— *,*No book or pamphlet is to be removed from the hab- oratory without the permission of the Trustees, a nu u N er u Y fr Dan I 1 urn RT), Al N ORPAN N aa A \ K Y AU u B, \y NO ii r BUND I Ar Vale! \ un N. | l k Y) aan ‘ N J Kur { u Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Innen anınan Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. 2... Neununddreissigster Band. Mit 30 Tafeln und 11 Abbildungen im Text. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1892. oxa0l ler rl RE 2% di er ae "a Br Lerirr, Be 70 una we % „etgrt. Pla TSWIER ER Suiten : Dee Fa DU = Inhalt. Die nucleoläre Kernhalbirung. Ein Beitrag zur Kenntniss des Zellkernes und der amitotischen Epithelregeneration.. Von Prof. Johannes Frenzel. Hierzu Tafel 1. Ueber die Entwicklungsgeschichte und feinere Anatomie Her Bartholini'schen und Cowper’schen Drüsen des Men- schen. Von Dr. med. Vitalis Müller (St. Petersburg). (Aus der I. anatomischen Anstalt in Berlin.) Hierzu Tafel Il. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. Von Hein- richErnst Ziegler, Dr. ph., Prof. und FriedrichZiegler in Freiburg i.B. Hierzu Tafel III u. IV und 10 Figuren im Text. De en EI RB HL ee re ee N Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern bei Lumbrieus. Von Prof Dr. Michael von Lenhossek in Basel. Hierzu Tafel V. BAAR Fey 7% Ueber granuläre Einschlüsse in den Geschrrulstzellen. Von Dr. J. Raum, Assistent. (Aus dem pathologischen Laboratorium an der k. Universität Warschau.) Hierzu Tafel VI. Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. Von Dr. E. Kro- mayer, Privatdocenten für Dermatologie und Syphilis in Halle a.S. Hierzu Tafel VII. a Ueber das normale Wachsthum der Röhrenknochen des Men- schen, sowie einige Thatsachen, betreffend den normalen Bau des Knochengewebes. VonDr. med. N. Matschinsky. (Aus dem histologischen Laboratorium von Prof. Th. Zawa- rykin in St. Petersburg.) Hierzu Tafel VIII. Ä Die Befruchtung des Reptilieneies. Von Dr. Albert Oenel, Prosektor und Privatdocent in Freiburg i. B. Hierzu Tafel IX— XI. A RB. Ueber den feineren Bau der Be liuhetanzene © Die Muskel- faser der Cephalopoden. Von Dr. med. E. Ballowitz, Privatdocent und Prosektor an der Universität Greifswald. Hierzu Tafel XIII u. XIV. u Ta Eu Beobachtungen an Helminthenlarven. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XV. ; Zur Kenntniss der Wirkung des Neeslalenhols a as eh ebe (Knorpel- und Muskelgewebe). Von Prof. Dr. B. Solger, erstem Prosector am anatomischen Institut zu Greifswald. Hierzu 1 Holzschnitt. Seite 33 56 137 141 151 180) Di [571 343 IV Inhalt. Urmund und Spina bifida. Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie an missgebildeten Froscheiern. Von Oscar Hertwig. (Aus dem Il. anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XVI—-XX. Fe > Ueber eine Zwitterbildung beim Flusskrebs. Von v. la Valette St. George. Hierzu Tafel XXI. Mora u Beiträge zur nie klungsgeschichte der Zahnanlaren bei Nase thieren. Von Paul Freund, Zahnarzt in Breslau. (Aus der Entwicklungsgeschichtlichen Abtheilung des anatomi- schen Institutes zu Breslau.) Hierzu Tafel XXII u. XXIII. Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Entoderm- bildung von Cyelops. Von Dr. V. Häcker, Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i.B. Hierzu Tafel XXIV u. XXV. Wat a Studien über die Verhornung der ensehtchen Oberbant Von Dr. Behn, prakt. Arzt in Kiel. Hierzu Tafel XXVI. Ueber den feineren Bau der hinteren Speicheldrüsen der Cepha- lopoden. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel XXVI. Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. Von Dr. Karl Schaffer, Assistent. Hierzu Tafel XXVII. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der menschlichen Nasen- höhle. Von Dr. A.v. Brunn, Professor in Rostock. Hierzu Tatele XRIX U RIESE 0A ee ß Die Endigung der Olfactoriusfasern im one Shen er des -Schafes. Von Dr. A. v. Brunn, Professor in Rostock. Hierzu Pate. ARR RI 2a ee a a ie: Seite 525 556 5sl 596 611 632 651 Die nucleoläre Kernhalbirung. Ein Beitrag zur Kenntniss des Zellkernes und der amitotischen Epithelregeneration. Von Prof. Johannes Frenzel. Hierzu Tafel 1. Als ich vor emigen Jahren „direkte* Kerntheilungen be- schrieben hatte, mit welchen eme Zelltheilung verknüpft sein sollte, fand ieh nur geringe Zustimmung; und wenn nicht einer- seits an anderen Orten Aehnliches eonstatirt und anderseits meine Angaben hie und da bestätigt worden wären, so würde sich an jenem Urtheil vermuthlich nur wenig geändert haben. Um daher selbst mehr Klarheit in eine Frage zu bringen, welche mit zu den interessantesten in der modernen Biologie gehört, beabsich- tigte ich vor Allem diejenigen meiner Befunde, welche noch die dunkelsten waren, weiter aufzuhellen. Ich glaubte daher nicht besser handeln zu können, als dort wieder einzusetzen, wo sich eine sichere Entscheidung bisher nicht hatte treffen lassen, näm- lich in der Mitteldarmdrüse der Crustaceen. Hier hatte ich (1) s. Z. bei den Decapoden zweierlei Arten von Epithelzellen be- schrieben, von denen ich die einen als „fetthaltige Zellen“, die anderen als „Fermentzellen“ bezeichnete (l. e. 1, pag. 56 ff. u. 69 ff.). Während ich ferner hinsichtlich der ersteren über die Vorgänge bei der Sekretion keine bestimmten Angaben machen konnte und nur eine Beobachtung P.Mayer’s (2) anführte (l. e. 1, pag. 82), so glaube ich im Gegentheil bei den Fermentzellen festgestellt zu: haben, dass sie sich als solche vom Epithel loslösen und in das Drüsenlumen gelangen (l.e. 1, pag. 80), wobeiihnen noch der ganz schmal gewordene Kern anhängt (l. e. 1, Taf. 4, Fig. 24, 31 ete.). Es geht hier somit hervor, dass wenigstens bei der einen Epithelzellenart ein lebhafter Zellverbrauch mit Kernverlust stattfindet, und Aehnliches trifft sich weiter- hin m dem gleichen Organ anderer Crustaceen, so bei den Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 1 .. 2 Johannes Frenzel: Isopoden und Amphipoden. Für diesen Zellverbrauch muss Er- satz geschaffen werden, und da wir mit vollem Recht eime Zelle von der anderen ableiten dürfen, so müssen wir vor Allem im Epithel selbst nach sich theilenden Zellen, oder, was auf Eins hin- auskommt, nach solehen Kernen suchen. Wer heut zu Tage unter Anwendung der geeigneten Methoden die Mitose übersieht, begeht ohne Zweifel einen groben Fehler. Meine oben eitirte Mittheilung fiel jedoch in eime Zeit, wo die mitotische Kern- theilung noch nicht so völlig durchgearbeitet war, wesshalb ja die‘ Möglichkeit bestehen blieb, dass mir jener Fehler passirt sei. Dies war der Grund, dass ich mich an eine Nachunter- suchung machte, unterstützt und kontrollirt von einem Schüler W. Flemming’s, Herın Jos. Schedel. Leider wurde in- dessen äusserer Umstände halber ein völliger, umfangreich ge- planter Abschluss nicht erreicht, so dass von einer Publikation abgesehen wurde. Erst der Umstand, dass die Frage nach der amitotischen (direkten) Kerntheilung mehr und mehr in den Vordergrund trat und sich besonders dahin zuspitzte, ob die letz- tere auch von einer Zelltheilung begleitet sein könnte, ob mithin eine Vermehrung von Zellen vorliege, veranlasste mich zu der Wiedergabe nachfolgender Mittheilung, die freilich das Thema nicht im Entferntesten erschöpfend behandeln kann. Augenblicklich dürfte wohl die Sachlage so aufzufassen sein, dass der Vorgang der Amitose, wie wir kurz sagen wollen, allgemein zugegeben wird. Auch Waldeyer (3), welcher sich zuerst sehr ablehnend verhielt, bekehrte sich bald darauf zu einer anderen Meinung (4), im Hinblick namentlich auf die An- gaben von Berggrün, Flemming, Fraisse, Johow, Lee, Overlach, Rabl u. A. Als einen der ersten Ver- fechter der Amitose dürfen wir ferner Jul. Arnold nennen, weiterhin Bellonci, Bloehmann(Ö), Loewit (6), Platner (7) u. A. Ganz anders indessen ist es hinsichtlich der Frage, wie sich der Zellkörper bei dieser Kerntheilung verhalte. Zunächst wurde auf eine Kernvermehrung innerhalb des Zellleibes hingewiesen, wie sie z. B. Chun (8) für die abgeplatteten grossen Entodermzellen in den Schwimmglocken gewisser Siphono- phoren, Carnoy (9) im Follikelepithel des reifen Eies der Maulwurfsgrille, und Blochmann (5) in der Embryonalhülle der Skorpione konstatirt hatten. Demnach aber konnte die „ami- at Die nucleoläre Kernhalbirung. . 3 totische Zelltheilung, wie wir uns kurz ausdrücken wollen, nicht mehr in Abrede gestellt werden. So war es vor Allem Jul. Arnold (10), weleher in Wanderzellen von Wirbelthieren „direkte Kernabschnürung“ (Fragmentation) mit nachfolgender Zelltheilung beobachtete (l. e. 10, pag.252, Taf. XII, Fig. 2 u. 3), worin ihm sodann Flemming (11) bestätigend . folgte; demn auch dieser ist der Ansicht, dass sich Leueoeyten sowohl mit Mitose als auch ohne Mitose zu theilen vermögen (l. e. 11, pag. 287 ff.). Allerdings hält Flemming die Anschauung nicht für ausgeschlossen, dass die Leukoeyten sich normalerweise gleich den Zellen anderer Gewebe durch Mitose neubilden, während Fragmentirung des Kerms in den Geweben der Wirbelthiere ein Vorgang sei, der nicht zur physiologischen Vermehrung und Neu- bildung von Zellen führe. „Wenn sich also“, so fährt jener Autor fort, „Leukoeyten mit Fragmentirung ihrer Kerne theilen, so würden hiernach die Abkömmlinge dieses Vorgangs nicht mehr zeugungsfähiges Material sein, sondern zum Untergang bestimmt“ ete. H. E. Ziegler (12) ist Flemming in dieser Anschauung gefolgt, und auch ich (13) habe ‚nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen“ nichts dagegen einwenden können, solange sich jener Satz Flemming’s eben auf die Wirbelthiere beschränkt. Denn wenngleich meine früheren Angaben hinsichtlich der Epi- thelregeneration im Mitteldarm von Crustaceen (14) und Insekten (15) anfangs wenig beachtet wurden, so erfuhren sie doch hinter- her mannigfache Bestätigungen. So schloss sich mir Faussek (16) in allen wesentlichen Punkten hinsichtlich des Darmes von Eremobia ete. an, und auch Mingazzini (17), der den Darm- kanal phytophager Lamellicornier eingehend untersuchte, konnte doch an keimer Stelle des Mitteldarmes Mitosen finden, mit Aus- nahme der Drüsenkrypten, wo ich ja schon solche nachgewiesen hatte (l. e.15, pag. 295), während endlich A. van Gehuchten (18) vom Mitteldarmepithel der Faltenmücke Ptychoptera con- taminata Darstellungen gab, welche mit den meinen sehr wohl übereinstimmten (l.c. 18, pag 247 u. Taf. 4, Fig. 75 bis 81 inel.). Es möchte nun wohl überflüssig erscheinen, wenn noch einmal nachgewiesen werden soll, dass es nicht nur bei Protozoen, sondern auch bei Metazoen eine „amitotische Zelltheilung“ gebe. Einerseits indessen möchte ich gern, wie schon gesagt, eine von früher bestehende Lücke ausfüllen, anderseits ferner die 4 Johannes Frenzel: Aufmerksamkeit noch auf emige andere Punkte zu lenken ver- suchen. Obgleich nämlich das sog. Remak’sche Sehema durch- aus nicht von einer einfachen Kerndurchschnürung (Fragmentation) spricht, sondern auch gewisser Vorgänge im Innern des Kerns gedenkt, so ist doch gemeinhin die Ansicht bestehend, dass die direkte (amitotische) Kerntheilung weiter nichts als solche Frag- mentation sei. Nun hat schon Jul. Arnold (19), indem er seiner Segmentirung (Mitose) die Fragmentirung (Amitose) gegen- überstellt, von einer „indirekten Fragmentirung“ gesprochen, welche mit der echten Mitose die Zunahme der chromatischen Substanz gemein habe, sich von dieser aber durch die Anord- nung, namentlich in den späteren Phasen, unterscheide. Auch die Vorgänge bei der amitotischen Theilung des Makronueleus eiliater Infusorien belehren uns über complieirtere Vorgänge im Innern des Nucleus, ohne dass es zur Ausbildung von Faden- schleifen u. dergl. käme. Weiterhin habe ich bei den Larven meiner mesozoischen Salinella!) eime Kerntheilung angetroffen, welche fast schon so komplieirt wie die mitotische ist, ohne dass doch eine Uebereinstimmung zwischen beiden Kategorien herrschte. Ich bezeichnete sie als indirekte, amitotische Theilung. Die Kernkugel besass nämlich vor der Theilung eine genau radiäre Anordnung von chromatischen Stäbehen oder Fäden. Behufs der Theilung trat im Mittelpunkt eine Spaltung ein, und jedes der beiden neuen Centren rückte vom andern fort, wobei sich jene chromatische Substanz stets in derselben radiären Anord- nung gruppirte. Es fehlte mithin eimerseits an Fadenschleifen und an einer Spaltung chromatischer Elemente, andererseits in- dess machten sich im Innern des Kerns doch solehe Verände- rungen bemerkbar, dass man den alten Begriff der „direkten“ Theilung nicht mehr hierher beziehen konnte. Auch die sich theilenden Kerne erwachsener Salinellen schnürten sich nieht ein- fach durch; sondern zunächst verschwand, gerade wie bei der Mitose, ihr Nucleolus, dann streekte sich ihr alveolär aussehendes Maschenwerk in die Länge, und nun erst begann die Einschnü- rung. Zum Schluss sei nun noch daran erinnert, dass auch G. Platner in den Malpighi'schen Gefässen der Insekten recht 1) Diese schon längst druckfertige Mittheilung wird im Archiv für Naturgeschichte Jahrg. 58 (1892) erscheinen. So Die nucleoläre Kernhalbirung. merkwürdige Kerntheilungen sah, mdem der Nucleolus sich in der Riehtung des längsten Durchmessers spaltet, während bereits vorher senkrecht dazu eine Streifung auftritt. Beim Untersuchen der Mitteldarmdrüse der Crustaceen hatte ich mein Augenmerk besonders auf das frische, über- lebende Gewebe gerichtet, da ich damals hauptsächlich von phy- siologischen Gesichtspunkten ausging. Um Kerntheilungen zu studiren, ist aber bekanntlich diese Methode wenig erfolgreich, und man greift gewöhnlich zur Schnittmethode. Auch diese hatte ich nun früher angewendet, hauptsächlich in der Absicht, Uebersichtsbilder über die Topographie des Drüsenepithels zu erhalten. Da ich es indessen mit einem mir bis dahin fremden Gewebe zu thun hatte und überdies die Fixirungsmethoden für histologische Zwecke erst bei den Wirbelthieren anfingen’ weiter vervollkommnet zu werden, so gelang es mir noch nicht, Auf- schlüsse über die feinere Struktur der von mir bearbeiteten Gewebe zu erzielen. Erst später lemte ich eine Methode kennen, welche für Gewebe der Arthropoden besonders schöne Resultate ergiebt, nämlich die Behandlung mit einer Lösung von Queck- silbersublimat in Aleohol von 70 °/, bis 80°/,, der mit cone. Sal- petersäure mehr oder weniger stark angesäuert wird (vgl. 1. e. 15, pag. 232)'). Diese Flüssigkeit erwies sich nun auch für die Mitteldarmdrüse der Crustaceen als sehr günstig und gab aus- gezeichnet klare Bilder (vgl. Fig.1, 2, 3, 6 bis 11). Zum Ver- gleich benutzte ich sodann noch die Merkel’sche Flüssigkeit ?), welehe gleichfalls ganz schöne Bilder, jedoch theilweise von an- derem Aussehen, ergab (vgl. Fig. 4 und 5). Während nämlich bei der obigen Sublimatbehandlung das Kernnetzwerk weniger aus Fäden als vielmehr aus aneinandergereihten gleichgrossen und gleichbeschaffenen Körnchen zu bestehen scheint, so ergab die Merkel’sche Flüssigkeit, ein sich weniger intensiv und distinkt färbendes Fadenwerk mit schärfer markirten Knotenpunkten, derart, dass jeder Faden als eine ununterbrochene gerade Linie er- schien. Leider bot sich keine Gelegenheit mehr, diejenigen Prä- 1) Man nehme auf jeden oder auf je zwei Cubikcentim. der Lösung einen Tropfen conc. Salpetersäure. 2) Chromsäure 1°, und Platinchlorid 1°/, zu gleichen Theilen in 400 Theilen Wasser. 6 Johannes Frenzel: parate heranzuziehen, welche Herr Jos. Schedel begann, mit Hülfe der Flemming’schen Gemische anzufertigen. Nur hin- sichtlich der Kerntheilungsbilder wurden sie durchmustert, ohne, um es gleich hier zu erwähnen, irgendwo eine Mitose sichtbar zu machen. Um den Einfluss verschiedener Reagentien auf ein und das- selbe Gewebe zu ermitteln, wurden Drüsenschläuche eines Am- phipoden mit mittelstarkem Alcohol — von 60°, — behandelt. Ein Bliek auf die beigegebenen Abbildungen Fig. 12 und 13 zeigt, ein wie wenig befriedigendes Bild man auf diese Weise erhält. Leider musste ich jedoch auch hier auf weitere Ver- suche verzichten, hoffe aber späterhm eine Darstellung von der Einwirkung verschiedener Conservirungsmethoden auf eim und dasselbe Gewebe geben zu können. Um ferner jede Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, wurden nur ganz frisch gefangene Thiere präparirt, von denen man an- nehmen durfte, dass sie sich normal verhielten. In Kiel fuhr ich selbst zum Fang hinaus, öffnete sofort das frisch erbeutete Objekt und warf unmittelbar einen Theil der Mitteldarmdrüse in die dazu bestimmte Conservirungsflüssigkeit. So glaubte ich den Vorwurf am besten abweisen zu können, dass ich es vielleicht nieht mit normalen Verhältnissen zu thun hatte. Denn es wäre ja immerhin nicht ausgeschlossen, dass in der Gefangenschaft gehaltene Krebse, die unter solchen Umständen bekanntlich nur wenig Nahrung zu sich zu nehmen pflegen, bloss wenig Zellen reprodueiren und daher nur wenig Kerntheilungsbilder offenbaren. Die übrige Behandlung der Präparate war in allen Fällen eine gleiche. Sie verweilten in der Sublimatlösung ca. 1 Stunde und wurden dann in ea. 70°/,igem Alcohol ausgewaschen und ent- säuert. Infolge des ursprünglichen Säuregehaltes war das An- schiessen von Krystallen von Quecksilberverbindungen nicht zu befürchten gewesen. Es musste jetzt nur jede Spur von Säure sorgfältig entfernt werden. Dann geschah sofort die Färbung in toto, und zwar, da es sich ja um nichts als eine grössere Prägnanz der Strukturen handelte, nur mit Boraxkarmin, Alaun- karmin, Hamann’s Karmin und Flemming’s Hämatoxylin, wo- von die beiden letzteren auch eombinirt wurden. Gleich nach ddem Auswaschen wurden sodann die Präparate in starken Al- eohol, sodann in Nelkenöl übertragen und darin mit der Nadel Die nucleoläre Kernhalbirung. 7 zerzupft. Dies Verfahren genügte vollständig, und es bleiben hierbei genug unverletzte Zellen übrig, so dass von der Schnitt- methode, deren Monotonie ein Schrecken für jeden Histologen ist, ganz abgesehen werden konnte). Mitteldarmdrüse von Careinus maenas. Früher hatte ich hinsichtlich der „Fermentzellen“ im Epithel der Mitteldarmdrüse der Decapoden verschiedene Zustände wahr- genommen. In einem Schnittpräparat (l. e. 1, pag. 70, Fig. 29, 31) sieht man, wie nur wenige der Zellen mit ihrem Fusstheile noch bis zur Basalmembran, welche das Epithel trägt, hinab- reichen. Es sind fast isodiametrisch gewordene, von einer rie- sigen Sekretblase erfüllte Fermentzellen, deren Kern, je nach dem Reifezustande, noch mehr oder weniger entwickelt ist. Seine Grösse steht nämlich in umgekehrtem Verhältniss zur Grösse jener. ec. 1, pas... 11, Fie.20, 24,25, 26, :21 ete.), so dass Jugendliche Zellen einen enorm grossen Kern besitzen (l. e. 1, Fig. 26, 27), während er späterhin auffallend kleiner wird und sich „verdichtet“, d.h. er färbt sich jetzt immer noch sehr kräftig, ist aber kompakt und diffus und hat bei seiner Grössen- abnahme weniger an Nuclein (i. e. Chromatin), dahingegen an- scheinend seinen ganzen Gehalt an Kernsaft resp. an nicht oder wenig färbbaren Substanzen verloren (l. e. 1, Fig. 24, 25 ete.). So steht der Kern in Wechselbeziehung zur Thätigkeit der Zelle, denn die Funktion derselben ist die Ausbildung des braunen Se- kretklumpens, welcher sich nicht nur auf Kosten des Zellplasmas, sondern auch des Kernes zu vermehren scheint. Allerdings lässt sich dabei nicht absehen, ob und welche thätige Rolle der Kern hierbei spielt; denn man könnte recht wohl behaupten, er. sei gänzlich funktionslos geworden und verkümmere, ohne in- dessen ganz zu verschwinden, da man innerhalb des Drüsen- 1) Ich bin von jeher der Ansicht gewesen, dass man bei einer wissenschaftlichen Untersuchung probiren muss, mit den einfachsten Mitteln auszukommen. Man kann sich dann manche recht unnütze Arbeit ersparen. 8 Johannes Frenzel: lumens öfters freigewordene Zellen mit noch anhaftendem, ganz kleinem, halbmondförmigem Kerne antrifft. Dabei würde freilich der Kern immer noch eine passive Thätigkeit haben, welche darin besteht, dass sein Material umgeformt und zur Sekretbil- dung verwendet wird, gerade so wie es mit dem Zellplasma ge- schieht. Eine ganz reif gewordene Fermentzelle wird nämlich so vollkommen von der Sekretblase ausgefüllt, dass ausser dem Kernscheibehen nichts mehr von plasmatischen Theilen zu kon- statiren ist, von eigenthümlichen, oberhalb des Klumpens lie- genden Kügelehen abgesehen. Da nun, wie wir sahen, der Kern den bei weitem grössten Theil seines Bestandes verliert, so bleibt wohl nichts anderes als der Schluss übrig, dass derselbe mit in das Sekret aufgenommen sei. Ob auch ein gänzlicher Schwund des Kernes eintreten kann, vermag ich nicht anzugeben. Ge- wöhnlich sah ich, wie gesagt, noch ein Scheibehen glänzender und sich stark färbender Substanz, die allerdings von erheblich geringerem Volumen war, als die tingible Substanz des norma- leren Kerns. Es lässt sich aber meiner Memung nach kein sicherer Schluss daraus ziehen. Denn gerade so gut, wie Nu- elein resp. Chromatin verschwunden resp. resorbirt sein könnte, so könnte es auch nur ‚dichter‘ geworden sein, d.h. seinen Wassergehalt ganz oder theilweise verloren haben. Andere Zellen an anderen Orten belehren uns freilich über den gänzlichen Schwund von typischen Kernstoffen, so die rothen Blutkörper- chen höherer Wirbelthiere und die verhornenden Zellen der Epidermis. Ganz gleich nun, ob der Kern gänzlich oder nur theilweise verschwindet, so viel steht fest, dass er mitsammt dem Se- kret ausgestossen wird. Es gehen hier also bei der Se- kretion die Zellen vollständig zu Grunde und müssen folgerichtig durch neue ersetzt werden, ein Umstand, der deswegen noch einmal besonders betont sein möge, als häufig die Ansicht ver- fochten wird, dass sekretorische Zellen im Allgemeinen stän- dige Apparate seien und sich nach Ausstossung des Sekretes wieder regeneriren resp. ohne besondere Intervalle fortdauernd thätig seien. Ohne Zweifel giebt es derartige sekretorische Apparate genug, die wir folgerichtig als einzellige Drüsen be- zeichnen könnten. Das Auswandern von Epithelelementen behufs der Sekretion ist aber mindestens eine ebenso häufige Erschei- Die nueleoläre Kernhalbirung. 9 nung, wie ich mir vorbehalte, an anderer Stelle weiter aus- zuführen. Untermischt mit den reif gewordenen Fermentzellen besitzt das Epithel der Mitteldarmdrüse noch weniger reife (l. e. 1, Fig. 25, 26, 27) und schliesslich ganz jugendliche Zellen (ebenda Fig. 28), die sich durch ihre geringe Grösse, die isodiametrische Gestalt und den relativ grossen Kern kenntlich machen. Da ich früher keiner Kerntheilungen ansichtig werden konnte und überhaupt mehr auf Mitosen fahndete, so war ich. nicht abge- neigt, die Regeneration des Epithels im blinden Schlauch- ende, wo die Zellen allerdings einen jugendlichen Charakter haben, zu suchen (l. e. 1, pag. 80). Eine solche Regeneration soll aueh jetzt nicht völlig ausgeschlossen werden. Daneben, und vielleicht sogar häufiger kommen aber an jeder Stelle des Epithels Zelltheilungen vor, wie wir nunmehr sehen werden. Um sich darüber Klarheit zu verschaffen, präparirt man ein Stück- chen aus der Mitte eines Drüsenschlauches in der oben ange- gebenen Weise. Ganz junge Fermentzellen von ebensolchen fett- haltigen Zellen zu unterscheiden, ist vor der Hand ganz unmög- lich, da sie ja beide noch ganz imdifferent sind. Nur eine etwas verschiedene Struktur des Kernes ist wahrscheimlicherweise vor- handen, wie wir noch sehen werden. Es sind nun eine nicht unerhebliche Anzahl von entweder noch intakten oder theilweise beim Präpariren zerstörten Zellen anzutreffen, welche Doppelkerne führen, als welche ganz im Allgemeinen diejenigen bezeichnet sein mögen, die nieht mehr die einfache typische Gestalt des normalen Kernes zeigen. Wenn man derartige Doppelkerne sieht, so lässt sich nicht immer sagen, ob es zwei dicht aneinandergelagerte Kerne oder ein einzelner eingeschnürter ist. Liegt die durch beide Hälften gelegte Axe in der Horizontalebene des Mikroskops, oder hebt und senkt man den Tubus, so wird man in vielen Fällen einer „Bisquitform“ ansichtig werden. Diese ist, etwas mehr mathe- matisch ausgedrückt, die optische Form zweier genau gleich grosser Kugeln, denen je ein gleich grosser Kugelabschnitt fehlt, dessen Basis die Berührungsebene der beiden Kugeln bildet (Fig. 4b). Behufs der Theilung streckt sich mithin der vorher fast genau kugelförmige Kern in der Richtung eines seiner Durchmesser in die Länge, bis er noch nicht das Doppelte des 10 JohannesFrenzel: Durchmessers erreicht hat. Danach oder mittlerweile — das bleibe unentschieden — geschieht genau senkrecht zur mathematischen Mitte des verlängerten Durchmessers (zur Achse) eine ringförmige Einschnürung an der Kernperipherie, welche mehr und mehr zur Achse fortschreitend eine derartige Theilung bewirkt, dass nicht nur beide Hälften mathematisch gleich werden, sondern dass auch jede derselben die Kugelgestalt nach Möglichkeit beibe- hält (Fig. 4). Für gewöhnlich scheint nun die Theilung so vor sich zu gehen, dass die beiden Kernhälften nicht vor vollendeter Theilung auseinanderrücken, sondern erst nachher. Einigemale jedoch bemerkte ich, dass die Einschnürung nicht nur tiefer, sondern auch breiter wurde, derart, dass sich zwischen die beiden Kernhälften eine ziemlich breite (lange) Brücke aus- spannte, welche etwa die Form eines Rechteckes hatte (Fig. 5a). Bei fortschreitender Einschnürung wurde sie jedenfalls immer schmächtiger und mochte schliesslich ihr Ende als dünner Faden erreichen. Die Kermtheilung, wie wir sie hier verfolgt haben, schliesst sich ganz an das sog. Remak’sche Schema an, abgesehen von dem Verhalten der Nucleolen. Das Remak’sche Schema be- snügt sich damit nämlich nicht, sondern setzt eine, der Ein- sehnürung vorangehende Theilung des Nucleolus voraus, wel- cher bekamntlich bei der Mitose zeitweilig ganz verschwindet. Die Kerne unserer Zellen haben nun normalerweise stets einen sehr distinkten Nueleolus (Fig.35, 5, 6b ete.), welcher, meist annähernd kugelig, lebhaft glänzt und sich noch kräftiger als das ehromatische Netzwerk tingirt. Er liegt fast ausnalhms- los exeentrisch, etwa in mittlerer Entfernung von dem Mittel- punkte und der Peripherie des Kermes. Sein Umfang ist zwar etwas variabel, doch stets viel erheblicher als einer der Knotenpunkte des Gerüstes, von denen er sich dureh see regel- mässigere Form, seinen schärferen Umriss, grössere Färbbarkeit ete. unterscheidet. Auch nimmt er bei einer Doppelfärbung mit Carmin und Hämatoxylin den ersteren Farbstoff mehr auf, als dies von Seiten des Fadenwerkes und der Knoten geschieht, so dass er sich rothviolett gegen deren Blauviolett abhebt. Hier wie auch weiterhin sah ich oft jugendliche Kerne, die noch nieht zur Theilung schritten: stets besassen sie nur eimen einzigen Nucleolus. Dann fand ich wohl viele längliche, sich Die nucleoläre Kernhalbirung. 11 ‘eben einschnürende Kerne, ähnlich wie in Fig. 4, wo schon zwei weit getrennte Nucleolen vorhanden waren, und zwar meist so, ddass jeder annähernd an derselben Stelle des zukünftigen Tochter- kernes lag. Niemals vermochte ich indessen einer wirklichen Theilung oder Abschnürung des Nucleolus habhaft zu werden, weshalb ich an der Ansicht festhalten möchte, dass dieser nicht dem Remak’schen Schema folge, sondern dass vielmehr an ge- eigneter Stelle des Tochterkernes noch vor der Abschnürung des- selben ein ganz neuer Nucleolus entstehe, der alle Cha- raktere des ersten besitzt. Für diese Auffassung spricht, um es nochmals zu wiederholen, einmal das gänzliche Fehlen von bis- ‘quitförmigen und ähnlichen Nucleolen in jugendliehen Kernen, andererseits der Umstand, dass die beiden neuen Nucleolen stets von einander getrennt liegend gefunden werden, eine Erschei- nung, der wir auch weiterhin noeh begegnen werden (vgl. Fig. 1421 56); Das Bestehenbleiben des ursprünglichen Nucleolus bei dieser Art von Kemtheilung sowie das Auftreten eines zweiten im an- deren Halbtheile des Kernes ist eine Thatsache, welehe einen scharfen Gegensatz zur mitotischen Kerntheilung bedingt. Nach dem Zustande unserer gegenwärtigen Kenntnisse würde sie allein schon genügen, um den Nachweis zu führen, dass hier eine amitotische Kerntheilung vorliege. Meine Präparate er- lauben mir jedoch, noch weitere Beweise hinzuzufügen. Die Jugendlichen Kerne der Fermentzellen besitzen nämlich ein recht deutliches Kerngerüst, welches das Bild ‘emes ziemlich weit- maschigen Netzwerkes darbietet (Fig. 4 und 5). Dieses setzt sich bei einer Fixirung mit Merkel’scher Flüssigkeit aus relativ feinen Fäden zusammen, deren Knotenpunkte ausserordentlich mar- kirt sind (Fig.5). Bei Behandlung mit saurer Sublimatlösung setzten sich die Fäden dagegen aus dieht aneinandergereihten, aber gröberen Körnehen oder Granula zusammen, so dass die- selben geometrischen Figuren entstanden (Fig. 9 bis 11), und nur die Knotenpunkte waren bei weitem »icht so markirt. Es kömnte nun sein, dass sich bei der ersteren Behandlung die Substanz der Granula auf den Fäden nach deren Knotenpunkten hin ver- schiebt und anhäuft, während sie bei- der letzteren an Ort und Stelle bleiben, oder dass sie dort überhaupt dem Blicke verloren gehen, während dies hier wieder mit den Knotenpunkten ge- 12 Johannes Frenzel: schieht. Ohne eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen zu wollen, möchte ich nur betonen, dass sehr wahrscheinlich das Kerngerüst eine schon während des Lebens bestehende Einrich- tung ist und dass dasselbe sich vermuthlich wirklich aus Fäden aufbaut und nicht den optischen Ausdruck von Alveolen- oder Wabenwänden darstellt, wie ©. Bütschli (20) gerne möchte. Es kann vielleicht, um dies gleich hier zu bemerken, daneben und gänzlich unabhängig davon noch ein Wabenbau, aus anderen Elementen gebildet, vorhanden sein, gerade wie die Gra- nula Altmann’s weiter verbreitet sem mögen, als man bisher anzunehmen geneigt ist. Das Netzwerk ist hier ziemlich weit- maschig und könnte daher kaum noch den Waben Bütschli’s entsprechen, für die, wenn ich Bütschli recht verstehe, doch eine sehr geringe und recht konstante Grösse angenommen wird. Andererseits finde ich bei Sublimatbehandlung so schön ausge- prägte Granula, dass mir manche von den Angaben Altmann’s plausibel wird, ohne dass ich übrigens im Entferntesten geneigt bin, hierin die wahren Elementarorganismen und die eigentlich lebende Substanz zu erblicken. Denn so wahrscheinlich mir die Präexistenz der Fäden erscheint, so gilt mir dies für die Granula noch nicht, die recht wohl als Gerinnungserscheinungen des vorher „flüssigen“, eiweisshaltigen Plasmas aufgefasst werden könnten. Denn die Behandlungsweise, welche Altmann (21) für die Ge- webe einschlägt, indem er sie bei grosser Kälte (20° C. unter 0°) abtödtet, ist doch wohl kein Beweis dafür, dass das Eiweiss hierbei nicht gerinne, oder dass nicht, ehe Froststarre eingetreten, bereits chemische Processe innerhalb desselben, nachdem es soeben gestorben, vor sich gegangen seien. Ich kann dieses Thema nicht verlassen, ohne noch einer Ansicht zu gedenken, welche neuerdings von Camillo Schnei- der (22) aufgestellt worden ist. Dieser fand in Kemen bei Seeigeleiern ete. vielfach gewundene Fäden, deren Enden mit ähnlichen Fäden der Zelle in unmittelbarer Verbindung stehen sollten. So lange man nun an einem gleichen oder doch ähn- lichen Objekte keine Kontrolle vornehmen kann, scheint mir eine Kritik dieser Angaben wenig angebracht. Sollten sie indessen als zu Recht bestehend erkannt werden, so möchte ich doch nicht glauben, dass wir sie zur Grundlage einer Zell- und Kerntheorie machen können. So schön auch alle neuen Ent- Die nucleoläre Kernhalbirung. le) dleckungen auf dem Gebiete der Zelllehre sein mögen, so müssen wir uns doch ängstlich vor jedem Schematisiren und voreiligen Verallgemeinern hüten. Vor Allem erscheint mir die Ansicht wenig einleuchtend, dass der Kern durchgängig nichts als ein räumlich und allenfalls ehemisch abgegrenzter Theil der Zelle sei. Vielmehr ist nichts wahrscheinlicher, als dass er in sehr vielen Fällen ein in sich abgeschlossenes, frei im Zellplasma (Zellnetze) schwebendes Körperchen darstelle. Schon die jüngsten Kerne besitzen in den Epithelzellen der Mitteldarmdrüse ein hinreichend deutliches Gerüst. Tritt nun die Theilung ein, so verändert sich dieses dem Prinzip nach durehaus nicht, und. darin liegt der zweite wichtige Unterschied gegen die Mitose begründet. Na- türlich muss wohl erst während der Streckung, dann während der Einschnürung des Kernes eine Verschiebung oder Umlage- rung der Fäden vor sich gehen. Sie sind jedoch so unbedeu- tender Art, dass die beiden Tochterkerne dem ursprünglichen Kerne, soweit die Vergleichung lehrt, völlig gleichen (Fig. 4, 5a). Die beigegebenen Zeichnungen, welche ich mich bemüht habe Strich für Strich dem Präparate nachzubilden, werden hinrei- chend demonstriren können, dass hier ein Uebersehen von karyo- kinetischen Figuren durchaus ausgeschlossen ist. Es bleibt eben das chromatische Netzwerk seinem Wesen nach gänzlich unver- ändert, und auch später, in den Kernen reiferer Zellen, giebt es dasselbe Bild (Fig. 5b, 9, 10 und 11). Die Kerne junger oder sich theilender Zellen enthalten eigentlich nur wenig chromatophile Substanz. Sie ist am massen- haftesten noch im Nucleolus enthalten, während das Gerüst, wie schon gesagt, weitmaschig und zart ist. Der Kern besteht viel- mehr seiner Hauptmasse nach aus sog. Kernsaft, der sich nur schwach tingirt (Fig. 5b, 9 bis 11), etwas mehr und diffuse nur bei sehr jungen Kernen nach Behandlung mit Merkel’scher Flüssigkeit (Fig. 4 und 5a), jedoch nicht nach Sublimat. Mit zunehmendem Wachsthum der Zelle nimmt zunächst nicht nur der Kern ganz erheblich an Umfang zu, sondern auch seine ehromatophile Substanz, obgleich nun keine Thei- lungen mehr eintreten (Fig. 9 bis 11). Diese Thatsache ist von hervorragender Bedeutung, denn sie giebt uns einen neuen Fingerzeig, dass der Kern nicht nur ein Fortpflanzungsorgan der 14 Johannes Frenzel: Zelle sei und dass die chromatische Substanz offenbar auch an- deren Zwecken zu dienen habe, als denen der Zellvermehrung. In unseren Kernen nimmt sogar auch der Nucleolus noch erheb- lich an Masse zu, und nicht selten entsteht noch ein zweiter (Fig. 9 und 11), wenn auch kleinerer, oder gar dritter. Wie wir mithin schon sahen, dass -der Kern hier bei der Sekretbildung verbraucht wird, so liegt doch gewiss der Gedanke nahe, dass es von Anfang an, resp. nach geschehener Theilung den leb- haftesten: Antheil,an. der, Thätickeit, des Zee nimmt, dass er Material aufspeichert oder verarbeitet, um es der Zelle zu überliefern oder dass er doch nach irgend einer Rich- tung hin aktiv in deren Funktion eingreift. Bei unseren Fer- mentzellen wächst er zuvörderst im geraden Verhältniss zur Zelle, um erst, wenn die Ausbildung des Sekretes beginnt, innezuhalten und zu degeneriren (vgl. l.c. 1, Fig.25 und 26). Hätte er also nichts weiter zu thun, als für die Fortpflanzung der Zelle zu sorgen, so würde er doch zweekmässiger schon nach geschehener Theilung verschwinden resp. auf seinem einmal erlangten Zustande verharren. Man könnte wohl sagen, dass die Natur ökonomisch sein will und den Kern bei der Sekretion nicht verloren geben möchte, weshalb sie ihm vorher alles Brauchbare entziehe. Es wäre dann aber nicht einzusehen, warum sie ihn anfänglich so erheblich anwachsen und besonders chromatophile Substanz auf- speichern lässt. Die Umgrenzung unseres Kernes ist eine sehr distinkte, ohne dass sich indessen das Vorhandensein einer echten Mem- bran ad oculos demonstriren liesse, wie ich sie beispielsweise bei Gregarinen !) antraf. Es heftet sich aber das Netzwerk mit recht deutlichen Knotenpunkten an der Kernperipherie an, und auch sonst scheint chromatische Substanz in Körnchenform an ihrer Innenseite abgeschieden zu sein, wie dies namentlich an reiferen Kernen klar wird (Fig. 5b, 9 bis 11). Bei der mitotischen Theilung verschwindet bekamntlich ge- meinhin die erst deutlichere Kernbegrenzung. Anders ist es hin- gegen hier; denn sie bleibt gerade so unverändert wie das Netz- 1) Die darauf bezügliche Mittheilung „Ueber einige Argentinische Gregarinen“ wird mittlerweile erscheinen. Die nucleoläre Kernhalbirung. 15 werk. Auch an dem Einschnürungsringe des Kernes lässt sich irgend eime Modifizirung nicht plausibel machen. Wir haben noch kurz der Verbindungsbrücke zu gedenken, welehe zuweilen zwischen den beiden Kemhälften angetroffen wurde (Fig. 5a). Sie tingirte sich ein wenig dunkler als der „Kernsaft“ ‘und liess eine Netzstruktur nicht erkennen; da- gegen schien es mir so, als wenn sie aus sehr feinen parallel mit der Längsachse des Doppelkernes verlaufenden Fädchen oder Strichelehen zusammengesetzt war. Es ist schon oben berührt worden, dass die amitotische Kerntheilung kaum noch auf Gegner trifft. Anders indessen liegt die Frage hinsichtlich der mit ihr verbundenen Zelltheilung. Gewiss giebt es nun Beispiele genug, wo eine Kernvermehrung innerhalb des Raumes einer Zelle erstrebt wird. Es müssen dann, das ist klar, entweder Zellen mit mehreren Kernen nach- weisbar sein, oder diese müssten wieder bis auf einen ver- schwunden sein. Um dieser Frage näher zu kommen, suchte ich nun nach grösseren zweikernigen Zellen in der Mittel- darmdrüse des Careinus maenas, jedoch vergeblich. Kleinere, also embryonale, traf ich wohl an, was man begreiflich finden wird, da ja die Zelltheilung nicht unbedingt der Kerntheilung un- mittelbar zu folgen braucht. Grössere d.h. reifer werdende Zellen hatten dagegen stets nur einen einzigen Kern, eine Thatsache, die auch mit meinen früheren Angaben, welche sich auf zahlreiche und verschiedene Decapoden beziehen, recht wohl in Einklang steht. | Im Anschluss an die Ermittlungen Platner's (7) wäre nun die Frage zu behandeln, ob hier vielleicht eine „Kernsprossung‘ (l.e. 14, pag. 181 u. 1. ce. 7, pag. 184) vorliege und der abge- sprosste Kermntheil zwecks der Sekretion verbraucht werde, so dass also keine Zelltheilung nachfolgt. Gestehen muss ich freilich, dass mir die Mittheilungen Platner’s noch nicht ganz ver- trauenswürdig erscheinen, eine so schöne Perspektive sie auch eröffnen; denn man vermisst doch im seiner Publikation den scharfen Beweis für eine vorläufig als recht befremdend zu be- zeichnende Erscheinung. Indem wir aber hoffen wollen, dass uns jener Autor bald Ausführlicheres kundgeben möge, sei nur für unseren Fall bemerkt, dass nichts vorliegt, was für eine Be- stätigung der Angaben Platner’s sprechen würde. Die ganze 16 Johannes Frenzel: Kerntheilung verläuft schon anders als bei Platner. Wir haben eine möglichst genaue Kernhalbirung, die ihr Analogon in der Mitose findet, während bei Platner in der That dem Kern Partikel zu entsprossen scheinen, die sich anders als der Kernrest verhalten. Ferner glaube ich, dass ich von einer Kern- auflösung etwas hätte sehen müssen. Es musste doch Stadien geben, wo noch Ueberreste eines gelösten oder sich eben lösenden Kernsprosses vorhanden waren. Diese aber fehlten. Endlich konnte doch die Zerstörung des letzteren nur einen Sinn haben, wenn bereits die Sekretbildung begann. Die Fermentzelle erreicht jedoch immer erst eime gewisse Grösse, erreicht sogar schon die freie Fläche des Epithels, ehe das Sekretbläschen als kleines Kügel- chen" sichtbar "wird (Fig. Ale, Fie! 25, 26, Dee Kern hat sodann in diesen Stadien, wie wir schon sahen, eine beträchtliche Grösse erlangt und lässt sich so noch leichter kon- troliren. Er ist nun, und das möchte wohl entscheiden, stets in der Einzahl vorhanden, während der zweite Kern mithin schon vorher abgetreten ist. Dies kann endlich nicht anders stattgefunden haben, als dass sich die Zelle nach ge- schehener Kerntheilung ebenfalls getheilt hat, und zwar ehe sie beträchtlich gewachsen ist und die Se- kretbildung begonnen hat. Man wird mir nun einwenden, dass der sicherste Beweis für die Zelltheilung die Wiedergabe von darauf bezüglichen Bildern wäre. Leider hatte ich es jedoch zur Zeit meiner Unter- suchung versäumt, auf dieses Moment besonders zu achten, da es mir damals selbstverständlich erschien. Auch war für diesen Zweck die Präparationsmethode wenig geeignet. Denn bei dem bedeutenden Umfange der Zellen zerbrach der grösste Theil der- selben, und es ist klar, dass Zellen, welche schon das Bestreben haben, sich zu theilen, noch leichter auseinander gerissen werden mussten. Sehliesslich ist wohl nieht einzusehen, warum ein in- direkter Beweis, wenn er nur en Beweis ist, nicht ebenso befriedigen sollte, wie ein direkter. Es treffen sich in der Mitteldarmdrüse der Decapoden, namentlich nach dem blinden Schlauchende hin, viele embryonale Zellen, denen man kaum ansehen könnte, ob sie einst zu den eigentlichen „Fermentzellen*“, oder zu den „fetthaltigen“ werden. Bis jetzt hatten wir nur die ersteren berücksichtigt. Es giebt Die nucleoläre Kernhalbirung. 17 jedoch auch sich theilende unzweifelhafte Zellen der letzteren Art. Ich vermag zwar jetzt ebensowenig wie früher anzugeben, wie sich diese „fetthaltigen‘ Zellen bei der Sekretion verhalten. Wenn es nun auch nicht feststeht, dass sie gerade wie die „Fermentzellen“ nach Fertigstellung des Sekretes, das zunächst aus Fetttropfen sich zusammensetzt, durch gänzliche Ausstossung vernichtet werden, so werden doch ab und zu wenigstens der- artige Zellen absterben und durch neue ersetzt werden müssen. Nur ist der dabei stattfindende Vorgang ein völlig anderer. Von den „Fermentzellen‘“ wissen wir ja, dass ihre Mutterzellen kleine isodiametrische Gebilde sind, von etwas grobkörnigem Aus- sehen (l. e. 1, Fig. 28). Ihre Entwicklung zu den ‚Ferment- zellen“, deren Sekretbläschen so charakteristisch ist, lässt sich stufenweise verfolgen. Nicht so hingegen bei den Fettzellen. Ich kann mich nicht entsinnen, jüngere Zellen mit geringem Fettimhalte angetroffen zu haben, und namentlich wüsste ich keinen Fall, wo sich jene isodiametrischen Gebilde zu den Fettzellen entwickelt haben sollten. In meinen Zupfpräparaten bemerkte ich gar nicht selten fetthaltige Zellen mit zwei Kernen (Fig. 2). Sie unterschieden sich wesentlich von etwa ebenso grossen Fermentzellen. Ihr In- halt war ein grobmaschig schaumiger, und es ist klar, dass die grösseren Hohlräume den durch Lösungsmittel (Nelkenöl!) extra- hirten Fettkugeln entsprachen. Zwar zeigen meine Abbildungen Fig. 9 bis 11, dass auch jüngere Fermentzellen derartige Va- euolenräume führen. Die Fettzellen, darin liegt der Unterschied, sind indessen ganz gleichmässig von ihnen durchsetzt, während die anderen Zellen sie nur im basalen Theile aufweisen (vergl. 1. e. 1, Fig. 27). Hier verschwinden sie ferner bei zu- nehmendem Wachsthum des Sekretbläschens (l. e. 1, Fig. 25, 26), während sie in den fetthaltigen Zellen erhalten bleiben. Oberhalb des Kernes besitzen die Jüngeren Fermentzellen endlich ein ziemlich grobes, engeres, sich stark tingirendes Netzwerk (Fig. 9—11), das sich sehr schön bei saurer Sublimatbehandlung demonstrirt, während die anderen Zellen auch oberhalb des Kernes von Fett- kugeln erfüllt sind (l. e. 1, Fig. 1—4, 17, 25, 31). Der Kern sich zur Theilung anschiekender Fettzellen sieht etwas anders als derjenige der Fermentzellen aus. Der Nucleolus stimmt allerdings in beiden Fällen überein, denn auch hier ist Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 39 2 18 Johannes Frenzel: er annähernd kugelig oder elliptisch und excentrisch gelagert. Das Kerngerüst macht jedoch einen anderen Eindruck. Ziemlich weitmaschig wie in den Fermentzellen besteht es aus Strängen, welche vom Nucleolus als Zentrum auszugehen scheinen und fast wie grösste Kreise mehr nach der Peripherie hin und an dieser entlang verlaufen (Fig. 1 u. 2). Es mochten etwa 6—12 solcher Stränge vom Nucleolus ausstrahlen. Unter sich bilden sie zwar auch netzartige Verbindungen, doch immer erst ein Stück vom Nucleolus entfernt, so dass die strahlige Anordnung wenig be- einträchtigt wird. Die ehromatische Substanz ist mithin in ziem- lich regelmässiger Weise angeordnet und mehr centrifugal im Kern gelagert, so dass dessen mathematisches Centrum — als morphologisches resp. physiologisches Centrum können wir vor der Hand wohl den Nucleolus bezeichnen — relativ frei davon ist. Diese so charakteristische Eigenthümlichkeit des Kernge- rüstes ist besonders deutlich während der Theilungsperiode des Kernes, welche mithin auch hier eine amitotische, nicht karyokinetische ist. Die Theilung verläuft ganz ähnlich wie in den Fermentzellen, indem vor Allem der Kern hier ebenso genau halbirt wird, nachdem vorher em neuer Nucleolus ent- standen ist (Fig. 1 u. 2); denn Theilungen desselben waren in diesem Falle gleichfalls nicht zu bemerken und der neue Nu- cleolus liegt stets weit von dem ersten entfernt, ungefähr symme- trisch zu ihm (congruent). Auch die Einschnürung geht gerade wie bei den Ferment- zellkernen von Statten. Nur die hier zuweilen vorhandene Brücke vermochte ich in den Fettzellen nicht aufzufinden. Das Kernge- rüst zeigt sich nach Behandlung mit saurem Sublimat gleichfalls aus Granulis zusammengesetzt, die ebenso innerhalb der Zell- begrenzung angehäuft sind, welch’ letztere ganz übereinstimmend während der Kerntheilung nicht irgendwie alterirt wird. Es liegt hier also ein weiterer Fall einer amitotischen Kerntheilung vor; nur bleibt sie nicht ganz ohne Einfluss auf die Kernbeschaffenheit. Nachdem nämlich die Zelltheilung er- folgt ist, restirt eine Zelle, welche etwa dasselbe Volumen wie die ursprüngliche annimmt, sich also verdoppelt. Gleichzeitig verdoppelt sich ungefähr das Volumen des Kernes, der nun aber nicht wie in den Fermentzellen degenerirt, sondern wohl er- halten bleibt (Fig. 3). Geschah doch die Sekretbildung schon Die nucleoläre Kernhalbirung. 19 vor der Theilung der Zelle, und es lässt sich ein unmittelbarer Einfluss des Kernes auf die Sekretbildung nieht eonstatiren. Das Einzige nun, was am Kerne wahrzunehmen ist, besteht in einer Umlagerung des Kerngerüstes, das jetzt das gewöhnliche Aussehen annimmt (Fig. 3), d. h. es wird etwas engmaschiger und so mit einander verwebt, wie man es gemeinhin auch in den Fermentzellen antrifft. Ursprünglich hatte man der indirekten Kerntheilung eine direkte gegenüber stellen wollen. Schon Arnold hat indessen auf die mancherlei Verschiedenheiten dieser letzteren hingewiesen. Würde man nun als typische direkte Kerntheilung diejenige ansprechen, wo nichts als eine Abschnürung oder eine Fragmen- tation sichtbar wird, so müssten alle übrigen Fälle als nicht- direkte zu bezeichnen sein, um dann wieder als mitotische und nicht-mitotische auseinandergehalten zu werden. Ob es nun zweckmässig ist, den Unterschied zwischen direkt und indirekt (richtiger: nicht-direkt) fallen zu lassen, bleibe dahin- gestellt. Jedenfalls aber wird die Unterscheidung von mitotischer und amitotischer (nieht-mitotischer) zu Recht bestehen bleiben, wo die letztere alle diejenigen Gruppen zu umfassen hätte, wo vor Allem keine Schleifenbildung und Schleifenspaltung geschieht. Als Fragmentation (Sprossung) könnte man ja mit Arnold die Kerntheilungen einfachster und unregelmässigster Art auffassen, wo weder eine genauere Halbirung eintritt, noch eine gesetz- mässige Bildung im Kerninnern vorhanden ist. Alles übrige wäre besser als Segmentation (Arnold [10, 19]) hinzustellen. Für unsere Fälle ist das Vorhandensein je eines Nucleolus in jeder Kernhälfte typisch, ganz abgesehen ob er sich erst theilt, was anderwärts wohl vorkommen kann, oder ob sich Neubildung er- eignet. Wir haben mithin eine amitotische Kernhalbirung mit Halbirung der nucleolären Substanz, kurz: eine nucleoläre Kerntheilung vor uns. Gerade wie bei der mitotischen Kerntheilung sich die chromatische Substanz, zum Theil wohl grade auf Kosten der Nucleolen vermehrt, so ver- mehrt sich hier die Substanz des Nucleolus, und grade wie dort an den chromatischen Schleifen eine genaue Halbirung ge- schieht, wodurch die grösstmögliche Gleichheit der Potenz beider Tochterkerne erzielt werden soll, so tritt hier eine genaue Gleich- stellung der beiden Nucleolen ein. Während sich im Allgemeinen 20 Johannes Frenzel: aber bei der Mitose die chromatische Substanz nicht verdoppelt, was jedenfalls wohl sehr schwierig zu erweisen wäre, so können wir noch einen Schritt weiter gehen und aussagen, dass bei uns vor Beginn der Theilung eine genaue Verdoppelung der Nucleolen-Substanz bewahrheitet wird. Soweit wir uns auf un- seren Gesichtssinn verlassen dürfen, können wir daher behaupten, dass bei der nucleolären Kermtheilung jeder Tochterkern ge- nau dem Mutterkern gleicht, an Gestalt, Volumen, Anordnung des Kerngerüstes und Lage und Aussehen des Nucleolus. Bisher war man bekanntlich der Ansicht, dass die Hauptbedeutung der Mitose darin beruhe, dass vor Allem die chromatischen Substanzen möglichst gleichmässig auf beide Tochterkerne vertheilt werden. Wir haben nunmehr gesehen, dass eine solehe Vertheilung auch auf einem anderen, anscheinend doch viel einfacheren Wege vor sich gehen kann, und man wird jetzt mit Recht bezweifeln dürfen, ob darin gerade die Hauptbedeutung der Mitose’ beruhe. Warum sollte sich denn auch ein so komplieirter Process abspielen, bloss zu dem Zweck, um die Kernpotenz, wenn ich so sagen darf, ge- nau zu halbiren. Diese Halbirung soll nicht geleugnet werden, dahingegen ihre Bedeutung als einziger Endzweck der Mitose, deren Wesen uns vielmehr vor der Hand noch recht unverständ- lich bleiben muss. Im Mitteldarmepithel der Decapoden (l. ec. 14) hatte ich Kerntheilungen gefunden, welche ich s. Z. als „direkte“ be- schrieb. Unter Umständen glaubte ich sogar den Ausdruck „Kernsprossung“ anwenden zu dürfen. Jedenfalls hoffe ich, dass es mir damals schon gelungen ist, eine mitotische Theilung aus- zuschliessen, da sich ja das wie gewöhnlich aussehende Kern- netz sehr schön erhalten zeigte (l.c. 14, Fig.15, 18 ete). Ein Punkt nur war recht auffällig, nämlich die gar nicht so seltenen ungleichmässigen Abschnürungen (,„Kernsprossungen‘“)!), für die mir eine plausible Erklärung noch fehlt. Vielleicht mag es, wie ich schon vermuthungsweise äusserte, im Mitteldarn der Krebse nicht mehr auf eine genaue Abwägung der Kernpotenz ankom- men (l. ec. 13, pag. 565). Oder vielleicht soll gerade der übrig- 1) Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass es l.c.14, pag. 184, Zeile 11 und 12 von unten nicht „Bauchspeicheldrüse“, sondern „Mittel- darmdrüse“ heissen muss. Die nucleoläre Kernhalbirung. 21 bleibende Kern der Mutterzelle recht gross bleiben, so dass, wenn er anfänglich nur klein ist, auch nur ein kleines Fragment für die neue Epithelzelle zur Verwendung kommt, denn bei einer ungleichförmigen Kernabschnürung fand sich der grössere Kern- abschnitt gewöhnlich in dem unteren, der Mutterzelle zugehörigen Theil. Möglicherweise endlich liegen im Mitteldarm der Krebse deswegen keine normalen Verhältnisse mehr vor, als derselbe kaum noch eine hervorragende Funktion haben dürfte (l. ce. 14, pag. 175), da er wohl für die Verdauung entbehrlich wurde. Ganz anders verhält es sich im Mitteldarm der Insekten (l. e. 15), dessen Funktion ja im Gegentheil eine sehr bedeutende ist. Wo ich dort eine amitotische Kerntheilung antraf, waren die Theilstücke immer gleich gross (l. e. 15, Tafel 8, Fig. 17 bei a, Tafel 9, Fig. 24 bei a und b), ja, wo, wie bei der Cim- bexlarve, ein Nucleolus existirte, verdoppelte er sich genau so, wie es oben beschrieben worden ist (l. e. 15, Taf. 8, Fig. 17, Taf. 9, Fig. 28). Es besteht also auch dort eme nucleoläre Kern- halbirung. Wie wir sahen, beschränkt sich diese Art der Kerntheilung nicht auf embryonale Zellen, welch’ letztere zunächst nur für unsere Fermentzellen und jene Insektenepithelien zu gelten hatte. Unsere Fettzellen nämlich theilen sich noch, oder vielleicht ge- rade mit Vorliebe, wenn sie schon reichlich Sekret beherbergen, möglicherweise, wenn sie schon secerniren. Junge, isodiame- trische Fettzellen vermag man in eimem Schnittpräparate nicht zu entdecken (l.c. 1, Fig. 31), ebensowenig in einem Zupfprä- parat aus den mittleren Theilen eines Drüsenschlauches. Auch übereinandergelegene Zellen sind im ersteren Falle nicht nach- weisbar. Es dürfte daher der Schluss gerechtfertigt sein, dass sich die Fettzellen durch Längsspaltung theilen, wahrschein- lich wohl, ehe sie völlig ausgebildet sind, da sich dann ja die Kernstruktur verändert (Fig. 3). Hierfür sprieht weiterhin der Umstand, dass sich die Fettzellen im Epithel stets zu Gruppen aneinandergelagert finden, wie es bei Längsspaltung geschehen müsste, während die Fermentzellen stets von einander isolirt sind ee 1,-815;25,.,31): Wir haben uns nun denjenigen embryonalen Zellen vom blinden Schlauchende zuzuwenden, von denen wir weiter oben erfuhren, dass es zweifelhaft sei, welcher Zellart sie zugehören. ID ID Johannes Frenzel: Auch bei ihnen sind Kerntheilungen sehr häufig. Wegen des Aussehens, welches der Kern in Fig. 1 hat, möchte ich geneigt sein, diese Zelle für eine unentwickelte Fettzelle zu halten; denn das Fadenwerk ist auch hier strahlenartig angeordnet. Es frägt sich nun, welche Bedeutung diese kleinen Zellen haben, die kaum im Stande sein dürften, sekretorisch thätig zu sein. Be- reits früher (l. ec. 1, pag. 80, 93) hatte ich hier en Keim- epithel vermuthet; und trotzdem oben gezeigt worden ist, dass Zelltheilungen in allen Regionen des Schlauches stattfinden, so möchte ich doch nieht jene Deutung fallen lassen. Denn es ist nicht einzusehen, warum das Eine das Andere ausschliessen sollte. Vielleicht könnte man sich die Sache so erklären, dass sich die Theilungsfähigkeit der normalen Epithelzellen mit der Zeit er- schöpft und dass sie ab und zu durch frische ersetzt werden müssen, welche vom blinden Schlauchende allmählich vorrücken. Da dort eine Sekretion sehr wahrscheinlich nicht geschieht, em Untergang von Zellen daher nieht bedingt ist, so wären gar keine Kerntheilungen erforderlich. Nun sind diese aber vor- handen und noch dazu im recht erheblicher Zahl. Was bleibt nun noch anderes übrig, als die obige Erklärungsweise? Be- merkenswerth hierbei ist nur, dass auch im Keimepithel der Drüsenschläuche Mitosen durchaus vermisst werden und dass die Kerntheilung dieselbe wie an den anderen Stellen des Epithels ist, nämlich unsere nucleoläre Kernhalbirung. Unentschieden bleibe vor der Hand noch, ob jenes Keim- epithel für beide Epithelelemente arbeite oder etwa nur -den Er- satz für die Fettzellen liefere, welch’ letzteres nicht so ganz un- wahrscheinlich sein dürfte. Unsere Fermentzellen sahen wir ja schon aus embryonalen oder Mutterzellen hervorgehen, welche hier gewissermaassen ein Keimepithel vorstellen. Dies fehlt aber im Haupttheile des Drüsenschlauches für die Fettzellen, welche sich in reiferem Zustande spalten. Sie regeneriren sich also eigentlich nieht, und, da eme Regeneration aus jugendlichen Zellen vielleicht nothwendig ist, so tritt das Keimepithel der Schlauehspitze dafür ein. Mitteldarmdrüse von Idotea trieuspidata. Wie ich früher angegeben hatte, besitzt die Mitteldarm- drüse der Isopoden nur eine einzige Art von Epithelzellen, welche in Die nucleoläre Kernhalbirung. 23 reiferem Zustande zahlreiche fettartige Kugeln einschliessen (l. e. 1, pag. 86 ff., Fig. 32—58). Jugendliche Zellen, deren es eine Menge giebt, sind ganz oder theilweise frei davon. Ueber die Fortpflanzung dieser Zellen wusste ich s. Z. nichts Bestimmtes mitzutheilen, vermuthete nur, dass auch hier im blinden Drüsen- ende ein Keimepithel vorhanden sei (l.ce. 1, pag. 95). Weder Mitosen noch Zellen mit zwei Kernen hatte ich zu sehen be- kommen, während M. Weber (23) das letztere wiederholt ge- lungen war. „Die Form des Kernes‘“, so äusserte ich mich, „ist eine kugelige in den jungen Zellen, eine ebensolehe oder mehr elliptische in den reifen Zellen“ ete. Beim Konserviren fand ich den Kern „grobkörnig und allenfalls noch von feinen Fädchen durchsetzt“ (l. e. 1, Fig. 54). Aus dem früher Ermittelten lässt sich weiterhin der Schluss ziehen, dass die Zellen ursprünglich klein sind, dass sie dann sehr erheblich wachsen und das fettartige Sekret ausbilden, um dann wahrschemlich bei der Ausstossung desselben selbst zu Grunde zu gehen; denn es sind soviel ganz jugendliche Zellen vorhanden, dass auf je eine von ihnen je eine reife kommt. Die Erforschung der Regeneration dieser Zellen musste da- her besonders wünschenswerth erscheinen. Als Material hierzu diente mir die in Kiel häufige Idotea trieuspidata, deren Drüsen- schläuehe sofort nach dem Fang in salpetersaurer alcoholischer Sublimatlösung abgetödtet wurden. Warum es mir früher bei Untersuchung des überlebenden Gewebes und der Schnittpräparate nicht gelungen ist, Kermthei- lungen zu sehen, ist mir nicht ganz verständlich; denn bei Er- neuerung der Untersuchung fand ich sie recht häufig in den Zupfpräparaten. Der jugendliche Kern im unseren Drüsenzellen ist auch hier kugelig. Er enthält ferner einen recht grossen, sehr tingiblen, annähernd kugeligen Nucleolus von gleichfalls excentrischer Lage (Fig. 6). Das Kerngerüst ist so, wie man es gewöhnlich in Kernen antrifft, nicht zu enge, nicht zu weit, weniger weit jeden- falls als bei Careinus maenas und erheblich weniger enge als ın grösseren Zellen der Idotea (Fig. 7). Gerade wie bei jenen De- kapoden, so ist es auch hier mehr centrifugal gelagert, was man bei Einstellung des optischen Schnittes des Kemes gut zu erkennen vermag (Fig. 6b etc.), wobei das Centrum leer erscheint. 24 Johannes Frenzel: Die einzelnen Fäden sind kurz, ziemlich kräftig, fast stabförmig, mit deutlichen scharfumgrenzten sog. Knotenpunkten, welche dem Kerm das grobkörmige Aussehen geben können (l. e. 1, Fig. 52 bei a). Granula längs der Fäden sind nicht zu konstatiren trotz der Sublimatbehandlung. Die Umgrenzung des Kernes ist eine scharfe. Die Kerntheilung erweist sich auch hiervals eine nueleoläre Kernhalbirung. Während der Thei- lung besitzt nämlich jede Kernhälfte je einen grossen Nucleolus, wie es schon oben beschrieben worden ist (Fig. 6a), und die Zer- schnürung erfolgt auch hier genau in der Mitte des Kermes, so dass zwei genau gleiche Kugeln hervorgehen. Das Gerüst end- lich lässt irgend welche Veränderungen nicht wahrnehmen. Eine Mitose muss also durchaus verneint werden. Erst später, wenn keine Theilungen mehr stattfinden sollen, machen sich hier ähn- liche Veränderungen am Kerne bemerkbar, wie sie uns schon bei Careinus aufgefallen waren. Mit der Zelle, m der sich mehr Sekretkugeln entwieken, wächst der Kern heran, wobei sich sein Gerüst beträchtlich verdiehtet (Fig. 6c). Es ist jetzt eng- maschiger als vorher. Wie die Zelle, so erlangt schliesslich auch der Kern eine ganz enorme Grösse (Fig. 7 und 8), ist aber, nebenbei gesagt, stets nur noch in der Einzahl vorhanden, was am besten beweist, dass die Zelle sich nach geschehener Kernthei- lung ebenfalls in zwei getheilt hat. Mit dem Kern nimmt nicht nur seine ehromatische Substanz, sondern auch die des Nueleolus bedeutend zu (Fig. Sb); oft entsteht noch ein zweiter (Fig. 8a, l. e. 1, Fig. 32a), oder gar ein dritter (Fig. 8 c), ohne dass je- mals eine morphologische Theilung des ursprünglichen Nucleolus nachweisbar wäre. Mehr als wahrscheinlich muss es nun auch hier werden, dass nicht nur der Kerm als solcher, sondern auch im besonderen sein Nucleolus in unmittelbarer Beziehung zur Funktion der Zelle steht. Bei den Isopoden verhält er sich je- doch wie derjenige der fetthaltigen Zellen der Decapoden, denn - er wird nicht in irgendwie sichtbarer Weise bei der Sekretbil- dung verbraucht, sondern bleibt vielmehr bis zu den letzten Augen- blicken der Zelle ganz intakt und von enormer Grösse (Fig. T, l. e. 1, Fig. 32). Beim Zugrundegehen der Zelle geht auch der Kern zu Grunde und es müsste dies in der That als eine grosse Verschwendung in dem Haushalte unserer Drüse betrachtet werden, Die nucleoläre Kernhalbirung. 25 wenn wir nur bestimmt wüssten, dass dieser Kern gar keine Rolle bei der Verdauung spielt. Man wird mir nun noch einwenden können, und meine früheren Angaben gewährten hierzu auch Berechtigung, dass ein Untergang der Zellen mitsammt ihren Kernen nicht unbedingt erforderlich sei. Es könnte sich die Zelle nach völliger Aus- stossung des Sekretes wieder rückbilden und von Neuem rege- neriren. Daso viel kleine Kerne da sind, müsste man aber auch an- nehmen, dass die so enorm gross gewordenen Kerne sich ebenfalls wieder zurückbilden, eine Annahme, die doch wohl recht gewagt wäre. Dann wären ferner keine Kerntheilungen erforderlich. Diese sind nun aber in so erheblicher Anzahl vorhanden, dass man gar nicht wüsste, wohin man damit sollte. Es muss daher alles dies nur meine oben entwickelte Ansicht unterstützen, näm- lieh, um es nochmals zu sagen, dass unsere Drüsenzellen bei der Sekretion in toto ausgestossen werden, um durch neue ersetzt zu werden, welche aus der Theilung kleinerer Zellen hervor- gehen, deren Anfang mit eimer nucleolären Kernhalbirung ge- macht wird. Es braucht deshalb noch nicht ein besonderes Keim- epithel vorhanden zu sein, wie bei den Fermentzellen der De- capoden, sondern es könnten ähnliche Verhältnisse wie bei den fetthaltigen Zellen jener obwalten, die ja auch mit den Drüsen- zellen der Isopoden grössere Aehnlichkeit haben. Mitteldarmdrüse eines Amphipoden. Die Species, um welche es sich hier handelt, habe ich leider verabsäumt, näher zu bestimmen. Vermuthlich war es aber eine der. gemeinsten Gammarus-Arten von Kiel. Sie soll hier nicht eingehender behandelt werden, da sie nichts Neues bietet. Des Vergleichs halber behandelte ich die Mitteldarmdrüse dieses Thieres mit mittelstarkeım Alcohol (ca. 60°/,) und erzielte eine Fixirung, die man mit vollem Recht als eine schlechte be- zeichnen muss. Sie giebt uns indess einen Fingerzeig, wie verschiedene Resultate bei Anwendung verschiedener Abtödtungs- mittel man erzielt und wie vorsiehtig man daraufhin in der Deu- tung der gewonnenen Präparate sein muss. Fig. 12 giebt das Bild eines Epithelstückes aus der Mitte eines Drüsenschlauches. Nur die Nucleolen sind eigentlich präg- 26 Johannes Frenzel: nant und natürlich erhalten. Auch der Kerm ist noch gut abge- grenzt, seine feinere Struktur hingegen verloren gegangen. In einer Stelle sieht man nun einen „bisquitförmigen‘“ Kern mit zwei von einander getrennten Nucleolen. Offenbar handelt es sich hier ebenfalls um eine Theilung, und zwar wieder um eine ami- totische. Doch fällt hier auf, dass der Kern sieh nicht halbirt, sondern ungleich abschnürt, womit auch in Zusammenhang steht, dass der kleinere Theil emen kleineren Nucleolus besitzt. Hier wird man, wenn dies wirklich ein normaler Vorgang ist, folge- richtig bloss von einer nucleolären Kerntheilung ganz im Allge- meinen reden dürfen. Mitosen vermisste ich auch hier überall und besonders auch im blinden Sehlauchende, wie ein Blick auf Fig. 15 lehrt. Dort scheint dagegen gleichfalls ‚wieder eine Art von Keimepithel zu existiren, wie man aus der grossen Zahl eng- gedrängter Kerne und Nucleolen schliessen möchte. Sehluss. Vor Kurzem hat H. E. Ziegler (12) die Frage, ob bei den Metazoen die direkte Kerntheilung von einer Zelltheilung "begleitet sein kann oder nicht, behandelt und sich für ihre Ver- neinung ausgesprochen. Nach seiner Meinung kommt es bei diesen Verhältnissen nur zur Bildung mehrkerniger Zellen, oder, wenn sie sich ja theilen, so seien sie dem baldigen Untergange geweiht. Schon an anderer Stelle (I. e. 13, pag. 565) habe ich zugegeben, dass in letzterem Satze eine nieht zu unterschätzende Wahrheit liege, soweit es sich wenigstens um die von mir unter- suchten Gewebe handelt. Ich wies darauf hin, dass die Epithel- zellen aus dem Mitteldarmgebiete der Arthropoden bei der Se- kretion stets untergehen — wobei allerdings für gewisse Zellen nicht ausgeschlossen werden darf, dass sie eine Zeit lang konti- nuirlich secerniren —, dass sie nicht mehr die Fähigkeit der Fortpflanzung haben und die letzten ihres Stammes seien. „Nur dürfen wir“, so fuhr ich fort, „anderseits nicht vergessen, dass die andere, bei der Theilung zurückbeibende Zellhälfte, die Mutterzelle, trotz der amitotischen Kerntheilung fort und fort die Fähigkeit Nachkommenschaft zu erzeugen besitzt und behält.“ Wenngleich nun jenerzSatz H. E. Ziegler's an anderen Orten nicht zu gelten scheint, so Die nucleoläre Kernhalbirung. 27 werden wir ihn doch für unsere sekretorischen Epithelien mit der von mir gegebenen Einschränkung beibehalten können. Wie jener Autor die Güte hatte, mir in einem Schreiben mitzutheilen, hätte er nunmehr mit Sicherheit im Mitteldarme des Flusskrebses Mitosen gefunden. Bereits früher hatte ich die Möglichkeit der- selben an jener Stelle nieht ausgeschlossen. „Damit soll aber‘, so erklärte ich mich damals (l. ec. 14, pag. 176), ... . „eine in- direkte mit Karyokinese verbundene Kermntheilnng vor der Hand noch nicht widerlegt werden“ ete., und später auf die Angabe Ziegler’s hin (l.e. 12, pag. 381), ‚dass die Kerne der Epithelzellen des Mitteldarms an gewissen in der Tiefe der Falten gelegenen Stellen das Aussehen jugendlicher Kerne haben, welche sich wahrscheinlich mitotisch theilen‘‘, blieb ich bei meiner Mei- nung auch stehen. H.E. Ziegler schreibt mir ferner hinsichtlich dieser Mitosen, dass sie besonders bei jungen Krebsen auftreten, bei älteren selten, oder nur periodisch. Es möchte hier also so- . wohl eine mitotische wie auch eine amitotische Kerntheilung be- stehen, eine gewiss interessante Thatsache, für die uns nur noch eine passende Erklärung fehlt. Man könnte vielleicht daran denken, dass der letztere Modus. bloss für einige Generationen ausreiche, um dann zur „Auffrischung“ von einer mitotischen Theilung abgelöst zu werden. Allein eine allgemeinere Erklärung könnte dies kaum sein, wenngleich sie allerdings auch für die Leucoeyten der Wirbelthiere nach Arnold und Flemming an- nehmbar wird. Die Befunde an der Mitteldarmdrüse der Cru- staceen, welche oben niederlegt worden sind, lassen jedoch eine Verallgemeinerung nicht mehr zu, als bis auch dort Mitosen ge- funden sein werden, und dazu dürfte wohl wenig Aussicht vor- handen sein. Uns ist dort jedenfalls trotz vielfachen Suchens keine Mitose begegnet. Vielleicht indessen ist die mehr wie eine „Kernsprossung‘ (Fragmentation) aussehende Kerntheilung im Mitteldarm der Krebse ein Vorgang, der nicht unserer nu- eleolären Kernhalbirung gleichgestellt werden darf. Da diese ja auch die Kernpotenz genau zu halbiren scheint, so hat sie in ge- wisser Hinsicht schon die physiologische Bedeutung der Mitose, derart, dass diese nun entbehrlich wird. Dort aber, so könnte man weiter vermuthen, wo nur eine Fragmentation „auf's Gerathe- wohl‘ stattfinde, muss hin und wieder einmal ein regulatori- sches Moment eintreten, um allzu extreme Ungleichheiten wieder 28 Johannes Frenzel: auszugleichen. Dies, so scheint mir, möchte vorläufig als ein Er- klärungsversuch gelten, bis ein besserer gefunden sein wird. Wenngleich im Bereiche der Wirbelthiere die Mitose vor- herrscht, so ist dort doch die amitotische Theilung nicht mehr unbekannt. Eine Kernhalbirung dagegen mit Erhaltung des Nu- cleolus und des Gerüstes in der oben beschriebenen Weise mag vielleicht bei den Wirbelthieren kaum vorkommen. Anders ist es nun bei den Wirbellosen, wo sie wohl eine weitere Verbreitung haben dürfte, als gegenwärtig abzusehen ist. Für die Arthropoden möchte sie geradezu charakteristisch werden, nach dem wenigstens, was ich bisher gesehen. Nur wird sie mannigfache Modifikationen zulassen, mehr als die so uniforme Mitose. Dort, wo z. B. ein Nucleolus fehlt, kann auch keiner erhalten bleiben. Ferner mag die Theilung nicht immer eine Halbirung sein, denn schon in der Mitteldarmdrüse der Amphipoden fanden wir eine Abweichung, eine ungleichmässige Theilung. Die Halbirung wird mithin bloss eine bestimmte Form der nucleolären Kermtheilung sem, als welehe nunmehr diejenige zu bezeichnen ist, bei welcher der Kern in zwei beliebig grosse Stücke zerfällt, von denen jedes einen Nucleolus enthält. Die amitotische Kerntheilung tritt insofern in einen scharfen Gegensatz zur mitotischen, als sie eine grosse Zahl von Varia- tionen zulässt. Sie ist vorläufig noch das Sammelgefäss für diese. Wie man aber die Mitose von den übrigen Kerntheilungen in präeiser Form abgeschieden hat, so wird man auch ein Recht haben, von den amitotischen wieder präeise Formen abzuscheiden. Eine solche ist die nucleoläre Kerntheilung im weiteren Sinne und die Kernhalbirung im engeren Sinne ohne Zweifel; sie sind, und dies ist wichtig, zwar immer noch keine Mitosen, jedoch durchaus keine ‚direkten‘ Theilungen mehr. Sie sind nur weniger indirekt als jene. Ob man sie endlich als direkte oder indirekte Kerntheilungen bezeichnen will, das bleibt wohl ganz Geschmacksache. SE 10. 11, 13. 14. 15. Die nucleoläre Kernhalbirung. 29 Literatur. Johannes Frenzel, Ueber die Mitteldarmdrüse der Crusta- ceen. — Mittheil. d. Zoolog. Station zu Neapel Bd.5, pag.50 ft. und Tafel 4. Paul Mayer, Die Caprelliden des Golfs von Neapel etc. Mo- nographie. Leipzig 1882. W. Waldeyer, Ueber Karyokinese (Vortrag). Archiv f. Anat. u. Physiol. — Physiol. Abth. 1887, pag.1 ff. W. Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. — Arch. für mikr. Anatomie Bd. 32 (1888), pag.1 ff. F. Bloehmann, Ueber direkte Kerntheilung in der Embryonal- hülle der Skorpione. — Morphol. Jahrb. X, 1885. M. Loewit, Ueber Amitose. — Zentralbl. f. allgem. Pathol. u. pathol. Anatomie 1890, pag. 282. Neubildung und Beschaffenheit der weissen Blutkörperchen. — Zieglers Beiträge zur pathol. Anatom. u. allg. Pathol. 1891, Bd. 10, pag. 213. G. Platner, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Thei- lungserscheinungen. — Archiv für mikr. Anatom. Bd. 33 (1889), pag. 125 ff. III. Die direkte Kerntheilung in den Malpigh. Ge- fässen der Insekten. C. Chun, Ueber die Bedeutung der direkten Kerntheilung. — Schriften der physik.-ökonom. Gesellschaft zu Königsberg i. Pr., 31. Jahrg., 1890. J. B. Carnoy, La Cytodierese chez les arthropodes. — La Cel- lule T.I, 1884. Julius Arnold, Ueber Theilungsvorgänge in den Wander- zellen, ihre progressive und regressive Metamorphosen. — Arch. für mikr. Anat. 1887, Bd. 50, pag. 205 ff. W. Flemming, Ueber Theilung und Kernformen bei Leucocyten und über deren Attraktionssphären. — Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 37, 1891, pag. 249 ft. H. E. Ziegler, Die biologische Bedeutung der amitotischen (di- rekten) Kerntheilung im Thierreich. — Biolog. Zentralblatt Bd. 11, 1891, pag. 372 ff. Joh. Frenzel, Zur Bedeutung der amitotischen (direkten) Kern- theilung. — Biolog. Centralblatt Bd. 11 (1891), pag. 559 ff. Joh. Frenzel, Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Be- merkungen zur Epithelregeneration. — Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 25, pag. 137 ff. Joh. Frenzel, Einiges über den Mitteldarm der Insekten, so- wie über Epithelregeneration. — Arch. für mikr. Anat. Bd. 26, pag. 229 ff. 30 16. 18. 20. 23. Fig. Fig. JohannesFrenzel: V.Faussek, Beiträge zur Histologie des Darmkanals der In- sekten. — Zeitschr. für wiss. Zoolog. 45. Bd., pag. 694 ff. P.Mingazzini, Ricerche sul canale digerente delle larve dei La- mellicorni fitofagi. — Mittheil. Zoolog. Station. Neapel. Bd. 9 (1889), pag.1 ff. A. van Gehuchten, Recherches histologiques sur l’appareil digestif de la larve de la Ptychoptera eontaminata Tiere partie. Etude du revetement e£pithelial ete. — La Cellule Recueil de cytologie ete. Tome VI, Tier Fase. 1890. Jul. Arnold, Weitere Mittheilungen über Kern- und Zellthei- lung in der Milz, zugleich ein Beitrag zur Kenntniss der von der typischen Mitose abweichenden Kerntheilungsvorgänge. — Archiv für mikr. Anat. Bd.31 (1888), pag. 541. O0. Bütschli, Ueber die Structur des Protoplasmas. — Verhandl. des Nat. Vereins Heidelberg 1889, und Biolog. Centralblatt 1888, pag. 161 etc. R. Altmann, Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, Veit & Comp. 1890. Camillo Schneider, Untersuchungen über die Zelle. — Ar- beiten aus dem zoolog. Institut zu Wien und Triest. Tom.9 (1891), pag. 179 ff. M. Weber, Ueber den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. — Arch. für mikr. Anat. Bd. 17, pag. 385 ff. Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1. 1. Mitteldarmdrüse von Careinus maenas. Conservirt mit Sal- petersäure-Sublimat-Alcohol. Eine junge Epithelzelle mit zwei gleich grossen enge zusammenliegenden Kernen kurz nach deren Theilung, von denen der eine höher, der andere tiefer liegt. Jeder Kern mit je einem excentrischen Nucleolus, von welchem Körnchenreihen fast wie grösste Kreise ausstrahlen. Ansicht von oben. 2. Dasselbe Organ; dieselbe Fixirung. Reifere Fettzelle mit zwei noch zusammenhängenden Kernen in gleicher Höhe. Jeder derselben ebenfalls mit einem excentrischen Nucleolus, von welchem die gleichen Fäden auslaufen, zwischen denen sich einige Verbindungsfäden ausspannen. In den grossen Maschen des Zellleibes lag das jetzt extrahirte Fett. .83. Dasselbe Organ und dieselbe Fixirung. Noch reifere Fett- zelle mit nur einem, aber grossen Kern. Von dem gleich- falls exeentrischen Nucleolus geht ein System von Fäden aus, das nun nicht mehr strahlig, sondern mehr netzförmig ist. Die Fettkugeln im Zellkörper waren grösser als in Fig. 2. Fig. Fig. 4. D. —| Die nucleoläre Kernhalbirung. 31 Dasselbe Organ, dem frisch gefangenen Thier entnommen und sofort in Merkel’scher Flüssigkeit abgetödtet. Färbung mit Alauncarmin. Zeichnung Strich für Strich nach dem Präparat. Ein Kern in Halbirung begriffen. Die eine Kernhälfte liegt etwas höher als die andere. Fig.4a. Zeichnung bei hoher Tubusstellung, Fig. 4b bei tieferer Stellung, die Einschnürung deutlich zeigend. Jede Kernhälfte besitzt einen deutlichen Nucleolus (excentrisch), innerhalb eines ziemlich weitmaschigen Netzwerkes liegend, welches etwas undeutlicher als bei saurer Sublimatbehandlung' ist. Die Knotenpunkte hingegen sind sehr scharf. Dasselbe Organ von Careinus maenas, Merkel'sche Flüssigkeit. Fig. 5a. Jede Kernhälfte wie in Fig.4 mit einem excen- trischen Nucleolus, von dem eine netzige Strahlung ausgeht (undeutlich. Die beiden Hälften sind auseinandergerückt, aber noch durch eine breitbandartige Brücke verbunden. Fig. 5b. Normaler Kern einer Fermentzelle. Nucleolus excentrisch, das Netzwerk mehr oberflächlich. Fäden zart, Knoten sehr deutlich. Mitteldarmgrüse von Idotea trieuspidata; fixirt mit salpeter- saurem Sublimat-Alcohol. Kleinere Zellen, mehr dem blinden Schlauchende zu entnommen. Fig. 6a. Eine Zelle mit Doppelkern; Nucleoli excentrisch, Netzwerk sehr deutlich, genau nach dem Präparat gezeichnet. Fig. 6b und d. Reifere Zelle mit nur einem Kern; opti- scher Schnitt in der Höhe des Nucleolus. Das Netzwerk ist mehr peripher gelagert. Fig. 6c. Ebensolche Zelle; der Kern ist in der Oberfläche zu sehen. Dasselbe Organ von Idotea trieuspidata; dieselbe Behandlung. Eine grössere Zelle vom offenen Schlauchende, wo Theilungen seltener sind. Die Kernstruktur ist dieselbe wie in Fig. 6. Dasselbe Organ; dieselbe Behandlung. Drei Kerne mit ver- schiedenen Nucleolen. a Kern nach der Theilung, mit zwei fast gleichen Nucleolen. — b Kern mit lang gezogenem Nu- cleolus, welch’ letzterer sich vielleicht zur Theilung anschickt (?). — c Kern mit einem grossen und zwei kleinen (neu entstan- denen?) Nucleolen (sehr seltene Erscheinung). Mitteldarmdrüse eines soeben gefangenen Carcinus maenas, sofort konservirt in schwach salpetersaurem Sublimat-Alcohol, eine Stunde lang; dann in Alcohol 60°/,, 80°%),. Färbung mit Flemming’s Hämatoxylin (stark) und Hamann'’s Car- min (schwach). Jüngere Fermentzelle, von oben gesehen, ge- zeichnet in der Höhe des grossen Nucleolus. Das Kernnetz besteht aus sehr distinkten Körnchen. Es sind zwei Nucleolen vorhanden. Fig. 10. Fie. 11. Fig. 12. Fig. 13. Johannes Frenzel: Die nucleoläre Kernhalbirung. Dasselbe, und dieselbe Behandlung. Nur ein länglicher Nu- eleolus. Dasselbe Organ und dieselbe Behandlung. Jüngere Ferment- zelle in seitlicher Ansicht. Der Fuss noch breit; die freie Oberfläche noch schmal, mit Härchensaum. Zellkörper mit oben dichterem, unten weiterem Maschenwerk, oben stärker tingirt. Ein grosser länglicher und ein kleiner Nucleolus. Kernnetz wie in Fig.9 und 10 (vgl. 1. ec. 1, Tafel 4, Fig. 27). Schlauch einer Mitteldarmdrüse eines Amphipoden. Epithel- stück aus der Mitte des Schlauchs. Behandlung mit Alcohol 60%, dann 70°/,. Nach 24 Stunden Färbung mit Boraxcarmin. Die Struktur des Zellleibes und des Kernes ist verschwommen, Nucleolus hingegen sehr prägnant und kräftig gefärbt, wäh- rend der Kern selbst hell geblieben ist. Die Zellen mit je einem Kern, wovon einer sich theilend einschnürt und bereits zwei Nucleolen besitzt. Dasselbe. Blindes Schlauchende bei derselben Behandlung. Alles ist verschwommen bis auf die Nucleolen, welche sehr bestimmt sind. Zellgrenzen nur angedeutet, Kerne ganz un- kenntlich. . Sämmtliche Zeichnungen sind nach Zupfpräparaten in Nelkenöl bei etwa 1000facher Vergrösserung hergestellt. Berlin, September 1891. Nachschrift. In Uebereimstimmung mit H. E. Ziegler habe ich jetzt ebenfalls im Mitteldarm jüngerer Flusskrebse Mitosen ge- funden und solche im Mitteldarm eines Exemplars des Mehlwurms endgiltig eonstatirt, womit meine frühere, zweifelnde Stellung ent- schieden sein möge. 33 (Aus der I. anatomischen Anstalt in Berlin.) Ueber die Entwicklungsgeschichte und feinere Anatomie der Bartholini’schen und Cowper’- schen Drüsen des Menschen. » Von Dr. med. Vitalis Müller (St. Petersburg). Hierzu Tafel I. Tiedemann!) war wohl der Erste, weleher nach den Bartholini’schen Drüsen bei Embryonen suchte. Er con- statirte solche bei einem fünfmonatlichen, sechsmonatlichen und siebenmonatlichen Embryo; bei letzterem fand er die Drüse zwei Linien lang und eine breit. Huguier?) spricht die Vermuthung aus, dass die ersten Anfänge der Drüsen vor dem vierten Schwangerschaftsmonate zu finden sein müssten, da er dieselben bereits bei einem 4!/, mo- natlichen Foetus von der Grösse eines Haferkornes gesehen hat. Bei einem sechsmonatlichen Embryo war die linke Drüse 3 mm lang, Imm breit, die rechte mm lang und 2 mm breit, bei einem sechsmonatlichen Foetus 3!1/, mm lang, 2mm breit. Hu- guier hat ausserdem gefunden, dass die Drüse von der Ge- burt des Kindes bis zu einem Alter von 9—12 Jahren nur sehr wenig an Umfang zunimmt. Im Alter von 16 —18 Jahren kommt es zu einem erneuten raschen Wachsthume. Bei alten Frauen verkümmert sie. Toldt?°) hält die ersten Anfänge der C owper’schen sowie der Bartholini’schen Drüsen für Ausstülpungen des Sinus urogenitalis. 1) Tiedemann, Von den Duverney’schen, Bartholini’schen oder Cowper’schen Drüsen des Weibes. Heidelberg-Leipzig 1840. 2) Huguier, M&emoire sur les appareils secröteurs des organes genitaux externes chez la femme et chez les animaux. Annales des sciences naturelles. Troisieme serie. Zoologie. T. 13, 1849 (pag. 239 etc.). 3) Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. Stuttgart 1877 (p. 466). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 3° 34 Yaralıs Muller: Beigel!) eonstatirte die Drüse bei einem sechsmonatlichen Embryo: die gut ausgebildeten Acini, sowie ihre Ausführungs- gänge waren zum Theil mit Schleim gefüllt, so dass die Drüse, ausser allem Zweifel, ihre sekretorische Funktion schon begonnen haben musste. Swieeicki?) fand bei einem 99/103 mm langen Foetus die Drüse hinter dem Bulbus des Corp. cavernos. urethrae s. vesti- buli. Der Ausführungsgang besass ein mehrschichtiges Cylinder- epithel; die Drüsenaeini stellten sich als Zelleneonglomerate rund- licher Form ohne Lumen dar. Die Zweige des Ausführungs- ganges waren ebenfalls noch solide; nur das letzte Stück des Ganges, welches in den Sinus mündet, besass ein Lumen. van Ackeren?) verlegt die erste Anlage der Drüsen zu Ende des vierten Monats. Der Ausführungsgang einer Drüse aus dieser Periode hatte an seinem blinden Ende fünf Epithel- ausstülpungen, die ersten Acini der Drüse, welche nicht dicht aneinander lagen, sondern durch Bindegewebe getrennt waren. Aehnlich lagen die Verhältnisse bei einem Foetus im Beginne des fünften Monats; nur hatte sich die Zahl der Aecini durch Bildung weiterer secundärer Epithelausstülpungen vermehrt und lagen dieselben näher zusammen. Bei einem Embryo aus der Mitte des fünften Monats war die linke Drüse bedeutend weniger entwickelt, als die rechte. Dasselbe Verhältniss fand sich auch bei einem sechsmonatlichen Foetus. Die Drüse war Imm lang und 1,5 mm breit. Zwischen den einzelnen Acinis konnte man kein Bindegewebe mehr sehen. Tourneux*) gelang es, die ersten Anlagen bei einem 4,4/5,7 cm langen Foetus zu constatiren. Es waren zwei bour- 1) Beigel, Ueber Variabilität in der Entwickelung der Ge- schlechtsorgane beim Menschen. Verhandlungen der Physikal.-Med. sesellschaft zu Würzburg. Neue Folge. XVII. Band. 1883 (p. 143). 2)Swiecicki, Zur Entwicklung der Bartholini’schen Drüse. In: L. Gerlach, Beiträge zur Morphologie und Morphogenie I. (pag. 99—103). 3) van Ackeren, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der weiblichen Sexualorgane des Menschen. Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie 48. Band, 1889. 4) Tourneux, Sur le d&eveloppement et l’@volution du tuber- cule genital chez le foetus humain. Journal de l’anatomie et de la physiologie 1889. Ueber die Entwicklune'szesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 35 [> li >) \ seons pleins de !’&pithelium 120 u lang und 60 u breit. Bei einem Foetus von 7,5/10,5cm waren es zwei epitheliale Stränge, an denen man bereits einige Verzweigungen unterscheiden konnte. Bei einem Embryo von 12,5/17 waren die Endstücke der Verzweigungen noch immer bourgeons pleins. Die Drüsen eines 19cm langen Foetus zeigten keinen Unterschied im Bau von solchen eines ausgetragenen Kindes. Gemäss diesen Angaben in der Litteratur sind die ersten Anfänge der Drüse bei einem 4,5 cm langen Foetus gefunden, und zwar sind es solide knospenartige Anlagen, vom Sinus uro- genitalis ausgehend. Bei einem Foetus von 7,5 cm waren es bereits zwei solide Epithelstränge mit einigen Verzweigungen. Erst bei einem Foetus von 9,9cm Rumpflänge ist im letzten Stück des Ausführungsganges, welches in den Sinus urogenitalis mündet, ein Lumen constatirt worden. Drüsen von fünf und sechs Monaten unterscheiden sich im Bau nicht von denen aus- getragener Kinder und sind bereits funktionsfähig. Nach der Geburt bis zum Alter von 9—12 Jahren ist die Volumzunahme der Drüse eine sehr geringe. Ein rasches Wachsthum tritt wieder im Alter von 16—18 Jahren ein. Im hohen Alter atrophirt die Drüse. Auf Anregung von Professor Waldeyer, welchem ich für die freundliche Unterstützung während dieser Arbeit meinen aufrichtigen Dank sage, unternahm ich eine Reihe von Unter- suchungen, diese Frage betreffend, an menschlichen Embryonen verschiedener Altersstufen. Es standen mir 16 weibliche Em- bryonen zur Verfügung. Die Scheitelsteisslänge des jüngsten maass 6!/, cm, diejenige des ältesten 26 cm. Um Missverständnissen vorzubeugen, theile ich hier gleich mit, dass überall, wo weiter unten Maasse von Embryonen in em angegeben sind, damit stets die Scheitelsteisslänge gemeint ist. Die betreffenden Embryonen bekam ich grösstentheils im Müller’scher Flüssigkeit eingelegt; einige wenige waren in Alkohol gehärtet. Die äusseren Genitalien schnitt ich mit den zugehörigen Skelettheilen und dem Rectum (wenigstens seiner vorderen Wand) aus. Nach hinreichender Härtung in Müller- scher Flüssigkeit und Entwässerung in Alkohol bettete ich die Theile der kleineren Embryonen in Toluol- oder Terpentinparaffin ein und zerlegte sie mit dem Becker’schen Mikrotom, von 36 Vitalis Müller: hinten nach vorn gehend, in Frontalschnitte. Als Färbemittel gebrauchte ich Hämatoxylin und Thionm. Die Theile der grösseren Embryonen bettete ich in Celloidin ein und stellte die Schnittreihen nach der von Dr. Obregia angegebenen Me- thode her. Der leichteren Uebersicht wegen theile ich die Entwick- lungsgeschichte der Bartholini'schen Drüsen in zwei Stadien ein. Das erste Stadium würde sich von den ersten Anfängen der Drüsenanlage überhaupt bis zu den ersten Anfängen des eigentlichen Drüsenkörpers erstrecken. Das zweite Stadium würde hier anfangen und bei vollendeter histiogenetischer Aus- bildung des Drüsenkörpers sein Ende haben. Für das erste Stadium hatte ich fünf Embryonen von 6!/,, 8, 9, 10 und 11 cm Scheitelsteisslänge zur Verfügung. Was den Umfang der Drüsen in diesen fünf Präparaten anbelangt, so war selbiger durchaus nicht der Grösse des be- treffenden Embryo proportional. Am geringsten waren die Drüsen beim Embryo von 8cm entwickelt. Links dieht am Sinus uro- genitalis war die Anlage der Drüse als eine knospenartige Wu- cherung des Sinusepithels deutlich zu erkennen. Ein Lumen fehlte. Länge der Anlage = 153 u. Rechts war die Drüsen- anlage etwas grösser = 166 u, mit bereits deutlich erkennbarem Lumen eines kurzen Schlauches, der in den Sinus urogenitalis mündete. Beim Embryo von 6!/, cm ist die linke Drüse ein längerer (0,4mm) Schlauch, der sich an seinem blinden Ende einmal verzweigt hat. Der ganze Gang besitzt eim deutliches Lumen; nur die beiden blinden Endstücke sind solide. Die rechte Drüse erscheint ebenfalls als hohler Gang, der sich in drei solide Endzapfen verzweigt und 0,75 mm misst. Genau die- selben Verhältnisse, wie die linke Drüse dieses Embryo, zeigt auch die rechte des Embryo von 9cem. Die linke Drüse des letzteren erscheint aber als kurzer einfacher Sehlauch von 150 u Länge, dessen Lumen bis zum Fundus der Drüse deutlich zu verfolgen ist. Beim 10 em langen Embryo erscheinen die Drüsen- anlagen bereits als mehrfach verzweigte tubulöse Gänge. Das Lumen ist weit zum Ende hin zu verfolgen; nur die äussersten End- zapfen sind noch solide. Beim 11cm langen Foetus haben wir wiederum zwei einfache tubulöse Gangsysteme mit ca. 5—6 so- liden Endzapfen. Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 37 Bei einem Embryo von 27mm habe ich die Drüsen nicht gefunden. Tourneux fand, wie gesagt, die ersten Anfänge der Drüsen bei einem Embryo von 4,5 em. Sieht man alle diese Fälle durch, so kommt man zum Schlusse, dass die ersten Anfänge der Drüsen bei Embryonen von sehr ungleicher Grösse zu finden sind, und zwar bei einer Scheitelsteisslänge von 4—8 cm. Der erste Anfang stellt sich dar als eine solide knospenartige Anlage, aus einer Wucherung des Epithels des Sinus urogenitalis hervorgegangen. Diese so- liden Anlagen erhalten aber sehr bald ein Lumen, wie bei den linksseitigen Drüsen der Embryonen von 8 und 9em zu sehen ist. Wie der erste Anfang zu Stande kam, so geht auch die weitere Entwicklung vor sich: das Epithel des peripheren Endes der Drüse wuchert weiter und bildet solide Zapfen; das cen- trale Stück dagegen höhlt sieh weiter und weiter aus. Sehr früh treten auch Verzweigungen der Drüse auf. Beim 6!/, em langen Foetus hatte die Drüse bereits drei Zweige: Das Epithel des bereits hohlen Abschnittes ist dem Epithel des Sinus uro- genitalis vollkommen ähnlich, und zwar war es in allen Präpa- raten ein zweischichtiges eubisches Zellenlager. Die peri- pheren Zellen der soliden Endzapfen sind ebenfalls eubisch; die centralen — polyedrisch. Zellenleib und Kern färben sich gut mit Hämatoxylin. Rechte und linke Drüse desselben Embryo waren gewöhnlich ungleich entwickelt. Wie die ersten Anfänge der Drüse an keine bestimmte Grösse des Foetus gebunden sind, ebenso wenig sind es die weiteren Entwieklungsphasen. Beim Embryo von 10cm erschien die Drüsenanlage schon als eine verzweigte tubulöse; bei demjenigen von llcm war sie bloss ein einfaches tubulöses Gangsystem. Zwischen den einzelnen Zweigen der Drüsen befindet sich ein zellenreiches Bindegewebe. Der Sinus urogenitalis ist von einem dichten Gefässnetz umgeben; von hier aus erstrecken sich auch zahlreiche Zweige zum Abschnitt der Drüse, welcher näher zum Sinus liegt. Der periphere Abschnitt ist mit weniger Ge- fässen versorgt. Der Sinus urogenitalis hatte in allen diesen untersuchten Fällen auf dem Querschnitte die Form eines fünf- strahligen Sternes. Die Drüsenanlagen gingen stets von den Spitzen der zwei unteren ventralen Strahlen aus und verbreiteten 38 Vitalis Müller: sich bei den jüngeren Embryonen seitwärts; bei den Embryonen von 10 und 11cm aber seitwärts und nach oben (dorsal). Im ersten Stadium der Entwickelung fängt die Drüse folg- lich als solide Epithelknospe an und endet als verzweigte tubu- löse Drüse, jedoch mit soliden Endzapfen. Ich möchte es hier noch besonders betonen, dass in allen Fällen die Drüse einen ausgesprochenen tubulösen Charakter hatte. Die Untersuchung der zweiten Entwiceklungsphase konnte ich an elf Embryonen von 12—26 em Scheitelsteisslänge und einem ausgetragenen Mädchen anstellen. Die ersten Anfänge des eigentlichen Drüsenkörpers, d.h. der secernirenden Drüsenendkammern!), konnten bei zwei Em- bryonen von je 12cm constatirt werden. Diese Anfänge stellen sich dar als kleine knospenartige Erhabenheiten, tbeils mit, theils ohne Lumen, welche hier und da längs den secundären und ter- tiären Drüsenzweigen auftreten. Sonst hat die Drüse denselben Charakter, wie zu Ende des ersten Stadiums: hohle Gänge enden mit soliden Zapfen. Um den Hauptausführungsgang sieht man deutlich eine eireuläre Schicht feiner, lang ausgezogener spindel- förmiger Zellen sich anlegen: die Anfänge der Muskelschicht des Ganges. An der Mündung in den Sinus urogenitalis wird diese Schieht zusehends dieker. Dieselbe Schicht sieht man auch den Sinus urogenitalis an seimer ganzen Peripherie umgeben. Bei zwei Embryonen von 13 und 14cm war die Muskel- schieht um den Ausführungsgang deutlicher ausgesprochen. In sehr vielen Zweigen konnte man ein Lumen bis zum letzten End- stücke verfolgen. Längs der Zweige waren Anlagen der End- kammern, wie bei den 12cm langen Embryonen zu sehen. Das Lumen des Sinus und der breiteren Abschnitte des Ausführungs- ganges ist mit kernhaltigen, wahrscheinlich abgestorbenen Zellen, 1) Ich gebrauche hier den Ausdruck „Endkammer“ nach dem Vorschlage Waldeyer’s, um damit die letzten Formelemente der Drüsen überhaupt, für welche ein gemeinsam verwendbarer Ausdruck noch fehlt, zu bezeichnen. Ist die Endkammer, welche ja auch das wesentliche physiologische Element der Drüsen darstellt, kuglig ge- staltet, so nennen wir sie bekanntlich „acinus“ oder „alveolus“, ist sie röhrenförmig, „tubulus“. Ein indifferenter, keine Form präjudieirender Ausdruck, ist jedoch auch erwünscht und gebraucht Waldeyer dafür den Namen „Endkammer“ oder „Drüsenkammer“. Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 39 welche vom Farbstoff nicht angegriffen werden, ausgefüllt. Beim 13 em langen Embryo besass der Sinus urogenitalis grösstentheils geschichtetes Plattenepithel; nur in der nächsten Umgebung der Mündungsstelle der Drüsen war zweischichtiges kubisches Epithel enthalten, welches sich auch in den Gang fortsetzte. Beim Em- bryo von 14cm war der ganze Sinus noch mit einem zweischich- tigen Epithel ausgekleidet: die peripheren Zellen — eubisch, die eentralen — ceylindrisch. Weiter untersuchte ich zwei Embryonen von 15cm und einen von 16cm. Ein Theil der Anlagen der Drüsenkörper war hier schon weiter zu embryonalen Endkammern ausgebildet. Das Epithel dieser Endkammern war ein einschichtiges eylindrisches: ein Theil der Zellen war ganz hell mit wandständigen sich fär- benden Kernen; in anderen Zellen aber färbte sich noch der ganze Leib. Die hellen Zellen (Schleimzellen) waren höher, wie die sich färbenden. In einigen wenigen Endkammern waren be- reits alle Zellen im Schleimzellen umgewandelt. Bei dem einen der Embryonen von 15cm waren solche ausgebildete Endkam- mern noch sehr wenig zahlreich, nur in der linken Drüse zu sehen. Bei den beiden anderen waren sie zahlreicher. Die Schnittreihen von diesen beiden älteren Embryonen waren mit Thionin gefärbt. In mehreren der ausgsbildeten Endkammern war die Schleimreaktion sehr deutlich hervorgetreten, indem die Zellen und der schleimige Inhalt der Endkammern eine deutlich rothe Farbe annahmen. Die übrigen Zellen waren mehr oder weniger intensiv blau gefärbt. Die rothe Farbe war aber be- reits nach 24 Stunden verschwunden, während sie in den Drüsen des Reetum, wo die Reaktion noch sehöner auftrat, bestehen blieb, nur an Deutlichkeit etwas einbüssend. Wahrscheinlich liegt die Schuld dieser Unbeständigkeit der Färbung daran, dass die Embryonen in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet waren; zum prompten dauernden Gelingen der Thioninreaktion empfiehlt aber Hoyer!) Härtung im 5°/, Sublimatlösung. Bei jüngeren Em- bryonen, wo es in den Endkammern noch keine Schleimzellen gab, trat auch keine rothe Färbung auf; im Rectum dagegen war die Reaktion sehr deutlich. — Sobald die Epithelien das 1) Hoyer, Ueber den Nachweis des Mueins in Geweben mit- telst der Färbemethode. Archiv für mikrosk. Anatomie 36. Bd., 1890. 40 Vitalıs Müller: Aussehen von Sehleimzellen bekommen haben, sind sie also auch funktionsfähig, d.h. sie sondern Muein aus. In den Ausführungsgängen war nirgends rothe Färbung zu sehen. Beim ersten Embryo von 15 em war der Sinus mit zwei- schiehtigem Epithel ausgekleidet; die innere Lage bestand aus eylindrischen Zellen mit weniger innerer und stärker tingirter äusserer Hälfte; die periphere Lage- waren eubische Zellen. Bei den beiden anderen Embryonen war das Epithel ein geschichtetes plattes, ausgenommen der Abschnitt, wo die Gänge der Drüsen einmündeten. Hier war wieder das eben beschriebene Cylinder- epithel erhalten. In den Drüsengängen war überall zweischieh- tiges eubisches Epithel zu sehen. Bei einem Embryo von 19cm fanden sich folgende Ver- hältnisse: In einigen Schnitten sieht man Ausführgänge mit ein- schichtigem Oylinderepithel, dessen Zellen ovale Kerne führen, in sackartige Ausstülpungen auslaufen. Im Verlaufe dieser Gänge sitzen hier und da ihren Wandungen ebensolche Säcke auf. Diese Säcke haben die Gestalt von Birnen oder Keulen — sie sind meistentheils etwas länglich ausgezogen. Das Epithel dieser Säcke oder Schläuche ist mit demjenigen der Gänge vollkommen identisch. Auf anderen Präparaten sieht man, dass in diesen embryonalen Schläuchen (Endkammern) ein Theil der Zellen sein Aussehen verändert hat. Sie werden länger und heller, und der Kern rückt an die Peripherie. Dann sieht man auch Endkam- mern, die nur Schleimzellen besitzen. Im vielen Schnitten ist die Zahl solcher fertigen Endkammern grösser, als diejenige der noch nicht vollkommen ausgebildeten — embryonalen. Die Schlauchform (tubulöse Form) der Endkammern tritt nieht in allen Schnitten mit gleicher Klarheit hervor. Meistentheils, wahr- scheinlich weil letztere quer getroffen oder noch nicht gehörig ausgewachsen sind, erschemt die Gestalt in den Schnitten kreis- förmig. In vielen Schnitten aber, wo der Uebergang der Gänge in die Drüsenendkammern zu sehen ist, sieht man, dass letztere schlauchförmig (tubulös) sind (Fig. 1). Zwischen den einzelnen Schläuchen des Drüsenkörpers ist sehr viel gefässtragendes Bindegewebe eingelagert. Dieser Umstand erleichtert um ein Bedeutendes die Form der secernirenden Endkammern der Drüse zu beurtheilen. Bei älteren Embryonen, wo die Zahl der secer- nirenden Schläuche sich bedeutend vergrössert hat und infolge Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 41 dessen Schlauch an Schlauch zu liegen kommt, ist es schon viel schwerer ein richtiges Urtheil über die Form der Endkammern zu fassen. Im Sinus urogenitalis ist grösstentheils geschichtetes Pflaster- epithel vorhanden. In den Ausbuchtungen aber, wo die Drüsen münden, sieht man noch ein zweischichtiges Cylinderepithel; die peripheren Zellen sind kürzer, die centralen länger, mit einem länglichen schmalen Kern und hellem inneren Saum. Es macht den Eindruck, als ob diese Zellen mit ihren zugespitzten Basen zwischen die peripheren Zellen gerathen. Der Hauptausführgang und seine gröberen Ramifieationen besitzen dasselbe Epithel; nur diejenigen Abschnitte, welche unmittelbar in die Drüsenendkam- mern übergehen, haben einfaches Cylinderepithel. Längs den Wandungen des Hauptausführungsganges sieht man hier und da kleine sackartige Drüsenkammern, welehe in das Lumen des Ganges münden, aufsitzen. Da man bei Betrachtung der Drüsen des eben beschriebenen Foetus in jedem Schnitt noch sehr viele embryonale Schläuche, d.h. solehe, in welchen das Epithel noch nicht in Schleimzellen umgewandelt ist, sieht, so müssen diese Drüsen auf jeden Fall als noch in der Entwicklung sich befindende angesehen werden. Dagegen hatten die Drüsen bei drei folgenden Embryonen von 21, 24 und 23cm und beim ausgetragenen Mädchen ein ganz anderes Aussehen. Der Drüsenkörper war überall vollkommen entwickelt und lagen die secernirenden Schläuche (Endkammern) dieht aneinander mit sehr wenig Bindegewebe als Zwischensub- stanz. Nur an der Peripherie der Drüsen konnte man in meh- reren Schnitten noch kleine Tubuli von embryonalem Cha- rakter entdecken — ein Zeichen, dass die Drüse noch fortfährt zu wachsen. Dieses ist auch in der That der Fall, denn beim Foetus von 26 cm waren 65 Frontalschnitte nöthig, um die Drüsen vollkommen zu zerlegen; beim ausgetragenen Mädchen dagegen — 145 Schnitte derselben Dieke. Der Umfang der Drüse hatte sich also mehr als um das Doppelte vergrössert. Das Vestibulum vaginae ist m den vier letzten Objekten überall mit geschichtetem platten Epithel bekleidet. Der Haupt- ausführungsgang der Drüse mündet seitlich in einer kleinen Lacune des Vestibulum unter dem Hymen. Das Stück des Ganges, wel- ches sich in unmittelbarer Nähe des Vestibulum befindet, besitzt 42 Vitalis Müller: geschichtetes Pflasterepithel; weiter hinauf ist geschichtetes Oy- linderepithel vorhanden. Längs dem ganzen Verlaufe des Aus- führungsganges sieht man kleine Schleimdrüsen in Form von ein- fachen Schläuchen und Gangsystemen aufsitzen. Je näher zum Drüsenkörper, um so grösser wird das Lumen des Ausführungs- ganges. Beim ausgetragenen Mädchen betrug der Durchmesser des Lumens an der Stelle seiner stärksten Ausdehnung 2mm (Fig. 2), während er m der Nähe der Einmündung in das Vesti- bulum nur 0,5mm betrug. Erst nachdem der Gang diese am- pullenartige Erweiterung erfahren hat, fängt er an sich zu ver- »weigen. Das Lumen der ersten Zweige ist auch ein sehr be- trächtliches. Zwischen die einzelnen Drüsenconglomerate drängt sich gefässführendes Bindegewebe, welchem nunmehr Züge von glatten und quergestreiften Muskelfasern beigemengt sind. Im Ganzen unterscheiden sich die eben beschriebenen Drüsen von denjenigen einer Erwachsenen nur in einem Punkte: es sind die vorhin erwähnten Tubuli von embryonalem Charakter, die man hier und da an der Peripherie der Drüse noch vorfindet und welche darauf hinweisen, dass die betreffenden Drüsen noch wachsen. Da letztere aber, wie gesagt, im Uebrigen sich von denen erwachsener Individuen nicht unterscheiden, so haben wir es folglich mit histiogenetisch vollkommen ausgebildeten, obwohl noch wachsenden Drüsen zu thun. Der jüngste Embryo, bei welchem dieser Zustand constatirt wurde, hatte eine Scheitel- steisslänge von 21 cm. Dieses Maass entspricht aber gerade dem Zeitpunkte, wo Uterus und Vagina vollkommen von einander geschieden sind !) und der Sinus urogenitalis Vestibulum vaginae genannt werden kann. Die Entwicklung der Bartholini- schen Drüse hält also Schritt mit derjenigen der anderen Ge- schlechtsorgane. Was die Beziehungen der Drüsen zu den umgebenden Ge- weben anbelangt, so ist es das Verhalten der ersteren zum Corpus cavernosum vestibuli und zum M. Bulbocaver- nosus, auf welches ich hier etwas ausführlicher eingehen möchte. Bereits beim Embryo von 6!/,cm konnte man sehr deutlich die 1) Nagel, Ueber die Entwicklung des Uterus und der Vagina beim Menschen. Dieses Archiv Bd. 37, 1891 (pag. 645). Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 43 Anlagen des Bulbus vestibuli unterscheiden: zu beiden Seiten des Sinus urogenitalis sah man nämlich zwei ovale Gebilde, welche aus einer Anhäufung von embryonalen Bildungszellen bestehen. Hart an die laterale Seite dieser Anlage grenzt die Anlage desM. bulbocavernosus. Noch mehr lateral, hart am Ramus descendens Ossis Pubis, sieht man die Anlagen der Radix Clitoridis mit dem M. isehio-cavernosus. Ebenso verhält sich die Sache beim Embryo von 9cm. Beim Embryo von 10 cm sieht man Bildung von Hohlräumen in der Bulbusanlage. Beim Embryo von 11 em ist bereits Blut in diesen Hohlräumen zu sehen. Derselbe Befund ergiebt sich auch bei den Embryonen von 12 und 13 em. Bei den zwei jüngeren von diesen Embryonen liegen die unteren Flächen der Sinus und Bulbus in einer Ebene. Bei den drei älteren rückt der Bulbus allmählich etwas höher. Der M. bulbo- cavernosus liegt bei allen diesen Embryonen ganz nach aussen vom Bulbus. Beim Embryo von 13cm dagegen hat der Muskel sein Lageverhältniss etwas geändert und liegt nach aussen und unten vom Bulbus, weleher von Blut strotzt. Bei den folgenden älteren Embryonen wird die Partie des Muskels, welche nach unten vom Bulbus liegt, immer umfangreicher. Das Verhältniss der Bar- tholini’schen Drüse zu diesen beiden Gebilden ist nun folgendes: das Längenwachsthum der Drüse geschieht in der Richtung zum Bulbus hin und grenzen die letzten Zweige der Drüse hart an den Bulbus, an dessen innere und hintere Fläche, oder aber sie wachsen etwas in die Anlage des Bulbus hinein. Bereits beim Embryo von 6!/, cm befinden sich die soliden Endstücke der Drüsenanlage zwischen den Bildungszellen der Anlage (des Bulbus. Bei jüngeren Embryonen wächst die Drüse in der Richtung zum oberen Ende des Bulbus, bei älteren, da der Bulbus höher rückt, nähert sie sich allmählich dem unteren Ende, so dass beim Em- bryo von 13cm ihre Endzapfen zugleich an Bulbus und M. bul- bocavernosus grenzen; denn letzterer ist ja inzwischen nach unten vom Bulbus gewachsen. Je älter die Embryonen, um so grössere Abschnitte der Drüse kommen unter den Bulbus zu liegen. Beim Embryo von 19 em lagert bereits die ganze Drüse unter und hinter dem Bulbus und wird von aussen und unten vom M. bulbocavernosus eingehüllt. Beim Embryo von 25cm kann man sehr gut sehen, dass einige Bündel dieses Muskels auch an die innere Fläche der Drüse sich begeben. Ein theilweises 44 Vitalis Müller; Hineinwachsen der Drüsen in den Bulbus konnte ich auch bei mehreren von den älteren Embryonen beobachten, wie dieses z. B. beim Embryo von 19cm in Fig. 5 zu sehen ist. Ueber den Bau der Drüsen bei Erwachsenen sind die Autoren so ziemlich einerlei Memung. Nach den fast übereinstim- menden Schilderungen von Alfonse Guerint), Huguier?), Bangerhans?), Wassilieff‘), de Sinetyd), Kulj] abs sind es traubige Schleimdrüsen. In den Alveolen befinden sich becherförmige Schleimzellen mit wandständigem Kern. Der Zellen- leib lässt sich nur mit Anilinfarben tingiren. Die Ausführungs- gänge, welche unmittelbar zu den Acinis führen, haben ein eu- bisches emschichtiges Epithel, dessen Zellen alle mögliche Farb- stoffe leicht aufnehmen. Ihr Lumen ist etwas weiter als dasjenige der Acini. In den weiteren Aesten der Ausführungsgänge wird das Epithel erst einfach eylindrisch, dann zweischichtig und im Hauptausführungsgange mehrschichtig. Letzterer entsteht”) an der vorderen inneren Fläche der Drüse und stellt in ihrer Nähe eine ampullenartige Erweiterung dar, verengert sich dann zu- sehends und mündet in einer kleinen Vertiefung seitlich im Ve- stibulum unter dem Hymen oder einer Caruneula myrtiformis. Längs seinem ganzen Verlaufe ist der Ausführungsgang mit kleinen Schleimdrüsen besetzt. Die Drüse ist keine einheitliche 1) Alfonse Gu&rin, Maladies des organes genitaux externes de la femme (pag. 266). 2) Huguier, Memoire sur les appareils s6ereteurs des organes genitaux externes chez la femme et chez les animaux. Annales des sciences naturelles. Troisieme serie. Zoologie. T.13, 1849. 3) Langerhans, Ueber die accessorischen Drüsen der Ge- schlechtsorgane. Virchow’s Archiv Bd.61, 1874. 4) Wassilieff, Ueber den histologischen Bau der in den äusseren Urogenitalorganen des Menschen und der Thiere vorkom- menden Drüsen. Arbeiten aus dem Laboratorium der med. Facultät der Universität in Warschau Heft VI, 1880 (russisch). 5) de Sinety, Histologie de la glande vulvo-vaginale. Gazette medicale de Paris Nr. 35, 1880 (pag. 454). 6)Kuljabko, Ueber den Bau der Bartholini’schen Drüsen. Arbeiten der St. Petersburger Naturforschergesellschaft, Seetion für Zoologie und Physiologie Bd. XX, Heft I, 1859 (russisch). 7) Rüdinger, Topographisch-chirurgische Anatomie des Men- schen. IV. Abtheilung. Stuttgart 1878 (pag. 106). Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper'schen Drüsen. 45 Masse, sondern zwischengelagertes Bindegewebe und Bündel quergestreifter Muskelfasern trennen die Drüse in mehrere Ab- schnitte. Das Stroma der Drüse ist reich an glatten Muskel- fasern, an Gefässen und Nerven. In allen gebräuchlichen Hand- und Lehrbüchern der Anatomie und Histologie wird die Drüse als eine traubenförmige geschildert. Nur. Flemming!) und Stöhr?) rechnen sie zu den schlauchförmigen. Zu dieser üblichen Beschreibung hätte ich noch Folgendes hinzuzufügen: 1) Möchte ich mich Flemming und Stöhr anschliessen und die Drüse zu den schlauchförmigen zählen. Bereits beim Embryo von 19 cm waren die Drüsenendkammern an vielen Stellen zu Schläuchen ausgewachsen, wie Fig. 1 zu sehen ist. Auch bei der Drüse eines Kaninchens fand ich die Schlauchform sehr evident. In Fig. 4 aus der Drüse einer Katze, mit Goldehlorid nach Drasch behandelt, ist die Schlauchform nicht weniger deutlich. Auf Schnitten durch die menschliche Drüse von Er- wachsenen sieht man ja auch die allerverschiedensten Figuren — runde, längliche ovale —, welche als Durchschnitte der Drüsen- endkammern sich darstellen. Nimmt man die Drüse als eine schlauchförmige, so sind alle diese Bilder sehr leicht zu erklären; wogegen bei Annahme einer acinösen Form man auf viel Schwierigkeiten in dieser Hinsicht stossen würde. 2) Habe ich schon oben bemerkt, dass bei Embryonen von einer gewissen Grösse eine Rothfärbung von Schleimzellen mit Thionin sehr leicht eintritt. Ich habe auch Theile einer Drüse, welche fünf Stunden nach dem Tode der Leiche einer Erwachse- nen entnommen war, nach Hoyer's Vorschrift in 5%, Sublimat- lösung gehärtet, in Paraffin eimgebettet und die Schnitte dann mit Thionin gefärbt. Ich erhielt auf diese Weise sehr instruktive Bilder. Es war ein buntes Durcheinander von Blau und Roth und allen möglichen Uebergängen. In einigen Schleimschläuchen war die Färbung der Zellen und des Inhaltes intensiv roth, in anderen blassroth, wieder in anderen war blassblaue oder über- haupt keine Färbung eingetreten. An dünnen Schnitten sah man 1) W.Flemming, Ueber Bau und Eintheilung der Drüsen. Archiv für Anat. und Physiol., Anat. Abth. 1888, S. 293. 2) Stöhr, Lehrbuch der Histologie, 4. Aufl. Jena 1891. u) 46 Vitalis Müller: sehr deutlich, wie die Fäden des rothgefärbten schleimigen In- haltes sich in die einzelnen Zellen fortsetzen, resp. aus ihnen herauskamen. Alle Kerne waren intensiv blau gefärbt. 9) Alfonse Guerin und de Sinety haben bei der Beschreibung der Bartholinischen Drüse kurz erwähnt, das Stroma der Drüse enthalte viele Nerven. Weder der eine, noch der andere geben aber die Methode an, wie sie diese Nerven zu (resichte gebracht haben. Die Bartholini’sche Drüse einer Katze habe ich nach Drasch's!) Angabe mit Goldehlorid be- handelt, die in Alkohol gehärteten Stücke in Chloroform-Paraffin eingebettet und dann die Drüsentheile in Serienschnitte zerlegt. In einer Reihe von Schnitten war die Nervenreaktion prompt eingetreten. Im bindegewebigen Stroma (Fig. 4) sieht man eine grosse Menge von diekeren und dünneren Nervenfasern vereinzelt, oder zu mehreren zusammen verlaufend; sie sind meistentheils in nächster Nähe um die drüsigen Elemente gruppirt. Ver- „weigend winden sie sich in die engsten Zwischenräume hinein, und an einigen Stellen hat es den Anschein, als träten dünne Nervenstämmehen unmittelbar au die feinsten Ausführungsgänge und die Endkammern selbst heran. Abschnitte von diekeren Nervenstämmen sieht man in einer etwas grösseren Entfernung von der Drüsensubstanz liegen. Der Bartholini'schen Drüse entspricht beim Manne die Cowper'sche, richtiger Mery’sche?) Drüse. So stellte ich denn auch Untersuchungen über diese Drüse an einer Reihe männ- lieher Embryonen, einem ausgetragenen Knaben und einem Er- wachsenen an. Nach €. E. E. Hoffmann?) treten die Anlagen der Cowper’schen Drüsen während der 10.—11. Woche zu beiden Seiten der Urogenitalöffnung in der Nähe der Penisanlage auf. Debierret) sah die Drüsen bei einem siebenmonatlichen Embryo. Die ersten Anlagen sollen sich als Ausstülpungen des 1) Stöhr, Lehrbuch der Histologie. Jena 1889, pag. 249. 2) Journal des savants pour l’annee MDCLXXXIV, Nr. 17. Paris (pag. 304). 3) Hoffmann, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Er- langen 1877, I. Bd., II. Abtheil. (pag. 695). 4) Debierre, Developpement de la vessie, de la prostate et du canal de l’urcthre. These. Paris. Doin. 1883 (pag. 70—71). Ueber die Entwieklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper'schen Drüsen. 47 Epithels der Harnröhre entwickeln. Im Ausführungsgang war eylindrisches Epithel, in den Acinis — polyedrisches vorhanden. Cadiat!) bildet bei einem Embryo von 3,5 em Länge die Anlagen der beiden Cowper’schen Drüsen ab. Man sieht auf dem Präparate zwei kleine Ausbuchtungen oder Falten an der oberen Fläche des Sinus urogenitalis. Man kann jedoch diesen Falten durehaus nicht ansehen, dass es Drüsenanlagen sind; und Anlagen der Cowper’schen Drüsen sind es in keinem Falle, da solche stets an der unteren Fläche, nie an der oberen des Sinus resp. Canalis urogenitalis entstehen. Ich konnte meine Untersuchungen an neun männlichen Embryonen von 63/,—24 em Scheitelsteisslänge ausführen. In der Entwicklung der Cowper schen Drüse kann man dieselben zwei Stadien wie bei der Bartholini'schen unter- scheiden. Für die Untersuchung des ersten Stadiums hatte ich drei Embryonen zur Verfügung; ich behandelte dieselben wie vorhin für die weiblichen Embryonen angegeben. Beim Embryo von 6°/, em stellen sich die Drüsen als zwei kurze Schläuche mit soliden Endstücken dar. Länge der linken Drüse 300 u, der rechten — 100 u. In der linken Drüse ist das Lumen ziemlich weit zu verfolgen. Das Stück der rechten Drüse, welches unmittelbar in den Canalis urogen. mündet, hat auch bereits sein Lumen. Die Drüsen münden in die zwei vorderen Strahlen der sternförmigen Urethra resp. Canalis urogenitalis — (Juerschnittes und wachsen von hier aus grade nach unten in die Anlagen des Bulbus urethrae. Das Epithel der Urethra und des Drüsenschlauches ist ein zweischichtiges eubisches. ‘Beim Embryo von 8!/,cm sind die Drüsenanlagen bereits länger und die rechte hat sich am äussersten Ende verzweigt. Im Uebrigen verhält sich Alles so, wie beim ersten Embryo. Die Drüsen des 12cm langen Foetus waren tubulöse Gangsysteme mit soliden Endstücken. Da ich jüngere Embryonen als 6°/, em Scheitelsteisslänge nicht auftreiben konnte und im der Litteratur auch keine Fälle fand, wo die erste Entwicklung der Drüse beschrieben war, so 1) Cadiat, Du developpement du Canal de l’urethre et des organes genitaux de l’embryon. Journal de l’anatomie et de la Phy- siologie 1884, Pl. XVI, Fig. 28. 48 Vitalis Müller: verwandte ich, um diese zu studiren, zwei Rinderembryonen von 6em Länge. Der Canalis urogenitalis hatte bei diesen Embryonen auf dem Quersehnitte die Form eines Kreuzes mit spitz auslaufenden Schenkeln. Das Epithel, ein geschichtetes eubisches, füllte die queren Schenkel fast vollkommen aus. An den Spitzen dieser Schenkel sah man die ersten Anfänge der Cowper’schen Drüsen, als zwei solide Knospen von 100—150 u Länge. Ein Lumen fehlte noch. Die ersten Anlagen der Cowper'schen Drüsen, welche nach Hoffmann beim Menschen in der 10.—11. Woche er- scheinen, sind also auch, wie die der Bartholini'schen, solide Knospen. Indem diese Anlagen an Länge zunehmen, höhlt sich das Anfangsstück aus. In der linken Drüse des 6°/, cm langen inenschlichen Foetus ist das Lumen bereits auf einer beträcht- lichen Länge zu constatiren. In der Wachsthumsrichtung unter- scheiden sich die Cowper’schen von den Bartholini'schen Drüsen schon in sehr frühem Stadium, indem erstere grade nach unten vom Canalis urogenitalis wachsen, letztere aber mehr seitwärts. Für das Studium der Entwicklung der Drüsenendkammern konnte ich einen ausgetragenen Knaben und ‚sechs Embryonen (2 von 15 em, einen von 16, zwei von 21 und einen von 24 cm) verwenden. | Bei beiden Embryonen von 15 em und demjenigen von 16 cm sah man die Anlagen der Drüsenendkammern sehr deutlich und zahlreich. In eimigen embryonalen Endkammern sieht man sehr deutlich die Umwandlung des primären Epithels in Schleimzellen. Die Giannuzzischen Halbmonde sind infolge davon sehr ausge- sprochen. In sehr vielen Endkammern besteht der Epithelbelag bereits nur aus Schleimzellen. In den letzten Ausläufern der Ausführgänge befindet sich em einschichtiges cubisches Epithel; in weiteren Gängen, sowie im Hauptausführungsgang ist das Epithel zweischiehtig eylindrisch. Ein ähnliches befindet sich auch in der Urethra. Die Entwicklung der Drüsenkörper ist hier also vollkommen ähnlich, wie in den Bartholinischen Drüsen. Bei einem der Foeten von 21 cm waren die Drüsenkörper noch gar nicht angelegt. Beim andern Foetus von der gleichen Länge war das Bild sehr ähnlich demjenigen der Bart holini’schen Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper'schen Drüsen. 49 Drüsen des weiblichen Embryo von 19 em; nur ist die Zahl der vollkommen ausgebildeten Drüsenendkammern hier geringer. Eben- so kann man einen Unterschied im der Form der Endkam- mern constatiren. Während beim weiblichen Embryo von 19 em letztere zu recht langen Schläuchen ausgewachsen sind, haben sie beim männlichen Embryo von 21 cm noch alle die Form von kurzen Schläuchen mit Endausbuchtungen, resp. Birnenform. Bei einem Embryo von 24cm überwog die Zahl der aus- gebildeten Endkammern bedeutend die der noch nicht fertigen; doch sind letztere noch immer sehr zahlreich vertreten. In einigen wenigen Schnitten sieht man, dass die Endkammern zu längeren Schläuchen ausgewachsen sind; jedoch ist diese Form noch nicht so deutlich ausgesprochen, wie beim weiblichen Embryo von 19cm. Die Drüsen des ausgetragenen Knaben hatten auch noch immer einen embryonalen Charakter, denn die Zahl der nicht vollkommen entwickelten Tubuli war noch sehr gross. Die meisten der letzteren hatten noch immer die Form der vorhin erwähnten kurzen Schläuche mit Endausbuchtungen. Zwischen den ein- zelnen Drüsenelementen war noch sehr viel gefässtragendes Bindegewebe zu sehen. Das Epithel der Drüsengänge und der Urethra war ein zweischichtiges eylindrisches: die innere Schicht hatte einen hellen inneren Saum. Die Hauptausführgänge waren ihrer ganzen Länge nach mit kleinen Schleimdrüsen besetzt, ähnlich wie bei den Bartholini'schen Drüsen. Bei letzteren traten sie aber viel früher auf: schon beim Embryo von 19 em waren sie zu sehen; an den Ausführungsgängen der Cowper- schen Drüsen des Embryo von 24cm waren sie dagegen noch nicht sichtbar. Eine ampullenartige Erweiterung des Haupt- ganges in der Nähe der Drüse existirt auch in der Cowper- schen Drüse; doch erreicht sie hier lange nicht die Grösse, wie wir sie bei der Bartholini'schen Drüse gesehen haben. Die anatomische Untersuchung der sechs älteren Embryonen und des ausgetragenen Knaben zeigt also, dass, obwohl die An- lage der Endkammern der Cowper'schen Drüsen um dieselbe Zeit, wie die der Bartholini schen sich zeigen, die weitere Ausbildung der ersteren viel langsamer von Statten geht; ja beim ausgetragenen Knaben haben die Cowper'schen Drüsen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 4 50 Vitalis Müller: noch immer ein embryonales Aussehen, wogegen die Endkammern der Bartholinischen schon bei Embryonen von 20—22 em Scheitelsteisslänge vollkommen ausgebildet sind. Es erübrigt noch einige Worte über die Beziehungen der Cowper’schen Drüsen zum Bulbus urethrae zu sagen. Bei männlichen Embryonen aus dem ersten Entwicklungs- stadium der Drüse haben wir schon gesehen, dass die Anfangs- schläuche gerade in die Anlage des Bulbus urethrae hineinwachsen. Bereits bei den Embryonen von 6°/, und 8'/, em sieht man die An- lagen des cavernösen Körpers der Harnröhre seitlich und nach unten von dieser letzteren liegen. Es sind zwei, aus einer An- häufung von Bildungszellen bestehende ovale Gebilde, deren dickes Ende, die Anlage des Bulbus, nach unten gerichtet ist. Dicht am Bulbus und nach unten von ihm sieht man die Anlagen der M. bulbo-cavernosi. Beim Embryo von 12cm kann man ganz genau Schaft und Bulbus des cavernösen Körpers unterscheiden. In den Anlagen sieht man zahlreiche Hohlräume mit Endothel ausgelegt. Die Hemisphaeria bulbi sind ganz nahe an eimander gerückt und werden nur von einer Schicht diehteren Bindegewebes geschieden. Unter dem Bulbus befindet sich der M. bulbocavernosus, dessen Elemente vollkommen entwickelt sind. Hinter dem Bulbus liegt der M. transversus perinei profundus, auch ganz deutlich ent- wickelt. Mitten drin im Gewebe des Bulbus befinden sich die primitiven Schläuche beider Drüsen. Wie die weiteren Wachsthumsvorgänge, das gegenseitige Verhältniss von Drüse und Bulbus betreffend, sich gestalten, konnte ich nieht Schritt für Schritt verfolgen, da mir die ge- eigneten Embryonen fehlten. Das Resultat ist aber, wie an Präparaten von älteren Embryonen zu sehen ist, dass Drüse und Bulbus von einander vollkommen geschieden sind, und die Drüse nach hinten oder nach hinten und oben vom Bulbus zu liegen kommt. Oefters sieht man aber, auch in diesen späteren Stadien, dass die Drüse einige wenige Ausläufer in den Bulbus hinein- schickt; beim Embryo von 24cm war die ganze obere grössere Hälfte der rechten Drüse in der betreffenden Hemisphäre des Bulbus entwickelt, wie Fig. 5 zu sehen ist. Wassilieff?) Drasamo! Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper'schen Drüsen. 51 hat öfters bei Erwachsenen gesehen, dass die Drüsen theilweise im cavernösen Gewebe sich befinden. Bei beiden Embryonen von 15 em und bei einem von 21 em habe ich kleine accessorische Drüsenläpp- chen vom Hauptausführgange sich abzweigen und ins Bulbusgewebe sich begeben sehen. Genau dasselbe hat Henle!) zuweilen bei Erwachsenen gefunden. Der vorhergeschickten Schilderung der topographischen Entwicklung der Drüsen zufolge, könnte man solche und ähnliche Fälle als Entwicklungshemmung be- trachten. | Was den Ort der Entwicklung und den Verlauf des Aus- führungsganges anbelangt, so kommen hier mehrere Varianten vor. In den Ausnahmefällen, wo ein grösserer oder kleinerer Theil der Drüse sich innerhalb des Bulbusgewebes befindet, nimmt auch der Ausführungsgang hier seinen Anfang, um durch den Bulbus in den Schaft des cavernösen Körpers überzugehen, dann eine Strecke im submucösen Gewebe zu verlaufen und end- lich in die Harnröhre einzumünden. So verhalten sich die Aus- führungsgänge der rechten Drüse des Embryo von 24cm und der linken einer der Embryonen von 21 em. Als Regel befindet sich aber die Drüse schon bei Embryonen von 15 cm ausserhalb des Bulbus zwischen den Bündeln des M. transversus perinei profundus. Hier nehmen dann auch die Gänge ihren Anfang. Ihr weiterer Verlauf kann drei verschiedene Wege einschlagen. Sie können durch die Substanz des Bulbus gehen, wie beim Embryo von ll cm zu sehen war, oder können, dicht an der oberen inneren Fläche des Bulbus verlaufend, an der ungefähren Grenze von Bulbus und Schaft, das spongiöse Gewebe betreten (beide Gänge bei zwei Embryonen von 15 und 21 em); drittens können sie, den Bulbus gar nicht berührend, von ihrem Ausgangspunkte schräg nach vorn oben verlaufend, in den Schaft des spongiösen Körpers gelangen (je ein Ausführungsgang bei zwei Embryonen von 15 und 24cm und beide Gänge bei einem Embryo von 21cm und beim ausgetragenen Knaben). Für Erwachsene be- schreibt Henle?) als normal, dass die Ausführungsgänge durch 1) Henle, Handbuch der systematischen Anatomie des Men- schen II. Bd., Braunschweig 1866 (pag. 395). 2) a. a. O. (pag. 394). 52 Vitalis Müller: das Bulbusgewebe hindurchgehen. Nach dem eben Dargestellten könnte man zweifeln, ob solches für alle Fälle zutreffen würde. Der feinere Bau der Drüse des Erwachsenen wird von allen Autoren ohne Ausnahme als vollkommen identisch mit dem- jenigen der Bartholini'schen Drüse geschildert. Ausser Flem- ming!) und Stöhr?) rechnen sie alle Anderen, wie wir es auch bei den Bartholini’schen Drüsen gesehen haben, zu den aciniösen Drüsen. Ich kann mich, aus denselben Gründen, wie ich sie bei Besprechung der Bartholini’schen Drüsen ange- führt habe, Flemming und Stöhr anschliessen. Bei Färbung von Schnitten aus der Cowper’schen Drüse des Menschen in Thionin erhielt ich dieselben grellen Farben- nüancen, wie bei der Bartholini'schen Drüse. Bevor ich schliesse, möchte ich noch einen Gegenstand, der dem von mir behandelten Thema nahe verwandt ist, kurz be- rühren. Ich meine die kleinen Schleimdrüsen des Vor- hofes. Ueber einen gewissen Theil der letzteren sind die Ana- tomen noch zu keiner einigen Ansicht gelangt: nämlich über diejenigen, welche um den Scheideneingang gelagert sind. Die Schleimdrüsen, welche sich in der Nähe der Harnröhrenmündung befinden, sind sehr genau beschrieben und gehe ich auf dieselben nicht weiter ein. Robert), Huguier®) und Martin et Legers?) sind es, welehe die grundlegenden Arbeiten über die uns interessirende Frage verfasst haben. Die beiden Ersten sprechen von Schleim- follikeln, welehe an den Seiten des Introitus vaginae, in der Furche zwischen Hymen und Nymphen gelagert sind. Robert meint, sie seien recht zahlreich, und zwei von ihnen seien grösser und constanter wie die übrigen. Aus der weiteren Beschreibung, die er über diese zwei grösseren „Follikel“ giebt, ist es klar zu sehen, dass er mit einer dünnen Sonde in die Ausführungsgänge 1) a. a. O. (pag. 293). 2) a. a. O. (pag. 191). 3) Robert, Memoire sur l’inflammation des follieules muqueux de la vulve. Archives generales de medecine. Paris 1841 (pag. 393 etec.). 4) a. a. O. (pag. 242 etc.). 5) Martin et Legers, Recherches sur l’anatomie et la patho- logie des appareils seereteurs des organes g£enit. etc. Archives gene- rales. 1862 (pag. 79). Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 53 der Bartholini’schen Drüsen gerathen ist und sie als „Follikel“ gebucht hat. Huguier spricht von einem bis drei „Follikeln“, die sich an den Seiten des Scheideneinganges befinden sollen. Martin und Legers suchten vergebens nach Schleimdrüsen im Vestibulum und meinen, dass Robert und Huguier wohl auch keime Schleimdrüsen gesehen haben, sondern nur Falten und Buchten der Schleimhaut für Drüsen ausgesprochen hätten. In Letzterem haben Martin und Legers wohl recht; dass es aber überhaupt keine Schleimdrüsen im Vorhofe gebe, darin irren sie. Hildebrandt!) scheint auch unter Lacunae vestibuli vaginae inferiores die beiden Ausführungsgänge der Bartholini schen Drüsen beschrieben zu haben. Sieht man die gebfäuchlichen Lehrbücher der Anatomie und Histologie durch, so findet man bei sehr wenigen Autoren etwas über diese Drüsen gesagt. So spricht Klein?) von zahl- reichen Schleimdrüsen in dieser Gegend und giebt eine genaue histologische Beschreibung. Gegenbaur?) redet von spär- liehen Drüsen um den Scheideneingang. In Quain’s*) Elements of Anatomy ist von Schleimerypten oder Follikeln die Rede. Ebenso bei Hoffmann). Toldt®) findet in der nächsten Um- sebung der Scheidenöffnung traubenförmige Schleimdrüsen. In der grössten Anzahl aber der benannten anatomischen Lehr- und Handbücher werden diese Drüsen mit Schweigen übergangen; so bei Luschka, Henle, Krause, Sappey, Beaunis et Bouchard, Hartmann und Stöhr. Debierre’) sagt 1) Friedrieh Hildebrandt’s Handbuch der Anatomie des Menschen besorgt von E. H. Weber. Stuttgart 1834 (pag. 441). 2) Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben I. Bd., Cap. XXIX. Leipzig 1871 (pag. 659). 3) Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen II. Bd. Leipzig 1890 (pag. 185). 4) Quain’s Elements of Anatomy. IXedit. Vol. II. London 1882 (pag. 701). 5)C.E. E. Hoffmann, Lehrbuch der Anatomie des Men- schen I. Bd., I. Abth. Erlangen 1877, pag. 647. 6) Carlv. Langer’s Lehrbuch der system. u. topographischen Anatomie bearbeitet von Toldt. Wien 1390 (pag. 335). 7) Debierre, Traite celementaire d’Anatomie de l’homme. T.IH. Paris 1890 (pag. 780). 