen der Glieder @ und der Glieder N und Z vor allem bestimmend auf die Bilder wirkt, welche durch Säurewirkung von noch nicht in Scheiben zerfallenen Muskelfasern und Muskelsäulehen erhalten werden, während em solcher bestimmender Eimfluss der den Schiehten J und E entsprechenden Glieder der Muskelsäulchen nicht hervortritt, sondern das Verhalten dieser ein mehr passives ist. Durch eine ganze Reihe von Bildern habe ich die Richtig- keit dieser Voraussetzungen bestätigt gefunden. Würde man sich dagegen N aus der Reihe der Glieder der Muskelsäulchen wegdenken, dann wären viele dieser Bilder nicht zu erklären. Wir kommen später bei der Besprechung der starken Säure- wirkung auf einzelne solcher Bilder zurück. j Ich muss nun, ehe ich in der Vertheidigung der Streifen N (Nebenseheiben) fortfahre, auch darauf hinweisen, dass ich das Vorkommen der Streifen N einem genauen Studium unterworfen habe und dass dieses ergeben hat, dass die Streifen N kein con- stanter Befund an den Arthropoden-Muskeln sind. Im Gegentheile, das Vorhandensein oder Fehlen der Streifen N ist einem sehr grossen und anscheinend ganz regellosem Wechsel unterworfen. Wenn man aber eine grosse Anzahl von Thieren untersucht, findet man bald, dass gewisse Muskeln bestimmter Thiere in der Regel ausgezeichnet sind durch das Vorhanden- sein, dagegen andere Muskeln bestimmter Thiere ausgezeichnet sind durch das Fehlen der Streifen N in den jene Muskeln zu- sammensetzenden Fasern, dass ferner bei einzelnen Species das Fehlen von N, bei anderen Species das Vorkommen derselben die Regel ist. Als Beispiele habe ich angeführt die Dyticiden, bei welchen die N m der Regel fehlen, obwohl man immer auch an einzelnen Fasern die N vorfindet; bei den Aphodius-Arten, bei Searabaeus laticollis, bei den Geotrupes-Arten, bei den Hister- 668 A.Rollett: Arten, bei Lucanus cervus, bei Stenomax lanipes ist das Vor- handensein der N die Regel, während das Fehlen derselben nur an einzelnen Fasern beobachtet wird. Solche Beispiele liessen sich von den Käfern noch sehr viele anführen. Wenn man Muskelfasern oder Fibrillen mit schön ent- wickelten Streifen N von Astacus fluviatilis beobachten will, nehme man die Muskeln, welche von den Coxopoditen der Scheeren- und Gehfüsse in die Thoracalsomite hinemlaufen, weil an diesen N ausnahmslos gut entwickelt vorkommt, während das an den Scheeren- und Schwanzmuskeln nicht so der Fall ist. Ich habe ferner betont, dass die angeführten Unterschiede ebensowohl bei der Untersuchung der Muskeln von im Weingeist ertränkten Thieren, wie bei der Untersuchung lebender, ohne irgend welchen Zusatz unter das Mikroskop gebrachter Fasern wahrzunehmen sind. Bei der Untersuchung der letzteren kann man sich über- zeugen, dass ebenso wie an Muskelfasern, welehen die Streifen N fehlen, so auch an Muskelfasern, an welchen die Streifen N vorhanden sind, durch lange Zeit ganz energisch Contraction und Erschlaffung mit einander abwechseln können. Mit Bezug auf alle diese Beobachtungen formulirte ich den Ausspruch, dass durch dieselben den Streifen N der Stempel schwerer Verständliehkeit aufgedrückt werde, dass aber aus den- selben zugleich hervorgeht, dass die Streifen N eine eardinale Bedeutung für den Contractionsvorgang nicht haben können. Es war mir darum von grossem Interesse, dass ich, ausser dem schon früher erwähnten ganz ähnlichen und von dem Ver- halten der Q beim Quellen in Säuren wesentlich abweichenden Verhalten der Z und N beim Quellen in Säuren, noch andere Hinweise auf eine Zusammengehörigkeit der Z und N auffand. Man erinnere sich hier an das früher angeführte Verhalten der @ einerseits, der Z und N andererseits bei der Färbung von Al- kohol-Muskeln mit Pikrocarmin. Ferner muss ich noch genauer eingehen auf die hier be- sonders in Betracht kommende Vergoldung der Muskeln nach Vorbehandlung derselben mit Alkohol. Die Resultate derselben sind ausführlich auseinandergelegt in dem zweiten Theile meiner Untersuchungen über den Bau der quergestreiften Muskelfasern Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 669 und in meinen Untersuchungen über Contraction und Doppel- breehung der quergestreiften Muskelfasern. An also vergoldeten Muskelfasern erscheinen die Streifen Q immer schön und rein roth, während die Streifen Z und die Streifen N blau-roth oder grau-roth, oder geradezu neutral grau erscheinen. Durch das letztere Verhalten ausgezeichnet fand ich die Muskeln von Astacus fluviatilis und Maja squmado. Ich will hier ausführlicher die Muskeln des Flusskrebses besprechen und von denselben zugleich den Ausgang nehmen, um das Verhalten der Streifen N bei der Contraetion zu erläutern. Zuerst aber noch die folgende Bemerkung. Sehr eigenthümlich ist, was Retzius über die Muskel- säulehen des Flusskrebses mittheilt. Er nimmt an extendirten, mit Rosanilin gefärbten Muskelsäulchen dunkel gefärbte punk- tirte Zwischenscheiben (unsere Z), helle isotrope Bänder (unsere J) und schön rosagefärbte Quer- und Mittelscheiben (unsere @ mit h) und manchmal in den Querscheiben noch eine Reihe fei- nerer Querstreifen wahr. Früher sehon führt er an, dass die Sarkosomen bei den Krebsmuskeln klein seien und dass sich eine regelmässige Anordnung derselben, wie bei den Käfern, kaum nachweisen lasse. „Aus dieser Darstellung“, so schliesst Retzius!) seine Mittheilungen über die Krebsmuskeln, „geht u. A. hervor, dass in den Astacus-Muskelfasern keine sog. „Nebenscheiben“ vor- kommen; es sind ja hier auch keine Sarkosomen vorhanden, welche solche Nebenscheiben vortäuschen können.“ Dieser Ausspruch von Retzius ist gewiss höchst merk- würdig, wenn man bedenkt, dass Engelmann?), Nasse?) und ich selbst*) die Nebenscheiben bei den Muskelfasern des Fluss- krebses mit, ich möchte fast sagen, greifbarer Deutlichkeit ge- sehen und abgebildet haben. Ich sehe auch heute noch die Streifen N an Muskelfasern des Flusskrebses und weiss auch sicher und fern von jeder opti- 1) l.c. pag.81. 2) Pflüger’s Archiv Bd. 7, pag. 33, Tafel II, Fig.3 u. Fig. 24. 3) Pflüger’s Archiv Bd. 17, pag. 282 und Holzschnitt aufp. 288. 4) Untersuchungen, II. Theil, l.c. pag. 23, Tafel IV, Fig. 26. 670 A. 'Rollett: schen Täuschung, dass die Streifen N hier, wie an allen Mus- keln, durch bestimmte Glieder der Muskelfibrillen bedingt sind. Die Streifen N sind an Muskelfasern des Flusskrebses zu sehen, wenn die Fasern frisch sind, wenn sie in Alkohol ge- härtet und in Glycerin aufpräparirt sind; sie sind an mit Häma- toxylin tingirten Fasern zu sehen, sie sind als doppeltbrechende Streifen auf Gypsgrund Roth I. Ord. und im Interferenzstreifen des speetral zerlegten Roth I. Ord. zu sehen und sie sind end- lieh zu sehen an Muskeln, welche nach Vorbehandlung mit Al- kohol vergoldet wurden. An den letzteren wollen wir sie hier, wie schon gesagt, näher kennen lernen. Also vergoldete Krebs- muskeln lassen sieh durch Zerfasern in die feinsten Fibrillen zer- legen und an diesen ist dieselbe Querstreifung zu sehen, wie an der Muskelfaser, aus welcher sie erhalten wurden. Fig. 7,I stellt eine solehe Fibrille aus einer erschlafften Muskeifaser dar. Die Glieder @ erscheinen roth, sie lassen drei satter ge- färbte Abschnitte und dazwischen zwei heller roth gefärbte Ab- schnitte erkennen. Die letzteren entsprechen dem an den meisten Muskeln einfach, bei den Krebsmuskeln aber häufig doppelt er- scheinenden Streifen h (Hensen’schen Streifen). Ein doppelter Hensen’scher Streifen wird übrigens nicht bloss an den Krebs- muskeln gefunden, ich habe ihn auch an Muskelfasern von Ce- tonia aurata, Tropinota hirta, Oxythyrea stietica und Ragonycha melanura beobachtet und diese Deutung der zwei hellen Streifen in dem Streifen @ ausführlich begründet). Die Glieder J und E der vergoldeten Fibrille Fig. 7, I er- scheinen ganz blassroth, dagegen erscheinen die Glieder Z und N derselben grau und zwar Z sehr dunkel, N heller grau. Dieses Verhalten der einzelnen (@Querstreifen bei der Im- prägnation mit Gold habe ich als eine Rechtfertigung der ein- heitlichen Auffassung der Glieder @ angesehen?); ferner habe ich hervorgehoben, dass es auf eine Verwandtschaft der Streifen N und Z und eine analoge Verschiedenheit derselben von den Streifen Q hinweist, und das steht im Einklange mit den oben angeführten Thatsachen. 1) Untersuchungen, I. Theil, l.c. pag. 94; II. Theil, pag. 64. 2) Untersuchungen, II. Theil, l.c. pag. 66. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 671 Eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung ist, dass bei den Muskeln des Flusskrebses die Streifen N immer viel heller als 7, aber ganz deutlich dunkler als die Streifen E und J befunden werden, nicht bloss an den vergoldeten Muskeln, sondern auch an den in Weimgeist gehärteten Muskeln und an den frischen Muskeln. Es ist das wichtig für die Beurtheilung des Verhaltens der Streifen N bei der Contraetion. Bei dieser rücken nämlich die Streifen N dureh Schwinden der Streifen E ganz an Z heran und man sieht dann den durch seine Helligkeit von Z wohl zu unterscheidenden Streifen N ganz unmittelbar an Z ansitzen. Eim Bild, welches man nicht in so schöner Weise beobachten kann, wenn N und Z, wie es bei Käfer- muskeln meistens der Fall ist, gleich hell, beziehungsweise gleich dunkel sind. Auch an vergoldeten Fasern ist dieses Bild aus den angeführten Gründen sehr deutlich. Es ist, und zwar wieder an einer isolirten Fibrille in Fig. 7, II dargestellt. Die Bilder, welche in Fig. 7, I und II dargestellt sind, zeigen uns also die Streifen N direet als Glieder der Muskelfibrillen des Krebses, an welchen nach Retzius keine Nebenscheiben vorkommen sollten. Um später noch andere Contractionsbilder, welche für das Verhalten der Streifen N bei der Contraction von Wichtigkeit sind, besprechen zu können, will ich hier eine umfassendere Be- trachtung über die Veränderung der Querstreifung der Muskel- faser bei der Contraction einschalten. Es wird sich dieselbe auf meine an einem anderen Orte!) niedergelegten ausführlichen Untersuchungen des Contractionsvor- ganges an lebenden Muskelfasern und der Bilder, welche soge- nannte fixirte Contraetionswellen darbieten, stützen. Ueber die sogenannten fixirten Contraetionswellen, welche man in den Muskeln von Käfern und von Krebsen, die in Alkohol ertränkt wurden, sehr zahlreich auffindet, bin ich dort zur An- schauung gelangt, dass ihnen nicht, wie bisher immer angenommen wurde, einheitlich rasch fixirte lebende Wellen zu Grunde liegen. Nein! Ihre Bildung erfordert eine grössere oder geringere Zeit, sie werden angelegt dadurch, dass eine ganze Reihe auf- 1) Denkschrift. ete. Bd. LVIII, 1890, pag: 23. 672 A. Rollett: einanderfolgender kurzer lebender Wellen successive partiell fixirt werden. Da sie nun zwar keine emheitliche Bildung, wohl aber eine Summe von festgelegten Theilen zeitlich aufeinandergefolgter Con- traetionswellen sind, habe ich. ihnen ihren hergebrachten Namen belassen. Die Vergleichung der lebenden und der fixirten Contractions- wellen führte zu dem Schlusse, dass wir den Bildern, welche fixirte Contraetionswellen darbieten, einen grossen Werth für die Beurtheilung der Contraetion der lebenden Fasern zugestehen müssen. Besonders ist die Veränderung der Querstreifung an fixirten Wellen der Hauptsache nach eine ganz ähnliche, wie an lebenden Wellen. Ich will hier unserer Betrachtung speciell die Mus- keln des Flusskrebses, und zwar vergoldete Muskelfasern, an welchen sich fixirte Contraetionswellen befinden, zu Grunde legen, während ich in den genannten Untersuchungen zwar darauf ver- wiesen, aber nicht ausführlich davon gehandelt habe. Die Betrachtung der Krebsmuskeln ist aber sehr belehrend und ganz besonders ist hervorzuheben, dass vergoldete Muskeln des Flusskrebses nieht nur in ihren erschlafften Theilen, sondern auch in ihren contrahirten Theilen und in den Uebergängen zwischen beiden sich sehr leicht in feinste Fibrillen zerfasern lassen. Zunächst kehren wir zu Fig. 7 zurück; die dort mit I—V bezeichneten Fibrillen entsprechen anfänglich erschlafften, dann in Contraetion übergehenden und endlieh contrahirten Fibrillen; sie sind einzeln ganz naturgetreu nach Zupfpräparaten dargestellt und nebeneinandergesetzt. Wir sehen in Fig. 7, I die Streifenfolge JIJHN+E+Z NT Oase rseinenneich gestreiften erschlafften Faser, in Fig. 7, II die Streifenfolge IHN +Z+N+J + Qu. = f. und in Fig. 7, III die Streifenfolge J+Z-+J+0Q von der Er- schlaffung nahen Fasern, in Fig 7, IV die Streifenfolge J/ + Z/ +) +0 u. s. f. eines Uebergangsstadiums und in Fig. 7, V die Streifenfolge © + @ u. s. f. der eontrahirteu Faser. Alle diejenigen Streifen, welche an Goldpräparaten sehr satt gefärbt erscheinen, sind am ungefärbten Muskel bei tiefer Einstellung dunkel, die weniger satt gefärbten heller und am hellsten diejenigen, welehe am wenigsten gefärbt erscheinen. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma etc. 673 Die Goldbilder geben also zugleich eine gute Vorstellung von den ungefärbten Muskelfasern in verschiedenen physiologischen Zuständen und ganz etwas ähnliches lässt sich auch behaupten für Muskelfasern, die gut mit Hämatoxylin gefärbt wurden, denn an diesen sind alle Streifen, die mit Gold satt gefärbt erscheinen, auch am stärksten gefärbt, die weniger gesättigt gefärbten an den Goldbildern sind auch an den Hämatoxylinbildern weniger gefärbt und die in Goldbildern am wenigsten gefärbten sind auch an den Hämatoxylinbildern am wenigsten gefärbt. Um den Zusammenhang der in den Bildern Fig. 7, I—V vorliegenden Querstreifungen und die Deutung, welche wir ihnen gegeben haben zu erläutern, verweise ich auf das Schema Fig. 8. Es entspricht einer vergoldeten fixirten Contractionswelle eimer Muskelfaser von Astacus fluviatilis. Sie ist stark vergrössert, die Längsstreifung ist weggelassen und nur die Querstreifen sind als ununterbrochene Bänder m den Dimensionen, Entfernungen und Farben eingezeichnet, wie man sie wirklich sieht. I—XV in Fig. 8 bezeichnen 15 Muskelabschnitte oder Seg- mente. Ueber deren Abgrenzung orientirt man sich am besten durch die am Rande der Faser sichtbaren Durchschnitte der Tonnen- gewölbe. Die Bogen der letzteren werden vom Sarkolemma und einer demselben innen aufliegenden Schichte Sarkoplasma gebil- det!). Der höchste Punkt der Bogen liegt immer der Mitte der gleich später zu definirenden metabolen Schichten der Muskel- faser Fig. 8 u gegenüber; die Fusspunkte der Bogen fallen immer mit der Mitte der gleichfalls später zu definirenden arimetabolen Schichten der Muskelfaser Fig. 5 « zusammen. Unsere Abschnitte oder Segmente entsprechen dem, was Engelmann?) als Muskelfächer bezeichnet hat. Er geht dabei von dem Streifen aus, den ich mit Z und den er als Zwischen- scheibe bezeiehnet hat. Diese Scheibe, sagt Engelmann, ist die festeste und theile die quergestreifte Substanz gleiehsam in natürliche Fächer oder Etagen ab. Ich habe diese Bezeichnung vermieden und die obigen rein den Thatsachen entsprechenden Bezeichnungen gewählt, weil Muskelfächer ebensowenig existiren wie Scheiben oder eine Grundmembran (Krause). 1) Siehe Untersuchungen, I. Theil, 1. e. pag. 97 u. 9. 2) Pflüger’s Archiv Bd. 7,&pag. 37. 674 A. Rollett: Es entsprechen ferner in der'erschlafften Muskelfaser unsere Streifen @ Fig. 8 der anisotropen Schichte Engelmann’s, da- gegen unsere Streifen JHN+E+Z+E-+NH+J der iso- tropen Schichte Engelmann ’s. Es ist ein hoch zu schätzendes Verdienst Engelmann’s, dass er, so wie er der erste war, der die reiche Streifung der In- seetenmuskeln genau beschrieben hat, auch zuerst das verschie- dene Verhalten der Streifen @ einerseits und der Streifen J+ N +E+Z+E+)J anderseits bei der Contraetion genauer be- schrieben hat. Mit der Bezeichnung der die Streifen JHN+E+ZHE + N + J enthaltenden Schichte als isotrope Schichte hat sich aber Engelmann eine seinen eigenen Beobachtungen widerspreehende unzweckmässige Vereinfachung gestattet; um aber eine einheit- liche, auf das verschiedene Verhalten der Streifen @ und der Streifen JHN+E+Z+E+N +) bei der Contraetion hin- weisende Bezeichnung zu haben, werde ich die@ (Engelmann’s anisotrope Schichten) als metabole Schiehten, de JHN+E+Z + E+-N +) (Engelmann's isotrope Schichten) als arimetabole Schichten bezeichnen. Im Falle der weniger reichen Streifung werden die @ wieder als metabole, die J+Z-+ J aber als ari- metabole Schichten bezeichnet. Wir wollen nun die Veränderungen, welche die arimetabolen und die metabolen Schichten bei der Contraetion erleiden, an dem Goldpräparate verfolgen. In den arimetabolen Schichten rücken bei zunehmender Ver- kürzung der ganzen Schiehte die Streifen N näher an die Streifen Z heran, Fig. 8a zwischen Iu.I, Ilu. IH, IH u. IV und IV u.V, bis bei einer bestimmten Verkürzung der arimetabolen Schichte der Streifen E, weleher früher zwischen N und Z vorhanden war, nicht mehr zu sehen, Fig. Sa zwischen V u. VI. Schliess- lich vereinigt sich der Streifen N vollständig mit Z und es be- steht die arimetabole Schichte nur mehr aus den Streifen J + Z + J, wie das bei weniger reich gestreiften Muskeln gleich an- fänglich der Fall ist. Ganz entschieden in Abrede muss ich es stellen, dass es vorkommen kann !), dass die Streifen N bei der Verkürzung der 1) Engelmann, Pflüger’s Archiv Bd.18, pag. 27. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma etc. 675 Fasern auch mit Q verschmelzen, indem zuerst der Streifen J verschwindet. Ich habe immer nur das erstere, aber an sehr sehr zahlreichen, nach vielen Hunderten zählenden Präparaten niemals das letztere gesehen, und durch eme Reihe von That- sachen, welehe ich schon mitgetheilt habe, wird ein solches Ver- halten des Streifens N auch im höchsten Grade unwahrscheimlich. Eine sehr auffallende Veränderung tritt nun im nächstfol- senden Stadium in der arimetabolen Schichte auf. Man sieht an Stelle der hellen und wenig gefärbten Streifen J des früheren Stadiums zwei stark gefärbte dunkle Streifen und dazwischen einen hellen Streifen, der wenig mit graulichem Tone gefärbt er- scheint. Ich bezeichne die dunklen Streifen mit J’, den hellen Streifen dazwischen mit Z/, Fig. Sa zwischen VII u. VIII und VOL u.IX und IX u. X. Es stellt sieh nämlich heraus, dass die Streifen J’ als dun- kel gewordene J, die Streifen Z/ als heller gewordene Z zu be- trachten sind. Entscheidend für diese Auffassung ist erstens das Verhalten im polarisirten Lichte, in welehem die J‘ einfach breehend erscheinen, wie die J, die Z/ dagegen doppeltbrechend wie die Z, zweitens eine Thatsache, welche gleich erwähnt wer- den soll. Es kommt nämlieh manchmal vor, dass zwischen dem Stadium der Veränderung, welches die arimetabole Schichte zwischen VI und VII Fig. 8 und zwischen VII und VII Fig. 8 zeigt, noch ein Stadium eingeschaltet ist, in welchem J‘ und Z’ sich so verhalten, dass J’ noch nieht ganz dunkel, dagegen Z’ noch nicht ganz hell erscheint. Da nun dieses Stadium, in welchem J’ und Z’ einander ähnlieh sind, auch mit einer später zu besprechenden Veränderung der metabolen Schichten zusam- menfällt, durch welehe auch diese Sehichte den Schichsen J’ und Z‘’ ähnlich wird, so hat die Muskelfaser in diesem Stadium die undeutlichste Querstreifung. Es ist dann das sogenannte homo- gene Stadium der Autoren vorhanden, welches ein vor dem be- schriebenen Stadium J’ + Z/ + J’ gelegenes Uebergangsstadium ist. Ich habe aber dasselbe nicht als regelmässiges Stadium an fixirten Contraetionswellen von Arthropoden-Muskeln beobachtet. Dagegen habe ich die in Fig. 8 gezeichnete Streifenfolge J’ + 7 + J als Uebergang von den erschlafften Segmenten der Muskel- faser zu den eontrahirten Segmenten in den meisten Fällen ge- sehen. 676 A. Rollett: In den Zeichnungen, welehe Engelmann seinen Abhand- lungen !) beigiebt, finde ich die Streifenfolge J’ + Z’ + J’ nirgends scharf dargestellt. Dagegen findet sich die beschriebene Streifen- tolge J + Z/+ J‘ in dem schematischen Bilde von Nasse?) an zwei Stellen und er giebt dazu an, dass die Endstreifen (i. e. un- sere J’) der Querscheiben (1. e. unserer @) dabei nur mehr durch einen schmalen Spalt, erfüllt von isotroper Substanz (i. e. unserem 7’), von einander getrennt seien. Ich habe schon angeführt, dass die dunklen Streifen J’ ein- fachbreehend, dagegen die hellen Streifen Z’ doppeltbrechend sind, woraus sich am besten die unriehtige Auslegung des von Nasse richtig gesehenen Stadiums ergiebt. Im weiteren Verlaufe der Contraetion lässt Nasse, wie ich gleich anführen will, den schmalen Spalt zwischen den Endstreifen der Querscheiben immer enger werden und endlich verschwinden, worauf die Endstreifen der Querscheiben zu dem von Nasse als Öontractionsstreifen be- zeichneten Streifen verschmelzen. Nach unserer Darstellung würde (das heissen, es verschwindet das helle Z’ zwischen den dunklen J’ und die letzteren verschmelzen zum Contraetionsstreifen; wenn wir letzteren mit © bezeichnen, so liesse sich sagen, an Stelle der Streifenfolge J’ + Z’+ J tritt in den arimetabolen Schichten der dunkle Streifen © Fig. 8a zwischen X u.XI, Xlu. XI, XII und XIII ete. und das ist in der That auch die Anschauung, zu der ich durch genaue Verfolgung der Uebergänge an fixirten Contraetionswellen gelangt bin. Wir gehen nun über zu den metabolen Schichten. Diese zeigen Anfangs nur wenig Veränderung, sie verkürzen sich ver- hältnissmässig weniger als die arimetabolen Schichten, wie in Fig. 8 zu ersehen ist. Endlich ändert sich aber auch das Aussehen der metabolen Schichte, sie wird heller, die früher bestandene Differenzirung zwischen den satter gefärbten Partien und den hellen h sechwin- det und im der Mitte der veränderten metabolen Schiehte tritt ein schlecht begrenzter dunklerer Streifen auf, welchen ich mit m bezeichnet habe, Fig. 8 Vllu, VIllu, IXu, Xuu. s. f.; für die veränderte metabole Schichte gebrauche ich die Bezeichnung Q. 1) Pflüger’s Archiv Bd.7, pag.155, Tafel IIl, Fig.1 und Bd. 18, pag.1, Fig. 1, 2, 4 und 5. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 17, pag. 288. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 677 Ich habe auf Grund dieser Beobachtungen unterschieden: 1. Das Anfangs- oder Ruhestadium des erschlafften oder der Erschlaffung nahen Muskels mit der Streifenfolge JHN+E+Z E+N + )J oder der Streifenfolge J + Z-+ J in den arimeta- bolen Schichten und dem Streifen @ (mit h) in den metabolen Schichten. f 2. Das Uebergangsstadium in seinen verschiedenen Erschei- nungsweisen mit der Streifenfolge J’ + Z+ J’ in den arimeta- bolen Scehiehten und dem Streifen @ (mitm) in den metabolen Schichten. 3. Das Contractionsstadium mit den Streifen © im den arimetabolen und den Streifen @ (mit m) in den metabolen Schichten. Zur weiteren Beleuchtung der Unterscheidungsgründe dieser drei Stadien muss ich noch einiges bemerken. Ich habe schon in dem ersten Theile meiner Untersuchungen !) angeführt, dass sie eine Darstellung der Querstreifung der Muskelfasern der In- seeten im erschlafften oder der Erschlaffung nahen Zustande enthalten. Es ist aber selbstverständlich, dass das, was nicht ganz erschlafft ist, in einem mässigen Zustande der Contraction sich befindet und man könnte daher solehe Muskelfasern auch als dem contrahirten Zustande nahe bezeichnen. Und es wäre ganz zweckmässig, für denselben Verkürzungszustand des Muskels einmal die eine und das andere Mal die andere Bezeichnmng zu wählen, wenn man, einmal den Uebergang in die Contraetion, das andere Mal den Uebergang in die Erschlaffung oder bei le- benden Contractionswellen das eine Mal die im Anfange, das an- dere Mal die im Ende der Welle befindlichen Theile der Faser im Auge hätte. Um diese Unterscheidungen soll es sich aber bei der Aufstellung unserer früheren Stadien nicht handeln. Die erschlaffte Muskelfaser zeigt eine ganz bestimmte Folge von Querstreifen. In allen Fällen, in welchen, abgesehen von der verschiedenen Breite und dem Fehlen einzelner dieser Streifen, die an der Faser vorhandenen Streifen wesentlich dieselbe mi- kroskopische Beschaffenheit aufweisen wie die Streifen der er- schlafften Muskelfasern, sprechen wir allein aus diesem mikros- kopischen Grunde von der Querstreifung der erschlafften oder 1) l.c. pag.83. 678 A. Rollett: der Erschlaffung nahen Muskelfaser ; wenn dagegen die mikros- kopische Beschaffenheit der Querstreifen bei eontrahirten Muskel- fasern einmal wesentlich geändert erschemt, ist von der Quer- streifung des Uebergangsstadiums oder der contrahirten Faser die Rede. Mit den Thatsachen, welche wir über die Veränderung der (uerstreifung bei der Contraction an den Fibrillen der Krebs- muskeln und an der in Fig. 5 dargestellten Contraetionswelle kennen gelernt haben, stimmen auch die Beobachtungen überein, welche man an einer Abart dieser Wellen, den seitlichen Contraetions- wellen, machen kann. Eine Beobachtung Föttingers!) weiter verfolgend, habe ich gefunden ?), dass man solche seitliche Contractionswellen immer in grosser Menge und Mamigfaltigkeit an den Muskeln von in Alkohol ertränkten Chrysomeliden findet. Man weiss durch Föttinger, dass sich bei diesen Käfern die seitlichen Wellen an jenen Wellen der Muskelfasern bilden, wo Doy&re’sche Hügel aufsitzen. Sucht man an solchen Muskeln eifrig, dann gelingt es allerdings mit nicht geringer Mühe und Schwierigkeit, solche seitliche Wellen zu finden, an welchen sich die Uebergänge von eontra- hirten zu erschlafften Theilen in derselben Einstellebene verfolgen lassen. Alle seitlichen Wellen, die man findet, eignen sich aber nicht dazu und darin liegt eben die Schwierigkeit. Eine mit Hämatoxylin tingirte seitliche Welle von Cassida equestris habe ich in Figur 9 abgebildet. Es sind in derselben von den erschlafften gegen die eontrahirten Theile hin die Ver- änderungen, welche die arimetabolen und die metabolen Schichten bei der Contraetion erleiden, in ein und derselben Schiehte zu verfolgen. Mit Bezug auf das Verhalten der Streifen N bei der Con- traction ist die Vereinigung derselben mit Z hervorzuheben. Fer- ner ist bemerkenswerth die Gabelung, welche man beim Ueber- sange der Contractionsstreifen in die Streifenfolge + 2 + J’ wahrnimmt. 1) Onderzoek. Ged in het physiol. Labor. d. Utrecht. Hoogeschol, A. d. F. C. Donders en Th. W. Engelmann. Derd. Reeks V, 1880, pag. 293. 2) Untersuchungen, I. Theil, l.c. pag. 26 u. d. £. Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 679 Diese Gabelung ist auch von Föttinger an einer seit- liehen Contraetionswelle von Passalus glaberimus sehr gut dar- gestellt worden. Ziehen wir nun aus unseren Untersuchungen über die mi- kroskopischen Vorgänge bei der Contraction eine Folgerung für die Streifen N, so lautet dieselbe wieder: die Streifen N sind eben so gut wie die Streifen Q, J, E und Z durch besondere Glieder der Muskelsäulchen bedingt. Ich muss nun noch, wie ich schon angekündigt habe, auch auf die Veränderungen eingehen, welche starke Wirkung einer Säure an den Muskelfasern hervorbringt. Ich habe in meinen Untersuchungen !) die Versuche darüber ganz absichtlich mit solehen Muskeln begonnen, welche die reiche Streifung, also die Streifenfollge ZHE+N+JI+Q+JI+N + E+Zu.s.f. darboten. Es wird gut sein, wenn ich mich hier besonders genau an die Darstellung halte, die ich im Jahre 1880 gegeben habe. Sobald der Säurestrom (1°/,ige Ameisensäure) sich über die Muskelfasern ergiesst, quellen dieselben beträchtlich und wer- den dabei blasser, das gilt namentlich von der Schichte @. Die Schichten N und Z bleiben anfänglich in Bezug auf Verbreiterung hinter Q@ zurück, so dass die Faser entsprechend den Schichten N und Z eingeschnürt erscheint. Die Schichten Q erscheinen in der gequollenen Faser höher, die Schichten N und Z dagegen aufeinandergedrängt. Nun folgen aber auch die so veränderten Schichten N und Z der wachsenden Ausdehnung der Schichten Q in die Breite und es stellt sich ein Bild her, welches leicht für das Bild einer Muskelfaser mit sehr dunklen Streifen N ge- halten werden könnte, siehe Fig. 10, welches aber in Wirklich- keit ganz anders zu deuten ist. Man sieht statt der früheren dunklen Elemente der Schichten N dunkle runde oder etwas längliche Gebilde, Fig. 10, 1, I u. s. f., die wie neben einanderliegende Körner aussehen. Durch die Schichten @ laufen feine dunkle Linien, welche je zwei dieser Knoten der Länge nach verbinden, Fig. 10. Zwischen den im Zwischenraum je zweier aufeinander folgender Q liegenden Qner- 1), I. TDheil,.l. e. pag; 115. 680 A. Rollett: E3 reihen von Knoten I erscheint in einer verdunkelten Schiehte noch deutlich der Streifen Z. Ein weiteres Stadium der Veränderung durch Säurewirkung ist in Fig. 11 von derselben Muskelfaser dargestellt. Die Q sind noch weiter gequollen und in der Mitte derselben tritt eine Tren- nung des Zusammenhanges auf. Es stellt sich der von mir aus- führlich beschriebene Scheibenzerfall in Säuren her, die Scheibe a ist schon völlig isolirt, b, e und d nur theilweise, da sie rechts noch ein wenig zusammenhängen. Nachdem wir diese Veränderung der Muskelfasern besprochen, kehren wir noch einmal zu dem Bilde Fig. DB zurück, welches aus in Alkohol in Scheiben zerfallenen Aphodiusmuskeln durch schwache Säurewirkung entstanden war. Wir lassen auf solche Bilder die Säure nun stark, das ist länger und unter öfterer Erneuerung durch Drainage, einwirken. Dabei beobachtet man, dass auch die N in dem inneren Felde der Figur sich verbreitern. Dabei ändert sich aber auch bald das Ansehen des den N entsprechenden Mosaiks. Die Aenderung besteht darin, dass die dunklen Felder des Mosaiks immer grös- ser und heller werden, dagegen wird das früher helle Geäder zwischen den Feldern immer dunkler, so dass bald helle Felder von einem dunklen Geäder umgeben vorhanden sind. Es ist das las bekannte Bild, welehes mit Säure behandelte Muskeln auf dem Querschnitte zeigen und welches eben so auch an vergolde- ten Muskeln zu sehen ist, bei welchen die Felder weiss, das Ge- äder roth erscheint. Die Seitenansicht der in Säuren also ver- änderten Scheiben gleicht dann völlig der Seitenansicht der Schei- ben in Fig. 11. Man könnte nun, so schrieb ich im Jahre 1885, die Seiten- ansicht, welche hier in Fig. 11 zu sehen ist, leicht mit der Seitenansicht, welche in Fig. 6 von den Seheiben N+E+Z + E-+N zu sehen ist, verwechsen und „die Querreihen I von dunklen Knoten für die Elemente (Stäbe) der Schichten N halten, während sie in der That etwas ganz anderes sind“, Die Querreihen von dunklen Knoten gehören dem Sarko- plasma an, welches neben den in Säure gequollenen Muskelsäul- chen das besprochene Ansehen annimmt. Da ich im Jahre 1885 absolut nicht ahnen konnte, dass ich die hier angezogenen Säurebilder im Jahre 1891 zur Ver- Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 681 theidigung der Streifen N (Nebenscheiben) werde heranziehen müssen, wird es meinen folgenden Darlegungen zu Gute kommen, dass ich sehon im Jahre 1585 auf diese Bilder und ihre gefähr- liche Beziehung zu der reichen Streifung der Muskelfasern auf- merksam gemacht habe. Bald nachdem ich die im Eimgange erwähnte Arbeit von Retzius erhalten hatte, beschäftigte ich mich auch mit der An- fertigung von Präparaten der quergestreiften Muskelfasern von Käfern nach dem Vorgange von Retzius. Ich habe zwar nicht die- selben Käfer untersuchen können, die Retzius untersuchte, und na- mentlich nicht Oryetes nasicornis, da dieser jetzt nicht lebend zu haben war, ich habe aber eine Reihe von Carabiden: Megadon- tus violaceus, Pterostichus transversalis, Platynus angusticollis und albipes, Amara communis und ferner Dyticus marginalis unter- sucht. Ich fand, dass die Bilder, welche man von den Muskeln erhält, wenn man sie behandelt mit Chrom-Osmium-Essigsäure- Gemisch, welches weniger Osmiumsäure enthielt, als das Gemisch Flemming’s, sehr verschieden sind je nach der Zeit, während welcher sie m diesem Gemische verweilen. Es hätte aber langwierige Studien erfordert, zu welchen mir jetzt die Zeit mangelt, wenn ich mich ganz entschieden über diese verschiedenen Bilder sollte äussern können. Nach bestimmtem Verweilen der Muskeln in jenem Gemische und Färbung derselben mittelst Rosanilin und Einschliessen im Kaliacetat erhielt ich aber Bilder mit den von Retzius beschrie- benen Körnerreihen zu beiden Seiten des Streifens Z. Diese Körnerreihen gehören, wie Retzius angiebt, dem Sarkoplasma an und man wird sofort an die Bildungen erinnert, welche in den Figg. 10 und 11 dargestellt sind. Man sieht, wie das auch Retzius angiebt, an solchen Mus- kelfasern auch in dem Sarkoplasma unter dem Sarkolemma stark gefärbte Klümpcehen und solche stark gefärbte Klümpcehen treten auch in den Knotenreihen I, vergleiche Figg. 10 und 11, auf. Zerzupft man die Muskeln, dann kann man solche Klümpchen frei zwischen den sichtlich gequollenen Muskelsäulchen beob- achten. Ich besitze noch zu wenig Erfahrung, um mich über die Provenienz dieser Klümpcehen genauer aussprechen zu können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 45 682 A. Rollett: Dass dieselben mit den Körnehen identisch sind, die man überall im Sarkoplasma von frischen Muskeln und von Weingeistmuskeln beobachtet und welche ich selbst vielfach abgebildet habe, kann ich für keine ausgemachte Sache ansehen. Die gefärbten Klümp- chen in den mit Chromosmium-Essigsäure, Rosanilin und Kaliacetat behandelten Muskeln erscheinen um Vieles grösser. Man kennt aber eben die Wirkung aller dieser Reagentien auf die Kömnchen des Sarkoplasmas noch zu wenig. Zum Schlusse möchte ich noch ein paar Worte über die intereolumnaren Spaltenräume von Retzius vorbringen. Retzius!) führt darüber das folgende an: „sie sind zwar in der lebenden und nieht erhärteten Muskelfaser nieht sichtbar und an Säure- und Goldpräparaten verschwinden sie durch An- schwellung der Säulchen (resp. Fibrillen), lassen sieh aber bei der Anwendung der gewöhnlichen Erhärtungsmethoden mehr oder weniger deutlich demonstriren.“ | Dieser Ausspruch von Retzius scheint mir denn doch sehr dazu aufzufordern, an die Existenz der intercolumnaren Spalten- "iume im lebenden Muskel noch eifrig die Sonde der Kritik an- zulegen. Am wiehtigsten hierfür scheint mir das Querschnittsbild frischer, ganz ohne Zusatz unter das Mikroskop gebrachter Muskel- fasern zu sein. Wie man sich solche @Querschnittsbilder von Käfermuskeln verschaffen kann und dass man an denselben die Muskelsäulehen ebenso von dem enge anliegenden Sarkoplasma- geäder umschlossen sieht, wie an Säure- und Goldbildern, habe ich in meinen Untersuchungen ?) auseinandergesetzt. Ferner habe ich) die Querschnittsbilder frischer Flossen- muskeln des Seepferdehens beschrieben und abgebildet; auch auf diesen werden die Muskelsäulchen dicht vom Sarkoplasma umgeben. Hier habe ich aber gesehen, dass nach länger dauernder Applikation von 1°/, Osmiumsäure sich die Muskelsäulehengruppen mit hellen Säumen umgeben, und durch die die Muskelsäulehen- gruppen und das Sarkoplasma trennenden hellen Säume liefen noch zarte Bälkchen von Sarkoplasma, welche sich in die die 1) 1. e. pag. 74 und 75. 2) II. Theil, 1. c. pag. 44. 3) Dieses Archiv Bd. XXXI, pag. 247 und 248, Ueber die Streifen N (Nebenscheiben), das Sarkoplasma ete. 683 Säulechen emer Gruppe trennenden Sarkoplasmabälkchen fort- setzten. Man hatte hier den Eindruck, dass sieh die Muskel- säulehen durch Schrumpfen von Sarkoplasma zurückgezogen haben. Endlich muss ich hervorheben, dass an allen in Weingeist gchärteten Muskeln von Käfern, Hymenopteren, Musciden und Krebsen und besonders auch an in Weingeist gehärteten Flossenmus- keln von Seepferdchen, von welchen allen ich überaus zahlreiche (uerschnitte mit Hämatoxylin gefärbt und ungefärbt untersuchte), immer nur gesehen wurde, dass die Muskelsäulehen ebenso dicht vom Sarkoplasmageäder umschlossen sind, wie an frischen Mus- keln und an mit Säure behandelten oder vergoldeten Muskeln. Von den Flossenmuskeln des Seepferdchens habe ich ganz besonders in genau der Wirklichkeit entsprechenden relativen Grössen in Fig. 1, Tafel VII, in Fig. 7, Tafel VIII und in Fig. 9, Tafel VIII (Bd. XXXII dieses Arch.) der Reihe nach dargestellt: (Juersehnitte von in Säure stark gequollenen, vergoldeten Muskel- fasern; von in Alkohol stark geschrumpften, mit Hämatoxylin gefärbten Muskelfasern und von in der Mitte zwischen beiden liegenden frischen Fasern. Man sieht auf allen die Muskel- säulchen von dicht anliegendem Sarkoplasma umschlossen. Zum Schlusse wiederhole ich nur, was ich schon oft, um Missverständnisse nicht aufkommen zu lassen, betont habe, dass dem Sarkoplasma selbst noch eine feinere Struetur zukommt. Auf die Wahrschemlichkeit, dass diese Structur eine körnig fibrilläre ist, weisen auch die Untersuchungen von Retzius wieder hin. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVM. Fig. 1-4 Muskelfasern, untersucht mittels des Speetropolarisa- tors. Dieselben sind gelagert über den dunklen Interferenzstreifen des spectral zerlegten Roth I. Ordnung. 1) Untersuchungen, I. Theil, l.c. pag. 23 u. d. f. Tafel I und Tafel 1], Rio SEIaA, 5" =] 10. Il, A. Rollett: Ueber die Streifen N (Nebenscheiben) etc. Eine Muskelfaser von Lucanus cervus. Eine Muskelfaser von Onthophagus taurus. Scheibenzerfall in Alkohol einer Muskelfaser von Opatrum sabulosum. Scheibenzerfall in Alkohol einer Muskelfaser von Scarabaeus laticollis. A eine in Alkohol in Scheiben zerfallene Muskelfaser von Aphodius rufipes nach schwacher Säurewirkung; B eine Scheibe von der Fläche gesehen. Eine in Alkohol in Scheiben zerfallene Muskelfaser von Apho- dius rufipes nach schwacher Säurewirkung. Vergoldete Muskelfibrillen von Astacus fluviatilis in verschie- denen physiologischen Zuständen. Schema einer vergoldeten ÜOontractionswelle von Astacus fluviatilis. Seitliche Contractionswelle von Cassida equestris mit Häma- toxylin gefärbt. Muskelfaser von Staphylinus caesareus nach starker Säure- wirkung. Scheibenzerfall in Säure von einer Muskelfaser von Staphy- linus caesareus. = Graz, April 1891. 685 Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. M.sEheıls): Von W. Flemming in Riel. Hierzu Tafel XXXVIIL XXXIX und XL. Inhalt: A. Untersuchungsverfahren. B. Ein muthmaassliches Aequivalent der Zellplatte bei Vertebraten. C. Veränderung im Zellkörper während der Mitose. D. Ueber die Attractionssphären und Centralkörper in thierischen Gewebszellen und Leucoeyten. E. Zur Mechanik der Zelltheilung, und über die Entstehung der Kernspindel in Gewebszellen des Salamanders. A. Untersuchungsverfahren. Mit dem Verfahren für Verdeutlichung der chromatinlosen Structuren und der Centralkörper, das ich neulich in diesem Archiv bescehrieb?), habe ich auch die Mitose, und insbesondere die Verhältnisse der Spindelfigur bei Amphibien näher studirt und einiges Neue darüber ermittelt. Um so klare Objecte als möglich zu haben, suchte ich dazu die grössesten und zugleich plattesten Zellen aus, die der Körper der Salamanderlarven dar- bietet: solche sind die Epithelzellen wie auch viele Bindegewebs- 1) Fortsetzung zu der Arbeit in diesem Arch. Bd. 29, 1887, S. 389. 2) Bd. 37, Heft 2, März 1891, S.249, am Schluss. — Da die Me- thode, wie dort erwähnt, genau abgepasst sein will und auch so ziem- lich wechselnde Ergebnisse liefert, theile ich hier noch Genaueres dar- über mit. Bei folgender Behandlung habe ich die besten Erfolge und die wenigstem Fehlschläge gehabt: Vorbehandlung der Objeete wie a. a.O. angegeben. Sie kommen in die Safraninlösung (wenige cem) auf 2—3 Tage (Färbung in der Wärme hat mir bis jetzt keinen Unterschied ergeben). Nach Ab- 686 WE en man zellen in der wachsenden Lunge bei jüngeren Larven — Thiere bis höchstens 4em Länge — und Endothel- und Bindegewebs- zellen des parietalen Bauchfells und der Mesenterien. Aeltere waschen in dest. Wasser werden sie mit absolutem Alcohol, dem ganz wenig (höchstens Y/ıooo) Salzsäure zugesetzt ist, ausgezogen, bis sich wenige Farbe mehr löst; sehr dünne Objeete (Bauchfell) habe ich auch oft mit gleichem Erfolg in neutralem Alcohol ausgezogen. Nach kur- zem Waschen mit Aq. dest. kommen dann die Objecte auf 1—3 Stunden in die Gentianalösung (geringes Quantum genügend); dann wieder nach kurzem Waschen in Wasser in concentrirte oder doch ziemlich starke wässerige Orangelösung, in der sich Farbe aus ihnen löst. Aus dieser werden sie (nach wenigen Minuten oder, bei sehr dünnen Ob- jeeten, auch früher), während noch blaue Farbwolken herausgehen, in absoluten neutralen Alcohol übertragen, worin sie anfangs eine Misch- farbe von Braungelb und Violett, dann mehr reines Violett abgeben. Noch während Reste dieser Farbe austreten, werden sie in ein anderes Schälchen mit absolutem Alcohol, und nach kurzem Verweilen darin, auf Nelkenöl oder Bergamottöl übertragen. Auch hierin (in Berga- mottöl weniger) gehen noch leichte Farbwolken heraus; am besten, bevor dies ganz aufgehört hat, wird in Lack eingeschlossen. Wie im Text erwähnt, bekommt man zwar so zuweilen ungleiche Färbungen, stärkere Reste von Orange in den einen Kernen und Zellen, während andere davon fast frei sind; aber andererseits, wenn man so lange wartet, bis sich keine Farbe mehr löst, findet man auch meistens die Centralkörper und Spindeln schon entfärbt und ganz blass. Auf das Abpassen der kurzen Zeit, wo diese Dinge gerade noch Farbe halten, kommt es an. Das Orange ist Orange G, von Herrn Dr. Grübler bezogen (nach dessen gütiger Mittheilung eingeführt von Meister, Lucius und Brüning in Höchst, später auch von der Actiengesellschaft für Anilinfabrieation, Berlin). Es ist das Natronsalz der Anilin-azo-ß-Naph- toldisulfosäure, seine Lösung in Wasser reagirt sauer. Ob sich auch andere Orange-Marken für das Verfahren eignen, habe ich noch nicht probirt. Das Safranin wende ich bei dieser wie bei anderen Färbungen in starker dunkler Lösung an, die mit etwas Anilinwasser versetzt wird, falls sie nicht nach längerem Stehen schon stark nach Anilinöl riecht. Die Lösungen mache ich meist aleoholisch und setze etwa die Hälfte Wasser zu, wie ich bei der ersten Empfehlung dieses Farbstoffs (dieses Archiv 1881,.S. 317 ff.) angab; man lässt dann die Lösung beim allmähliehen Gebrauch durch Verdunsten Alcohol verlieren oder kann auch noch Wasser zusetzen, kann auch mit rein wässerigen Lösungen färben. Auf ein bestimmtes Verhältniss zwischen Wasser- und Aleohol- gehalt, auf das Einige Werth gelegt haben, scheint es mir nicht anzu- Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle, 687 Larven sind weniger geeignet, weil hier, namentlich in der Lunge, das Gewebe bald klem- und diehtzelliger und die rasch wach- senden Capillarennetze störend werden. Ueber die Präparation dieser Theile habe ich schon an anderem Orte (dieses Archiv 1889: Ueber Theilung von Pigmentzellen ete.) berichtet. Für die Lunge setze ich hinzu, dass für ihre rasche und gute Fixirung das vorherige Aufschneiden der Leibeshöhle und leichtes Her- vorzerren der Eingeweide unbedingt nöthig ist, damit die Lösung gleich an die Lunge kommt. Damit nicht durch Muskelcontrae- tion im Absterben Lunge und parietales Bauchfell in Falten ge- härtet werden, tödte ich die Larven erst durch ganz kurzes Ein- legen in Osmiumgemisch ab, öffne dann erst die Bauchhöhle und lege die Larve wieder in die Lösung. Von den Lungen gelingt übrigens nicht jedes Präparat, manchmal finden sie sich in ge- falteter Form gehärtet und dann sind sie meistens nicht zu brau- chen; sie müssen so fixirt sein, dass sie flach zusammengedrückt und ihre Wände fast eben liegen. Man kerbt dann auf einer Glasplatte mit einem scharfen Scalpell beiderseits ein schmales Streifehen des Lungenrandes ab, so dass die gegenüberliegenden planen Wände sich von eimander ablösen und als dünne Flächen- präparate benutzen lassen. Von Schnittpräparaten habe ich bei dieser Arbeit absicht- kommen, nur überwiegender Alcoholgehalt scheint mir weniger gute Färbungen zu liefern. Das Gentianaviolett wende ich in sehr dunkler wässeriger Lö- sung an. Die Färbung der Centralkörper und Spindelfäden ist mir auch an Präparaten, die nach der Osmiumgemisch-Behandlung °/,; Jahre in Wasser-Alcohol-Glycerin aufbewahrt waren, noch recht gut gelungen; über längere Zeiten besitze ich noch keine‘ Erfahrung. Besonders guten Erfolg hatte ich an Material, das gar nicht in Alcohol ge- wesen war. Das eben erwähnte Gemisch von Wasser-Alcohol- Glycerin brauche ich vielfach, um Präparate nach verschiedener Fixirung, die in blossem Alcohol zu hart werden oder schrumpfen würden, längere Zeit aufzu- bewahren, damit man dann noch die Wahl hat, sie nach kurzer Ma- ceration in reinem Wasser durch Zerzupfen zu zerlegen oder mit Nachhärtune in Aleohol für Schnitte zu benutzen. In einer Mischung der drei Bestandtheile zu ungefähr gleichen Theilen halten sich Prä- parate, die mit Osmiummischungen fixirt sind, nach meinen Erfahrungen besser färbbar, als in reinem Alcohol, 688 W. Flemming: lieh zunächst abgesehen, da es für ihren Zweck jedenfalls besser ist, die ganze, als die eventuell angeschnittene Zelle vor sich zu haben und da die hier untersuchten Objeete völlig dünn genug sind, um Schnitte entbehrlich zu_lassen. Während die Präparate, die mit Hermann scher Lösung fixirt sind, sich durch scharfe Darstellung der Spindel, Central- und Polkörper besonders hervorthun, leisten sie mir in der natur- getreuen Erhaltung der cehromatischen Figur und der ruhenden Kerne nicht so Gutes, wie mein Gemisch — so wenigstens an _ den hier behandelten Geweben und überhaupt an Plattenepithelien, Endothelien und Bindegewebszellen'!)., Man findet an ihnen bei den Kemfiguren wie bei den ruhenden Kernen häufig erheb- liche Verzerrungen und Verbaekungen, die an meinen hier be- sprochenen Präparaten — welche ja ohne jede Durehschmelzung gemacht sind — nicht der Nachbehandlung, sondern nur dem Fixirmittel zur Last fallen können. Ich wollte dies bemerken, damit man nicht von dem für seinen Specialzweck vortrefflichen Hermann’schen Reagens auch alles Uebrige erwartet. Wo es auf diesen Zweck ankam, habe ich dasselbe vor der Chromessig- osmiumsäure bevorzugt, doch auch mit dieser, in Form der schwächeren Lösung und bei nicht zu schwachem Essigsäure- gehalt, recht gute Hervorhebung der Spinden und der Central- und Polkörper erreicht. — Darüber, dass man die Centralkörper der Leucoeyten auch mit Chromsäure deutlich machen kann, vergl. unten. Wie in der Anmerkung oben gesagt ist, erhält man bei der Orangebehandlung und beim Ausziehen in Alcohol nicht selten Präparate, in denen die einen Kerne noch Orangefärbung zeigen, die änderen nicht, ja zuweilen finden sich in denselben Kernen einzelne dunkelgelbe diffuse Orangeflecke, während der grösste Theil der Kernstructur von dieser Farbe schon frei ist. Solche Präparate sehen natürlich sehr wenig elegant aus, man I) Am Hoden, wo Hermann seine Lösung vorzüglich gebraucht hat, sind die Resultate derselben viel besser, wie ich nach eigenen Untersuchungen bestätigen kann. Dies ist keine besondere Merkwür- digkeit, da ja die Gewebe der Genitalorgane auch gegen sonstige eagentien sich von anderen Geweben abweichend verhalten (vgl. Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung, $.34 ı. a.). Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 689 thut aber gut, sie für das Studium der Centralkörper in ruhenden Zellen, sowie der Zwischenkörper mit zu benutzen, denn manch- mal sind diese gerade in solehen Objeeten besonders scharf tingirt. Für die Verdeutlichung der achromatischen Spindel und der Polstrahlungen hat Rab! ein Verfahren!) empfohlen, das die Fasern derselben in vorzüglicher Schärfe sehen lässt. Nach dem Eindruck, den ich bei Nachprüfungen erhalten habe, muss ich aber doch finden, dass ich von diesen Dingen mit dem Orange- verfahren mehr sehe. Denn bei der Rabl’schen Methode können die Objeete nur in sehr schwach lichtbreehenden Flüssig- keiten untersucht werden, und darin haben die Fäden solchen Glanz, werfen so viele Reflexe, dass — soweit wenigstens meine Erfahrung reicht — eine genaue Feststellung ihres Verlaufs nur an besonders günstigen Stellen gelingt. Eben darum habe ich nach einem Mittel gesucht, durch das man Spindelfäden, Linm- fäden des Kerms und Zellstrueturen stärker färben kann, als es bei Hämatoxylinbehandlung gelingt, um sie dann im aufgehellten Objeet zu untersuchen. Dies leistet das Orangeverfahren und erlaubt zugleich dauernde Aufbewahrung in Balsam. Nur für die frühesten Anfangsstadien der Spindel im eben sich lockernden 23, 31) gilt dieser Vorzug nicht, wenig- Spirem (wie Fig. 22 stens ist es mir noch nieht gelungen, damit in diesen Phasen die blassen Stränge zwischen den Knäuelfäden und die ersten Pol- strahlungen stärker ‚gefärbt zu erhalten, als man dies auch mit dem früher von mir dafür empfohlenen Mittel (Chromessigsäure- Hämatoxylin) erreichen kann. Die Nuance der Färbung bei dem Orangeverfahren ist, wie schon a.a. 0. kurz erwähnt war, für die Spindelfäden und (in schwächerem Grade) Zellstructuren wechselnd, blass rothbraun, graubraun, grau, in besonders günstigen Fällen violett; für die Centralkörper, Polkörper und Zwischenkörper bei starken Graden braunviolett bis schwarzbraun, bei schwachen roth. Es handelt sich also hier keineswegs um eine Separatfärbung irgend welcher Dinge durch Orange, überhaupt um keine „Dreifachfärbung“ im 1) C. Rabl, Ueber Zelltheilung. Anat. Anzeiger 1889, Nr. 1. (Behandlung mit Platinchlorid, Kernfärbung, Untersuchung in Methyl- alkohol.) Ich sehe allerdings in Wasser so ziemlich das Gleiche. 