54 Vitalis Müller: sogar ausdrücklich, in dieser Gegend existirten überhaupt keine Schleimdrüsen. Man kann also nicht sagen, dass etwas Genaues und Feststehendes über diese Drüsen bekannt wäre. Ein jeder, auch vereinzelter Fall, der diese Frage entscheiden kann, wäre somit von Interesse. Darum erlaube ich mir einen derartigen mitzutheilen. Ich habe die ganze Vulva eines neugeborenen Mädchens in Reihenschnitte zerlegt und dabei Folgendes gefun- den. Die Furche, welche von Hymen und Nymphen gebildet wird und sehr viele Schleimhautfalten besitzt, war an ihrer ganzen Peripherie mit Schleimhautdrüsen besetzt. Letztere sassen, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch grösstentheils an den kleinen Schamlippen und mündeten meistentheils in die Buchten und Rinnen, welche hier durch Falttng der Schleimhaut ent- stehen. Diese Drüsen waren sehr zahlreich. Hinten in der Fossa navicularis dicht am Hymen fanden sich auch eine ganze Menge kleiner Schleimdrüsen (Fig. 2N). Die ganze Peripherie des Scheideneinganges war demnach von einem Kranze von zahl- reichen kleinen Schleimdrüsen umgeben. Vorm veremigten sie sich mit denjenigen, welche rings herum um die Harnröhren- mündung sich befinden. Der Form nach sind diese Drüsen zum Theil einfache kurze Schläuche von eirca 115u Länge, zum Theil sind es einfache oder verzweigte Gangsysteme von 0,3 bis 0,Tmm Länge und 70—150 u Breite. Das Epithel gleicht voll- kommen demjenigen der Endkammern der Bartholini’schen Drüsen. Viele von diesen Drüsen haben einen längeren Aus- führungsgang, in welchen sich das Epithel des Vestibulum fort- setzt. Vergeblich habe ich bei älteren Embryonen, welche ich zur Untersuchung der Bartholini’schen Drüsen verwandt habe, nach diesen Drüsen gesucht. Mangel an Zeit und geeignetem Material erlaubten mir vorläufig nicht, diese Sache an zahlreiche- ren Objekten zum Austrage zu bringen. Ueber die Entwicklungsgesch. d. Barthol. u. Cowper’schen Drüsen. 55 Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Aus einer Bartholini’schen Drüse eines Embryo von 19 cm. Zeiss DD. Oecul. 4 Dr. — Drüsenkörper. A. — Ausführungs- gänge. Frontalschnitt durch das hintere Ende der Vulva einer Neu- geborenen. Linke Hälfte. Zeiss a. Ocul.2. B.—Bartho- lini’sche Drüse. G. — Ampullär erweiterter Ausführungs- gang. V.— vagina. N.— Fossa Navicularis. Dr. — kleine Schleimdrüsen der letzteren. Sch. — grosse Schamlippe. Frontalschnitt durch das vordere Ende des Perineums des weiblichen Embryo von 19cm. Zeiss, AA. Oecul.2. B. — Bartholini’sche Dsüse. C.— Corpus cavernosum vesti- buli. B.C. — Muse. bulbocavernosus. R.a. — Ramus ascen- dens ossis ischii. Isch. — Muse. ischiocavernosus. Add. — Ad- ductoren. O.e.— Musc. Obturator externus. V. — Vagina. H. — äussere Haut. Eine Stelle aus der Bartholini’schen Drüse einer Katze mit Goldehlorid nach Drasch behandelt. Zeiss. Oelimmer- sion. Oe. 2. Dr. — Drüsentubuli. A. — Ausführungsgang. N. — Nerven. Frontalschnitt durch den Bulbus urethrae eines männlichen Embryo von 24cm. Zeiss. AA. Ocul.4 B.— Bulbus. Dr. Cowper'sche Drüsen. U. — Urethra. 56 HE. Zie@ler "und F. Zierler; Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. Von Heinrich Ernst Ziegler, Dr. ph., Prof. und Friedrich Ziegler in Freiburg i.B. Hierzu Tafel IHI—IV und 10 Figuren. Die hier mitgetheilten Beobachtungen wurden an Embryonen von Torpedo ocellata Rud. gemacht, welche in der zoologi- schen Station zu Neapel conservirt worden waren und welche Herr Geheimrath Weismann im Jahre 1888 für das zoologische Institut der Universität Freiburg bezogen hat. Für die freund- liche Ueberlassung derselben sagen wir Herrn Geheimrath Weis- mann herzlichen Dank. Herrn Dr. Keibel, Privatdocenten und Proseetor dahier, sind wir auch zu freundlichem Dank ver- pflichtet, da wir seine zahlreichen Schnittserien von Torpedo- Embryonen zum Vergleiche benutzen durften. Die Embryonen wurden von uns vor dem Schneiden in ver- schiedenen Ansichten und bei verschiedener Beleuchtung photo- graphirt. Nach den photographischen Bildern und nach der Natur wurden von einigen Stadien Modelle hergestellt‘). Die Oberflächenbilder Fig.3, 4, 7, 8 und 9 sind Reproduetionen von Photographien der Modelle. Die Embryonen wurden mit Piero- carmin gefärbt und in der üblichen Weise in Schnittserien zerlegt. Es wird hier eine Uebersicht des Gastrulationsvorganges und eine Beschreibung einiger ausgewählter Embryonen gegeben, welche im Anschluss an die Stadienbenennung von Balfour mit den Buchstaben B, C, D, F, G und I—K bezeichnet werden. Bei den meisten dieser Stadien wird jeweils eine Reihe von Schnitten abgebildet und ist die Lage der Schnitte in ein Öber- flächenbild oder in einen Grundriss eingezeichnet. In vieler Hin- sicht hat unsere Arbeit nur zur Bestätigung der Angaben früherer 1) Diese Modelle werden in Dr. A. Ziegler’s Atelier für wissen- schaftliche Plastik (Friedrich Ziegler), Freiburg i.B. vervielfältigt. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. Di Autoren (namentlich Balfour, Rückert, Swaen, Rab) geführt; jedoch wird die Stadienunterscheidung für Torpedo sicherer festgestellt, und manche Vorgänge werden genauer be- schrieben und anschaulieh gemacht, insbesondere die Bildung des Dotterentoderms, die allmähliche Ausdehnung der Gastral- höhle und die Rückbildung ihrer lateralen Theile, die Entstehung des Mesoderms, die Ausbildung und die Zusammenlegung der Schwanzlappen. Von der Darstellung Rückert’s weichen wir darin ab, dass wir den im Dotter liegenden Kernen („Merocyten“, Periblastkernen) vom Zeitpunkt des Beginns der Gastrulation an keinerlei morphologische Betheiligung am Autbau des Embryo zuschreiben. Die Gastrulation. Entstehung der epithelialen Schichte, Bildung des gastralen Entoderms und des Dotterentoderms. Wir gehen aus von einer Entwickelungsstufe, welche aus dem Blastulastadium in das Gastrulastadium hinüberführt. Fig. 1 zeigt einen Medianschnitt durch eine auf dieser Stufe stehende Blastodermscheibe, welche einen rundlichen, genauer gesagt ellipsenähnlichen Umriss hatte und im längeren Durchmesser 1,5 mm maass. Man sieht die Furchungshöhle, über der- selben das Blastoderm, unter derselben den obersten Theil der Dotterkugel. Am Boden der Furchungshöhle bemerkt man eine Schichte sehr feinkörnigen Dotters, in welcher Kerne eingestreut sind; dieselbe ist dem Periblast der Knochenfische homolog und kann bei den Selachiern ebenso bezeichnet werden; die Kerne mögen Dotterkerne genannt werden. Das Blastoderm ist nicht durchweg von gleichmässiger Dicke; an dem vorderen Theile ist dasselbe diekert), am hinteren Theile beträchtlich ver- dünnt. An dem dünneren Theile bemerkt man eine epitheliale Anordnung der Zellen, aber an dem dickeren Theile scheint eine solche sich erst jetzt ausbilden zu wollen. Eine kleine Einker- bung bezeichnet die Stelle, an welcher die Gastrulation beginnt. 1) Wir bestätigen die Ansicht von Rückert (Nr.22), dass der dünnere Theil der Keimscheibe dieses Stadiums der hintere ist und stehen daher mit der Auffassung von Balfour in Widerspruch. 58 HE. Zieslier und®. Zare eler: Vergleicht man ein etwas älteres Stadium (Fig. 2), so findet man am Hinterrande des Blastoderms schon eine kleine Gastrula- höhle vor. Bei der Bildung derselben hat sich die epitheliale Schiehte umgeschlagen, und der eingestülpte Theil stellt die obere Wand der Höhle dar. Soweit die epitheliale Schichte sich umschlägt, bildet sie das gastrale Entoderm; der übrige Theil derselben ist das Eetoderm. Die epitheliale Schichte ist jetzt im ziemlich gleichmässiger Weise an der ganzen Oberfläche des Blastoderms zur Ausbildung sckommen (Fig. 2). Offenbar sind also die Zellen, welche in dem früheren Stadium (Fig. 1) den diekeren Theil des Blastoderms bildeten, in dieses epitheliale Blatt eingetreten, imdem die tieferen Zellen sich aufwärts nach der Peripherie bewegten und sich dem Epithel einordneten!); daher nahm die epitheliale Schicht be- trächtlich an Ausdehnung zu und in Folge dessen hat das Blasto- derm jetzt .eine grössere Länge und Breite und ist ein Umstül- pungsvorgang am Hinterrande des Blastoderms eingeleitet worden. Jedoch sind nicht alle Zellen des Blastoderms dem epithelialen Blatte eingeordnet. Zunächst ist zu beachten, dass vereinzelte Zellen an der unteren Fläche desselben liegen, die vermuthlich sich ebenfalls demselben einfügen werden. Am Vorderrande des Blastoderms sieht man das epitheliale Blatt in einen Haufen von Zellen übergehen, welcher am Boden der Furchungshöhle sich hinzieht (Fig. 2); dieselbe Erscheinung besteht nicht allein am Vorderrande, sondern an der ganzen Peripherie des Blastoderms. Diese Zellen bilden die Anlage einer Zellenschichte, welche all- mählich den Boden der Furchungshöhle bedeckt und welche wir als Dotterentoderm bezeichnen. Am mächtigsten ist diese Anlage am Hinterrand des Blastoderms entwickelt, da wo die Gastrula- Einstülpung aufgetreten ist; hier sah man schon m dem vorigen Stadium einen Haufen von Zellen, welche alle viel Dotter ent- hielten (Fig. 1); es sind offenbar Furchungszellen, welche bei der Bildung der epithelialen Schichte unbetheiligt liegen blieben. Wie es scheint, wird die erste Anlage des Dotterentoderms an 1) In diesem Sinne schrieb Rückert (Nr.20 S. 27): „Die oberste Lage des Blastoderms besteht aus einer einfachen Reihe cubischer oder eylindrischer Zellen, zwischen die sich von unten neue, noch nicht differenzirte Rundzellen eindrängen.“ Man vergleiche ebenda seine Figuren 4 und 5. 5“ SR Fe »! ERS dk Pb Do Kine: 1 Medianer Längsschnitt eines Blastoderms von Torpedo ocellata Rud. beim Vebergang vom Blastula-Stadium zum Gastrula-Stadium. Fh Furchungshöhle. G die Stelle, an welcher die Gastrulation beginnt. ‘ Vorderrand des Blastoderms. Pb Periblast mit Dotterkernen (dk). Do Dotter. G F h SL war ARTE RETTET Raw dk wa Do Pb Kre2. Medianer Längsschnitt eines Blastoderms von Torpedo ocellata Rud. in dem Stadium der Gastrulation. G Gastrulahöhle. Fh Furchungs- höhle. * Vorderrand des Blastoderms. Pb Periblast mit Dotterkernen (dk). Do Dotter. (Nach einem Präparat von Keibel.) der ganzen Peripherie der Keimscheibe von solchen Zellen ze- bildet, welche schon zur Zeit der Bildung der Furchungshöhle vorhanden sind, aber nicht in die epitheliale Schiehte zu liegen kommen, sondern am Boden der Höhle zurückbleiben!). Da 1) Nach Rückert stammt das Dotterentoderm („Dotterento- blast“) nur zum kleineren Theile aus solchen Zellen, welche schon zur Zeit des Auftretens der Furchungshöhle abgefurcht waren und wird grösstentheils von den „Merocyten“, also von den Kernen des Peri- blastes aus gebildet. Nach den Angaben von Rückert findet auch noch in solchen Stadien, wie sie Fig. 3 zeigt, eine Abfurchung von Zellen statt, indem (in gleicher Weise, wie während der Furchung) bei Theilungen von Kernen des Periblastes rings um den oberen der beiden Kerne ein dotterhaltiger Protoplasmakörper sich abgrenzt und die neuentstandene Zelle aus dem Periblast heraustrit. Rückert schreibt in der neuesten seiner diesbezüglichen Schriften (Nr. 22): „Da, wo die epitheliale Zellschicht (am Rande des Blastoderms und am 60 H. E. Ziegler und F. Ziegler: diese Zellen hauptsächlich am Rande der Höhle liegen, da wo die epitheliale Schichte an den Dotter anstösst, geht die Bildung des Dotterentoderms hauptsächlich vom Rande aus und steht das Dotter- entoderm am Rande mit der epithelialen Schichte im Zusammen- hang. Soweit die Gastrulahöhle gebildet ist und die epitheliale Schichte zur Bildung des gastralen Entoderms sich umgestülpt hat, ist natürlich dieser Zusammenhang an der inneren Grenze des gastralen Entoderms zu suchen; soweit am Rande der Blasto- dermscheibe die Gastrulahöhle nieht in Betracht kommt, befindet sich derselbe Zusammenhang an der Stelle, wo das Eetoderm am Rande an den Dotter sich ansetzt. Das Dotterentoderm schiebt sich von allen Seiten her, ins- besondere aber von der hinteren Seite her immer mehr im die Keimhöhle hinein, bis es schliesslich den ganzen Boden der Keimhöhle bedeckt. Zu der Zeit, wenn dies erfolgt ist, sind in den meisten Zellen desselben die Dotterkörnchen verschwunden und die Schichte hat ein mesenehymähnliches Aussehen, da die Zellen durch Ausläufer zusammenhängen!). Rande der Gastrulahöhle) mit dem Dotter zusammenhängt, bleiben die Merocyten stets in grösserer Zahl erhalten und liefern, indem sie an Zahl und Umfang zunehmen, ununterbrochen dem Embryonalrand weiteres Zellenmaterial.“ Wir können diese Behauptungen nicht be- stätigen, und da Rückert von dem Vorgang nur eine einzige Ab- bildung publieirt hat (in seiner ersten bezüglichen Publication Nr. 20, S.20), deren Deutung zu manchen Zweifeln Veranlassung giebt, muss man die in Aussicht gestellte ausführlichere Publication abwarten, ehe man ein sicheres Urtheil über seine Ansicht gewinnen kann. 1) Man sehe die Figuren auf Tafel III. In dem Stadium der Fig.2 beobachtet man hinsichtlich des Dottergehaltes der Zellen Fol- gendes. In den Zellen der epithelialen Schichte sind die Dotterkörn- chen grösstentheils schon verschwunden. Von den unter der epithe- lialen Schichte gelegenen Zellen sind die meisten noch mehr oder we- niger stark mit Dotterkörnchen beladen. Dabei befinden sich einige ganz ausserordentlich grosse und sehr viel Dotter enthaltende Zellen, welche man (nach Rückert) als Megasphären bezeichnet; sie sind schon in früheren Stadien zu sehen und in viel ‘älteren Stadien noch erhalten. Während den meisten Zellen bei der Furchung nur eine mässige Menge von Dotter beigegeben wird, umfassen einzelne Zellen einen grossen Klumpen von Dottersubstanz und bilden so die Me- gasphären. Wenn der in den Megasphären enthaltene Kern sich theilt, so folgt häufig die Zelltheilung nicht nach, und so kommt es, dass man Megasphären mit zwei oder mehr Kernen antrifft (Fig. 14 auf Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 61 Bei den Amphibien muss das Homologon des Dotterento- derms der Selachier in denjenigen Dotterzellen gesucht werden, welche den Boden der Furchungshöhle bilden. Wenn auch im Allgemeinen die ungefurchte Dottermasse der Selachier der Masse der grossen und viel Dotter enthaltenden Zellen der Amphibien entspricht, so fallen doch die Grenzen nicht genau zusammen und man braucht kein Bedenken zu haben, das Dotterentoderm der Selachier den obersten Dotterzellen der Amphibien homolog zu setzen. Es ist aus dieser Homologie auch begreiflich, dass die Furchungszellen, aus welchen das Dotterentoderm ent- steht, vorzugsweise am Rande der Furchungshöhle liegen; denn bei den Amphibien findet man im Blastulastadium die klei- neren Dotterzellen ringsum an der Grenze des animalen (klein- zelligen) und des vegetativen (grosszelligen) Theils; dieser Ueber- gangszone entspricht der Rand der Blastodermscheibe; den grösseren Dotterzellen entspricht die Dotterkugel mit den Kernen des Periblastes, den kleineren Dotterzellen entsprechen die Fur- chungszellen, aus denen das Dotterentoderm entsteht. In den folgenden Stadien erfährt das Dotterentoderm von der epithelialen Schichte her einen Zuwachs. Es kann dies aus der Form und dem Habitus der Zellen und aus der Lage der nicht eben seltenen Kerntheilungsfiguren mit Sicherheit geschlossen werden. In Fig. 13 ist ein Theil des Keimscheibenrandes ab- gebildet, an welchem eine Kerntheilungsfigur zu sehen ist, deren Axe in der Richtung vom Eetoderm zum Dotterentoderm liegt. Sowohl da wo das Ectoderm an den Dotter sich ansetzt, als auch da, wo das gastrale Entoderm den Dotter berührt, kommen an der epithelialen Schiehte solche Zelltheilungen vor, bei wel- chen die eine der Theilzellen dem Dotterentoderm zugehört!). Tafel III). Es ist zur Zeit noch unentschieden, ob die Megasphären durch Theilung in eine Anzahl gewöhnlicher Zellen zerfallen, oder ob sie unter Schwund der Kerne zu Grunde gehen und resorbirt werden. 1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Dotterentoderm schon im Stadium der Figur2 am Vorderende der Gastralhöhle auf diese Weise einen Zuwachs vom gastralen Entoderm her empfängt. Es liegt die Vermuthung nahe, dass der innige Zusammenhang des gastralen Ento- derms und des Dotterentoderms für die mechanische Erklärung des Umstülpungsvorganges von Bedeutung ist, da dadurch das vordere Ende des ersteren gewissermaassen festgehalten wird und in Folge n. 63 H. E. Ziegler und FE. Ziegler: Daher bleibt der innige Zusammenhang des Dotterentoderms mit der epithelialen Schichte (dem Eetoderm und dem gastralen Ento- derm) auch in den folgenden Stadien bestehen. Während der Bildung des Dotterentoderms wird die Fur- chungshöhle niedriger, doch behält sie an einer Stelle, welche nahe an dem vorderen Rand der Keimscheibe liegt, eine relativ beträchtliche Höhe und wölbt hier das Eetoderm blasenartig auf; diesen Rest der Furchungshöhle, welcher sehr lange fort- besteht, werden wir weiterhin als Blastocoelblase bezeichnen. Man trifft in demselben einige grosse und viel Dotter enthaltende Zellen. Die Blastocoelblase wurde schon von Al. Sehultz (No. 26) beschrieben. Die Gastrulahöhle, welche am Hinterrande des Blastoderms entstanden ist, wird oben und vorn von dem eingestülpten Theile der epithelialen Schichte begrenzt. Im Gegensatz zu dem Dotter- entoderm bezeichnet man (wie schon oben gesagt wurde) den epithelialen Theil des Entoderms, welcher die Wand der Gastral- höhle bildet, als das gastrale Entoderm. Die Gastrulation findet nicht allein in der Mitte des Hinterrandes der Blastodermscheibe, sondern an dem ganzen Hinterrande statt. In der Mitte geht (die Gastrulation am raschesten vor sich und die Gastrulahöhle schiebt sich in der Richtung der Medianebene des entstehenden Embryonalleibes am weitesten nach vorn vor (axialer Theil der Gastralhöhle); da aber der Gastrulationsvorgang an dem ganzen Hinterrande stattfindet, setzt sich die Gastrulahöhle unter dem Hinterrande bis zum seitlichen Rande hin fort; der Vorgang sehreitet allmählich aueh am seitlichen Rande in der Art weiter, dass der seitliche Rand durch eine Rinne unterhöhlt wird (peri- pherer Theil der Gastralhöhle). Indem der axiale Theil der Gastrulahöhle sich erweitert, erscheint am. Oberflächenbild der Keimscheibe eine entsprechende Erhebung, welche als Embryonal- schild (Embryo-swelling von Balfour) bezeichnet wird. Die lateralen Theile der Gastralhöhle unterhöhlen den Hinterrand und auch den Seitenrand der Keimscheibe und betheiligen sich so an der Bildung des Randwulstes, welcher zuerst am Hinterrande auftritt und sich dann immer weiter auf die Seitenränder fort- dessen die Umstülpung immer grösser werden muss, wenn die Blasto- dermscheibe sich ausdehnt. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 65 setzt. An Fig. 10 auf Tafel III sieht man im Grundriss die Aus- dehnung der Gastrulahöhle, welche durch gelbe Farbe gekenn- zeichnet ist; das Oberflächenbild desselben Stadiums ist in Fig. 3 dargestellt. Es gehört dem Stadium B an, zu dessen genauerer Beschreibung wir jetzt übergehen. Stadium B. Embryonalschild ; erste Entstehung des Mesoderms. Zu demjenigen Stadium, welches man nach Balfour mit dem Buchstaben B bezeichnet, gehört die nebenstehende Abbil- damer Bier 3 und auf Date- Hr die Figuren 10, 11, 2 I—X, 15 und 16. Auf dem Oberflächenbilde bemerkt man Folgendes. Am hinteren Rand der Blastodermscheibe befindet sich eine Erhebung, welche den Embryonalschild, die erste Anlage des Embryo-Leibes darstellt; seine Länge beträgt 0,3mm. Nach den Seiten hin schliesst sich an denselben der Randwulst an, weleher deutlich bis über die Mitte der Länge «der Keim- scheibe verfolgt werden kann und dann allmählich sieh verflacht. Der hintere Rand der Keimscheibe ist ein wenig eingebuchtet und es zeigt sich so die erste Andeutung der medianen Einkerbung, welche von Rabl als Randkerbe, von His als Ineisur be- zeichnet wird. Auf dem Embryonal- schild bemerkt man eime vom Hin- terrand der Keimscheibe beginnende iR 9, und allmählich auslaufende flache Em- — Embryo een) senkung, welche der erste Anfang der (Vergrösserung 18.) Medullarrinne ist (Rückenrinne nach Rabl). Man sieht, dass die Medullarrinne sehon bei ihrer ersten Anlage sich am Hinterrande der Blastodermscheibe deltaartig verbreitert, in derselben Weise, wie man es in den nächsten Stadien beobachtet. Nahe dem vorderen Ende der Blastoderm- scheibe befindet sich eine flache, blasenförmige Erhebung; es ist die obengenannte Blastocoelblase. Die Organisation dieses Stadiums wird durch die Quer- schnittbilder Fig. 12 I—IX und durch die Längssehnitte Fig. 15 64 H.E. Ziegler und F. Ziegler: und 16 erläutert. Das Ectoderm ist im der vorderen Hälfte der Keimscheibe eine dünne einschichtige Lamelle, stellt aber im Bereich des Embryonalschildes ein mehrschichtiges Cylinderepithel dar. Der Zwischenraum zwischen dem Eetoderm und dem Dotter- Entoderm ist im Allgemeinen niedrig; aber er zeigt sich beträcht- lich erweitert auf dem Schnitte Fig. 12 I, welcher die Blastocoel- blase getroffen hat; man sieht in der letzteren einige grosse, mit Dotter gefüllte Zellen. Das Dotterentoderm hat einen mesenchym-ähnlichen Habitus, da die Zellen nicht epithelial geordnet sind und in verschiedenen Richtungen durch Ausläufer zusammenhängen. Im dem Dotter- entoderm werden vereinzelte Megasphären getroffen (Fig. 12 I). An den Grenzen der Gastralhöhle geht das Dotterentoderm in das gastrale Entoderm über, welches einen epithelialen Charakter hat; man sieht den Uebergang auf den Längsschnitten (Fig. 15 u. 16) am vorderen Ende der Gastralhöhle, auf den Querschnitten (Fig. 12 IV— VI) sowohl am seitlichen Rande des axialen Theiles der Gastralhöhle, wie auch am inneren Rande des peripheren Theiles der Gastralhöhle. Soweit das Entoderm mit dem Dotter in Verbindung steht, d. h. soweit das Dotterentoderm geht, findet man unter demselben im Dotter die grossen Dotterkerne. Die- selben sind morphologisch dem Entoderm zuzurechnen; sie ent- sprechen den Periblastkernen der Teleostier und sind wie diese dureh auffallende Grösse und das Vorkommen amitotischer Thei- lungen ausgezeichnet. Sie dienen der Assimilation des Dotters (vergl. No. 32, S: 379 Anm. und No.35, 8.373); in ihrer Um- gebung sieht man keine Dotterblättchen, sondern nur ganz feine Dotterkörnchen; einzelne Kerne, welche tiefer als die anderen in den Dotter eingedrungen sind, werden von einem inselartigen Bezirk feinkörnigen Dotters umgeben (s. Tafel III, Fig. 15). Am Rande der Keimscheibe geht das Eetoderm in das Entoderm über; im vorderen Theile der Keimscheibe setzt sich dasselbe in das Dotterentoderm fort (Fig. 12 I und II), am übri- gen Theil der Keimscheibe, soweit die Gastralhöhle am Rande sich ausdehnt, schlägt sich das Eetoderm in das gastrale Ento- derm um (Fig. 12 III—IX). Die Ausdehnung der Gastralhöhle kann aus den Quer- schnitten Fig. 12 I—IX und aus dem Grundriss Fig. 10 ersehen werden. Am Hinterrande der Keimscheibe hat die Gastralhöhle Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 65 eine grosse Breite, und steht daher der hintere Theil der Keim- scheibe mit dem Dotter gar nicht m Berührung (Fig. 12 VII—IX). An dem Sehnitt Fig. 12 VI ist der Anschluss an den Dotter ein- getreten und man unterscheidet den mittleren axialen Theil der Gastralhöhlle und die beiden peripheren Theile; der erstere verschmälert sich nach vorn hin und verschwindet am Vorder- ende des Embryonalschildes zwischen dem Schnitt Fig. 12 IV und dem Schnitt Fig. 12 III. Der periphere Theil der Gastral- höhle, welcher den Rand der Keimscheibe unterhöhlt, nimmt nach vorn hin rasch an Breite ab (Fig. VI u. V), aber die schmale Fortsetzung desselben lässt sich bis etwa zur Mitte des Keimscheibenrandes verfolgen; auf den Schnitten Fig. 12 II u. IV zeigt sich dieselbe als eine unter dem Rand der Keimscheibe befindliche nischenartige Einbuchtung. Wie das Entoderm des axialen Theiles der Gastralhöhle nach den Seiten hin im das Dotterentoderm übergeht, so setzt sich das Entoderm des peripheren Theiles nach innen hin in das Dotterentoderm fort; auf den Schnitten Fig. 12 III—V ist dies sofort zu sehen, während bei den Schnitten Fig. 12 VI—VIII das Auftreten des peripheren Mesoderms das Bild complieirter macht. Die Entstehung des Mesoderms ist von besonderem Interesse. Dieselbe ist eine bilaterale und geht vom gastralen Entoderm aus; das Mesoderm wuchert aus dem Entoderm hervor und schiebt sich zwischen die beiden primären Keimblätter ein. Der Vorgang beginnt jederseits längs einer Linie, welche im Randwulst ver- läuft und dem Hinterrande der Keimscheibe annähernd parallel geht. Die Lage dieser Linie, welche man Mesodermbildungslinie nennen mag, ist aus dem Grundriss Fig. 10 zu ersehen. Der äussere Theil der Linie liegt in dem peripheren Theil der Gastral- höhle; das innere medianwärts gelegene Ende macht eine Wen- dung nach vorn hin und setzt sich annähernd parallel der Median- “ ebene in den Embryonalschild hinein fort. In Folge der eigen- thümlichen Biegung kann die Linie. von den Querschnitten zweimal getroffen werden, erstens in der Nähe des Keimscheibenrandes und zweitens in der Nähe der Medianebene; auf den Schnitten Fig. 12 VI, VII, VIII ist die äussere Mesodermbildungsstelle mit **, die innere mit * bezeichnet. Dasjenige Mesoderm, welches am Rande der Keimscheibe seinen Ursprung hat, wird von Rückert als peripheres, von Rabl als peristomiales, das- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 5 65 H.E. Ziegler und F. Ziegler: Jenige, welches im Innern des Embryonalschildes entsteht, wird von Rückert als axiales, von Rabl als sgastrales Meso- derm bezeichnet. Die Abbildung bei Balfour, No. 1, Tat. IV, Fig.183, die-Bildervon®R ab, N0.-18, »Baf- VI, Be. 2275 und von Kollmann, No. 10b, Taf. V, Fig. 18 u. 19, sind sehr wohl geeignet, die beiden Verbimdungsstellen des Mesoderms zu zeigen. Von mehreren Autoren wird hervorgehoben, dass sich im Entoderm an den Stellen der Mesodermbildung, also an der ganzen Mesodermbildungslinie häufig Mitosen vorfinden, in welchen die Ursache der Proliferation des Mesoderms zu suchen ist. Die Fig. 12 VI—IX stellen .die Vorgänge in einer Reihe von Schnitten dar. Wie Fig. 121X zeigt, findet man am Hinter- rande des Blastoderms nur zwei aus mehrschichtigem Oylinder- epithel bestehende Keimblätter, das Eetoderm und das Entoderm '). Fig. 12 VIII trifft schon das Mesoderm und sieht man bei * die axiale, bei ** die periphere Bildungsstelle des Mesoderms. Den medianen Theil des Entoderms, welcher zwischen den axialen Ursprungsstellen liegt, kann man mit Rücksicht auf seine weitere Verwendung als Chorda-Entoderm bezeichnen. Auf dem Schnitt Fig. 12 VII hängt das periphere Mesoderm nicht mehr mit dem axialen zusammen. Das periphere Mesoderm setzt sich noch durch mehrere Sehnitte hindurch fort und nimmt dabei an Breite ab (Fig. 12 VD); die Bildung desselben reicht aber in diesem Stadium noch nicht so weit nach vorn als die Fortsetzung des seitlichen Theiles der Gastralhöhle, welche an den Schnitten als eine Nische unter dem Keimscheibenrande sich zeigt (Fig. 12 III—V); im den nächsten Stadien schreitet die Bildung des peri- pheren Mesoblastes rings um das ganze Blastoderm herum fort. An der Stelle, wo das periphere Mesoderm aus dem Entoderm herauswächst, sieht man auf den Schnitten eine kleine Einker- bung, welche der Querschnitt einer Rinne ist (Fig. 12 VI—-VIN); diese in der Mesodermbildungslinie liegende Rinne kann man die Mesodermbildungsrinne nennen ?); es wird sich zeigen, 1) Auf dem Schnitt Fig. 12 IX erscheint das Entoderm auffallend verdickt; dies erklärt sich daraus, dass dasselbe schief getroffen wurde, weil der äusserste Hinterrand der Keimscheibe abwärts umge- bogen ist. 2) Wir ziehen diesen indifferenten Ausdruck der von Rückert gebrauchten Bezeichnung „Coelombucht“ vor, obgleich wir gegen die letztere theoretisch nichts einwenden wollen (vgl. S. 76). Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 67 dass sie in den nächsten Stadien an dem hinteren Theil der Mesodermbildungslinie noch deutlicher zur Ausbildung kommt. Die Weiterbildung des axialen Mesoderms sieht man auf den Schnitten Fig. 12 VII u. VI, da auf dem ersteren die Meso- dermzellen neben dem Chorda-Entoderm aus dem Verbande des Entoderms herausrücken und auf dem letzteren das Entoderm an der betreffenden Stelle bereits verdickt ist (vergl. Balfour No. 1 Taf. IV Fig. 8b bei m). Es schreitet jetzt während der nächsten Stadien die Bildung des axialen Mesoderms bis zum Vorderende des axialen Entoderms fort, indem nach und nach immer weiter vorn jederseits vom Chordaentoderm zuerst die Verdiekung auftritt und dann die Zellen sich lockern und so das Mesoderm herauszuwuchern beginnt. Schliesslich sind noch die beiden Längsschnitte Fig. 15 u. 16 zu beachten. Der eine ist ein Medianschnitt, er trifft also im Entoderm durchweg das Chordaentoderm. Der andere geht an der seitlichen Grenze des Embryonalschildes; es wird daher das Eetoderm schief getroffen und erscheint sehr diek. Am Ento- derm sieht man die Mesodermbildungsrinne (bei *) und das nach vorn sich weiterschiebende Mesoderm. Die Schnitte, welche late- ralwärts von diesem Schnitt folgen, zeigen ein ähnliches Bild, wie man es an den Schnitten Fig. 12 VII u.VI am Rande beob- achtet, auf denjenigen Schnitten aber, welche medianwärts folgen, zeigt sich (durch mehrere Schnitte) die Anlage des Mesoderms als eine Verdiekung des Entoderms, und diese liegt successive auf jedem Schnitte etwas weiter vorn, was ja in Anbetracht der Biegung des innern (axialen) Theiles der Mesodermbildungslinie wohl zu begreifen ist!). Stadium Ü. Anlage der Medullarplatte und der Schwanzlappen; Entstehung der Chorda, Ausbildung des Mesoderms. Ein etwas älteres Stadium zeigen die Bilder Fig. 4, 5 u. 6. Dasselbe kann nach der Balfour'schen Benennung als Stadium © bezeichnet werden. An dem Oberflächenbilde Fig. 4 sieht man, l) Der von Rückert (Nr.21, S. 100) abgebildete Längsschnitt hat den axialen Theil der Mesodermbildungsrinne im Längsschnitt getroffen; daher ist der zwischen dem Blastodermrand und dem Me- soderm gelegene Raum, welchen Rückert als Coelomdivertikel be- zeichnet, so auffallend gross. 68 H. E. Ziegler und F. Ziegler: dass auf der Fläche der Blastodermscheibe die Anlage des Leibes des Embryo hervortritt, welche aus dem Embryonalschild des vorigen Stadiums entstanden ist; die Länge derselben beträgt etwa Ilmm. Die Oberseite der Anlage des Embryoleibes wird von der Medullarplatte eimgenommen; auf dieser bemerkt man in der Mittellinie die Medullarrinne, welche beinahe bis zum Vorderende sich erstreckt. Die Medullarrinne ist an ihrem Himter- ende deltaartig verbreitert. Der Hin- terrand des Blastoderms zeigt me- dian eine tiefe Einkerbung (Rand- kerbe von Rabl, Incisur von His), und die beiden Theile des Hinter- randes stehen nach hinten vor und bilden die Schwanzlappen (Tail-swel- Ings von Balfour, Randbeugen von His), welche beim Uebergang zum nächsten Stadium sich noch Fio 4 schärfer absetzen werden. An der Embryo im Stadium C. Contour der Sehwanzlappen be- (Mersrpsseruner 12: achte man die Stelle stärkster Krüm- mung, da dieselbe die erste Andeutung des Schwanzendes des Embryoleibes ist. Der Randwulst umsäumt das ganze Bla- stoderm; gegen den Hinterrand nimmt er successive an Breite zu, biegt dann in den Schwanzlappen nach vorm hin um und setzt sich zu den Seiten der Randkerbe und des Deltas der Me- dullarrinne in die Anlage des Embryoleibes fort. Betrachtet man die Querschnitte Fig. 6 und den zugehörigen Grundriss Fig. 5, so sieht man Folgendes. Die Darmhöhle (d.h. der axiale Theil der Gastralhöhle) reicht nahezu bis zum Vorder- ende der Anlage des Embryoleibes. Da das Vorderende des Embryo frei über die Blastodermscheibe weiterzuwachsen be- ginnt, so dass im nächsten Stadium der Kopftheil des Embryo an seiner Unterfläche nicht mehr mit der Blastodermscheibe zu- sammenhängt, so erscheint die Anlage des Darmeanales an ihrem vordersten Theile schon von dem Dotterentoderm abgeschnürt und stellt ein geschlossenes Rohr dar. Auf dem Schnitt Fig. 61, dessen Lage aus dem Grundriss Fig. 5 ersehen werden kann, ist der Darmkanal geschlossen und auch das Eetoderm durch- geschnürt; aber auf den nach hinten folgenden Schnitten treten Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 69 schon auf dem dritten das Eetoderm und auf dem fünften das Entoderm mit den entsprechenden Blättern der Blastodermscheibe in Verbindung. Auf dem Schnitt Fig. 6 II, welcher die vordere Rumpfgegend trifft, geht das gastrale Entoderm am Seitenrand der Gastralhöhle in das Dotterentoderm über und ist die Gastral- höhle auch unten von einer Entodermschicehte begrenzt, wie man es in einem jüngeren Stadium auf Tafel HI in Fig. 12 IV und in einem älteren Stadium auf Tafel IV in Fig. 19 IV sieht. Auf dem Schnitt Fig. 6 III, weleher etwas weiter hinten liegt, ist die Gastralhöhle unten vom Dotter begrenzt. Am Hinterende verhält sich die Gastralhöhle noch nahezu ebenso wie im vorigen Sta- dium; an dem Grundriss Fig.5 ist die Grenze derselben durch eine punktirte Linie angegeben; die Gastralhöhle breitet sich unter dem Hinterrande der Keimscheibe in der Weise aus, dass der ganze hintere Theil der letzteren mit dem Dotter nicht in Verbindung steht (Fig.6 V u. VD. Der periphere Theil der Gastralhöhle setzt sich ebenso wie in dem früheren Stadium am Seitenrand der Keimscheibe nach vorn hin fort (Fig. 6 IV—). In dem vorliegenden Stadium ist die Bildung der Chorda im srössten Theile der Anlage des Embryoleibes schon erfolgt (Fig. 6 III, II). Es ist bekanntlich der mediane Theil des Entoderms, das Chorda-Entoderm, welches derselben den Ursprung giebt. Da die Bildung der Chorda nach vorn und nach hinten hin fortschreitet, kann man am Vorderende und am Hinterende des Embryo die Entwiekelungsstadien beobachten. In Fig. 61V ist das Chorda- entoderm von dem seitlich anstossenden Entoderm gesondert; in Fig. 6 III ist die Chordaanlage schon aus dem Entoderm heraus- gerückt; in Fig. 6 I ist die Chordabildung erst durch eine schwache Biegung des Chorda-Entoderms angedeutet. Der Grundzug der bei der Chordabildung stattfindenden Zellenbewegung ist wie bei Amphioxus die Bildung einer medianen aufwärtsgehenden Falte. Die Einzelheiten der Chordabildung in diesem Stadium sind von Swaen Nr. 29 beschrieben worden. | Das Mesoderm ist im Vergleich zu dem vorigen Stadium beträchtlich weiter entwiekelt. Die Ausdehnung des Mesoderms ist in dem Grundriss Fig.5 durch dunklen Ton angegeben. Die Bildung des axialen Mesoderms ist bis zum Vorderende der Darm- anlage vorgeschritten; wie schon bei dem vorigen Stadium ge- sagt wurde, geschah dies in der Weise, dass das Entoderm 70 H. E. Ziegler und F. Ziegler: Fie.5.. Grundriss zu dem Embryo, dessen Oberflächenbild in Fig. 4 und dessen Querschnitte in Fig.6 abgebildet sind. Die Lage der Schnitte ist ein- gezeichnet. Kn Blastocoelblase (Anlage des Blastocoelknopfes). Die Ausdehnung des Mesoderms ist durch dunklen Ton angegeben; man erkennt das axiale Mesoderm (welches an seinem Vorderende und in der Nähe des Randes der Blastodermscheibe mit dem gastralen Ento- derm in Verbindung steht) und das periphere Mesoderm (pM), welches sich am Rande der Blastodermscheibe hinzieht. Die dunkle Linie am Hinterrande des Mesoderms bedeutet die Mesodermbildungsrinne (bei * und **). Die dunkle punktirte Linie bedeutet die vordere Grenze der Gastralhöhle. jederseits vom Chorda-Entoderm sich verdickte und dass dann die Zellen sich lockerten und das Mesoderm aus dem Entoderm hervorwucherte; das axiale Mesoderm hat aber nur am Vorderende und am Hinterende den Zusammenhang mit dem Entoderm be- wahrt und sich dazwischen vollständig von demselben abgelöst. Die vordere Verbindung liegt vor dem Schnitt Fig. 61; an diesem Schnitt sieht man das Mesoderm neben dem Chorda- Entoderm nahe an das Entoderm herantreten und auf den Schnit- ten, welche weiter nach vorn hin bis zum Vorderende des Darm- rohres folgen, steht das Mesoderm an eben dieser Stelle immer deutlicher mit dem Entoderm in Verbindung; das Herauswuchern des Mesoderms ist unverkennbar und man erhält solche Bilder, wie sie Swaen Nr.29, Taf. XV, Fig. 12 u. 13 abgebildet hat. Von diesem vordersten Theil des Darmrohres bis nahe an den Hinterrand der Blastodermscheibe steht das axiale Mesoderm mit dem Entoderm nieht mehr in Verbindung. Betrachtet man aber den Schnitt Fig. 6 V, welcher eine ganz kurze Strecke vor der Randkerbe (Ineisur) gelegen ist, so sieht man, dass das Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 71 DEn dk Ee pM | | al I A. Beck | EEE 1 8 x De 4 ET: In € E ES 2 Ba IV V VI Fig. 6. Querschnitte durch einen Embryo vom Stadium ©. Die Lage der Schnitte ist in Fig.5 eingetragen. pM peripheres Mesoderm. Ee Ecto- derm. dk Dotterkern. DEn Dotterentoblast. Mesoderm mit dem Entoderm zusammenhängt und dass neben dem medianen Theil des Entoderms!) eine tiefe Einkerbung (bei *) 1) Derselbe erscheint auf dem Schnitt sehr verdickt; obgleich das Chordaentoderm nach hinten beträchtlich an Breite und Dicke zunimmt, zeigt sich die Verdickung hier doch zu gross, weil das Entoderm etwas schief getroffen wird; dies hängt damit zusammen, 12 H. E. Ziegler und F. Ziegler: in das Mesoderm hinein einschneidet, so dass dasselbe theils mit dem medianen Entoderm, theils mit dem lateralen Entoderm in Verbindung steht. Man erhält hier ein Bild, welches recht gut im Sinne der Coelomtheorie sich deuten lässt. Auf dem Grundriss Fig.5 ist der Verlauf der Mesoderm- bildungslinie durch einen dunklen Strich markirt, soweit die Ver- bindung des Mesoderms und des Entoderms noch besteht; man sieht, dass diese Linie in derselben Weise wie in dem früheren Stadium dem Blastodermrand annähernd parallel geht und dass sie neben der Randkerbe sich einwärts wendet (bei *). An diesem einwärts umgebogenen Ende hat der oben erwähnte Schnitt (Fig. 6 V) die Mesodermbildungslinie getroffen, und wir sehen dar- aus, dass an dieser Stelle durch längere Zeit hindurch der Pro- cess der Mesodermbildung fortgeht (während weiter vorn das axiale Mesoderm schon vom Entoderm abgelöst ist). Ebenso verhält sich der ganze periphere Theil der Mesodermbildungs- linie; parallel dem ganzen Hinterrande und an dem ganzen Seitenrande ist die Mesodermbildung noch im Fortschritt begriffen. In dem peripheren Theil der Gastralhöhle zeigt sich entsprechend dem Verlauf der Mesodermbildungslinie eine Rinne, dieselbe Rinne, welche wir schon bei dem früheren Stadium bemerkt und Me- sodermbildungsrinne genannt haben; sie zeigt sich auf den Quer- schnitten Fig. 6 I—VI als eine Einkerbung bei **; es ist klar, dass die Einkerbung, welche an dem axialen (einwärts umge- bogenen) Theil der Mesodermbildungslinie (Fig. 6 V bei *) be- merkt wurde, die Fortsetzung dieser Rinne ist, und demnach auch Mesodermbildungsrinne genannt werden darf, obgleich die Rinne auf den Schnitten, welche den hintersten Theil des Mesoderms treffen (Fig. 6 VI), nieht scharf markirt, sondern ziemlich abge- flacht ist. Die Bildung des peripheren Mesoderms erstreckt sich in diesem Stadium an den Seitenrändern viel weiter nach vorn als in dem früheren und sie steht im Begriff auf den Vorderrand der Blastodermscheibe sich auszudehnen. Soweit am Seitenrande die periphere Fortsetzung der Gastralhöhle nach vorn reicht, entsteht das Mesoderm in der oben schon besprochenen Weise dass der äusserste Hinterrand der Blastodermscheibe gerade an der Randkerbe stark nach unten umgebogen ist. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 73 von dem gastralen Entoderm. Weiter vorn wächst dasselbe aus dem Dotter-Entoderm hervor unmittelbar an der Stelle, wo das Eetoderm in das letztere übergeht (Fig. 6). Nach der Auffassung von Rückert wird das Mesoderm am vorderen Theil des Seitenrandes in der Weise gebildet, dass sich „am Rande die oberflächliche Schichte des Entoblast von ihrer Unterlage ablöst und ein mittleres Blatt darstellt“. In der That hat es stellenweise den Anschein, als ob das Mesoderm eher durch Abtrennung (Delamination) aus dem Dotterentoderm, denn durch Einwuche- rung (Proliferation) entstehe; aber wir fassen den Vorgang trotz- dem als eine Einwucherung auf, erstens weil nach Analogie der Mesodermbildung am übrigen Seitenrande dieser Vorgang als der wesentliche erscheint, und zweitens weil schon bei der Bildung des Dotterentoderms am Rande eine Einwucherung sich betheiligte (vergl. S. 61), also der in Betracht kommende äusserste Theil des Dotterentoderms selbst durch Einwucherung vom Rande her gebildet wurde. Es scheint dieselbe vom Rande ausgehende Einwucherung zu sein, welche erst den peripheren Theil des Dotterentoderms und dann das Mesoderm erzeugt. Die hier bei der Beschreibung des Stadiums B und C ge- gebene Darstellung der Entstehung des Mesoderms bestätigt im Wesentlichen die Angaben von Rabl und Rückert. Rabl hat seine Beobachtungen an Embryonen von Pristiurus melano- stomus Bonap. gemacht!) und mag hier aus seiner Darstellung Folgendes erwähnt werden. Derjenige Theil des Mesoderms, welcher neben dem Chordaentoderm den Ursprung nimmt, wird als gastrales Mesoderm, derjenige, welcher vom Entoderm des Umschlagsrandes entspringt, als peristomiales Mesoderm bezeichnet. Beide Theile gehen am Hinterende der Embryonalanlage konti- nuirlich in einander über. Wenn das gastrale Mesoderm seine Verbindung mit dem Entoderm bereits gelöst hat, behält das peristomiale Mesoderm die Verbindung mit dem Entoderm noch länger bei. Bei Embryonen des Stadiums B zeigt sich auf Quer- 1) Auf ebensolche Embryonen beziehen sich die Angaben von C. K. Hoffmann (Nr. 8), nach welchen das gastrale Mesoderm wie bei Amphioxus durch Ausstülpung des Entoderms entsteht. Hoff- mann's Darstellung ist eine sehr schematische. 74 H. E. Ziegler und F. Ziegler: schnitten die Bildung des gastralen und des peristomalen Meso- derms in folgender Weise. Zwischen Chordaentoderm und Darm- entoderm bemerkt man eine kleine grubige Vertiefung, und man kann sich leicht überzeugen, dass hier insofern eine Continuitäts- trennung des Entoderms besteht, als Chordaentoderm und Darm- entoderm nicht unmittelbar in einander übergehen, sondern beide sich in's Mesoderm fortsetzen. Im Grunde der Grube oder in geringer Entfernung davon bemerkt man häufig Theilungsfiguren, deren Achsen so stehen, dass sie ungefähr gegen die Grube hin- zielen. Aehnliche Verhältnisse finden sich in der Nähe des Blastodermrandes; auch hier sieht man eine kleine grubige Ver- tiefung, und die Wände der Grube setzen sich einerseits in's Mesoderm, andererseits in's Eetoderm des Umschlagrandes, sowie in den lateralen Rand des Entoderms fort. Auch hier sieht man im Grunde der Grube oder nicht weit davon entfernt häufig Kerntheilungsfiguren, mit der Achse gegen die Grube gerichtet. Kollmann hat neuerdings (No. 10b) für Pristiurus die Darstellung von Rab] bestätigt und die Bildung des Mesoderms an zwei guten Querschnittsbildern erläutert. Die Angaben von Rückert beziehen sich auf Torpedo. Aus seiner ziemlich ausführlichen, aber nur von einer einzigen Abbildung begleiteten Darstellung wollen wir nur Folgendes her- vorheben. Der bei der Bildung des Mesoderms im Entoderm entstehende „Defeet“ (weleher oben Mesodermbildungsrinne ge- nannt wurde) wird von Rückert als Coelom bezeichnet. „Da das Goelom in Form eines Halbringes jederseits dem hinteren Blastodermrand nach vorn folgt, erscheint es auf den Quer- schnitten in jeder Seitenhälfte zweimal getroffen, einmal zur Seite der Chorda als axiale, zweitens am Rande als periphere Meso- blastquelle. Von beiden Ursprungsstätten aus dringen die Zellen einander entgegen und verschmelzen zunächst hinten in einer gemeinsamen Platte.“ „Die kleine Nische, welche an der Unter- fläche (des Seitenrandes des Blastoderms) zu Stande kommt, fasse ich als einen Gastrularaum auf, und zwar als einen rudi- mentären, weil er nach rückwärts mit der Urdarmhöhle zwar in Zusammenhang steht, aber im weiteren Verlauf der Entwicke- lung nicht mit in diese einbezogen wird, sondern zu Grunde geht. Eine vollständige Bestätigung für diese Ansicht erblieke ich nun in der Thatsache, dass mit dem Eintritt der Mesoblast- BL Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. bildung an dem Dach dieses Raumes eine zweite kleinere Nische in Form einer dorsalen Ausbuchtung oder richtiger Einkniekung des Entoblasts sich einstellt, welche nichts anderes sein kann als die Coelombucht.‘“ Wenn man die Entstehung des Mesoderms der Selachier mit derjenigen der anderen Wirbelthiere vergleicht, so steht zu- nächst soviel fest, dass das intraembryonale (axiale, gastrale) Mesoderm homolog ist der Ursegmentreihe des Amphioxus und den Mesodermstreifen der Amphibien und Amnioten. Ein Homologon des extraembryonalen (peripheren, peristomialen) Mesoderms scheint bei Amphioxus zu fehlen‘), bei den Amphibien aber wird es in dem am Umkreis des Dotterpfropfs gebildeten Mesoderm gefunden. Der hintere Rand des Blastoderms der Selachier ist die dorsale Blastoporuslippe und entspricht dem Rande, welcher bei Rana im Beginn der Gastrulation durch eine halbkreisförmige Rinne von dem Dotterpfropf sich absetzt; wenn die Rinne zu einem Kreise sich schliesst (Rusconi'schen Kreis), schreitet die Bil- dung des Mesoderms längs derselben nach der Ventralseite des Blastoporus hin fort, wie bei den Selachiern die Entwickelung des Mesoderms nach dem vorderen Rande des Blastoderms hin sich fortsetzt. Die Mesodermbildungsrinne der Selachier ent- sprieht jener Rinne oder Einkerbung, welche auch bei den Am- phibien längs des Zusammenhangs des Mesoderms und des Ento- derms zu verfolgen ist und welche OÖ. Hertwig (No. 6) ein- gehend beschrieben hat, weil sie für die Coelomtheorie von wesentlicher Bedeutung ist (die Stelle ist in den Hertwig’schen Figuren durch ein Sternehen gekennzeichnet). Wie sich die Mesodermbildungsrinne der Selachier auf die Seiten der Blasto- dermscheibe ausdehnt, so erstreckt sich jene Rinne bei den Am- phibien auf die Seitentheile des Blastoporusrandes. Die Bildung des intraembryonalen (axialen) Mesoderms geschieht bei den Am- phibien durch Abspaltung, während bei den Selachiern der Vor- gang als eine Herauswucherung bezeichnet werden muss. Doch 1) Es mag dahingestellt bleiben, ob die beiden von Hatschek beschriebenen, am ventralen Blastoporusrande liegenden „hinteren Pol- zellen des Mesoderms“ mit dem am vorderen (ventralen) Rand der Blastodermscheibe entstehenden Mesoderm der Selachier homologisirt werden dürfen. 76 H. E. Ziegler und F. Ziegler: können bekanntlich die Processe der Abspaltung und der Heraus- wucherung (Proliferation) nieht scharf von einander getrennt wer- den. Hinsichtlich der zeitlichen Aufeinanderfolge der einzelnen Vorgänge ist ein grosser Unterschied zwischen den Amphibien und den Selachiern; bei den ersteren erfolgt die Bildung des axialen Mesoderms gleichzeitig mit dem Einstülpungsvorgang (Gastrulation), bei den Selachiern ist die Einstülpung bereits ge- bildet, wenn die Mesodermbildung an der Dorsalseite der Gastrula- höhle allmählich nach vorn vorschreitet. Wenn man im Sinne der Coelomtheorie die Ausstülpung als den ursprünglichen Bildungsmodus des Mesoderms der Wirbel- thiere ansieht, wird man die Mesodermbildungsrinne für eine palin- genetische Bildung halten und mag man dieselbe mit Rückert als Coelombucht bezeichnen. Es erscheint dann als cenogene- tische Abänderung, dass diese Rinne bei der Bildung des intra- embryonalen (axialen) Mesoderms nicht mehr deutlich sich mar- kirt. Wer aber annimmt, dass die Mesodermstreifen in der Phy- logenie ursprünglich nicht aus Darmdivertikeln hervorgegangen ‚sind, wird die Entstehung der Mesodermbildungsrinne nur als die cenogenetische Folge des intensiven Proliferationsvorgangs betrachten). Stadium D. Weiterbildung der Medullarplatte, Ausbildung der Schwanzlappen, Differentiation im Mesoderm. Ein folgendes Stadium zeigt die Fig. 7 im Oberflächenbild. dazu gehören auf Tafel IV die Figuren 18 u. 19 I—IX. Das Stadium entspricht der Stufe D nach der Bezeichnung von Balfour. Die Blastodermscheibe hat sich etwas weiter ausgedehnt. Die Anlage des Embryoleibes hat an Grösse und an Höhe zuge- nommen; sie misst jetzt nahezu 2 mm in der Länge. Der Kopf- theil des Embryoleibes steht ventralwärts mit der Blastoderm- scheibe nicht in Verbindung. Die Medullarplatte ist sehr stark gewachsen; die äusseren Ränder der Medullarplatte, welche die Medullarwülste bilden, haben sich stärker erhoben. Das Vorder- 1) Vgl. H. E. Ziegler Nr. 32, 8. 391 —39. I Beiträge zur Entwickelungsgeschiehte von Torpedo. {\ ende der Medullarplatte hat sich nach abwärts umgekrümmt. Die Medullarrinne ist namentlich am vorderen Ende und in der Nähe des Hinterendes beträchtlich tiefer als in dem früheren Stadium); sie verbreitert sich an ihrem Hinterende und geht in die Randkerbe über. Da die letztere ventral zur Gastralhöhle führt und so eine Verbindung der Medullarrinne und der Gastral- höhle darstellt, kann man in diesem Stadium von emem „rinnen- Bit: Embryo im Stadium D. (Vergrösserung 18.) förmigen Canalis neurentericus“ sprechen („Ineisura neurenteriea“ nach His). Die Schwanzlappen haben sich in diesem Stadium gegen den Seitenrand der Blastodermscheibe schärfer abgesetzt. An der Peripherie der Blastodermscheibe hat sich der Rand- wulst des früheren Stadiums in eine Reihe inselförmiger Er- höhungen aufgelöst und entsprechend zeigt das periphere Meso- derm auf den Schnitten eine Reihe von inselförmigen Zellmassen, welche Blutinseln darstellen ?.. Da der Rand der Keimscheibe vorrückte und die Blutinseln relativ etwas zurückblieben, sind sie vom Rande ein wenig entfernt. 1) Fig.17 auf Tafel III stellt ein Stadium dar, welches zwischen C und D steht und bei welchem die Erhebung des Embryoleibes und die Vertiefung der Medullarrinne noch nicht soweit gediehen sind. 2) Die Entstehung der Blutinseln aus dem Randwulst ist zuerst von Kollmann (Nr. 10 und 10a) hervorgehoben worden. 18 H. E. Ziegler und F. Ziegler: Der periphere Theil der Gastralhöhle ist nahezu gänzlich verschwunden; mit Ausnahme der Schwanzlappen hat sich der ganze hintere Theil der Blastodermscheibe dem Dotter angelegt und als Rest des peripheren Theils der Gastralhöhle ist nur noch eine Rinne von geringer Tiefe vorhanden, welche jederseits unter dem Hinterrande der Blastodermscheibe von den Schwanzlappen ab eine kurze Strecke weit sich hinzieht. Die Ausdehnung der Gastralhöhle ist auf Tafel IV m dem Grundriss Fig. 18 durch eine punktirte Linie angedeutet. Das Mesoderm hat seine neben dem Chordaentoderm ge- legene (axiale, gastrale) Verbindung mit dem Entoderm fast völlig gelöst; nur der bei dem vorigen Stadium erwähnte Zusammen- hang am Vorderende der Gastralhöhle besteht noch fort, aber am Hinterende hat sich die axiale Verbindung bis zum Hinter- rande der Schwanzlappen gelöst. Am Hinterrande der Schwanz- lappen steht das Mesoderm mit dem Entoderm im Zusammen- hang und auch im ganzen Bereich des peripheren Mesoderms ist die Verbindung des Mesoderms mit dem Entoderm erhalten; daher kann das Mesoderm noch fortwährend vom Rande her Nachschub bekommen und wachsen. Das periphere Mesoderm zieht sich in Form einer dünnen Lamelle am ganzen Rande der 3lastodermscheibe hin und hat also sozusagen die Form eines Diaphragma. In dem Grundriss Fig. 18 ist das Mesoderm durch grauen Ton angegeben; der Zusammenhang des Mesoderms mit dem Entoderm ist durch eine dunkle Linie angedeutet; dieselbe zieht sich an dem ganzen Rande der Blastodermscheibe hin, verbreitert sich in der Nähe der Schwanzlappen und verläuft dann am Aussenrande und Hinterrande der Schwanzlappen. Wenn man die Querschnitte ansieht, welche in Fig. 19 I—IX abgebildet sind, so möge man beachten, dass dieselben zwar vertikal, aber nicht genau quer (senkrecht zur Längsaxe) geführt sind, dass stets die (vom Beschauer aus) rechte Seite des Schnittes etwas weiter vorn liegt als die linke. Der Schnitt Fig. 19 IX geht durch die beiden Schwanzlappen nahe ihrem Hinterende, dla wo dieselben durch die Randkerbe getrennt sind; er trifft die Mesodermstreifen an ihrem Hinterende, wo sie mit dem Ento- dderm zusammenhängen. Der nächste der abgebildeten Schnitte geht durch das Hinterende der Medullarrinne, nahe an der Stelle, wo am Ende der Randkerbe die Medullarplatte in den Chorda- Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 19 Entoblast sich umschlägt; der mediane Theil des Entoderms zeigt die Chordarinne. Wie oben die Medullarrinne, so mündet unten die Chordarinne nach hinten in die Randkerbe (die rinnen- förmige Anlage des Canalis neurenterieus) aus. Der axiale Zu- sammenhang des Mesoderms und des Entoderms ist auf dem Schnitte Fig. 19 VIII und auf den nach vorn hin folgenden nicht mehr vorhanden; aber der äussere, der periphere Zusammenhang ist überall zu erkennen; man sieht denselben auf den Schnitten Fig. 19 VII u. VI an dem Rest der peripheren Gastralhöhle (bei **) und auf den weiter vorn gelegenen Schnitten an der Uebergangsstelle vom Eetoderm zum Dotterentoderm. Jedoch sieht man auf Fig. 19 VIII rechts, Fig. 19 VII links und Fig. 19 VI links, dass noch eine zweite Verbindung besteht, welche in geringer Entfernung vom lateralen Rande der Gastralhöhle, un- gefähr in der Grenzlinie der Anlage des Embryonalleibes ver- läuft. Das Entoderm zeigt an der Stelle dieser Verbindung von unten her eine kleine Einkerbung (Fig. 19 VI links). Diese Ver- bindung besteht nur auf wenigen Schnitten und man kann an- nehmen, dass sie ein Theil der am Blastodermrand bestehenden Verbindung ist, welcher in der Verlängerung der seitlichen Grenz- linie der Schwanzlappen zurückblieb, während die Schwanzlappen und der ganze Hinterrand des Blastoderms nach hinten sich weiter vorschoben. Da das Mesoderm an der in Rede stehenden Verbindung in derselben Weise wie an der peripheren Verbindung einen Zuwachs erfährt, zeigt das Mesoderm im nächsten Stadium an dieser Stelle eine auffällige Verdiekung (vgl. S. 83). Das in der Anlage des Embryoleibes befindliche Mesoderm stellt die beiden Mesodermstreifen dar. Am Rumpf- und Schwanztheile des Embryo hängen die Mesodermstreifen eontinuirlich mit dem periphe- ren Mesoderm zusammen; aber bei Schnitt Fig. 191V geht das Meso- «dlerm nicht mehr eontinuirlich vom Embryoleib zum Rand der Blasto- dermscheibe, sondern endet hier wie dort mit einem dünnen freien Rande. In dem peripheren Mesoderm bemerkt man ganz nahe an dem freien Rande eine der schon oben erwähnten Blutinseln; dieselbe erscheint wie eine Verdiekung des peripheren Mesoderms; in Anbetracht dessen und in Hinsicht auf die Entstehungsweise der Blutinseln wird man nicht bezweifeln, dass dieselben meso- dermale Bildungen sind (vergl. No. 34, S. 7 Anm.). Wenn das Meso- derm in die Ursegmente und die Seitenplatten sich differenzirt 80 H. E. Ziegler und. Ziegler: und an den letzteren die beiden Blätter sich sondern, so zeigt es sich, dass das ganze periphere Mesoderm morphologisch zu den Seitenplatten gehört. Die Segmentirung der Mesodermstreifen nimmt im Rumpftheile des Embryoleibes ihren Anfang und be- ganıı schon in dem oben beschriebenen Stadium C; in dem vor- liegenden Stadium sind im Rumpfe des Embryo 10 Ursegmente entwickelt; auf den in den Schwanzlappen befindlichen hinteren Theil der Mesoderimstreifen erstreckt sich die Segmentirung noch nicht. Wie die Schnitte 19 IV u! V zeigen, beginnt bei dem vorliegenden Stadium in den Seitenplatten die Bildung der Leibes- höhle. Die Darmanlage erscheint im Kopftheil als ein geschlosse- nes Rohr, im übrigen Theil des Körpers als eine nach unten sich öffnende Rinne; die letztere ist nur in ihrem vordersten Ab- schnitte durch eine dieke Lage von Entodermzellen gegen den Dotter abgegrenzt, wie Fig. 19 IV zeigt. Der Schnitt Fig. 19 IU liegt gleich hinter der Stelle, wo der freie Kopftheil mit der Blastodermscheibe in Verbindung tritt; das Entoderm bildet ein Rohr, und zwei Schnitte weiter vorn erschemt auch das Eetoderm abgeschnürt. Der Schnitt Fig. 19 II geht nahezu durch den vordersten Theil des Darmrohres; das Mesoderm steht an der Oberseite des Darmrohres mit dem Entoderm in Verbindung und bis zu ihrem Vorderende sind die beiden Blätter in untrennbarem Zusammenhang. Zwei Schnitte vor dem abgebildeten Schnitt verschwindet das Lumen des Darmrohres, doch lassen sich das Entoderm und das damit verschmolzene Mesoderm noch 9 Schnitte weiter verfolgen. Bei dem Schnitt Fig. 19 I (weleher um 17 Sehnitte von dem Schnitt Fig. 19 II entfernt ist), sind nur die beiden Hälften der Medullarplatte und das äussere Ectoderm zu sehen; der Schnitt legt unmittelbar vor der Stelle, wo der mitt- lere Theil der Medullarplatte endet. Stadium FE. Schluss des Medullarrohrs; erste Anlage des Herzens; Blastocoelknopt. Zu einem folgenden Stadium gehören die Fig. 8 und auf Taf. IV Fig. 20 und 21 I—X. Wir bezeichnen dasselbe als Beiträge zur Entwickelungsseschichte von Torpedo. 81 > oro pP Stadium F.!). Die Länge des Embryoleibes beträgt 2,6 mm. Das Medullarrohr hat sich im grössten Theil der Anlage des Embryonalleibes geschlossen; aber am vordersten Ende und im letzten Drittel des Körpers steht der Schluss noch aus. Die Schwanzlappen haben eine schiefe Lage und ihre Oberfläche fällt dachartig nach rechts und links ab; ihre obern (innern) Ränder sind beinahe zur Berührung einander genähert, sie sind noch etwas mehr genähert als die Ränder des zunächst nach vorn hin folgenden Theiles des Medullarrohres. Durch Vergleichung Figr®. Embryo im Stadium F. (Vergrösserung 18.) des früheren und des folgenden Stadiums wird man erkennen, dass die Schwanzlappen aus der horizontalen Lage in die verti- kale übergehen und sich dann zusammenlegen in der Art, dass die Vereinigung ihrer Ränder oben zuerst erfolgt, dann am Hin- terrande weitergeht und an der Ventralseite nach vorn vorschreitet. Der periphere Theil der Gastralhöhle ist jetzt gänzlich ge- 1) Im Vergleich zu den von Balfour beschriebenen Stadien ist dasselbe in manchen Beziehungen, z.B. hinsichtlich des Schlusses des Medullarrohrs schon etwas weiter entwickelt als sein Stadium F. Da aber die Bezeichnungen von Balfour sich auf Pristiurus-Em- bryonen beziehen, können Torpedo-Embryonen nicht ganz scharf nach denselben bestimmt werden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 6 32 H. E. Ziegler und F. Ziegler: schwunden; mit Ausnahme der Schwanzlappen schliesst sich die ganze Blastodermscheibe mit verdünntem Rande dem Dotter an. In den Beziehungen des Mesoderms zum Entoderm ist im Ver- gleich zu dem früheren Stadium keine erhebliche Aenderung ein- getreten; insbesondere ist im den Schwanzlappen und an der Wurzel der Schwanzlappen der Zusammenhang der beiden Keim- blätter derselbe geblieben. Die Differentiation der Mesoderm- streifen hat Fortschritte gemacht. Am Rumpftheile des Embryo sind schon äusserlich bei der Oberflächenansicht 13 Ursegmente erkennbar und im Kopfe sind zahlreiche Segmente vorhanden !). Die Bilder der Querschnitte sind nicht sehr von denjenigen des früheren Stadiums unterschieden. Bei der Betrachtung der Querschnitte Fig. 21 I—X möge man berücksichtigen, dass die rechte Seite des Schnittes (vom Beschauer aus) stets ein wenig weiter hinten liegt als die linke. Der Schnitt Fig. 21 X geht nahe dem Hinterende der Schwanzlappen; links sieht man, dass die Mesodermstreifen an ihrem Hinterende mit dem Entoderm verschmolzen sind, rechts erkennt man, dass etwas weiter vorn diese Verbindung nur am lateralen Rande des Mesoderms fort- besteht; im Vergleich mit Fig. 19 IX wird es sehr deutlich, wie die Medullarwülste sich gegen emander genähert haben. Der Sehnitt Fig. 21 IX liegt nahe am Hinterende des Medullarrohrs unmittelbar vor der Stelle, wo die Medullarplatte mit dem Chorda- entoderm verschmolzen ist; an dem letzteren sieht man die flache Chordarinne. Bei dem Schnitt Fig. 21 VIII hat sich das Chorda- entoderm bereits aus dem Verband des Entoderms herausgelöst und den Chordastrang gebildet; an der rechten Seite dieses Schnittes sieht man bei ** noch eine Spur der früheren Meso- dermbildungsrinne (vergl. Fig. 19 VIII links), während auf der linken Seite bereits die Ansatzstelle der Schwanzlappen getroffen ist und das Blastoderm folglich sich an den Dotter anschliesst, da ja der im vorigen Stadium noch unter dem Rand der Blasto- dermscheibe hinziehende Rest des peripheren Theils der Gastral- höhle verschwunden ist. Der Schnitt No. 21 VII liegt um Weniges vor der Ansatzlinie der Schwanzlappen; das Mesoderm hängt 1) Hinsichtlich der Kopfsegmente dieses Stadiums muss auf die Arbeiten von Dohrn (No.3) und von Killian (No. 9a) verwiesen werden. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 33 hier nieht allein am Rande des Blastoderms, sondern auch noch neben der Grenze der Darmhöhle mit dem Entoderm zusammen: die letztgenannte Verbindung ist dieselbe, von der schon bei dem vorigen Stadium (S.79) die Rede war !); sie wird nach vorn hin auf den nächstfolgenden Schnitten gelöst. Da diese Verbindung, wie schon oben gesagt wurde, sich von der peripheren Verbin- dung herleitet und wie diese an der Mesodermproduktion sich betheiligt, so hat das Mesoderm an dieser Stelle eine auf- fallende Dicke erreicht; die dieke Zellmasse, welche sich dem- nach jederseits an der Basis der Schwanzlappen zeigt, stellt aber nicht etwa eine bestimmte Organanlage dar, sondern sie ist sozu- sagen nur ein Zellenvorrath des Mesoderms, speciell des Seiten- plattentheiles desselben; beim weiteren Wachsthum des Embryo- leibes wird sie mehr und mehr vertheilt. Fig. 21 V zeigt einen Schnitt aus der Mitte des Leibes; derselbe geht rechts durch die Mitte eines Ursegmentes und lässt folglich den Zusammenhang der Höhle des Ursegmentes mit der Leibeshöhle erkennen ?); links geht der Schnitt nicht durch die Mitte des Ursegmentes; man sieht die Abgrenzung des Urseg- mentes gegen die Seitenplatten; die letzteren sind bis nahezu zum Rand der Blastodermscheibe deutlich in Somatopleur und Splanchnopleur gesondert und die Blutinsel liegt unter dem letz- teren; die Zellen der Blutinsel haben sich gelockert und werden dann als Blutkörperchen weggeschwemmt, wenn die Blutinsel mit dem unter dem Splanchnopleur sich entwickelnden Gefässnetz im Verbindung getreten ist. Der Schnitt Fig.211IV liegt ein wenig mehr als ein Drittel, der Sehnitt Fig. 21 III etwas weniger als ein Viertel der Leibes- länge vom Vorderende entfernt; in der Gegend, welcher diese Sehnitte angehören, wird sich beim nächsten Stadium das Herz 1) In der Arbeit von Schwarz (No.27) ist diese Verbindung auf Tafel XII an Fig.3, 4 und 9 sehr deutlich zu sehen und mit einem Sternchen bezeichnet. 2) Dieser Zusammenhang ist bei Torpedo bekanntlich mehr ein ideeller als ein reeller, da nicht eine offene, sondern nur eine ge- schlossene Spalte die Verbindung herstellt; in der Mitte jedes Ur- segments setzen sich die Epithellamellen desselben continuirlich in die Seitenplatten fort (H. E. Ziegler No.32, S.383, Rückert No.21, S. 105). 34 H. EB. Ziegler und F. Ziegler: entwickeln. In der Herzgegend findet (in ähnlicher Weise, wie es bei Amnioten längst beobachtet ist) eine Abschnürung des Darmrohres statt und die bei Fig. 21 IV an dem Entoderm zu bemerkende Verengerung deutet die Stelle an, wo der Oesophagus von dem Rest der Darmanlage sich abtrennen wird!); in dem nächsten Stadium würde man also auf einem entsprechenden Querschnitt ein derartiges Bild erhalten, wie es Paul Mayer (No. 15) auf Tafel 12 Fig. 3 abgebildet hat und auf welchem man oben den Oesophagus, darunter die Herzanlage und unter dieser einen Rest der Darmanlage sieht. Die Kiemengegend ist schon am Oberflächenbild des Embryo durch eine flache Vorwölbung erkennbar, aber bei der Betrach- tung der Schnitte zeigt sich, dass die Ausstülpungen des Ento- derms, welche die einzelnen Kiemenspalten anlegen, noch nicht gebildet sind. Zwischen dem Schnitt Fig.21 II und dem Schnitt Fig. 21 I liegen solche Schnitte, wie sie Dohrn in seiner 15. Studie zur Urgeschichte des Wirbelthierkopfes (No. 3) in Fig. 9 bis 17 abgebildet hat?). Der Schnitt Fig. 21 II liegt m der Mund- gegend; das Entoderm legt sich dem Eetoderm dicht an und wölbt dasselbe nach aussen vor. Auf dem fünften der nach vorn folgenden Schnitte endet das Lumen des Darmrohres. Die Diffe- renzirung der Chorda ist in diesem Stadium am Kopfende voll- endet; das Vorderende der Chorda ist um das Vorderende des Darmrohres vertikal abwärts umgebogen. 1) In dieser Hinsicht bestätigen wir die Darstellung von Rückert (N0.19, S.389). Auch konnten wir wie PaulMayer und Rückert in dem vorliegenden Stadium am Splanchnopleur des Pericardiums das Austreten einzelner Mesenchymzellen häufig beobachten und solche Zellen stellen die erste Anlage des Herzendothels dar. Der Austritt der Zellen findet meistens nicht gerade an der Stelle der Verengerung, sondern ein wenig höher oben statt; manchmal sieht man Mitosen an der Grenze des Splanchnopleurs, deren Lage den Vorgang ausser Zweifel stellt. Dagegen haben wir uns nicht davon überzeugen können, dass das Entoderm sich an der Bildung des Herzendothels betheilieit, wie Rückert behauptet (No.19, S. 391). 2) Das von Dohrn besenhi Bene Stadium steht dem vorlie- genden sehr nahe. Die Frage nach der Zahl der Kopfsegmente, welche Dohrn in dieser Arbeit behandelt, berühren wir hier nicht, da wir unsere Aufmerksamkeit nicht speciell auf diesen Punkt gerichtet haben. Neuerdings hat Killian (No. 9a) die Kopfsegmente von Torpedo- embryonen auf Grund von Plattenmodellen eingehend bearbeitet. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. s5 Fig. 21 I zeigt einen Schnitt, welcher vor dem Vorderende des Darmes liegt und den Gehirntheil des Medullarrohrs an der Stelle trifft, wo die Augenblasen sich ausstülpen; oben macht sich durch lockere Lagerung der Zellen die Differenzirung der „Ganglienleiste* bemerkbar. Das Medullarrohr. ist vorn abwärts umgebogen, die höchste Stelle der Biegung entspricht dem Mittel- hirn (vergl. Fig. 20 und Fig. 23 u. 25). Das Medullarrohr ist in diesem Stadium an seinem Vorderende noch nicht geschlossen und zwar erstreckt sich die Oeffnung auf den unteren Theil der vorderen Fläche und den grössten Theil der Unterfläche des nach abwärts umgebogenen Theiles (s. Fig. 20 bei *). Schliesslich mag bei diesem Stadium noch der eigenthüm- liche Knopf erwähnt werden, welcher auf der Blastodermscheibe vor dem Kopfende des Embryoleibes so auffallend hervortritt (s. Fig. T und 8); wir wollen ihn den Blastocoelknopf nennen, da er aus der Blastocoelblase entstand, von der schon früher die Rede war (S. 62). Der Hohlraum der Blastocoelblase, welcher ein Rest der Furchungshöhle ist und in welchem sich emige stark mit Dotter beladene Furchungszellen befinden, wird in das Eetoderm aufgenommen und von demselben gänzlich umschlossen, so dass das Gebilde aus der Gestalt emer flachen Blase in die eines kugeligen Knopfes sich umwandelt. Während der nächsten Stadien zeigen sich an dem Ectoderm des Blastocoelknopfes un- regelmässige Wucherungen, deren Bildung vermuthlich durch die aus den dotterhaltigen Zellen zugeführte Nahrung veranlasst oder begünstigt wird. Nachdem der in den eingeschlossenen Furchungs- zellen liegende Dotter aufgezehrt ist, schwindet der ganze Blasto- eoelknopf und es scheint, dass er an dem Aufbau des Embryo morphologisch keinerlei Antheil nimmt. Rückert (No. 21) hat die Entstehung des Knopfes richtig beschrieben; aber er be- hauptet weiterhin, dass in dem Knopfe Blutkörperchen gebildet würden, — ein sehr auffallender Vorgang, von welchem wir an den uns vorliegenden Stadien nichts gesehen haben und den man nach der Darstellung von Rückert, welche keine Abbildung enthält, schwer verstehen kann. 56 HE. Zuelellier unasE.Zuweeler: Stadium G. und Stadium H. Vereinigung der Schwanzlappen, Entstehung des Canalis neurentericus, Anlage des Afters. Von einem folgenden Stadium, welches annähernd dem Stadium G von Balfour entspricht, ist nur eine Oberflächen- ansicht gegeben (Fig. 22). Die Länge des Embryoleibes beträgt 3 mm. Das Medullarrohr ist am Vorderende auf der Dorsalseite seschlossen, aber an der Ventralseite des Gehirntheils noch bei- nahe an der ganzen unteren Fläche durch eine schmale Spalte geöffnet. Am Kiemendarm ist die Anlage der ersten und eine Andeutung der zweiten Kiemenspalte vorhanden, aber auf dem Oberflächenbild zeigt sich noch keine Spur der Kiemenspalten- bildung. Wenn man den Embryo als durchsichtiges Objekt (in Canadabalsam) betrachtet, kann man 20 Ursegmente erkennen!?). Die interessantesten Vorgänge haben sich am Hinterende voll- zogen; die Querschnitte, die man hier erhält, sind ganz ähnlich denen, welche Schwarz (No.27) beschrieben und auf Tafel XII Fig. 15—22 abgebildet hat. Die Schwanzlappen haben sich auf- gerichtet und medianwärts zusammengelegt; der Schluss des Me- dullarrohrs ist bis zum Hinterende vorgeschritten und die Ver- schmelzung der Schwanzlappen am Hinterende bereits erfolgt; an der Unterfläche des Schwanzes steht sie aber noch aus und ist das Darmrohr ventralwärts offen?). Der Canalis neurentericus, welcher bisher als eine Rinne (Ineisura neurenterica nach His) angelegt war, ist jetzt geschlossen, und die am Hinterende befindlichen undifferenzirten Zellmassen, in welchen Mesoderm und Entoderm zusammenhängen, sind unter und hinter dem Canal zur medianen Vereinigung gekommen); die so entstandene 1) Dazu kommen die Kopfsegmente, welche natürlich auf diese Weise nicht zu sehen sind. 2) Es mag hier noch besonders erwähnt werden, dass bekannt- lich die Nahtbildung, welche die Medullarwülste vereinigte und welche über das Hinterende der Schwanzlappen herablaufend den Canalis neu- rentericus zum Verschluss brachte, in den nächsten Stadien an der Ventralseite des Schwanzes nach vorn vorrückt, so dass die unteren (die früheren äusseren) Ränder der Schwanzlappen zur Vereinigung kommen, worauf dann dieselbe Nahtbildung auf die Ränder des Blasto- derms sich fortsetzt. 3) Bei einer Schnittserie eines Embryo des vorliegenden Sta- diums fanden wir die Vereinigung noch nicht vollzogen, aber nahe Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 87 Zellmasse wollen wir als Schwanzknopf bezeichnen; sie entspricht in ihren morphologischen Beziehungen jener am Schwanzende der Amnioten-Embryonen befindlichen Zellmasse, welche aus dem Primitivstreifen hervorgeht, und ist derselben homolog zu setzen !). Die Entstehungsweise des Canalis neurentericus ist schon von Balfour (No.1, 8.90) riehtig aufgefasst und nachher von Rückert, von Kastschenko und von Schwarz be- schrieben worden. Mit Recht sagt Kastschenko (Nr.9): „Der Canalis neurentericus muss seiner Entstehungsweise nach als ein abgeschnürter Theil des Blastoporus betrachtet werden.“ Rückert setzt den Theil des Randes der Blastodermscheibe, welcher bei der Bildung des Canalis neurenterieus verwendet wird, als embryonales Properistom dem übrigen Theil dieses Randes, dem ausserembryonalen oder Dotter-Properistom gegenüber; bei der Zusammenlegung der Schwanzlappen kommt das embryo- nale Properistom von beiden Seiten median zur Verschmelzung. In der hinter dem Canalis neurenterieus stattfindenden Ver- wachsung, durch welehe der Schwanzknopf entsteht, kann man eine partielle Bestätigung der bekannten Theorie von His (Nr. 7) sehen, nach weleher der Embryo der Selachier und überhaupt der Embryo der Wirbelthiere durch mediane Vereinigung zweier lateraler Hälften entstehe?). Wir können aber hier nicht ge- bevorstehend; man konnte nicht allein das Neuralrohr, sondern auch eine schmale Fortsetzung des Darmrohrs bis zum Hinterrande der Schwanzlappen verfolgen und stand diese mit dem Neuralrohr durch eine schmale Spalte im Zusammenhang; am äussersten Hinterrand der Schwanzlappen war am Ectoderm die mediane Verschmelzung schon erfolgt; die Verbindung des Neuralrohrs und des Darmrohrs hat also noch nicht die Gestalt eines Canals, sondern wird durch eine die beiden Hälften des Hinterendes trennende Spalte dargestellt, deren Länge beträchtlich ist und der Tiefe der früheren Randkerbe ent- spricht. Indem durch die mediane Verschmelzung der Schwanzknopf entsteht, wird die Verbindung auf einen schief von unten vorn nach oben hinten gehenden Canal reduecirt. 1) Wer annimmt, dass der Canalis neurentericus bei allen Wirbel- thieren an homologer Stelle liegt und dass der Primitivstreif der Am- nioten verschmolzenen Theilen des Blastodermrandes entspricht, für den dürfte diese Auffassung einer specielleren Rechtfertigung kaum noch bedürfen. 2) Auf der diesjährigen Anatomenversammlung hat His eine neue Darlegung seiner Auffassung gegeben (Verhandlungen der ana- 88 H. E. Ziegler und F. Ziegler: nauer auf die Frage eingehen, ob diese Theorie noch in weiterem Sinne für die Selachier Giltigkeit hat!). Nur um Weniges älter ist das Stadium, zu welchem die Figuren 23 und 24 I—V gehören?); in Fig. 23 ist der Embryo abgebildet, wie er als Präparat bei durchfallendem Licht sich zeigt. Das Stadium entspricht dem von Balfour mit H bezeichneten Pri- stinrus-Embryo. Die Länge des Embryonalkörpers beträgt 3,8 mm. Kiemenspalten sind im der Oberflächenansicht noch nicht erkenn- bar, aber es haben sich an dem Kiemendarm schon drei Kiemen- taschen entwickelt, von welchen die 3. noch kurz und klein ist?). Das Gehirn ist an seiner Ventralseite noch nicht völlig ge- schlossen und es besteht in der Gegend der Augenstiele noch eine kurze spaltförmige Oeffnung (vorderer Neuroporus). Der Embryo besitzt 27 Ursegmente (an dem im Ganzen einge- legten Embryo gezählt). Der hintere Theil des Embryo zeigt sich im Vergleich zu dem vorigen Stadium beträchtlich verlängert. An der ganzen Unterseite des freien Theiles des Embryo ist der Darm jetzt geschlossen; die Nahtbildung, welche an der Unter- seite des Schwanztheiles nach vorn hin vorschritt, ist im Begriff toimischen Gesellschaft auf der Versammlung zu München 1891 S. 70 bis 85). Im vorigen Jahre versuchte Minot die Concrescenztheorie für alle Wirbelthiere durchzuführen (Charles Sedgwick Minot The Conerescence Theory of the’ Vertebrate Embryo. American Natu- ralist 1890 u. 1891). 1) Wenn man entscheiden will, inwiefern eine Materialverschie- bung vom Randwulste her nach der Anlage des Embryonalleibes statt- findet, muss man vor allem die Durchschneidungsversuche berück- sichtigen; es kommen dabei die Angaben von Kastschenko (No. 9) in Betracht und die neuen Versuche von Rückert, deren Publikation bevorsteht. 2) Das Stadium, auf welches sich die Figg. 6—11 der unter No.32 eitirten Arbeit beziehen, ist nahezu ebenso alt. Die zur De- monstration der Herzbildung von Paul Mayer in der Arbeit No.15 Tafel XII, Fig.2 u. 3 abgebildeten Schnitte gehören auch einem der- artigen Stadium an. 3) In Fig. 23 sieht man zwischen der Augenblase und dem oberen Ende der 1. Kiemenspalte (Spritzloch) eine helle Stelle; es ist die Höhle der Mandibularzone der Koptsegmente (s. Killian |. c.), nach der Bezeichnung von van Wijhe (No.30) die Höhle des zweiten Kopf-. somiten. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 89 auf die Ränder des Blastoderms sich fortzusetzen, welche unter dem Schwanze des Embryo sieh schon von den Seiten her ein- ander nähern. Einige der Querschnitte, welehe durch den hinteren Theil des Embryo gehen, sind in Fig. 24 I—V abgebildet. Fig. 24 I ist der vorderste derselben. Unter dem Quer- schnitt des Embryonalkörpers sieht man die beiden sieh nähernden Ränder der Blastodermscheibe. An der Ventralseite des Embryo- nalkörpers steht das Eetoderm nur noch in loser Verbindung mit dem Entoderm und wird sich demnächst ablösen; wie der Schluss des Darmes erfolgte, das kann man sich leicht vorstellen, wenn man die einem jüngeren Stadium angehörige Fig. 16 auf Taf. XII der Arbeit von Schwarz (Nr. 27) vergleicht. Der Schnitt Fig. 24 1 liegt eine Strecke weit vor der Stelle des künftigen Anus. In Bezug auf die Bildung des Anus be- stätigen wir die Angaben von Balfour (Nr.1 Seite 221) und von Schwarz (l.e.). Obgleich der Darm an dem ganzen freien Hinterende des Embryo ursprünglich offen war und durch Nahtbildung sich schloss und obgleich der After später an einer Stelle dieser Naht entsteht, so findet doch vorerst ein voll- ständiger Verschluss der Naht statt und kann die Stelle des Afters in diesem Stadium nur daraus annäherungsweise bestimmt werden, dass der unmittelbar hinter dem After gelegene Theil des Darmrohres (aus welchem, wie die späteren Stadien zeigen, die Kloake entsteht) mit dem Eetoderm in Berührung bleibt und dasselbe nach aussen etwas vortreibt (vergl. Fig. 9a), während das vor dem After gelegene Darmrohr sich von dem Eetoderm ablöst, wie man es eben an Fig. 241 sieht. Der Schnitt Fig. 24 II liegt eine Strecke hinter der Stelle des Anus; die Schnitte Fig. III—V gehören der Gegend des Canalis neurenterieus an; bei Fig. III steht die Chorda mit dem Entoderm in imnniger Verbindung und sind die Mesodermstreifen an der Ventralseite des Darmes mit dem Entoderm verschmolzen; Fig. IV u. V gehen durch den Canalis neurentericus; dieser steigt in schiefer Riehtung nach hinten oben auf; Fig. V trifft den obersten Theil des Canalis neurentericus, oder was. dasselbe ist, das Hinterende des Medullarrohrs; darunter sieht man die Zellen- masse des Schwanzknopfes, in der die Mesodermstreifen enden und bei welcher Entoderm und Mesoderm nicht zu trennen sind. Durch Vergleichung der Fig. II—V erkennt man, dass das 90 HB: E Ziegler und R.Zier ler: Mesoderm in immer höherer Ausdehnung mit dem Entoderm zu- sammenfliesst und dass beide Blätter in dem Schwanzknopf auf- gehen. Wenn man sich klar machen will, wie die Schwanz- lappen sich zusammenlegen und der Schwanzknopf entsteht, so ist es instruktiv, die Schnitte Fig. 24 II—V mit denen Fig. 21 VIII—X zusammenzuhalten. 3ei allen Wirbelthieren, bei welchen ein offener Canalis neurentericus vorkommt, findet man in der Nähe desselben die nämlichen Beziehungen der Keimblätter. Wenn man in der Arbeit von Schwarz (Nr.27) die Abbildungen, welche sich auf die Selachier beziehen, mit denjenigen vergleicht, welche Schnitte durch Entenembryonen darstellen (l. ec. Taf. XIII, Fig. 95—98, 53—62, 63 u. f.), wird man sich leicht überzeugen, dass stets auf den Schnitten zuerst die Chorda mit dem Entoderm verschmilzt und auf denselben Schnitten oder etwas weiter hinten das Mesoderm mit dem Entoderm zusammenfliesst; am Canalis neurenterieus geht das Chordaentoderm in das Epithel des Medullarrohrs über und hinter dem Canal enden die Keimblätter in der gemeinsamen Zellmasse, welche bei den Amnioten Primitivstreifen, bei den Selachiern Schwanzknopf genannt wird. Bei solehen Wirbel- thieren, bei welchen das ganze Medullarrohr oder wenigstens doch das Hinterende desselben solid angelegt wird, ist ein offener Canalis neurenteriecus nicht vorhanden, doch kann man auf Grund der erwähnten Beziehungen der Keimblätter die Stelle bestimmen, welche demselben entspricht. So zeigt sich, dass bei den Teleostiern die Stelle des Canalis neurentericus vor der (Oellacher’schen) Schwanzknospe bei der Ku pffer’schen Blase gelegen ist, wie man dies ebenfalls aus den Abbildungen und der Darstellung in der Arbeit von Schwarz erkennen kann!. Die Schwanzknospe der Teleostier entspricht dem 1) Für die hier ausgesprochenen Ansichten den empirischen Beweis zu erbringen, das war die Aufgabe, zu deren Durchführung Herr Schwarz im Jahre 1885 seine Untersuchungen begann; jedoch sind diese Gedanken in der Publikation von Schwarz (welche auf sorgfältiger Beobachtung beruht) schliesslich nicht völlig in der ur- sprünglich geplanten Weise zum Ausdruck gekommen, da der allge- meine vergleichende Abschnitt ganz kurz gefasst wurde, als die Ar- beit (im Jahre 1889) als Dissertation eingereicht wurde. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 91 Sehwanzknopf der Selachier und dem Primitivstreifen der Am- nioten. Aber die Umwachsung der Dottermasse ist bei den Te- leostiern nieht so sehr verzögert wie bei den Selachiern und den Amnioten. Stadium I—K. Organanlagen am Kopf; Durchbruch der Kiemenspalten; Extremitätenleiste; Wachsthum des Schwanzes; Dottergefässe. Das älteste Stadium, welches hier besprochen wird, steht zwischen den Stadien I und K von Balfour und soll als Em- bryo I—K bezeichnet werden. Die Leibeslänge .beträgt 6,5 mm. Fig.9 u. 9a geben die Oberflächenansicht, Fig. 25 auf Tafel IV zeigt den Kopf, wie er als Präparat in Canadabalsam erscheint. Das Gehirn ist jetzt ganz geschlossen; man sieht die Gliederung in Vorderhirn, Zwischenhirn, Mittelhirn und Hinter- hirn. Vor den Augenblasen zeigt sich die Anlage der Riech- srube als eine sehr flache Einsenkung, im welcher das Ecto- derm etwas verdiekt ist. An den Augenblasen ist, wie die Schnitte zeigen, schon die Linsenbildung durch eine schwache Verdiekung des Eetoderms vorbereitet. Das Ohrbläschen hat sich eingesenkt, ist aber noch offen. Man beachte die drei Ganglien, welche schon im Oberflächenbild zu erkennen sind, weil sie das Eetoderın vorwölben: Das Trigeminusganglion über dem Kieferbogen, das Facialis-Acustieus-Ganglion über dem Hyoidbogen und das Glossopharyngeusganglion über dem folgenden Kiemen- bogen. Zwischen den beiden Kieferbögen liegt die Mundbucht; dieselbe hat in dem vorliegenden Stadium noch die Gestalt einer länglichen dorsoventral verlaufenden Einsenkung, wandelt sich aber in den nächsten Stadien in eine quere Spalte um, da die Kieferbögen eine Knieckung erfahren, so dass man an jedem Bogen einen Oberkiefertheil und emen Unterkiefertheil unter- scheiden kann; oben wachsen die Oberkiefer medianwärts zu- sammen, um die Mundbucht nach oben abzuschliessen; unten kommen die beiden Unterkieferhälften median zur Verschmelzung (während die unteren Enden der Kieferbögen in dem vorliegen- den Stadium durch einen feinen, aber tiefen Spalt getrennt sind). Drei Kiemenspalten sind vollständig _durchgebrochen. An 92 H. E. Ziegler und F. Ziegler: der vierten Kiemenspalte steht der Durchbruch nahe bevor und die Anlage der fünften ist bereits äusserlich erkennbar. Auf den Kiemenbögen entwickeln sich die äusseren Kiemen. Das suceessive Auftreten der Kiemenfäden hat Dohrn (Ne. 3a, S. 134) richtig beschrieben. In Fig. 9 sieht man am ersten Kiemen- bogen (Hyoidbogen) und am zweiten ein aus dem Hinterrand hervorwach- sendes Zäpfchen, wel- ches die Anlage eines Kiemenfadens ist. Bei einem älteren Embryo, welcher 6 Kiemenspal- ten zeigte, wuchsen aus dem ersten und zweiten Kiemenbogen schon je 4 oder 5, aus dem dritten und vierten je 3 wnd aus dem fünften eime einzige Kiemenfadenanlage her- vor. Am Ende der Kie- menregion verengert sich das Darmrohr, es beginnt der Oesopha- gus, welcher ein klei- nes (aber durchweg deutliches) !) rundliches Lumen hat. Der Oeso- phagustheil des Darm- rohres geht ohne Ab- E19 9% Embryo im Stadium I—K. h (Vergrösserung 13.) grenzung in den Ma- gentheil über. Auf 1) Balfour sah bei Seyllium, (dass vom Stadium I—K ab lange Zeit hindurch ein Lumen im Oesophagus fehlt (l.e. 8.217). Rabl (Nr. 18) hat den soliden Oesophagus bei Pristiurus-Embryonen von 45-46 Urwirbeln und von 74—75 Urwirbeln erwähnt und abgebildet. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 93 den Querschnitten, welche hinter dem Hinterende des Herz- schlauches folgen, sieht man an dem Darmrohre jederseits eine zapfenartige Ausstülpung; es ist dies die Leberanlage (abgebildet von Balfour l.e. Tafel XI Fig. 9). Von dieser Stelle an nimmt das Darmlumen rasch an vertikaler Ausdehnung zu, und man kommt an den Darmnabel oder Dotterstiel, in dessen öt m Bereich das Entoderm bis N Zu) u vIm zum Dotter hinabreicht. Kb Aud Unterhalb der Kiemen- = region liegt das Herz, Pe welches mit der umhül- lenden Pericardialhöhle ui eine relativ grosse Her- ® vorwölbung an dem Em- vn bryo erzeugt. Die Schlin- genbildung des Herz- schlauchs ist noch nicht eingetreten, aber dadurch Be vorbereitet, dass der un- terste Theil des Herz- . 0 schlauchs (Vorhoftheil) et- FL —— was nach links, der fol- Sk gende Theil (Ventrikel- theil) etwas nach rechts Fig. 9a. verschoben ist. Conturzeichnung des in Fig. 9 darge- stellten Embryo. Oc Augenblase, N Riech- Von den Ursegmenten srube, Kb Kieferbogen, a Stelle des zählt man in diesem Sta- Afters, Fl ventraler Flossensaum des i \ Schwanzes, Sk Schwanzknopf, mh Mittel- dium bei der Oberflächen- hirn, Aud Öhrbläschen, v E vorderer ansieht 41 bis 45. Am Theil der Extremitätenleiste (vordere . \ Extremität), hE hinterer Theil der Ex- Schwanzende reichen die tremitätenleiste, Vn Gegend der Vor- Bracmenta, bis in die Alere,cl deratler Inpsehraum DE E& Nähe des Schwanzknopfes eialis-Acusticus, IX Glossopharyngeus. und aus dem Materiale des letzteren wird während des weiteren Wachsthums des Schwanzes die Reihe der Ursegmente verlängert. Am Rumpt- theile des Embryo zeigt die Seitenwand desselben unterhalb der Ursegmente eine leistenförmige Vorwölbung; diese ist die Extre- mitätenleiste; der vorderste Theil derselben, welcher der vorderen 94 H. E. Ziegler und F. Ziegler: Extremität entspricht, ist durch eine deutliche Anschwellung aus- gezeichnet. Auf den Querschnitten zeigt sich, dass in der Extre- mitätenleiste in diesem Stadium die Entwickelung des mesodermalen (sewebes noch nicht beträchtlich ist, dass die Leiste vielmehr durch eine Vorbuchtung des Eetoderms und des Somatopleurs erzeugt ist. Das Einwachsen der Muskelknospen ist noch nicht erfolgt; bekanntlich tritt vor dem Einwachsen der Muskelknospen eine vom Somatopleur ausgehende Mesenchym-Produktion (Vor- wucherung von Bildungsgewebe!) ein; diese hat in dem vor- 1) In den Arbeiten Nr. 32—34 ist für das embryonale Gewebe, welches die undifferencirte Vorstufe der mesenchymatischen Gewebe dar- stellt, der von Götte eingeführte Ausdruck Bildungsgewebe gebraucht worden. “ Der Ausdruck Mesenchym wurde vermieden, weil er mit mehreren hypothetischen und bestrittenen Theorien auf das innigste zusammenhing. Es wurde hervorgehoben (Nr. 32, S. 380), dass derselbe „in Verbindung steht mit einer bestimmten Hypothese über den phy- logenetischen Ursprung der Leibeshöhle“, und dass er „die mesen- chymatischen Gewebe genetisch in Gegensatz bringt zu den Urseg- ınenten und dem Pleuroperitonealepithel“. Weiterhin aber heisst es dort: „man kann den Ausdruck Mesenchym in der Embryologie nur dann beibehalten, wenn man mit demselben kein Merkmal verbindet, als dasjenige mesodermaler Zellen von embryonalem Cha- rakter, welche nicht in epithelialem Verbande (epithe- lialer Anordnung) stehen; in diesem Sinne mag man auch statt Bildungsgewebe Mesenchym sagen“. Da das Wort Mesenchym in den neueren Publikationen der Autoren wesentlich in diesem letzteren Sinne gebraucht wird, so treten jetzt die damals gegen die Annahme des Ausdrucks obwaltenden Bedenken in den Hintergrund. ©. Hert- wig hatte bei den ersten Auflagen seines Lehrbuchs (No.5) das Me- senchym der Wirbelthiere von einem besonderen Bindesubstanzkeim abgeleitet (im Anschluss an His, Waldeyer, Kollmann u. A.) und demselben demnach einen vom Mesoderm ganz unabhängigen Ur- sprung zugeschrieben. Gerade gegen diese Ansicht war die oben- erwähnte Schrift (Nr. 32) gerichtet. In der neuesten Auflage seines Lehrbuchs hat O0. Hertwig in Berücksichtigung der neueren Unter- suchungen eine wesentlich andere Darstellung von der Entwickelung des Mesenchyms gegeben; er nimmt für dasselbe „einen mehrfachen Ursprung aus verschiedenen Stellen des mittleren Keim- blattes“ an. „Das Wesentliche der Mesenchymtheorie“ sieht O. Hert- wig darin, dass sie „in der frühesten Entwickelung der Gewebe einen Gegensatz feststellt zwischen den epithelialen Keimblättern und einem durch Aufhebung’ des epithelialen Verbandes ent standenen Füllgewebe, welches sich zwischen den Grenzblättern aus- Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 95 liegenden Stadium am vorderen Theil der Extremitätenleiste be- gonnen und ist im übrigen Theil derselben durch Verdiekung des Somatopleurs eingeleitet !). In den Stadien H und I hat die Entwiekelung der Vor- niere und des Urnierenganges stattgefunden. Der letztere ist in dem vorliegenden Stadium bis in die Gegend der Kloake zu ver- folgen, wo er an das Eetoderm herantritt, und in einer dünnen, mit dem Eetoderm verlötheten Spitze endet. Wir haben unsere Aufmerksamkeit nur beiläufig auf die Entwickelung des Urogeni- talsystems gerichtet, welche von van Wijhe ®&r. 30a) und Rückert (Nr. 22a) gründlich bearbeitet worden ist. An dem hinteren Theile des Embryo kann man zwei Ab- schnitte unterscheiden: 1) den hinteren Rumpftheil von der Stelle der Ablösung (vom hinteren Ende des Hautnabels) bis zum After und 2) den Schwanztheil vom After bis zum hinteren Körperende?). Auf der vor dem After gelegenen Strecke hat sich der Darm von dem Eetoderm abgelöst und dazwischen haben sich die Seitenplatten eingeschoben, welche unter dem Darme zusammengetroffen sind und hier die mediane weite Subin- testinalvene umschliessen. Vor der Stelle des Afters theilt sich die Subintestinalvene in ihre beiden Wurzeln (die beiden Caudal- venen), welche an den Seiten des Schwanzdarmes verlaufen. Wo sich der After bilden wird, ist schon in der Oberflächenan- sicht leicht zu erkennen; der Darm ist in der Aftergegend ein hohes aber nieht sehr weites Rohr und man sieht an der unteren Contur des Schwanzes vor dem Beginn des Schwanzflossensaumes eine schmale mediane Vortreibung, welche durch diesen Theil breitet und bald als etwas Selbständiges erscheint“ (No.5, 3. Aufl., S. 148). 1) Von den in der Arbeit No0.32 gegebenen Abbildungen be- ziehen sich die Figg. 12, 13 und 14 auf ein Stadium, welches nur wenig Jünger war, als das vorliegende; Fig. 12 zeigt einen vor dem Anfang der Extremitätenleiste, Fig. 13 einen im Anfang der Extremitätenleiste gelegenen Querschnitt. Die Entstehung der Extremitätenleiste wird l. e. S.388 und 390 besprochen. 2) Es erschien nicht nöthig Schnitte abzubilden, welche durch den hinteren Theil des Embryo gehen, da Schwarz (No.27) solche Schnitte beschrieben hat, welche sich theils auf ein jüngeres (l. ce. Fig. 23—26), theils auf ein etwas älteres Stadium (l. e. Fig. 27—34) beziehen. 96 H. E. Ziegler und F. Ziegler: des Darmrohres verursacht ist (vergl. Schwarz l.c. Fig. 25, 26, 28—380.). Dieser Theil des Darmrohres entspricht der späteren Kloake, und die Afteröffnung entsteht am vorderen Ende . desselben. Da im der Aftergegend der Darm mit dem Eetoderm in Berührung tritt, müssen die Seitenplatten (welche vor dieser Stelle median unter demselben zusammentreffen) getrennt werden, und ist der Verlauf des freien unteren Randes derselben durch eine Absetzung schon am Oberflächenbild im der Kloakengegend zu erkennen (Fig. 9a bei *). Im Sehwanztheil ist innerhalb der Seitenplatten Kein Lumen (Leibeshöhle) mehr entwickelt. Der hinter der Kloakenanlage folgende Theil des Schwanzdarms unterliegt in den nächsten Stadien einer fortschreitenden Ver- engerung, von welcher aber in dem vorliegenden Stadium nur die erste Andeutung zu erkennen ist. Am Schwanzende_ trifft man den Canalis neurenterieus, an dessen unterem Ende der Schwanzdarm späterhin durch relative Weite sich auszeichnet und so das Schwanzbläschen (caudal vesiele Balfour) bildet. Vor dem Canalis neurenterieus fliesst die Chorda mit dem Entoderm und dann mit dem Medullarohr zusammen. In der Nähe des Canals treten die Seitenplatten an ihrem unteren Rande mit dem Entoderm im Verbindung; unter und hinter dem Canalis neurenterieus trifft man die Zellmasse des Schwanz- knopfes, welche weiterhin der Verlängerung der Mesoderm- streifen dient. Die Querschnittsbilder des Schwanzendes sind ganz ähnlich den Fig. 24 II—V, welche sich auf den jüngeren Embryo beziehen. Der Schwanzknopf ist stets em Ort lebhafter Zellvermehrung, und werden Mitosen häufig in demselben ge- troffen. - An der Blastodermscheibe ist zu beachten, dass die Ränder derselben hinter dem Embryo eine Strecke weit median sich ver- einigt haben. Man kann diese Erscheinung so auffassen, dass die Nahtbildung, durch welche der Darm an der Unterseite des Schwanzes zum Verschluss kam (vergl. S. 86 u. 88), sich auf die Ränder der Blastodermscheibe fortgesetzt hat (Balfour Nr.1,S.81). In dem vorliegenden Stadium ist in der Blastodermscheibe und zwar unter dem Splanchnopleur ein Gefässnetz entwickelt. Man sieht an Fig. 9 zwei Gefässe, welche hinter dem Perieardium hervor- treten, sich nach den Seiten wenden und in ein Capillarnetz auflösen, und ferner die beiden den Rand der Blastodermscheibe £) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 97 begleitenden Gefässe, welche, soweit die beiden Blastodermränder vereinigt sind, nebeneinander verlaufen und von hinten her in den Bauchnabel eintreten. Nach der Darstellung von Balfour (Nr. 1,, Tafel; VII) und Paul ,Mayex,, (Nr. 15,,,S. 346, u. f£.) sind die erstgenannten Gefässe als die Dotterarterien, die letzt- genannten als die Dottervenen anzusehen. Wie Paul Mayer gezeigt hat, treten die Dottervenen am Hinterende des Darm- nabels mit der Subintestinalvene in Verbindung und wird das Blut dieser Gefässe durch die grosse, an der linken Seite des Darmnabels verlaufende Vene zum Herzen geführt. Die Dotter- arterien sind Zweige der in der Vorniere (vgl. Rückert Nr. 22a) aus der Aorta entspringenden und auf der rechten Seite des Darmnabels herablaufenden grossen Arterie, welche Paul Mayer als Nabelarterie!) bezeichnet. Freiburg i.Br., September 1891. Nachtrag. Herr Dr. V. Häcker hatte die Güte, uns über die Cireu- lation folgende Beobachtungen mitzutheilen, welche er Ende Oc- tober d.J. in der zoologischen Station zu Neapel an einigen Pri- stiurus-Embryonen gemacht hat. Nach Abhebung eines Theiles der Eikapsel konnte man durch Goldehloridlösung (!/, °/,) die Gefässe auf dem Dotter sichtbar machen; das Blastoderm hatte schon etwas mehr als die Hälfte des Dottersackes umwachsen. Die auf der rechten Seite des Darmnabels auf den Dotter herab- steigende Nabelarterie geht nach vorn und gabelt sich vor dem Kopfe des Embryo in zwei Dotterarterien, welche sich nach rechts und links wenden und nach hinten umbiegen (wie Bal- four gezeichnet hat). Während an ihrer Umbiegungsstelle keine Seitenverzweigungen zu beobachten sind, geben sie in ihrem wei- teren Verlaufe zahlreiche anastomosirende Gefässe ab, welche nach hinten gehend ihr Blut in die am Rande des Blastoderms 1) Bei Teleostierembryonen ist offenbar die Arteria mesenterica (No. 33, S. 623), welche im Bereich der Vorniere entspringt und auf der rechten Seite des Darmes nach der Leber geht, der Nabelarterie der Selachier homolog. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 —] 98 H.E. Ziegler und F. Ziegler: verlaufenden Venen ergiessen; die beiden grossen Dottervenen (Randvenen) treten von hinten her in einen weiten venösen Ge- fässraum ein, welcher am hinteren Umfang des Darmnabels sich ausdehnt und aus welchem dann das Blut (wie Paul Mayer) angibt) durch ein weites Gefäss auf der linken Seite des Darm- nabels zum Herzen geführt wird. Litteratur- Verzeichniss. 1. F.M. Balfour, A Monograph on the development of the Elasmo- branch Fishes. London 1878. Reprinted from the Journal of Anat. and Physiol. for 1876, 1877 and 1878. 2. J. Beard, On the development of the Common Skate (Raja batis). Rep. Fish. Board. Edinburg 18%. 2a. — The Origin of the segmental duct in Elasmobranch. Anatom Anzeiger No. 21, 1887. 3. A. Dohrn, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. XV. Neue Grundlagen zur Beurtheilung der Metamerie des Kopfes. Mitth. aus der zoolog. Station zu Neapel. 1X. Bd. 1890. 3a. — Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. IV. Kiemen- bogen der Selachier. VI. Flossen der Selachier. Mitth. aus der zoolog. Station zu Neapel. V. Bd. 1884. 4. — Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. VII. Ent- stehung und Differenzirung des Zungenbein- und Kieferapparates der Selachier. Mitth. aus der zoolog. Station zu Neapel VI. Bd., 1886. 5. O0. Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Men- schen und der Wirbelthiere. 1. Aufl. 1886, 2. Aufl. 1888, 3. Aufl. 1890. 6. — Die Entwickelung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft XVI. Bd., 1883. 7. W. His, Ueber die Bildung der Haifischembryonen. Zeitschrift für Anatomie und Entwickelungsgeschichte, Vol. II, 1877. 8. ©. K. Hoffmann, Sur l’origine du feuillet blastodermique moyen chez les poissons cartilagineux. Archives Neerlandaises T. XVII. 9. Kastschenko, Zur Entwickelungsgeschichte der Selachier. Anat. Anzeiger 1888, S. 445. 9a. Killian, Zur Metamerie des Selachierkopfes. Verhandl. d. ana- tomischen Gesellschaft auf der Versammlung zu München 1891, S. 85. 10. J. Kollmann, Der Randwulst und der Ursprung der Stützsub- stanz. Archiv für Anat. und Phys. Anat. Abth. 1884. 10a. — Gemeinsame Entwickelungsbahnen der Wirbelthiere. Archiv für Anat. u. Phys. Anat Abth. 1885. 10b. — Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen von 13—35 Ur- wirbeln. Archiv für Anatomie u. Phys. Anat. Abth. 1891. 11. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 99 A. Kowalevsky, Development of Acanthias vulgaris and Mustelus laevis (Russisch. Verhandl. der Naturforscher - Gesellschaft in Kiew Vol.I, 1870. R. Leuckart, Ueber die allmähliche Bildung der Körpergestalt bei den Rochen. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. Il. Fr. Leydig, Beiträge zur mikrosk. Anatomie und Entwickelung der Rochen und Haie. Leipzig 1852. A. W. Malm, Bitrag till Kaennedom om utvecklingen of Rajae. Konigl. vetenskaps akademiens foerhandlingar. Stockholm 1876. Paul Mayer, Ueber die Entwickelung des Herzens und der grossen Gefässstämme bei den Selachiern. Mittheil. d. Zool. Sta- tion zu Neapel Bd. VIl. Joh. Müller, Glatter Hai des Aristoteles und über die Verschie- denheiten unter den Haifischen und Rochen in der Entwickelung des Eies. Berlin 1840. A. Oppel, Vergleichung des Entwickelungsgrades der Organe zu verschiedenen Entwickelungszeiten bei Wirbelthieren. Jena 1891. Perenyi, Embryologie von Torpedo. Vorl. Mitth. Zoolog. Anz. 1886, S. 433. C. Rabl, Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrbuch 15. Bd., 1889. J. Rückert, Ueber die Entstehung der endothelialen Anlagen des Herzens und der ersten Gefässstämme bei Selachierembryonen. Biolog. Centralblatt Bd. 8, 1888. — Zur Keimblattbildung bei Selachiern. München 1885. — Ueber die Anlage des mittleren Keimblattes und die erste Blut- bildung bei Torpedo. Anat. Anzeiger 1887. — Weitere Beiträge zur Keimblattbildung bei Selachiern. Anatom. Anzeiger 1889. — Ueber die Entstehung der Exceretionsorgane bei Selachiern. Arch. für Anat. u. Phys. Anatom. Abth. 1888. S. L. Schenk, Die Eier von Raja quadrimaeulata innerhalb der Eileiter. Sitzungsber. der k. Akad. Wien. Vol. LXXII, 1873. A. Schneider, Zur frühesten Entwickelung besonders der Mus- keln der Elasmobranchier. Mit 1 Tafel. Zoolog. Beiträge heraus- gegeben von Anton Schneider. Bqd.II, Heft 3, 1890. Alex. Schultz, Zur Entwickelungsgeschichte, des Selachiereies. Arch. für mikr. Anat. Vol.XI, 1875. Alex. 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Wymann, Observations on the development of Raja batis. Me- moirs ofthe American Academy of Artsand Sciences. Vol. IX, 1864. 32. H. E. Ziegler, Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 32, 1888. 33. — Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen. Arch. für mikrosk. Anat. Bd.30, 1887. 34. — Die Entstehung des Blutes der Wirbelthiere (Vortrag). Berichte der naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. IV. Bd., 1889. 35. — Die biologische Bedeutung der amitotischen (direkten) Kern- Fig ee) theilung im Thierreich. Biolog. Centralblatt Bd. XI, 1891. Erklärung der Abbildungen auf Tafel III—IV. Alle Abbildungen beziehen sich auf Torpedo ocellata Rud. . 10. Grundriss eines Embryo des Stadiums B. Der Bereich der Gastralhöhle ist durch gelben Ton angegeben. Das Mesoderm ist schraffirt eingezeichnet; eine dunkle Linie, welche sich am Rande der Schraffirung hinzieht, bedeutet die Mesodermbil- dungslinie. Kn Blastocoelblase (s. S. 62). ', 11. Oberflächenbild eines Embryo des StadiumsB. Rk Randkerbe. '. 12I—IX. Querschnitte desselben Embryo; die Lage derselben ist in Fig. 10 und 11 eingezeichnet. Vergrösserung 70. Mit * ist der axiale (gastrale) Theil, mit ** der periphere (peristomiale) Theil der Mesodermbildungsrinne bezeichnet. a M axiales (gastrales) Mesoderm, pM peripheres (peristomiales) Meso- derm. Meg Megasphäre. Kn Blastocoelblase. dk Dotterkerne. Ee Eetoderm, En Entoderm, DEn Dotterentoderm. . 15. Theil eines zwischen 121 und 12II gelegenen Schnittes; es ist nur der Rand der Blastodermscheibe gezeichnet, und in diesem sieht man eine Mitose (s. S. 61). -. 14. Theil des Schnittes Fig. 12 Il, welcher die auf diesem Schnitt getroffene Megasphäre und ihre nächste Umgebung zeigt. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. 101 Fig. 15 u. 16. Längsschnitte eines Embryo im Stadium B. Vergrösse- Fi [0 fe} rung 70. Kn Blastocoelblase. Meg Megasphäre. Fig. 15 stellt den medianen, Fig. 16 einen an der Grenze des Embryo- nalschildes gelegenen Schnitt dar. Mit * ist die Mesoderm- bildungsrinne bezeichnet. . Oberflächenbild des Embryo in einem Stadium, welches zwi- schen C und D liegt. 18 u. 19I—IX beziehen sich auf das Stadium D. Fig.18 stellt den Grundriss dar. Kn Blastocoelknopf. Bl Blutinsel. Gr innere Grenze des peripheren Mesoderms. Die dunkle in den Schwanzlappen verbreiterte Linie bedeutet die Mesodermbil- dungslinie, d.h. den Zusammenhang des Entoderms und des Mesoderms. Die punktirte Linie ist die Grenze der Gastral- höhle. — Fig. 19 I—IX sind ausgewählte Schnittbilder in der Reihenfolge von vorn nach hinten geordnet. Vergrösserung 50. In allen Schnittbildern sind Mesoderm und Chorda in hellerem Tone gehalten als Eetoderm, gastrales Entoderm und Dotter- Entoderm. Der Dotter ist stets durch gelben Ton bezeichnet, und man sieht die in demselben liegenden Dotterkerne. Bei ** ist die periphere (peristomeale) Mesodermbildungsrinne erkennbar. Durch den Embryoleib gehen 182 Schnitte und vom Kopfende gezählt ist Fig. I der 12., Fig. II der 30. Fig. III der 54., Fig. IV der’ 75., Pig. 5/der 100,>'Fig:VT'der 144! Fig.'VII der 152., Fig. VIII der 160. und Fig. IX der 170. Schnitt. In Fig. 19 V bedeutet Ee Eetoderm, M Mesoderm, DEn Dotterentoderm. Fig. 20 u. 21 I—X beziehen sich auf das Stadium F. Fig. 20 Grund- Fig. 22. Fig. 23. riss. Kn Blastocoelknopf. Bl Blutinsel. Gr innere Grenze des peripheren Mesoderms. mh Mittelhirn. Kg Kiemengegend. Mit * ist der offene Theil des Gehirns bezeichnet. Fig. 21 I—X sind ausgewählte Schnittbilder in der Reihen- folge von vorn nach hinten geordnet. Vergrösserung 50. Bl Blutinsel. Bezeichnungen sonst wie bei Fig. 19 I-IX. Durch den Embryoleib gehen 203 Schnitte und vom Kopfende ge- zählt ist Fig. I der 22., Fig. II der 42, Fig.III der 66., Fig. TV der 83., Fig.5 der 110., Fig. VI der 152., Fig. VII der 166,., Fig. VIII der 173., Fig. IX der 186., Fig. X der 192. Schnitt. Embryo aus dem Stadium G. Oberflächenansicht. Vergrösse- rung 10. Embryo aus dem Stadium H als Präparat im durchfallenden Lichte betrachtet. Vergrösserung 12. Pe Pericardium. KspI erste Kiemenspalte (Spritzloch). a Stelle des Afters. Fig. 24I—V. Schnitte durch den hinteren Theil des Leibes desselben Embryo. Vergrösserung 50. Der Schnitt I liegt eine Strecke weit vor dem After, die Schnitte Fig. I—V in der Gegend des Canalis neurentericus. Vom Hinterende her gezählt ist Fig. V 102 H.E. Ziegler undF. Ziegler: Beitr. zur Entwickelungsgesch. etc. der 17., Fig. IV der 28, Fig. III der 37., Fig. II der 46. und Fig. I der 142. Schnitt. schwk Schwanzknopf. Fig. 25. Kopftheil eines Embryo im Stadium I—K als Präparat im durchfallenden Lichte betrachtet zum Vergleich mit dem Ober- flächenbild Fig.9. N Nasengrube, Oc Augenblase, Mh Mittel- hirn, Aud Öhrbläschen, Kb Kieferbogen, hy Hyoidbogen, Pe Pericardium, ec Herzschlauch, | linkes Leberdivertikel, 4. V. vierter Ventrikel, V Trigeminusganglion, VII VIII Facialis- Acusticus-Ganglion, IX Glossopharyngeus. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern bei Lumbricus. Von Prof. Dr. Wichael von Lenhossek in Basel. Hierzu Tafel V. Die glänzenden Erfolge, welche die Anwendung der Golgi- schen Methode bei Wirbelthieren ergab, veranlassten mich in letzter Zeit, sie auf einem Gebiet zu versuchen, wo sie mei- nes Wissens noch nicht in Anwendung gezogen wurde, näm- lieh zur Erforschung des Nervensystems wirbelloser Thiere. Zwar sind wir über dieses Thema erst unlängst, Dank dem unermüdlichen Eifer des hochverdienten G. Retzius, mit einer bahnbreehenden, eine Fülle neuer Thatsachen und Gesiehts- punkte erschliessenden Arbeit!) beschenkt worden, an die sich bald auch die schönen Untersuchungen Biedermann’s?) an- schlossen, doch schien es mir immerhin von Werth, einerseits die von diesen Forschern mit Hülfe der Ehrlich’schen Methylen- blaufärbung gewonnenen Befunde mit eimem anderen Verfahren 1) Gustaf Retzius, Zur Kenntniss des Nervensystems der Crustaceen. Biologische Untersuchungen. Neue Folge. I. Stock- holm 1890. 2) W. Biedermann, Ueber den Ursprung und die Endigungs- weise der Nerven in den Ganglien wirbelloser Thiere. Jenaische Zeit- schrift für Naturwissenschaften Bd. 25, 1891. Michael von Lenhoss6ek: Ursprung, Verlauf u. Endigung etc. 103 nachzuweisen, andererseits den Versuch anzustellen, ob nicht über das Eine oder das Andere an der Hand der Golgi'schen Methode weitere Aufschlüsse zu erzielen wären. Als Untersuchungsobjekt wählte ich zunächst unseren ge- wöhnlichen Oligochaeten, den Regenwurm. Meine Untersuchungen sind noch durchaus nicht zum Ab- schluss gebracht. Bauchmark und Gehirn weisen complieirte Verhältnisse auf, deren Entwirrung mit grossen Sehwierig- keiten verbunden ist. Hinsichtlich eines Theiles indess ist es mir gelungen, zu einem abschliessenden Resultat zu gelangen, welches ich, da es sich zu emer besonderen Darstellung eignet, im Folgenden mittheilen möchte. Es ist dies der sensible Theil des Nervensystems. Es stellte sich heraus, dass die sensibeln Ner- Benzeillen, #d:shiydien Elementey'die,. den. Spinal- sanglienzellen der Wirbelthiere entsprechend, densensibeln‘ peripherischen, Fasern, zum .Ur- sprunge dienen, bei dem Regenwurm weder im Marke, noch in besonderen Ganglien zu suchen sind,sondern dass sie in die Haut verlegt sind, an deren Zusammensetzung sie beträchtlichen Antheilnehmen. Die sensibeln Fasern entsprin- senJ.im Integument. Von hier aus streben sie nach dem Marke hin, in dessen Dendritengewirr sie sich einsenken. Hier unterliegen sie in ähn- licher Weise wie bei Wirbelthieren, sofort einer Y-förmigen Spaltung in einen auf- und absteigenden Ast, welche unter streng longitudinalem Verlauf, ohne sich weiter zu theilen oder Seitenästehen abzugeben, im nächsten Ganglion mit freier Spitze auslaufen. Angesichts der ermittelten Ursprungsweise der sensibeln Nerven werden unsere Ausführungen von der Schilderung des Integuments auszugehen haben. I. Das Integumeut des Regenwurms. Die Körperbedeekung unseres Thieres zeigt, was die Zahl der Schichten betrifft, eine höchst einfache Beschaffenheit. Sie besteht aus einer Lage hoher, scharf begrenzter Zellen, die in diehter Anordnung sich zu einem schönen Epithel vereinigen. 104 Michael von Lenhossek: Nach innen grenzen sie ohne Vermittelung einer bindegewebigen Cutis direkt an die Ringmuskelschichte, von der sie sich an Querschnitten durch eine scharfe gerade Linie absetzen; nach der Oberfläche hin erscheinen sie von einem schmalen Chitin- saum, der Cutieula, bedeckt. Seit Claparede’s Arbeiten!) wird dieses Epithel fast all- gemein als Hypodermis (Weismann) benannt. Ich halte diese Bezeichnung für unpassend und möchte ihr im Anschluss an Buchholz?) und Gegenbaur°) den Namen Epidermis vorziehen. Das Verdienst, die Zusammensetzung der Epidermis aus distinkten Zellen nachgewiesen zu haben, gebührt Leydig®). Claparede ist von der richtigen Darstellung dieses Forschers abgewichen, indem er in seiner sonst so sorgfältig durchgeführten Arbeit die „Hypodermis“ aus einer diffusen, m der Form eines Balkennetzes angeordneten protoplasmatischen Masse bestehen liess, ein Irrthum, welcher in der Folge durch die bestimmten Angaben mehrerer Forscher im Sinne der cellulären Struetur, vor Allem Perrier's®) und v. Mojsisovies’s®) beseitigt wurde. Um die feinere Structur der Epidermis zu ergründen, be- diente ich mich auch gewöhnlicher Färbungen (Hämatoxylin, Safranin, Fuchsin, Kongo). Viel vollkommenere Ergebnisse lie- ferte die rasche Golgi’sche Methode, welche die Form und sonsti- gen Eigenschaften der Zellen handgreiflicher als welche Färbung immer zur Anschauung kommen liess und über ihre wirkliche Natur bestimmte Aufklärungen gewährte. 1) E.Claparede, Histologische Untersuchungen über den Regen- wurm. Zeitschr. für wissensch. Zoologie Bd. XIX, 1869. 2) R. Buchholz, Beiträge zur Anatomie der Gattung Enchytraeus. Königsberger physik.-ökonomische Schriften Bd. III, 1862, S. 98. 3) K. Gegenbaur, Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1874, S. 138. 4) Fr. Leydig, Zur Anatomie von Piseicola geometrica. Zeit- schrift für wissensch. Zoologie Bd.I, 1849, S. 103. 5) E. Perrier, Etudes sur l’organisation des lombriciens ter- restres. Archives de zoologie experimentale et generale. Tome III, 1874, pag. 338 et Tome IX, 1881, pag. 180. 6) A. v. Mojsisovies, Kleine Beiträge zur Kenntniss der Anne- liden. Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wissensch. in Wien Bd. 76, Abth, 1, 1878, S.7. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 105 Schon die flüchtige Betrachtung gefärbter Präparate (Fig. 1) ergiebt die Gegenwart verschiedener Zellsorten in der Epidermis. Die eine wird dargestellt von langgestreckten, dunkeln Elementen von dem Aussehen gewöhnlicher Cylinderepithelzellen; reichlich eingestreut zwischen diese erkennt man eine zweite Form: brei- tere, bauchige, helle Körper, Schleimzellen, wie sie auch der Haut der Hirudineen in grosser Zahl zukommen und sonst auch sowohl bei Wirbellosen wie bei niederen Wirbelthieren zu den verbreitetsten Bestandtheilen der Epidermis gehören. So würde man also auf Grund solcher Bilder dahin geführt, zwei Zellkate- gorien, wie sie schon im Jahre 1849 von Leydig (l. ce.) aufge- stellt worden sind, zu unterscheiden. Indess ergeben die Golgi- schen Bilder, dass hier noch eime weitere Eimtheilung vorzuneh- men ist. Jene scheinbar einem Typus angehörenden schmalen Elemente begreifen nämlich zwei grundverschiedene Zellsorten in sich: gewöhnliche Epithelzellen einerseits, die bloss der Stütz- funktion dienen und vielleicht auch dem Ruhezustand jener schleimgefüllten Zellen entsprechen, und Elemente einer höheren Ordnung andererseits, die sich vermöge ihrer unzweifelhaften Verbindung mit einer Nervenfaser als Nervenzellen herausstellen. Somit betheiligen sieh am Aufbau der Epidermis, um sie gleich in der Reihenfolge, wie sie dargestellt werden sollen, aufzuzählen: 1) Stützzellen, 2) Schleimzellen, 5) Nervenzellen. 1) Die einfachsten Verhältnisse lassen die Stützzellen er- kennen. Es sind dies säulenförmige, von oben bis unten gleich breite Elemente, die auf der Cutieular- wie Basalseite wie ab- geschnitten endigen. Sie erscheinen von verschiedenem Durch- messer, gewöhnlich nicht besonders schlank. Der elliptische, senkrecht gestellte Kern liegt in der Regel etwa in der Mitte der Höhe, rückt aber nicht selten gegen die Basis hin. Der Imprägnation unterliegen diese Zellen leicht und intensiv (s. Fig. 2u.3), so dass vom Kern in der durch und durch schwarzen Zelle nichts wahrzunehmen ist; die Ränder der Zelle erscheinen dabei oft unregelmässig, zackig. Am basalen Ende vermag man bei gelungener Schwärzung häufig zarte seitliche Aeste nachzu- weisen. Allmähliche Uebergänge der Form und Ausdehnung leiten zu der nächstfolgenden Zellgattung, den Schleimzellen über. 2) Schleimzellen (Fig. 1) kommen allen Stellen des In- 106 Michael von Lenhossek: teguments, mit Ausnahme der intersegmentalen Furchen und der sie begrenzenden Wälle, zu. Ihre Zahl ist ausserordentlich gross, gleichwohl findet man selten mehrere unmittelbar neben- einander; gewöhnlich wechseln sie mit anderen Zellformen ab, wobei eine gewisse Gesetzmässigkeit in ihrer Vertheilung, zumal an Längsschnitten, nicht zu verkennen ist. Der Grad ihrer Aus- dlehnung ist verschieden und hängt vom Füllungszustand ab. Auf dem Höhepunkt der Schleimaufspeicherung erscheinen sie aufgebläht, plump, glocken- oder kolbenförmig. Auch der Inhalt wechselt. Bei den mit fertigem Sekret gefüllten Zellen wird derselbe von einer homogenen Masse dar- gestellt, die bei allen Tinktionen klar und durchsichtig bleibt. Daher der Anschein bei oberflächlicher Betrachtung und nament- lich bei soleher im wörtlichen Sinne, d.h. von der Fläche her, als handelte es sich nicht so sehr um Zellen, als vielmehr um runde, von Flüssigkeit erfüllte Lakunen des Epithels, ein Irr- thum älteren Datums, der auch von Claparede vertreten, son- derbarer Weise von den Verfassern einer neuen französisch ge- schriebenen vergleichenden Anatomie festgehalten wird. Die mueinöse Natur der Ausfüllmasse ergiebt sich durch gewisse Be- sonderheiten der Färbung, ähnlich wie sie von anderen Schleim- zellen, so z.B. den Schleimbechern der Darmschleimhaut her bekannt sind. Am schlagendsten tritt diese metachromatische Eigenart (Paneth) bei der Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Kongo zu Tage: die Schleimzellen annectiren den violetten Farbstoff des Hämato- xylins, die anderen den sehr verschiedenen hellrothen des Kongo. — Der Kern erscheint dureh das angehäufte Secret stets auf den Boden der Zelle herabgedrückt und gewährt ein sehr charakteristisches Aussehen. Es ballt sich nämlich dessen Chromatinsubstanz zu einem sichelförmig abgeplatteten Klümpehen zusammen, das alle Farbstoffe, auch Osmium, gierig an sich reisst und dadurch schon bei schwacher Vergrösserung mit der Schärfe eines in Mitose begriffenen Kerns hervortritt. Um den Kern herum sam- melt sich oft ein geringerer oder grösserer Rest des unveränder- ten Zellprotoplasmas. Anders präsentirt sich der Inhalt in denjenigen Exemplaren, die sich auf emer diesem Stadium vorangehenden Stufe der Schleim- bildung befinden. Dieselben erscheinen von zahlreichen kleinen Bläschen (Heidenhain’s Mucigen) durchsetzt, die, abweichend Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 107 von dem Verhalten des fertigen Schleimes, sich mit Osmium leb- haft in Form hell-brauner Körner färben. An Präparaten, zu deren Fixirung osmio-bichromische Lösung verwendet wurde, treten diese Elemente durch ihre grobkörmige Beschaffenheit zu den hellen Schleimzellen in auffallenden Gegensatz. Auch bleiben sie an Breite in der Regel hinter diesen zurück '). An diese Form schliessen sich dann alle Zwischenstufen zu den gewöhnlichen Stützzellen, wie sie oben geschildert wur- den, an; so z.B. Formen, wo die schleimige Metamorphose blos an dem unmittelbar unter der Outicula liegenden aufgetriebenen Theil der Zelle eingetreten ist (Fig. 2), welcher sich dann vom übrigen, einer Stützzelle entsprechenden schmalen Abschnitt durch eine Einschnürung abgrenzt u.s.w. Es ist in der That unmöglich, eine bestimmte Grenze zwischen Sieh lieim zellen. und Stützzellem'zu ziehen,'und man Zelam.otimjerjgenauer imanı dveisache'vwerfolgt, desto unabweislicher zur Ueberzeugung, dass die- selben im Grunde genommen einer Sorte entspre- ehen und sich nur dadurch von einander unterscheiden, dass sie sich in verschiedenen Phasen ihrer seeretorischen Thätigkeit, hier zu Beginn, dort auf vorgeschrittener Stufe derselben befinden. Der Golgi’schen Reaction erscheinen die Schleimzellen sehr zugänglich (Fig. 2). Der basale, protoplasmatische Ab- schnitt zeigt hierbei grössere Affinität dem Chromsilber gegen- über, als der schleimhaltige Haupttheil, imdem sich sehr häufig nur der erstgenannte in vollkommener Weise schwärzt, während der letztere blos einen gelben oder bräunlichen Farbenton an- nimmt oder ganz ungefärbt bleibt. Die markanten Golgischen Bilder ermöglichen, die mitgetheilten Details nach zwei Rich- tungen hin zu erweitern: 1) betreffs des unteren Endes. Die Zellen lassen hier stets einen breiten, horizontalen Abschluss erkennen und nicht etwa eine fadenförmige Verdünnung, wie sie Perrier 1) Die Lumbrieidenepidermis dürfte eines der günstigsten Ob- Jekte zum Studium der histologischen Vorgänge der Schleimsecretion darstellen. Uebrigens stimmen die Befunde genau mit der sorgfältigen Schilderung überein, die Biedermann unlängst bezüglich der Schleim- zellen der Batrachierhaut gab. (W. Biedermann, Zur Histologie und Physiologie der Schleimseeretion. Wiener akad. Sitzungsberichte Bd. XCIII, 3. Abtlı. 1886, S. 250.) 108 Michael von Lenhossek: (a.a.0. 1891, pag. 183) in seiner sonst sehr genauen Beschrei- bung der Epidermis angiebt; doch entwickelt die Basis an ihrer Kante ringsum wie bei den Stützzellen eine Anzahl kurzer, un- verästelter, horizontaler Aestchen. 2) Bezüglich des Verhält- nisses des oberen Pols zur Cutieula. Neues tritt uns hier aller- dings nicht entgegen, indess kommen die von Leydig in seiner Phreoryctes-Arbeit!) mit grosser Mühe nachgewiesenen, an ge- wöhnlichen Färbungen kaum erkennbaren Thhatsachen äusserst klar zur Ansicht. An fast allen geschwärzten Schleimzellen ge- wahrt man an dem etwas schmaleren, abgerundeten eutieularen Pol ein kleines, scheinbar solides Stiftehen, das die Dieke der Cuti- eula durchsetzt. Dieses Gebilde ist nun nichts anderes, als der imprägnirte Schleimpfropf emes „Porenkanälchens“ der Cuticula. Die Zelle selbst ist an der betreffenden Stelle offen und kehrt ‚dem Kanälchen eine freie Mündung zu. Als Ausdruck des Randes jener Oeffnung erscheint ab und zu an halb imprägnirten Schleim- zellen, namentlich an Stellen, wo sich die Cutieula zufällig von der Epidermis abgelöst hat, oben ein scharf gezeichneter brau- ner Ring. Die verhältnissmässig reichlich ausgeschiedene Flüssigkeit, durch welche die Haut des Regenwurms bekanntlich stets feucht und klebrig erhalten wird, rührt wahrscheinlich nur zum kleinen Theile von den Sehleimzellen her. Der Hauptsache nach dürfte sie auf eine direete Ausschwitzung aus den Blutgefässen der Haut zurückzuführen zu sein, die bei den terricolen Lumbrieiden be- sonders starke Entwiekelung und dabei das noch zu berück- sichtigende Verhalten zeigen, dass ihre Schlingen bis dicht unter die Cutieula vordringen. Schliesslich möchte ich erwähnen, dass die bekannte zier- liche, von Leuckart?) entdeekte, nur bei Flächenansicht sicht- bare Schraffirung der Cutieula an Golgi’schen Präparaten stellenweise sehr schön zu Tage tritt, Dank der lebhaften Schwär- zung der derselben zu Grunde liegenden Fasern (F.E. Schulze). . 3) Wenden wir uns nun zu dem dritten, ohne Frage inter- 1) Fr. Leydig, Ueber Phreorycetes Menkeanus Hofm. nebst Be- merkungen über den Bau anderer Anneliden. Archiv für mikrosk. Anatomie Bd.I, 1865, S. 257. 2) R. Leuckart, Zootomie S. 270. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 109 pP ©) fo) essantesten Element der Epidermis: den Nervenzellen (Fig. 2 bis 8). Die Golgi’sche Methode enthüllt eine ungeahnte Menge dieser Gebilde an allen Stellen der Körperoberfläche mit Ausnahme der imtersegmentalen Furchen. Sie finden sich weder auf gewisse Gegenden beschränkt, noch an bestimmten Stellen zu besonderen Sinnesorganen angehäuft, sondern erscheinen über alle Ge- biete der Epidermis gleichmässig vertheilt. Bei der bekannten Eigenart der Golgi’schen Methode, dass sie von den vor- handenen Elementen gleicher Sorte stets nur eine gewisse Anzahl begünstigt, lässt sich natürlich für deren relative Menge kein bestimmter Zahlenausdruck angeben, doch wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass sie in dieser Beziehung hinter keiner der beiden anderen Zellsorten zurückstehen. Die bei- gegebenen Figuren, in denen die nebeneinander befindlichen ge- schwärzten Exemplare genau in ihrem gegenseitigen Lagever-. hältniss wiedergegeben sind, dürften über ihren Antheil am Auf- bau der Epidermis eine Vorstellung vermitteln. Um eine Imprägnation der Nervenzellen zu erzielen, muss die Einwirkung der Osmio-Bichromlösung auf 5—7 Tage aus- gedehnt werden. Ist die Reaction trotz dieser Einwirkungsdauer unterblieben, was leider sehr häufig der Fall ist, so führt oft noch das abermalige Einlegen der missglückten Stückchen in die Lösung für 24 Stunden mit nachfolgender Silberbehandlung zum Ziele. Allerdings erscheinen die Zellen bei dieser „doppelten Methode“ nicht immer in ihrer eleganten, schlanken Form, son- dern präsentiren sich oft plump, mit zackigen, unregelmässigen Umrissen. Präparate, die mit dem einfachen Verfahren gewonnen wurden, sind daher stets instructiver. An gewöhnlichen Färbungen (Hämatoxylin, Fuchsin u. s. w.) (s. Fig. 1) vermag man die Nervenzellen von den Stützzellen kaum zu unterscheiden. Beide zeigen das gleiche feingranulirte, dunkle Protoplasma, den gleichen elliptischen Kern. Selbst die genaue Bekanntschaft mit ihnen von Golgi’schen Bildern her ermöglicht es nicht, alle aus den zahlreichen schmalen Cy- linderzellen herauszufinden. Für eine Anzahl gelingt dies aller- dings durch die Beachtung der Verjüngung ihres basalen Pols, doch passt dieses Kennzeichen, wie wir sehen werden, nicht auf sämmtliche Nervenzellen. An tadellosen Imprägnationspräparaten unterscheiden sie 110 Michael von Lenhossek: sich von den anderen Elementen zunächst schon dureh eine ge- wisse Eigenart der Reaction. Abweichend von dem Verhalten jener weisen sie ausserordentlich scharfe, bestimmte Ränder auf; ferner ist der Umstand bezeichnend, dass sich der der Imprägna- tion, wie es scheint, nicht zugängliche Kern innerhalb des tief- schwarzen Zellkörpers als heller, brauner Fleck markirt, was bei den Stütz- und Schleimzellen selten vorkommt. Die auffallendsten Unterscheidungsmerkmale bestehen indess in den Besonderheiten der Form und Verästelungsweise. Die Nervenzellen bilden die zartesten Elemente der Epider- mis und zeichnen sich alle durch besonders schlanke, zierliche Ge- stalt aus. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass ihre Form unter dem Einflusse der verschiedenen Lagerung des Kerns nicht unbedeutend wechselt (s. Fig. 2—8). a) Die verbreitetste Form ist diejenige, wo der Kern un- gefähr der Mitte der Höhe angehört. Die Zelle gewinnt da- durch eine Spindelform, jedoch keine ganz regelmässige, indem (der eutieulare Pol sich nur unbedeutend, oft gar nicht, verschmä- lert, während der innere sich sofort konisch verjüngt und zu einem mehr weniger zarten Faden gestaltet. b) Häufig findet man den Kern weiter unten, ja bis an die untere Epithelgrenze herabgerückt. Der grösste Theil der Zelle erscheint in diesem Falle säulenförmig, schmal, um sich unten zur Aufnahme des Kernes plötzlich ansehnlich zu erweitern. e) In sehr seltenen Fällen liegt schliesslich der Kern mehr in der Nähe der Outicula. Derselbe wird dann von einem rund- lichen Zellkörper umfasst, von dem oft mit kegelförmigem Ansatz, gewöhnlich aber ganz unvermittelt, wie etwa der Schwanz des Samenfadens von dessen Kopf, der fadenförmig verdünnte, eigent- lich sehon als Ausläufer zu bezeichnende untere Zellentheil abgeht. Von den Aufschlüssen, die uns die Golgi’sche Methode hinsichtlich dieser Zellen liefert, sind unzweifelhaft am wichtig- sten diejenigen, die sich auf deren Verhalten an ihrem unteren Ende beziehen. Während selbst die besten Tinetionen hier den Dienst ver- sagen, bewährt sich die Chromsilberreaction in ihrer vollen Lei- stungsfähigkeit. Sie ergiebt auf's Klarste, dass die Nervenzellen an ihrem basalen Pol sich in eine Anzahl feiner Ausläufer zer- fasern, die ihrer Bedeutung nach in zwei Kategorien zerfallen: Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 111 1) in protoplasmatische Fortsätze oder Dendriten, 2) in den stets einfachen Nervenfortsatz. Zur Ermittelung der Zahl und Ausbreitungsweise der Den- driten sind unbedingt Flächenschnitte der imprägnirten Epi- dermis nöthig. Ich finde, dass die Zahl derselben selten mehr als 3—4 beträgt; indem aber einige einer wiederholten Theilung unterliegen, wächst die Zahl der Endzweigchen bis auf 6 und mehr. Sie halten sich in ihrem Lauf genau an die Epithel- grenze, der sie gegen die Muskellage hin eine besondere Schärfe verleihen, doch gehört es nicht gerade zu den Seltenheiten, dass einzelne Aestehen in letztere Schichte hineinragen, sei es, dass sie von vornherein etwas nach unten gerichtet sind oder sich erst nach kurzem horizontalen Verlauf nach der Tiefe wenden. Sie strahlen nach allen Richtungen der Horizontalebene ausein- ander — daher sie auf Längsschnitten des Wurmkörpers (Fig. 5) das gleiche Bild darbieten wie auf Querschnitten — sind oft von ansehnlicher Länge, stets ausserordentlich zart, namentlich an ihren Endtheilen, gegen welche sie sich mehr und mehr ver- (dünnen, ganz glatt und von welligem oder etwas zackigem Lauf. Nachdem sie sich oft unter einer beträchtlichen Zahl von Epider- miszellen hinweggeschoben haben, endigen sie alle mit freier Spitze, ohne mit analogen Fortsätzen benachbarter Zellen Ana- stomosen einzugehen. Eine sehr häufige Form besteht darin, dass sich der Zell- körper gleich unter dem Kern in zwei etwas divergirende Schenkel spaltet, die entweder von gleicher Stärke sind, oder von denen der eine dem eigentlichen Zellkörper, der andere emem schwäche- ren Nebenast entspricht. Sie ziehen ungetheilt bis zur Epithel- grenze herunter, an der sie sich je in eine besondere bescheidene protoplasmatische Verästelung auflösen. Der Ursprung des schwä- cheren Astes kann auf den kernhaltigen Theil des Zellkörpers heraufrücken, selbst wenn letzterer unweit der Cutieula liegt, von dem er sich dann in Gestalt eines schwachen Fadens abzweigt. — Ueberaus selten erfolgt diese Spaltung nicht in zwei, sondern in drei Schenkel. Indess nicht alle Nervenzellen sind mit Dendriten ausgestattet; eine beträchtliche Anzahl entbehrt solcher. Es handelt sich dabei immer um Zellen von ausgesprochener spindelförmiger Beschaffen- heit. Dann liegen höchst einfache Verhältnisse vor. Die Zelle no Michael von Lenhossek: verdünnt sich am unteren Pol zu einem zarten Faden, der sich, ohne Seitenästehen abzugeben, direkt in eine sensible Nerven- faser fortsetzt und zwar entweder in der Weise, dass letztere in der Richtung der Zelle senkrecht weiterzieht, oder so, dass der Uebergang in die eine Strecke horizontal verlaufende Nerven- faser unter rechtwinkliger Umbiegung erfolgt. Häufig lenkt schon der untere Zellentheil vom Kern angefangen schief ab. Diese ein- fache Form spindelförmiger endständiger Nervenzellen ist uns schon von einer anderen Lokalität, nämlich von der Riech- schleimhaut der Wirbelthiere her, bekannt, deren Riechzellen nach den markanten, auf Anwendung der Golgischen Methode beruhen- den Abbildungen Cajal’s!) und van Gehuchten’s?) dem gleichen Typus angehören. Eine geringe Complication dieser Form und damit ein Uebergang zu dem gewöhnlichen Typus tritt ein, wenn die Faser an der Stelle, wo sie die Epithelgrenze passirt, 1—2 zarte Seiten- fibrillen entsendet. Im Allgemeinen ist die Dendritenbildung an den Nerven- zellen der Epidermis im Vergleich zu den Bildern, die wir vom Öentralnervensystem der Wirbelthiere und dem Bauchstrang Wirbelloser kennen, eine sehr primitive zu nennen. Am meisten erinnern die Zellen durch ihre Verästelungweise an gewisse Ele- inente der Netzhaut, wie sie sich vermittelst der Golgi’schen Methode so prächtig zur Anschauung bringen lassen. Welche funetionelle Bedeutung kommt nun diesen Dendriten zu? Es scheint fast unmöglich, auf diese Frage zur Zeit eine befriedigende Antwort zu geben. Bekanntlich sind bezüglich der physiologischen Rolle der protoplasmatischen Fortsätze im Allgemeinen zwei Hypothesen aufgestellt worden. Nach der einen, die in Cajal°) und van Gehuehten?) ihre entschiedensten Vertreter gefunden 1) S. Ramön y Cajal, Nuevas aplicaciones del metodo de co- loraciön de Golgi, Barcelona, J. Balmas Planas, 1889, pag. 2. 