690 W. Flemming: eigentlichen Sinne, sondern um eine Mischwirkung der drei ver- wendeten Farbstoffe auf dieselben Structuren. Es ist mir für jetzt keineswegs verständlich, wie diese zu Stande kommt und weshalb sie schwankend ist. Ich theile das Verfahren nur des- halb hier so genau mit, weil es eben genau gehandhabt sein will, und möchte es keineswegs präconisiren, sondern hoffen, dass sich noch einfachere und sicherere Mittel für den gleichen Zweck finden werden; für jetzt aber leistet mir dafür kein anderes so- viel wie dieses. B. Ein muthmaassliches Aequivalent der Zellplatte bei Vertebraten!). “ In den späteren Dispiremphasen, zur Zeit, wo die Tochter- zellen sich eben von einander abgeschnürt haben, fällt bei der besprochenen Dreifachbehandlung ein kleiner scharf gefärbter Körper auf, der gerade an der Abschnürungsstelle beider Zellen gelegen ist (Fig. 11—15a, Tafel XXXVII); ich bezeichne ihn hier einstweilen als „Zwischenkörper“ ?). Seine Färbung ist meistens roth, wie die des Kernehromatins, oder etwas heller, bei stärkeren Färbungsgraden geht sie in’s Braune. Der Durchmesser des Körpers ist in diesem Stadium — für die hier besprochenen Zellarten — im Durchschnitt etwa 1—1,5 u in äquatorialer und ebensoviel in polarer Riehtung; zuweilen überwiegt der eine oder der andere dieser Durchmesser. Der Form nach finde ich den Körper im Bilde entweder viereckig mit abgerundeten Ecken, was körperlich genommen einer Walzenform mit stumpfen End- kanten entspräche, oder auch rund. Einigemale war jene Walzen- form sehr scharf ausgesprochen und die Kanten fast ganz scharf 1) Ueber das hier Folgende wurde eine kurze Mittheilung in der anatomischen Section des Berliner Intern. med. Congresses, August 1890, gegeben und eine Abbildung vorgezeigt. 2) Denn eine Verwechselung mit den Zwischenkörperchen des Ho- dens, wie OÖ. Hertwig die als „Corpuscules residuels“ von van Be- neden und Julin bei Ascaris, von mir und F. Hermann bei Sala- mandra beschriebenen, degenerirenden Zellen in den männlichen Keim- ’ drüsen genannt hat, ist wohl ausgeschlossen. — Wenn übrigens meine unten geäusserte Deutung richtig ist, wird man das hier Beschriebene als Zellplatte oder als Zellplattenrudiment bezeichnen können. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 691 (Fig. 13). Einmal sah ich statt des einfachen Körpers zwei, die schräg dieht aneinander lagen (Fig. 15), es könnte dies aber auf zufälligem Bruch beruhen. Sobald ich auf dies Gebilde einmal aufmerksam war, fand ich es auch vielfach noch nach der völligen Zelltrennung er- kennbar. Ueberall, wo sich junge Tochterzellenpaare finden, deren Kerne noch Reste der Dispiremstructur und die bekannte Polbucht haben, lässt sich auch am Grenzrande der beiden Zellen der Zwischenkörper erkennen, ist aber zu dieser Zeit schon merk- lich kleiner und weniger tingibel geworden. Hier und da sieht man ihn noch zwischen Zellen, deren Kerne völlige Ruheform zeigen. Schliesslich scheint er in der Zellgrenze zu verschwinden. Der Vergleich von älteren Präparaten aus Osmiumgemisch oder ‚Chromsäure, die mit remen Kermfärbungen hergestellt waren, ergab alsbald, dass die Zwischenkörper auch an solchen vielfach zu erkennen sind und gewiss allgemein bei Amphibien- zellen und also wohl überhaupt bei Wirbelthierzellen vorkommen werden; sie sind aber an solehen Objekten bloss dureh ihre Liehtbreehung ausgezeichnet und ohne Markirung durch Tinetion so wenig auffallend, dass ich früher nieht auf sie aufmerksam geworden war. Auffallend ist nun die Beziehung dieser Körper zur Struetur der Tochterzellenleiber. Das Bündel von Verbindungsfäden näm- lich, welches vor der Zelltrennung von je einer Tochterkernfigur zu der Abschnürungsstelle lief, wird um den Zeitpunkt der Ab- schnürung selbst an der Stelle der letzteren ganz eng zusammen- genommen, und an der Stelle dieser seiner Einengung erscheint das Körperchen (Fig. 12—15). Die elle sind also nun, wie diese Figuren zeigen, in jeder Tochterzelle als ein conisches Bündel angeordnet, das seine Spitze in dem Zwischen- körper hat und sich mit seiner Basis gegen die antipole Seite des Kernes auffasert. Es sind nieht alle früheren Verbindungs- fäden in diesen Kegel einbegriffen; die peripher gelegenen strahlen neben ihnen in die übrige reticulirte Zellstructur aus. Je längere Zeit nach vollendeter Zelltrennung verfliesst, desto mehr verkleinern sich diese Faserkegel und werden endlich undeutlich, und zwar so, dass ihre Spitzen, die an dem Zwischen- körper haften, am längsten bestehen bleiben (Fig. 11). Ueber die Entstehung dieser Zwischenkörper liess sich Fol- 692 W. Flemming: gendes ermitteln: Wie ich vor längerer Zeit beschrieb), tritt in der Dispiremphase das Bündel der Verbindungsfäden, auch im der lebenden Zelle, besonders deutlich abgegrenzt hervor, und es zeigt sich darin an der Abschnürungsstelle im Aequator eine eigenthümliche Differenzirung ?), die ich schon damals und später >) mit der pflanzlichen Zellplatte in Vergleich brachte. Mit den da- mals angewandten Methoden, reinen Kerntinetionen, war an dieser Stelie nichts Gefärbtes zu sehen, und es musste mir fraglich bleiben, ob man es mit Ansehwellungen der Verbindungsfäden oder mit zwischen diesen liegenden Dingen zu thun hatte. Bei dem jetzigen Verfahren sehe ich nun in Stadien, wie Fig. 9 und 10, sehr kleine, röthlich gefärbte Körperehen zwischen den blassen Verbindungsfäden; sie erscheinen oft nieht in gleicher Ebene ge- lagert, doch könnte dies aueh auf geringe Schräglagerung der Axe gegen die Bildebene zu schieben sein. In einigen Fällen waren genau vier solche Körper zu sehen, in anderen schienen es mehr zu sein; vielleicht kann ihre Zahl auch immer grösser und nur aus einem Theil von ihnen die Farbe schon ausgezogen sein. Ihre Form ist leicht länglich., Da sie bei dem Orange- verfahren die gleiche Färbung zeigen, wie nachher der einzelne Zwischenkörper, so kann man wohl nieht daran zweifeln, dass dieser entsteht, indem bei der Abschnürung der Zelle jene kleinen Partikeln zu diesem zusammengedrängt werden. Da die endgültige Abschnürung ziemlich rasch erfolgt, so ist es erklärlich, dass man den Uebergang zu dieser Zusammendrängung selten zu sehen be- kommen wird; bis jetzt habe ieh noch keine Bilder gefunden, die ihn zeigen, die also zwisehen Fig. 10 und 13 liegen würden. Woher aber stammen jene mehrfachen Körperehen zwischen den Fäden? Ich möchte gleich ausschliessen, dass sie etwa aus den Kernen zufällig versprengte Chromatinbröckchen sein sollten ®). 1) Dieses Archiv 1878, Tafel 16, Fig. 9 und Text. Damals und weiter wurde, wie ich dies auch gethan habe, dies Faserbündel noch mit dem ganzen Mitteltheil der Spindel identificirt, was jetzt nach den Arbeiten van Beneden’s u. A. natürlich nicht mehr zutrifft. 2) Ebenda, 1880, S. 223—24, Fig. 15b; damals, noch mit Wasser- immersion, freilich noch unvollkommen erkannt und dargestellt. 3) Zellsubstanz ete. S. 246. I) Man könnte hieran denken, weil hier und da einmal Zellen vorkommen, wie Fig. 15, in denen an einem Tochterkern ein Divertikel Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 695 Denn wäre dies der Fall, so müsste man natürlich das Vorkom- men solcher Körperchen auch in den vorherigen Dyasterphasen erwarten. Hier aber (Fig. 8) lässt sich in den gleichen Präpa- raten, also unter gleichen Färbungsbedingungen, nichts von sol- chen tingirten Dingen in dem Fädenbündel bemerken; in diesen Stadien sieht man in dem letzteren nur blasse, achromatische Körnehen, die ich in früheren Arbeiten schon gezeichnet habe. Ob aus ihnen vielleicht die nachherigen tingirten Körner im Aequator entstehen könnten, vermag ich nicht zu sagen. Jeden- falls ist nicht anzunehmen, dass die Körner im Aequator und die aus ihnen entstehenden Zwischenkörper eine dem Kernchro- matin gleiche Substanz wären; denn bei Behandlung mit ganz reinen Kernfärbemitteln bleiben sie blass, und ich habe ihre Tinetion bis jetzt nur mit dem Orangeverfahren erzielt. Die einzige Deutung, welche ich einstweilen für die Zwischen- körper zu geben weiss, ist die, welche ich schon früher ver- muthungsweise für die aequatorialen Differenzirungen im Fäden- bündel gab: dass sie in irgend welcher Weise Homologa der pflanzlichen Zellplatten sind. Man kann sie vielleicht rudimentäre Formen derselben nennen. Dass sie eine allgemeine oder doch sehr verbreitete Erscheinung bei der Zelltheilung durch Abschnü- rung sind, wird durch Folgendes sehr wahrscheinlich gemacht: als ich van Beneden kürzlich von meinen Beobachtungen über die Zwischenkörper schrieb, theilte er mir brieflich mit, dass er einige Male bei Untersuchung lebender, furchender Ascariseier den folgenden, noch nicht veröffentlichten Befund gemacht habe und stellte mir freundlich dessen Bekanntgebung zur Verfügung: „Au moment ou S’acheve la separation des deux blastomeres, l’on voit tres distinetement, entre les deux, un corps lentieulaire assez refringent, röpondant au milieu du faisceau de filaments r&unissants. Dans les preparations fixdes et colorees je n’ai rien trouve de semblable. Mais j’ai vu que le faisceau r&unissant s’etrangle A mi distance entre les deux noyaux en voie de r&constitution, et que les fibrilles «deviennent convergents sur le plan &quatorial“ mit einem Tochterchromosom bis nahe an die Abschnürungsstelle her- vorgestülpt ist. Dies kommt auch in der vorhergehenden reinen Dyasterform öfter vor. Aber die hier oben angegebenen Gründe spre- chen überhaupt gegen eine Ableitung jener Körner aus dem Kern, 694 W. Flemmine: (letzteres ist auch in v. B.’s Arbeit von 1887 bemerkt). Einige Zeiehnungen, die van Beneden mir beilegte, zeigen deutlich diesen linsenförmigen Körper im Bild des lebenden Eies, der hier nur relativ bedeutend grösser ist, als die Zwischenkörper bei Salamandra. van Beneden äussert sich in seinem Brief zu- stimmend für meine Ansicht, dass hier ein Aequivalent der Zell- platte vorliegt. Dass er am fixirten und gefärbten Ascaris-Ei nichts davon gesehen hat, erklärt sich einfach daraus, dass die ‘ärbungen, denen dieses Ei bis jetzt zugänglich war, auch an meinen Objeeten die Zwischenkörper nicht tingiren würden. Wenn diese Dinge also sowohl bei Würmern wie bei Amphibien vor- kommen, so haben sie wohl Anspruch auf allgemeinere Geltung. Bei meiner kurzen Mittheilung über die Zwischenkörper auf der Berliner Versammlung führte L. Gerlach an, dass er bei der ersten Furchung des Mäuse-Eies einen entsprechenden und zwar färbbaren Körper zwischen den beiden Tochterzellen ge- funden hat, den er gleichfalls als Zellplattenrudiment zu deuten geneigt war. 3ei Dieyemiden sind schon seit lange durch van Beneden!) bei Spirochona (Infusor.) durch R. Hertwig?) zellplattenartige Bildungen beschrieben. Carnoy?) hat sie bei Arthropoden, in- sonderheit bei ihren Spermatocyten, vielfach beschrieben und aus- führlich besprochen. Er unterscheidet (p. 395): 1. einfache Ab- schnürungen der Zelle, ohne oder mit Bildung einer Platte, welche dann funktionslos bleibt, 2. Fälle mit vollständiger Zell- plattenbildung und ohne Abschnürung (wie bei den Pflanzen), und 3. Fälle, bei denen Absehnürung und Bildung einer sich spaltenden Zellplatte zugleich vorkommt. Es werden dabei Plat- tenbildungen bloss im Faserbündel (Plaques fusoriales) und solehe im gesammten Zellenleibe (Pl. eompletives) unterschieden. Car- noy nimmt an (p. 376), dass die Verbreitung der Zellplatten nicht nur bei den Arthropoden, sondern auch bei den übri- gen Thieren eine allgemeine sei, führt aber dabei, so viel ich finde, nur eine eigene Beobachtung an einem Wurm (Disto- 1) Recherches sur les Diey@mides, Bruxelles, Hayez, 1576. 9) Jenaische Zeitschr. f. N. 1877, Bd. 11. 3) La Cytodierese chez les Arthropodes, in La Cellule, 1855, S. 375—39. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 695 mum elavigerum, Hodenzellen, Fig. 243) an. In einer Arbeit, die mir während der Abfassung dieser Zeilen zuging, beschreibt auch Henking!) von der Theilung der Spermatocyten von Pyr- rhocoris apterus, dass hier eine Zellplatte, ähnlich wie bei Pflanzen aus äquatorial gelagerten Körnern bestehend, angelegt wird: „die völlige Durchsehnürung der Mutterzelle geht in der Weise vor sich, dass die Zellplatte sich theilt. Dann lösen sich die Tochter- zellen ganz von einander“ (S. 703, 709) 2). Aus dem Wirbelthierkörper ist meines Wissens noch kein Fall von wahrer oder rudimentärer Zellplattenbildung mitgetheilt, ausser dem einen, über den ich selbst früher berichtete (Knor- pelzellen), der aber in seiner Deutung noch fraglich bleiben musste und bei dem auch, wenn er sicher eine Zellplattenbildung dar- stellt, dieselbe im anderer und viel ausgebildeter Form vorliegen würde, als bei den Objeeten, die ich hier beschrieben habe. Ausser diesen prüfte ich noch die Spermatocyten des Sala- manders auf das Vorkommen von Zwischenkörpern und konnte sie auch hier zuweilen deutlich erkennen (Fig. 14), doch sind sie an diesen Zellen kleiner und, wenn nicht scharf tingirt, schwer zu sehen. C. Veränderung im Zellkörper während der Mitose. (Fig. 20 und 39.) Ich schliesse hier noch einige Angaben über eine besondere Erschemung der Zelltheilung an: Die eigenthümliche Verdich- tung der Substanz in Theilung stehender Zellen in ihrer Peri- pherie und das Auftreten einer hellen, lockerer beschaffenen Innen- schicht um den Kern her. van Beneden?) hat zuerst darauf 1) H. Henking, Untersuchungen über die Entwiekelungsvor- gänge in den Eiern der Inseeten. 1.: Ueber Spermatogenese etc. bei Pyrrhoeoris apterus L. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. 51, 1891. 2) An eine Beziehung der hier beschriebenen Zwischenkörper zu dem „Mitosoma“ Platner'’s, dungsfädenbündel bei Pyrrhocoris Henking beschreibt, ist wohl nicht . zu denken, da das Mitosoma hier aus dem (zum Tochterkern) proxi- malen Theil des Bündels entsteht, und ja auch, so viel wir wissen, nur den männlichen Generationszellen eigen ist. 3) La maturation de l'oeuf ete. Bull. Acad. Roy. de Belg. 1876, 2. Ser., T.40, pag. 50-51. dessen Entwickelung aus dem Verbin- 696 W. Flemmine:! hingewiesen, dass die in Theilung stehenden Zellen im Blasto- derm von Säugethieren sich stärker mit Carmin und Häm. färben als die ruhenden. Ich habe an lebenden Objeeten gefunden, dass die Zelle im Theilungszustand stärker liehtbrechend ist, dies Verhalten durch Reagentien näher geprüft und in der Osmium- säure und den Osmiumgemischen, besonders mit nachfolgender "ärbung, Mittel angegeben, um die Erscheinung vorzüglich deut- lieh zu machen). Unter Verweis auf die dortige nähere Be- schreibung komme ich hier auf den Punkt zurück, weil er ebenso wenig, wie irgend eine andere constante Erscheinung der Zell- theilung, für deren Physiologie gleichgültig sein kann, und doch meines Wissens seitdem, bei so vielen Arbeiten über Zelltheilung, kaum davon die Rede gewesen ist, und weil die einzige Aeusse- rung darüber, die mir bekannt ist und von einem vorzüglichen Beobachter herrührt?), dahin verstanden werden kann, als wäre diese Veränderung im Zellkörper inconstant und hätte keine be- sondere Bedentung. Das würde aber durchaus nicht zutreffen. Wenn man die Dunkelung der in Theilung stehenden Zellen reeht schlagend vor Augen haben will, hält man sich am besten an solehe Epithel- oder sonstige Zellen, welche nicht sehr platt sind; Epithel der Mundbodenplatte, Kiemenblätter oder äusseren Körperfläche (diese letzteren an Flachschnitten) von der Larve. Bei sehr dünnen Zellen, wie im Lungenepithel und Bauchfell, ist die Erscheinung zwar ganz ebenso vorhanden (Fig. 39),- tritt aber natürlich nicht so augenfällig wie bei jenen hervor. Man fixire mit Osmiumsäure, meinem Gemisch oder Hermann’sceher Lösung, und lasse die Präparate bei Osmiumsäurebehandlung gut nach- dunkeln, bei den Gemischbehandlungen recht lange am Licht in dem Fixativ stehen; man färbe dann nach dem Auswaschen mit 1) Zellsubstanz. S. 206—209. 2) Rabl, Morphol. Jahrb. Bd.X, S.285; es ist dort gesagt, dass für tadellose Hämatoxylinpräparate meine Angabe über die Dunke- lung der in Mitose stehenden Zellen nicht zutreffe. Rabl wird sich sewiss seitdem überzeugt haben, dass sie sowohl für solche Präparate, als für die Erzeugnisse vieler anderer Methoden völlig zutrifft und dass die Erschemung durchaus typisch ist. Natürlich muss man sie nicht an solchen Präparaten studiren wollen, an denen nichts als reine Chromatinfärbung erzielt ist; s. hier oben im Text. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 697 Delafield "schem oder Böhmer’schem Hämatoxylin (dünne Lösung, längere Tinction) oder mit dem hier im Eingang ange- ebenen Verfahren). Dann sieht man schon bei emer 80 bis 100 fachen Vergrösserung sämmtliche sich theilende Zellen, die sich im späteren Spiremformen, Metaphasen und Anaphasen be- finden, graubraun, grau oder dunkelgelb sehr scharf gegen die viel blasseren ruhenden Zellen hervorstechen. Bei Tinctionen mit Azofarbstoffen haben sie oft eine Mitnuance in der betreffenden Farbe. Hat man Doppeltinetionen mit Safranin-Hämatoxylin, Safranin-Mauv&in, Safranin-Gentiana gemacht oder das Orange- verfahren angewandt, so sind zugleich in allen diesen Phasen die ehromatischen Figuren in rothem Safraninton gefärbt, wäh- rend die ruhenden Kerne durch den anderen Farbstoff blau oder violett sind und nur die Nucleolen roth zeigen; ich habe solche Doppeltinetionen bereits 1854 auf dem Kopenhagener Aerzte- eongress und seitdem vielfach demonstrirt und benutzt. Wie Her- mann?) kürzlich nach Beobachtungen an Spermatocyten mitge- theilt hat und wie ich es völlig bestätigen kann, zeigen bei Doppelfärbungen mit Safranin-Gentiana, übrigens auch bei ande- ren oben genannten, die Anfangsformen des Spirems und die End- formen des Dispirems keimen oder doch nur schwachen Safranin- ton, halten dagegen ebenso wie die Structuren der ruhenden Kerne den andern angewandten blauen Farbstoff fest, während vom lockeren Spirem bis zur Mitte des Dispirems die Figuren reinen Safraninton haben?). Es scheint mir bemerkenswerth, dass also in denjenigen Stadien, wo noch Nucleolen vorhanden, oder eben erst verschwunden sind, oder eben wieder auftreten, die Neigung zur Blaufärbung vorliegt, während die Formen, in welchen sie völlig deconstituirt sind, sich rein safraninophil ver- halten, wie es ja die Nucleolen selbst sind. 1) Wie ich früher angab, kann man Aehnliches auch an Präpa- raten aus Chromsäure bei Hämatoxylinfärbung erreichen, es sind aber dazu Präparate zu nehmen, die durch längeres Verweilen in Chrom- säure etwas gedunkelt worden sind. 2) Beitr. z. Hist. des Hodens. Dieses Arch. Bd. 34, S. 60. 3) Nach Hermann’s Angabe sind nur die Phasen vom Monaster bis zum Dyaster roth, Spireme und Dispireme blau; ich finde, wie ge- sagt, das letztere nur in den anfänglichen und endständigen Phasen der Knäuel ganz ausgesprochen und ständig. Uebrigens kommen je nach dem Ausziehungsgrad leichte Schwankungen in der Färbung vor. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 46 698 W. Flemming: Gleiehfalls bemerkenswerth ist nun, dass die Periode, wäh- rend welcher die chromatische Figur Safraninton hat, zeitlich ganz mit der zusammenfällt, in welcher der Zellenleib verdichtet und in Innen- und Aussentheil gesondert ist, und in welcher er bei Osmium- und Osmiumgemisch-Behandlung gedunkelt wird. Denn im ersten Anfangsspirem und endständigen Dispirem fehlen ihm diese letzteren Eigenschaften. Ich wollte darauf hinweisen, wenn auch die Ursache noch aufzuklären bleibt. Wenn ich für diese Veränderungen im Zellleib kurz die Ausdrücke „Verdichtung“ und „Dunkelung“ benutze, so ist dies nicht so zu verstehen, als ob die sich theilende Zelle im Ver- gleich mit der ruhenden sieh in toto auf ein kleineres Volumen zusammengezogen hätte, und allem hierdureh dichter und bei Osmirung dunkler erschiene. Zwar ist es sicher und stimmt auch gut überein mit van Beneden’s Lehre vom Wesen der Mitose, dass Zusammenziehungen des Zellleibes während der Mitose ein- treten können; dies ist z. B., wie früher beschrieben), sehr gut bei Pigmentzellen zu sehen, deren Ausläufer bei kleineren Zell- formen in der Mitose fast ganz eingezogen werden können und bei den grossen Chromatophoren wenigstens gedrungenere Ge- stalt annehmen. Femer sind, wie gleichfalls bekannt?), die Zellen in den Stadien vom Spirem bis Dispirem häufig von runden oder länglich runden Formen, in Geweben, wo sie im der Ruhe eckig sind, und zeigen sich in der Theilung von breiteren Inter- eellularräumen umgeben, was sich offenbar auf eine Contraetion ihres Leibes beziehen lässt. Bei den sehr platten Lungenepi- thelien findet man zwar solche runde Formen nicht, aber doch augenscheinliehe Versuche zur Zusammenziehung des Zellkörpers, wofür Fig. 39 ein Beispiel giebt: Die Zellen im den mittleren Theilungsstadien sind etwas kleiner als die umliegenden ruhen- den, und ihre Ecken in spitze, oft lange Zipfel ausgezogen; es sieht ganz aus, als ob sie sich zu contrahiren strebten, die ent- ferntesten Eeken des Zellleibes aber dieser Bewegung am wenig- sten mitfolgten und so zu schmalen Ausläufern würden, neben 1) Dieses Archiv Bd. 35, 1890, S.275, sowie (Zimmermann) ebenda Bd. 36, 1890, S. 404. 9) Zellsubstanz ete., Tafel Ta, Fig. 19—21 und zwei der dunklen Zellen in Fig. 23, s. Text S. 206 ff. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 699 denen die ruhenden Nachbarzellen nachrückend sich herandrängen !). — Andererseits muss ich aber hervorheben, dass an denselben Objecten viele Zellen, die in ganz den gleichen Mittelstadien der Mitose stehen, gar keine Verkleinerung und Ausrundung zeigen ?), und dabei doch ebensolehe Dunkelung haben, wie die von ge- rundeter Form. Und ferner kommt in Betracht, dass auch bei denjenigen Zellen, die sich wirklich verkleinert haben, dies keines- wegs in dem Grade der Fall ist, wie es ihrer starken Dunkelung entsprechen würde, wenn diese lediglich eine Folge der Zu- sammendrängung des Zellkörpers wäre. Somit kommt man zu dem Schluss, dass die Zellen in diesen Stadien unmöglich bloss deshalb dunkler aussehen und stärker gefärbt werden, weil sie kleiner geworden wären, son- dern dass während der Mitose eine innere Veränderung in ihrem Leibe eintreten muss, welche dem zu Grunde liegt. Eine solehe Veränderung ist num auch bei geeigneter Be- handlung, ja schon am lebenden Objeet, bemerkbar, und ich habe an den erwähnten Stellen schon davon gesprochen. Vom Ende der Knäuelphase an sieht man in der lebenden Zelle eine die Kernfigur umgebende blasse Partie und eine Aussenmasse darum her, die stärker lichtbrechend ist als die Substanz der ruhenden Zellen. An den Reagentienpräparaten kann man näher beur- theilen, woher dies rührt: im der hellen Innenmasse sind die Fadenstrueturen und die Polradien zwar verdickt im Vergleich mit ihrem Zustand in der ruhenden Zelle, dafür aber auch locke- rer und von viel grösseren blassen Maschenräumen durchsetzt, und aus letzterem Grunde sieht eben dieser Innentheil hell aus. In der Peripherie sind die Fadenwerke zwar nieht verdickt, aber 1) Und nach den wechselnden Formen der Zellen in ganz gleichen Theilungsphasen, bald mehr rund, bald mehr eckig, wie sie sich besonders bei Haut- und Kiemenepithel darbieten, kann ich nicht umhin anzunehmen, dass der Zellleib während der Mitose sich absatz- weise zusammenzuziehen sucht und wieder in die ausgedehnte Form zurückfällt; und dass dies in einer Beziehung stehen mag zu den ab- wechselnden Vergrösserungen und Verkleinerungen der chromatischen Figur während der Metaphasen, die ich in meiner ersten Arbeit am lebenden Objeet beobachtet und bildlich als „Systolen und Diastolen“ der Kernfigur bezeichnet hatte (dieses Archiv Bd. 16, S.380 ff.). 2) S. zwei der dunklen Zellen in Fig.23, Tafel 1a des eitirten Buches. 700 W. Flemming: verdichtet, zusammengedrängt; es macht den Eindruck, als wäre die helle Interfilarmasse in diesem Zustand vom Umfang der Zelle in ihr Inneres um den Kern her angesammelt. Unter der Annahme, dass es nur die Fadenstructuren allein sind, welche bei Osmiumwirkung und Tinetion gedunkelt werden, würde sich hiernach verstehen lassen, dass der Aussentheil der Zelle in die- sem Zustand durch die Behandlung eine so viel stärkere Schatti- rung erhält. Aber es scheint mir sehr fraglich, ob auch diese Erklärung allein ausreicht. Man findet nämlich an recht gut nachgedun- kelten und stark tingirten Präparaten die in Theilung stehenden Zellen in solehem Grade stärker gefärbt als die ruhenden, dass man ernstlich zweifeln muss, ob das lediglich an einer Verdich- tung der Filarmasse liegen kann. Die in Mitose begriffenen Zellen sehen an solehen Objeeten aus, wie von einem dunklen Lack durchsetzt); im Abschnürungsstadium ist ihre Aussenschicht in der Nähe der Schnürmarke tief dunkel (s. die eitirte Figur), indem diese Farbe sich in den weniger dunklen übrigen Zellleib allmählich abtönt; mit stärksten Systemen sieht man, dass diese Färbung nicht bloss dem Zellfadenwerk selbst anhaftet, sondern dessen Bälkehen und auch den Aussenumfang der Zelle wie ein feinkörniger Reif beschlägt, ja bei sehr guten Dunkelungen auch die Interfilarmasse durchsetzt. Bei Haut- und Kiemenepithelien, welehe grössere Dieke haben, wird bei der tiefen Färbung der Peripherie die nähere Beschaffenheit des Innentheils überhaupt dem Bliek verdeckt. An dünneren Zellen aber, wie denen des jindegewebes, Endothels oder Lumgenepithels, kann man bei guter Dunkelung und Färbung nach dem Orangeverfahren er- kennen, dass auch die Interfilarmasse im Innern noch Farbe ge- halten hat. Wenn man das immer wieder sieht, bekommt man unwillkürlich den Eindruck, als sei die Zelle während ihrer Thei- lung durch und durch mit einer besonderen Substanz durchtränkt als besitze sie oder — um mich vorsichtiger auszudrücken 1) Fig. 20 zeigt möglichst genau nachgeahmt das Verhältniss der Schattirung zwischen ruhenden und in Theilung stehenden Zellen, wie es an solchen Objeeten vorliegt. An der gezeichneten Zelle ist die Dunkelung der -Aussenschicht so bedeutend, dass man von den Ver- bindungsfasern im Innern nur einen undeutlichen Schimmer erkennt (nicht mitgrezeichnet). Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 701 dureh und dureh eine besondere physikalische oder chemische Beschaffenheit, welche sie eben auch durch und durch stärker geneigt macht, sich mit Osmium oder Chrom zu dunkeln nnd mit den nachfolgenden Tinetionen stärker zu färben. Etwas der- artiges aber kann für die Forschung über die Biologie der Zell- theilung und der Zelle überhaupt ganz gewiss nicht gleichgültig sein, und deshalb wollte ich hier diese vielfach vernachlässigte Erseheinung nochmals zur Sprache bringen und betonen, dass sie sicher kein zufälliges Reagentienproduet, sondern ganz typisch ist. D. Ueber die Attraetionssphären und Centralkörper!) in thierischen Gewebszellen und Leucocyten. (Fie. 17 Taf. I, Fig. 24—26 Taf. II.) Was ich über diesen Gegenstand letzthin fand, ist grossen- theils bereits in Kürze an einem anderen Ort beschrieben ?); hier, wo ich genauere Abbildungen geben kann, füge ich besonders in Bezug auf die Zellen fixer Gewebe noch Näheres hinzu. Bisher habe ich diese Dinge nur mit dem Orangeverfahren gut zu sehen bekommen?), an flachen Bindegewebs-, Endothel- und Lungenepithelzellen, sowie an Leueoeyten. In den fixen Zellenarten haben die Centralkörper an solchen Präparaten beim 1) In diesen und früheren Aufsätzen habe ich die Ausdrücke van Beneden’s „Attraetionssphären“, oder kurz Sphären, und „Cen- tralkörper“ angewandt, da sie geschichtlich die Priorität vor den von Boveri gebildeten Worten „Archoplasma* und „Centrosomen“ haben. Die Bezeichnung „Nebenkerne“ werden wir wohl für diese Dinge am besten nicht brauchen, da es sich bei den unter diesem Namen be- schriebenen Gebilden zwar vielfach, aber nicht durchweg um die gleichen Dinge handelt. 2) Anatomischer Anzeiger, 14. Februar 1891, und: dieses Archiv Bd. 37, S. 249 ff. 3) Abgesehen von den Chromsäurepräparaten, von denen hier weiter unten die Rede ist, an denen sie aber in stark veränderter Form vorliegen. — Hermann empfiehlt am unten eitirten Orte für die Darstellung der Sphären und der Spindeln an Spermatocyten die Behandlung von Präparaten aus seinem Gemisch mit Holzessig, welche nach Photographien, die ich seiner Güte verdanke, vorzüglichen Er- folg giebt. Mein jetziges Material, das wohl nicht mehr frisch genug war, wollte bei dieser Behandlung nichts ergeben. 702 W. Flemming: Salamander etwa höchstens 0,5 u Durchmesser und sind ohne hervorhebende Färbung schlechterdings nicht zu erkennen, oder doch nieht von irgend welchen Körnungen im Zellkörper zu unterscheiden. Wo die Zelle überhaupt nur etwas grösseren Tiefen- (turehmesser hat, wie bei Epithelien, Muskelfasern u. a., sind sie schon dadurch im Zellkörper in toto undeutlich und können nur an Sehnittserien aufgesucht werden. Bei Leucocyten messen sie bis AsSıp: Von der Attraetionssphäre, die bei letzterer Zellenart ver- hältnissmässig deutlich ist (s. an den ang. Orten), habe ich seit- dem auch an den fixen Zellen etwas bessere Bilder bekommen. Bei solehen stärker diffusen Färbungen, bei denen die Central- körper braun oder violett, bis selbst schwarz, die Zellfäden und Bindegewebsfibrillen in verschiedenem blasserem Ton mit tingirt sind), erscheinen die Sphären um die Centralkörper her als bräunlich hervorgehobene , an ihrer Aussengrenze verwaschene Stellen, die zuweilen eme auf die Centralkörper eingestellte Strahlung zeigen (Fig. 1; die Centralkörper sind in den Ab- bildungen überall roth, der braunröthliche Ton der Zellsubstanz srau gegeben). Die Strahlung ist aber von sehr ungleicher Deut- lichkeit, nur in wenigen Fällen recht scharf ausgesprochen, und zeigt keine scharfe Grenze im Umfang. Für die Gründe, aus denen man diese Dinge lange nicht in allen Zellen im Präparat sieht und über ihre wechselnde Lage bald an den Langseiten, bald an den Enden der Kerne, kann ich auf das a. a. 0. Gesagte verweisen. Hinzusetzen möchte ich noch, dass die Entfernung der Centralkörper vom Kerne ver- schieden gross sein kann: manchmal legen sie in den sehr flachen- Zellen des Bauchfells, um mehr als den halben Durch- messer eines Kernes von dessen Rande bei Seite gerückt, mei- stens aber nahe an ihm. Wie ich in der. vorläufigen Mittheilung (S.3—4 des Sep.- Abdr.) schon erwähnt habe, sind in den bei weitem meisten Fällen an diesen Gewebszellen in einer Zelle zwei Central- körper zu sehen, auch dort, wo die Kerme ihrer Structur nach keine Spur von Ansatz zu einer Mitose zeigen (s. Fig 1 und 3—5 hier). Indem ieh diesen Befund dort als einen noch nicht I) Vgl. darüber im Anfang dieser Arbeit. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 703 bekannten hervorhob, wollte ich mir gewiss nicht etwas an- maassen, das mir nieht gebührt: bei der ersten Theilung von Eizellen und ihren Blastomeren ist ja schon von Anderen ge- sehen worden, dass um die Zeit, wo die Tochterkerne sich aus dem Spirem eben in die Ruheform (Gerüst) zurückgebildet haben, die Sphären und Centralkörper an jedem Tochterkern schon ge- theilt sind, und meines Wissens ist van Beneden der Erste, der dies beschrieben hat!); er bildet dort m Fig. 14, Pl. VI einen Tochterkern „au stade de repos“ mit verdoppelten Central- körpern und Sphären ab und sagt pag. 67: „Si la division de la sphere attractive est deja en partie effectuce dans la cellule au repos, si tout au moins le corpuseule central se trouve deja dedouble, il est elair* ete. Aber hier bei der Eifurchung han- delt es sich um Zellen, deren Theilungen sehr rasch aufeinander folgen, und wie u. A. der hier eitirte Aufsatz O. Schultze's (S. 4) zeigt, wird diese Sache so angesehen, dass bei sehr rasch repetirenden Theilungen die Verdoppelung der Sphären und Centralkörper schon im Dyaster bis Dispirem erfolgt, bei lang- sam repetirenden aber noch nicht, so dass die Zelle dann in der folgenden Ruhepause nur eine Sphäre und einen Centralkörper darin hätte. Bei meinen Objeeten handelt es sich nun aber um Zellen, die im Vergleich mit denen der furchenden Eier sehr lange Ruhepausen haben müssen, da in meinen betreffenden Prä- paraten die Mitosen, auch dort, wo sie am reichlichsten sind; noch lange nicht 1 °/, der vorhandenen Zellen betragen, und da die Kerne ganz die Ruheformen zeigen, wie sie auch in völlig mitosenfreien Geweben vorkommen; und doch sind an diesen Kernen die Centralkörper doppelt. Dies war es, was ich wohl als etwas Neues betonen durfte. Ich habe nun dort schon die Frage gestellt, ob sie nicht vielleicht ausserhalb der Mitose immer doppelt bleiben könnten, da in den Fällen, in denen man ein einfaches Körperchen zu sehen glaubt, vielleicht doch zwei in Deckung befindliche vor- liegen möchten. Die Centralkörper liegen nämlich an den platten Zellen des Bauchfells und der Lunge, wenn man diese von ihrer Fläche betrachtet, fast immer schräg gegeneinander orientirt, so dass das eine höher als das andere steht, und in manchen 1) van Beneden et Neyt, a.a.0. 1887. 704 W. Blehmming Fällen, wo auf den ersten Blick ein einzelnes Körperchen er- scheint, lässt sich durch die Schraube deutlich feststellen, dass noch ein anderes fast oder ganz vertical darunter liegt. Ich habe (diese interessante Frage weiter zu entscheiden gesucht, indem ich Material prüfte, welches keine oder sehr wenig Mitosen ent- hielt. Unter der Annahme, dass die Centralkörper in der Ruhe einfach sind und sieh nur bei der Mitose verdoppeln, sollte man erwarten in einem Gewebe, das arm an Mitosen ist, sie weit öfter einfach zu finden, als an einem in lebhaftem Wachsthum begriffenen. Ich kann aber in dieser Hinsicht bis jetzt keinen erheblichen Unterschied wahrnehmen. Dies würde eher zu Gun- sten einer dauernden Duplieität der Centralkörper sprechen. Was mich trotzdem veranlasst hat, a.a.O. an einer solehen zu zwei- feln, war erstens, dass bei den Leucocyten, die viel grössere Centralkörper haben, diese meistens einfach erscheinen !); so- 1) Dieses Archiv Bd. 37, Heft 2, 1891, S.282. Damals hatte ich bei Leucocyten noch keinen sicheren Fall von Doppelheit der Central- körper gesehen; seitdem habe ich einen gefunden (Fig. 24 hier), wo mir zwei, allerlings sehr nahe zusammenliegende Körper vorhanden scheinen. Beim Durchsehen älterer Präparate von Salamandergeweben, die grossentheils noch von 1879 datiren, finde ich zu meiner Ueber- raschung, dass an Objeeten, die lediglich mit dünner Chromsäure fixirt und einfach mit Safranin oder Gentiana (neutrale Extraction) gefärbt sind, in den Leucocyten sehr deutlich hellroth gefärbte runde Körper zu sehen sind, welche entweder aufgequollenen Centralkörpern oder geschrumpften Attractionssphären entsprechen müssen. Sie sind nämlich viel grösser als die Centralkörper von Leucocyten nach Os- miumgemischbehandlung (Fig. 25, vgl. mit Fig: 1 u. 2), selten um mehr als die Hälfte kleiner, als der in ersterer Figur gezeichnete. Um sie her liegt ein schmaler blasserer Raum; ihr Umfang ist rauh, oft stark höckerig. Ihre Umgebung zeigt manchmal eine ganz verwaschene radiäre Structur, aber lange nicht so deutlich und nicht so weitrei- chend, als die Sphärenstrahlung in Leucocyten aus Osmiumgemisch es ist. Entweder hat die Chromsäurewirkung hier die Sphäre zu einem abgegrenzten Körper zusammenschrumpfen lassen, so dass nur etwas von ihrer peripheren Strahlung am Zellkörper haften geblieben ist, oder sie hat den Centralkörper quellen lassen und die ganze Sphäre bis auf schwache Reste verwischt. Zunächst möchte ich an die erstere Wirkung denken; denn die Chromsäure äÄussert auf die chromatischen Fäden einen entschieden schrumpfenden Einfluss, welchen man (s. unten) gut benutzen kann, um die früheste Längsspaltung festzustellen. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 705 dann, dass nach vorliegenden Angaben (dort eitirt) an Sexual- zellen eine Theilung vorher einfacher Centralkörper vor und bei der Mitose beobachtet ist. Seitdem hat Guignard!) die Sphären und Centralkörper auch bei Pflanzenzellen vieler Arten aufgefunden; er gelangt zu dem Schluss, dass letztere auch in der ruhenden Zelle stets dop- pelt seien?), indem allgemein jedes Polkörperchen sich schon während der Mitose (in den Anaphasen) wieder in zwei theile. Sollten sich dafür bei den Pflanzenzellen, die ja vielleicht gün- stigere Objeete in dieser Hinsicht sein mögen, sichere Belege ergeben, so würde ich damit nicht m Widerspruch sem, da ich ja diese Frage offen gelassen habe?); nur würde dann zu er- — Ich glaube nicht, dass man umgekehrt annehmen kann, die Chrom- säurepräparate ständen der Natur näher als die Osmiumgemischobjecte, die ersteren zeigten die Centralkörper in wahrer Grösse, und an den letzteren seien sie geschrumpft. Hiergegen spricht, dass die fraglichen runden Körper in den Chromsäureobjecten so erheblich in der Grösse schwanken (von 2 bis gegen 4), während die Centralkörper der Leu- cocyten in den ÖOsmiumgemischpräparaten viel kleiner, aber immer von gleichen Dimensionen sind. Jene runden Körper in meinen alten Chromsäureobjeeten sind schon mit Mittelsystemen leicht zu sehen; es wäre leicht gewesen, sie schon damals zu finden, wenn man hätte ahnen können, dass etwas derartiges zu finden wäre. Ich habe sie damals für irrelevante Körner gehalten und nicht weiter beachtet. 1) L. Guignard, Sur l’existence des „Spheres attractives“ dans les cellules vegetales. Comptes rendus Ac. d. sc. Paris, 9. mars 1891; der Aufsatz ging mir durch des Verfassers Güte während des Ab- schlusses dieser Zeilen zu. 2) „Par suite, l’existence de deux spheres attractives, m&eme dans l’etat de repos complet, me parait 6tre un fait general“. P.3 a.a.0. 3) Guignard hat mich zwar dahin verstanden, als ob ich zu dem Glauben neige: „que dans la periode du repos complet, il peut n’exister dans la cellule qu’une seule sphere attraetive, dont le d&edouble- ment n’aurait lieu qu’au moment de la division du noyau“. Ich habe ja aber gerade im Gegentheil, weil noch Niemand vor mir doppelte Centralkörper in Zellen mit anscheinend ganz ruhenden Kernen ge- ‚sehen hatte, besonders darauf hingewiesen, dass eine Verdoppelung dieser Körper hier „schon lange zuvor erfolgen muss, ehe von einer Mitose im Kern etwas zu sehen ist“ (a.a. 0. S. 4, Sep.-Abdr.), und habe mich über die fragliche Duplieität oder Ein- fachheit der Centralkörper während der Ruhe doch vorsichtiger aus- gedrückt, als man aus Guignard’s Worten entnehmen könnte, wie 306,7 W. Flemming: klären bleiben, weshalb die Sphären und Centralkörper bei den Leucoeyten ausserhalb der Mitose sich fast immer einfach prä- sentiren, und es würden die Fälle, in denen man die Sphären, das Citat meiner Stelle zeigen kann (ebenda S.4, Sep.-Abdr.): „Ich finde die Centralkörper viel öfter doppelt als einfach. Und es wäre ja denkbar, dass auch dort, wo sich ein einfacher zeigt, in der That zwei in Deckung befindliche vorliegen könnten; denn ihre Distanz ist oft sehr gering. Ich möchte dies aber nicht ohne Weiteres anneh- men, denn erstens findet sich bei den Leucocyten, wo diese Dinge so viel grösser und deutlicher sind, meistens nur ein einfacher Central- körper, und zweitens ist ja von van Beneden und Anderen, so. neue- stens von OÖ. Schultze beobachtet, dass in Ei- und Samenzellen im Anfang der Mitose ein einzelner Centralkörper besteht und sich im Verlauf derselben theilt. Danach wird auch für die hier besprochenen Gewebszellen die Annahme wohl am nächsten liegen, dass das Körper- chen bei voller Ruhe der Zelle einfach ist und sich erst verdoppelt, wenn diese der Theilung entgegengeht“. Letzteres heisst aber nicht, wie Guignard es übersetzt: „au moment de la division“; hätte ich gesagt, dass die Körperchen sich erst im Moment der Theilung verdoppeln, so würde ich damit etwas ganz Unmögliches ausgesagt haben. Denn wie ich ausdrücklich a. a. 0. angab, sind in der Mehrzahl der betreffenden Gewebszellen — wenn nicht vielleicht in allen — doppelte Centralkörper vorhanden, und wenn alle diese Zellen sofort in Mitose treten wollten, so müsste man folgeweise auch häufig Fälle finden, wo in einem solchen Gewebe die Zahl der Mitosen grösser ist als die der ruhenden Kerne. Das kommt aber bekanntlich weder bei Amphibienlarven, noch überhaupt in Thier- geweben wohl jemals vor, abgesehen von den frühesten Keimstadien. Kurzgefasst, möchte ich also die Auffindung der Thatsache in Anspruch nehmen, dass in Zellen von Thiergeweben ausserhalb der Mitose, bei anscheinend vollständiger Kernruhe, doppelte Centralkörper vorkommen können, und zwar sicher bei der grössten Anzahl der vor- liegenden Zellen im Präparat, wenn nicht bei allen. In Bezug auf die Anschauung van Beneden’s über die Attrac- tionssphären muss Guignard offenbar ein Versehen begegnet sein, da er äussert (pag.3 a.a.0.): „Quant ä leur origine (des spheres) dans l’oeuf, les Zoologistes n’ont pas encore pu la preeiser. M. E. van Beneden les voit apparaitre simultan&cment, sans savoir d’ou elles proviennent.“ Dem gegenüber möchte ich doch darauf hinweisen, dass’ E. vanBeneden in seiner bekannten Arbeit von 1887 (Bull. de l’acad. roy. de Belg. T.14), welche seiner schon von früher datirenden Ent- deckung der Sphären und Centralkörper den Abschluss giebt und ihre hohe allgemeine Bedeutung klarstellt — wörtlich gesagt hat: „Nous sommes done autorises A penser que la sphere Aula avec u a u ze Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 707 oder was ja auf’s Gleiche herauskommt, die Radiensysteme bei Eizellen in der Ruhe oder im Anfang der Mitose einfach und einseitig am Kern gefunden hat!), auf das Verhalten der Cen- tralkörper näher zu prüfen und zu untersuchen sein, ob es auch hier möglich wäre, eine Duplieität der Sphären und doppelte Einstellung der Radien auf zwei Centralkörper anzunehmen. Bei den Leuceocyten, und so auch wohl in den anderen hier ange- zogenen Fällen, würde dies nur durchführbar sein unter der Vor- aussetzung, dass die zwei Sphären, und in ihnen die Central- körper, hier sehr eng aneinandergedrängt liegen müssten. Dies ist gewiss nicht unmöglich; ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass ich vielfach die Centralkörper der Leucocyten nicht rund, sondern länglich geformt finde, und dass sie auch dort, wo sie die erstere Form zeigen, doch länglich sein könnten, indem sie hier in der Richtung ihrer Längsaxe gesehen vorliegen mögen und dann, bei den kleinen Dimensionen, über ihre Form durch die Einstellung kaum zu entscheiden sein würde. Die länglichen Formen sehe ich allerdings bis jetzt nur nach Fixirung mit Her- mann’schem oder mit meinem Osmiumgemisch, nicht an Chrom- säurepräparaten, von denen oben (Anm. S. 704) die Rede war; aber wie dort gesagt ist, müssen die runden Körper, die man an son corpuscule eonstitue un organe permanent, non seulement pour les premiers blastomeres, mais pour toute cellule; quelle constitue un organe de la cellule au m&me titre que le noyau lui- meme; que tout corpuscule central derive d’un corpuscule anterieur; que toute sphere procede d’une sphere antcrieure, et que la division de la sphere precede celle du noyau cellulaire.“ (a. a.0. pag. 67; ferner sei besonders auf pag.61 oben bei van Beneden verwiesen, wo es heisst: „Elles persistent ... ... a tous les moments de la vie cellulaire.“) 1) Flemming, Beitr. zur Kenntniss der Zelle. III, dieses Arch. Bd.20, 1881, S.19 ff., 30 ff. u. 34, Tafel 2, Fig. 9, und: Zellsubstanz etc. 1882, S.296 ff. — van Beneden, Nouvelles Recherches etc. 1887 (l.e. vor. Anmerkung) Pl.I, Fig.2, 3. —'Boveri, Zellenstudien H. 2, - verschiedene Abbildungen auf Tafel II. — v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre 1889, S. 51. — 0. Schultze, Sitzungsber. d. Würzb. Phys. med. Gesellsch. 26. Juli 1890. — Ich sehe allerdings, dass der letztere Autor nicht, wie ich a. a. 0. eitirte, selbst einfache Sphären an ruhenden Kernen beschrieben, aber deren Existenz nach den Be- obachtungen v. Kölliker’s und Anderer angenommen hat (8.2 a.a. O.), 708 W. Flemming: Präparaten letzterer Art sieht, einer Veränderung entsprechen, und wenn sie aus den Centralkörpern entstanden sind, müssten diese einer sehr starken Aufquellung unterlegen sein. Als weiteres Bedenken gegen eine dauernde und allgemeine Doppelheit der Centralkörper könnte auch der Befund F.Hermann’s an den Spermatocyten von Salamandra!) in Betracht kommen: Hermann findet hier im Verlauf des Spirems (Fig. 14—16 a. a. 0.) einen einfachen Körper neben dem Kern, der sich erst in der Metakinese (Fig. 17) theilt und dessen Hälften sich dann an die Pole lagern (Fig. 18). Doch muss man wohl wei- teren Aufschluss darüber abwarten, wie sich dies mit den neue- sten Ergebnissen Hermann's?) vereinbaren wird, nach welchen die Centralkörper bei den gleichen Zellen viel kleiner sind als jene Körper und sich früher, schon im Spiremstadium, ausein- anderbewegen, sowie es auch meinen Befunden (s. unten) entspricht. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein Missverständniss aufklären, das mit dem Gegenstand Berührung hat. v. Kölliker (a. a. ©. 8.55) bezieht sich bei der Besprechung seines Befundes an den Blastomeren von Siredon (einseitig am Kern anliegende Sphäre) auf eine frühere Aeusserung von mir®): „es sei mir kein Fall bekannt, in welchem zur Zeit des Kerntheilungsanfanges ein einziges Radiärsystem mit dem ganzen Kern als Centrum ge- funden wäre“, und führt dazu an, dass ich doch selbst eine der- artige Beobachtung aufzuweisen habe, indem er dafür meine Fi- suren 34 u. 35 von Sphaerechinus!) anzieht. Nun habe ich aber mit jener Aeusserung, wie es ja ihr Wortlaut sagt, nur eine Strahlung mit dem ganzen Kern als Centrum ge- meint in dem Sinne, dass die Radien auf den Mittelpunkt des Kerns eentrirt ständen; ich habe an den betreffenden, hier eitir- ten Stellen ausschliessen wollen, dass eme derartige Strah- Jung, die ringsum von der ganzen Peripherie des Ker- 1) Dieses Archiv Bd.34, 1889, S. 68—69, Tafel 4. Hermann stellt hier, doch mit grosser Vorsicht, die Vermuthung auf, dass es sich bei diesen Körpern um van Beneden’s und Boveri’s Central- körperchen handeln möge. 2) Münchener med. Wochenschrift 1890, Nr. 47. 3) Zellsubstanz ete. S. 296; ferner dieses Archiv Bd. 20, S.19, 32, 33 und 34, Satz 4. 4) Am soeben eitirten Ort. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 709 nes eoneentrisch ausginge, bei der Theilung von Eiern oder anderen Zellen jemals sicher beobachtet sei. Nicht aber habe ich daran gedacht — wie es v. Kölliker aufgefasst zu haben scheint — das Vorhandensein einfacher Radiensysteme an Kernen überhaupt zu bezweifeln, habe ja vielmehr selbst mehrfache, auch bei v. Kölliker eitirte Belege dafür beigebracht. Wie man beim Lesen meiner hier angezogenen Stellen finden kann, kam es mir vielmehr darauf an, hervorzuheben, dass beim Anfange der Theilung die Strahlungen einseitig an den Kernen auftreten, nicht, wie damals gemeint wurde, radiär zum ganzen Kern. So viel ich weiss, sind H. Fol!), E. L. Mark?) und ich die Ersten gewesen, die dies zu einer Zeit, wo man noch nichts von Pol- feld, Sphären und Centralkörpern wusste, bemerkt und als wichtig erwähnt haben. Die weitere Forschung hat uns darin ja Recht gegeben, und es steht also jene meme von Kölliker angezogene Aeusserung mit seinen und allen neueren Befunden nicht in Widerspruch, sondern im besten Einklang. Von den Oentralkörpern der Salamanderzellen will ich noch eins berichten, was mir bemerkenswerth scheint. Es macht mir den Eindruck, dass von den doppelten Centralkörpern, die man an ruhenden Kernen, sowie an allerfrühesten Spiremformen sieht, der eine kleiner wäre als der andere. Bei der Klemheit dieser Dinge überhaupt und der Schwierigkeit ihrer Darstellung kann man nicht gut wagen, dies bestimmt zu behaupten; denn es ist ja zu bedenken, dass es sich um regressive Färbungen (durch Extraetion) handelt und dass also zufällig aus dem einen Körperehen mehr Farbe ausgezogen sein kann als aus dem an- deren. Aber der Grössenunterschied macht sich so sehr oft be- 1) Commencement de ’Henogenie chez divers animaux. Archives des Sciences phys. et nat., T. 18, Avril 1877, Sep. p. 29; s. auch Fig. 6, Tafel X in Fol’s Recherches sur la Fecondation, 1879. Seine kurze 3eschreibung (betreffend Sagitta) an der ersteren Stelle lautet: „Pen- dant ce mouvement de translation (du pronuceleus mäle) on voit tres- nettement que le centre de l’etoile se trouve en avant de la täche elaire“ (letzterer Fleck entspricht dem Spermakern). Für meine näheren Angaben verweise ich auf die erwähnten Stellen. Meine Beobachtungen waren freilich darin unvollkommen, dass ich damals noch glauben konnte, die Strahlung des weiblichen Pronucleus entstände frei an der Seite des Eikerns, welche dem Spermakern gegenüberliegt. 2) Mark, Maturation etc. of Limax camp., Bull. Harv. Coll. 1880, 710 W. Flemming: merklich, dass ieh daran denken muss, es könnte sich hier um ein typisches Verhalten handeln. Und dies um so mehr, als noch ein anderer Umstand darauf hinweist, dass die beiden Centralkörper resp. die künftigen Polkörper nicht emander gleich beschaffen sind. Hermann hat in seiner letzten, eben eitirten Arbeit (S. 2) mitgetheilt, dass in den Spermatoeyten bei begin- nender Bildung der Spindelenden constant zuerst von einem der beiden Centralkörper ausgehend ein Faserbündel auftritt. Hierfür kann ich mich auch schon auf viel frühere eigene Be- funde beziehen. Als ich vor 1882 die Entstehung und Herkunft der achromatischen Figur zu ermitteln suchte!), zu einer Zeit also, wo die Entdeckung des „Polfeldes“ durch Rabl (1884—85) noch nieht vorlag und man noch nicht an Attractionssphären dachte, fand ich bei flachen, lockeren Knäuelformen, eben zu der Zeit, wo die Kernmembran schwindet, die ersten Spuren dieser Figur in der Form, dass die zwischen den ehromatischen Knäuelfäden angeordneten blassen und feinen Stränge an zwei Stellen eine unverkennbare radiäre Anordnung zeigten (s. die hier eitirten Figuren des Buches). Ich habe diese Stellen da- mals sofort als die Pole und ihre Centra als die künftigen Pol- körperehen in Anspruch genommen (a. a. O. S. 24 und 26) und dabei auch angenommen, dass diese Polstellen von vornherein noch ausserhalb des Bereiches der Kernmembran gelegen sein müssten, weil nur dies mit den Befunden an Eiern stimmen konnte. Ich wusste nun damals noch nieht, was wir jetzt wissen, dass beide Pole anfänglich ganz nahe bei einander an derselben Seite des Kerns im Polfeld angelegt sind; deshalb habe ich da- mals noch geglaubt (S. 224), dass stets zu gleicher Zeit zwei solehe Strahlungen angelegt werden und zwar an entgegenge- setzten Flachseiten des Kerns, wenn auch bei der grossen Platt- heit des letzteren sehr nahe bei einander, und habe darum ge- meint, dass, wo ich nur einen solchen blassen Stern wahr- nehmen konnte und demnach auch nur diesen gezeichnet habe (Fig. 34, 36 a. a. O.), der andere dureh chromatische Fäden verdeckt gewesen sei. Diese Annahme erscheint jetzt unnöthig; denn wie es aus der angeführten Beobachtung Hermann’s und aus dem, was ich selbst unten zu sagen habe, hervorgeht, ist 1) Zellsubstanz ete., S. 224 ff., Taf. Ill a, Fig. 34, 36, 37, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 711 wirklich der eine Pol dem anderen in der Entwieklung voraus, bekommt seine Strahlung früher als dieser, und wenn auch der letztere eine solche erhalten hat, bleibt diese auf eine Zeit lang noch merklich geringfügiger als die des ersteren Poles. Wenn wir hiernach wirklich auf eine substantielle Ungleich- heit und also auf eine gewisse Ungleichwerthigkeit der Pole schliessen können, die sogar schon in einer ungleichen Grösse der beiden Centralkörper bei noch’ ruhendem Kern ihren Ausdruck fände, so würde dies, wie mir scheint, ein allgemei- neres Interesse beanspruchen. Seit die einseitige Lage der Attraetionssphäre am Kern festgestellt ist, kann man gewiss mit Grund mit van Beneden sagen, dass die Zelle ein bilateral symmetrischer Organismus ist, der durch eine, die Sphäre und den Kern mitten durchschneidende Ebene in zwei Antimeren zer- legbar wäre. Wenn aber das zutrifft, was ich hier vermuthungs- weise hinstellte, so haben wir eine noch weiter gehende Orien- tirung in der Zelle. Wir haben dann nicht nur eine Medianebene derselben, in welcher die Lage der Axe ausserhalb der Mitose nicht bestimmt anzugeben wäre, sondern eine Axe, welche z. B. in meinen Figuren I—7 durch die verlängerte Verbindungslinie der beiden Centralkörper gegeben wäre. Und zwar eine Axe, deren zwei Enden ungleichwerthig sein können, sowie die beiden Centralkörper ungleiehwerthig sind: so dass Verschiedenheiten der Zellsubstanz in verschiedenen Theilen der Zelle auch hierauf, nicht bloss auf den antimeren Bau bezogen werden können. Man wird sich hier an die interessanten Ausführungen Hatschek’s und Rabl’s!) erinnern, welche auf der Grundlegung einer „Po- larität der Zelle“ fussen. Die Annahme eines „basalen Pols und freien Pols“ der Zelle, die den Betrachtungen Rabl’s zu Grunde liegt, ist von den beiden Forschern zunächst nach den erkennbar ungleichen Functionen und Beschaffenheiten der Fussenden und freien Enden epithelialer Zellen abgeleitet worden; vielleicht hätten wir für diese Ideen eine noch weit speziellere Grundlage zu hoffen, wenn meine obige Vermuthung sich durchführen lassen würde, dass im jeder Zelle die Theilungspole oder, was ja das Gleiche 1) ©. Rabl, Ueber die Principien der Histologie. Verhandlungen der Anatom. Gesellsch., III. Versammlung, Berlin 1889, S. 39, 112 W. Flemming: ist, die beiden Oentralkörperportionen unter einander nicht gleich- werthig sind). Scheinbar müsste dies zwar die Voraussetzung bedingen, (dass die Uentralkörper auch in der ruhenden Zelle dauernd zwei- fach wären, was, wie ich oben ausgeführt habe, noch die Frage bleibt. Sollte sich aber auch ganz sicher herausstellen, dass sie bei voller Ruhe der Zelle einfach sind?) oder sein können, so kann man sich doch vorstellen, dass sie auch in solehem Zustand aus zwei nur eng vereinigten Theilen bestehen. Zur Erläuterung mag Folgendes dienen: an einem Ascaris-Ei in der Dyaster- oder Dispiremphase, wie in Fig. 7 und 8 Pl. I m van Beneden’s Werk von 1887, sind bereits an jedem Tochterpol schon vor der Zelltheilung die Centralkörper wieder getheilt, in Fig. 9 auch die Sphären, denn hier folgt eine Zelltheilung sehr rasch der anderen. Dies braucht auch bei Eiern nieht immer so zu sein. OÖ. Schultze (a.a. O. S.4) hat schon darauf hingewiesen, dass bei niederer Temperatur am Siredonei die Furchung sich verlang- samt, die Theilung der Sphäre sich verschieben kann, und hat es damit erklärt, dass von Kölliker bei dem gleichen Ei am ruhenden Kern nur eine Sphäre fand. Es wäre nun wohl mög- lich, dass auch. bei Gewebszellen und überhaupt vielfach dort, wo zwischen den Theilungen lange Ruhepausen auftreten, die Sphäre am Tochterpol sieh noch nicht theilt, die Centralkörper zwar sich zerlegen oder doch in zwei Portionen sondern, dass aber 1) Es ist zwar bei anderen Zellenarten, und namentlich bei Eiern wie die Wurmeier, bei denen die Centralkörper so viel grösser sind, von ungleichen Dimensionen der beiden Polkörper meines Wissens noch nichts bemerkt worden, und dies bestimmt mich um so mehr, das Obige nur als Muthmaassung hinzustellen; es ist aber wohl mög- lich, dass solche geringe Grössenunterschiede der Körper auch bei den Eiern vorkommen und nur bisher nicht beachtet worden sind. 2) In diesem Fall müsste natürlich angenommen werden, dass in alle den weitaus häufigsten Fällen, wo ich in diesen Geweben zwei- fache Körperchen gefunden habe, das einfache sich bereits für eine bevorstehende Zelltheilung wieder verdoppelt hat. Diese Annahme wäre nicht unmöglich, da es sich ja hier um wachsende Larvengewebe handelt. Diese Theilung der Centralkörper könnte entweder schon in den Anaphasen der vorhergehenden Mitose erfolgt sein, wie dies bei Schlag auf Schlag sich theilenden Zellen geschieht (furchende Eier, Spermatoeyten, Pollenmutterzellen), oder auch später eingetreten sein. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. {19 diese beiden Portionen zunächst nieht aus einander zu rücken brauchen und dies erst thun, wenn eine nene Theilung heran- rückt. Dann also würde es eine polare Orientirung an der Sphäre und eine Duplieität der Centralkörper geben können, auch dort, wo diese wie ein einfacher aussehen. Ich erinnere hier auch an das, was eimige Seiten zuvor über die scheinbar einfachen Sphären und Gentralkörper der Leukocyten gesagt ist. Und selbst wenn auch diese Vermuthung schon zu weit ginge und sich bei weiterer Untersuchung zeigen sollte, dass es in ruhenden Zellen wirklich vollkommen einfache Centralkörper giebt, so würde es immer noch denkbar bleiben, dass es an einem sölchen zwei verschieden beschaffene Pole giebt und dem- nach, wenn er sich theilt, seine beiden Theilproduete unter ein- ander ungleich ausfallen werden. Damit hätten wir aber dann, auch dort, wo solche Theilung noch nicht erfolgt ist, schon eine durch die Polarität des Centralkörpers vorgezeichnete Axe der Zelle. Ich würde den letzteren, noch durchaus hypothetischen Be- trachtungen hier keine Stelle gewährt haben, wenn es nicht "klar wäre, dass unter der Voraussetzung eines Doppelbaues oder einer ungleichen Polarität der Centralkörper die vorher erwähnte Er- scheinung -—— das zeitlich-ungleiche Verhalten im Beginn der Mitose — viel leichter verständlich wird, als wenn wir annehmen, dass jene Körper, wo sie einfach erscheinen, völlig homogen sind. Ich übersehe nicht, dass die Annahme einer solchen axialen Orientirung in der Zelle auf den ersten Blick in Widerspruch mit Erfahrungen steht, die am Ascaris-Ei gemacht und besonders von Boveri hervorgehoben sind: danach ist dort die Theilungs- axe der Centralkörper an den Tochterpolen keineswegs eine be- stimmte, sie kann sehr verschiedene Richtung zur Axe der vor- hergegangenen ersten Theilung haben (Boveri a. a. 0., S. 165). Hierin scheint mir aber kein ausschlaggebender Einwand zu liegen. Zunächst, wenn auch die CGentralkörperaxe ihre Stellung wechseln kann, so kann sie doch während der Lage, die sie jeweilig hat, auf den ganzen Zellleib und seine geformte Structur einen orien- tirenden Einfluss äussern; dies erkennt Boveri selbst besonders an in den Worten (S. 132): „dass jedes in einer Zelle vorhandene Centrosoma eine nicht näher zu bestimmende Herrschaft über das *® Protoplasma ausübt“. Wenn nun im Ei und in den anfänglichen Furchungszellen ein Stellungswechsel der Axe häufiger eintritt, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 47 714 W. Flemming: wenn dementsprechend der Bau dieser ersten Körperzellen noch ein in sich flexibler ist, so lässt sich doch wohl daran denken, dass in ihren späteren Abkömmlingen, die sich an bestimmte feste Lage und bestimmte Funetion bequemt haben, auch eme mehr bestimmte Lage und Axenstellung der Centralkörper Platz eewinnt, und dass auf Grund dessen das, was Boveri Herrschaft über das Protoplasma nennt, sich in Form einer wirklichen topo- graphischen Differenzirung der Zellsubstanz geltend macht. In meinem letzten Aufsatz hatte ich die Frage, was bei amitotischer Fragmentirung eines Kerns mit nachfol- gender Absehnürung der Zelle mit der Attractionssphäre geschieht, noch nicht beantworten und nur vermuthen können, dass Centralkörper und Sphäre sich dann wohl vor der Abschnü- rung der Zelle wird theilen müssen). Seitdem habe ich einen Fall gefunden, der dies stützen kann (Fig. 26). Eine kleine Zelle in einem Kiemenblatt, die nach der dunklen Kermtimetion und der Ausläuferlosigkeit des Leibes ein Leukoeyt ist, befindet sich in offenbarer Abschnürung, jede Portion enthält einen Kern; diese beiden Kerne sind gleich gross, und da in ihnen jede Spur von mitotischer Anordnung fehlt, die in diesem Zustande des Zellen- leibes sonst einem Dyaster oder allenfalls Dispirem entsprechen müsste, so ist zu schliessen, dass eine Fragmentirung des Kerns in Form einer Abschnürung vorhergegangen ist. In jeder Zell- portion nun liegt ein blassröthlich gefärbter Körper neben dem Kern. Es handelt sich um ein Chromsäurepräparat; an solchen sind die Sphären so verändert, wie ich dies oben auf S. 704, Anm. 1 besprach, ich kann also nicht sicher sagen, ob diese Körper in Fig. 26 geschrumpften Sphären oder gequollenen Uentral- körpern entsprächen; jedenfalls zeigen sie ganz dieselbe Tinction und Lichtbrechung, wie die betreffenden Körper in Chromsäure- objecten überhaupt, sind also nicht als beliebige Körner zu be- trachten. Der eine dieser Körper liegt, wie man sieht, dieht an der Abschnürungsstelle und zeigt ungefähr runden Umfang; der in der andern Hälfte, etwas entfernter von der Sehnürstelle, ist “platt und scheint kleiner zu sein als der erstere, doch kann dies 1) Dieses Archiv Bd. 37, S. 283. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 115 auch darauf beruhen, dass beide gleich gross und flach sind und der eine von der Fläche, der andere von der Kante gesehen wird. Hiernach würde sich also die Sphäre bei Fragmentirung von Leukoeyten theilen, bevor es zur Abschnürung der Zellleiber kommt, wie ja a priori zu vermuthen war (s. a. a.0.). Dass das Gleiche bei der blossen Fragmentation emes Zellkerns nicht erfolgt, habe ich dort gezeigt. E. Zur Mechanik der Zelltheilung und über die Entstehung der Kernspindel in Gewebszellen des Salamanders. Seit ich vor vier Jahren zuletzt Anlass hatte, diesen Gegenstand und was damit wesentlich zusammenhängt, die Spindelbildung zu besprechen !), ist die Forschung darin bekanntlich um grosse Schritte vorwärts gekommen; wir verdanken dies vor Allem Edouard van Beneden, dessen schon frühere Entdeekung der Attractions- sphären und ihrer Centralkörper im Ascaris-Ei?) die Hauptgrund- lage für diese Fortschritte war und in seinem folgenden Werke?) den glänzenden Ausbau erhalten hat, in dem sie uns jetzt ganz neue Gesichtspunkte für das Verständniss des Zelltheilungsvor- ganges eröffnet; ferner Boveri, dessen die Zelltheilung betreffende Arbeit), mit der letztgenannten van Beneden’s gleichzeitig und von ihr unabhängig entstanden, in den wesentlichsten Punkten zu gleichen Ergebnissen gelangte. Eine höchst wichtige Vor- läuferin dieser Funde, wenn sie ihnen auch nichts an Originalität entzieht, muss die Arbeit Rabl’s von 1885°) genannt werden, der noch ohne Kenntniss der Bedeutung, Wirkung und Theilung der Attractionssphären van Beneden’s die Thatsache entdeckt hatte, dass die Pole an einer eng beschränkten Stelle einseitig neben dem Kern auftreten und sich während der Mitose von 1) Dieses Archiv 1887, S. 425. 2) Recherches sur la maturation de l’oeuf, la f@econdation et la division cellulaire. 1883. 3) van Beneden et Next, Nouvelles Recherches sur la fecon- dation et la division mitosique chez l’Ascaris megalocephale, Brux. 1887. 4) Zellen-Studien H.2. Die Befruchtung und Theilung des Eies von Ascaris megalocephala. Mit dem früheren Heft und sonstigen Publikationen Boveri’s berührt sich das Folgende nicht näher. 5) Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. Bd.X. rat W. Flemmine: einander entfernen. Ich erlaube mir, von eimer Anführung vieler anderer wichtiger Untersuchungen über Zelltheilungsprobleme ab- zusehen und ausser den genannten nur diejenigen zu besprechen, mit denen ich hier selbst näher in Berührung komme. In jener Besprechung von 1887 war ich zu dem Schluss eelangt, dass 1. die T'heilungspole, wie das ja schon früher an- zunehmen war, ausserhalb des Kermbereichs gelegen sind und zwar, wie Rabl gezeigt hatte, anfangs nahe beisammen in Er- scheinung treten und dann sich von einander entfernen; dem- gemäss ist die Spindel, wie es Rabl dargestellt hat und wie ich es damals bei den Spermatoeyten bestätigt fand, anfangs klein und wächst an Länge und an Mächtigkeit; 2. hatte ich anzuer- kennen, dass auch die polaren Enden der Spindel bei Wirbel- thieren ebenso, wie nach van Beneden bei Ascaris, ausserhalb des Kerns entstehen können; da aber bei Amphibienzellen die Pole so sehr nahe am Kernumfang erscheinen, konnte ich das bei diesen Objeeten auch nur für die äussersten Enden der Spindel gelten lassen und nahm für deren dort im Verhältniss viel grös- seren Mitteltheil an, dass er aus achromatischen geformten Be- standttheilen des Kernes — wie wir jetzt nach F. Schwarz’s Ausdruck sagen, aus Lininfäden — entstehen müsse; dies stützte sich auf meme früheren eigenen Beobachtungen an Epithel- und 3indegewebszellen !), welche zuerst das Vorhandensein von blassen feinen Fäden innerhalb der späteren Knäuelstadien, noch vor dem Sehwinden der Kernmembran, kennen gelehrt hatten. Ich konnte es danach schon am unten eitirten Ort (1882) als an- nehmbar hinstellen (S. 226): „Dass die Fäden der Spindel (mit Ausnahme ihrer polaren Enden und der Polkörper selbst) aus den blassen Strängen ent- stehen, die man in den Knäueln sieht und welche aus den eeformten Structuren des Kerms, als chromatinlose Bestandtheile (derselben, sich entwickeln. Es ist eme Attraction oder doch eine riehtende Kraft von Seiten der Pole im Spiel, welche sich innerhalb der Knäuelphase verstärkt und diese Stränge als Ra- dien gegen die Pole eonfigurirt, so dass dieselben im Anfange dieses Processes noch ungenau radiäre Ordnung zeigen, später immer regelmässigere und geradlinigere annehmen. — Eine gleiche 1) Zellsubstanz etc., S. 223 u. folgende, Tafel IlLa. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 717 richtende Kraft üben die Pole aber auch auf die umgebende Zellsubstanz; sie wird gleichfalls radiär zu ihnen orientirt, und dies giebt die polare Zellstrahlung. — Die Kernmembran wird deeonstituirt zu losen Strangwerken, welche mit denen, die sich jetzt im hellen Innentheil des Zellkörpers darstellen, in Zusam- menhang stehen und bleiben, und von ihnen nachher nieht weiter zu unterscheiden sind.“ Man sieht, dass diese Auffassung denjenigen schon recht nahe steht, welehe van Beneden und weiter Rabl (s. unten) seitdem aufgestellt haben, wenn man im meinen Worten die Aus- drücke „Attraetion oder richtende Kraft“ dureh „Contraetion“ ersetzt. In Bezug auf die sehon damals vorliegende Angabe van Beneden’s!), dass die Spindelfasern gegen den Aequator zu freie Enden haben, mit denen sie sich an die Chromosomen heften und sie gegen die Pole auseinander ziehen, konnte ich mich nach dem Befund an meinem damaligen Objeet — Spermatocyten des Salamanders — nieht zustimmend verhalten?), da bei diesen ganz sicher Fasern zu finden waren, die im Aequator keine Unterbreehung zeigten, und da man nach van Beneden’s erster Darstellung meinen konnte, dass er eine solehe Discontinuität für das ganze Fadenbündel annähme. Jetzt ist diese Diffe- renz, wie das Weitere ergiebt, ohne Schwierigkeit zu beseitigen. In dem gleichen Jahr, wie meine eben eitirte, erschien die sehöne Arbeit van Beneden’s und Neyt’s (s.oben) und brachte als Hauptergebnisse: den vollen Nachweis der Sphären und Cen- tralkörper in der Bedeutung als bleibende Organe der Zelle; den Nachweis ihrer Theilung und ihrer wichtigen Rolle bei der Zell- theilung, in der Art, dass Spindelfasern (aber nicht sämmtliche) von den getheilten Centralkörpern (Polkörpern) von beiderseits an die Chromosomen treten und deren Spalthälften gegen je einen Pol ziehen, also die Entdeckung der nächsten Ursache für die Heteropolie*) der Chromosomenhälften und die Zurückführung 1)’ a: a. ©. 1874. 2) S. 433 meiner Arbeit a. a. 0. 3) a. a. O0. S.335 u. and. 4) Ich benutze den Ausdruck Heteropolie der Spalthälften als kurze Bezeichnung für die Thatsache, dass die beiden Schwester- hälften je eines Chromosoms nach verschiedenen Polen hin verlagert 718 W. Flemming: dieses Vorganges wie des ganzen Theilungsprocesses auf eine Contraetion geformter Structuren der Zellsubstanz, welehe die Centralkörper, bezw. Polkörper zu Centren hat. In letzterer Hinsicht kommt noch als besonders wichtig die Ent- deckung van Beneden’s in Betracht, dass zwischen den Polen und der Eiperipherie bei der Theilung die Gegenpolkegel (eönes antipodes) als stärker markirte Theile der Polstrahlung erscheinen, deren Fibrillen dureh ihre Contraction die Polkörper von ein- ander abspannen. van Beneden — wie auch Boveri, siehe unten — vergleicht die Contractilitätsäusserungen der Spindel- fasern und Polstrahlen geradezu mit denen von Muskelfibrillen. Der Punkt, mit dem ich mich hier besonders beschäftigen will: die Frage nach der Art, m welcher der Zusammenhang der Spindelfasern mit den Chromosomen zu Stande kommt oder prä- existirt, und ferner nach der ersten Ursache der Chromosomen- spaltung, ist in dieser Arbeit van Beneden’s nicht näher in’s Auge gefasst; er sagt (pag.41), dass die Fibrillen der Spindel nichts anderes seien, als differenzirte Theile der Zellstructur („du werden und also für verschiedene Tochterkerne bestimmt sind; eine Thatsache, welche bekanntlich durch E. Heuser und van Beneden gleichzeitig (März und April 1884) festgestellt und im folgenden Jahre durch Rabl bestätigt worden ist. In einer kürzlich geführten, durch einen Aufsatz Guignard'’s veranlassten Controverse über die Priorität dieses Fundes zeigt sich sehr deutlich der Mangel eines einfachen Ausdrucks für das gesammte Verhalten; es wurde im Französischen mit den Worten: dedoublement, &ecartement, cheminement des anses vers- les pöles umschrieben, auch das Wort cheminement zur Bezeich- nung des Ganzen benutzt, und so konnte das Missverständniss mög- lieh werden, als handele es sich um die lange bekannte Längsspaltung der Chromosomen oder um die ebenso bekannte Thatsache, dass durch diese Spaltung deren Zahl verdoppelt wird und jeder Tochterkern die Hälfte der Gesammtzahl erhält, oder gar um das Auseinanderrücken der beiden Tochtergruppen — denn cheminement heisst ja nichts weiter als Bewegung. Von diesen drei Dingen hatte ich die beiden ersten längst festgestellt, und das dritte verstand sich von selbst. Aber es stand nicht fest und war doch sehr wichtig zu wissen, ob von zwei Spalthälften eines Chromosoms die Hälfte a zum einen Pol und b zum andern «eht. Dies habe ich nur als möglich hinstellen können; Guignard hat es mit richtigem Blick angenommen, aber nicht be- wiesen; Heuser und van Beneden haben, unter völliger Einsicht in die Tragweite des Verhaltens, diesen Beweis geführt und sind da- init ohne Frage die Entdecker der Heteropolie gewesen. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. [6] treillis protoplasmique“), und dass der grösste Theil der Spindel (die eönes prineipaux) sich bei Ascaris aus den Sphären, also von ausserhalb des Kerns her bildet, und lässt sich, so viel ich sehe, nicht auf die Frage ein, ob auch achromatische Substanzen des Kerns für die Spindelbildung mit benutzt werden. In Bezug auf den ersten Anlass zur Längsspaltung der Chromosomen findet sich bei ihm nur die vorsichtige Aeusserung: „I est probable que les filaments des cönes prineipaux determinent en se contractant, sinon le dedoublement des anses primaires, tout au moins l’Ecarte- ment ete. des anses secondaires.* (pag. 67.) Boveri’s Ergebnisse schliessen sich, wie gesagt, denen der belgischen Forscher in den Punkten, welche für meme hiesige Aufgabe in Betracht kommen, sehr nahe an, imdem er die Spindel offenbar durchaus von den Sphären herleitet und noch directer, als van Beneden, von einem Ausgesandtwerden der Spindel- fasern von Seiten der Centrosomen, von einem Sich-Festheften derselben an den Chromosomen spricht, und für das Ascaris-Ei eine Betheiligung von Kernsubstanz an der Spindelbildung, so viel ich sehe, gar nicht in Rede stellt. In Bezug auf die Chro- mosomenspaltung betont Boveri jedoch bestimmt, „dass sie eine selbständige Lebensäusserung derselben sei“, und nicht, woran sich nach van Beneden’s und Neyt's Beschreibung allenfalls denken liesse, bloss passiv durch Zug der Spindelfibrillen an den Chromosomen bewirkt werden könne: er begründet dies unter Anderem damit, dass im anderen Fällen die Längsspaltung schon vor der Fertigstellung der Spindel auftreten kann; ja, dass bei der Richtungskörperbildung im Asearis-Ei die Spaltung, die bei der zweitfolgenden Theilung zum Vollzug gelangt, schon von der ersten her vorbereitet ist (a.a.0. S. 113). Es mag entschuldigt sein, dass ich auf einige andere Differenzen und überhaupt auf vieles Wichtige in Boveri’s Arbeit hier nicht emgehe und nur das berücksichtige, womit ich näher in Berührung komme. Vor zwei Jahren hat Rabl eine Hypothese über die Me- chanik der Zelltheilung aufgestellt!), welche sich in den meisten Beziehungen an die Auffassung van Beneden’s und Neyt's anlehnt, doch in zweien sich von ihr unterscheidet. Rabl’s Grundgedanke ist, dass m der gesammten Zelle eine Centrirung 1) Ueber Zelltheilung. Anat. Anzeiger 1889, Nr. 1. 720 W. Flemming: gegen den Centralkörper, bezw. gegen die Polkörper besteht, und zwar, wie Rabl selbst sagt: „auch für die Zeit der Ruhe, während van Beneden eine solche Centrirung nur für die Zeit der Theilung annimmt“. Ich entnehme zwar aus van Beneden’s und Neyt's Arbeit nicht, dass diese eine Centrirung ausserhalb der Theilung ausgeschlossen sein lassen wollten, und sie bemerken an mehreren Stellen), dass sie die Spindelfasern und die Polstrah- lungen für nichts anderes halten, als für differenzirte Theile der Zellstruetur („du treillis protoplasmique*), und betonen an letz- terer Stelle deren Contractilität; doch heben sie freilieh eine Centrirung der ruhenden Zelle im Sinne Rabl’s nicht besonders hervor. — Das zweite und am meisten Besondere in Rabl’s Construction ist, dass er die Eimstellung der Structur gegen das Centralkörperehen nicht nur für die ruhende Zellsubstanz, son- dern auch für den ruhenden Kern in's Auge fasst, und zwar dies nicht nur für dessen chromatische Struücturen, worauf ja schon seine frühere Arbeit abzielte, sondern auch für achroma- tische geformte Bestandtheile des Kerns (a. a. ©. bei Rabl S. 24 unten, 25 oben, 26 und Fig. 1). Wo diese achromati- schen Bestandtheile während der Ruhe im Kern zu suchen sind, darüber spricht sich Rabl im diesem Aufsatz zwar nicht aus; doch aus dem, was im seiner früheren Arbeit im morphol. Jahr- buch (a.a. O0. S. 323—24) über die Structur des ruhenden Kerns und über die Rückbildung desselben aus dem Tochterknäuel gesagt ist, kann ich vielleicht annehmen, dass er sich gleich mir denkt, diese achromatische Substanz sei während der Kernruhe mit der chromatischen zum Gerüst vereinigt, und dass er sich also meiner vorher eitirten Meinung über die Anlage der Spindelfasern — dureh Sonderung von Lininsubstanz aus der chromatinhaltigen, deren übriger Bestand sich zu den Knäuelfäden ordnet — an- schliesst, obwohl er dieselbe in seinem letzten Aufsatz nicht er- wähnt hat. Eine Anschauung dieser Art über die Verhältnisse des ruhenden Kerns, über eine bleibende Verknüpfung von dessen Bau mit dem der Zellstruetur, ist nm van Beneden’s Theorie nicht enthalten; ich finde nicht, dass er ihre Möglichkeit irgendwo in Abrede stellt, aber auch nicht, dass er sie überhaupt im’s Auge I) Bd. 41 und pag. 67. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. al fasst. Boveri hingegen ist in diesem Punkt offenbar anderer Meinung als ich und Rabl; er nimmt an, dass die Polradien (Arehoplasmastrahlen) von den Sphären ausstrahlen, auf die Chromosomen treffen und sich an sie anheften; dass es sich also bei der Spindelbildung keineswegs um Ausprägung, Verstärkung und Contraetion eimer schon vorhandenen Struetur handelt, son- dern um Protoplasmastrahlen, die gegen den Kern und in seinen Raum vordringen!). In Bezug auf die Längsspaltung der Chro- mosomen steht Rabl’s Anschauung ebenfalls mit der Boveri’s in Widerspruch; Letzterer hebt hervor, dass sie von den Spindel- fasern unabhängig und eine selbständige Lebenserscheinung der chromatischen Elemente sei?). Auf diesen Punkt habe ich noch näher zurückzukommen. In "neuester Zeit ist eine kurze Mittheilung F. Her- mann's?) über die Spindelbildung bei den Spermatoeyten von Salamandra erschienen, welche an diesen die Sphären und ihre Theilung im Beginn der Mitose nachweist und die Entstehung der Spindel verfolgt; der centrale Theil der Spindel hat nach Hermann seine Herkunft ausserhalb des Kerns und stellt nach seiner Vermuthung später die „Verbindungsfasern* dar; inwie- weit der übrige Theil der Spindel von ausser- oder innerhalb des Kerns stammt, lässt der Verfasser noch unentschieden. Uebri- gens schliesst seine Auffassung des ganzen Theilungsvorganges sich wesentlich an die van Beneden’s und Boveri’s an. Letzteres gilt der Hauptsache nach wohl auch von der neuen Mittheilung ©. Sehultze’s*) über die Theilung des Eies und der Furchungszellen von Siredon pisciformis, so weit der kurz- gefasste Inhalt lehrt. In der am Schluss angedeuteten Hypothese führt der Verfasser die Zelltheilung auf eine Theilung der Mi- krosomen in der Zelle zurück und nimmt eine Längsspaltung der Spindelfasern an, die in der Theilung der in ihnen gelegenen Mikrosomen begründet ist und an welche sich die Halbirung der Mikrosomen in den Chromatinschleifen anschliesst. Ich vermag 1) Dies geht wohl bestimmt aus den Worten Boveri’s S. 97, übrigens auch aus vielen anderen Stellen hervor. 2) S. 113. 3) Die Entstehung der karyokin. Spindelfigur, Münchn. med. Woech. Nr. 47, 1890. 4) Sitzungsber. d. phys. med. Ges. Würzburg, 26. Juli 189%. 122 W. Flemming: aus dem Wortlaut noch nicht zu ersehen, ob sich diese Hypothese an Rabl’s Idee näher anschliesst oder im wie fern sie davon abweicht. In OÖ. Hertwig’s letztjähriger grosser Arbeit über Ei- und Samenbildung bei Nematoden!), welche wesentlich andere Pro- bleme verfolgt, ist die Frage der Spimdelbildung und Kernthei- lungsmeehanik nieht näher berührt; nach seiner Beschreibung der Spermatoeytentheilung (8.38 ff. u. 40 ff.) und seinen Figuren auf Tafel I u. II scheint es klar, dass er die Bildung der Spindel- enden aus der Attractionssphäre annimmt; die nach der Kern- trennung bestehenden Verbindungsfäden sind nach seiner Be- schreibung und Fig. 25, 26 u. 27 auf den beiden Tafeln aus einer Lininmasse abzuleiten, von welcher anfangs die vier stäb- chenförmigen Chromosomen eingehüllt zu einem Bündel verbunden waren. Henking, in der neuesten Arbeit, die mit unserem Gegen- stand in Berührung tritt?), bezeichnet es an seinem Objeet (Sper- matocyten von Pyrrhocoris) als nicht zweifelhaft, dass die Spindel- fäden sich aus dem Kernnetz formiren. „Denn noch während des Vorhandenseins der Membran sieht man die Kernfäden auf die Polkörperehen zustreben, und ist die Membran verschwunden, so bieten die vom Centrosoma zu den Chromosomen ziehenden Fäden denselben Anbliek durch ihre körnige Beschaffenheit, ihre Färbung und den geknickten Verlauf, wie früher innerhalb der Membran.“ (S. 699, Fig. 23 ec bis 29, Tafel 35.) In der fertigen Spindel hat Henking deren achromatische Fäden doppelt gefunden. Ich habe nun an meinen jetzigen Objeeten, besonders grossen, flachen und durchsichtigen Zellen, in denen die chroma- tinlosen Structuren durch die Methode recht gut verdeutlicht sind, zu ermitteln gesucht, was sich bei Gewebszellen des Sala- manders in Bezug auf die erste Anlage und das Wachsthum der Spindel, und über die Chromosomenspaltung ausmachen lässt. 1) Dieses Archiv Bd. 36. 2) Untersuchungen über die ersten Entwickelungsvorgänge in den Eiern der Insekten. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd.51, 4, 1891, Seite 686. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 123 Die ersten bestimmten Anfänge der Spindelbildung, die ich fand, zeigen Bilder, wie Fig.6 und 7, Tafel I. Die Central- körper rücken auseinander (Fig. 6); um jeden von ihnen her tritt deutlicher, als in der Zellruhe, eine leiehte Verdiehtung und eine sehr schwache Strahlung auf, und zwischen beiden Körpern erscheint ein blasser Streif, an dem ich, bei der Kleinheit der Verhältnisse, noch nieht erkennen kann, ob er eine Unterbrechung in der Mitte hat oder nicht. Wo man solche Anfänge der Spindel findet, zeigt die Kernstructur eine deutliche Centri- rung gegen das Polfeld (s. die Figuren), obwohl ihre Balken noch ganz ungleich diek und von grossen Knoten durchsetzt sind. Diese erste kleine, wie es scheint, ununterbrochene Spindel- anlage, welche ja in ähnlicher Form schon von van Beneden bei Asearis, und von Hermann (a.a.0. S.2) an den Hoden- zellen beschrieben wurde und nur bei meinen jetzigen Objeeten noch kleiner ist, liegt an solehen Kermen, die Nierenform haben, immer an der Brustseite. In den nun zunächst folgenden Sta- dien ist es mir bisher nicht geglückt, völlig reme Profilbilder zu finden, wie Fig. 7, in denen man das weitere topographische Verhalten dieser Spindelanlage zum Kern deutlich vor Augen hätte; nach meinen früheren Befunden an den Spermatocyten aber!), und nach den vielen Bildern, wie Fig. 31, 52, 35, 34, Tafel III, die ich von Lungen- und Bauchfellzellen vor mir ge- habt hatte, kann ich glauben, dass die Spindelhälften sich mit ihren Basen schräg gegen den Kern wenden, so dass beide, als Ganzes vereimigt gedacht, die Form einer gekrümmten oder in der Mitte geknickten Spindel geben würden (Schema Fig. 29), wie ich ja solche a.a.O. (s. Anm.) von den Spermatocyten be- schrieben habe. Dies giebt, wo man das Gebilde im halben Aufbliek sieht, Bilder, wie Fig. 33, 34 und 35; die Hälften sind jetzt bedeutend gewachsen, eine deutliche Faserung darin zu unterscheiden; die Fasern laufen nieht geradlinig, sondern etwas geknickt, wellig, dies jedoch lange nicht in dem Grade, wie es Rabl’s schematischer Fig. 2b a.a. ©. entsprechen würde. Ein Zusammenhang sämmtlicher Fasern beider Kegel besteht jetzt keinesfalls; wenn es auch hier — wie ich nach Hermann’s Beschreibung a.a.0. S.3 gewiss gern annehmen möchte — eine 1) S. 427 ff., Fig. 15—19 a.a. 0. 724 W. Flemming: zusammenhängende „Centralspindel“ giebt, die aus dem ursprüng- liehen kleinen Verbindungsstreif (Fig. 7 hier) entstanden und herangewachsen ist, so muss sie an diesen Stadien sehr unscheinbar sein. In Bildern wie Fig. 32 und 33 sieht man einzelne Spindel- fasern jetzt deutlich mit Chromosomen in Zusammenhang !). Die Kernmembran, die im den Stadien der Fig. 6—7, und noch etwas weiter, scharf markirt war, beginnt dann undeutlich zu werden, und in Formen wie Fig. 31, 32 zeigen sich an ihrer Stelle blasse Strangwerke, anfangs oft etwas dichter, als die im Kern vorhandenen. Im Kern selbst sind nämlich zwischen den chromatimhaltigen Structuren schon bei noch bestehender Kermn- membran zarte chromatinlose Strangwerke zwischen den chroma- tischen sichtbar (Fig. 21—23, weiter 31—32), wie ich diese ja schon in meinen früheren Arbeiten gefunden und näher beschrie- ben hatte?); denn sie sind auch mit anderen Mitteln als meinen jetzigen (besonders Chromessigsäure-Hämatoxylin) siehtbar zu machen, sehr deutlich in den Stadien, wo eben die Kernmem- bran im Schwinden begriffen ist. Weiter (Fig. 34—36) erscheinen die Spindelfasern immer mehr gestreckt — obwohl vielfach noch immer nicht ganz gerad- linig — und zum Theil dicker geworden, sowie verlängert; eme immer grössere Zahl von ihnen ist in Verbindung mit Chromo- somen zu erkennen, und zwar treten die dieksten an die Sehleifen- winkel. Die Polkörper sind sehr viel grösser geworden und färben sich bei der Orangemethode fast so lebhaft wie das Chro- matin. Die Polstrahlung, die schon vorher ausgesprochen ist, lässt jetzt sehr deutlich, übrigens auch schon in den übrigen Formen, einen Zusammenhang mit den aufgelockerten Faden- werken in dem hellen Innentheil des Zellenleibes (s. oben im 2. Abschnitt) und dadurch wieder mit der Peripherie erkennen. In der Strahlung markiren sich eine Anzahl diekerer Fasern, welche ich für gleichwerthig mit van Beneden’s „Cönes anti- podes“ halte. Für die sämmtlichen gegebenen Bilder ist festzuhalten, dass l) Gekrümmte Spindelenden in den Anfangsstadien habe ich an diesen Objeeten nicht selten gesehen; ob sie hier zu gewisser Zeit ständig sind, weiss ich nicht. Fig. 55 zeigt einen derartigen Fall. 2) Zellsubstanz ete., S. 220 ff. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 125 es sich hier um sehr flache Kerne und Zellen handelt, und dass die Spindelanlage, ob sie nun anfangs am Schmalrande oder an emer Fläche des Kerns gelegen war, sich bei ihrer Vergrösserung immer über eine seiner Flachseiten neigt und von dieser aus sich gleichsam in ihn hineimdrückt. Deshalb liegen in den ge- lockerten Knäueln anfangs die -beiden Polstellen und ihre Spindel- kegel, so wie wir sie von der Fläche betrachten, umschlossen oder halbumschlossen von den chromatischen Knäuelfäden und erscheinen anfangs als eine gemeinsame (Fig. 32) und später als zwei getrennte helle Stellen in der Figur (Fig. 55 u. folg.). Solche Aufblicke auf noch einfache und auf schon doppelte Polfelder habe ich schon in früheren Arbeiten vielfach gezeichnet!) und dem hier Gesagten gemäss gedeutet?), ausgenommen dass ich, wie damals vor Rabl’s Arbeit Jedermann, noch ohne Kenntniss davon war, dass die Polstellen an der ehromatischen Figur an- fangs einseitig und nahe beisammen liegen, und dass die Pol- körper von Anfang an präformirt sind. Deshalb war die im Buch gegebene schematische Fig. 1r, Tafel VIII (s. dort. S. 224 unten) natürlich in letzterer Hinsicht unrichtig; das Verhalten ist so, wie in der Fig. 28 resp. 29 hier. Wie eben berührt ist, liegen die Pole und die noch kleinen Spindelhälften in Figuren, wie hier Fig. 32, 35 und Fig. 37 in meinem Buch, in der That in die Masse der Chromosomen hin- eingesenkt; dies zeigt sich ganz deutlich daraus, dass man vielfach bei Einstellungen sowohl über, als unter die Pole und Faserkegel chromatische Fäden in der Bildebene hat. Dieser Punkt ist nun offenbar für die Beurtheilung der jetzt obwaltenden Mechanik von Wichtigkeit. Er muss, wie inir scheint, durchaus dafür sprechen, dass schon jetzt eine sub- stanzielle Verbindung der Pole und Spindelendfasern mit dem Inneren der Knäuelfigur besteht, obwohl in Objeeten wie Fig. 32 bis 34 von einer durchgehenden Anheftung von Spindel- fasern an die chromatischen Segmente noch gar nichts deutlich ist, höchstens einmal an die nächstbenachbarten ein Fädcehen der Spindel zu verfolgen ist. 1) Zellsubstanz ete., Tafel Illa, Fig. 34, 36, 37, 38, auch schon in diesem Archiv 1880, Tafel VII, Fig.6, 7; 1881 (Bd.20), Tafel III, Fig. 4 u. 6. 2) Zellsubstanz ete., S. 224—225 u. f. =! 189) [er W. Flemming. Nach Allem nämlich, was van Beneden und Boveri ge- zeigt haben, können wir annehmen, dass das Auseinanderweichen der Pole bedingt wird durch eine centrifugale Verkürzung der Polstrahlen, speciell derer der Antipodenkegel. Wenn nun, wäh- rend das geschieht, die Pole noch keinerlei festere Verbindung mit der Kernfigur besässen, so müssten sie neben der Fläche der hier ganz platten Kernfigur entlang auseinandergezogen werden. Aber sie werden statt dessen im diesen Anfangsstadien in sie hinein versenkt, so zu sagen durch sie von einer Seite her um- hüllt (vgl. die Figg. 35 —34 mit den schematischen Zeichnungen Fig. 27, 28, 29). Wenn man nun nicht annehmen will, dass die ganze ehromatiiche Kernfigur sich aetiv wie eme Kappe um die Spindel her ausdehnen sollte wofür doch bis jetzt weder hier, noch vollends an anderen Objeeten, wie Eier, eine Wahr- schemlichkeit vorliegt —, so bleibt wohl nur die Annahme übrig, dass die Spindelenden schon in ihrem ersten Entstehen irgendwie mit dem Inneren der Kernfigur im Connex stehen und dadurch gegen sie angespannt werden, und dies wird wieder am einfach- sten verständlich durch meine frühere Annahme, auf deren ge- naueres Citat hier S. 716— 717 oben ich verweisen möchte: dass der Mitteltheil der Spindel, soweit er an die Chromosomen angreift, aus den Linin-Strangwerken entsteht, die zwischen den Knäuelfäden vorher erkennbar sind, indem diese in der Richtung gegen die Pole hin zu strafferen Fasern gerichtet werden, und zugleich aus den Zerlegungsproducten der Kernmembran. Mit dieser Auf- fassung tritt diejenige Rabl’s in sofern in besten Einklang, als auch sie eine derartige intranucleare Bildung eines grossen Theils der Spindel annimmt und erweitert sie darin, dass Rabl bestimmt eine Contraetion der Lininfäden in Anschlag bringt, wo ich nur von einer Attraction gegen die Pole gesprochen hatte. Dem Wesen nach kommt wohl dies Beides ziemlich auf’s Gleiche hinaus. : Jedenfalls müssen ja diese Fäden, wenn sie aus dem lockeren Zustand in meimer Fig. 531 in den gestreekten meiner Fig. 32, 33 ff. übergehen, den Polen einen Halt gegen die Kern- fieur geben, und das giebt eine Erklärung dafür, dass die Spindel- enden in diesen Anfangsstadien nicht an der Kernfigur vorbei- gezogen werden, sondern förmlich in ihr liegen (vgl. hierüber die Schemata Fig. 27—29, s. Erkl.). Die Bilder, welche Henking von der ersten Spindelbildung Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 127 bei Inseeten-Samenzellen giebt (oben eitirt), sprechen, wie ein Blick auf seine Abbildungen zeigt, gleichfalls sehr für eme grösstentheils intranucleare Entstehung dieses Gebildes. Hermann (a.a. ©.) spricht zwar auf 5.5 aus, dass für die Spermatoeyten „die Herkunft der Spindel eine protoplasmatische (das heisst also doch: extranueleare) sei, obwohl er allerdings noch nicht in der Lage sei, auszuschliessen, dass ein germger Theil jener Fasersysteme, die die Öentrosomen mit den Chromo- somen verknüpfen, sich vielleicht auch von dem achromatischen Gerüstwerk des Kerns ableiten liesse“. Für die „Uentralspindel“ Hermann’s halte ich die erstere Anschauung gewiss für ge- sichert; ich habe die junge Spindel seit seiner Mittheilung ver- schiedentlich in der von ihm beschriebenen Form in Spermato- eyten gesehen, an den hier beschriebenen Zellen, wie gesagt, noch nieht verfolgen können. Hermann’s Befund giebt zugleich eine erfreuliche Aufklärung dafür, dass bei den Salamander- Samenzellen in der That Spindelfasern vorkommen, die sicher im Aequator durchlaufen, was ich a.a. O.!) bestimmt hatte be- haupten können und was mit van Beneden’s Ansicht damals unvereinbar erschien; ich gebe dafür hier in Fig. 18, Tafel II noch den Längsschnitt einer solchen Spindel (s. Erkl.). Es wer- den eben die durchgehenden Fasern der Centralspindel ange- hören, die übrigen können sehr wohl im Aequator unterbrochen sein, d.h. sich an Chromosomen ansetzen. — Dafür, dass Her- mann ausser der Centralspindel auch einen so grossen sonstigen Theil der achromatischen Figur von ausserhalb des Kerns ab- leitet, werden ja seme Gründe abzuwarten sein. Ich selbst sehe, wie gesagt, einstweilen keinen Weg, als den grössten Theil dieser Figur bei diesen meimen Objeeten aus dem Kern abzuleiten, und dazu bestimmt mich ausser dem Obigen noch mehreres Andere. Zunächst müsste wohl, wenn es anders sein sollte, gezeigt werden, wo dann die von mir gefun- denen Lininfadenwerke in den Knäueln (Fig. 21—23 hier, Fig. 33—36, Tafel IIT in meinem Buch) bleiben, wenn sie nicht zum Aufbau der Spindel dienen? Sollen sie spurlos verschwinden? Blosse Artefacte können sie wohl nicht sein, da mit ihnen zugleich auch die Anfänge der Spindel selbst durch 1) Dieses Archiv 1887, S.432—433, 728 W. Flemming: die Reagentien dargestellt werden, und da, wenn diese vergrössert und fertig dasteht, in den Zwischenräumen der chromatischen Fäden von solehen Strängen nichts mehr zu finden ist. Besonders aber verweise ich auf einen Punkt, an den, so viel ich sehe, von Anderen bis jetzt nieht näher gedacht worden ist. Alle neueren Beobachtungen zeigen ja ganz klar, dass die Spindel anfangs sehr klein ist im Vergleich zu ihrer späteren Masse. Woher ist dieser Zuwachs an Substanz gekommen ? (die bei unseren Sollte er aus der umgebenden Attractionssphäre Zellen hier ebenfalls sehr klein ist — bezw. durch sie hindurch aus der Zellsubstanz in die kleine Spindel hineinbezogen werden, so müssten wir erwarten, die Fasern der wachsenden Spindel durch Seitenausläufer mit ihrer Umgebung in der Sphäre, und weiter im Zellleib, in Verbindung zu finden, welche in sie hin- ein eontrahirt und so zu ihrer Vergrösserung verwendet würden. Solehe Seitenausläufer mögen ja nun existiren, müssen aber dann sehr klein und zart sem, da man nichts deutliches davon sieht; nach Hermann’s photographischer Darstellung, die er mir gütig zusandte, sieht der Umfang der kleinen Spindelanlage anfangs sogar auffallend glatt und abgesetzt aus. Ein gewisser Theil ihres Wachsthums muss trotzdem wohl auf dem Wege soleher Embeziehung von Ausläufern aus der Zellsubstanz ge- sucht werden, da ja die Centralspindel ohne Zweifel wächst; aber es würde. doch sehr schwer verständlich sein, wenn die ganze Substanz der späteren fertigen Spindel, auch der Fasern, welche an die Chromosomen angreifen, auf solchem Wege aus dem Zellkörper bezogen werden sollte. Man betrachte eime Form, wie Fig. 532 oder 35, oder das betreffende Schema Fig. 27, und vergleiche damit die grosse Spindel in Fig. 19 oder 38, die aus jener geworden ist. Nach Boveri's Vorstellung — anders kann ich diese nicht verstehen — müsste es dabei so zugehen, dass die Sphäre oder der Centralkörper Protoplasmastrahlen von sich aus- sendet, die zu den Spindelfasern würden. Dazu muss die Sphäre die Substanz besitzen oder von irgendwoher beziehen. Sphäre und Oentralkörper sind aber bei meinen Objeeten anfangs um sehr viel kleiner, als die Masse der fertigen Spindel später ist; also, wenn eine Betheiligung von Substanz aus dem Kern aus- geschlossen sein soll, müsste man annehmen, dass auf dem Wege der Polstrahlung Substanz aus dem Zellkörper gegen den Central- Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 129 körper (bezw. Polkörper) attrahirt und dann von diesem aus in Gestalt von Spindelstrahlen gegen und in die Kemfigur vor- geschickt würde!). Und während in dieser Art eine centripetale Strömung gegen je einen Polkörper in den Radien und eine een- trifugale von ihm aus in den Spindelfasern erfolgte, müssten zu- gleich die Radien sich contrahiren und die Polkörper ausein- anderziehen, und im denjenigen Spindelfasern, welche bereits straff an Chromosomen sitzen, müsste eine Anspannung vor sich gehen. Eine solche Vorstellung scheint mir von so bedenklicher Schwierigkeit zu sein, dass ich zu ihr nicht greifen möchte, so lange ein anderer Erklärungsweg sich bietet. Und dafür liegen doch die Lininstränge in der Knäuelfigur näher zur Hand?). Man möge bedenken, dass aus einer kleinen zarten Faser, die in Formen wie Fig. 32 eben vom Polkörper zu einer Chro- matinschleife verfolgbar ist, nachher in der fertigen Spindel eine viel dickere und viel längere Faser geworden ist (Fig. 38), und dass diese Veränderung mit ihr vor sich geht, während sie zwi- schen die Chromosomen eingesenkt liegt und mit den Strueturen im Zellleib keine andere sichtbare Verbindung besitzt, als durch den Polkörper. Man bedenke ferner, dass zwischen dem _letz- teren und anderen Schleifen im Zustand der Fig. 32—35 noch nichts anderes zu sehen ist, als zarte lockere Fadenwerke, später aber statt dessen deutliche glänzende Fasern vorhanden sind. Dies ist erklärt, wenn man annimmt, dass letztere aus ersteren entstehen, und bleibt unerklärt, wenn man es bezweifelt, falls man nicht in die Schwierigkeit gerathen will, die soeben er- 1) Es erinnert dies an ein früheres Stadium der Spindelfrage, in dem von Strasburger vertreten wurde, die Spindelfasern „wüchsen von den Polen in den Kern hinein“. Ich habe damals ent- gegengehalten, dass ja dann sämmtliche Fasern durch das Polkörper- chen hindurchwachsen und sich in diesem kreuzen müssten. (Zell- substanz etec., S. 229.) 2) Ich weiss nicht, ob jemand die Annahme machen will, dass die Spindel lediglich durch Intussusception wächst, durch Aufnahme von flüssigen Substanzen und Umsetzung derselben zu festen. Ich habe dieser Annahme in meiner oben eitirten Arbeit (S.431—32) das Recht der Möglichkeit gelassen; sie ist aber, so viel ich weiss, noch von Nie- mandem gemacht ‚worden, und wir werden wohl nicht zu ihr greifen, wenn wir irgendwie die Möglichkeit sehen, die Spindel aus geformten Substanzen abzuleiten. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 37 48 730 W. Flemming: wähnt ist. Wenn man sich aber auch um diese Schwierigkeit nicht kümmern und annehmen will, die Spindelfasern ständen (dureh unsichtbare verästelte Ausläufer im reichlichem Zusammen- hang mit der Zellstruetur, bezögen durch diese oder auch ge- radewegs durch die Polkörper hindurch ihr Wachsthumsmaterial, und wüchsen von den Polkörpern aus, gleichwie vordringende Rhizopodenstrahlen: so bleibt dann die andere Schwierigkeit, eine Erklärung dafür zu finden, weshalb die supponirten freien Enden dieser Strahlen auf die Chromosomen treffen und sich an sie heften. Nach meiner Anschauung würde dies leichter zu ver- stehen sein: denn wenn die verästelten Strangwerke in meiner Fig. 31 oder 22 sich aus der chromatischen Kernstruetur heraus entwickelt haben, und wenn aus jenen Strangwerken durch Streekung oder Contraction die Spindelfasern werden, dann ist es a priori aufgeklärt, dass diese Fasern mit den Chromosomen später in Zusammenhang sind. So lange ich also die Möglich- keit habe, einen solehen Zusammenhang als präformirt anzu- sehen, möchte ich sie nicht aus der Hand geben. Wenn ich also hierin nieht mit Boveri übereinstimme, so scheinen mir doch die schönen und sorgfältigen Untersuchungen dieses For- schers, wie auch diejenigen van Beneden’s mit meiner hier vorgetragenen Ansicht im keinem unlösbaren Widerspruch zu sein. Denn es lässt sich wohl nieht behaupten, dass in den Pronuelei des Ascaris-Eies und weiter in den Kernen der Blastomeren nicht auch Structuren, wie die blassen Lininfäden in meinen Knäueln, existiren könnten. Dafür, dass es so sein kann, darf man z.B. in Figuren Boveri’s, wie 19 Tafel I, 33—37 Tafel IL, einen Hinweis erblicken, da in ihnen derartige blasse Structuren dar- gestellt sind. Wenn ich den Ausdruck: die Spindelfasern treten an die Chromosomen heran“ durch den anderen ersetzen dürfte: „die lockeren Fadenwerke zwischen Centralkörper und Chromo- somen. prägen sich zu soliden Einzelfasern aus“, so würden Bo- veri’s und meine Ansicht mit eimander vermittelt sein. Auf die Frage, woher die blassen Lininstränge m den Knäueln stammen, kann ich, wie eben schon berührt ist, nur dieselbe Antwort wie früher!) geben: wohl aus der chromati- schen Struetur des ruhenden Kernes selbst, die ja ohne Zweifel 1) Zellsubstanz etc., S. 227—28. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 751 eine nicht ehromatische Masse zur Grundlage hat. In ruhenden Kernen (wie Fig. 1—5, Tafel I hier) ist ja an meinen Objeeten hier von solehen achromatischen Structuren nichts erkennbar. Ich denke mir also, dass mit der allmählichen Anordnung der Struetur zum Spirem (Fig.6, 7 bis 31) chromatinlose Bälkchen sich aus der Kernstructur herausziehen, während das Chromatin sich immer mehr in gleich dieke Knäuelfadenzüge sammelt, und dass jene blassen Bälkchen, untereinander in vielfache Verbindungen tretend, nach und nach zu geknickten Strängen zwischen den Knäuelfäden zusammenfliessen, die aber mit diesen durch Brücken in Verbindung bleiben (siehe Schemata Fig. 27—29 hier). Zur Verdeutlichung dessen führe ich am Besten em Objeet an, bei welchem die Structurveränderung, die ich mir im Vor- stehenden im Geschehen dachte, auf eine Zeit lang dauernd ver- harıt: es sind dies die grossen Kerne der Spermatocyten erster (reneration von Salamadra, in dem Zustand der vor der eigent- liehen Knäuelbildung liegt. Ich habe bei ihrer Beschreibung !) diese Kernform (daselbst Fig. 1 und hier Fig. 21, 22) ruhende Kerne genannt, im Gegensatz zu den eigentlichen Mitosen und insofern mit gutem Grund, als diese Form sich auf ziemlich lange Zeit- dauer bei Bestand erhält ?); es ist aber vielleicht richtiger, sie als erste Anfangsform der Mitose zu bezeichnen, und wie es An- dere schon thaten, zu sagen, dass hier: ein Fall vorliegt, wo die Kerne zwischen zwei Mitosen nieht vollständig zur Ruheform zu- rückkehren; so wird das Verhalten ja meistens jetzt aufgefasst. — Bei diesen Kernen nun gehen deutlich von einem der chromati- schen Stränge, die augenfällig zum Polfeld orientirt sind (s. a. a. O.), zum andern zarte, chromatinlose Bälkchen hinüber, wie ich sie schon in der früheren Figur gezeichnet habe. Aber mit bestem Licht und System und besonders gut mit dem Orangeverfahren gewahrt man, dass diese Zwischenstränge nicht bloss quer zwi- schen den Chromatinsträngen laufen, sondern auch unter sich wie- der durch viele Zwischenbrücken verbunden sind, so wie es hier 1) Dieses Archiv 1887, S. 403 ft. 2) Dies ergiebt sich daraus, dass man zur Zeit der Zellenwuche- rung in solchen Hoden oder an solchen Stellen darin, welche wenig Mitose haben, gleichwohl diese Form meistens sehr reichlich findet; und dass sie auch dort, wo Cysten mit Mitosen sind, die letzteren an Masse meist überwiegt. -—1 > DO W. Flemming: in Fig. 21—22 wiedergegeben ist !). In den Epithel- und Binde- sewebskernen in den allerfrühesten Anfängen der Knäuelbildung, wie Fig. 7, 17 und 30 hier, kann ich mit Zeiss Ap. 2 mm. 1.40 hier und da auch zarte Andeutungen von solchen achromatischen Zwischenstrueturen wahrnehmen, sie sind hier sehr viel feiner als in den Spermatocyten und ich habe sie nicht mit angegeben. Diese blassen Stränge nun sind also ihrer Entstehung nach einerseits in Connex mit den Chromosomen, andererseits unter- einander, und im Umfange mit der Kernmembran. Indem die letztere sich dann deconstituirt und sich selbst in feıme Strang- werke auflockert, welche wieder mit den Fasern der Polkegel- basen in naher Berührung oder Verbindung sind, kommen auch die Lininstränge im der Kernfigur in eine solehe Verbindung; es giebt dann sonach ein zusammenhängendes Faserwerk zwischen Spindelenden und Chromosomen, und durch Streckung, bezw. Contraetion dieses Faserwerks zu kürzeren und diekeren Strän- gen entsteht, wie ich meine, der Theil der Spindelfasern, wel- cher an die Chromosomen angreift. Die Fig. 27 giebt eine schematische Veranschaulichung des C Gesagten. Sie entspricht ungefähr dem Zustand der Fig. 22a und 23: die Spindelfasern sind zwischen den Polen und einigen Schleifenwinkeln fertig, in Gestalt straffer dieker Fasern; zu an- dern Schleifenwinken und zu den meisten Schenkeln gehen noch keine solehe, sondern nur die feinen lockeren Faserwerke, die später erst zu graden Fasern umgeprägt werden sollen. — Die Annahme, dass diese Fadenwerke aus der ruhenden chromatischen Kernstructur mit dem Beginn der Theilung sich entwiekeln, ist allerdings nicht die einzig mögliche; ich habe 1) Fig. 22a und 23 zeigen die nächstfolgenden Stadien, Längs- spaltung der Chromosomen, bei denen die Lininstränge noch viel deutlicher sichtbar, und bei der Orangebehandlung hier blau ge- färbt sind. Eine sehr ähnliche Structur, wie die der hier besprochenen Samenzellenkerne, ist die, welche ich in: Zellsubstanz ete. S. 135—139, Fig. G, von den jungen Eizellenkernen der Amphibien beschrieben habe und welche seitdem verschiedentlich von Anderen abgebildet ist. Hier stellt diese Structur jedenfalls nicht bloss ein kürzer dauerndes Zwischenstadium zwischen zwei Mitosen dar, sondern besteht lange Zeit; denn in Eierstockseiern von dem Reifestadium, in dem sie vor- handen ist, finde ich überhaupt niemals Mitosen. Be one Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 133 davon schon in der Arbeit von 1887 gesprochen. Carnoy hat die Meinung hingestellt, dass die Substanz, die man Kernsaft nennt, allgemein noch aus einer Structur (Retieulum) und einer homogenen Masse (Enchylem) bestehe. Vorausgesetzt, dass dies richtig wäre, würde man also die achromatischen Stränge in den Knäueln (wie Fig. 22 ff.) aus dem „Retieulum“ leiten können !). Nach Allem, was ich über Zellkerne weiss, möchte ich meinen, dass diese Structuren im Kernsafte am na- türliehsten aufzufassen sind als chromatinfreie Theile der Kernstructur, welehe bei der einen Kernart reichlich sind, bei der andern geringfügig, bei der dritten ganz fehlen können, indem hier Alles von Chromatin durchsetzt ist. Z. B. in Leucocyten- kernen der Amphibien findet sich sehr vielfach ein grosser, und zwar sehr wechselnder Theil der Kernstruetur chromatinlos, wo- für ieh auf meine Abbildungen in diesem Arch. 1891, Taf. 13 Fig. 6 verweisen kann; hier ist das Chromatin bald mehr, bald Carnoy’s ab- weniger zu Knoten und Strängen angehäuft, lässt also bald viel, bald wenig von der Lininstructur frei. In den Zellen der fixen Gewebe dagegen, die hier zum Objeet genommen sind, ist das Chromatin in der Ruhe dureh die ganze Kernstructur vertheilt (vergl. z. B. Fig. 1 Taf. I); wenigstens lässt sich in der blassen Substanz zwischen den gefärbten Bälkchen nichts von einer an- » derweiten achromatischen Struetur erkennen. Für die Bildung der Spindelanlage wird eben, wie ich denke, achromatische Sub- stanz der Kernstructur verwendet, mag sie vorher von Chromatin durchsetzt gewesen sein oder nicht. Mit Rabl glaube ich also in dem Punkte in erfreulicher Uebereinstimmung zu sein, dass er wie ich einen erheblichen Theil der Spindel aus achromatischer Substanz des Kerns ab- leitet; unter anderer Voraussetzung würde mir wenigstens seine ganze Auffassung des Kerntheilungsvorgangs nieht verständlich sein. Ob seine Ansicht über die Art, in der sich die Lininbe- standtheile im Kern zu Spindelfäden formen, dieselbe ist wie die meinige, kann ich nieht bestimmt aus dem Wortlaut der bezüg- 1) Carnoy selbst lässt die Spindel als eine Produetion des Kerns entstehen, aber nicht direet aus seinem Retieulum, sondern in einer complieirten Weise, über die man S. 342—343 seines Buches: La Cyto- dierese ete., nachsehen kann. 134 W. Flemming: lichen Stellen in Rabl’s letzter Arbeit entnehmen, die hier eitirt sind '). Es ist in dieser zwar auf die achromatischen Stränge, die ich in den Knäueln gefunden hatte, und auf meme Ableitung derselben aus der Kernstructur kein Bezug genommen, aber das, was Rabl auf seiner S. 1 u. 2 als Spindelfasern beschreibt, dürfte jedenfalls mit jenen das Gleiche sein oder doch nur ein etwas späteres Entwicklungsstadium dieser Faserwerke darstellen. Da Rabl in seiner früheren grossen Arbeit über die Struetur des ruhenden Kerns sich darin der meinigen ganz anschloss 2), 1) S. 24: „Man wird daher annehmen müssen, dass nicht bloss, wie ich dies schon früher wahrscheinlich gemacht habe, die chromati- schen, sondern auch die achromatischen Bestandtheile des Kerns, so- weit sie geformt sind, in ihrer typischen Anordnung erhalten bleiben, m. a. W., dass die Gesammt-ÖOrganisation des jungen Kerns, wie sie sich im Tochterstern und zum Theil noch im Tochterknäuel zu erkennen giebt, auch in der Ruhe persistirt. Die ganze Figur ist gegen das Polkörperchen centrirt.“ Etwas vorher auf der gleichen Seite sagt Rabl: „Als geformte Gebilde können die Spindelfasern beim Uebergange des Tochterknäuels zur Ruhe nicht einfach zu Grunde gehen; sie können undeutlich werden — und dies wird alsbald ge- schehen, wenn sie ihren geradlinigen Verlauf aufgeben —, aber sich auflösen und auseinanderfliessen, um dann beim Eintritt einer neuen Theilung abermals neu zu entstehen, werden sie wohl gewiss nicht.“ Auf S. 26 ist dann bei der Beschreibung des Theilungsanfanges ge- sagt: „An das Polkörperchen treten aber auch die Spindelfasern heran.“ — Ich bin hiernach nicht ganz sicher darüber, ob Rabl sich die Spindelfasern während der Kernruhe als neben dem chromatischen Gerüst bestehende, unsichtbare Structuren vorstellt, oder ob er es gleich mir für annehmbar hält, dass sie in der Ruhe in die chromatin- haltige Kernstruetur mit einbezogen und bei beginnender Theilung wieder aus ihr heraus entwickelt werden können. Jedenfalls aber scheint mir der Wortlaut darüber keinen Zweifel zu lassen, dass wir Beide die Substanz, aus der diese Spindelfäden während der Mitose ge- prägt werden, während der Ruhe als dem Kern angehörige Bestand- theile betrachten. 2) Ein Differenzpunkt, der übrigens für diesen Gegenstand nicht in Betracht kommt, möge hier kurz erwähnt sein. Gleich einigen An- deren hatte Rabl sich damals von der Eigenschaft der Nucleolen als abgegrenzter und besonders beschaffener Körper in den chromati- schen Strueturen nicht überzeugen können. Diese Eigenschaft steht völlig fest, wofür ich schon auf mein Buch S. 138 ff. verweisen kann; fast sämmtliche von Rabl damals untersuchte Kerne haben solche Nucleolen, die in den Knoten des Gerüstes stecken; sie sind nur bei dem damals von Rabl angewendeten Verfahren nicht zu unterschei- Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 135 dass er in diesem (bei den hier in Rede stehenden Geweben) ein durehweg ehromatinhaltiges Bälkehenwerk annahm, so darf ich vielleieht denken, dass er sich die Sonderung der Lininbe- standtheilen aus diesem und ihre Formung zu Spindelfasern ähn- lieh vorstellt, wie ich sie in meinem Buch angenommen hatte und hier näher dargestellt habe. Die Vermuthung Rabl’s, dass an der Polfeldstelle die Kern- membran dauernd fehlen mag, disceutire ich hier nieht; die Mög- liehkeit eines solehen Verhaltens habe ich, wenigstens für die Zeit der Mitose, schon an anderem Orte zugegeben, und das Bestehen einer permanenten Lücke hierselbst würde offenbar für die gesammte Physiologie des Kerns von grossem Interesse sein; ein Beweis dafür aber scheint mir bis jetzt nicht zu liefern. — Rabl nimmt übrigens (S. 23), wie ich (im Buch a. a. O.), eine Betheiligung der Kernmembran am Aufbau der Spindel an und bringt dafür den Beleg, dass um die Zeit der Auflösung der Membran besonders reichliche achromatische Fasern in der Peri- pherie des Knäuels verlaufen; er fragt sich, „ob nicht das, was man Kernmembran nennt, vielleicht aus eng zusammengedrängten achromatischen Fasern bestehen könnte“, eine Anmahme, für die neuestens auch Camillo Schneider eingetreten ist und die ich für sehr plausibel halten möchte. Ich komme nun zu der Frage: ob die Längsspaltung der Chromosomen!) durch die Spindelfäden, oder ihre Vor- läufer, mechanisch veranlasst sein kann. den. — Auch in Bezug auf die Nucleolen der jungen Siredoneier, die Rabl an gleicher Stelle bespricht, habe ich meine Beschreibung (Zell- substanz etc. S.134) ganz aufrecht zu halten; die Nucleolen, die ich darin beschrieb, sind wirklich solche und liegen zwar vielfach reich- licher an der Peripherie — es verhält sich damit bei verschiedenen Amphibien und je nach dem Entwickelungszustande ungleich — aber auch im Inneren und sind nicht etwa hierhin, wie Rabl annahm, durch das Messer verschleppt, worüber eine Einstellung auf mittlere Schnitt- dicke ja leicht Aufschluss giebt. 1) Ich möchte vorschlagen, künftig diesen Vorgang einfach „Spaltung“ zu nennen, da wir ja lange wissen, dass die Chromo- somen zwar wohl in der Mehrzahl der Zellenarten, aber nicht in allen 736 W. Flemming: Um sich hier genau auszudrücken, muss man scharf unter- scheiden zwischen Spaltung der Chromosomen und Trennung ihrer Schwesterhälften. Wie ich vor 11 Jahren in diesem Archiv zeigte !) und in meinem Buch ausführte, tritt die Trennung, d. h. die vollständige Sonderung und Entfernung der Schwesterhälften von emander und damit die Verdopplung der Fädenzahl, erst in den Metaphasen — Aster bis Metakinese — ein, während die erste Spaltung, d. h. die zweireihige Anordnung des Chromatins, sich schon in der Knäuelphase zeigt ?).. Dass der letztere Vor- gang, die Trennung, durch Vermittlung der Spindelfasern zu Stande kommt, für diese Annahme haben wir ja seit van Bene- den’s Arbeiten den besten Grund. Die hier vorliegende Frage aber ist, ob auch schon die erste Spaltung, die zweireihige Anordnung der Chromatinelemente, durch Zug oder sonstige me- chanische Einwirkung von Spindelfasern bedingt sein kein. Dieser Ansicht scheint Rabl zu sein, und sie ist in der That eine Consequenz seines Grundgedankens, dass eine Centri- rung der gesammten Zell- und Kernstruetur gegen den Central- körper auch in der Ruhe fortbesteht. In der Mitose wird, wie er annimmt (S. 26), „die Theilung des Centralkörpers eine Thei- lung der Spindelfasern nach sich ziehen, die wahrscheinlich unter dem Bilde einer Längsspaltung verlaufen wird; und diese selbst wird wieder eine Längsspaltung der cehromatischen Fäden im Gefolge haben“. Diese Vermuthung, wie die ganze Idee Rabl’s, ist mir deshalb sehr sympathisch gewesen, weil ich zu denen gehöre, die auf Grund sichtbarer Dinge eine wirkliche formelle Structur in der Zelle annehmen, wenn auch keine starre und feststehende, und die sich nicht der Meinung anschliessen können, dass die Zelle eine Emulsion und die darin erkennbaren Fasern nur der die Form von Fäden haben, und bei solchen, wo sie rundlich sind, der Ausdruck Längsspaltung nicht für alle Fälle zutrifft. Wenn ich ihn hier noch anwende, so geschieht es, weil er für meine hiesigen Objeete nicht misszuverstehen ist. 1) Bd. 18, 1850, Abschn. II. D, und in weiteren Arbeiten. 2) Ich präcisire dies hier, weil in manchen Darstellungen — nicht etwa bei den hier eitirten Autoren — der Vorgang so dargestellt wird, als wären die Chromosomen bis zur Sternform überhaupt einfach und spalteten sich erst dann. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 187 Ausdruck von Strömungen seien. Ich hoffte deshalb anfangs be- stätigen zu können, dass eine mechanische Wirkung von achro- matischen Fasern auch bei der ersten Spaltung der Chromosomen im Spiel ist, und muss mit einem gewissen Bedauern sagen, dass ich niehts finden kann, wodurch dies zu stützen wäre. Vor Allem kommt dafür ın Betracht, dass die erste Spaltung in den Knäueln schon in einem viel früheren Stadium erfolgt, als viele Untersucher anzunehmen scheinen. Ich habe schon vor langer Zeit hierauf aufmerksam gemacht '), und weiter Auf der Kopenhagener Versammlung einen frühen Knäuel von Fritillaria mit durchgehender Längsspaltung vorgezeigt, wie hier Fig. 17, in dem noch grosse Nueleolen vorhanden sind. Ich zeiehne dazu hier noch einige ähnliche Formen von Salama- dra (Fig. 16, 30), und bitte zu berücksichtigen, dass in Fig. 16 nur die obere Hälfte der Figur gezeichnet, auch in den anderen einige Windungen, die gar zu sehr in Deekung lagen, nicht mit angegeben sind, so dass das Gewinde noch erheblich dichter zu denken ist, als es sich hier ausnimmt. Manchmal kann ich die Längsspaltung auch schon in noch frühzeitigern Formen des Knäuels, als die eben beschriebenen sind, erkennen; ich wollte solche hier wegen der Schwierigkeit der Wiedergabe nicht zeichnen, da die dargestellten für das, was ich hier zeigen will, schon völlig genügen. Es ist aber darnach gar nieht unmöglich, dass schon in Formen, welche sehr nahe auf Fig. 6 hier folgen, die Längsspaltung beginnt ?). 1) Dieses Archiv Bd. 20, 1881—82, S. 67, Fig.5, Taf. 4. - 2) Dies sind Kerne vom Bauchfell; bei ektodermatischen Epi- thelien von Salamandra, die sehr viel dichtere Kernstructur haben, entsprechen ihnen und den folgenden, die zu Fig.30 hier überleiten, der Zeit nach die äusserst zierlichen Formen, die ich schon in meinen ersten Beschreibungen der Mitose und weiter mehrfach gezeichnet habe (Fig. 2e u. a. Tafel 16, dieses Archiv‘ Bd.16, Fig.12, 14, 15 Tafel 18 ebenda, Fig. J auf S. 201 u. 31b, Tafel IIla in meinem Buch). Solche Formen sind es, die ich enge Knäuel genannt habe, und nur auf einem Missverständniss dieses Ausdrucks beruht es wohl, dass Rabl meine Beschreibung des engen Knäuels als nicht naturgetreu bezeichnet hat (a.a.0. S. 228). Denn Rabl hat diese Formen überhaupt nicht berücksichtigt und nennt das noch einen dichten Knäuel, was ich schon einen sehr lockeren nannte (Rabl’s Fig.1 a.a.O. oder meine Fig. 32 hier). Dass ich diese letzteren Formen richtig dargestellt und -] = IR W. Flemming: Man kann in diesen ihren ‚ersten Stadien, und überhaupt weiter bis zur Muttersternform, ja eigentlich nieht wörtlich von einer Spaltung reden, da es in den Chromosomen ausser den zwei Chromatinkörnerreihen jetzt, wie vor der Spaltung, ein achromatisches Lininsubstrat giebt, das im Zustande der Figuren 50 bis 35, wie auch noch später, die beiden Chromatinreihen zusammen hält in Form einer flachen Platte !), der „lame inter- mediaire“ van Beneden’s, welcher zuerst bei Ascaris in späte- ren Stadien deren Vorhandensem feststellte 2). Ich glaube aber wohl, ohne Missverständnisse anzuregen, den Ausdruck Spaltung hier anwenden zu können, da es keinen gleich kurzen und be- zeichnenden giebt, und bemerke nur ausdrücklich, dass er sich lediglich auf die Zweireihenanordnung des Chromatinsubstanz be- ziehen soll. Nun kann ich es nicht durehführbar finden, dass die Spal- tung der Chromosomen in diesen ihren ersten Stadien irgendwie „im Gefolge einer Längsspaltung der Spindelfasern“ sollte auftreten können, wie Rabl annimmt. Denn in diesen Stadien sind die Endkegel der Spindel noch ganz klein, Fortsetzungen ihrer Fa- sern in den Raum der Knäuelfigur noch keineswegs zu erkennen, noch viel weniger also Fortsetzungen solcher Fasern an’die ganze Länge der chromatischen Fäden, wie Rabl sie bei seiner Be- schreibung auf S. 21—22 im Sinne hat und in seiner Fig. 1b veranschaulicht. In diesen Stadien sind gesonderte achromatische Fasern zwischen den Knäuelwindungen, die sich vom Pol her bis an ein Chromosom verfolgen liessen, meines Wissens über- haupt nicht zu sehen, es treten eben die ersten ganz blassen Faden- werke zwischen ihnen in Erscheinung (wie die im späteren Zustand | in meiner Fig. 28 oder 31 hier). Wenn man nun aber auch an- die queren Fadenverläufe darin, sowie deren Wiederkehr bei den Tochterkernen wohl erkannt habe, hat ja Rabl selbst erwähnt; auch die ersteren, dichten Formen können ganz die Bilder gewähren, welche ich gab, wenn man sie nicht gerade mit dem Polfeld am Profil vor sich hat. 1) Das Vorhandensein solcher Substanz in den chromatischen Theilen des’ Kerns wurde schon in Zellsubstanz ete., S. 129 ff., 227 u.a. von mir anerkannt, insbesondere auf Grund der Entdeckung der kör- nigen Beschaffenheit des Chromatins durch Balbiani und Pfitzner. 2) La maturation de l’oeuf etc. a.a. O., pag. 327. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 739 nehmen will, dass diese Fadenwerke schon einzelnen, nur äusserst gekniekten oder wellig verlaufenden, von den Polen kommen- den Fasern entsprechen — und ein solcher stark welliger Ver- lauf ist ja auch von Rabl (S. 22 und Fig. 2a b) vorausgesetzt — so bliebe es doch unverständlich, wie die Längsspaltung einer so beschaffenen Faser die Längsspaltung eines chromatischen Fadens mechanisch bedingen könnte, an den sie sich ansetzt. Jene Fa- ser wird sich erst selbst grade zu strecken haben, ehe sie an dem Chromosom irgend einen Zug ausübt, und doch ist die Zwei- reihenanordnung in dem letzteren schon längst gleichmässig vollen- det, ehe von ihm grade Spindelfasern oder auch nur gewundene zu den Polen zu verfolgen sind. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass in den späteren Zuständen wie Fig. 32—33 hier, auf die sich, wir mir schemt, Rabl’s Beschreibung S. 21—22 beziehen dürfte, zwischen den Polen und den ihnen nächst benachbarten Schleifenwinkeln schon straffer verlaufende Spindelfasern zu sehen sind, keineswegs aber zu gleicher Zeit solche vom Pol zu den entfernteren Strecken derselben Schleifen oder zu anderen sich verfolgen lassen. Man sollte nach Rabl’s Construction also erwarten, dass die Längs- spaltung der Chromosomen in der Nähe der Pole beginnen und sich im übrigen Theil der Figur erst nach und nach einstellen müsste; so verhält es sich aber nicht, die Spaltung erfolgt viel- mehr ohne Zweifel gleichzeitig durch die ganze Figur hindurch, denn wo man sie in ihren feinsten Anfängen sieht, da besteht sie auch überall im Knäuel. Es lässt sich hier auch noch die Längsspaltung der Knäuel in den Spermatocyten des Salamanders anführen, welche zu einer Zeit schon völlig durchgeführt ist !), wo die Kernmembran noch völlig scharf erhalten ist und wo, nach den neuen Befunden Hermann’s und seinen mir gütig gesandten Photographieen, die Spindelanlage noch ganz klein ist und noch gar keine Strahlun- gen bis in die chromatische Figur hinein erkennen lässt. Ganz entscheidend aber dafür, dass eine eventuelle Längs- spaltung der Spindelfasern kein Anlass für die Längsspaltung der. Chromosomen sein kann, ist Folgendes: In meinen Figuren 35—358, sowie in Fig. 19 hier sind Mi- 1) Dieses Archiv Bd.29, 1887, Tafel 23, Fig. 3—8. 740 W. Flemming: tosen dargestellt, welche auf dem Uebergang vom Knäuel zur Sternform stehen oder schon in letzterer angelangt sind und bei welchen einzelne Schleifen zeitweilig abgerückt liegen !). Dies ist etwas sehr Häufiges, in meinen früheren Arbeiten sehon vielfach Beschriebenes, und ganz sicher keine Abnormität, ob- wohl derartige Figuren von einigen Seiten als solehe angesehen worden zu sein scheinen. Dass sie ganz normal sind, ergiebt sich erstens daraus, dass sie bei allen möglichen Zellenarten in diesen Stadien zur Beobachtung kommen, oft so reiehlich, dass sie die Mehrzahl gegenüber typischen Sternformen ausmachen, während doch in denselben Präparaten alle folgenden Phasen nur in vollkommen normaler Form zu finden sind; zweitens aber mit voller Sieherheit daraus, dass ich solehe Formen mit abge- rückten Schleifen sehon in meiner zweiten Arbeit 2), und seitdem sehr vielfach im Leben verfolgt und festgestellt habe, dass die abgewichenen Schleifen verfolgbar wieder an die übrigen heran rangirt werden, und weiter eine völlig normale Metakinese folgt. — Nun lassen sich bei solehen Figuren mit meinem jetzigen Orange- verfahren Spindelfasern aufs Deutlichste von den Polen bis zu den einzelnen Schleifen verfolgen, so auch zu den separirt gelege- nen (vergl. Fig. 19 und 38). Sämmtliche Schleifen in diesen Figuren aber besitzen, wie es nach der Phase selbstverständlich ist, längst ganz deutliche und gleichmässige Längsspaltung. Wenn nun diese Spaltung irgendwie eine Folge davon wäre, dass vorher an die Chromosomen ansetzende Spindelfasern sich längsgespalten hätten, so müsste man bei den abgewichenen Schleifen, z. B. bei a in Fig. 19 und 45, natürlich zwei Spin- delfasern oder genauer, zwei Bündel von solchen finden, deren eines von dem Pol x, das andere von dem Pol y zur Schleife zieht. Es gehen aber zu ihr Spindelfasern lediglich von dem 1) In vielen Fällen würde besser der Ausdruck passen, dass diese Schleifen noch nicht heranrangirt sind, als dass sie abgerückt sind. Aber in reichlichen anderen Fällen müssen sie sich wohl wirk- lich etwas vom Aequator entfernt haben, wie man dies ohne weiteres sieht, wenn man die vorhergehenden Knäuelformen mit solchen Bil- dern vergleicht (s. Fig. 19 hier, wo die Distanz zwischen den entfernte- sten Schleifen viel grösser ist, als der Durchmesser auch der lockersten Knäuel). Ich verweise hierfür auch auf manche Bilder Boveri’s. 2) Dieses Archiv 1880, S. 201—202, Fig. 8, 9, 35b, 43, 44. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 741 Pol x. Die Fasern, welche unter obiger Voraussetzung zwischen Pol y und Schleife o vorhanden sein müssten, würden zwar län- ger und durch Auszerrung verdünnter sein, als die Fasern xa; aber sie müssten um so mehr geradlinig gespannt sein, und bei der Deutlichkeit der achromatischen Fasern in diesen Präparaten müsste man sie selbst dann noch sehen, wenn sie selbst 3—4 mal dünner wären als die Fasern xa und die übrigen gezeichneten. Sie sind aber nicht da; an der Stelle, wo sie sein sollten, finden sich nur ganz lockere, feine, netzförmig vertheilte Fadenwerke der inneren blassen Zellleibportion. — Das Gleiche lässt sich übrigens auch an Figuren wie 36, 37 u. 35 demonstriren, bei denen keine besonders weit isolirten Schleifen vorhanden sind; auch diese Figuren sind, aus den obigen Gründen, durchaus unter die normalen zu rechnen und bei diesen flachen Zellen, übrigens auch in diekeren Epithelien, sehr häufig, ja man kann sagen, solche schiefe Figuren sind hier in diesen Stadien typisch: weil die Spindelhälften sich anfangs, wie oben schon beschrieben wurde, in solcher Art schräg gegeneinander im den Kern hinein- lagern, dass ihre Axen einen Winkel mit einander bilden, oder leicht gebogen sind. In solehen Figuren alSo wie 96, 37 und 38 sind zwischen einer ganzen Menge von Schleifen und dem ent- gegengesetzten Pol im Mitteltheile der Figur gar keine Spindel- fasern zu finden !), es giebt hier nur die erwähnten feinen netzi- gen Fadenwerke (z. B. bei a m Fig. 57 u. 38, 44 u. 45. Das Fehlen soleher Fasern hier wäre unter Rabl’s Voraus- setzung unverständlich; es wird dagegen vollkommen erklärlich durch die Annahme, dass die verbindenden Fasern zwischen Pol y und a in Fig. 19, 38, 44, 45 sich noch erst zu bilden haben, indem die feinen gekräuselten Fadenwerke des inneren Zellentheils noch zu solchen Fasern gestreckt und consolidirt wer- den sollen, wie ich es ausdrücken möchte; oder wie Boveri es ausgedrückt hat: indem der Pol y erst später Fasern zu den betreffenden Schleifen aussenden wird. Wenn man übrigens B o- veri’s Figuren 40—42 Taf. I, 56, 57, 63 Taf. III mit meinen eben erläuterten Bildern vergleicht, so wird man hier, unter den viel einfacheren Verhältnissen des Ascaris-Eies, sehr ähnliche Ver- 1) Auch nicht etwa bei anderer Einstellung; die Zellen sind ganz flach und klar durchsichtig. 