2) A. van Gehuchten, Contributions A l’&tude de la muqueuse olfactive chez les mammiferes. La Cellule, t. VI, 1890, pag. 401. 3) S. Ramön y Cajal, Reponse & Mr. Golgi ä& propos des fibrilles collaterales de la moälle epiniere, et de la structure generale de la substance grise. Anat. Anz. Jahrg. V, 1890, S. 586. 4) A. van Gehuchten und J. Martin, La bulbe olfactif chez quelques mammiferes. La Cellule T. VII, 1891, pag. 31. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 113 hat und der auch v. Kölliker!) nieht abgeneigt zu sein seheint, sind dieselben nervöser Natur und dienen zur Ueber- tragung von Erregungen zwischeu Zellen und Nervenendbäum- chen u.s.w. Die andere Anschauung, von Golgi?), begründet, von Nansen?°) halb und halb vertreten, von Martinotti‘) und Sala’) verfochten, erblickt m den Dendriten lediglich Er- nährungsorgane der Nervenzellen, mit der Bestimmung, diesen die zu ihrer Lebensthätigkeit nöthigen Stoffe zuzuführen. Wie sehr ich mich auch sonst der ersten dieser Hypothesen zuneige®), so muss ich doch sagen, dass mir im vorliegenden Falle keine derselben geeignet scheint, die Gegenwart jener Aestchen verständlich zu machen. — Was die erste betrifft, so ist es nicht recht einzusehen, welcher Vortheil damit verbunden wäre, wenn der auf eine bestimmte Zahl von epidermalen Nerven- zellen einwirkende Reiz, sei derselbe nun mechanischer, thermi- scher oder chemischer Natur, sich auf dem Wege der Dendriten noch auf eine Anzahl benachbarter Elemente ausdehnen und so die Nervenfasern eines umfassenderen Gebietes in Erregung ver- setzen sollte. Günstiger gestalten sich auf den ersten Blick die Chancen der Golgischen Hypothese, indem sich die Den- driten in der That an der Grenze einer Schichte ausbreiten, die 1) A. von Kölliker, Zur feineren Anatomie des centralen Ner- vensystems. Zweiter Beitrag: Das Rückenmark. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. LI, 1890, S. 37. — Derselbe, Eröffnungsrede auf der fünften Versammlung der Anatom. Gesellschaft zu München 1891. Verhand- lungen S. 14. 2) C. Golgi, Studi istologiei sul midollo spinale. . Archiv. ital. per le malattie nervose. A.180, 1881. — Derselbe: Ueber den feineren Bau des Rückenmarkes. Anat. Anzeiger Jahrg. V, 1890, S. 376. 3) Fritjof Nansen, Preliminary Communication on some in- vestigations upon the histological structure of the central nervous system in the ascidia and in myxine glutinosa. Annales mag. nat. hist. London. Vol. XVIII, 1886, S. 209. 4) G. Martinotti, Beitrag zum Studium der Hirnrinde und dem Centralursprung der Nerven. Internat. Monatsschrift f. Anat. und Histologie Bd. VII, 1890, S. 69. 5) Luigi Sala, Zur feineren Anatomie des grossen Seepferde- fusses. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 52, 1891. 6) Siehe meinen Standpunkt in dieser Frage: Neuere Forschungen über den feineren Bau des centralen Nervensystems. Üorrespon- denzblatt für Schweizer Aerzte Jahrg. XXI, 1891. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 te} 114 Michael von Lenhossek: die Hauptträgerin der Blutgefässe ist. Indess begegnen wir hier einem Strueturverhältniss, das meiner Ansicht nach sehr schwer- wiegend gegen diese Deutung in die Wagschale fällt. Es besteht nämlich das Verhalten, dass von den m der Ringmuskellage verlaufen- den horizontalen Gefässstämmen zahlreiche Gefässschlingen in die Epidermis selbst hineintreten, innerhalb deren sie sich bis knapp unter die Outieula emporheben. Ich verdanke die Kenntniss dieser Thatsache — die auch in Lang’s neuer Vergleichenden Anatomie!) kurz erwähnt ist — der Launenhaftigkeit der Golgi- schen Methode, welehe unerwarteter Weise an zahlreichen meiner Sehnitte die Blutgefässe der Haut intensiv geschwärzt hatte und dadureh deren Verhältnisse mit aller Klarheit dem Blicke vor- führte. Es liegt hier wohl eines der schönsten Beispiele eines blutgefässhaltigen Epithels vor. Da nun bei dieser Lage der Dinge die Epidermiszellen wohl beständig von Blutplasma um- spült und getränkt sein dürften, so erscheint es durchaus un- wahrscheinlich, dass sie sich daneben noch zur Ermmährung des umständlichen Weges ihrer Dendriten bedienten. Es wäre denn, dass sie von einer „wasserdichten“ Zellmembran umschlossen, und so für jenen direeten Ernährungsmodus ungeeignet sind, wofür indess durchaus keine Anhaltspunkte vorliegen. Somit scheint mir hier keine der beiden Hypothesen anwendbar und ich vermag auch nichts Besseres an deren Stelle zu setzen. Auffallend muss es erscheinen, dass die Gegenwart dieser Dendriten, die sich unter der Epidermis zu einem zwar schmalen, doch äusserst diehten Gitter verfilzen, in Tinetionspräparaten durch keine besondere Erscheinung, wie etwa die Bildung einer eigenen Sehichte oder dergl. zum Ausdrucke gelangt. Ich wenigstens vermag an meinen gefärbten Sehnitten, die ich wohl in ihrer Art als gelungen bezeichnen darf, beim besten Willen niehts anderes zu sehen, als dass die Epidermiszellen mit ihrem unteren Pol direkt an die oberflächlichen Muskelzellen anstossen. Eine dazwischenliegende besondere „feinkörnige Lage“, wie sie Perrier (a.a.0. 1881, p. 182) an dieser Stelle beschreibt, vermisse ich vollkommen. Indess mag dies doch in der Art der Anfertigung meiner Präparate begründet sein, denn auch von anderer Seite liegen 1) A. Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie I. Abth., Jena 1888, S. 192. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 115 ähnliche Beobachtungen vor. Leydig (a. a. O. 1865, S. 259) hat nämlich schon vor Jahren die Wahrnehmung gemacht, dass die Zellen sich an ihrem unteren Ende in feine Aestcehen auf- lösen und liess letztere unter dem Epithel m ein „feinfaseriges Wurzelwerk“ eintreten. Auch von Mojsisovies (a.a.0. 8.9) berichtet über Aehnliches. Der Nervenfortsatz, welcher die Dendriten in der Regel um ein Geringes an Dieke übertrifft, erscheint in der Mehrzahl der Fälle einfach als direkte Fortsetzung des verdünnten Zellen- endes. Schliesst die Zelle unten bei Verlagerung des Kerns in ihren untersten Abschnitt mit breiter Basis ab, so entspringt er entweder von der Mitte dieser letzteren oder von deren seitlichen Kante, je nachdem er nacher senkrecht weiter zu ziehen oder zunächst die Horizontalrichtung einzuschlagen hat. Sehr häufig erfolgt sein Ursprung nicht direkt von der Zelle, sondern in einiger Entfernung davon von einem protoplasmatischen Stämmcehen. An gelungenen Imprägnationspräparaten (Fig.6) sehen wir diese Nervenfortsätze in grosser Masse der Innenfläche der Epidermis entströmen und in besonderer Anordnung und Verlaufs- weise als peripherische sensible Fasern nach dem Bauchstrang hin- ziehen. Der Reichthum des Integuments an Nervenelementen ist bei Lumbrieus geradezu ein überraschender und es lässt sich re Hautchrer als einmsexqulsitmervöses’ Orean, em diffuses Sinnesorgan bezeiehnen. Darin findet auch die bekannte Empfindlichkeit unseres Thieres der Berührung gegen- über ihre Erklärung. Indess wird man nicht behaupten wollen, dass die fraglichen Nervenzellen ausschliesslich zur Vermittelung von Tastempfindungen in anthropomorphischem Sinne dienen. Da Lumbrieus nachgewiesenermassen ohne entsprechende Sinnesorgane auch auf Lichteindrücke, Schallwellen und gewisse Gerüche reagirt, so dürfen wir in denselben vielmehr Sinneszellen von allgemeinerer Bedeutung erblicken. Eine Frage von prineipieller Wichtigkeit ist, ob neben dem geschilderten Ursprunge sensibler Fasern nicht auch noch ein freies Auslaufen solcher in der Haut vorkommt. Es wäre ja denkbar, dass beide Fasersorten in ihr vertreten sind, centrifugale und centripetale. Haben wir doch ein Beispiel für ein solches Verhalten in der Netzhaut, die nach neueren Erfah- rungen in ähnlicher doppelten Beziehung zu dem Nervensystem 116 Michael vonLenhossek: steht. Im Besitze emer grossen Anzahl gelungener Präparate kann ich nun das Vorkommen einer freien Ner- venendigung in der Haut des Regenwurms mit grosser Wahrscheinliechkeit ausschliessen. Alle sensibeln Fasern, die meine Präparate darbieten, ge- hören dem gleichen Typus an und entstammen unzweifelhaft den Nervenzellen der Epidermis. Ist der Zusammenhang mit letzteren auch bei vielen m Folge von Niederschlägen u. s.w. nicht direkt constatirbar, so kann doch ihr epidermaler Ursprung angesichts ihres Anschlusses an die anderen, handgreiflich der Haut ent- stammenden Fasern, ihres ungetheilten Verlaufes, ihres Verhaltens an der Epithelgrenze keinem Zweifel unterliegen. Weder eine Verzweigung sensibler Nervenfasern an der Epidermisgrenze, noch ein Eindringen derselben zwischen die Elemente der letzteren ist mir je begegnet. Allerdings wäre der Einwand möglich, dass vielleicht die Golgische Methode zur Darstellung dieser feinen Endverästelungen nicht geeignet sei, allein der Einwand erscheint haltlos, denn ich besitze Präparate, in denen die Dendriten des Bauchmarkes sowie auch die Verästelungen der motorischen Nerven an den Muskeln bis in ihre zartesten Endzweigchen hinein in vollkommenster Weise zur Darstellung gebracht sind; es wäre nicht einzusehen, weshalb nur die Nervenendbäumehen der Haut sich der Reaction entziehen sollten. Verfolgen wir nun die sensibeln Nervenfasern in ihrem centripetalen Lauf. II. Verlauf der sensibeln Nervenfasern von der Epidermis bis zum Bauchstrang. Die sensiblen Fasern besitzen bei dem Regenwurm gegen- über den motorischen ein gemeinsames Kennzeichen in ihrer ausserordentlich zarten Beschaffenheit. Dies ist wohl der Grund, weshalb man an Tinetionspräparaten selbst an Stellen, wo sie sich nachgewiesenermassen zu stärkeren Bündeln ordnen, keine Spur derselben erkennt. Uebrigens kommen geringe Diffe- renzen in der Dicke vor. Ueber ihre histologischen Eigen- schaften, ihre etwaigen Hüllen u. s. w. vermag ich nichts anzu- geben, da ich sie nur von Golgi’schen Präparaten her kenne, an denen blos der Axeneylinder zur Ansicht gelangt. Auf diesen bezieht sich natürlich Alles, was von „Nervenfasern“ gesagt Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 117 wird. Sie ziehen in regelmässigem, sanft welligem Verlauf nach dem Marke hn. An tadellosen Präparaten erscheinen sie stets ganz glatt, der Varicositäten entbehrend, während sie an nicht ganz gelungenen, von XNiederschlägen durchsetzten oft kleine Knötehen und ähnliche Artefacte erkennen lassen. Sie sind von ihrem Ursprunge bis zum Eintritt mn das Bauchmark von - gleicher Dicke und stets ungetheilt. Die genaue Verfolgung ihres Verlaufs ergiebt zunächst folgende Thatsachen von allgemeinerer Bedeutung. 1) Sämmtliche Nervenfasern, die aus dem In- tegument je eines Segmentes entspringen, treten in das entsprechende Ganglion ein. Die intersegmen- telen Furchen bilden in dieser Hinsicht scharfe Grenzen, die von keiner sensibeln Faser überschritten werden. 2) Verlauf und Endigung der Fasernist von strenger bilateraler Symmetrie beherrscht. Was rechts oder links von der ventralen und dorsalen Mittellinie ent- springt, sammelt sich im die Wurzel der entsprechenden Seite. Grenzüberschreitungen kommen nicht vor. 3) Die meisten sensibeln Fasern benützen die Doppelwurzel und zwar deren proximalen Theilzum Eintritt in das Mark. Da der grösste Theil des Verlaufs der Querebene angehört, lässt sich derselbe nur an Querschnitten (Fig. 6) studiren. Die auf der gelben Grundlage scharf hervortretenden schwar- zen Fasern durchsetzen zunächst genau senkrecht die Ringmuskel- schichte, und zwar die meisten nicht einzeln, sondern zu compak- ten Bündelchen geordnet, an denen sich 2—5—8 oder noch mehr Fasern betheiligen. Diese Bündelchen liegen ungefähr in gleichen Distanzen von einander, doch besteht hierin keine strenge Gesetzmässigkeit und es kann immerhin vorkommen, dass sich an einer Stelle mehrere Bündel neben einander imprägniren, während rechts und links davon leere Gebiete folgen. Es mag dies möglicherweise auch an der bekannten Eigenart der Methode liegen. Bei reichlicher Reaction erscheint die Ringmuskelschichte von zahlreichen Bündeln durchsetzt, die ihr bei der Anwendung schwacher Linsen ein quergestreiftes Aussehen verleihen. Jedes Bün- delehen sammelt seine Bestandtheile aus einem bestimmten Terri- torium der Haut; vielleicht kommt dieser Einrichtung eine phy- 118 Michael von Lenhossek: siologische Bedeutung zu. Die Vereinigung der in ein Bündel- chen eingehenden Fasern erfolgt nur in seltenen Fällen durch bogenförmige Convergenz, gewöhnlich geht sie m der Weise vor sich, dass die Fasern horizontal an der Epithelgrenze nach der Vereinigungsstelle hinlaufen, um hier plötzlich, unter rechtem Winkel in das Bündelchen einzulenken. Manche haben einen beträchtlichen Weg zurückzulegen, bis sie zu der betreffenden Stelle gelangen. Sie streben von allen Seiten zusammen, nicht nur in der Querebene, sondern auch von oben und unten u. s. w. Auch an Längsschnitten sieht man sie daher sich zu Bündeln gruppiren. Die oben geschilderten Verschiedenheiten, die der Fortsatz der Nervenzellen in seiner Ursprungsweise aufweist, indem er das eine mal von der Mitte, das andere mal von der seit- lichen Kante der Basis, in einem Falle in direkter Fortsetzung des unteren Zellenpols, im anderen mehr seitlich abweichend u. 8. w. entspringt, finden nun in dem Lageverhältniss der Zelle zu dem betreffenden Faserbündel ihre Erklärung. — Die Fasern liegen in den Bündeln sehr dicht beisammen und laufen streng parallel, so dass keine Kreuzung oder Verflechtung der- selben stattfindet. Es ist indess zu bemerken, dass sich viele Fasern der Be- theiligung an einem solchen Bündel zu entziehen und die Ring- muskellage allein zu passiren scheinen. Ich möchte auf letzteres Wort Nachdruck legen, da es immerhin fraglich sein muss, ob es sich in solehen Fällen nicht um eine unvollkommene Reaktion han- delt, die die übrigen Fasern des Bündels nicht zu Tage treten liess. Für den weiteren Verlauf ist das Verhältniss zu der Wurzel maassgebend, und ich möchte daher den Leser bitten, eimen Blick auf Fig. 6 zu werfen. Dieselbe stellt eimen Theil der ventralen und lateralen Körperwand, aus der Epidermis und den beiden Muskelschichten bestehend, ferner das Bauchmark dar. Letzteres erscheint von querovaler Durchschnittsform und weist eine grosse imprägnirte motorische Nervenzelle auf, deren Fort- satz in die Wurzel der entgegengesetzten Seite übergeht. Die drei hellen Ringe im dorsalen Theile des Markes entsprechen Leydig’s „kolossalen Röhrenfasern“ oder den Neurochord- eylindern. Seitlich und der ventralen Hälfte angehörend ent- springen mit breitem Ansatz die Wurzeln; der Selmitt geht durch die Doppelwurzel. Sie verlaufen schwach bogenförmig Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 119 gekrümmt in ventrolateraler Richtung, durchsetzen schief die Scehiehte der Längsmuskeln, um knapp an der medialen Seite der inneren ventralen Borsten in die Ringmuskelschichte einzu- münden. Die Stelle dieser Einmündung ist nun das nächste Ziel aller sensibeln Fasern, nach dieser streben sie von allen Seiten her. Dies geschieht auf folgende Weise. Nachdem sie die eirkuläre Muskellage, sei es einzeln, sei es in Bündeln, dureh- setzt haben, lenken sie an deren innerer Grenze plötzlich unter scharfer, winkeliger Kniekung in die horizontale, d.h. mit der Oberfläche des Körpers parallele Ebene ein. Die Knickung ist so energisch, dass man sich im ersten Augenblicke geradezu verblüfft fragen muss, ob darin kein Hinderniss für die Leitung des Erregungsstromes gegeben sei. Von hier an verlaufen sie dann, immer im innersten Theil der Ringmuskelschichte, in eine feinkörnige, stellenweise mit Kernen besetzte Zwischensubstanz eingebettet, die Längsmuskeln schön bogenförmig umkreisend, zur bezeichneten Stelle hm. Durch den successiven Beitritt von mehr und mehr Bündelchen verstärkt sich die bogenförmig ver- laufende Gruppe zu einem stärkeren Strange. Sonder- barer Weise lassen gewöhnliche Färbungen von demselben nichts erkennen. Indess auch mit Golgischer Methode gelingt es nicht immer, ihn in seiner vollen Mächtigkeit zur Anschauung zu bringen; häufiger imprägnirt sich nur ein Theil seiner Be- standtheile. . Der symmetrische Verlauf bedingt ventral und dorsal in der Mitte eine Anordnung der Bündelchen, die sich mit gescheitelten Haaren vergleichen lässt, indem sie in der Mittellinie nach rechts und links auseinanderweichen. Die sensibeln Fasern bewahren, wie erwähnt, von der Zelle bis zum Mark ihre Individualität. Auch entbehren sie fast durchgehends der Seiten- äste. Nur ab und zu gewahrt man an der Stelle, wo sie nach Durchsetzung der Ringmuskellage den geschilderten Win- kel beschreiben, einen einzigen, zarten kurzen Ast, welcher hori- zontal in der der Umbiegung entgegengesetzten Richtung ver- laufend, bald ungetheilt endigt. Derselbe ist in den Figuren 3 und 7 vergegenwärtigt. Die Inconstanz und schwache Be- schaffenheit dieses Zweigehens motivirt es, wenn ich mich auf 120 Michael von Lenhossek: die Würdigung seiner funetionellen oder sonstigen Bedeutung nicht einlasse. Immerhm kann ich nicht umhin, in der Form einer bescheidenen Andeutung, deren Sinn wohl dem Kenner ver- ständlich sein wird, auf die T-förmige Anordnung der Faser, die durch dieses Aestehen bedingt wird, hinzuweisen. — In einem einzigen Falle, den ich in Fig. 8 reprodueirt habe, stellte sich dieser Ast etwas ansehnlicher dar und entsprang auch näher zur Oberfläche. An der Wurzel angelangt, biegen die Fasern in schön ge- schwungenen Curven, unter kelchartiger Convergenz in diese ein und erweichen das Mark nach parallelem, gestrecktem Lanf an dessen ventro-lateraler Seite. III. Gentraler Verlauf und Endigung der sensibeln Fasern. Ein grosses Interesse kommt der Frage zu, wie sich die sensibeln Fasern, die wir nun von ihrem oberflächlich gele- genen Ursprunge an bis zum Marke verfolgten, innerhalb dieses letzteren verhalten und speciell wie sie in demselben endigen. Von vornherein erscheint es als höchst wahrscheinlich, dass hier prineipiell ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie im Rückenmark der Wirbelthiere, d. h. dass jene Fasern zwischen den Zellen ddes Markes frei auslaufen, ohne sich mit ihnen zu verbinden. Die gewonnenen Ergebnisse entsprechen, wie wir sehen werden, in vollem Maasse dieser Voraussetzung. Doch möchte ich, bevor ich auf dieselben näher einginge, im aller Kürze einige allge- meine Bemerkungen bezüglich des Bauchmarks vorausgehen lassen, um so das Verständniss des Nachfolgenden zu erleichtern. Das Bauchmark des Regenwurms ist eine segmentirte Bildung. Allerdings ist hier die Gliederung bei Weitem nicht so ausgeprägt, wie bei anderen Annuliden, z. B. bei Hirudo, indem die Ganglien nicht wie dort durch längere Connective mit ein- ander verbunden, sondern durch Vermittlung je einer Einschnü- rung in direktem Zusammenhange mit einander sind, doch ist es ganz irrthümlich, wie das sogar auch in letzter Zeit ge- schehen ist, dasselbe als einen ungegliederten, gleichmässigen Strang hinzustellen. Ich habe mich über diese Frage an zahl- reichen frontalen Längsschnitten orientiren können, und gebe in Fig.9 die Abbildung der Ganglien, wie sie sich bei mässiger Streekung darstellen; auf letzteres — ob der Wurm gestreckt Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 121 oder eontrahirt ist — kommt nämlich in dieser Hinsicht sehr viel an. Die Ganglien erscheinen nicht von ganz regelmässiger Spindelform, indem deren breiteste Stelle ihrer distalen Partie angehört. Jedes Ganglion entsendet drei Paar Wurzeln. Die erste Wurzel („einfacher Nerv“) entspringt am proximalsten Theil des Knotens, die beiden anderen aus dessen distalem, breitesten Abschnitt knapp nebeneinander, oft geradezu scheinbar zu einem einheitlichen Nerven verschmolzen; mit Vignal!) und Friedländer?) möchte ich sie als „Doppelnerv* zusammen- fassen. Im dorsalen Theil des Bauchstranges verlaufen ungetheilt und ungegliedert der ganzen Länge nach die drei räthselhaften Gebilde, die seit Leydig°) bis auf die neuesten Autoren auf diesem Gebiet, wie Friedländer (a.a. 0. S.75) und B. Haller*) als „riesige Nervenfasern* aufgefasst werden. Auf die Golgi- sche Methode reagiren diese Stränge nie, sie bleiben ungefärbt, selbst wenn sich alle Fasergebilde des Markes, von den gröb- sten Stammfortsätzen bis zu den feinsten Dendritenverästelungen, schwärzen. Von einer homogenen oder leicht körnigen Masse sebildet, erscheinen sie von einer derben, an keiner Stelle, er- öffneten Scheide umschlossen und laufen am proximalen wie distalen Körperende zugespitzt aus. Ich möchte mich daher auf Grund meiner Beobachtungen mit aller Entschiedenheit den- jenigen Forschern anschliessen (Claparede, Kowalewsky, Vejdovsky, Perrier u. A.), die die nervöse Natur dieser „Neurochordeylinder“ in Abrede stellen. Kowalewsky°) hat in denselben Analoga der Chorda dorsalis der Wirbelthiere . ver- 1) W. Vignal, Recherches histologiques sur les centres nerveux de quelques invertehres. Archives de zoologie experimentale et genc- rale. Serie 2, T.I, 1883, pag. 391. 2) B. Friedländer, Beiträge zur Kenntniss des Centralnerven- systems von Lumbricus. Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. 47, 1888, S.51. aper. Deydır, Vom Bau 'des' thierischen Körpers.‘ Bq. TIL. Tübingen 1864, S. 154. 4) B&ela Haller, Beiträge zur Kenntniss der Textur des Central- nervensystems höherer Würmer. Arbeiten des zoologischen Institutes in Wien Bd. VIII, 1889, S. 70. 9) A. Kowalewsky, Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. 122 Micehael’von Lenhossek-: muthet. Lang!) hält sie im Anschluss an Spengel und Eissig für degenerirte Nervenfasern. Die Nervenzellen, die sich in ausserordentlicher Klarheit imprägniren, sind in funktionellem Sinne alle unipolar, die meisten sind es auch buchstäblich. Soweit ich sie bis jetzt ergründen konnte, zerfallen sie in zwei Kategorieen: 1. in solche, deren Nervenfortsatz eine Wurzel derselben Seite zum Austritte be- nützt; diese Elemente sind in der Regel kleiner und gruppiren sich im lateralen Abschnitt der Ganglien; 2. im solehe, deren Ausläufer das Mark durch eine Wurzel der anderen Seite ver- lässt. Hierher gehören die grössten Zellen und unter anderen auch die von dem leider so früh verstorbenen E. Hermann?) bei Hirudo entdeckten vielstrahligen „Medianzellen“. Der stets seitlich entspringende Ausläufer derselben kreuzt die Mittellinie und geht in die einfache Wurzel der anderen Seite ein. — Von dem „Hauptfortsatz“ der Nervenzellen spalten sich in der Weise, wie das schon von früheren Forschern, namentlich Buchholz?) angenommen, nun von Retzius an der Hand- verlässlicher Methoden mit aller Sicherheit dargelegt wurde, zahlreiche ver- zweigte, frei endigende „Nebenfortsätze“ ab, die sich mit anderen solchen zu einem dichten Gewirr, der „Dentritenzone* (Leydig’s „eentraler Punktsubstanz“, B. Haller’s „centralem Nervennetz“) verfilzen. Die topographische Anordnung ist bekanntlich eine derartige, dass sich die Nervenzellen im Bereich der Ganglien in Gestalt eines unvollkommmenen Mantels halbmondförmig um die eontinuirliche Säule der Dentritenzone herum gruppiren. Der centrale Lauf der sensiblen Fasern lässt sich an fron- talen Längsschnitten des Bauchstranges (Fig. 9) klar ermitteln. Das ist überhaupt die Schnittrichtung, deren man sich bei dem Studium des Bauchstranges vor allen anderen bedient. Ist die Reaction an Nervenzellen, deren Ausläufern und Nervenfasern 1) A. Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. I. Abth. Jena 1888, S. 221. 2) E. Hermann, Das Central-Nervensystem von Hirudo me- dieinalis. Gekrönte Preisschrift. München 1875, S. 35. 3) R. Buchholz, Bemerkungen über den histologischen Bau des Centralnervensystems der Süsswassermollusken. Arch. f. Anat,, Physiologie und wissensch. Medicin Jahrg. 1863. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 123 reichlieh eingetreten, so gewähren solche Sehnitte überraschende, mit zierlichen Details überladene Bilder. Indess viel günstiger für die Untersuchung sind diejenigen Fälle, wo die Methode ihre launen- hafte Gunst nur einigen wenigen Elementen zugewendet hat, Bilder z. B. wie ich sie besitze, wo man auf der gleichmässigen gelben Unterlage der Ganglienkette nichts anderes als eirfige sen- sible Fasern oder dergleichen wahrnimmt. Schon bei halbwegs „vollkommener“ Schwärzung verhindert die ausserordentliche Com- plieation der Bilder eine Analyse derselben. Das erste, was sieh an gelungenen Präparaten bezüglich (der sensiblen Fasern feststellen lässt, ist die Thatsache, dass die meisten eine bestimmte Wurzel zum Eintritt in das Ganglion benutzen, und zwar ist es die proximale Wurzel des Doppel- nerven. Dies ist die Bahn, durch welche dem Centralorgan wohl die Mehrzahl der sensibeln Elemente zuströmt, indess wie es scheint nicht alle, denn in mehreren Fällen habe ich auch in den beiden anderen Wurzeln Fasern wahrgenommen, die mir sen- sible zu sein schienen. Ich möchte im dieser Beziehung nicht missverstanden werden. Nachdem die Fasern das Mark betreten, dringen sie zu- nächst in querem Verlauf in die Dendritenzone ein. Hier unter- liegen sienun ausnahmslos alle in derselben Weise, wie wir das von den Wirbelthieren kennen, einer gabelförmigen Spaltung in einen auf- und abstei- senden Ast. Die Stelle, wo dies erfolgt, liegt bald un- mittelbar neben der Mittellinie, bald mehr der Eintrittsstelle der Wurzel genähert. Eines lässt sich stets constatiren, und dies scheint mir eine Thatsache von physiologischem Werth Bu Sein: die Baser süäberschreiteti.nie,die- Mittel- linie, und da auch die Theilungsäste von der streng senk- rechten Richtung nieht abweichen, gehört die sensible Faser mitsammt ihrer ganzen centralen Ausbreitung und Endigung der entsprechenden Markhälfte an. Da die Dendritenzone nicht völlig einheitlich erscheint, vielmehr fast überall eine, wenn auch nicht ganz durchgeführte, so doch angedeutete Gliederung in eine rechte und linke Hälfte erkennen lässt und man daher auch in physiologischer Beziehung bis zu einem gewissen Grade eine Selbstständigkeit der beiden Markhälften von einander vermuthen darf, so scheint der Satz gerechtfertigt, dass die sensibeln 124 Michael von Lenhossek: Fasern den dureh sie fortgepflanzten Erregungs- strom hauptsächlich den Nervenzellen derselben Seite mittheilen und so dieselbe Markhälfte in Erregung versetzen. Die Theilung lässt sich auch an Querschnitten beobachten, (s. Fig. 11), indess im unvollkommener Weise, mit kurz abge- schnittenen Aesten. Um sie in richtiger Form zu sehen, muss man sie unbedingt an Längsschnitten aufsuchen. Hier erkennt man nun folgendes. Die Bifureation ist nie eine streng T-, sondern stets eine mehr Y-förmige, indem die Theilungsäste, bogenförmig auseinanderweichend in die Longi- tudinalrichtung einlenken. Häufig schien es mir, als wäre dieser Bogen an dem aufsteigenden Schenkel weniger ausgesprochen als an dem absteigenden, d. h. als wäre der Uebergang in den proximalen mehr eckig, in den distalen mehr bogenförmig, indess zeigte sich diese ohnedies inconstante Differenz stets so gering- fügig, dass ich in ihr etwas Zufälliges, jedenfalls Unwesentliches, erblicken möchte. Eine Verdiekung fehlt an der Theilungsstelle. Die Theilungsäste sind von gleicher Dieke und kommen in den meisten Fällen auch der Stammfaser gleich. Es liegt darin ein diagnostisches Merkmal gegenüber solehen longitudinal ver- laufenden Zellfortsätzen, die an der Stelle, wo sie im Begriffe sind, rechtwinklig in eine der Wurzeln einzubiegen, in der Fort- setzung ihrer Verlaufsrichtung noch einen schwachen Nebenfortsatz abgeben, wodurch eine Anordnung zu Stande kommt, die man mit (ler Bifureation der sensiblen Fasern verwechseln könnte, zumal wenn der Fortsatz ohne seime Zelle imprägnirt ist. Indess sind hier die drei Fasern, die in der vermeintlichen Theilung zusammen- treffen, nie von gleicher Stärke, vielmehr stellt die eine stets einen viel schwächeren Nebenast dar. Berücksichtigt man diesen Umstand, so wird man die zwei Fasersorten leicht auseimander- halten können. Was nun die weiteren Verhältnisse der auf- und absteigen- den Faser betrifft, so sind sie so einfach, dass ihre Beschrei- bung kurz gefasst werden kann. Sie halten sich genau an die Longitudinalrichtung, von der sie an keiner Stelle stärkere Abweichungen erkennen lassen, doch zeigen sie keinen ganz glatten, sondern einen wellig zackigen Verlauf. Seitenäste, etwa den Collateralen der Längsfasern beiVerte- Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 125 bralen entsprechend, fehlen; kleine Zacken kommen allerdings stellenweise vor, die indess nie den Namen von Aesten verdienen. Dem etwaigen Einwand, es könnten solche Aeste doch vorhanden sein und sich nur durch unvollkommene Färbung dem Blieke entziehen, kann durch den Hinweis auf den Umstand begegnet werden, dass sich an den gleichen Präparaten die zahlreichen teinen Aestehen der Stammfortsätze der Nerven- zellen tadellos imprägnirt zeigen und dass es durchaus unerklärlich erschiene, warum die Methode gerade diesen Collateralen nicht gewachsen wäre. Nur an zweien der zahlreichen sensiblen Fasern, deren centraler Lauf mir handgreiflich vorlag, zeigte sich inso- fern eine Ausnahme von dieser Regel, als die absteigende Faser unweit von der Theilung noch einen Seitenast aus sich hervorgehen liess, der sich nochmals theilte. — Der Mangel an Seitenästen verleiht den sensiblen Fasern des -Markes eimen besonderen Cha- rakter, auf Grund dessen sie sich gegenüber den anderweitigen stets mit solehen versehenen Fasergebilden unschwer diagnosti- eiren lassen, namentlich wenn man auch ihr zweites und noch entscheidenderes Merkmal, nämlich ihre auffallende Dünne berücksichtigt. Sie theilen sich nie weiter, son- dern lauten Wungetheilt- mit.freier. Spitzen 'auR. Wie weit erstreckt sich nun ihr Lauf? An den mir vorliegenden Präparaten erscheinen die beiden Aeste von verschiedener Länge, bald schon kurz endigend, bald längere Gebiete des Markes um- fassend. Ich glaube das Richtige zu treffen, wenn ich bloss die letzteren Formen als maassgebend anerkenne, die ersteren hingegen als Ergebnisse einer unvollkommenen Imprägnation ausser Acht lasse. In mehreren Fällen, wo ich die beiden Fasern genau verfolgen konnte, ergab sich nun, dass sowohl die auf- wie die absteigende Faser nicht nur durch das eigene Ganglion hindurch- geht, sondern auch in das nächstfolgende eindringt, ja dasselbe oft seiner ganzen Länge nach, bis zu dessen proximaler oder distaler Grenze durchsetzt. Somit tritt uns hier ein zweiter, in funktioneller Beziehung wichtiger Satz entgegen. Der cen- trale Lauf, also auch die physiologische Einwir- kung einer jeden sensibeln Faser beherrscht drei Ganglien: dasjenige, in welches die Stammfaser eintritt und die proximal und distal daneben befindlichen. Die Bifuration der sensibeln Fasern, bei Wirbelthieren mit Be- 126 Michael von Lenhossek: stimmtheit als constante Einrichtung erkannt, wird nun durch den Nachweis derselben auch bei einem wirbellosen Thier zum Werthe eines all gemeineren, für alle sensibeln Fasern peripheri- schen Ursprungs gültigen Strueturprinzips er- hoben; sie dient dem Bedürfnisse, den Erregungsstrom auf ein weiteres, sowohl in proximaler wie distaler Richtung ausgedehn- teres Gebiet des Centralorgans zu vertheilen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die sensibeln Fasern und deren Bifureation auch von Retzius bei Crustaceen gesehen wurden, doch zögerte dieser so vorsichtige Forscher, diese Bilder anders als Ergebnisse eines unvollkommenen, nur an «em Fortsatz und nicht an der Zelle eingetretenen Imprägnation aufzufassen. S.28 heisst es: „Hin und wieder kommt es nun vor, dass die peri- pheren Nervenfasern verzweigt und blaugefärbt eine Strecke in die Punktsubstanz binein verfolgt werden können, wo jedoch kein Zusammenhang mit einem wirklichen Ganglienzellenfortsatz wahrgenommen wird. Nach den zahlreichen Erfahrungen, die ich auf diesem Gebiet gewonnen habe, bin ich indessen geneigt, solehe Fälle stets auf unvollständige Färbung zurückzuführen.“ Die Faserverästelungen, auf die sich diese Worte beziehen, schei- nen mir auch m der That nach den Abbildungen problema- tischer Natur, indess begegnen wir hin und wieder, z.B. Taf. VI Fig.3 und Taf. VIH Fig. 1 ganz charakteristischen Fasergabe- lungen, die den von mir beobachteten entsprechen dürften. IV. Schlussbetracehtungen. Umfässt nun das dargelegte System in die Epidermis ein- seschalteter sensibler Elemente und ihrer Nervenfortsätze den gesammten sensibeln Antheil des Nervensystems oder sind daneben noch sensible Fasern anderen Ursprunges vertreten? Für die Haut liess sich zunächst die Gegenwart anderweitiger als in ihr selbst entspringender Fasern fast mit Bestimmtheit ausschliessen. Anders steht die Sache bezüglich der inneren Organe des Körpers. Es muss als wahrscheinlich bezeichnet werden, dass dieselben auch mit einem gewissen Grad von Sensibilität und demgemäss auch mit sensibeln Nervenfasern ausgestattet sind. Nun hat Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 127 Vignal a.a.0. im der Darmwand von Crustaceen, Mollusken, Hirudineen, sowie auch des Regenwurms an der Hand des Ver- goldungsverfahrens ein reiches Nervengetlecht nachgewiesen, das ich bei Lumbrieus mit der Golgischen Methode gleichfalls prächtig darzustellen vermochte. Dasselbe gehört Vignal’s Angaben entsprechend ausschliesslich der Museularis an und be- herbergt zahlreiche eckige Nervenzellen, deren Fortsätze, 2—4 an der Zahl, durch ihre Verflechtung jenen Plexus hervorbringen. Wie sollen wir nun dieses Geflecht auffassen? Der Umstand, dass es sich auf die Musenlaris beschränkt, ferner dass es voll- kommen mit dem von R. y Cajal unlängst m den Flügel- muskeln der Arthropoden beschriebenen!) Geflecht übereinstimmt, scheint für einen motorischen Charakter desselben zu sprechen. Wenn wir indess auch diese Frage unentschieden lassen, so steht es doch fest, dass es sich hier um ein eigenes Darmnervensystem, vergleichbar dem Plexus myentericus des Vertebratendarms und nicht um einen Theil des eigentlichen medullaren peripherischen Nervensystems handelt, wie denn auch Vignal dasselbe einem besonderen Systeme sympathique zutheilt. Sollten nun auch in den Eingeweiden anderweitige, aus dem Marke stammende sen- sible Nervenfasern vorkommen, so muss es von vornherein klar sein, dass sie der überraschenden Fülle der der Haut entspriessen- den gegenüber ein verschwindend geringes Contingent darstellen könnten, ja bei einem summarischen Ausdruck der Verhältnisse geradezu ausser Acht gelassen werden dürfen. Man wird da- her den Satz als allseitig begründet anerkennen müssen, dass das sensible Nervensystem bei dem Regenwurm der Hauptsache nach iin die Haut verlegt ist. Hierin tritt uns nun ohne Frage ein Merkmal verhältniss- mässig niedriger Bildungsstufe entgegen. Phyletisch und ontogenetisch erscheint das Nervensystem als eine Bildung des äusseren Keimblattes. Mit der fortschreitenden Entwiekelung ge- winnt dasselbe mehr und mehr die Tendenz, die Verbindung mit der Oberfläche aufzugeben und in tiefere Schichten des Körpers )S. Ramon y Cajal, Coloration par la methode de Golegi des terminaisons des trach6es et des nerfs dans les musceles des ailes des inseetes. Zeitschrift für wissenschaft. Mikroskopie Bd. VII, 1890, 2336: 128 Michael von Lenhossek: zu rücken. Je mehr die ursprüngliche Beziehung zu dem Inte- - gument in der defmitiven Einrichtung gewahrt ist, desto mehr nähert sich der Typus des Nervensystemes dem Urzustande. 3ei den niedrigsten Metazoen erscheint die epitheliale Be- kleidung des Körpers in ihrer Gesammtheit als Sitz sensibler Reizbarkeit. Weder Empfindung noch Bewegung ist an besonders differenzirte Elemente geknüpft, denn auch die Erscheinung der Contraetion ergiebt sich als gemeinsame Eigenschaft des Proto- plasmas sämmtlicher Zellen. Mit dem Auftauchen speeifischer contractiler Elemente leitet sich nothwendiger Weise auch die Differenzirung eines besonderen Nervensystems ein. Denn die genannten Zellen sind unfähig, aus eigenem Antrieb in Action zu treten, sie bedürfen hierzu: vielmehr der Einwirkung anderer impulsiver Elemente. So sehen wir, dass einzelnen, ihrer Herkunft nach dem Eetoderm an- gehörenden Zellen, die ihrer Natur nach unserem Begriffsver- mögen unfassbare Fähigkeit ertheilt wird, vermöge der Thätig- keit ihres Protoplasmas und dureh Vermittelung ihres an die Muskelzellen in freiem Contact herantretenden Ausläufers letztere zur Contraetion zu veranlassen. Diese Zellen, die man als motorische Nervenzellen bezeichnet, lösen sich aus dem Ekto- dermverbande und verlagern sich in das Innere des Körpers. Hand in Hand mit dieser Verlagerung muss indess auch ein sensibles Nervensystem - in die Erschemung treten. Denn jene motorischen Nervenzellen stehen wieder unter dem Einflusse äusserer Reize, aus denen sie auf reflektorischem Wege die Ver- anlassung zur Bewirkung zweckentsprechender Bewegungen in den contraetilen Zellen schöpfen. Beherrscht doch diese Wechsel- wirkung die Aeusserungen thierischen Lebens. Zur Vermittelung dieser Beziehung vollzieht sich innerhalb der äussersten epithe- lialen Körperschiehte eine Sonderung in indifferente Zellen einer- seits, in irritable Sinneszellen andererseits. Letztere kennzeichnen sich dadurch, dass sie am basalen Pol eine Nervenfaser aus sich hervorgehen lassen, welehe nach der Gegend hinstrebt, wo sich die motorischen Zellen anhäufen, zu denen sie dann Beziehungen eingeht. Die Erkenntniss, die uns die neuesten Forschungen am Nervensystem von Wirbelthieren und Wirbellosen vermittelt haben, sowie auch vorliegende Erfahrungen lassen darüber keinen Zweifel übrige, dass diese Beziehungen stets als einfacher Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 129 Contact, d. h. als eine Berührung zwischen frei auslaufenden Fasern und Zellen resp. deren Dendriten und nicht etwa als di- rekte Verbindung aufzufassen seien. Wie für Wirbelthiere, so gilt gewiss auch für Wirbellose das Gesetz, dass es keine Ner- venfaser giebt, die sich an beiden Enden mit Ner- venzellen verbände. Allen kommt vielmehr das Verhalten zu, dass sie auf der einen Seite aus einer Nervenzelle entsprin- gen, aus der sie auch ontogenetisch als deren verlängerter Fortsatz hervorgehen und auf der anderen Seite frei endigen. Jene epidermalen Nervenzellen sind demgemäss nicht als „Nervenendzellen“, sondern als echte Ursprungszellen von Nervenfasern aufzufassen. Auf diesem Stadium treffen wir das Nervensystem des Regenwurms an. Der hier realisirte T'ypus unterliegt auf einer höheren Lebensstufe nach zwei Richtungen hin einer Complieation. Die erste besteht darin, dass die bei unserem Thier noch diffus über den ganzen Körper vertheilten sensibeln Zellen sich stellenweise zu besonderen, zur Perception bestimmter Sinnesreize dienenden Sinnesorganen gliedern. Freilich hält das Auftreten soleher Organe nicht ganz Schritt mit der Stellung des Thieres im natürlichen System, denn wir finden z. B. Thiere, die tief unter dem eigentlicher Sinnesorgane entbehrenden Lumbrieus stehen, mit solchen ausgestattet. Ein zweiter, bezeichnenderer Fortschritt macht sich in der Erscheinung geltend, dass einzelne dieser sensiblen Zellen gleich den motorischen der Oberfläche entzogen und in innere Schichten des Körpers internirt werden. Natürlich muss dies die Bildung eines peripherischen Fortsatzes an den betreffenden Zellen im Gefolge haben, welcher sich gegen die Oberfläche des Körpers wendet, um in der Nähe derselben unter freier Verästelung zu endigen. Auf welcher Stufe der Organisation beginnt nun dieser Process der Internirung sensibler Zellen? Die bisherigen Kennt- nisse über das Nervensystem Wirbelloser gestatten es nicht, hier- über auch nur vermuthungsweise eine Ansicht auszusprechen. Zwei Punkte indess möchte ich in dieser Hinsicht als gesichert hinstellen: 1) Die Anfänge desselben vollziehen sieh Jedenfalls sehon im Bereich der wirbellosen Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 9 150 Michael von Lenhossek: Thiere. Der entscheidende Beweis hierfür liegt in den Beob- achtungen von Retzius (a.a. 0.8.44), welchem Forscher es ge- lang, vermittelst der Methylenblaumethode in der Epidermis und (den Antennulae von Palaemon squilla, einer Crustacee, eine freie peripherische Endverästelung sensibler Nervenfasern nachzuweisen. 2) Auf alle Fälle bleiben bei sämmtlichen Wirbellosen die in die Tiefe gerückten sensibeln Nervenzellen hinter der grossen Mence ders die Haut localisirten zurück. Ich gründe diese Behaup- tung hauptsächlich auf die zahlreichen, in der zoologischen Litte- ratur niedergelegten Angaben und Andeutungen über Nervenzellen im Integument verschiedenster Wirbelloser. Speziell habe ich hier die vielen Mittheilungen über Stiftehen- oder Haar- zellen im Auge, die uns auch bei den höchsten Formen in grosser Entfaltung entgegentreten; ich zweifle keinen Augen- blick, dass diese Blemente alle echte perrphr-. rische Nervenzellen, Ursprungszellen sensibler Fasern darstellen. Im ähnlicher Weise sind die Verhält- nisse andeutungsweise schon vor Jahren von Forel!) auf- eefasst worden. Die Gegenwart der als „Sinneshaare“ bezeich- neten Cutieularbildungen schemt bei den wasserbewohnenden Ever- tebraten ein charakteristisches Merkmal epidermaler Nervenzellen und von funktioneller Bedeutung zu sein, während sie bei terri- eolen Formen, wie Lumbrieus, fehlen können. Ja auch bei Amphioxus dürften viele sensibeln Fasern mei- nes Erachtens ihren Ursprung aus Nervenzellen der Haut nehmen. Die Begründung zu dieser Ansicht ent- nehme ich einerseits dem Umstande, dass bei diesem Thiere bekanntlich keine Spinalganglien vorhanden sind, zweitens den so bestimmten Angaben von Langerhans?), Wiedersheim?) und Rohon?) durch welche das Vorhandensein zahlreicher spin- 1) A. Forel, Einige hirnanatomische Betrachtungen und Er- gebnisse. Archiv für Psychiatrie, Bd. 18, 1887, S. 169. 2) P. Langerhans, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. Archiv für mikr. Anatomie Bd. XII, 1876, S. 305. 3) R. Wiedersheim, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1883, S. 357. 4) J. V. Rohon, Untersuchungen über Amphioxus lanceolatus. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern etc. 131 delförmiger Nervenzellen in der Epidermis des Amphioxus ausser allen Zweifel gestellt wird. In viel grösserem Maasse tritt uns dieser Vorgang der Aus- schaltung sensibler Zellen aus dem Verbande des Eetoderms in der Klasse der Wirbelthiere entgegen. Schon bei den niedrigsten Fischen, den Cyelostomen, begegnen wir in dieser Beziehung dem Verhalten, welches für die ganze Wirbelthierreihe maassgebend ist. Eine ansehnliche Gruppe sensibler Nervenzellen oder rich- tiger Keimzellen sammelt sich schon in den ersten Phasen der Embryonalentwickelung jederseits am lateralen Saum der Medullar- platte zu einem eetodermalen Längsstrange, wird in der Folge zuerst bei der Medullarabschnürung dem Schlussstück des Me- dullarrohres zugetheilt, weiterhin aus demselben ausgeschaltet, um sich schliesslich zu beiden Seiten des Rückenmarkes zu segmental angeordneten Anhäufungen, den Spimalganglien zu gruppiren. Indess wenn wir einerseits in diesen Ganglien Bildungen erkennen möchten, durch deren Besitz die Wirbelthiere von Wirbellosen sich sehr wesentlich zu unterscheiden scheinen, so wird andererseits der Unterschied bedeutend abgeschwächt durch den Umstand, dass. die genannten Ganglien nur einen Preibderrsensiblen Nervenzellen in sich bezre: fen, indem namentlich beiniederen Wirbelthieren daneben noch eine grosse Anzahl solcher Nerven- zeilen"in derselben Weise’ wier'bei Wirbellosen über die Haut vertheilt "ist... Ich verweise. im\dieser Hinsicht auf die bekannten, so mannigfachen „Nervenendorgane*, wie Seitenorgane, Nervenhügel und Endknospen in der Haut der Fische, Amphibien und Reptilien, die eigentlich alle als Com- plexe sensibler Nervenzellen, mithin als „Ursprungsorgane von Nerven“ aufzufassen sind. Bei den höheren Wirbelthieren, Vögeln und Säugern, tritt dieses System epidermaler Nervenzellen, soweit unsere Kenntnisse heute reichen, fast ganz zurück, und die Beziehungen der sensibeln Nervenfasern zum Integument er- scheinen nun durchgehends unter dem Bilde einer richtigen Nervenendigung, sei es, dass die Nervenfaser nackt ausläuft, sei es, dass sie von accessorischen Bindegewebs- oder Epithelzellen Denkschrft. der mathem.-naturw. Olasse d. Akad. d. Wissensch. in Wien Bd. 45, 1882. 132 Michael von Lenhossek: in Form eines „Terminalkörperchens“ umfasst wird. — Es ist nun von hohem Interesse, dass sich jenes ursprüngliche Verhalten an zwei Stellen auch bei den höchsten Säu- sern und dem Menschen erhält; diese sind: Riechschleim- haut und Geschmackspapillen. Was die erste betrifft, so wissen wir es heute mit Bestimmtheit, dass die Riechzellen echte periphere Nervenzellen, vergleichbar den epidermalen Nervenzellen bei Lumbrieus, darstellen und wie diese, direkt in eine Nerven- faser übergehen. Obgleich dieser Zusammenhang schon von Max Sehultze, dem sich eme Reihe von Forschern anschloss, aufge- stellt wurde, so ist es doch erst in letzter Zeit Ehrlich'), Arn- stein?), Cajal?) und van Gehuchten*) gelungen, denselben durch die Anwendung theils der Methylenblaumethode, theils der Golgi’schen Färbung mit der in der Histologie überhaupt er- reichbaren Sicherheit nachzuweisen. Auch hier erfolgt die cen- trale Endigung der aus den betreffenden Zellen hervorgehenden Fasern nicht etwa durch Verbindung mit centralen Zellen, son- dern Golgi’s°) Entdeckung gemäss, die von Cajal®) und van Gehuchten?) bestätigt wurde, unter freier Verästelung inner- halb der Glomeruli olfactorii des Riechlappens. — Auch bezüg- lich der Geschmackszellen der Papillae eircumvallatae darf man es nach neueren, ebenfalls mit Hülfe jener Methoden ge- wonnenen Erfahrungen von Arnstein (a. a. 0. S. 130) und nament- 1) Ehrlich, Ueber die Methylenblaureaction der lebenden Nervensubstanz. Deutsche medie. Wochenschrift 1886, Nr. 4. 2) C. Arnstein, Die Methylenblaufärbung als histologische Me- thode. Anat. Anz. Jahrg.2, 1887, S. 125. 3) S. Ramön y Cajal, Nuevas aplicaciones del metodo de co- loraeiön de Golgi. Terminaciones del nervio olfatorio en la mucosa nasal. Barcelona 1889. 4) A. van Gehuchten, Contributions a l’etude de la muqueuse olfactive chez les mammiferes. La Cellule t.»/I, 1890. 5) C. Golgi, Salla fina struttura dei bulbi olfattorii, Reggio Emilia 1875. 6) S. Ramön y Cajal, Origen y terminaciön de las fibras ner- viosas olfatorias; Extraido de la Gaceta Sanitaria Municipal, 10. De- cember 189%. 7) A. van Gehuchten u. J. Martin, Le bulbe olfactif chez quelques mammiferes. La Cellule t. VII, 1891, pag. 14. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 133 lich von Fusari und Panaseci!) als gesichert betrachten, dass denselben die gleiche Bedeutung zukommt. Im Grunde genommen sehören auch die Haarzellen der Maculae acusticae des häutigen Gehörorganes hierher, die zwar der Ober- fläche des Körpers entrückt, jedoch noch immer inmitten ihrer ursprünglichen Bildungsstätte, nämlich des eetodermalen Epi- thels, sich befinden, und für die Retzius?) in seinem grossen Werke sehr entschieden und jedenfalls mit Reeht einen direkten Uebergang in Acusticusfasern vertritt. Gehen wir nun auf einen genauen Vergleich der bei Lum- brieus ermittelten Verhältnisse mit den entsprechenden Einrich- tungen der Wirbelthiere ein. Unsere Kenntnisse über das Verhalten der sensibeln Fasern im Rückenmarke der Vertebraten sind in letzter Zeit ausser- ordentlich erweitert, ja wir dürfen wohl sagen, soweit es sich um die prineipiell wichtigsten Gesichtspunkte handelt, zu einem gewissen Abschluss gebracht worden. Während die Forsehung auf diesem Gebiet bis dahin, insofern sie sich innerhalb der Grenzen der Gründlichkeit hielt, blos auf die Feststellung topo- graphischer Verhältnisse beschränken musste, ermöglichte die Golgi’sche Methode ein tieferes Eindringen, eime Lösung der fundamentalsten Fragen. Allerdings wurden diese Errungenschaften vorbereitet dureh die wichtige, auf embryologischer Basis gewonnene Entdeckung von His?), derzufolge die Fasern der hinteren Wurzeln nicht im Marke selbst entstehen, sondern von den Nervenzellen der Spinal- 1) Fusari e Panasci, Sulla termin. nerv. nella mucosa e nelle ghiandole sirose della lingua dei mammiferi, Torino 1890. Citirt nach Kölliker. 2) Gustaf Retzius, Das Gehörorgan der Wirbelthiere. Bd. Il. Stockholm 1884, S. 362. 3) W. His, Zur Geschichte des Rückenmarks und der Nerven- wurzeln. Abhandl. der k. sächs. Gesellsch. d. Wissenschaften Bd. XIII, 1886, S. 489. 134 Michael von Lenhossek: ganglien her als deren centrale Ausläufer in dasselbe eindringen. Angesichts dieser Art der Entwiekelung musste es His als höchst wahrscheinlich bezeichnen, dass die Endigung der sensibeln Fasern im Marke keine celluläre, sondern eine freie sei. Was nun der Scharfblick des berühmten Embryologen er- schlossen hat, das trat an den klaren Präparaten der Golgi’schen Methode handgreiflich zu Tage. Die freie Endverästelung der sensibeln Fasern zwischen den centralen Nervenzellen bestimmt nachgewiesen zu haben, ist Golgi's!) unbestrittenes Verdienst. Hinsichtlich weiterer Details sind indess die Forschungen Cajal’s?), deren Ergebnisse bald auch in der grossen Auktorität Kölliker’s?) eine Stütze fan- den, von Wichtigkeit geworden. Durch die Ermittelungen dieser Forscher wurde festgestellt, dass — wie das schon Fritjof Nansen*) früher bei Myxine allerdings sehr flüchtig beobachtet und kurz beschrieben hatte — die Fasern der Hinterwurzeln nach dem Eimtritt in das Rücken- mark sich sofort gabelförmig in einen auf- und absteigenden Ast spalten, die nach kürzerem oder längerem Verlauf in die graue Substanz eimbiegen, um sich hier frei zu verästeln. Während ihres longitudinalen Verlaufs entwickeln sie zahlreiche unter rechtem Winkel abtretende Seitenästchen: Collateralen, welche zwischen den Zellen in zierliche Endbäumchen auslaufen. Bei Lumbrieus liegen nın im Grunde genommen ähnliche Verhältnisse vor und es ist überraschend zu sehen, wie bis inein so feines Detail hinein Gemeinsamkeit der Organisation herrscht. Statt in den Spinalganglien, liegt der Ursprung der sensibeln 1) €. Golgi, Studii Istologiei sul Midollo Spinale, Archivio Italiano per le Malattie nervose. Anno 1881, pag. 155. 2)S. Ramön y Cajal, Sur l’origine et les ramifications des fibres nerveuses de la moelle embryonnaire. Anat. Anzeiger, Jahrg. V, 1890, S. 85. 3) A. v. Kölliker, Zur feineren Anatomie des centralen Nerven- systems. Zweiter Beitrag: Das Rückenmark. Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. LI, 1890, S. 1. 4) Fritjof Nansen, The Structure and Combination of the Histological Elements of the Central Nervous System. Bergens Mu- seums Aarsberetning for 1886, S. 158. Ursprung, Verlauf und Endigung der sensibeln Nervenfasern ete. 135 Fasern allerdings in der Epidermis, daher auch die entsprechen- den Zellen, die dort wesentlich (Ranvier’s T) bipolar sind, hier unipolar erscheinen. Indess kommt dieser Differenz nur eine topographische und wie vorhin dargelegt, eine phylogenetische Bedeutung zu, in funetioneller Hinsicht erscheint sie nicht ent- scheidend. Für den Physiologen mag es ganz indifferent sein, ob die sensible Nervenzelle auf der Oberfläche liegt, in den Ver- lauf der Faser eingeschaltet oder deren centralem Ende an- gefügt ist. Der Fortsatz dringt dann bei beiden in das Mark ein, unterliegt in gleicher Weise einer diehotomischen Theilung, deren Details sogar übereinstimmen. Hier wie dort schlagen die Theilungsfasern die Längsrichtung ein und endigen frei. Ein zweiter Unterschied tritt uns in dem Mangel von Oolla- teralen beim Regenwurm entgegen. Sollen wir nun darin einen Differenzpunkt prineipieller Natur erkennen? Meiner Ansicht nach wäre dies unbegründet, umsomehr da man den Unterschied durch folgenden Gedankengang auf befriedigende Weise zu erklären und auf seine Ursachen zurückzuführen vermag: Bei Vertebraten verlaufen die longitudinalen Abschnitte der sensibeln Fasern in der weissen Substanz, also ausserhalb des Gebietes (graue Substanz), das die Nervenzellen und deren Den- driten in Anspruch nehmen. Da sie sich von letzteren fernhalten, müssen sie zur Anknüpfung von Beziehungen mit denselben be- sondere kleine Aestchen in die graue Substanz eintreten lassen u. zw. successiv eine grössere Anzahl, um auf ein ausgedehntes Gebiet des Rückenmarkes einwirken zu können. Die Stammfaser lässt sich in passender Weise mit dem längs der Gasse verlaufen- den Hauptrohr der Wasserleitung, die Collateralen mit den in die einzelnen Häuser eingeführten Nebenleitungen vergleichen. Nicht so bei Lumbrieus. Hier betritt die Faser sofort die Dendritenzone und auch ihre Theilungsäste bahnen sich ihrer ganzen Länge nach durch diese ihren Weg. Vom Anfang bis zum Ende sind letztere daher durch ein reiches Gewirr von Den- driten umrankt und dadurch in den Stand gesetzt, die durch die sensible Faser dem Centralorgan zugeführte Erregung direkt, ohne Vermittelung von Seitenästen den sie umspinnenden Dendri- ten und so einer grossen Anzahl von Zellen des Markes mit- zutheilen. 136 Michael von Lenhosscek: Ursprung, Verlaufu. Endigung ete. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Die Zeichnungen sind mit Ausnahme der Fig. 1 alle nach Prä- paraten angefertigt, die mit Hülfe der Golgi’schen Methode gewonnen wurden. 440fach. Mies. Vergrösserung, wenn nichts Besonderes angegeben, ca. Epidermis (Hypodermis ant.) des Regenwurms. Doppelfärbung Hämatoxylin-Kongo. Vergrösserung ca. 1000fach. a — Stütz- zelle; b= Stützzelle mit beginnender Schleimmetamorphose; ce= Schleimzelle; d—= Nervenzellen; e= Cuticula; f=Ring- muskelschicht. Fig. 2—4. Epidermis mit imprägnirten Stützzellen, Schleimzellen und Nervenzellen. Fig. 2 zeigt die scheinbaren Stiftehen der Schleimzellen (Porenkanälchen), das Eindringen der Capillar- schlingen bis dicht unter die Cuticula. Nervenzelle der Epidermis aus einem Längsschnitte. Ventraler und lateraler Theil eines Querschnittes von Lum- briecus, aus mehreren Präparaten zusammengestellt. Von den imprägnirten Zellen der Epidermis sind nur die Nervenzellen zur Darstellung gebracht. Das Bild ist so aufzufassen, dass darin nur ein Theil der Nervenzellen, soviel sich eben der Reaction zugänglich zeigten, wiedergegeben sind. Gesammt- bild des Ursprungs und peripheren Verlaufs der sensibeln Fasern. a-- Epidermis; b- Ringmuskulatur; e — Längsmus- kulatur; d=- ventrale Borsten; e — proximale Wurzel des Doppelnerven; f — Querschnitt des Bauchstranges mit im- prägnirter motorischer Nervenzelle. Vergr. ca. 250fach. Einzelne Details, so z. B. Nervenzellen bei stärkerer Vergrösse- rung eingetragen. Fig. 7 und 8. Nervenzellen mit imprägnirtem Fortsatz. Derselbe Fig. 10. besitzt an beiden ein kleines Nebenästchen; Fig.”7 zeigt das gewöhnliche Verhalten desselben, Fig.8 einen ganz singulären Fall. Frontaler (d.h. mit der ventralen und dorsalen Fläche paral- lerer) Längsschnitt des Bauchstranges von Lumbricus, aus mehreren Präparaten combinirt. Centraler Verlauf, Bifurca- tion und Endigung der sensibeln Fasern. Sonstige impräg- nirte Elemente, Nervenzellen u.s.w. der Deutlichkeit halber weggelassen. Vergr. ca. 250fach. Querschnitt eines Ganglions aus der Höhe der Doppelwurzel, mit imprägnirten Nervenzellen (roth), deren protoplasmatische Aeste die „Dendritenzone“ (Leydig’s „centrale Punktsub- stanz“) bilden. Eintritt und Verhalten der sensibeln Nerven- tasern auf dem Querschnitt (schwarz). 137 (Aus dem pathologischen Laboratorium an der k. Universität Warschau.) Ueber granuläre Einschlüsse in den Geschwulstzellen. Von Dr. J. Raum, Assistent. Hierzu Tafel VI. Seit einigen Monaten bin ich mit der Untersuchung von Zellgranula beschäftigt und bediene mich dabei der von Alt- mann empfohlenen Methode!). Wie bekannt, beruht dieselbe auf Fixirung der Gewebe mit einem Gemisch von Lösungen des Kalibiehromats und der Ueberosmiumsäure mit nachfolgender Tinetion mittelst des in Anilinwasser gelösten Säurefuchsins und Entfärbung durch wässerig-alkoholische Lösung von Pierinsäure. Diese Methode ist übrigens nicht die einzige, die Altmann zum Nachweis von Zellgranula angegeben hat; es muss aber zuge- standen werden, dass sie vorläufig die bequemste ist. Ich be- nutzte das erwähnte Verfahren beim Studium verschiedener nor- maler thierischer Gewebe und habe bereits Gelegenheit genommen über meine diesbezüglichen Befunde kurz zu berichten?). Bei diesen Untersuchungen sind natürlich auch die menschlichen Ge- webe nicht übergangen worden. Meine Bemühungen, die fuch- sinophilen Granula in denselben zu constatiren, blieben jedoch eine Zeit lang fruchtlos.. Die negativen Ergebnisse, welche das Leichenmaterial lieferte, konnten mir indessen nicht die Lust rauben, meine Untersuchungen an günstigeren Objekten fortzu- setzen. Es sind hier die frisch ausgeschnittenen Geschwulstheile gemeint, in denen man zufällige postmortale Veränderungen nicht zu befürchten braucht. Aber auch an Geschwülsten zeigte sich anfangs, dass die fuchsinophilen Granula hier keineswegs so leieht nachzuweisen sind, wie in normalen Geweben mancher Thiere, von denen Altmann eine Reihe prachtvoller und lehr- reicher Bilder bekommen hat. Erst in allerletzter Zeit bin ich zu Resultaten gelangt, die jeden Zweifel in Bezug auf das Vor- handensein fuchsinophiler Granula auch in menschlichen Geweben 1) Die Elementarorganismen. Leipzig 1890. 2) Naturwissenschaftlicher Bote 1891, Nr. 6—7 (russisch). 138 JEaRsanuıDe® endgültig beseitigen. Diese positiven Ergebnisse verdanke ich einerseits einer kleinen Modifiecation des in Rede stehenden Ver- fahrens, die in einer längerdauernden Behandlung der Präparate mit Pierinsäure besteht, anderseits aber den vorzüglichen optischen Eigenschaften des von mir unlängst erhaltenen Zeiss’schen Oel- Apochromats. Es wäre überflüssig, uns an dieser Stelle auf detaillirte Er- wägungen über die Bedeutung der Altmann schen Granula im Einzelnen und der Zellgranula im Allgemeinen einzulassen. Ein Versuch, die prineipielle Bedeutung dieser Granula nicht allein für Physiologie, sondern auch für Pathologie der Zelle klar zu legen, ist bereits gemacht worden!). Welcher Ansicht man über verschiedene Hypothesen auch sein mag, welche die Zell- sranula betreffen, Eins steht fest — die Zellgranula gehören zu den weit verbreiteten Bestandtheilen der Zellen, und jeder neue Beitrag zur Lehre von diesen Gebilden muss daher willkommen sein. Erkenntlichkeit schulden wir denjenigen, die uns die Mittel zum Nachweis der Granula in verschiedensten Objekten in die Hand geben. Ich glaube, dass die zum Theile auf den werthvollen Arbeiten Ehrlich's fussende Methode von Alt- mann, von diesem Standpunkte aus, volle Beachtung seitens normaler und pathologischer Oytologen verdient. In vorliegender Mittheilung will ich in wenigen Worten über Resultate berichten, welche ich bei der Untersuchung von acht in frischem Zustande nach Altmann fixirten Geschwäülsten erhalten habe. Zwischen der Exstirpation und der Fixirung der Geschwulst waren in maximo 5 Stunden verflossen. Mein Untersuchungsmaterial umfasst vier Mammacareinome, einen me- tastatischen Krebs der Achseldrüsen, ein Adenosarkom der Brust- drüse und zwei kleinzellige Rundzellensarkome des Halses. In klinischer Beziehung bieten die aufgezählten Fälle nichts Ausser- gewöhnliches dar. Zuerst wollen wir die Krebsgeschwülste berücksiehtigen. Beim sorgtältigen Durchmustern der Krebszellennester überzeugen wir uns, dass in allen epithelialen Elementen fuchsinophile Granula enthalten sind, wie das aus Fig. 1 ersichtlich ist, Diese Gebilde 1) S. M. Lukjanow, Grundzüge einer allgemeinen Pathologie der Zelle. Leipzig 1891. A a Te Ueber granuläre Einschlüsse in den Geschwulstzellen. 139 liegen aber nicht vollkommen frei: sie scheinen vielmehr in eine homogene, structurlose Grundsubstanz eingebettet zu sein, welche sich schwach gelblich färbt. Die Form der erwähnten Granula ist regelmässig sphärisch; sie sind aber ungleich gross: man darf annähernd sagen, dass der Durchmesser der grössten Exem- plare denjenigen der kleinsten etwa zwei Mal zu übertreffen pflegt. Gar nicht selten lagern sich die Granula gruppenweise; mitunter bilden sie Ketten, welche gewisse Aehnlichkeit mit den Streptokokken haben. Eine innere Structur lässt sich an ihnen nicht wahrnehmen. — Was die Kerne der epithelialen Krebszellen anbetrifft, so unterscheiden sie sich, bei Anwendung der Alt- mann'schen Methode, durch keine wesentlichen Besonderheiten von normalen Kernen. Es sei nur bemerkt, dass auch ihren Kern- körperchen die Eigenschaft das Fuchsin festzuhalten abgeht. — Im bindegewebigen .Stroma der Krebse habe ich Körnchen, die mit Sicherheit als fuchsinophile Granula gedeutet werden könnten, nieht gefunden. Zwar begegnen wir auch hier Elementen, die sich mit Fuchsin tingiren, doch haben wir es in diesem Falle mit rothen Blutkörperchen zu thun, welche dureh ihre Grösse und Form von unseren Granula deutlich abstechen. In manchen Krebsgeschwülsten bin ich auf Fettumwandlung gestossen. Aeusserst interessant erscheinen diejenigen Abschnitte, in welchen wir in eimem und demselben Krebsneste, selbst in einer und derselben Zelle, neben den fuchsinophilen Granula Fettkörnchen finden, die durch Osmium, welches m der Alt- mann'schen Flüssigkeit enthalten ist, geschwärzt werden. Als Beispiel möge Fig.2 dienen. Hinsichtlich ihrer Grösse und Form scheinen die Fettkörnehen mit den fuchsinophilen Granula iden- tisch zu sein; nur muss hinzugefügt werden, dass oft auch viel grössere geschwärzte Körner zur Wahrnehmung kommen. Beson- ders lehrreich ist der Umstand, dass den fuchsinophilen Granula gleich mitunter auch die Fettkörnehen durch ihre Gruppirung an Streptokokken erinnern. Um sich davon zu überzeugen, genügt es einen Blick auf Fig. 2 zu werfen. Hier sehen wir vollkommen regelmässige Kränze von gleichgrossen und gleichgestalteten Körnehen; der Unterschied liegt nur darin, dass während der rechts oben abgebildete Kern von fuchsinophilen Granula um- geben ist, die anderen Kerne von Fettkörnehen umkränzt werden. — Weder Ringelkörnchen noch Körnehen, deren eentraler Theil 140 JR anume mit Fuchsin gefärbt, deren Peripherie aber durch Osmium ge- schwärzt wird!), habe ich auffinden können. Nicht minder wichtige Thatsachen sind in Bezug auf das Adenosarkom zu verzeichnen. Auch hier fiel es nicht schwer, fuchsinophile Granula in zahlreichen Drüsengängen zu constatiren. Das Vorgefundene suchte ich in Fig. 3 darzustellen. Der Grösse, der Form und der Gruppirung nach haben diese Granula viel Aehnlichkeit mit den m Krebsen beobachteten Gebilden. Man könnte in vorliegendem Falle vielleicht nur die etwas grösseren Dimensionen der fuchsinophilen Granula hervorheben. — Es muss ferner notirt werden, dass auch in denjenigen Präparaten, in welchen kaum veränderte Partien der Brustdrüse vorlagen, die Altmann’schen Granula nicht vermisst wurden. Daraus soll der Schluss gezogen werden, dass selbst normales mensch- liches Gewebe mit fuchsinophilen Körnchen versehen ist. Drittens haben wir noch Sarkome zu erwähnen. Wir konnten den Beweis führen, dass in den Neubildungen der Bindegewebs- reihe die fuchsinophilen Körnchen ebenso deutlich hervortreten, wie in denjenigen des epithelialen Typus. Fig. 4 illustrirt uns diese Verhältnisse besser als jede Beschreibung. Es tritt hier äusserst deutlich die kettenförmige Anordnung der fuchsinophilen Körnehen hervor, die oft ein wenig kleiner sind als in den Krebsen und in dem Adenosarkom. Da die Elemente der unter- suchten Sarkome von geringem Umfange waren und recht grosse Kerne beherbergten, so erschienen die fuchsinophilen Granula durchweg in Form einer Zwischenschicht, welche einzelne Kerne von eimander trennte. Wir bekommen in Folge dessen Bilder, die an manche Altmann'sche Zeichnungen erinnern ?). Zum Schlusse dieser Mittheilung möchte ich noch darauf hinweisen, dass bereits frühere Forscher ihre Aufmerksamkeit den körnigen Einschlüssen in den Geschwulstzellen zugewandt haben3). Auf Grund der gemachten Befunde wurden sogar recht kühne Hypothesen ausgesprochen. Ohne die Verdienste dieser Beobachter zu verkennen, glaube ich, dass die vorliegende Mit-. 1) Altmann, 1.c. S.80. Vgl. Starke, Archiv von Du Bois- Reymond 1891. 2)rl. -e.) Taf. XIV. 3) Gussenbauer, Ein Beitrag zur Lehre von der Verbreitung des Epithelialkrebses auf Lymphdrüsen. Archiv für klin. Chirurgie, 1872, Bd. 14, S. 561. Ueber granuläre Einsehlüsse in den Geschwulstzellen. 141 theilung eine selbständige Bedeutung beanspruchen darf. Die Wichtigkeit der Thatsache, dass eme Methode, welche die all- gemeine Verbreitung von Körnchen gewissen Typus in recht vielen thierischen Objeeten nachzuweisen half, auch in menschlichen Geweben positive Resultate gab, lässt sich wohl nicht bestreiten. Ferneren Untersuchungen bleibt es vorbehalten zu zeigen, welche Rolle diesen Körnchen in Geschwulstzellen zukommt. Vorläufig haben wir uns mit einigen Vermuthungen zu begnügen, die sich auf die Betheiligung dieser Körnchen an der Fettmetamorphose der Geschwulstzellen beziehen. Erklärung der Tafel VI. Alle Zeichnungen sind von mir mittelst der Abbe’schen Camera ausgeführt. Vergrösserung 1:1000 (Zeiss, apochromatische Oel-Im- mersion, num. Ap. 1,30, aequiv. Brennweite 2,0; Comp.-Ocular 8). Fig. 1. Theil eines Krebsnestes (Carcinoma mammae) In den Zellenleibern zahlreiche fuchsinophile Granula. Fig. 2. Theil eines Krebsnestes (Carcinoma mammae) In den Zellenleibern sind zahlreiche Fettkörnchen vorhanden; auch sehen wir dort fuchsinophile Granula. Fig. 3. Theil eines Drüsenganges (Adenosarcoma mammae). Zahlreiche, oft ziemlich grosse fuchsinophile Granula. Fig. 4 Elemente des sarkomatösen Gewebes (Sarcoma colli). Kleine Zellen mit verhältnissmässig grossen Kernen. Fuchsinophile Granula, eine Art Zwischenschicht bildend. Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. Von Dr. E. Kromayer, Privatdocenten für Dermatologie und Syphilis in Halle a. S. Hierzu Tafel VI. In meinen Arbeiten: „Die Deutung der Herzheimer'schen Fasern“!) und „Die pathologische Anatomie der Psoriasis“ habe ich über Protoplasmafaserung der Epithelzellen berichtet, die sieh dureh die Weigert'sche Fibrinfärbemethode darstellen lassen. An der Hand von naturgetreuen genauen Zeiehnungen noch- 1) Archiv für Dermatologio und Syphilis 1890. 143 E. Kromayet: mals auf den Gegenstand zurückzukommen und einiges Neue hinzuzufügen, ist der Zweck dieses Aufsatzes. Zu dieser, wenn auch nur theilweisen Wiederholung von schon Gesagtem, werde ich nieht weniger durch die Wichtigkeit des Gegenstandes selber, als durch den Wunsch veranlasst, den- selben gerade in dem Leserkreise dieses Blattes bekannt zu machen. Die Wichtigkeit des Gegenstandes erblicke ich in der That- sache, dass es mir gelungen ist, mit einer bekannten Färbe- methode einen integrirenden Bestandtheil des Protoplasma schön und scharf darzustellen, und in der Hoffnung, dass wir dadurch in Histologie und Pathologie ähnlich gefördert werden mögen, wie wir es durch die Kernfärbungen bis jetzt gewesen sind. Da die Resultate der Weigert'schen Fibrinfärbemethode nicht ganz eonstante sind, so gebe ich im Folgenden bis ins Einzelne genau mein Verfahren, das ich nach monatelangen mühseligen Ver- suchen als das beste herausgefunden habe, ohne damit behaupten zu wollen, dass es nicht ohne Schaden und vielleicht mit Vor- theil abgeändert und verbessert werden könnte. Die erste Bedingung zur Darstellung guter Präparate sind mög- lichst dünne Schnitte. Nicht nur nimmt die mikroskopische Klarheit der Bilder und die Sicherheit der mikroskopischen Diagnose mit der Dünnheit der Schnitte zu, die Färbung gelingt auch selbst viel leichter und schöner. Ich bin deshalb von der Celloidineinbettung zur Pa- raffinmethode übergegangen. Bei guter Paraffineinbettung lassen sich Serienschnitte von einem halben Theilstrich des Schanz’schen Mi- krotom == 0,005 mm leicht erzielen. Indessen ist es mir auch gelungen, bei ganz kleinen Objekten noch dünnere Schnitte bis zu 1), Theil- strich —= 0,0025 mm zu erhalten. Das Messer muss freilich haarscharf sein und halbschräg, nicht senkrecht zum Messerschlitten gestellt werden. Bei der Epidermis der menschlichen Haut ist dabei noch zu beachten, dass die unter ihr liegende Lederhaut sich durchaus für feine Schnitte nicht eignet. Man .muss deshalb das Präparat so einstellen, dass zuerst die Epidermis von der Messerschneide ge- troffen wird. Das Messer gleitet alsdann, nachdem es die Epidermis und den Papillartheil der Cutis in feinsten Schnittchen abgehobelt, an der derben Cutis ab. Bei umgekehrter Einstellung des Präparates wird die Cutis zuerst getroffen, von welcher man nur dickere Schnitte von 0,01 mm, und somit auch nur dickere Schnitte der Epidermis erhält. Die feinsten Schnitte bedürfen einer überaus zarten weiteren Be- handlung, damit sie nicht zerreissen. Nachdem sich mehrere auf dem Mikrotommesser angesammelt, Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. 143 werden sie vorsichtig in ein Schälchen mit Xylo! gebracht, um das Paraffin zu lösen. Nach 5 Minuten etwa wird das Xylol abgegossen und durch neues ersetzt, und dieses wiederum ebenso durch einmal zu wechselnden absoluten Alcohol. Vom absoluten Alcohol dürfen nun die Schnitte nicht direkt mit Wasser in Berührung kommen, da sie sonst durch die energische Diffusion des Alcohols in Wasser ein- fach zerrissen würden. Vielmehr muss das Wasser dem Alcohol, in dem die Schnitte liegen, allmählich zugesetzt werden, bis der Alcohol nur wenige Procente des Gemisches beträgt. Hierbei rollen sich die Sehnitte allmählich auf, so dass schliesslich die meisten Schnittchen schön und glatt auf der Oberfläche schwimmen. Nun werden sie vor- sichtig auf einen Objectträger gebracht und auf ihm durch sanft- festen Druck mittels vierfach gefalteten Fliesspapiers fixirt. Auf dem Objeetträger wird der Färbeprocess vorgenommen. Als Anilinfarbe benutze ich ausschliesslich Methylviolett 6 B, nach- dem ich zahlreiche Versuche mit Gentiana, Methylviolett 2B und Kry- stallviolett gemacht habe. Ich bereite mir die Lösung jedesmal frisch aus gleichen Theilen vorräthig gehaltenem concentrirten Anilinwasser und absolut concentrirter wässeriger Lösung von Methylviolett. Einige Tropfen der dunkelblauen Lösung werden auf den Objectträger ge- bracht, um nach 5 Minuten in Wasser abgespült zu werden. Bei ganz dünnen Schnitten braucht die nun folgende Jodjodkalilösung nur 1 Secunde zu wirken, um den Schnitt blauschwarz zu färben. Bei etwas diekerem Schnitte controlire man mittels schwacher Vergrösse- rung die Wirkung, die fast immer nach !/, Minute eingetreten ist. Nach nochmaligem Abspülen in Wasser wird der Schnitt mit Fliess- papier getrocknet und dann mit Anilinxylol ausgezogen. Hierbei ist das Mischungsverhältniss von Anilin und Xylol von grösster Bedeu- tung. Zu viel mit Xylol versetztes Anilin lässt den Schnitt so dunkel, dass man nichts sehen kann, ein zu geringer Zusatz von Xylol ent- färbt die feine Protoplasmafaserung. Hier gilt es, die richtige Mitte halten. Ein für viele Fälle gutes Mischungsverhältniss ist Anilin 1, Xylol 2 Theile. Es ist jedoch dabei zu beachten, dass, je dünner der Schnitt ist, um so energischer das Anilin die Farbe auszieht. Bei ganz dünnen (0,0025 mm) Schnitten ist daher eine stärkere Verdünnung des Anilin mit Xylol erforderlich, etwa 1:3 und 1:4, bei dickeren eine geringere Verdünnung, etwa 3:5 bis 3:3. Den Entfärbungsprocess verfolgt man am besten mit schwacher Vergrösserung, um ihn im richtigen Momente durch Uebergiessen des Schnittes mit Xylol unter- brechen zu können. Dieser Moment tritt gewöhnlich schon nach etlichen Minuten ein, nachdem die anfangs sich vom Schnitte lösenden Farbwolken nachgelassen haben und frisch auf den Schnitt gebrachtes Anilinxylol keine makroskopisch sichtbaren Farbwolken auszieht. Ich habe auch anstatt des Anilins das neuerdings von Unna!) angegebene Kreosol versucht, das etwas weniger energisch den Farbstoff auszieht 1) Monatshefte für pract. Dermat.: „Ueber Plasmazellen.“ 1891. 144 E. Kromayer: und die Protoplasmafaserung nicht so scharf differenzirt, so dass die Bilder weniger klar werden. Das Mischungsverhältniss mit Xylol ist 2:3, und gelten im Uebrigen die gleichen Bedingungen wie für das Anilinxylol. Mit der durch den beschriebenen Process erhaltenen Protoplasma- färbung kann man durch Vorfärbung eine Darstellung der Kerne ver- binden. Ich habe Boraxcarmin, Lithioncarmin, Alauncarmin und Ve- suvin versucht, von denen ich das Alauncarmin am meisten empfehlen kann. Der Gang der Färbung würde also folgender sein: 1. Alauncarmin (Boraxcarmin, Vesuvin). 2. Abspülen in Wasser (Salzsäure-Alcohol, Alec. abs.). 3. Methylviolettanilinwasser. 4. Abspülen in Wasser. 5. Jodjodkalilösung. 6. Abspülen in Wasser. 7. Anilinxylol. 8. Xylol. Gelingt zufällig ein Präparat nicht, so kann man den ganzen Färbeprocess wiederholen, nachdem man zunächst allen Farbstoff durch Salzsäurealcohol ausgezogen hat. Ich habe so Präparate 4mal hintereinander gefärbt und auch beim vierten Male ein tadelloses Re- sultat erhalten. Was die Härtung und Fixirung der Gewebestücke betrifft, so habe ich nach einigen schlechten Resultaten mit Müller’scher Flüssig- keit, Chromsäure, Sublimat, allein in absolutem Alcohol fixirt und gehärtet. Trotz Befolgung dieser genauen Färbungsvorschriften kann es vorkommen, dass hie und da ein Präparat nicht geräth und das um so häufiger, je weniger man sich noch in den ganzen Färbungsgang hineingedacht hat. Ich möchte daher bitten, durch anfängliche Miss- erfolge sich nicht abschrecken zu lassen. Ein wenig Geduld und Aus- dauer werden sicher durch ebenso schöne Präparate belohnt werden, wie ich sie in meinen Figuren abgebildet habe. Ich empfehle für den Anfang als geeignetes Object die Haut der Fusssohle oder der Hohlhand. Von letzterer ist in Fig. 1 eine möglichst naturgetreue Zeichnung entworfen, die indessen weit hinter der Wirklichkeit zurückbleibt, da es unmöglich ist, das unendlich feine Faser- werk, welches das Protoplasma der Epithelzellen in allen Rieh- tungen des Raumes durchzieht, auf einer Ebene wiederzugeben. Die rothgefärbten Kerne füllen zum Theil die Kernhöhle nicht aus, eine bekannte auf die Härtung zurückzuführende Erschei- nung; die Kernhöhlen selbst sind scharf gerandet und von einem besonders engen und dichten Fasergeflecht gebildet. Die Protoplasmafasern ziehen von Zelle zu Zelle und zwar , Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. 145 so, dass nieht nur die benachbarten Zellen, sondern auch häufig weiter entfernt liegende durch lange und dann gewöhnlich stär- kere Fasern mit einander verbunden sind. Die augenfälligste Er- scheinung bietet aber jedenfalls die unterste, die Cylinderzellen- schicht dar. Hier hat die Faserung einen parallel zur Längs- achse der Zelle gerichteten Verlauf angenommen, die Fasern sind ungemem stark und vielfach eigenthümlich geschlängelt und korkzieherartig gewunden. Ich habe sie als „Basal-“ oder „Haft- fasern“ bezeichnet, mit denen die Cylinderzellen in der Cutis festhaften. Bald sind sie kurz, bald lang, und dementsprechend liegt der Kern bald nahe der Cutis an, bald ist er höher hin- aufgerückt. Sie entsprechen den von Herzheimer!) zuerst be- schriebenen Fasern, der sie als mit Fibrin gefüllte Lymphspalten ansprach. Sie werden von je zwei benachbarten Zellen durch feinste, eben deutlich erkennbare Reiserchen verbunden, welche die Cylinderzellen dadurch schon als wohl charakterisirte Stachel- zellen erscheinen lassen. Die auf die Cylinderzellenschieht fol- gende Lage protoplasmareicher grosser Stachelzellen zeigt einen nach allen Richtungen hin ziemlich gleichmässigen Verlauf der Fasern, während die über diesen gelagerten Zellen schon einen Faserverlauf parallel zur Oberfläche der Haut, also senkrecht zur Richtung der Cylinderzellen aufweist. Noch eine Zelllage höher, und wir sehen die langen dünnen Fasern in Bruchstücke zerfallen, unregelmässige Körmer und Klümpchen bilden, und zwar anfangs nur in der Umgebung des Kernes, bis sie schliess- lieh in den höchsten Lagen das ganze Zellprotoplasma ausfüllen und somit die keratohyalinhaltigen Zellen bilden. Das Zerfallsproduet der Protoplasmafasern ist eben das be- kannte Keratohyalin Waldeyer's, das ja ebenfalls durch die Weigert'sche Fibrinfärbemethode gefärbt wird. Durch diesen günstigen Umstand ist es möglich, die Genese des Keratohyalins aus dem Zerfall des Fasernetzes deutlich zu verfolgen ?). Ein etwas anderes Bild bietet Fig.2. Es stellt den Quer- schnitt einer Epithelleiste aus dem Epidermisüberzug eines gut- artigen Epithelioms dar. Die Regelmässigkeit in der Anordnung 1) Archiv für Dermatologie und Syph. 1889. 2) Eingehender habe ich über die Genese des Keratohyalins in meiner Habilitationsschrift: „Die pathol. Anat. d. Psoriasis“ S.34— 39 berichtet. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 10 146 E. Kromayer: der Faserung fehlt hier. Schon die Cylinderzellenschieht fällt dureh die verschieden gestellten Zellen auf, deren Fasern nicht die Dicke, wie im vorigen Bilde aufweisen. Die nächstfolgende Zelllage besitzt nicht das mächtig ausgebildete Protoplasma, und der Verlauf der Faserung ist ein an den verschiedenen Stellen ganz verschiedener. Häufig sind weit von einander abbiegende Zellen durch lange Fasern mit einander in unregelmässiger Weise verknüpft. Ein Zerfall der Faserung und eine Ausbildung von keratohyalinhaltenden Zellen ist nur andeutungsweise in der obersten Zellenlage vorhanden. Hier noch mehr wie im vorigen Bilde ist zu beachten, dass der sehr dünne Schnitt natürlicher Weise nieht alle Epithelzellen so getroffen hat, dass der Kern der Zelle mit im Bilde liegt, sondern dass er vielfach nur Bruch- theile einer Zelle aus Ecken und Kanten des Protoplasmas er- hält, die dann am deutlichsten die Faserung zeigen, weil die Lücke, welehe die Kernhöhle in derselben bildet, fehlt. Auf eine genaue Beschreibung im Einzelnen verzichte ich indessen, da die aufmerksame Betrachtung der Zeichnung, die deshalb so genau, wie mir nur irgend möglich, dem mikroskopischen Bilde nachgemalt worden ist, dieselbe ersetzen wird. Die Protoplasmafasern gehen beim Uebergang von Zelle zu Zelle durch die bekannten Stacheln. Letztere werden indessen noch von dem Zellmantel verstärkt, welcher wahrscheinlich die äussere Hülle der Stacheln bildet, in deren Centrum die Proto- plasmafaser liegt, wie ich das in meiner schon eitirten Habilita- tionsschrift !) auseinandergesetzt habe. Ueberall dort, wo Stachelzellen vorkommen, sind auch die Protoplasmafasern zu finden und zu färben, jedoch mit dem Unter- schied, dass sie schön färbbar nur dort sind, wo vollkommene Verhornung der Zellen vorkommt, also in der gesammten Epi- dermis der menschlichen Haut, während es mir nur mangelhaft gelungen ist, sie in der Schleimhaut des Mundes und der Speise- röhre darzustellen, wo sie ausserdem noch zarter und dünner als in der menschlichen Epidermis erscheinen. Die Haut von Thieren habe ich nieht zu Untersuehungen herangezogen, weil ich nicht so sehr ein rein histologisches wie ein pathologisches Interesse bei den Untersuchungen hatte. 1) Die patholog. Anatomie der Psoriasis ete. Archiv für Der- matologie 1890. Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. 147 In letzterer Hinsicht habe ich denn auch manches Inter- essante gefunden, das ich hier gleich kurz mittheilen will. Die physiologische Bedeutung der Fasern glaube ich darin erblicken zu dürfen, dass sie dem Protoplasma grössere Wider- standsfähigkeit gegenüber schädlichen Einflüssen verleiht und dass speciell die starken Basalfasern der Cylinderzellen die feste Ver- bindung mit der Cutis vermitteln. Es war mir bei Verdauungsversuchen der Epidermis auf- gefallen, dass die Cylinderzellenschieht widerstandfähiger, als die höher gelegenen Stachelzellen waren, Versuche, die ich ausführlich in meiner Habilitationsschrift beschrieben. Es lag nahe, das Verhalten dieser Zellen bei einem ähnlichen Processe, der Blasenbildung in der Haut, zu untersuchen. Meine Erwar- tung bestätigte sich. Während die mittleren Stachelzelllagen zur Blase aufgelöst sind, zeigen die Cylinderzellen noch schön färb- bare Haftfasern, jedoch lang ausgezogene, ähnlich wie in Fig. >. Bei diesen Untersuchungen schien es mir überhaupt, dass sich die Blasenbildung in der Epidermis zuerst dicht unter den kerato- hyalinhaltigen Zellen bemerkbar machte. Hier liegen nun gerade die Zellen, in denen der Zerfall des Fasernetzes beginnt, in denen also das Fasernetz gegenüber äusseren Einflüssen am wenigsten widerstandsfähig ist. Es kommt jedoch noch hinzu, dass der Zellmantel, der erst bei den ausgebildeten Keratohyalinzellen eine grössere Festigkeit!) erlangt, hier noch zart und weich ist und der Zelle keinen genügenden Schutz gewähren kann. Diese beiden Thatsachen erklären es mir, warum die Blasenbildung in der Epidermis an der bezeichneten Stelle einsetzt, und warum überhaupt bei entzündlichen Processen so häufig Blasenbildung in der Epidermis vorkommt. Dass die Fasern auch Ausdehnungsfähigkeit und Contrak- tilität besitzen, konnte ich bei der Untersuchung von Entzün- dungen der Haut feststellen, bei denen es zwar nicht zur Blasen- bildung, wohl aber zu einem Durchsetztwerden der Epidermis von Rundzellen kam. Die Rundzellen liegen fast alle in einem runden Hohlraum, welcher durch ein dichtes Geflecht der von Zelle zu Zelle ziehenden Fasern gebildet wird (Fig. 4). Sie liegen also in erweiterten Interspinalräumen. Da ich aber solche 1) l.c. Archiv für Dermatologie 1890, S. 587. 148 E- Kromawer: erweiterten Interspinalräume ohne den Inhalt einer Wanderzelle nicht vorfand, so müssen nothwendiger Weise beim Weiterwandern der Rundzelle die Interspinalräume sich wieder zur Norm schliessen, d.h. die Protoplasmafasern sich contrahiren. Die Ausdehnungsfähigkeit und Contraktilität, d. h. die Ela- stieität der Fasern findet auch häufig ihren Ausdruck bei rasche- rem Waechsthum der Epidermis in Bildern wie Fig. 3. Die ganze Zelle und mit ihr die Fasern sind nach einer Richtung im die Länge gezerrt, sodass die Länge der Fasern bis um das zehn- fache den Durchmesser des Kernes übertrifft. So fand ich sie beson- ders schön in den tieferen Reteleisten der Epidermis über einem Brust- krebs (Fig. 3). Weiterhin kommt bei spitzen Uondylomen eine eigen- thümliche Anomalie der Verhornung vor. Während an vielen Stellen die Epithelien regelrecht unter Bildung von Keratohyalin den Ver- hornungsprocess durchmachen, bildet sich an anderen Stellen schon in den tieferen Zelllagen eine Kernhöhle aus, die unter Atrophie des Kernes sich weiter ausdehnt, alle Fasern nach der Peripherie der Zelle drängt, sodass schliesslich ein Netzwerk entsteht, dessen Balken aus den Fasern zweier benachbarter Zellen besteht (Fig.5). Das eigenthümliche Bild wird noch be- tremdender, wenn, wie das theilweise vorkommt, die Fasern zu Keratohyalin zerfallen und das Keratohyalin in netzförmiger An- ordnung die atrophirten Kerne maschenweise umspinnt. Bei einem gutartigen Epitheliom aus der Halsgegend waren noch eigenthümlichere Veränderungen der Protoplasmafasern vor- handen. Sie waren in den tieferen Zelllagen ausserordentlich stark entwickelt, aber noch einzeln sehr deutlich als Fasern zu erkennen. In den höheren Lagen nahmen sie an Stärke zu, ver- schmolzen untereinander und bildeten so ganz eigenthümliche Fi- guren, wovon Fig. 6 einige Proben gieht. Von besonderem Interesse schien es mir zu sein, das Ver- halten der Protoplasmafaserung bei Mitosen der Kerne zu unter- suchen. Dies ist indessen mit Schwierigkeit verknüpft, da es mir nicht gelungen ist, eine gute Mitosenconstrastfärbung mit der Weigertschen zu verbinden. Indessen haftet der Farbstoff bei der Weigertschen Färbung häufig an den Kernkörperchen und so auch gelegentlich an einigen karyokinetischen Figuren. Ich habe im Ganzen 4 Mitosen beobachten können, in denen die Protoplasmafaserung schön gefärbt war. Sie bildet um die Mi- Die Protoplasmafaserung der -Epithelzelle. 149 tose ein kugelförmiges Geflecht, das auf dem Querschnitt als Kreis wie in Figur 7 erscheint, von welchem nach allen Seiten feinste Reiserchen gehen, welche die Verbindung mit den be- nachbarten Epithelzellen aufrecht erhalten. Die Mitosen lagen zumeist in der Cylinderzellenschicht. Indessen war nichts von den starken geschlängelten Basalfasern, welche die Cylinderzellen sonst auszeichnen, zu sehen. Es machte ganz den Eindruck, als ob das gesammte Protoplasma um die Mitose als schützende Hülle herangezogen sei, damit diese ihr Zeugungsgeschäft in Ruhe vollbringen können. Dort, wo zahlreiche Mitosen im Epithel vorkommen, wie etwa bei frischer Psoriasis, findet man stets eine mangelhafte Ausbildung des Protoplasmas aller Zellen oder vielmehr der Protoplasmafaserung. Theils lassen sich die Fasern schlecht oder gar nicht färben, während die gesunde Epidermis im gleichen Schnitte die schönst gefärbte Faserung zeigt, theils ist die Fase- rung schon frühzeitig brüchig geworden und in einzelne Stücke zerfallen. Das Protoplasma macht daher mehr den Eindruck einer Körnung, als den einer Faserung. Umgekehrt ist bei langsam entstehenden Hypertrophien des Rete Malpighi, bei Warzen und spitzen Condylomen die schöne Ausbildung des Protoplasmas der Epithelien geradezu auffallend. Nirgends habe ich so starke Faserung gesehen, wie in einzelnen Partien von spitzen Condylomen, die schon mit schwacher Ver- grössernng (Leitz Obj.3 Oecul. III) zu erkennen war. Der Gegen- satz zwischen dem Epithelprotoplasma bei frischer Psoriasis und bei spitzen Condylomen und Warzen könnte nicht grösser sein. Das Angeführte möge beweisen, dass unsere Kenntnisse (durch die Färbung der Protoplasmafaserung in histologischer und pathologisch-histologischer Beziehung gefördert werden können, und zwar auf einem Gebiete, das bisher wenig bebaut werden konnte, da es an einer Färbemethode für das Protoplasma der Zellen gefehlt hat. Die grosse Mühe und Arbeit, welche ich auf die Unter- suchungen verwandte, würde ich für reichlich belohnt halten, wenn diese Mittheilung die Anregung zu systematischen gründ- liehen Untersuchungen gäbe, zu denen mir als praktischem Der- matologen die Zeit fehlt. 150 E. Fig. 1. Fig. > {xD} | 2.0: Rromayer: Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. Erklärung der Figuren auf Tafel VII. Querschnitt der Epidermis aus der Hohlhand. Alauncarmin, Weigert, Oelimmersion. a. Cylinderzellenschicht. b. Basal- fasern (Haftfasern), deren zugehöriger Kern nicht im Schnitt liegt. c. Zellschicht mit ausgebildetem Protoplasma und nach allen Richtungen ziehender Faserung. d. Zellschicht mit Fa- serung parallel der Oberfläche der Haut. e. Zellschicht mit beginnendem Zerfall der Fasern. f.Strat. granulosum. g. Strat. corneum. Querschnitt einer Leiste aus dem Epidermisüberzug eines gut- artigen Epithelioms. Alauncarmin, Weigert, Oelimmersion. a. Cylinderzellenschicht. b. Strat. spinosum. ce. Strat. cor- neum. Die Epithelkerne sind roth, die Kernkörperchen blau gefärbt. Partie einer Epithelleiste aus der Epidermis über einem Brust- krebs. Die Cylinderzellen a mit ausserordentlich langen Heft- fasern versehen. Die nächsten Zellen b zeigen dieselbe Faser- richtung wie die Cylinderzellen. (Weigert), Oelimmersion. a) 2 Cylinderzellen, zwischen welchen eine Wanderzelle. b) 3 Epithelzellen, zwischen denen eine Wanderzelle. (Alaun- carmin, Weigert.) Partie aus einem spitzen Condylom. (Alauncarmin, Weigert.) a. Cylinderzellenschicht. b. Zelllage mit beginnender Kern- höhle. ce. Netzwerk, dessen Balken aus den Fasern zweier benachbarter Zellen bestehen, und welches allmählich über- geht in d. das Strat. corneum. (Leitz. Obj. 7. Ocul. 3.) Groteske Protoplasmaformen aus einem gutartigen Epitheliom. (Weigert.) Mitose in einer Epithelzelle. (Weigert.) (Aus dem histologischen Laboratorium von Prof. Th. Zawarykin in St. Petersburg.) Ueber das normale Wachsthum der Röhren- knochen des Menschen, sowie einige That- sachen, betreffend den normalen Bau des Knochengewebes!'). Von Dr. med. N. Matschinsky. Hierzu Tafel VII. Anderthalb Jahrhunderte sind verflossen, seitdem die grund- legenden Arbeiten von Du-Hamel (1742) und Hunter (1772), betreffend die Frage über das Knochenwachsthum erschienen sind. Diese berühmten Arbeiten riefen eine ganze Reihe Untersuchungen in derselben Richtung hervor, so zahlreich, dass schon die blosse Leetüre des sämmtlichen hierüber ver- öffentlichten Materials keme geringe Mühe kostet. Die Ur- sache, weshalb diese Frage mit so grossem Eifer in Angriff ge- nommen wurde, ist leicht zu ersehen, denn die Klärung derselben bot, ausser ihrem rein theoretischen, auch ein grosses practisches Interesse dar und daher beschäftigte sie nicht nur die Anatomen, Histologen und Physiologen, sondern auch die pathologischen 1) Der vorliegende Aufsatz ist ein Auszug aus meiner, als Doctordissertation unter dem Titel: „Ueber das normale Wachsthum der Röhrenknochen des Menschen. St. Petersburg 1891“ in russischer Sprache abgedruckten Arbeit. Um den deutschen Aufsatz nach Mög- lichkeit zu kürzen, sind die in der Dissertation mitenthaltenen histori- schen Data über die betreffende Frage, sowie die specielle Beschrei- bung der an menschlichen Knochen von mir erhaltenen Befunde über Anordnung der Resorptions- und Appositionsflächen hier nieht mit auf- genommen; sonst aber ist der russische Text, mit einigen wenigen Ergänzungen und ganz unwesentlichen Abänderungen, im Vorliegenden vollständig wiedergegeben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 11 152 N. Matschinsky: Anatomen und Chirurgen. Letzteren lag es hauptsächlich daran, für die krankhaften Veränderungen in den Knochen eine Er- klärung zu finden, die sich auf die Befunde über das normale Knochenwachsthum stützte. Unter den Forschern, welche sich viel um diese Frage bemüht haben, begegnen wir, abgesehen von Du-Hamel und Hunter, so gewichtvollen Namen, wie Virchow, Flourens, Lieberkühn, Ollier, Kölliker u.A. Man sollte denken, dass nach Ablauf emer so langen Zeit und bei so vieler darauf verwandter Mühe die Frage über das Wachsthum der Knochen, wo nicht im ihren Einzelhei- ten, so doch wenigstens in ihren wesentlichen Grundzügen ge- nügend klargestellt sein müsste. Dem ist aber m der That nicht so. Sehr viele und zwar sehr wesentliche Fragen harren auch bis jetzt noch ihrer Lösung, und bis heute gelten noch die fol- senden, vor mehr als zwanzig Jahren von Ollier ausgespro- chenen Worte: „en presence des imeonnus qu'on n’a pas encore tente de degager, on s’apercoit que ce qui a ete fait domne A peine une idee de ce qui reste encore A faire“ (Ollier, Traite experimental..., Bd.I, pag.4). Freilich ist es eine genügend sicher festgestellte Thatsache, dass in den wachsenden Knochen Resorptions- und Appositionsprocesse unaufhörlich vor sich gehen und dass diese Vorgänge aller Wahrscheinlichkeit nach aus- schliesslich die typische Gestaltung der Knochen herbeiführen. Auf welehe Weise aber die genannten Processe sich an jedem einzelnen Knochen entwickeln, damit er schliesslich seine typische Form erlange, das wissen wir nicht. Sehr wenig wissen wir ferner, ungeachtet der Arbeiten von Fiek u. A. betreffs der Mo- mente, welche das Auftreten der Resorption an den einen, der Apposition dagegen an anderen Stellen des Knochens bedingen. Dank den Untersuchungen Kölliker’s u. A. ist uns ausserdem bekannt, dass die Resorption der Knochen allem Anscheine nach dureh Vermittelung besonderer zelliger Elemente, nämlich der Osteoklasten, zu Stande kommt; allein betreffs des Characters ihrer Wirkung, sowie betreffs ihrer Herkunft und ihrer ferneren Schicksale sind wir auf blosse Hypothesen angewiesen. Unsere Kenntnisse betretfs der Rolle der Osteoklasten, sowohl wie auch der bei der Knochenneubildung Dbetheiligten Osteoblasten sind noch sehr lückenhaft. Und dies sind nur die Hauptlücken in unseren Kenntnissen über die Art und Weise des Knochenwachs- Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 153 thums; alles Uebrige aufzuführen, was uns noch in diesem Ge- biete unbekannt ist, erscheint überflüssig. Bisher wurden die Untersuchungen über das Wachsthum der Knochen fast ausschliesslich an verschiedenen Thieren ange- stellt. Dagegen ist uns über das Wachsthum der Knochen des Menschen, von dem Momente seiner Geburt an, fast nichts be- kannt. Diese Lücke einigermaassen auszufüllen, ist der Zweck der vorliegenden Arbeit. Im Beginn meiner Untersuchungen über das Wachsthum der menschlichen Knochen war ich ungewiss, ob überhaupt das Studium der normalen Wachsthumsvorgänge an einem, den patho- logischen Sectionen entnommenen Materiale möglich sei. Be- trachtet man die Sache von dem Gesichtspunkte aus, dass ein jeder Krankheitsprocess, welcher eines oder mehrere Organe des menschlichen Körpers betroffen hat, gleichzeitig auch auf die Er- nährung und folglich auch auf das Wachsthum aller übrigen Organe störend eimwirkt, so ist man fast genöthigt, von jeder Untersuchung des normalen Wuchses, ja sogar des normalen jaues der menschlichen Knochen überhaupt abzustehen, denn unter solchen Bedingungen müssen uns auch die Knochen von Individuen verdächtig erscheinen, welche an irgend einer ander- weitigen (d. h. das Knochensystem nicht direet betreffenden) Krankheit gestorben sind. Dies scheint mir aber doch etwas zu weit gegriffen: als ich die Knochen von Kindern untersuchte, welche an sehr verschiedenen, aber das Knochensystem nicht direet beeinflussenden Krankheiten verstorben waren, traf ich in den Knochen stets einen recht intensiven Neubildungsprocess an, ohne irgend eine Spur einer krankhaften Veränderung in den- selben eonstatiren zu können und gelangte also zu dem Schlusse, dass unter besagten Umständen ausschliesslich von einem ver- langsamten, keineswegs aber von einem pathologisch veränderten Wachsthum der Knochen die Rede sein konnte. Das Material der pathologischen Seetionen lässt sich demnach recht gut zu unseren Zwecken verwerthen, wenn man nur im Auge behält, dass unter solchen Bedingungen die Entwiekelung der Knochen eine Verzögerung erleidet und das betreffende Untersuchungs- objeet daher einer etwas früheren Altersperiode zu entsprechen pflegt. Anfangs beabsichtigte ich, irgend einen von den Röhren- 154 N. Matschinsky: knochen als ausschliessliches Untersuchungsobjeet auszuwählen und an demselben die Wachsthumserschemungen Schritt für Schritt, vom ersten Lebenstage an bis zum Greisenalter zu ver- folgen. Indess musste ich diesen Plan bald aufgeben, denn es war sehr schwer, sich Knochen von Kindern verschiedenen Alters zu verschaffen, zumal wir ein Material bedurften, welches man ruhigen Gewissens für normal erklären konnte. So erwies sich das anfänglich von mir ausersehene Beobachtungsmaterial auf ein sehr bescheidenes Maass redueirt, und wenn es bei so be- wandten Umständen Schwierigkeiten bot, die Wachsthumsvor- gänge an dem einzelnen Knochen klar zu stellen, so wäre es noch gewagter, aus einer so unvollständigen Reihe von Be- obaehtungen Gesetze von allgemeiner Geltung über das Knochen- wachsthum herleiten zu wollen. Um derartige Fehlschlüsse mög- lichst zu meiden, nahm ich zu meinen Untersuchungen nicht einen einzelnen, sondern drei verschiedene Knochen, nämlich den Ober- arm-, den zweiten Metacarpal- und den zweiten Metatarsalknochen. Der erstgenannte Knochen wurde 13 Subjeeten!) verschiedenen Alters, der zweite — 10 Subjeeten?) und der letztgenannte 8 Subjecten?) entnommen. Ausserdem schnitt ich eimer Leiche sämmtliche Röhrenknochen der oberen und der unteren Extre- mität aus und stellte eine vergleichende Untersuchung derselben an, um festzustellen, ob eine Differenz m dem Wachsthum der verschiedenen Knochen eines und desselben Individuums existirt oder nieht. Freilich wäre es von grossem Belang, nicht nur die Knochen eines einzigen, sondern im Gegentheil diejenigen meh- 1) Die verschiedenen Altersstufen waren folgende: ein neuge- borenes Kind, eins von 4 Monaten, eins von 21/, Jahren, ein 4!/,jäh- riges, ein 7jähriges, eins von 10, eins von 15 und eins von 15 Jahren, ein Individuum von 18, eins von 30, eins von 40 und endlich eins von 60 Jahren. 2) Hierbei entnahmen wir unsere Materiale, wie folgt: einem Neugeborenen, einem 4monatlichen, einem 21/,jährigen, einem 41/,jäh- rigen und einem 7jährigen Kinde; einem Subjecte von 18, einem von 25, einem von 30, einem von 40 und endlich einem von 60 Jahren. 3) Die Metatarsalknochen gehörten einem neugeborenen, einem 4 monatlichen, einem 21/, jährigen, einem 4l/,jährigen und einem 15jäh- rigen Kinde, ferner einem Subjecte von 18, einem von 40 und einem von 60 Jahren. Zu bemerken ist, dass die verschiedenen Knochen gleichen Alters stets einem und demselben Individuum angehörten. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhbrenknochen d. Menschen ete, 155 rerer Individuen einer solehen vergleichenden Untersuchung zu unterwerfen; allein hierzu fehlte mir leider die nöthige Zeit. Aus dem nämlichen Grunde blieb ich die Antwort schuldig auf die wichtige Frage, ob das Wachsthum der Knochen bei ver- schiedenen Individuen gleichen Alters genau in gleicher Weise vor sich geht, oder ob hierbei individuelle Abweichungen vor- kommen. Uebrigens lässt sich schon a priori annehmen, dass solehe individuelle Verscehiedenheiten existiren müssen. Denn es trifft sich ja m der That äusserst selten, dass Individuen von gleichem Alter sich m ganz gleichem Maasse fort ent- wickeln, weil nämlich das Wachsthum eines jeden Organismus von einer Unzahl äusserer und innerer Ursachen abhängt. Wenn aber ganze Organismen in toto sich nicht gleichmässig ent- wickeln, so erscheint hieraus der Schluss wohl gerechtfertigt, dass auch die Knochen, welche ja einen Theil des Gesammt- organismus bilden, bei verschiedenen Subjeeten nieht in gleichem Maasse wachsen. Wenn also in der nachfolgenden Darstellung über die Wachsthumserscheinungen in den einzelnen Knochen eines Individuums von bestimmtem Alter berichtet wird, so soll dies keineswegs auf sämmtliche Individuen gleichen Alters zu beziehen sein, da es mir hierbei im Gegentheil ausschliesslich auf eine genaue Beschreibung der fraglichen Erscheinungen an- kam, wie ich sie in einem bestimmten Falle vorgefunden hatte. Meine Untersuchungen wurden fast ausschliesslich an Quer- schliffen angestellt, wogegen mir Längssehliffe nur hin und wieder zur Controle dienten. Da es bei dem gegenwärtigen Stand un- serer Technik unmöglich erschien, jeden einzelnen Knochen seiner ganzen Länge nach in Querschliffe zu zerlegen, um an einer solehen ununterbrochenen Reihe von Schliffen die Wachsthums- erscheinungen zu studiren, so begnügte ich mich damit, je 2 bis 3 Schliffe aus dem oberen, dem mittleren und dem unteren Drittel der Diaphyse eines jeden der von mir untersuchten Kno- chen anzufertigen. Untersuchungsmethode. Es gibt bekanntlich zwei Methoden zur Untersuchung des Knochenwachsthums. Die erste Methode besteht in dem Expe- rimente am lebenden Thiere (Krappfütterung, Anlegen von Draht- 156 N. Matschinsky: ringen um die Knochen, Einschlagen von Nägeln an verschie- denen Punkten der Röhren- und der flachen Knochen ete.). Diese wichtige Methode wurde von Du-Hamel, Hunter, Flourens und vielen neueren Autoren geübt. Die zweite Methode ist die der direeten mikroskopischen Untersuchung entkalkter Knochen. Da die erstere der genannten Methoden von zahlreichen Autoren bereits vielfach besprochen worden ist und da sie von mir, meiner Hauptaufgabe gemäss, nur wenig angewandt wurde, so will ich mich hier einer Besprechung der Vorzüge und der Mängel dieser Methode enthalten. Dagegen muss ich bei der zweitgenannten Methode etwas länger stehen bleiben, um die Ursachen einiger- maassen zu erklären, die mich zu einer Modifieirung derselben nöthigten. Die in Rede stehende Methode wurde bereits von Tomes und De Morgan zum Nachweis der innerhalb der Knochenrinde vor sich gehenden Resorptionserscheinungen angewandt. Dar- nach zu demselben Zwecke auch von Love&n empfohlen, erlangte sie indess erst nach den Arbeiten von Kölliker und Strel- zoff eine grössere Verbreitung. Hierbei werden die frischen Knochen anfangs mittelst Chrom- oder Pikrinsäure oder mittelst der Müller'schen Flüssigkeit behandelt, denen man behufs rascherer Entkalkung Salz- oder Essigsäure beifügt. Darauf werden die Knochen sorgfältig in Wasser abgewaschen, auf emige Tage in starken Alkohol gebracht und schliesslich zur Verferti- gung von Quer-, Längs- und Flächenschnitten verwendet. Be- hufs der Untersuchung der Resorptions- und Appositionserschei- nungen im embryonalen Knochen werden die Schnitte in ver- schiedenen Farbstoffen gefärbt. Hier sind vor Allem Carmin und Hämatoxylin zu nennen, welche zur Doppelfärbung be- nutzt werden: die Knochengrundsubstanz wird hierbei vom Carmin roth gefärbt, während das Hämatoxylin der Knorpelgrundsub- stanz eme blaue oder violette Farbe verleiht. Hierdurch wird der endochondrale Knochen von den späteren periostalen Ab- lagerungen scharf differenzirt (Strelzoff). Zu demselben Zweck sind noch“ andere Farbstoffe vorgeschlagen worden. So empfiehlt Ranvier eine alkoholische Chmolemblau-Lösung, welche die Reste der Knorpelgrundsubstanz violett, die Knochensubstanz da- gegen hellblau färbt. Derselbe Autor empfiehlt ausserdem spi- rituslösliches Anilinblau (welehes den Knorpel blau, den Knochen Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 157 dagegen gar nieht färbt) und Purpurin (Färbung des Knorpels in rosa). Dieses Verfahren ist ersichtlicherweise für das Studium dder Resorptionserscheinungen im embryonalen Knochen sehr ge- eignet, da es uns ermöglicht, die mit der fortschreitenden Aus- bildung der spongiösen Substanz und der Markhöhle einhergehende allmähliche Auflösung des endochondralen Knochens gut zu ver- folgen. Dagegen verliert dies Färbungsverfahren seine Bedeu- tung von dem Momente an, wo der endochondrale Knochen völlig entschwunden ist, weil dann die Farbstoffe keine Differenzirung mehr bewirken. Uebrigens lässt sich auch an derartigen Prä- paraten mit einiger Wahrscheinlichkeit angeben, wo Apposition und wo Resorption stattfindet: denn die erstere ist an den Stellen zu suchen, wo die Knochenoberfläche von Osteoblasten bedeckt ist, während dagegen die letztere sich durch die Gegenwart von Howshipschen Lacunen und von Osteoklasten characterisirt. Indess lässt sich eine solche Abgrenzung nur mehr theoretisch durchführen, weil man im conereten Falle auf so manche Hinder- nisse stösst: die Howship schen Lacunen sind z.B. (besonders. in jungen Knochen) so klein, dass sie leicht übersehen werden; die Osteoklasten ihrerseits finden sich mitunter nicht in den La- eunen, sondern an der glatten Knochenoberfläche, wogegen die Wandungen der Lacunen nicht selten von eimer Osteoblasten- schichte bekleidet werden. Freilich lassen sich alle diese Er- scheinungen leicht erklären, aber nichtsdestoweniger erschwert eine solche Mamnigfaltigkeit der abweichenden Erscheinungen in hohem Grade die Beobachtung und behindert uns in der strengen Abgrenzung der Appositions- und der Resorptionsstellen. Ausser- dem aber muss noch der Umstand in Anschlag kommen, dass topographische Schnitte nur aus kleinen Knochen leicht herzu- stellen sind, während mir wenigstens solche Schnitte aus den grösseren Knochen nicht gelingen wollten. Ebner (27) schlägt ein Verfahren vor, mittelst dessen sich an Schliffen und an Schnitten aus entkalktem Knochen das ältere von dem jüngeren Knochengewebe mit genügender Sicherheit unterscheiden lässt. Er sagt nämlich, dass das an einem Schliffe oder Schnitte sichtbare Knochengewebe in eme grosse Zahl grösserer oder kleimerer Felder zerfällt, deren relatives Alter aus der Begrenzung dureh Kittlinien bestimmt werden kann; denn jede Kittlinie ist gleichzeitig Resorptionslinie für ein Feld und 158 N. Matschinsky: Appositionslinie für das angrenzende (l. e. pag. 92). Etwas früher (pag. 91) sagt er: „... . wir können daher ganz allgemein auf der einen Seite der Kittlinie relativ älteres, theilweise zerstörtes, auf der anderen Seite relativ jüngeres, auf das erstere aufge- lagertes Knochengewebe uuterscheiden.* Es unterliegt indess keinem Zweifel, dass eine Bestimmung des relativen Alters der verschiedenen Theile eines Knochens mit Hülfe dieser Methode bei Weitem nieht überall möglich ist: denn Kittlinien treten nur da hervor, wo eine Ablagerung neuer Knochenlamellen auf eine Resorptionsfläche erfolgt; dort aber, wo die Auflagerung der La- mellen ohne Unterbrechung statt hat und sich also die jungen Lamellen an eine Appositionsfläche anlegen, werden wir keine Kittlinien wahrnehmen. Kurz, so geeignet diese Methode ist, wo es sich um eine Demonstrirung der Resorptionserscheinungen an den Knochen handelt, so lässt sie uns dennoch bei Unter- suchung der Wachsthumserscheinungen an denselben im Stich. In Betracht dessen, dass die beiden oben erwähnten Me- thoden unseren Zwecken nicht entsprechen, blieb ich bei der be- reits früher von mir beschriebenen Methode (ef. Anatomischer Anzeiger 1890, 12) stehen, da sie meiner Meinung nach himsicht- lieh der Untersuchung des Baues und des Wachsthums der Kno- chen durchaus hinreichende Resultate liefert. Das Prineip dieser Methode besteht darin, dass gewisse Anilinfarben, die man auf Knochenschliffe behufs deren Imprägnirung einwirken lässt, nur das junge Knochengewebe färben, während dagegen das ältere ungefärbt bleibt). 1) Als meine Arbeit bereits abgedruckt war, trafich bei Ebner zufällig eine Stelle (pag. 102), wo er von der Färbung der elastischen Fasern in Fuchsin redet und hierbei ganz beiläufig erwähnt, dass an Schnitten entkalkter Knochen, die mit einer sehr schwachen Fuchsin- lösung gefärbt worden, die einen nach Haversi’schem Systeme sich färben, die anderen dagegen nicht, und dann die Voraussetzung hin- stellt, dass hier namentlich das junge Knochengewebe sich färbe, wäh- rend das alte ungefärbt bleibe. Nachdem er diesen zufälligen Befund notirt hat, scheint er keine weiteren Untersuchungen in dieser Rich- tung angestellt zu haben; wenigstens konnte ich bei ihm nirgends eine weitere Mittheilung hierüber ausfindig machen. Ich versuchte es ebenfalls, Knochenschnitte nach derselben Methode zu färben und erhielt in der That ganz ähnliche Resultate wie auch Ebner. Da aber an Schnitten bei Weitem nicht Alles gefärbt wird, was an Schliffen ge- Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 159 Soviel ich weiss, sind bis jetzt fast gar keine Versuche an- gestellt worden, die Grundsubstanz nieht entkalkter Knochen zu färben. Nur bei Strelzoff (s. dessen Arbeit: „Ueber die Hi- stogenese der Knochen . . . 1875, pag. 23—24) finden wir die Angabe, dass er es versucht habe, Schnitte aus nicht entkalkten embryonalen Knochen in Carmin und Hämatoxylin zu tingiren, ohne indess gute Resultate erhalten zu haben. Das Carmin gab eine diffuse Färbung, während das Hämatoxylin Niederschläge an der Oberfläche der Präparate bildete. Es wurden ausserdem zwar auch Anilinfarben zur Tinetion von Schliffen empfohlen, indess handelte es sich hierbei bloss um eine Füllung der Kno- chenkanälchen mit dem Farbstoffe, um dieselben deutlicher her- vortreten zu lassen. Ranvier (Traite technique d’Histologie 1875, pag. 505) schlägt zu diesem Behufe eine alkoholische Lö- sung von in Wasser unlöslichem Anilimblau (sog. spirituslösliches Anilimblau) vor. In diese Lösung bringt er einen genügend dünnen Schliff, belässt ihn hier 1—2 Stunden lang, trocknet ihn darauf ab, schleift beide Flächen desselben auf einem Schleif- steine und untersucht das so erhaltene Präparat in einer Mischung aus gleichen Theilen Glycerm und Kochsalzlösung. Eine im Wesentlichen gleiche Methode ist unlängst von Zimmermann (157) vorgeschlagen worden. Letztere unterscheidet sich nur da- durch, dass anstatt des Anilinblau's eine alkoholische Methyl- violett- und Fuchsinlösung zur Durchfärbung von Schliffen ver- wendet wird. Ausserdem empfiehlt er, behufs rascherer Färbung, die Schliffe in den Farblösungen mehrere Minuten lang kochen zu lassen. Wie es aus den Mittheilungen von Zimmermann hervorgeht, erzielte er auch nur eine Färbung der Knochenhöhlen und -Kanälehen. Die Ursache, weshalb Ranvier und Zimmer- mann keine Färbung der Grundsubstanz in den Schliffen er- hielten, liegt meiner Ansicht nach erstens darin, dass der Auf- enthalt der Präparate in dem Farbstoffe nieht lange genug fort- dauerte und letzterer mithin nicht die nöthige Zeit hatte, aus den Knochenkanälchen in die Grundsubstanz einzudringen, zweitens färbt erscheint, und da es mir ausserdem nicht gelingen wollte, gute topographische Schnittpräparate zu erhalten, so gab ich die Ebner'- sche Methode ganz auf, um so mehr, als sie überhaupt keine Vorzüge vor der meinigen besitzt. . 160 N. Matschinsky: aber darin, dass zur Färbung alkoholische Farblösungen ange- wandt wurden, die gemäss meinen Beobachtungen die Schliffe etwas langsamer färben als wässerige Lösungen. Um eine Färbung der Grundsubstanz in den Schliffen zu erhalten, sind besondere Manipulationen erforderlich, deren Be- schreibung ich sogleich geben will. Bevor ich aber zu dieser letzteren übergehe, muss ich über die Art und Weise, wie die zur Untersuchung des Knochenwachsthums geeigneten Schliffe anzufertigen sind, Einiges vorausschieken. Während es zum Stu- dium der Struetur des Knochengewebes im Allgemeinen hinreicht, kleine Plättehen von eimem Knochen sowohl m der Quer- als auch in der Längsrichtung abzusägen und dieselben möglichst dünn abzuschleifen, sind zum Studium des Knochenwachsthums topographische Sehlitfe unbedingt erforderlich, welche, sofern es Querschliffe sind, den ganzen Umfang des Knochens umfassen, sobald es aber Längsschliffe sind, die gesammte Knochenrinde enthalten müssen. Ferner muss darauf geachtet werden, dass bei dem Durchsägen und Abschleifen sowohl die periostalen La- mellen, als auch die jungen Knochenablagerungen von Seiten der Markhöhle und der Markräume in ihrer Unversehrtheit er- halten bleiben; mitunter ist es von grosser Bedeutung, auch die Substantia spongiosa, sowie den Knorpel und das Periost in ihrer natürlichen Lagerung zu belassen, um das Verhalten dieser Ge- bilde zu den Elementen des Knochengewebes zu veranschaulichen. Ausserdem müssen die Schliffe so fein als möglich und zugleich von möglichst gleichmässiger Dünne sein. Macerirte Knochen sind für unsere Zwecke unbrauchbar, da die zarten, noch in Verknöcherung begriffenen und recht weichen Schichten der eom- paeten Substanz, sowie auch die dünnen Spongiosa-Bälkchen bei der Maceration stets zerstört werden. Ausserdem ist beim Durch- sägen, besonders aber bei dem Schleifen äusserste Vorsicht nöthig, damit die äussersten periostalen Schichten nicht abgesprengt, sowie die Bälkchen der Spongiosa nicht alle abgebrochen wer- den. Deshalb nahm ich zu meinen Schliffen ausschliesslich frische Knochen. Die vorläufige Behandlung derselben bestand in der Entfernung sämmtlicher Weichtheile unter alleiniger Zurück- lassung des Periost und des Knorpels; darauf wurden die Kno- chen in bestimmten Höhepunkten in mehrere Querstücke zersägt; enthielt die Markhöhle Fett, so wurde letzteres durch einen u a er ee re Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 161 Wasserstrahl abgesehwemmt. Von den also erhaltenen Stücken wurden mittelst einer (je nach der Härte des Knochens) mehr oder weniger feinen Säge möglichst dünne Plättchen, je nach Bedarf, entweder in Längs- oder in Querriehtung abgesägt. Nach- dem die abgesägten Plättehen sorgfältig abgezeichnet waren !), brachte ich sie auf 24 Stunden in eine sehr dieke Gummilösung (von Honig-Consistenz), von hier aber auf ebensolange in 95°/, Alkohol, behufs ihrer Erhärtung. Nimmt man die Präparate aus dem Alkohol und lässt sie an der Luft trocken werden, so sind sie hart genug, um ohne Gefährdung der darin enthaltenen Weichtheile abgeschliffen werden zu können. Das Schleifen selbst führe ich folgendermaassen aus: die eine Oberfläche des Präparates schleife ich an einer breiten und flachen Feile so lange, bis erstere vollkommen glatt aussieht; sodann wird die nämliche Fläche auf einem guten Schleifsteine weiter abge- schliffen, bis sie keine groben, mit blossem Auge sichtbaren Streifen mehr aufweist. Diese Oberfläche wird dann mit einer sehr dieken Gummilösung bestrichen und auf ein vollkommen glattes Holzbrettehen oder auf eine (wo möglich, matte) Glas- platte aufgeklebt. Der Gummi trocknet sehr schnell (wenn das Präparat nicht sehr gross ist, binnen einigen Minuten) und als- bald kann man zum Abschleifen der anderen Oberfläche über- gehen?). Hierbei legt man die Holz- oder die Glasplatte mit dem angeklebten Präparate auf einen Tisch und schleift das erstere mittelst kleiner Feilen von verschieden femem Hiebe. Ist das Präparat so dünn geworden, dass es fast durchscheinend wird, so ist das Schleifen beendigt und nun legt man das Brett- chen sammt dem Präparate in Wasser und belässt es so lange darin, bis unter Auflösung des Gummi der Schliff sich von selbst, 1) Hierbei wurden zunächst die Contouren des Präparates auf einem darunter gelegten Papiere so genau als möglich mit einem Blei- stifte umzogen und sodann in diesen Umriss die Lage der einzelnen Theile aus freier Hand hineingezeichnet. 2) Es ist durchaus nothwendig, dass die Schliffläche an allen Punkten gut angeklebt sei, denn sollte auch nur ein Theil derselben sich von dem Brette ablösen, so bricht beim nachfolgenden Schleifen das Präparat, und unsere Arbeit ist verloren. Um solches zu ver- hüten, belaste ich das Präparat, so lange es trocknet, mit einem Ge- wicht, wodurch eine Verkrümmung der Schliffläche verhindert wird. 162 N. Matschinsky: ohne jeden Kraftaufwand ablöst. Nach sorgfältigem Abwaschen in Wasser wird das Präparat abgetrocknet, sodann auf eine halbe Stunde in Benzin oder in Aether übertragen und schliesslich in die Farblösung gebracht. Ich stellte mit folgenden (sämmtlich in gesättigter wässeriger Lösung angewandten) Anilinfarben Ver- suche an: Eosin (wasserlöslich), Saffranin, Gentiana-Violett, Me- thylenblau, Methylgrün, Jodgrün und Fuchsin, letzteres in Gestalt der bekannten Ziel-Neelsen’schen Lösung, welche im Ver- hältniss zu der wässerigen Lösung eime grössere Färbekraft be- sitzt. Ein jeder dieser Farbstoffe wirkt eigentlich stets auf die nämlichen Theile des Knochens ein und der Unterschied zwischen ihnen bezieht sich auschliesslich auf die grössere oder geringere Schnelligkeit der Färbung. Gentianaviolett und Fuchsin färben verhältnissmässig schnell, dann folgt das Saffranin und das Eosin, während die übrigen langsam färben, so dass ich selbige nur wenig benutzt habe. In meimer vorläufigen Mittheilung empfahl ich zu besagtem Zwecke Eosin und Saffranin; aber in letzterer Zeit verwandte ich ausschliesslich eine gesättigte wässerige Saffraninlösung (aus Dr. Grübler’s Fabrik) und Fuchsm (in der Ziel- Neelsen’sehen Lösung), das Eosin dagegen liess ich aus dem einzigen Grunde unbenutzt, weil es bei sonst ganz gleicher Wirkung mit dem Saffranin die Schliffe langsamer als letzteres durehdringt. Von den beiden soeben genannten Farb- stoffen (d.h. dem Saffranin und dem Fuchsin) hat ein jedes seine Vorzüge: das Saffranin färbt die Grundsubstanz des jungen Knochengewebes in vorzüglicher Weise, wobei auch die feine Structur derselben sehr gut hervortritt; indess lassen die in Saffranin gefärbten Knochenkanälchen an Deutlickeit zu wünschen übrig. Hingegen färbt sich das junge Knochengewebe in Fuchsin so intensiv, dass seime Structur nur an sehr feinen Schliffen er- sichtlich ist; es werden aber die Knochenkanälehen in diesem Farbstoffe so stark gefärbt, dass uns hier ein Einblick in solche Details gestattet wird, welche bei anderen Färbungen vermisst werden. Ausserdem habe ich die Behandlung der Schliffe mittelst anderer Farbstoffe versucht, nämlich: mittelst verschiedener Kar- minlösungen (neutraler, Borax- und Ammoniak-Karmin), mittelst Hämatoxylin und Congo -Roth; alle die Lösungen erwiesen sich für meine Zwecke durchaus unbrauchbar, da sie nur die Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 163 Wandungen der Haversischen Kanäle färbten, ohne irgend weiter vorzudringen, selbst wenn die Schliffe mehrere Wochen lang in den letztgenannten Lösungen verweilt hatten. — Ich liess die Präparate mehr oder weniger lange in der Farblösung liegen, je nachdem dieselben von älteren oder von jüngeren Subjeeten entnommen waren. Schliffe aus den Knochen von neugeborenen oder von Kindern im ersten Lebensjahre darf man nicht länger als 24 Stunden der Farblösung aussetzen, wenn man keine Ueber- färbung erhalten will. Die Ursache einer so raschen Wirkung lässt sich wohl erklären, wenn man sich die Struetureigenthüm- lichkeiten dieser Knochen vergegenwärtigt, sowie auch den Um- stand, dass die Grundsubstanz derselben nur wenig kalkhaltig ist. Schliffe aus den Knochen älterer Kinder (d.h. bis zu einem Alter von etwa 5 Jahren) kann man 2 Tage lang, noch ältere Knochen aber bedeutend länger (3—7 Tage lang) in der Farblösung ver- weilen lassen, ohne eine Ueberfärbung zu bekommen, wobei wohlbemerkt, stets die nämlichen Theile des Knochens gefärbt erscheinen, mochte die Färbung mehr oder weniger lange ge- dauert haben. Zu dem Gesagten sind noch die beiden folgenden, wesentlichen Punkte beizufügen: 1) bei erhöhter Temperatur (bei 40°C. im Brütofen) geht die Färbung fast doppelt so schnell vor sich. 2) Schliffe aus macerirten Knochen färben sich viel schneller als aus frischen Knochen. Dies hängt wahrschein- lich davon ab, dass die dort nur mit Luft gefüllten Knochen- körperchen und -Kanälchen dem Eindringen der Farblösung nicht die Hindernisse entgegenstellen, die sie bei ihrem Vordringen in den frischen Knochen seitens der Knochenzellen und deren Ausläufer begegnet; sehr möglich ist es aber, dass in den mace- rirten Knochen auch die Grundsubstanz selbst den Farbstoff leichter in sich aufnimmt!'). 1) Behufs Verfertigung gefärbter Schliffe aus macerirten Kno- chen kann ich noch das folgende Verfahren empfehlen: es werden von solehen Knochen Plättchen abgesägt und letztere, vom Fette gerei- nigt, auf 2—3 Tage direct in die Farblösung gebracht; nach statt- gefundener Färbung werden die Plättchen in der oben dargelegten Weise weiter geschliffen. Kleinere Knochen (wie die Metatarsal- und Metacarpalknochen) können, macerirt, sogar in toto direet in die Farblösung kommen. Nach einem Aufenthalte von 4—5 Tagen in der letzteren erscheinen sie bereits genügend gefärbt und können nun, 164 N. Matschinsky: Nach beendigter Färbung werden die Schliffe in Wasser leicht abgespült, getrocknet und darauf die beiden Schliffflächen weiter geschliffen, zu welchem Behufe zunächst eine feine Feile, dann aber, behufs nachträglicher Abglättung, ein guter Schleif- stein zu benutzen ist. Hierbei empfiehlt es sich, das Präparat in der oben beschriebenen Weise anzukleben, damit es beim Schleifen nicht zerbreche, und derart zuerst die eine, sodann aber auch die andere Oberfläche sorgfältig abzuschleifen. Vor dem Einschluss in Kanadabalsam wäscht man das Präparat in destillirtem Wasser aus, um den an den Flächen etwa anhaften- den Staub und die Splitter zu entfernen; sind aber in dem Schliffe auch Weichtheile enthalten, so ist derselbe, behufs Entfernung des Ueberschusses an Farbe in den letztgenannten Theilen, auf eine Y/,—1 Stunde in Alkohol zu bringen, das Auswaschen in Weingeist sowie in Wasser beeinträchtigt die Färbung des Knochens nicht im Mindesten: ein Schliff aus dem Knochen eines Erwachsenen kann, sobald er einmal gefärbt ist, 24 Stunden lang in Alkohol verweilen, wobei die Färbung nur sehr wenig abblasst, ebenso wie ein noch längerer (bis wochenlanger) Aufent- halt in Wasser die Färbung durchaus nicht ändert. — Der aus dem Wasser oder aus dem Alkohol genommene Schliff wird ab- getrocknet und in Kanadabalsam eingeschlossen; letzterer muss entweder flüssig oder diek sein, je nachdem, ob es sich um ein ausschliessliches Studium der Structur der Grundsubstanz oder aber um eine Untersuchung des Verlaufes der Knochenkanälchen und ihres Verhaltens zu der Grundsubstanz handelt. Letzteren- falls verfahre ich folgendermassen: auf einen Objeetträger sowohl wie auf ein Deckglas bringe ich je einen Tropfen Kanadabalsam, vertheile diesen letzteren auf einer jeden der beiden Glasflächen in mögliehst dünner und gleichmässiger Schicht und erwärme sie dann behufs Verdunstung vorsichtig über der kleinen Flamme einer Spirituslampe. Die Verdunstung wird so lange fortgesetzt, bis der Balsam gleich nach Erkalten des Glases anfängt hart zu werden: drückt man dann mit einer Nadelspitze leicht auf die Oberfläche des Balsams, so bleibt in demselben ein seichtes Grübehen zurück; ist dagegen der Balsam noch flüssig, so klebt in Plättchen zersägt und in der oben angegebenen Weise weiter be- handelt, zu Schliffpräparaten verwendet werden. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknoehen d. Menschen ete. 165 er an der Nadelspitze. Jetzt lege ich den Sehliff auf die Ober- fläche des erhärteten Balsams und bedeeke ihn mit dem (gleich- falls mit einer Balsamschicht versehenen) Deckglase und erwärme dann den Objectträger über einer Spiritusflamme, indem ich zu gleicher Zeit mit einem Skalpellhefte auf das Deckglas aufdrücke. Der Balsam verflüssigt sich alsbald und verbreitet sich gleich- mässig unter dem Deckglase. Durch den soeben beschriebenen Kunstgriff werden folgende Uebelstände vermieden: 1) Der Schliff wölbt sich nieht und brieht nicht entzwei, was mitunter vorkommt, wenn er direet in den heissen Balsam eingelegt wird; 2) seltener als sonst kommt es zur Entwicklung von Luftblasen, welche letzteren bei der Untersuchung sehr störend sein können. Schliesslich möchte ich noch Folgendes bemerken: 1) bei der Verdunstung des Balsams muss eine zu starke Erhitzung ver- mieden werden, da sonst der Balsam anbremnt, eine gelbliche Färbung bekommt und untauglich wird; 2) darf man den Balsam auch nicht zu viel verdunsten lassen, weil ein im dem allzu sehr erhärteten Balsam eingeschlossenes Präparat nicht genügend aufgehellt wird; ausserdem hebt sich oft das Deekgläschen nach einiger Zeit von dem Präparate ab, was nur dureh eine entspre- chende Verkittung desselben verhütet werden kann. Betrachten wir nur einen derart gefärbten Knochenschliff, sei es auch mit unbewaffnetem Auge, so nehmen wir wahr, dass das Präparat nicht gleichmässig gefärbt ist; wir sehen nämlich intensiver gefärbte Streifen und Punkte, welche durch schwächer gefärbte Zwischenräume von einander getrennt werden, und zwar besitzt die Vertheilung dieser Streifen und Punkte etwas Eigen- thümliches nieht nur für die verschiedenen Knochen, sondern auch für die verschiedenen Abschnitte desselben Knochens. Untersuchen wir aber ein solches Präparat unter dem Mikroskope, so gewahren wir erstens, dass die Knochenhohlräume und -Kanäl- chen sämmtlich intensiv gefärbt sind; anlangend dagegen die Grundsubstanz, d.h. die Haversi'schen Lamellensysteme, die interstitiellen, sowie die äusseren und inneren Grundlamellen (Kölliker), so erscheinen sie stellenweise gefärbt, stellenweise aber nicht gefärbt, wobei im ersteren Falle die Färbung nicht überall gleich stark ist. Wenden wir uns beispielsweise zu den verschiedenen Haversischen Systemen, so sehen wir die einen von ihnen (abgesehen von den Knochenhöhlen und -Kanälehen) ganz 166 N. Matschinsky: ungefärbt; in den anderen von ihnen ist die Farblösung dureh die Wandungen der Kanälchen in die Grundsubstanz eingedrungen und hat die letztere m der nächsten Umgebung der Knochen- kanälchen gefärbt (vergl. Fig. 18); noch andere zeigen eine, bis dieht an die Kittlinien reichende, durchweg gleichmässige, obwohl schwache Färbung ihrer Grundsubstanz und schliesslich stossen wir noch auf Haversische Systeme mit so intensiver Färbung ihrer Grundsubstanz, dass sich deren feinere Struetur nur noch mit Mühe erkennen lässt. Es ist ersichtlich, dass der Farbstoff zunächst in die Haversischen Kanäle tritt und sich von hier aus in dem Knochenkanälchensysteme weiter verbreitet; aus diesem letzteren dringt er stellenweise weiter in die Grund- substanz vor, während er an anderen Stellen nicht in dieselbe eintreten kann, je nachdem, ob sie weniger oder mehr Kalk- salze enthält (wie wir dies weiter unten ausführlicher darlegen wollen). Die Anzahl der gefärbten Haversischen Kanäle ist je nach dem Alter des Knochens verschieden: in den Knochen Jugendlicher Individuen sind solche Systeme im Verhältniss zu den ungefärbten relativ zahlreich, während sie bei erwachsenen Individuen spärlicher vertreten sind. Was die Färbung der im- terstitiellen Systeme anlangt, so unterscheidet man bekanntlich die echten interstitiellen Systeme, welche infolge von Resorption (des periostalen Knochens entstanden sind, und die Haversi- schen interstitiellen Lamellen, d.h. die Reste der durch Resorp- tion zerstörten Haversischen Systeme.. Von den ersteren er- scheinen nur diejenigen mitunter schwach gefärbt, welche der periostalen Fläche näher liegen, während dagegen die übrigen, nach innen gelegenen, sämmtlich ungefärbt bleiben; ebenso ver- hält es sich mit den Haversischen interstitiellen Lamellen- systemen: an einem und demselben Präparate erscheinen sie an gewissen Stellen gefärbt, an anderen dagegen nicht. Diese ver- schieden gefärbten Systeme werden sämmtlich an Stelle der Kittlinien scharf von einander abgegrenzt (mit Ausnahme der Fälle, wo zwei gleich stark gefärbte Systeme an einander stossen). Riehten wir jetzt unser Augenmerk auf die Färbung der periostalen Lamellen, so finden wir auch hier ein dem soeben beschriebenen ähnliches Verhalten: es sind nämlich die äussersten Lamellen bald intensiv, bald schwach gefärbt, oder sie erscheinen Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 167 endlich ganz ungefärbt. An emigen Präparaten umzieht die ge- färbte Aussenschieht ringförmig den Umkreis des Knochenschliffes, während sie an anderen Präparaten Unterbrechungen zeigt oder sich endlich nur auf einen geringen Theil der Knochenperipherie beschränkt. Mitunter erscheint die gefärbte Schicht von den tieferliegenden durch eine Kittlinie scharf abgegrenzt und ist in solehen Fällen die genannte Schicht von nur geringer Breite, wohingegen die darunter liegenden Schichten ganz ungefärbt sind; mitunter aber wird die äusserste, gefärbte Schicht von den mehr nach innen gelegenen durch keine Kittlinie abgegrenzt und nimmt in solehen Fällen die Färbung von aussen nach innen all- mählich ab, d.h. die alleräusserste Schicht ist hier am stärksten, die innerste dagegen am schwächsten tingirt. Fast dasselbe lässt sich auch betreffs der inneren Grundlamellen sagen und es sei mir nur die Bemerkung erlaubt, dass die gefärbte Schicht hier an verschiedenen Stellen der Peripherie des Markkanales eine sehr ungleiche Breite besitzt: bald ist der gefärbte Streifen sehr schmal, bald dagegen von beträchtlicher Breite; ausserdem trifft es sich hier sehr selten, dass die intensiv gefärbten Schichten allmählich im die ungefärbten übergehen; im Gegentheil, die ge- färbte Schicht wird hier grösstentheils durch eine Kittlinie von der ungefärbten Nachbarschicht scharf getrennt. Was die Anordnung der gefärbten und ungefärbten La- mellensysteme verschiedener Art (nämlich der Haversi'schen Systeme und der äusseren und inneren Grundlamellen) an den verschiedenen Stellen des Präparates betrifft, so fällt es schwer, eine für sämmtliche Knochen der verschiedenen Altersperioden allgemein gültige Beschreibung zu liefern, denn diese verschieden- artige Anordnung hängt von den Wachsthumsgesetzen eines jeden einzelnen Knochens ab, worüber im Nachfolgenden noch die Rede sein wird. Vorläufig will ich mich nur auf folgende Be- merkungen beschränken: 1) In jüngeren Knochen sind die äusseren periostalen Lamellen in grösserer Ausdehnung gefärbt als in älteren Knochen, während an den inneren Grundlamellen das umgekehrte Verhältniss stattfindet. 2) Die gefärbten äusseren (periostalen) und inneren Grundlamellen finden sich selten auf einer und derselben Seite des Knochens. Wenn sich z. B. au einem Theile der Peripherie eine gefärbte Schicht befindet, so erweist sich die innere Grundlamelle an derselben Seite ungefärbt, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 12 168 N. Matschinsky: und umgekehrt. 3) Die Zahl der gefärbten Haversi'schen Systeme ist im den Knochen jugendlicher Individuen im Allge- meinen grösser als in denen älterer Subjeete; hierbei sind die gefärbten Haversischen Systeme nicht gleichmässig über das Präparat verbreitet, sondern sie sammeln sich vielmehr an ge- wissen Stellen in grösserer Anzahl an. Abgesehen von den Haversisschen Systemen, den äusseren und inneren Grundlamellen, erscheinen an den Schliffen auch die Kittlinien gefärbt. Indess tritt eme Färbung derselben nur unter besonderen Bedingungen em. Denn nur an den Knochen Junger Individuen ist es leicht, eine Färbung der Kittlinien in den Schliffen zu erhalten, während die Schliffe aus den Knochen älterer Subjeete nur nach länger dauernder Einwirkung des Farbstoffes ein solches Bild zeigen, bei Greisen endlich die Färbung der genannten Linien ganz ausbleibt. Aber abge- sehen von den Präparaten der letztgenannten Kategorie, sind auch an einem beliebigen der vorher erwähnten Präparate nicht alle Kittlinien gefärbt. Nehmen wir beispielsweise den Querschliff eines jungen Röhrenknochens, so finden wir in den äusseren periostalen Schichten eine ganze Reihe gefärbter Streifen, die sowohl unter einander, als auch mit der äusseren Knochenfläche parallel ziehen und ein fast homogenes Aussehen darbieten. Sie erstrecken sich selten auf den ganzen Umkreis des Knochens, sondern bilden grösstentheils einen unvollständigen Ring. In den der Aussenfläche näher liegenden Schiehten erscheinen sie mit- unter sehr nahe an einander gerückt, so dass je zwei benachbarte Kittlinien nur dureh 2—4 dazwischen liegende Lamellen von einander geschieden werden; je weiter nach innen, desto grösser werden die Abstände zwischen den gefärbten Kittlinien und desto schwächer wird zugleich ihre Färbung. Die einen von ihnen zeigen einen mehr geradlinigen, andere dagegen einen gewundenen Verlauf. Wenn sie in ihrem Verlaufe auf einen quer oder schräge durehschnittenen (Volkmann’schen) perforirenden!) Kanal 1) Die perforirenden Kanäle werden entweder von gefärbter oder ungefärbter Grundsubstanz umgeben, je nachdem die von ihnen durehbohrten Lamellen jüngeren oder älteren Ursprungs sind. Wer- den diese Kanäle von eigenen Wandungen umschlossen, so erscheinen diese letzteren stets mehr oder weniger gefärbt. hehe Sa Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 169 stossen, so umgehen sie denselben, indem sie einen Halbring oder eine mit der Convexität nach innen gewandte und mitunter recht lange Schlinge bilden. Eben solche (nur schwächer) gefärbte Kittlinien finden sich auch in den echten interstiellen Lamellen- systemen; sie verlaufen den vorhergehenden parallel, stehen aber weiter von einander ab und werden oft durch die ihnen im Wege stehenden Haversischen Systeme unterbrochen. Aehn- lich gefärbte Kittlinien treffen wir auch innerhalb der inneren Grundlamellen, mit dem Unterschiede aber, dass sie hier weniger zahlreich, die Abstände zwischen ihnen dagegen beträchtlicher sind und dass sie hier fast stets einen gewundenen Verlauf ein- halten. Aehnlich verhalten sich zur Färbung die die Haversi- schen Systeme begrenzenden Kittlinien; sie sind natürlich nur in denjenigen Fällen sichtbar, wenn die Grundsubstanz des Sy- stems wenig oder gar nicht gefärbt ist. An gefärbten Schliffen lässt es sich gleichfalls recht gut constatiren, dass auch innerhalb der Haversischen Systeme Kittlinien sich finden, von denen einige einen gewundenen Verlauf haben; eine Thatsache, welche übrigens auch früher schon bekannt war (Kölliker, Ebner, Brösike). Dies wäre fast Alles, was an gefärbten Querschliffen zu sehen ist. Fertigen wir nun Längsschliffe und Flächenschliffe an und färben dieselben in der nämlichen Weise wie die Querschliffe, so erweist die Untersuchung derselben folgendes: die äusseren periosta- len, sowie die den Markkanal begrenzenden Lamellen erscheinen, je nach der Richtung der Schliffebene, entweder gefärbt oder un- gefärbt. Die längs durchschnittenen Haversischen Kanäle werden auch hier bald von gefärbten, bald von ungefärbten La- mellen umschlossen und es erstreckt sich ersterenfalls die Färbung stets bis dicht an die Kittlinie. An gelungenen Präparaten kann man sich ausserdem überzeugen, dass sich die Haversi’- schen Kanäle baumartig verästeln, wobei ein Hauptstamm mehrere Seitenäste abgiebt; ein Theil dieser letzteren wird von gefärbten, andere dagegen werden von ungefärbten Lamellen umgeben; noch andere Verzweigungen endlich erscheinen als Kanäle, welche die Haversi’schen Systeme durehbohren: es sind diese Gebilde nichts anderes als die Volkmann’schen (perforirenden) Kanäle. Was endlich die gefärbten Kittlinien betrifft, so erscheinen sie an Längsschliffen in Gestalt von Streifen, die den Haversi- 170 N. Matschinsky: schen Kanälen mehr weniger parallel und in ungleicher Ent- fernung von letzteren hinziehen. Ein gleiches Verhalten zur Färbung zeigen auch Schliffe aus den Knochen einiger Säugethiere (Hund, Katze und weisse Ratte), welche ich nur vergleichshalber untersuchte. Soweit sich hier gewisse, jedenfalls nur sehr geringfügige Unterschiede geltend machen, lassen sich dieselben durch emige Eigenthümlichkeiten in dem Bau der Knochen der genannten Thiere wohl erklären. Dies sind die Erscheinungen, wie sie uns an den gefärbten Knochenschliffen entgegentreten. Dass wir es hier nicht mit Kunstprodueten zu thun haben, dafür spricht sowohl das von uns angewandte Verfahren an und für sich, als auch folgender Umstand: verfertigt man in oben beschriebener Weise aus einem beliebigen Röhrenknochen eine Serie von Schliffen und färbt sie nach der von uns dargelegten Methode, so findet man bei der Durcehmusterung solcher Präparate, dass stets 2 oder 3 unmittel- bar auf einander folgende Querschliffe fast identische Bilder liefern. Es fragt sich nun, wie es zu erklären sei, dass gewisse Theile des Knochens die Färbung annehmen, andere dagegen nicht? Dies lässt sich meines Erachtens folgendermaassen er- ären. Bekanntlich geht in den Knochen, in welchen die Ent- wickelungsprocesse noch nicht zum Abschlusse gekommen sind, nicht nur eine Ablagerung neugebildeter Knochensubstanz, sondern auch eine vollständige Umbauung des früher gebildeten Knochens vor sich: die alten abgelebten Theile des Knochens werden zer- stört und resorbirt und an ihre Stelle, tritt neugebildetes, junges Knochengewebe. Infolge der gleichzeitig statt fndenden Resorp- tions- und Neubildungsprocesse ändert sich nicht nur die feinere Struetur des Knochens, sondern auch das äussere Aussehen des- selben. Mithin treffen wir in jedem wachsenden Knochen sowohl Junges, als auch altes Knochengewebe und zugleich auch alle (dem Alter nach) dazwischenstehenden Uebergangsstufen von dem ersteren zum letzteren. Ersichtlichermaassen besitzt das junge Knochengewebe etwas andere physikalische und vielleicht auch chemische Eigenschaften, als das alte: das erstere muss etwas weicher, etwas leiehter für Flüssigkeiten durchdringlich sein, da es weniger Kalksalze enthält als das letztere. Dieser un- gleiche Gehalt an Kalksalzen ist meines Erachtens die Haupt- Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 171 ursache, weshalb die einen Theile des Knochens stärker gefärbt werden als die anderen‘). Zu Gunsten dieser Ansicht spricht auch folgender Umstand: wenn man in allgemein üblicher Weise die Kalksalze aus dem Knochen extrahirt und dann Sehnitte aus dem Knochenknorpel anfertigt, so färben sich solche Schnitte in Safranin-, Eosin- und Fuchsinlösungen verhältnissmässig sehr rasch, indess tritt hier eine diffuse Färbung ein, welche keine Spur einer Differenzirung zeigt; legt man ein derartig überfärbtes Präparat in Alkohol und untersucht es von Zeit zu Zeit, so be- merkt man ein an allen Theilen des Präparates gleichmässiges Austreten der Farblösung; es fehlt hier jede Andeutung darauf, dass gewisse Knochentheile die Farbe stärker an sich ziehen als andere. Zu weiterer Bekräftigung der oben aufgestellten Ansicht betreffs der Abhängigkeit der Färbung in den Knochenschliffen von dem verschiedenen Gehalt derselben an Kalksalzen dient noch der bereits oben erwähnte Umstand, dass Schliffe aus den Kno- chen älterer Individuen eine verhältnissmässig geringe Anzahl ge- färbter Theile aufweisen, während hingegen m jungen, noch wach- senden Knochen solche gefärbte Theile viel reichlicher vertreten sind. Meiner Meinung nach steht der gegebenen Erklärung auch die Thatsache nicht entgegen, dass die Knochenschnitte in der v. Ebner’schen Farblösung (schwache Fuchsinlösung) eine un- gleichmässige Tinetion annehmen. Auch hier wird, wie mir scheint, die ungleiehmässige Färbung der verschiedenen Theile des Präparates durch seine ungleiche Dichtigkeit bedingt: die schwache Lösung, welche nieht in die dichteren Theile einzu- dringen vermag, diffundirt nur in die weicheren Theile des Knochenschnittes. Derart ist schon a priori zu erwarten, dass an jedem ge- färbten Schliffe die intensiver gefärbten Theile aus jJungem 1) Das verschiedene Verhalten des alten und des jungen Kno- chens zu den Farbstoffen kann noch eine andere Ursache haben. Es ist nämlich aus den Untersuchungen von Brösike (9) ersichtlich (l.e. pag. 108), dass die Knochenkanälchen in alten Knochen von einer ziemlich resistenten Membran (Grenzscheide) bekleidet werden, welch letztere in den Kanälchen des jungen Knochengewebes nicht vorhan- den ist. Auf Grund dieser Ergebnisse lässt sich voraussetzen, dass die Grundsubstanz des alten Knochens zum Theil auch deswegen un- gefärbt bleibt, weil die Farblösung nicht durch die dichte Grenzscheide der Knochenkanälchen hindurchdringen kann. 172 N. Matschinsky: Knochen, die schwächer gefärbten — aus Knochen von mittlerem Alter und die ungefärbten endlich aus altem Knochengewebe be- stehen werden. Dies lässt sich an den Präparaten auf’s Deutlichste demonstriren, sobald man die Anordnung der gefärbten Theile in Betracht nimmt. Es ist nämlich bekannt, dass das Dieken- wachsthum des Knochens durch Ablagerung von Knochensubstanz seitens des Periosts erfolgt; mithm werden die unmittelbar unter dem Periost liegenden Lamellen die allerjüngsten, die mehr nach innen liegenden dagegen die älteren sein. Andererseits habe ich aber schon erwähnt, dass an den gefärbten Schliffen namentlich die äusseren (subperiostalen) Lamellen am intensivsten gefärbt erscheinen. Zweitens finden sich an Querschliffen aus Knochen verschiedensten Alters stets in grösserer oder geringerer Menge eigenthümliche, unregelmässig begrenzte Hohlräume mit gleichsam angenagten Rändern, d. h. die sogenannten Haversian Spaces. Seit Tomes und De Morgan ist es bekannt, dass diese Hohl- räume infolge von Resorption des Knochengewebes entstehen und dass sich sodann an den Wänden der Haversian Spaces Lamellen von jungem Knochengewebe ablagern. Derart verengen sich all- mählich die genannten Hohlräume, bis an ihrer Stelle ein neues Haversi'sches System entsteht. Stellenweise sieht man, dass die jungen Lamellen!) nur eine Seite des Hohlraumes bedecken, während dessen übriger freier Rand wie angenagt erscheint und auch hier sind es namentlich die neugebildeten Lamellen, welche stets sehr intensiv gefärbt erscheinen, wogegen der übrige Um- kreis des Haversischen Hohlraumes ganz ungefärbt bleibt (vergl. Fig. 1 A). Drittens habe ich zur Begründung meiner Ansicht noch folgendes aufzuführen: wenn man irgend einen (kleinen) Röhrenknochen in der Mitte der Diaphyse durchsägt und aus der einen Hälfte eine Reihe von Schliffen verfertigt, welche nachträglich in der oben angegebenen Weise in Anilin- 1) Diese neugebildeten Lamellen haben einen ganz glatten Rand, während in dem übrigen Umkreise Howship’sche Lacunen liegen, welche letzteren dem Knochen ein angenagtes Aussehen verleihen. Fertigt man Schnitte aus entkalkten Knochen, so sieht man in der- artigen Haversi'schen Räumen die neugebildeten Lamellen von Östeo- blasten bedeckt, während dagegen die Howship’schen Lacunen durch die Gegenwart von Riesenzellen ausgezeichnet sind, a Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 173 farbe gefärbt werden, die andere Hälfte dagegen decaleinirt, in Schnitte zerlegt und letztere in Karmin färbt, so erweist sich bei einer Vergleichung benachbarter Schliffe und Schnitte mit einander, dass die an dem Schnitte mit einer Osteoblastenschicht bedeckten Knochenlamellen an der entsprechenden Stelle des Schliffes intensiv gefärbt erscheinen, diejenigen Lamellen aber, welche an den Schnitten nieht von Osteoblasten bedeckt sind oder gar Howship’sche Lacunen tragen, an dem Schliffe un- gefärbt erscheinen. Schliesslich spricht noch der Umstand zu Gunsten meiner Methode, dass die mittelst derselben von mir gewonnenen Resul- tate inbetreff des Knochenwachsthums beim Menschen mit den von Hunter (44), Flourens (29-34), Brulle u. Hu- gueny (4, Kölliker (54) u. A. mittelst anderer Methoden an Thieren erhaltenen Befunden durchaus nicht im Widerspruche stehen. Ausserdem habe ich noch beizufügen, dass die von Serres und Doyere (111), Lieberkühn (70—75) und Buseh (11) an den Knochenschliffen von Krappthieren gefundenen Bilder denen ganz analog sind, welche von mir an mit Anilin- farben behandelten Knochenschliffen beim Menschen gesehen worden sind, d.h. hier wie dort färbt sich das junge Knochen- gewebe, wogegen das alte ungefärbt bleibt. Nach dem Gesagten scheint es mir nöthig, einige früher bereits erwähnte Thatsachen näher zu erläutern. Wie bereits gesagt, erscheinen die äusseren periostalen Lamellen bald intensiv, bald aber schwach gefärbt oder endlich ganz ungefärbt. Dies findet seine Erklärung in der bereits von früheren Autoren (Brulle und Hugueny, Kölliker u. A.) constatirten Thhatsache, dass die während der Knochenwachsthumsperiode aus dem Periost hervorgehenden jungen Lamellen sich nicht ununterbrochen, sondern vielmehr periodisch ablagern. Daher kommt es auch, dass die äussersten periostalen Lamellen, welche im Verhältniss zu den nach innen von ihnen liegenden stets späteren Ursprungs sind, dennoch an und für sich durchaus nieht immer den Cha- rakter junger, neugebildeter Lamellen an sich tragen und sobald sie von Kalksalzen reichlich durchsetzt sind, die Fähigkeit, sich zu färben, entweder gar nicht, oder in nur geringem Grade bei- behalten. Freilich werden wir an den Stellen der periostalen Knochenfläche, wo Resorption stattfindet und wo die genannte 174 N. Matschinsky: Fläche wie angenagt aussieht, fast nie!) eine Färbung der äusseren Schichten antreffen, da hier die Aussenfläche nicht von Jungen, sondern von alten Schiehten bedeckt wird. Durch diese zeitweisen Unterbrechungen im dem Ablagerungsprocesse der periostalen Schiehten erklärt sich auch die von mir bereits er- wähnte Thatsache, dass die gefärbte äussere periostale Schicht nach innen bisweilen «durch eine scharf markirte Linie von der tiefer liegenden ungefärbten Schicht getrennt wird; letztere kann übrigens auch selbst mitunter eine wenngleich schwache Färbung zeigen. Das erstere findet sich in den Fällen, wo die Ablagerung des jungen Knochengewebes nach einer mehr oder weniger lange (dauernden Unterbrechung oder gar nach vorhergehender Resorp- tion erfolgt ist; letzteres dagegen bezieht sich auf die Fälle, wo eine Schieht sich sogleich nach der anderen bildete, wo also der Ablagerungsprocess ununterbrochen fortschreitet. Ich enthalte mich einer Betrachtung über die Ursachen, weshalb die Marklamellen und die Haversischen Systeme eine verschiedene Färbung zeigen, weil ich mich sonst wieder- holen müsste. Was die spongiöse Substanz betrifft, so begegnen wir auch hier, ähnlich wie in der compaeten, sowohl Appositions-, als auch Resorptionserscheimungen, welche von Zeit zu Zeit einen Stillstand erfahren. Infolge dessen werden die Markräume bald von gefärbten bald von ungefärbten Lamellen umsäumt; in einigen dieser Räume findet an der einen Seite ein Ablagerungs- an der andern dagegen ein Resorptionsprocess statt und solchen- falls sehen wir einerseits intensiv gefärbte Lamellen, andererseits aber Howship'sche Lacunen. Es fragt sich nun, wie sich die Sharpey’schen Fasern zur Färbung verhalten? Wenn wir an einem, in verdiektem Kanadabalsam eimgeschlossenen Präparate eine Stelle aufsuchen, wo diese Fasern im Längssehnitte sich präsentiren, so bieten sie sich uns in Gestalt von Röhrchen von verschiedenem Dureh- messer dar, welche bald einander parallel ziehen, bald unter den verschiedensten Winkeln sich kreuzen; eine Färbung dagegen 1) Ich sage „fast nie“, da ja auch die soeben erst abgelagerten periostalen Schichten der Resorption anheimfallen können, welchen- falls wir auch in einer gefärbten Schicht Ho w ship’sche Lacunen an- treffen können, was auf den ersten Blick sonderbar erscheinen könnte. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 175 werden wir hier nirgends wahrnehmen, weil die Gegenwart von Luft es nicht gestattet. Wählen wir dagegen zur Beobachtung eine Stelle, wo die Fasern quer durehschnitten sind, so sehen wir deutlich, dass die einen von diesen Fasern (namentlich die diekeren von ihnen) in ihrer ganzen Dieke gefärbt sind; andere dagegen er- scheinen nur zum Theil, noch andere endlich gar nicht gefärbt. Nach der Ansieht einiger Forscher (H. Müller, Ebner, Kölliker) ist die zwischen den einzelnen Fasern befindliche Kittsubstanz bald von Kalksalzen besetzt, bald aber ist sie frei von solchen; letzteren Falls sind die Sharpey'schen Fasern ganz weich. Ausserdem gibt Kölliker die Möglichkeit zu, dass auch die Fasern selbst Kalksalze enthalten. Meines Erachtens ist es der verschiedene Gehalt der Sharpey schen Fasern an Kalksalzen, welcher ihre ungleiche Färbbarkeit bedingt: die weicheren unter ihnen färben sich stärker, während die an Kalksalzen reicheren Fasern sich wenig oder gar nicht färben. Auf Grund dieser verschiedenen Färbbarkeit der Sharpey’schen Fasern lässt sich die Annahme aufstellen, dass die diekeren dieser Fasern die weicheren, die feineren dagegen härter sind und nicht umgekehrt, wie Kölliker glaubt. Indem ich hiermit die Beschreibung meiner Methode schliesse, halte ich es für nöthig, einige Worte über deren Bedeutung an- zuknüpfen. Diese Methode ist sowohl zum Studium der Wachs- thumsvorgänge menschlicher als auch thierischer Knochen in gleichem Maasse anwendbar. Aber während wir an Thieren verschiedene Experimente (Krappfütterung, Einschlagen von Stiften u. 8. w.) zu besagtem Zwecke anstellen können, sind die Knochen des Menschen bisher nur an Schnitt- oder unge- färbten Schliffpräparaten mikroskopisch untersucht worden, eine Methode, die aus früher bereits erörterten Gründen keine exacte Resultate zu liefern vermochte. Daher begnügte man sich bis jetzt mit dem Studium des Wachsthums embryonaler Knochen, deren Untersuchung weniger Schwierigkeiten bietet; in den Knochen erwachsener Individuen ist bis jetzt nur die Exi- stenz von Appositions- und Resorptionserscheinungen einfach eonstatirt worden). Ich bin freilich weit entfernt davon zu be- 1) Meines Wissens hat nur Kölliker die Anordnung der Re- sorptionsflächen an den Knochen des Neugeborenen ausführlich be- schrieben; was dagegen die Knochen älterer Individuen anlangt, so 176 N. Matschinsky: haupten, dass das Knochenwachsthum bei dem Menschen in dem nachembryonalen Leben im Allgemeinen anders vor sich gehe, als bei den übrigen Thieren, da ja die Ursachen, durch welche eine Ablagerung neugebildeter Knochensubstanz im den einen, eine Resorption in den anderen Theilen des Knochens bedingt wird, im Allgemeinen überall die nämlichen bleiben. Aber es unterliegt dennoch keinem Zweifel, dass wir beim Menschen manche ihm eigenthümliche Abweichungen antreffen müssen, da hier sowohl die Weichtheile in der Umgebung der Knochen etwas anders angeordnet sind, ebenso wie auch die Funetionen einiger Organe und schliesslich auch die Structur der Knochensubstanz selbst manche Abweichungen aufweisen. Was nun diese Eigen- thümlichkeiten in dem Knochenwachsthum beim Menschen anlangt, so wird zum Studium derselben die von mir vorgeschlagene Methode besonders geeignet sein, da sie eine Untersuchung todten Knochengewebes ermöglicht. Mit Hülfe derselben lässt sich, dank den F ärbungsdifferenzen in den verschiedenen Theilen des Knochens, sehr gut ein Urtheil darüber bilden, welcherlei Vor- Bänge in einem gegebenen Knochen stattfanden und zwar nicht nur in dem Momente des Todes, sondern auch schon in einer früheren Zeit. Ebenso geeignet erscheint diese Methode zum Studium des pathologischen Knochenwachsthums. Nehmen wir z. B. die Frage über die Ursache einer Verdiekung der Schädelknochen: an einem gefärbten Schliffe ist es sehr leicht zu entscheiden, ob in einem gegebenen Falle eine Apposition auf der äusseren oder auf der inneren Knochenfläche oder endlich auf beiden zugleich statt- fand. Aber nicht allein die Wachsthumsprocesse der Knochen sind es, welche mittelst der angegebenen Methode erlernt werden können; weiter unten (s. den Abschnitt über den Bau des Knochengewebes) werde ich einige Thatsachen anführen, welche ein ungleiches Verhalten der verschiedenen Bestandtheile des Knochengewebes zu den Farbstoffen beurkunden. Leider fehlte mir die nöthige Zeit, um mich mit diesen Fragen eingehender beschäftigen zu können, indess zweifle ich nicht daran, dass eine weitere Erforschung der Ursachen, durch welche diese Färbungs- ditferenzen bedingt werden, gleichzeitig zu einer Klärung mancher sind dieselben in besagter Richtung überhaupt noch nicht näher unter- sucht worden. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 177 bis jetzt noch nicht gelöster Fragen in der Histologie des Knochen- gewebes mit beitragen kann. Zum Sehlusse noch etwas über die schwachen Seiten meiner Methode. Erstens findet dieselbe keine Anwendung bei Untersuchung embryonaler Knochen (besonders der frühesten Entwieklungsstadien), weil es sehr schwer, ‘obzwar nicht unmöglich ist, Schliffe aus solehen Knochen zu fertigen. Zweitens können auch die Röhrenknochen erwachsener Individuen nieht in ihrer ganzen Länge mittelst dieser Methode untersucht werden, da nur die Diaphysen gute Schliffe geben, wogegen die, namentlich bei jugendlichen Individuen aus zarter spongiöser Substanz be- stehenden Epiphysen zu besagtem Zwecke ungeeignet sind. Aus demselben Grunde fällt es auch sehr schwer, aus den Gesichts-, den Carpal- und Tarsalknochen Schliffe herzustellen. Der grösste Mangel meiner Methode endlich besteht in den Schwierigkeiten, die sie in technischer Hinsicht bietet und es lässt sich nieht leugnen, dass wohl einige Vorübung nöthig ist, um diese Schwierig- keiten zu bewältigen. Dagegen kann ich wohl bemerken, dass es in der Histologie ebenso wie in den anderen Zweigen der Naturkunde eine Menge von Methoden giebt, die die Geduld des Arbeitenden in hohem Grade auf die Probe stellen und dass die Schwierigkeit einer Methode, sobald letztere überhaupt ge- nügende Resultate liefert, keinesfalls als ein Hinderniss für ihre Anwendbarkeit betrachtet werden darf. Allgemeine Resultate betreffend das Wachsthum der Röhrenknochen bei dem Menschen. Da ich bei meinen Untersuchungen nur über ein ziemlich beschränktes Material verfügte und deshalb ausser Stande war, sämmtliche im den wachsenden Knochen stattfindenden Erschei- nungen in ihrer steten Aufeinanderfolge zu beobachten, so werde ich mich hier auf eine allgememe Beschreibung derjenigen Er- scheinungen beschränken, welche für sämmtliche im Wachs- thum begriffene Röhrenknochen des Menschen Geltung haben. Die aus meiner Arbeit hervorgehenden Resultate hinsichtlich der berührten Frage stimmen in vielfacher Beziehung mit denen überein, welche hierüber bereits von der Mehrzahl der anderen Beobachter (Hunter, Flourens, Kölliker u. A.) erhalten worden sind. Meine Schlussfolgerungen lassen sich in folgender 178 N. Matschinsky: Weise zusammenfassen: 1) Das Diekenwachsthum der Knochen findet nur infolge von Apposition seitens der Beinhaut statt. 2) Das Längenwachsthum erfolgt infolge von Apposition seitens des intermediären Knorpels. 5) Die typische Gestaltung des Knochens wird durch die an der äusseren Knochenfläche statt- habende Wechselwirkung von Appositions- und Resorptionspro- cessen herbeigeführt. 4) Der Knochenmarkkanal bildet sich in- folge von Resorption. 5) Das Periost sowie das Knochenmark erscheinen wechselweise, bald als Appositions-, bald als Resorp- tionsorgane. Bleiben wir zunächst bei den Erscheinungen stehen, wie sie namentlich an der äusseren Knochenfläche zur Beobach- tung kommen. (Gewöhnlich wird angenommen, dass Apposition und Resorp- tion an der Aussenfläche der Röhrenknochen periodisch erfolgen, d.h. dass zuerst in dem gesammten Umkreise des Knochens von Seiten des Periosts sich eine mehr oder weniger dieke Schicht Junger Knochensubstanz ablagert, darauf aber der Appositions- process abbricht, worauf an bestimmten Stellen Resorptionsflächen entstehen, welche letzteren für jeden einzelnen Knochen ihr ty- pisches Aussehen besitzen. So lässt sich wenigstens aus den von Flourens, Brulle und Hugueny u. A. gelieferten Beschrei- bungen der Krappknochen schliessen. Nur bei Kölliker (54) (vergl. dessen Beschreibung der Schädelknochen eines mit Krapp gefütterten Hundes) findet sich ein Hinweis darauf, dass es ausser den typischen Resorptionsflächen noch bestimmte Stellen gibt, an welchen die Apposition langsamer als an anderen Stellen vorschreitet. Er nimmt an, dass dieser Umstand vielleicht auch einen Eimfluss auf die typische Gestaltung der Knochen haben könne. („Lernen wir dureh die eben angedeuteten Vorgänge am Schädel eine neue Erscheinung kennen, die neben der Apposition und Resorption die typische Gestaltung der Knochen herbeiführen hilft, auf der anderen aber auch die Verhältnisse verwickelter macht, als sie bisher erschienen und die endgültige Lösung der Frage weiter hinausschiebt.*. . p. 31.) Ausserdem fand er an den Röhrenknochen eines mit Krapp gefütterten Ferkels, dass die Ablagerungen seitens des Periosts an den verschiedenen Ab- schnitten des Knochens bei weitem nicht die nämliche Dieke haben: an eimigen Stellen sind sie dünn, an anderen dagegen von beträchtlicher Stärke. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 179 Auf Grund meiner, an menschlichen Knochen gewonnenen Befunde komme ich zu dem Sehlusse, dass in jedem beliebigen Höhenniveau eines Knochens die Apposition sehr selten den ganzen Umkreis desselben einnimmt, sondern sich grösstentheils nur auf einen gewissen Theil der Peripherie des Knochens be- schränkt; dieser Theil kann, je nach dem einzelnen Knochen und je nach dem Alter desselben grösser oder kleiner sein. Sehr häufig finden sich an der Knochenperipherie mehrere kleine Appositionsflächen, die entweder durch indifferente Stellen!) oder durch Resorptionsflächen von einander getrennt werden. Hierbei gehen die Appositions- und Resorptionsflächen direct in emander über oder sie werden durch indifferente Flächen von einander geschieden. Die Ablagerung der Knochenlamellen aus der Bein- haut geht, wenn sie einmal .begonnen hat, entweder während eines gewissen Zeitraumes ununterbrochen fort und solchenfalls lässt sich zwischen den einzelnen Lamellen nicht die geringste Spur einer Kittsubstanz bemerken; oder es treten Stillstände m dem Appositionsprocesse ein und dann wird die nach der Unter- brechung gebildete Lamellenschieht von der früher gebildeten durch einen deutlich hervortretenden breiten, glänzenden und ho- mogenen Streifen getrennt, der entweder geradlinig oder wellig gebogen verläuft; diese homogene Linie besteht höchst wahr- scheinlich aus Kittsubstanz, die sich in dem Ruhestadium zwischen zwei Appositionsperioden gebildet hat; wie bereits erwähnt, ist sie an gefärbten Schliffen aus den Knochen jugendlicher Indivi- duen stets ziemlich deutlich tingirt. Grösstentheils verhält sich die Sache so, dass die Apposition an einer und derselben Stelle nicht lange fortdauert und die bisherige Appositionsfläche sich für eine Zeit lang in eine Resorptionsfläche umwandelt. Setzt sich der Auflösungsprocess länger fort, so können nicht nur sämmtliche vorher ggbildeten periostalen, sondern auch die tiefer liegenden Lamellen der Haversi schen Systeme der Re- sorption amheimfallen. Wenn nach dem Aufhören des Resorp- 1) „Indifferente Fläche“ nenne ich, nach dem Vorgange von Kölliker, eine solche Fläche am Knochen, an welcher im gegebenen Momente weder Apposition, noch Resorption stattfindet: An gefärbten Schliffen erscheinen derartige Flächen entweder gar nicht, oder nur schwach gefärbt. 180 N. Matschinsky: tionsprocesses auf's Neue eine Ablagerung junger Knochenla- mellen auf die Resorptionsfläche eintritt, so wird die neue Appo- sitionsfläche von der ehemaligen Resorptionsfläche durch eine stark gewundene Kittlinie getrennt; letztere ist entweder sehr breit oder sie kann auch sehr schmal sein. Es schemt dies dar- auf hinzuweisen, dass die Zeitintervalle zwischen dem Anfang der Apposition und dem Aufhören der Resorption bald sehr kurz, bald aber von längerer Dauer zu sein pflegen. Es gibt an der Oberfläche der Knochen solche Stellen (wie z. B. die Rückenfläche in der Mitte des unteren Humerusdrittels), wo fast während der ganzen Wachsthumsperiode nur Appositionsvorgänge statthaben, während die Resorption, sofern eine solche überhaupt zur Geltung kommt, nur kurze Zeit andauert. Solchenfalls sehen wir an dem Präparate, dass die äussere Schicht des Knochens aus einer grossen Zahl periostaler Lamellen besteht, die bald durch gerade, bald durch gewundene Linien (Resorptionslinien) in schmälere Zonen getheilt werden. — Was die Frage über die Structureigen- thümlichkeiten der in den verschiedenen Wachsthumsperioden sich ablagernden periostalen Knochensubstanz anlangt, so muss ich darüber Folgendes bemerken: Beim Neugeborenen und beim viermonatlichen Kinde präsentiren sich die Periostablagerungen als dieke Schiehten, welche durch zahlreiche Haversische Ka- näle durchbohrt werden; letztere verlaufen grösstentheils in axia- ler und in radialer Richtung und stehen unter einander durch zahlreiche Anastomosen in Verbindung. Die Grundsubstanz der Haversi'schen Systeme zeigt kemen deutlich ausgesprochenen lamellösen Bau, sondern besteht hauptsächlich aus einem Geflechte Sharpey’'scher Fasern; eben solche Fasern von aller möglicher Stärke und von verschiedenstem Verlaufe finden sich m enormer Menge ebenfalls in den Zwischenräumen zwischen den Haversi’- schen Systemen. Diese Fasern enthalten höchst wahrscheinlich eine nur geringe Menge von Kalksalzen, da sie an Schliffen dureh Anilinfarben leicht gefärbt werden. Ausser den Sharpey’schen Fasern trifft man in dieser. Zwischensubstanz (Wurzelstock von Gegenbaur) eine grosse Menge von Zellen (?) von unregelmässiger Form, welehe häufig unter einander zu recht breiten Hohlräumen verschmelzen. Ich enthalte mich einer weiteren Beschreibung (dieser besonderen Art des Knochengewebes, da dieselbe bereits von früheren Forschern, wie z. B. von Gegenbaur (Jenaische a a u ae Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 181 Zeitschr. Bd. ID), Ebner (27) und Kölliker (55) eingehend beschrieben worden ist. Nach den Untersuchungen des letztge- nannten Forschers können derartige .periostale Ablagerungen in menschlichen Röhrenknochen nur während des ersten Lebens- Jahres angetroffen werden, da sich während des späteren Wachs- thums aus dem Periost bereits gewöhnliches lamellöses und in srösserer oder geringerer Menge Sharpey'sche Fasern ent- haltendes Knochengewebe ablagert. Indess ist dies nur zum Theil richtig. So fand ich m der That bei einem 2!/, jährigen Kinde, dass die Periost-Ablagerungen einen lamellösen Bau be- sassen; dasselbe fand ich auch in der Mehrzahl der Knochen, welche verschiedenen Lebensaltern angehörten. Allein bei Unter- suchung der Knochen eines 18 jährigen Mannes ergab es sich, dass die periostalen Ablagerungen in sämmtlichen Röhrenknochen hier ganz denselben Charakter tragen, wie in den Knochen eines neugeborenen Kindes. Dasselbe zeigt der Humerus und der zweite Metacarpalknochen eines 7 jährigen Kindes. In welcher Weise geht das Knochenwachsthum an den von Knorpel überdeckten Stellen sowie an den Stellen vor sich, wo Sehnen sich direet, ohne Vermittelung der Beinhaut an den Knochen befesti- gen? Hierüber konnte ich bei anderen Autoren leider keine Angaben finden. Was aber die wenigen von mir untersuchten Präparate betrifft, so fand ich Folgendes: In den Sehnenfasern findet, bevor sie sich in ächtes Knochengewebe umgewandelt haben, eine ein- fache Ablagerung von Kalksalzen statt, wobei die Sehnenzellen sich nicht direet in Knochenzellen umwandeln, wenigstens die für die letzteren ceharacteristische, sternförmige Gestalt nicht an- nehmen. Darauf bilden sich innerhalb dieser verkalkten Sehnen- insertionen infolge von Resorption Haversische Räume, an deren Wandungen hierauf erst Lamellen ächter Knochensubstanz sich anlagern. Dasselbe geschieht auch bei der Knochenablage- rung seitens des Knorpels: die Knorpelgrundsubstanz verkalkt und sodann kommt es zunächst zur Bildung von Haversi'schen Räumen und schliesslich auch von ächten lamellösen Ha- versischen Systemen. Betreffs der Frage, wie die Resorption an der äusseren Knochenfläche vor sich geht, lässt sich in Kürze nur Folgendes aussagen: 1) es gibt an der äusseren Oberfläche der Knochen gewisse Stellen, an welchen während des Wachsthums vorzugs- 182 N. Matschinsky: weise Resorption stattfindet, welche letztere nur während kurzer Zeiträume durch Apposition vertreten wird; 2) es ist an der äusseren Knochenfläche keine Stelle vorhanden, an welcher kein einziges Mal Resorption stattfände, wenngleich letztere auch von kurzer Dauer sein kann; 3) es können sowohl indifferente als auch Appositionsflächen der Resorption anheimfallen. Wie sind nun an der äusseren Knochenfläche die typischen Appositions- und Resorptionsflächen angeordnet? Diese Flächen sind an gewissen Stellen der Knochen ziemlich leicht, an anderen Stellen aber schwer nachzuweisen. Nehmen wir z. B. den Ober- armknochen, den ich Gelegenheit hatte emgehender zu unter- suchen. In seinem oberen Drittel geht fast während der ge- sammten Wachsthumsperiode des Knochens an der vorderen und medialen Fläche Resorption vor sich, während an der lateralen und an der hinteren Seite grösstentheils zwar auch Resorption, mitunter jedoch auch Apposition stattfindet. Die Ursache der unterhalb der Köpfchen der Knochen statthabenden KResorp- tion war bereits Hunter bekannt, und ist späterhin auch von 3rulle und Hugueny, Flourens u. A. besprochen worden. Auf experimentellem Wege gelangten sie zu dem Schlusse, dass init weiter schreitendem Längenwachsthum der Knochen die Köpfchen derselben immer weiter von der Mitte der Diaphyse abrücken und folglich die unter dem Verknöcherungsrande liegen- (den Theile sich sämmtlich verjüngen müssen, d. h. also, dass die oberflächlichen Schichten hier einer Resorption unterliegen. In- dess ist es ersichtlich, dass nicht alle in dem oberen Humerus- ende gelegenen Theile in gleichem Maasse resorbirt werden: das unter dem Köpfchen liegende obere Ende des Knochens verdickt sich vornehmlich an der medialen und hinteren Seite und daher müssen bei weiterem Vorrücken des Köpfchens nach aufwärts namentlich diese Seiten der Knochenperipherie stärker resorbirt werden. Was dagegen die vordere Fläche anlangt, so liegt hier noch eine andere, zu energischerer Resorption führende Ursache vor, d.i. die Bildung des Suleus intertubereularis. Da sich mit zu- nehmendem Wachsthum des Knochens diese Furche mehr und mehr vertieft, so finden wir demgemäss, dass hier eine fast un- unterbrochene Resorption vor sich geht; letztere wird zeitweise stärker, erfährt aber dann und wann auch einen Stillstand. — Die Resorptionserscheinungen setzen sich an der Aussenfläche Ueber d. normale Waechsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 183 des oberen Humerusdrittels überhaupt so lange fort, als der Kno- chen in die Länge wächst, d.h. etwa bis zum zwanzigsten Lebensjahre. Bei erwachsenen Subjeeten treffen wir zwar auch hier und da an der Peripherie Resorptionserscheinungen an, aber letztere sind nunmehr auf enge Räume begrenzt und schemen bloss zur Entfernung abgelebter periostaler Lamellen zu dienen. Wie gestalten sich die Appositions- und Resorptionserschei- nungen in der Mitte der Humerusdiaphyse, und welche Bedeu- tung haben sie für die Gestaltung des Knochens? Es erweist sich, dass hier während der ganzen Wachsthumsperiode mit einer Apposition gleichzeitig auch eine Resorption einhergeht, aber da erstere das Uebergewicht behält, nimmt der Knochen an Dicke zu. In der Mitte der Diaphyse gibt es keinen Punkt, wo wäh- rend der ganzen Wachsthumsperiode nur Apposition stattfände, aber es lassen sich jedenfalls mehrere solche Punkte nachweisen, wo die Apposition energischer als an anderen vorgeht. Es ge- hören hierher erstens die laterale (abgerundete) Oberfläche und zweitens die vordere, die laterale und die mediale Kante der Diaphyse. Es scheint, dass die dreieckige Form des Knochens in der Mitte der Diaphyse namentlich durch das stärkere Wachs- thum an den angegebenen Stellen bedingt wird. Was die Mitte des unteren Diaphysendrittels des Humerus anlangt, so gestalten sich hier die Appositions- und Resorptions- erscheinungen etwas anders als in den beiden oberen Dritteln des Knochens. Gemäss den Untersuchungen von Ollier, Broca und Humphry erfolgt das Längenwachsthum des Humerus vor- nehmlich auf Kosten seines oberen Endes; hieraus lässt sich schon a priori schliessen, dass die Resorptionserscheinungen hier- selbst weniger ausgesprochen sein müssen, als in dem oberen Drittel. Aber da auch das untere Humerusende an dem Längen- wachsthum Theil nimmt, so muss sich der Umfang des Knochens mit fortschreitendem Wachsthum auch in dem unteren Drittel verjüngen. Wo sind nun hier, so fragt es sich, die Resorptions- flächen zu erwarten? Ein Vergleich des sagittalen und frontalen Durchmessers des unteren Drittels mit dem des mittleren er- giebt, dass der Sagittaldurehmesser von unten nach aufwärts sich vergrössert, der frontale dagegen in derselben Richtung sich verkleinert. Hieraus ist zu ersehen, dass an der lateralen und medialen Kante oder an eimer derselben Resorption stattfinden Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 13 184 N. Matschinsky: muss, während dagegen an der vorderen Kante und an der Hinterfläche Apposition vorwalten wird. So ist es denn auch in der That. An der vorderen Kante wird eine Resorption voll- ständig vermisst und setzt sich hier während der ganzen Wachs- thumsperiode des Knochens, unter kurz dauernden Unterbrechungen, Apposition fort. An der hinteren Knochenfläche finden wir gleichfalls zum grössten Theil Apposition, welche nur sehr selten durch Resorption vertreten wird. Fast dieselben Erscheinungen, wie die an der Hinterfläche beschriebenen, treffen wir auch an der medialen und lateralen Fläche an, mit dem Unterschiede aber, dass die Resorption hier energischer vor sich geht.. An der lateralen Kante (Ansatzstelle des Supinator longus) finden wir constant Apposition, an der medialen Kante dagegen wech- seln Apposition und Resorption mit eimander ab. Mithin ist eine gewisse Abnahme des frontalen Durchmessers im unteren Drittel auf Kosten der Resorption an der medialen Kante zu setzen; da aber andererseits in diesem Niveau das Wachsthum an den Kanten energischer fortschreitet als an den Flächen, so erklärt sich wohl hieraus die Thatsache, dass der Knochen die ganze Wachsthumsperiode hindurch seine typische Gestalt beibehält. Ich gehe jetzt zur Beschreibung der Erscheinungen über, wie sie an der Innenfläche des Knochens, d.h. an den Wänden des Knochenmarkkanales und der Markräume angetroffen werden. Im Allgemeimen sind diese Erscheinungen auf eine Resorption des Knochengewebes zurückzuführen, welehe zur Bildung des Markkanales erforderlich ist. Allen auch hier wird der Process, ähnlich wie an der periostalen Knochenfläche, erstens dadurch complieirt, dass die Resorption nicht nach allen Riehtungen hin mit gleich grosser Geschwindigkeit vorschreitet und zweitens noch dadurch, dass zeitweise auch hier an gewissen Stellen Apposition eintritt. So war es an dem von mir untersuchten Humerus eines neugeborenen Kindes ersichtlich, dass m der Mitte der Diaphyse eine stärkere Resorption des endochondralen Knochens an der- Jenigen Seite stattfand, an welcher die Ablagerung der periostalen Schichten eine intensivere war (d. h. an der medialen Seite des Knochens), während in dem oberen und unteren Drittel des Knochens, entsprechend den Stellen, an welchen von Seiten des Periosts Resorption stattfindet, die Markräume infolge von Appo- sition junger Knochenlamellen an ihre Wandungen eingeengt A a Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenhnochen d. Menschen ete. 185 werden. Bei dem weiteren Waehsthum des Humerus (ähnlich wie auch anderer Knochen) sind die seitens des Markkanals zu Tage tretenden Erscheinungen wesentlich analog denen, welche beim Neugeborenen beschrieben wurden. Es fallen nämlich die dem Centrum des Knochens näher liegenden Markräume in der Spongiosa der Auflösung anheim, um dem sich hierselbst bildenden centralen Markkanale Raum zu geben, während die der Compaeta an- liegenden Markräume bald (infolge Resorption) sich erweitern, bald aber enger werden, je nachdem auf der äusseren Knochenfläche Apposition oder Resorption vor sich geht, d. h. wenn an irgend einem Theile der Aussenfläche Apposition statt hat, so erfolgt an der entsprechenden Seite der Innenfläche Resorption, und umgekehrt. Infolge des unaufhörlichen Wechsels von Ablagerungs- und Auf- lösungsprocessen, welche in der Spongiosa und überhaupt an der Innenfläche des Knochens sich entwickeln, schwindet bald der endochondrale Knochen völlig, um den seitens des Knochenmarkes sich ablagernden Lamellen Platz zu machen. Mit welcher Energie die Appositions- und Resorptionsprocesse in der spongiösen Knochen- substanz vor sich gehen, davon kann sich Jeder leicht bei Untersuchung eines Schliffes aus der genannten Substanz eines erwachsenen Menschen überzeugen: einige Lamellen erscheinen gleichsam aus mehreren kleinen Stückchen zusammengeklebt und hierbei sind letztere oft derart aneinander gelagert, dass die Lamellen je zweier von ihnen senkrecht zu einander stehen. Theils durch Verengung und Obliteration der an die Subst. eompaeta angrenzenden Markräume, theils aber durch Resorption der Knochenbälkehen tritt in einem gewissen Lebensalter und in gewissen Abschnitten des Knochens völliger Schwund!) der Spongiosa ein; die Wände des Centralkanales werden dort, wo Apposition stattfand, ganz glatt, dort aber, wo Resorption im Spiele war, zeigen sie eine rauhe unebene Oberfläche. Dass an der Innenfläche der inneren Grundlamellen nicht durchweg Re- sorption, sondern zeitweise auch Apposition erfolgt, ist zuerst 1) Im oberen und mittleren Drittel des Humerus von Individuen von 10, 13 und 16 Jahren fand ich gar keine spongiöse Substanz, während selbige bei Individuen von 18, 25 und 60 Jahren stark ent- wickelt, der Centralkanal dagegen sehr eng war. Woher die spongiöse Substanz bei einigen Individuen rasch, bei anderen fast gar nicht re- sorbirt wird, kann ich bis jetzt nicht erklären. ei ee ee 156 N. Matschinsky: vonBrull& und Hugueny constatirt und darauf von Flourens und von Kölliker bestätigt worden. Wozu dient aber hier die Apposition? Meines Erachtens hat sie hier dieselbe Bedeutung, wie die an der Aussenfläche des Knochens stattfindende Resorp- tion, d.h. sie beeinflusst die typische Gestaltuns des Knochenmarkkanales. Uebrigens hat der genannte Vorgang noch eine weitere Aufgabe. Wie bereits erwähnt, geht an der Aussenseite des Knochens die Resorption an gewissen Stellen so energisch von Statten und dauert hierbei so lange fort, dass nicht nur die vorher abgelagerten periostalen Lamellen, sondern auch die Lamellen vieler Haversi'scher Systeme infolge dessen zerstört werden. Die Knochenwand wird an den be- treffenden Stellen bedeutend dünner und zur Deckung dieses an der Aussenfläche erfolgenden Verlustes tritt eine Neubildung von Lamellen an der Innenfläche des Knochens ein. Daraus erklärt sich denn auch der Umstand, dass, ungeachtet einer noch so starken Resorption an der Aussenfläche die Dicke der Knochen- wand hier dennoch keine Abnahme zeigt. Einen guten Beleg dafür liefert der von mir untersuchte Humerus eines 16 jährigen Indivi- duums. Der Suleus intertubereularis ist in dem oberen Drittel des Knochens sehr tief; die Resorption hatte an dieser Stelle so energisch stattgefunden, dass selbst die zwischen den periostalen Lamellen und dem Centralkanale gelegenen Haversi’schen Systeme fast sämmtlich resorbirt waren; zur Ausfüllung dieses Verlustes an Knochensubstanz hatte sich seitens des Knochen- markes eine so dicke* Schicht von Knochenlamellen abgelagert, dass diese Knochenwand an Stelle des Suleus nicht dünner er- schien als anderwärts. Eine durchaus entgegengesetzte Erscheinung, d. h. verstärkte Resorption an der inneren (der Knochenmarkhöhle zugewandten) Seite sehen wir in den Fällen, wo an der periostalen Fläche die Apposition energischer vorgeht: die Ablagerung von Knochen- substanz an irgend einer Stelle der Aussenfläche (z. B. an den Kanten und Höckern) wird von eimer, an den entsprechenden Stellen der Innenfläche stattfindenden Resorption begleitet, so dass sich auch hier die Dieke der Knochenwand nur wenig ver- ändert. Dieser Antagonismus zwischen den an der Aussen- und an der Innenfläche der Knochen statthabenden Appositions- und Resorptionserscheinungen war gleichfalls Brull& und Hugueny, Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 187 sowie auch Kölliker nieht entgangen, indess hatten die gen. Autoren keine Erklärung dafür gegeben. Ich muss indess hinzu- fügen, dass sich ein soleher Antagonismus nicht immer geltend macht: ausnahmsweise findet man sowohl auf der äusseren als auch auf der inneren Knochenfläche Resorption oder Apposition zu gleicher Zeit. Indess scheint mir ein derartiges Zusammen- treffen nur von kurzdauerndem Bestande zu sein. Schliesslich noch ein paar Worte über die Processe, welche nach Abschluss des Wachthums an der Innenfläche der Knochen zur Beobachtung kommen. Soviel ich darüber aus memen Befunden erschliessen kann, tritt zwar im mittleren Lebensalter kein völliger Stillstand der Resorptions- und Appositionsprocesse ein, aber sie schreiten nunmehr so langsam fort, dass sie auf das Lumen des Mark- kanales keinen merklichen Einfluss haben können. Bei Leuten reiferen Alters walten hier Appositionsprocesse vor, allein ob durch letztere eine Verengung des Uentralkanales bedingt wird, das kann ich aus Ermangelung an vergleichenden Messungen nicht sagen. Ich gehe jetzt zu den Appositions- und Resorptionserschei- nungen über, welche innerhalb der Knochenrinde zu eonstatiren sind. Diese Erscheinungen sind von den früheren Forschern wenig beachtet worden und ist bisher darüber Folgendes be- kannt: 1) Innerhalb der Knochenrinde finden Resorption und Apposition im Allgemeinen in der nämlichen Weise statt, wie auch an den Oberflächen der Knochen. 2) Diese Processe dauern hier das ganze Leben hindurch fort. 3) Dureh sie wird die Um- bauung des Knochengewebes bewirkt. 4) Endlich wird auf dem- selben Wege die Erneuerung des Knochengewebes herbeigeführt, d. h. so, dass die alten abgelebten Knochentheile zerstört und resorbirt werden, wogegen an deren Stelle neugebildetes Knochen- gewebe tritt. Indess erweist es sich, dass auch hier in den Appositions- und Resorptionserscheinungen eine gewisse Gesetz- mässigkeit obwaltet. Und zwar sehen wir Folgendes: Wie be- reits bemerkt, wird der endochondrale Knochen der Röhren- knochendiaphysen bei weiterem Wachsthum derselben infolge der Bildung von Markräumen allmählich resorbirt und trägt anfangs zur Bildung der Spongiosa bei, um schliesslich ganz zu schwinden und dureh Knochenlamellen ersetzt zu werden, welehe letzteren aus dem Knochenmarke sich ablagern. Zur selben Zeit lagern 1885 N>Matschinsky: sich seitens des Periosts immer neue und neue Schichten ab, so dass die periostale Knochenschicht bereits bei einem viermonat- liehen Kinde in dem Os humeri, dem zweiten Metacarpal- und zweiten Metatarsalknochen eme beträchtliche Stärke erreicht und stellenweise dem Markkanale dieht anliegt. Indess hat dieser periostale Knochen keinen lange dauernden Bestand. Schon bei einem vierjährigen Kinde beginnen die Wände der Haversi- schen Canäle sich aufzulösen und so bilden sich die Haversian spaces. Zunächst werden die inneren, älteren, dann aber auch die Jüngeren Knochenschichten resorbirt und es bleiben nur die alleräussersten Schichten davon verschont. An den Wänden der Haversian spaces lagert sich in Gestalt von Lamellen neue Knochensubstanz ab und derart bilden sich die ächten la- mellösen Haversi’schen Systeme, die sich von den gleichen Systemen späterer Bildung nur wenig unterscheiden. Aber es gehen nicht alle Haversian spaces m Haversi’sche Systeme über, sondern nur diejenigen, welche der Aussenfläche näher liegen, während die dem Markkanale anliegenden sich immer mehr erweitern und in Markräume übergehen; obgleich sich an den Wänden dieser Markräume stellenweise auch junge Knochen- lamellen ablagern können, so bilden sieh diese letzteren nur dort ‚zu Haversi schen Systemen (mit sehr breitem Durchmesser) um, wo an der entsprechenden Seite der Aussenfläche Resorp- tionsprocesse stattfinden. Die Auflösung des primären periostalen Knochens (welcher einen eigenartigen Bau besitzt) und dessen Ersatz durch die lamellösen Haversi schen Systeme schreitet in den ersten Lebensjahren so rasch vorwärts, dass ich bei einem 2!/, jährigen Kinde auch keme Spur des erstgenannten Knochengewebes mehr auffinden konnte; fast die ganze Rinden- dicke bestand längs der gesammten Diaphyse aus gewöhnlichen Haversischen Systemen und nur die äusseren Schichten be- standen aus neugebildeten lamellösen periostalen Ablagerungen. Von dem genannten Lebensalter an (und möglicher Weise noch etwas früher) tritt eine bedeutende Verlangsamung im den innerhalb der Rinde stattfindenden Resorptions- und Appositionsvorgängen ein, doch lässt sich von da an eine gewisse Regelmässigkeit in diesen Vorgängen bemerken. Es liegen nämlich die jungen Haversischen Systeme nieht über alle Schiehten des Knochens verstreut, sondern sie sind reihenweise in den mittleren und im- Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 189 neren Schichten angeordnet, oder sie sammeln sich vorzugsweise’ an einer gewissen Stelle der Peripherie an. Um die Ursachen dieser Regelmässigkeit zu beleuchten, will ich vorläufig die innerhalb der Knochenrinde statthabenden Erscheinungen etwas schematisch veranschaulichen. Nehmen wir an, die periostalen Lamellen bilden dureh successive Ablagerung an einander eine gleichmässig breite und die ganze Knochenperipherie umringende Zone, während sich gleichzeitig im Centrum des Knochens in- folge von Resorption der centrale Markkanal gebildet hat. Solchen- falls sind die den Centralkanal umgebenden inneren Lamellen die älteren, die nach aussen liegenden dagegen die jüngeren Knochen- schiehten. Nehmen wir jetzt an, dass die Umbauung des perio- stalen Knochens und der Ersatz des letzteren durch lamellöse Haversische Systeme beginnt. Die Umarbeitung betrifft natür- lich zunächst die allerältesten, d.h. die inneren Schichten des Knochens; hier werden sich anfangs die Haversian spaces und an deren Stelle später die jungen Haversi’schen Systeme bilden, so dass der Uentralkanal nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes von einem aus Jungen Haversi'schen Systemen be- stehenden Ringe umgeben sein wird. Ist die Umbauung in den inneren Schichten zum Abschluss gekommen, so greift sie auch die mittleren Schiehten an und so bildet sich ein neuer Ring aus jungen Haversischen Systemen, welcher breiter ist als der erstgebildete. Allein so lange die Umbauung in den mittleren Schichten vorgeht, hat sich Seitens des Periost schon eine neue Schicht abgelagert, wohingegen seitens des Markraumes die kurz vorher gebildeten Haversischen Systeme der Auflösung anheimfallen. Folglich wird die ehemalige mittlere Schicht zur inneren, während an Statt der ersteren die bisherige äussere Zone tritt. Zufolge dem soeben entworfenen Schema müssten wir an einem jeden in Wachsthum begriffenen Knochen in jedem beliebigen Zeitmomente folgendes Bild sehen: die äusserste Schicht müsste aus periostalen Lamellen, die mittlere — aus jungen Haversischen Systemen, und die innerste endlich aus gleich- namigen Systemen älteren Ursprunges bestehen, wobei an diesen letzteren eine von dem Markraume ausgehende Resorption zu con- statiren wäre. Jedoch bringt es die Vielgestaltigkeit der Er- scheinungen an der äusseren und inneren Knochenoberfläche mit sich, dass die innerhalb der Rinde stattfindenden Ayppositions- 190 N. Matschinsky: und Resorptionserscheinungen keineswegs einen so typischen Ver- lauf zeigen. Es kommt dies daher, weil die an der Aussenfläche stattfindende Apposition sich bei Weitem nicht constant und nieht über den ganzen Knochenumkreis hin geltend macht eben- sowenig, wie die Resorption an der Innenfläche des Knochens. Daraus erklären sich folgende Abweichungen von dem oben auf- gestellten Schema: 1) wenn die Ablagerung der periostalen La- mellen an einer Stelle des Knochens inne hält, so altern nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes die entsprechenden äusseren Lamellen, und es bilden sich auch in diesen letzteren Haversi- sche Hohlräume und darauf auch junge Haversi'sche Systeme (welehe letzteren mithin an der Aussenfläche zu liegen kommen). 2) Wenn an irgend einer Stelle der Aussenfläche der Resorptions- process lange fortdauerte, so können die ehemals in der mitt- leren Schicht gelegenen Haversischen Systeme gleichfalls an der Oberfläche zu liegen kommen. 3) Findet an einem Punkte der Innenfläche anstatt Resorption Apposition statt, so entstehen nach einiger Zeit inmitten der inneren Grundlamellen Haversi'- sche Räume, welche sich später zu Haversi schen Systemen umwandeln; letztere werden in solehen Fällen dem Markkanale dieht anliegen. — Es gibt aber auch solche Stellen an der Knochenfläche, wie z. B. die vordere Kante und die hintere Fläche in der Mitte des unteren Drittels des Humerus, woselbst (die periostalen Lamellen durch suecessive Ablagerung auf eim- ander zu sehr starken Schichten anwachsen, innerhalb derer die Entwickelung der Haversi'schen Systeme entweder ganz aus- bleibt oder erst sehr spät eintritt. Etwas ganz anderes erblicken wir an den Muskelansätzen (äussere Kante des unteren Humerus- drittels, Tuberositas radii ete.); kaum hat sich hier eine dünne Schicht periostaler Lamellen abgelagert, so bilden sich innerhalb dieser letzteren bereits Haversian spaces, welche rasch in Ha- versi’sche Systeme sich umwandeln. Diese letzteren fallen ihrerseits, gleichzeitig mit der Ablagerung neuer Lamellen aus dem Periost, der Resorption anheim und verwandeln sich in die Markräume der Spongiosa!). Fast umgekekrt verhält sich die 1) Etwas anders verhalten sich die Tuberositas humeri, sowie die Cristae radii et ulnae: obgleich auch hier der weiterschreitenden Neubildung periostaler Lamellenschichten eine Resorption derselben Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 191 Sache bei der Bildung der Furehen. Hierbei sieht man, wie be- reits erwähnt, energische Resorption an der äusseren und Appo- sition an der inneren Oberfläche; infolge der von aussen statt- findenden Resorption werden die Wände der Haversischen Kanäle resorbirt, und letztere münden frei an der äusseren Ober- fläche des Knochens, während die mehr nach innen liegenden Haversischen Kanäle um diese Zeit infolge von Ablagerung Junger Knochensubstanz an ihre Wandungen sich verengen. Jetzt noch Einiges über die Art und Weise, wie die Re- sorption des alten Knochens und dessen Wiederersatz dureh neu- gebildeten jungen Knochen vor sich geht. Dieser Vorgang läuft in etwas verschiedener Weise ab, je nachdem es sich um eine Umbauung der periostalen und der an die Markräume angren- zenden inneren Lamellen oder aber um die Umbauung alter Haversi’scher Systeme handelt. Ersterenfalls werden von den Blutgefässen des Periosts, des Knochenmarkes und sogar von denen der benachbarten Haversi'schen Systeme Ausläufer ab- gesendet, welche letzteren wohl einfach durch den Druck, den sie auf die Knochensubstanz ausüben, die letztere perforiren. Die Wände dieser perforirenden (Volkmann’'schen) Kanäle verfallen nachträglich unter Mitwirkung von Osteoklasten der Re- sorption (Howship’sche Grübehen); es bilden sich daraus zu- nächst die Haversian spaces und diese gehen ihrerseits infolge von Apposition in Haversi’sche Systeme über. Uebrigens er- streckt sich diese Umwandlung m Haversi'sche Systeme nicht auf alle Volkmann’schen Kanäle: einige von ihnen obliteriren ohne Weiteres, während noch andere, nachdem sie sich dureh Resorption ein wenig erweitert haben, gleich darauf infolge von Ablagerung der Knochenlamellen auf ihre Wandungen sich auf's Neue verengen, was zur Bildung von Haversischen Systemen mit sehr kleinem Durchmesser führt. Der Verlauf der Volk- mann'schen Kanäle ist an verschiedenen Stellen ein verschie- und ein Ersatz durch lamellöse Haversi’sche Systeme nachfolgt, so kommt es hier dennoch keineswegs zur Bildung spongiöser Knochen- substanz. Mithin findet sich hier ganz nach aussen eine sehr dünne Schicht periostaler Lamellen; unterhalb dieser Schicht liegen eine oder zwei Reihen junger Haversi’scher Systeme; noch tiefer aber, bis an den Centralkanal, sehen wir Haversi’sche Systeme älteren Ur- sprunges. 192 N. Matschinsky: dener: die dem Markkanale anliegenden Lamellen werden von diesen Kanälen fast stets in radiärer oder in etwas schräger kiehtung durchbohrt; im den periostalen Lamellen dagegen ver- laufen sie grösstentheils der Knochenaxe parallel und nur selten in radiärer Richtung. Hierbei ist noch folgender Umstand von Belang. Bei radiärem Verlaufe eines Volkmann’schen Kanals erscheinen die ihm im Wege stehenden oberflächlichen periostalen Lamellen mitunter gleichsam eingedrückt und es gewinnt den Anschein, als ob das Blutgefäss, welches durch seinen Druck auf den Knochen den perforirenden Kanal erzeugt hatte, bei seinem Andrang gegen den Knochen keineswegs auf ein hartes, sondern vielmehr auf weiches Gewebe gestossen wäre und dass es daher, anstatt die Lamellen einfach zu durehbohren, eine Vertiefung in denselben hervorgerufen hatte; kurz, der Druckeffeet in diesem Falle ist gleich dem, welchen der auf eime weiche Wachsfläche drückende Finger hervorbringt: Zuerst erhält man eine Delle in der Wachsplatte, und erst bei weiterem Drucke bildet sich ein Kanal in derselben. Aus der relativen Weichheit und Nach- giebigkeit der kürzlich abgelagerten Lamellen erklären sich wahrscheinlich auch die fraglichen Vertiefungen, welehe letzteren ersichtlicherweise in den Fällen grösser sein werden, wenn der von dem Gefässe ausgeübte Druck langsamer zunimmt. Dass das junge Knochengewebe keine absolute Härte besitzt, wird auch dadurch bewiesen, dass die der Knochenaxe parallel lau- fenden Volkmann’schen Kanäle die ihnen im Wege liegenden Lamellen bei Weitem nieht immer direct perforiren, sondern dieselben meist zur Seite drängen, so dass sie von diesen La- mellen wie von Halbringen umkreist werden. Ferner wird die Nachgiebigkeit und Weichheit des Knochengewebes auch noch durch die Thatsache bewiesen, dass nicht selten an der perio- stalen Knochenfläche Vertiefungen sich finden, welche nicht durch Resorption, sondern einfach dureh einen auf den Lamellen lasten- den Druck entstanden sind. Letztere erscheinen hierbei einge- bogen, die Knochenzellen stehen hier einander merklich näher, während die Intercellularsubstanz relativ spärlicher erscheint, als anderwärts. — Die Resorption der alten Haversischen Sy- steme und deren Wiederersatz durch neugebildete Systeme erfolgt einfach infolge von Auflösung ihrer Wandungen und infolge von Ablagerung junger Knochenlamellen auf die Oberfläche der also Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 195 enstandenen Haversian spaces. Hierbei können folgende Fälle statthaben: 1) Nur ein Theil des alten Haversischen Systems verfällt der Auflösung, und an die Resorptionsflächen desselben legen sich junge Knochenlamellen an (vergl. Fig. 1e). 2) Das alte Haversi’sche System wird in toto resorbirt und durch ein an dessen Statt neu entstehendes ersetzt. 3) Die Resorption kann weit über das Bereich eines einzemen Haversischen - Systems hinübergreifen, so dass mehrere benachbarte Haversi- sche und interstitielle Systeme mitgenommen werden und hierauf erst eine Ablagerung von Knochenlamellen an die Wandungen der also entstandenen umfangreichen Haversian spaces eintritt. Dies betrifft vorzüglich das Greisenalter. Ob derartige weite Hohlräume wieder vollkommen ausgefüllt werden, weiss ich nicht; wenigstens hatte ich keine Gelegenheit, an den Knochen von Greisen junge Haversi’sche Systeme von so unregelmässiger Gestaltung zu sehen, wie es die erwähnten Hohlräume sind. 4) Mitunter setzt sich der Ablagerungsprocess der jungen La- mellen nicht ununterbrochen fort, sondern es treten Stillstände in demselben ein; solehentalls erblickt man in einem Haversi- schen Systeme mehrere Kittlinien, welche eoncentrisch angeordnet sind. 5) In einem und demselben Haversischen Systeme kann sich der Resorptionsprocess mehrmals wiederholen; dafür zeugt die Anwesenheit mehrerer Kittlinien, welche in unregel- mässig gewundenem Verlaufe zwischen den Lamellen hinziehen. Hinsichtlich der sogen. „glatten Knochenresorption“, welche von Busch (12) an entzündeten Knochen beschrieben worden ist, kann ich mit Bestimmtheit behaupten, dass sie an normalen Knochen nieht existirt. Aber auch in pathologischen Fällen mag sie kaum jemals vorkommen. Busch nämlich fand Ha- versische Systeme mit breiten (Haversischen) Kanälen und glaubte hier eine Erweiterung der Kanäle durch Resorption vor ‚sich zu haben. Es wäre aber viel einfacher, an Haversische Systeme im Anfangsstadium ihrer Bildung zu denken, wobei die Haversischen Kanäle noch nicht Zeit genug hatten, auf ihr späteres Lumen redueirt zu werden. Es erscheint überhaupt un- begründet, zweierlei Arten von Resorption anzunehmen, von denen die eine durch Thätigkeit der Osteoklasten, die andere dagegen durch Thätigkeit anderer, nicht näher ergründeter eylindrischer Zellen (wahrscheinlich der Osteoblasten) bewirkt werde. 194 N. Matschinsky: Nach all dem Gesagten mögen mir noch einige Worte dar- über gestattet sein, ob die Wachsthumserseheinungen in den Knochen eines und desselben Individuums irgend von einander differiren oder nieht. Hierbei erweist es sich, dass eine Differenz nur in der Anordnung der Appositions- und Resorptionsflächen an der äusseren und inneren Knochenfläche sowie in der Ver- theilung der jungen Haversischen Systeme innerhalb der Knochenrinde besteht. Was aber die Frage anlangt, ob es in der Wachsthumsintensität zwischen den einzelnen Knochen einen Unterschied giebt, so konnte ich meinerseits an den von mir untersuchten Knochen eines 18jährigen Menschen keinen solehen Unterschied bemerken. Damit will ich übrigens nur sagen, dass es schwierig ist, diese Frage mit Hülfe histologischer Methoden zu lösen; dass aber ein soleher Unterschied in der Wachsthums- intensität der emzelnen Röhrenknochen wohl besteht, ist durch die von Burtscher (21) an menschlichen Knochen, sowie an denen von Thieren verschiedenen Alters ausgeführten genauen Messungen bereits nachgewiesen worden. Vor Abschluss dieses Capitels über die Art und Weise des Wachsthums der Knochen muss ich noch über das sogen. intersti- tielle Wachsthum, d. h. das selbständige Wachsthum der in den Bestand der Knochen tretenden Elemente (Zellen, Grundsub- stanz), sei es auch nur kurz, mich aussprechen. Uebrigens wäre selbst eine kurze Erwähnung dieser Frage, welche ich bereits als erschöpft betrachte, kaum nöthig, wenn nicht von Zeit zu Zeit auch jetzt noch Arbeiten erschienen, in welchen ein derartiges interstitielles Wachsthum auf Grund von Experimenten befürwortet wird. Um mir über die von Wolff!), Hudden (41) und Egger (28) angestellten Versuche ein eigenes Urtheil bilden zu können, wie- dderholte ich die Experimente mit Einschlagen von Stiften in die Diaphysen der Röhrenknochen. Meine leider nur wenig zahlreichen und dazu nur an klei- nen Thieren angestellten Versuche ergaben folgendes: 1. Ver- such. Es wurden 3 Meerschweinchen eines Wurfes 20 Stunden nach der Geburt zum Versuche genommen und eimem jeden von ihnen je 3 dünne Karlsbader Nadeln in die rechte Tibia einge- 1) Verhandl. d. physiolog. Gesellsch. in Berlin 1577. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 195 stochen!); die obere Nadel wurde an der Insertionsstelle des M. quadriceps an die Tuberositas tibiae, die zweite 3 mm unter- halb der ersten, und die dritte ebenfalls 3 mm weit unterhalb der zweiten Nadel eingeführt. Das erste Meerschwein- chen wurde 16 Tage darauf getödtet und hierauf Folgendes eonstatirt: die obere Nadel liegt 2!/; mm weit von der Tubero- sitas tibiae ab, die Entfernungen der oberen Nadelenden von einander betragen je 3 mm, d.h. sie sind ganz unverändert ge- blieben. Der Abstand der unteren Nadel von dem Malleolus internus ist gleich 2 em. Das obere Ende der ersten Nadel ist von einer sehr dünnen, durchscheinenden periostalen Schicht überzogen, während die beiden unteren Nadelenden nicht vom Perioste bedeckt sind. Das zweite Meerschweinchen wurde nach Ablauf von 28 Tagen getödtet. Befund: die erste Nadel steht 4 mm weit von der Tuberositas ab, die Entfernung zwischen der ersten und zweiten, ebenso wie zwischen der zweiten und dritten Nadel beträgt je 31/; mm?). Die Entfernung der Nadel 53 von dem Malleolus internus ist gleich 2 em. Die oberen Enden aller drei Nadeln sind von Knochensubstanz überdeckt, wobei die letztere über Nadel 1 und 3 eine dickere, dagegen über Nadel 2 eine nur noch dünne Schicht bildet. Zweiter Versuch: Es wurden 2 dreiundzwanzigtägige Meerschwein- chen eines Wurfes ausgewählt. Dem ersten Meerschweinchen stachen wir eine Nadel an der Insertionsstelle des Quadriceps und eine zweite 6!/, mm unterhalb der ersten in den Knochen ein. Das Versuchsthier wurde 20 Tage nach der Operation ge- tödtet. Befund: Entfernung zwischen Tuberositas tibiae und der oberen Nadel 5mm. Abstand der beiden Nadeln von einander= 61/;,mm. Abstand der Nadel von dem Maleolus internus = 2,5 em. Dem zweiten Meerschweinchen wurde eme Nadel ebenfalls an der Insertion des Quadriceps, und eine zweite in 3 mm Entfernung von der ersteren eingestochen. Das Thier wurde 42 Tage darauf getödtet. Befund: Entfernung zwischen Tuberositas tibiae und 1) Die eingestochenen Nadeln wurden hierauf so kurz abge- schnitten, dass sie kaum über der Knochenoberfläche hervorstanden. 2) Eine derartige, immerhin äusserst geringe Zunahme der Ab- stände zwischen den Nadeln kam mitunter auch bei Ollier vor. Wie diese im Allgemeinen seltenen Befunde zu erklären sind, kann ich nicht sagen. 196 N. Matschinsky: der Nadel 1-5 mm; Entfernung zwischen den beiden Nadeln 3 mm; Entfernung zwischen Nadel und Maleolus internus - 2,5 em. — Dritter Versuch: Drei Meerschweinchen eines Wurfes und im Alter von 26 Stunden wurden folgenderweise operirt: in die rechte Tibia eines jeden der Thiere wurden je 3 Karlsbader Nadeln so eingestochen, dass die obere der Insertionsstelle des Quadriceps entsprach, die zweite in 2 mm Entfernung von der ersten, und die dritte endlich ebensoweit unterhalb der zweiten sich befand. Das erste Meerschweinchen tödteten wir 50 Tage, das zweite 67 und das dritte endlich 91 Tage nach der Ope- ration. Befund: bei dem Versuchsthiere 1 beträgt die Entfernung der ersten Nadel von der Tuberositas 10!/, mm, beim zweiten ist diese Entfernung — 12mm, beim dritten endlich — 15 mm. Die Abstände der Nadeln von einander erwiesen sich in sämmt- lichen 3 Fällen unverändert. Vierter Versuch: Einer 32 tä- gigen weissen Ratte wurden 4 Karlsbader Nadeln derart in die Diaphyse der Tibia eingestochen, dass die erste Nadel 1!/, mm unterhalb der Insertion des Quadriceps, die zweite in 2mm Ent- fernung unterhalb der ersten, die dritte 3 mm weit unterhalb der zweiten und die vierte Nadel endlich 2mm unterhalb der dritten sich befand. Nach 14 Tagen wurde das Thier getödtet. 3efund: Entfernung zwischen Nadel 1 und der Tuberositas = > mm; die Abstände der Nadeln von einander unverändert, wie ZUVor. Schlussfolgerungen aus den oben angeführten Versuchen: 1) Das Längenwachsthum der Tibia erfolgt sowohl beim Meer- schweinchen, als auch bei der weissen Ratte ausschliesslich auf Kosten des intermediären (d.h. zwischen Epiphyse und Diaphyse gelegenen) Knorpels. 2) Das Wachsthum dieses Knochens findet nur an dessen oberem Ende statt!). 3) Das Längenwachsthum der Knochen erfolgt nicht auf Kosten eines interstitiellen Wachs- thums der Diaphyse. Allerdings scheimt einer unserer Versuche gegen den zuletzt aufgestellten Satz zu sprechen, denn es erwies sich einmal der Abstand zwischen den Nadeln um ein halb Millimeter vergrössert und muss dieser Umstand jedenfalls sehr 1) Uebrigens kann ich diesen Satz nicht als unwiderleglich fest- stehend betrachten, da er mit den zahlreichen Versuchen von Ollier, Broca und Humphry im Widerspruche steht. a A ze erh a RE a er nn Ueber d. normale Waechsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 197 auffallend erscheinen. Ollier, der gleichfalls, wenn auch selten, derartige Resultate erhielt, äussert sich hierüber wie folgt: „Ce resultat viendrait eonfirmer la restrietion que faisait Du Hamel en faveur de la substance osseuse non completement durcie; mais, comme l’ecartement n’a pas te constant, nous ne devons pas invoquer cette petite difference pour dimmuer limportance de la loi generale, qui est le non-allongement du tissu osseux (Traite experimentale . ... Bd. I, S. 353). Was die Frage anlangt, ob in den wachsenden Knochen eine Zellenvermehrung und ein Anwachsen der Grundsubstanz statt hat, so fand ich bei einem Neugeborenen und bei eimem 4 monatlichen Kinde sich theilende Knochenzellen, während solche in den Knochen von mehr oder weniger erwachsenen Individuen nur sehr selten zu constatiren sind. Angesichts des soeben Ge- sagten, sowie im Hinblicke auf die zahlreichen Experimente anderer Autoren, welche den Nachweis dafür geliefert haben, dass ein interstitielles Wachsthum überhaupt nicht existirt, er- übrigt es meines Erachtens nur, die folgenden Worte von Kölli- ker anzuführen: „Ein solches interstitielles Wachsthum, das gleichzeitig mit mir auch Strelzoff beschreibt, würde jedoch für die Gesammtgestaltung der Knochen von keinem Belange sein und trotz seines Vorkommens der Satz zu Recht bestehen, dass diese nur durch regelrechtes Ineinandergreifen von Appo- sitionen und Resorptionen zu Stande kommt (Handbuch, 6 Aufl., 2889, 9.315). Einige Thatsachen, betreffend den normalen Bau des Knochengewebes. Wenn man einen in Fuchsin, Saffranin oder in einer’anderen Anilinfarbe gefärbten Knochenschliff untersucht, so fällt es nicht schwer, folgende Thatsache zu constatiren: Sobald die Knochen- kanälchen an eine den älteren von dem jüngeren Knochen trennende Kittlinie herantreten, bilden sie hier knopfförmige An- schwellungen und ein Theil von ihnen endet hierselbst wie ab- geschnitten, während andere die Kittlinie durchsetzen und darauf eine grössere oder geringere Strecke in dem jungen Knochenge- webe zurücklegen, um hier schliesslich blind zu endigen; noch andere endlich vereinigen sich mit den Knochenhöhlen des jungen 198 N. Matschinsky: Knochens. Hierbei ist folgendes beachtenswerth: Haben die La- mellen des jungen Knochengewebes eine andere Verlaufsrichtung als die alten, jenseit der Kittlinie liegenden Lamellen und treten hierbei die Knochenkanälehen des alten Knochens in schräger Richtung an die Kittlinie heran, so verändern sie, sobald sie die genannte Linie durchsetzt haben, ihre ursprüngliche Richtung derart, dass sie nun die Lamellen des jungen Knochens in senk- rechter Richtung durchbohren; liegen dagegen die Lamellen des Jungen Knochens denen des alten parallel, so halten die Knochen- kanälehen auch nach ihrem Uebergange in den jungen Knochen ihre ursprüngliche Richtung ein. Ebenso ist zu bemerken, dass die Kanälehen in den älteren Lamellensystemen dünn und ihrer ganzen Länge nach von gleichmässigem Kaliber sind, während sie innerhalb der jungen Lamellen breiter werden und zugleich ein varieöses Aussehen gewinnen. An aus frischem Knochen verfertigten und gefärbten Schliffen nimmt man ausserdem noch Folgendes wahr: an den in Bildung begriffenen Haversi'schen Systemen wird der Haversische Kanal grösstentheils von einer bald sehr schmalen, bald aber ziemlich breiten homogenen Lamelle!) umrahmt; mnerhalb dieser letzteren, grösstentheils aber an ihrem freien, dem Lumen des Kanales zugekehrten Rande finden sich mehrere Knochenkörperchen, die gar keine Aus- läufer besitzen. Diejenigen Knochenkanälchen aber, welche die vorher gebildeten Lamellen des beschriebenen Haversischen Systems durchsetzen und schliesslich an die soeben erwähnte homogene Schicht herantreten, enden, hier angelangt, plötzlich, indem sie an ihrem blinden Ende eine kaum merkliche Erweite- rung bilden; mitunter aber lassen sich einige von diesen Kanäl- chen noch weiter, bis im die homogene Schicht hinein verfolgen, woselbst sie theilweise sogar in den Haversischen Kanal aus- münden. Hierbei ist es stets ersichtlich, dass die in den jungen Haversischen Systemen überhaupt unregelmässigen Contouren 1) Ich nenne diese Lamellen deshalb „homogen“, weil an ihnen weder eine Streifung, noch eine Punktirung zu bemerken ist. Diese homogene Schicht ist bereits von früheren Beobachtern gesehen wor- den. So wird dieselbe z.B. von Ranvier (Trait@ technique) und etwas später auch von Kastschenko (67, 8.372) erwähnt. Letzterer hält sie unter anderem für eine weiche, der Kalksalze entbehrende Schicht. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 199 der Knochenkanälehen nach deren Eindringen in die homogene Sehieht noch unregelmässiger werden. Uebrigens muss noch erwähnt werden, dass an derartigen Präparaten auch solche Stellen vorkommen, wo augenscheinlich eine Ablagerung von Knochen- substanz stattfindet, ohne dass hier eine homogene Lamelle sicht- bar wäre, wobei die Kanälchen also direct m den Haversi- schen Kanal ausmünden. Dieser Umstand hängt aller Wahr- scheinlichkeit nach von einer Unterbrechung in dem Ablagerungs- processe der Knochensubstanz ab. — Alle soeben beschriebenen Erscheinungen lassen sich meines Erachtens daraus erklären, dass die Bildung der Knochenkanälchen mit der Ablagerung der Knochensubstanz nicht zeitlich zusammenfällt, sondern dass der erstgenannte Vorgang etwas später erfolgt, und zwar derart, dass die bereits im alten Knochengewebe vorhandenen Kanälchen in die neugebildete Knochensubstanz hinemwachsen. Ich stelle mir die Sache folgendermaassen vor: Die Knochenkanälchen sind die Wege, auf welchen sich die zur Ernährung des Knochens dienenden Gewebssäfte weiter verbreiten (Budge, Schwalbe); diese Bewegung der Gewebsflüssigkeit wird aber nicht durch Kapillarität, sondern durch einen, wenngleich minimalen Druck, unter welchem die Flüssigkeit steht, hervorgerufen. Setzen wir jetzt voraus, dass an irgend eine Appositions- oder Resorptions- fläche Lamellen von jungem Knochengewebe sich abzulagern be- ginnen. Die Ablagerung der jungen Knochensubstanz erfolgt in- dess, wie erwähnt, nicht unmittelbar auf den alten Knochen, sondern es bildet sich zuvor eme mehr oder weniger dieke Kittsubstanzschicht, welche letztere den alten von dem jungen Knochen trennt. Sobald nun die letztgenannte Schicht sich ab- gelagert hat, wird der bisher unbehindert aus den Kanälchen in die Lymphränme sich ergiessenden Gewebsflüssigkeit eine Schranke gesetzt. Aber da die Kittsubstanz im Momente ihrer Ablagerung keine Kalksalze zu enthalten scheint und hinreichend weich ist,‘ so bahnt sich die andrängende Flüssigkeit ihren Weg, indem sie sowohl die Kittsubstanz als auch die soeben erst abgelagerte und anfangs ebenfalls kalkfreie, homogene, junge Knochensub- stanzschicht perforirt. Bevor jedoch dieser Durchbruch zu Stande kommt, ereignet sich Folgendes: zunächst ergiesst sich die Flüssigkeit an der Oberfläche der sie aufhaltenden Kittsub- stanzschieht und bildet hierselbst eme grössere oder kleinere Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 14 200 N. Matschinsky: Höhle, und erst nachdem der Andrang der Flüssigkeit stark genug geworden ist, um das im Wege stehende Hinderniss zu überwinden, bildet sich ein Kanal. Der Umstand, dass die die Junge Knochensubstanz durchsetzenden Kanälchen keine gleich- mässige Breite, sondern im Gegentheil ein varicöses Aussehen besitzen, legt den Gedanken nahe, dass dieselben anfangs keine selbständigen Wandungen haben, sondern dass der Flüssigkeits- strom sich einfach in den Gewebslücken fortbewegt und dass es erst später, d.h. nach Ablagerung einer hinreichenden Menge von Kalksalzen in dem neugebildeten Knochengewebe, zu einer Bildung selbständiger Wandungen in den Knochenkanälchen kommt. Derselben Ansicht ist unter Andern auch Brösike (9), welcher sich hierbei auf die Thatsache stützt, dass sich die Knochenkörperehen nebst ihren Kanälchen in alten Knochen leicht isoliren lassen, während hingegen die Isolation in jungem Knochengewebe nicht gelingt. — Die Erweiterungen, welche sich den Kittlinien entlang in den Knochenkanälchen bilden, stellen bei Weitem nicht immer deutlich ausgesprochene Höhlen dar, sondern man erhält den Eindruck, als ob das Kanälchen hier eine grössere Anzahl kurzer Seitenästchen entsendet (wie es stärkere Vergrösserungen zeigen). Einige von diesen Erweite- rungen erhalten sich auch späterhin, ja es bilden sich daraus in alten Knochen sogar ziemlich grosse Hohlräume, aber die Mehr- zahl von ihnen wird mit zunehmender Ablagerung von Kalksalzen immer enger und enger, bis sie schliesslich ganz entschwinden, wie sich dies schon aus der in alten Knochen weit spärlicheren Anzahl dieser Bildungen erschliessen lässt. Findet die Bildung der Kanälchen in der That auf die soeben . dargelegte Weise statt? Nach meiner Memung wäre die oben von mir gegebene Erklärung genügend, wenn derselben nicht einige widersprechende Thatsachen entgegenstünden: 1) Es finden sich Haversi'sche Systeme, deren Kittlinien von den Knochenkanälehen der benach- barten Systeme nur stellenweise und in sehr beschränkter Anzahl durehbohrt werden, während die übrigen dieser Kanälchen blind enden. Dies Verhältniss trifft man besonders häufig an dem Oberschenkelknochen des Erwachsenen an; 2) bleibt auch die Bildung der rücklaufenden Kanälchen!) unerklärt, da diese letz- 1) Es mögen mir noch einige Worte betreffs der rücklaufenden BEE AS FE A Een Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 201 teren sehr selten mit den jenseit der Kittlinien liegenden Kanäl- chen anastomosiren. Aber wie dem auch sei, so sind doch die von mir beschriebenen Thatsachen richtig, während dagegen die hier vorgeschlagene Erklärung dieser Thatsachen noch mancher Verbesserungen bedürftig erscheint und von mir nur aus Er- mangelung einer besseren angeführt worden ist. Schliesslich noch Einiges inbetreff des besonderen Verhaltens der glänzenden (streifigen) und der dunkelen (punktirten) Knochen- lamellen zu den Anilinfarben und zu dem salpetersauren Silber. Lässt man einen Schliff lange Zeit (ungefähr eine Woche lang) in der Farblösung (Saffranin oder. Fuchsin) liegen und verfertigt dann aus demselben in der vorher angegebenen Weise ein Prä- parat, so sehen wir, dass die glänzenden Lamellen des .Präpa- rates gefärbt sind, die dunkelen dagegen nicht. Indessen ge- lang es mir mittelst der angegebenen Methode nie eim Präparat zu erhalten, dessen glänzende Lamellen sämmtlich gefärbt wären. Besser ist das folgende Verfahren: man bereitet einen sehr feinen Schliff und polirt ihn so glatt als möglich, indem man alle Un- ebenheiten und Streifen an seiner Oberfläche zu beseitigen sucht. Darauf bringt man den Schliff für 2—3 Tage im eine gesättigte wässerige Anilinblaulösung (dieselbe ist aus dem Grübler’schen wasserlöslichen Anilinblau zu bereiten!); das aus der Farblösung herausgenommene Präparat wird rasch in Wasser abgespült und zwischen zwei Blätter Fliesspapier abgetrocknet. Wenn man jetzt das (noch nicht in Balsam eingeschlossene) Präparat mikrosko- pisch untersucht, findet man die glänzenden Lamellen stärker tingirt als ‘die dunkeln. Aber noch viel intensiver tritt die Färbungsdifferenz der Lamellen beiderlei Art hervor, wenn wir die beiden Flächen des gefärbten Schliffes auf einer sehr feinen, Kanälchen gestattet sein. Ranvier und Ebner schildern die Sache so, dass die in der Richtung gegen die Kittlinie herannahenden Kanälchen, ohne die genannte Linie zu erreichen, wieder umkehren, eine Schlinge bilden und auf’s Neue in die Knochenhöhle ausmünden. Allein dies ist nicht richtig: die Kanälchen biegen einfach um und enden nieht in Knochenhöhlen, sondern sie ziehen denjenigen Kanäl- chen parallel, welche an der entgegengesetzten (d.h. der von der Kittlinie abgewandten) Seite des Knochenkörperchens entsprungen sind. 1) In meiner vorläufigen Mittheilung ist aus Versehen statt Anilinblau — Methylenblau genannt. 202 N. Matschinsky: matten Glasplatte reiben; die glänzenden Lamellen erscheinen dann intensiv blau gefärbt, die dunkeln dagegen sind ganz farb- los. Um recht elegante Präparate herzustellen, müssen die Schliffe sehr vorsichtig auf einer matten Glasplatte abgeschliffen werden, da das Anilinblau ausschliesslich die oberflächlichen Schichten des Präparates tingirt, so dass der Farbstoff bei zu lange fortgesetztem Schleifen abgerieben wird und das Farbenbild entschwindet. Will man recht vorsichtig zu Werke gehen, so müssen die Schliffllächen nicht auf einer Glasplatte, sondern auf einer glatten Holzplatte oder sogar auf Glanzpapier nachge- schliffen werden; es wird hierdurch nur der Ueberschuss an Farbe entfernt, während der Knochen unversehrt erhalten bleibt. An recht gelungenen Präparaten ist es ersichtlich, dass nicht nur die hellen Lamellen überall durch ihre Färbung von den dunkeln scharf abstechen, sondern dass auch das junge Knochengewebe von dem alten sich deutlich unterscheidet, mdem die hellen La- mellen des ersteren viel intensiver tingirt erscheinen als in dem letzteren. Wodureh wird nun, fragt es sich jetzt, ein so ver- schiedenes Verhalten der hellen und der dunkeln Lamellen zum Farbstoffe bedingt? Was die Färbung in Anilinblau anlangt, so liesse sich hier die Sache so vorstellen, dass sich die verschie- denen Lamellen beim Schleifen in etwas verschiedener Weise verhalten, nämlich: die glänzenden Lamellen („streifige Lamellen“ nach Kölliker), deren Bündel der Oberfläche parallel ziehen, werden stärker abgeschliffen als die zur Oberfläche des Schliffes senkrecht stehenden Bündel der dunkeln („punktirten“) Lamellen. Solchenfalls würden die beiden Flächen des Präparates aus Reihen mit einander abwechselnder Erhöhungen und Vertiefungen bestehen und die an beiden Oberflächen einen recht feinen Niederschlag bildende Farbe würde sich dann m den Furchen in grösserer Menge als an den Erhöhungen absetzen. Derart liesse sich, wie es scheint, die differenzirte Lamellenfärbung er- klären, wie sie auch ohne nachträgliches Abschleifen der gefärb- ten Präparate gefunden wird. Diese Differenz muss durch das Abreiben der Schlifftlächen offenbar noch gesteigert werden, denn es wird der Niederschlag von den höher gelegenen Punkten imechanisch beseitigt werden und müssen also diese letzteren un- gefärbt erscheinen, während die Vertiefungen, woselbst die Farbe sich noch mehr ansammeln wird, natürlich noch stärker tingirt Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 203 erscheinen werden. Zu Gunsten einer solchen Erklärung spricht auch der Umstand, dass auch an den Längsschliffen nicht die dunkeln, sondern vielmehr die hellen Lamellen gefärbt werden, während das Gegentheil zu erwarten stände, wenn die Färbung von einem verschiedenen chemischen Verhalten der Lamellensy- steme beiderlei Art abhinge. Aber falls unsere Deutung voll- kommen zutreffend wäre, so müssten alle Anilinfarben die näm- lichen Bilder geben, da sie sämmtlich an der Oberfläche des Präparates Niederschläge bilden; im dieser Beziehung jedoch habe ich widerspreehende Resultate erhalten (denn nur das Fuchsin gibt ähnliche Bilder). Gegen die obige Erklärung spricht auch der Färbungsunterschied in den jungen und in den alten Knochen- theilen, es müsste denn die Voraussetzung zugelassen werden, dass sich bei dem Abschleifen in dem jüngeren Knochen tiefere Furchen bilden. Ausserdem wurde schon früher erwähnt, dass auch die gewöhnlich von mir geübte Methode, d.h. das vorläufige Imprägniren der Knochenschliffe mit Saffranm- oder Fuchsimlö- sungen und das nachträgliche Abschleifen der beiden Schliff- flächen, ähnliche Bilder ergab. Wie ist hier die Färbung der hellen Lamellen zu erklären? Es kann hier von einer ungleiehen Dichte zweier nebeneinander liegender Lamellen nicht die Rede sein. Dasich die hellen und die dunkeln Lamellen, nach Ebner, nur durch den verschiedenen Verlauf der in ihren Bestand treten- den Bindegewebsbündel unterscheiden, so wird man zur Annahme geführt, dass die Imbibitionsfähigkeit der Lamellen in dem Falle gesteigert wird, wenn die in ihren Bestand tretenden Bündel der Schliffläche parallel ziehen — eine Erklärung, die wenig zur Sache beiträgt. Die oben gegebene Erklärung über die Ursachen der un- gleichen Färbungsfähigkeit der hellen und der dunkeln Lamellen scheint auch mit den Resultaten einer anderen, sogleich näher zu beschreibenden Untersuchungsmethode nicht übereinzustimmen: diese Methode besteht m der Imprägnation der Knochenschliffe mit salpetersaurem Silber. Dies wird folgendermaassen ausgeführt: man stellt in sorgfältigster Weise einen Schliff her, wäscht ihn in Benzin und sodann in Wasser gut aus, damit an seinen Ober- flächen keine Spur irgend einer Verunreinigung zurückbleibe und legt denselben darauf in eine 1 procentige Argentum nitrieum- Lösung. Hier belässt man das Präparat 2—5 Minuten je nach 204 N. Matschinsky: der Intensität des Tageslichtes, kurzum so lange, bis sich an dem Präparate eine milchige Nüance bemerkbar macht; dann wird es aus der Silberlösung herausgenommen, in Wasser sorgfältig ab- gewaschen, zwischen zwei Blättern Fliesspapier getrocknet und in Kanadabalsam eingeschlossen. Letzterer kann entweder flüssig oder fest sein, je nachdem man nur die Lamellensysteme oder aber zugleich auch die Knochenkanälchen zu untersuchen beabsichtigt. Schon während des Abwaschens im Wasser und während der nachfolgenden Manipulationen nimmt das Präparat infolge der Reduetion des Silbers einen bräunlichen Ton an, so dass die mikroskopische Untersuchung alsbald vorgenommen werden kann. Hierbei ergiebt sich folgendes: sowohl an Quer- als auch an Längsschliffen erscheinen die hellen Lamellen, sowie auch die, zwischen den Lamellensystemen verlaufenden Kittlinien braun gefärbt, während hingegen die dunkeln Lamellen ganz ungefärbt sind. Bei weiterer Einwirkung des Lichtes nehmen die hellen Lamellen und die Kittlinien eine dunkelbraune, fast schwarze, die dunkeln Lamellen dagegen eime hellbraune Farbe an. Aehnlich wie in den mit Anilinblau behandelten Präparaten sind auch in den versilberten die hellen Lamellen des jungen Knochengewebes intensiver tingirt als die des alten!). Nun fragt es sich, ob zur Erklärung der Wirkungsweise des Silbers die für (den vorhergehenden Fall aufgestellte Voraussetzung genügt, d. h. die Vorausetzung, dass unser Reagens einen stärkeren Niederschlag auf den hellen und einen schwächeren dünneren auf den dunkeln Lamellen gebildet hat. Mir schemt eine solehe Annahme in dem vorliegenden Falle sehr gezwungen. Denn hier verhält sich die Sache derart, dass auch ohne nachträgliches Abschleifen des im- prägnirten Präparates dennoch eine sehr grosse Differenz in der Färbung der verschiedenartigen Liamellen sich geltend macht, 1) Lässt man einen feinen Schliff für 1—2 Tage in der Silber- lösung, so findet man, dass die letztere in die Knochenkanälchen ein- gedrungen ist und durch Ablagerung in den Wänden der Kanälchen eine tiefschwarze Färbung derselben hervorgebracht hat. Hierbei heben sich die Knochenkanälchen mit einer solchen Deutlichkeit ab, als wären sie mit Tusche aufgezeichnet. Bemerkenswerth ist noch, dass bei letzterer Behandlung der Schliffe die Kanälchen viel breiter erscheinen, als wie wir sie in den auf andere Weise behandelten Kno- chenpräparaten zu sehen gewohnt sind. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete. 205 eine Differenz, die durch weiteres Abschleifen nicht gesteigert wird. Daher steigt unwillkürlich der Gedanke auf, dass der Färbungsunterschied der hellen und der dunkeln Lamellen, sowohl bei der Anilinfärbung als auch bei der Silberimprägnation durch die (möglicherweise chemisch) verschiedene Beschaffenheit der Lamellen selbst bedingt werde. Angesichts der bekannten Eigen- schaft des salpetersauren Silbers, mit der Kittsubstanz in Ver- bindung zu treten, sowie angesichts dessen, dass auch die Kitt- linien vom Silber gefärbt werden, ist freilich die Annahme zu- lässig, dass die hellen Lamellen einfach aus Kittsubstanz bestehen. Aber ob dies in der That der Fall ist, wage ich nicht zu ent- scheiden, da ich dafür noch keine hinreichenden Anhaltspunkte besitze. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Fig. 1. Querschliff aus der Mitte der Humerusdiaphyse eines 16jäh- rigen Mannes. Der Schliff ist mit gesättigter wässeriger Saf- franinlösung imprägnirt worden; Einschluss in trockenen Ka- nadabalsam. A ein infolge von Resorption des Knochengewebes ent- standener Haversi’scher Hohlraum; an seinen Wandungen haben sich (mur an der einen Seite) Lamellen jungen Kno- chengewebes abgelagert (letztere erscheinen von dem Saffranin intensiv gefärbt. — An der anderen Seite desselben Hohl- raumes sind die Howship’schen Lacunen nicht ausgefüllt und findet man also hierselbst keine Ablagerung jungen Kno- chens (s. S. 172 und 193 dieser Abhandlung). B junges Haversi’sches System, welches sich derart ze- bildet hat, dass nur der centrale Theil des alten Haversi- schen Systems resorbirt worden war und sodann auf den Wan- dungen des solcherweise entstandenen Haversi’schen Hohl- raumes eine Ablagerung junger Knochenlamellen erfolgte (s. 8. 193). E Centraler Knochenmarkkanal. F Lamellen jungen Knochengewebes, die sich seitens des Knochenmarkes auf eine ehemalige Resorptionstläche abge- lagert haben. G Interstitielles Haversi’sches Lamellensystem, welches 206 Fig. N. Matschinsky: von jüngerer Herkunft ist als das benachbarte System (D). — Die Farblösung ist in dem erstgenannten dieser Systeme durch die Wände der Knochenkanälchen hindurchgedrungen und hat die Grundsubstanz in nächster Nähe der Kanälchen ge- färbt (s. S. 165— 166). Ausserdem ist aus der Zeichnung ersicht- lich, dass die Knochenkanälchen an der den älteren von dem Jüngeren Knochen trennenden Kittlinie angelangt, sich er- weitern, wobei die einen dieser Kanälchen hierselbst blind enden, die anderen aber die Kittlinie durchsetzen. Die La- mellen des alten Knochengewebes (H) haben einen anderen Verlauf als die des jungen Knochens, und hierbei sehen wir, dass die die Kittlinie perforirenden und in das letztgenannte Gewebe eindringenden Knochenkanälchen ihre ursprüngliche Verlaufsrichtung ändern (s. S. 198). I Homogene Lamelle, die einen Haversi’schen Kanal umsäumt. Die zu dieser Lamelle hinzutretenden Knochen- kanälchen bilden kleine Erweiterungen. K Knochenkörperchen, welches keine Fortsätze aufweist (vgl. 8.198). Querschliff aus der Diaphysenmitte des zweiten Metacarpal- knochens eines 13jährigen Knaben. Das Präparat ist nach Behandlung mit gesättigter wässeriger Saffraninlösung in trockenen Kanadabalsam eingeschlossen. A und B Zwei junge Haversi’sche Systeme, in denen die Ablagerung der Lamellen noch nicht zum Abschluss ge- kommen ist. G Interstitielles Haversi’'sches Systems mittleren Alters. L Altes Haversi’sches System: M Ablagerung junger periostaler Lamellen auf eine ehe- malige Resorptionsfläche. N Howship sche Lacunen, in denen noch keine Ablage- rung junger Knochenlamellen stattfindet (s. S.165 und 166). O Periostale Lamellen mittleren Alters, in denen die Farb- lösung durch die Wandungen der Knochenkanälchen hin- durchgedrungen ist (s. 8. 173). P Kittlinien, die sich während der Zeitzwischenräume zwi- schen den Ablagerungsperioden der periostalen Lamellen ge- bildet haben (s. S. 168). RVolkmann'scher Kanal, welcher anstatt die perio- stalen Lamellen zu durchbohren, dieselben auseinander- gedrängt hat (s. S.192). Ausserdem sieht man in der Figur, dass die periostalen Lamellen von einer Menge theils in Längs-, theils in Schrägschnitten getroffener Sharpey’scher Fasern durchsetzt werden. Das Uebrige in dieser Zeichnung entspricht dem hinsicht- lich Fig.1 Dargelegten. i A . ÄRA T Be e Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen ete 207 Fig. 3. Querschliff aus der Diaphysenmitte des zweiten Metacarpal- knochens eines 7jährigen Knaben. Der sehr dünne Schliff wurde zunächst für 24 Stunden in eine 1°, Argentum nitri- cum-Lösung gelegt. Darauf wurden die beiden Flächen des Präparates auf’s Neue sorgfältig geschliffen und letzteres so- dann wiederum in eine Silberlösung von der gleichen Concen- tration wie zuvor übertragen, woselbst es 2 Minuten lang verweilte. Schliesslich wurde der Schliff in flüssigen Balsam , eingeschlossen. Man sieht die glänzenden (streifigen) La- mellen und Kittlinien braun tingirt, während dagegen die dunkeln (punktirten) Lamellen fast ganz ungefärbt erscheinen. Ausserdem erweisen sich in den jungen Haversi’schen Systemen (A) die glänzenden Lamellen intensiver gefärbt als in den älteren (s. S.204). Alles Uebrige erklärt sich leicht bei der Vergleichung mit den Figg. 1 und 2. Fig. 4 Längsschnitt aus der Mitte der Femurdiaphyse eines Mannes von 25 Jahren. Das Präparat ist in derselben Weise herge- stellt worden, wie das in Fig.3 abgebildete. A Haversischer Kanal. B Volkmann'’scher Kanal, der die Lamellen des Ha- versi'schen Systems schräg durchsetzend, durch seinen Druck eine leichte Einbiegung der Lamellen hervorgebracht hat. © Derselbe Volkmann'sche Kanal im Querschnitte. Man ersieht auch aus dieser Figur, dass die Haversi- schen Systeme jüngeren Ursprunges sich von den älteren durch stärkere Färbung der glänzenden Lamellen unterscheiden. Sämmtliche Zeichnungen sind vom Verf. mittelst Hartnack'’s S. 7, Oe.3 aufgenommen Worden. Litteratur ). *1. Al,binus Bernhard, Academicae annotationes, lib. VI, 1764 und lib. VII, 1766 (eit. nach Kölliker 54. #2, Derselbe, Icones ossium foetus humani 1737 (eit. nach Köl- liker 54). 3. 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Arch. 1853, Bd.5, S. 409—508. .Derselbe, Ueber parenchymatöse Entzündung. Virch. Arch. 1852, Bd.2. ‚R. Volkmann, Chirurgische Erfahrungen über Knochenver- bie&®ungen und Knochenwachsthum. Virch. Arch., 1862, Bd. 24, S.512—540. .Derselbe, Notiz betreffend das interstitielle Knochenwachs- thum. Centralblatt für die med. Wiss. 1870, Nr. 9, S. 129—131. . Derselbe, Zur Histologie der Caries und Ostitis. Archiv für klin. Chirurgie 1863, Bd.4, 8. 437—474. . €. Fr. Wolff, Theoria generationis. Berol. 1758, Diss. (eitirt nach Kölliker 54). .J. Wolff, Ueber innere Architeetur der Knochen und ihre Be- deutung für die Frage von Knochenwachsthum. Virch. Archiv 1870, Bd. 50, S. 389—454. Ueber d. normale Wachsthum d. Röhrenknochen d. Menschen etc. 915 132. Derselbe, Ueber Knochenwachsthum. Berliner klin. Wochen- schrift 1868, Nr.6, 7 und 8. *155. Weleker, Untersuchungen über das Wachsthum und den Bau des menschlichen Schädels. 1862 (eitirt nach Kölliker 54). 134. Wegener, Myeloplaxen und Knochenresorption. Virch. Arch. 1873, Bd. 56, S. 523—534. 135. Derselbe, Ueber das normale und patholog. Wachsthum der Röhrenknochen. Virch. Arch. 1874, Bd. 61. 136. Schachowa, Ueber intercellulares Knochenwachsthum. Central- blatt für die med. Wiss. 1873, Nr. 57. 157. Ziegler, Ueber Proliferation, Metaplasie und Resorption des Knochengewebes. Virch. Arch. 1868, Bd. 73. 135. Zimmermann, W., Mit Anilinfarben imprägnirte Knochenschliffe. Verhandl. der Anat. Ges. in Berlin 1889, S. 142. Die Befruchtung des Reptilieneies. Von Dr. Albert Oppel, Prosektor und Privatdocent in Freiburg i.B. Hierzu Tafel IX—XII. Ueber die Vorgänge im Ei der Reptilien bei der Befruch- tung liegen, soweit mir die Literatur bekannt geworden ist, noch keine Erfahrungen vor. Es ist dies durch die Schwierigkeiten, welehe für die Untersuchung bestehen, bedingt. Ich suchte an die Frage heranzugehen, indem ich mir eine grössere Anzahl Blindsehleichen verschaffte aus der Zeit, in welcher die Befruch- tung zu erwarten war. Im ersten Jahre erhielt ich ein Mutter- thier, im zweiten Jahre zwei weitere mit in Befruchtung befind- liehen Eiern. Ausserdem verdanke ich meinem hochverehrten Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 15 216 Albert Oppel: Lehrer Herm Professor Dr. von Kupffer noch ein Mutter- thier von Tropidonotus natrix, bei dessen Eiern zwar die "Befruchtung sehon abgelaufen, aber doch die erste Furche noch nicht gebildet war. Es sind nur wenige Capitel aus dem Verlaufe der Befruchtung, auf welche ich meine Bilder beziehen kann. Alle meine Deutungen bedürfen weiterer Be- stätigung, manche konnte ich nur mit Vorbehalt aufstellen. — Trotzdem schon jetzt meine Befunde zu schildern veran- lasste mich in erster Linie die Wichtigkeit der Sache. Dann kam der Umstand hinzu, dass wir durch eine Reihe von Arbeiten (ich werde auf einige derselben am Schlusse dieser Arbeit zu sprechen kommen) über den Befruchtungsvorgang bei anderen Wirbelthieren, vor allem bei den Fischen Erfahrungen be- sitzen. Indem ich die Verhältnisse bei niederen Wirbelthieren mit dem, was ich bei Reptilien sah, verglich, war es mir mög- lich, meinen Befunden eine Deutung zu geben. Noch habe ich die selbstverständliche Bemerkung eimzuschalten, dass ich ohne die Erfahrungen meiner Vorgänger an Wirbellosen nicht so weit gekommen wäre. Doch habe ich mich bemüht, möglichst ohne Voreingenommenheit auch die Verhältnisse bei Reptilien allein für sich zu betrachten und mich vor falschen Verallgemeinerungen zu hüten. Dass ich ohne ein Ganzes bieten zu können, jetzt schon meine Resultate schildere, geschieht auch aus folgendem Grunde. Die Schwierigkeit der Materialgewinnung wird wohl auch fernerhin anderen Beobachtern und mir nur ein stückweises Er- kennen gestatten. Viele Einzelbeobachtungen mögen sich später zu einem Ganzen aneinander reihen. Ich werde im Folgenden in der Weise vorgehen, dass ich zunächst die einzelnen Keimscheiben schildere, welehe mir zu Gebote standen, und dann die Deutung anschliesse, welche ich den Befunden gebe. Diesen Weg zu wählen und von einer fort- laufenden Beschreibung des Processes abzusehen, schrieb das spärliche Material vor; noch mitbestimmend war der Wunsch, ergänzenden späteren Untersuchern mein Material. möglichst klar vor Augen zu führen. Die Befruchtung des Reptilieneies. 217 Materialbeschreibung. Anguis fragilis. Die drei Mutterthiere, welche ieh im Folgenden mit ATI, A II und A III bezeichnen werde, erhielt ich in München zu folgender Zeit aus Bozen. Alam. Juni 1891, A II am 15. Juni 1891, A III am 2. Juni 1890. Die Thiere wurden mit Chloroform getödtet, dann wurde der Eileiter herausgenommen und in der Fixirungs- flüssigkeit mit Pincetten eröffnet. Als Fixirungsflüssigkeit diente für AI und AII cone. wässerige Sublimatlösung 9 Theile zu 1 Theil Eisessig. Einige Eier wurden mit Flemming’scher Lösung (10 Theile auf 90 Theile cone. Sublimatlösung) etwa eine Viertelstunde behandelt und dann in Sublimat oder Sublimat- eisessig übertragen. Die Eier wurden in der Fixirungsflüssigkeit sofort geschält. Die Eier aus der Befruchtungszeit lassen sich schon beim Schälen an der Beschaffenheit der Schalen erkennen. Während sonst Blindschleicheneier am leichtesten mit Pineette und Scheere geschält werden können, geschieht dies bei Be- fruchtungsstadien leichter mit 2 Pincetten allein. Die Schale ist nämlich ausserordentlich dünn und lässt sich etwa so leicht wie ein Spinngewebe zerreissen. Diese ausserordentliche Dünn- heit der abgeschälten Haut legt den Gedanken nahe, dass um diese Zeit überhaupt noch gar keine Schale gebildet sein könnte und dass die abgeschälte Haut nur die Dotterhaut gewesen sei oder als ob wenigstens die Schale noch im ersten Beginn ihrer Bildung begriffen sei. Zu dieser Annahme glaube ich umsomehr bereehtigt zu sein, als ich nachher in der Schnittserie eine er- kennbare Dotterhaut nicht mehr vorfand. Wohl zeigte sich der Dotter durch eine scharfe Linie begrenzt, doch kann ich diese Membran (es mag ja wohl eine solche sein) nicht mit der Dotter- haut, wie sie sich bei Tropidonotus natrix Fig.38 D und bei Lacerta viridis Fig. 51 D fand, vergleichen. Auch bei Tropido- notus natrix (worauf ich nachher zu sprechen komme) war die Dotterhaut nur bei zweien von zwölf Eiern eines Mutterthieres erhalten geblieben und bei den übrigen bei Wegnahme der Schale entfernt worden. In der Fixirungsflüssigkeit wurden die geschälten Eier 2 Stunden belassen, dann nach den gewöhnlichen Regeln mit Al- kohol nachbehandelt. Nach 24 Stunden, nachdem die Eier aus 218 Albert Oppel: dem 70°/, Alkohol in 80 °/, übertragen worden waren, schnitt ‚ich die Keimscheiben vom Dotter mit einem Rasirmesser ab. Es geht dies zu dieser Zeit bei jungen Keimscheiben, bei welchen die Umwachsung noch nicht begonnen hat, leicht. Später wird der Dotter im Alkohol hart. Ehe ich die Erfahrung gemacht hatte, welche Vortheile die Anwendung des Rasirmessers bietet, suchte ich die Keimscheiben mit Nadeln, Staarnadeln und ähn- lichen Instrumenten vom Dotter abzuheben, jedoch mit schlech- tem Erfolg. Die Keimscheiben wurden mit Boraxkarmin im Stück gefärbt und dann gezeichnet, darmach wurden sie mit Pa- raffın durehtränkt, geschnitten, untersucht und dann mit Böh- merschem Hämatoxylin nachgefärbt und wieder untersucht. Diese Doppelfärbung, Boraxkarmin-Hämatoxylin, welche mir von meinem Freunde A. Böhm, der sie bei seinen Untersuchungen über die Befruchtung der Forelle anwandte, empfohlen wurde, leistete mir vortrefflliche Dienste, wie ich im Folgenden schil- dern werde. Mutterthier AI enthielt 6, AII 12, AIII 3 Eier. Die Be- funde, welehe ich an denselben machte, werde ich im Folgenden einzeln beschreiben. Hier ist jedoch nöthig, dass ich eine kurze Betrachtung der Eier und namentlich der Keimscheiben, welehe sich im Befruchtungsstadium befinden, vorausschicke, um mich nachher leichter verständlich machen zu können: Die Keim- scheiben, welehe ich im Folgenden beschreiben werde, lagen alle von beiden Polen des Eies gleich weit entfernt. Bei allen war bei der Schälung auch die Dotterhaut abgelöst worden. Die Substanz der Keimscheibe besteht, wie aus dem Schnitt ersicht- lich ist, aus einem feinen plasmatischen Netzwerk, in welches durchweg Partikelehen, welche das Aussehen von Dotterkügel- chen haben, eingestreut sind. Dieselben sind zum Theil sehr fein und färben sich ziemlich intensiv mit Hämatoxylin. An manchen Stellen erreichen dieselben beträchtliche Grösse, nament- lich kommen solche tingible Partikelchen oft in der Mitte der Keimscheibe nahe der Oberfläche vor. Das Netzwerk hört in den tieferen Schichten des Dotters nicht auf, setzt sich viel- ınehr in demselben fort, aber es wird hier weitmaschiger und es finden sich grosse und damit an Masse überwiegende Dotter- kügelehen in dasselbe eingelagert. Damit ist der allmähliche Uebergang in den Nahrungsdotter gegeben, den letzteren jedoch Die Befruchtung des Reptilieneies. 219 vom Furchungsdotter scharf abzugrenzen, möchte ich mich nicht unterfangen. Die feinkörnige (wie ich sie nennen will) Substanz der Keimscheibe liegt als Scheibe dem grobkörnigen Dotter auf. Doch reicht sie keineswegs in ihrem ganzen Umfang bis zur Oberfläche des Eies. Vielmehr greift an dem Rande eine ober- flächliche Schicht des grobkörnigen Dotters herein. Es ist dieses Verhalten aus der Schnittfigur Fig. 2 ersichtlich. Nicht stets genau, doch meist annähernd in der Mitte der Keimscheibe senkt sich die feinkömige Substanz der Keimscheibe zapfenartig in die Tiefe gegen den grobkörnigen Dotter. Es mag diese Stelle etwa dem Ort entsprechen, an welchem früher das Keimbläschen lag. Man vergleiche auch F. Sarasin’s (10) Figur 18 von einem jungen Eileiterei von Lacerta agilis. In diesem Theil der Keim- scheibe über dem Zapfen bis zur Oberfläche fand ich verschieden geformte (zum Theil von Punkt-, zum Theil von Fadengestalt) Körperchen, welche sich mit Boraxkarmin intensiver als die plasmatische Substanz färben. Sie halten Boraxkarmin fast nach Art eines Chromatins beim Ausziehen lange Zeit fest. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass es sich dabei um Reste des Keimbläschens handelt. Gemischt mit den sich hier oft findenden oben erwähnten Partikelchen, welche sich mit Hämatoxylin färben, gibt diese Fadensubstanz bei der von mir angewandten Doppelfärbung einen bunten Anblick, welcher das Auffinden von Kernen erschwert. Der Oberfläche zunächst hören in der Keim- scheibe die feinen körnigen Dotter-Einlagerungen auf, es findet sich dort eine in Figur 13 O nach Behandlung mit Boveri- scher Flüssigkeit (concentrirte wässerige Pikrinsäure wird mit 2 Theilen Wasser verdünnt und dieser Lösung 1°/, Eisessig zu- gesetzt [auf das ganze Volumen berechnet]) besonders (aber auch bei anderer Fixirung) deutliche, fast homogene Plasmaschicht. Ich werde dieselbe die oberflächliche Plasmaschicht nennen. Sie scheint mir gleichartig zu sein mit dem die ganze Keimscheibe durchziehenden Netzwerk und sich in dasselbe fort- zusetzen, nur dass sie eben an dieser Stelle compakt ist. Bei Betrachtung der ungeschnittenen Keimscheiben von der Fläche machte ich bei der Mehrzahl der Keimscheiben (nieht bei allen) eine merkwürdige Beobachtung. Es zeigten sich eine wechselnde Anzahl von kleinen, dunkel erscheinenden Punkten, welche den Eindruck von seichten Grübcehen, Dellen, machten. 220 Albert Oppel: Auf manchen Keimscheiben konnte ich nur eine solche Delle be- .merken (Fig. 6), in anderen mehrere (z. B. zwei in Fig. 1), welche ddann nicht bei allen Keimscheiben mit gleicher Dellenzahl die- selbe, sondern eine unregelmässige Anordnung zeigten. Die Dellen zeigten ziemlich dasselbe Aussehen gleich nach dem Schälen der Eier in der Fixirungsflüssigkeit, wie nach erfolgter Nachbehand- lung und Färbung. Diese Dellen konnten auch aufgefunden wer- den, nachdem die Keimscheiben geschnitten worden waren und unter denselben lagen in der Keimscheibe Kerne. Es war dieses Verhalten ein so constantes, dass für einige Keimscheiben die Zahl der Kerne, welche nachher aufgefunden wurden, schon ma- kroskopisch nach der Zahl der vorhandenen Dellen richtig vor- herbestimmt werden konnte. Die Dellen sind eben noch mit blossem Auge sichtbar. Ich will nicht behaupten, dass die Dellen schon in dem lebenden Ei vorhanden seien; ich habe sie immer erst gesehen, nachdem die Eier aus dem Eileiter genommen und in der Fixirungsflüssigkeit geschält worden waren. Es ist immer- hin möglich, dass die Dellen bei der Blindsehleiche erst unter Einwirkung der Fixirungsflüssigkeit entstanden. Die Dellen machen es möglich, Keimscheiben aus der Be- fruchtungszeit, z. B. von durchgefurchten Keimscheiben, sofort zu unterscheiden. Ich habe keine Kenntniss darüber, in welcher Reihenfolge sieh die Eier in den Eileitern der Mutterthiere befanden; ich weiss daher nicht, ob die Eier, welche zuerst in den Eileiter treten und am tiefsten gerückt sind, auch in der Entwiekelung die am weitesten fortgeschrittenen sind. Diese Beobachtung künftighin anzustellen, wird, wie ich glaube, dadurch erleichtert, dass es möglich ist, die Befruchtungsstadien früh als solche zu erkennen und ihre Reihenfolge im Eileiter sofort nach dem Er- öffnen und Schälen zu notiren. Keimscheibe All. Sofort nach dem Schälen konnte ich mit unbewaffnetem Auge, deutlicher mit der Lupe, 2 kleine dunklere Punkte auf der Keimscheibe erkennen (Fig. 1). Dieselben erwiesen sich später als kleine Einsenkungen, Dellen. In Boraxkarmin gefärbt und mit saurem Alkohol ausgezogen war die Keimscheibe heller gefärbt als der Dotter und setzte sich durch 2 concentrische Die Befruchtung des Reptilieneies. 221 Ringe gegen den Dotter ab; der innere dieser Ringe war dunkler, der äussere heller. Die beiden Dellen waren jetzt deutlicher sichtbar, zeigten sich jedoch an Grösse und Form unverändert. Die Keimscheibe war von ovaler Form, sie maass in ihrem Längendurchmesser etwa 4 mm, im Breitendurchmesser etwa > mm, eingerechnet den dunklen und hellen Ring. Der mittlere Theil der Keimscheibe allein maass im Längendurchmesser etwa >mm. Die eine der beiden Dellen lag annähernd im der Mitte der Keimscheibe; die andere in der Längsaxe von der einen Delle etwa °/, mm entfernt. Beim Schneiden orientirte ich die Keimscheibe so, dass ich parallel der Längsaxe schnitt, so dass die beiden Dellen in einen, d.h. in eine Reihe neben einander liegender Schnitte fielen. Die Grösse der Dellen im Verhältniss zur Keimscheibe lässt sich aus Figur 2 entnehmen. Unter jeder der beiden Dellen lag je ein Kern. Die Orientirung war eme so glückliche, dass die beiden Kerne in zwei neben einander liegenden Sehnitten sich: befinden. Diese beiden Schnitte der Keimscheibe aufeinander gezeichnet stellt Fig.2 dar, d.h. der eine Kern ist in den nebenanliegenden Schnitt, der im übrigen dem ersten Schnitt völlig gleich ist, eingezeichnet. d und d’ sind die beiden Dellen, m und w die beiden Kerne. Auf der ganzen Oberfläche der Keimscheibe fanden sich feine mit Karmin intensiv gefärbte Pünktchen, welche ich nieht mit Sicherheit als Karminniederschläge bezeichnen möchte, obwohl dies das wahr- scheinlichste ist. An Stelle der Dellen waren diese Pünktchen zahlreicher, aber von derselben Form und Grösse wie anderwärts, Ich gehe nun zur Beschreibung der beiden Kerne über, in- dem ich voranschicke, dass ausser den beiden Kernen in der Keimscheibe und dem Dotter, soweit derselbe mit geschnitten wurde, weitere Kerne nicht aufzufinden waren. Ich beschreibe zuerst den Kern, der sich neben der central gelegenen Delle findet (Fig.2w und Fig.3). Der Kern liegt nicht ganz unter der Mitte der Delle, sondern etwas gegen den Pol des Eies zu, welcher der peripheren Delle entgegengesetzt ist, also näher der Mitte der Keimscheibe (vgl. Figg.2 und 3). Der Kern liegt im feinkörnigen Dotter nahe der Oberfläche der Keimscheibe. Das Chromatin des Kerns färbte sich mit Borax- karmin intensiv, bei der Nachfärbung mit Hämatoxylin nahm dieser Kern keine merkbare weitere Färbung an. Das Gerüst des 222 Albert Oppel: Kerns bestand aus einzelnen Fäden, welche ihrer Form nach dar- - auf hinwiesen, dass sich der Kern in der Theilung befindet. Die Figur entspricht etwa dem, was man unter dem Stadium des Knäuels zu verstehen pflegt. Auf der Seite gegen die Ober- fläche zeigte der Kern eine kleine achromatische, deutliche bogen- förmige Linie, über deren Natur und Bedeutung ich nicht klar werden konnte. Vom Kern gegen die Oberfläche der Keim- scheibe lässt sich eine doppelte Linie verfolgen, innerhalb wel- cher das Protoplasma der Keimscheibe verändert erscheint (Fig. 3 st). Ich werde im Folgenden diese Verbindung als „Strasse“ bezeichnen. Gegen den Kern zu erweitert sich die Strasse und schien mir den Kern noch zu umfassen. In der Zeichnung ist dies nur zum Theil wiedergegeben, wie es eben der Zeichner sehen konnte, den ich mieh stets bemühe, nieht durch das, was ich zu sehen glaube, zu beeinflussen. Das Protoplasma in der Umgebung des Kerns scheint wenig verändert; es besteht aus feinkörniger Masse, wie der übrige Furchungsdotter. Ich konnte keinen differeneirten Hof, auch keine Strahlung um diesen Kern erkennen. Der Kern unter der anderen (peripheren) Delle liegt direet unter derselben, der Oberfläche derselben etwas näher als der erstere. Der Kern (Fig.4) war zunächst nach der Fär- bung mit Boraxkarmin nur schwer aufzufinden, da er fast gar nicht gefärbt war. Trotzdem liess ich denselben, wie den an- dern gleich nach der Färbung mit Boraxkarmin zeichnen. Bei der Nachfärbung mit Hämatoxylin färbte sich dieser Kern etwas deutlicher, aber er scheint überhaupt nur wenig Chromatin zu besitzen. Der Kern ist von rundlicher, etwas ovaler Form, die Axe des Ovals steht senkrecht zur Oberfläche der Keimscheibe. In der Umgebung des Kerns findet sich Protoplasma, welches sich von dem feinkörnigen Furchungsdotter, der die weitere Um- gebung bildet, wesentlich unterscheidet. Es erscheint homogen, färbte sich mit Hämatoxylin fast gar nicht, aber ziemlich stark mit Boraxkarmin. Im Schnitte bildet es seiner Form nach einen Hof um den Kern. Strahlung ist deutlich zu erkennen, doch ist dieselbe nicht sehr ausgesprochen. Deutung. (Ich füge der Beschreibung jeder Keimscheibe der besseren Uebersicht wegen kurz bei, welche Deutung ich den Die Befruchtung des Reptilieneies. 223 Befunden im zweiten Theil dieser Arbeit geben werde. Die Be- weise, welche ich für meine Deutungen vorlegen zu können glaube, habe ich im zweiten Theil zusammengestellt.) Weib- licher Vorkern ist vorhanden, er befindet sich nach Abstossung des (zweiten ?) Richtungskörperchens noch im Knäuelstadium. Ein Spermakern ist vorhanden, er liegt weit vom weiblichen Vorkerne entfernt. Keimscheibe Al 2. Eine Delle war in dieser Keimscheibe mit der Lupe nicht zu erkennen. Im Schnitt zeigte sich Folgendes: An einer Stelle, entsprechend der Mitte der Keimscheibe, fand sich eine geringe Einsenkung der Oberfläche. Unter derselben lagen in der Keim- scheibe nahe beisammen (in einem Schnitt getroffen) zwei Kerne (vgl. Fig.5). Die beiden Kerne unterscheiden sich von ein- ander. Der eine derselben (Fig. 5w) ist um ein Bedeutendes grösser als der‘ andere m, hat deutliches, im Ruhe befindliches Kerngerüst und zeigt in seiner Umgebung keine deutliche Ditte- renzirung des Protoplasmas, jedenfalls keinen Hof mit Strahlung. Wohl aber kann man eine kleine Vacuole (Fig. 5 V) auf der dem anderen Kerne zugekehrten Seite des Kernes w deutlich er- kennen. Der andere der beiden Kerne (Fig.5m), der etwa die Grösse des in der Keimscheibe AI 1 beschriebenen Kernes Fig. 4 m besitzt, gleicht auch im übrigen diesem Kerne, doch ist er fast vollständig rund. Strahlung ist von einem den Kern um- gebenden Hof ausgehend deutlich zu erkennen. Das Chromatin- gerüst des Kerns ist in Ruhe befindlich. Beide Kerne liegen gleich weit von der Oberfläche der Keimscheibe entfernt. Wei- tere Kerne konnte ich in dieser Keimscheibe nicht auffinden. Beide Kerne sind nur wenig gefärbt, der kleinere zeigt die rothe Farbe etwas deutlicher. Es ist dies wohl durch den ihn um- hüllenden Hof, der sich mit Boraxkarmin intensiv tingirt, bedingt. Deutung. Ein weiblicher Vorkern und ein Spermakern sind vorhanden, beide liegen nahe beisammen. Keimscheibe AT3 Bei makroskopischer Besichtigung konnte ich im Flächen- bild dieser Keimscheibe, die im übrigen der vorher beschriebenen DD No) Ne Albert Öppel: vollständig gleichsah, nur eine Delle erkennen. In der Schnitt- serie fand ich dementsprechend nur unter dieser einen Delle Kerne, weitere Kerne waren im dieser Keimscheibe nicht auf- zufinden. Es fanden sich unter der Delle zwei in Berührung an einander liegende Kerne (Fig. 7), ein kleinerer und ein grösserer. Der letztere ist etwa doppelt so gross wie der andere. Der kleinere der beiden Kerne (Fig. 7m) färbte sich deutlich mit Boraxkarmin. Er befindet sich im Ruhezustand, ist rundlich und zeigt keine Gliederung. Bei Nachfärbung mit Hämatoxylin färbte sich der Kern noch etwas und wurde, indem sich die beiden Farben deekten, dunkel. gefärbt. Der andere, grössere Kern (Figg. T und 8$w) färbte sich mit Boraxkarmin gar nieht, mit Hämatoxylin dagegen wohl. Dieser Kern ist von ovaler Form und zeigt ein im Ruhezustand befindliches Kerngerüst. Er steht mit seiner Längsaxe senkrecht zur Oberfläche des Eies. Um diesen Kern ist eine kleine Höhle vorhanden. Der Kern selbst ist durch den Sehnitt in zwei Hälften zerlegt. Beide Schnitte sind abgebildet Figg. 7u.8. In dem einen der Schnitte (Fig. 8) scheint er frei in der Höhle zu liegen. Doch besteht an ver- schiedenen Stellen eine lockere Verbindung durch feine Fädehen zwischen dem Kern und dem die Wand der Höhle bildenden Protoplasma. Es scheint mir dies die Annahme als möglich er- scheinen zu lassen, dass im Leben diese Höhle mit eimem bei Einwirkung von Reagentien leicht schrumpfendem Protoplasma erfüllt war und erst infolge der von mir angewandten Behand- lung diese Fadenform in die Erscheinung trat. Doch schliesst dies auch die andere Möglichkeit nicht aus, dass die Höhle durch Schrumpfung der Umgebung entstanden ist. Der kleinere der beiden Kerne liegt nieht frei in dieser Höhle, sondern berührt mit seiner einen Seite das umgebende Protoplasma, mit der an- deren berührt er den grösseren Kern. Eine Strahlung konnte ich nieht erkennen. Der kleinere der beiden Kerne liegt der Oberfläche näher; er liegt oben. Deutung. Ein weiblicher und ein männlicher Vorkern sind vorhanden. Die Conjugation beider hat begonnen. Keimscheibe Al 4. Diese Keimscheibe ergibt denselben Befund wie Keimscheibe AI 3 und kann somit als Bestätigung für das dort Geschilderte Die Befruchtung des Reptilieneies. 225 dienen. Das Lageverhältniss der beiden Kerne, ich glaube das besonders hervorheben zu sollen, ist in diesen beiden Keimscheiben in allen Hinsiehten (zu einander, zur Keimscheibe, zur Höhle) dasselbe wie bei Keimscheibe AI 3. Die Höhle ist in Keim- scheibe AI 4 etwas kleiner als n AI3. Dass ich in dieser Keimseheibe weitere Kerne nicht fand, kann auch darin seinen Grund haben, dass dieselbe beim Ablösen vom Dotter (es ge- schah dies noch mit der Staarnadel) zerbrach. Doch wurde jedes der einzelnen Theilstücke geschnitten und untersucht. Deutung. Conjugation des weiblichen und männlichen Vorkerns. Keimscheibe AI 5. Diese Keimscheibe ergab bei der Flächenbesichtigung das- selbe Bild wie die Keimscheibe A I 1; nur zeigte sie nicht, wie die letztgenannte, zwei Dellen, sondern deren vier. Die vier Dellen lagen emander ziemlich nahe im Raume eines Kreises von etwa 2 mm Durchmesser. In der Schnittserie zeigte sich, dass die eine der Dellen ziemlich die Mitte der Keimscheibe einnimmt und die anderen mehr peripher liegen. Unter der centralen Delle fand ich ein eigenthümliches Gebilde, das ich im Folgenden beschreibe. Das Ganze liegt über 3 Sehnitte vertheilt, in Figur 9, 10, 11 habe ich die entsprechen- den Stellen dieser 3 Schnitte wiedergegeben. Während in dem mittleren der beiden Schnitte wenig zu sehen ist, zeigt sich in den beiden äusseren Schnitten je ein Kugelhäufehen. Dasselbe tingirte sich mit Boraxkarmin deutlich. Ich konnte in einem Schnitt 5, im anderen 6 Kügelchen zählen. Ich fasse jeden der beiden Kugelhanfen als einen Kern auf. Um jeden der beiden Kerne findet sich eine Schicht von Protoplasma, das sich vom übrigen Furchungsdotter durch seine gleichmässige Beschaffenheit unterscheidet. Strahlung lässt sich nicht erkennen. Die die Kerne umhüllende Schieht differeneirten Protoplasmas verbindet auch die beiden Kerme und lässt sich auf dem zwischen den beiden Kernen lagernden Schnitt (Fig. 10) deutlich erkennen. Ausserdem zeigten sich im diesem Schnitt in der Mitte des Hofes h einzelne feine Pünktchen V, die als quer geschnittene Verbindungs- fäden zwischen beiden Kernen gedeutet werden könnten. Die beiden Kerne liegen tief im feinkörnigen Dotter an der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter. 226 Albert Oppel: Unter jeder von zwei weiteren Dellen fanden sich ein Kern von der Art der früher beschriebenen und in Fig. 4 für Keim- scheibe AI 1 abgebildeten. Die Aehnlichkeit der Kerne mit dem letzteren ist so gross, dass ich mich direkt auf jene Ab- bildung beziehen kann. Beide Kerne liegen nahe der Oberfläche und befinden sich im Ruhestadium. Sie zeigen einen deutlichen Hof mit Strahlung, geringe Färbbarkeit mit Boraxkarmin und mit Hämatoxylin. Unter der vierten Delle liegt an der Grenze zwischen fein- körnigem und grobkörnigem Dotter ein in Theilung begriffener Kern (Fig. 12). Derselbe befindet sich im Stadium der Aequatorial- platte und zeigt deutliche Schleifen. Dieselben färbten sich inten- siv mit Boraxkarmin. Die achromatischen Spindelfäden sind deutlich, eine Polstrahlung dagegen ist nieht zu erkennen. Deutung. Die beiden ersten Furchungskerne sind vor- handen, doch haben sie sich eben erst gebildet. Es sind drei Nebenspermakerne vorhanden, davon einer in Theilung begriffen, die anderen im Ruhe. Keimscheibe AI 6. In dieser Keimscheibe konnte ich, obwohl sie in lücken- loser Serie geschnitten ist, keine Kerne auffinden. Kiermscherbe A TLT. In dieser Keimscheibe fand ich drei Kerne. Einer der- selben war etwa noch einmal so gross wie die beiden anderen und kann seinem Ansehen nach wohl mit dem aus Serie AI 2 in Fig. 5 w abgebildeten Kerne verglichen werden. Er lässt m der Umgebung keinen Hof und keme Strahlung erkennen. Die beiden anderen Kerne sind kleiner, sehen eimander und dem in Serie AI 1 Fig. 4m abgebildeten Kerne ähnlich. Beide haben einen Protoplasmahof mit deutlicher Strahlung. Der eine der beiden kleineren Kerne liegt nahe dem grossen, wenig weiter von demselben ab, als m von w in Fig.5. Der grosse und einer der kleineren Kerne liegen nahe der Mitte der Keimscheibe; der andere der beiden kleineren Kerne liegt weit ab, nahe dem Rande der Keimscheibe. Jeder der drei Kerne liegt unter einer seichten, aber deutlichen Delle. Deutung. Ein weiblicher Vorkern, 2 Spermakerne. Die Befruchtung des Reptilieneies. 227 Keimscheibe AII 2-Allll. Diese Keimscheiben kann ich zusammen besprechen, da sie sich in vielen Punkten ähnlich sind. Ich werde zunächst das anführen, was allen diesen Keimscheiben gemeinsam ist und dann das, wodurch sie sieh unterscheiden. Alle diese Keimscheiben weisen zwei beisammen liegende Kerne auf. Diese Kerne liegen stets in der Mitte der Keim- scheibe. In allen diesen Keimscheiben finden sich mit Ausnahme von A II 2 noch weitere Kerne. Die Zahl der letzteren wechselt von 1—5. In Keimscheibe A II 3u.4 findet sich ein, in Keim- scheibe AII 5—7 zwei, in Keimscheibe A II 8—10 drei und in Keimscheibe A II 11 sogar 5 solcher weiterer Kerne. Die beiden beisammen liegenden Kerne sind nicht m allen Keim- scheiben nach Aussehen und Lage gleich. In Keimscheibe 2, 5, 6, 8, 9 und 11 ist der eine der beiden Kerne etwa doppelt so gross wie der andere (Figur 15 aus Serie II 6). In Keimscheibe A IT 3 ist der eine Kern nur wenig grösser als der andere (Fig. 13). In allen diesen Keimscheiben tingirt sich der kleinere der beiden Kerne etwas intensiver, da er sich sowohl mit Boraxkarmin wie mit Hämatoxylin färbt, während der grössere nur Hämatoxylin annahm. Doch erhielt ich auch hier den Eindruck, als ob die dunklere Rothfärbung des kleineren Kernes dadurch bedingt sei, dass derselbe inniger von dem sich intensiv mit Boraxkarmin färbenden protoplasmatischen Hof umschlossen ist als der andere Kern. In Keimscheibe A II 4 und AII 7 sind die beiden Kerne nahezu gleich gross. Die Lage der beiden Kerne zu einander und zur Oberfläche der Keimscheibe ist eine verschiedene. In allen Keimscheiben ausser A II 3 liegt der grössere der beiden Kerne näher der Oberfläche (vgl. Fig. 13), der kleinere ferner; der grössere liegt auf dem kleineren, nur in Keimscheibe AII 3 (Fig. 15) ist es umgekehrt. In den Keimscheiben, in welchen sich die beiden Kerne so gleich sehen, dass eine Unterscheidung beider nur schwer möglich ist (A II 4 und A II 7), kann selbstredend auch über das Lageverhältniss keine genaue Angabe gemacht werden. In der Mehrzahl der Fälle verlief die Axe, welche den Mittelpunkt beider Kerne verbindet, annähernd senkrecht zur Ober- 298 Albert Oppel: fläche des Eies (diese als Ebene gedacht, Keimscheibe ATI 2, 3,5,6,8, 11), seltener unter einem spitzen Winkel (Keimscheibe A II 4, 7,9, 10). Dass sie annähernd parallel zur Oberfläche lief, habe ich in keinem Fall beobachtet. Um die beiden Kerne fand sich in allen Keimscheiben ein mehr oder weniger deutlicher Hof, derselbe umfasst in Keimscheibe AII 2, 8, 9, 11 besonders den kleineren der beiden Kerne. Von diesem Hof ging in allen Keim- scheiben eine Strahlung aus, besonders deutlich war dieselbe in Keimscheibe AII 2, 4, 6, 8,9, 11. Die weiteren Kerne, deren Anwesenheit in diesen Keim- scheiben ich erwähnte, waren stets dem kleineren der beiden -ähnlicher als dem grösseren. Sie zeigten stets einen deutlichen Hof mit Strahlung. Von diesen Kernen lag die Mehrzahl unter deutlichen seichten Dellen (Fig. 14 aus Serie AII 3). Als be- sonders auffallend habe ich folgenden Umstand zu erwähnen. In Keimscheibe AII 4 fand ich neben den beiden zusammen- liegenden Kernen noch ein zweites solches Paar vor. Dasselbe lag nieht wie das zuerst beschriebene in der Mitte der Keim- scheibe, sondern etwas entfernt davon, nicht über dem Zapfen der Keimscheibe (d.h. der Stelle, an welcher früher nach meiner Ansicht das Keimbläschen lag), sondern ausserhalb desselben. Während im ersten Kernpaar die Verbindungslinie der Mittel- punkte beider Kerne zur Oberfläche der Keimscheibe nur wenig geneigt war, stand die des zweiten Kernpaares parallel zur Keim- scheibenoberfläche. Die spitzen Winkel, welche jede der beiden Axen mit der Keimscheibenoberfläche bilden, schauen mit der Spitze gegeneinander. Die beiden Axen schneiden sieh etwa unter einem rechten Winkel. Die beiden Kernpaare zeigen einen deutlichen Hof mit Strahlung. Welche Deutung ich diesem zu- letzt beschriebenen merkwürdigen Befunde gebe, werde ich später erörtern. Deutung: Keimscheibe A II 5 Conjugation. Keimscheibe II 3 Conjugation, ein Nebenspermakern. II 4 Zwei Conjugationen, em „ ni II 5—7 Conjugation, zwei Nebenspermakerne. h 18 40 N. drei " e ol 4 fünf h N Die Befruchtung des Reptilieneies. 229 Keimscheibe AT: In dieser Keimscheibe fand ich nur einen einzigen in Theilung begriffenen Kern. Derselbe liegt .in der Mitte der Keimscheibe über dem Zapfen, an der Stelle, an welcher in den zuletzt beschriebenen 10 Keimscheiben die in Conjugation be- findliehen Kerne liegen. Weitere Kerne fand ich in dieser Keim- scheibe nicht vor. Die Theilungsfigur Figur 16 und 17 ist eine äusserst regel- mässige. Sie ist fast parallel zur Längsrichtung geschnitten und durch den Schnitt getheilt. Der Schnitt, welchem Figur 16 ent- nommen ist, enthält den grösseren Abschnitt der Theilungsfigur. Es ist ein Stern von Schleifen gebildet, welehe mit Boraxkarmin intensiv gefärbt sind. Die Zahl der Schleifen kann ieh nicht genau angeben, um so weniger, da kleine Abschnitte von manchen Schleifen im den nebenan liegenden Schnitt Figur 17 gefallen sind, doch sind es jedenfalls über 12, ich möchte etwa 18—24 schätzen. Die achromatische Spindel ist überaus deutlich, Pol- strahlen konnte ich nicht erkennen. Die Form des Ganzen ähnelt sehr der Figur 26. Doch schemt im jetzt betrachteten Fall die Zahl der Schleifen eine grössere zu sein. Die Axe der Theilungsfigur verläuft zwar nicht ganz, aber nahezu parallel der Oberfläche der Keimscheibe, sie bildet zu derselben einen spitzen Winkel. Die Figur liegt ziemlich entfernt von der Oberfläche der Keimscheibe. Deutung: Theilungsfigur des ersten Furchungskernes. Keimscheibe Alll 1. In dieser Keimscheibe fand ich zwei sich berührende und drei weitere Kerne, Von den beiden sich berührenden Kernen ist der eine etwas kleiner als der andere; um beide ist ein Hof mit Strahlung erkennbar. Die Kerne liegen in der Mitte der Keimscheibe unter einer flachen Einsenkung der Oberfläche. Die drei anderen Kerme liegen zerstreut in der Keimscheibe, jeder in einem Hof mit deutlicher Strahlung. Alle Kerne sind weniger deutlich erhalten und erscheinen etwas (wie auch die m der folgenden Keimscheibe aufgefundenen) kleiner als die bei Mutterthier AI und II beschriebenen. Dagegen sind Hof und Strahlung bei A III deutlicher erkennbar. Es mag dies damit 230 Albert Oppel: in Zusammenhang stehen, dass ich für AI Boveri'sche Flüssig- keit als Fixirungsmittel verwandte. Ich habe in Fig. 13 einen der Nebenspermakerne aus dieser Keimscheibe abgebildet. Diese Figur ist mit denselben Systemen und sogar bei grösserer Tubuslänge gezeichnet, wie Fig. 4m und 14 m; trotzdem erscheint der Kern in der Zeichnung bedeutend kleiner als der in der letzteren Figur, dies entspricht jedoch dem Präparat. Besonders deutlich ist in dieser Keimseheibe die oberflächliche protoplasmatische Schicht zu sehen (Figur 18 0). Dieselbe setzt sich nieht in einer geraden Linie gegen die darunter liegende Schicht ab, vielmehr schickt sie unregelmässige Aus- läufer in diese Schicht hinein. An der Grenze erscheimt in der Zeichnung noch eine weitere dunkler gehaltene Zwischenschicht. Es macht jedoch den Eindruck, als ob dieselbe nur durch das Uebereinandergreifen der Ausläufer der beiden beschriebenen, in dieser Linie an einander stossenden, Schichten bedingt wäre. Deutung. Conjugation, 3 Nebenspermakerne. Keimscheibe Alll 2. In dieser Keimscheibe fand ich drei Kerne mit Hof und deutlicher Strahlung, ähnlich denjenigen, welehe in ATII 1 be- schrieben und in Figur 18 abgebildet wurden. Dieselben liegen alle nieht weit von der Mitte der Keimscheibe entfernt, doch konnte ich in der Mitte selbst keine Keme auffinden. Deutung. 3 Spermakerne. Keimscheibe Alll3. Diese Keimscheibe kam als eine der ersten in Behandlung und verunglückte, als ich sie mit der Staarnadel vom Dotter ab- zulösen versuchte. Kerne wurden in derselben, obschon die Mitte der Keimseheibe verhältnissmässig gut erhalten ist, nicht auf- gefunden. Tropidonotus natrix. Einem Mutterthier wurden 12 Eier entnommen. Die Eier wurden erst zeschält, nachdem sie etwa 3 Stunden in Sublimat- Chromsäure gelegen hatten. In Alkohol wurden die Keimscheiben nach 24 Stunden mit dem Rasirmesser abgetragen, mit Borax- Die Befruchtung des Reptilieneies. 231 karmin im Stück gefärbt, mit Paraffın durchtränkt, geschnitten und mit Hämatoxylin nachgefärbt. Die Keimscheiben waren nicht alle gleich gross. Vielmehr wechselte die Grösse derselben fast um das Doppelte des Durchmessers. Die Keimscheiben lagen alle auf der Breitseite des Eies ziemlich in der Mitte, das heisst gleich weit von beiden spitzen Polen entfernt. Sofort nachdem die Eier geschält waren, liess sich auf der Oberfläche der Keimscheiben Folgendes erkennen: Es zeigten sich auf allen Keimscheiben mehr oder weniger zahlreiche dunkle Punkte, welche den Eindruck von Dellen (Einsenkungen, Gruben) machten. Dieses Bild, das ich von Anguis fragilis her kannte, brachte mich sofort auf den Gedanken, dass ich es hier mit Be- fruchtungsstadien zu thun habe. Es ergab sich hernach, dass zwar die Befruchtung schon vorbei war, aber bei der Mehrzahl der Keimscheiben die Bildung der beiden ersten Furchungskerne eben erst begonnen hatte. Namentlich dem ungeübten Auge (dürften die Dellen als Anhaltspunkt dienen, um auch bei Tro- pidonotus natrix Befruchtungsstadien leicht von durehgefurchten Keimscheiben unterscheiden zu können, was z.B. für Wahl von für das eine oder andere geeigneten Fixirungsflüssigkeiten nütz- lich sein mag. Ein Theil der Keimscheiben wurde nach der Färbung mit Boraxkarmin vor dem Schneiden gezeichnet. Fig. 33 und 49 zeigt solche Keimscheiben mit zahlreichen in der Zeichnung dunkel gehaltenen Gruben. Die Keimscheiben von Tropidonotus sind, wie bekannt ist, viel grösser als die der Blindschleiche. Es wurden dieselben daher bei der Zeichnung nur Gmal vergrössert, während die Blindschleichenkeimscheiben Fig. 1 und 6 12mal vergrössert sind. Die Sehichtung des Dotters ist auch hier keine so deut- liche wie bei der Eidechse. Immerhin lässt sich concentrische Anordnung bisweilen auch Schiehtung des Dotters um eine dotterarme Stelle, welehe nicht immer unter der Mitte der Keim- scheibe liegt, erkennen. Ihrer räumlichen Ausdehnung nach ent- spricht die dotterarme Stelle etwa dem im Flächenbilde bei manchen Keimscheiben, z.B. Fig. 49, sichtbaren inneren dunklen Ring. Vergl. auch die Schnittfigur Sarasin's (Fig. 1) von La- certa agilis. Diese dotterarme Stelle ist durch ein gut entwickeltes Plasmanetz ausgefüllt. Nach oben gegen die Keimscheibe er- streekt sich, ausgehend von der dotterarmen Stelle, häufig ein Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 16 232 Albert Oppel: streifenförmiger Fortsatz, gleichfalls aus dotterarmem Plasma be- stehend. Doch findet eim Zusammenfluss mit der feinkörmnigen Masse, welche die Keimscheibe bildet, zumeist nieht statt, viel- mehr schiebt sich noch grobkörniger Dotter dazwischen. Nur entsprechend der Mitte der dotterarmen Stelle zeigt die Keim- scheibe einen zapfenartigen Vorsprung gegen den Dotter, und dieser kommt bisweilen in nahe Berührung und selbst zum Zu- sammenfluss mit dem Fortsatz der dotterarmen Stelle. Oft er- streckt sich neben dem nach oben gehenden Zapfen der dotter- armen Stelle ein Zapfen, ausgehend von der tiefsten Schicht der Keimscheibe, in die dotterarme Schicht hinein. Zapfen der dotterarmen Schieht gegen die Keimscheibe finden sich bisweilen auch mehrere. Man sieht daraus, dass Beziehungen zum Ei an- derer Reptilien, wie zum Vogelei, immerhin vorhanden sind. Wohl zu erkennen ist auch hier die bei der Blindschleichen- keimscheibe beschriebene oberflächliche Schicht feinsten Proto- plasmas des Furchungsdotters. An der Stelle der Keimscheibe, welche über der Mitte der dotterarmen Schicht liegt, finden sich auch hier zerstreut im Furchungsdotter jene feinen, mit Boraxkarmin tingiblen Partikel- chen, welehe ich bei der Blindschleichenkeimscheibe besprochen habe. Die Eischale ist viel dieker als bei Anguis fragilis. Die Dotterhaut ist beim Schälen nur bei Keimscheibe T3 und T 9 auf der Keimscheibe haften geblieben und mitgeschnitten worden. Die Keimscheiben bezeichne ich mit T1 bis T 12 und beschreibe dieselben im Folgenden einzeln. Die Reihenfolge richtet sich nicht nach dem Entwiekelungsgrad der Keimscheibe. Keimscheibe Tl. Ich beginne die Schilderung mit dieser Keimscheibe, weil die Deutung des Befundes mir hier nicht schwierig erscheint. Von der Fläche gesehen konnten auf dieser Keimscheibe (Fig. 33) nur etwa 6 Einziehungen deutlich wahrgenommen wer- den. In der Sehnittserie fand sich eine Theilungsfigur,, welche ich im Folgenden beschreiben werde, und 14 im Ruhe befind- liche Kerne. Die Theilungsfigur (Fig. 34) liegt in der Mitte der Keim- scheibe über der dotterarmen Stelle, tief im Furchungsdotter an Die Befruchtung des Reptilieneies. 233 der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter. Das Chromatin hat sich in zwei Häufchen getheilt, welche von einander getrennt liegen. Die Chromosomen lassen sich erkennen zum Theil als kurze Stäbchen, zum Theil nur als ganz kleine Kügelehen (viel- leicht sind die letzteren auch Stäbchen, welehe senkrecht auf der Bildfläche stehen). Zwischen diesen Elementen liegt nun offenbar noch eine zum Kern gehörige Substanz; ob es sich da- bei aber um Kügelchen handelt, ähnlich denen der Fig. 9 und 11 bei der Blindschleiche konnte ich nicht mit Sicherheit erkennen. Jedenfalls würde es sich hier um ein jüngeres Stadium handeln. Ich fasse die beiden Gebilde als Tochterkerne auf, welehe eben anfangen in Ruhe überzugehen. Um jeden dieser beiden Tochter- kerne bildet feines, fast homogen erscheinendes Plasma einen Hof. In diesem sind namentlich auf der einander zugekehrten Seite der beiden Kerne Fäden sichtbar, welche als noch von der Thei- lung her bestehende Verbindungsfäden aufgefasst werden können. Auf dem nächsten nicht abgebildeten Schnitt ist das Durchlaufen der Fäden von Figur zu Figur deutlicher zu sehen. Die übrigen 14 Kerne dieser Keimscheibe befinden sich sämmtlich im Ruhezustand. Es sind alle bis auf einen, welehen ich besonders beschreiben werde, wohlgebildete Kerne mit deut- lichem Chromatingerüst. Alle sind von einem aus fast homogen er- scheinenden Protoplasma gebildeten Hofe umgeben. Von diesem Hof strahlt das Protoplasma in radiärer Anordnung in die Um- sebung aus. An manchen Stellen setzen sich die Strahlen bis zu der oberflächlichen plasmatischen Schicht fort, in welche sie dann übergehen, in ähnlicher Weise, wie dies in Figur 43 aus Serie T3 der Fall ist. In anderen Richtungen scheinen sie mit dem die ganze Keimscheibe durehziehenden Protoplasmagerüst in Verbindung zu stehen. Ueber Stellen, an welchen sich Kerne finden, verläuft in dieser Keimscheibe nur in einem einzigen Falle die Oberfläche der Keimscheibe unverändert. Ueber allen anderen Kernen bildet sie mehr oder weniger tiefe Einsenkungen, Dellen, Gruben. Solche sollen bei Keimscheibe T 3 des Ausführlichen unter Vorlegung von Abbildungen beschrieben werden. Hier sei nur bemerkt, dass in dieser Keimscheibe fünf Kerne unter Dellen, acht unter mehr oder weniger tiefen Gruben liegen. Einer dieser einzelnen Kerne unterscheidet sich nach Form 254 Albert Oppel: und Verhalten gegen Tinetionsmittel von allen übrigen. Er ist viel kleiner, als alle anderen, von rundlicher Form und färbt sich dunkelroth mit Boraxkarmin. Es macht so den Eindruck, als ob in demselben das Chromatin in klemem Raum dieht zu- sammengehäuft sei. Ich werde bei Beschreibung weiterer Keim- scheiben auf solche Kerne wieder zurückkommen. Ich habe diese Serie der Reconstructionsfigur 3, welche ich in der Zusammenstellung meiner Resultate über dieses Thema im V. Jahrgang des Anatomischen Anzeigers gegeben habe, zu Grunde gelegt. Es zeigt sich bei Vergleichung von Fig. 33 mit dieser Reconstructionsfigur, dass sich der Lage nach nur 5 von den auf der Keimscheibe makroskopisch gesehenen Einziehungen auf in der Reconstructionsfigur dargestellte Kerne beziehen lassen. Irgend eine Andeutung von Furchung konnte an dieser wie an .den im Folgenden beschriebenen Keimscheiben desselben Mutterthieres nicht aufgefunden werden. Deutung. Die zwei ersten Furchungskerne sind in Bil- dung begriffen. 14 Nebenspermakerne. Keumscheibesl,>. In dieser Keimscheibe fand ich im Ganzen 39 Kerne, es ist dies die höchste Zahl, welche in den 12 Keimscheiben dieses Mutterthieres vorkam. Die Formen, welche sieh unter diesen Kernen finden, erfordern wegen ihrer Mannigfaltigkeit eine etwas ausführlichere Beschreibung. Ich beginne mit zwei Kernen, denen ich eine besondere Bedeutung gegenüber allen übrigen in dieser Keimscheibe sich fndenden Kernen zuzuschreiben geneigt bin. Der eine der Kerne ähnelt sehr den in Fig.9 und 11 von der Blindschleiche abgebildeten Kernen und ist in Fig. 36 a abgebildet. Er besteht aus etwa vier bis sechs kleinen, wenig tingirten Kügelchen, welche, nahe beisammen liegend, sich innig berühren. Der an- dere ist in Theilung begriffen und in Fig.36b abgebildet. Er ähnelt wenig der nachher zu beschreibenden Figur 35. Er hat nämlich eine nur wenig deutliche Polstrahlung, auch sind deutlich abgesetzte Schleifen -oder Stäbchen nicht zu erkennen. Wenn man das Ganze als eine Theilungsfigur ansprechen will, muss man es jedenfalls im Vergleich mit der Figur 55 als eine unregelmässige bezeichnen. Die beiden beschriebenen Kerne, der Die Befruchtung des Reptilieneies. 235 aus Kügelehen bestehende und die Theilungsfigur liegen nahezu in der Mitte der Keimscheibe, über der dotterarmen Stelle. Es finden sieh aber auch noch weitere Kerne in dieser Keimscheibe, welehe sich nicht in Ruhe befinden. Ich fasse zunächst die Theilungsfigur Fig. 35 m’s Auge. Dieses Gebilde liess sich mit schwacher Vergrösserung nach Färbung mit Boraxkarmin zu- nächst nur als feinen rothen Strich erkennen. Mit starker Ver- grösserung erhielt ich das Bild, welches Figur 35 darstellt. Es erwies sich als Theilungsfigur, «die achromatische Spindel mit den Polstrahlen ist sehr deutlich, die cehromatischen Elemente treten weniger hervor. Die Axe der Spindel läuft nahezu parallel zur Schnittebene, zur Oberfläche der Keimscheibe jedoch unter einem kleinen spitzen Winkel. Der Versuch, die chromatischen Ele- mente durch langdauernde Nachfärbung mit Hämatoxylin deut- licher zu machen, hatte wenig Erfolg. Ich wurde so zu dem sedanken geführt, dass die cehromatischen Elemente hier ent- weder wenig tingibel, oder nur in ganz geringer Masse vorhanden sein müssten. In der That zeigte sich, als ich nun zur Oelimmer- sion griff, dass Chromosomen wohl vorhanden waren, aber weder die Form, noch die Grösse, noch die Anordnung zeigten, welche ich von Theilungsfiguren, z.B. von Furehungskernen der Blind- schleiehenkeimscheibe (Fig. 26 und 27) zu sehen gewohnt war. Es handelt sieh im dieser Figur um kleine dünne Stäbchen, Schleifen vermochte ich nicht mit Bestimmtheit zu erkennen. Diese Stäbehen waren nicht etwa zu einer Aequatorialplatte oder in einer der gewöhnlichen Formen der Metakinese angeordnet. Vielmehr lagen einzelne schon an den beiden Polen, andere zwischen den die beiden Pole verbindenden achromatischen Fä- den, so wie es die Figur 35 zeigt. Jedenfalls, glaube ich, kann kein Zweifel darüber sein, dass es sich hier um eine Theilungs- figur handelt. Das Protoplasma, in welches die Figur eingebettet liegt, unterscheidet sich von der Umgebung. Es stellt eine fast homo- gene, nur ganz fein granulirte Masse dar, welche als eine An- häufung des zwischen den gröberen Körnern des Furchungs- dotters überall "liegenden feinen Protoplasmas des Furchungs- dotters aufgefasst werden kann. Im Nahrungsdotter findet sich nicht weit von der beschriebenen Figur ein Riss, die Figur halb- mondförmig umfassend. Dieser Riss, von dem ich glaube, dass 236 Albert Oppel: er bei der Fixirung entstanden ist, scheint mir dafür zu spre- chen, dass der Hof um die Figur aus einer zwar leicht schrum- pfenden, aber doch sehr festen Substanz besteht. Wäre das letztere nicht der Fall, so hätte der Einriss nieht im umgebenden Nahrungsdotter, sondern im Hof selbst entstehen müssen. Die Lage dieser Figur ist nicht ganz über der Mitte der dotterarmen Stelle, sondern etwas, aber wenig ausserhalb von derselben. Unter den übrigen 36 Kernen konnte ich eine zweifellose Theilungsfigur nicht erkennen, wohl aber unterscheiden sich ein- zelne der Kerne von den im Ruhezustande befindlichen. Das Chromatin dieser Figuren, es sind zwei solche Kerne, ist nicht in der regelmässigen Anordnung, welche es bei ruhenden Kernen zeigt. Vielmehr besteht der eine der Kerne aus einem Haufen von kleinen Chromatinpartikelchen, der andere aus einem mehr stabförmigen Gebilde mit mehreren Ausläufern. Doch liegen die Gebilde wie die anderen Kerne innerhalb eines protoplasmatischen Hofes, und um das zuerst beschriebene der beiden ist eine deut- liche Strahlung wahrnehmbar. Das Aussehen dieser Formen, die sich auch in den später zu beschreibenden Keimscheiben wieder- finden, zeigt eine gewisse Regelmässigkeit, so dass ich dieselben nicht ohne Weiteres als zerfallende Kerne bezeichnen möchte. Auch hier finden sich wieder kleine intensiv gefärbte Kerme (11 an der Zahl), wie ich schon eines in der zuerst beschriebenen Keimscheibe erwähnt habe. In Keimscheibe T4 und 6 werde ich solche Körperchen näher beschreiben. Hier verweise ich auf die Figur 46, welche einen derartigen Kern aus Keimscheibe T 4 darstellt. Die übrigen Kerne, die Mehrzahl (25), sind regelmässig, wie die früher beschriebenen und ähnlich den in Fig. 43 und 45 abgebildeten. Alle besitzen einen Hof mit deutlicher, weithin sich erstreckender Strahlung. Die Lage derselben ist eine ver- schiedene, eimige sind nahe der Oberfläche, andere tief unten an der Grenze des Furchungs- gegen den grobkörnigen Dotter in unregelmässigen Abständen von einander zu finden, bald mehrere nahe beisammen, andere in der Keimscheibe zerstreut, einige näher der Mitte, andere nahe dem Rand. Alle diese Kerne zeigen ein mässiges Tinetionsvermögen für Boraxkarmin, ein ge- ringeres bei Nachfärbung mit Hämatoxylin. Ueber einem Theil der Kerne zeigte die Oberfläche des Die Befruchtung des Reptilieneies. 237 Dotters keine Einsenkung, verlief vielmehr glatt über die Kerne weg. Ueber den anderen Kernen, und dies ist etwa die Hälfte der ganzen Zahl, bildet die Oberfläche der Keimscheibe eine mehr oder weniger tiefe Grube. Solehe Gruben habe ich aus Keimscheibe T3 Fig. 37, 35 und 40 abgebildet und werde sie dort eingehender besprechen. Deutung. Zwei Furchungskerne, davon einer in Thei- lung begriffen, 37 Nebenspermakerne, davon sind 11 unausge- bildet und einer in Theilung begriffen. Die Deutung dieser Keim- scheibe stelle ich mit Vorbehalt auf. Die Gründe hiefür werde ich im zweiten Theil dieser Arbeit angeben. Keimseheibe/D3.,* In dieser Keimscheibe konnte ich 24 Kerne auffinden. Die- selben befanden sich sämmtlich im Ruhezustand. Doch war der Aufbau des Kerns und des Kerngerüstes nicht bei allen gleich. Diejenigen, welehe sich von den bisher beschriebenen unterschei- den, werde ich im Folgenden beschreiben. Bei dem grösseren Theil der Kerne war die Strahlung deutlich. Ueber neun Kernen war die Oberfläche der Keim- scheibe unverändert, über neun weiteren zeigte sie eine seichte Delle, z.B. Figur 43; sechs Kerne endlich lagen unter mehr oder weniger tiefen Gruben (Fig. 37, 38, 40). Die in anderen Keimscheiben aufgefundenen Gruben sind den in dieser Keim- scheibe beobachteten und zum Theil (Fig. 37-—40) abgebildeten Gruben ähnlich und so kann ich bei den anderen Keimscheiben auf die hier gegebene folgende Schilderung der Gruben Bezug nehmen. Zunächst fasse ich eine Grube mit Kern ins Auge (Fig. 37). Die Grube senkt sich triehterförmig ein, verjüngt sich aber nicht bis zu ihrem Grunde gleichmässig, vielmehr zeigt sie im Grunde noch einmal eine bauchige Erweiterung. Der zu der Grube ge- hörige Kern liegt nicht direet unter der tiefsten Stelle der Grube, sondern neben derselben. Der Dotter schliesst nicht allseitig dieht an den Kern an, vielmehr bleibt ringsum ein feiner Spalt- raum. Strahlung ist in der Umgebung des Kerns deutlich, die- selbe wurde vom Zeichner so wiedergegeben, wie er sie bei schwacher Vergrösserung sehen Konnte. Ich beschreibe jetzt die Grube, welche in Fig. 38 dargestellt 238 Albert Oppel: ist. Diese Grube ist etwa ebenso tief, wie die eben beschrie- . bene, aber viel enger. Ich habe zwei neben einander liegende Schnitte abgebildet. Die Ebene der Fig.39 ist also vor oder hinter, aber parallel zur Ebene der Figur 38 zu denken. (stellt nicht etwa eimen Querschnitt dar). Denkt man sich die zwei Schnitte so aufeinandergelegt, dass sich die Kerne annähernd deeken, so erhält man eine lange röhrenförmige Grube, welche sich unten gabelt. Die freie Oefinung der Grube gegen die Keimscheibenoberfläche ist in Figur 38 nicht ersichtlich, dieselbe ist aber deutlich im nächsten, nieht abgebildeten Schnitt. Oben über die Grube läuft die Dotterhaut weg, ohne sieh einzusenken. Von der Wand der Grube ragen feine Fäden hinaus, welche flimmerähnliches Aussehen besitzen. Dieselben werden wohl em Gerinnungsproduet sem. Der Inhalt der Grube besteht aus einem Fadenwerk, das wohl gleichfalls ein Gerinnsel darstellt, aber die Eigenschaft hat, sich mit Hämatoxylin intensiv blau zu färben. Es ist in der Zeichnung dunkel gehalten. Solehes Gerinnsel findet sich häufig in tiefen Gruben. Der Kerm liegt der Grube direet an, ragt sogar in dem Sehnitt Fig. 39 scheinbar noch etwas in die Grube hinein. Es ist wohl anzunehmen, dass es sich hierbei eben um ein Darauf- oder Darunterliegen des Kerns und nicht um ein Hinemragen handelt. Wohl aber ziehen sich deutlich einige Fäden von der Seite des Kerns in den gegabelten unteren Abschnitt der Grube hinein und scheinen mit dem blauen serinnsel in Verbindung zu stehen. Der Kern selbst ist einer von denen, welcher sich von den bisher als „ruhende Kerne mit Strahlung“ beschriebenen wesentlich unterscheidet. Die Form des Kerns ist keine regelmässige. In Schnitt Fig.38 scheint sich ein vorderer rundlicher Theil gegen einen breiteren An- satz am Hinterende abzuheben. Der Theil des Kerns, welcher in Schnitt Fig.39 gefallen ist, ist ziemlich stark gelappt. Um den Kern findet sich ein heller Spaltraum. Das Protoplasma in der Umgebung des Kerns unterscheidet sich in keiner Weise vom übrigen Protoplasma des Furchungsdotters, es ist kein Hof vorhanden. Von Strahlung ist nichts zu erkennen. Eine weitere Grube mit Kern ist in Fig. 40 abgebildet. Die Grube zeigt eine andere Form als die beiden vorher beschrie- benen, sie ist weniger tief und mehr rundlieh. In derselben lässt sich gleichfalls in der Tiefe, von der Wand ausgehend, ein Die Befruchtung des Reptilieneies. 239 flimmerähnlicher Besatz schon mit schwacher Vergrösserung er- kennen. Der zu dieser Grube gehörige Kern liegt ziemlich ent- fernt von derselben in einer kleinen Vacuole. Mit schwacher Vergrösserung lässt sich weder ein Hof, noch eine Strahlung um denselben erkennen. Untersucht man jedoch mit starker Ver- grösserung diesen (Fig. 41) und namentlich den folgenden Schnitt (Fig. 42), so sieht man in der Umgebung des Kerns das Proto- plasma verändert, es ist ein feines Netzwerk sichtbar, welches vom Kern aus gegen die Umgebung ausstrahlt und sich in das feine Netzwerk, welches den ganzen Furchungsdotter durchzieht, fortsetzt. Eine eigentliche Strahlung kann man es nicht nennen, es fehlt hierzu die Regelmässigkeit und insbesondere die radiäre Anordnung. Endlich schliesse ich noch die Beschreibung einer Abbil- dung an, welehe einen Kern darstellt, der, wie die Mehrzahl der Kerne dieser und der anderen beschriebenen Keimscheiben eine ganz regelmässige Strahlung zeigt (Fig. 43). Der Kern liegt in einem Hof, der sich mit Boraxkarmin leicht tingirt. Von diesem Hof geht die Strahlung aus. Es erscheint deutlich, dass es eben die Substanz des Hofes ist, welehe sich in die Strahlung fort- setzt. Der Kern liegt nicht ganz in der Mitte des Hofes, son- ddern näher dem einen Pole desselben. Der Hof ist von ovaler Gestalt. Im Kern zeigten sich als Randbegrenzung deutlich zwei scharfe Linien, so dass anzunehmen ist, dass nicht die äusserste Schichte des Chromatins auch die äusserste Schichte des Kerns ist, dass vielmehr noch eine umfassende Hülle be- steht. Die Strahlung reieht weithin durch das Protoplasma; verfolgt man die einzelnen Strahlen genauer, so sieht man, dass dieselben nicht frei endigen, sondern allmählich in die feine netz- artig, den Furchungsdotter durchziehende Substanz übergehen. Die Anhäufung dieser Substanz unter der Oberfläche der Keim- scheibe zu einer eigenen Schicht, welche ich die oberflächliche Plasmaschicht genannt habe, ist in dieser Figur deutlich zu sehen. An der Oberfläche der Keimscheibe sieht man über diesem Sehnitt eine seiehte Delle. In einem der nächsten Schnitte ist dieselbe etwas tiefer. Deutung. Furchungskerne habe ich nieht aufgefunden; 24 Nebenspermakerne. 240 Albert Oppel: Keimscheibe T 4. In dieser Keimscheibe fand ich im Ganzen 16 Kerne. Zwei der- selben unterscheiden sieh jedoch nach Form und Lage so sehr von allen übrigen, dass ich dieselben zunächst gesondert beschreibe. Die beiden Kerne liegen in der Mitte der Keimscheibe nahe bei einander im einem Schnitt Fig. 44 f u. f”. Die Kerne sind kleiner als alle übrigen Kerne, welehe sich in dieser Keim- scheibe finden. Doch sind sie wohl gebildet, rund und zeigen ein deutliches Kerngerüst mit wenig Chromatingehalt. Die Kerne sind wenig roth gefärbt. Der eine der beiden Kerne scheint aus zwei kugligen, aber mit eimander verbundenen Hälften zu bestehen; auch der andere zeigt eine kleine Einschnürung. Um Jeden der beiden Kerne liegt ein Hof von Protoplasma, welcher sich von der Umgebung nur wenig deutlich (deutlicher auf der Seite gegen den grobkörnigen Dotter) absetzt. Zwischen den beiden sieht man im Dotter zahlreiche Fäden, zum Theil in Bün- deln zusammenliegend. Offenbar handelt es sich dabei um noch von der Theilung her bestehende Verbindungsfäden. Die Kerne liegen sich noch sehr nahe, es trennt die beiden Höfe nur eine schmale Dotterschieht von einander. Die beiden Kerne liegen tief im Furchungsdotter an der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter. An der Oberfläche der Keimscheibe vermochte ich keine Einsenkung über diesen Kernen zu erkennen. Von den übrigen 14 Kernen waren 12 wohlgebildete in Ruhe befindliche Kerne, welche eine Strahlung in ihrer Umgebung deutlich erkennen liessen. Von diesen 12 Kernen lagen alle bis auf vier unter verschieden tiefen Gruben resp. Dellen (5 unter Gruben). Von diesen Kernen ist einer abgebildet in Fig. 45. Der abgebildete Kern zeigt die Eigenthümlichkeit, dass er nicht in der Mitte seines Hofes, wie es zumeist der Fall ist, liegt, sondern sogar ganz ausserhalb desselben. Selbstverständlich soll damit nieht behauptet werden, dass der Kern ausser Beziehung zu oder auch nur ausser direetem Contakt mit seinem Hofe stände. Vielmehr lässt sieh eime Protoplasma-Verbindung zwi- schen Kern und Hof in dem nächsten nicht abgebildeten Schnitt erkennen. Wohl aber liegt die Hauptmasse der Sonne fern vom Kerne. Die beiden Kerne, welehe ich jetzt noch zu beschreiben habe, lagen unter Gruben. Ich habe eines dieser Gebilde m Fig. 46 abgebildet. Vom Vorhandensein solcher habe ich schon Die Befruchtung des Reptilieneies. 241 in anderen Keimscheiben gesprochen. Es sind kleine, fast runde Chromatinhäufehen, welche sich mit Boraxkarmin intensiv roth färbten. Dieselben umgibt ein heller Hof. Immerhin sind die Gebilde einem Kern ähnlicher, als einem Spermatozoenkopfe der Ringelnatter. Deutung. Zwei wohlgebildete Furchungskerne (die bei- den ersten) mit in Ruhe befindlichem Kerngerüst. 14 Neben- spermakerne, zwei der letzteren sind Spermatozoenköpfen ähnlich. Keimscheibe T5. Ich fand im Ganzen 12 Kerne. Zwei davon unterscheiden sich von allen übrigen und sollen daher zuerst beschrieben werden. Es sind zwei kleine Kerne mit wenig gefärbtem Kern- gerüst, welche den in Keimscheibe T 4 zuerst beschriebenen beiden Kernen ausserordentlich ähnlich sind. Sie liegen gleich- falls sehr nahe beisammen, sind jedoch nieht in einem Schnitt zu sehen, vielmehr sind sie in zwei aufeinander folgende Schnitte gefallen. Von den übrigen 10 Kernen liegen 6 unter mehr oder weniger seichten Dellen, einer unter einer tiefen Grube, über zwei geht die Oberfläche der Keimscheibe glatt hinweg. Sechs von diesen 10 Kernen sind wohlgebildet, 4 werde ich besonders beschreiben. Diese sechs Kerne besitzen alle einen Protoplasmahof mit mehr oder weniger deutlicher Strahlung. Der neunte und zehnte Kern sind kleine, rundliche, intensiv gefärbte Gebilde in einem hellen Hofe liegend, wie ein solches bei Keimscheibe T 4 be- schrieben und abgebildet (Fig. 46) wurde. Ueber beide läuft die Oberfläche der Keimscheibe ohne Einsenkung weg. Endlich fand ich noch zwei kermähnliche Gebilde, bei denen das Chromatin in Form eines Stäbehens angeordnet war. Beide zeigten in der Umgebung einen protoplasmatischen Hof. Das eine der Körperchen ähnelte der Form nach dem im Fig. 48 (aus Keimscheibe T 6) abgebildeten. Bei dem anderen der beiden färbte sich der protoplasmatische Hof stark mit Boraxkarmin, auch war die Form des Stäbehens keine ganz regelmässige. Es liesse das Bild daran denken, dass es sich dabei um eine Thei- lungsfigur handle. Dieselbe könute schlecht erhalten sein, das letztere halte ich jedoch nach dem Erhaltungszustand der übrigen Kerne für unwahrscheinlich. Vielmehr glaube ich, dass das Ge- 242 Albert Oppel: bilde soweit den im lebenden bestehenden Zuständen entspricht, .als dies auch bei den anderen Keimscheiben und Theilungsfiguren der Fall war, da ich keinen Grund für das Gegentheil sehe. Deutung. Die zwei ersten Furchungskerne sind ge- bildet, es sind 10 Nebenspermakerne vorhanden, von denen drei wenig ausgebildet (und einer in Theilung begriffen ?) sind. Kienmscheiber 1b: Diese Keimscheibe schliesst sich nach ihrem Verhalten eng an die als T 1 beschriebene an. Ich habe dabei in erster Linie das Verhalten einer m der Mitte der Keimscheibe liegenden Thei- lungsfigur im Auge. Dieselbe ist nicht wie die Figur 34 parallel zu ihrer Längsaxe in den Schnitt gefallen, vielmehr stehen Sehnitt- ebene und Längsaxe der Theilungsfigur in einem spitzen Winkel aufeinander. Es fällt die Figur damit nieht in einen Sehnitt, sondern in eine Reihe aufeinanderfolgender Schnitte. Sucht man die Figur jedoch aus der Schnittserie zu reconstruiren, so er- gibt sich ein dem der Figur 34 ähnliches Bild. Doch liegen sich die beiden in Bildung begriffenen Kerne im dieser Keim- scheibe noch näher als in T 1. Einer der wichtigsten Schnitte, weleher die Anordnung des Chromatins in 2 Häufchen zeigt, habe ich in Figur 47 abgebildet. Ausserdem finden sich in dieser Keimscheibe 14 weitere Kerne, von denen 10 ruhendes Kerngerüst und deutlichen Hof mit Strahlung zeigen und unter Gruben und Dellen von ver- schiedener Tiefe liegen. Ein weiteres Gebilde, welches ich auch zu den Kernen gezählt habe, dürfte, streng genommen, nur als kern- ähnliches Gebilde bezeichnet werden. Die Form dieses Gebildes (Fig. 48) ist eine überaus auffallende. Dasselbe ist nicht rund, vielmehr besitzt es eine kommaförmige Gestalt. Es färbte sich intensiv mit Boraxkarmin. Es liegt unter einer Grube, welche, wie die früher beschriebenen Gruben, in ihrer Tiefe flimmer- ähnlichen Besatz zeigt. Die Umgebung des Körperchens erscheint aufgelockert; doch liegt es nieht gerade m einer Vacuole, viel- mehr scheint die Umgebung von einem feinen Netzwerk durch- zogen. An der Spitze des Körperchens verdichtet sich dieses Netzwerk zu einem Protoplasmahof. Von diesem Hof, der eine längliche Gestalt besitzt (ich nenne ihn nicht ganz mit Recht „Hof“, da er ja nicht das ganze Körperchen, sondern nur dessen Die Befruchtung des Reptilieneies. 245 Spitze umgiebt), geht eine deutliche Strahlung aus. Der äusserste Contour des Körperehen macht den Eindruck einer dasselbe um- hüllenden Membran. Das Körperchen sieht einem Spermatozoenkopfe von Tropi- donotus ähnlicher als einem der bisher beschriebenen Kerne. Es findet sich noch ein zweites solches Körperchen in dieser Keimscheibe. Das Chromatin ist jedoch hier nur zum Theil in Stäbehenform angeordnet. Das eine Ende des Stäb- ehens erscheint aufgelockert und besteht aus einer Anzahl inten- siv gefäbter Kügelehen (die Zahl kann nicht genau angegeben werden, da sich die Kügelehen, nahe bei einander gelagert, wohl zum Theil zu decken scheinen). Dieses Gebilde schliesst sich an das untere Ende des Trichters in der Art an, wie dies für den Kern in Fig. 35 und 39 abgebildet wurde. Ausser diesen beiden finden sich noch zwei runde kleine intensiv gefärbte Kerne in hellem Hof in dieser Keimscheibe. Deutung. Erster Furchungskern in Theilung. 14 Neben- spermakerne, davon 4 nicht ausgebildet. Keimscheibe TT. Diese Keimscheibe gehört zu den jüngeren Keimscheiben dieses Mutterthieres. Sie zeigt in ihrer Mitte eine grosse Thei- lungsfigur, welche sich über 6 Schnitte erstreckt. Die Schnitt- ebene steht senkrecht auf der Längsaxe der Theilungsfigur. Die Theilungsfigur zu beschreiben vermag ich nicht, dafür ist die Figur zu undeutlich, doch scheinen mir die Chromosomen schon in 2 getrennten Häufchen zu liegen. Es würde dann die Keim- scheibe dem Alter nach etwa zwischen T 1 und T 6 einzu- reihen sein. . Ausser dieser Figur finden sich noch weitere 16 Kerne in der Keimscheibe. 14 derselben zeigen ein in Ruhe befindliches Kerngerüst. Einer scheint in Theilung begriffen zu sein, «doch ist die Theilungsfigur nicht deutlich. Ein anderer Kern, der neben einer Grube liegt, zeigt ein ziemlich compactes Kern- gerüst und lässt eine umhüllende Membran deutlich erkennen. Er steht in innigem Zusammenhang mit einem feinen protoplas- matischen Netzwerk, welches in die Umgebung ausstrahlt. Die radiäre Anordnung der Strahlung ist deutlich, doch geht dieselbe direct vom Kern aus, ohne einen trennenden Hof. Die übrigen 244 Albert Oppel: 14 Kerne haben alle eine deutliche vom Hofe ausgehende Strahlung, bei einzelnen ist der Hof wenig compact, besteht vielmehr aus einem feinen Netzwerk, das auch radiäre Anordnung erkennen lässt, doch ist der Hof gegen die eigentliche (von demselben ausgehende) Strahlung scharf abgegrenzt, da sich in demselben feinkörnige Dottereinlagerung nicht findet. Neun von den Kernen liegen unter Dellen, Gruben, über die anderen verläuft die Oberfläche der Keimscheibe hinweg, ohne eine Einsenkung zu zeigen. Deutung. Erster Furchungskern in Theilung, 16 Neben- spermakerne. Keimscheibe T 8. Ich konnte in dieser Keimscheibe im Ganzen elf Kerne auffinden. Sämmtliche Kerne liessen sieh in dieser Keimscheibe nicht intensiv tingiren und treten nicht so deutlich hervor, wie in den anderen Keimscheiben. Vielleicht ist die Keimscheibe aus irgend einem mir unbekannten Grunde weniger gut erhalten. Zwei der Kerne liegen in der Mitte der Keimscheibe sehr nahe beisammen über der dotterarmen Stelle. Beide sind klein und von differeneirtem Protoplasma umgeben. Eine Strecke von den Kernen entfernt ist im Dotter ein auf dem Schnitt halbmond- förmiger Spaltraum im Dotter. Es ist offenbar ein Riss, der durch die stärkere Zusammenziehung der nächsten Umgebung der Kerne bei der Fixirung entstanden ist. Achnliches wurde auch in Keimscheibe T 2 Fig. 35 beobachtet und dort abgebildet. Die übrigen 9 Kerne liegen zerstreut in der Keimscheibe. Grösstentheils sind es wohl ausgebildete Kerne, zwei davon sind etwas kleiner als die übrigen, ein dritter scheimt sich in Theilung zu befinden, doch ist die Theilungsfigur sehr undeutlich. In der Umgebung aller Kerne liegt Protoplasma angesammelt, welehes sich durch seime intensivere Tinetion kenntlich macht. Fast durehweg deutlich geht von dem so gebildeten Hof eine Strahlung aus. Vier der Kerne liegen unter kleinen, zwei unter tiefen Gruben. Deutung. Zwei Furehungskerne. Neun Nebenspermakerne. Die Befruchtung des Reptilieneies. 245 Keimscheibe T 9. Beim Schälen dieser Keimscheibe wurde die Dotterhaut nieht mit entfernt. Dieselbe liegt auf der Keimscheibe als eine dünne, sich mit Hämatoxylin intensiv, mit Boraxkarmin dagegen gar nicht tingirende Membran. Auf ihrer Aussenseite ist dieselbe von einer zur Berührung dieht aneinanderliegenden Menge von kurzen, doch mit keiner der beiden Farben sich tingirenden Stäbehen überkleidet. Diese Stäbchen schemen nur mit der der Dotterhaut aufsitzenden Seite befestigt zu sein, während die andere Seite frei hinausragt und vielfach unregelmässig umgebogen ist. Ueber die Bedeutung dieser Stäbehen konnte ich mir keine klare Vorstellung bilden, da ich es leider versäumt habe, eine Keimscheibe aus dieser Zeit, ohne das Ei zu schälen, mit dem Rasirmesser abzutragen und dann dieselbe sammt der Schale zu schneiden. Ich neige jedoch der Ansicht zu, dass die Stäbchen nieht der Dotterhaut zugehören, sondern zur Schale zu rechnen sind, doch kann ich, wie gesagt, Sicheres darüber nicht angeben. Die Dotterhaut geht in die Gruben nicht herab, sondern spannt sich in gerader Linie über dieselben weg. Ist die Grube oben triehterförmig erweitert, wie es meist der Fall ist, so bildet sich so zwischen Eihaut und Triehterwand em im Schnitt drei- eekiger Raum, welcher meist von einem sich mit Hämatoxylin intensiv tingirenden Gerinnsel ausgekleidet wird, wie es bei der Beschreibung von Keimscheibe T 3 geschildert wurde. In dieser Keimscheibe fand ich im Ganzen 17 Kerne. Einer derselben lag in der Mitte der Keimscheibe ziemlich tief an der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter mitten über der dotter- armen Stelle. Dieser Kern ist m Fig. 50 abgebildet, er ist in Theilung begriffen und zwar offenbar im Stadium der Aequatorial- platte. Die achromatischen Fäden sind überaus dicht, deutliches zu erkennen ist nur mit stärksten Vergrösserungen möglich, dann aber zeigt sich die Figur gut erhalten, so dass sie vom Zeichner wohl erkannt wurde. Betrachtet man diese Figur mit schwacher Vergrösserung, so erhält man den Eindruck, als ob nicht eine Theilungsfigur, sondern zwei sich zur Berührung anliegende Kerne vorhanden wären. Eine durch die Mitte der beiden Kerne ge- zogene Axe würde senkrecht auf der Längsaxe der Theilungs- figur stehen. Auffallend ist weiter, dass die Centren, von denen die Strahlung ausgeht, sich nicht genau gegenübergestellt sind, 246 Albert Oppel: sondern beide einander nahe und unter den beiden aus Schleifen . bestehenden Kernen zu liegen scheinen. Man könnte so daran denken, dass es sich um einen erst im Beginn begriffenen Theilungs- vorgang handle. Die übrigen 16 Kerne liegen in der Keimscheibe zerstreut, dreizehn davon unter Gruben, von denen einige sehr tief sind. Alle Kerne waren wohl gebildete rundliche Kerne, fast alle mit sehr deutlicher Strahlung. Einige lagen tiefer im Furchungs- dotter, nahe dem grobkörnigen Dotter, einige jedoch fanden sich sehr nahe der Oberfläche, einer lag noch in der oberflächlichen Plasmaschichte, aber auch an dieser, namentlich auf der Seite gegen das Ei zu, machte sich eine deutliche strahlige Anordnung des Protoplasmas bemerklich. Das Kerngerüst dieses Kernes zeigte mehr Achnliehkeit mit der in Figur 41 u.42 als mit dem in Figur 43 abgebildeten, welch’ letzterem die übrigen 15 Kerne mehr ähnelten. Das Flächenbild dieser Keimscheibe ist in Fig. 49 wieder- gegeben. Der Zahl nach würden die beobachteten dunkeln Punkte mit den unter Gruben liegenden Kernen übereinstimmen. Doch besitze ich keine Reconstructionsfigur, um zu prüfen, ob dies auch der Lage nach der Fall ist. Deutung. Erster Furchungskern in Theilung, 16 Neben- spermakerne. Keimscheibe T 10. Von dieser Keimscheibe ist während der Vorbehandlung für das Schneiden ein Stück verloren gegangen. Doch ist dasselbe so klein, dass trotzdem die Resultate, auch nach den Befunden bei allen übrigen Keimscheiben zu schliessen, dadurch nur wenig geändert sein dürften. Es fanden sich im Ganzen 33 Kerne (die zweithöchste Ziffer). Zwei dieser Kerne lassen sich von den übrigen nach Lage und Aussehen unterscheiden. Beide sind unscheinbare, wenig Deutliches erkennen lassende Chromatinhäufchen. Jedes (derselben liegt in einem Hof, beide nahe beisammen in der Mitte der Keimscheibe, ziemlich tief im Dotter, nahe der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter. Von den übrigen 31 Kernen sind 28 wohlausgebildete rundliche Kerne, die übrigen 3 sind kleiner (nur vom halben Die Befruchtung des Reptilieneies. 247 Durchmesser) und intensiver gefärbt als die übrigen. Alle zeigen in ihrer Umgebung emen deutlichen protoplasmatischen Hof mit Strahlung. In dieser Keimscheibe war es besonders häufig, dass der Hof nicht aus gleichmässigem Protoplasma bestand, vielmehr zeigte er häufig ein aus Fäden bestehendes Gerüst, das sich erst in einiger Entfernung, etwa entsprechend dem Rande des Hofes, wieder verdichtete. Von diesem verdichteten Rande, der intensiver gefärbt ist, geht in diesem Falle die Strahlung aus. Neben der hohen Zahl von Kernen ist bei dieser Keim- scheibe besonders auffallend, dass nur äusserst wenige Gruben vorhanden sind. Ich konnte nur über drei Kernen Gruben auf- finden und auch diese sind nicht besonders tief. Ueber alle übrigen verläuft die Oberfläche der Keimscheibe glatt hinweg. Deutung. Zwei Furchungskerne, 31 Nebenspermakerne, Keimscheibe T 11. Im Ganzen konnten 11 Kerne aufgefunden werden. Zwei derselben unterscheiden sich von den übrigen. Die beiden liegen in der Mitte der Keimscheibe, tief im Furchungsdotter, nahe dem grobkörnigen Dotter. Die beiden Kerne sind klein und liegen nahe beisammen. Sie sind ähnlich den bei T 4 beschriebenen und in Figur 44 abgebildeten. - Die übrigen 9 Kerne liegen zerstreut in der Keimscheibe, 5 davon unter einer seichten Delle und 3 unter einer Grube. Alle haben einen protoplasmatischen Hof mit deutlicher Strahlung. Deutung. Zwei Furchungskerne, neun Nebenspermakerne. Keimscheibe Tl2: Von den 16 Kernen dieser Keimscheibe unterscheidet sich einer nach Lage und Gestalt von den übrigen. Er liegt ziemlich in der Mitte der Keimscheibe, über der dotterarmen Stelle. Er ist bedeutend kleiner als einer der übrigen und macht seinem Aussehen nach den Eindruck eines von den Kernen, welchen ich unten die Deutung „Furchungskerne* gebe. Der Dotter zeigt unweit von ihm einen senkrecht zur Oberfläche der Keimscheibe stehenden Einriss. Doch konnte ich auf der anderen Seite des Einrisses nicht, wie ich erwartet hatte, einen zweiten ähnlichen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 3) 17 248 Albert Oppel: Kern auffinden. Man könnte daher immerhin daran denken, dass . es sich hier um ein Stadium mit einem Furchungskern handle, ich halte diese Möglichkeit aufrecht. Da ich jedoch keinerlei weitere Anhaltspunkte habe, ob es bei Reptilien nach der Conju- gation überhaupt zur Ausbildung eines einzigen ruhenden Kernes kommt und nicht vielmehr mit der Verschmelzung des männ- lichen und weiblichen Vorkerns sofort eine Theilung Hand m Hand geht, so halte ich mit einer solchen Deutung meines un- sicheren Befundes zurück. Mehr Wahrscehemlichkeit besteht, dass ein zweiter dem beschriebenen ähnlicher Kern auch hier vor- handen ist und in Folge ungünstiger Lage (vielleicht durch Dotter verdeckt) noch nicht aufgefunden werden konnte. Ich neige dazu umsomehr, da ich auch an anderen Keimscheiben erfuhr, mit welehen Schwierigkeiten die Auffindung gerade dieser kleinen Furehungskerne in den grossen Keimscheiben verknüpft ist. Die übrigen 15 Kerne haben alle deutliche Strahlung, liegen zerstreut in der Keimscheibe und zeigen die verschiedenen be- schriebenen und abgebildeten Formen. Alle sind wohlgebildet bis auf zwei, welche sehr klein, rundlich und intensiv tingirt sind und in einem helleren Hofe liegen. Acht der Kerne liegen unter seichten Dellen, fünf unter Gruben, Deutung. Zwei Furchungskerne? 15 Nebenspermakerne. Materialbesprechung. Ich beabsiehtige im Folgenden das Material, welches ich im Vorhergehenden beschrieben habe, zu besprechen, indem ich besonders auf die Deutung, welche ich meinen Befunden geben zu müssen glaube, Rücksicht nehme. Ich werde weniger zu- sammenfassend vorgehen können, vielmehr fast durchweg Keim- scheibe um Keimscheibe besprechen müssen. Ich würde es weit vorziehen, wenn ich eine übersichtliche und fortlaufende Be- schreibung des Befruchtungsvorganges bei Reptilien geben könnte. Doch bedingt das wenige Material, über welches ich verfüge, den ersteren Weg. Was ich von den Einzelbeobachtungen an- einanderreihen zu können glaube, habe ich am Schlusse zusam- mengestellt. Doch bespreche ich das Material schon in der Reihenfolge, welehe, wie ich vermuthe, den sich nacheinander Die Befruchtung des Reptilieneies. 249 abspielenden Vorgängen der Befruchtung entspricht. Der Ueber- sichtlichkeit halber habe ich meine Keimscheiben hier in tabella- rischer Form zusammengestellt, indem ich die hauptsächlichsten Befunde nach den Deutungen, welche ich denselben gebe, ein- zeichnete. Aufgezählt wurden weibliche Vorkerne, Spermakerne, Conjugation und Furchungskerne. Tabelle über die Keimscheiben von Anguis fragilis. ee N Conjugati 8 a eenem eher perma ‚onJugation. beschrei- Katalog | Vorkern | keın | Furehungskern. bung | Bela 6730| 1 1 AT 20 ne ,89 1 1 A Bu 1 2 Aules "54 B393 | Conjugation. A414 4. Bi101 | R ANI2 B 115 2 AI3 B 109 | 1 A AI 4x |. B108L | | 1 2 Conjugationen. AI5 B102 | 2 Conjugation. AIG B 116 2 | x ASTT LT B 120 2 h AIS B 103 3 : ALLE B 104 3 a AI10 B105 | 3 R DEE BAT Kee j Aııl | B110 In ai 5 AI12 ıB 119 | Theilung des 1. Furchungs- | kernes. ATS" Br II) | 3 2 Furchungskerne. In diese Tabelle wurde Keimscheibe A III2 (Deutung: 3 Spermakerne) nicht eingereiht, da ich in derselben weder einen weiblichen Kern, noch Conjugation, noch Furchungskerne auffand; ebenso blieben die Keimscheiben AI6 und AIIL3 weg, da ich in denselben überhaupt keme Kerne auffand. 250 Albert Oppel: . Tabelle über die Keimscheiben von Tropidonotus natrix. Furchungs- | Nebensperma- kerne kerne I 2 14 a 212 37 | | 24 „ 4 2 14 AD 2 10 6 2 14 Je 2 16 | 2 9 ea) 1 10 >10 2 al Ei 2 9 2 2? 15 Die Keimscheiben sind nach derselben Reihenfolge geordnet, wie in der Materialbeschreibung. Ich habe die Betrachtung der Keimscheiben in verschiedene Capitel getheilt und lasse diese jetzt folgen. 1. Männlicher und weiblicher Vorkern. Ich habe einige Bemerkungen betreffend die von mir ge- brauchte Nomenklatur vorauszuschieken. Ich werde im Folgenden Spermakern einen Kern nennen, dessen Entstehen im Ei da- durch bedingt ist, dass ein Spermatozoon zu dem Ei in Beziehung tritt. Es bleibt hiefür gleichgültig, ob Theile des Spermatozoons in das Ei heremkommen oder nicht und im ersteren Falle, welche das sind. Einen Spermakern, welcher mit dem weiblichen Vorkern (den letzteren Ausdruck gebrauche ich im Sinne der Autoren) die Conjugation eingeht, bezeichne ich als Haupt- spermakern oder männlichen Vorkern.. Finden sich in einem Ei, in welchem der Hauptspermakern aufgefunden ist, weitere Spermakerne, so nenne ich dieselben Nebensperma- kerne. Ich fasse zunächst die Keimscheibe AI1 ins Auge, weil ich dieselbe für die jüngste der von mir untersuchten Keim- scheiben halte. In derselben fand ich zwei Kerne, welche sich Die Befruchtung des Reptilieneies. 251 von einander wesentlich unterscheiden. Den einen dieser Kerne (Fig. 4) halte ich für einen Spermakern und zwar aus folgendem srunde. Es ist ein rundlicher Kern mit in Ruhe befindlichem Kerngerüst. Er besitzt einen protoplasmatischen Hof mit deut- licher Strahlung. Er liegt weit entfernt von der Stelle, an wel- cher sich früher das Keimbläschen befand. Den anderen der beiden Kerne (Fig. 3) halte ich für den weiblichen Vorkern aus folgenden Ursachen. Er liegt ziemlich in der Mitte der Keim- scheibe, etwa an der Stelle, an welcher früher das Keimbläs- chen lag. Sein Kerngerüst befindet sich nicht in Ruhe, sondern zeigt Knäuelform. Der Kern besitzt weder Hof, noch Strahlung. Man kann nun annehmen, dass die Verhältnisse in der frühesten Entwicklung des Reptilieneies ganz andere seien, als in allen Wirbelthiereiern; dann verfolge man meine Schilderung weiter und man wird finden, dass doch manche Punkte hier und dort eine Aehnlichkeit zeigen. Hat man aber die Ansicht, dass bei Reptilien hierin ähnliche Verhältnisse wie bei anderen Wirbel- thieren bestehen, so kann, wie ich glaube, darüber kein Zweifel sein, dass man es hier mit einem frühen Befruchtungsstadium zu thun hat. Alle anderen Annahmen lassen sich ausschliessen. Dass die beiden Kerne die beiden ersten Furchungskerne sein könnten, dagegen spricht ihre Verschiedenheit in der Form und Lage. Sind es aber keine Furchungskerne, so können es nach dem bisher Bekannten nur ein Spermakern und der weibliche Vor- kern sein, da für Keimscheiben, welche nur zwei Kerne ent- halten, nur die genannten Deutungen möglich sind. Es entsteht nun die Frage, ob meine Deutung, dass Figur 4 ein Sperma- kern und Figur 3 der weibliche Vorkern ist, sich halten lässt. Von Seiten des Spermakerns fällt da der Umstand, dass er eine Strahlung besitzt, schwer in die Wagschale. Beweisender noch (da ja die Strahlung nieht mehr ganz unbestrittenes Eigenthum der Spermakerne der Wirbelthiere ist, sondern z. B. nach Blanc (19) auch dem weiblichen Vorkern bei der Forelle zukommen soll) scheint mir der Umstand, dass sieh der Kern, welchen ich für den weiblichen Vorkern halte, in Theilung befindet. Es ist nun noch die Frage zu beantworten, in welehem Befruchtungs- stadium sich der weibliche Vorkern befindet. Der Umstand, dass er sich in Theilung befindet, weist bei Vergleich mit den bei anderen Wirbelthieren beobachteten Verhältnissen darauf hin, 252 Albert Oppel: dass es sich um die Bildung eines Richtungskörperchens handeln . könnte. Es scheint mir diese Annahme viel Wahrscheinlichkeit zu besitzen. Es wäre zu entscheiden, ob die Bildung der Rich- tungskörperehen schon erfolgt ist und ob nur des ersten oder auch schon des zweiten, oder ob sich dieselbe erst einleitet. Ich glaube, dass die Abschnürung der Riehtungskörperchen schon erfolgt ist, weil die zur Ruhe zurückkehrende Theilungsfigur schon eine ziemliche Strecke von der Oberfläche abgerückt ist. Auf der freien Oberfläche der Keimscheibe konnte ich Reste eines ausgestossenen Richtungskörperchens nicht auffinden. Die Deutung, dass der Kern nieht sich schon längere Zeit in der- selben Lage befand, in welcher er fixirt wurde, sondern von der Oberfläche erst abgerückt ist und in die Tiefe zu liegen kam, macht mir folgender Umstand wahrschemlich. Der Kern liegt nicht ganz frei in der Keimscheibe, vielmehr steht er mit der Oberfläche der Keimscheibe durch emen Zug differeneirten Proto- plasmas, das sich gegen die Umgebung in Form zweier Linien absetzt (Fig. 3st) in Verbindung. Diese „Strasse“ lässt sich auch in dem nebenan liegenden, nicht abgebildeten Schnitt deut- lich erkennen. Es wäre nun wohl denkbar, dass der Kern noch in einer Beziehung zur Oberfläche der Keimscheibe stände oder dass wenigstens noch der Weg, auf welchem derselbe von der Ober- fläche abrückte, in der Strasse sich kemntlich erhalten hätte. Ob es sich um Bildung des ersten oder zweiten Richtungskörper- chens (welche beide ja bei Reptilien überhaupt noch nicht be- kannt sind) handelte, kann ich nicht bestimmt entscheiden. Doch sollte man bei der Anwesenheit des Spermakerns (unter Ver- gleich der bei anderen Wirbelthieren bestehenden Verhältnisse) annehmen dürfen, dass eben das zweite (wenn überhaupt zwei gebildet werden) sich abgelöst habe. Der Umstand, dass die Theilungsfigur in Beziehung zur Oberfläche steht, schliesst auch eine weitere Deutung, welche meinem Befunde gegeben werden könnte, aus. Man könnte nämlich immerhin einwenden, dass die Theilungsfigur auch dem ersten Furchungskerne angehören könnte. Gegen letzteres spricht ferner noch, dass die Bildung und Theilung des ersten Furchungskernes an einer viel tiefer gelegenen Stelle in der Keimscheibe stattfindet, wie ich später darthun werde. Der Befund, welehen Keimscheibe A IT 2 bietet, kann dem eben beschriebenen direet an die Seite gestellt werden. Ich stehe 1O na > Die Befruchtung des Reptilieneies. daher auch nicht an, demselben die gleiche Deutung zu geben. Der Spermakern ist nach seinem Aussehen ganz ähnlich dem der Keimscheibe A I1. Doch unterscheidet er sich nach seiner Lage von demselben. Er liegt nämlich einmal näher dem weib- lichen Vorkern (Figur 5 mit Figur 2 zu vergleichen). Dann liegt er auch tiefer im Dotter. Der weibliche Vorkern dieser Keimscheibe unterscheidet sich in besonderem Maasse von dem der letztbeschriebenen. Er besitzt ein in Ruhe befindliches Kern- gerüst, das sich aus grossen Kugeln zusammenzusetzen scheint. Diese Kugeln sind jedoch innig mit einander verschmolzen und lassen eine Gliederung von einander nicht zu. Neben seinem Bau und dem Umstande, dass er weder Hof noch Strahlung be- sitzt, unterscheidet sich der weibliche Vorkern dieser Keimscheibe von den Spermakernen durch seine Grösse. Im optischen Quer- schnitt erscheint er etwa doppelt so gross als ein Spermakern. Der Kern liegt tief im Furchungsdotter an der Grenze gegen den grobkörnigen Dotter; etwa in derselben Höhe liegt auch der in dieser Keimscheibe aufgefundene Spermakern. Noch habe ich anzufügen, dass in Keimscheibe A I 1 das Chromatingerüst des (in Theilung begriffenen) weiblichen Vorkerns sich intensiv mit Boraxkarmin färbte. Bei dem weiblichen Vorkern der Keim- scheibe A I2 war dies nicht der Fall, derselbe färbte sich mit Boraxkarmin gar nicht, und mit Hämatoxylin nur sehr wenig. Die Tinetionsfähigkeit der Spermakerne mit Boraxkarmin und Hämatoxylin in beiden Keimscheiben ist zwar keine besonders starke, aber eine ausgesprochen deutliche. Keimscheibe A I 1 halte ich für eim bedeutend jüngeres Befruchtungsstadium als A 12, aus folgenden Gründen. Einmal liegen die beiden Kerne bei A li weiter von einander entfernt als bei AI2. Dies ist jedoch nicht beweisend. Es könnte ja im einen Fall das Spermatozoon näher der Stelle, an der der weibliche Vorkern liegt, eingedrungen sein, als im anderen. Bei Keimscheibe A I 1 liegt ferner der Spermakern im Furchungs- dotter nahe der Oberfläche der Keimscheibe, während er in Keimscheibe A I 2 schon tiefer unten, d.h. im der ‚Schicht, in welche inzwischen auch der weibliche Vorkern hinabgerückt ist, sich findet. Maassgebend ist aber das Verhalten des weiblichen Vorkerns. In Keimscheibe A I1 ist derselbe noch in Theilung begriffen, in Keimscheibe A 12 befindet er sich in Ruhe. 254 Alb e28 Ophpiel: Würden nur diese beiden Keimscheiben zur Beobachtung gekommen sein, so bestände nach dem von anderen Wirbelthieren Bekannten kein Hinderniss, die aufgefundenen Spermakerne als männliche Vorkerne zu deuten. Dies konnte jedoch nicht ge- schehen, da in einer weiteren Keimscheibe A II 1, deren Be- sprechung folgt, zwei Spermakerne aufgefunden wurden. Diese Keimscheibe A II 1 ergab denselben Befund wie Keimscheibe A I 2, nur mit dem Unterschied, dass Spermakern und weiblicher Vorkern noch etwas mehr von einander entfernt sind. Nebenbei findet sich aber noch etwas, was, wenn meine Deutung richtig ist, von besonderer Wichtigkeit zu sein scheint. Ich konnte nämlich ziemlich weit abliegend von der Mitte der Keimscheibe und damit von den beiden beschriebenen Kernen noch einen weiteren Kern auffinden. Derselbe sieht dem be- schriebenen Spermakern in dieser Keimscheibe, wie den in Keim- scheibe AI 1 und AI2 beschriebenen Spermakernen, durchaus ähnlich. Es legt dies den Gedanken nahe, dass dieser Kern auch ähnlichen Ursachen seine Entstehung verdanke und ein Kern von gleicher Art sei, wie die bisher beschriebenen Sperma- kerne. Es wäre dann nothwendig anzunehmen, dass mehrere Spermatozoen in das Ei eintreten oder wenigstens zu demselben eine Beziehung eingehen. Ich werde über diese Frage in einem besonderen Capitel handeln, hebe jedoch hier schon hervor, dass ich die Ueberzeugung gewann, dass auch bei Reptilien sich ein Spermakern aus einem Spermatozoonkopfe bildet. Hier sei noch erwähnt, dass ich die Entstehung dieses zweiten Spermakerns auf irgend eine andere Weise, z.B. dureh Theilung aus dem ersten mit Sicherheit ausschliessen zu können glaube. Dafür spricht neben der verschiedenen Lage der Kerne (weite Entfer- nung) noch der Umstand, dass ich während und vor der Con- Jugation in Reptilienkeimscheiben niemals etwas sah, was als eine Theilung eines Spermakernes aufgefasst werden könnte. Man könnte nun zunächst daran denken, dass es sich hier um patho- logische Polypspermie handle. Verfolgt man meine Schilderung weiter, so ergiebt sich, wie ich glaube, dringender Anlass, diese Vorstellung fallen zu lassen und vielmehr den Gedanken aufzunehmen, die Polyspermie sei bei Befruchtung der Reptilien etwas regelmässig physiologisches. Ich gehe jedoch nicht so- weit, zu behaupten, dass die Bildung mehrerer Spermakerne in Die Befruchtung des Reptilieneies. 2hh der Regel schon vor der Conjugation des männlichen und weib- liehen Vorkerns erfolge. Ich könnte dies nicht beweisen, weil ich es unter drei Fällen nur in einem und ausserdem nur bei einer Art, nämlich Anguis fragilis, beobachtet habe. Doch recht- fertigt, wie ich glaube, dieser Befund die Zurückhaltung, welche mich veranlasste, keinem der bisher beschriebenen Spermakerne den Namen Hauptspermakern oder männlicher Vorkern beizulegen. Es ist ja bei diesem Befund zweifelhaft, ob immer gerade der Spermakern, welcher sich zuerst in einem Ei bei der Befruch- tung bildet, der männliche Vorkern ist. Es ist vielmehr die An- sieht nieht von der Hand zu weisen, dass, nachdem sehon ein Spermakern gebildet ist, ein später eindringendes Spermatozoon erst den Hauptspermakern liefert, 2. Conjugation. Furchungskern. Zwei Furchungskerne. Ich verfolge in diesem Capitel nur das, was ich in den Keimscheiben über die Vereinigung des männlichen und weib- lichen Vorkerns und das Schicksal des ersten Furchungskernes sehen und erschliessen konnte. Von den übrigen Vorgängen in den Keimscheiben sehe ich zunächst ganz ab. In den im vorigen Capitel beschriebenen Keimscheiben lagen die aufgefundenen Spermakerne in verschiedener Entfernung vom weiblichen Vor- kern. Jetzt hat sich einer derselben dem weiblichen Vorkern bis zur Berührung genähert und charakterisirt sich dadurch als Hauptspermakern oder männlicher Vorkern. Ich rechne als hier- her gehörig die Keimscheiben A I3, 4 AII2, 3, 4, 5, 6,7, 8, 9, 10, 11, AIII1. Die grosse Anzahl von Bildern, welche ich bei Beschreibung dieser Keimscheiben erwähnt habe, zeigen alle das gemeinschaftlich, dass zwei deutlich von eimander abgrenz- bare Kerne sich berühren und sich mehr oder weniger dicht an- einander gelegt haben. Ich halte es zur Zeit noch nicht für möglich, die sämmtlichen Keimscheiben nach den kleinen Unter- schieden, welche sie zeigen, anmeinanderzureihen und zu sagen, diese sind die jüngsten, und jene die ältesten. Auf einige der Hauptmomente, welche mir für eine solche Beurtheilung in Be- tracht zu kommen scheinen, mache ich im Folgenden aufmerk- sam. In einem Theil der genannten Keimscheiben lassen sich die beiden Kerne deutlich von einander unterscheiden und zwar 256 Albert Oppel: besonders durch verschiedene Grösse und verschiedenes Tinetions- . vermögen. In einer Reihe von Keimscheiben fand ich den einen der beiden Kerne fast doppelt so gross als den andern. Der kleinere der beiden Kerne färbte sieh mit Boraxkarmin und Hä- matoxylin, während der grössere sich nur leicht mit Hämatoxylin tingirte. Ich halte den grösseren für den weiblichen Vorkern und den kleineren für den männlichen. Ich begründe meme An- sicht damit, dass männlicher und weiblicher Vorkern, als beide noch getrennt waren und durch die beim Spermakern befindliche Strahlung die Differentialdiagnose leicht zu stellen war, eben aueh dieselben Grössen und Tinetionsunterschiede zeigten. Es kommt noch dazu, dass auch hier der Kern, welchen ich für den männ- lichen halte, in innigerer Verbindung mit dem umgebenden Proto- plasma und Hof zu stehen scheint, als der andere. Ich habe dem entsprechend in Fig.7 und in Fig. 15 Kern m als männ- lichen und Kern w als weiblichen Vorkern bezeichnet. Aus dem- selben Grund, nämlich wegen der Aehnlichkeit der Kerne mit den Bildern aus Keimscheiben vor der Conjugation, möchte ich die Keimscheiben, in welchen sich beide Kerne leieht von ein- ander unterscheiden lassen, auch für jünger halten, als die Keim- scheiben, in welchen der Unterschied zwischen den beiden in Conjugation begriffenen Kernen nurmehr sehr undeutlich gewor- den ist. Die beiden Kerne sind einander sowohl an Form und Grösse, wie in ihrem Verhalten zu Farbstoffen ähnlicher geworden. Zugleich wurde der Contact der beiden Kerne ein innigerer, während sich die beiden Kerne in Serie AI5, Fig. 7 nur eben berühren, ist die Contaetfläche in Serie A II 3, Fig. 13 eine breite. Ueber die Lage der beiden Kerne zu einander und zur Ober- fläche des Eies konnte ich gesetzmässig Erschemendes nicht auf- finden. Ich kann daher auch nicht sagen, ob die Lage während der Conjugation wechselt. In 4 Fällen lag der männliche Vor- kern oben, in 9 Fällen der weibliche. Bei Mutterthier A II lag der weibliche Vorkern in der Regel oben. In 4 Fällen verlief eine durch die Mittelpunkte der beiden Kerne gezogene Axe gar nicht senkrecht auf die Oberfläche des Eies, sondern unter einem spitzen Winkel. Annähernd parallel zur Eioberfläche verlief die Axe der beiden Kerne in keinem Falle. Ich achtete auch dar- auf, ob sich m der Umgebung der in Conjugation begriffenen Kerne ein Hof mit Strahlung beobachten liesse. Es war dies Die Befruchtung des Reptilieneies. 257 stets mehr oder weniger deutlich der Fall. War ein Hof mit Strahlung deutlich erkennbar, so konnte ich zwei Arten des Ver- haltens unterscheiden. Im einen Falle umfasste der Hof mit Strahlung besonders den männlichen Vorkern, im anderen Falle umgriff er beide in Conjugation begriffene Kerne. Ich möchte die Keimscheiben, welche das letztere zeigten, für das ältere Stadium halten. Die Strahlung war, wenn auch stets deutlich erkennbar, doch nieht mehr so ins Auge springend, wie bei ein- zelnen Spermakernen. Ich habe noch ein anderes Verhalten der Umgebung der in Conjugation befindlichen Kerne zu besprechen. Im einigen Fällen, hierher gehört vor allem Keimscheibe A I3, Figur 7, schliesst das Protoplasma gar nicht allseitig an die beiden Kerne an, vielmehr findet sich in der Umgebung der beiden Kerne eine Höhle. Die Höhle umfasst in erster Linie den weiblichen Vor- kern, doch kann, wie in eben dieser Serie, auch der männliche zum Theil noch in der Höhle oder wenigstens am Rande der- selben liegen. Eine Andeutung der Höhle zeigt sich auch schon vor der Conjugation in Serie AI2, Fig.5v m der Nähe des weiblichen Vorkerns. Ich bin weit entfernt, die Höhle als einen im lebenden Ei bestehenden, etwa nur von Flüssigkeit erfüllten Raum anzusehen. Ich denke vielmehr an zwei Möglichkeiten. Einmal kann die Höhle im Leben gar nicht dagewesen und erst unter Einwirkung der Fixirungsmittel entstanden sein. Im diesem Falle kann dies bedingt sein entweder durch Schrumpfung der Kerne oder durch Schrumpfung und Retraction der Umgebung (vielleicht unter Bildung einer den Raum der Höhle ausfüllenden Flüssigkeit). Möge nun das eine oder das andere der Fall sein, so muss der Zusammenhang zwischen den Kernen (es kommt hier in erster Linie der weibliche Vorkern in Betracht) und dem umgebenden Protoplasma nur ein sehr lockerer gewesen sein. Bei der Grösse, welche die Höhle in Fig. 7 und 8 erreicht, möchte ich die Ursache ihres Entstehens nur zum kleineren Theil in dem Schrumpfen der Kerne und zum grösseren Theil im Schrumpfen des umgebenden Protoplasmas suchen. Eine zweite Möglichkeit, die mir aber als die weniger wahrscheinliche er- scheint, wäre die, dass die Höhle im Leben bestände und von einem sehr wenig feste Bestandtheile enthaltenden Theil des den Furehungsdotter durchziehenden Protoplasmas erfüllt wäre. Die 258 Albert Oppel: feinen Fädchen, welche man in Fig. 8 zwischen Kern und Wand . der Höhle sieht, würden dann die bei der Fixation bleibenden Reste dieses Plasmas darstellen. Ich habe noch den merkwürdigen Umstand zu besprechen, dass ich in einer Keimscheibe A II 4 zwei mal zwei in Conju- gation befindliche Kerne auffand. Ich glaube, dass dieser Be- fund nur eine Deutung zulässt. Da je einer der Kerne sich als ein Spermakern charakterisirt, und jeder der beiden andern das Aussehen eines in den anderen Keimscheiben beschriebenen weib- lichen Vorkerns hat, so muss wohl an eine Zwillingsconjugation in diesem Ei gedacht werden. Auf die Bedeutung dieses Vor- kommens und welche Weiterentwickelung eines solchen Eies zu erwarten wäre, will ich nicht näher eingehen. Ich habe bisher bei Embryonen von Anguis fragilis Doppelmissbildungen noch nicht beobachtet. Doch kann dies darin seine Ursache haben, dass ich bisher nur weniges Material, wenn es hoch kommt, viel- leicht tausend Embryonen und Keimscheiben, darauf untersucht habe. Wohl ist es aber möglich, dass solche Bildungen in frühen Stadien häufiger sind. Es berichtet ja auch Sarasin (10) von einem fast reifen Ovarialei von Lacerta agilis mit zwei Keimbläschen, m welchem das eine, wie in meinem Falle das eine der beiden Kernpaare, excentrisch lag. An die beschriebenen Keimscheiben reihen sich zwei Keim- scheiben an, je eine von der Ringelnatter T 9 und von der Blind- schleiche ATI 12. Ich bespreche zunächst die von der Blind- schleiche (Fig. 16 u. 17). Hier hat sich schon die Theilung des ersten Furchungskerns eingeleitet. Es ist ein ziemlich grosser Sprung zwischen dieser Keimscheibe und den im Vorhergehenden be- schriebenen. Die chromatischen Elemente sind als Schleifen wohl zu erkennen und in Sternform angeordnet. Achromatische Fäden vereinigen sich von den Schleifen ausgehend in den beiden auf entgegengesetzten Seiten der Figur liegenden Polen. Ich kann also für die Blindschleiche weder darüber Auskunft geben, wie die Schleifen aus dem Chromatin des männlichen und weiblichen Vorkernes sich bilden, noch wie. das Auftreten und die Gegenüberstellung der Centren sich vollzieht. Ich habe noch die Frage zu erörtern, mit welcher Berech- tigung ich denn diese Theilungsfigur als die des ersten Furchungs- kernes auffasse. Ich habe zuerst die Blindschleichenkeimscheibe Die Befruchtung des Reptilieneies. 259 in’s Auge gefasst, weil mir hier die Beweisführung eine leichtere erscheint. In dieser Keimscheibe konnte ich ausser der be- schriebenen Theilungsfigur einen weiteren Kern nicht auffinden. Wenn man auf das, was von anderen Wirbelthieren bekannt ist, Bezug nimmt, so kann es sich hierbei nur handeln entweder um ein Ei, in welchem der Eikern, sich theilend, ein Richtungs- körperehen bildet oder um ein Theilungsstadium des ersten Furehungkernes. Die erste Auffassung glaube ich mit Sicherheit ausschliessen zu können aus folgenden Gründen. Einmal liegt die Theilungsfigur fern ab von der Oberfläche der‘ Keimscheibe und dann steht die Axe der Theilungsfigur fast parallel zu dieser Oberfläche. Es gibt dieser Befund auch eine Bestätigung für meine oben für die Keimscheibe AI 1 gegebene Deutung, bei der ich den Befund mit der Bildung eines Richtungskörperchens in Beziehung setzen zu müssen glaubte. Ein Vergleich der Figur 3 aus Keimscheibe AI 1 und Figur 16 und 17 aus Keimscheibe AI 12 wird die Richtigkeit meiner Deutung wohl ausser Frage stellen. Dieselbe Deutung (Theilung des ersten Furchungskernes) gebe ich auch der Keimscheibe T 9 von der Ringelnatter. Die Beweisführung ist hier eine schwierigere. Es findet sich m der Mitte dieser Keimscheibe auch eine Theilungsfigur, ausser der- selben konnte ich aber noch zehn weitere Kerne in derselben Keimscheibe beobachten. Ich halte die letzteren jedoch alle für Nebenspermakerne. Was mich bestimmt, diese 10 weiteren Kerne als Nebenspermakerne anzusprechen, darauf werde ich erst im folgenden Kapitel eingehen. Ist aber diese Annahme richtig, so bleibt auch hier die Beweisführung dieselbe wie bei der eben besprochenen Blindschleiehenkeimscheibe. Die Theilungsfigur halte ich für Theilung des ersten Furchungskernes, weil sie über der Mitte der dotterarmen Stelle der Keimscheibe, und zwar tief unten im Furchungsdotter liegt. Ferner spricht dafür, dass dies die einzige Theilungsfigur in der Keimscheibe ist, während alle anderen Kerne sich in Ruhe befinden. Dass die Theilungsfigur einem Nebenspermakerne angehöre, schliesst sich wohl auch dadurch aus, dass dann etwas anderes hätte gefunden werden müssen, was als ein Abkömmling des Eikerns sich erkennen liesse. Dagegen gebe ich gerne zu, dass es namentlich im Anfang ziemliche Schwierigkeiten macht, beide, die Spindel des ersten Furchungskernes von der Spindel eines Nebenspermakernes zu 260 Albert Oppel: unterscheiden. Es scheint mir ein für die Erkenntniss besonders . günstiger Umstand, dass bei Tropidonotus natrix in allen von mir beobachteten 12 Keimscheiben desselben Mutterthieres die Theilung des ersten Furchungskernes der Zeit nach der Theilung der Nebenspermakerne (auf welehe ich später zu sprechen kommen werde) voraus ist. Unterstützt wird meine Deutung noch durch den Umstand, dass ich auch in der Blindschleiehenkeimscheibe AII 12 ein ähnliches Stadium auffinden konnte, bei welchem die Deutung eine gesicherte zu sein scheint. Endlich spricht noch dafür der Umstand, dass in den anderen Keimscheiben derselben Ringelnatter (die doch im Alter keine zu grossen Differenzen erwarten lassen dürfen) in der That dem Alter nach nahestehende Stadien aufgefunden wurden. In allen diesen Keim- scheiben finden sich stets an derselben Stelle im Centrum ver- schiedene den anderen Theilungsvorgängen in der Keimscheibe vorauseilende Theilungsphasen, welche schliesslich zur Bildung zweier Kerne führen, welche nichts anderes sein können, als die beiden ersten Furchungskerne. Ausser dem Umstande, dass sich in der Blindschleichen- keimscheibe, über welche ich eben handelte, keine Nebensperma- kerne finden, in der Ringelnatterscheibe dagegen solche da sind, unterscheiden sich beide auch durch das Aussehen der Thei- lungsfigur. Ich bespreche das, was die Theilungsfigur der Ringelnatter- keimscheibe besonders bietet, indem ich betreffend die Einzel- heiten des Bildes auf die Materialbeschreibung p. 245—246 und auf Fig. 50 verweise. Zunächst ist auffallend die Anordnung der Schleifen. Obwohl schon eine ausgesprochene Lage der Schleifen zu beobachten ist, wie sie etwa der Theilungsphase entspricht, welche man als Aequatorialplatte zu bezeichnen pflegt, sind doch die Schleifen in zwei Gruppen getrennt, welche aber nicht wie bei der Bildung der Tochtersterne, an beide Enden der Axe der Theilungsfigur gerückt sind. Vielmehr liegen sie zu beiden Seiten dieser Axe. Eine sie verbindende Linie schneidet diese Axe unter einem rechten Winkel. Man könnte daran den Gedanken knüpfen, dass sich in dem männlichen und weiblichen Vorkern, ohne dass eine innigere Verbindung zu Stande käme, die Schleifenbildung einleiten würde. Selbstverständlich bin ich weit entfernt, aus diesem einzigen Befund, dessen Deutung ja noch eine wenig Die Befruchtung des Reptilieneies. 261 sichere und eine sehr schwierige ist, derartige weittragende Schlüsse mit Bestimmtheit ziehen zu wollen. Eine Kernmembran, welche ieh in den Conjugationsstadien, welche ich als Jünger denn diese Keimscheibe beschrieben habe, als trennend zwischen dem Inhalt der aneinanderliegenden Kerne auffand, konnte ich in dieser Figur nieht erkennen. Weiter unterscheidet sich diese Theilungsfigur von der der Blindschleiche A II 12 (Fig. 16 u. 17) durch die Anordnung der achromatischen Substanz. Während bei der Blindschleiche die Punkte, von welchen die Fäden ausgehen, ziemlich entfernt von der ehromatischen Figur liegen, befinden sie sich bei der Ringelnatter in nächster Nähe derselben. Es erhält da- dureh die Figur ein (wenn ich so sagen darf) zusammengedrücktes Aussehen, sie erscheint viel breiter im Verhältniss zur Länge als die der Blindsehleieche. Endlich erhielt ich noch den Eindruck, als ob die Centren, von welchen die Fäden ausgehen (irgend welche abgegrenzte Gebilde, Kügelchen ete. konnte ich in denselben nicht wahrnehmen), nicht ganz auf entgegengesetzter Seite der chromatisehen Figur lägen, sondern beide noch nahe beisammen auf der einen Seite der Figur. Doch ist dies bei der Kleinheit des Objekts und bei der hiefür ungünstigen Schnittriehtung (vgl. Figur 50) nur schwer zu erkennen. Wäre meine ‘Beobachtung richtig, so wüsste ich dieselbe kaum anders zu deuten, als dass man es hier mit einer in erster Entstehung begriffenen (wenig- stens was die achromatischen Fäden anlangt) Theilungsfigur zu thun hätte. Fasse ich meine Muthmaassungen, welche ich mit grösst- möglichster Reserve hinstelle, da ich als begründend nur die beiden Theilungsfiguren vorlegen kann, zusammen, so sind sie folgende. In der Reptilienkeimscheibe kommt es, nachdem sich männlicher und weiblicher Vorkerä zur Berührung genähert haben und der protoplasmatische Hof mit Strahlung, welcher zuerst nur den männlichen Vorkern umschliesst, beide umfasst hat, zu einer Veränderung in Innern der Kerne, ohne dass eine Ver- schmelzung beider Kerne erfolgt. Das Resultat dieser Verände- rung ist die Bildung von chromatischen Schleifen, wann und ob eine Längstheilung der Schleifen erfolgt, kann ich nieht sagen. Während der Sehleifenbildung kommt es zum Schwinden der Kernmembran beider Kerne. Die beiden Kerne vereinigen sich nun aber nieht zum Aufbau eines Kernes. Inzwischen ist eine 262 Albert Oppel: achromatische Figur deutlich geworden. Dieselbe besteht aus . Fäden, welche mit den Schleifen in Verbindung stehen und sieh in zwei Öentren vereinigen. Die beiden Centren liegen anfangs nahe beisammen zur Seite der beiden aus Schleifen bestehenden Kerne, sie rücken dann auseinander und bilden so zwei Pole, auf welche zu sich die von dem inzwischen zur Sternform angeord- neten Schleifeneomplex ausgehenden achromatischen Fäden ver- einigen. Wie weit meine Deutung richtig ist, werden weitere Untersuchungen lehren. Jedenfalls glaube ich als sicher anneh- men zu dürfen, dass die Verschiedenheit der beiden betrachteten Theilungsfiguren nicht darauf beruht, dass dieselben einander zwar nahe verwandten, aber doch immerhin verschiedenen Thieren angehören, sondern dass die Figur der Ringelnatterkeimscheibe T 9 einer bedeutend jüngeren Theilungsphase angehört, als die der Blindschleiehenkeimscheibe A IH 12. Wie der weitere Verlauf des Theilungsvorganges des ersten Furchungskernes vor sich geht, kann ich an einem etwas rei- cheren Material, nämlich an einer Reihe von Keimscheiben von Tropidonotus natrix, welche alle demselben Mutterthier entnommen sind, dem T 9 entstammt, verfolgen. In dem folgenden Stadium, hierher gehören Keimscheibe T 1 Fig. 34 und T 6 Fig. 47, sind die Chromosomen schon vollständig getrennt und liegen in zwei Haufen fern ab von ein- ander (Fig. 34). In derselben Figur zeigt das Chromatin noch deutliche Stäbehenform, dazwischen lässt sich eine Zwischen- substanz, welehe sich wohl am Aufbau des Kernes betheiligt, als etwas eben durch die Chromatinfäden abgegrenztes erkennen. Wie weit sich die ehromatischen Elemente an dem Aufbau dieser Kugeln betheiligen, konnte ich nicht unterscheiden; ich erhielt aus den verschiedenen Bildern, welche die Ringelnatterkeim- scheiben darboten, den Eindruck, als ob die chromatischen Stäbehen, wenn sie zuletzt noch erkannt werden konnten, zwischen den Kügelehen dieselben umfassend liegen würden. Es wurden diejenigen Theilungsfiguren abgebildet, deren Längenaxe parallel zur Schnittebene fiel, was nur in der Minderzahl der Fall war. Gleichzeitig mit der Theilung des Kernes ist die Theilung des Protoplasmahofes erfolgt. Jeder der beiden Chromosomenhaufen besitzt seinen eigenen Hof. Die Verbindung beider ist jedoch noch nieht gelöst. In dem Schnitt, welchem Fig. 34 entnommen Die Befruchtung des Reptilieneies. 263 ist, kann man dies nicht deutlich sehen, weil die Verbindungs- fäden zwischen beiden Höfen nicht genau in der Schnittebene verlaufen, deutlicher ist dies im nicht abgebildeten nächsten Schnitte. Wie lange sich diese Verbindungsfäden erhalten, zeigt auch die Figur 44, welche einer Keimscheibe (T 4) entnommen sind, die ich für älter halte. In dieser Keimscheibe ist die Bildung der beiden Furchungskerne vollständig oder nahezu vollendet. Ich glaube die letzte Einschränkung machen zu müssen, weil es sich, wie aus Fig. 44 ersichtlich ist, nicht um zwei einfache runde Kerne handelt. Vielmehr besteht der eine der beiden Kerne aus zwei Kugeln, welche dicht an einander gelagert sind, der andere lässt wenigstens anf der einen Seite eine Ein- kerbung erkennen. Vielleicht findet sich ein Verständniss für dieses Verhalten, wenn ich zum Vergleich die Keimscheibe AI5 von Anguis fragilis beiziehe. Ich glaube, dass diese Keimscheibe sich etwa im demselben Stadium befindet, vielleicht etwas jünger ist, wie die eben besprochene der Ringelnatter. Den Befund stellt Fig. 9—11 (3 nebeneinander liegenden Schnitten entnommen) dar. Die beiden Kerme bestehen hier je aus 5—6 Kügelchen. Vergleicht man nun hiermit Fig. 34, so gewinnt man den Eindruck (es konnte dies in der Zeichnung nicht so deut- lich wieder gegeben werden, als es im Präparat ist), dass auch dort eine Gliederung des Ganzen in einzelne Elemente gegeben sei, zu welchen die Chromosomen in Beziehung stehen. Man könnte sich vorstellen, doch spreche ich dies mit Vorbehalt als eine noch nicht bewiesene Vermuthung aus, dass bei der Um- bildung der Chromosomen zunächst kein einheitliches Kerngerüst entstehe, sondern einzelne kuglige Elemente. Diese Elemente wären zu einem Ganzen nach Art eines polymorphen Kernes vereinigt. Ueber die Zahl dieser Elemente kann ich bei meinem spärlichen Material noch nichts Bestimmtes angeben. Ich habe noch anzufügen, dass sich die übrigen oben vor- gelegten Keimscheiben in diese Beschreibung als Bestätigung einreihen lassen, ohne jedoch zur Unterscheidung weiterer Phasen des Processes führen zu können. > In Keimscheibe T 3 konnte ich keinem der aufgefundenen Kerne die Deutung eines Furchungskernes geben. Keimscheibe T 2 glaube ich für die älteste der Ringel- natterkeimscheiben ansehen zu sollen. Es fanden sich hier Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 3 1 [0 0) 264 Albert Oppel: zwei Kerne, welche ich als Furchungskerne deuten zu müssen glaube. Der eine bestand aus einer Anzahl kleiner, nur wenig gefärbter Kügelchen, die Zahl mag etwa 5—6 (4 deutlich) be- tragen (Fig. 36 a). Er ähnelt überaus dem in Fig. 9 und 11 von der Blindschleiche abgebildeten Furchungskerne. Der andere war schon in Theilung begriffen (Fig. 35). Nicht weit von ihm liegend fand ich noch eine Theilungsfigur Fig. 36 b. Ich ver- weise betreffend Aussehen der Figur auf die voranstehende Materialbeschreibung. Es bestimmt mich vor Allem die Lage, diese Kerne zum Theil als Furchungskerne anzusehen. Doch möchte ich die Theilungsfigur Figur 36 b wegen ihrer Unregel- mässigkeit, eher für eine erste Theilung eines Nebenspermakernes halten. Doch kann ieh diese Deutung nicht bestimmt aufrecht erhalten, da die Figur nach Lage und Aussehen viel an Furchungs- kerne Erinnerndes hat. Es wären demnach, wenn meine Deutung eine richtige ist, hier zwei Furchungskerne vorhanden, von denen der eine noch in Ruhe, der andere schon wieder in Theilung sich be- finden würde. Nach den Befunden, welche ich unten aus Furchungs- keimscheiben von Anguis fragilis beschreiben werde, stehen dem Umstande Bedenken gegenüber, dass die Theilungsvorgänge in den ersten Furchungskernen in so verschieden raschem Zeit- maass sich einleiten und ablaufen könnten. Ich habe daher ge- sucht, auch andere Deutungen zu prüfen (z. B. ein ruhender Furchungskern, alle Theilungsfiguren: Nebenspermakerne), doch schien sich mir keine andere aufrecht erhalten zu lassen. Immer- hin möchte ieh die Deytung, zwei Furchungskerne in dieser Keimscheibe, mit einem Fragezeichen versehen. Zur Zeit, zu welcher die geschilderten Vorgänge sich ab- “ gespielt haben, bis zur Bildung zweier Furchungskerne, ist in der Keimscheibe von Ringelnatter und Blindschleiche die Bildung der ersten Furche noch nicht erfolgt. Es schliesst dies natürlich nicht aus, dass dieselbe noch zur Zeit des Bestehens der beiden Kerne erfolgen kann. 3. Die Nebenspermakerne. Ich habe in dieser Arbeit schon mehrfach darauf hinge- wiesen, dass in der Keimscheibe von Anguis fragilis und Tropi- donotus natrix während der Conjugation der beiden Vorkerne Die Befruchtung des Reptilieneies. 265 und während der Theilung des ersten Furchungskernes sich noch weitere Kerne finden. Ich habe dieselben „Nebenspermakerne* genannt, weil ich der Ansicht bin, dass ihr Vorhandensein durch Eindringen von weiteren Spermatozoenköpfen (ausser demjenigen, welcher den Hauptspermakern, den männlichen Vorkern liefert) in die Keimscheibe bedingt ist. Diese Ansicht werde ich im Folgenden zu beweisen versuchen. Zunächst gebe ich eine kurze Uebersicht über den Befund, wie er sich bei Vergleichung der oben geschilderten Keimscheiben entnehmen lässt. In den Keim- scheiben der Blindschleiche finden sich zur Zeit der Conjugation der Vorkerne in 3 Fällen keiner, in 2 Fällen einer, in 3 Fällen zwei, in 4 Fällen 5 und in einem Fall 5 weitere Kerne. Zur Zeit, zu welcher die Theilung des ersten Furchungskernes schon erfolgt ist (A I 5), finden sich ausser den beiden Furchungskernen noch 3 weitere Kerne. Diese Kerne gleichen bei Anguis fragilis alle, bei Tropidonotus natrix der grössere Theil (die übrigen werde ich noch besprechen) den aus der Zeit vor der Conjugation beschriebenen Spermakernen. Sie besitzen alle einen Hof mit mehr oder weniger deutlicher Strahlung. Zur Zeit, zu weleher männlicher und weiblicher Vorkern noch nieht in Contact stehen, fand ich bei Anguis fragilis in 2 Fällen keine weiteren Kerne oder kernähnlichen Gebilde in der Keimseheibe, in einem Falle einen. Bei Tropidonotus natrix fand ich in der Zeit vom Bestehen der Theilungsfigur des ersten Furchungskernes bis zur vollendeten Theilung in die beiden ersten Furchungskerne in 12 Fällen 205 Kerne, d. h. 9 und 10 Kerne je in 2 Fällen, 14 Kerne in 3 Fällen, 15, 16, 24, 31, 37 Kerne je in einem Fall. Ich fand also bei Tropidonotus natrix, auch in der Serie, welche am wenigsten: Kerne enthielt, stets mehr, meistens aber bedeutend mehr Kerne als bei Anguis fragilis. Doch habe ich hinzuzusetzen, dass ich bei Tropidonotus natrix die sich hier findenden {bei Anguis fragilis nicht beobachteten) kernähnlichen (Gebilde mit eingerechnet habe. Ich habe dies aus folgendem Grund gethan. Einige der kernähnlichen Gebilde unterscheiden sich nach Form und Tinetions- vermögen wohl bedeutend von den Kernen, z. B. Fig. 46 und 48. Andere aber, z.B. 38 und 41, sehen sowohl den Kernen wie den kernähnlichen Gebilden überaus ähnlich, sie scheinen Zwischen- 266 Albert Oppel: stufen zwischen beiden darzustellen. Stellt man alle diese Formen nach der Achnlichkeit nebeneinander, so bilden sie eine Reihe. Ich glaube, dass Spermatozoonköpfe diese Reihe durchlaufen, und so aus kernähnlichen Gebilden zu Kernen werden. Ich halte meine Annahme deshalb für richtig, weil unter diesen Umständen die verschiedenen Bilder verständlich erscheinen würden. Hier ist es nothwendig noch hervorzuheben, dass die kernähnlichen Gebilde sehr an Spermatozoenköpfe erinnern. Einmal ist es bei manchen, z. B. Fig. 48, die Form, welche an Spermatozoenköpfe mahnt, dann die compakte Anhäufung von Chromatin in einem so kleinen Gebilde. Irgend welche Attribute, welche den Sper- matozoen von Tropidonotus natrix weiter zukommen, habe ich nicht erkennen können. Weiter veränderte Formen würden dann z. B. die in Fig. 38 und 41 abgebildeten darstellen, und die End- form wären die ruhenden Kerne, wie sie Fig. 43 und Figur 45 zeigt. Ich glaube, dass dieser Weg der Umwandlung, den ich nur bei Nebenspermakernen beobachten konnte, wohl derselbe sein wird, welchen auch der männliche Vorkern bei seiner Ent- stehung durchläuft und beschreibe ihn daher etwas näher bei der Ringelnatter. Der eben im’s Ei eingetretene Spermatozoonkopf lässt sich zu einer Zeit, zu welcher schon die erste Bildung des Hofes (welehe ich unten beschreiben werde) begonnen hat, noch nach seiner Form als soleher erkennen. Das Chromatin, welches in dem Gebilde in kleinem Raume gehäuft ist, liegt zum grösseren Theil in der hinteren breiteren Hälfte. Das vordere Ende tingirt sich weniger stark. Eine scharf begrenzte Spitze ist nicht vor- handen, vielmehr konnte ich in einem Fall Figur 48 beobachten, dass das Ende zu dem sich bildenden Hof im Beziehung tritt. Bildern, wie Figur 46, kann man die Deutung unterlegen, dass es sich um ähnliche Gebilde wie in Figur 48 handle, nur dass die- selben von der Seite gesehen seien. Ueber den feineren Bau konnte ich auch mit den stärksten Vergrösserungen wenig Deutliches erkennen. Die stäbchenförmigen Gebilde schienen mir eme un- deutliche Längsstreifung und die runden eine aus Punkten be- stehende Zeichnung (vielleicht Längsstreifung im optischen Quer- sehnitt) wahrnehmen zu lassen. Die zunächst sich anreihenden Kerne (ich lege Figur 38, 39 als Beispiel vor) sind schon be- trächtlich grösser, als die bisher betrachteten. Namentlich ist Die Befruchtung des Reptilieneies. 267 der Querdurchmesser gewachsen. Doch blieb die kommaförmige Gestalt immer noch gewahrt. Die Anordnung des Chromatins, welches auch in diesen schon mehr kernähnlichen Gebilden sehr angehäuft ist, vertheilt sich hier noch so, dass die grössere Menge dem breiteren hinteren Ende zufällt. Der Bau des Kerns, der als Ganzes betrachtet eine unebene Oberfläche (man kann das Ge- bilde gelappt nennen) zeigt, lässt eine Zusammensetzung aus kleinen, an den Berührungsstellen verschmolzenen Kugeln, erkennen. Eine Kernmembran (wenn eine solehe da ist, was nicht immer deutlich erkannt werden kann) schliesst sich innig an das Kern- gerüst an, den einzelnen Hervorragungen folgend. Im folgenden Stadium (Fig. 42), das dem hier eben beschriebenen nahe steht, hat sieh der Längsdurechmesser des Kernes im Verhältniss zum Querdurchmesser verkürzt. In noch höherem Grade ist dies in Figur 43 der Fall. Gleichzeitig wird der aus Kugeln bestehende Autbau des Kernes weniger in die Augen springend und es tritt ein Kerngerüst, wie es in ruhenden Kernen zu sein pflegt, deut- lieher hervor. Eine Kernmembran ist nur bei einem Theil der Kerne deutlich, setzt sich jedoch bei manchen Kernen als doppelt eontourirte Linie deutlich gegen das Kerngerüst (z. B. Figur 43) ab. Als Endstadium des Umwandlungsprocesses betrachte ich Kerne, wie den in Figur 45 abgebildeten. Zur Zeit, zu welcher der Spermatozoonkopf eben ins Ei eingedrungen ist, hat sich an der Stelle, an welcher dies ge- schehen ist, eine tiefe Einsenkung — Grube — der Keimscheiben- oberfläche gebildet. Es ist nun zu fragen, was das aktive bei der Bildung der Grube ist. Einmal könnte man an eine direkte mechanische Einwirkung des Spermatozoons denken. Dasselbe würde gegen die Oberfläche der Keimscheibe vordringend die dieselbe überdeekende dünne protoplasmatische Membran eine Zeit lang vor sich herdrängen, bis es ihm gelänge, dieselbe zu durehbohren. Weiter könnte man der Ansicht sein, dass das Ei (es käme hier ja nur das Protoplasma in Betracht) auf den Reiz, welchen das andringende Spermatozoon auf die Oberfläche ausübt, sich an der betreffenden Stelle eontrahirt und so de Grube bildet, in welche das Spermatozoon eindringt. Endlieh könnte man noch daran denken, dass zur Zeit der Befruchtung solche Gruben schon vorgebildet wären und dass dann die Spermatozoen eben nur da einzudringen vermöchten, wo sie Gruben vorfänden. Die 268 Albert Oppel: letzte Ansicht scheint mir die am wenigsten aufreeht zu erhaltende - zu sein. Wenn ich auch die Frage über die Art der Entstehung der Grube nicht beantworten kann, . so habe ich doch folgenden Umstand besonders zu betonen. Ich habe Gruben nur über den einzeln liegenden Kernen gefunden, aber niemals über den Stellen, an welchen der im Theilung befindliche Furchungskern liegt. Es scheint mir dies dafür zu sprechen, dass die Grubenbildung auch etwas mit emem Widerstand zu thun haben kann, welchen das Ei weiteren eindringenden Spermatozoen entgegensetzt, nachdem einmal ein Spermatozoonkopf eingedrungen ist. Dass die Gruben bei Tropidonotus natrix Kunstprodukte sind (ich meine Einziehungen, hervorgerufen durch die fixirenden Reagentien), halte ich bei der Grösse und der so charakteristischen aber doch variirenden Form der Gruben für ausgeschlossen. Eher könnte man bei den bei Anguis fragilis sich findenden Dellen an Artefacte denken. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass hier das um den unter der Delle liegenden Kern angehäufte Protoplasma sich auf Eim- wirkung von Reagentien zusammenziehen und so die Delle an der Oberfläche secundär nachziehen könnte. Doch scheint mir dagegen zu sprechen, dass ich die Dellen an frisch geschälten Eiern, auf welche die Reagentien eben erst einzuwirken begannen, erblickte und zwar so, wie sie sieh unverändert während des Fixirungsprocesses erhielten. Ich habe im Vorangehenden ausgeführt, dass ich glaube, für das Entstehen der Nebenspermakerne aus Spermatozoen spreche der Umstand, dass sich eine Reihe verschiedener, aber einander ähnlicher Bilder finden, welehe nach ihrer Aehnlichkeit anein- andergereiht, eine verbindende Kette zwischen den beiden End- formen bilden. Ich fahre in dem Bemühen fort, Beweise für meine Ansicht zu erbringen. In der Keimscheibe des unbefruch- teten Eies finden sich, soweit dies bei Wirbelthieren bisher be- kannt ist, weitere Kerne ausser dem Eikern nicht. Hier finden sich nun zur Zeit der Conjugation und späterhin weitere Kerne. Wie sollen diese Kerne entstanden sein? Es bleiben nur zwei Möglichkeiten, entweder die Kerne sind aus einem der beiden Vorkerne oder aus beiden entstanden, oder sie sind von aussen hereingekommen. Eine weitere Ansicht, dass die Kerne neu, d. h. nicht aus Kernen (freie Kernbildung) entstanden seien, wird heute wohl Niemand mehr aufrecht erhalten wollen. Die Befruchtung des Reptilieneies. 269 Die Ansicht, dass die Kerne aus dem männlichen oder weibliehen Vorkerne entstanden seien, lässt sich mit Sicherheit widerlegen. Zur Zeit, zu welcher die beiden Kerne da sind, lässt sich niehts erkennen, was darauf hinweisen würde, dass sich irgend ein T'heilungsvorgang bei denselben abspiele (AI 1 und AI 2). Ist dann die Conjugation erfolgt oder auch schan vorher (Serie A II 1), so treten an Stellen, welche von dem Ort, wo die in Conjugation befindlichen Kerne sind, weit abliegen, Kerne auf. Wie die Kerne an diese Stellen, welehe zum Theil ganz an der Peripherie der Keimscheibe liegen, anders als von aussen gelangen sollen, wäre ganz unverständlich. Endlich habe ich als beweisend die Gruben und das Verhalten der Kerne zu den Gruben und insbesondere zu dem umgebenden Protoplasma anzuführen. Während die in Conjugation befindlichen Vorkerne ebenso die Vorgänge, welche zur Bildung der beiden ersten Furehungskerne führen, stets tief unten, bisweilen an der Grenze des feinkörnigen Dotters gegen den grobkörnigen Dotter zu suchen sind, verhält sich dies mit den Nebenspermakernen ganz anders. Ein Theil derselben, häufiger ist dies bei den nahe der Mitte der Keimscheibe liegenden der Fall, liegt auch tief, wie der männliche Vorkern. Andere aber liegen direkt unter der Keim- scheibenoberfläche, einzelne liegen in einer ganz anderen Schicht des Furehungsdotters, nämlich in der oberflächlichen Protoplasma- schicht. Um einen Theil der Kerne, und zwar um die Mehrzahl, hat sich ein Hof mit Strahlung gebildet, um andere nicht. Die letzteren sind fast durchweg solche, welche ich auch nach ihrem Aufbau für erst in Umwandlung in Kerne begriffene Sperma- tozoenköpfe ansehe. Die Bildung der Hofes mit Strahlung scheint mir bei den von mir untersuchten Thieren klarer zu sem, als bei anderen. Zunächst habe ich hervorzuheben, dass ich in keiner Keimscheibe eine Strahlung fernab von einem Kern entdecken konnte. Stets stand der Kern zu dem Mittelpunkt der Strahlung in Beziehung, wenn er auch nicht genau in der Mitte des Hofes lag. Ich habe daher zur Zeit keine Ursache eine Entstehung von Hof und Strahlung anderswo als um den Kern zu suchen. Wenn ich sämmtliche Kerne, ich besitze in meinen Serien (vor der ersten Furche) 203 Nebenspermakerne bei Tropidonotus natrix, vergleiche, so erhalte ich den Eindruck, dass die Strahlung in folgender Weise entsteht: Wenn der Spermatozoonkopf ein- 270 Albert Oppel: gedrungen ist, gelangt er zunächst in die oberflächliche protoplas- matische Randzone. Es kann unter Umständen ein Spermatozoon- kopf in dieser Schicht liegen bleiben und sich ein Hof mit Strahlung bilden. In der Regel jedoch dringt er sofort etwas tiefer. Er ist zuerst umgeben von dem unveränderten Furchungs- dotter. Bald erscheint derselbe jedoch etwas aufgeloekert. Stets ist die Verbindung zwischen Furchungsdotter und Spermatozoon noch eine so lockere, dass bei Schrumpfung (durch Fixirungs- mittel hervorgerufen) stets das umgebende Protoplasma vom Kerne abreisst. Dann beginnt das protoplasmatische Netz, welehes den Furchungsdotter durchzieht, in der Umgebung des Kernes dichter zu werden. Die Verbindung mit der Oberfläche des Kernes resp. der bisweilen deutlich erkennbaren, denselben umhüllenden Membran, wird jetzt eine festere. Dann erst fängt in dem Netz eine radiäre Strahlung an, zum Ausdruck zu kommen. Gleichzeitig ist aber die Protoplasmaansammlung in der Umgebung des Kernes eine so dichte geworden, dass dieselbe den Eindruck eines Hofes macht, von welchem die Strahlung ausgeht. Wie diese Protoplasmaansammlung entsteht, ob dadurch, dass daselbe sich von weither sammelt, oder dadurch, dass das Protoplasma des Furchungsdotters hier durch Umwandlung die körnige Ein- lagerung verliert, kann ich nicht entscheiden. Während sich Hof und Strahlung gebildet hat, kann nun der Kern unter seiner Grube liegen geblieben oder eine ziemliche Strecke abgerückt sein. Ich denke mir, doch kann ich dies nicht beweisen, dass ein Fortrücken der Kerne nur statthat bis zu dem Zeitpunkt, in welchem mit einem der Spermakerne die Conjugation erfolgt ist. Jedenfalls habe ich nieht beobachtet, dass während der Zeit der ÖConjugation und während sich der erste Furchungskern theilt, ein Fortrücken der übrigen Kerne von ihrer Grube weg gegen den Ort, wo die Conjugation stattfindet, zu bemerken wäre. Die Bewegung eines Kernes mit seiner Strahlung denke ich mir nicht in der Weise, dass der Kerm mit seimer Strahlung als einem begrenzten Gebilde sich weiter bewegt. Vielmehr glaube ich, dass sich nur der Kern bewegt (vielleicht mit einem Theil des Hofes) und dass die Strahlung von dem jedesmal den Kern Jeweilig umfassenden Protoplasma gebildet wird. Bisweilen, wenn der Kern schon eine ziemliche Streeke von seiner Eintrittsstelle in das Ei entfernt liegt, reicht trotzdem die Strahlung noch bis Die Befruchtung des Reptilieneies. 271 dorthin, wie überhaupt allseitig durch die ganze Schicht des Furehungsdotters, bis sie sich m der nur aus Protoplasma be- stehenden superfieiellen Schicht verliert. Es wäre dann die Strahlung nicht als etwas constantes zu denken, sondern eben nur als eine durch die jeweilige Lage der verschiedenen Kerne bedingte Anordnnng des Protoplasmas. Ob die Radiäransrdnung dureh die Kerne selbst oder durch die Centrosomen bedingt wird, kann ieh nicht entscheiden, da ich die letzteren bisher noch nicht auffinden konnte. Bilder wie Figur 45 sprechen jedoch für die letztere Ansicht, da hier die Strahlung auch vom Hofe ausgeht, obwohl der Kern nicht im Mittelpunkt desselben liegt. Für die Entstehung der Strahlung unter direkter Einwirkung des Spermakernes resp. seines ÜCentrosomas spricht besonders der Umstand, dass bei Vorhandensein mehrerer Nebenspermakerne auch eine entsprechende Anzahl von Strahlungen vorhanden ist. Wäre die Strahlung etwas selbständig im Ei entstehendes und nachträglich zum männlichen Vorkern in Beziehung tretendes, so wäre nicht verständlich, wie beim Vorkommen mehrerer Neben- spermakerne die Strahlungen für diese entständen. Ich habe im Vorstehenden eine Schilderung der Entstehung eines Nebenspermakernes und seines Hofes gegeben, indem ich die verschiedenen Bilder, welche ich in meinen Keimscheiben fand, aneinander reihte. Ich habe gesagt, dass sich daraus wohl auch ein Bild machen lassen werde, wie der männliche Vorkern entsteht, der sich ja in den Keimscheiben vor Beginn der Conjugation nicht von einem der in anderen Keimscheiben beobachteten Nebenspermakerne unterscheiden lässt. Ich werde nun dadurch zur Frage geführt, wie es denn denkbar ist, dass sich solehe verschiedene Entwicklungsstufen noch im so späten Stadien, z. B. zur Zeit der Theilung des Furchungskernes, finden. Es sind hier in erster Linie 2 Möglichkeiten zu beachten: Ent- weder die Spermatozoen sind alle frühzeitig eingedrungen, oder einzelne sind erst nachgefolgt. Ist das erste der Fall, so müssen entweder die Kerne in ihrer Ausbildung nur einen gewissen Grad erreicht haben und dann stehen geblieben sein, oder aber die Ausbildung zu Kermen erfolgte bei den einen rasch, bei anderen hatte sie zur Zeit der Abtödtung erst eine niedere Stufe erreicht, dieselben waren aber noch in der Weiterbildung begriffen. Wären einzelne Spermatozoen erst später eingedrungen, nachdem schon 212 Albert Oppel: Conjugation erfolgt war, so müsste dies zu einer Zeit geschehen sein, zu der sich schon die Eischale gebildet hat. Es müssten dies dann Spermatozoen sein, welche sich (vielleicht innerhalb der Dotterhaut?) lebend erhalten hätten. — Für die letzte Annahme, dass noch nach erfolgter Conjugation Spermatozoen in’s Ei ein- zudringen vermögen, scheint mir der Umstand zu sprechen, dass sich in den beiden Jüngsten Serien von Anguis fragilis (AI1u. AI2), wo noch keine Conjugation erfolgt war, nur ein Spermakern im Ei fand und in einer weiteren Serie aus dieser Zeit (All 1) nur ein Nebenspermakern. Dagegen wäre es nicht gerechtfertigt die Thatsache, dass bei Tropidonotus natrix (wo ein späteres Sta- dium vorlag) viel mehr Nebenspermakerne da waren, in diesem Sinne zu verwerthen, da ja dieser Unterschied durch die Ver- schiedenheit, welche auch sonst in der Entwiekelung von Anguis fragilis und Tropidonotus natrix besteht, gegeben sein kann (man denke nur an die verschiedene Grösse der Keimscheiben bei beiden Thieren) und mir jüngere Stadien von Tropidonotus natrix nicht zu Gebote stehen. Die bei Anguis fragilis beobachteten Verhältnisse halte ich für das maassgebendere, weil hier 3 Mutterthiere zur Untersuchung kamen, von Tropidonotus natrix dagegen nur eines. Ich habe meine Deutung noch gegen einen Einwand zu vertheidigen. Man könnte sagen: zugegeben, dass die beobachteten Kerne Sperma- kerne und in den älteren Keimscheiben Nebenspermakerne sind, so kann diese Polyspermie doch immerhin eine pathologische sein, sie kann z.B. noch bedingt sein durch die auf das Ei ein- wirkenden Reagentien, welche zu langsam abtödteten. Es scheint dieser Einwand auf den ersten Blick nicht ganz wnberechtigt, namentlich wegen der Verhältnisse bei der Ringelnatter, wo ich in einem schon späten Stadium noch in Umbildung begriffene Nebenspermakerne in den Keimscheiben fand. Dass es sich um ein vereinzeltes pathologisches Vorkommen handle, glaube ich jedoch dadurch unwahrscheinlich machen zn können, dass ich Nebenspermakerne bei 13 Keimscheiben von 3 Mutterthieren der Blindschleiche und noch bei 12 Keimscheiben von emer Ringel- natter fand. Was die Nebenspermakerne der Ringelnatter, nament- lich die nur zum Theil oder gar nicht in Nebenspermakerne umgewandelten Spermatozoenköpfe anlangt, so bestehen für Ein- wände reichliche Gründe. Der stichhaltigste Einwand scheint Die Befruchtung des Reptilieneies. 273 mir der zu sein, dass die Eier dieses Mutterthieres lange Zeit ‚ungeschält in der Fixirungsflüssigkeit lagen. Nach dem, was über Einwirkung von chemischen Stoffen " auf Spermatozoen, namentlich durch die Botaniker bekannt geworden ist, wäre es ja am Ende denkbar, dass zwischen Keimscheibe und Dotter- haut befindliche Spermatozoen bei der durch die Schale ganz allmählich beginnenden Einwirkung von Sublimat sich gegen die Keimscheibe bewegt hätten und so in dieselbe gelangt wären. Un- verständlich bleibt aber dann doch, wie die Spermatozoen jetzt in grösserer Zahl ins Ei eindringen konnten, während vorher nach dieser Ansicht nur ein einziges dies vermocht hätte. Nimmt man aber an, dass der Widerstand, welchen das Ei dem Eindringen weiterer Spermatozoen entgegensetzt, dureh das einwirkende Sub- limat so geschwächt war, dass die Spermatozoen eindringen konnten, so ist kaum denkbar, dass bei einer so starken Wirkung des Giftes noeh Zeit für die Spermatozoenköpfe bestand, sich in Kerne umzuwandeln. Ich lasse die Frage, ob die beobachteten Verhältnisse bei der Ringelnatter (namentlich das Auffinden von nicht umgewandelten Spermatozoenköpfen zur Zeit, zu welcher zwei Furchungskerne vorhanden sind) zum Theil pathologisch sind, offen. Gegen den Einwand jedoch, dass die Polyspermie, welche ich für die Reptilien im Allgemeinen, insbesondere für Anguis fragilis aufrecht erhalte, etwa durch Reagentien oder durch die Umstände, welche beim Fang, beim Abtödten der Thiere (Chloro- form) und ähnliches mehr hervorgerufen sein könnte, hoffe ich mich auf folgende Weise schützen zu können. Wenn es gelänge, in späteren Entwicklungsstadien bei Thieren, bei welchen die eben beschriebenen Vorgänge Befruchtung und beginnende Fur- chung, noch ehe sie für mich eingefangen waren, oder wenigstens vor Abtödtung und Eröffnung der Mutterthiere sich abgespielt hatten, auch Nebenspermakerne oder deren Abkömmlinge aufzu- finden, so dürfte damit die Polyspermie als etwas physiologisches erwiesen sein. Es war dies für mieh mit ein Grund, das Thema, welches ich mir für diese Arbeit gestellt hatte, zu überschreiten und das spätere Schicksal der Nebenspermakerne, das ich im folgenden Kapitel schildern werde, zu verfolgen. 274 Albert Oppel: 4. Späteres Schicksal der Nebenspermakerne. Ich komme jetzt darauf zu sprechen, welche Veränderungen die Nebenspermakerne während der Furchung erleiden, und was später mit ihnen geschieht. Bei Tropidonotus natrix und Anguis fragilis habe ich im Vorhergehenden diese Kerne verfolgt, bis zwei Furchungskerne gebildet waren. Es bestand damals noch keine Furche. Ich habe noch anzufügen, dass ich schon um diese Zeit bei beiden Thieren Theilungsvorgänge bei den Neben- spermakernen erkennen konnte. In Figur 12 habe ich von der Blindschleiche A I5 eime Theilungsfigur abgebildet, welche, wie ich glaube, einem Nebenspermakern angehört. Die Figur ist eine der regelmässigsten, welche ich sah und für die Blind- schleiche die einzige, welehe ich m so früher Zeit (die beiden ersten Furchungskerne bestehen jeder aus 5—6 Kügelchen) be- obachten konnte. Die ehromatischen Schleifen wie die achro- matischen Fäden sind deutlich zu erkennen. Die Schleifen genau zu zählen war mir nicht möglich, doch scheinen es mir an Zahl kaum weniger zu sein, als in der Spindel des ersten Furchungs- kernes und als in Theilungsfiguren der Furchungskerne aus spä- terer Zeit bei der Blindschleiche (vgl. Fig. 16, 17 und 26). Her- vorzuheben habe ich noch, dass die beiden anderen Neben- spermakerne, welche ich in der ins Auge gefassten Blindschlei- ehenkeimscheibe A 15 beschrieben habe, sich in Ruhe befanden. Bei der Ringelnatter kann ich gleichfalls nur eine einiger- maassen deutliche Theilungsfigur für die Nebenspermakerne in Anspruch nehmen (Fig. 36 b, vgl. auch die Materialbeschreibung pag. 234). Dagegen habe ich eine Reihe weiterer Gebilde z. B. in Keimscheibe T 2 und T5 beobachtet und beschrieben, bei denen es sich offenbar gleichfalls um Theilungsvorgänge handelt. Dieselben sind jedoch so unregelmässig, dass man sie vielleicht nieht mit Unrecht für zerfallende Kerne anspricht. Aus allen diesen Befunden ist zu entnehmen, dass wenn zwei Furchungs- kerne da sind, zwar die Theilung einzelner Nebenspermakerne beginnt, dass jedoch durchaus nicht alle schon um diese Zeit in die Theilung emgehen, oder etwa mit der Theilung der Fur- chungskerme gleichen Schritt halten. Als nächstfolgendes Stadium schliesse ich eine Keimscheibe von Lacerta viridis an. Bei dieser wie bei den im Folgenden Die Befruchtung des Reptilieneies. 275 beschriebenen Keimscheiben bezwecke ich nicht eine Schilderung des Furchungsprocesses zu geben, da ja dies ausserhalb meines Themas legt. Doch muss ich stets eine kurze Beschreibung der Keimscheibe geben, um dann meine Befunde, betreffend die Ne- benspermakerne, einzeichnen zu können. Die besagte Keimscheibe von Lacerta viridis verdanke ich der Güte meines Freundes A. Böhm, welcher dieselbe vor Jahren geschnitten hat. Die Keimscheibe befindet sich im Münchener Institut, und Herr Professor von Kupffer hat mir gestattet, die Serie für diese Arbeit zu benutzen. Böhm verfasste da- mals ein Protokoll über die Befunde, welche diese Keimscheibe bot, dem ich Folgendes entnehme. Die erste Furche ist sicht- bar, 17 Kerne sind vorhanden, davon eimige mit Fragezeichen versehen; von diesen Kermen liegen einmal zwei in einem Hof. „Einige der Kerne trifft man in der Verlängerung einer trichter- förmigen Einsenkung der Oberfläche.“ Böhm hat demnach die ‚ruben in der Reptilienkeimscheibe damals schon gesehen. Er gab jedoch seinen Befunden keime Deutung. Ich färbte die Keimscheibe um und gebe folgende Schilde- rung und Deutung des Befundes. Die Keimscheibe zeigt 17 Kerne, von diesen liegen nur etwa 4 in der Nähe der Furche, die an- (deren zerstreut in der Keimscheibe. Doch liegen alle diese Kerne einzeln, von den peripher liegenden finden sich nicht etwa meh- rere näher beisammen, so dass der Gedanke entstehen könnte, sie seien durch Theilung auseinander entstanden. Ausschliessen lässt sich dies aber auch nicht, da sie ja auseinandergerückt sein können. Nur an einer Stelle liegen zwei Kerne beisammen in einem Hof. Fünf dieser Kerne liegen unter tiefen Gruben, welche aber nur in dem der Oberfläche nächsten Theil sich tricehterförmig öffnen, in der Tiefe berühren sich die Wände, so dass kein Lumen besteht. Einen solchen Kern mit Grube zeigt Figur 51. Die Dotterhaut, wie die Schale (die letztere ist mit- geschnitten) zieht, ohne sich einzusenken (wie ich bei Tropido- notus natrix gleichfalls beobachten konnte, vgl. Figur 38), über die Grube weg. Ueber die Anordnung des Kemgerüstes oder über das Bestehen einer Strahlung im der Umgebung der Kerne ist kein Aufschluss zu erlangen, was damit zusammenhängen mag, dass damals die Technik noch weniger entwickelt war, als sie es heute ist. Nur ein etwas hellerer Hof ist um einzelne, 276 Albert Oppel: namentlich der peripher liegenden Kerne, deutlich. Trotzdem glaube ich, dass die periphere Lage der Kerne und die Gruben fast als beweisend angesehen werden können, dass man es hier mit Nebenspermakernen zu thun hat. Ob die Keimscheibe erst vier oder schon acht, oder eine andere Zahl Furchungskerne aufweist, kann ieh nicht sicher angeben, da es nur möglich ist, fünf von den siebzehn Kernen als Nebenspermakerne in Anspruch zu nehmen, weil nur so viele unter Gruben liegen. Nebensperma- kerne und Furchungskerne dem Aussehen nach zu unterscheiden, ist aber bei dem Erhaltungsgrad der Keimscheibe hier nicht möglich. Die Bedeutung dieser Keimscheibe liegt einmal darin, dass sich daraus entnehmen lässt, dass Nebenspermakerne nicht nur bei Anguis fragilis und Tropidonotus natrix, sondern auch bei Lacerta viridis vorkommen. Es unterstützt dies die Annahme, dass es sich hierbei um emen allen Reptilien zukommenden Pro- cess handle. Weiter ergibt sich daraus, dass die Spermakerne sich auch hier noch bis zur Zeit der Furchung erhalten. 3esseren Aufschluss ergibt folgende (im meinem Katalog B 106 bezeichnete) Keimscheibe von Anguis fragilis. Ich habe die Anordnung und Zahl der Kerne dieser Keimscheibe im ana- tomischen Anzeiger Jahrgang 1891, pag. 543, Fig. 4 abgebildet). Es fanden sich 16 Furchungskerne, welche annähernd die Mitte der Keimscheibe einnehmen. Sämmtliche sind in Theilung be- griffen, doch befinden sieh nicht alle in derselben Theilungsphase. Zwölf dieser Kerne zeigen das Stadium der Aequatorialplatte, während sich bei den übrigen schon die Tochtersterne in Bil- dung befanden. Im dieser Keimscheibe fand ich an mehreren Stellen zerstreut, grösstentheils mehr peripher liegend als die Furehungskerne, 23 weitere Kerne, welche nach ihrem Aussehen und ihrer Lage mit den Furchungskernen nicht verwechselt wer- den können. Die Kerne färben sich bei der angegebenen Be- handlungsweise (Sublimat-Eisessig) intensiv mit Boraxkarmin. Sie erscheinen dann als dunkelrothe Punkte schon bei einer Ver- grösserung, bei welchen man Furchungskerne (insbesondere in Theilung begriffene) überhaupt noch nicht erkennen kann. In Figur 20—25 habe ich solche Kerne aus dieser Keimscheibe, von der Figur 19 das Flächenbild darstellt, abgebildet. Sie liegen in der Regel an der Grenze des Furchungsdotters gegen Die Befruchtung des Reptilieneies. 277 den grobkörnigen Dotter oder sogar in letzterem selbst. Sie sind von einem protoplasmatischen Hof umgeben und werden nicht durch eine Zellmembran gegen die Umgebung abgegrenzt (Fig. 20—22). Doch ist ihre Lage am Grund der tiefen Fur- chenausläufer, welehe unten beschrieben wird, eine so eigenartige, dass es bisweilen den Eindruck macht, als umhülle die sieh einsenkende Furche auch membranartig den Kerm mit semem Hofe (Fig. 25). Einzelne solche Kerne fand ich jedoch ganz un- abhängig und fern von der nächsten Furche. Es ist wohl jeder in der Literatur Bewanderte durch meine Schilderung an das erinnert worden, was schon von anderen Autoren als freie Kerne im Dotter der Reptilienkeimscheibe beschrieben wurde. An einigen Stellen liegen immer zwei ebensolehe Kerne nahe bei- sammen, bisweilen in einem Hofe, im anderen Fällen ist der Hof in Abschnürung in zwei Höfe, in deren Mitte je em Kern liegt, begriffen (Fig. 23 und 25). Zwei beisammenliegende Kerne sind einander stets sehr ähnlich (Fig. 23 und 25), so dass der Ge- danke naheliegt, sie seien durch Theilung auseimander entstanden. Einige der Kerne liegen unter tiefen Einsenkungen der Ober- fläche, welehe aber mehr an die früher beschriebenen Gruben der Ringelnatter- und Eidechsenkeimscheibe als an die Dellen der Blindschleichenkeimscheibe erinnern. Solche Einsenkungen beschränken sich in der Serie nur auf wenige Schnitte, andere ziehen sich in einer Richtung länger fort und setzen sich in die Furehen fort. Sie bilden so die äussersten verbreiterten Enden der Ausläufer, in welche die Furchen der Reptilienkeimscheibe, wie bekannt ist, übergehen. In der Abbildung der von mir ins Auge gefassten Keimscheibe Fig. 19 sind dieselben ersichtlich. Liegen zwei Kerne, wie beschrieben, nahe beisammen, so läuft die Furche häufig trennend zwischen den beiden Kernen, wenn sie auch noch nicht so tief eingeschnitten hat, als die Lage der Kerne ist. : Ich halte alle diese zuletzt beschriebenen Kerne für Ab- kömmlinge der Nebenspermakerne. Den Beweis glaube ich da- mit führen zu können, dass ich neben den Furchungskernen diese Kerne von der Befruchtung an in der Entwieklungsreihe auf- fand; zur Zeit der Conjugation und der Bildung zweier Fur- ehungskerne bei Anguis fragilis, bei Tropidonotus natrix gleich- falls, zur Zeit, zu welcher zwei Furchungskerne gebildet waren, 278 Albert Oppel: bei Lacerta viridis zur Zeit der ersten Furche und bei Anguis fragilis mit sechzehn Furchungskernen. Ich bm mir wohl be- wusst, dass ein strenger Beweis an einer einzigen Species ge- führt werden müsste. Doch halte ich auch so meine Deutung nicht für ungerechtfertigt, da ja die Annahme, es könnte sich in allen diesen Fällen bei den verschiedenen, doch nahe ver- wandten Thieren um verschiedene Kerne handeln, überhaupt das Recht eines Vergleiches zwischen einander nahe verwandten Thieren m Frage stellen würde. Dann liegt ja zwischen zwei und sechszehn Furchungskernen (welche beide bei Anguis fragilis beobachtet wurden) nur ein kurzes Entwicklungsstadium. Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass Kerne, die sich im letzteren Stadium finden und nach Form und Lage Kernen: im ersteren gleichen, etwas anderes als Abkömmlinge dieser wären. Es müssten ja sonst in dieser kurzen Zeit diese Kerne auf eine un- begreifliche Weise in die Keimscheibe gekommen, oder wie man früher wollte, in derselben „frei* entstanden sein. Ich hebe noch einmal hervor, dass an ein Entstandensein aus den Furchungs- kernen nach Lage und Aussehen der Nebenspermakerne nicht zu denken ist. Ihre Zahl spricht auch nicht dagegen, dass die Kerne Abkömmlinge der Nebenspermakerne sind. Sie liegen in dieser Keimscheibe in fünf zum Theil grösseren Gruppen zu einem, drei, fünf, sechs und acht Kernen zusammen. Die letzte Gruppe kann auch aus zwei mal vier Kernen bestehend gedeutet werden. Nehme ich aber auch an, dass acht aus einem Kern entstanden wären, so wäre doch noch immer ein Theilungsakt weniger nothwendig, als für die Entstehung der sechszehn Furehungs- kerne. Ich habe daraufhin nach Theilungsfiguren gesucht. Ich fand auch in einer Anzahl von Keimscheiben aus dieser Zeit, welche ich durehsuchte, Figuren, die eine eigenthümliche An- ordnung des Kerngerüstes zeigen. Ich habe in Figur 28 solche abgebildet. Doch kann ich diese Formen nicht als Mitosen auf- fassen, sie ähneln mehr karyolytischen Figuren. Ich glaube demnach annehmen zu dürfen, dass eine regelmässige Theilung dieser Kerne um diese Entwieklungszeit schon nicht mehr erfolgt. Die Keimseheibe, der die Figur 28 entnommen ist, stammt von demselben Mutterthier wie die beschriebene Keimscheibe mit den sechszehn Furehungskernen. Figur 29 zeigt zum Vergleich einen ruhenden Furchungskern aus derselben Keimscheibe, welcher Die Befruchtung des Reptilieneies 219 Figur 285 angehört. Ich habe noch eme weitere Keimscheibe (dieses Mutterthieres durehgezählt und gleichfalls 16 Furchungs- kerne gefunden, von denen sich aber ein grösserer Theil noch in Ruhe befand. In einer Keimscheibe eines anderen Mutterthieres, bei welchem ich zwanzig Furchungskerne, merkwürdiger Weise alle in Ruhe befindlieh fand, konnte ich auch noch zahlreiche Neben- spermakerne, darunter mehrere karyolvtische Figuren, auffinden, den in Figur 28 abgebildeten ähnlich. Die letzten Reste der Nebenspermakerne fand ich in einer Keimscheibe, welehe ich in Figur 530 abgebildet habe. Diese Keimscheibe zeigt im Flächenbild, was ich nebenbei bemerke, innerhalb der einzelnen Segmente (mit der Lupe gesehen) Punkte, welche bei Färbung mit Lithioncarmin dunkelroth hervortraten. Aus dieser Keimscheibe habe ich m Figur 31 und 32 zwei Nebenspermakerne abgebildet. Dieselben sind klein, intensiv gefärbt und machen den Eindruck von zu Grunde gehenden Kernen. In der Umgebung des einen hat sich noch eine deut- liche radiäre Anordnung des Protoplasmas erhalten. In älteren Keimscheiben habe ich Reste von den Neben- spermakernen nieht mehr aufgefunden. Als ich beim Abschluss dieser Arbeit Umschau in der Lite- ratur hielt, um zu sehen, was Andere betreffend die von mir untersuchten Capitel schon beschrieben haben, so machte ich die Wahrnehmung, dass über Befruchtung bei Reptilien überhaupt keine Arbeit vorliegt. Doch sind es einige Arbeiten, welche sich mit späteren Entwicklungsvorgängen bei Reptilien (z. B. Furchung) befassen, ich möchte in erster Linie die Autoren Kupffer und Benecke Ö), Sarasin (10), C. K. Hoffmann. nennen. Besonders sind es einige Angaben F. Sarasin's (10), welehe vielleicht durch meine Befunde eine Deutung finden können. Dieser Autor beschreibt Furchungskeimscheiben von Lacerta agilis, welche etwas Jünger sein mögen als die von mir beschriebene Blind- schleichenkeimscheibe B 106. Doch schliesse ich dies nur nach den Flächenbildern (vergl. meine Figur 19 mit Sarasin's Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 19 280 Albert Oppel: Figur 20), da Sarasin die Zahl der Furchungskerne nicht -angiebt. In solehen Keimscheiben fand derselbe das Vorhanden- sein kleiner abgeschnürter Zellen in der Tiefe der Furchen in den peripherischen Gebieten der Keimscheibe. In einer Serie zählte der genannte Autor 11 solcher kleiner Zelleu, in einer anderen sechs. Es ist der Gedanke naheliegend, dass es sich hierbei um den von mir beschriebenen Abkömmlingen der Neben- spermakerne ähnliche Gebilde handeln könnte. Besonders scheint mir dafür zu sprechen einmal die Angabe Sarasin’s be- treffend die Lage derselben, worin ihm „eine grosse Willkür zu herrschen“ scheint. Fermer sagt derselbe: „Gewisse Furehen, in denen Zellen sich abschnüren, sind nur durch ein oder zwei Schnitte zu verfolgen, scheinen also gewissermassen nur eime Folge der Zellbildung m der Tiefe zu sein“ (eine solche nahm Sarasin damals an). Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass Sarasin bei dieser Beschreibung Triehter ähnlich den oben beschriebenen im Auge hatte, und dass nach seinen Befunden zu schliessen auch bei Lacerta agilis ähnliche Verhältnisse be- stehen, wie bei den von mir untersuchten Reptilien. Der Stand der Kenntnisse und wohl auch der Technik (Sarasin wandte Chromsäure, Alkohol und heisses Wasser als Fixirungsmittel an) zu der Zeit, in weleher Sarasin über dieses Thema arbeitete, machte leider für diese Gebilde damals eine Deutung noch nicht möglich. Betreffend andere Wirbelthierklassen liegen aus der neuesten Zeit werthvolle Arbeiten über die Befruchtung selbst vor, ich nenne z.B. Agassiz und Whitmann (15), van Beneden (2), Böhm (13 und 18), Calberla (3), C. K. Hoffmann (6), Kupf- fer (4, 8, 11), Rein(9), Rückert (16,17, 20), Salensky (7), O0. Schultze (12) und andere. Auf einige Befunde dieser Autoren möchte ich hier noch kurz eingehen, um das was Andere bei anderen Wirbelthieren sahen, mit dem, was mich die von mir untersuchten Reptilien lehrten, zu vergleichen. Am meisten stimmen die Verhältnisse bei Reptilien wohl mit denjenigen überein, welehe Rückert (16, 17, 20) vom Selachierei beschreibt. Ich komme daher zuerst darauf zu spre- chen. Ich habe vorauszuschieken, dass ich hier wie im Fol- genden stets in keiner Weise die Arbeiten dieser Autoren kriti- sirend betrachten kann, «da ich ja an einem anderen Thiermaterial Die Befruchtung des Reptilieneies. 