742 W. Flemming: hältnisse wie dort erblicken: vielfach weit versprengt liegende Schleifen, die einstweilen nur von Strahlen einer Attraetions- sphäre angegriffen werden und doch (Fig. 57) schon gespal- ten sind. Aus dem Gesagten ergiebt sich also zunächst, dass eine Längsspaltung von Spindelfäden nicht als ursächliches Moment für die der Chromosomen dienen kann. — Sodann, dass eine solehe Längsspaltung, wenn sie überhaupt existirt, nicht in der von Rabl vermutheten Art es veranlassen kann, dass die Chro- mosomen in den Aequator eingestellt werden. Diese Art (s. Rabl’s S. 26-27) wäre die, dass „die Spalthälften der Spindelfasern entsprechend dem Ausemanderrücken der Pole selbst auseinander- weichen (Rabl’s Fig. 2b), dabei in Folge ihrer Contraction kürzer und dieker werden, und da sie — die Spalthälften der Spindelfasern — gleiche Länge haben, .. .. . nothwendig die ehromatischen Schleifen, an die sie sich anheften, in gleiche Entfernung von den Polen bringen“, m. a. W. es wird die Knäuel- figur in das Stadium des Muttersterns übergeführt werden (Fig. 2 e daselbst). — Dies scheint mir in kemer Weise durchführbar. Erstens können, jene Längsspaltung der Spindelfasern immer vorausgesetzt, ihre Spalthälften schon in Knäuelformen wie Figur 31-33 hier, s. Schema Fig. 27 und 43 hier, wo sich die Pole schon etwas von einander entfernt haben, ja nicht gleich lang sein, wie die Figur ohne Weiteres zeigt; noch viel weniger in einer Figur wie etwa 38 hier, wo die Linie yb um fast das Sfache kürzer ist als die Linie ya). Dann aber, wenn zwischen 1) Gleiche Länge der hypothetischen Spalthälften von Spindel- fasern wäre angesichts solcher Figuren entweder nur unter der Vor- aussetzung denkbar, dass die Spalthälfte, die von einem Schleifen- punkt zum nächstliegenden Pol geht, in sehr starken Schlängelungen verharrte, während die zum entgegengesetzten Pol gehende Spalt- hälfte stark gedehnt würde, wie ich dies in dem Schema Fig. 4, Tafel NL angedeutet habe; vgl. Erklärung der Tafel. Diese Vor- aussetzung ist aber unmöglich, denn es verhält sich vielmehr schon in den Spiremen und weiter in den Uebergangsformen zum Aster canz deutlich so, dass gerade die Spindelfasern, die von einem Pol zu den diesem nächstliegenden Schleifen gehen, relativ dick, straff und keineswegs geschlängelt sind (Fig. 32-38). Dies könnte, von der Spaltungshypothese aus, nur so erklärt werden, dass die Spindel- faserhälfte b (in Schema Fig. 41) sich in all den eitirten Figuren in Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 743 y und a eine Faser vorhanden wäre, so müsste sie erstens nicht kürzer und dieker geworden sein, sondern viel länger und dünner, was man doch keine Contraetion nennen kann; und endlich, sie ist überhaupt nicht zu sehen, und dort, wo man ihren Mitteltheil suchen müsste, befindet sich ein feines netziges Faserwerk, in welches sie sieh aufgelöst haben müsste, statt sich, wie die Anschauung Rabl’s dies fordert, zu con- trahiren. Ich kann also hiernach, und überhaupt, bisher keinen Beweis dafür sehen, dass eine Längsspaltung der Spindelfäden in der Art und zu der Zeit, wie es Rabl und auch ©. Schultze (S. 4a. a. ©.) vermuthen, eintritt ?). Sollte sie nachgewiesen werden, so würde sie doch wohl, aus den angeführten Gründen, keine Veranlassung für die Längsspaltung im den Chromosomen abgeben können. Dagegen bezweifle ich nieht im Mindesten, dass im Stadium der Sternfigur des Mutterkerns Spindelfasern vorhanden sind, die von beiden Polen an je eine Hälfte eines gespaltenen Chro- mosoms treten und diese Hälften in der Metakinese gegen die Pole auseinanderziehen, wie dies namentlich aus van Beneden’s und Boveri’s Befunden hervorgeht, und gebe damit die An- nahme eines Entlanggleitens der Chromosomen an den Spindel- fäden, die Strasburger und ich früher vertraten, durchaus auf. Ich sehe aber auch keine andere Möglichkeit, als dass ein Theil dieser Fasern in Figuren wie 19 und 35—38 hier, wo ja viele Chromosomen nur mit einem Pol durch Spindelfasern verbunden sind, sich noch erst zu bilden hat, und sagte schon, dass ich mir einem äusserst starken Grade contrahirt hätte, so dass sie gerade ge- worden ist. Dann wären ja aber offenbar die Spalthälften der Spin- delfasern nicht gleich lang. — Doch der Haupteinwurf bleibt der oben im Text erwähnte, dass ja auch in den späteren Stadien, wie Fig. 19, 37, 38,44, 45, zwischen dem einen Pol (y im Schema und in den Fi- guren) und den Chromosomen a am Pole x noch gar keine straffen Verbindungsfasern existiren, sondern in der Aequatorialgegend nur lockere Fadenwerke. 1) Die interessante Beobachtung von Henking (a.a.0. S. 701) über Doppelheit der Spindelfäden in der Metaphase bei Spermatoeyten kommt für diesen Punkt offenbar nicht mit in Betracht, da sie ein viel späteres Stadium betrifft und der Verfasser, soviel ich wenigstens entnehmen kann, sie nicht mit der ersten Spaltung der Chromosomen in Beziehung bringt. 144 W. Flemmine: ihre Entstehung auf Grund von Streekung und Contraection der lockeren Zellfadenwerke zu gradlinigen Fasern zurückführen möchte. Ich bemerke hier noeh, dass ieh öfter in Figuren wie die besprochenen die stärkeren Fasern, die von einem Pol zu einem der nächstbenachbarten Schleifenwinkel ziehen , doppelt finde (Fig. 38) und diese zwei Fasern annähernd parallel; ob dies eine bestimmte Bedeutung hat, weiss ich für jetzt nicht zu sagen, jedenfalls kann es wohl nichts mit der künftigen Aus- einanderziehung der Fasern zu thun haben, da es sich ja dabei um einpolige Fasern handelt. Auf die Angaben van Beneden’s, Boveri’s und O0. Scehultze’s, nach denen die Fäden der Spindel und der Pol- strahlen varicös sind, und auf die Annahme, dass sie aus Körn- chen (Mikrosomen) bestehen, bin ich hier nur deswegen nicht eingegangen, weil sich bei meinen Objeeten, wo die Fasern über- haupt viel zarter sind als bei den Eiern, davon nichts recht Deutliches sehen lässt; die Fäden erscheinen jedoch auch hier rauh und können wohl Körnchen enthalten, und ich möchte also, in- dem ich den Gegenstand hier nicht weiter berücksichtige, durchaus nicht in eine Gegnerschaft zu der Meinung treten, dass sie aus veihen von Mikrosomen oder Altmann schen Granulis bestehen. Es mag hier noch weiter eine Bemerkung über das zeit- liche Auftreten der Chromosomenlängsspaltung ange- schlossen werden, die mir angesichts der Literatur nicht über- flüssig scheint. So viel ich sehe, nimmt man jetzt ziemlich allgemein an, dass dieselbe bei der einen Zellenart früher, bei der anderen spä- ter erfolgen kann, bald im Spirem, bald im Aster, und auch selbst bei der gleichen Zellenart ihre Eimtrittszeit schwanken kann. Dies habe ich zum Theil selbst mit veranlasst, indem ich als wahrscheinlich hinstellte, dass es so sei !). Und im gewissen Fällen scheint es wirklich so zu sein. Ich erinnere dafür an den 1) Zellsubstanz etec., S. 215—216. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 745 Ausspruch Boveri’s!): „Wir haben bei der Richtungskörperbil- dung von Ascaris meg. gesehen, dass sich in den (chromatischen) Elementen eine Spaltung vorbereiten kann, die erst bei der zweit- folgenden Zelltheilung wirklich zum Vollzug gelangt.“ Um Aehnliches scheint es sich ja bei manchen Verhältnissen in der Entwieklung der männlichen Genitalzellen zu handeln. Es kann aber die Frage sein, ob diese eigenthümlichen Verhältnisse bei Sexualzellen ohne Weiteres einen Maassstab für alle sonstigen Gewebszellen des Körpers geben. Ich habe nun nach längerer Erfahrung den Eindruck, als ob das, was damals wahrscheinlich aussehen konnte, doch sehr fraglich ist, und dass zum Mindesten für die Zellen der meisten Gewebe die Anfänge der Längsspaltung doch immer im Stadium desSpirems, wie Fig. 30 hier, eintreten könnten; dass es ganz auf die Reagentienwirkung ankommt, ob man sie hier schon sieht oder nicht. Dies habe ich auch schon an der erwähnten Stelle erörtert, kann es aber jetzt nach einem weit grösseren Material beurtheilen. Man mache sich z. B. vom gleichen Objeet — etwa Sala- manderepithel, das reich an Mitosen ist — eine Reihe von Prä- paraten mit halbprocentiger Chromsäure, eine andere mit eoncen- trirter Pikrinsäure, eine dritte mit meinem Gemisch, eine vierte mit Hermann ’scher Lösung, eine fünfte mit Chromessigsäure oder Methylgrünessigsäure. An den Chromsäurepräparaten wird man bei günstiger Wirkung (diese wird freilich nicht immer erzielt, es kommt, wie mir schemt, dabei auch auf die Einwirkungsdauer an) sämmtlieche Knäuel von dem Stadium meiner Fig. 16 und 30 hier in Längsspaltung finden; an misslungenen Präparaten dage- sen keinen einzigen. An letzteren ist auch an den Sternfor- men meistens keine Spaltung zu finden, während sie an gelunge- nen hier überall schon mit 300 facher Vergrösserung zu sehen ist. Die Chromsäure stellt an den gelungenen Präparaten die Spalthälften sehr schlank und dünn dar, als wären sie etwas ge- schrumpft. — Aehnlich ist es an den Pikrinpräparaten und denen an Chromosmiumessigsäure: namentlich an letzteren werden die Spaltfäden in den frühen Knäuelformen fast durchweg getrennt erhalten, nur sind sie hier dieker, als bei Chromsäurewirkung. — 132232. 0.8.13: Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 37. 49 746 W. Flemming: Bei Behandlung mit Hermann’scher Lösung (die stark essig- säurehaltig ist) sowie Chromessigsäure und Methylgrünessigsäure, findet man dagegen die chromatischen Fäden überhaupt sehr dick, und die Spaltung in den Knäuelformen, auch den späteren, selten erkennbar. Hiernach muss ich nieht nur, wie an jener früheren Stelle, dien Verdacht äussern, sondern muss ihn geradezu zur Wahr- scheinlichkeit stempeln, «ass wenigstens bei Wirbelthiergeweben die Fälle, in denen man die Längsspaltung in den Knäueln und gar in den Sternformen nicht findet, sämmtlich Artefacte sind, bei denen es sich um eine Aufquellung und Verklumpung der schon getrennt gewesenen Schwesterstränge handelt. Denn wäre es anders, träte die Spaltung wirklich bald früher bald später ein, so wäre es nicht erklärlich, dass man sie beim Gebrauch des einen Reagens an allen Knäueln im Präparat findet, bei dem des anderen an gar keinen !). Darum möchte ich es auch noch nicht für ausgeschlossen halten, dass beim Ei von Ascaris megalocephala die Spaltung der Chromosomen doch vielleicht schon früher als seine Unter- sucher annehmen, nämlich auch im der Knäuelform, auftreten könnte. Dieses Ei hat sich ja bisher solchen Reagentien, welche die Spaltung am besten fixiren, nicht gut zugänglich gezeigt; und der Umstand, dass seine Chromosomen in den Stadien, wo man jene noch nieht gesehen hat, doch schon deutlich band- förmig abgeplattet sind, kaum daran denken lassen, dass es sich dabei bereits um Conglutinirung schon getrennter Fädenhälften dureh die essigsäurehaltigen Fixirmittel handeln könnte. Nach dem Vorstehenden kann es entschuldigt sein, dass ich hier die Ausdrücke van Beneden’'s: „primäre und se- eundäre Fäden, Schleifen oder Chromosomen“ nicht viel in An- wendung gebracht habe, weil sie leicht missverstanden werden 1) Dies war mir zur Zeit, als die vorher eitirte Stelle geschrieben wurde, noch nicht ganz klar, besonders weil ich damals noch nicht lange mit Osmiumgemisch gearbeitet hatte; deshalb konnte ich dort ‚ „dass man theils gespaltene, theils ungespaltene Knäuel und Sterne am gleichen Präparat bunt durcheinander finde“. So kann es sein, aber solche Präparate sind, wie ich jetzt glauben muss, noch sagen nicht gelungen zu nennen und beruhen auf ungleichmässiger Reagen- tienwirkung. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 747 können. Sie sind zwar völlig klar und richtig, wenn man unter seeundären Chromosomen solehe versteht, die sich in der Meta- kinese bereits von emander völlig getrennt haben, unter einem primären Chromosom ein solehes, bei dem dies noch nicht der Fall ist; und so sind diese Worte ja auch von van Bene- den gemeint gewesen. Aber sie wurden eingeführt in der Mei- nung, für welche das Verhalten beim Ascaris-Ei zu sprechen schien, dass die Spaltung in den primären Fäden erst kurz vor der Metakinese begönne, und können also leicht zu der Meinung führen, dass ein primäres Chromosom in der Knäuelform oder dem Anfang oder Sternform der Mitose überhaupt noch gar keine Spaltung besässe. Dies würde, wie ein Blick auf meine Spirem- figuren hier zeigt, für sehr viele Objecte, und vielleieht für alle, nicht zutreffend sein, und deshalb wollte ich mich hier vor der Hand, um leicht verständlich zu sein, dieser Namen nicht be- dienen, keineswegs aber damit auf ihren weiteren Gebrauch ver- ziehten. Ich fasse kurz zusammen, was sich aus Allem, hier im Ab- schnitt E Gesagten schliessen lässt. 1) Ueber die Herkunft der Spindel: Die Anlage der Centralspindel und der Spindelenden liegt, wie die Pole,; ohne Zweifel ausserhalb des Kerns. Wie viel von der Substanz der fertigen Spindel auf diese ex- tranueleare Anlage zu beziehen ist, darüber haben wir noch Aufschluss zu erwarten; es scheint sich damit bei verschie- denen Zellenarten nieht gleich zu verhalten. Für einen, bei meinen Objeeten grossen Theil der Spindelfasern kann ich eime extranueleare Herkunft nieht als erwiesen ansehen, und finde es viel näher gelegt, diesen Theil aus den Linin- substanzen des Kerns und der Kernmembran abzuleiten. Die Annahme einer in dieser Art doppelten Herkunft der Spindel hat keineswegs etwas Sonderbares oder Gezwunge- nes an sich. Denn die Lininsubstanzen des Kerns und der Kernmembran können sehr wohl mit den Structuren des Zellleibes und der Sphäre ihrer Beschaffenheit nach gleich, oder sehr nahe verwandt sein. Ich darf hierbei wohl an 748 ) W. Flemming: meine früheren Worte !) erinnern: „Ob die Substanz, aus welcher die Spindelfasern geprägt werden, vorher dem Raume des Zellkerns oder des Zellkörpers angehört hat, das mag vielleicht gar keine so fundamentale Bedeutung haben, wie es manche Untersucher zu glauben scheimen.*“ Ueber die Ursache der Chromosomen-Spaltung ?). Es erscheint nicht durchführbar, dass sie durch einen Zug oder eine sonstige mechanische Einwirkung der Spin- delfasern veranlasst sein sollte, in der Art, dass diese letzte- ren sich vorher längsgespalten hätten und mit ihren Halb- fäden trennend auf die Chromosomen einwirkten. Ueber die Ursache der Längsspaltung sind bei jetzigem Stande der Kenntnisse zwei Annahmen möglich. a. Entweder, wir sagen mit Boveri: „Die Längsspaltung ist eine selbständige Lebensäusserung, ein Fortpflanzungs- act der ehromatischen Elemente“ (a. a. 0. S. 113). Diese Auffassung schliesst ja keine mechanische Erklärung in sich, aber sie stimmt mit den Thatsachen, die bis jetzt bekannt sind. b. Oder: Die Chromosomen-Längsspaltung steht in einer Beziehung zu der Bildung des imtranuelear entstehenden Theiles der Spindelfasern. Während der ersten Ausbil- dung des Knäuels wird Lininsubstanz aus dem chroma- tischen Kerngerüst herausgezogen und zwischen den Knäuelfäden zunächst zu zusammenhängenden Netzen, dann zu Strängen formirt, welche zu Spindelfasern ge- streckt werden. Die Herausentwieklung der Lininfaden- werke aus der chromatischen Kernstructur kann ein Anlass (dazu sein, dass mit ihr zugleich eine Zweireihenanordnung (des zurückbleibenden Chromatins in den Knäuelsträngen bewirkt wird. Eine mechanische Aufklärung des letzte- ren Vorganges liegt natürlich auch in dieser Anschauung nicht. Sie lässt es noch unerklärt, weshalb die Spirem- fäden gleichmässigen Durchmesser bekommen, und wes- 1) Dieses Archiv Bd. 29, S. 435. 2) Ich bitte zu berücksichtigen, dass hiermit die initialeLängs- spaltung, nicht aber die Längstrennung der Spalthälften (seeun- dären Fäden, van Beneden) in der Metakinese gemeint ist. an Tue Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 749 halb die Action der aus ihnen herausgezogenen Bälkchen an ihnen nieht allseitig, sondern nur nach zwei entgegen- gesetzten Seiten wirkt. Sie bietet aber wenigstens da- für ein Verständniss, dass später Spindelfasern mit den Chromosomen in Verbindung stehen, Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVIIHI-—XL. Alle stärker vergrösserten Bilder sind mit Zeiss Apochr. 2 mm 1,40 gezeichnet, meist mit Oc. 8, zum Theil mit 6 aufgenommen und mit diesem oder 4 näher ausgeführt. Das Roth, mit welchem ausser den chromatischen Bestandtheilen auch die Zwischenkörper (Zellplatten) auf Tafel II, und die Central- körper und Polkörper auf Tafel I und II gegeben sind, ist in der Nuance ebenso genommen wie bei jenen; an den Präparaten weicht es öfter etwas davon ab. — Uebrigens vgl. Abschnitt A. Alle Figuren von Salamanderlarven, mit Ausnahme von Fig. 17 und 18. Tafel XXXVIIL Fig. 1-5. Kerne, mit einem Theil der Zellsubstanz (grau), von Endo- thelzellen des Peritoneum (1, 2, 4) und Bindegewebszellen (3, 5). Centralkörper; in Fig. 2 einfach erscheinend, sonst doppelt; in den letzteren Fällen scheint der eine etwas kleiner als der andere zu sein. — In Fig. 2 die Strahlung der Sphäre (wie oft) zart sichtbar. Fig. 6 u. 7. Beginnende Spireme, ebendaher. Auseinanderrücken der Centralkörpor, Spindelanlage. Fig. S-15a. Zwischenkörper (wahrscheinliches Zellplattenrudiment). Fig. 8. (Bauchfell, Bindegewebszelle). Zwischen den Verbindungs- fasern nur blasse Körnchen). Fig. 9 u. 10. Im Abschnürungsgürtel tingirte Körperchen. Fig. 11—-15a. Zwischenkörper. 11 und 15a letzte Stadien, sehr ver- kleinert. 12: Bindegewebszelle aus der Lunge, 14: Spermatocyt, 10 und 13: Bauchfell, 9, 11 und 15: Lungenepithel. Näheres s. Abschn. B. Tafel XXXIX. Fig. 16. Spirem, Epithelzelle, Mundbodenplatte, Chromessigosmium- säure, Safranin. Es ist nur der obere Umfang der Figur ge- zeichnet. Durchgehende Chromosomenspaltung. Rechts ein Chromosom stärker vergrössert dargestellt. 750 Pro T7. Fig. 18, Ric. 319: Fig. 20. Fig. 21. Fig.'22. Fie. 22: Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. W. Flemming: - Spirem aus dem Wandbeleg des Embryosackes von Fritillaria imperialis, behandelt wie das vorige Object. Noch grosse Nucleolen im Knäuel. Spaltung durchgehend. Für beide Figuren vgl. Abschnitt E. Aus einem Serienschnitt, Hoden, Salamandra; eine Metaphase eines grossen Spermatocyts längs durchschnitten, so dass nur wenige Chromosomentheile im Schnitt sind und der Mittel- theil der Spindel frei vorliegt. Man sieht die im Aequator durchlaufenden Spindelfasern. — Hermann’sche Lösung, Orangeverfahren. Sternphase einer Lungenepithelzelle, mit zwei separirt ge- legenen Chromosomen. Näheres vgl. im Abschnitt E. _ Aus dem Kiemenepithel; zur Veranschaulichung der beson- deren Dunkelung der in Mitose stehenden Zellen bei Osmium- behandlung. Chromessigosmiumsäure, Safranin, Gentiana (die Kerne der beiden ruhenden Zellen, hier mit roth gezeichnet, sind mit Ausnahme der Nucleolen blau zu denken). Die Zelle links ist so gedunkelt, dass man von der hellen Innenportion des Zellkörpers und von den Verbindungsfäden, sowie auch von den Zellplattenelementen (vgl. Fig.9 u. 10, Tafel I) so gut wie nichts sieht. — Uebrigens vgl. Abschnitt ©. Kern aus dem Hoden, Salamandra, Juli; erste Spermatocyten- generation. Form vor dem eigentlichen Spirem (halbe Ruhe- forın). Verästelte achromatische (Linin-) Brücken und Bälk- chen zwischen den chromatischen Strängen. Platinchlorid 0,5 pCt., Safranin. Ein ebensolcher Kern; an Serie durchschnitten, war in drei Schnitte zerlegt, der mittlere gezeichnet. Zwischen den Durch- schnitten der chromatischen Stränge die Lininbälkchen genau gezeichnet: zeigt, dass dieselben verästelt sind. Orangever- fahren wie im Abschnitt A beschrieben; die Lininstrueturen sind blau zu denken. 22a. Schnitt aus einem Kern ebendaher, im Uebergang zum vollen Spirem und mit Längsspaltung der Chromosomen. Im Uebrigen siehe die Erklärung der vorigen Figur. Ebenso, etwas späteres Stadium. Für Fig. 22—23 vgl. Text im Abschnitt E, S. 731. _Wanderzelle aus dem Peritoneum, Orangeverfahren. Links am Kern die Attractionssphäre; die Centralkörper sind hier doppelt, aber sehr nahe beisammen. Der Kern zeigt keine Spur von Mitose. S. Abschnitt D. Wanderzelle aus dem Kiemenblatt, Chromsäure-Safranin. Die Sphäre, links neben dem polymorphen Kern, ist durch das Reagens verändert, grau gezeichnet, blass rosenroth zu denken. Wanderzelle ebendaher. Chromsäure - Safranin. Färbung schwarz bezw. grau, statt roth-rosenroth angegeben. Die nz Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 51 Zelle ist durch Fragmentirung getheilt, die Sphäre zerlegt. Vgl. im Abschnitt D. Fig. 27—29. Schematische Zeichnungen für Abschnitt E, vgl. daselbst besonders Seite 726, 728, 732. In Fig. 28 ist die Centralspindel nicht mitgezeichnet; 29 verdeutlicht, in welcher Lage dieselbe hineinzudenken ist. vater X. Fig. 30. Enges Spirem mit Längsspaltung, vgl. Fig. 16 u. 17, Tafel II. Die Chromosomen des oberen Umfangs dunkel, die des un- teren blass gezeichnet. Vergl. Abschnitt E, S. 757 ff. und am Schluss S. 744. Fig. 31—38. Stadien der Prophasen der Mitose bis zur Sternform, im wesentlichen nach der typischen Reihenfolge numerirt, von Lungenepithelien und Bauchfellendothelien der Larve. Die Erläuterung der Figuren ist im Abschnitt E enthalten. Fig. 39. Lungenepithel mit mehreren Mitosen, zeigt die Dunkelung der in Theilung stehenden Zellen. Vgl. Fig. 20, Tafel II und Text im Abschnitt C. Fig. 40. Sehr platter ruhender Bindegewebskern in der Wand eines Hodenkanälchens, von der Fläche, wahrscheinlich Tochterkern, der unlängst aus dem Dispirem zurückgebildet ist; zeigt An- deutung der Rabl’schen Polfeldanordnung. Fig. 41, 42, 43. Schemata zur Erläuterung des Textes im Abschnitt E, S. 735—744 (Fig. 42 nach Rabl. Fig. 41 zeigt, dass bei An- nahme einer Längsspaltung der Spindelfasern die Spalthälf- ten derselben nicht gleich lang sein könnten. Fig. 41 und 43 vertritt nicht etwa meine Ansicht über die erste Anlage der Spindel (für diese siehe vielmehr Fig. 27—29, Tafel XXXIX), sondern dient zur Erläuterung, dass eine hypothetische Spal- tung von Spindelfasern im Knäuel keinen Einfluss auf die Spaltung der Chromosomen haben könnte. Fig. 4 u. 45. Diagramme von Fig. 37 (44) und 19 (45), s. Text im Abschnitt E, S. 739 u. folgende. Kiel, 24. April 1891. A ne) { nn “ Bee ans pr j ah> ira ir } 2 : Ba eK 4 W 375 > yı Der di BERN 7 N ver ih HR Be ZT» MENT TLIMEOS Se, rei han: Bram r . er v j ur ee A, T ’ ham, . Dr RE 1 i Y sind i - = er i [x . 4 i F [4 . „, f “ cas - ji 4 d ne 4 y i > \ Be I in nr i i Sram 2, # . j “4 ISEIEIHE y Ps Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. ® ia > ’ x | E i \ A sale Archir fmikroskon. Anatomie. Bd. XXXVI, 1st. v Werner «Winter Frankfurt®M. BRR TZ a ed YA y > Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XXXYVIl. Ä 40 Ammonshorn Aufeenommen von W. H Cox. Tafel 11. Fascia dentata Aufgenommen von W. H. Cox. iu R- PR TAKE 3 GR, r K.mikroskon. Anatomie. ME ae N a a EHRE Dr 3292 RE er EN BT ar \r 295 u . a RG Zn b Zu > cz mikroskop. Anatomie. Bd. XXXVI. f! rs Arch le, u = ir 8: - es - Be nr N, Ri Pu Du u ) ANAL bh a ST RAT Baal uö y BEN 2 u su LP il Ai An r hir [mikroskon. Inatomie. Bd. XXNVM. BBERSER Archir £mikroskon. Anatomie. Bd. XXXVM. Taf: WI. r Tat Vi: 15: RN > — d I En u / Be Fe f EV { NA I 4 ER LT Pas ne A IE a Fa 1. a a \ ae x nr | , \ Ze 2 a 4 \ DEREEES " RN 77 Vals _ Au Tüh Anst.v Werner &Wintern, Frankfurt. Fr) En Archiv £Emikroskon. Anatomie. Bd. XNATT. TON 3 N - RI TER e; \EeN = Pau En iz N Dal Prey S R el [Se oT CcH9 = nn k m a ” rs rg Anatomie. Archiv f. mikroskop % - Da Tin, Ans vWerner DISS EN BEST 1 IR RER Ba. IX 10. n f. mikroskon. Anatom 4 del. S Schottlaender —- ie j je Iy ur Ei B Fra 19 5 . .“ e % . u | Par- 4 . ze re z z - 2 7 E R [Dad vu . u = u 3 Ku var or Fu . ” . Bu m 7 ze v 0 u u En Alb yı ; & BR . ° u = . 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