281 untersucht habe. Vielmehr spreche ieh mich stets nur dahin aus, ob mir die von den genannten Autoren bei anderen Thieren ge- machten Beobachtungen auch für die Reptilien zu Recht zu be- stehen scheinen oder nieht. Die gleichen Verhältnisse, wie sie sich bei den Reptilien finden, wurden bisher bei keinem anderen Wirbelthier' beschrieben. Einige derjenigen Momente, welche als die wichtigsten bei der Befruchtung angesehen werden, lassen sich jedoch bei allen auffinden. Dies ist vor allem die Veremigung von männlichem und weiblichem Vorkern zur Bildung eines Gan- zen, aus welchem nachher dureh mitotische Theilung die beiden ersten Furchungskerne hervorgehen. Dieser Vorgang der Ver- einigung des männlichen und weiblichen Vorkerns, welcher nach len Beobachtungen bei Wirbellosen (vor Anderen sei 0. Hert- wig genannt) eine theoretische Forderung auch für Wirbelthiere war, wurde von van Beneden (2) schon 1875 bei Säugethieren beschrieben. Es sind also die Reptilien nicht die ersten Amnioten, bei welchen dieser Befund gemacht wird. Ebenso stimmen be- treffend das Bestehen dieses Processes die Beobachter bei allen niederen Wirbelthieren bei, ich verweise besonders auf die über verschiedene Fische vorliegenden Arbeiten. So scheint auf den ersten Blick durchweg Uebereinstimmung da zu sein. Vergleicht man jedoch im Einzelnen die Vorgänge genau, so ergeben sich eine Reihe von Unterschieden. Für Selachier und Reptilien ist es in erster Linie die bei beiden beobachtete Polyspermie, welche zu einem Vergleiche herausfordert. Es ist jedoch als unterscheidend hervorzuheben, dass Rückert (20) in den zwei Jüngsten der von ihm beschrie- benen Keimscheiben, bei welchen die Conjugation noch nicht stattgefunden hatte, 3 und 8 Spermatozoenköpfe resp. Sperma- kerne beobachtete. Ich konnte dagegen nur in einem von drei entsprechenden Fällen bei der Blindsehleiche zwei Spermakerne auffinden, sonst nur einen. Es fanden sich erst später zur Zeit der Conjugation und der Bildung der beiden ersten Furchungs- kerne zahlreiche Spermakerne. Ein weiterer Unterschied zwi- schen Selachiern und Reptilien besteht in Folgendem. Rückert (20) schliesst, dass eimer von acht Spermakernen, welche er in einer Keimscheibe (vor der Conjugation) fand, der männliche Vorkern sein müsse. Er nimmt damit an, dass das Eindringen (des Spermatozoons, welches den Hauptspermakern liefert, schon um 282 Albert Oppel: (diese Zeit erfolgt sein müsse. Ich konnte bei Anguis tragilis -in den Keimscheiben AI 1 und A I2 eine solche Deutung, dass der im jeder dieser Keimscheiben beobachtete Spermakern der Hauptspermakern sein müsse, nicht mit Sicherheit aufstellen. Bei Selachiern scheint aber der Umstand, dass Rückert (20) in einer Keimscheibe drei noch stäbehenförmige Gebilde und in (ler nächstälteren acht Spermakerne fand, diesen vorsichtigen lorscher zur Annahme einer gleichzeitigen Bildung aller Sperma- kerne und damit der angegebenen vielleicht richtigen Deutung bestimmt zu haben. Es besteht ja auch für die Reptilien die Möglichkeit, dass «das zuerst eingedrungene Spermatozoon den Hauptspermakern liefert, doch konnte ich dies noch nicht be- weisen. Es scheint mir für Reptilien gar nicht erwiesen, dass das Eindrimgen aller Spermatozoen zusammen und die Umwand- lung derselben in Spermakerne in gleichem Schritt erfolgt, da ja bei der Ringelnatter, z. B. zur Zeit der Theilung des ersten Furchungskermes, einige der Spermatozoenköpfe diese Umwand- lung noch nicht durchgemacht haben. Es soll damit aber auch nicht gesagt sein, dass solche Spermatozoenköpfe diese Umwand- lung später noch durchmachen. Bei der Blindschleiche habe ich solche unausgebildete Spermakerne nicht aufgefunden. Rückert beschreibt solche in späteren Stadien auch bei den Selachiern nicht. Es wäre also mehr Uebereinstimmung zwischen Selachiern und Anguis fragilis, während sich Tropidonotus natrix anders verhielte. Es scheint dieser Umstand meme oben ausgesprochene Ansicht zu unterstützen, dass die bei Tropidonotus natrix ge- machten Befunde möglicher Weise zum Theil auf (z.B. dureh die Behandlung hervorgerufene) abnorme Verhältnisse zurückzu- führen sein dürften. Ein besonders wesentlicher Unterschied zwischen Reptilien und Selachiern besteht aber in dem weiteren Schicksal der Nebenspermakerne. Während sie dort bald (nach wenigen Thei- lungen) rudimentär bleiben, liefern sie hier „auch Meroeyten- kerne*“. Ich werde dadurch vor eine überaus wichtige Frage gestellt, welehe Bedeutung denn die Nebenspermakerne für die Reptilienkeimscheibe und deren Weiterentwicklung haben. Von den Ansichten, welehe ich mir. darüber bilden konnte, erscheint mir keine so plausibel, dass ich sie für werth hielte, hier vor- gelegt zu werden. Die Befruchtung des Reptilieneies. 285 Weiter unterscheiden sich Selachier und Reptilien darin, dass bei Selachiern Furchungskerne und Meroeytenkerne nach kückert in frühen Stadien emander sehr älnlieh sind. Bei Reptilien sind sich Furchungskerne und Nebenspermakerne, auch abgesehen von der Grösse, nicht ähnlich. Bei Selachiern holen Meroeytenkerne eine kleme anfängliche Verspätung in der 'Thei- lung noch während der ersten Theilung oder in der nächstfol- senden Ruhephase wieder ein. Bei «den Reptilien halten die Nebenspermakerne von Anfang an in der Theilung nieht glei- ehen Sehritt mit den Furchungskernen. Es können im Stadium von 16 Furehungskernen wohl im höchsten Fall aus einem Neben- spermakern nicht mehr als acht (meistens viel weniger) Kerne entstanden sein. Regelmässige Theilungstiguren kamen bei den Nebenspermakernen der Reptilien selten zur Beobachtung, in älteren Stadien gar nicht mehr. Alle diese Einzelheiten lassen es zweifelhaft erscheinen, ob die Nebenspermakerne bei Reptilien und Selachiern identifieirt werden dürfen. Doch scheint der gemeinschaftliche Ursprung der Kerne hier und dort darauf hinzuweisen. Jedenfalls spielen sie nach Rückerts und meinen Befunden hinsichtlich ihrer Bedeu- tung und ihres späteren Schicksals bei beiden eine ganz ver- schiedene Rolle. Ein Vergleich beider scheint mir um so mehr gerechtfertigt, da auch Rückert (21) es für die Selachier „aus allgemeinen Gründen“ für höchst unwahrschemlieh hält, „dass die aus Spermaköpfen hervorgegangenen Kerne sich später am Aufbau des Embryos betheiligen*“. Eine Vergleichung weiterer Details des Befruchtungsvor- ganges bei Selachiern und Reptilien erscheint mir erst thunlieh, wenn die von Rückert m Aussicht gestellte ausführliche Mit- theilung über die Befruchtung bei Selachiern erschienen sein wird. Wenn so schon bedeutende Unterschiede zwischen Selachiern und Reptilien bestehen, so vermehren sich dieselben noch, wenn ich die Verhältnisse zwischen Reptilien und anderen Fischen ver- gleiche. Es handelt sich jedoch hier fast durchweg um Einzel- heiten, welehe sich nicht einmal bei allen Fischen gleich ver- halten, sondern bei den einen beobachtet wurden, bei anderen nicht. Ich erinnere z.B. an die Partialkerne bei der Forelle (Böhm 18) oder an das Verhalten der Spermakerne zur Strah- lung. Ich halte es jedoch, so lange nicht eingehende Arbeiten 284 Albert Oppel: über die Befruchtung bei allen Wirbelthierklassen, vor allem auch bei Säugethieren und Vögeln vorliegen, für verfrüht, auf die Dis- kussion derartiger Specialfragen einzugehen oder gar etwa in verallgemeinernder Weise Schlüsse ziehen zu wollen. Ich komme daher zum Schluss nur noch einmal auf die Polyspermie zu spre- chen, da ich darüber bei Wirbelthieren noch einige Angaben auffinden konnte. Rückert (16) und Böhm (18) konnten übereinstimmend während der ersten Furchungsstadien im Forellenei keine Spur von Meroeyten vorfinden. Ich glaube dies für eine Bezugnahme auf die Selachier, wo «die Nebenspermakeme nach Rückert „auch Merocytenkerne“ liefern, anführen zu sollen. Blane (19) sagt darüber (Forelle): „Dans les cas de polyspermie qui sont frequents, surtout lorsqu'on procede A la fecondation artificielle par la methode russe, chaque spermatozoide grossit dans le germe et est aceompagne de son centre solaire, tout comme le pronueleus mäle dans les fecondations normales.“ Die Blanc- sche Angabe scheint mir (auch wenn bei der Forelle die Poly- spermie nicht physiologisch wäre) jedenfalls von Werth zu sein. Sie kann ermöglichen, dass diese Verhältnisse an leicht zu ge- winnendem und (wegen der Kleinheit der Keimscheibe) rasch zu bearbeitendem Material weitere Untersucher finden, welche in erster Linie über das spätere Schicksal der Nebenspermakerne bei diesen Thieren Aufklärung zu suchen hätten. Bei der Kröte dringen nach Kupffer (8) mehrere Zoo- spermien vollständig ins Ei ein. Kupffer und Benecke (4) sagen vom Neunauge: „Bestätigen wir sonach m Uebereinstimmung mit Calberla die wiehtige Entdeckung OÖ. Hertwig’s, dass bei der Befruchtung der Eier verschiedener 'T'hiere einem Zoosperm eine ausgezeich- nete Rolle zufällt, so müssen wir doch darauf hinweisen, dass in solehem Falle auch andere Zoospermien in anderer Weise an dem Befruchtungsacte betheiligt sein können.“ Ich glaube, der letzte Satz dieser Forscher liesse sich recht gut auch auf Rep- tilien anwenden. Bei Reptilien ist es nur ein Spermakern, der in die Conjugation mit dem Eikern eingeht, über die Bedeutung, welche den Nebenspermakernen zukommt, kann ich zwar kein Urtheil abgeben, doch dürften dieselben wohl kaum ganz be- deutungslos sein. Die Befruchtung des Reptilieneies. 285 Sucht man an diese Frage heranzugehen, so glaube ich, wird wohl ein besonderes Augenmerk auf die Grösse der Keim- scheibe zu richten und zu prüfen sein, ob irgend ein Zusammen- hang zwischen Keimscheibengrösse und der Zahl der Nebensper- makerne, welche bei einer Art durchschnittlich aufgefunden wird, besteht. Ich danke meinen beiden Münchener Lehrern Herrn Pro- fessor Dr. von Kupffer und semem Prosector meinem Freunde A. Böhm für das Interesse, welches sie dieser von mir noch in München begonnenen Arbeit entgegenbrachten, wie für das, was sie mir waren, so lange ich in München lernte. Herrn Professor Dr. von Kupffer habe ich besonders dafür zu danken, dass er mir erlaubte, die Anfertigung der Zeichnungen für diese Arbeit noch im Münchener Institut vornehmen lassen zu dürfen. Zusammenfassung der Resultate. In dieser Zusammenstellung sind diejenigen Angaben, welehe ich durch die Befunde dieser Arbeit als bewiesen ansehe, gesperrt gedruckt und so den anderen, nur durch Einzelbeobach- tungen gestützten Resultaten gegenüberstellt. In der Blindschleicehenkeimscheibe bildet sich bei der Befruehtung ein männlicher und ein weiblicher Vorkern. Zu der Zeit, zu weleher sich die Ausstossung des (zweiten?) Riehtungskörperehens vollendet haben muss und der weibliche Vorkern noch nahe der Oberfläche des Eies im Knäuelstadium sich befindet, ist schon ein Spermakern in der Blindschleichen- keimscheibe vorhanden. Männlicher und weiblicher Vorkern nähern sich bis zur Berührung, sie sind anfangs noch nach Grösse und Verhalten zu der Umgebung leicht von einander zu unterscheiden, später werden sie einander ähnlicher. Zur Zeit der Conjugation finden sich in der Blindschleichenkeimscheibe ausser dem männ- lichen Vorkern (Hauptspermakern) in der Regel N 286 Albert Oppel: noch zahlreiche weitere Spermakerne (Neben- spermakerne). Die Spermakerne (eingeschlossen Neben- spermakerne) besitzen einen protoplasmatischen Hof mit Strahlung. Das bei der Conjugation entstehende Gebilde (ein ruhender Kern wurde nicht beobachtet) wird zu einer regelmässigen Theilungsfigur. Die Axe derselben steht bei der Blindschleiche annähernd parallel zur Oberfläche der Keimscheibe. Die Theilung führt zur Bildung der beiden ersten Furchungskerne. Nebenspermakerne können sich in der Blindschleichen- keimscheibe auch schon vor der Conjugation finden, sie sind in der Reptilienkeimscheibe (Anguis fragilis, Lacerta viridis, Tro- pidonotus natrix) zur Zeit der Bildung der ersten Furchungs- kerne in der Regel vorhanden; sie liegen häufig unter Dellen oder tricehterförmigen Gruben der Keimscheibenoberfläche. Es seht nurseiın einzieen Spermakern, Lden Hauptspermakern mit dem weiblichen Vorkern die Conjugation ein. Die Nebenspermakerne gehen keine Beziehungen zum weiblichen Vorkern ein, sie theilen sieh in langsamerem Zeitmaass als die Furchungskerne. In späteren Furchungsstadien theilen sich die Nebenspermakerne bei der Blindschleiche nicht weiter, sie abortiren und nehmen am Aufbau des Embryo keinen direkten Antheil. Der protoplasmatische Hof der Spermakerne bildet sich um dieselben und unter dem Einfluss der- selben. Die von dem Hofe ausgehende Strahlung zieht durch die ganze Dieke der Keimscheibe bis zu ihrer Oberfläche. Es kam ein Zwillingsei zur Zeit der Conjugation zur Be- obachtung. Die Frage nach der Bedeutung der Nebenspermakerne bleibt eine offene. 6. = 2: 10. jull 14. 15. 1875. 1885. 1889. Die Betruchtung des Reptilieneies. 287 Literaturverzeiechniss. 0. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Be- fruchtung und Theilung des thierischen Eies. Morph. Jahrb. Bd.I, 1879.. Bd. 111, 1876, S.1, 1877, 58.24. E. van Beneden, La maturation de l’oeuf, la feconda- tion et les premieres phases du developpement embryon- naire des mammiferes d’apres des recherches faites chez le Lapin. Bull. de 'l’Acad. royale de Belgique 2. Ser. 7. XL, N0.12. E. Calberla, Der Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon Planeri. Leipzig. C. Kupffer und B. Benecke, Der Vorgang der Be- fruchtung am Ei der Newnaugen. Festschrift für Th. Schwann. Königsberg. C. Kupffer und B. Benecke, Die ersten Entwick- lungsvorgänge am Ei der Reptilien. Königsberg. ©. K. Hoffmann, Zur ÖOntogenie der Knochenfische. Veröffentlicht durch die K. Akad. d. Wiss. zu Amsterdam. W. Salensky, Recherches sur le developpement du Sterlet. Arch. de Biol. Volume II. ©. Kupffer, Active Betheiligung des Dotters am Be- fruchtungsakte. Sitzungsber. der math.-phys. Classe der Akad. d. Wiss. zu München. Juli. G. Rein, Beiträge zur Kenntniss der Reifungserschei- nungen und Befruchtungsvorgänge am Säugethierei. Arch. für mikr. Anat. Bd. 22. C. F. Sarasin, Reifung und Furchung des Reptilieneies. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg, VI. Bd. C. Kupffer, Die Befruchtung des Forelleneies. Bayr. Fischereizeitung. O0. Sehultze, Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneies. Zeitschr. f. wiss. Zool. 45. Bd. A. A. Böhm, Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 32. C. K. Hoffmann, Ueber den Ursprung und die Bedeu- tung der sogenannten freien Kerne in dem Nahrungsdotter bei Knochenfischen. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. 4. A. Agassiz and C. OÖ. Whitmann, The development of osseous fishes.. Memoirs of the Museum of Comparative Zoology. J. Rückert, Weitere Beiträge zur Keimblattbildung bei Selachiern. Anat. Anz. IV. Jahrg. 288 Albert Oppel: 17. 1890. J. Rückert, Ueber die Entstehung der Parablast- oder Dotterkerne bei Elasmobranchiern. Sitzungsber. der Ges. für Morph. u. Phys. in München. 17. Juni. 15. 1891. A. A. Böhm, Die Befruchtung des Forelleneies. Sitzber. der Ges. für Morph. und Phys. zu München. 5. Mai. 19. 2 H. Blane, Note preliminaire sur la maturation et la fe- condation de l’oeuf de la truite. Extr. du Bullet. de la Soc. Vaud. des Sc. Nat. Vol.27, No.105. Lausanne. a. r J. Rückert, Zur Befruchtung des Selachiereies. Anat. Anz. VI. Jahrg., No. 11. J.Rückert, Ueber die Befruchtung bei Elasmobranchiern. Verhandlungen der anat. Ges. auf der V. Vers. 1891, pag. 253— 254, 21. Erklärung der Figuren auf Tafel IX—XH. Sämmtliche Figuren wurden von Herrn C. Krapf, Universitäts- zeichner in München, gezeichnet. Die Anlage erfolgte mittelst eines Zeichenprisma. Gezeichnet wurde unter Benützung eines Mikroskops von Leitz in Wetzlar. Bei jeder Figur sind die angewandten Sy- steme notirt. Gezeichnet wurde in Object-Tischhöhe. Bei den mit der Lupe gezeichneten Flächenbildern habe ich die Vergrösserung angegeben. Ich habe die Abbildungen nach Thieren geordnet. Fig. 1—32 stammen von Anguis fragilis, Fig. 353—50 von Tropidonotus natrix und Figur 51 von Lacerta viridis. Im übrigen war die Reihenfolge der Materialbeschreibung maassgebend. 13 An suis fragsilis. Fig. 1—4. Keimscheibe AI1. Fixirung: Sublimat Eisessig. Fig. 1 12/, Flächenbild. D Dellen. — Fig.2 Objectiv 1 Compens. Oc. 4. Tubuslänge 140 mm. In der Figur sind zwei nebeneinander- liegende Schnitte aufeinandergezeichnet. Uebersichtsbild. d und d’Dellen. m Spermakern. w weiblicher Vorkern. — Fig. 3 Apochr. Oel-Immers. Comp. Oec. 4 Tub. 140 mm. w weib- licher Vorkern. st Strasse. — Fig. 4. Ap. Oel-Imm. Comp. Oe. 4 Tubusl. 140 mm. mSpermakern. hHof, s Strahlung. Fig. 5. Keimscheibe A I 2. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Ap. Oel- Imm. Comp. Oe.4. Tub. 140 mm. m Spermakern, h Hof mit Strahlung, w weiblicher Vorkern, v Vacuole. Fig. Fig. «Fig. Fie. Die Befruchtung des Reptilieneies. 289 6—8. Keimscheibe A I 3. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Fig. 6 12/, Flächenbild. D Delle. — Fig. 7 u. 8 Ap. Oel-Imm. C. Oec. 4. Tub. 140 mm. Die beiden Figuren stellen zwei aufeinander folgende Schnitte dar. m männlicher Vorkern, w weiblicher Vorkern, v Höhle, f Furchungsdotter, & grobkörniger Dotter. . 9—12. Keimscheibe AI5. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Fig. 9, 10, 11 stellt die entsprechende Stelle aus drei nebeneinander liegenden Schnitten dar. Ap. Oel-Imm. Oec.4. Tub. 160 mm. f Furchungskerne, v Verbindungsfäden, h Hof. — Fig. 12. Ap. Oel-Imm. Oe. 4. Tub. 140 mm. Spermakern in Theilung. 13—14. Keimscheibe A II3. Fixirung: Flemming’sche Flüssig- alla ig. 18. keit — Sublimat-Eisessig. Ap. Oel-Imm. C. Oc.4. Tub. 140 mm. — Fig. 13. m männlicher Vorkern, w weiblicher Vorkern, h Hof mit Strahlung. — Fig. 14. m Nebenspermakern, h Hof mit Strahlung. Keimscheibe A II6. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Ap. Oel- Imm. 0Oec.4. Tub. 140 mm. m männlicher Vorkern, w weib- licher Vorkern. . 16—17. Keimscheibe A IL 12. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Ap. Oel-Imm. €. Oe.4. Tubusl. 140mm. Die beiden Figuren sind einander entsprechende Stellen aus zwei nebeneinanderlie- genden Schnitten. Theilungsfigur des ersten Furchungskernes. Keimscheibe A III1. Fixirung: Boveri’sche Lösung. Ap. Oel-Imm. €. Oe.4. Tub. 160 mm. m Nebenspermakern, h Hof mit Strahlung, F Furchungsdotter, G grobkörniger Dotter, O0 oberflächliche Plasmaschicht. 19—27. Keimscheibe B 106. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Fig. 19 12/, Flächenbild. — Fig. 20—25. Nebenspermakerne. Ap. Oel- Imm. €C. Oc.4. Tub. 140 mm. — Fig. 26—27. Furchungskerne in Theilung. Ap. Oel-Imm. C. Oe.4. Tub. 140 mm. . 28—29. Keimscheibe B 121. Fixirung: Sublimat-Eisessig. Ap. Oel-Imm. C. Oe. 4 Tub. 140 mm. — Fig. 28. Nebensperma- kerne (karyolytische Figuren). — Fig. 29. Furchungskern in Ruhe. 30—32. Keimscheibe B 122. Fixirung: Sublimat-Eisessig. — 2; [27 Fig. 30 12/, Flächenbild. — Fig. 31, 32 Nebenspermakernreste. Tropidonotusnatrix: (Fixirung siehe pag. 230). . 335—34. Keimscheibe T 1. Fig. 33 °, Flächenbild. G Gruben. — Fig. 34. Ap. Oel-Imm. €. Oe.4. Tub. 140 mm. Die beiden ersten Furchungskerne. 35, 36a, 36b. Kerne aus Keimscheibe T 2. Ap. Oel.-Imm. €. Oe. 4. Tub. 140. Fig. 35 in Theilung, Fig.36a in Ruhe, Fig. 36 b in unregelmässiger Theilung. 290 Albert Oppel: Die Befruchtung des Reptilieneies. Fig. 37—43. Keimscheibe T3. Fig. 37, Obj.5. Comp. Oec.4. Tub. 140 mm 5 Ufo} Fig. Fir Fig. Uebersichtsbild. m Nebenspermakern mit Strahlung, G trichter- förmige Grube. — Fig.38 u. 39. Ap. Oel-Imm. C. 0Oe.4. Tub. 140 mm, stellt zwei nebeneinander liegende Schnitte dar; die- selben sind so übereinandergelegt zu denken, dass sich die beiden Kernbilder m decken. D Dotterhaut, G Grube, F tlim- merähnlicher Besatz der Grube, I mit Hämatoxylin gefärbter zeronnener Inhalt der Grube, m Nebenspermakern. — Fig. 40. Obj. 5. Comp. Oe.4. Tub. 140 mm. Uebersichtsbild. G Grube, m Nebenspermakern. — Fig. 41 und 42. Ap. Oel-Imm. C. Oc. 4. Tub. 140 mm, stellt denselben Nebenspermakern, der in Fig. 40 gezeichnet ist, bei stärkerer Vergrösserung dar. Es sind zwei nebeneinanderliegende Schnitte; dieselben sind so überein- ander liegend zu denken, dass sich die beiden Kernbilder m decken. m Nebenspermakern, H entstehender Hof und Strah- lung. — Fig. 43. Ap. Oel-Imm. C. Oe. 4. Tub. 140 mm. m Neben- spermakern, M die denselben umhüllende Membran, H Hof, St Strahlung. ig. 44—46. Keimscheibe T 4. Ap. Oel-Imm. C. oe. 4. Tub. 140 ınm. Fig. 44f und f” die beiden ersten Furchungskerne, v Ver- bindungsfäden. — Fig. 45. m Nebenspermakern excentrisch zu seinem Hof H gelegen. — Fig. 46. m unausgebildeter Sperma- kern. 47—48. Keimscheibe T6. Ap. Oel-Iınm. €. Oe. 4. Tub. 140 mn. Fig. 47. Die beiden ersten Furchungskerne in Bildung. — Fig. 48. m unausgebildeter Spermakern, .H Hof mit entstehender Strahlung, G Grube mit flimmerähnlichem Besatz. . 49—50. Keimscheibe T 9. Fig. 49 #/, Uebersichtsbild. G Gruben. — Fig. 50. Ap. Oel-Imm. C. Oc.4. Tub. 140 mm. Theilungs- figur des ersten Furchungskernes. Belt areert a vanlams: Ap. Oel-Imm. €. Oe.4. Tub. 140 mm. m Nebenspermakern, G Grube, D Dotterhaut, S Schale. 291 Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 1. Die Muskelfaser der Cephalopoden. Von Dr. med. E. Ballowitz. Privatdocent und Proseetor an der Universität Greifswald. Hierzu Tafel XTII und XIV. Während eines leider nur zu kurzen Aufenthaltes an der Zoologischen Station in Neapel im Frühling 1891 hatte ich unter anderem auch Gelegenheit, mich mit dem Studium der Muskel- substanzen wirbelloser Thiere zu beschäftigen. Bei dem Inter- esse, welches der feinere Bau der Muskelfasern, vor allem das Verhältniss des Sarkoplasmas zu der fibrillären Substanz, in neuerer Zeit gefunden, dürfte eme genaue Untersuchung der Muskelzellen mancher Seethiere nieht ohne Wertli sein, und sind diese Untersuchungen hauptsächlich von dem angedeuteten Ge- sichtspunkte aus unternommen. In der vorliegenden Abhandlung will ich von dem feineren 3jau der Muskelfasern der Cephalopoden berichten. Als Studien- objeete dienten mir besonders Eledone moschata Leach. und Se- piola Rondeletii Leach., welche Arten dieser Arbeit hauptsäch- lieh zu Grunde liegen. Zum Vergleiche konnte ich von dibran- ehiaten Cephalopoden Eledone Aldrovandi Delle Chiaje, Octopus vulgaris Lam. und andere Species, Philonexis eatenulatus Fer., Scaeurgus tetracirrhus Delle Chiaje, Sepia offieinalis L., Loligo (in mehreren Arten) und Ommastrephes sagittatus D’Orb. heran- ziehen (meist in Spirituspräparaten), welche alle indessen die- selben Strukturverhältnisse der Muskelfasern zeigten, wie Eledone. Das Gleiche gilt von Nautilus Pompilius L., welcher mir in einigen älteren Spiritus-Exemplaren zur Verfügung stand. Die Körperregionen, denen ich die Muskelfasern dieser an Muskelmasse bekamntliel sehr reichen Thiere entnahm, waren der Mantel, der Pharynx, die Arme und die Saugnäpfe. Das bequemste Object bildet der Mantel, der fast ganz aus sich durch- 292 E. Ballowitz: fleehtenden, leicht isolirbaren Muskelzügen besteht. Von un- ‚wesentlichen Differenzen abgesehen, welche die Länge und den Körnehenreiehthum der Fasern betreffen, ist indessen der Bau der eontraktilen Elemente aller dieser Körperstellen der gleiche, so dass man sich auf die Untersuchung der Mantelmuskulatur beschränken kann. Eine Ausnahme machen hingegen die Herz- muskeln, über deren Elemente ich späterhin berichten werde. Bei der Behandlung habe ich möglichst alle einschlägigen Methoden angewandt, da meiner Ueberzeugung nach gerade bei den Muskelsubstanzen nur die Berücksichtigung aller wichtigen Methoden eine richtige Anschauung von der wahren Struktur der Elemente geben kann; denn eine jede Methode ist eben nur sanz Bestimmtes zu leisten im Stande. Behandelt man frische Stücke des Mantels von Eledone in bekannter Weise mit Kalilauge von 35°/, oder mit 20°/, Sal- petersäure, so erhält man lange schmale Fasern, welche sich sehr leieht dureh Zerzupfen isoliren (Fig. 1). Die Länge dieser Fasern ist eine recht ansehnliche; dieselbe bewegte sieh zwi- schen 1,2—2,4mm und betrug im Durchsehnitte ea. 1,6 mm. — Der mittlere Theil der Elemente ist der breiteste, doch bleibt die Breite oft nicht an allen Stellen die gleiche, es können brei- tere Absehnitte mit schmäleren abwechseln. Die Breite schwankt zwischen 0,0072—0,0135 mm; im Durchschnitt waren die Fasern 0,008—0,009 mn breit. Im Vergleieh zu ihrer Länge sind die Zellen mithin sehr schmal. Nach den beiden Enden hin ziehen sich die Fasern allmählich in meist sehr feine lange Spitzen aus, an welehen in nur seltenen Fällen eine Gabelung beobachtet wurde. Noch weit seltener kommen geringe Verästelungen zur Beobachtung. Die Form dieser langen Fasern ist meist mehr oder we- niger abgeplattet, oft schmal bandförmig, wie am besten ein (uersehnitt durch mit Flemming’scher Lösung gehärtete Muskel- bündel zeigt (Fig. 21 u. 22). Dabei können die Elemente seit- liehe Eindrücke besitzen, so dass die Gestalt mehr wunregel- mässig wird. Es finden sieh indessen auch häufig rein kreis- runde Quersehnitte, woraus sich lang-spindelförmige Formen er- geben (Fig: 21, 22). Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 293 Gewöhnlich in der Mitte einer jeden Faser, und zwar meist an der dieksten Stelle derselben, liegt ein länglich ovaler, grosser Kern (Fig. 1), in welchem an mit Alcohol oder Flemming- scher Lösung behandelten und tingirten Objeeten ein lockeres Kernnetz sehr deutlich ist (Fig. 20). An Osmiumsäurepräparaten erkennt man in dem Kern meist oberhalb und unterhalb seiner Mitte ein grösseres glänzendes Kernkörperchen; beide Kern- körperchen zeigen oft verschiedene Grösse (Fig. 20). Doch kann auch nur ein Kernkörperchen vorhanden sein, selten kommen mehr als zwei zur Beobachtung. — Nieht selten ist indessen der Kern mehr gegen das eine Ende hin gerückt und liegt der- selbe nicht immer an der breitesten Stelle der Faser. Mehr als einen Kern in einer Muskelzelle habe ich nicht wahrgenommen; doch will ich die Möglichkeit, dass in den längeren Fasern hier und da einmal zwei Kerne vorkommen, wie Boll (12) es an- giebt, nicht in Abrede stellen. Ob jeder Faser ein Sarcolemm zukommt, habe ich nicht mit voller Sicherheit entscheiden können, da ich es leider ver- absäumte, frisches Material daraufhin genauer zu untersuchen, es ist mir dies aber sehr wahrschemlich. Bilder, wie das in Fig. 19 gezeichnete, die ich in Osmiumsäure-Präparaten in der Nähe der Schnittflächen der Stücke bisweilen erhielt, deuten darauf hin. Es hat sich hier an der durch den Schnitt er- öffneten Faser der contraktile Inhalt etwas zurückgezogen, so dass das Ende einer zarten Hülle (S) zum Vorschein kommt. Andererseits haben Macerationspräparate mich niemals eine An- deutung eines Sarcolemms erkennen lassen. Man beobachtet hier im Gegentheil oft zahlreiche unregelmässige, durch Einwir- kung der Reagentien wohl hauptsächlich entstandene Einbuch- tungen und Auskerbungen, so dass die Begrenzung der Zelle, besonders gegen die Enden hin, ein zackiges, oft bizarres Aus- sehen erhält; von einem Sarcolemm ist aber an diesen Stellen, auch nach Zusatz intensiv färbender Anilinfarben zu den isolirten Fasern, nichts zu erkennen. Sehnittpräparate geben hierüber keinen sicheren Aufschluss. Schon bei schwacher Vergrösserung erkennt man nun au diesen isolirten Muskelzellen eine Zusammensetzung aus einer rings geschlossenen, röhrenförmigen Rindensubstanz und einer axialen körnigen Masse. Genaueren Aufschluss siebt die Unter- 294 E. Ballowitz: suchung mit stärkeren Systemen. Die Rindensubstanz ist stark ‚liehtbreehend, leicht gelblich und glänzend; sie hebt sich meist scharf von der axialen Substanz ab, welche letztere, schmaler werdend, bis in die fein ausgezogenen Enden reicht, um gewöhnlich in einiger Entfernung von den äussersten Spitzen aufzuhören. Die letzten Enden der Faserzellen werden mithin von der Rinden- substanz gebildet, so dass «der Rindenschlauch vollständig ge- schlossen ist. Sehr bemerkenswerth ist die verschiedene Dicke der Rinde und die ungleiche Entfaltung der Marksubstanz, wie ein Querschnitt durch mit Flemming’scher Lösung fixirte Muskelzüge am besten erläutert (Fig. 22). Die Rinde kann schmal sein und dann einen grösseren axialen Hohlraum umschliessen ; andere, oft unmittelbar daneben liegende Querschnitte zeigen einen breiten Ring mit engem eentralem Lumen. Zwischen diesen Extremen finden sich alle möglichen Zwischenstufen meist bunt durchemander. An anderen Stellen hinwiederum gewinnen die (Querschnitte, auch was den Durchmesser derselben anbelangt, ein mehr gleichmässiges Aussehen (Fig. 21). An jeder einzelnen Faser ist die Dieke der Rinde im ganzen Umfange derselben, wenigstens auf dem jedesmaligen Querschnitte. die gleiche: Aus- nahmen hiervon sind selten. Es möge zunächst die Struktur der Rindensubstanz be- trachtet werden, soweit sie sich an den isolirten Fasern fest- stellen lässt. Allerdings eignen sich für diese Untersuchung nicht die mit Kalilauge oder Salpetersäure isolirten Fasern, weil dureh Einwirkung dieser Reagentien die Struktur mehr oder weniger zerstört wird; nur an den mit Salpetersäure behan- delten Präparaten erkennt man hier und da noch Andeutungen des inneren Baues. Auch Ranvierschen Alcohol fand ieh nicht gerade sehr zweckmässig, weil darin gar zu leicht ein taseriger Zerfall der Zellen emtritt. Sehr geeignet sind hin- gegen schwache Flemming'sche Lösung, Osmiumsäure von 0,1—0,5 9), Lösungen von Kali biehromieum, resp. Ammonium bichromieum von 1—9°/o. Im diesen Chromsalzen kann man die frisch hin- ganz besonders Müller'sche Lösung und wässerige eingelegten Stücke wochen- und monatelang liegen lassen, ohne dass das Strukturbild der Rinde alterirt wird. Diese Salze bieten ausserdem noch den Vortheil, dass schon nach kurzer Zeit der Einwirkung eine Lockerung im Zusammenhang der Muskel- Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 395 u . fasern eintritt, so dass sich die Zellen sehr leicht von einander trennen lassen. Vor der Untersuchung wurden die den Chrom- salzlösungen entnommenen Muskelstückchen einige Zeit gewässert, um eine (nieht zu intensive) Färbung der Zupfpräparate mit Anilmfarben (Dahlia- oder Gentianaviolett) anwenden zu können. Die Figuren 2a, b und e stellen ein und dasselbe Stück einer isolirten, diekeren, horizontal unter dem Deckgläschen aus- gebreiteten Muskelfaser, aus emem nach der angegebenen Me- thode gewonnenen Zupfpräparate des Mantels von Sepiola Ron- deletii, bei oberflächlicher (a), mittlerer (b) und tiefer (e) Ein- stellung dar (Winkel’s homogene Immersion '/,, und Abbe- scher Beleuehtungsapparat, mittelst Irisblende regulirt). Bei ganz hoher Einstellung (a) wird an der Oberfläche der Faser eme grosse Anzahl dunkler Linien sichtbar, welche schräg von emer Seite zur anderen ganz regelmässig parallel neben ein- ander verlaufen. Diese Linien besitzen fast alle die gleiche Breite und sind durch den Farbstoff violett gefärbt. Die sie trennenden Zwischenräume sind hell und meist so breit oder etwas schmaler als die dunklen Linien, häufig aber auch ein wenig breiter als diese). Bewegt man den Focus nun langsam nach abwärts (Fig. 2b), so bleiben eine Zeit lang diese alternirend dunklen und hellen schrägen Linien noch deutlich, bis dieselben dann in der Mitte der Faser verschwinden. Jetzt erschemmen die grobkörnige Mark- substanz und an jeder Seite derselben der scharf begrenzte op- tische Längsschnitt der Rinde. In diesen Längsschnitten be- wahren die seitlichen Enden der Linien noch eine Weile ihre Riehtung, um dann bei weiterer Abwärtsbewegung des Tubus einen Verlauf anzunehmen, welcher gleichfalls schräg gerichtet ist, aber genau im entgegengesetzten Sinne verläuft. Noch deutlicher wird‘ diese Erschemung, wenn man den nach unten gewandten Theil der Rinde bei tiefer Einstellung “untersucht (Fig.2e): es tritt wieder ein sehr deutliches System von Linien auf, welehe genau den bei oberflächlicher Einstellung sichtbaren Linien gleichen, welche aber gerade den entgegen- gesetzten schrägen Verlauf besitzen. Diese beiden entgegen- gesetzt verlaufenden, aber untereinander zusammenhängenden 1) So erscheint es wenigstens dem Auge; jedenfalls ist auch hier mit den Erscheinungen der Irradiation zu rechnen. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 20 296 E. Ballowitz: Liniensysteme sind in der Axe der Faser durch die körnige "Marksubstanz von einander getrennt. . Aus dieser Untersuchung geht hervor, dass die Linien in continuirlicehen Spiraltouren in der Rinde um die Marksubstanz herumlaufen. Zur Evidenz zeigen dies Fasern, welche bei dem Process des Zerzupfens von der Nadel getroffen und strecken- weise gespalten sind, wie sie in Zupfpräparaten häufiger ange- troffen werden (Fig.5). Die Spaltung ist dann stets innerhalb einer hellen Spirallinie erfolgt, so dass man in die Markhöhle und direct auf die untere Hälfte der Rindensubstanz blicken kann. Es gelingt somit leicht, die oberen schrägen Linien an den Spaltungsrändern unmittelbar im die entgegengesetzt ver- laufenden unteren Linien übergehen zu sehen. Der Verlauf dieser Spirallinien ist nicht der gleiche an allen Fasern, vielmehr bestehen, was die Schrägheit der Win- dungen anbetrifft, erhebliche Differenzen; der Winkel, den die Spirallinien mit der Längsaxe der Zellen bilden, kann em sehr verschiedener sein. Meist trifft man Fasern mit dem Linienver- lauf, wie ihn Fig.2 zeigt. Häufig ist die Streifung aber auch eine steilere, ja die Spiraltouren können so lang ausgezogen sein, dass die Linien ziemlich parallel der Längsaxe der Faser verlaufen und es schwer hält, noch eine geringe spiralige Um- wiekelung festzustellen (Fig.3 Muskelfaser aus dem Schlundkopt von Eledone). Ohne Zweifel hängen diese Differenzen mit Con- traktionszuständen der Muskelzellen zusammen. Auch die hellen /wischenräume zwischen den dunklen Linien zeigen eine ver- schiedene Breite, bisweilen stellenweise an derselben Faser, wenn auch erhebliche Differenzen hier nicht vorkommen. Immer aber verlaufen die Linien ganz regelmässig parallel neben einander, Unregelmässigkeiten sind stets durch eine Alteration der Struktur bedingt. Auch habe ich niemals gesehen, «dass sich zwei be- nachbarte dunkle Linien mit einander verbanden oder in einander übergingen, so dass eine Verflechtung der dunklen Linien ent- standen wäre. Die Linien lassen sich bis gegen die äussersten Spitzen der Muskelzellen hin verfolgen, nehmen aber an den «dünn ausgezogenen Enden beträchtlich an Zahl ab. Diese spiralige Umwiekelung des Liniensystems ist nun an solchen Fasern, die mehr eylindrisch sind und eine sehr ausge- bildete Marksubtanz haben, sehr leicht festzustellen. Schwieriger Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 297 wird dies sehon an stark abgeplatteten Fasern, besonders wenn nur wenig axiale Substanz vorhanden ist. Stellt man eine der- artige platte Faser von der Fläche ein, so sind die optischen Ebenen, welche dureh die obere und untere Rindenhälfte gehen, einander sehr benachbart, so «dass die Bilder der beiden entgegen- gesetzt schrägen Liniensysteme, besonders bei schwächerer Ver- grösserung, gleichzeitig sichtbar werden und zusammenfallen können (Fig. 4). Man erhält dann durch Combination der beiden über eimander gelegenen Bilder zwei dunkle Liniensysteme, welche sich unter bestimmtem, je nach der Faser etwas verschiede- nen Winkel schneiden. Die Schnittpunkte «dieser Linien erscheinen aus optischen Gründen etwas verbreitert, gleich kleinen dunklen Stückehen. Zwischen .den Linien liegen regelmässige helle rhom- bische Feldehen (Fig. 4). Bei Veränderung der Einstellung kann sich der optische Effekt umkehren, so dass Alles, was vorher (dunkel war, hell erscheint und umgekehrt. Diese Kreuzung der Linien sieht man oft auch bei mittlerer Einstellung der optischen Längsschnitte der Rinde, besonders wenn man die Mikrometer- schraube schnell etwas auf und ab spielen lässt (Fig. 2b bei kk, Fig. 17,20). Man erhält so Bilder, wie sie zuerst Schwalbe von den Muskelfasern mehrerer Evertebraten beschrieben und abgebildet hat. Schwalbe deutete diese Bilder in der Weise, (lass er eine Zusammensetzung der Faser aus rhombischen „Fleiseh- theilchen“ annahm und bezeichnete er diese Art von Muskelfasern als „doppelt schräggestreifte* Muskelzellen. Es lassen sich aber auch an diesen platten „doppelt schrä der Cephalopoden bei stärkerer Vergrösserung und sorgfältigem (Gebrauch der Mikrometerschraube die beiden seitlich zusammen- ggestreiften“ Mnskelfasern C hängenden Liniensysteme von einander trennen. Schwalbe ging sogar soweit, dass er diesen eigenartigen Muskelzellen eine faserige Struktur ganz absprach. Ich werde hierauf bei Besprechung der Litteratur noch zurückkommen. (Siehe unten.) Dieselben, mit Anilinfarben gefärbten oder auch ungefärbten Zupfpräparate, welche uns den spiraligen Verlauf der Linien gezeigt haben, geben noch einen weiteren, sehr wichtigen Auf- schluss über den Bau der Rinde. Man trifft nämlich fast in jedem (esichtsfelde Bruchstücke von Muskelzellen, deren Enden in zahlreiche Fasern zersplittert sind, welche (in Osmiumsäure- und CUhromsalz-Präparaten) ein etwas starres Aussehen zeigen und r h p ‘ “ 398 EB. Ballowitz: meist em wenig seitlich zurückgebogen sind. Diese Fasern sind “ebenso gefärbt, wie die dunklen Linien, besitzen dieselbe Dicke und lassen sich eontinuirlich in die dunklen Spirallinien der Rinde verfolgen. Von den hellen Lmien ist an den Bruchenden nichts mehr zu erkennen, die Substanz, welche dieselbe bildet, ist an (diesen Stellen, zum Theil wenigstens, aufgelöst. Es werden mithin die dunklen Spirallinien bedingt durch spiralige, in der Rinde verlaufende, die Markhöhle umkreisende Fasern, welche dureh eine hellere Zwischensubstanz mit einander verbunden und zu- sammengehalten werden. Beide Substanzen bilden durch ihre Veremigung die Rinde. Der Zerfall des Rindenmantels in diese Spiralfasern tritt nun ausserordentlich leicht em. Ich sah die- selben in vielen Präparaten, welche mit Osmiumsäure, schwacher Flemming'scher Lösung u.s. w. behandelt waren. Fig. 6 stellt 7. B. das Ende einer Muskelzelle aus einem mit schwacher Flemming ’scher Lösung behandelten Muskelstück dar, an welchen sich in der Nähe der Schnittränder sehr häufig weitgehende Verfaserung der Elemente findet. Die spiralige Anordnung ist unterhalb der Zerfallstelle schon durch theilweise Auflösung der Zwischensubstanz undeutlich gewordeu. Besonders leicht tritt der Zerfall der Rinde m Ranvier’schem Alkohol ein. Am schönsten sah ich denselben an alten, aber sonst noch gut erhaltenen Spirituspräparaten von Octopus, Sepia, Scaeurgus und auch von Nautilus. Hier traf ich die Muskelzellen oft in grösserer Ausdehnung in die Rindenfasern zerlegt und die einzelnen gerade gestreckten Fasern oft in grosser Ausdehnung völlig isolirt (Fig. 7). Ich werde auf diese Präparate alsbald noch zurück- kommen müssen. Auch an diesen isolirten Spiralfasern sah ich niemals eine Verzweigung oder gegenseitige Verbindung. Es drängt sich nun die Frage auf, ob die Spiralfasern in der Rinde nur in emfacher Lage vorhanden sind und die ganze Dieke der Rinde durchsetzen. Ist das Letztere der Fall, so muss aus diesem Umstande eine ganz bestimmte und zwar platte Form der Spiralfasern resultiren. Auch müsste dann die Breite der Fasern eine verschiedene sein, je nach der Dieke der Rinde, die, wie wir gesehen haben, an den einzelnen Zellen ja nicht uner- heblich variirt. Schon bei der Untersuchung der isolirten Fasern war mir aufgefallen, dass die Fasern, wenn sie sieh den Glas- flächen im Präparat dieht angelagert haben, abgeplattet erscheinen. Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 299 Die isolirten Fasern verschiedener Zellen zeigten oft eine etwas verschiedene Breite. Auch bei dem Studium der Liniensysteme an den intakten Muskelzellen erkennt man, dass es sich in den dunklen Fasern um abgeplattete Gebilde von bestimmter Breite handeln muss, da es eine Zeit währt, bis der Focus die Rinden- fasern im vertikaler Riehtung durehwandert hat und die dunklen Linien verschwinden. Besonders bei mittlerer Eimstellung über- zeugt man sich an den optischen Längsschnitten der Rinden- substanz, dass die schrägen dunklen Limien die ganze Breite der Rinde durchziehen (Fig. 2 b, 9, 10, 11, 12, 17, 20). In äusserst klarer Weise geben hierüber @uerschnitte dureh Muskelzellen Aufschluss, wie sie in den Figuren 21 und 22 dargestellt sind. Dieselben entstammen kleinen Muskelstücken aus dem Mantel von Eledone moschata, welche mittelst schwacher Flemming scher Lösung fixirt und nach mehrstündigem Auswa- schen in Wasser mit Alkohol nachbehandelt wurden. Von den in Paraffin eingebetteten Stücken wurden mit dem Jung schen Mikrotom feinste Schnitte angefertigt und wmittelst Eiweiss- lösung auf dem Objectträger aufgeklebt. Die mit alkoholischer Safranin-Lösung nachträglich gefärbten Schnitte entfärbte ich sodann dureh Zusatz von Wasser und Alcohol kurze Zeit, bis kein Farbstoff mehr abgegeben wurde. Untersucht wurde in Wasser (nieht in Balsam, welcher zu sehr aufhellt!). Derartig behandelte Präparate zeigten meist ein sehr buntes Bild (Fig. 22). Abgesehen von der verschiedenen Form und Grösse der Quer- schnitte und der verschiedenen Dicke der Rinde ist es zunächst die differente Färbung der letzteren, welche in die Augen fällt. Ein Theil der Querschnitte besitzt eine nur wenig gefärbte Rinde. Andere Querschnitte zeichnen sich hingegen durch eine stärkere Färbung und einen gewissen Glanz des Rindenmantels aus, so (dass dieselben auffällig gegen die Umgebung abstechen. Meist sind dies grössere, wenig abgeplattete Zellen mit dicker Rinde und spärlichem Mark. Dazwischen finden sich dann noch Quer- sehnitte von geringerer Färbung und eigenthümlich trübem, ver- waschenem Aussehen. Entfärbt man sehr stark, so verwischen sich diese Farbendifferenzen mehr, immerhm treten aber auch dann noch manche Querschnitte dureh den Glanz und die Tinktion ihrer Rinde hervor (Fig. 21). Uebrigens findet sich diese bunte Mischung nicht an allen Stellen der Schnitte. In anderen Re- 300 Br Ballowmıtz® gionen der Stücke ist das Aussehen der Querschnitte ein mehr .gleichmässiges, auch was die Grösse und Dicke der Rinde, wie schon oben erwähnt, anbetrifft (Fig. 21). An bei Weitem den meisten (Juerschnitten sieht man nun bei Untersuchung in Wasser sehr deutlich eme radiäre Streifung der Rinde. Helle, ganz farblose und dunkle, mit Safranin gefärbte Linien ziehen alternirend radiär von der Markhöhle bis unmittelbar an die Peripherie der Faser. Am deutlichsten sind diese Streifen an den hellen Muskelzellen und werden hier nirgends vermisst. Weniger gilt dies für die glänzenden Querschnitte; an den Zellen mit trüber Rinde sind sie gewöhnlich nur undeutlich und nur stellenweise sichtbar. Die Breite der hellen Zwischenlinien ist an demselben Querschnitte die gleiche, varlirt aber etwas an den verschiedenen Elementen. An den Muskelzellen, welche nur eine schmale Rinde besitzen, verlaufen die Linien einfach geradlinig radiär (Fig. 21). Besitzt die Rinde indessen eine grössere Breite, so erscheinen die dunklen Linien etwas geschwungen und leicht gebogen (z. B. in Fig. 22 in den beiden elliptischen Querschnitten am rechten und linken Rande des Scehnittes). Ist der Querschnitt durch eine Muskelfaser etwas dieker ausgefallen, so erkennt man, wenn man die Rinde mit dem Focus senkrecht durchwandert, dass sich die dunklen Linien alle gleichzeitig in derselben Richtung, gleich den Spei- chen eimes Rades, verschieben, so dass man den optischen Ein- ruck gewinnt, als setze sich der Ring mit ‚seinen radiären Linien nach einer Richtung hin in Bewegung. Diese Erschei- nung gibt mithin eine hübsche Bestätigung, dass die Linien in der Rinde spiralig verlaufen. Die dunklen, sieh färbenden radiären Linien entsprechen nun den Durehsehnitten durch die Spiralfasern, während die hellen Linien der Zwischensubstanz angehören. Man erhält hierüber sehr leieht Sieherheit an Schrägschnitten und Längsschnitten, an welehen sehon eine geringe Lockerung der Fasern eingetreten ist, wie sie sieh in jedem Präparat vorfinden: nur die Spiral- fasern erscheinen dunkel und gefärbt und lassen sich direkt in Verbindung bringen mit den dunklen Radiärstreifen der Quer- sehnitte. Aus Obigem geht demnach hervor, dass die Spiralfasern in der Rinde nur m einfacher Lage vorhanden sind und die ganze Dieke der Rinde radiär durchsetzen. Hieraus folgt, dass die “ Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 301 Spiralfasern abgeplattet sind und die Gestalt von Bändern und Lamellen besitzen, deren Breite, je nach der Dieke der Rinde, wechselt. In den Zellen mit schmalem, cortiealen Ringe werden sie nur schmal sein können und in ihrer Form einfachen Fasern nahestehen. In den Elementen mit dieker Rindensubstanz hingegen ınüssen die Spiralfasern breite Spirallamellen bilden, deren Flächen aber gewöhnlich nieht genau radiär gestellt sind, sondern leicht S-förmig gebogen erscheinen. Nimmt man nun an, dass (die mit dieker Rinde und ausgesprochener Schrägstreifung ver- sehenen Muskelzellen dem contrahirten Zustande entsprechen, während die mit schmaler Rindenzone und lang ausgezogenen Spiraltouren sich im Erschlaffungszustande befinden, so würde sich die wichtige Consequenz ergeben, dass durch den Process der Contraktion nicht allem die spiralige Umwickelung der Spiral- fasern, sondern auch ihre Gestalt eme wesentliche Modifieation erlitte. Die Spiralfasern sind nun keine homogenen Gebilde, sondern besitzen vielmehr noch eine bestimmte innere Zusammensetzung, welche sich allerdings mit völliger Sicherheit nur schwer nach- weisen lässt. Auf dünnen Querschnitten hatte ich bemerkt, dass die dunklen Linien bisweilen kleine Verdiekungen besassen, als setzten sie sich aus einer Reihe weit kleinerer Faserquerschnitte zusammen. (In Fig. 22 an einigen Querschnitten.) Ferner nahm ich an gelungenen Macerationen zwischen den isolirten Spiral- fasern hier und da feinere Fibrillen wahr, die sich aber nur auf kurze Strecken verfolgen liessen. Völligen Aufschluss über den Bau der Spiralfasern gaben mir aber erst Zupfpräparate, welche ich von alten Exemplaren von Octopus und Sepia anfertigte, welche Jahre lang in dünnem Alcohol gelegen hatten. Die Thiere waren noch gut erhalten, hatten aber doch in Folge des langen Liegens in dünnem Spiritus einen hohen Grad von Weichheit erlangt. Ich entnahm dem Mantel einzene Muskelbündel, zer- kleinerte dieselben fein zwischen den Nadelspitzen, färbte mit (entianaviolett und drückte das Deckgläschen etwas gegen den Objeetträger, so dass die Fasern sich den Glasflächen direkt an- lagerten. In solchen Präparaten erhält man nun sehr viele Bruch- stücke von Muskelzellen und völlig isolirten Spiralfasern; an den letzteren ist die platte Form sehr gut zu erkennen. An diesen Faserbruchstücken nahm ich num sehr oft eine Zersplitterung der 302 E. Ballowitz: Enden in zwei bis drei und mehr sehr feine Fibrillen wahr (Fig. 7, Fig. 8 a und b). Bisweilen war eine isolirte Spiralfaser auch innerhalb ihrer Continuität der Länge nach in Fibrillen auseinander gegangen. Auch hatten sich hier und da seitlich feinere Fädchen abgelöst (Fig. Sa). Allerdings isolirten sich diese feinsten Fibrillen nur auf ganz kurze Strecken. Ich habe diesen Zerfall in vielen Präparaten sehr häufig wahrgenommen, so (dass die Zusammensetzung der Spiralfasern und Spirallamellen aus Fibrillen keinem Zweifel unterliegen kann. Doch will ich nochmals hervorheben, dass die Trennung der Fibrillen sehr schwer und unvollkommen erfolgt und erst nach langer Mace- ration eintritt. Die Spiralfasern sind mithin keine Elementarbestandtheile (der Rinde, vielmehr müssen als solehe vorläufig die feinen Fibrillen angesehen werden. Durch Vereinigung der Fibrillen, welche durch eine sehr resistente Kittsubstanz mit einander verbunden sind, werden die Spiraltasern und Spirallamellen gebildet, welche mithin abgeplattete Fibrillenbündel darstellen. Die Fibrillen selbst sind sehr feine, ganz gleichartig aussehende Fädehen, an welehen sich eine weitere Zusammensetzung und weitere Eimzelheiten, etwa Andeutungen von Querstreifung, nicht wahrnehmen lassen. Uebrigens fehlt auch den Spiralfasern und Spirallamellen jede Andeutung einer (@nerstreifung vollkommen. An diesen Zupfpräparaten fiel mir fernerhin noch auf, dass die Enden der Spiralfasern an den Bruchstellen der Muskelzellen selbst, sowie an den isolirten Faserstücken meist spitz ausliefen (Fig. 7, 8). Man müsste doch eigentlich quere oder wunregel- mässige Bruchenden an diesen platten Fasern erwarten. Diese Erscheinung war so häufig, dass mir wohl die Vermuthung kam, es könnten die Spiralfasern sich ‘aus zahlreichen, an einander gekitteten, spindelförmig zugespitzten Stücken zusammensetzen. Ich darf aber nach diesem Befunde durchaus nicht wagen, diese Vermuthung schon als einigermaassen wahrscheinlich hinzustellen ; dagegen spräche schon die ungleiche Länge der isolirten Faser- bruchstücke. Uebrigens muss man sich hüten, die zerzupften Muskelzellen in diesen Präparaten aus «dünnem Spiritus mit Bindegewebsbündeln zu verwechseln, zumal sich in letzteren auch axiale, intensiv tingible Körnehenreihen vorfinden können (Nautilus). Die Binde- Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 305 sewebsbündel färben sich aber nur sehwach hellviolett und zer- fallen sehr leicht in zahlreiche, äusserst feine Fibrillen, während die Muskelzellen und Spiralfasern sich mit Gentianaviolett inten- siver färben und die letzteren auch dureh ihre Form leicht kenntlich sind. Endlich muss ich noch eine weitere Erscheinung hervor- heben, welche die Spiralfasern darboten. In Präparaten von frischen Macerationen, welehe durch Behandlung mit Chromsalzen, Ranvier’schem Aleohol und anderen Reagentien gewonnen werden, sieht man häufig an den mehr weniger isolirten Spiralfasern eine feine, in der Längsrichtung der Fasern verlaufende Körnelung, welehe die Fasern uneben und oft wie aus Körnchen zusammen- sesetzt erscheinen lassen. Diese Erscheinung tritt auch an den intakten Muskelzellen hervor, insofern, als die dunklen Schräg- linien sehr oft rauh, wie mit Körnchenreihen "besetzt, aussehen (Fig. 3). Die Körnchen sind nicht alle gleich gross und gleich deutlich, fehlen streekenweise, um dann wieder aufzutreten. Bis- weilen trifft man so grosse Körnchen, dass dieselben quer fast von einer Spiralfaser zur anderen reichen, so dass die hellen Zwischenlinien wie leitersprossenartig gesprenkelt erscheinen. An- dere Fasern hingegen sind wieder mehr glatt und scharf begrenzt. Ueberhaupt ist das Auftreten und Aussehen der Körnchen ein sehr unregelmässiges. Diese rauhe Beschaffenheit der Spiralfasern nahm ich aber nur an den frischen Macerationen wahr. Die oben beschriebenen Fasern der älteren Spirituspräparate, welche die Auflockerung in Fibrillen zeigten, entbehren hingegen der Körne- lung vollständig, erscheinen vielmehr stets völlig glatt und gerad- linig. Mir scheint daher, dass dieses gekörnelte Aussehen der Spiralfasern und Spirallamellen durch eine vielleicht hüllenartige Auflagerung bedingt wird, eine Auflagerung, die wahrscheinlich mit der interfibrären, resp. interlamellären Zwischensubstanz zu- sammenhängt oder richtiger gesprochen, wohl auch von derselben zeliefert wird. Welche Bedeutung und Zusammensetzung hat nun die interfibräre Zwischensubstanz ? Wie oben angegeben, erscheint dieselbe an den nach Behandlung mit verdünntem Alcohol, Chromsalzen, verdünnter Flemming scher Lösung u. s. w. erhaltenen Zupfpräparaten in Gestalt heller Limien, welche zwischen den dunklen Spiralfasern gleichfalls spiralig in der 304 E. Ballowitz: Rinde verlaufen. Bei Zusatz von Anilinfarben nehmen die hellen . Zwischenlinien keine oder nur geringe Färbung an. Ganz anders verhält sich die Zwischensubstanz nach Ver- goldung der Muskelstücke. Hier färbt sich nur die Zwischen- substanz (und das Mark), während die Spiralfasern ungefärbt bleiben. Mithin gibt das Goldbild gewissermaassen das Negativ der im Fig. 21 und 22 abgebildeten Querschnitte, welehe mit ‚Flemming scher Lösung fixirten Muskelfasern entstammen. Die Wichtigkeit dieses Goldbildes beansprucht eine genaue Ana- Iyse desselben (Fig. 23, 24, 25, 26). Ich .verfuhr zur Dar- stellung desselben in bekannter Weise derart, dass ich kleine ganz frische Stücke aus dem Mantel von Eledone entweder sofort in 0,5°/ ige Goldlösung brachte oder dieselben zuvor ein Wenig in 1°/,iger Ameisensäure anquellen liess. Nach 20 Minuten wurden die Stücke aus der Goldlösung auf 24 Stunden in 1°/ ‚ige Ameisen- säure gebracht, in welcher ich die Reduktion entweder unter Einwirkung des Lichtes oder im Dunklen eintreten liess. Nach Behandlung mit Alcohol wurden die Stücke in Gelloidin einge- bettet und mit dem Jung schen Mikrotom geschnitten. Die Untersuchung der Sehnitte in Glycerin zeigt zumächst, dass die Rinde stark gequollen ist; dieselbe erscheint verbreitert, während dder Markraum hingegen meist eingeengt ist. Hierdurch wird bedingt, dass man in Goldpräparaten Quersehnitte mit schmalem Rindenmantel meist vermisst. Die Quellung der Rinde und die dadurch bedingte Compression des Markes gibt sich am auf- fälliesten an den Kernen zu erkennen. (Fig. 26.) Die Kerne sind nämlich fast alle entweder an dem einen Pole (Fig. 26 K) oder an beiden (Fig. 26 K,) durch die vordrängende Markmasse eingedrückt, sodass sie auf Längsschnitten ein eigenthümliches Aussehen darbieten. | An solehen Stellen nun, an welchen die Reduktion keine vollständige geworden, besitzt die Rindensubstanz die Gestalt eines hellen, anscheinend homogenen Ringes, welcher das dunkelge- färbte Mark umgibt (Fig. 23 an den meisten Querschnitten). Ist die Reduktion indessen völlig gelungen, so erkennt man in dem hellen Ringe eine zierliche radiäre Streifung (Fig. 23 in einigen (Wuersehnitten; Fig. 24 in allen). Dunklere Linien ziehen von der Markhöhle aus in radiärer Richtung bis zur Peripherie, so dass die Rinde in zahlreiche breite Segmente zerlegt ist. Die Breite Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 305 dieser hellen Segmente varirt an den Zellen etwas; an manchen Elementen erscheinen dieselben sehr schmal und die sie trennenden dunklen Linien sehr zart. An derartigen, meist durch eine dieke Rinde ausgezeichneten Querschnitten verlaufen die dunklen Linien auch gewöhnlich etwas geschwungen. Auch hier erhält man dureh Abwärtsbewegung des Tubus leicht den Beweis, dass die spiralige Anordnung sich noch erhalten hat: es setzen sich die Linien alle nach derselben Richtung hin in Bewegung. Diese dunklen, meist sehr deutlichen, häufig aber auch nur bei guter Beleuchtung hervortretenden Linien sind nun nicht scharf begrenzt und ganzrandig, vielmehr erscheinen dieselben oft uneben, wie aus feinen Körnchen zusammengesetzt. Hier und da treten etwas grössere Körnehen punktförmig hervor (Fig. 24). Noch mehr fällt dies an Längssehnitten dureh vergoldete Muskelzellen auf (Fig. 25 und 26). Ist die Reduktion eine sehr gelungene, so sind (die dunklen, meist deutlich schräg verlaufenden Linien sehr gut sichtbar, erscheinen aber stets etwas raulı und uneben (Fig. 26). Bei weniger gelungener Goldfärbung (Fig. 25 z. Theil) trifft man dagegen oft nur reihenweise angeordnete violette Pünktchen und Stippehen, bisweilen unterbrochen von etwas grösseren Körnchen. Lagern sich dieselben diehter an einander, so gehen daraus die Liniensysteme hervor. Nach den Thatsachen, welche die Vergoldung quergestreifter _ Muskelfasern ergeben hat, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir es in den dunklen körnigen Linien mit einer protoplas- matischen Zwisehensubstanz, einem „Sarcoplasma“ zu thun haben, welches in sehr regelmässiger Vertheilung zwischen den im Gold- bilde hell erscheinenden Spiralfasern eingelagert ist und dieselben mit einander verbindet. Dieses Sarcoplasma muss daher gleich- falls die Gestalt platter Spiralbänder besitzen. An dem frischen Präparat bildet dasselbe die hellen Linien, die sich nicht färbende Zwischensubstanz zwischen den Spiralfasern. Nur die Substanz der letzteren ist in Folge der Säurewirkung etwas gequollen, so dass die Durchsehnitte dureh die Lamellen breiter, als etwa m Osmiumsäurepräparaten, erscheinen. Das interfibräre Sareoplasına hingegen ist nicht gequollen, vielmehr durch die Quellung der Fasern etwas zusammengedrückt, so dass die Sarcoplasmalinien feiner erscheinen müssen, als am frischen, nicht mit Gold be- handelten Object. Die Verbreiterung der Rinde im Goldpräparat 306 E. Ballowitz: ist daher lediglich auf Reehnung einer Quellung der Spirallamellen .zu setzen. Die hier und da auftretenden körnigen Emlagerungen können als „Sareosomen* im Sinne von Retzius bezeichnet werden, analog den körnigen Einlagerungen, welehe im Sarcoplasma der yuergestreiften Muskeln zur Beobachtung kommen. Diese Sarco- somen sind nieht selten schon in frischen Zupfpräparaten von mit Flemming scher Lösung, Alcohol u. s. w. fixirten Muskeln in Gestalt dunkler Pünktehen sichtbar; auch in Querschnitten von derartigem Material werden sie bisweilen in den hellen Radiär- linien deutlich. Auch isolirt trifft man diese Körnehen in zerzupften Alcohol - Präparaten, welehe mit Anilinfarben tin- girt werden; sie liegen dann in Gestalt intensiv gefärbter punktförmiger Körnchen zwischen den sich trennenden Spiral- fasern, den letzteren bisweilen noch einige Zeit anhaftend. Hier- dureh wird noch wahrscheinlicher, dass die oben erwähnten körnehenartigen Auflagerungen der Spiralfasern «dem Sarcoplasma angehören. Aus dem Angeführten dürfte folgen, dass auch dieses interfibräre Sarcoplasma noch eine weitere Struktur besitzen muss, wenn es auch vor der Hand noch nicht gelingen will, hierüber näheren Aufschluss zu erlangen. Der geschilderte Bau der Rinde kommt allen Muskelzellen zu, den schmalen und dünnen ebenso, wie den breiten und dieken. Nach Allem resultirt eine grosse Analogie im Bau der spiralfaserigen Muskelzellen mit den quergestreiften Muskelfasern. Wie bei den letzteren die eontraktilen Fibrillen zu Bündeln, den „Muskelsäulchen“ (Kölliker), angeordnet sind, welehe durch Sareoplasma zusammengehalten werden, so treffen wir ın der Rinde der Muskelzellen bei den Cephalopoden in den Spiral- fasern gleichfalls fibrillär zusammengesetzte Gebilde. Zwischen diesen Spiralfasern befindet sich in regelmässiger Vertheilung Sar- eoplasma, welehes in die Spiralbänder selbst ebensowenig ein- dringt, wie in die Muskelsäulehen der quergestreiften Muskel- fasern. Auch ein axialer, mit dem Sarcoplasma zwischen den Fibrillenbündeln zusammenhängender Markstrang kommt in vielen quergestreiften Muskelfasern, z. B. denen der Insekten, zur Be- obachtung (Rollett). Ein wesentlicher Unterschied besteht nur in dem Fehlen jeder Querstreifung bei den Gephalopoden, die hier auch nicht einmal angedeutet ist und im der spiraligen An- Ueber den femeren Bau der Muskelsubstanzen. 307 ordnung der Fibrillenbündel. Weniger Bedeutung ist wohl dem Vorhandensein nur eines Kernes beizumessen (ef. Herzmuskel- zellen der Wirbelthiere). Es erübrigt jetzt noch, die Struktur der Marksubstanz zu besprechen. Dieselbe bietet der Untersuchung mehr Schwierig- keit, als die Rindensubstanz, weil es sich in derselben um ein anscheinend nur wenig verändertes Protoplasma handelt. Es ist ddaher durchaus erforderlich, lebensfrische Muskelfasern schnell zu fixiren. An derartigen Präparaten erscheint die Mark- substanz in etwas diekeren Muskelzellen in Gestalt eines zarten protoplasmatischen Netzwerkes, welches engere oder weitere, vakuolenartige, mit einer Flüssigkeit erfüllte Hohlräume umschliesst (Fig. 9, 20). Auf Längssehnitten durch fixirte Muskelzellen sah ich bisweilen ziemlich dieke Fäden leitersprossenartig quer durch (den Markraum gehen, so dass der axiale Markraum in eine An- zahl ungleich grosser, fächerartiger, wohl unter einander zu- sammenhängender Hohlräume zerlegt erschien (Fig. 18). Auch in Goldpräparaten traf ich bisweilen Achnliches. Die protoplas- matischen Fäden und Balken hängen mit der Rinde zusammen und gehen, wie die Goldpräparate beweisen, eontinuirlich in das Sareoplasma zwischen den Spiralfasern über. Ich möchte daher (dieses Netzwerk als axiales Sarcoplasma oder Marksarcoplasma bezeiehnen und dem interfibrären Rindensareoplasma gegenüber- stellen. Die Sarcoplasmafäden verbinden sich auch mit der Kern- membran und verdichten sich etwas an den Kernpolen. Auch scheint der grosse Kern seitlich von einem, wenn auch nur sehr (dünnen Sarcoplasmamantel umgeben, welcher sich mithin zwischen Rinde und Kermoberfläche befindet. Stets befindet sich der Kern innerhalb des axialen Hohlraumes, rings umschlossen von dem Rindenschlauch (vergl. Fig.20, Fig. 21 Imks oben und Fig. 22 unterhalb der Mitte: Zellquerschnitte mit Kern im axialen Raum). Ein eigenthümliches Aussehen zeigt die Marksubstanz in Goldpräparaten (Fig. 23—26). Sie färbt sich nämlich bei Ver- goldung intensiv dunkel, so «dass man protoplasmatisches Netz und Vaeuolen nicht unterscheiden kann, höchstens nur noch An- (leutungen davon erhalten sieht. Mit dieser dunklen Markmasse verbinden sich die radiären, etwas heller gefärbten Sarcoplasma- Linien der Rinde, so dass beide continuirlich in einander über- gehen (vergl. die Querschnitte durch Muskelfasern in Fig. 23 u. 24). 308 E. Rallowitz: Bisweilen kommt es vor, in Folge der Quellung der Rinde, dass -die Markmasse sich zwischen die Spirallamellen einkeilt, sodass ein breiter radiärer Spalt auf dem Quersehnittsbilde der Rinde entsteht (vergl. mehrere Querschnitte in Fig. 23). Auch können im Goldbilde Massen der axialen Substanz abgeschnürt und zwischen die Spiralbänder in die Sareoplasmaräume verlagert sein (Fig. 23, 24 u. 26). Ueberhaupt trifft man im Goldbilde mancherlei Unregelmässigkeiten au, welche man in dem frisch mit anderen Reagentien, etwa Osmiumsäure, schwacher Flemming- scher Lösung u. s. w. fixirten, nicht vergoldeten Muskelschnitten vermisst. So ist bisweilen der Markraum stark eingeengt und statt eines Markquerschnittes sind deren zwei oder eine grössere Anzahl kleinerer vorhanden (Fig. 23, 24). Dabei kann die radiäre Anordnung etwas in Unordnung gerathen sein (Fig. 24 an einzelnen (Juerschnitten). Alles dieses erklärt sich jedenfalls durch die (Quellung der Rinde in Folge der Säurewirkung. Wie eben schon angeführt, wird dadurch die Marksubstanz zusammengedrückt, so dass die Struktur derselben im Goldpräparat, wenigstens in (len meisten Fällen, nicht erhalten bleibt. Auf einem Längs- schnitt erscheint daher das Axensarcoplasma mannigfach ver- ändert (Fig. 25). Die Ränder der dunklen axialen Streifen sind nicht glatt, vielmehr unregelmässig zackig. Häufig ist der Markstrang der Länge nach wie in Segmente zerlegt oder in grössere, völlig von emander getrennte tropfenartige Abschnitte zerfallen (Fig. 25). Was dieses Axensarcoplasma nun ganz besonders auszeichnet, ist die Einlagerung meist sehr zahlreicher Körncehen, welche früheren Beobachtern sehon lange. bekannt waren (siehe Litteraturangaben). Diese Körnchen, welche in die Protoplasmabalken eingelagert sind, besitzen ein starkes Lichtbrechungsvermögen und einen gelblichen Glanz; vor allem zeigen dieselben eine von der Um- gebung scharf abgesetzte Form (Fig. 9, 10). Am deutlichsten tritt diese scharf begrenzte Form an Präparaten hervor, welche in 20°/, Salpetersäure macerirt und sodann, nach vollständiger Entfernung der Säure, mit Eosin oder Anilinfarben tingirt werden (Fig. 13). Von dem Sarcoplasmageflecht ist deutlich nichts mehr zu erkennen, wohl aber treten die Körncehen sehr scharf begrenzt und intensiv gefärbt hervor. Gestalt und Grösse der Einlage- rungen sind sehr verschieden. Meist erscheinen sie rundlich, Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 309 zeigen aber auch sehr häufig, besonders die grösseren, eine (lellenartige Vertiefung, so dass sie halbmondförmig oder napf- artig aussehen (Fig. 9, 10). Meist sind sie in dem Mark etwas ungleichmässig disseminirt, seltener in Gruppen und Reihen zu- sammenliegend. Sehr merkwürdig ist die ungleiche Vertheilung (der Körnehen auf die einzelnen Muskelzellen (vergl. Fig. 9, 10 u. 15). In manchen Zellen findet man nur sehr spärliche Körmer im Inneren, in anderen Fasern hingegen — und dies sind nicht immer die dieksten — sind die Körnehen ausserordentlich zahlreich, sodass die Markhöhle damit förmlich vollgefropft ist. Am auffälligsten, sowohl was Form, wie auch Grösse und Zahl anmbetrifft, erschienen diese axialen Einlagerungen an Prä- paraten von Sepiola Rondeletü, die längere Zeit in Müller'scher Lösung gelegen hatten!), sodann gewässert, zerzupft und mit Anilinfarben tingirt waren (Fig. 11, 12 14—17). Nur selten waren noch Reste des protoplasmatischen Netzwerkes im Mark- raum erhalten (Fig. 17). Um so deutlicher erschienen aber die intensiv tingirten Einlagerungen, die bisweilen die Gestalt un- regelmässiger Schollen besassen (Fig. 11, 12), meist aber von kugeliger oder länglich tropfenartiger Form waren (Fig. 14, 15). Bildungen, wie in Fig. 2 a, b, e im unteren Theil der Faser, kamen nur selten zur Beobachtung. Sehr im die Augen fallend war die oft beträchtliche Grösse dieser Einlagernngen (Fig. 11,12). Bisweilen fand ich statt eines gemeinschaftlichen Hohlraumes in der Axe der Zelle eme Anzahl kleiner rundlicher oder läng- licher, vollständig von einander abgeschlossener Räume (Fig. 16). Die rundlichen Lücken wurden fast ausgefüllt von einem kuge- ligen Körper. In den länglichen Räumen lagerten, meist an den beiden Enden derselben, intensiv gefärbte Massen, welehe einen Hohlraum vakuolenartig zwischen sieh fassten. Aehnliehe Bilder, wie diese Präparate aus Müller'scher Lösung, ergaben mir mit verdünntem Alkohol behandelte Muskel- stücke. Es ist mir nun nicht mehr möglich gewesen, frische und gut fixirte Muskelzellen von Sepiola mit diesen Befunden zu vergleichen und festzustellen, ob diese grossen, oft so massen- 1) Die Thiere wurden lebend in Müller'sche Lösung geworfen, darin abgetödtet und conservirt. 3106 E. Ballowitz: haft auftretenden und häufig so unregelmässig geformten Em- -lJagerungen auch im den lebenden Muskelzellen von Sepiola vor- handen sind. Ich vermuthe vielmehr, dass es sich hier um Ein- wirkungen der Reagentien handelt, welche verursacht haben, (dass das körnehenführende axiale Sarcoplasma unregelmässig coa- gulirt ist und sieh zu diesen groben Inhaltsmassen der Markhöhle zusammengeballt hat. Dies gilt von der Form der Emlagerungen, wie sie in den Figuren 11, 12, 14, 15, 16 und 17 gezeichnet sind, so dass ich noch dahingestellt lasse, ob diese auffälligen Bildungen nicht vielmehr als Kunstprodukte aufgefasst werden müssen. Ueber die Natur der körnchenartigen Einlagerungen ver- mag ich nur wenig auszusagen. Fetttropfen und Glyeogenkörn- chen sind es nicht, wie die Reaktionen mittelst Osmiumsäure und Jodjodkalium-Lösung zeigen. Man kann dieselben vorläufig nur für bestimmt geformte protoplasmatische Körper erklären, welche ihrer Natur nach aber wesentlich von der Substanz des axialen Sarcoplasmanetzes verschieden sind. Diese groben Körn- chen müssen als charakteristisch für das Axensarcoplasma dieser Muskelzellen betrachtet werden, da sie dem interfibrären Rinden- sarcoplasma fehlen. Ob die feinkörnigen Eimlagerungen des letzteren, welehe als „Sarcosomen“ bezeichnet wurden, mit den Körnern des Axensarcoplasmas im Zusammenhang zu bringen sind, wie man vermuthen möchte, müssen weitere Untersuchungen lehren. Ob endlich diese Einlagerungen zu dem Ernährungs- und vor Allem zu dem Thätigkeitszustande der Muskelzellen in Be- ziehung stehen, wie vielleicht anzunehmen ist, habe ich nicht entscheiden können, da die Zeit. meines Aufenthaltes an der Zoologischen Station in Neapel zu kurz war, um dieser nicht unwichtigen Frage näher zu treten. Es wäre eine interessante Aufgabe, Versuche darüber anzustellen, ob die Körnchen nach längerer Thätigkeit der Muskulatur an Zahl und an Grösse ab- nehmen, überhaupt Veränderungen erleiden. Gerade ‚die Muskel- faser (der Cephalopoden dürfte für derartige Experimente ein sehr geeignetes Versuchsobjeet abgeben. Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. all Literaturangaben !). Lebert und Robin (1) haben zuerst von „feinen Pünkt- chen und Körnehen“ in der Längsaxe der Muskeln der Mollusken berichtet. An den Muskeln der CGephalopoden scheinen diese Beobachter dieselben indessen noch nieht wahrgenommen zu haben, (da nach ihren Angaben der Muskel des Mantels von Sepia ofli- einalis, sowie die Muskeln der Saugnäpfe des gleichen Thieres aus geschwungenen Fasern von gleichmässigem Aussehen bestehen sollen. H. Müller (2) fand, dass die Muskelfasern im Mantel und den Armen von Cephalopoden in jungen Thieren deutlich einfache Faserzellen mit einem Kern sind. In erwachsenen Thieren erscheinen sie meist sehr verlängert, etwas röhrig und mit körnigem Gentralstreifen. Nach Kölliker (3) setzen sich die Muskeln vieler Mol- lusken, darunter die der Öephalopoden, aus deutlichen, zum Theil ausgezeichnet schönen und grossen Faserzellen, oft mit sehr deutlichem mittleren Kerne zusammen. Nach Weismann (4) bestehen sowohl die Muskellagen der Arme, als die des Mantels von Loligo und Octopus gänzlich aus langen, schmalen, an den Enden scharf zugespitzten spindel- förmigen Zellen. Der einfache Kern ist oval, enthält 1 bis 2 Nucleoli und liegt in der Mitte der Zelle. Die isolirte Muskel- zelle aus dem Mantel von Octopus, welche Weissmann in Fig. XIII auf Tafel V abbildet, erscheint mir indessen im Ver- hältniss zur Länge etwas zu breit gezeichnet. Die ersten Angaben über eine feinere Zusammensetzung der Muskelfasern der Cephalopoden hat Margo (5) gemacht, welcher die Muskulatur von Octopus untersuchte. Margo unter- scheidet feme und dieke Fasern. Bei den meisten wurde eine Sonderung in Rinden- und Axensubstanz wahrgenommen. Hin- sichtlich der Rindensubstanz bemerkt dieser Autor, dass dieselbe „quergestreift“ sei und soll diese Querstreifung hervorgerufen 1) Es können hier vorwiegend nur die Lituraturangaben berück- sichtigt werden, welche sich auf den Bau der Muskelfasern der © e- phalopoden beziehen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 21 312 E. Ballowitz: sein durch „wahre sarcous elements“, welche in der homogenen - Grundsubstanz in regelmässigen Reihen dieht an einander ge- lagert sind. An den dünnen Fasern wurde diese „Querstreifung“ wicht erkannt. Margo hebt schon hervor, dass die „Quer- streifen nicht selten etwas schief zur Axe der Muskelfaser ver- laufen“ (l.-e. pag. 569; vergl. auch Fig. 7a, oberer Theil der Faser, wo die schrägen dunklen Linien deutlich gezeichnet sind). Ich habe nach Obigem nicht nöthig, zu betonen, dass diese Auf- fassung Margos vom Muskelbau der Cephalopoden durchaus irrig ist und hier von „sarcous elements“ keme Rede sein kann. — Die Axensubstanz erscheint Margo als ein von der Rinden- substanz ringsherum begrenzter Hohlraum, der eine homogene Substanz und kleme runde Körnchen enthält, die darin in grös- serer oder geringerer Entfernung von einander theils in regel- mässigen Querreihen geordnet, theils zerstreut und ohne besondere Ordnung liegen. Sehr wichtig sind die Beobachtungen G. R. Wagener's (6) über die Muskelfasern der Evertebraten. Dieser Forscher hat an mit Essigsäure behandelten Querschnitten durch getrocknete Gephalopodenmuskeln die radiären Linien der Rinde schon ge- sehen. Indessen konnte er die „sternförmige Zeichnung“ nur an wenigen Faserquerschnitten wahrnehmen. Wagener vergleicht diesen „Strahlenkranz“ mit den ähnlichen Zeichnungen auf den Querschnitten durch die Muskelfasern von Hirudmeen!) und Ne- matoden. In Bronn's Klassen und Ordnungen «des Thierreiches (7) tindet sich nur die Angabe, dass die Muskelelemente der Gepha- lopoden lange spindelförmige Fasern darstellen, an denen man deutlich eine Hülle und einen Inhalt unterscheiden kann. Der letztere erscheint meistens aus Körnern gebildet, die sich oft zu grösseren rundlichen oder eckigen Massen zusammen gruppiren und dadurch das Aussehen von @Querstreifen hervorbringen. Leydig (8, 9, 10) hat mehrfach erwähnt, dass (bei Loligo und Sepiola) die femsten Muskelfasern rein homogen 1) Vgl. auch F. Leydig, Zelle und Gewebe. 1885, Tafel IV, Fig.68. Muskelfaser von Clepsine complanata im Querschnitt. Des- gleichen Rohde, Die Muskulatur der Chaetopoden. Schneiders Zoo- logische Beiträge Il. — Zoologischer Anzeiger VIII. Jahrg., 1885. Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 315 sind, während die diekeren eine Sonderung in Rinde und Mark- substanz zeigen. Die erstere soll homogen bleiben, während die letztere körnig wird. Jene Muskeln, welche, wie z. B. im Schlund- kopf, ein tür das Auge mehr gelbliches Aussehen haben, sind aus Cylindern zusammengesetzt, deren Axensubstanz dieht an- einander liegende Körnchen zeigt; diese sollen mitunter so regel- mässig gelagert sein, dass man lebhaft an Querstreifung erinnert wird. Von den stärkeren Primitivevlindern lässt sich eine zarte Hülle abheben, die im leeren Zustande sich in feine Längs- falten legt. Diese Angaben werden von Leydig später (11) dahin zum Theil berichtigt, dass nieht im Marke, sondern in der Rinde (die Querstreifung zu Stande komme. Ich kann aber für die Gephalopoden weder zugeben, dass hier eine wahre „Querstrei- fung“ vorhanden ist, noch kann ich ebenso wenig die Auffassung Leydig's von einer „besonderen Beschaffenheit der Fibrillen“, wonach «die „Querstreifung“ durch „Auflösung der Fibrillen in kleinste Stücke mit seitlicher Verknüpfung” zu Stande kommen soll, als irgendwie zutreffend anerkennen. In seinen „Beiträgen zur vergleichenden Histiologie des Molluskentypus“ hat Boll (12) auch über den Bau der Muskel- faser der Cephalopoden eingehend berichtet. Nach diesem For- scher stellen die eontraktilen Elemente aus dem Mantel spindel- förmige, an ihren Enden äusserst fein ausgezogene Fasern dar. In Betreff der feineren Zusammensetzung berichtet Boll. e. pag.23: Den bei weitem grössten Theil, ja fast die ganze Muskel- faser bildet die eigentliche Muskelsubstanz. Bei der Unter- suchung im frischen Zustande zeigt dieselbe eine gelblich weisse Farbe und einen eigenthümlich matten Glanz. Bei Untersuchung mit Systemen, welche Hartnack Linse VII entsprechen, er- scheint sie noch rein homogen und zeigt nur selten Andeutungen einer feinen Längsstreifung. Bei Anwendung stärkerer Systeme, z.B. Hartnack IX, sieht man sehr schön an Heteropoden und Uephalopoden, wie diese feinen Längsstreifen aus sehr feinen, regelmässig in geraden Reihen angeordneten Körnchen bestehen. Meist sind diese Körnehen sehr fem und stehen sehr dieht hinter einander, so dass bei Anwendung nicht sehr starker Objective nur die fibrilläre Längsstreifung, höchstens noch eine feine Punk- tirung der Längsfibrillen zur Anschauung kommt. Häufig aber 314 ? E. Ballowitz: — oft sogar in derselben Muskelfaser — kommen Stellen vor, “wo (die Körnchen etwas grösser werden und nicht mehr un- mittelbar hinter einander gereiht erscheinen, so dass jede Längs- fibrille nieht mehr durch unmittelbar oder doch äusserst dicht hinter einander liegende, sondern durch wirkliche, wenn auch nur kleine Zwischenräume getrennte Körnchen gebildet wird. In diesem Falle können nun zwei Verhältnisse vorliegen. Entweder werden im den einzelnen neben einander liegenden Fibrillen diese etwas grösseren Körnchen sich unregelmässig zu denen der be- nachbarten Fibrillen verhalten, oder es wird ein regelmässiges Verhältniss stattfinden, in der Art, dass in den einzelnen Fibrillen die Körnehen und die Zwischenräume zwischen denselben sich entsprechen und genau nebeneinander liegen, so «dass ausser der fibrillären Längszeichnung auch noch eme auf derselben senk- recht stehende zu Stande kommen wird. Wenn in den meisten Fällen diese Verhältnisse auch ausserordentlich fein und nur bei Anwendung der stärksten Objeetive sichtbar sind, so erreichen doch auch in einzelnen Fällen die Körnehen und die dieselben trennenden Zwischenräume eine bedeutendere Grösse, so dass schon bei Betrachtung mit Objeetiven wie Hartnack VII eine ziemlich ausgesprochene Querstreifung sichtbar wird. Der Unter- schied zwischen gewöhnlichen und quergestreiften Muskelfasern ist daher bei den Mollusken durchaus kem speeifischer, sondern nur quantitativer Art und lassen sich in der That alle Ueber- sänge zwischen gröber granulirten und mitunter eine ziemlich deutliche Querstreifung zeigenden und bei ziemlich starken Ob- jeetiven noch fast homogen erschemenden Muskelfasern nach- weisen.“ — „Entnahm man ein Präparat dem Mantel der Ce- phalopoden, so waren in vielen Muskelfasern die die Fibrillen eonstituirenden Körnehen von einer so enormen Feinheit, dass dieselben auch bei Anwenduog der stärksten Objeetive höchstens nur als fein punktirt erschemen. Verfolgte man eine solche Muskelfaser in ihrer ganzen Länge, so sah man häufig an ein- zelnen Stellen die Körnehen grösser und die körmige Zusammen- setzung der Fibrillen deutlicher werden. In vielen anderen Muskelfasern desselben Präparates war dieselbe durehweg deut- lieh. Die einzelnen Fibrillen lagen dann entweder noch unregel- mässig neben einander, oder es kam auf die oben erwähnte Art (dureh das Nebeneinanderliegen der Körnehen der einzelnen Fi- Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 315 brillen eine quere, auf der fibrillären Längsstreifung senkrecht stehende Querstreifung zu Stande.“ Ohne Zweifel hat mithin Boll schon das feinkömige Aussehen der „Fibrillen“ (Spiral- fasern siehe oben) wahrgenommen. Indessen muss ich bestreiten, dass durch die Anordnung dieser Körnehen das Bild einer „Quer- streifung“* an den Muskelfasern der Cephalopoden hervorgerufen wird. Eime echte „Querstreifung“ habe ich, wie oben betont, an den Zellen, die den von mir angegebenen Körpertheilen ent- stammen, überhaupt nicht wahrgenommen, weil dieselbe hier nicht vorkommt. (uerstreifung kann hier nur vorgetäuscht wer- den durch einen fast quergehenden Verlauf der cortiealen Spiral- linien, wie er nicht selten beobachtet wird. Ich glaube auch, dass Boll durch diese Bilder zur Annahme einer Querstreifung an den Muskelfasern verleitet wurde, um so mehr, als er den schrägen Verlauf und die spiralige Umwiekelung der Linien über- haupt nicht erkannt hat. Wohl aber gelang es diesem Forseher, an den Bruchenden der Zellen den Zerfall in „Fibrillen® ( Spi- ralfasern, siehe oben) zu konstatiren. Den schrägen Verlauf der corticalen Liniensysteme hat zuerst Schwalbe (13) genauer erkannt und an den Muskelzellen zahlreicher Evertebraten eingehend untersucht und beschrieben. Schwalbe beobachtete denselben an den Muskelfasern der Echi- nodermen, mancher Würmer und unter den Mollusken bei La- mellibranchiaten und Gasteropoden; Cephalopoden kamen nicht zur Untersuchung. Die Deutung indessen, welche der genannte Forscher dem an der Rinde dieser Muskelzellen sich zeigenden mikroskopischen Bilde gegeben hat, ist, wie oben im Text sehon von mir ausgeführt wurde, keme zutreffende. Schwalbe be- richtet über das Aussehen der isolirten Muskelzellen von Ophiotrix folgendermaassen (l.e.. pag. 211 u. 212): „Das Hanptinteresse erregt die contraktile Substanz selbst. Bei zenauerer Betrach- tung der Fasern wird man bald auf die Liniensysteme aufmerk- sam, die nicht etwa quer um die Muskeltaser herum oder der Länge nach verlaufen und somit eine Quer- oder Längsstreifung darstellen, sondern die vielmehr schräg von einer Seite der Faser zur anderen hmüberziehen. Es hat den Anschein, als ob zwei sich kreuzende Systeme von Spiralfasern um den Muskeleylinder herumliefen. Es trat nun die Frage heran, wie diese Bilder zu erklären 316 E:. Ballowitz: seien. Im Sarcolemm konnte die erwähnte Streifung nicht liegen, ‘denn dies war gerade an den Stellen mit deutlicher doppelter Schrägstreifung weit abgehoben. Es musste also ein Struktur- verhältniss der contraktilen Substanz selbst vorliegen. Glück- licher Weise fanden sieh in demselben Präparat noch andere nicht gequollene Muskelfasern, die das Räthsel lösten, freilich auf eine nicht erwartete überraschende Weise. — Die contraktile Substanz erscheint äusserst zierlich gemustert. Bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch auch hier die beiden sich schnei- denden Liniensysteme wieder; dieselben erscheinen hier aber hell und die quadratischen Felder zwischen ihnen dunkel und stark liehtbreehend. Die hellen Linien bilden mit der Längsaxe der Muskelfaser einen Winkel von ungefähr 45°. Sie schneiden sich unter einander unter einem rechten Winkel. Daraus ergiebt sich dann von selbst die Gestalt und Anordnung der zwischen ihnen befindlichen dunklen, stark liehtbrechenden Theilchen. Dieselben sind demnach quadratisch und liegen so zur Axe der Muskel- faser angeordnet, dass zwei ihrer rechten Winkel durch Linien parallel der Längsaxe der Faser und die beiden anderen durch len Querdurchmesser derselben halbirt werden. Mit beiden bilden also die Seiten des Quadrats je einen Winkel von 45°. . Auf diese Weise gruppiren sich die kleinen quadratischen Felder zu Sehrägreihen an einander und man kann deshalb wohl >am passendsten eine solche Muskelfaser als eme doppelt sehräg- eestreifte bezeichnen. In eimer jeden Scehrägreihe finden sich je nach der Dieke der Faser 7 bis 12 der dunklen quadrati- schen Felder, die also hier ihre Seiten einander zukehren. In der Querrichtung der Muskelfaser kehren dieselben emander die Scheitel ihrer Winkel zu und zählt man in einer solchen 4—8 jener Gebilde. Fragen wir nun, wie wir die eben geschilderten merkwür- digen Strukturverhältnisse aufzufassen haben, so liegt ‘es wohl am nächsten, daran zu denken, dass hier, wie bei den quer- gestreiften Muskelfasern ‘der Wirbelthiere und Arthropoden, der contraktile Theil der Muskelfaser zwei Substanzen enthält, eine einfach- und eine doppeltbrechende, dass dieselben hier nur eine andere Anordnung zeigen, als bei jenen Thieren. Die dunklen (Quadrate entsprechen wohl unzweifelhaft der anisotropen Sub- stanz E. Brücke’s, während die hellen Liniensysteme als aus Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. N einfach brechender Substanz gebildet anzusehen sind. Leider war es mir nicht gestattet, diese Annahme durch Untersuchung im polarisirten Lichte zu konstatiren. Ich glaube aber trotzdem nieht auf Widerspruch zu stossen, wenn ich dieselbe als die natürlichste hinstelle. So hätten wir denn hier eine Anordnung der sarcous elements oder Fleischprismen kennen gelernt, wie sie weder bei Arthropoden, noch bei Wirbelthieren vorkommt. Mit schräg verschobenen Querstreifen ist dieselbe nicht zu ver- wechseln. In diesen Fällen werden die Streifen zwischen den schräg verschobenen (@uerreihen von sarcous elements breiter sein, als die Streifen isotroper’Substanz zwischen den neben ein- ander in einer Querreihe liegenden Fleischprismen selbst, wäh- rend bei den Muskelfasern von Ophiotrix beide Liniensysteme gleich breit sind.“ Weiterhin erwähnt Schwalbe noch, dass die Grösse dieser vermeintlichen sarcous elements nicht eonstant ist und dass die Winkel derselben nicht immer rechte sind, sondern dass aus dem “ quadratischen Grundriss durch Verkürzung in der Längsaxe sich ein rhombischer gestalten kann. „In letzterem Falle werden die stumpfen Winkel durch Linien parallel der Längsaxe der Muskel- faser, die spitzen durch darauf senkrechte halbirt.* Schwalbe vermuthet schon, dass diese Gestaltung der sarcous elements viel- leicht ihren Grund in Contraktionszuständen hat. Einen Zerfall dieser doppelt schräg gestreiften Muskelfasern in „Fibrillen“ beobachtete Schwalbe nur da, wo die doppelte Sehrägstreifung den Eingriffen der Reagentien bereits erlegen ist; derselbe bestand auch meist nur im Auffaserung der Bruech- enden. Diese „Fibrillen“ zeigten sich nach Schwalbe immer als unregelmässige blasse homogene Fasern, ohne con- stante Breite. Schwalbe schliesst hieraus, dass eine Prä- existenz der Fibrillen für diese Muskelzellen in Abrede zu stellen sei und dass die Fibrillen mithin als Kunstprodukte aufgefasst werden müssten. Aus meiner obigen Beschreibung des Baues der „doppelt schräggestreiften“ Muskelelemente bei den Cephalopoden geht hervor, dass das Bild der doppelten Schrägstreifung verwischt und zerstört sein muss, wenn, nach Auflösung der hellen Zwischen- substanz, die Spiralfasen ( den Fibrillen Sehwalbe’s) sieh isoliren. Auch wurde vop mir betont, dass die Spiralfasern, je 318 E. Ballowitz: nach der Dicke der Rindensubstanz der einzelnen Fasern, auch - eine verschiedene Breite besitzen müssen. Hingegen muss ich in Abrede stellen, dass die Spiralfasern „unregelmässig* sind, wenn man nicht das häufig zur Beobachtung kommende körmnige Aussehen derselben so bezeichnen will. . Diese Auffassung Schwalbe’s von dem Bau der doppelt schräggestreiften Muskelfaser wurde durch Th. W. Engelmann (14) nach Untersuchungen an Anodonta corrigirt; allerdings ist es auch diesem Forscher nieht gelungen, den Bau der eontrak- tilen Substanz dieser Elemente in allen Punkten richtig aufzu- fassen. Vor allem ist es das Verdienst Engelmann’s, den faserigen Bau auch dieser Muskelelemente unzweifelhaft festge- stellt zu haben. Engelmann hebt als wichtigstes Resultat seiner Untersuchung ausdrücklich hervor (l.e. pag. 557, 558), dass „die Streifung nicht etwa durch im schräge Reihen geord- nete, auf dem Längsschnitt quadratische oder rhombische „Fleisch- theilchen“ hervorgebracht wird, sondern durchaus nur darauf be- ruht, dass stark liehtbrechende homogene Fibrillen in entgegen- gesetzt gewundenen, aber gleich steilen Spirallinien um die Längsaxe der Fasern herumlaufen. Schwalbe befand sich also ganz auf dem richtigen Wege, als er beim ersten Anblicke des Bildes (bei Ophiotrix) äusserte: „Es hat den Anschein, als ob zwei sich kreuzende Systeme von Spiralfasern um den Muskel- eylinder herumliefen.** Nach der Auffassung Engelmanns (l.e. pag.959) be- steht mithin „jede doppelt schräggestreifte Faser aus zwei Systemen von Fibrillen, welche, inzur Faserober- fläche parallelen eoncentrischen Lagen, entgegen- gesetzt gewundene Schraubenlinien um die Faseraxe beschreiben. Diese Fibrillen sind im Leben durch eine geringe Menge weicher interfibrillärer Substanz von einander getrennt“. Zweifelhaft ist es diesem Forscher geblieben, ob bei dem Zustandekommen der Ueberkreuzungen dieselbe Fibrille immer unter, bezüglich über den anderen wegläuft, die sie kreuzt, oder ob sie bald das Eine, bald das Andere thut. Im Allgemeinen war das Erstere der Fall, aber es schienen auch Fälle letzterer Art vor- zukommen. Indessen sagt Engelmann einige Zeilen vorher (l. e. pag. 548) schon sehr riehtig: „Es ist ganz zweifellos, dass die Strei- fen da, wo sie sich kreuzen, in verschiedenem Niveau liegen. Man Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 319 muss bei starker Vergrösserung (500—1000 mal) die Mikrometer- sehraube um ein sehr merkliches Stück drehen, um von der scharfen Einstellung des emen Streifen zu der des anderen über- zugehen. Dies dürfte nicht der Fall sein, wenn die Schwalbe- sche Ansicht von der Ursache der Schrägstreifung die rich- tige wäre.“ Die eontraktilen Fibrillen fand Engelmann doppelbrechend. Von einer Zusammensetzung derselben aus abwechselnd isotropen und anisotropen Stücken war keine Spur zu finden. Die inter- fibrilläre Substanz, die schwächer liehtbrechend ist, wirkt nicht merklich auf den polarisirten Lichtstrahl em (l. ce. pag. 554). Von grosser Bedeutung ist schliesslich der von Engel- mann gelieferte Nachweis, dass mit wachsender Verkürzung der Fasern auch der Winkel wächst, unter dem die Linien- systeme sich schneiden (l. ce. pag.559). „Im mässig gedehnten, nieht aktiven Zustand sind die Schraubenlinien so steil, dass sie der Faseraxe nahezu, doch nie völlig parallel laufen; je mehr die Faser sich verkürzt, um so weniger steil werden die Win- dungen, um so mehr also nähert sich der Winkel, unter dem sie sich schneiden, 180°, ohne diesen Werth doch jemals zu er- reichen.“ Auch machte Engelmann die Beobachtung, dass die Fibrillen der nieht eontrahirten, vielmehr stark gedehnten Fasern merklich dünner sind, als bei den maximal contrahirten Fasern und dass die Fasern selbst in ersterem Zustande im Durchschnitt sehr erheblich schmäler erscheinen als bei äusserster Contraktion. Nach diesen Befunden müssen auch die von mir für die Cepha- lopoden angegebenen auffälligen Differenzen in der Dicke der Muskelzelle, in der Breite der Rinde und der Breite der Rinden- fasern, ferner die Unterschiede in der Steilheit der Spiralwin- dungen wohl ganz hauptsächlich auf Verschiedenheiten des Con- traktionszustandes der Fasern zurückgeführt werden. Experi- mentell liesse sich dies bei den Cephalopoden etwas schwieriger feststellen, als bei den bivalven Mollusken. Diesen Untersuchungs-Resultaten Engelmann's hat sich auch G. Elias Müller in seiner „Theorie der Muskelcontrak- tion“ (15) angeschlossen; mit Recht hebt dieser Forscher die hohe Bedeutung der doppeltschräggestreiften Muskelfaser für die Lehre von der Muskeleontraktion hervor. Erst Hermann Fol (16) ist es gelungen, die wahre An- 320 E. Ballowitz: ordnung der Fasern innerhalb der Zelle zu erkennen. Nach aus- -gedehnten Untersuchungen an den Muskelfasern zahlreicher Mol- lusken, auch der Cephalopoden, kommt Fol zu dem Resultat, (dass es sich in den Muskelelementen der Mollusken um einzellige (Gebilde handelt, deren eontraktile Substanz von einer dieken und liehtbrechenden Scheide gebildet wird, welche ein axial ge- legenes körniges Protoplasma umgiebt; in der Mitte des letzteren befindet sich der Kern. Ein Sarcolemm soll überall deutlich er- scheinen. Die eontraktile Hülle setzt sieh nun nach diesem Forscher aus „Fibrillen* zusammen, welche in der Rindensubstanz um die körnige Axe spiralig aufgerollt sind. Das Bild der quadratischen und rhombisehen Feldehen, welches zuerst von Schwalbe genauer beschrieben wurde, wird einfach durch die Kreu- zung der beiden Hälften der Spiraltouren und zwar der oberhalb und unterhalb der Axe gelegenen, hervor- serufen. Es bestehen mithin nicht zwei Systeme von die Axe umkreisenden Spiralfasern, sondern nur eins. Fol bezeichnet diese Form als „fibres lisses ä fibrilles enroul&es en spirale.“ Nach den Untersuchungen, deren Ergebnisse oben von mir mitge- theilt sind, kann ich für die Cephalopoden diesen Angaben Fol’s durchaus beistimmen und muss ich die Deutung, welche dieser Be- obachter dem eigenartigen mikroskopischen Bilde gegeben hat, für die eimzig zutreffende erklären. ‘Fol hat sieh darauf be- schränkt, in seiner eitirten Arbeit nnr dieses Hauptresultat mit- zutheilen: weitere Angaben über die Zusammensetzung der con- traktilen Rindensubstanz, über die Form und den feineren Bau der spiralig verlaufenden „Fibrillen* ( meinen Spiralfasern und Spirallamellen), über das Verhältniss derselben zu der Zwischen- substanz u. s. w. sind in seiner Arbeit nicht enthalten. Nur in 3etreff der Art der spiraligen Aufrollung wird noch bemerkt: (l. e. pag. 308): „Le tour de spire est plus ou moins long suivant le nombre des fibrilles, qui eonstituent le faisceau enroule et aussi suivant letat de eontraction ou de relächement de la fibre. Dans le melange de glyeerine et d’acide nitrique employe par Paneth, la fibre se contracte si fort et la spire Yabaisse au point que les lignes deviennent presque transversales. Ainsi sexplique J’erreur commise par cet auteur.“ Diese Mittheilungen Fol’s sind kurz von L. Roule (17) Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 321 bestätigt worden, welcher die Muskelelemente von Lamellibran- chiaten untersuchte. Auf die ausgezeichneten, sehr umfassenden Untersuchungen E. Rohde’s über die Zusammensetzung der Chaetopoden-Muskeln (18) kann ich hier nieht näher eingehen. Ich will nur hervor- heben, dass auch Rohde für die Chaetopoden zu dem Resultate eekommen ist, dass die contraktile Substanz der Muskelfasern sich zusammensetzt aus radiär gestellten „Fibrillenplatten von linienförmigem Querschnitt“, die wiederum aus feineren Fibrillen von punktförmigem Querschnitt bestehen. (L.e. pag. 192): „Als Primitivelement der contraktilen Substanz in der Muskelfaser der Ohaetopoden wäre demnach die Fibrille von punktförmigem (uersehnitte anzusehen, genau wie bei den Hirudineen und Ne- matoden“ (19). Angesichts dieser gewiechtigen Arbeiten nimmt sich die Be- merkung Marshall’s (20) sehr wunderlich aus, welcher aus- drücklich, hervorhebt, dass er weder in Gold-, noch in Osmium- säure-Präparaten von der doppelt schrägen Streifung, wie sie von Schwalbe beschrieben ist, an den Muskelfasern der Mollusken und Eehinodermen etwas gesehen hat. Marshall erklärt dieselbe sogar kurzweg für einen optischen Effekt. L.e.pag. 88: „As this is not seen im gold and osmie acid preparations, I think it must be an optical effeet.“ Auch leugnet Marshall hier die Existenz der Fibrillen. Jedenfalls ist schon der Umstand, dass Marshall von der schrägen Streifung der Faser nichts ge- sehen hat, Beweis genug, dass die Beobachtungen dieses Mikros- kopikers sehr oberflächliche und einseitige gewesen sein müssen. In der Arbeit von Th. Knoll (21) über helle und trübe Mus- kelfasern findet sich endlich nur die Notiz, dass bei den Cepha- lopoden „die zum Theil doppelt schräggestreifte Kaumuskulatur in der Axe der schräg gestreiften Fasern eine säulenartige, kern- haltige, feinkörmige, unter der Einwirkung von Chlorgold sieh färbende Masse“ enthält. Literatur-Verzeichniss. 1. Lebert und Robin, Kurze Notiz über allgemeine vergleichende Anatomie niederer Thiere. Müller’s Archiv 1846, III. Muskeln, pag. 125. 2. Bericht über einige im Herbst 1852 in Messina angestellte verglei- chend-anatomische Untersuchungen von C.Gegenbaur, A. Köl- = 14. 1». 17. E. Ballowitz: liker und H. Müller. H. Müller, Bau der Cephalopoden. Zeit- schrift für wiss. Zoologie Bd. IV, 1853, pag. 345. Kölliker, Grosse Verbreitung contraktiler Faserzellen bei Wir- bellosen; Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre, ange- stellt in Nizza im Herbste 1856. Verhandlungen der physikalisch- medicinischen Gesellschaft in Würzburg Bd. VIII, 1858, pag. 110. A. Weismann, Ueber die zwei Typen contraktilen Gewebes und ihre Vertheilung in die grossen Gruppen des Thierreiches, sowie über die histologische Bedeutung ihrer Formelemente. Zeitschrift für rationelle Mediein. III. Reihe. XV.Bd. 1862, pag. 84. Margo, Ueber die Muskelfasern der Mollusken. Sitzungsber. der Akademie der Wissenschaften zu Wien. Mathem.-naturw. Classe 1860, Bd. 39, pag. 559. G.R. Wagener, Ueber die Muskelfaser der Evertebraten. Arch. für Anatomie und Physiologie Jahrg. 1863. Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches. 1862—1866. Bd.III. 2. Abth. pag. 1364. Fr. Leydig, Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebelehre. Archiv für Anatomie und Physiologie Jahrg. 1854, pag. 303. Derselbe, Lehrbuch der Histologie 1857, pag. 137. Derselbe, VomBau des thierischen Körpers. I. Bd. 1864, pag. 76. Derselbe, Zelle und Gewebe. Bonn 1885. 6. Muskelgewebe, pag. 132. Fr. Boll, Beiträge zur vergleichenden Histiologie des Mollusken- typus. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. IV, Supplement. 1869. G. Schwalbe, Ueber den feineren Bau der Muskelfasern wirbel- loser Thiere. Archiv für mikr. Anat. Bd. V, 1869. Th. W. Engelmann, Ueber den faserigen Bau der contraktilen Substanzen, mit besonderer Berücksichtigung der glatten und doppelt schräggestreiften Muskelfasern. Archiv für die gesammte Physiologie Bd. 25, 1881. G. Elias Müller, Theorie der Muskelcontraktion. Erster Theil, $S 26, pag. 141—157. Leipzig 1891. Hermann Föl, Sur la structure microscopique des muscles des Mollusques. Comptes rendus des seances de l’Academie des sciences. Tome 106, pag. 306. Paris 1888. L. Roule, Sur la structure des fibres musculaires appartenant aux muscles retracteurs des valves des Mollusques lamellibranches. Comptes rendus des seances de l’Academie des sciences. Tome 106, pag. 872. Paris 1888. E. Rohde, Die Muskulatur der Chaetopoden. Zoologische Bei- träge, herausgegeben von A. Schneider. Bd.I, Heft 3, 1855. Derselbe, Beiträge zur Kenntniss der Anatomie der Nematoden. Ebendort Heft 1, 1883. C. F. Marshall, Observations on the Structure and Distribution of Striped and Unstriped Muscle in the Animal Kingdom, and a Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 325 Theory of Muscular Contraction. Quarterly Journal of Miero- scopical Science, Vol. XXVII. N.S. 1888, pag. 87. >21. Th. Knoll, Ueber helle und trübe, weisse und rothe quergestreifte Muskulatur. Sitzungsber. der kais. Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe. Bd.98, Abtheilung IIT, Jahrgang 1889. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIIIL—XIV. Mit Ausnahme von Fig.1 sind alle Figuren in ziemlich gleichem Grössenverhältniss nach Winkel’s homogener Immersion 1, ge- zeichnet. . Tate. XII. Fig. 1. Muskelfaser aus dem Mantel von Eledone moschata, mittelst 20°, Salpetersäure isolirt. Winkel Obj. 4, Oe.3 (Vergr. 156), etwas verkürzt gezeichnet. Fig. 2a, b und e. Dasselbe Stück einer in Müller’scher Lösung iso- lirten Muskelfaser aus dem Mantel von Sepiola hondeletii bei hoher (a), mittlerer (b) und tiefer (ce) Einstellung. Nach Wässe- rung des Präparates Färbung mit Gentianaviolett. a Spiralfasern der oberen Hälfte der Rinde von rechts unten nach links oben ziehend. Durch die Rinde schimmern die intensiv gefärbten körnigen Einlagerungen hindurch. b Die Rindensubstasz (RR) im optischen Längsschnitt, von der Markhöhle (M) scharf abgegrenzt; die körnigen Einlage- rungen des Markes deutlich. Bei kk fallen in der Rinde, bei leichter Bewegung der Mikrometerschraube, die beiden ent- gegengesetzt verlaufenden schrägen Liniensysteme optisch zusammen, so dass eine Felderung der Rinde entsteht. c Spiralfasern in der unteren Hälfte der Rinde von links unten nach rechts oben verlaufend. Fig. 3. Aus dem Schlundkopf von Eledone moschata; Müller’sche Lösung. Windungen der Spiralfasern lang ausgezogen, so dass die Rinde fast längsstreifig erscheint. Feinkörniges Aus- sehen der Spiralfasern. Fig. 4. Aus dem Mantel von Eledone moschata; 1°, Osmiumsäure, Glycerin. Stück einer abgeplatteten Muskelzelle von der Fläche gesehen. Felderung der Rinde in Folge optischer Kreu- zung der beiden Liniensysteme. Fig. 5. Aus dem Mantel von Sepiola Rondeletii; Müller’sche Lösung, Färbung mit Gentianaviolett. Stück einer isolirten Muskel- zelle; an dem einen Ende ist die Rindensubstanz zwischen zwei Spiralfasern in zwei Theile zerspalten, so dass die Mark- höhle mit den intensiv gefärbten Körnchen eröffnet ist. Man sieht die Windungen der Spiralfasern der oberen Rindenhälfte in die der unteren continuirlich übergehen. 324 Fig. Fig. Fig. Fig. Fie. E. 6. | sa Ballowitz: Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. Aus dem Mantel von Eledone moschata; schwache Flem- ming'sche Lösung. Bruchstück einer Muskelzelle an dem einen Ende in die Spiralfasern zersplittert. Spiralige Anord- nung der Fasern in der Rinde nicht mehr erhalten. Aus dem Mantel von Octopus (älteres Spiritus -Exemplar, Gentianaviolett). Bruchstück einer Muskelzelle an dem einen Ende in die Spiralfasern zerfallen, die sich der Deckglas- tläche platt angelegt haben. Die Spitzen einiger Fasern in Fibrillen zerspalten. und b. Aus dem Mantel von Octopus spec. (älteres Spiritus- Exemplar), Gentianaviolett. Bruchstücke isolirter Spiralfasern, an den Enden fibrillär zerfallen. An a haben sich auch am Rande der Faser Fibrillen abgelöst. 9—20. Theile isolirter Muskelzellen bei mittlerer Einstellung. 21 Fig. 9. Aus dem Mantel von Eledone moschata, schwache Flemming’sche Lösung, Glycerin. RR optische Längsschnitte der Rinde. M Markraum mit dem Protoplasmanetz und den körnigen Einlagerungen. Fig. 10. Aus dem Mantel von Eledone moschata, 0,5%, Osmiumsäurelösung, Glycerin. Fig. 11 und 12. Aus dem Mantel von Sepiola Rondeletii. Markhöhle (M) mit Einlagerungen. Fig. 13. Aus dem Mantel von Eledone moschata; 20°, Sal- petersäure, Wässerung, Gentianaviolett. Fig. 14, 15 und 16. Aus dem Mantel von Sepiola Ronde- letii; Müller’sche Lösung, Gentianaviolett. Fig. 17. Aus dem Mantei von Sepiola Rondeletii; Müller- sche Lösung. In der Markhöhle noch Reste des Protoplasma- netzes erhalten. Fig. 18. Aus dem Mantel von Eledone moschata. Schwache Flemming’sche Lösung. Aus einem Längsschnitt. Fig. 19. Aus dem Mantel von Eledone moschata. S Sarco- lemm. Fig. 20. Aus dem Mantel von Eledone moschata. Lage des Kernes in der Markhöhle der Muskelzelle. u. 22. Querschnitte durch Muskelzellen aus dem Mantel von Eledone moschata, Fixirung mittelst schwacher Flemming- seher Lösung, Paraffineinbettung, Färbung mit Safranin. are oxeNVE 25—26. Goldpräparate. Aus dem Mantel von Eledone moschata. Fig. 23 und 24. @uerschnitte durch Muskelzellen. Fig. 25 und 26. Längsschnitte durch Muskelzellen. Fig. 26. Bei K und K, durch die Markmasse an einem Pole (K) oder an beiden Polen (K,) eingetriebene Kerne. 3or 325 Beobachtungen an Helminthenlarven. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XV. Nematoden. Asgarıis’ Pferostichtun, sp. Mei: Findet sich zahlreich in dünnwandigen Cysten in der Hinter- leibshöhle von Pterostichus niger; die Länge beträgt 0,37 mm; die Breite 0,023 mm; der Oesophagus nimmt Y/,,,, der Schwanz !/, der Gesammtlänge ein; letzterer ist pfriemenförmig zugespitzt; die Gestalt ist gedrungen, kurz und diek; aus der Uyste befreit macht das Thier lebhafte Bewegungen. Am Kopfe steht ein conischer Bohrzahn. | Filaria Gammarin. sp. Bie.,.2; In 2 Exemplaren von Gammarus pulex fand ich je ein Exemplar einer verhältnissmässig grossen Filarien-Larve, die 4,1 mm lang und 0,091 mın breit war; der Oesophagus besteht aus 5 Theilen, die sich in ihrer Länge zu einander verhalten wie 2:27:45; der vordere bildet ein Vestibulum, der mittlere ist muskulös, */,, der Körperbreite messend und der hintere, ®/,, messend, ist drüsig; der ganze Oesophagus nimmt !/,,, der ganzen Körperlänge ein. Das Kopfende läuft in 2 Zipfel aus, dahinter findet man 4 Papillen; die Haut ist diek, in Abständen von 0,0021 mm regelmässig quergeringelt; 0,13 mm vom Koptende entfernt umgiebt den Oesophagus ein Nervenring; das sehr kurze, abgerundete Schwanzende nimmt nur !/,,, der ganzen Länge ein; vor dem Anus bemerkt man eine ovale, glänzende Einlage- rung in die Haut und den Enddarm umgeben grosse Analdrüsen; der Darm ist nur dünn und misst ?/,, der Köperbreite. Die 396 v. Linstow‘ Verhältnisse des Kopfes und des Oesophagus erinnern sehr an .die zwischen den Magenhäuten der Krähen lebenden Filaria anthuris. Die Bewegungen des Thieres sind langsam. Filaria Ephemeridarumn. sp. Fig. 3—4. Im Juni beobachtete ich ein Exemplar von Ephemera vul- gata, das aus der an eimem Grashalm am Rande eines Baches befestigten Subimago ausschlüpfte; zu Hause untersucht fanden sich im Hinterleibe 3 Filarien-Larven; später fand ich dieselbe Form sehr häufig bis zu 6 Exemplaren in den Wasserlarven von Ephemera vulgata wieder, wo sie lockenförmig aufgerollt im Fettkörper vorkommen , eingeschlossen in dünnwandigen, mem- branösen Cysten von 0,55 mm Grösse. Am Abend des 24. August tlogen über dem durch Göttingen fliessenden Leimearm wolken- artige Schwärme von Oligonenria rhenana, deren Vorkommen bei Göttingeu interessant ist; die Menge war so gross, dass (die Vorübergehenden stehen blieben, um das Schauspiel zu be- trachten; im Hinterleib auch dieses Thhieres fanden sich die- selben Filarien-Larven. Dieselben sind 1,285—4,60 mm lang, die Breite schwankt hinten, wo sie am bedeutendsten ist, zwischen 0,051—0,130 mm. Wie bei der vorigen Art besteht auch hier der Oesophagus, der etwas länger (!/,,) oder etwas kürzer (!/,,,) ist als die halbe Körpergrösse, aus drei Theilen, vorn einem Vestibulum, in der Mitte aus einem lediglich muskulösen und hinten einem «drüsigen Theil; ihre Breite beträgt 0,0026, 0,021 und 0,059 mm und ihre relative Länge verhält sich wie 7:40:100. Der Darm ist 0,039 mm breit, am Reetum stehen mehrere grosse, einzellige Drüsen. Das ceonische Schwanzende ist kurz, am Ende mit einer kleinen knopfförmigen Verdiekung, und misst !/,,— 1,0 "ass der Gesammtlänge. Die Oesophagus-Wandung erweitert und verstärkt sich vorn zu einem Mundbecher (Fig. 4), dessen Wan- dung sich vorn gabelt; 0,26 mm vom Kopfende mündet in der Bauchlinie ein Exeretionsgefäss mit ehitinisirter Wandung; 0,14 mm vom Kopfende umgiebt ein Nervenring den Oesophagus; die Haut ist in Abständen von 0,0022 mm quergeringelt; der Körper ist nach vorn stark verdünnt; die Bewegungen des aus der Cyste befreiten T'hieres sind ziemlich lebhaft. Beobachtungen an Helminthenlarven. 327 ÄAngiostomum macrostomum m. Big. ‘5. Ein erwachsenes, geschlechtsreifes Exemplar «dieses Nema- toden fand ich unter dem Peritoneal-Ueberzug der Leber von Anguis fragilis, in der Leber aber Embryonen enthaltende Eier und zahlreiche Cysten, die etwas weiter entwickelte Larven ent- hielten. Die Länge der Embryonen betrug 0,36 mm, die Breite 0,023 mm; der Oesophagus nahm !/,,,, der Schwanz t/.,, der ganzen Thierlänge ein, während diese Zahlen bei den Larven resp. 0,358 mm, 0,026 mm, 1/,,, und !/,, betrugen. Der Oeso- phagus zeigte zwei Anschwellungen, von denen die hintere einen kleinen, glänzenden Körper einschloss. Neben dem Darm lag eine grosse, aus Zellen gebildete Anlage der Geschlechtsorgane (a); die ovalen Kapseln waren 0,22 mm lang und 0,18 mm breit. Bekamntlich zeigt dieses Thier zwei Geschlechtsformen, grosse, parasitische, parthenogenetische Thiere und kleine, freilebende, zweigeschlechtliche. Triehosoma Bombinatorisn. sp. Fig. 6—\. Im Darm von Bombimator igneus lebt eine äusserst zarte und feine Nematodenlarve, die zu Trichosoma gehört. Die Länge beträgt 1,2 mm; die Breite 0,026 mm; eine Anlage der Geschlechts- organe fehlt; die Haut ist verhältnissmässig derbe und nimmt !/, der Körperbreite ein. Ganz auffallend lang ist der Oeso- phagus, denn er macht °/,, der ganzen Länge aus und besteht aus einem feinen Rohr von gekernten Zellen bedeckt (Fig. 7): die Kerne sind oft von einem granulirten Hof umgeben; der Anus steht terminal. Das Thier ist dadureh von Interesse, dass meines Wissens eine Trichosoma-Larve noch nieht beschrieben ist. Nematodum Gamasin. sp. Fig. 8. Auf einem Procrustes coriaceus lebten viele Milben, Ga- masus eoleoptratorum L., und in diesen massenhaft Nematoden- larven, also Entoparasiten in einem Eetoparasiten. Die Nema- toden sind 0,51 mm lang und 0,013 mm breit: die Oesophagus- grenze ist nieht deutlich, scheinbar nimmt der Oesophaens !/.,- > 1399) Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 99 328 v. Linstow: der Schwanz !/,,, der Thierlänge ein; man bemerkt im Innern viele glänzende Kügelchen, die vorwiegend, aber nicht ganz auf den Darm beschränkt sind; das Schwanzende ist pfriemenförmig zu- gespitzt; die Bewegungen der Thiere, die in Wasser sofort ster- ben, sind langsam. Zu welchem Nematoden-Genus sie gehören, konnte ich nicht bestimmen. Moniez!) hat in einem Gamasus eine Oxyuris gefunden, zu welchem Genus man unsere Nematoden sicher nicht stellen kann. Mermithen. Mermis crassa m. 73° m Fig. 9—10. Die freilebende Form dieser Art, die ich?) in der Nähe von Göttingen im eimem sumpfigen Graben entdeckte, ist von Stiles?) in der Nähe von Paris wiedergefunden. Verhältniss- mässig grosse Larven derselben fand ich*) in demselben Graben in den Wasserlarven von Chironomus plumosus, die 5,5-—9,5 mm lang waren und uneingekapselt in den Dipterenlarven leben; ein weit jüngeres Stadium, noch mit dem embryonalen Bohrzahn be- waffnet, fand ich in der Wasserlarve von Chironomus (?) leucopogon Meig. wieder; die Länge betrug nur 0,55 mm; die Breite 0,026 mm; die Grenze zwischen Darm und Oesophagus ist nicht deutlich er- kennbar (Fig. 9), wahrschemlich nimmt der Oesophagus !/- der ganzen Länge ein; ein Anus fehlt, das Schwanzende ist stumpf zugespitzt, das Kopfende am Scheitel etwas vorgezogen; in der Mittelaxe liegt ein 0,01 mm grosser Bohrzahn, an den sich hinten das Chitinrohr des Oesophagus-Lumen setzt (Fig. 10). Die Be- wegungen sind träge; im Wasser sterben die Thiere in kurzer Zeit mit körnigem Zerfall der inneren Gewebe. 1) Revue biolog. du nord de la France, t. III, Lille 1891, No. 12, pag. 1—4. 2) Archiv für mikroskop. Anat. Bd. XXXIV, 1889, pag. 392 —3%6, Taf. XXII, Fig. 2—8. 3) Bullet. soc. zoolog. France t. XVI, 1891, pag. 169. 4) l. ec. XXXVI, 1891, pag. 244—245. Beobachtungen an Helminthenlarven. 329 Mermis Gammarin. sp. mo Fig. 11—12. In Gammarus pulex lebt uneingekapselt eine 0,59 mm lange und 0,018 mm breite Mermis-Larve; die Haut ist glatt, der Oeso- phagus nimmt !/,,, der ganzen Länge ein, ein Anus fehlt; der im vorderen Drittel verdiekte Bohrstachel (Fig. 12) misst 0,021 mn; der Schwanz ist allmählich zugespitzt; dieses häufig vorkommende Thier hat lebhafte Bewegungen. Mermis Sialidis n. sp. Kie,13. In den Wasserlarven von Sialis Iutaria L. fmdet sich häufig. eine Mermis-Larve, die aufgerollt im Fettkörper und den Mus- keln in kugelförmigen, membranösen Uysten von 0,16 mm Durch- messer ruht. Die Länge beträgt 0,54, die Breite 0,015 mm; das Kopfende ist abgerundet, ein 0,016 mm grosser Bohrzahn ist hinten etwas verdiekt; der Körper verdünnt sich nach dem Schwanzende zu, der Oesophagus misst 1/,,, der ganzen Länge, ein Anus fehlt, die Haut ist nieht quergeringelt. Gordiaceen. Gordius tolosanus Du). Fig. 14. Die Entwicklung ist nach meinen!) Untersuchungen so, (dass die weiblichen Gordien nach der Befruchtung ihre Eischnüre um Wasserpflanzen legen und einige Wochen darauf die schon durch Meissner bekannten Embryonen ins Wasser gerathen, um sich in die Wasserlarven von Sialis lutaria L. einzubohren: diesem ersten Zwischenwirth kann ich jetzt noch einen neuen hinzufügen, denn ich fand die Embryonalform auch in der Wasser- larve von Cloöon dipterum L. Die Larven finden sich hier wie in Sialis 1) Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. XXXIV, 1889, pag. 248 bis 268, Taf. XIV—XVI; Bd. XXXVII, 1891, pag. 239—244, Taf. XII, Fig. 1-9. Centralblatt für Bacteriol. u. Parask. Bd. IX, 1891, No.23, pag. 760— 762. 330 v. Linstow: nicht eigentlich eingekapselt, sondern liegen in den Muskeln und im Fettkörper von einem hellen, homogenen Hofe umgeben (Fig. 14). Mit den Neuropteren-Larven und im ihnen wird diese Embryonal- form überwintern, und im nächsten Frühling verlässt sie in und mit den geflügelten Insekten bei deren Ausschlüpfen aus den Puppen das Wasser. Letztere fallen Raubkäfern zur Beute, - die mit den Fliegen auch die Gordius-Larven fressen, und diese wachsen in den Käfern, in denen sie zum zweiten Male überwintern, zu der bekannten zweiten, grossen Larvenform aus, die erst weiss ist und noch den embryonalen Bohrstachel zeigt, dann diesen verliert und braun wird. Im Frühling des nächsten Jahres gerathen die Käter massenhaft in die Wiesengräben, in denen sie ertrinken, worauf die grossen Gordiuslarven sich aus ihnen herausbohren, um ins Wasser zu gelangen, in dem sie mit lebhaften Bewegungen umherschwimmen und bald geschlechts- reif werden. Meissner liess die Gordinslarven experimentell in verschiedene niedere Wasserthiere einwandern und vermuthet, da die Einwanderung am regelmässigsten in die Larven von Ephemera vulgata geschah, «dass diese der erste Zwischenwirth sei; ich habe im Freien aber niemals Gordiuslarven in Ephe- meralarven gefunden und glaube, dass Ephemera nicht der na- türliche Zwischenwirth ist, da unsere Gordien nur in stagniren- den Gewässern leben, die Larve von Ephemera vulgata aber ausschliesslich in mehr oder weniger rasch strömenden Bächen oder Flüssen lebt, wo sie sich Röhren im Grunde baut. Acanthocephalen. Eehinorhyncehus polymorphus Bremser. Fig. 15—16. Findet sich in den Gewässern in der Larvenform häufig in Gammarus pulex, wo Enten, die Wirthe «der geschlechtsreifen Form, in ihnen leben; die orangegelben Körper sind im Bach- tlohkrebs bei durchfallendem Liehte schon von aussen erkennbar; meistens sind sie 1,2mm lang und 1,05 mm breit. Der orange- gelbe Körper ist von einer grossen, hyalinen Hülle umgeben (Fig. 15); eine diekwandige Hülle (a) schliesst die inneren Or- gane ein, die handschuhfingerförmig emgestülpt m ıhr liegen; Beobachtungen an Helminthenlarven. 331 man erkennt den Rüssel (b), sein Receptaculum (e), den mit Haken besetzten Halstheil (d) und «die in ihm liegenden Lem- nisken (e); die Larve mit hervorgestülptem Vorderkörper hat Hamann!) in seiner ausgezeichneten, ausführlichen Arbeit über die Acanthocephalen abgebildet. An der Körperwand erkennt man, von aussen nach innen gehend, eine sehr feine, 0,0009 mm dieke Cutieula (Fig. 16a), hierauf eine derbe Outis (b), dann folgt eine äussere Meridian- (e), eine Aequatorial- (d) und eime innere Meridianfaserung (e), nunmehr eine sehr breite Radiärfaserung (f) mit spindelförmigen Kernen und Gefässen (g), dann eine Grenzschieht (h) und end- lich ein Epithel (i). Echinorhynehus proteus West. Die Larve?) findet sich m den hiesigen Gewässern sehr häufig in «der Leibeshöhle von Phoxinus laevis, Gobio fluviatilis, Cottus gobio, Cobitis barbatula und Gasterosteus aculeatus; auch sie ist orangegelb von Farbe und wird bis 2,56 mm lang und 1,18 mm breit; der Vordertheil ist bald vorgestreckt, bald in den Körper zurückgezogen. Die Geschleehtsform lebt in Raubfischen, in der Leme und ihren Zuflüssen im Darm von Trutta fario und Squalius cephalus. Die orangegelben Thiere durchsetzen mit dem Rostellum die Darmwand, in dem auch der kugelförmige Halstheil liegt, so dass es schwer ist, sie unverletzt herauszu- präpariren; bei einem grossen Squalius fand ich die ganze Darm- wand auf's Diehteste mit den Parasiten besetzt. Wenn die Larven auch in Gammarus pulex vorkommen, so halte ich das für eine Abnormität oder eine Verirrung. Trematoden. Gercaria Limnaeae truncatulae n. sp. Fig. 17. In Limnaea truncatula war bisher nur die zu Distomum hepatiecum gehörige Cercarie gefunden, es leben in ihr aber auch noch farblose Sporoeysten von 0,62—0,88 mm Länge und 0,17 1) Die Nemathelminthen. Jena 1891, Taf. X, Fig. 14. 2) Hamann l. c. Taf. VEREig!1. 332 v. Linstow: bis 0,23mm Breite. In ihnen entstehen Cercarien, die 0,34 bis 0,36 mm lang und 0,13——-0,14 mm breit sind; der Schwanz, wel- cher hinten abgerundet ist, misst 0,23 mm bei einer Breite von 0,0034 mm. Die Saugnäpfe sind genau gleich gross und messen 0,065 mm, der Bohrstachel (a), welcher eylindrisch und vom kegelförmig zugespitzt ist, hat eme Länge von 0,025 mm. Die Haut ist unbewaffnet, der Schlundkopf ist sichtbar, die Enden der Darmsehenkel aber lassen sich nicht erkennen; neben und vor dem Bauchsaugnapf liegen einzellige Drüsen, dicht hinter demselben die kleeblattförmige Sammelblase des Exeretions- systems. Die Cercarie ähnelt der von Distomum homolostomum !); hier sind die Sporocysten aber orangegelb, die Haut der Cer- carien ist bedornt, und der Bohrstachel?) ist in der Mitte verengt. Distomum endolobum Du). kigi‘\18. Die eneystirte Larve fand ich früher in der Wasserlarve von Phryganea flavicornis?) und von Limnophilus rhombieus'), neuerdings habe ieh sie in der von Limnophilus griseus L. wieder- gefunden. Sie lebt in dünnwandigen, kugelförmigen Cysten von 0,30 mm Durchmesser; die Larve selber ist 0,60 mm lang und 0,26 mm breit, die Haut ist bedornt, der Mundsaugnapf misst 0,14mm, der Bauchsaugnapf 0,07 mm; die Darmschenkel rei- chen bis weit nach hinten; neben und hinter dem Schlundkopf liegen links und rechts einzellige Drüsen, die wohl das Kapsel- material absondern und dieht hinter dem Mundsaugnapf mit >, dieht vor demselben mit 7 runden Oeffnungen münden (Fig. 15 a): die Gänge sind in ihrem Verlauf spindelförmig aufgetrieben, die zu den vorderen Oeffnungen führenden sind knieförmig umge- bogen. Der Hauptstamm des Exceretionssystems ist dreiarmig, die beiden symmetrischen Vorderarme umfassen den Hinterrand des Bauchsaugnapfes; von ihren Vorderenden geht beiderseits ein stark geschlängeltes Gefäss nach vorn, das dicht hinter dem Mundsaugnapf nach innen umbiegt und im hinteren Drittel einen 1) Zoolog. Jahrb. III, 1887, pag. 104—109. 2) ibid. Tab. II, Fig. 17a. 3) Zoolog. Jahrb. III, 1887, pag. 100. 4) Arch, für Naturgesch, 1879, pag. 185—186, Tab. XII, Fig. 32—35 Beobachtungen an Helminthenlarven. 399 Ast nach innen an den Vorderrand des Bauchsaugnapfes sendet. Diese in Phryganiden-Larven lebenden Distomum-Larven können schon in den Frosch gelangen, wenn dieser noch eme fusslose Kaulquappe ist; im Darm derselben findet man die ganz Jungen, geschlechtlich fast unentwickelten Distomen; sie sind 0,69 mm lang und 0,40 nm breit; sichtbar sind die Saugnäpte, der Schlund- kopf, ein kurzer Oesophagus, die sehr breiten, bis nach hinten reiehenden Darmschenkel; hinter dem Bauchsaugnapf finden sich zwei kleine, schräg hinter einander liegende Hoden und ein dem bei der Larve beschriebenen gleiechender dreiarmiger Hauptstamm des Exeretionssystems. Distomum Pulieisn. sp. Piel Diese sehr kleine Larve findet sich in dünnwandigen, stets ovalen, 0,27—0,31 mm langen und 0,20—0,23 mm breiten Cysten in Gammarus pulex aus dem raschfliessenden, klaren Grone-Bach. Die Larve ist 0,44 mm lang und 0,14mm breit; die Haut ist bedornt, der Mundsaugnapf misst 0,104 mm; der Bauchsaugnapf 0,060 mm; hinter letzterem erkennt man mitunter zwei Hoden; der Schlundkopf ist 0,042 mm lang und 0,058 mm breit, die Darmschenkel reichen weit nach hinten; der Hauptstamm des Excretionssystems ist vorm gegabelt und in der Mitte spindelförmig verdiekt; in drei Cysten lag ein abgeworfener Bohrstachel, der 0,026 mm lang und 0,0052 mm breit ist im vorderen Drittel, wo eine Hülle den inneren, dolehförmigen Theil umgiebt, die blasig aufgetrieben ist (Fig. 19 a). In Gammarus pulex habe ich früher zwei andere Distomum- Larven gefunden, Distomum agamos!) mit unbewaffneter Haut, imm lang, das in der Cyste geschlechtsreif wird und bei dem der Bauchsaugnapf viel grösser ist als der Mundsaugnapf, und Distomum Gammari?), das in kugelförmigen, diekwandigen, doppelt- contourirten, 0,38 mm grossen Kapseln lebt, deren Wandung 0,016 mm misst; die Larve ist 0,51 mm lang und 0,13 mm breit, die Haut ist bedornt; der Mundsaugnapf misst 0,13mm, der 1) Archiv für Naturgesch. 1872, pag. 2. 2) ibid. 1877, pag. 186, 394 v. Linstow: Bauchsaugnapf 0,079 mn; zwei andere Larven haben de la Valette und Engel!) beschrieben. Auch in den Cysten von Distomum Gammari fanden sich lose Bohrstachel, die aber schlank und ohne Hülle waren. Distomum Sialidisn. sp. Fig. 20. In der Wasserlarve von Sialis lutaria findet man in 0,12 mm messenden, sehr kleinen, dünnwandigen Cysten, vorwiegend im Fettkörper, eine 0,29 mm lange und 0,17 mm breite Distomum- Larve, deren Mundsaugnapf 0,0653 und deren Bauchsaugnapf 0,029 mm gross ist; man erkennt den Schlundkopf, aber nicht (den Darm; die Haut ist bedornt, besonders vorn, der Hauptstamm (des Exeretionssytems gabelt sich im zwei sehr grosse, länglich- runde Aeste. In einer Sialis-Larve findet man 4—6 Exemplare; erstere lebte in schlammigem, stagnirendem Wasser. Distomum echinatum Zed. Für die seit langem bekannte Larve kann ich einen neuen Fundort, Pisidium fossarinum Olessin, angeben, das sich in einem schlammigen Graben, der mitten dureh Göttingen fliesst und sich in die Leine ergiesst, fand. Die Oysten sind 0,17 mm gross, kugelförmig und doppelwandig; die äussere Lage ist dicker, 0,0065 mm breit, die innere misst nur 0,0039 mm. Der Mundsaug- napf ist von einem Saum umgeben, der ++ 28 +4 Stacheln trägt, von denen jederseits die 4 äusseren grösser sind; sie messen 0,0182 mm, während die 25 kleineren nur 0,0143 mm lang sind. Auch die übrigen Verhältnisse stimmen genau mit der Beschreibung de la Valette’s?). Später fand ich dieselbe Larve in Limnaea ovata in emem Teiche bei Weende. Gyrodactylus elegansv. Nord. Fig. 21. Es mag Wunder nehmen, wenn ich Gyrodactylus elegans hier unter lauter Larven aufführe, jedoch glaube ich solches mit 1) Compendium der Helminthologie pag. 315. 2) Symbolae ad Trematodum evolut. hist. pag. 16—17, Taf. I, Fig. F—M, I, II, IV, V. 3jeobachtungen an Helminthenlarven. 339 Recht zu thun. Dieser Trematode ist mehrfach studirt und be- schrieben, «doch sind die Schilderungen voller Irrthümer und Lücken. Zunächst ist es irrthümlich, die Mundöffnung als einen kleinen, queren Schlitz vor dem Pharynx darzustellen; derselbe liegt in der Mitte eines verhältnissmässig grossen Saugnapfes (Fig. 21a) und hinter und etwas näher nach der Rückenfläche liegt der Pharynx (Fig. 21, b); die Darmschenkel sind kurz und enden etwas hinter der Mitte des Körpers; übersehen sind bis- her zwei grosse, seitlich von dem Pharynx und etwas hinter ihm liegende Endblasen des Exeretionssystems (Fig. 21), die con- traktil sind; von jeder derselben gehen zwei neben einander ver- laufende Gefässe geschlängelt nach hinten, und dicht vor dem Ursprunge der grossen Haftscheibe vereinigen sich alle vier Ge- fässe, um von diesem Punkte vier Aeste in letztere zu senden; von jeder Blase geht nach vorn ein Gefäss, das sich vor dem Saugnapfe des Mundes mit dem der anderen Seite vereinigt; von (diesem Bogen zweigen sich zwei Aeste in die Kopftzipfel ab; von jeder Blase geht ferner nach innen ein stark gewelltes Ge- fäss, an den Hinterrand des Mundsaugnapfes; endlich zweigt sieh von einem der hinteren Hauptstämme hinter der Mitte ein kleiner Ast nach vorn ab. Bekanntlich findet man zwischen den Darmschenkeln in (ler Regel einen grossen Embryo, der schon die volle Bewaffnung dder hinteren Haftscheibe trägt; in diesem oft wieder einen „weiten, Jüngeren, und mitunter in diesem wiederum noch einen nochmals jüngeren dritten, Wagener bildet sogar noch einen vierten im dritten liegenden ab. Diese Entwicklung von Em- bryonen im ungeborenen Embryonen ist merkwürdig genug und kann selbstredend nur. als eine ungeschlechtliche Fortpflanzung aufgefasst werden, die ja bei den Trematoden häufig genug vor- kommt; bilden sieh doch auch in den Keimschläucheu der Disto- mum-Larven auf ungeschlechtlichem Wege Redien und in diesen auf dieselbe Weise Cercarien. Auffallen muss es daher, wenn die Forscher, welche unseren Parasiten beschrieben haben, an dem Haupthier Hoden, Cirrus, Ovarium, Uterus gesehen haben wollen, denn es ist von diesen Organen nichts vorhanden; das Hauptthier bildet den Embryo I ebenso wie dieser den Embryo Il und wie letzterer den Embryo III u. s. f., und demnach halte ich »yrodactylus elegans für eine sich auf ungeschlechtlichem Wege 336 v. Linstow: fortpflanzende Larve. Hinter dem Embryo I (Fig. 21d) liegt ‚der Keim des nächsten (Fig. 21 e), der sich entwickeln wird, wenn der erstere dureh die Geburtsötfnung, der bisher als Cirrus angesehen wurde, ausgestossen ist, und hinter dem Keim findet man das Keimlager (Fig. 21f). Die Einschachtelung der Em- bryoneu in einander habe ich nicht nochmals abgebildet, da solehe von Wagener!) und noch neuerdings von Braun?) in schöner Weise dargestellt ist. Das Thier lebt bekanntlich an der Körperoberfläche und den Kiemen von Gasterosteus aculeatus; von dem Wohnthier ent- fernt stirbt es in 15—830 Mimuten im Wasser; die Länge be- trägt 0,29, die Breite 0,052—0,12 mm; in den beiden Kopfzapfen liegen grosse Leimdrüsen, die hintere Haftscheibe ist mit 16 Randhaken und mit zwei grossen mittleren Haken bewehrt, die dureh zwei Klammern verbunden sind. Neben dem Mundsaug- napf liegen zwei Gruppen Speicheldrüsen. Die grossen Haken ınessen 0,026 mm und haben an der Wurzel sowohl auf der Bauch-, wie auf der Rückenseite eme Gelenkfläche für die beiden Klammern; der Leitungsstab der 16 Randhaken ist 0,51 mm lang. Bei dem Embryo entstehen zuerst die Randhaken und zwar sind sie anfangs in einem Kreise angeordnet. Die Geburtsöffnung ist von drei knieförmig gebogenen Chitinstäben eingefasst. Dass ebenso- wenig wie die angeführten Geschlechtsorgane auch ein Dotter- stock, eine Schalendrüse u. s. w. vorhanden ist, bedarf wohl nicht der besonderen Erwähnung. Der Keimballen unserer Abbildung, aus welchem der Embryo I entstehen wird, erinnert sehr an die in den Keimschläuehen oder Sporocysten enthaltenen; er besteht aus einer Mutterzelle, welehe zahlreiche Tochterzellen einschliesst, in denen man 1-3 Enkelzellen findet. Der Keim, welcher sich (demnächst nach Ausstossung des 'Embryo I zu einem neuen ent- wickeln wird, zeigt eine vierfache Hülle (e). | Cestoden. In Gammarus pulex fand ich eine Anzahl ganz Junger Cysticerken (Fig. 22, 23), die zum Theil noch ganz ohne Haken 1) Müller’s Archiv 1860, pag. 768—797, Taf. XVII—XVII. 2)Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, Bd.IV, 1890, Lieferung 15—16, Taf. XVI, Fig. 5—8. SU) en © | Beobachtungen an Helminthenlarven. waren oder nur Anlagen :von solehen zeigten, so dass die Species nicht bestimmbar war, die aber für die Entwicklungsgeschichte von Interesse waren. Ganz junge Üysticerken, die noch keine Cyste, keine Haken und Saugnäpfe und keinen Schwanzanhang zeigten und vom Verfasser mit Wahrscheinlichkeit für Cysticereus Taeniae gracilis gehalten werden, bildet Mrazek!) ab; ein weiteres Entwicklungsstadium, das zu Cysticereus Taeniae sinuosae &ehört, wird von Hamann?) beschrieben; nach Hamann wächst aus der Onoeosphäre, dem Theil, welcher den späteren mit den 6 Embryonalhaken besetzten Schwanzanhang bildet, ein vorderer (diekerer Theil hervor; letzterer bildet durch Einstülpung den Körpertheil, in welchem die Oyste entsteht, und im dieser bilden sich der Scolex mit Saugnäpfen, Rostellum und Haken und der Halstheil. Wie nun die Form der Cysticerken eine ganz ausser- ordentlich verschiedene ist — ich erinnere an die Formen mit und ohne Schwanzanhang, an die sogen. Plerocereoiden, welche keine Oyste haben und solide Gebilde ohne Hohlraum sind, an die Cönurus-artigen, wie solche von Villot geschildert sind, — so seheint auch die Entwicklung verschiedene Wege zu gehen, (denn bei den 11 von mir in Gammarus pulex gefundenen jungen Exemplaren fand keine Einstülpung statt und ohne Formirung eines schwanzartigen Anhanges bildete sich der Scolex mit Saugnäpfen und Rostellum durch Hervorwachsen aus der Wandung eines inneren Hohlraumes. (Fig. 22, 23.) Gammarus pulex ist eine reiche Fundgrube für Uysticerken und von den bis jetzt bekannten 13 Cysticerken von Vogeltänien, zu denen ich noch zwei neue fügen kann, sind nicht weniger als sechs in Gammarus pulex gefunden, abgesehen von einer nicht definirbaren Form, die v. Siebold?) mit kurzen Worten erwähnt®). | Fünf von Hamann und Mrazek gefundene Arten habe ich in der Umgegend Göttingens beobachten können. 1) Nachrichten der K. Böhm. Gesellsch. d. Wissensch. -Prag 1891, Taf. VI, Fig. 24—2. 2) Jenaische Zeitschrift für Naturwissensch. Bd. XXIV, 1889, pag.1, Taf. 1. 3) Schweizer Zeitschr. für Med., Chirurg. u. Geburtsk. Zürich ? 1817, Heie1 u. 2. 4) Nach einer brieflichen Mittheilung hat Mrazek noch zwei weitere Vogeltaenineysticerken in Cyelopiden gefunden, 338 v. Winstow: Cysticercus Taeniae integrae Hamann.!) Fig. 24. So gross die Zahl der bekannten Tänien ist, so muss unsere Kenntniss derselben doch noch eine recht mangelhafte sein, denn dieser Oysticereus und drei andere noch anzuführende lassen sich auf bekannte Tänien nicht zurükführen. Die Cystiecerken sind verhältnissmässig gross; die äussere, parenchymatöse Hülle ist 0,59 mm lang und 0,56 mm breit, die innere Cyste 0,57 mm lang und 0,55 mm breit; der Schwanzanhang ist anfangs dick, um sich bald stark zu verschmälern und wird bis 2,11 mm lang; (die Haken stehen m emfacher dichtgedrängter Reihe und sind 0,0156 mm lang; ich fand sie in der Anzahl 50, 55, 56, 48, 65, 56, 70, 65, 78, 65, 62, durchschnittlich 61; die Saugnäpfe sind 0,156 mm lang und 0,071 mm breit. Einmal fand ich den zu- künftigen Bandwurmkörper, der 2,2 mm lang und 0,23 mm breit war, aus der Oyste, die 0,84 mm mass, hervorgedrängt, an der Stelle, welehe dem Schwanzanhang gegenüberliegt. Der Kreis, welehen die Haken bilden, hat einen Durchmesser von 0,16 mın. Dieser Oysticereus ist derjenige, welchen man am häufigsten in den Gewässern bei Göttingen findet, einmal fanden sich zehn Exemplare in einem Gammarus; er muss weit verbreitet sein, denn Mrazek schreibt mir, in Böhmen in einem (Gammarus 15 Exemplare dieser Art gefunden zu haben. Wahrscheinlich gehört dieser Cysticereus zu Taenia Dujar- (din Krabbe aus Sturnus vulgaris und Turdus musieus; dieselbe hat nach Krabbe 46 Haken von 0,016 mm Länge, die in der Form ganz der unseres Oysticercus gleichen (Fig. 24); auch hier sind die Saugnäpfe länglich und von dem Staar ist bekannt, dass er sich oft an Rändern von Teichen und Gräben aufhält, um sich seine Nahrung aus dem Wasser zu holen, beim Beginn des Frühlings, wenn auf dem Lande noch nichts zu finden ist, oft ausschliesslich. Cysticercus Taeniae tenuirostris Rud. Die Länge dieses schon von Hamann und Mrazek gefun- denen Cysticereus beträgt 0,18, die Breite 0,16 mm; der Schwanz ist 1) Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft Bd. XXVI, 1891. pag.557, Taf. XXIV, Fig. 1-2, 5—9, 17. Beobachtungen an Helminthenlarven. 339 auffallend lang, bis zu 2,6 mm, und 0,026 mm breit; die Haken, zehn an der Zahl, messen 0,023 mm, die Saugnäpfe sind 0,060 mm lang und 0,036 mm breit: die Embryonalhaken auf dem Schwanz- > c f W anhang messen 0,01 mm. Cysticereus Taemiae sinuosae Zed. Fig. 25, ebenfalls von Hamann und Mrazek beschrieben; die zehn Haken messen 0,049 mm. Die Embryonalhaken haben ihren Sitz nicht immer am Schwanzanhange, sondern in einzelnen Fällen auch an der Cyste selbst (Fig. 25,f). Diese ist sehr com- plieirt gebaut und zeigt 5 Schichten: 1. eine hyaline, äussere, eoneentrisch geschichtete, schmale (a), 2. eine sehr schmale, homo- gene, stark contourirte (b), 3. eine schmale, aus Aequatorial- muskeln. bestehende, die sich bei guter Beleuchtung über die ganze Oberfläche verfolgen lässt (ce), eime sehr breite, radiär gebaute und mit ovalen Zellen durchsetzte (d) und 5. eine breite, granulirte (e). Im Proglottidenkörper finden sich zahlreiche Kalk- körperchen. UvsSstieercus Taeniae Hamdannı Mrazer. Fig. 26. Die äussere Hülle ist wie bei Öystieereus Taeniae bifurcae in einen Besatz längerer, radiärer feiner Haare oder Borsten auf- gelöst. Die Grösse beträgt 0,44 mn; die Saugnäpfe sind 0,097 mm lang und 0,079 mm breit; die 19 Haken messen 0,025 mm. Mrazek, welcher diesen Oystieereus zuerst fand und beschrieb, zählt 18—20 Haken von 0,050—0,053 mm Länge: ich fand in einem Bache bei dem Dorfe Ellershausen in Gammarus pulex einen Cysticereus, der dem von Mrazek beschriebenen in allen Punkten gleicht bis auf den Umstand, dass der Hebelast der Haken wie bei Cyst. T. bifurcae gespalten ist; um die Identität festzustellen, schrieb ich an Mrazek, welcher die Freundlichkeit hatte, mir em Präparat seiner Form zu schieken, und fand, dass auch hier eine Spaltung des Hebelastes angedeutet war: in der inneren Öystenwand bemerkt man meridionale und äquatoriale Fasern; Kalkkörperchen fehlen. Zu welcher Tänie dieser Oysti- cereus gehört, ist ganz unklar. Dasselbe eilt von 340 v. Binstow:" Cysticereus Taeniae bifureae Hamann. Derselbe ist bei Göttingen nicht selten; er ist sehr gross, bis 1,6 mm, die innere Cystenwand misst 0,43 mm; die äussere Hülle ist viel breiter als bei ©.T. Hamanni; an der Innenwand der eigentlichen Cyste bemerkt man eine feine, radiäre Faserung, (die Aussenwand ist homogen; ausser in dem Haarbesatz der Cyste besteht noch eine grosse Aehnlichkeit mit der letztgenannten Art in der Form der Haken, aber ihre Zahl beträgt constant zehn und sie messen 0,065 mm; sind also viel grösser. Cystiecereus Taeniae pachyacanthaen. sp. Fig. 27—50. Diesen auffallend grossen Cysticereus fand ich unter etwa 500 Exemplaren drei mal in je einem Exemplare von Gammarus pulex im Weende-Bach in Weende. Zwei Exemplare hatten den Proglottidenkörper aus der Uyste hervorgestreckt, eins hatte ihn in denselben zurückgezogen. Die ersteren hatten die gewaltige Länge von 8,7 mm und eine Breite von 1,1 mm, letzteres war 255 nm lang und 1,06 mm breit. Die Saugnäpfe messen 0,20 bis 0,29 mm, das ein- und ausstreckbare Rostellum trägt 14 Haken von 0,156 mm Länge (Fig. 30); der Scolex ist 0,25 mm breit. Der Oystiecereus besteht aus drei Theilen: 1. Dem Scolex mit dem Proglottidenkörper; derselbe ist solide und nieht einstülpbar; die Contouren des letzteren sind sägeförmig, die Proglottiden sind 0,026 mm lang und 0,22 mm breit; hinter dem Rostellum liegt ein grosses Receptaculum für (lasselbe, man bemerkt vier Längsgefässe und zahlreiche 0,026 bis 0,035 mm grosse Kalkkörperchen (Fig. 27, a). 2. Dem einstülpbaren Theil (Fig. 27, b), der aus proglottiden- artigen Ringen besteht, die 0,018 mm lang und in jeder Hälfte 0,11 mm breit sind; der im vorgestülpten Zustande äussere Theil trägt eine Outieula (Fig. 29, a), dann folgt eme Ringmuskulatur, (lie das faserige Grundgewebe umgibt; der innere Theil färbt sieh stark und enthält dieht gedrängte Kalkkörperchen (Fig, 29, b). Durch «das Vorhandensein dieses handschuhfingerartig ein- und ausstülpbaren Mitteltheiles wird der Mechanismus der Vorstülpung des soliden Seolex aus der Oyste vollkommen erklärt. 3. Der Cyste (Fig. 27, ec); aussen findet man eime homo- . Beobachtungen an Helminthenlarven. 541 Oo gene Outienla, «darunter eine derbe, 0,018 mm dieke Wandung (Fig.28, a), darunter eine 0,0088 mm dieke Schieht von Längs- und Ringfasern mit Kernen, darunter ein einschichtiges Epithel (b). Die Haken haben am meisten Aehnliehkeit mit denen von Taenia teres Krabbe aus Anas mollissima und glacialis; dieselben sind in einer Anzahl von 12—16 vorhanden, messen 0,15— 0,17 mm und gleichen in ihrer Form einigermassen der wie sie bei unserem Öystiecereus gefunden sind. Cysticereus Taeniae acanthorhynchae Wedl. Fig. 31—36. Eine halbe Stunde südlich von Göttingen liegt hart an der Eisenbahn ein kleiner Teich, auf dem ich einmal einen Podieeps minor schwimmen sah, den bekannten kleinen Taucher, der auf- fallend wenig scheu ist und sich hier dureh die täglich viele Male in allernächster Nähe vorbeifahrenden zahlreichen Eisen- bahnzüge nicht verscheuchen liess. In dem Teiche leben viele Wasserlarven von Insekten und in einer solehen zu Agrion puella gehörig fand ich fünf sehr merkwürdige Cystieerken, «die den Larvenzustand von Taenia acanthorhyncha darstellen. Die ganze Länge beträgt 1,67 mm, die grösste Breite 0,44; eine scharf conturirte Oyste ist 0,54 mm lang und 0,25 mm breit (Fig. 51,a): sie ist mit vielen stark lichtbrechenden Kalkkörperchen gefüllt und ihre Wandung zeigt zwei sich rechtwinklig kreuzende Linien- systeme, die von kleinen Pünktchen gebildet werden (Fig. 34): nach vorn tritt eine Proglottidenkörper-Anlage heraus, die noch ohne Gliederung ist und in den Scolex verläuft; die Saugnäpfe sind 0,12 mm lang und 0,062 mm breit; ihre Ränder sind dieht mit Hunderten von Häkchen besetzt, die ähnlich, wie die Rostellum- Haken mancher Tänien gebildet sind (Fig. 33) und 0,0025 mm lang sind. Der Scolex ist 0,44 mm lang und 0,25 mm breit, der Körper dahinter 0,12 mm. Ein langes Rostellum kann hand- schuhfingerförmig em- und ausgestülpt werden; es trägt vorm 12 Haken von 0,021 mın Grösse, denen ein Wurzelast fehlt (Fig. 32); der Hals des Rostellum aber trägt aussen zweiwurzlige Dormen (Fig. 36) von 0,005—0,0072 mm Länge; diese. sind in (Juerringen angeordnet und liegen bei eingestülptem Rostellum natürlich im Innern des Rostellumhalses, wie in der Zeichnung 342 v. Bıinstow: (Fig. 31); Ringmuskeln besorgen das Ein- und Ausstülpen. Hinter -der Cyste liegt ein stumpfer Schwanztheil, an dem 4 Häkchen des Tänien-Ei-Embryos oder der Oncosphäre sichtbar sind (Fig. 31,b); die vorderen (Fig. 35, a) messen 0,0130, die hinteren (Fig. 55, b) 0,0104 mm. Scolex mit dem Halstheil, Cyste und Schwanztheil sind von einer gemeinschaftlichen, breiten, paren- chymatösen Hülle umgeben, die bei einzelnen Formen später ganz verloren geht. Die Tänie fanden Wedl und Krabbe im Darm von Podiceps nigricollis und ich bei Hagenau im Darm von Podi- Geps mINOr. Gsircereus Bacertae ne: His. al. In der Leibeshöhle aussen am Darm von Lacerta agilis uneingekapselt lebt ein kleiner Oysticereus, der solide ist und zu den Plerocereoiden gehört; er ist 0,83 mm lang und 0,18 mın breit; die vier Saugnäpfe messen 0,07 mm; ein Rostellum ist nieht vorhanden, Gefässe sind nicht sichtbar; die Kalkkörperchen sind gross, eoneentrisch geschichtet und messen bis 0,015 mm. Zu welcher Tänie der Cystieereus gehört, liess sich nicht er- kennen. Der Fundort ist Grund im Harz. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Fig. 1. Ascaris Pterostichi. Fig. 2. Filaria Gammari, Kopfende. Fig. 3—4. Filaria Ephemeridarum. 4. Kopfende. Fig. 5. Angiostomum macrostomum. a Geschlechtsanlage. Fig. 6—7. Fig. 5. Nematodum Gamasi. Fig. 9—10. Mermis crassa. 10. Kopfende. Fig. 11—12. Mermis Gammari. 12. Kopfende. Fig. 15. Mermis Sialidis. Fig. 14. Gordius tolosanus, erste oder embryonale Larvenform aus Clo&on dipterum. 16. Echinorhyncheus polymorphus. 15. Längsschnitt. a Muskeln, b Rüssel, e Rüsselscheide, d Halstheil, e Lemniskus. 16. Körper- wand. a Cuticula, b Cutis, e äussere, e innere Mediantase- rung, d Aequatorial-, f Radiärfaserung, & Gefäss, h Grenz- S 0} Triehosoma Bombinatoris. 7. Theil der Oesophagusgegend. Fig. 15 schieht, i Epithel. A» Beobachtungen an Helminthenlarven. 345 Fig. 17. Cercaria Limnaeae truncatulae. a Bohrstachel. Fig. 18. Larve von Distomum endolobum. a Mündungen der Kapsel- substanzdrüsen. Fig. 19. Distomum Pulieis. a Bohrstachel. Fig. 20. Distomum Sialidis. Fig. 21. Gyrodactylus elegans.. a Mundsaugnapf, b Pharynx, ce Ex- cretionsblase, d Keimballen, e Keimzelle, f Keimlager. 23. Junge COysticerken unbekannter Art aus Gammarus pulex. Fig. 24. Haken von Üysticercus Taeniae integrae. Fig. 25. Cystenwand von Üysticercus Taeniae sinuosae. a Aussen- schicht, b zweite Grenzschicht, e Aequatorialmuskeln, d Ra- diärfaserschicht, e granulirte Schicht, f ein Haken der Onco- sphäre. Fig. 26. Haken von Cysticereus Taeniae Hamanni. Fig. 27—30. Cysticercus Taeniae pachyacanthae. 27. Das ganze Thier. a Halstheil, b ein- und ausstülpbarer Theil, e Cyste. 28. Thier in eingestülptem Zustande, Längsschnitt. a Cystenwand, b Epithel. 29. Theil des ein- und ausstülpbaren Körpers. a Cutieula, b Innenschicht. 30 Haken. Fig. 31—36. Cysticereus Taeniae acanthorhynchae 31. Das ganze Thier. a Cyste. 32. Rostellum-Haken. 33. Haken vom Rande der Saugnäpfe. 34. Theil der Cystenwand. 35. Oncosphaeren- Haken vom Schwanztheil. a vorderer, b hinterer. 36. Im Kreise stehende Dornen vom Rostellum-Halse. Fig. 37. Cysticereus Lacertae. Fie. 2 Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylalcohols auf die Gewebe (Knorpel- und Muskelgewebe). Von Prof. Dr. B. Solger, erstem Prosector am anatomischen Institut zu Greifswald. Hierzu 1 Holzschnitt. Seit meiner letzten Mittheilung!) über die Wirkungsweise des Aethylaleohols auf die Gewebe sind weitere hierher gehörige 1) B. Solger, Ueber Schrumpfungserscheinungen am hyalinen Knorpelgewebe des Menschen und deren Beziehungen zu den Fi- brillen. Arch. für mikr. Anat. Bd.31, pag. 3083—333, Taf. 1. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 25 344 B. Solger: Thatsachen bekaunt geworden, so dass es sich wohl verlohnt, den ‚gegenwärtigen Stand der Frage im Zusammenhang kurz hier vorzuführen. Die Thatsache, dass man bei direeter Anwendung des ge- nannteu Reagens, namentlich bei Individuen, die über das Kindes- alter hinausgelangt sind, eime Sonderung des bisher gleichartig erschemenden Gelenkknorpels in ein opak bleibendes und em glasartig durchsichtiges Gebiet (Glasknorpel) erzielen kann, ohne dass Structurverschiedenheiten vorliegen, wird gegenwärtig wohl allgemein zugegeben werden. Rauber hat denn auch kein Be- denken getragen, der eigenthümlichen Erscheinung in der vor Kurzem ausgegebenen ersten Lieferung seines Lehrbuchs der Anatomie des Menschen (S. 102) Erwähnung zu thun. Dem sog. Glasknorpel scheint durch das Reagens nicht nur das freie, inter- stitielle Wasser, sondern auch das Quellungswasser ganz oder zum grössten Theil entzogen zu werden. Dass derselbe beträcht- lich stärker geschrumpft ist, als der opak bleibende Knorpel, ist leicht nachzuweisen. Untersucht man Schnitte, die zugleich durch beide Zonen, die opake und die glasartig durchsichtige hindurehgehen, bei durchfallendem Liehte mit Objeetiv-Systemen mittlerer Stärke oder mit schwachen Linsen, während die Objecte in Aleohol liegen, so erscheint letztere farblos, erstere dagegen eigenthümlich bräunlich. Schon im Jahre 1886 beobachtete Spina!). im Giess- becekenknorpel des Pferdes unter dem Einfluss des Alcohols zu Stande gekommene mikroskopisch nachweisbare Veränderungen; er unterscheidet „weissen“ und „gelben“ Knorpel, die Grundsub- stanz des letzteren erschien an Alcoholpräparaten gleichfalls gelb- bräunlich. Spina deutet diesen „gelben“ Knorpel als die jüngere Bildung, die mit zunehmendem Alter sich in weissen umwandele. Es ist möglich, dass diese „gelben“ Bezirke den durch das Reagens weniger veränderten, dem unbewaffneten Auge opak erscheinenden Bezirke gleiehwerthig sind. Verhält es sieh wirklich so, dann kann em präformirtes Structurverhältniss dieser Differenzirung nicht zu Grunde liegen. Denn ich konnte beobachten, dass opak und glasig bleibende Bezirke mitunter ihren Platz vertauschen, wenn man erst Alcohol, dann Wasser 1) Wiener med. Jahrb., 1886, S. 447 foled. Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylalcohols auf die Gewebe etc. 345 und dann nochmals Aleohol einwirken liess (s. Festschrift für A. v. Kölliker, Leipzig 1887, S. 115). Ich gab desshalb auch meine frühere Deutung, dass der Eintritt der Aleoholreaction an einen geringeren Gehalt an Gewebsflüssigkeit gebunden oder auf ein mangelhaftes Festhalten derselben zurückzuführen sei, wieder auf. — Die Erscheinung beruht wohl auf einer Beugung der Lichtstrahlen. Aehnliche Beobachtungen machte v. Ebner vor längerer Zeit (s. dieses Arch. Bd. 29) an Knochenschliften; von ihm stammt auch die Deutung. Es scheinen übrigens auch in polarisirtem Lichte beide Gebiete verschieden sich zu verhalten. Mein Bestreben, die thatsächliche Grundlage der Lehre von der Wirkungsweise des Aleohols!) breiter zu gestalten, ist wenig- stens theilweise von Erfolg gewesen. Eine ähnliche Sonderung nach directer Einwirkung des Reagens konnte ich in dem Mus- kelgewebe, dem glatten sowohl, als dem quergestreiften, nach- weisen, während die Epidermis dadurch gleichmässig alterirt wird. Bleiben wir zunächst bei der Epidermis! Am besten ge- eignet, das, was ich beschreiben werde, wieder zu finden, sind Bezirke mit dieker Oberhaut, wie das Integument der Fusssohle, namentlich der Ferse. Das Stratum corneum und ebenso das Stratum lueidum, beide werden gleiehmässig glasartig durch- siehtig und lassen kaum mehr eine Grenze wahrnehmen. Glatte und quergestreifte Muskeln von membranartiger Ausbreitung, also gefässhaltige Theile, zeigen dagegen eine ähnliche Sonderung in zwei Gebiete, wie der Knorpel?). Ich habe, wie schon an- gedeutet, die Erscheinung bisher nur an Organtheilen wahrneh- men können, an denen die Muskeln in zusammenhängenden, mem- branartigen Lagen vorkommen (z.B. am Darme von Säugethie- ren, wie Katze, Hund, Kaninchen, oder am Pharynx beim Kalbe). Die betreffenden Stücke müssen nicht nur direet in Aethylalcohel eingelegt werden, sondern der Einwirkung desselben auch län- gere Zeit ausgesetzt sein. Sind diese Bedingungen erfüllt, dann „erscheinen auf der Aussenfläche derselben glasig «durchsichtige und zugleich eingesunkene Partien, durch welche die tieferen 1) Schnitte durch Spinalganglien, die in Ale. abs. fixirt waren, zeigen nach Flemming (Festschr. f. Henle, 1882, S.14) . einzelne regellos verstreute Ganglienzellen „ganz glasig homogen, ohne jede Körnung wie Fädenbildung“. 2) S. Deutsche med. Wochenschrift 1891, Nr, 34. 346 BSoWeeT? Schichten in leicht gelblieher Färbung hindurehschimmern. Sie ‚gehen ohne scharfe Grenze in das grau-weisse, undurchsichtig sebliebene und somit weniger veränderte Gewebe über.“ Die glasigen Theile sind hier durch die übermässige Wirkung des Reagens so eingreifend verändert, dass sie auch dem polarisirten Lieht gegenüber und bei Tinetion sich anders verhalten, als die weniger veränderte Umgebung (des betreffenden Gewebes. In letz- terem Gebiet ergiebt sich bei gekreuzten Nicols das bekannte Verhalten: nur die dunkeln (die mit Consonanten beginnenden) (Qerscheiben erscheinen glänzend hell, im Gebiet des glasigen Muskels dagegen leuchten die Fasern gleichmässig in ihrer ganzen Länge. — Dass die beiden Bezirke auch bezüglich ihres Ver- haltens gegen Farbstoffe (Pierinlithioncarmin) Unterschiede er- kennen liessen, weist gleichfalls auf gewisse, erst durch das Reagens hervorgerufene Differenzen hm. Worin diese in letzter Linie bestehen, ob sie chemischer oder physikalischer Natur sind, oder ob hier Alterationen nach beiden. Richtungen zugleich ge- setzt wurden, vermag ich nicht zu sagen; wovon die Ungleieh- heit der Reagenswirkung abhängt, weiss ich mir auch nieht zu erklären. Aber soll ich mich deshalb, möchte ich in aller Be- scheidenheit fragen, abhalten lassen, die von mir gefundenen Thatsachen mitzutheilen? Eben diese Thatsachen scheinen mir für die Diseussion der nur auf mikroskopischem Wege nach- weisbaren Aleoholveränderungen (Alcoholstreifen, auch die Aether- streifen gehören hierher), zu denen ich mich jetzt wende, von Bedeutung zu sein. Wenn Wolters!) hierin anderer Meinung ist, so mag diese Differenz in unseren Anschauungen vielleicht daraus abzuleiten sein, dass ich der Frage nach der Wirkungs- weise des Aethylaleohols auf die Gewebe etwas mehr Zeit widmen konnte. Wolters machte in einer früheren Mittheilung?) als (zwei- ten) Grund gegen meine Auffassung dieser Alcoholstreifen als Scehrumpfungserscheinungen geltend, dass nach ihr nieht zu „er- klären“ sei, „wie die verschiedene Färbung zu Stande kommt“. Mir scheint, von einer Erklärung, d.h. von einer Zurückführung 1)-M. Wolters, Zur Kenntniss der Grundsubstanz und der Saftbahnen des Knorpels. Zur Richtigstellung. Dieses Archiv Bd, 37, 8. 618—21. 2) Dieses Archiv Bd, 37, S. 508. Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylaleohols auf die Gewebe ete. 347 des Complexes dieser Erscheinungen auf ihre wahren Ursachen, dürfte auch Wolters zur Zeit noch ziemlich weit entfernt sein. Der Kern seiner Beweisführung ist, wenn ich ihn recht verstehe, die Färbung der Intercellularsubstanz des Knorpels mit Hämatoxylin. Gewisse Partien (eben „die Saftbahnen“) nehmen das Hämatoxylin nicht so stark auf, resp. halten es nicht so fest (s. dessen erste Mittheilung), in ihnen ist die sich speeifisch färbende Grundsubstanz) spärlicher vorhanden (s. dessen zweite Mittheilung). Ein früherer Satz desselben zuletzt eitirten Aufsatzes lautet: „Die eleetive Hämatoxylinfärbung muss doch darauf be- ruhen, dass diese Farbe von Stoffen, die sich im der Grundsub- . stanz befinden, intensiv festgehalten werde“ (l.e. 8. 620). Das ist aber doch wohl nur eine Umschreibung des Thatbestandes, keine Erklärung, und ich habe eine gewisse Berechtigung dazu, an die Leistungen meines Herrn Kritikers nun auch höhere An- forderungen zu stellen. Ich erlaube mir daher auch einige Fragen: Welcher Art sind denn die Stoffe, die hier reichlicher, dort spär- licher vorhanden sind, sind es die Fibrillen, ist es die Kittsub- stanz, kommen Salze, die als Reize wirken könnten, in Betracht, liegen chemische oder physikalische (Oberflächenattraetion) Vor- gänge vor, oder combiniren sich beide und in welcher Ver- knüpfung wirken sie? — An dieser Stelle darf wohl auf die Er- fahrungen von Flesch (Bemerkungen zur Kritik der Tinetions- präparate, Zeischrift für wiss, Mikroskopie Bd. Il, S. 469) ver- wiesen werden. Flesch lieferte gerade am Hyalinknorpel den Nachweis, dass man es ganz in der Hand habe, hier bestimmte, unter sich verschiedene Silberbilder hervorzurufen, je nachdem man das ganze proximale Gelenkende des Femur vom Frosche oder feine Schnitte durch dasselbe Objeet mit schwachen Silberlö- sungen behandelte. Die Salzlösung — ihre Concentration war natürlich bei den Versuchen stets die gleiche — wird eben in verschiedener Art fortgeleitet, denn mit der Zerlegung in Schnitte werden die „Spannungs- und Diehtigkeitsverhält- nisse“ andere, als sie früher waren. So entstehen m dem ersten Fall parallele dunkle Bänder (Fig. 1), die man auf keinen 1) Demnach müsste den verkalkten Balken der Intercellularsub- stanz ossifieirenden Knorpels am meisten von soleher Grundsubstanz zukommen. Eine ganz entsprechende Farbenskala erhält man übri- gens auch bei Anwendung von Bismarckbraun, oder von Alauncarmin. 345 B. Solger: Fall auf chemische Differenzen zurückführen dürfe, während in dem zweiten Fall (Fig.2) die Silberlösung gewissen mit der Zelle m Beziehung stehenden, „besser imbibitionsfähigen Bestand- theilen der Grundsubstanz“ folge. Nun sind zwar „Stoffe in der Grundsubstanz“ noch nicht der Grundsubstanz selbst gleichwerthig. Aber Wolters spricht gleich im nächsten Satz (und consequent auch weiterhin) von einer „specifisch sich färbenden Grundsubstanz“, die im Bereich der Sattbahnen „spärlicher vorhanden“ sei, als an anderen Stellen, wesshalb hier die „Violettfärbung schwächer“ sein oder „ganä durch die Pikrinsäure verdrängt“ werden musste. | Diese durch Alcohol direet fixirten Saftbahnen hätte man sich nun nach Wolters als ein „moleculares Schwammwerk der Grundsubstanz“ vorzustellen, in dessen Höhlen theils die durch Alcohol geronnenen !) Eiweiss-Stoffe der Lymphe, theils Alcoholmoleeüle liegen, welche die Wassermoleeüle der Lymphe zu einem mehr oder weniger grossen Theile ersetzt haben werden. Er huldigt also bezüglich des ausgebildeten, zur Verknöcherung sich anschiekenden Knorpelgewebes einer ähnlichen Anschauung wie Renaut?), der sich auf Bilder stützt, die er von dem in feuchter Kammer der Einwirkung von Osmiumdämpfen ausge- setzten fötalen Knorpel erhalten hatte. Renaut’s Ansicht ist folgende: „In dem fötalen Knorpel finden sich weder eigene Fasern noch Saftkanäle, wohl aber eine im Innern der hyalinen Zwischensubstanz differenzirte Bildung, die nach Art eines Gitter- werks (en formation eloisonnante) angeordnet ist und die Fähigkeit besitzt, Wasser mit gleicher Leichtigkeit aufzuspeichern und ab- zugeben. Diese Substanz spielt eine wichtige Rolle bei der raschen Vertheilung der ernährenden Säfte im Innern eines eompaeten Gewebes.“ Die Möglichkeit einer einfachen Schrumpfung ohne zu Grunde liegende Strueturdifferenz schemt Renaut nicht erwogen zu haben. — Auch an €. Hasse's Angaben (Zool. Anz., 1879, S. 326) sei hier erinnert. Dem von Wolters beschriebenen Fall mit seinen Färbungs- ergebnissen kann ich nun einen andern gegenüberstellen, der bezüglich der Hämotoxilinfärbung das reine Gegentheil zeigt. 1) Freilich verschwinden diese Gerinnungen, wenn der Alcohol nicht sehr lange eingewirkt hatte, bei Zusatz von Wasser spurlos. 2) Acad, d. sciences (Paris), seance du 25 mai 1887. Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylaleohols auf die Gewebe ete. 349 Der betreffende Fall findet sieh in meiner von Wolters eitirten Arbeit beschrieben und abgebildet, so dass ich mich vergebens fragte, wesshalb diese Beobachtung von ihm nicht berücksichtigt wurde. In Fig. 2, Tafel XVII (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 31) sieht man breite dunkle plattenartige Züge durch die Grund- substanz des Knorpels sich erstrecken, die da, wo dieselbe faserig zerklüftet erscheint, durch zierliche Faltungen dieser Fibrillen- bündel ersetzt sind. In der subperiechondralen Zone gingen, wie ich noch hinzufügen möchte, diese Züge in die von den Breit- seiten der Knorpelhöhlenwandung ausgehenden bekannten parallelen Aleoholstreifen über. Alle diese Bilder, die Faltung der Fasern, (die breiteren, in Hämotoxylin dunkler sich färbenden Platten, die parallelen Schrumpfungsstreifen in der subperichondralen Zone gehören also zusammen, es sind nur Theilerscheinungen eines und desselben Vorgangs, der sich in den verschiedenen Schichten des Knorpels verschieden äussert, „je nachdem die Fibrillen isolirt oder, wie es im normalen hyalinen Knorpelge- webe der Fall ist, durch eine Kittmasse zu einer schein- bar homogenen Substanz zusammengehalten werden“ !). Man kann nun freilich einwerfen, dieser Fall könne hier nicht beigezogen werden, weil das Präparat nicht direct in Alcohol, sondern m Müller sche Flüssigkeit eingelegt worden sei. Aber an dem Bestehen einer Schrumpfung — hier durch das langsam fest werdende Oelloidin hervorgerufen — wird man doch nicht zweifeln dürfen. Ueberdies stimmeu die Schrumpfungsbilder der subperiehondralen Zone mit den durch Aleohol erhaltenen voll- kommen übereim. Hier würde es sich also um eine nachträgliche Schrumpfung handeln. Ich kenne noch weitere Fälle von nachträglicher Sehrumpfung, und zwar von Material, das direet in Alcohol ge- kommen war, dann in Wasser gelegen hatte und nun nochmals in Alcohol versenkt worden war. Die Reihenfolge der Reagentien, deren Wirkung hier wesentlich in Betracht kommt, ist also die- selbe, wie in dem von Wolters beschriebenen Falle, denn dass 1) So sprach ich mich schon in meiner 1887 veröffentlichten Arbeit aus (Archiv für mikr. Anat. Bd.31, pag. 319). Nach dem Passus bei Wolters (l. c. pag. 620) könnte man annehmen, als spräche ich stets nur von wellig verlaufenden Fibrillen. Möglicherweise sind die Knorpelfibrillen erst etwas Secundäres. 350 B. Solger: dem Wasser etwas Delafield’sches Hämatoxylin und dem Aleohol etwas Pikrinsäure beigemischt war, wird die Wirkung der Vehikel nieht wesentlich alteriren. — In der Festschrift für A. von Kölliker (Leipzig 1887) berichte ich auf S. 115 über folgende Erfahrungen: Bringt man Schnitte von Knorpel, der mit Alcohol behandelt war, auf 24 Stunden in Wasser und dann nochmals in Alcohol, so ergibt sich eine sehr bemerkenswerthe Verschiebung des Schrumpfungsgebietes.. An manchen Stellen ist die Strichelung ganz oder nahezu ganz verschwunden, sie hat sich aber dafür anderer Gebiete bemächtigt. Mit der Verwen- dung der eoncentrirten Pikrinsäurelösung in Alcohol schleicht sich ja das fatale unbekannte X wieder in die Rechnung ein. Ich habe daher Schnitte mit Alcoholstreifen erstin Delafield'- schem Haematoxylin gefärbt und dann mit Prikrinsäure in wasser- haltigem Aleohol behandelt. Das Ergebniss war: Die Strei- fen zeigten sieh verschwunden, die Verdrängung des Hämatoxylin aus der Grundsubstanz war eine vollständige. | Es handelt sich dem Gesagten zufolge in dem von Wol- ters beschriebenen Falle wohl nur um eıme unvollkommene Austreibung des Hämatoxylin durch die Pikrimsäure, veranlasst durch die Wahl des Aleohols als Lösungsmittel der Säure. Dass die Aleoholbilder „dureh «die Doppelfärbung (Hämotoxylin-Pikrin- säure) fixirt“ worden seien, will mir — ich bitte meine Hart- näckigkeit zu entschuldigen — immer noch nicht ganz ein- leuchten. Das Fixirende scheint mir eben auch hier der Al- cohol gewesen zu sein. Aber Wolters gelangte, wie er selbst hervorhebt (IT. Mitth., S.620),zu der von ihm vertretenen Auffassung der Streifensysteme als Ausdruck von Saftbahnen „zunächst nicht“ auf Grund der Fär- bungsergebnisse, sondern durch die Würdigung „der eigenthüm- lichen Verlaufsart der Streifen“, ihrer „Beziehungen zu den Knorpel- höhlen, dem Perichondrium und den Gefässen“. Die beiden erstgenannten Momente (Beziehungen zu den Knorpelhöhlen, Richtung senkrecht zum Perichondrium in der subperichondralen Zone) schienen mir gerade für meine Deutung zu sprechen. Ich trat dafür ein, dass eine Verschiebung oder Verlagerung der Grundsubstanz stattgefunden habe, und zwar im Allgemeimen senkrecht zur Richtung der Knorpelfibrillen. Dieser Vorgang Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylalcohols auf die Gewebe etc. 351 kann die Wandung «der Knorpelhöhlen unberührt lassen, er kann aber auch sie übergreifen, dann werden sie zackig. Zur Stütze dieser Auffassung verwies ich auf direkte Beobachtungen; ich sah nämlich in der Nähe faserig zerklüfteter Heerde die Strei- fensysteme der unzerklüfteten Intercellularsubstanz direet aus Falten isolirter Fibrillenbündel (denn das sind die „Fasern“) hervorgehen. „Warum die Fibrillenzäge an ganz bestimmten Stellen“ solcher und anderer Knorpelstücke „so wellig wurden, an anderen nicht“, vermag ich nicht zu sagen. Und wenn mir Jemand die Frage vorlegen würde, warum das mit freiem Auge zu beobachtende Glasigwerden an bestimmten Muskelstrecken eintritt, an anderen nicht, obwohl der Aleohol scheinbar gleichmässig auf alle Stellen eingewirkt hatte, so müsste ich gleichfalls meine Unkemntniss eingestehen. Aber desshalb möchte ich mir doch nieht die Freude an der Thatsache verkümmern lassen, schon desshalb nicht, weil ja die Möglichkeit besteht, dass über kurz oder lang ein solches einfaches, schlichtes „seire® zu dem „per causas seire“ vertieft werden kann. Die Essigsäure-Querstreifung leimgebender Fibrillen (Henle, Flemming), die ich den Alecoholstreifen im Knorpel an die Seite stellte, zukennen, ist doeh aueh recht nützlich, man wird dureh die Kenntniss dieser Thatsache. wenn sie auch noch nicht ganz befriedigend zu erklären ist, doch wenigstens vor der falschen Vorstellung be- wahrt, dass ihr eine bestimmte histologische Structur zu.Grunde liegen möchte. Von demselben (Gesichtspunkte aus war mir auch die Erfahrung werthvoll, dass die oft abgebildeten Querlinien der Leinwandtasern und die an solchen Stellen nachweisbare scheinbare Verdiekung der Faser auf eine Kniekung des gesammten diekwandigen Rohres (vergl. den Holzsehnitt) zu beziehen sind; also auch hier führt eine Ver- lagerung der Substanz zu Lichtreflexen, die eine geformte (senkrecht zur Längsaxe der Bastfaser gerichtete) Structur vor- 352 B. Solger: Zur Kenntniss der Wirkung des Aethylalcohols ete. täuschen. Diese Kniekungen oder Verschiebungen zeigen auch „gegen Reagentien und das Polarisationsmikroskop ein abwei- chendes Verhalten“ (Tsehireh). Die Untersuchung der Aleoholstreifen mit dem Polarisations- apparat ergab mir, wie ich schliesslich noeh bemerken wollte, wenigstens in einem Falle ein Ergebniss, das mir mittheilens- werth erscheint. Es handelt sich um einen in Glycerin autbe- wahrten Querschnitt durch einen Rippenknorpel mit Alcoholstreiten, welch’ letztere in dem bekanntlich gleichfalls sehr aleoholreichen Spronek schen Gemisch dauernd fixirt worden waren. Die im Allgemeinen senkrecht zur Oberfläche verlaufenden Alcohol- streifen der subperichondralen Zone erwiesen sich unter dem Polarisations-Mikroskop (Zeiss, Obj.-Syst. D oder Apochromat von 8,0 mm Aequiv.-Brennw.) als deutlich isotrop und hoben sich daher als dunkle Linien oder Bänder von der hellen, ringförmigen anisotropen!) Zone deutlich ab. Es ist möglich, dass ich in dieser Sache nochmals zur Feder zu greifen Veranlassung haben könnte. Doch würde ich mich nur dann dazu entschliessen, wenn ich gleichzeitig neue Thatsachen?) mittheilen könnte. Aeltere und neuere makrosko- pische und mikroskopische Präparate hoffe ich einer Versammlung von Fachgenossen gelegentlich vorlegen zu können. Sollte unter ihrer gütigen Mitwirkung eine Verständigung, die ich gleichfalls lebhaft wünsche, erzielt werden, so dürfte sie die Gewähr einer längeren Dauer in sich tragen, als eine Uebereinkunft, bei welcher nur die beiden Parteien betheiligt gewesen wären. Greifswald, Ende December 1891. 1) Vgl. v. Ebner, Ursach. der Anisotropie, S. 65. 2) Der von mir aus dem Septum narium cart. des Schafes be- schriebene (s. d. Archiv Bd. 34) Befund (sichelförmige pericelluläre Ab- scheidungen) erlaubt vielleicht eine Anknüpfung an den von Ranvier aus dem Arytaenoidknorpel des jungen Hundes (nach Osmiumbehand- lung) beschriebenen Ring von „gröberen Körnern“ an der „Obertläche des Protoplasmas“ (s. dessen Techn. Lehrbuch d. Histol. S. 387 u. 388, Fig.85 u. 146). a u | 353 (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Urmund und Spina bifida. Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie an | missgebildeten Froscheiern. Von Oscar Hertwig. Hierzu Tafel XVI-XX. Um der noch immer in Dunkel gehüllten Frage, ob durch Ueberfruchtung Missbildungen hervorgerufen werden können, näher zu treten, nahm ich in diesem Frühjahr Experimente an Eiern von Rana temporaria wieder auf, welche ich schon vor Jahren begann, aber wieder liegen gelassen hatte. Ich führte Ueberfruchtung bei Froscheiern, nachdem chemische Eingriffe mir nicht den gewünschten Erfolg geliefert hatten, in doppelter Weise herbei. Einmal nahm ich die mit Eiern gefüllte Gebär- mutter aus der Leibeshöhle des Weibehens heraus und brachte sie 2—4 Tage in eine feuchte Kammer, um eine Schädigung durch diesen Eingriff hervorzurufen und ähnliche Resultate zu erhalten, wie an Echinodermeneiern, die man 1—2 Tage nach der Entleerung aus dem Ovarium in Meerwasser hat liegen lassen, che der Samen zugesetzt wird. Es ist auffallend, wie wenig die Froscheier im Allgemeimen bei dieser Behandlung leiden. Denn noch am dritten und vierten Tag entwickelt sich ein grosser Theil von ihnen in normaler Weise, ein anderer Theil zeigt Un- regelmässigkeiten im Furchungsprocess, aus denen sich auf eine Ueberfruchtung schliessen lässt, ein dritter Theil endlich ent- wickelt sich nicht, wenn auch vielleicht Samenfäden in den Dotter eingedrungen sind. Ein zweites Verfahren, um Ueberfruchtung zu erreichen, bestand darin, dass ich die Froschpärchen von einander trennte und die Männchen während 4—6 Wochen von den Weibchen isolirte. Wenn die m die Gebärmutter emgetretenen Eier so weit über die normale Zeit hinaus nicht zur Ablage gelangen, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 94 354 Os eam-Hertwie: werden sie ebenfalls geschädigt, wie dies auch bei Echinodermen und Fischen (Forellen) beobachtet worden ist, und gerathen in einen Zustand, den ich als Ueberreife bezeichnet habe. Auch hier treten neben normal sieh theilenden Eiern mehr oder minder häufig Störungen im Furchungsprocess auf. In verschiedenen, auf diese Weise erhaltenen Zuehten ist mir keine einzige Mehrfachbildung aufgestossen, obwohl ich auf dieselben mein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Insofern waren meine Versuche ohne das gewünschte Ergebniss geblieben. Auf der anderen Seite aber fielen mir in den Zuchtgläsern viele Eier auf, die in eigenthümlicher Weise pathologisch entwickelt waren und daher eingehender geprüft wurden, ob sie mit der mich interessirenden Frage in einem Zusammenhang ständen. Sie zeiehneten sich durch ein bald mehr, bald minder weites Offenbleiben des Urmundes bis in späte Stadien der Entwick- lung aus. Ueber derartige Missbildungen des Froscheies liegt bis jetzt in der Literatur nur eine etwas eingehendere Notiz von Roux in seinen Beiträgen zur Entwieklungsmeehanik des Embryo vor. Roux (61) beschreibt die Missbildung unter dem Namen der Asyn- taxia oder Diastasis medullaris. „Die beiden Medullarwülste“, bemerkt er, „sind weit aus- einander gelegen, indem sie die Seitenränder des eine längliche, fast ebene Platte darstellenden Embryo einnehmen; unter jedem Medullarwulst ist eine sehöne, aber gleichfalls runde, durch die Zusammensetzung aus bloss 3 bis 4 Zellen auf dem Querschnitt wohl characterisirte Semichorda lateralis vorhanden. Aehnliches, aber geringeres Auseinanderweichen der Medullarwülste fand sich auch mehrfach bloss partiell, besonders im Bereiche der hin- teren Hälfte des Rückenmarkes. Hierbei war auf Schnitten das Vorhandensein vom Entoblast nachweisbar; andererseits aber war mit Leichtigkeit durch wiederholte Beobachtung am lebenden Ei festzustellen, dass der grosse Spalt zwischen beiden Medullar- wülsten den Urmund bezw. den Rest desselben darstellt“. „In Fällen der Asyntaxia medullaris, bloss im mittleren und caudalen Theile des Embryo sah ich dann mit der Zeit öfter eine weitere Näherung der Medullarwülste und zwar mehr auf der. caudalen Seite stattfinden, so dass schliesslich nur noch em Loch in der Mitte der Länge des Medullarrohrs blieb, welehes aber weiterhin Urmund und Spina bifida. 355 auch noch geschlossen wurde. Es lag also hier nur eine Ver- zögerung des Herabwachsens der jederseitigen halben Dorsal- platte vom Aequator des Eies vor, während die qualitative Ditferenzirung, dadurch nicht gehemmt, die Medullarwülste vor der Verschmelzung der Dorsalplattenhälften herstellte. Durch (diese Form der Diastasis medullaris und die Ableitung des Spalt- raumes vom Urmund wird auf’s Deutlichste eine Analogie der Bildung der Embryonalanlage bei Amphibien mit derjenigen der Fische illustrirt und damit auch die Asyntaxia medullaris an die von Rauber für die Knochenfische beschriebene „Verzögerung des Anschlusses der Keimringhälften zur Bildung der mittleren und hinteren Embryonalanlage* angeschlossen.“ Da mir meine Zuchten ein sehr reichliches Material von Missbildungen lieferten, so dass ich in kurzer Zeit gegen 100 von solehen isoliren konnte, conservirte ich dieselben in ver- schiedenen Zwischenräumen nach der Befruchtung in 1°, Chrom- säure mit Zusatz von 0,2°/, Essigsäure. Nach genügender Erhär- tung wurden die Gallerthüllen nach der Angabe von Bloch- mann (2b) durch vorsichtiges Schütteln in Eau de Javelle entfernt und die so freigelegten Embryonen im 85°/, Spiritus aufgehoben. Ich erhielt so eine sehr vollständige Serie von missgebildeten Froscheiern, welche sich auf verschiedenen Stufen der Entwick- lung befanden und trotz mannigfacher Variationen im Grad der Missbildung doch ein ganz typisches Gepräge zur Schau trugen. Hierin fand ich eine Aufmunterung zu weiterer Untersuchung. Bei schwacher Vergrösserung wurden die einzelnen Eier von ver- schiedener Seite genau betrachtet und mit der Camera lueida abgezeichnet. Darauf wurden sie, je nachdem es im einzelnen Fall wünschenswerth erschien, in Serien von Quer-, Sagittal- oder Frontalschnitten zerlegt. Bei Anfertigung von Sagittalschnitten wurde meist nur die eme Hälfte verwandt, die andere konnte dann noch zu einer Querschnittsserie dienen. Der Einschluss in Paraffin wurde nach dem von Oscar Schultze (62) angegebenen und auch von mir als zweckmässig befundenen Verfahren vor- genommen. Die Ergebnisse der ziemlich umfangreichen Untersuchung theile ich zunächst in drei Kapiteln mit. Von diesen handelt das erste Kapitel über Störungen des Furchungsprocesses, das zweite über monströse Entwieklung von Eiern, bei denen mehr 356 Oscar Hertwie: oder minder grosse Partieen des Dotters ungetheilt geblieben sind, das dritte über Störungen im Gastrulationsprocess, die zu mangelhaftem Verschluss des Urmunds und in Folge dessen zu einer Reihe von Missbildungen führen. 1. Störungen des Furehungsprocesses. Auf Unregelmässigkeiten des Furchungsprocesses wurde das Eimaterial eines mehrere Wochen isolirt gehaltenen Froschweibehens untersucht, das am 14. März getödtet worden war. Die Eier blieben noch 2 Tage in der Gebärmutter und wurden am 16. März be- fruchtet. 4 Stunden nach der Befruchtung begann sich die Mehr- zahl in vollkommen regelmässiger Weise zu furchen. Ein klei- nerer Theil dagegen liess bei Lupenvergrösserung Störungen des normalen Processes erkennen. Auf der schwarz pigmentirten Ei- hälfte erschienen aussergewöhnliche, unregelmässige Furchen, welehe nicht zu einer gleichmässigen Zerlegung des Dotters, sondern nur zu einer Abgrenzung kleinerer und grösserer Felder führten (Tafel XVI, Fig. 32—55). Es entstanden mit einem Worte die Bilder, welche schon Born (4) genauer beschrieben und für welehe er den Namen Barockfurchung eingeführt hat. Es wurden nun sogleich 25 Eier, welehe Abweichungen vom nor- malen Furehungsschema zeigten, in nummerirte Uhrschälchen isolirt und von jedem der Befund rasch aufgezeichnet. Schon an dem kleinen Material liess sich feststellen, dass einige eharacteristische Befunde häufiger wiederkehrten. Ich bin so in der Lage, die abnorm sich furchenden Eier vorläufig we- nigstens in 2 Gruppen zu theilen. In der einen Gruppe (Fig. 34 u. 35) traten in der schwarzen Eihälfte einige Hauptfurchen auf, die meist an einer Stelle zu- sammentrafen und wieder den Ausgangspunkt für seitlich ab- gehende Aeste bildeten. Durch das Zusammentreffen mehrerer Furehen wurden weiterhin auf der animalen Polfläche des Eies einige kleinere, unregelmässige Felder abgegrenzt, von denen nach dem vegetativen Pol zu kürzere oder längere Furchen aus- strahlten. Durch diese wurde nach einiger Zeit meist auch die helle Eihälfte in etwas grössere Felder abgetheilt. Für die zweite Gruppe der Eier (Fig. 32 u. 33) ist das Auftreten einer ringförmigen Furche charaeteristisch, welche am \ | De Urmund und Spina bifida. . animalen Pol ein bald kleineres, bald grösseres, kreisrundes Feld abgrenzt. Da die Furche bald nach ihrem Auftreten durch die Dottermasse wohl ganz hindurchgeht, wird durch sie vom Ei eine kleinere, am animalen Pol gelegene Scheibe abgetrennt, welche wie eine Calotte dem weit grösseren, übrigen Theil auf- sitzt. Von der Ringfurche gehen dann bald radiäre Furchen nach dem vegetativen Pol zu aus und zerlegen die übrige Eimasse. Die so im verschiedener Weise unregelmässig gefurchten Eier wurden in ihren klemen Behältern mehrere Tage weiter ge- züchtet. Der grössere Theil von ihnen blieb, nachdem noch eine weitere Zerlegung in kleine Zellen stattgefunden hatte, in der Entwieklung stehen und schien mir Zeichen des Absterbens darzubieten, indem an dem vegetativen Pole sich ein grau- weisser Ueberzug bildete. Die übrigen Eier traten in das Gastrula- stadium ein. Am vierten Tag nach der Befruchtung erhoben sich die Medullarwülste in regelmässiger Weise. Trotz des ge- störten Anfangs war es also in diesen Fällen doch noch zu einer anscheinend normalen Weiterentwicklung gekommen. Fast alle diese Eier gehörten der zweiten Gruppe an. Ob hier ein ge- setzmässiger Zusammenhang oder nur ein zufälliges Zusammen- treffen vorliegt, müsste sich durch eine besonders darauf ge- richtete, noch eingehendere Untersuchung entscheiden lassen. Es wäre dies nicht ohne Interesse, da der abnorme Furchungsprocess nur durch Ueberfruchtung hervorgerufen worden sein kann und da die verschiedenen Variationen der Barockfurchung davon ab- hängen werden, ob 2, 3 oder mehr Samtenfäden in den Dotter eingedrungen sind, und in welcher Zahl sie sich mit dem Eikern verbunden haben oder im Dotter für sich isolrt geblieben sind. Dass solche Vorgänge hier stattfinden müssen, können wir ein- mal aus den Untersuchungen von Born (4) über die Ueberfruchtung und Barockfurchung der Amphibieneier, dann aber namentlich aus den von Fol (17), meinem Bruder und mir (23, 27) ver- folgten abnormen Befruchtungs- und Furchungsprocessen der Ecehinodermeneier schliessen. ( 358 Oscar Hertwig: -2. Monströse Entwicklung an Eiern, bei denen mehr oder minder grosse Partieen des Dotters ungetheilt geblieben sind. (Tafel XX, Fig. 21—27.) Eine grössere Anzahl von Froscheiern wurde in Sehnitt- serien zerlegt, welche sehr eigenthümliche und überraschende 3efunde darboten. Die Hauptmasse des Dotters oder nur die Hälfte oder ein noch kleimerer Theil war nicht in Zellen zer- legt, während der Rest aus kleinen Zellen bestand, die sich zu- weilen sogar zu Keimblättern ete. zusammengeordnet hatten. In allen diesen Fällen hatte auch der ungefurcht gebliebene Dotter seine Beschaffenheit verändert. Er war von zahlreichen, klei- neren und grösseren Vacuolen durchsetzt, die mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt waren und oft so dicht zusammenlagen,, dass sie nur durch dünne Scheidewände, wie die Blasen eines Seifen- schaums, von einander getrennt waren (Fig.23, 27 va). Oft waren auch grössere und dann unregelmässig contourirte Va- euolen dadureh entstanden, dass die dünnen Scheidewände zwi- schen mehreren Vacuolen eingerissen waren (Fig. 21 va‘). Ausser- dem kamen noch in dem so veränderten Dotter mehrfach kleine Bläschen vor, die von dunklem Pigment umhüllt waren und zu- weilen auch eme Strahlung in ihrer Umgebung erkennen liessen (Fig. 23 p). Ich stehe nicht an, sie für Kerne zu halten, die von mehrfach in das Ei eingedrungenen Samenfäden abstammen, vielleicht auch durch Theilung von Samenkernen hervorgegangen sind. Bestärkt werde ich in dieser Ansicht namentlich durch die Beobachtung einzelner isolirter Zellen in dem von Va- euolen durchsetzten Dotter. Dieselben fand ich indessen nur in einigen Fällen (Fig. 21, 22, 24, 27‘) vor, während sie in an- deren vermisst wurden. Fig. 25 zeigt uns eine solehe Zelle (z/) bei etwas stärkerer Vergrösserung. Ein in einem Pigmenthof gelegener Kern ist von einer Hülle von Dottersubstanz um- schlossen, welche durch eme glatte Contour ringsum von dem übrigen vacuolenhaltigen Dotter scharf abgesetzt ist. Zuweilen finden sich auch mehrere Zellen im einer Gruppe beisammen (Fig. 212‘). An der animalen Fläche dieser eigenthümlich veränderten Urmund und Spina bifida. 359 Eier hat nun ein Furchungsprocess bald in geringerer, bald in srösserer Ausdehnung stattgefunden; er hat einer Lage kleiner, embryonaler, theilweise pigmentirter Zellen den Ursprung ge- geben, welche der Keimscheibe eines meroblastischen Eies ver- gleiehbar, dem vaeuolenhaltigen Dotter aufliegt. Einen sehr ge- ringfügigen Grad von Zellenbildung habe ich bei dem Ei a’ an- getroffen (Fig. 23). Hier war etwa der vierte Theil der Dotter- oberfläche von einer einfachen Schicht von kleinen, eubischen Zellen bedeckt. In der Peripherie der Scheibe war die Eiober- fläche durch Furchen in kleine Felder abgetheilt, die Keme ent- hielten, aber mit der übrigen Dottermasse noch zusammenhingen. Auch hatte sich an diesem Objeet noch eine kleine Gruppe von Zellen in einiger Entfernung von der Hauptscheibe gebildet. Bei zwei anderen Eiern (Fig. 21 u. 22) war durch par- tielle, irreguläre Furchung eine 3 bis 5 Zellenlagen dicke Scheibe entstanden. In dem einen Fall (Fig. 21) lag unter der Scheibe eine Art von Furchungshöhle (fh), ein grosser Hohl- raum, über dessen Zustandekommen ich keine bestimmte Angabe machen kann. Die Möglichkeit, dass er durch das Verschmelzen vieler einzelnen Vaeuolen gebildet ist, wäre hierbei m das Auge zu fassen. Das ganze Ei kann man als eine Keimblase be- zeichnen, deren vegetative Hälfte aus ungetheilter Dottermasse besteht, während die animale Hälfte in Zellen zerfallen ist. Be- sondere Beachtung verdienen in der Figur 21 noch ein paar Gruppen kleiner Zellen (z‘), sowie auch ganz vereinzelte Zellen, die sich im dem vacuolenhaltigen Dotter eingesprengt finden. Wenn wir uns nach der Entstehung dieser monströsen For- men fragen, welche so ganz aus dem Rahmen des normalen Ent- wicklungsprocesses der Amphibieneier heraustreten, so bin ich für meine Person keinen Augenblick im Zweifel, dass sie durch Ueberfruchtung hervorgerufen worden sind. Nach meinen Er- fahrungen würde sich der ganze Hergang in folgender Weise gestalten. Durch Ueberreife und andere schädliche Einflüsse war bei den Eiern die Erregbarkeit des Protoplasma herabgesetzt. Die Folge davon war Ueberfruchtung. Die in grösserer Anzahl eingedrungenen Samenkerne, von denen auch vielleicht einer oder einige mit dem Eikern verschmolzen sind, haben amı animalen Pol des Eies Barockfurchung hervorgerufen, da hier grössere Mengen von Protoplasma angehäuft sind. Entsprechend der Vielzahl der . 360 OÖOscarHertwig: Kerne hat sich «die Eirinde gleich in mehrere unregelmässige Felder abgetheilt, wie sie oben beschrieben worden sind. Diese sind .dann unter weiterer Vermehrung der Kerne in kleinere Felder zerfallen, die sich dann vom unterliegenden Dotter abge- schnürt und in Embryonalzellen umgewandelt haben. In der vegetativen Hälfte des Eies kommt es zu keiner durehgreifenden Zellenbildung, weil im ihr wegen des nur in ge- ringer Menge vorhandenen Protoplasmas und bei der Schädigung des letzteren gewissermaassen die Triebkräfte zur Einleitung eines Furchungsprocesses zu geringfügig sind. Es ist hier somit durch pathologische Zustände ein ähnliches Verhältniss geschaffen, wie es normaler Weise bei den meroblastischen Eiern vorliegt, wo die übermässige Zunahme der Dottermasse eine Sonderung in einen protoplasmareicheren, theilbaren, und in einen proto- plasmaärmeren, an der Furchung nicht theilnehmenden Abschnitt der Eizelle hervorgerufen hat. Nur hier und da hat sich aus- nahmsweise einmal um einen Samenkern etwas Dottermasse her- umgelagert und von der. übrigen Masse als selbständige Zelle getrennt. Wie die Vacuolen im ungefurchten Theil des Dotters zu Stande kommeu, ist mir unklar geblieben, da ich auf diese Frage meine Untersuchung nicht speciell gerichtet habe. An zwei Möglichkeiten wäre zu denken. Einmal könnten die Va- cuolen durch eine Verflüssigung des Dotters entstehen und mit einer Zersetzung desselben zusammenhängen. Auf der anderen Seite könnten sie aber auch aus Samenkernen hervorgegangen sein, die sich durch Theilung vermehrt und dann durch Auf- nahme von Kernsaft in grosse Blasen umgewandelt haben und dabei auch untereinander Verschmelzungen eingegangen sind. Bei pathologischen Echinodermeneiern habe ich (23) ein solches An- schwellen kleiner Kerne zu grossen Blasen und ein Verschmelzen derselben öfters beobachtet. Ob nun in diesem Fall der erste oder der zweite Entstehungsmodus auftritt, müsste durch eine besonders darauf gerichtete Untersuchung entschieden werden. Vacuolen und Kerne im ungefurchten Dotter hat Roux (61) bei Froscheiern beobachtet, als er eine der beiden ersten Fur- chungskugeln dureh Anstechen mit einer heissgemachten Nadel zerstörte. Die Vacuolen treten im Dotter der operirten Zelle nach einiger Zeit auf und liegen „oft so dicht, dass sie auf dem Urmund und Spina bifida. 361 Quersehnittsbild stellenweise nur durch einen femen protoplasma- tischen Faden von einander getrennt sind, und manchmal sind von diesen Gebilden, die körperlich betrachtet Trennungshäute darstellen, nur noch Reste vorhanden, so dass eine Communiea- tion oder Verschmelzung der Vaecuolen sichtbar sich ausspricht“. Ausserdem fand Roux in dem vacuolenhaltigen Dotter noch Kerne vor, welehe er von dem Furchungskern der operirten Fur- chungskugel ableitet. Es würde also in diesem Fall der Kern sich zum Theil vermehrt haben, während der Dotter im Folge der Schädigung durch das Anstechen nieht mehr hat reagiren können. Bei dieser Gelegenheit erwähnt auch Roux ähnliche Be- funde, wie ich sie eben mitgetheilt habe. „Gegen Ende der Laichperiode komme beim Frosch zuweilen auch partielle Ent- wieklung des Eies ohne Operation vor. In mehreren solcher Eier“, schreibt er, „waren bloss 3 oder 4 Zellen von der Be- schaffenheit der Zellen im Stadium des Uebergangs von der Mo- rula- zur Blastulastufe vorhanden, während die ganze übrige Ei- masse nicht in Zellen gegliedert war, aber an manchen Stellen mit den oben beschriebenen Formen abnormer Keme wie auch auf grosse Strecken hin mit jugendlichen, normal aussehenden Kernen in grosser Anzahl durchsetzt war. Manchmal war ge- rade in der Umgebung der wenigen normalen Zellen die Eisub- stanz so stark vacuolisirt, dass an einen Uebertritt von Kernen aus dieser nicht gedacht werden kann.“ Roux meint, dass an Vielkernigkeit durch Polyspermie in diesen Fällen nicht zu denken sei, obgleich sie gelegentlich gegen Ende der Laich- periode vorkomme; vielmehr nimmt er an, dass der Furchungs- kern theils abnorm, theils anscheinend normale Derivate gebildet habe. Ich bin der gegentheiligen Ansicht und halte den eigen- thümlichen Complex der Erscheinungen, die Barockfurchung, die partielle Zellbildung, welche an die partielle Furchung erinnert, das Vorkommen von Kernen und hier und da auch von isolirten Zellen im vacuolenhaltigen Dotter einzig und allein durch Ueber- fruchtung gesehädigter Eier bedingt. Partiell getheilte Eier sind einer weiteren Entwicklung fähig, namentlich wenn nur die Hälfte oder nur ein Drittel des Dotters ungetheilt geblieben ist. Unter meinem Material habe ich Eier vorgefunden, bei denen die Zellen sich zu Keimblättern 362 Osear Hertwie: in regelrechter Weise zusammengefügt hatten, bei denen sogar eine Art von Gastrulation stattgefunden hatte; endlich auch Eier, bei denen es zur Bildung von Chorda und Medullarplatte ge- kommen war (Fig. 24, 26, 27). Eine pathologische Gastrula ist in Fig. 24 abgebildet. Die eine Hälfte des Eies ist in vacuolenhaltige Dottermasse umge- wandelt, welche an einer Stelle, wo sie an den zelligen Theil anstösst, auch Kerne und isolirte Zellen einschliesst. Die andere in Zellen getheilte Hälfte ist durch eine deutliche Demareations- linie von dem wunentwickelt gebliebenen Eitheil getrennt. Sie gleicht einer kleinen Gastrula. Auf der einen Seite der Urdarm- höhle liegt ein ansehnlicher Streifen grosser Dotterzellen; die entgegengesetzte Wand ist dünn und aus kleinen pigmentirten Zellen zusammengesetzt, die in 2 Blätter angeordnet sind und am Urmundrand durch Umschlag ineinander übergehen. Zwei eigenthümliche Missbildungen lieferten mir die Eier al? und a!t, bei denen etwa auch die Hälfte der Substanz un- entwickelt geblieben ist (Fig. 26 u. 27). Bei beiden Eiern liegt in der Mitte zwischen vacuolenhaltiger Dottermasse und der zelligen Hälfte ein grösserer Hohlraum (fh), welehen ich für den Rest der Furchungshöhle halte. Der zellige Theil birgt in der Fig. 27 eine kleine Einstülpungshöhle, den Urdarm (nd). Nach links bildet seine Begrenzung ein Haufen grosser Dotterzellen, nach rechts und unten eine in mehrere Keimblätter gesonderte Masse kleiner, pigmentirter Zellen. An dieser ist eine dünne Lage von Zellen als Eetoderm deutlich abgegrenzt. Da wo das Eetoderm sich in die den Urdarm auskleidende Zellenschicht um- schlägt, ist es beträchtlich verdickt und zu einem Gebilde (mp) umgewandelt, welches dem Querschnitt einer Medullarplatte täu- schend gleicht. Da wir im nächsten Abschnitte missgebildete Froscheier kennen lernen werden, bei denen das Nervensystem sich in entsprechender Weise am Urmundrand anlegt (vgl. die Figuren 8, 9, 15, 16 auf Tafel XVII, so stehe ich nicht an, auch hier den mit mp bezeichneten Theil als Medullarplatte zu deuten. Nach rechts ist die Gastrula theils durch einen Spalt, theils durch eine Demarecationslinie vom ungetheilten Eirest ge- trennt, nach links geht eine dünne Zelllamelle in den vaecuolen- haltigen Dotter über, der hier ebenfalls nur eine dünne Schicht Urmund und Spina bifida. 363 darstellt und die oben erwähnte Furchungshöhle (fh) mit ab- schliessen hilft. Die Fig. 26 zeigt uns auf der einen nach oben gekelhrten Seite eine ansehnliche, vaecuolenhaltige Dottermasse, nach unten von ihr einen in zwei Blätter gesonderten, zelligen Keim. Zwi- schen beiden befindet sich eme rings abgegrenzte geräumige Furehungshöhle (fh). Rechter Hand ist wieder an der Stelle, wo der zellige in den vacuolenhaltigen Theil übergeht, eme kleine Einstülpung (ud) entstanden. An der Urmundlippe geht das äussere in das innere Blatt über und hat sich wieder, wie in dem vorher beschriebenen Fall, zu einer Medullarplatte (mp) verdickt, die hier aber nur wenig zu einer Rinne eingekrümmt ist. Sowohl rechts als links von der Furchungshöhle steht der zellige Keim und der ungetheilte Dotterrest noch mit einander in direeter Verbindung. Aehnliche Befunde wurden noch an Schnittserien durch mehrere Eier erhalten. Endlich habe ich auch Eier angetroffen, bei denen sich neben einem ungetheilten, meist kleineren Dotterrest die Anlagen von Chorda und Ursegmenten im entwickelten Theil mehr oder minder deutlich auf Schnitten nachweisen liessen. Indessen ist (die Untersuchung bei allen diesen pathologischen Eiern dadurch mit Schwierigkeiten verknüpft, dass man äusserlich an den Eiern sehr wenig sieht und daher beim Einschliessen in Paraffin nicht die Riehtung bestimmen kann, in welcher zweckmässiger Weise die Schnitte geführt werden müssten. 3. Störungen im Gastrulationsprocess, die zu mangelhaftem Verschluss des Urmundes und in Folge dessen zu einer Reihe von Missbildungen führen. Störungen im Gastrulationsprocess können die Ursache von sehr verschiedenartigen, abnormen Formzuständen werden. Um dieselben in systematischer Reihenfolge zu betrachten, scheint es mir zweckmässig, sie in drei Gruppen einzutheilen. 3ei dem höchsten Grade der Störung bleibt der Urmund seiner "ganzen Länge nach geöffnet, zu einer Zeit, wo bei den Embryonen schon die Medullarplatten, die Choxda, mehrere Urseg- mente angelegt sind. Von hier führen alle nur denkbaren Ueber- gänge zu geringeren Graden der Störung. Man findet missge- 364 Oscar Hertwig: bildete Embryonen, bei denen sich nur ein Theil des Kopfes oder der ganze Kopf oder ausser demselben noch eine mehr oder minder grosse sich anschliessende Strecke des Rumpfes in nor: maler Weise entwickelt hat, im Uebrigen aber am Rücken ein (dementsprechend grosser Theil des Urmundes vor dem Schwanz- ende offen geblieben ist. In Folge dessen liegt nun ein bald grösserer, bald kleinerer Theil des Dotters frei zu Tage und sieht als eine Art Dotterpfropf, ähnlich wie beim Ruskoni- sehen After, nach Aussen hervor. In einer dritten Gruppe endlich stelle ich die am wenigsten auffälligen Störungen in dem Verschluss des Urmundes zusammen. Hier ist die ganze Rückengegend des Embryo wohl entwickelt und in Nervenrohr, Chorda und Ursegmente gesondert, unterhalb der Stelle aber, wo sich die Schwanzknospe bildet, oder der Schwanz schon in semer ersten Anlage vorhanden ist, findet sich eine bald ziemlich umfangreiche, bald kleine Oeffnung, dnreh welche man noch den Nahrungsdotter von Aussen her sehen kann. Das Dotterloch liegt bei fehlendem Schwanz genau am hinteren Ende des Embryo, während es in demselben Maasse als der Schwanz entwickelt ist, ventralwärts und nach vorn verschoben ist. I. Gruppe der Missbildungen: Totale Urmundspalte. (Tafel XVI Fig. 1—). Am fünften bis siebenten Tag nach der Befruchtung fielen mir zwischen schon weit entwickelten Embryonen einzelne Eier auf, die in einer Riehtung verlängert und vom animalen nach dem vegetativen Pol zu etwas platt gedrückt waren. Von der Fläche betrachtet, bieten diese Eier einigermaassen das Aussehen einer ovalen Schüssel dar, die auf einer Seite durchweg durch braunes Pigment gefärbt ist, auf der anderen Seite dagegen gelbweiss aussieht (Tafel XVI, Fig. 1—7). Die braune Seite zeigt häufig in der Längsriehtung eine deutliche Einkrümmung (Fig. > u. 4), ferner ist sie selten ganz glatt, häufiger in unregelmässiger Weise an einzelnen Stellen mit gewundenen Furchen und dazwi- schen gelegenen Wülsten, welehe Hirnwindungen vergleichbar sind, bedeckt. Es sind dies pathologische Wucherungen des Hautblatts, die ohne jede weitere Bedeutung für die Entwicklungsprocesse sind, Hiervon abgesehen ist häufig schon eine Organanlage, Urmund und Spina bifida. 365 welche der Froschembryo erst längere Zeit nach Ablauf des Grastrulationsprocesses erhält, am vorderen Ende der braunen Seite aufzufinden. Es ist (Fig. 53h) die braune Haftscheibe, mit welcher sich die ausgeschlüpften Kaulquappen an Wasser- pflanzen ansetzen. Die Haftscheibe ist eine von weit vorstehenden Epithelwülsten eingeschlossene Emsenkung der Epidermis, welche in ihrer Form etwa einem Hufeisen vergleichbar ist. Dadurch dokumentirt sich die braune Seite selbst als die Bauchseite des zu- künftigen Embryo und sind an ihr bereits nach der Lage der Haftscheibe Kopf- und Schwanzende von einander zu unterscheiden. Die nicht pigmentirte Seite entspricht somit dem Rücken, der bei unserer Missbildung ein eigenthümliches Aussehen dar- bietet. Die in grosse Zellen abgetheilte Dottermasse (d) liegt frei zu Tage (Fig. 1, 2,4—7) und bildet einen bald mehr, bald weniger nach Aussen hervorspringenden Hügel (Fig. 4—5d). Derselbe wird rings von einem braun pigmentirten Wulst ur umgeben, der durch das Uebergreifen «der ebenso gefärbten Bauchseite auf die Rückenseite gebildet wird. Der Wulst setzt sich mit einer ziemlich scharfen Linie gegen die hellere Dottermasse ab. Auch hier lässt sich Kopf- und Sehwanzende bei einiger Uebung von einander unterscheiden. An ersterem findet sich in geringer Ent- fernung vom braunen Randwulst eine tiefe, eine Querspalte dar- stellende Einsenkung vor (Fig. 1,2, 6,7 kd). Sie entspricht, wie uns weiterhin Durchschnitte zeigen werden, einem Theil der Gastrulaeinstülpung. Das zwischen ihr und dem Randwulst ge- legene Feld zeigt auch noch einen Anflug von brauner Pigmen- tirung. Das Hinterende dagegen ist dadurch ausgezeichnet, dass der braune Randwulst sich in 2 Höcker (Fig. 1—7 sk) verdickt, die sich durch eine tiefe Einsenkung von der Dottermasse ab- setzen. Die zwei Höcker, die ich nach ihrer zukünftigen Be- stimmung schon jetzt als Schwanzknospen bezeichnen will, sind in der Medianebene durch eine Einkerbung (Fig. 1 ar) von einander getrennt, in welche sich eme kleine Zellmasse da- zwischen schiebt, die als Zwischenstück bezeichnet werden kann und häufig einen kleinen Vorsprung am hinteren Ende be- dingt. Das Zwischenstück ist namentlich auf späteren Stadien (Fig. 9—11, 13, 14, 19) deutlicher wahrzunehmen und mit einer Rinne (ar) versehen, die zur Entwicklung des Afters in Beziehung steht und daher als Afterrinne bezeichnet werden kann. 366 Osear Hertwig: Mehr lässt sich bei der Untersuchung des Embryo im Gan- zen nicht erkennen. Um so mehr ist man überrascht, bei der Anfertigung von Quer-, Sagittal- und Frontalsehnitten schon einen hohen Grad von innerer Organisation, Medullarwülste, Chorda, mittleres Keimblatt, Ursegmente u. s. w. vorzufinden. Am besten gehen wir bei unserer Betrachung von einem Querschnitt durch die Mitte des missgebildeten Embryo aus (Taf. XVII Fig. 2). Derselbe zeigt uns sofort, dass schon alle drei Keimblätter angelegt sind. Die als Hügel nach Aussen hervor- stehende Dottermasse, welche das innere Keimblatt repräsentirt, wird ventralwärts von 2 durch einen Spaltraum gegen einander abgegrenzten Zellenschiehten umhüllt, 1) von eimem dünnen äusseren Keimblatt, das die für die Anuren bekannte Structur be- sitzt und am dunkelsten pigmentirt ist, und 2) von einem erheb- lieh diekeren, etwas weniger pigmentirten, mittleren Keimblatt (mk), das aus mehreren Zellenlagen besteht. Nach dem Rücken der Missbildung zu hören äusseres und mittleres Keimblatt mit dem oben erwähnten braun gefärbten Wulst auf, der bei Be- trachtung von der Fläche wie ein Ring den Dotterhügel umschliesst (Taf. XVI, Fig. 6 ur). Auf dem Durchschnitt zeigt der Wulst (Taf. XVI, Fig. 6 ur) eine zusammengesetzte Structur (Taf. XVII, Fig.2). Er besteht aus einer diekeren Platte (mp), die sich zu einer nach oben offe- nen, flachen Rinne zusammenkrümmt. Dieselbe stimmt dadurch, dass sie aus mehrfach übereinander geschichteten, langgestreckten, spindeligen Zellen aufgebaut ist, in ihrer Structur mit dem Medul- larwulst eines normalen Froschembryo überein. Sie repräsentirt also die Hälfte einer normalen Rückenmarksanlage oder eine halbe Medullarplatte (siehe auch Taf. XVII Fig. 5, 6, 7, 10—12, 18,22 mp). Am äusseren Rand geht die Medullarplatte durch Umschlag in die dünne Epidermis über, nach dem inneren Rand zu wird sie gleichfalls dünner und verändert ihren histologischen Character, indem die Zellen etwas grösser und weniger pigmentirt werden (Figur 2, 3,10, 12, 18,22v). Durch dieses dünne Verbindungs- stück (v) hängt sie mit der Dottermasse continuirlich zusammen. Zweitens schliesst der Wulst auf jeder Seite noch den Durchsehnitt eines runden Zellenstranges ein, der allseitig scharf abgegrenzt ist und in seiner Structur mit einer embryonalen Chorda übereinstimmt. Denn wie Längsdurehschnitte dureh dieselbe Urmund und Spina bifida. 367 lehren (Fig. 20 u. 21 ch), baut sie sich aus den bekannten, scheiben- förmigen, wie Geldstücke übereinander geschichteten Zellen aut. Die Chorda findet sich etwas medianwärts von der hellen Me- dullarplatte, genau unterhalb des Verbindungsstückes (v), das den Uebergang zur Dottermasse vermittelt. Unter Chorda und Medullarplatte folgt endlich das mittlere Keimblatt (mk), das hier am breitesten ist und sich ventralwärts allmählich verschmälert. Bei Durchmusterung einer Querschnittsserie ändern sich die einzelnen Bilder nur wenig. Nach vorn wird meist die Chorda etwas stärker, umgekehrt etwas schwächer nach hinten. Am Sehwanzende endlich sind Medullarplatte, Chorda und mittleres Keimblatt nieht mehr zu unterscheidem, sie verschwinden hier in einer mehr gleichmässigen Masse kleiner, pigmentirter Zellen, welche jederseits am hinteren Ende einen Wulst bedingen, der bei Betrachtung des Embryo von der Fläche (Taf. XVI sk) schon als Schwanzknospe bezeichnet wurde. Die Niveauverhältnisse zwischen Randwulst und Dotter sind häufig nach den einzelnen Körpergegenden etwas verschieden, aber in einer für die einzelnen Embryonen nicht immer gleich- bleibenden Weise. Bald hebt sich der Dotter über den Rand- wulst als steiler Hügel weit im die Höhe (Fig. 2,6, 11,22), bald schneidet er in gleichem Niveau mit ihm ab (Fig. 10,18), oder er zeigt sogar am vorderen und hinteren Ende eine muldenartige Vertiefung, über welche nun umgekehrt sich der Randwulst etwas weiter emporhebt (Fig. 3). Das mittlere Keimblatt lässt bei allen Missbildungen, die mikrotomirt wurden, schon eine Gliederung in Ursegmente er- kennen, deren Zahl sich mir auf 10 bis 20 Paar, je nach dem mehr oder minder weit vorgeschrittenen Entwieklungzustand, zu belaufen schien. Am besten sind sie auf Sagittalschnitten, welche die Chorda oder die Medullarplatte getroffen haben, zu unter- scheiden, so auf dem Sagittalschnitt durch einen Randwulst der Miss- bildung des Ba. (Taf. XVI Fig. 5, Taf. XVII Fig. 20). Unter der aus scheibenförmigen Zellen aufgebauten Chorda (Taf. XVII 20 ch) liegen 4 scharf von einander gesonderte Ursegmente (us), die sich von dem übrigen Theil des mittleren Keimblattes oder den Seiten- platten abgeschnürt haben. Fünf Ursegmente (us) sind auf dem Sagittalsehnitt (Taf. XVII Fig. 19) zu sehen, der durch die halbe 368 Oscar Hertwig: Medullarplatte (mp) des Embryo J? (Taf. XVI Fig. T) hindureh- geführt ist. Es bleiben uns jetzt noch die Verhältnisse am Kopf- und Sehwanzende des Embryo genauer zu untersuchen, was am besten an Sagittalschnitten geschieht. Die Bilder fallen bei den mikro- tomirten Embryonen etwas verschieden aus. Bei Embryo Ea (Taf. XVI Fig. 5, Taf. XVII Fig. 8) ist in der Kopfgegend eine noch vollständig offene Himplatte (mp) ent- wickelt. Sie ist zu einer tiefen Rinne zusammengekrümmt, deren vorderer oder äusserer Rand sich in das dünne Hornblatt um- schlägt, während der innere in die Dottermasse übergeht. Eine Chorda fehlt in der Mediangegend, tritt aber in einiger Entfernung seitlieh von ihr auf. Dies sieht man an dem Querschnitt (Taf. XVII Fig. 11 ch) und an dem ganz lateralwärts geführten Sagittalschnitt (Fig. 20 eh). Bei dem vorliegenden Embryo fehlt jede Einstülpung, welche die erste Anlage einer Kopfdarmhöhle darstellen würde. Dagegen tritt uns eine solche, wenn auch noch wenig ausgeprägt, bei Embryo J? (Taf. XVI Fig. 7 kd u. Taf. XVII Fig. 15) entgegen. Hinter der eingekrümmten verdiekten Hirnplatte (mp) folgt ein kleiner, durch Einstülpung entstandener Hohlraum (kd), dessen Ausmündung schon beim Studium der ganzen Embryonen wahr- genommen werden konnte. In Folge dessen geht der innere Rand der Hirnplatte nicht wie oben direet in die Dottermasse, sondern in eine einfache Lage grosser Dotterzellen über, welche die vordere Wand der Kopfdarmhöhle begrenzen und an ihrem Grund in die compaete Dottermasse umbiegen, welche die hintere Wand herstellt. Bedeutend weiter entwickelt ist die Kopfdarmhöhle bei den Embryonen Mu.B (Taf. XVl, Fig. 10 u. 2). Dieselbe reicht jetzt, wie die Sagittalschnitte lehren (Taf. XVII, Fig. 9 u. 16 kd), nieht nur bis zum Grund der Dottermasse im die Gegend der Haftscheibe (h) herab, sondern hat bei Embryo M (Taf. XVII, Fig.9) auch noch eme Ausstülpung nach vorn unter die Hirm- platte (inp) getrieben. Bei der Untersuehung des hinteren Embryonalendes wird niemals eine bald mehr, bald weniger tiefe Einsenkung vermisst, die als Anlage der Beckendarmhöhle oder des Enddarms gelten kann (Taf. XVI, Fig. 1,6, 7 ed und Taf. XVIl, Fig. 8, 9, 15, 16\ed). Sie trennt die Dottermasse von den beiden als Schwanzknospen (sk) bezeichneten Höckern, mit welchem der Randwulst nach Urmund und Spina bifida. 369 hinten aufhört und zwischen welche sich m der Medianebene die intermediäre Zellenmasse mit der Afterrinne (ar) hineinschiebt (Taf. XVI, Fig. 1 ar). Jede Schwanzknospe (Taf. XVII, 8, 9, 15, 16 sk) lässt theilweise 3 Schichten, den 3 Keimblättern ent- sprechend, erkennen. 1) nach Aussen das schwarz pigmentirte Eetoderm, 2) nach Innen ein oder mehrere Lagen grosser Dotter- zellen, welehe die hintere Wand der Beekendarmhöhle bilden, 3) zwischen beiden eine dieke Lage kleiner, gleichfalls schwarz pigmentirter Zellen, das mittlere Keimblatt. Am Ende der Schwanz- knospe fehlt eine Strecke weit eine Abgrenzung der 3 Schichten gegen einander. Sie gehen mit einer kleinzelligen Masse in ein- ander über, in welche häufig eine kleine Furche etwas einschneidet (siehe die Einkerbung auf Taf. XVII, Fig.9u.15 zwischen der Urmundlippe ‚ul, und der Darmfalte ‚di. Ehe ich zur Beschreibung etwas weiter entwickelter Em- bryonen übergehe, scheint es mir zuvor geboten, auf die Frage, die sich jeder Leser schon selbst aufgeworfen haben wird, näher einzugehen: Wie ist diese abnorme, merkwürdige Embryonalform entstanden und in welchem Verhältniss steht ihre Entwicklung zur normalen Entwicklung der Amphibien und der Wirbelthiere? Obwohl ich zu meinem Bedauern nicht in der Lage gewesen bin, frühere Entwicklungsstadien dieser Missbildungen - unter meinen Vorräthen zu finden, so glaube ich doch, dass sich aus den mit- getheilten Befunden mit ziemlicher Sicherheit einige Rückschlüsse machen lassen. Ohne Zweifel hat ein vollständig gestörter Gastrulations- process stattgefunden. Die abnorme Entwicklung muss schon vom Blastulastadium an sich bemerkbar gemacht haben. Beim ge- wöhnlichen Verlauf bildet sich von einem kleinen Bezirk aus eine Einstülpung, die allmählich tiefer wird an der Stelle, welehe wir mit Götte als Randzone bezeichnen, und an welcher die animalen, pigmentirten Zellen in die grösseren, nicht pigmentirten Dotterzellen übergehen. Im Anschluss an das zuerst entstandene Säckehen kommt allmählich ein immer grösserer Theil der vege- tativen Keimblasenhälfte oder der Dottermasse in das Innere des Doppelbechers zu liegen. Hierbei verengt sich der Urmund in entsprechendem Maasse bis zu emem kleinen Loch, noch ehe sich die Medullarwülste ausbilden; dann schliesst er sich ganz. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 5 370 Oscar Hertwig: Dieser Vorgang muss hier jedenfalls ganz abgeändert sein, er ist . dureh einen anderen Modus, der sich aber auch als eine Art Gastrulation bezeichnen lässt, ersetzt worden. Ich denke mir, dass sich zunächst die Keimblase in einer Richtung etwas verlängert und sich von der Rücken- zur Bauch- fläche etwas abplattet. In Folge dessen wird die Blastulahöhle ganz oder theilweise zum Schwund gebracht werden. Die ani- malen Zellen bilden dann an der zukünftigen ventralen Seite des Eies um die eompaete Dottermasse eine Hüllschicht, das äussere Keimblatt. Gleichzeitig wird die Randzone oder die Uebergangsstelle der animalen und der vegetativen Zellen zuerst am vorderen Ende des Eies, dann von hier nach hinten fortschreitend in ganzer Ausdehnung in Wucherung gerathen und sich zu einer Art von Keimring umgestalten, von dem in erster Linie alle Entwick- lungsprocesse ausgehen. Auf der linken und rechten Seite des ovalen Eies wachsen vom Keimring Zellenmassen zwischen Dotter und äusserem Keimblatt nach abwärts und liefern das mittlere Keimblatt. Stellen wir uns den Vorgang als einen Einfaltungs- process vor, so erhalten wir einen Befund, wie er auf Tafel XX, Fig. 17 in einem Schema dargestellt ist. Durch Einfaltung an der Randzone ist ein Säckchen entstanden, dessen viscerales Blatt mit der Dottermasse zusammenhängt, während sich das parietale in das äussere Keimblatt umschlägt. Den äusseren Umschlagsrand will ich weiterhin als Urmundrand bezeichnen. An ihm bildet sich eine wichtige Organanlage aus. Die Eeto- dermzellen wachsen hier bedeutend in die Länge und lagern sich zu einer etwas eingekrümmten Medullarplatte (mp) anein- ander, welche indessen nur der Hälfte einer normalen Rücken- marksanlage gleichwerthig ist. Im weiteren Verlauf der Entwicklung schliesst sich das Säekehen längs des Urmundrandes zu (Taf. XX, Fig. 15). Da- durch tritt der innere Rand der Medullarplatte direet mit der Dottermasse durch eine intermediäre Zellenmasse (v) in Verbin- dung. Im Anschluss daran löst sich das Säckchen mit seinem parietalen und visceralen Blatt von der Medullarplatte und der Dottermasse ab, wobei aus dem Zellstreifen, der in Fig. 17 mit ch bezeichnet ist, als ein neues Organ die Chorda in die Er- scheinung tritt. Damit ist dureh Ineinandergreifen von Ver- Urmund und Spina bifida. 371 schmelzungs- und Trennungsprocessen am Randwulst ein Organi- sationszustand herbeigeführt, wie er bei unseren Missbildungen vorliegt. Wenn man die Vorgänge, wie ich sie hier vorausgesetzt habe, mit den normalen Entwicklungsprocessen eines Froscheies vergleicht, wie sie in den schematischen Figuren 19 und 20 der Tafel XX zum Ausdruck gebracht sind, so wird man leicht finden, dass sie wesentlich dieselben sind und auch zu wesent- lich denselben Resultaten führen, nur muss man von den durch die Lage bedingten Unterschieden absehen. Processe, die sich normaler Weise nahe der Medianebene des Rückens vollziehen, spielen sich hier in der Seitengegend des Embryo an der Ueber- gangsstelle der animalen in die vegetativen Hälfte der Blastula, an der Randzone Götte's, am Keimring, ab. Mit der Verlegung der Bezirke, in denen Nervensystem, Chorda und Ursegmente zur ersten Anlage gelangen, hängt eine sehr auffällige Verschiebung in der zeitlichen Aufeinanderfolge der einzelnen Entwicklungsprocesse auf das innigste zusammen. Normaler Weise wandelt sich die Keimblase der Amphibien erst vollständig in eine Gastrula um; sie wird an ihrer gesammten Oberfläche zweiblätterig. Der Blastoporus ist zu einem ganz kleinen Spalt eingeengt. Erst nach Abschluss des Gastrulations- processes bildet sich auf einem Bezirk der glatten Oberfläche in beträchtlicher Entfernung von dem Urmundrest die Medullarplatte als eine einheitliche, ungetheilte Anlage aus. In allen unseren Missbildungen dagegen ist der Gastrulationsprocess gleichsam in seinen ersten Anfängen stehen geblieben. Nur die Bauch- und Seitenwand des Embryo ist von äusserem Keimblatt überzogen, während an der ganzen Rückenfläche die Dottermasse oder das innere Keimblatt freiliegt. Trotz dieser Hemmung des Gastru- lationsprocesses setzt die für die Wirbelthiere eigenthümliche, höhere Organdifferenzirung (Bildung von Chorda und Rücken- mark) ein, wodurch es zu den hervorgehobenen, örtlichen und zeitlichen Verschiebungen kommt. Die beschriebenen Embryonen sind also ihrem eigentlichen Wesen nach Hemmungsmissbildungen, hervorgerufen durch Störung und Hemmung des Gastrulationsprocesses, der nicht einen rechtzeitigen Beginn und nicht seinen normalen Abschluss gefunden hat. Dadurch kommt ihnen aber em ganz eigenartiges und besonderes 312 Oscar Hertwig: Interesse zu. Denn unter den zahlreichen Hemmungsmissbil- dungen, die man in der Teratologie kennt, ist die hier beobach- tete die am frühzeitigsten im der Entwicklung auftretende. Sie betrifft eines der primitivsten Organisationsverhältnisse nicht nur der Wirbelthiere, sondern des ganzen Thierreiches überhaupt, nämlich die Urmundbildung. Kein Wunder daher, dass die so erzeugte Störung den Grundaufbau des ganzen Körpers be- rührt hat. Der erste Blick auf die Querdurchscehnitte dureh unsere Missbildung kann leicht bei diesem und jenem Leser eime von der. meinigen abweichende Vorstellung wachrufen. Die Eier könnten für Doppelmissbildungen gehalten werden, bei welchen ein jedes Individuum nur zur Hälfte zur Anlage gelangt sei. Eine solche Vorstellung aber erweist sich bei genauerer Prüfung als nicht haltbar. Denn einmal gehen die seitlichen, auf den ersten Blick als Halbembryonen imponirenden Anlagen am Kopf- und Schwanzende contmuirlich in einander über, zweitens können sie sich, wie der folgende Abschnitt zeigen wird, zu einem ziem- lich normal gestalteten Embryo nachträglich verbinden, drittens hängt der hier an erster Stelle besprochene höchste Grad der Hemmungsmissbildung durch alle möglichen Zwischenstufen, die leichtere Grade der Hemmung repräsentiren, mit normal sich entwickelnden Embryonen zusammen, viertens wird für das ganze Ei die Haftscheibe eimfach und nicht, wie man bei Verdoppe- lung doch erwarten sollte, doppelt angelegt. Aus dem Satz, dass unsere Missbildungen Gastrulaformen sind, die in einer Beziehung, im dem Einstülpungsprocess und in dem Verschluss des Urmunds eine Hemmung ihres normalen Ent- wicklungsganges erfahren haben, in anderer Beziehung aber trotz- dem fortgeschritten sind und schon die wichtigsten Organanlagen des Wirbelthierkörpers ausgebildet haben, lassen sich einige interessante Uonsequenzen für die Morphologie des Wirbelthier- körpers ziehen. Zu dem Zwecke wollen wir die Missbildung auf ein vereinfachtes Schema redueiren, indem wir uns die Dottermasse im der Figur 17 (Tafel XX) aufgebraucht und ihren Platz durch eine einfache Schicht von Darmdrüsenzellen einge- nommen denken. Wir erhalten auf diese Weise eine Gastrula- form, bei welcher der noch weit offene Urmund, der vom Kopfe nach dem Schwanzende zu etwas in die Länge gezogen ist, aa 1 [S%) Urmund und Spina bifida. ringsum von der Anlage des Nervensystems eingeschlossen ist. ‘Die Urmundränder selbst bilden eine etwas gekrümmte, nach aussen frei liegende Nervenplatte, einen Medullarring. Eine solehe primitive Form des Nervensystems findet sieh in der That in einzelnen niederen Abtheilungen des Thierreichs dauernd erhalten. Sie kommt den höchst organisirten Polypen zu, den Aetinien, bei denen sie durch meinen Bruder und mich (26) entdeekt worden ist. Eine solche Lage des Centralnerven- systems ist offenbar eine äusserst zweckmässige, weil am meisten centrale, da allein am Urmund die verschiedenen Schichten des Körpers, seine äussere und seine innere Oberfläche, in ausge- dehnter, direeter Verbindung stehen. Von hier aus können da- her sensible Nervenzweige am äusseren Rand der Medullarplatte entspringend sieh direet zu den Sinnesorganen begeben, indem sie sich im Verlauf der Hautsehicht ausbreiten. Umgekehrt ge- langen‘ Nervenfasern, die vom inneren Rand der Medullarplatte ausgehen, zu den Muskelmassen, die sich aus dem ins Innere der Gastrula eingestülpten Zellenmaterial, innerem Keimblatt (Actinien), mittlerem Keimblatt (3blättrige Thiere) entwickeln. Das periphere Nervensystem zerlegt sich so ganz naturgemäss nach seiner örtlichen Entstehung in einen sensiblen, von dem äusseren Rande des Nervenrings, und in einen motorischen, von seinem inneren Rand ausgehenden Abschnitt. Indem auch bei den Wirbelthieren das Centralnervensystem, wie unsere Missbildungen so deutlich zeigen, als Ring in der Umgebung des Urmunds zur Anlage kommt, bietet sich eine sehr einfache, von mir (25) schon früher kurz dargelegte, morphologische Erklärung für den Bell’sechen Lehrsatz oder die Thatsache des getrennten Ursprungs der sensibeln und motorischen Wurzelfasern. Die ersteren haben sich im Anschluss an das äussere Keimblatt aus der äusseren oder dorsalen Kante, die letzteren im Anschluss an die Muskelsegmente aus der inneren oder ventralen Kante einer Rückenmarkshälfte entwickelt. Sensible und motorische Nerven brauchen nur dem schon in der natürlichen Schichten- folge der Keimblätter vorgezeichneten Wege zu folgen, um di- reet zu ihren Endorganen zu gelangen, die sensiblen Fasern zu den im Eetoderm gelegenen Sinnesorganen, die motorischen Fasern zu den aus dem Mesoderm entstandenen Muskelprimitivbündeln. Die Beziehungen des Centralnervensystems der Wirbelthiere 374 Oscar Hertwig: zum Urmund (Primitivrinne, Blastoporus) sind schon oft erörtert und anerkannt worden. Dabei ist ein Punkt im Unklaren ge- blieben, die Ausdehnung nämlich, in welcher der Urmund das Centralnervensystem seiner Länge nach gespalten hat. Durch die vorliegende Hemmungsmissbildung ist auch in diese Frage mehr Klarheit gebracht. Die Urmundspalte hat ur- sprünglich das ganze Üentralnervensystem in zwei gleiche, an ihren Enden zu einem Ring geschlos- sene Hälften zerlegt. Wie die dorsale Commissur des Hirn- hückenmarks ist auch die ventrale erst seeundär dureh Ver- wachsung entstanden. Ueber die Art und Weise, wie sich die- selbe bei den Wirbelthieren in den einzelnen Fällen vollzieht, werde ich in einigen Schlussbetraächtungen noch einmal ausführ- lieher zurückkommen, wenn wir auch mit späteren Stadien der Missbildung bekannt geworden sind. Meine Vergleichung des Centralnervensystems der Wirbel- thiere auf seiner ersten Entwicklungsstufe mit der ringförmig den Mund umgebenden Nervenplatte der Actimien oder allgemeiner gesagt der Anthozoen berührt sich in mehrfacher Hinsicht mit phylogenetischen Speculationen, die von A.Sedgwick (66) und in Jüngster Zeit von Lameere (35) über den Ursprung der Wirbel- thiere angestellt worden sind. „Tous les eoelomates descendent une forme comparable aA un seyphoenidaire du groupe des Ac- tinozoaires dont les loges mesenteriques se seraient detachees de la portion axiale de la cavite digestive.*“ Die Verwandt- schaft begründet Lameere auf die den Urmund umgebende Ringform des Nervensystems und auf die Septenbildung der Actinien, namentlich des Cerianthus, in welcher er einen Vor- läufer der in Ursegmente abgetheilten Leibeshöhle erblickt. Als weitere ähnliche Merkmale liessen sich hinzufügen die Entstehung der Muskulatur und der Geschlechtsproduete, die in letzter In- stanz von Epithelzellen des inneren Keimblatts abstammen, da sich aus diesem das mittlere Keimblatt abgliedert. In der Constatirung «dieser thatsächlichen Verhältnisse stimme ich mit A. Sedgwick und Lameere überein, möchte dagegen dieselben nicht zu phylogenetischen Schlussfolgerungen verwenden, welche ja ihrer Natur nach nur Hypothesen von sehr zweifelhaftem Werth sein können. Ich kann hier nur den Gesichtspunkt wiederholen, den ich in der Monographie der Urmund und Spina bifida. DE) Chaetognathen ausgesprochen habe: „Aus allen diesen Analogieen beabsichtige ich in keiner Weise eine nähere Verwandtschaft der vergliehenen Thierabtheilungen wahrscheinlich zu machen. Denn es gibt im der Entwicklung des Organismus gewisse Grund- gesetze, nach welchen die Anlage der Gewebe und Organe er- folgt, aus deren Nachweis bei verschiedenen Thieren aber nicht sofort auf eine nähere Verwandtschaft geschlossen werden muss, ebenso, wenig wie man aus der Gleichheit eines Zelltheilungs- processes solches thun wird.“ Je einfacher die Verhältnisse werden, um so mehr ergeben sich nach den verschiedensten Rich- tungen hin Vergleichspunkte. Von der Grundform eines Bechers lassen sich alle Metazoen ableiten, wodurch aber noch nieht der Schluss gerechtfertigt wird, dass die Wirbelthiere von einer Hydra abstammen. Den wissenschaftlichen Nutzen, der aus dem Vergleich der Entwieklungszustände höherer Thiere mit entwickelten niederen Organismen und aus der Aufdeckung von Analogieen zwischen beiden erwächst, suche ich hauptsächlich darin, dass wir Form- zustände, die in der Entwieklung der höheren Thiere nur als Anlagen erscheinen, bei niederen Thieren als funetionirende Ein- richtungen kennen und darum besser in ihrer Bedeutung wür- digen lernen. Der Zellenstab, den wir in der Entwicklung eines Vogels und Säugethieres Chorda nennen, wird uns in seiner Be- deutung erst verständlich, wenn wir bei einem ausgebildeten Cyelostomen die Chorda als ein. histologisch differeneirtes Gre- bilde, als eine Skeletaxe, wirklich in Funetion sehen. In gleicher Weise wird uns durch die bei den Actinien erhaltenen Befunde verständlich, wie auf niederer Stufe um den Urmund herum sich ein Nervensystem anlegen und funetioniren kann. II. Gruppe der Missbildungen. Partielle Urmundspalte in der Rückengegend. Wie schon hervorgehoben, bieten die Formen mit partieller Urmundspalte so zahlreiche Variationen dar, Störungen bald schwereren, bald leichteren Grades, dass ich sie, um eine über- sichtliche Darstellung geben zu können, am besten in 2 Unter- gruppen theile. 876 Oscar Hertwisg: l. Missbildungen mit partieller Urmundspalte in der .Rückengegend auf einem frühen Entwicklungsstadium. (TatelxXVT Rıer9,. 11726718, 19) Die Formen dieser Gruppe schliessen sich an die bisher besprochenen ganz unmittelbar an, insofern noch der grösste Theil des Urmunds geöffnet ist und den Dotter nach aussen hervor- treten lässt; sie unterscheiden sich aber von ihnen dadurch, dass sie durchschnittlich etwas weiter entwiekelt sind, was sich in der grösseren Zahl der abgegliederten Ursegmente zu erkennen gibt. Dazu gesellt sich noch als zweites und wichtigstes Unter- scheidungsmerkmal, dass bei ibnen ein kleiner Theil der Kopf- region in nahezu normaler Weise ausgebildet ist. 3ei Betrachtung der Missbildungen im Ganzen sind die eben hervorgehobenen Unterschiede nicht so auffällig, erst bei Durehmusterung von Schnittserien kommen sie zu unserer vollen Kenntniss. Bei allen ist eine Haftscheibe wie bei einem Theil der früher besprochenen Missbildungen an der ventralen Fläche des Kopfendes entwickelt (Taf. XVI, Fig. 16 und 18h). Das Vorhandensein eines kleinen Kopfabschnitts kann man bei der Rücken- und Seitenansicht daran erkennen, dass der frei- liegende Dotter nach vorn nicht von einem schmalen, dunkler pigmentirten Wulst eingesäumt ist, sondern dass sich hier ein grösseres, pigmentirtes Feld vorfindet (Taf. XVI, Fig. 6, 9, 12, 18, 19k). Meist sieht man noch gleich hinter demselben auf der Oberfläche des Dotterhügels eine runde Oeffnung oder eine quergerichtete Spalte, die in die Kopfdarmhöhle führt (kd). Die seitlichen Wülste (ur), welche das Dotterfeld in der Mitte einsäumen, zeigen im Vergleich zu den in der ersten Gruppe untersuchten Eiern wohl keine Veränderung und stehen oft noch ebenso weit auseinander. Das Schwanzende dagegen hat sich wieder erheblicher verändert, es ist zugleich der Theil, der in seinem Aussehen am meisten variren kann. In: den Figuren 11, 12, 15 (Taf. XVIP) haben sich die Schwanzknospen (sk) gegen früher (Fig.1, 2, 7 sk) etwas ver- srössert und sind durch einen tiefen Einschnitt getrennt. An dem nach der Ventralseite führenden Ende des letzteren findet sich die schon früher besprochene Afterrinne mit noch grösserer Deut- lichkeit ausgeprägt (Fig. 9, 11, 13, l4ar). Sie wird von zwei Urmund und Spina bifida. 317 kleinen Falten (af) umsäumt, die nach der Ventralseite zu in einander umbiegen, ähnlich den Primitivfalten im der Umgebung der Primitivrinne. In den Figuren 18, 19, 15, 16 endlich sind die Schwanz- knospen zu langen Fortsätzen (s) ausgewachsen. Niemals fallen dieselben in ihrer Riehtung mit der Längsaxe des Körpers zu- sammen, sondern sind meist unter reehtem Winkel nach der Rückenfläche zu umgebogen, was man am besten bei seitlicher Betrachtung der Embryonen erkennt. Zuweilen ist die Umbie- gung noch stärker und kann einen solehen Grad erreichen, dass das Ende der Schwanzfortsätze zur Längsaxe des Körpers pa- rallel verläuft, sich über «den Dotter herüberlegt und mit der Spitze nach dem Kopfe zu gerichtet ist (Fig. 21 u. 23). Beim Auswachsen können in seltenen Fällen die Schwanzfortsätze bis zum Grund, wo die Afterrinne liegt, getrennt bleiben (Fig. 16 bis 19). Gewöhnlich aber beginnen sie von der Ursprungsbasis an unter einander zu verschmelzen, so dass nur noch die. End- kuppen sich als letzte Anzeichen der ursprünglichen Verdoppe- lung erhalten. Die Nahtstelle ist in den Figuren 11 und 14 deut- lich wahrzunehmen und durch den Buchstaben n bezeichnet. Durehschnitte, die in verschiedener Richtung angefertigt wurden, werden uns jetzt nach einem genaueren Eimbliek in den feineren Bau der Kopfregion, des noch mit der Urmundspalte versehenen Mittelstückes und des Schwanzendes verschaffen. Durch den Embryo O (Taf. XVI, Fig. 12 u. 11) wurden Längs- schnitte angefertigt, von denen Fig. 4 (Taf. XVII) einen der Median- ebene nahe gelegenen darstellt. Im geschlossenen Kopftheil ist ein in mehrere Blasen gegliedertes Hirnrohr (mr) enthalten. Unter ihm liegt mit Ausnahme seines vorderen Drittels eine Chorda (ch), die nach vorn spitz zuläuft, nach rückwärts dagegen dieker als normal ist. Nervenrohr und Chorda stossen nach hinten an die freiliegende Dottermasse an und hören auf dem Längsschnitt mit scharfer Contour auf. Construirt man sich aus der Sehnitt- serie das körperliche Bild, so überzeugt man sich, dass an den mit einem Kreuz bezeichneten Stellen beide Organe sich in zwei Hälften spalten, um die Dottermasse von beiden Seiten im Bogen zu umziehen. Kurz vor der Theilung des Nervenrohres hat sich rechts und links ein Hörbläschen von der Oberhaut abgeschnürt, so dass wir die Stelle, wo der Kopf als geschlossenes Gebilde 918 Oscar Hertwig: aufhört, in die Gegend des verlängerten Marks verlegen können. Die untere Hälfte des Kopfes wird von der Kopfdarmhöhle (kd) eingenommen, die in mehrere Buchten ausläuft und von hohem Cylinderepithel ausgekleidet wird. Sie öffnet sich nach aussen durch einen feinen Spalt, der dureh die Dottermasse dorsalwärts aufsteigt und unmittelbar hinter dem Kopfende zu dem schon in der Flächenansicht wahrgenommenen Grübehen führt (Taf. XVI, Fig. 12; Taf. XVII, Fig. 4 (kd*. Der Spalt trennt von der Dottermasse eine «dünne Schieht ab, die an das hintere Ende der Chorda und des Nervenrohrs angrenzt. Eine Ergänzung zu den Sagittaldurchschnitten gewähren uns (uerschnitte, welehe durch Embryo N (Taf. XVI, Fig. 9) an- gefertigt wurden. Der vorderste Abschnitt des Gehims bis zur Gegend des Mittelhirns ist normal entwickelt. So zeigt uns Figur 1 (Taf. XVIID einen Sehnitt, der etwas schräg durch das Zwischenhirn hindurchgegangen ist. Auf der rechten Seite ist die Ausstülpung der Augenblase (ab), linkerseits dagegen nur die Abgangsstelle derselben getroffen, während der übrige Theil der Blase auf den weiter nach vorm gelegenen Schnitten zu finden ist. Der Boden «des Zwischenhirns ist zum Trichter (t) ausgestülpt und grenzt an die ziemlich geräumige Kopf- darmhöhle (kd). Unter dieser folgt mittleres Keimblatt, das eine kleme Kopfhöhle links und rechts erkennen lässt. Die Verdiekungen an der ventralen Fläche des Eetoderms rühren vom hinteren Ende der Haftscheibe her (Taf. XVII, Fig. 1 und 2h). Endlich hat sich von der Oberhaut schon das Hörbläs- chen (Fig. 1 hb) abgeschnürt, welches wegen der schrägen Richtung des Schnittes nur Iinkerseits zu finden ist, während (das rechte erst auf einem späteren Schnitt der Serie (Fig. 2 hb) folgt. Figur 2 gibt uns zugleich eine Vorstellung von der Theilung des Hirnrohrs, wie sie in Folge des Offenbleibens des Urmunds hervorgerufen wird. Von einem mittleren unpaaren Abschnitt des Hirnrohrs, der wohl der Gegend des Mittelhirns entspricht, buchten sich 2 seitliche Blasen (mr) aus, die wohl das Bildungsmaterial des verlängerten Marks enthalten. Links ist der Hohlraum, rechts die vordere Wand der Ausstülpung getroffen. Die Decke des so in 5 Lappen getrennten Gehirns wird nur durch eine ganz dünne Epithelsehieht hergestellt, au welcher sich die Oberhaut Urmund und Spina bifida. 379 unmittelbar als eine ebenso feine Membran anschliesst. Eine er- hebliehere Dieke bieten nur die Seitenwandungen der beiden Aussackungen dar. Unter der linken ist das vordere spitz zu- laufende Ende einer Chorda (ch) zu sehen, die hier emen ziemlich queren Verlauf einschlägt. Auch auf der anderen Seite ist wenige Schnitte später eine ebensolehe Chorda unter der anderen Aus- stülpung wahrzunehmen. Es ist bei Embryo N also der unter dem Gehirn gelagerte Theil der Chorda in zwei vollständig ge- sonderten Hälften angelegt. Auf späteren Schnitten schwindet dann der mittlere Theil der Hirnanlage. Rechte und linke Ausstülpung sondern sieh von einander und bilden jede auf dem Querschnitt ein Rohr, das lateralwärts verdiekt ist und aus langen, spindeligen, in einander geschobenen Zellen besteht, während es medianwärts nur durch eine dünne Lage abgeplatteter Zellen geschlossen wird. An jedes Rohr grenzt der Querschnitt einer Chorda. Wir kommen jetzt in der Sehnittserie in die Gegend, wo das im Ganzen normal gebildete Kopfende ganz aufhört und zwischen die gespaltenen und auseinander gewichenen . Centralorgane desselben, zwischen die linke und rechte Hälfte von Nervenrohr und Chorda ete. sich die Dottermasse durch den often gebliebenen Urmund dazwischen schiebt. Ein etwa in der Mitte dieses Abschnitts gelegener Schnitt ist in Figur 3 und ein kleiner Theil desselben, die Gegend des Urmundrandes bei noch stärkerer Vergrösserung in Figur 4 abgebildet. Links und rechts von dem Dotter, der als ein Hügel nach aussen hervorsieht, finden sich die beiden Rückenmarkshälften (mr). Diese stellen nicht mehr wie bei den früher untersuchten Embryonen der ersten Gruppe (Taf. XVII, Fig. 2, 3 mp) frei zu Tage liegende Platten dar, sondern haben sich zu einem Rohr geschlossen. Wie beim normalen Verschluss des Rückenmarks hat sich auf jeder Seite der Medullarwulst mehr über die Oberfläche erhoben und sich dabei nach der Medianebene zu eingekrümmt, bis er mit dem Faltenrand die in Figur2, Taf. XVII mit v bezeichnete Ver- bindungsstelle der Medullarplatte mit dem Dotter getroffen hat und mit ihr verwachsen ist. Das so entstandene Rohr (Fig. 4 mr) entspricht nur einer halben Rückenmarksanlage. Denn nur seine äussere Wand zeigt die zellige Zusammensetzung einer Nerven- platte, die innere besteht aus einer dünnen Schicht platter Zellen, 980 Oscar Hertwig: die medianwärts unmittelbar an die grossen Dotterzellen angrenzen. Trotz des verhinderten Verschlusses des Urmunds hat sieh also das Centralnervensystem von seinem Mutterboden abgetrennt. Es liegt nun am Urmundrand bedeckt nach aussen und oben von einer dünnen Oberhaut, grenzt mit der Innenfläche an den Dotter, der das Darmdrüsenblatt vertritt und ruht nach unten auf der Chorda, die einen runden, allseits scharf abgegrenzten Strang darstellt. An manchen Schnitten liegt zwischen Rückenmark und Epidermis ein Zellenknötchen (Fig. 4 g), das durch Wuche- rung der untersten Zellenlage der letzteren entstanden zu sein scheint; es ist die Anlage eines Spinalganglions. Von aussen und unten wird die Chorda von dem Ursegmente (us) umfasst, das von dem übrigen Theil des mittleren Keimblatts, der Seitenplatte, scharf abgesetzt ist. Um unseren Einblick in die Verhältnisse des Kopfendes bei dieser zweiten Gruppe von Missbildungen zu vervollständigen, gehe ich noch kurz auf die Befunde ein, die uns Quersehnitts- serien dureh die Embryonen Bg, F und X darbieten. Bei Embryo Bg (Taf. XVI, Fig. 18 u. 19) ist nur im vor- dersten Kopfende ein kleines Stück eines normalen Hirnrohres eingeschlossen; nach rückwärts (Taf. XVII, Fig. 16) dehnt sich dasselbe rasch in die Breite aus, wobei nur die Seiten- wandungen (mr) verdickt bleiben, der Boden und die Decke dagegen sich zu emem äusserst feinen Epithelhäutchen (vp) ver- dünnen. Im der Mitte zwischen den auseinander gewichenen Hälften tritt in der Medianebene eine Chorda (ch) auf, die über die Maassen stark entwickelt ist. Sie sendet nach rechts einen Seitenast ab, der sich unter die entsprechende Hirnhälfte schiebt, während nach links ein kleinerer Höcker hervorsieht. Das Bild erklärt sich bei Durehmusterung der Schnittserie in der Weise, dass die Chorda nur ganz am Anfang unpaar angelegt ist und die richtige Stellung zwischen Hirn und Kopfdarmhöhle (kd) einnimmt, dann aber sich in 2 auseinander weichende Arme spaltet, von denen der rechte ansehnlicher entwickelt ist. Auf den fol- senden Schnitten sieht man dementsprechend das mittlere Stück der Chorda schwinden zugleich mit den beiden Epithellamellen, welehe sich in Fig. 16 vp zwischen den beiden Hirnhälften aus- spannten. Gleichzeitig öffnet sich die Kopfdarmhöhle an ihrer Urmund und Spina bifida. 381 oberen Wand nach aussen. So kommt schliesslich das in Figur 17 (Tat. XVIII) dargestellte Quersehnittsbild zu Stande. Die Mitte der Figur 17 nimmt die in grosse Zellen abgetheilte Dottermasse ein, dureh welche von oben nach unten ein spalt- förmiger Hohlraum (kd) einschneidet, der nach vom mit der Kopfdarmhöhle zusammenhängt und nach oben an der Oberfläche des freiliegenden Dotters mit der schon bei der Flächenbetraehtung (Tat. XVI, Fig. 19 kd) wahrgenommenen Grube ausmündet. Zu beiden Seiten wird der obere Rand des Dotters oder der Eingang in die noch offen gebliebene Urdarmhöhle von den ausemander- gewichenen Hälften des Medullarrohrs und der Chorda begrenzt. Dieselben sind links und rechts in verschiedener Weise entwickelt. Links setzt sich an den Dotter dureh ein schmales Verbindungs- stück eine dieke Medullarplatte an, über deren Oberfläche sich eine Strecke weit das Homblatt herüberschiebt. Unter der Vereinigungsstelle der Medullarplatte mit dem Dotter ist der Querschnitt emer sehr verkümmerten Chordaanlage (ch?) zu sehen. Rechts dagegen ist die Anlage des halben Rückenmarks zu einem Rohr (mr) geschlossen in der Weise, die für den Embryo N be- reits erwähnt wurde. Ueber das Rohr geht das Hornblatt weg und setzt sich an den Dotter an. Die Chorda (eh) endlich ist auf dieser Seite als ein ansehnlicher Strang entwickelt. Beim Embryo F (Taf. XVI, Fig. 15) ist der Urmund nicht nur im Bereich des Kopfes, an welchem sich bereits die Hörbläschen vom Hornblatt abgetrennt haben, sondern auch noch an einem angrenzenden Theil des Rückens zum Verschluss gekommen. Dureh die Uebergangsstellen des geschlossenen in den gespaltenen Theil des Urmunds sind die in den Figuren 18—21 (Taf. XVII) dargestellten Querschnitte hindurchgeführt. Auf dem ersten der- selben ist das Rückenmark schon stark verbreitert und seine Deeke zu einer dünnen Epithellamelle verwandelt. Von dieser geht nach der Grundplatte des Rückenmarks eine dünne Scheidewand (Figur 18 sch) aus, die sich auf mehreren Sehnitten der Serie findet und aus abgeplatteten pigmentirten Epithelzellen zusammen- gesetzt ist. Sie trennt den Centralkanal in eine linke und rechte Abtheilung. Zwischen Rückenmark und Darm, der mit grossen Dotterzellen gefüllt ist und nur einen senkrechten, engen Spalt (kd) als Höhle aufweist, schiebt sich die unpaare Chorda (eh) dazwischen, welche ebenfalls in querer Richtung verbreitert 382 Oscar Hertwig: ist. Auf einem der folgenden Schnitte (Fig. 19 ch) hat diese -Verbreiterung noch mehr zugenommen. Ebenso sind die Seiten- hälften des Rückenmarks, in dessen weitem Centralkanal die Scheidewand wieder geschwunden ist, ein wenig mehr ausein- ander gewichen. Noch weiter nach hinten (Fig. 20) hat sich die Chorda in einen starken rechten (eh) und einen sehr unansehn- lichen, Jinken Strang (ch!) getrennt. Das noch breiter gewordene Rückenmark hat sich durch Schwund der dünnen Decke nach aussen geöffnet. Mit seiner unteren Fläche ist es zwischen den auseinander gerückten Hälften der Chorda mit der oberen Wand des Darms eine kleine Strecke weit verschmolzen (Fig. 20). Endlieh ist in der Figur 21, welche einen der nächsten Quer- schnitte darstellt, die Trennung in allen Organen vollständig durchgeführt. Zwischen beiden Rückenmarkshälften ist die Grund- platte ganz geschwunden, so dass nur die Dottermasse des Darms direet in die Lücke eintritt und sich durch ein Zwischenstück mit der linken und rechten Medullarplatte in Verbindung setzt. Dabei hat der oben erwähnte spaltförmige Hohlraum im Dotter die obere Darmwand durchbrochen, in Folge dessen die Kopf- darmhöhle auch bei diesem Embryo wie in allen früheren Fällen eine direete Ausmündung an dem Rücken zwischen den Urmundrändern erhalten hat. Bei Durehmusterung der Schnittserien durch den Rücken von versehiedenen Embryonen fällt die oft ungleiche Entwick- lung der Organhälften an den beiden Urmundrändern auf. Von dem vollständig symmetrischen Verhalten, welches uns z. B. die Embryonen J und N zeigten (Taf. XVII, Fig. 2 und 3; Taf. XVII, Fig.3 u. 4, führen Uebergänge (Taf. XVII, Fig. 17 und 20) zu Befunden, in denen es auf einer Seite des Urmunds zu gar keiner Organanlage gekommen ist. Einen solchen extremen Fall bietet uns Embryo X (Tafel XVI Fig. 15 u. 16), bei welchem die Organdifferenzirung im Innern schon grosse Fortschritte gemacht hat. Der Kopf ist nur im vordersten Abschnitt annähernd normal gebildet und mit Haftscheibe (h) und Ohrbläschen ausgestattet. Dann beginnt sehon am Rücken die Urmundspalte, die weit geöffnet und von freiliegender Dottermasse erfüllt ist. Wie schon die Untersuchung des ganzen Embryo im auf- fallenden Licht lehrt, ist auf der linken Seite (Fig. 16) der Urmund und Spina bifida. 383 Urmundrand (us) zu einem dieken Wulst entwiekelt, der nach hinten in ein langes Schwanzende (s) ausläuft, der sich von der Dottermasse abhebt und dann dorsalwärts rechtwinklig umge- bogen ist. Auf den Durehsehnitt untersucht zeigt sich der Wulst (Taf. XVIII, Fig. 27) zusammengesetzt 1) aus einer halben Rücken- marksanlage (mr), die sich in der bekannten Weise zu einem Rohr geschlossen hat und vom Hornblatt überzogen ist, das sich an den Dotter ansetzt; 2) aus einer kräftigen Chorda (ch); 3) aus einem Ursegment, dessen Zellen schon in der Differenzirung zu Muskelprimitivbündeln begriffen sind. Auf der entgegengesetzten Seite (Taf. XVI, Fig. 15) ist der Urmundrand (ur) kaum angedeutet durch einen braun pigmen- tirten Streifen, der die aus Dotterzellen bestehende Rückenfläche von der mit pigmentirten Zellen überzogenen Bauchfläche scheidet. Hier und da erhebt sich der Streifen als kleine Falte ein wenig über die Oberfläche, namentlich nach dem Schwanzende zu, wo er in die Begrenzung der Afterrmne (ar) übergeht. An Quer- schnitten können wir uns dann auf das sicherste überzeugen, dass am rechtsseitigen Urmundrand jede Organentwicklung unter- drückt ist (Taf. XVIIL, Fig. 27 ur). Keine Spur einer Rücken- marksanlage, einer Chorda, selbst eines mittleren Keimblatts ist vorhanden. Die Dottermasse wird auf der ganzen rechten Seite nur von einer dünnen Eetodermschieht überzogen, welche sich an der Stelle des Urmundrands an die Dotterzellen ansetzt und dabei an einzelnen Streeken zu einer mehr oder minder weit vorspringenden Falte erhebt. Die rechte Schwanzknospe fehlt. Auch am Kopfende wird auf der rechten Seite die Hirnblase nur in einer dünnen Epithelschieht gebildet. Die Uebergänge, welche zu diesem extremen Fall einseitiger Verkümmerung hinleiten, bieten uns die Querschnitte dureh die Mitte des Rumpfes der Embryonen F und Be. Bei Embryo F (Taf. XVI, Fig. 13; Taf. XVII, Fig. 20 u. 21) ist die rechte Chorda (ch) stark, die linke (ch!) wenig ent- wickelt; diese hört sogar in der Mitte des Rumpfes eine Strecke weit ganz auf, so dass die sonst gut entwickelte Medullarplatte direet an die Ursegmente anstösst. In der Schwanzgegend (Fig. 22, 23) stellt sie sich dann wieder ein, wenn auch immer noch im Verhältniss zur anderen Seite verkümmert. Auch bei einem anderen Embryo konnte ich eme derartige theilweise Chorda- 384 Oscar Hertwig: entwicklung, eine verkümmerte Anlage an einzelnen Strecken, ein vollständiges Fehlen an anderen beobachten. Embryo Bg (Tat. XVI, Fig. 19) endlich ist von Interesse, weil bei ihm sich die mangelhafte Anlage ausser auf die Chorda auch noch auf das Rückenmark erstreckt (Taf. XVII, Fig. 17). Reehterseits ist dasselbe zu einem Rohr (mr) geschlossen, Iinkerseits erhält es sich als offene Platte, und auch diese bleibt hinsichtlich der Masse ihrer Substanz hinter der anderen Seite zurück. Besonderes Interesse für mehrere morphologische Fragen bietet das genaue Studium des Schwanzendes, das uns schon .bei der Flächenbetraehtung der Missbildungen so auffal- lende, vom Normalzustande abweichende Befunde lieferte. Bei 2 Embryonen Bg und X (Taf. XVI, Fig. 18, 19 und Fig. 15, 16) hatten sich die beiden Sehwanzknospen (S), trotz- dem sie bedeutend in die Länge gewachsen waren, getrennt ge- halten. Sie bestehen im Allgemeinen aus einer kleinzelligen Masse, doch lässt ein Querschnitt durch die Basis derselben er- kennen, dass die Organdifferenzirung auch hier schon begonnen hat (Taf. XVIII, Fig. 26). Das Eetoderm ist deutlich als getrenntes Blatt entwickelt, bis auf eine Stelle am Rücken, wo es verdickt ist und in die innere Zellenmasse, das mittlere Keimblatt, über- geht. Nahe dieser Stelle findet sich im der linken Schwanz- knospe der Querschnitt durch die Anlage des Rückenmarks (mr) und der Chorda (eh). Beide sind sehr unansehnlich. Das Rücken- mark ist zu einem kleinen Rohr geschlossen, dessen Wand nur lateralwärts verdickt ist, medianwärts aus einer Lage plattge- drückter Zellen besteht. Auf der eimen Seite wird es vom Eeto- derm, auf der andern Seite vom mittleren Keimblatt begrenzt, in welchem wahrscheinlich, nach anderen Embryonen zu schliessen, auch die Ursegmentbildung schon begonnen hat, was indessen nur an Längsschnitten hätte festgestellt werden können. Die Chorda lagert median, ventralwärts vom Rückenmark. Die rechte Schwanzknospe ist kleiner, weil sie etwas weiter von der Basis entfernt durehsehnitten wurde. Hier lässt sich nur ein kleines Rückenmarksrohr (mr) von der bekannten Beschaffenheit unter- scheiden. Die Chordaanlage dagegen verschwindet in dem klein- zelligen Gewebe, das vom Ectoderm überall abgesetzt ist. Zwi- schen beiden Schwanzknospen ist ein kleiner Höcker getroffen, (las Zwischenstück (z), auf dessen Oberfläche die Afterrinne, die Urmund und Spina bifida. 385 bei den meisten Missbildungen so deutlich entwickelt ist, ihren Weg nimmt. Auf den noch weiter distalwärts folgenden Schnitten hört jede Organdifferenzirung auf oder ist wenigstens nicht mehr erkennbar, so dass nun jede Sehwanzknospe nur aus kleinen, pigmentirten, dieht gedrängten, mesodermalen Zellen besteht, die von einer dünnen Eetodermsehieht überzogen werden. Bei dem zweiten Embryo X (Taf. XVI, Fig.15, 16), bei welchem die Differenzirung der Organe schon erhebliche Fort- schritte gemacht hat, ist nur die linke Schwanzanlage entwickelt, während die rechte vollkommen verkümmert ist, wie der ganze rechte Urmundrand. Auf dem Querschnitt zeigt sie sich zu sammengesetzt aus einer ziemlich ansehnlichen, scharf abge- srenzten Chorda, aus einer zum Rohr geschlossenen halben Rücken- marksanlage, aus Ursegmenten, die schon Muskelfasern differen- zirt haben. Als das wichtigste Ergebniss der auf den letzten Seiten mitgetheilten Befunde betrachte ich die Erkenntniss, dass am hinteren Ende des Embryo der Urmund in einem kleinen Bezirk seine Beschaffenheit- verändert: Während er sonst überall sieh zur Rückenmarks- anlage und zur Chorda differenzirt, zu.ersterer mitseinem,ectodermalen, zu letzterer mit, 8ei- nem entodermalen Blatt, unterbleibt dieser Dif- ferenzirungsprocessiin der Gegend, welche, zur Afterrinne wird. Den sich in die oben genannten Or- gane differenzirenden Theil können wir als Keim- Tune bezeichnen; Derselbie, us t3also nach hinten duwch;ldiesAfterrinne unterbrochen Ansdieser Unterbrechung bilden sich seine beiden Enden zu den Sehwanzknospen aus, die über die After- rinne hinaus wachsen und sich in derselben Weise wie die Keimringhälften in die einzelnen Anlagen, Rückenmark, Chorda, mittleres Keimblatt, wei- ter sondern. | ; Die eben auf die Beschaffenheit ihres Schwanzendes unter- suchten Embryonen Bg und X bilden Ausnahmen unter der Ma- Jorität der Missbildungen. Denn in den meisten Fällen beginnen die beiden Schwanzknospen, sowie sie erheblichere Dimensionen erreichen und über die Oberfläche mehr hervortreten, mit ihren Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 %6 386 Osear Hertwig medianen Flächen unter emander zu verwachsen. Je nachdem - dieser Verschmelzungsprocess frühzeitiger oder später eingeleitet wird, je nachdem er ferner ganz oder nur theilweise beendet ist, kommen recht verschiedenartig aussehende Bilder zu Stande. Die genaue Analyse dieses Vorgangs ist von grossem, morpholo- gischem Interesse, da sie auf die Afterbildung Licht wirft, auf eine Frage, welche in den letzten Jahren mehrfach erörtert worden ist, ohne zu einem recht befriedigenden Abschluss ge- langt zu sein. Im Hinblick auf die oben hervorgehobene Ver- schiedenheit und auf die Wichtigkeit des Gegenstandes theile ich eme grössere Anzahl von Befunden mit, os inir Schnitt- serien durch die Embryonen J (Taf. XVI, Fig.6), N (Fig. 9), (Fig. 11, 12), G (Fig. 14), F (Fig. 13) geliefert Iahe Bei Embryo J! (Taf. XVI, Fig. 6) haben sich die Schwanz- knospen in der Medianebene fest aneinander gelegt und so einen einheitlichen, querverlaufenden Wulst erzeugt, der die Urmund- spalte nach hinten abschliesst. Etwas weiter nach hinten von dem Wulst ist die Afterrinne sichtbar, die nach vorn im einiger Entfernung vom Urmundspalt unschembar beginnt, sich dann weiter vertieft und von deutlich entwickelten Afterfalten, die ventralwärts in einander umbiegen, umsäumt wird. Indem der Wulst sich dazwischen geschoben hat, bildet jetzt die Afterrinne nicht mehr, wie bei Embryo J?, Bm, M, Ba, eine mit der Ur- mundspalte zusammenhängende caudale Ausbuchtung derselben, sondern ist als ein selbständiges Gebilde von ihr abgetrennt. Fig. 13 auf Taf. XVII gibt uns einen Querschnitt durch die Ver- wachsungsstelle, Fig. 14 durch die Afterrinne. In Fig. 13 ist die Verwachsungsstelle bezeichnet 1) durch die Anordnung der Zellen, 2) dureh die dunklere Pigmentirung, so dass dorsoventralwärts ein schwarzer Streifen durch die kleinzellige Masse hindurch- geht, 3) durch eine Einziehung der Oberfläche, in deren Bereich las Eetoderm eine Strecke weit von den tieferen Zellen nicht abzugrenzen ist. Unter den verschmolzenen Schwanzknospen ist ein kleiner Darmraum abgegrenzt, die Beckendarmhöhle, deren Wand ventralwärts aus mehrfach übereinander geschichteten, grossen Dotterzellen besteht. Auf der linken Seite lässt die Schwanzknospe, als direkte Fortsetzung des Keimrings, noch die Organdifferenzirung etwas erkennen. In der klemzelligen Masse setzt sich ein der Dotterfläche parallel verlaufender Zellenstreifen, Urmund und Spina bifida. 387 die Chorda (eh), ab. Die kleinzellige Masse oberhalb wird daher wohl Medullarplatte, unterhalb mittleres Keimblatt darstellen. Nach der Verwachsungsstelle zu gehen alle Keimblätter in ein- ander über in ähnlicher Weise, wie es im Bereich des Primitiv- streifens bei den Wirbelthieren geschieht. Eine Anzahl Schnitte weiter rückwärts (Fig. 14) ist die Beckendarmhöhle bis auf einen queren Spalt verschwunden, der von Dotterzellen umgrenzt wird. Das Eetoderm ist dorsal- wärts verdickt und zeigt in der Medianebene eine trichterförmige Einsenkung, die von 2 über die Oberfläche vortretenden Falten des Eetoderms umsäumt wird. Die Eetodermzellen sind an dieser Stelle ziemlich hoch, fast eylindrisch geworden. Auf einer ganzen Reihe von Schnitten kehrt dieses Bild in ziemlich ähnlicher Weise wieder. Im Bereich der Afterrinne ist nun eine Stelle besonders dadurch ausgezeichnet, dass an ihr die Eetoderm- zellen unmittelbar an die Dotterzellen angrenzen, von welchen das hinterste Ende der Beckendarmhöhle ausgekleidet wird. Hier mündet später die Beckendarmhöhle durch. den After nach aussen. Von dieser Stelle abgesehen grenzt die Afterrinne sonst überall an das mittlere Keimblatt an. Ein vollständiges Pendant bieten die Querschnitte durch das Sehwanzende von Embryo N (Taf. XVI, Fig. 9), bei welchem die Schwanzknospen als etwas stärkere Wülste dorsal hervor- treten und sieh in der Medianebene zusammengelegt haben, so dass sie jetzt den offenen Urmund nach hinten abgrenzen und wieder als einen besonderen Theil die Afterrinne von ihm abge- trennt haben. Der Querschnitt (Taf. XVII, Fig.5) geht unmittelbar hinter dem offen gebliebenen Theil des Urmunds durch den vorderen Anfang der Verschmelzungsstelle hindurch. Auf der rechten Seite sind noch die Organe gut gesondert, die sich vom Keim- ring eine Strecke weit hinein verfolgen lassen, bis sie in einer kleinzelligen, undifferenzirten Masse unseren Blicken entschwinden. Die halbe Rückenmarksanlage (mr) ist etwas schräg getroffen, weil sie hier aus dem geraden in einen schrägen Verlauf über- geht. Unter ihr findet sich die Chorda (ch), nach aussen be- srenzt vom mittleren Keimblatt, nach innen von Dotterzellen; diese kleiden, wie bei dem Embryo J, eine geschlossene, kleine Beekendarmhöhle (ed) aus. Linkerseits ist die Schwanzknospe 388 Oscar Hertwig: weniger weit differenzirt und nur aus 3 Zellenblättern zusam- mengesetzt, dem Eetoderm, einem besonders klemzelligen mitt- leren Keimblatt und den die Beckendarmhöhle auskleidenden Dotterzellen. An der Verwachsungsstelle und. etwas unterhalb derselben gehen linkerseits alle 3 Keimblätter wieder in emander über. Einige Schnitte weiter nach hinten (Fig. 6) hört der Hohl- raum der Beekendarmhöhle auf, während die ihre hintere Wand abschliessenden Dotterzellen (ed) noch getroffen sind. Letztere bilden eine centrale Masse, welche ringsum vom mittleren Keim- blatt umgeben und ventralwärts von ihm deutlich gesondert ist, während dorsalwärts beide in einander übergehen. Hier ist auch an einer rinnenförmig vertieften Stelle das äussere Keimblatt vom mittleren nicht zu trennen, wie an der Primitivrinne des Hühnchens. Auf einem der nächsten Schnitte (Taf. XVII, Fig. 7) be- finden wir uns im Bereich der Afterrinne (ar), an welcher das Eetoderm sich in zwei Falten (af) emporhebt und die Eetoderm- zellen durch Grösse und eylindrische Form sieh auszeichnen. Eetoderm und mittleres Keimblatt gehen nicht mehr in einander über. Letzteres fehlt im Gegentheil wieder eine kleine Strecke weit, indem die Dotterzellen (ik) der Beckendarmhöhle bis an die Aftergrube heranreichen und sieh den Ecetodermzellen dieht an- legen. Links und rechts von dem aus Dotterzellen gebildeten Fortsatz sehen wir die kleinen Zellen des mittleren Keimblattes, die sich aber von ihm nicht durch einen scharfen Spalt absetzen. Noch weiter nach hinten verlängert sich die Afterrinne noch eine Strecke weit, stösst aber hier überall auf mittleres Keimblatt, von dem sie deutlich getrennt ist. Ein Medianschnitt durch Embryo O (Taf. XVI, Fig. 11 u. 12) und 2 Serien von Frontalschnitten durch die Embryonen W und G werden uns in die verwickelten Verhältnisse, die sich am Schwanzende bei der Bildung des Afters abspielen, noch einige weitere Einblicke gewähren. Der Sagittalschnitt dureh Embryo O (Taf. XVII, Fig. 5) ist ein wenig von der Medianebene in schräger Richtung abgewichen, was sich leicht daran erkennen lässt, dass sowohl die Gegend der Afterrinne als auch das freie Ende einer Schwanzknospe ge- troffen ist. Letzteres dürfte auf emem genau in die Median- ebene fallenden Schnitte nicht zu sehen sein, da die beiden Urmund und Spina bifida. 389 Sehwanzknospen mit ihren Enden noch durch einen Spalt ge- trennt und nur etwa in ihrer halben Länge unter einander verschmolzen sind. Die Spalte hätte daher in den Bereich des Scehnittes fallen müssen. Die Schwanzknospe, welche sich über die hintere Fläche des Dotters etwas herüberlegt, besteht aus einer sehr kleinzelligen Masse, in welcher Organanlagen nicht zu unterscheiden sind, da nur das Eetoderm sich als eine be- sondere Lage absetzt. In der Gegend der Afterrinne ist das äussere Keimblatt erheblich verdickt und zeigt hier eine kleine Einsenkung, an welcher eine Verbindung mit einer nach hinten und abwärts gehenden Ausstülpung der Beckendarmhöhle be- steht. Das äussere Keimblatt schlägt sieh hier deutlich an einer oberen und einer unteren Lippe um und setzt sich in eine die hintere Wand der Beckendarmhöhle auskleidende Epithelschieht fort. An der unteren Lippe ist das mittlere Keimblatt nach ab- wärts gewachsen, Dotter und Eetoderm von einander trennend. Denken wir uns an der Figur die Schwanzknospe entfernt, so gleicht das Bild vollständig den Medianschnitten durch die Em- bryonen Ba, M, J? und Bf (Taf. XVII, Fig. 8, 9, 15, 16; Taf. XVI, Fig.5, 10,7, 2), bei denen die Schwanzknospen noch kaum entwickelt sind und das Zwischenstück mit der Afterrinne ganz frei liegt. Den Befund in Fig.5 (Taf. XVII haben wir uns also aus einem früheren, durch die Embryonen Ba und M re- präsentirten Zustand so entstanden zu denken, dass wenn die Schwanzknospen sich durch beträchtlicheres Wachsthum über die hintere Fläche des Embryo erheben, sie an der Afterrinne mit ihren Basaltheilen aneinanderrücken und von hier aus nach der- Peripherie zu verwachsen beginnen. Nur an einer kleinen Stelle im Bereich der Afterrinne unterbleibt die Verwachsung und er- hält sieh hier mit dem am weitesten nach hinten und ventral ge- legenen Abschnitt der Beckendarmhöhle eine direkte Verbindung des Eetoderms, welche den After darstellt. Aehnliches lehren die beiden Serien von Frontalschnitten durch die, Embryonen G (Taf. XVI, Fig. 14) und W, welche beide leichtere Grade des gehemmten Urmundversehlusses dar- stellen. Bei beiden haben sich die Schwanzknospen schon sehr früh- zeitig, ehe sie noch über die Oberfläche frei hervorgetreten sind, in ganzer Ausdehnung in der Medianebene durch eine Naht (n) vereinigt. Sie bilden einen breiten Querwulst, welcher die frei- 390 Oscar Hertwig: liegende Dottermasse von hinten umgrenzt. In Folge dessen ist die Afterrinne (ar) von der Dottermasse abgedrängt und ist am besten zu sehen, wenn der Embryo auf den Kopf gestellt ist und das hin- tere Ende dem Beobachter direet zukehrt. Die von niedrigen Falten (af) umgebene Rinne verläuft jetzt nicht mehr horizontal, sondern senkrecht von oben nach unten, so dass Frontalschnitte zu ihrer Untersuchung am geeignetsten sind. Nach vorn von der Afterrinne lässt sich eine zarte Linie, die durch eine geringe Einziehung der Oberfläche hervorgerufen ist, bis zum Dotterhügel verfolgen. Sie stellt gewissermaassen eine Art Raphe dar, eine Naht, längs welcher die Verschmelzung der beiden Schwanzknospen vor sich gegangen ist (Tafel XVI, Fig. 14 n). Von Embryo G sind Frontalsehnitte dureh drei verschiedene Gegenden (Taf. XVIIL, Fig. 10—12), ein Schnitt durch die Raphe in einiger Entfernung oberhalb der Afterrinne, ein zweiter Schnitt durch das vordere Ende derselben und ein dritter durch ihr hin- teres Ende dargestellt. Auf dem ersten Schnitt (Fig. 10) ist der dureh Verschmel- zung der Schwanzknospen entstandene Wulst hauptsächlich aus dieht gedrängten, kleinen, pigmentirten Zellen des mittleren Keim- blatts zusammengesetzt; das Eetoderm ist deutlich gesondert bis auf die Gegend der Raphe, wo es am Grunde der Furche mit dder kleinzelligen Masse verschmolzen ist. Letztere wird nach dem Urdarm zu, der sich zwischen Dotter und Schwanzwulst als schmale Spalte hineinschiebt, von einer Entodermlage über- zogen, die aber erst in einiger Entfernung von der Medianebene als gesondertes Blatt zu unterscheiden ist. Auf der linken Seite des Schnittes geht die kleinzellige Masse der Schwanzknospe nach vorn zu in das Bereich der seitlichen Urmundlippe über, wo sich Chorda und Medullarplatte angelegt haben. Ein Stück der Chorda (ch) ist gerade vom Schnitt mit getroffen. Auf dem zweiten Schnitt durch die Mitte der Afterrinne, der bei etwas stärkerer Vergrösserung gezeichnet ist (Fig. 11), sind die einzelnen Anlagen etwas verändert. Das Eectoderm hat sich verdickt und 2 Falten (af) gebildet, die eine kleine Grube (ar) zwischen sich fassen, die von Cylinderzellen ausgekleidet wird. Auf das Eetoderm folgt das aus vielen Lagen kleiner, pigmentirter Zellen bestehende, mittlere Keimblatt, ist aber im Urmund und Spina bifida. 193 Bereich der Aftergrube unterbrochen; an den Grund derselben reicht hier ein vom Entoderm ausgehender Fortsatz, welcher von den Spalten des mittleren Keimblattes zwar nicht durch einen Spalt getrennt ist, sich aber durch die bedeutendere Grösse und den geringen Pigmentgehalt seiner Zellen trotzdem unterscheiden lässt. Die Entodermlage, welche mit diesem Fortsatz bis an die Aftergrube heranreicht, ist 2—5 Zellenlagen diek und bildet die hintere Wand eines ganz feinen Spaltes, mit welchem die Becken- darmhöhle in dieser Gegend endet (ed). Am dritten Schnitt durch das hintere Ende der Afterrinne (Taf. XVII, Fig. 12) ändert sich das Bild abermals. Die beiden Atterfalten (af) liegen dicht bei einander, nur durch eine sehr schmale Rinne (ar) getrennt. Unter dem Eetoderm folgt das mittlere Keimblatt als eine zusammenhängende, nach innen und aussen durch Spalten gut abgegrenzte Schicht. Dann kommt die Dottermasse mit der Verlängerung der Beekendarmhöhle (ed), die auf den nächsten Schnitten schwindet. Ein Pendant liefern die Frontalschnitte durch das hintere Ende von Embryo W (Taf. XVIH, Fig. 8 u. 9). Der Figur 10 von Embryo G (Taf. XVIII) entspricht Fig. 8, ein Schnitt durch die Verwachsungsnaht, wo äusseres und inneres Keimblatt mit dem mittleren in der Medianebene verschmolzen sind. Der Figur 11 von Embryo G lässt sich Fig.9 von Embryo W vergleichen. Hier steht die Aftergrube (ar) noch mehr als in dem vorigen Fall in breiter, direeter Verbindung mit dem grosszelligen Ento- derm (ik), welches die ventrale Aussackung (ed) des Urdarms nach hinten abschliesst. Auch ist hier eme vollständig scharfe Absonderung des mittleren Keimblattes von der Verbindungsstelle zwischen Aftergrube und hinterer Darmwand eimgetreten. Das Bild bietet uns in sofern einen etwas weiter differenzirten Ent- wieklungszustand als der in Fig. 11 wiedergegebene Befund dar. Eine genau entsprechende Abbildung von der Aftergrube eines normal entwickelten Froschembryo habe ich schon im meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphibien (24) ge- geben. Wir haben es hier mit einem Stadium der Afterent- wicklung zu thun, welches ich seitdem noch mehrfach an Serien- schnitten durch normale Froschembryonen habe beobachten können. Schliesslich sei noch des Embryo F (Taf. XVI, Fig. 13) 392 Oscar Hertwig: gedacht, dessen beide Schwanzknospen (sk) sehon in grösserer Länge entwickelt und in erheblicher Ausdehnung verschmolzen sind. Da sie mit ihrer Längsaxe zur Hauptaxe einen nahezu rechten Winkel beschreiben, wurden die Schnitte in frontaler Richtung geführt, und so die Querschnittsfiguren erhalten, aus deren Serie die folgenden 4 abgebildet wurden (Taf. XVII, Fig. 22—25). In Figur 22 ist der Anfang des Schwanzes hinter dem Dotterhügel getroffen. Die dem Rücken zugekehrte Fläche ist tief rinnenartig ausgehöhlt. Die beiden Ränder der breiten Rinne wer- den von den beiden Rückenmarksanlagen (mp) eingenommen, die, um den freiliegeuden Dotterhügel herumziehend, wo sie von mir auf Querschnitten (Taf. XVII, Fig. 21) oben beschrieben wurden, sich wieder mehr der Medianebene genähert haben; sie sind aber noch immer durch einen Streifen von Dotterzellen getrennt, der die hintere Wand des Enddarns (ed) begrenzt und sieh in den Anfang der Schwanzknospe hineinzieht. Da wo die Medullar- platten sich medianwärts verdünnen und an die Dotterschicht unmittelbar ansetzen, treten uns unter ihnen wieder die Quer- schnitte einer linken und rechten, allerdings sehr unansehnlichen Chorda (eh) entgegen. Seitwärts gehen die Medullarplatten mit einem Umschlagsrand, der sich wulstartig über die Oberfläche erhebt, in das Ectoderm über, welches die convex gewölbte Bauchfläche des Embryo überzieht. Unter Medullarplatte und Chorda liegt jederseits ein Streifen kleimer, pigmentirter Zellen, die das mittlere Keimblatt ausmachen und später in die Ur- segmente des Schwanzes abgetheilt werden. Getrennt werden die beiden Streifen durch einen sich zwischen sie hineinschie- benden Keil von Dotterzellen, welche «das Darmdrüsenblatt re- präsentiren und eine kleine Höhle als Aussackung des Enddarms (ed) nach rückwärts einschliessen. Auf einem der nächstfolgenden Schnitte (Fig. 25) hat sich am Rücken ein Verschluss ausgebildet, so dass die Dottermasse nicht mehr frei zu Tage liegt. Die seitlichen Umschlagsfalten der Medullarwülste sind sich nach der Medianebene zu bis zur Berührung entgegengewachsen (vp) und haben sich unter ein- ander verbunden. So ist ein sehr breit gedrücktes, bandförmiges Rückenmark (mr) entstanden, das die Verschmelzung aus den zwei kurz vorher noch getrennten Hälften leicht erkennen lässt, Urmund und Spina bifida. 393 da nur die Seitentheile verdickt sind und in der Mitte durch 2 ziemlich breite, dünne Epithelhäutehen (vp) verbunden werden. Auch finden sich unter dem Band in der früheren Lage zwei getrennte Rückensaiten (ch) vor. Sonst sehen wir an dem Quer- schnittsbild durch den Schwanz noch die beiden Streifen des mittleren Keimblattes und zwischen ihnen einen Streifen von Dotterzellen (inneres Keimblatt) mit einer ganz kleinen Höhle (ed), die ventralwärts unmittelbar an das Eetoderm angrenzt. Der dritte Schnitt (Fig. 24) schliesst sich an den eben be- schriebenen bald an und zeigt uns eine klemzellige, nur wenig differenzirte Masse, in welcher sich nur folgende Anlagen un- deutlich unterscheiden lassen: 1) die beiden Mesoblaststreifen (mk) und der sie trennende Dotterstreifen (ik), die dorsalwärts eine Strecke weit. in einander übergehen, und 2) 2 Streifen, welche die Verlängerung der Medullarplatten bilden. Chorda- anlagen sind nieht mehr zu erkennen. Auch ist der Hohlraum im Dotterstreifen verschwunden. Das ganze kleinzellige Gewebe wird von einem deutlich gesonderten Eetoderm ringsum um- schlossen. Dieses hat ventralwärts zwei weit vorstehende Falten (af) gebildet, welche auf einer ganzen Reihe von Schnitten die schon bei der Oberflächenansicht des Embryo beschriebene After- rinne (ar) begrenzen. Der Grund derselben stösst unmittelbar an die Dotterzellen (ik) an und schliesst sich der Anfang der Rinne unmittelbar an die Stelle an, wo im Dotterstreifen die kleine Höhle (Fig. 23 ed) enthalten war, so dass ein Durchbruch der Aftergrube wieder eine directe Verbindung mit einer Ausstülpung des Enddarms herstellen würde. Nahe der Spitze des Schwanzendes ist endlich der Quer- schnitt (Fig. 25) hindurchgeführt. Eime gesonderte Eetoderm- schicht schliesst eine kleinzellige Masse ein, die eine Sonderung in einzelne Anlagen nicht mehr erkennen lässt. Von der Rücken- fläche, die noch eine kleine Rinne zeigt, zieht ein schwarzer Pigmentstreifen senkrecht durch das Keimgewebe hindurch nach der Bauchfläche, beide Ectodermflächen verbindend, die hier etwas verdiekt und von den innen gelegenen Zellen nieht gut abzugrenzen sind. Durch den Pigmentstreifen wird so noch die Verwachsungsfläche der beiden Schwanzknospen angedeutet, in der- selben Weise wie durch den in Fig. 8 abgebildeten Pigmentstreifen. 394 Osear Hertwig: 2. Missbildungen mit partieller Urmundspalte in der hückengegend auf einem weiter vorgerückten Ent- wicklungsstadium. Embryonen, A, B.e, PISAT.N: (Tafel XVI, Fig. 17, 20—23). In der zweiten Gruppe fasse ich missgebildete Embryonen zusammen, die erheblich weiter entwiekelt sind als die im vor- hergegangenen Abschnitt besprochenen Formen. Seit der Be- fruchtung ist bei ihnen schon ein längerer Zeitraum (2 bis3 Tage mehr) verflossen. Am Kopf ist die Augenanlage äusserlich wahr- zunehmen, indem sieh schon ein Linsensäckchen gebildet und die Augenblase zum Becher eingestülpt hat. Bei einigen Em- bryonen (Taf. XVI, Fig. 20, 22) beginnen schon äussere Kiemen- büschel hervorzusprossen. Der Schwanz erreicht eine grössere Länge und ist zuweilen von emem kleinen Flossensaum ringsum eingefasst (Fig. 20—22 sf). Die Ursegmente sind in grosser An- zahl im Rumpf und Schwanz entwickelt und beginnen im Rumpf sich in Muskelfasern zu differenziren. Die Urnierengänge sind in ganzer Länge angelegt und mit einer weiten Höhle versehen. Die Anlage des Herzens ist vorhanden. Bei äusserer Untersuchung der Embryonen ist von der grossen Störung, die als ausgedehnte Urmundspalte auch bei ihnen in früheren Zeiten bestanden haben muss, nur noch wenig zu bemerken. Das Hauptmerkmal, aus dem auf eine frühere Störung geschlossen werden kann, ist die eigenthümliche Stellung (les Schwanzes zum Rumpf. Der Schwanz liegt nicht, wie es bei normalen Embryonen der Fall ist, in der direeten Verlänge- rung der Rumpfaxe, sondern ist an seiner Wurzel stark nach dem Rücken zu umgebogen. Entweder bildet er einen rechten Winkel zur Längsaxe, wie dies auch schon bei der allerersten Anlage der Schwanzknospe in der ersten Gruppe sich wahrnehmen liess, oder er ist sogar noch stärker nach oben und vorn umge- bogen, so dass schliesslich das Schwanzende der Rückenfläche parallel verläuft und sich dieht über dieselbe herüberlegt. Der Embryo ist so gewissermaassen über seine Rückenfläche zu einem Ring zusammengebogen. Den leichteren Grad der pathologischen Stellung des Schwanzes zeigen uns die Embryonen S, Vu.C (Taf. XVI, Fig. 20 u. 22), den höchsten Grad die Embryonen A, Bu.P (Fig. 2123). Urmund und Spina bifida, 395 Untersucht man jetzt derartig gekennzeichnete Missbildungen des angegebenen Ausbildungsgrades genauer, so wird man an der Rückenfläche vor dem Ansatz des umgebogenen Schwanzes bald eine grössere, bald eine nur kleime Spalte vorfinden, in der eine Partie des Dotters zu Tage tritt. Am grössten war diese Rückenspalte bei den Embryonen A, B (Fig. 21d) und C, dagegen war sie bis auf ein kleines Loch (uo), dureh welches vom Dotter nur wenig zu sehen war, bei den Embryonen S, V, P sge- schwunden (Fig. 20, 22,25 wo). Ferner ist an der Wurzel des umgebogenen Schwanzendes und zwar an seiner convexen Seite, welehe der Bauehfläche entspricht, eine kleine, von Hautfalten eingesäumte Grube zu sehen, die sieh oft noch eine Strecke weit in eine nach dem Schwanzende verlaufende Rinne fortsetzt (Fig. 20—22 au.ar). Das Ganze sieht einer Medullarrinne en miniature nicht unähnlich, so dass am Anfang meiner Unter- suchung bei mir die Vermuthung auftauchen konnte, es sei hier am Hauptembryo noch die Anlage eines zweiten, sehr rudimentär ausgefallenen Nebenembryo vorhanden. Es handelt sich aueh hier wieder, wie die genauere Untersuchung ergeben wird, um das als Afterrinne schon beschriebene Gebilde. Dasselbe wird am besten sichtbar, wenn man den Embryo künstlich so lagert, dass er das hintere Ende dem Beobachter direet zukehrt. Bei seitlicher Ansicht bemerkt man bei manchen Larven, dass die Schwanz- wurzel sich von der Bauchfläche des Rumpfes durch eine Eim- senkung absetzt und dass hier die Afterrinne mit eimer kleinen Anschwellung beginnt (Fig. 20—22). Unter den weiter entwickelten, älteren Missbildungen befand sich auch eine, welche noch mit einer durchgehenden Schwanz- spalte versehen war (Taf. XVI, Fig. 17). Das hintere Ende lief in 2 nach dem Rücken zu umgekrümmte, lange Fortsätze (rs u. Is) aus, welche zu beiden Seiten der wohl ausgeprägten Afteranlage (ar) ihren Ursprung nahmen. Mit ihrem kegelförmigen Ende waren sie kreuzweise über einander geschlagen, indem der linksseitige Halbschwanz über die Medianebene hinaus nach rechts, der rechts- seitige nach links hinübergriff. Ueber den Grad der Missbildung, der bei den Embryonen dieser Gruppe ausgeprägt ist, lässt sich allein an Durchsehnitten, die in transversaler oder frontaler Richtung angefertigt werden können, Genaueres erfahren. Ueber den Zustand des vorderen 396 : Oscar Hertwig: und mittleren Körpertheils geben die Figuren 12—14 (Taf. XIX) Anskunft, welche einer Querschnittsserie durch Embryo A ent- nommen sind. Derselbe sieht in seinem Aeusseren dem in Figur 21 (Taf. XVI) abgebildeten Embryo B zum Verwechseln ähnlich aus, so dass ich von ihm keime besondere Abbildung gegeben habe. Der erste Querschnitt durch Embryo A liegt in einiger Ent- fernung hinter den Ohrblassen (Taf. XVI, Fig. 12). Das Rücken- mark (mr) mit stark verdiekten Seitenhälften ist etwas in die Breite auseinandergezogen, die unter ihm befindliche Chorda (ch), welehe sich jetzt aus blasenförmigen, mit Flüssigkeit erfüllten Zellen zusammensetzt, ist nicht mehr wie auf den vorausge- gangenen Querschnitten kreisförmig, sondern von links nach rechts zu einem walzenförmigen Körper umgestaltet. Unter der Chorda folgt der Vorderdarm (d), der eine kleine Höhle birgt, unter diesem der Herzschlauch (hz), der eine Anzahl Blutkörperchen enthält und in den Herzbeutel eingeschlossen ist. Auf den folgenden Schnitten weichen die beiden Seiten- hälften des Rückenmarks noch weiter auseinander und werden nur durch dünne Zellenmembranen dorsal und ventral zusammen- gehalten. So bildet sich der in Figur 13 dargestellte Zustand aus, wo die durch die Verbreiterung schon angedeutete Verdoppe- lung von Rückenmark und Chorda vollzogen ist. Das Rücken- mark ist in 2 Röhren zerfallen, die in der Medianebene durch einen kleinen, mit homogener Gallerte gefüllten Zwischenraum getrennt sind. Jedes Rohr setzt sich aus einer lateralen, stark verdiekten Wand und aus einer medialen Wand zusammen, die nur ein zartes, aus abgeplatteten Zellen bestehendes Häutchen darstellt. Ueber beide setzt sich an der Rückenfläche das Eeto- derm als Ueberzug contimuirlich fort (vp). Unter jedem Halb- rückenmark liegt eine Chorda (eh! u. ch?) mit ovalem Querschnitt, entstanden durch gabelförmige Theilung des vorderen unpaaren Chordaabsehnittes. Zwischen die beiden Chordahälften und zum Theil noch zwischen die beiden Nervenrohre schiebt sieh von unten her das Darmrohr dazwischen, die getheilten Organe aus- einander drängend. So bahnt sieh wieder der in Figur 14 dar- gestellte Zustand an. Die Figur 14 gleieht in ihrem ganzen Aussehen im Allge- meinen noch dem Durchsehnittsbild durch die entsprechende Gegend der um mehrere Tage jüngeren Missbildung, N (Tat. XVI, Urmund und Spina bifida. 397 Fig. 9, Taf. XVII, Fig.3 u. 4). Nur sind jetzt alle Organanlagen erheblieh weiter differenzirt, und bedingen daher auch zu beiden Seiten der centralen, als Hügel vorspringenden Dottermasse einen diekeren Wulst; dieser lässt in unserer Figur folgende Theile erkennen: 1) die zu einem Rohr durch ein Häutchen ab- geschlossene, halbe Rückenmarksanlage (mr); 2) ein Spinalganglion, das zwischen der lateralen dieken Wand des Rückenmarks und dem Eetoderm nach abwärts wächst; 3) die grosse, auf dem (Juerschnitt kreistörmige Chorda (ch), die von dem Ursegment (us) seitlich und ventralwärts halbmondförmig umfasst wird; 4) den Urnierengang (ug) mit kleiner Höhle, welcher sich zwischen Ursegment und Seitenplatten dazwischen schiebt. In letzteren wird hier und da die Leibeshöhle als Spalt sichtbar. Das Eetoderm hört über dem Rückenmarksrohr mit verdiektem Wulst auf, der sich an die Dottermasse seitlich ansetzt. Noch rascher als an Querschnitten kann man sieh über den Character und den Grad der Missbildung an Durchschnitten orientiren, die in horizontaler Richtung durch den Embryo hin- durchgelegt worden sind. Dabei wurde der Embryo, der dorsal- wärts zu einem Halbring zusammengekrümmt ist, in den meisten Fällen so orientirt, dass der am meisten dorsal gelegene Punkt von Kopf und Sehwanz mit der Schnittebene zusammenfiel. Da- her wurde auf einem grossen Theil der Schnitte der embryonale Körper zweimal (Kopf und Schwanz, ein jeder für sich) getroffen und zwar ergaben diese Theile dann mehr oder minder reine Querschnittsbilder. Ich verweise zunächst auf die drei Horizontalschnitte dureh Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22). Am Rücken desselben ist vor der Schwanzwurzel nur noch eine kleine Spaltöffnung (uo) vor- handen, durch welehe der Dotter indessen nieht mehr nach aussen hervorsteht. An der Oeffnung senkt sich vielmehr die Oberhaut triehterförmig nach innen. Dementsprechend bemerkt man an allen drei Horizontalschnitten (Taf. XIX, Fig. 7—9) ein von unregelmässigen Contouren begrenztes Loch (t), welches an dem am meisten dorsal geführten Schnitt (Fig. 8) am weitesten ist, während es in Fig. 9, welche einen mehr ventral folgenden Schnitt der Serie darstellt, stark verengt ist. Die das Loch umsäumende Epithelmembran (ak) besteht aus schwarz pigmen- tirten Epithelzellen. 398 Oscar Hertwig: Auf dem mittleren der drei Schnitte (Fig. 7) ist das Rücken- mark (mr, mr!) ziemlich genau der Länge nach getroffen. Das- selbe bildet einen die Urmundspalte umgebenden, ovalen Ring, der nach dem Schwanzende zu eine kleine Strecke weit unter- brochen ist. Linke und rechte Hälfte des Nervenrings stellen ein Rohr dar, dessen laterale Wand in der Weise wie aus den Quersehnittsbildern bekannt ist, stark verdiekt ist, während die mediale Wand nur durch ein feines Epithelhäutehen ihren Ver- schluss findet. Dieses schmiegt sich unmittelbar an die Oberhaut an, welche sich zur Umgrenzung der Urmundspalte (t) trichter- förmig in die Tiefe senkt. Wo sich vorn die verdickten Seiten- wandungen der beiden Rückenmarkshälften treffen und zu einer einheitlichen Anlage aneinanderlegen, erbliecken wir den Durch- schnitt der Chorda (ch), die hier von ziemlich beträchtlicher Grösse ist. Sie ist etwas schräg durchsehnitten, da sie aus der horizontalen in eine mehr senkrechte Richtung umbiegt, um in das nach oben umgekrümmte Kopfende des Embryo einzudringen. Auch nach dem Schwanzende zu sind noch zwei Chordadureh- schnitte (ch) zu sehen. Sie liegen unmittelbar hinter den nach rückwärts frei auslaufenden Rückenmarkshälften. Sie sind sehr unansehnlich und von einander durch einen nur schmalen Streifen von Dottersubstanz (ds) getrennt. Die beiden Quer- schnitte erklären sich leicht im der Weise, dass unter den ge- trennten Rückenmarkshälften auch 2 Rückensaiten in horizontaler Riehtung ihren Weg nehmen und am hinternn Ende angelangt rechtwinklig umbiegen, um in das vertical aufsteigende Schwanz- ende einzudringen. Lateral vom Nervenring und den mehrfachen Chordadureh- schnitten liegen zahlreiche Ursegmente (us), die sich nach vorm schon in Muskelfasern differenzirt haben und durch schwarz pig- imentirte Linien scharf von einander getrennt sind. Ihre Anzahl ist auf beiden Seiten eine ungleiche, links 12, rechts 16, wahr- scheinlich, weil im hinteren Abschnitt der Schnitt durch nicht entsprechende Abschnitte der mittleren Keimblätter hindurchgeht. Nach vorm ist der vorderste Theil des Rumpfes getroffen, der sich dann dorsalwärts in den Kopfabschnitt fortsetzt. Hier ist die grösste Masse des Dotters im Darmkanal angehäuft, der in Folge dessen stark aufgetrieben ist. Ferner findet man hier Urmund und Spina bifida. 399 die Quersehnitte der ansehnliehen Urnierengänge (ug) jederseits zwischen Ursegment und Seitenplatte gelagert. Verfolgen wir die Schnittserie etwas weiter nach der Bauch- gegend zu (Fig. 9), so verschwindet allmählich der Nervenring; anstatt dessen tauchen unter ihm die horizontal verlaufenden Ab- schnitte der Chorda dorsalis auf. Dieselbe beginnt vorn mit einem stark verdiekten Knopf und gabelt sich nach hinten in 2 Aeste. Jeder Ast verjüngt sich nach hinten und biegt dann in das Schwanzende rechtwinklig um, so dass auf dem vorher beschriebenen Bild (Fig. 7) zwei Quersehnitte (ch) gefunden wurden. Die beiden Theiläste der Chorda umfassen in der Fig. 9 unmittelbar einen Theil des Darmkanals, der mit Dotter- zellen gefüllt ist. Es entspricht dies den von anderen Embryonen erhaltenen Querschnittsbildern, an denen stets im Bereich der Urmundspalte die beiden Chordahälften mit ihren medialen Flä- chen sich mehr oder minder unmittelbar an den Dotter an- gehmiegen (Taf. XVII, Fig. 2, 3, 7, 18,22; Taf. XVIIE Fig. 3, 4, 21; Taf. XIX, Fig. 14). Ausserdem aber bemerkt man noch in der Mitte der Gabel, welche durch die Chordaspaltung ge- bildet wird, das Ende der Eetodermeinsenkung (t), die mit einer kleinen Oeffnung in dieser Gegend in den Darm mündet. Da sie sich triehterförmig verengt, nimmt sie einen viel klei- neren Raum als in Fig.7T für sich im Anspruch. Noch weiter ventralwärts unterhalb der Chorda geführte Schnitte führen uns ganz in den Darmraum, der mit Dottermasse gefüllt ist. Letz- tere bildet die Fortsetzung des Nahrungsdotters, der im vorder- sten Theil der Fig. 7 abgebildet ist; sie wird auf einem früheren Entwicklungsstadium des Embryo V wohl in grosser Ausdehnung am Rücken, als der Urmund hier noch weiter geöffnet war, nach Analogie der Embryonen Bg, F, B (Taf. XVI, Fig. 18, 13, 21) frei gelegen haben. Wenn wir jetzt noch die Schnittserie von dem als Aus- gangspunkt für die Betrachtung gewählten und in Fig. 7 darge- stellten Befund nach der entgegengesetzten Richtung dorsalwärts verfolgen, so verschwindet bald der Nervenring als zusammen- hängendes Gebilde (Fig. 8). Nach vorn setzt er sich fort in den vordersten, normal entwickelten Abschnitt des Rückenmarksrohres (mr), das in schräger Richtung in den Kopf umbiegt und daher in der Figur nicht genau quer durchschnitten ist. Vor ihm 400 Oscar Hertwig: findet sich die ausserordentlich stark entwickelte Chorda (eh). Nach hinten treffen wir die 2 Querschnitte des in zwei Hälften gespaltenen Theils des Rückenmarks (mr), die hier als zwei kleine, dicht bei einander gelegene Röhren nebst den zu ihnen gehörigen und im Querschnitt gleichfalls sichtbaren Chordahälften (ch) m die Wurzel des Schwanzes umbiegen. Zwi- schen den drei Querschnitten des ungetheilten und des gespal- tenen Rückenmarks hat der Schnitt die ‘äussere Mündung der trichterförmigen Urmundspalte an der Hautoberfläche getroffen. Auf den folgenden Schnitten der Serie schwindet dann die mittlere Verbindung zwischen dem Kopf- und dem Sehwanz- abschnitt des Embryo. Denn wir gelangen in die Gegend, wo diese Theile sich über die eingekrümmte Rückenfläche frei er- heben. Wir erhalten daher jetzt von ihnen theils Schräg-, theils reine Querschnitte, die uns später noch beschäftigen werden. Entsprechende Serien von Frontalschnitten wurden von den Embryonen S und P angefertigt (Taf. XVI, Fig. 20 und 23). Der Frontalschnitt durch Embryo S (Taf. XIX, Fig. 22) gleicht im Ganzen sehr der Fig.7T. Es ist das Rückenmark an der Stelle getroffen, wo es in zwei Hälften getheilt wie eime Gabel die Urmundspalte (t) umfasst. Da letztere hier noch breiter ist als in Fig. 7, stehen die beiden Rückenmarkshälften etwas weiter auseinander. Die Urmundspalte ist auf dem vorliegenden Fron- talschnitt nach vorn von Eetoderm eingefasst, das sich, wie bei Embryo V, eine Strecke weit nach innen einsenkt und nach unten in die Dottermasse übergeht. Rechts grenzen an das ein- gesenkte Eetoderm die röhrenförmigen Rückenmarkshälften mit ihrer dünnwandigen epithelialen Verschlussplatte an. Nach hinten wird die Begrenzung der Urmundspalte von Dottermasse ge- bildet, die eine kleine Strecke weit auch von aussen zu sehen ıst und sich von hier in die Schwanzwurzel weiter fortsetzt. Die Chorda ist wieder wie in Fig.7T dreimal theils quer, theils schräg getroffen; ein etwas ansehnlicherer Schrägschnitt findet sich vor der Stelle, wo die beiden Rückenmarkshälften (mr) sich zur normalen, unpaaren Anlage vereinigt haben, zwei weitere kleinere Chordaquerschnitte (ch!, ch?) liegen am hinteren Ende jeder Rückenmarkshälfte und lassen sich wie diese auf den fol- genden Schnitten der Serie noch ziemlich weit in die Schwanz- anlage hinein weiter verfolgen. Urmund und Spina bifida. 401 Wenn wir in der Serie der Frontalsehnitte weiter ventral- wärts gehen, stossen wir bald unter der Rückenmarksspaltung auf die Gabelungsstelle der Chorda. In Fig. 23, welche von einem solehen Schnitt eine Abbildung liefert, ist indessen nur der rechte Theilast getroffen, während der linke auf einem der näch- sten Schnitte folgt. An der Gabelungsstelle ist die Chorda zu einem Wulst (ch?) verdiekt, der einen Vorsprung in die Urdarm- höhle bedingt. Solche geschwulstartigen Wucherungen der Chorda (Chordagesehwülste) sind bei älteren Missbildungen im Bereich des vorderen Rumpfabschnittes, namentlich vor und an der Thei- lungsstelle, gar nichts seltenes. In einigen Fällen habe ich sie sogar noch in viel grösserem Umfang als an dem abeepildeten Präparat beobachtet. In Fig. 15 (Taf. XIX) endlich ist ein Schnitt abgebildet, welcher durch den Embryo P (Taf. XVI, Fig.23) in mehr oder minder querer Richtung hindurchgelegt ist; er hat also gerade den Eingang in die Urmundspalte, aus welcher noch etwas Dotter her- vorsieht, getroffen, doch nicht genau in horizontaler Richtung, so dass linke und rechte Hälfte ein etwas verschiedenes Aus- sehen darbiete. Auf der rechten Seite hat der Schnitt die eine Rückenmarkshälfte, welche die Urmundspalte begrenzt, in ihrer ganzen Länge freigelegt. An ihrem vorderen und hinteren Ende findet sich je ein Chordaquerschnitt, ein grösserer (ch) vorn, ein kleinerer (ch!) hinten. Beide gehören der im Urmundbereich gelegenen, rechten Chordahälfte an, welche unter dem längs- getroffenen Rückenmark in horizontaler Richtung verläuft und dann vorn und hinten rechtwinklig umbiegt, um senkrecht in den Kopf und Schwanz des zum Halbring zusammengekrümmten Em- bryo emporzusteigen. Auf der Hinken Seite der Figur hat der Schnitt die am tiefsten eingebogene Stelle des Rückens nur ober- flächlich gestreift. Man sieht daher links vom Urmund nur die ihn begrenzende Oberhaut flach geschnitten und die Verbindung zwischen dem hinten gelegenen Querschnitt der Schwanzwurzel und dem vorn gelegenen Querschnitt des Rumpfes vermitteln. Rückenmark (mr) und Chorda (ch?) bemerkt man zweimal im Querschnitt, erstens im vorderen Abschnitt des Embryo, zwei- tens in der Schwanzwurzel. Das zu jedem Organ hinzugehörige Verbindungsstück, welches in horizontaler Hüchtane am linken Ur- mundrand verläuft, taucht erst auf tiefer folgenden Schnitten auf. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 97 402 Oscar Hertwig: Die Urmundspalte ist nach dem Schwanz zu von Eetoderm (ak), ‚nach vorn von Dottermasse eingefasst. Die quergeschnitenen Röh- ren (ug) sind die Urnmierengänge. Sie schmiegen sieh den Ur- segmenten an, welche die Chorda halbseitig umfassen. An den 3 Embryonen V, S, P nahm der noch erhaltene Rest der Urmundspalte die Rückengegend vor der Schwanz- wurzel ein. Es kann nun aber auch vorkommen, dass der Rest der Urmundspalte mitten in das Bereich der Schwanzwurzel selbst fällt. Dieses interessante Verhältniss habe ich zwar nur in einem einzigen, nämlich bei Embryo T (Taf. XVI, Fig. 17), hier aber auch mit aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit an einer lücken- losen Querschnittsserie beobachtet. Schon bei der Flächenbe- trachtung des ganzen Embryos (Taf. XVI, Fig. 17) liess sich eine totale Spaltung des Schwanzes constatiren, dessen beide Hälften (rs und Is) hakenartig gekrümmt sich über dem Rücken recht- winklig erhoben und dabei mit ihren Enden kreuzweise überein- ander geschlagen waren. Die Untersuchung der Querschnittsserie (Taf. XIX, Fig. 21) lehrte hier nun weiter, dass die beiden Sehwanzhälften nur etwa zu 2 Drittel ihrer Länge distalwärts in ganzer Ausdehnung von einander getrennt waren, dass dagegen im Bereich der Schwanzwurzel, also an der Uebergangsstelle in den Rumpf theilweise eine Verschmelzung sowohl dorsal als ven- tral erfolgt war. Ich sage theilweise, denn von der Verschmel- zung war nur die Haut. der dorsalen und ventralen Seite be- troffen. Dagegen erstreckte sich dureh die Mitte der Schwanz- wurzel eine enge Spalte hindurch, durch welche man in die Beekendarmhöhle direet von aussen gelangt. Diese Spalte war auf sechs einander folgenden Schnitten vorhanden, von denen einer in Fig. 21 abgebildet ist. - Man kann die rechte gekrümmte Schwanzhälfte (s!) von der Wurzel bis zur hakenförmig umge- legten Spitze verfolgen und bemerkt in ihr auf dem Längsschnitt eine dünne Chorda (ch), über derselben eine sehr wenig deutlich gesonderte Rückenmarkshälfte und auf der entgegengesetzten Seite der Chorda zahlreiche deutlich gegen einander abgegrenzte Ursegmente (us). Von der linken Schwanzhälfte ist nur die Wurzel (s?) und ihre Endspitze (s) getroffen, während das Ver- bindungsstück, das vom Schwanzende der anderen Seite gekreuzt wird, erst auf tiefer gelegenen Schnitten folgt. In dieser Hälfte, die mir in ihrer Differenzirung etwas zurückgeblieben zu sein Urmund und Spina bifida. 403 scheint, ist Chorda und Rückenmark aus dem kleinzelligen Ge- webe nicht gesondert heraus zu erkennen, während Ursegment- bildung, aber auch weniger deutlich als auf der entgegengesetzten Seite, zu bemerken ist. Zwischen beiden Schwanzwurzeln nun geht die oben erwähnte Spalte (*) hindurch, an welcher das Ektoderm in die Dottermasse übergeht und durch welche man in den Darmraum (ed) gelangt. Wir haben uns jetzt noch näher mit den Eigenthümlich- keiten des Schwanzendes und mit der Afterrinne bei den Em- bryonen dieser Gruppe zu beschäftigen. Aeusserlich erscheint in den meisten Fällen der Schwanz, wenn wir von der schon hervorgehobenen, eigenthümlichen Stel- lung desselben absehen, normal gebildet (Taf. XVI, Fig. 20—22). Während auf früheren Stadien der Schwanz sich aus 2 Seiten- hälften anlegt und eine theilweise Verdoppelung erkennen lässt, auch wenn er schon zu ziemlich beträchtlicher Grösse herange- wachsen ist, wie bei den auf Taf. XVI, Fig. 12, 13, 8, 18, 19 abgebildeten Embryonen, ist in dieser Gruppe von einer Ver- doppelung äusserlich nichts wahrzunehmen, mit Ausnahme des Embryo J (Taf. XVI, Fig. 17), dessen ausgeprägter Doppelschwanz schon beschrieben wurde. Erst die Untersuchung von Quer- schnittsserien lehrt, dass Nervenrohr und Chorda auch bei diesen älteren Embryonen verdoppelt sind und Halbanlagen dar- stellen, welche noch von dem früheren Vorhandensein einer Ur- mundspalte Zeugniss ablegen. Die sich darbietenden Befunde variiren etwas, wie die Fi- guren 1—5, 10, 11, 16, 19, 20, 24 auf Tafel XIX, Quersehnitte durch verschiedene Embryonen, uns belehren. Am weitesten aus- einander liegen die beiden Rückenmarksrohre und die beiden Rückensaiten in der Schwanzwurzel, da in ihrem Bereich sich der noch offen gebliebene Rest der Urmundspalte in der Regel ausdehnt. Von da an rücken sie allmählich nach der Spitze des Schwanzes zusammen, bis sie sich gegenseitig berühren, in ein- zelnen Fällen auch verschmelzen. Das Nervenrohr wird ausser- ordentlich klein und eng, lässt aber anfangs noch erkennen, dass nur die laterale Wand verdickt ist und aus spindeligen, geschich- teten Zellen besteht, während die mediale ein feines Häutchen aus platten Zellen ist. Jedes Rohr ist daher nur ein halbes kückenmark. Der Chordaquerschnitt ist ebenfalls sehr klein, aber 404 Oscar Hertwig: von dem umgebenden Gewebe deutlich gesondert. Im allen Fällen, wo die Doppelanlagen auseinander liegen, wird der Zwi- schenraum durch Dotterzellen ausgefüllt, die sich von der Wand der Beekendarmhöhle in den Schwanz als ein schmaler Streifen fortsetzen und so eine Art Schwanzdarm darstellen, dem frei- lich stets ein Hohlraum fehlt. Auch zwischen die beiden, dem mittleren Keimblatt ange- hörigen Streifen sehr kleiner Zellen, aus denen die Ursegmente des Schwanzes sich differenziren, dehnt sich die aus Dotterzellen gebildete Scheidewand aus. Im Schwanz sind beiderseits schon viele Ursegmente angelegt, die am besten an Schräg- und Längs- schnitten zu erkennen sind. Nach der Schwanzspitze zu ver- lieren sie sich, indem an ihre Stelle ein kleinzelliges Keimgewebe, bestimmt für nachfolgende weitere Differenzirung, tritt. Am weitesten auseinander liegen die Anlagen von Rücken- mark und Chorda in den Figuren 2 und 3 auf Tafel XIX, die quer durch die Schwanzwurzel von Embryo B (Taf. XVI, Fig. 21) hindurehgelegt sind. Die Dottermasse (Fig. 3 d), die aus der bis hierher ausgedehnten Urmundspalte hervorsieht, enthält einen kleinen Spalt als letzten Ausläufer der Beckendarmhöhle. Dieser Spalt ist auf einem der nach der Sehwanzspitze folgenden Schnitte (Fig.2) verschwunden; zugleich ist auf ihm die aus Dotterzellen bestehende Scheidewand (d) (Schwanzdarm) sehmäler geworden, so dass Nervenrohr (mr) und die Chorda (ch) der linken und rechten Seite näher zusammen gerückt sind. Noch mehr ist dies auf dem dritten Sehnitt (Fig. 1) geschehen, der durch das Schwanzende geht, das nach vorn noch einmal hakenförmig um- gekrümmt ist, wie Fig. 21 auf Taf. XVI zeigt. Da der Rumpf- theil des Embryo B zu einer Querschnittserie gedient hatte, fehlt in Figur 1 die äusserste Schwanzspitze, indem sie noch im das Bereich der anderen Schnittserie gefallen ist. Man sieht nun, da dieses Schwanzstück wegen seiner Umkrümmung mehr oder minder der Länge nach getroffen ist, zahlreiche Urseg- mente (us), 2 der Länge nach verlaufende, aber nur durch einen kleinen Zwischenraum getrennte Nervenrohre (mr), und in der Medianebene den Schwanzdarm (ds), einen langen Streifen von Dotterzellen, welcher die Anlagen der linken und rechten Seite scheidet. Bei Embryo S (Taf. XVI, Fig. 20) liegen in der Schwanz- Urmund und Spina bifida. 405 wurzel die Doppelanlagen von Nervenrohr und Chorda weit aus- einander; in der Mitte des Schwanzes (Taf. XIX, Fig. 24), der dorsal und ventral schon einen ansehnlichen Flossenkamm (sf) entwickelt hat, sind sie zwar noch getrennt, aber ganz dicht zu- sammengerückt. Zwischen die linke und rechte Chorda (ch), aber nieht mehr zwischen die beiden Nervenrohre (mr) legen sieh Dotterzellen (ds) trennend dazwischen. Aehnlieh ist der Befund bei Embryo P (Taf. XVI, Fig. 23), von dem Fig. 15 (Taf. XIX) einen Schnitt durch die Schwanz- wurzel, Fig. 16 einen Schnitt ‘durch die Mitte des Schwanzes darstellt. Hier ist nur dorsalwärts ein Flossenkamm (sf) hervor- gewachsen. Der Schwanzdarm (ds) schiebt sich hier nicht nur zwischen die beiden Chordahälften, sondern auch noch zwischen die weiter auseinander stehenden Nervenrohre (mr) dazwischen. Einige Besonderheiten weisen noch die Sehnittserien durch Embryo V «Taf. XVI, Fig. 22) und C auf. An der Schwanz- wurzel des ersteren sind die Doppelanlagen von Rückenmark und Chorda (Taf. XIX, Fig. 8, ch, mr) schon durch eine schmale Scheidewand von Dotterzellen (ds) getrennt. Am Querschnitt durch ‘die Mitte des Schwanzes (Fig. 11), der wieder mit einem dorsalen und ventralen Flossenkamm (sf) ausgestattet ist, berühren sich die beiden Nervenrohre (mr) und sind unterein- ander mit ihren medialen, dünnen Wänden verschmolzen, derart, dass dieselben zusammen zwischen dem noch doppelten Central- kanal ein Septum erzeugen. Zwischen linke und rechte Chorda (eh!, eh?) schiebt sich noch ein Streifen Dottermasse vom Schwanz- darm (ds) dazwischen. An anderen Schnitten (Fig. 10) ist plötz- lich im Rückenmark (mr) die Scheidewand verschwunden, so dass nur noch die Sförmige Figur des Querschnitts vom Centralkanal auf die ursprüngliche Verdoppelung hindeutet. Eine letzte Variation in den Befunden habe ich endlich noch bei Embryo C angetroffen (Taf. XIX, Fig. 18—20). Hier ist auf den Querschnitten durch die Mitte des Schwanzes das Rückenmark einfach in normaler Weise angelegt, die Chorda aber unter ihm verdoppelt (ch!, ch?). Die fast zur Berührung genäherten Chordahälften sind durch kein anderes Gewebe ge- sondert. Unter ihnen erblickt man den rundliehen Querschnitt des compaecten Schwanzdarms (ds). Und jetzt noch einige Worte über die Afterrinne. Dieselbe 406 Osear Hertwig: ist bei den Embryonen dieses Stadiums an der ventralen Seite ‚der Schwanzwurzel fast in allen Fällen sehr deutlich entwickelt und in eigenartlger Weise ausgeprägt (Taf. XVI, Fig. 17, 20—23, a,ar). Es können nämlich jetzt an ihr 2 Abschnitte unterschieden werden, ein rinnenartiger Anfangstheil und ein röhrenartiger End- abschnitt, der sich entweder der Wand des Beckendarms dicht anlegt oder mit der Höhle desselben in eine offene Communika- tion getreten ist. Meist zieht sich das ganze Gebilde durch eine grössere Anzahl von Schnitten der Serie hindurch (Taf. XIX, Fig. 1, 2, 5, 6, 19, 20, 22, 23ar). Die Rinne(ar) wie die Röhre werden von einer einfachen Lage hoher, mit Pigmentkörnchen ge- füllter Epithelzellen ausgekleidet. Ich gebe eine kurze Beschreibung der Afterbildung nach einigen Figuren, welche den Schnittserien durch die Embryonen B, V, S und © entnommen sind. An der ventralen Seite des Schwanzes von Embryo B (Taf. XVI, Fig. 21) ıst die Afterrinne auf mehreren Sehnitten (Taf. XIX, Fig. 1) von sehr hohen Falten (af) eingesäumt, die an der Oberfläche emen deutlichen Vorsprung bilden. Das Bild ist dem Durchschnitt durch eine Medullarrinne nicht unähnlich. Rechnet man dazu, dass die Rinne sich dann in derselben Weise zu einem Rohr schliesst, wie Fig. 2ar zeigt, so kann wohl, wenn man nicht den Zusammenhang aller Erscheinungen übersieht, die Vermuthung auftauchen, dass die Rückenmarksanlage eines ver- kümmerten, zweiten Embryo vorliege. Dass diese Vermuthung eine irrige ist, geht aber nicht nur aus dem ganzen Zusammen- hang, sondern vor allen Dingen auch daraus hervor, dass das nach aussen als Rinne sich öffnende Rohr nach innen mit dem Darm sich verbindet. Schon in Fig. 2 grenzt das Rohr unmittel- bar an die Dottermasse an, in einem der folgenden Schnitte hat es sich in den Hohlraum geöffnet, der jetzt als Ausstülpung der Beekendarmhöhle in der Dottermasse (Fig. 3 d) auftritt. Die Lage des rinnenförmigen zum röhrenförmigen Abschnitt ist stets eine derartige, dass der erstere der Schwanzspitze, der letztere der Schwanzwurzel zugerichtet ist, oder mit anderen Worten, der erstere distal, der letztere proximal liegt. Bei Embryo V (Taf. XVI, Fig.22) reicht die ventrale Schwanzflosse weit nach unten. Wo sie aufhört, beginnt die Afteranlage, die hier sehr kurz und nur an einer Stelle (Taf. Urmund und Spina bifida. 407 XIX, Fig. 5 ar) sich nach aussen öffnet, um dann zu einem Rohr geschlossen (Fig. 6a) mit der Beckendarmhöhle (d) in Verbin- dung zu treten. Embryo S (Taf. XVI, Fig. 20) zeigt uns wieder die ganze Afteranlage in grösserer Länge entwickelt und über die Ober- fläche weit vorstehend. An dem unteren Ende der ventralen Schwanzflosse öffnet sich die von ausserordentlich hohen Falten eingesäumte Rinne. In Fig. 22 (Taf. XIX) sehen wir sie zum Rohr (ar) geschlossen und von Eetoderm überzogen. In Fig. 25, einem noeh weiter ventral folgenden Schnitt der Serie, fliessen die Höhlen des Afterrohres (ar) und des Beekendarms (ed), die sich hier treffen, in eins zusammen. Einen abweichenden Befund bot Embryo © dar (Taf. XIX, Fig. 18—20), insofern hier die Afteranlage und die Beckendarm- wand durch eine zwischenliegende Gewebsschieht im ganzer Aus- dehnung getrennt bleiben. Fig. 20 zeigt uns die Rinne (ar), Fig. 19 die Neubildung der Rinne zum Rohr. Dieses hört aber blind geschlossen auf und ist vom Dotter (ds) durch eine Schicht mittleren Keimblatts (mk) getrennt. Erst mehrere Sehnitte später, nachdem die Afteranlage schon nieht mehr vorhanden ist, tritt eine Höhlung in der Dottermasse auf (Fig. 18 ed). Es scheint mir daher in diesem Falle in Folge besonderer Verhältnisse zu der als Atresia ani bekannten Missbildung gekommen zu sein. Auch seheint mir, was wohl damit in Zusammenhang steht, die ganze Lage des Afterrohrs eine etwas abnorme zu sein, indem sie von der Schwanzwurzel etwas mehr nach dem Schwanzende hinaufgerückt ist. Anhangsweise zu der zweiten Gruppe der Missbildungen will ich noch zwei Embryonen besprechen, die zwar Störungen im Verschluss ihres Urmunds zeigen, aber in einem so geringen Grad, dass dadurch die Entwicklung von Rückenmark und Chorda nicht nachtheilig in der Folge beeinflusst zu werden scheint (Taf. XVI, Fig. 26 u. 27). Beide Embryonen befinden sich auf einem noch verhältnissmässig frühen Entwicklungsstadium. Das Ei ist aus der kugligen in die ovale Form übergegangen und be- findet sich im Stadium der ersten Anlage der Medullarplatte. Bei dem in Fig. 26 abgebildeten Embryo treten in der normal entwickelten Rückengegend die 2 Medullarwülste (mw) in ihrer ganzen Länge hervor, beide noch durch einen weiten Abstand 408 Oscar Hertwig: von eimander getrennt und ein leyerartiges Feld umsäumend. ‚Das Ei gleicht in jeder Beziehung einem normalen bis auf den einen Punkt, dass der Blastoporus (uo) am hinteren Ende, wo die Medullarwülste verdünnt aufhören, noch ein ziemlich weites und rundes Loch darstellt und einen grossen Dotterpfropf aus demselben nach aussen hervorragen lässt. Bei ganz regel- mässigem Verlauf müsste zu dieser Zeit der Blastoporus sich in einen ganz kleinen Längsspalt mit zusammenschliessenden, seitlichen Lippen am hinteren Embryonalende umgewandelt haben. Der zweite Embryo (Fig.27) ist einerseits etwas weiter entwickelt als der eben besprochene, indem sich schon die Me- dullarwülste (mw) in der vorderen Hälfte des Rückens eimander nähern und zusammen zu legen beginnen. Auf der anderen Seite ist die Störung im Verschluss des Urmunds eine etwas grössere. Denn in der hinteren Hälfte des Rückens stellt der Blastoporus ein sehr weites, rundes Loch dar, aus welchem ein grosser Hügel von Dottermasse hervorragt. Die im vorderen Be- reich schon zum Verschluss sich anschickenden Medullarfalten sehen wir daher in der hinteren Hälfte des Rückens rechts- winklig nach beiden Seiten im Bogen umbiegen, wobei sie nie- driger werden und sich bald im Urmund verlieren. Ein Quer- schnitt durch die Mitte des Dotterpfropfs (Taf. XIX, Fig. 27) zeigt uns daher auch die Medullarplatte noch nicht differenzirt. Am Urmundrand, der einen den Dotter umschliessenden, breiten Wulst bildet, geht äusseres und inneres Keimblatt ohne Unter- brechung in das mittlere Keimblatt (mk) über, das sich zwischen beiden als kleinzelliger, etwas pigmentirter Streifen in die Tiefe senkt. Wenn wir uns die Frage vorlegen, wie sich in diesen beiden Fällen wohl der weitere Verlauf des Entwicklungsprocesses noch gestalten möge, so glaube ich dieselbe ohne Bedenken da- hin beantworten zu können: Bei dem ersten Embryo wird in der Bildung von Chorda und Nervenrohr keine Störung eintreten, und es wird voraussichtlich zu emem zwar verschobenen, aber sonst regelmässigen Verschluss des Blastoporus und einer voll- ständigen Umwachsung durch die Medullarwülste kommen. Im zweiten Fall dagegen ist die Aufnahme der Dottermasse in den Urdarm noch so weit zurück, dass sich an den Rändern des Ur- munds Medullarplatte und Chorda auf beiden Seiten differenziren werden noch vor seinem Verschluss. In Fig.27 sind auf der Urmund und Spina bifida. 409 linken Seite schon beide Organe in der Anlage begriffen. Es wird daher eine Hemmungsmissbildung geringeren Grades mit einer Rückenmarks- und Chordaspalte entstehen, etwa derart, wie wir sie in der Figur 14 (Taf. XVI) kennen gelernt haben. Dass der Blastoporus übermässig weit bleibt zur Zeit, wo sieh sehon die Medullarwülste: wie bei den in Fig. 26 und 27 dargestellten Embryonen bilden, ist übrigens eine Erscheinung, die sich häufiger beobachten lässt bei Eiern, die sieh in Folge mangelhaften Sauerstoffzutritts sehr langsam entwickeln. In der Mitte von Laichballen, die in kleinen Gefässen ohne Wasser- wechsel aufgehoben werden, findet man wohl stets solehe Eier in grösserer Zahl, wie ich mich von anderen Gelegenheiten her erinnere. Genauer untersucht habe ich freilich die in dieser Weise gehemmten Objeete bisher noeh nicht. Auch Roux er- wähnt in seiner Eingangs eitirten Schrift, dass auf Hemmungen bezw. Verzögerungen mancher Vorgänge beruhende formale Ab- weiehungen häufig auftreten, aber oft im weiteren Verlauf der Entwicklung wieder ausgeglichen werden. III. Gruppe der Missbildungen. Partielle Urmundspalte in der Aftergegend. In dem dritten Abschnitt werden Embryonen besprochen, die schon verhältnissmässig weit und anscheinend normal ent- wiekelt sind, indem ihre ganze Rückengegend in Nervenrohr, Chorda und Ursegmente gesondert ist, auch Augen-, Ohrblase und Haftscheiben angelegt sind (Taf. XVI, Fig. 28—51. Allen kommt aber ein gemeinsames, vom Normalen abweichendes Merk- mal zu; sie besitzen entweder am hintersten Ende ihres in die Länge gestreckten Körpers, wenn noch kein Schwanz angelegt ist, oder wenn ein solcher bereits vorhanden ist, an der Bauch- seite unmittelbar vor der Schwanzwurzel eime bald kleinere, bald grössere Oeffnung (uo), an welcher die weisse Dottermasse aus der schwarz pigmentirten Umgebung wie der Ruskoni'sche Dotterpfropf hervorsieht. Von vier Embryonen, die ich zur Abbildung ausgewählt und in Schnittserien zerlegt habe, zeigt der m Fig. 28 darge- stellte am hinteren Ende ein mächtiges, ovales Dotterfeld, an dessen oberem Rand die erste Anlage des Schwanzes (sk) in ° 410 Oscar Hertwig: Form von 2 Höckern sichtbar ist. Bei Embryo Ae (Fig. 29) nimmt das Dotterfeld eine entsprechende Lage ein, ist aber nur etwa den dritten Theil so gross; bei Embryo Ab (Fig. 30) ist es an der ventralen Seite etwas mehr nach vorn gerückt und daher nur bei ventraler Betrachtung des Embryo zu sehen. Es erklärt sich diese Lage einfach daraus, dass in der Verlängerung des Rückens die Anlage des Schwanzes ein wenig über das Dotterloch nach hinten hervorgewachsen ist. Von diesen sich aneinander reihenden Formzuständen bildet dann der Embryo H (Fig. 31) den Abschluss, denn er besitzt schon einen nach hinten weit vorstehenden, von emem kleinen Flossensaum eingefassten Schwanz und vor dessen ventraler Wurzel etwa in derselben Lage wie bei Embryo A b eine ovale, von Dottermasse ausgefüllte Oeffnung (uo). In allen diesen Fällen handelt es sich ebenfalls um den Rest einer Urmundspalte, und in sofern schliesst sich diese Gruppe naturgemäss an die in der ersten und zweiten Gruppe abgehan- delten Missbildungen an. Nur ist es hier der am meisten nach hinten und ventral gelegene Theil des Ur- munds, der in seiner normalen Umbildung gehemmt und in aussergewöhnlicher Weise offen gehalten worden ist. Frontal- und Sagittalsehnitte geben uns noch über dieses und jenes Ver- hältniss weitere Aufschlüsse. An dem Durchschnitt durch den Embryo Ad (Taf. XVI, Fig.28 und Taf. XIX, Fig. 17), der noch die weiteste Oeffnung besitzt, fällt auf, dass sich das äussere Keimblatt an der Bauch- seite unmittelbar an den freiliegenden Dotter (ul?) ansetzt. Wäh- rend sich bei der Gastrulation dorsale und seitliche Urmund- lippen (ul!) angelegt haben, ist die Bildung einer ventralen Ur- mundlippe (ul?) unterblieben. Da aber durch dieselbe hinter der Dottermasse die Beekendarmhöhle entsteht, so fehlt dieselbe in unserem Falle ebenfalls. Auf dem Längsschnitt von Embryo Ace (Taf. XVI, Fig. 29 und Taf. XIX, Fig. 26), dessen Blastoporus viel enger geworden ist, tritt uns zwar eine ventrale Urmundlippe (ul?) entgegen; dieselbe ist aber im Ganzen sehr unscheinbar. Ueberhaupt er- scheint die ganze Dottermasse sehr stark nach hinten zurück- gedrängt. Alle Embryonen der dritten Gruppe lassen ferner im Zu- sammenhang mit der mangelhaften Ausbildung der ventralen Ur- Urmund und Spina bifida. 411 mundlippe eine Afterrinne vermissen und dadurch unterscheiden sie sieh von den in der ersten und zweiten Gruppe zusammen- gefassten Missbildungen, bei denen die Afterrinne eine Bildung ist, die ungleich stärker als bei normalen Embryonen in die Er- scheinung tritt. Mit der Afterrinne ist bei ihnen aber auch die ventrale Urmundlippe nicht nur sehr frühzeitig, sondern auch besonders stark angelegt und eine Beekendarmhöhle gebildet. Vergleiche namentlich Taf. XVIL, Fig. 8, 9, 15 ed. Als After können wir die hier abgehandelten Oeffnungen, obwohl sie in der Lage demselben entsprechen, nicht bezeichnen. Zwischen beiden möchte ieh als unterscheidendes Merkmal einen Punkt als ausschlaggebend betrachten. An den Urmundlippen stehen äusseres und inneres Keimblatt nicht in unmittelbarem Zu- sammenhang mit einander, sondern sind durch das mittlere Keimblatt getrennt, welches hier seinen Ursprung nimmt. Am After dagegen gehen Ectoderm und Entoderm unmittelbar in einander über, während das Mittelblatt von beiden getrennt ist und eine der Afteröffnung entsprechend grosse Durchbrechung besitzt. Die bisher besprochenen Embryonen der dritten Gruppe boten in der Anlage ihrer übrigen Organe keine Abnormitäten dar. Embryo H (Taf. XVI, Fig. 51), der schon einen kleinen, besonderen Schwanztheil besitzt, machte allen bei der Unter- suchung auf der Querschnittserie eine Ausnahme. Fig. 28, Taf. XVII zeigt uns einen der durch den Urmundrest (uo) und den Anfang der Schwanzwurzel hindurchgelegten Querdurehschnitte. Man sieht ventralwärts das noch nieht umwachsene Dotterfeld, eingefasst von seitlichen, kleinen Urmundlippen. Dorsalwärts ist eine Spur einer Rückenflosse zu bemerken. Das unter ihr gelegene Rückenmark ist äusserlich einfach, lässt aber in seinem, relativ weitem Centralkanal ein feines Zellhäutchen (sch) erkennen, das sich von oben wie eine Scheidewand hineinschiebt. Unter dem Rückenmark liegen die Querschnitte zweier, sehr kleiner Chordastränge (ch), beide durch Dotterzellen getrennt, welche sich von der dorsalen Wand des Darms aus zwischen sie hineinschieben. Diese Verdoppelung der Chorda lässt sich auf einer Reihe von Schnitten verfolgen. Nach vorn hört sie bald auf, während sie sich nach hinten eine Strecke weit in den Schwanz fortsetzt. 412 Oscar Hertwig: Es lässt sich aus dem vorliegenden Befund mit absoluter . Sicherheit der Schluss ziehen, dass die Urmundspalte, die jetzt nur noch an der späteren Afterstelle besteht, auf einer jüngeren Entwicklungsstufe sich dorsalwärts bis in die Gegend ausgedehnt hat, wo sich die Sehwanzknospen anlegen, also noch etwas mehr nach vorn, als es bei dem Embryo Ad (Taf. XVI, Fig. 28) der Fall ist. Die Urmundspalte muss noch vorhanden gewesen sein zur Zeit, wo in dieser Gegend die ersten Differenzirungen in Nervenrohr und Chorda stattfanden. Bei ihrem bald darauf ein- tretenden Verschluss ist die Verdoppelung der Chorda als letztes Zeichen der Störung zurückgeblieben. Beurtheilung und Verwerthung der Befunde. Um die auf den vorausgegangenen Seiten mitgetheilten Be- funde von eigenthümlichen Missbildungen des Froscheies theils zu dem alten Bestand des morphologischen Lehrgebäudes in Be- ziehung zu setzen, theils für die weitere Ausbildung und Neubil- «dung morphologischer Lehrsätze zu verwerthen, will ich in drei Kapiteln jetzt noch folgende Punkte eingehender besprechen: 1. Das Vorkommen entspreehender Missbildungen in anderen Wirbelthierelassen und ihre Stellung im System der Tera-. tologie. 2. Die Bedeutung der an den Missbildungen gewonnenen Be- funde für einige Grundfragen der Wirbelthiermorphologie: a) der Urmundtheorie und der Conereseenztheorie, b) der Schwanzbildung und der Afterbildung, e) der Coelomtheorie. Die Beziehung des Urmundrandes zur Entstehung von Miss- bildungen und die Frage nach den Ursachen, welche die Entstehung dieser Missbildungen veranlasst haben können. wu. l. Das Vorkommen ähnlicher Missbildungen in anderen Wirbelthierelassen und ihre Stellung im System der Teratologie. Die von Roux und mir beobachteten Missbildungen des Froscheies nehmen keine exceptionelle Stellung im System der Teratologie ein. Aehnliche Missbildungen sind schon bei Kno- chentischen von Lereboullet, Oellacher und Rauber beob- Urmund und Spina bifida. 413 achtet und von Oellacher als Terata mesodidyma bezeichnet worden. Ueber Salamandra mac. liegen Beobachtungen von Klauss- ner, über das Hühnchen von Richter vor. Auch bei den Säugethieren und beim Menschen scheinen mir Missbildungen vorzukommen, welche hierher gehören und unter dem Sammel- begriff „Spina bifida* beschrieben werden. a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der Knochenfische. Das grösste Interesse beanspruchen die Mittheilungen von Lereboullet, Oellacher und Rauber, weil von ihnen die Entstehung der Missbildung auf verhältnissmässig frühen Stadien beobachtet und ihr weiteres Schieksal eine Zeit lang verfolgt worden ist. Die grundlegenden Beobachtungen von Lereboullet (38) sind enthalten in seinem bekannten Werk: Recherches sur les mon- struosites du brochet, observes dans l’oeuf und sur leur mode de production. Bei künstlicher Befruchtung der verhältnissmässig kleinen und durchsichtigen Hechteier erhielt der französische Forscher in ziemlich grosser Zahl Mehrfaehbildungen mit zwei und drei Köpfen, auch sehr verkümmerte Embryonen ohne Kopf und endlich eine Gruppe ziemlich häufig vorkommender Anoma- lien, die in jeder Beziehung unseren missgebildeten Frosch- embryonen entsprechen und schon damals sein Interesse in ganz besonderem Maasse erweckten. Es waren Embryonen, die vorn einen einfachen Kopf und hinten einen einfachen Schwanz be- sassen, in ihrer Mitte aber aus 2 Körpern bestanden, die derart von einander getrennt waren, dass sie einen mehr oder minder grossen elliptischen Ring bildeten (Taf. XVI, Fig. 24 und 25). Die beiden Arme des Ringes vereinigten sich nach vorn zu dem einfachen Kopf, nach hinten zu dem einfachen Schwanz. Jeder Ast des Ringes stellt nun aber bei aufmerksamer Untersuchung, wie Lereboullet ausdrücklich betont, nicht einen vollständigen Körper, sondern nur die seitliche Hälfte eines solchen dar. Denn man unterscheidet auf jeder Seite eine Rückenmarkshälfte (mr) und eine Chordahälfte, die sich im Kopftheil zu einem Normalrücken- mark und einer Normalchorda verbinden. Ferner bemerkt man auf jeder Seite eine einfache Reihe von Ursegmenten (us), welche 414 Oscar Hertwig: nur die äussere Seite eines Astes einnehmen, so dass es aus- . sieht, als ob sie das Resultat einer Längstheilung eines einfachen Embryo in 2 symmetrische Hälften seien. Auch besitzt der einfache Kopf nur 2 Augen und 2 Hörbläschen. Dagegen war in jeder Hälfte sehr häufig ein besonderes Herz aufzufinden, „als ob gewissermaassen die Natur jede Hälfte durch Repetition der gleichen Organe zu vervollständigen suchte“. Wenn die Embryonen einige Zeit zu leben fortfahren, so nähern sich allmählich die beiden Halbkörper und verschmelzen in der Medianebene, so weit, dass schliesslich nur noch eine sehr kleine ringförmige Oeffnung am Ursprung des Schwanzes übrig bleibt. „La duplieit&E embryonnaire“, schliesst daher Lere- boullet, „provient iei de la separation des parties symme- triques de l’embryon normal. C'est ce qui m’a fait dire que les deux corps embryonnaires dans ces anomalies ne sont en realite que des demi-corps.“ Bei dieser Art der Missbildung kommt es zuweilen vor, dass von (den beiden, das Dotterloch einschliessenden Rumpf- hälften die eine entweder in ihrer Entwicklung etwas zurück- geblieben oder auch ganz unterdrückt ist, ein Verhältniss, wel- ches ich in der gleichen Weise bei den Froschmissbildungen (Taf. XVI, Fig. 15—16 und Taf. XVIII, Fig. 27) festgestellt habe. Lereboullet konnte beim Hecht auch die erste Entstehung dieser Missbildung aus dem ringförmigen Keimwulst (bourrelet embryogene) beobachten. Bei anomalen Eiern entwickelte der letztere nur einen kurzen und dieken Kopffortsatz, der sich nicht weiter zum Primitivstreifen verlängerte; dagegen wurde der Keim- wulst selbst in ganzer Ausdehung aussergewöhnlich diek (Taf. XVIIL, Fig. 30); „il etait manifestement beaucoup plus riche en matiere organisable.* Der Keimwulst zerfällt daher alsbald selbst in eine Reihe einzelner Ursegmente in derselben Weise, wie sie sich sonst zur Seite der Medullarfurche bei einem normalen Em- bryo anlegen. Die beiden Reihen vereinigen sich dann nach vom an der Basis des Kopfhöckers, nach hinten in der Region, welche später dem Schwanz den Ursprung gibt. „Ainsi, en re- sum6, dans la monstruosite qui nous oceupe, le bourrelet em- bryogene ne donne naissance qu’ä la region cephalique, mais il se transforme lui m&me pour constituer le corps embryon- naire, et ee corps est compose de deux moities A cause de la Urmund und Spina bifida. 415 forme annulaire du bourrelet generateur.“ „Le bourrelet em- bryogene doit done &tre considere comme um amas, une sorte de magasin d’ elements organisateurs, et comme le point de depart de toutes les formations embryonnaires regulieres ou anomales.“ Auf die Arbeit von Lereboullet bin ich etwas ausführlicher eingegangen, weil sie nicht nur ein sehr werthvolles Beobach- tungsmaterial enthält, sondern auch dasselbe von dem richtigen Gesichtspunkte aus beleuchtet. Als Ergänzung reiht sich an die- selbe die Arbeit von Oellacher (42) „über Terata mesodidyma von Salmo Salvelinus“. Oellacher hatte die künstliche Befruchtung an Eiern von Saiblingen ausgeführt, die er aus einem 12 Meilen von Innsbruck entfernten Thal erhalten hatte. Unter den befruchteten Eiern, deren Zahl er auf 400—500 schätzte, fand er eine geradezu er- staunenswerthe Anzahl von Missbildungen, die fast alle unter das Genus der Mesodidymi gehörten; ihre Zahl veranschlagt er mindestens auf das 10 bis 20fache im Vergleich zu der sehr geringen Zahl, die er bei häufigen Befruchtungs- und Züchtungs- versuchen von Forellen erhielt. Nach meiner Meinung scheint das massenhafte Auftreten von Missbildungen in diesem Fall wohl mit dem Umstand zusammen zu hängen, dass durch den weiten und gewiss schwierigen Transport auf einem Gebirgsthal die weiblichen Laichfische und die reifen Eier etwas geschädigt worden waren und dass in Folge dessen bei der künstlichen Befruchtung häufig Polyspermie eintrat. Die von Oellacher untersuchten Missbildungen sind im Durehsehnitt älter und weiter ausgebildet als die von Lere- boullet beschriebenen. Bei ihnen geht die Spaltung entweder sehr tief und ist auf eine lange Strecke (in extremen Fällen von den Ohrbläschen bis in .den Schwanz hinein) ausgedehnt, oder sie ist seicht und nimmt nur eme kurze Strecke des Leibes ein, oder endlich sie ist ganz kurz und nur durch einen leichten Ein- druck an der Oberfläche eines etwas verbreiterten Stückes des Rumpfes angedeutet. ‚Die Oellacher’'sche Untersuchung bietet wie ich oben sagte, eine Ergänzung zu der Arbeit Lereboullets besonders dadurch, dass die Missbildungen auch auf Querschnitten unter- sucht wurden. Auf diese Weise wurde festgestellt, dass alle paarigen Organe in keinem Falle von der Verdoppelung betroffen 416 Oscar Hertwig: werden. Es werden daher die Augen, Gehörorgane, Ursegmente, Urnieren, Brust- und Bauchflossen niemals in doppelter Anzahl gefunden. Von der Verdoppelung oder besser von der Spaltung können einzig und allein alle unpaaren,, der Medianebene angehörigen Or- gane heimgesucht werden, in erster Linie das Rückenmark und die Chorda, ausserdem aber auch noch in vielen Fällen das Herz und der Darmkanal und die aus dem letztern hervorsprossende Leber. Durch die Verdoppelung von Herz, Darm und Leber unter- scheiden sich die Fischmissbildungen in imteressanter und hier besonders hervorzuhebender Weise von den Froschembryonen, wo ich etwas derartiges ja niemals beobachtet habe. Ich repro- dueire daher, um dies Verhältniss zu veranschaulichen, aus der Arbeit von Oellacher einen Querschnitt durch einen älteren Em- bryo von Trutta fario, aus der Gegend ‘des Leberanlage (Taf. XVII, Fig. 29). Man bemerkt in jedem Halbrumpf die in sich zusammen- gerollte Rückenmarkshälfte (mr), die Chorda (ch), deren Zellen schon bläschenförmig geworden sind, die schon stark vergrösserten Ursegmente (us), den Urnierengang (ug), darunter dem Dotter aufliegend das von emer einfachen Epithelschieht ausgekleidete Darmrohr (d) und die aus ihm entstandene, aus vielen gewundenen Röhren bestehende Leberanlage (l). Von einer zur anderen Rumpfhälfte schlägt sich, den kleinen Zwischenraum überbrückend, sowohl die Epidermis als auch das Darmdrüsenblatt herüber, letzteres indem es dem Dotter unmittelbar aufliegt. Der auf den ersten Blick auffällige Unterschied, der zwischen den Missbildungen vom Frosch und von Fischen in einigen Einzel- heiten, besonders in der Verdoppelung von Herz und Darm, be- merkt wird, erklärt sich in leichter Weise aus den Verschieden- heiten, wie sie beim normalen Entwickelungsgang des Herzens und Darms überhaupt zwischen holoblastischen und meroblasti- 1) Die Angabe von Oellacher, dass im vordersten Be- reich der Spaltung ab und zu auch ein medianes Ursegment auf- trete, scheint mir, zumal im Hinblick auf die von Lereboullet mitgetheilten Befunde, auf einer Täuschung zu beruhen, vielleicht da- durch veranlasst, dass sich vom lateralen Ursegment eine Zellmasse unter der Chorda auf die mediane Seite etwas vorgeschoben hat. Urmund und Spina bifida. 417 schen Eiern bestehen. Bei letzteren wird das Herz ja schon normaler Weise in der Form zweier seitlich gelegener Schläuche in Anpassung an den mächtigen Nahrungsdotter angelegt, wäh- rend das Herz bei den Amphibien gleich von Anfang an ventral- wärts am Ei und unpaar entsteht. Ebenso schnürt sich bei den meroblastischen Eiern der Darm als besonderer Schlauch durch Faltenbildung von dem inneren Keimblatt ab, das Anfangs seiner Hauptmasse nach zur Bildung des Dottersacks dient, während bei den Amphibien Darm und Dottersack nicht von einander gesondert sind. An seinen Querschnittsserien durch die Fischmissbildungen stellte ferner Oellacher fest, dass an den Körperstrecken, die äusserlich emfach erscheinen, am vorderen Rumpftheil und am Schwanz, die Verdoppelung der medianen Organe sich noch eine kleine Strecke weit fortsetzt und erst allmählich dem Normal- zustand Platz macht. Hierbei vereinigen sich zuerst wieder die beiden Darmschläuche zur einfachen Anlage, dann die beiden Rückenmarkshälften und zuletzt die beiden Chordastränge, wie es ja auch bei den Froschembryonen der Fall ist. Endlieh erwähne ich, dass Oellacher noch einige ältere, aus der Eihülle ausgeschlüpfte Mesodidymi beobachtet hat, die ihren Dottersack seit ein bis zwei Wochen schon verloren hatten. „Dieselben stellen äusserlich völlig einfache Individuen dar, und würde Niemand dieselben für Mesodidymi halten, der nieht die eigenthümlichen Verkrümmungen solcher in früheren Stadien beobachtet hat, in Stadien, in denen die innere Duplieität noch äusserlich deutlich erkennbar war.“ Auch dies erinnert an ent- sprechende Zustände von älteren, ausgeschlüpften Froschlarven. Die Parallele zwischen den missgebildeten Frosch- und Fischembryonen lässt sich noch weiter durchführen. Vom Frosch habe ich emige Missbildungen beobachtet, bei denen das vordere Körperende in grösserer Ausdehnung einfach war, während die Spaltbildung vorzugsweise das hintere Ende und den ganzen Schwanz betroffen hatte, weil die Verschmelzung der beiden Schwanzknospen unterblieben war. Entsprechende Missbildungen hat Oellacher auch vom Saibling unter der Bezeichnung „Kata- didymus“ beschrieben. Es sind Embryonen, von denen bemerkt wird, dass bei ihnen „die Schwanzknospe und das an sie zu- nächst angrenzende Stück des Hinterleibes bis auf das obere Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 98 418 Oscar Hertwig: Keimblatt, das zwischen beiden eine Brücke bildet, vollkommen -gespalten sei.“ Ein dritter Forscher, der sich mit den eigenthümlichen Spaltbildungen des Rumpfes der Knochenfische eingehender be- schäftigt hat, ist Rauber, dessen Beobachtungen in seinem be- kannten Aufsatz „Formbildung und Formstörung in der Entwick- lung von Wirbelthieren“ niedergelegt sind. Rauber (50, 52) hat eine Anzahl von ziemlich jungen Keimscheiben von der Forelle und vom Salm beschrieben, an denen ein kleinerer, vorderer Theil der Embryonalanlage normal entwickelt war, das sich daran an- schliessende Stück des Rumpfes aber gespalten und durch einen ansehnlichen Zwischenraum in zwei Hälften getrennt war. Linke und rechte Hälfte des Keimrings hatten sich im Organanlagen schon differenzirt, ohne sich in der Mittellinie emander genähert und zur normalen Embryonalanlage verbunden zu haben. Zwischen den auseinanderstehenden Embryonalhälften liegt indessen die Dottermasse nicht frei zu Tage, sondern ist, wie schon Oellacher angegeben hat, von einem dünnen Zellhäutehen bedeckt, das zum äusseren Keimblatt gehörig sich von eimer zur anderen Hälfte herüber spannt. Auch hier konnte Rauber in einem Falle Defeete in der Ausbildung des Keimrings auf einer Seite feststellen (52, Fig. 21). b. Die Terata mesodidyma der Amphibien. Ausser beim Frosch ist ein Mesodidymus bisher nur einmal bei Salamandra maculata beobachtet und von Klaussner (33) abge- bildet worden. Kopf und Schwanz sind einfach und erheben sich als Höcker senkrecht über die Dotterkugel. Der zwischen ihnen gelegene, wie ein Sattel eingekrümmte Rücken des Rumpfes ist in zwei Hälften gespalten, deren jede im Halbbogen die sehr ansehnliche, von Dotter ausgefüllte Urmundspalte umfasst. (Klauss- ner, Tafel VIII, Fig. 49.) e. Spaltbildungen bei den drei höheren Wirbel- thierklassen. Spina bifida. Missbildungen aus so früher Entwicklungszeit, wie wir sie bei Amphibien und bei Fischen haben beobachten können, sind uns bei Reptilien, Vögeln und Säugethieren noch nicht bekannt Urmund und Spina bifida. 419 geworden. Ihr Studium stösst hier überhaupt in jeder Beziehung auf grössere Schwierigkeit. Denn einmal entzieht sich bei ihnen der Befruchtungsprocess, da er im Innern des weiblichen Ge- schlechtsapparats erfolgt, den experimentellen Eingriffen. Zweitens ist es nicht möglich, mit Leichtigkeit grössere Mengen von Eiern auf das Auftreten von Missbildungen, namentlich am Anfang der Entwieklung, zu durchmustern, da sich die Keime theils im Innern undurehsichtiger Hüllen (Reptilien, Vögel), theils in der Gebärmutter (Säugethiere) entwiekeln. Wir beobachten da- her entweder nur gelegentlich eine Missbildung (beim Eröffnen eines missgebildeten Hühnereies oder durch eine pathologische Frühgeburt) oder wir lernen sie erst kennen, wenn die missge- bildeten Geschöpfe am Ende ihrer Entwicklung stehen und ge- boren werden. In diesem Falle sehen wir aber nur das End- resultat des unter Umständen schon ausserordentlich früh ge- störten Entwicklungsprocesses, die mehr oder minder pathologische und monströse Beschaffenheit einzelner Organe. Die Ursache der Störung selbst, ihr erstes Auftreten im Entwicklungsprocess ete. bleibt uns unbekannt und kann höchstens durch Vergleich mit dem normalen Entwicklungsverlauf mit einem mehr oder minder hohen Grade von Wahrscheinlichkeit erschlossen werden. Hier kann das Stadium der Missbildungen niederer Wirbel- thiere sehr viel zur Aufklärung schwieriger Verhältnisse beitragen. Bei Amphibien und Fischen können wir bei geduldiger Beobaech- tung eine Missbildung in ihrer Entwicklung von frühen Anfangs- stadien bis zu Zuständen verfolgen, wo alle Organe schon mehr oder minder ihre normale Lage erreicht haben und in Funetion getreten sind. So erfahren wir, wie Missbildungen einzelner Or- gane beim ausgebildeten Thiere genetisch begründet sind, wie z.B. die Verdoppelung des Rückenmarks und der Chorda, even- tuell auch des Darms und der Leber bei Fischen und Amphibien durch eine während längerer Zeit bestehende Urmundspalte her- vorgerufen wird. Wenn wir nun sehen, dass auch bei den höheren Wirbelthieren als letzte Spuren einer gestörten Entwick- lung Abnormitäten vorkommen, wie Spaltung des Rückenmarks oder der Wirbelsäule oder beider Organe zugleich, so sind wir berechtigt, sie den entsprechenden Störungen bei niederen Wirbel- thieren an die Seite zu stellen. Nicht minder sind wir wohl berechtigt, den Grund der Störung in denselben Ursachen zu 420 Oscar Hertwig: suchen, die sich doch sehon früh beim Beginn des ganzen Ent- -wieklungsprocesses bemerkbar machen und in einer Störung des Gastrulationsprocesses und in einer Hemmung des normalen Ur- mundschlusses bestehen. Die Missbildungen der drei höheren Wirbelthierklassen und vor allen Dingen auch des Menschen, auf welehe in dieser Weise die „vergleichende Teratologie* Licht verbreitet, sind in der Literatur unter dem gemeinsamen Namen der Spina bifida bekannt. Mit dem Studium der Spina bifida des Hühnchens hat sich in letzter Zeit Richter (55, 56) beschäftigt und dieselbe in experi- menteller Weise durch Temperaturschwankungen während der Be- brütung hervorzurufen versucht. Bei einem Experiment hat er unter 58 Eiern 3 Spinae bifidae, eombinirt mit Exencephali, erhalten, während drei andere Versuche ohne Erfolg blieben. In einem Fall war der Sitz der Störung in der Mitte zwischen den beiden Vorderextremitäten. An Schnittserien zeigte sich das Rückenmark in Breite und Höhe stark vergrössert, der Central- kanal stark ausgeweitet und in zwei Hälften durch eine Scheide- wand getrennt, die von der oberen Wand nach abwärts ge- wachsen ist und sieh mit der unteren Wand verbunden hat. In noch extremeren Fällen begrenzen die beiden Rückenmarkshältten, dorsalwärts auseinander weichend, eine Rinne, welche durch eine feine Membran geschlossen ist. „Diese ist gleichfalls geneigt, unter Fortsatzbildung nach abwärts colossal zu hypertrophiren.“ Leider finde ich in den vorläufigen Mittheilungen von Riehter keine Angaben über das Verhalten des Axenskelets, insbesondere der Chorda dorsalis, was für das Verständniss der Bildung doch ausserordentlich wiehtig wäre. Dagegen erinnern die Ausweitung dies Centralkanals, die Seheidewandbildung, die häutige Ver- schlussmembran bei weitem Auseinanderstehen der Rückenmarks- hälften an ähnliche Befunde bei missgebildeten Froschembryonen. Ein reichhaltiges Material für unsere Frage liefert die Spina bifida des Menschen, welche zu den am häufigsten beobachteten Missbildungen unseres Geschlechts gehört. Wer sieh über die sehr vielgestaltigen, hier in Betracht kommenden Störungen unterrichten will, verweise ich insbesondere auf die Untersuchung von W. Koch (34) und auf die zusammenfassende, gründliche Abhandlung von Reeklinghausen (54). Urmund und Spina bifida. 421 Die zahlreichen, bekannt gewordenen Fälle von Spina bifida des Menschen gehören fast alle der postembryonalen Zeit an, so (lass die beim Entwieklungsprocess stattgefundenen Störungen bereits zu ihrem definitiven Abschluss gelangt sind. Uns inter- essiren naturgemäss die Fälle der hochgradigsten Störung, in denen sich der Bildungsprocess am wenigsten nachträglich der Norm hat nähern können. So wird öfters in der Literatur eine vollständige Zweitheilung des Rückenmarks beschrieben, die ent- weder nur auf eine Stelle im Hals-, Dorsal- oder Lendentheil be- schränkt oder in ganzer Länge vom Him bis zum Filum ter- minale ausgeprägt ist (Diastematomyelie). Bei einzelnen Miss- bildungen stellen beide Rückenmarkshälften parallel nebenein- ander verlaufende und dureh eine Commissur verbundene platte Streifen dar, von denen jederseits ventrale und dorsale Wurzeln entspringen; in anderen Befunden ist jede Rückenmarkshälfte wieder zu einem Rohr mit eigenem Centralkanal ergänzt, wie dies ja auch bei Fisch- und Amphibienembryonen fast stets der Fall ist. Zu zwei genauer beschriebenen Fällen bemerkt von Reck- linghausen, man müsse „wohl annehmen, dass hier die em- bryonale Umbildung der Medullarplatte ungewöhnlich erfolgte, dass sich jede Hälfte für sich zu einem Rohr abschloss, statt mit dem Partner zu einem gemeinsamen Rohr zu verwachsen“. Nach seiner Meinung handelt es sich daher, worin ich ihm in jeder Beziehung zustimme, nicht um eine wahre Doppelbildung, um ein Plus oder eine Zweifachheit der Rückenmarkssubstanz, sondern nur um eine Zweitheilung. Denn die Summe der Masse beider Hälften komme nur der Masse eines ungetheilten Rückenmarks- stückes von derselben Länge gleich. von Recklinghausen verweist auf die von Rauber (und vor ihm schon von Lere- boullet) aufgestellte T’heorie, dass die Hemididymi Hemmungs- bildungen sind, dadurch zu Stande gekommen, dass der Anschluss dler rechten und der linken Keimringhälfte an einander verzögert wurde, und erklärt, dass dieser Theorie die Befunde von Zwei- theilungen des Rückenmarks beim Menschen sich in der natür- lichsten Weise anfügen. Bei den Spaltbildungen des Rückenmarks sind auch die Nachbarorgane betheiligt. In einzelnen Fällen schoben sich die weichen Hirnhäute zwischen die symmetrischen, zu je einem Rohr 422 Oscar Hertwie; umgestalteten Rückenmarkshälften himein, und bei einer Beob- .achtung von Recklinghausen schob sich sogar durch den Spalt zwischen beiden Hälften ein Verbindungsstrang zwischen vorderer und hinterer Dura mater hindurch. Sehr häufig ist mit der Rückenmarksspalte auch eine Spalt- bildung der Wirbelsäule combinirt. Entweder ist nur der Wirbel- kanal an einer bestimmten Stelle oder in seiner ganzen Länge nach dem Rücken zu geöffnet, indem die Bogenhälften mangel- haft entwickelt und beim Fehlen der Dornfortsätze nicht unter einander verschmolzen sind (Rhachischisis posterior). Es ist dies der gewöhnliche, häufigste Befund. Nicht selten aber gesellt sich hierzu noch eine Spaltbildung in den Wirbelkörpern (eine Rhachischisis anterior). Dieselbe äussert sich entweder nur als eine den Wirbelkörper in seiner ganzen Länge durehsetzende Fissur, oder es stehen beide Hälften der Wirbelkörper, die dann auch mehr oder minder rudimentär sein können, in der Breite eines Fingers auseinander. Der Defeet wird durch Bindegewebe ausgefüllt. In diesen schwereren Fällen von Wirbelspalte er- reicht die Anzahl der vorhandenen Wirbel kaum je die Norm. Dabei haben die aus ihrer natürlichen Lage gerückten Wirbel- hälften eine sehr ungleichmässige Entwicklung erfahren. Die meisten sind unter der normalen Grösse, einige nur noch als kleine Knocehenkerne bemerkbar; wo sich grössere Stücke finden, da sind dieselben nur aus der Verschmelzung mehrerer hervor- gegangen, wie man zum Theil noch an Trennungsfurchen deut- lich erkennen kann (Rindfleisch 62). Leider ist über das Ver- halten der Zwischenwirbelscheiben mit ihren Gallertkernen nichts bekannt. Da durch das Vorkommen doppelter Gallertkerne bei vorderer Wirbelspalte die Verdoppelung der Chorda bewiesen wäre, möchte ich zukünftigen Beobachtern diesen wichtigen Punkt zu besonderer Berücksichtigung empfehlen. Den höchsten Grad einer Spaltung des Axenskelets beim Menschen stellt vielleicht die von Braune‘(8) beschriebene Missbil- dung aus dem Hallenser Museum dar, die gewöhnlich als ein Doppelmonstrum aufgefasst wird. Sie besteht aus einem hemice- phalischen Kopf, zwei Wirbelsäulen, zwei Armen, einem Brust- bein, einem Becken mit drei an ihm befestigten hinteren Extre- mitäten. Schon Panum (43) hat die Vermuthung ausgesprochen und als wahrscheinlich bezeichnet, dass es sich in diesem Urmund und Spina bifida. 423 Falle nicht um eine wirkliche Doppelmissbildung, sondern um eine Spaltbildung handele, welche den Terata mesodidyma von Oellacher hinzuzurechnen sei. Allerdings müsste dann die dritte überzählige Extremität durch Knospung neu entstanden sein im Anschluss an die weit nach hinten ausgedehnte Spalt- bildung im Bereich der Embryonalanlage. Den Abschnitt über die Spina bifida des Menschen schliesse ich mit einigen Sätzen, in denen v. Recklinghausen aus seinen Beobachtungen das Ergebniss zieht, dass die Ursachen für die Entstehung der Spina bifida in den frühzeitigsten Stadien des Entwieklungsprocesses zu suchen sein müssen. „Die nachge- wiesene Häufigkeit von. Verdoppelung bei Rhachischise und der Myelomeningocele bildet eine wichtige, thatsächliche Stütze für die Theorie, «dass diesen Arten der Wirbelspalte eine solche Aplasie der Skeletaxe zu Grunde liegt, welehe die Ver- einigung der beiden Hälften der Wirbel- und Medullaranlage zum einfachen Rohr verhindert hat. Wenn wir die letztere so regel- mässig an der Spaltung betheiligt finden, wenn wir selbst bei den Wirbelspalten geringster Ausdehnung, nämlich bei denjenigen, welehe eine Rückenmarkshernie, die Myelomeningocele, durch- treten lassen, diese Persistenz «der Medullarrinne als das Maass- gebende nachgewiesen haben, so ergibt sich die Nothwendigkeit, auch die locale Missbildung des Rückenmarks von der aller- frühesten Zeit der embryonalen Anlage her zu datiren und auch hier das Primäre in einem Wachsthumsmangel des Blastoderms zu suchen. Die Muskel- und Hautplatten, selbst die Anlage der Fascie erscheinen ebenfalls von Anfang an ge- spalten, nicht secundär «durchbrochen und durehbohrt zu sein; auch ihrem Keimmaterial fehlte es an Wachsthumsenergie.“ Ich schliesse mich dieser Ansicht von Recklinghausen durchaus an, präcisire dieselbe aber jetzt genauer dahm, dass ddas, wasv. Recklinghausen einen Wachsthumsmangel des Blasto- derms bezeichnet, in einer Hemmung besteht, welche der Ver- schluss des Urmunds erfährt, in der Weise, wie es thatsächlich für Amphibien- und Fischembryonen durch Beobachtung festge- stellt ist!). So hängt das Verständniss einer grossen Zahl von 1) Auch Roux bemerkt in seiner Eingangs eitirten Schrift (61): „Zugleich gewinnt mit unserer Deutung der an Fröschen beobachteten 424 Oscar Hertwig: Missbildungen mit Grundfragen der Wirbelthiermorphologie zu- ‚sammen. Da diese Grundfragen zur Zeit noch viel umstrittene sind, will ich an der Hand des neu gewonnenen Thatsachen- materials auf eine weitere Besprechung derselben im zweiten Kapitel eingehen. 2. Die Bedeutung der an den Missbildungen gewonnenen Befunde für einige Grundfragen der Wirbelthiermorphologie. a ADie Urmundtheorie. Die in so eigenartiger Weise missgebildeten Froschembryonen habe ich als Hemmungsmissbildungen gedeutet. Auf Grund dieser Deutung müssen wir bei den Amphibien eine Ausdehnung dies Urmunds annehmen, wie sie uns das Studium ihrer normalen Entwieklungsgeschichte bis jetzt nicht kennen gelehrt hat. Um es gleich auszusprechen, was wir bisher bei den Amphibien und anderen Wirbelthieren auf den einzelnen Entwicklungsstadien als Urmund bezeichnet haben, ist immer nur ein Theil desselben und daher genau genommen nicht ein und dasselbe Gebilde. Denn der Urmund ändert im Laufe der Entwicklung beständig seine Form, Lage und Ausdehnung. Im Kopfbereich der Embryonal- anlage zuerst entstanden, findet er sich später in der Halsgegend, noch später in der Brust- und Lendenregion und endlich an der Sehwanzknospe. So nimmt der Abstand zwischen der Kopf- gegend und der Stelle, wo die Urmundöffnung sich zeitweilig befindet, mit der Vermehrung der Ursegmente gleichen Schritt haltend, zu. Die Erscheinung erklärt sich in einfacher Weise daraus, dass der Urmund sich bald nach seiner ersten Anlage durch Verwachsung Seiner Ränder vom vorderen Ende an schliesst, während er sieh’ nach'hinten vergrössert und eine Zeit lang offen erhält. Die einzelnen Entwicklungs- stadien eines Wirbelthierkeims zeigen uns daher immer nur einen kleinen, dem jeweiligen Sta- dium entsprechenden Abschnitt des Urmunds ge- Diastasis medullaris die von Recklinghausen ausgesprochene Auffassung der Rückenmarksspaltbildungen eine weitere Stütze.“ . Urmund und Spina bifida. 195 öffnet. Wollen wir uns eine Vorstellung von sei- ner Gesammtausdehnung verschaffen, so müssen wir uns alle die Stellen, wo vom Beginn der Ent- wieklung eine Verschmelzung der Urmundränder stattgefunden hat, geöffnet denken. Einen solehen Befund geben uns die Froschmissbildungen, bei denen die Hemmung im Verschluss des Urmunds den höchst- möglichen Grad erreicht hat. Hier dehnt sich der Urmund vom vorderen Ende der Anlage des Nervensystems und der Chorda dorsalis bis zum After, also durch die ganze spätere Rückengegend desEmbryo in ganzerLänge aus!) Zu Gunsten dieser Auffassung scheint nun aber auf den ersten Bliek der normale Verlauf des Gastrulationsprocesses bei den Amphibieneiern sehr wenig zu sprechen, wenigstens nach der Vorstellung, welche zur Zeit wohl noch die vorherrschende ist. Prüfen wir daher, ob diese Vorstellung bei tieferem Nach- denken nicht nothwendiger Weise einer Ergänzung und einer Erweiterung bedarf. Bekanntlich ist über den Gastrulationsprocess bei den Am- phibieneiern ein lebhafter Streit zwischen Oscar Sehultze(63) und Roux (60) in den letzten Jahren geführt worden. Zahlreiche, mit Scharfsinn angestellte Experimente wurden von beiden Seiten zur Begründung der entgegengesetzten Ansichten ins Feld ge- führt. Der Gegensatz zwischen den beiden Auffassungen ist so gross, dass Roux an diejenige Stelle der Eioberfläche die Kopf- anlage verlegt, an welcher Schultze den Schwanz des Embryo entstehen lässt. | Nach Sehultze bezeichnet die dorsale Lippe des Gastrula- mundes von ihrer ersten Entstehung an einen dieht unterhalb des Eiaequators gelegenen festen Punkt der Eioberfläche, welcher - der Schwanzseite des Embryo entsprieht. Die Gastrulation findet 1) Wie sehon früher hervorgehoben wurde, tritt uns ein der- artiger spaltförmiger Urmund, der zugleich auch noch von einem Ner- venring eingeschlossen ist, in der Thierreihe bei den Anthozoen ent- gegen. Auch findet er sich auf frühen Entwicklungsstadien vieler Wirbellosen, bei Peripatus, bei Anneliden und bei Arthropoden. Bei Peripatus nimmt der Urmund die ganze Länge des Rückens ein und ist noch zu einer Zeit geöffnet, wo schon an seinen Rändern zu beiden Seiten des Spaltes eine Anzahl von Ursegmenten entstanden ist. 426 Oscar Hertwig: nach ihm in der Weise statt, dass die untere Eihälfte oder die vegetative Hälfte der Blastula durch einen gegen diesen festen Punkt gerichteten Einstülpungsvorgang und durch Flächenaus- dehnung der animalen Hälfte in das Innere des Eies aufgenom- men und von dem Epiblast überwachsen wird. „Demgemäss ent- steht das Medullarrohr auf der oberen und mit Recht seit alter Zeit als „animal“ benannten Hemisphäre der Blastula.“ Roux dagegen lässt im schärfsten Gegensatz zu Scehultze das Nervenrohr sich auf der ursprünglich unteren Seite des Eies bilden. „Wir haben uns, bemerkt er, vorzustellen, dass das Ma- terial zur Bildung der Medullarplatte jederseits durch seitliches Herabwachsen vom Aequatorrande aus auf die Unterseite des Eies geschoben wird, und dass diese von beiden Seiten her ein- ander entgegenwachsenden Platten unten in der Medianebene mit emander verschmelzen. Diese Verschmelzung findet suecessive und zwar in cephalocaudaler Richtung statt. Auf diese Weise erklärt sich zugleich die im der gleichen Richtung erfolgende Wanderung des Urmundes um etwa 170° über die Unterfläche des Eies. Die Gastrulation des Froscheies vollzieht sich also wesent- lieh durch Ueberwaehsung der weissen, unteren Hälfte des Eies von den beiden Seitenhälften des Aequators aus, also dureh bi- laterale Epibolie.*“ Eine Einstülpung kommt dabei bloss inso- weit vor, als das Nahrungsdottermaterial der unteren Hälfte zu- gleich nach oben gegen das Dach der Furehungshöhle hinwan- dert oder verdrängt wird bis zur vollkommenen Berührung des- selben, also bis zum Schwunde der Furchungshöhle.“ Roux begründet diese Ansicht durch scharfsinnig ausge- führte Experimente. Wenn befruchtete Eier nach dem von Pflüger (44) zuerst angewandten Verfahren in Zwangslage gehalten werden mit nach abwärts gekehrtem, weissem Pol, so dass sie die Drehungen, welehe während der Entwicklung normaler Weise erfolgen, nieht ausführen können, so bilden sich «die Medullar- wülste, wie auch Pflüger beobachtet hatte, an der unteren Fläche des Eies und „sind stets so orientirt, dass der quere Ge- hirnwulst etwa der Stelle der ersten Anlage «des Urmundsaumes entspricht, während das hintere Ende der Medullarwülste neben der Stelle des letzten Restes des Urmundrandes gelegen ist“. Zu (demselben Ergebniss führten „Anstechversuche“, welche Roux in der Weise ausführte, dass er mit einer erwärmten, feinen Nadel Urmund und: Spina bifida. 427 eine bestimmte Stelle der Eioberfläche verletzte und dann nach Ablauf längerer Zeit untersuchte, in weleher Gegend des Embryo die als Folge der Verletzung entstandene Narbe zu finden war. Wenn die Mitte der schwarzen Hemisphäre der Blastula verletzt wurde, lag später die Narbe nicht nach der Auffassung von O0. Sehultze in der Mitte des Medullarrohrs, sondern auf dem Bauche des Embryo. Wurde die erste Anlage der dorsalen Ur- mundslippe zerstört, so ergab sich daraus „ein Bildungsdefeet im queren Gehirnwulst“. Verletzung emer schon beginnenden Ga- strula seitlich am Aequator führte einen Defeet „annähernd in der Mitte eines Medullarwulstes herbei*. Wenn dagegen das Ei bei beginnender Gastrulation an der der Urmundsanlage gegen- überliegenden Stelle des Aequators verletzt wurde, so war em Defeet am caudalen Körperende die Folge. Einen dritten Beweis findet Roux in den Missbildungen, die von ihm als Asyntaxia medullaris beschrieben und von mir in dieser Abhandlung auf ihren verschiedensten Entwicklungs- stadien genau untersucht worden sind. Bei diesen ist ja auf den ersten Blick zu sehen, dass die schwarze Hemisphäre der Bla- stula zur Bauchseite der Missbildung geworden ist, und dass die vegetative Hälfte, umsäumt von den Medullarwülsten, die nur wenig über den Aequator des Eies herübergeschoben sind, der Rückenfläche entspricht. In der Polemik, welche zwischen Roux und Oscar Scehultze über die Lage von Urmund und Nervenrohr in Bezug auf die Oberfläche der Blastula entstanden ist, muss ich mich auf die Seite von Roux stellen; auch theile ich seine im Referat wiedergegebenen Ansichten über die Bildung und Umbildung des Urmunds beim Amphibienei, wie der Leser aus den verschiedenen Erörterungen, welehe ich an mehreren Stellen über die Urmund- frage angestellt habe, schon ersehen haben wird. Auf Grund der Roux’schen Experimente und Beweisführung wird es allein möglich die Befunde, welche uns die Froschmissbildungen ge- liefert haben, mit dem normalen Gastrulationsprocess in Beziehung zu setzen. Gleiehwohl finde ich in der Darstellung von Roux einen nicht unwesentlichen Punkt nicht in entsprechender Weise be- rücksiehtigt; es sind dies die Einstülpungsprocesse, die mit den Umwachsungsprocessen einhergehen. So bildet sich durch eine 428 Oscar Hertwig: echte Einstülpung, die vom dorsalen Urmundrand ausgeht, die ansehnliche Kopfdarmhöhle aus, die in weiter Ausdehnung von einer einfachen Schicht eylindrischer Entoblastzellen bedeckt wird. Selbst bei den höchsten Graden unserer Missbildungen, die Roux in der Meinung, dass ihnen eine Urdarmhöhle ganz fehle, auch Anentoblastia genannt und als darmblattlos beschrieben hat, ist eine bald mehr oder minder geräumige, zuweilen in Buchten auslaufende Kopfdarmhöhle vorhanden, die lediglieh dureh Ein- stülpung entstanden ist. (Vgl. Taf. XVII, Fig. 9 u. 16 kd.) Bei normal sich entwiekelnden Eiern fällt dieser Hohlraum aber be- trächtlich grösser aus. Ferner finden, wenn sieh der Urmund nach hinten ausdehnt und die vegetative Hälfte der Blastula da- durch umwachsen wird, noch fortwährend Emstülpungsprocesse statt. Einmal legt sich, wie auch Roux hervorhebt, das Dotter- material bis zur vollständigen Verdrängung der Furchungshöhle an die entgegengesetzte Wandfläche der ursprünglichen Blastula an, zweitens aber wachsen von den Urmundrändern aus Zell- massen zwischen Dotter und äusseres Keimblatt hinem und liefern das mittlere Keimblatt, oder mit andern Worten: von den Ur- mundrändern aus stülpen sich die Leibessäcke ein. So zeigt uns eine erschöpfende Analyse die nach der üblichen Darstellung so einfach erscheinende Gastrulation der Amphibien als einen in vielen Beziehungen ausserordentlich complieirten Wachsthums- process. Durch die neu gewonnenen Gesichtspunkte erscheinen mir drei Punkte in der Amphibienentwicklung, auf welche ich schon in meiner Monographie des mittleren Keimblattes (24) aufmerksam gemacht habe, in einem klareren Lichte. Bei Eiern von Tritonen, bei denen sich der Urmund schon zu einem kleinen Loch geschlossen oder in eine Längsspalte um- gewandelt hat, beschrieb ich, noch ehe die Medullarwülste auf- treten, an der Rückenfläche eine vom Urmund nach vorm ver- laufende Furche und gab ihr den Namen Rückenrinne (l. e. Taf. XVI, Fig. 4—6). In ihrem Bereich besteht die Rückenwand nur aus zwei Lagen eylindrischer Zellen, dem äusseren Keimblatt und der darunter gelegenen Chorda-Anlage, (dem Chordaentoblast); beide Lagen sind fester unter einander verbunden, als es seitlich davon zwischen äusserem und dem hier entwickelten mittleren Keimblatt der Fall ist (l. ec. Taf. XVII, Fig.1—2). Bei Anuren habe Urmund und Spina bifida. 429 ich auch eine solehe Rüceckenrinne, in derem Bereich an der Decke der Urdarmhöhle die Chorda entsteht, aber weniger deut- lich ausgeprägt gefunden. In der Rückenrinne erblicke ich jetzt die Nahtlinie, in welcher bald nach dem Beginne der Gastrulation die Urmundränder sich in einer von vorn nach hinten langsam fortschrei- tenden Riehtung in der Medianebene zusammen- gelegt haben und verschmolzen sind. Der zweite Punkt betrifft die Entstehung des mittleren Keimblattes. Ich liess dasselbe sich. nicht nur in der Umgebung des Urmunds, sondern auch zu beiden Seiten der Chordaanlage dadureh bilden, dass sich Zellmassen, welche die Coelomtaschen darstellen, zwischen die beiden primären Keimblätter einstülpen. Rabl (45) unterschied hierauf, je nachdem der erste oder der zweite Bildungsmodus stattfindet, einen peristomalen und einen gastralen Mesoblast. Diese Unterscheidung hat nur die Bedeu- tung einer topographischen Eintheilung des Mesoblasts nach den Verbindungen, die er auf gewissen Entwicklungsstadien mit den Nachbarorganen zeigt. Eine tiefere, genetische Bedeutung kommt ihr nieht zu. Denn da die Chordaanlage sich an der Ver- schmelzungsstelle der Urmundränder bildet, so ist das zu ihrer Seite befindliche mittlere Keimblatt ebenfalls durch Einfal- tung an den Urmundrändern entstanden, zur Zeit als dieselben sich noch nicht in der Nahtlinie verbunden hatten. Alles, was auf vorgerückteren Entwieklungsstadien nach der Ausdrueksweise von Rablin topographischer Be- ziehung als gastraler Mesoblast bezeichnet wer- den kann, ist auf jüngeren Entwicklungsstadien ebenfalls peristomal gewesen und erst dureh den Verschmelzungsprocess der Urmundränder gastral seworden. Mit einem Wort: bei den Wirbelthieren entsteht das mittlere Keimblatt überhaupt nur durch Einfaltung von den Urmundrändern aus. Der dritte Punkt betrifft die Wachsthums- und Bildungs- vorgänge an dem hinteren Ende der Amphibienembryonen. Von denselben habe ich in meiner älteren Abhandlung (24) schon eine völlig zutreffende Schilderung gegeben. Dort habe’ ich das hintere Körperende etwas älterer Em- bryonen und die Umgebung des Urmunds als eine Wachsthums- 430 Oscar Hertwiege: und Neubildungszone bezeichnet und durch Verfolgung von Quer- schnittsserien festgestellt, wie von hier aus durch Anfügung neuer Theile sieh das mittlere Keimblatt, die Chorda, das Medullarrohr, die Anzahl der Ursegmente vergrössert ; so heisst es Seite 87 1. e. von Froscheiern: „Wenn man von hier (Schnitt durch den Ur- mund) die Schnittserie kopfwärts weiter verfolgt, so sieht man zunächst den spaltförmigen Blastoporus sich schliessen und durch Vereinigung beider Lippen zwischen Aussen- und Innenfläche desKeims eine mediane ungetheilte Zellenmasse entstehen. Dann sieht man die letztere in eine äussere und eine innere Lage gespalten werden. Die äussere ist der schon zur Medullarplatte verdiekte und mit der Rückenrinne versehene Ectoblast, die innere Lage aber ist der Chordaentoblast. Derselbe nimmt zwischen den zwei auch hier sichtbaren Entoblastfalten, welche in derselben Breite wie früher von einander entfernt sind, an der Begrenzung des Darms Theil.“ Derselbe Vorgang wird dann an einem etwas älteren Embryo in ähnlicher Weise durch Hmweis auf 4 Querschnitte einer Serie (Taf. XXIII, Fig. 1—4) noch einmal erläutert (p. 89). Auch für die Tritonen wurde der Nachweis geführt, dass die seitlichen Urmundlippen verschmelzen (pag. 45 u. 44) und gezeigt, in welcher Weise sich aus der nun entstandenen Zellmasse Chorda und Medullarplatte differenziren (pag. 45). Durch logische Verarbeitung dieser Befunde, zumal im Hin- bliek auf die von His (29) gegebene Darstellung der Teleostierent- wieklung hätte man schon damals zu der Anschauung geführt werden können, dass die Chordaanlage auch im vordersten Be- reich des Embryo durch einen Verschmelzungsprocess der Ur- mundlippen entstanden sei. Schon die rein morphologischen Ver- hältnisse bieten, wie ich glaube gezeigt zu haben, bei richtiger Beurtheilung Anhaltspunkte für die Auffassung, welche später durch Pflüger, vor allen Dingen aber durch Roux auf Grund experimenteller Studien von dem Gastrulationsprocess der Frosch- eier gewonnen worden ist. Von der Gastrulation der Amphibien würde ich daher jetzt folgende Darstellung zu geben haben. An der Uebergangszone der animalen in die vegetative Hälfte der Keimblase oder der Randzone entsteht an einer Stelle, welehe dem Kopfende entspricht, eine kleine Einstülpung, die Urmund und Spina bifida. 431 zur Kopfdarmhöhle wird. Die Einstülpung vergrössert sich weiter nach hinten, der Randzone folgend, dadurch, dass Zellmassen zwischen Dotter und äusseres Keimblatt hineinwachsen und die seitlichen Leibessäcke bilden. Gleichzeitig wachsen hierbei die Umschlagsränder oder die Urmundlippen von ihrer ersten Anlage am Eiaequator an über die vegetative Hälfte der Keimblase her- über, so dass sie vorn von beiden Seiten her näher aneinander rücken, während sie nach hinten noch weiter auseinanderstehen, im Allgemeinen die Form eines Hufeisens beschreibend. Wenn sie sich in Folge der Umwachsung in der Medianebene treffen, verschmelzen sie allmählich von vorm näch hinten. Hierdurch wird erstens im Anschluss an die Kopfdarmhöhle der Urdarım vergrössert, zweitens rückt der jeweilig noch offen gebliebene Theil des Urmunds mehr caudalwärts, drittens bildet sich die Rückenwand des Embryo aus, welche der Verschlussstelle ent- sprechend noch die Rückenrinne zeigt. | Aus dem äusseren Keimblatt in der Umgebung der Rücken- rinne entwickelt sich die Medullarplatte, deren querer Hirnwulst ein wenig vor die Stelle zu liegen kommt, von welcher die Gastrulaeinstülpung ihren Ausgang genommen hat; aus der untern Fläche der an der Rückenrinne verschmolzenen Urmundlippen entsteht die Chordaanlage; das an den Urmundlippen durch Ein- stülpung gebildete mittlere Keimblatt (peristomaler Mesoblast) ist jetzt im Verschmelzungsgebiet gastraler Mesoblast geworden. Der Gastrulationsprocess erstreckt sich über einen längeren Zeitraum und schreitet von vorn nach hinten fort. Caudalwärts vergrössern sich die seitlichen Urmundlippen, indem sich an der Randzone die Coelomtaschen durch Einstülpung weiter ausdehnen; sie schliessen sich endlich an einer der ersten Einstülpung vis A vis gelegenen Stelle der ursprünglichen Keimblase zu einem Ring (Entstehung der ventralen Urmundlippe). Die vegetative Hemisphäre ist dann bis auf das Gebiet des freiliegenden Dotter- pfropfs ganz umwachsen. Die Urmundnaht hat eine entsprechende Zunahme erfahren. Der noch offene, jetzt ein rundes Loch dar- stellende Theil des Blastoporus ist vom queren Hirnwulst weit ab an das Schwanzende des Embryo gewandert. Dann wandelt sich durch weiteres Zusammenrücken der seitlichen Urmundränder das runde Loch in einen längsverlaufenden Spalt um, an dem die Verschmelzung nach wie vor von vorn 432 Osear’Hertiwig: nach hinten fortschreitet, während der offen bleibende Theil sich eine Zeit Jang durch Wachsthum (Einschieben durch Theilung neugebildeter Zellen) ergänzt und schliesslich noch dureh die Bildung von Sehwanz und After Veränderungen erfährt, auf welehe ich an späterer Stelle zurückkommen werde. Auf diese Weise wird die ganze Rückenfläche des Am- phibienembryo mit ihren axialen Organen vom Anfang des Nerven- rohrs und der Chorda bis zu ihrem hinteren Ende dureh Ver- schmelzung der Urmundränder und durch Differenzirungsprocesse in ihrer Umgebung gebildet. Nervenrohr und Chorda legen da- her auch späterhin über die Ausdehnung der Urmundspalte ge- wissermaassen noch Zeugniss ab. Bei unserer Auffassung kann es jetzt nicht schwer fallen, den gestörten Gastrulationsprocess der früher beschriebenen Miss- bildungen auf den normalen Process zurückzuführen. Zwischen beiden besteht der Hauptunterschied darin, dass bei den Miss- bildungen sich zwar die Einstülpung der Kopfdarmhöhle und die Einstülpungen der Coelomtaschen an der Randzone in einem durch das Schema (Taf. XX, Fig. 17) veranschaulichten Weise gebildet haben, dass aber das Vorwachsen der Urmundränder und ihre Verschmelzung in der Medianebene des Rückens unter- blieben und daher nicht ein Zustand herbeigeführt ist, wie ihn das Schema Fig. 19, 20 darstellt. Zugleich aber wird man auch verstehen, warum die ursprünglichen, so sehr von der Norm abweichenden Missbildungen doch noch nachträglich in den nor- malen Entwieklungsverlauf einlenken und die Störungen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen können. Es brauchen ja nur linke und rechte Rückenhälfte noch später zusammen zu rücken und zu verwachsen. Der kundige Leser wird bemerkt haben, dass meine Darstellung zu Anschauungen hinüberleitet, wie sie, von anderen Forschern zu- nächst abgesehen, namentlich His seit längerer Zeit an Teleostier- und Haiembryonen entwickelt und neuerdings als Üonerescenztheorie verallgemeinert hat. Ich ergreife daher die Gelegenheit auf die Conerescenztheorie ausführlicher emzugehen und meine Stellung zu ihr näher zu er- läutern. | Schon. in seinen „Briefen über unsere Körperform“ hat His (29) ausgesprochen, dass bei den Knochenfischen „das Material Urmund und Spina bifida. 433 zur Rumpfanlage im Randwulst aufgespeichert sei und dadurch an seinen Ort gelange, dass jeweilen die, dem hinteren Ende des bereits abgegliederten Embryo zunächst liegenden Streeken an diesen sich heranschieben und ihn nach rückwärts verlängern.“ „Die Anlage des Körpers sei ein platter Ring (der Keimwulst), dessen 2 Seitenhälften sich succesiv anemander legen und sich als symmetrische Körperhälften veremigen.*“ Eine ähnliche Rolle hat Lereboullet schon vor His dem „bourrelet embryogene* zugewiesen und diesen Gedanken dann auch in zutreffender Weise zur Erklärung der Missbildungen des Hechts benutzt, wie ich schon früher (pag. 414) erwähnt habe. Auf dasselbe Thema ist His noch in mehreren Arbeiten zurück- gekommen, so namentlich auch in seinem Aufsatz über die Entwick- lung der Haifischembryonen (28). In diesen früheren Arbeiten hat sieh His auf die Aufstellung der Waehsthumsgesetze an dem jewei- ligen Untersuchungsobjekt beschränkt und nicht versucht eine allge- meine Theorie von der Bedeutung des ganzen Vorgangs zu geben, sondern im Gegentheil erklärt: er sei nicht im Stande ein all- gemeines Schema der Fisch- oder der Wirbelthierbildung zu entwerfen, nicht einmal die Bildung der Chorda oder des Me- dullarrohrs lasse sich zur Zeit. unter gemeinsame Formeln bringen. Dagegen hat His auf dem letzten Anatomencongress einen solehen Versuch gemacht und in seinem Vortrag (31) ZU Frage der Längsverwachsung von Wirbelthierembryonen“ eine Conerescenztheorie aufgestellt. Ausgehend von seiner Beobachtung, dass bei Knochenfischen und Selachiern der Rumpf sich durch Längsverwachsung zweier seitlicher Hälften bilde, indem an den zuerst entstandenen, vorderen Embryonaltheil sich von hinten her neue anfügen, wirft His die Frage auf, ob auch bei anderen Wirbelthieren an irgend einer Stelle eine nachweisliche Längsverwachsung von Axialgebilden vorkomme? Er glaubt eine solche im Bereich der Primitivrinne und des neurenterischen Canals zu finden. Dabei schreibt er der Primitivrinne eine weitere Ausdehnung nach vorm zu, indem er auch den Kopffortsatz aus ihr hervorgehen lässt, und bezeichnet sie ihrer Bedeutung nach als eine Neurochordalrinne. „Die Chorda sowohl als der Boden der Medullarplatte wachsen aus 2 Seiten- hälften in der Mittellinie zusammen. Die Bildung und Verschlies- sung der Primitivrinne geht daher in der ganzen Körperlänge der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 - 29 434 Oscar Hertwig: Bildung der Chorda und der axialen Abgliederung der Medullar- platte voraus.“ Merkwürdiger Weise stellt His die Beziehung der Primitiv- rinne und des neurenterischen Canals zum Urmund in Abrede. Da der neurenterische Canal bei den amnioten Wirbelthieren seeundär durchbreche, falle er ausser Vergleich mit dem seit Rusconi bekannten Blastoporus niederer Wirbelthiere oder dem Urmund im Sinne Haeckels. „Der Blastoporus“, bemerkt His, „ist die allmählich sich verkleinernde Oeffnung, welche frei bleibt, wenn die rascher durchfurchte, obere Keimhälfte die langsamer durchfurchte, untere Hälfte (bezw. der Dotter) umwächst. Der Blastoporus kann nun zugleich neurenterische Oeffnung sein. Dies trifft überall da zu, wo die Embryonalanlage am Keimrand ge- legen ist, bei Fischen und bei Amphibien. Bei allen amnioten Wirbelthieren dagegen sind Blastoporus und neurenterische Oeft- nung streng auseinander zu halten. Jener ist eine Umwachsungs- lücke, diese dagegen ist eine Durchbruchsöffnung, d.h. es gehört die neurenterische Oeffnung von Amnioten in dieselbe Kategorie von Oeffnungen, wie Mund und After, mit denen sie ja auch die axiale Stellung gemein haben.“ So kommt denn His am Schluss seines Aufsatzes dazu, die Conerescenztheorie von der Urmund- frage, die meiner Ansicht nach erst das Verständniss für sie liefert, ganz abzulösen und indem er an Stelle der Urmundränder eine Embryo bildende Falte setzt, seine Theorie in folgende Sätze zusammenzufassen : „Bei allen eranioten Wirbelthieren legt sich zunächst das Kopfende des Körpers als eine hufeisenförmige Falte des Eeto- blasten an. Zwischen beiden Schenkeln des Hufeisens liegt die Primitivrinne, deren Bedeutung für die Chorda und die Mark- plattenbildung oben erörtert worden ist. Die embryobildende Falte kann vom Rand ausgehen und das Keimrandgebiet in der Folge theilweise oder ganz in ihren Bereich ziehen, oder sie kann vom Keimrand entfernt auftreten. Ersteres ist der Fall bei den Fischen und Amphibien, letzteres bei den amnioten Wirbelthieren. In dem einen wie. in dem anderen Fall wirken verschiedene Kräfte in schräger mediocaudaler Richtung auf die primäre Faltenanlage, der Embryo wird absolut schmäler und zugleich unter Hinzunahme von mehr seitwärts gelegenen Theilen länger. Bei niederen und bei höheren Wirbelthieren findet eine Verlöthung Urmund und Spina bifida. 435 der Axialgebilde aus 2 Seitenhälften statt, und so ergibt sich damit die Längsverwachsung in der Mittelebene als ein durch- greifender Vorgang für sämmtliche Wirbelthiere. Unter den Wirbellosen findet der Vorgang seine Parallele in der Keim- streifenverwachsung von Würmern und von Arthropoden.“ Die Conerescenztheorie von His hat schon in früheren Jahren, aber auch neuerdings auf dem Anatomencongress manche Angriffe erfahren. In früheren Jahren haben sich namentlich Balfour (1b) und Rabl sehr entschieden gegen sie ausgesprochen. Balfour erklärt sie für eine paradoxe Ansicht. Ausser anderen Gründen führt er als Hauptargument gegen sie an, dass der Nahrungsdotter bei den Wirbelthieren an der Ventralseite des Körpers liege und vom Blastoderm umhüllt werde, so dass bei allen Wirbelthieren mit grossem Dotter die ventrale Leibeswand offenbar durch den Verschluss der Blastoporuslippen auf der Bauchseite vervollständigt werde. „Wenn nun His und Rauber Recht haben“, fährt Balfour fort, „so bilden sich auch die Dorsalwandungen durch den Verschluss des Blastoporus völlig aus, so dass dann die ganze dorsale sowie die ganze ventrale Leibeswand des Embryo durch die Verwachsung der Blastoporus- lippen gebildet werden müsste, was offenbar eine reductio ad absurdum der ganzen Theorie ist.“ Balfour kommt daher zum Schluss: „Je eingehender man die Theorie im Lichte der ver- gleichenden Embryologie prüft, desto unhaltbarer erweist sie sich.“ Nicht minder ablehnend hat sich Rabl (45) gegen die Theorie von His verhalten. Aber auch seine thatsächlichen Beobach- tungen an Knochen- und Haifischembryonen wurden beanstandet, so vonKastschenko (32) auf Grund von Ergebnissen, zw denen ihn operative Eingriffe, Verletzung der Randwülste lebender Haifisch- embryonen, geführt hatten. Kastschenko ist überzeugt, „dass das Material für die Bildung der Axentheile des Embryonalleibes von Anfang an nicht in den Randwülsten, sondern am hinteren Ende der Keimscheibe, d. h. dort wo in der That die Formirung des Embryos vor sich geht, gelegen ist“. Diese Schlussfolge- rungen kann indessen Rückert(62b) nicht theilen. Er trennte eben- falls durch operative Eingriffe an Pristiurusembryonen den Rand- wulst einer Seite ab, liess aber die operirten Embryonen sich bis zu einem älteren Stadium als es Kastschenko gethan hat, entwickeln; er hat dann in der That eine geringere Ausbildung 436 Oscar Hertwig: resp. einen Defecet auf der operirten Seite (bei Oberflächenbetrach- tung) gesehen. Im Gegensatz zu Balfour, Rabl, Kastschenkou. A. haben mehrere Forscher der Conerescenztheorie von His auch zuge- stimmt, besonders Rauber, Roux und Sedgwick-Minot. Rauber (46—55) erklärt in sehr ansprechender Weise die Doppelmonstra von Knochenfischen aus der Art, wie sich die Keimwäülste zusammenlegen. Besonders aber kommt ihm das Ver- dienst zu, dass er den ganzen Process schon als Urmundschluss zu deuten versucht hat. Roux (60) findet die Angaben von His über die Bildung eines Knochenfischembryo in Uebereinstimmung mit den Folgerungen, die sich aus seinen Versuchen am Froschei ergeben haben. Seine schon mehrfach erwähnten Experimente betrachte ich als sehr wichtige und vieles klarlegende Beiträge zur Urmund- und Conerescenztheorie. In letzter Zeit endlich hat sich Charles Sedgwick Minot (41) entschieden auf die Seite von His gestellt in einem sehr beachtungswerthen Artikel: „The conerescence theory of the verte- brate embryo.* Minot sucht für alle Klassen der Wirbelthiere die Entstehung der Achsengebilde durch Verwachsung nachzu- weisen, wobei er im Primitivstreifen die Verwachsungsnaht gleich His erblickt. „The vertebrate primitive streak is formed by the growing together in the axial line of the future embryo of the two halves of the ectental line.“ Dabei entwickelt Minot über die Bedeutung des ganzen Vorgangs eine an Rauber sich anlehnende Auffassung. Nach ihm sind die Verwachsungsränder die Urmundlippen. Die Gastrula der Wirbelthiere hat einen sehr in die Länge gezogenen Urmund, der sich während der Ent- wicklung von vorn nach hinten schliesst. Der jeweilig offen bleibende, hinterste Theil desselben ist der Blastoporus. „Con- erescence is, then, a modified method of uniting the lips of a greatly elongated gastrula mouth.“ Bei einem Rückblick auf die Geschichte der Conerescenz- theorie sehen wir die in der Biologie nicht seltene Erscheinung, dass ganz hervorragende Forscher zu diametral entgegengesetzten Urtheilen über ihren Werth gelangt sind. Einige. erklären sie von vornherein für paradox, während andere sie als eine sehr bedeutungsvolle Lehre begrüssen. Ich selbst habe mich bisher über dieselbe bei kemer Ge- Urmund und Spina bifida. 437 legenheit ausgesprochen, habe aber Beobachtungen (24) mitgetheilt, dass bei Amphibien der vorderste Theil des Urmunds auf ver- schiedenen Entwicklungsstadien in Verwachsung angetroffen wird und dass aus dieser Verwachsungsstelle etwas weiter nach vorn sich Chorda, Medullarplatte und mittleres Keimblatt differenziren, dass der Wirbelthierkörper durch Ansatz von Theilen, die sich an seinem hinteren Ende neugebildet haben, in die Länge wächst und dass Urmund und Primitivrinne sich in demselben Maasse vom Kopfende immer weiter entfernen. Auch habe ich in meinem Lehrbuch die Beobachtungen Duvals (15), wie sich die Siehelrinne in die Primitivrinne umbildet und diese von vorn nach hinten verwächst, zustimmend aufgenommen. Die volle Tragweite dieser Thatsachen nach den verschiedensten Richtungen habe ich aber bisher nicht gewürdigt. Wenn ich daher jetzt zum ersten Mal über die Conerescenztheorie mich ausspreche, so muss ich zuerst hervorheben, dass ich im Gegensatz zu vielen andern Forschern in der Beobachtung von His, dass sich bei Fischembryonen die Keimwülste allmählich von vorn nach hinten zur Formirung der Axenorgane zusammenlegen, eine sehr wichtige Entdeckung er- blicke. Desgleichen stimme ich seiner bedeutungsvollen Verall- gemeinerung zu, dass im Bereiche der Primitivrinne derselbe Process sich vollziehe und dass der Kopffortsatz aus dem vor- dersten Theil der Primitivrinne entstanden sei. Für verfehlt halte ich dagegen die Angaben über den Urmund und was da- mit zusammenhängt; und wenn His versucht, die Concrescenz- theorie von der Urmundtheorie getrennt zu behandeln, so muss ich hierzu bemerken, dass die erstere nur in Verbindung mit der letzteren überhaupt verständlich wird. Gerade in dem Umstand, dass His das Verhältniss des Urmunds zu seiner Theorie „der Bildung des Wirbelthierkörpers durch Verwachsung“ nicht klar zu legen vermocht hat, ist mit em Grund zu suchen, dass Forscher wie Balfour und Rabl sich so ablehnend gegen seine Darlegung verhalten haben. So stehe ich denn im Allge- meinen aufdem von Rauber und S. Minot vertretenen Standpunkt. Nach diesem historischen Exeurs will ich des Näheren aus- führen, in wie fern die Urmundtheorie und die Conerescenztheorie zusammengehören und wie die letztere nur auf der Grundlage der ersteren verständlich wird. Einige Schwierigkeiten, die dem (segenstand noch im Wege stehen, werden hierbei zu be- 438 Oscar Hertwig: seitigen sein; die Urmundtheorie selbst aber wird, wie ich hoffe, .bei diesem Versuche an Klarheit gewinnen. Da bei einer allgemein-morphologischen Frage, welche den ganzen Grundplan des Wirbelthierkörpers betrifft, eine systema- tische Untersuchung vom Einfachen zum Complieirten fortzu- schreiten hat, wird zuerst zu prüfen sein, wie verhält sich der Gastrulationsprocess beim Amphioxus zur Lehre von der Ver- wachsung des Urmunds längs einer Linie, welche später noch durch die Lage von Chorda und Nervenrohr annähernd bezeieh- net wird? Die Antwort hierauf gibt uns die Amphioxusmonographie von Hatschek (20), dessen vorzügliche Beobachtungsgabe für die Richtigkeit seiner Angaben Gewähr bietet. Die Gastrula des Amphioxus lässt sich zuerst in ihrer Form einer flachen, ovalen Schüssel oder einer Mütze vergleichen, an der sich das spätere hintere Ende gut dadurch unterscheiden lässt, dass die Eetodermzellen grösser sind und unter ihnen be- sonders zwei durch ihre Grösse sich auszeichnen. Später wandelt sieh die weite Mündung in ein kleines Loch um, das am Hinter- ende des Embryo gelegen an der Rückenfläche ausmündet. Hatschek hat die Frage, in welcher Weise die Verengerung des Urmunds zu Stande kommt, sorgfältig geprütt und ist durch Vergleichung der einzelnen Zwischenformen zu dem Schluss ge- kommen, dass dies durch Verwachsung seiner Ränder geschieht, welehe vom vorderen Theil ausgeht, während der hintere stets unverändert bleibt. „Die Verwachsung erfolgt in einer Linie, welehe den grösseren Theil der späteren Rückenlinie bildet.“ „Der Gastrulamund gehört ganz der späteren Rückenseite an.“ Die Gastrula- schliessung längs der Mittellinie wird dem ähnlichen Process bei Anneliden verglichen. Wenn diese Darstellung von Hatschek richtig ist, was ich sieher glaube, würde beim ausgewachsenen Thier das vordere Ende des Urmundes, wenn wir ihn uns wieder seiner ganzen Länge nach geöffnet denken, am Anfang des Nervenrohrs, wie bei den Amphibien zu suchen sein. Die Chordaanlage würde sich unterhalb der Verschlussstelle, die Medullarplatte oberhalb derselben, das mittlere Keimblatt zur Seite der Chordaanlage durch Ausstülpung bilden, sodass auch in diesen Beziehungen Urmund und Spina bifida. 439 eine vollständige Uebereinstimmung mit den beim Frosch er- haltenen Ergebnissen hergestellt wäre. Amphioxus und die Amphibien, deren Uebereinstimmung hier- mit nachgewiesen ist, bieten uns nun eine sichere Grundlage dar, um an ihnen das örtliche und zeitliche Verhältniss in der Entwick- lung der wichtigsten Organe in Bezug zum Urmundverschluss zu erörtern. Bei beiden wird der Urmund in seinem vorderen Theil in grosser Ausdehnung geschlossen, längere Zeit bevor sich die Chorda in der bekannten Weise aus dem Chordaentoblast zu differenziren beginnt. Wir sind daher wohl nicht berechtigt, in diesen Vorgängen einen ursächlichen Zusammenhang zu er- blicken in der Weise, dass wir sagen, die Chorda wird direet durch die Verwachsung der Urmundränder gebildet. Vielmehr liegt das Verhältniss so, dass durch diesen Process nur der Körperbezirk geschaffen wird, die Decke des Urdarms, in deren Bereich die Chorda dorsalis aus Ursachen, die uns noch unbe- kannt sind, später ihren Ursprung nimmt. Insofern ist die Chorda nicht kurzweg als die axiale Längsnaht des Körpers zu bezeichnen, sondern sie deutet uns nur durch ihre Lage den Ort an, in deren Bereich die Urmundöffnung einmal bestanden hat. Ebenso verfehlt wäre es, aus dem Vorkommen eimer doppelten Chorda bei ausbleibendem Urmundverschluss zu folgern, dass die einfache Chorda historisch aus Verwachsung einer verdoppelten Chorda entstanden sei. Denn die Verdoppelung der Chorda be- ruht ja in diesen Fällen allein darauf, dass das Anlagematerial durch das Versagen eines normalen Entwicklungsvorgangs ab- normer Weise getrennt erhalten ist zu einer Zeit, in welcher die Differenzirung der Anlage eintreten müsste; sie ist aber nur be- gründet in der Störung des zeitlichen Verlaufes von einander abhängiger Entwicklungsprocesse und daher nicht der Ausdruck eines historischen Verhältnisses. Es liegt somit ein ähnlicher Fall vor, wie die doppelte Anlage des Herzens bei den Wirbel- thieren mit meroblastischen Eiern, deren Bedeutung ich in meinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte (25) ausführlicher ausein- ander gesetzt habe. Anders verhält es sich mit dem centralen Nervensystem Hier lässt sich eine Reihe von Gründen dafür geltend machen, dass (das Nervensystem in primitiver Form als Nervenring um den Urmund schon vor der Zeit seines Verschlusses angelegt ge- 440 Oscar Hertwig: wesen ist, wie die Anthozoen lehren. Das Auftreten des Nerven- - systems geht also historisch dem Urmundverschluss voraus, und wir können in der That sagen, dass linke und rechte Hälfte des Nervenrings durch eine Naht, welche die vordere Commissur liefert, verbunden werden. Beide Commissuren des Cen- tralnervensystems sind Nähte, die vordere ent- standen dureh den Urmundverschluss, die hintere dureh die Umbildung der Medullarplatte zum Medullarrohr. Ein letzter Punkt, der jetzt noch einer kurzen Erörterung bedarf, betrifft das Verhältniss, in welehem der Urmund beim Amphioxus und bei den Amphibien zu dem Längenwachsthum ihres Körpers steht. Wie erfolgt dasselbe weiter zur Zeit, wo sich der Urmund bis auf eine kleine Stelle am hinteren Ende geschlossen hat? Wohl alle Forscher stimmen darin überein, dass sich am hintern Körperende eine Neubildungs- oder Keim- zone vorfindet, durch deren Vermittelung sich der Körper in ähn- lieber Weise wie bei vielen Wirbellosen verlängert und welche sich in ihrer Wirksamkeit wohl dem Vegetationskegel am Ende von Pflanzensprossen vergleichen liesse. In weleher Weise dies aber geschieht, darüber haben sieh die einzelnen Forscher meist nicht ausgesprochen und gewöhnlich nicht einmal die Frage auf- geworfen. Baltour (1b) erbliekt im Längenwachsthum einen Intussus- eeptionsvorgang, während His von einer Apposition redet. Bal- four lässt die volle Zahl der „Mesoblastsomiten dadurch erreicht . werden, dass wie bei den Chaetopoden fortwährend neue Somiten zwischen das zuletzt gebildete Somit und das hintere Körperende eingeschoben werden“. Er verwendet dies als Argument gegen die His’sche Verwachsungslehre, „da es im höchsten Grade über- raschen müsse, wenn ein kleiner mittlerer Körperabschnitt auf ganz andere Weise wachsen solle, als der Endabschnitt. Denn nachdem das Nervenrohr einmal geschlossen sei und sich hinten durch den neurenterischen Canal ins Darmrohr fortsetze, sei es offenbar unmöglich geworden, dass irgend eine weitere Längen- zunahme durch Verwachsung stattfinde.“ Ich denke hierüber anders auf Grund meimer Amphibien- untersuchungen und der Amphioxusarbeit von Hatschek. Ich habe schon früher die Befunde geschildert, die man auf älteren Urmund und Spina bifida. 441 Entwicklungsstadien an Querschnittsserien durch das hintere Körperende findet, gleichviel ob die Embryonen 10, 11 oder 12 oder mehr Ursegmente gebildet haben. Immer findet man, wenn man die Schnittserien von hinten nach vorn verfolgt, erst den offenen Urmundspalt, dann die Ränder dieht zusammengelegt, dann zu einem Zellstrang verschmolzen, hierauf eine Sonderung desselben in Chorda und Medullarplatte, während seitwärts davon ein neues Ursegment sich von den umgebenden Theilen abschnürt. Ich kann hierin nur eine Reihe sich aneinander anschliessender und auseinander hervorgebender Entwicklungszustände erblicken. Wenn nun aber bei der Entstehung des 10. Ursegments ein Stück Urmund sich schliesst und ebenso bei der Entstehung des 11., 12. und so weiter, der offen bleibende Urmund aber hinter dem Jeweilig letzten Segment immer noch als nahezu gleich grosser Rest vorgefunden wird, so werden mir nothgedrungen zu der An- nahme geführt, dass sich der hintere Theil des Urmunds durch Wachsthum in demselben Maasse ergänzen muss, als er nach vorn durch den Verschluss verliert. Ich lasse also das Längen- wachsthum nicht, wieesBalfour thut, vor der je- weilig offen bleibenden Strecke des Urmunds stattfinden, sondern an dieser selbst. Vor dem Urmund erfolgt nur die Differenzirungder Zellen- massen, die schon weiter hinten durch Zell- theilungen entstanden sind. Beim Amphioxus wird die Zuwachszone durch die Lage der grossen Zellen bezeichnet, welche Hatscheck bei Larven der verschiedensten Grösse angetroffen hat; bei Amphibien durch kleinzelliges Keimgewebe. Dass die Entfernung zwischen offenem Urmundrest und Vorderhirn mit der Bildung jedes neuen Segmentes grösser wird; erklärt sich nicht aus dem Bestand einer Keimzone vor dem Urmund, die zwischen -ihn und das letzte Segment neue Segmente einschiebt, sondern daraus, dass sich der Urmund activ durch Wachsthum nach hinten ausdehnt. Was wir auf den ein- zelnen Stadien als Urmund bezeichnen, ist nicht ein und dasselbe unverändert gebliebene Organ, es sind nur verschiedene Strecken ‘eines sich dureh Wacehsthum am hinteren Ende in demselben Maasse ergänzenden und erneuernden Organes, alses nach vorn durch Verwachsung und Organ- 442 Oscar Hertwig: differenzirung aufgebraucht wird. Damit fallen die . von Balfour geltend gemachten Bedenken gegen die Verwach- sungstheorie in sich zusammen. Auf grössere Schwierigkeiten als beim Amphioxus und den Amphibien stösst die Durchführung der Urmundtheorie und der Conerescenztheorie in vielen Beziehungen bei den meroblastischen Eiern. Da bei diesen in Folge des Dotterreichthums und der damit zusammenhängenden partiellen Furchung manche Verhält- nisse wesentlich abgeändert sind, müssen wir uns vor allen Dingen über die eine Cardinalfrage vollständig klar werden, welche Einriehtungen der meroblastischen Eier dem Urmund des Am- phioxus und der Amphibien gleichwerthig sind. Es erscheint mir dies doppelt nothwendig zu sein, Angesichts der Unsicher- heit, welche His in diese von mir schon in meinem Lehrbuch erörterte Frage von Neuem hmeingetragen hat. Zur Entscheidung dieser Frage muss man genau wissen, auf welchen Merkmalen und Eigenschaften das Wesen des Urmunds bei den Wirbelthieren beruht. Amphioxus und die Amphibien haben uns nun hierüber Folgendes gelehrt: 1) Der Urmund ist die Ausmündung eines Hohlraums, der sich durch Einstülpung aus der Keimblase anlegt und weiterhin Darm und Leibeshöhle aus sich hervorgehen lässt. 2) An der Umrandung des Urmunds (Urmundrand oder Lippe) geht die oberflächliche in die innere, die Gesammthöhle auskleidende Epithelschicht oder das äussere in das innere resp. mittlere Keimblatt durch Umschlag eontinuirlich über. Nur im vordersten Bereich des Kopfes, wo der Einfaltungsprocess be- gonnen hat, kommt es nicht zur Anlage eines mittleren Keim- blattes, so dass sich hier allein äusseres und inneres Blatt längere Zeit unmittelbar berühren. 3) Wenn sich die Leibessäcke durch -Einfaltung (hier später, «dort früher) während des Gastrulationsprocesses entwickelt haben, dann schlägt sich am Urmundrand das äussere Blatt im das pa- rietale Mittelblatt um. 4) In der Umgebung des Urmundrandes legen sich Gehim und Rückenmark in der Form eines Nervenrings an, der nur am hintersten Ende, wo der After aus einem Theil des Urmunds entsteht, eine Unterbrechung besitzt. 5) Die Urmundränder schliessen sich von vorn nach hinten Urmund und Spina bifida. 443 in einer Längsnaht und vergrössern sich gleichzeitig durch einen vom hinteren Ende her erfolgenden Zuwachs. Der Abstand des offen bleibenden Urmundrestes vom Kopfende wird daher all- mählich grösser. 6) Aus dem hintersten Theil des Urmunds geht der After hervor. Unmittelbar vor ihm entwickelt sich die Sehwanzknospe (siehe Seite 452). 7) Wenn sich ein vorderer Theil des Urmunds geschlossen hat, der hintere Theil noch geöffnet ist, kann man in topogra- phischer Hinsicht einen gastralen und einen peristomalen Ab- schnitt des mittleren Keimblatts unterscheiden. 8) An der Decke des Urdarms differenzirt sich längs der Verschlussnaht der Urmundränder die Chorda dorsalis aus der Chordaanlage und schiebt sich so trennend zwischen linke und rechte Hälfte des gastralen mittleren Keimblatts hinein, während der peristomale Abschnitt durch den Urmundspalt in 2 Hälften getrennt ist. 9) Die mittleren Keimblätter oder die Coelomsäcke werden daher in ganzer Ausdehnung paarig angelegt, mit Ausnahme eines Bezirks an der hinteren oder ventralen Urmundlippe, wo die Einfaltung eine unpaare Anlage hervorruft und zur Verbin- dung der paarigen Abschnitte dient. 10) Die Urmundränder lassen sich nach ihrer Beziehung zum mittleren Keimblatt in 4 Bezirke zerlegen, in einen vorderen Abschnitt, an welchem sich kein mittleres Keimblatt bildet, in die seitlichen Abschnitte, wo es paarig in der Form zweier Taschen angelegt wird, und in emen hinteren, unpaaren Abschnitt. Wie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, zeigt der Ur- mund bei dem Amphioxus und den Amphibien eine ganze Summe wichtiger Merkmale. Nur soweit wir entsprechende Merkmale bei den meroblastischen Eiern nachweisen können, dürfen wir die so gekennzeichnete Stelle als Urmund definiren. Ich muss mich daher entschieden gegen eine noch immer weit verbreitete Ansicht aussprechen, nach welcher der ganze Rand der Keim- scheibe bei meroblastischen Eiern als Urmundrand bezeichnet wird. Nichts ist verkehrter als eine solche Vergleiehung. Zum Urmund wird der Rand der Keimscheibe nur, soweit an ihm eine Einstülpung entsteht und dadurch eme Urmundlippe gebildet wird, an welcher die äussere in die innere Epithelschicht über- 444 Oscar Hertwig: geht. Das ist aber beim Beginn der Gastrulation nur an einem sehr kleinen Bezirk, vor welchen dann später der quere Hirn- wulst zu liegen kommt, der Fall. Der weitaus grössere Theil des Keimscheibenrandes dagegen zeigt nach wie vor Merkmale, wie sie dem ganzen Rand vor Beginn der Gastrulation zukamen. Die Zellen vermehren sich, wobei Merocyten einen Uebergang zwischen dem ungefurchten Dotter und dem Zellenmaterial ver- mitteln, und auf diese Weise erhält ein immer grösser werdender Abschnitt der Dotterkugel einen zelligen Ueberzug. Um den prineipiellen Unterschied in der Bedeutung der zwei Randbezirke zum Ausdruck zu bringen, habe ich für sie in der 2. Auflage meimes Lehrbuchs (25) zum ersten Male die Namen Urmundrand und Umwachsungsrand eingeführt. Bald darauf hat sich auch Ra b1 (45) meinem Standpunkt angeschlossen. Wenn wir ein am Beginn der Gastrulation stehendes, meroblasti- sches Ei mit eimem auf demselben Stadium befindlichen Froschei vergleichen, so würde der Umwachsungsrand etwa der Randzone ddes letzteren entsprechen, an welcher die animalen in die vege- tativen Zellen übergehen. Denken wir uns die letzteren durch Dottermasse ersetzt und diese an Volum beträchtlich vermehrt, so haben wir in einfachster Weise eine Amphibiengastrula in eine Fischgastrula ete. umgewandelt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung zeigen Urmundrand und Umwachsungsrand in ihrem Verhältniss zu eimander und zur Bildung des Embryo einige Verschiedenheiten, je nachdem wir das Ei eines Teleostiers, eines Selachiers oder eines Reptils und Vogels vor uns haben. Zur bequemeren Erklärung derselben habe ich drei Reihen von schematischen Zeiehnungen entworfen, Schemata für den Gastrulationsprocess emes Teleostiers, eines Selachiers und eines Amnioten. Im denselben habe ich den Ur- mundrand auf seinen verschiedenen Formzuständen durch eine dunkelsehwarze Linie, den Umwachsungsrand dagegen als eine punktirte Linie kenntlich gemacht (Tafel XX, Fig. 14, 7—10). Was zunächst die Teleostierentwieklung (Fig. 1—4) betrifft, so stellt Fig. 1 schon ein etwas weiter vorgerücktes Stadium dar. Die Urmundlippe, die am Beginn der Einstülpung mit dem Rand der Keimscheibe zusammenfiel und die Form einer Sichel besass, hat jetzt eine nach der Scheibenmitte gerichtete Aus- buchtung erhalten, Dieselbe ist dadurch entstanden, dass linke Urmund und Spina bifida. 445 und rechte Hälfte der zuerst gebildeten Urmundlippe nach dem von His zuerst entdeekten Modus einander entgegenwachsen und sich in der Riehtung eines nach der Mitte des Blastoderms gezogenen Radius, welcher die Längsaxe des zukünftigen Em- bryo bezeichnet, zusammenlegen in demselben Maasse, als die ganze Scheibe sich in der Fläche über die Dotterkugel weiter ausbreitet. Der Theil, der durch Zusammenlegung und von vorn nach hinten fortschreitende Verwachsung des Urmundrandes ge- bildet wird, ist die Kopfanlage des Embryo, welche wie ein Höcker „wie ein Vorstoss nach vom“ (Rauber) dem Keim- scheibenrand aufsitzt. Drei Processe greifen dann beim Fortgang der Entwicklung längere Zeit in einander. Erstens wird em immer grösserer Theil der Dotterkugel von den Keimblättern umwachsen. Die Umwachsung geschieht dabei an der Stelle, wo der Embryo sich bildet, viel langsamer als in dem übrigen Umfang der Scheibe, was durch einen Vergleich der Figuren 1—3 sofort klar wird. Denn während in Fig.2 z. B. der Umwachsungsrand von der Zahl 1 zu uw? fortgerückt ist, beträgt die Zunahme im embryobildenden Bezirk nur etwa den dritten oder vier- ten Theil davon. Es kann dies kaum Wunder nehmen, da bei der Embryobildung ganz andersartige und complieirtere Zell- verschiebungen, Einfaltungsprocesse u.s. w. als bei der einfachen Umwachsung stattfinden. Daher darf auch nicht auf ein grösseres Maass von Zellbildung am rascher fortschreitenden Umwachsungs- rand geschlossen werden, denn eher wird das Gegentheil der Fall sein. Zweitens wächst durch Zusammenlegung des Urmundrandes der embryonale Körper in die Länge, indem sich an den zuerst entstandenen Kopftheil die Halsregion, die Brustregion ete. suc- cessive anschliesst. Die Darstellung dieses wichtigen Vorgangs wird verständlicher werden, wenn man an der Urmundlippe von dem Augenblicke an, wo sich die Kopfregion angelegt hat, zwei verschiedene Abschnitte unterscheidet, den Abschnitt ur! und ur?. Mit ur! bezeichne ich den Theil des Urmundes, der sich durch mediane Vereinigung seiner Ränder in der Urmundnaht geschlossen hat, mit ur? dagegen den Theil der Urmundlippe, der am hin- teren Ende der Embryonalanlage rechtwinklig umbiegt und mit dem Rand der Keimscheibe zusammenfällt. Den letzteren kann 446 Oscar Hertwig: ich daher auch kurzweg als randständigen oder offenen Theildes Urmunds, den ersteren als seinen ver- wachsenen Theil benennen. Die Längenzunahme der Em- bryonalanlage geht dann in der Weise vor sich, dass sich die verwachsene Urmundstrecke eontinuirlich auf Kosten des offenen (oder randständigen) Urmundtheils, wie bei Amphioxus und den Amphibien) vergrössert, indem linke und rechte Lippe nach der Medianebene zusammenrücken und verschmelzen. Durch den allmänlich von vorn und nach hinten fortschreitenden Process würde der offene oder randständige Theil der Urmundlippe bald aufgebraucht werden, wenn derselbe nicht auch seinerseits den Verlust beständig wieder durch Zuwachs ersetzen würde. Der Ersatz geschieht dadurch, dass sich der Einfaltungsprocess, der überhaupt die Urmundhippe ins Leben gerufen hat, am jeweiligen Keimseheibenrand weiter fortsetzt und dass dadurch immer neue Streeken des Umwachsungsrandes in Urmund- rand umgewandelt werden. Der Gastrulationsprocess des Teleostiereies dehnt sich mithin über einen längeren Zeitraum der Entwicklung aus als gewöhnlich beschrieben wird, und nimmt, während sich im vorderen Bereich der Embryonalanlage schon verschiedene Organe differenziren, am Rand der Keimscheibe (am offenen Theil des Urmundrandes) in der ursprünglichen Weise seinen Fortgang. Derselbe findet seinen Ab- schluss erst dadwneh,.. dass siehldie, seitluchen Urmundlippen an ihrem hinteren Ende durch Ausbildung einer ventralen Lippe mit einander verbinden, wodurch erst einin sich zum Ring ge- schlossener Einstülpungsrand hergestellt wird. Zu dieser Zeit ist auch die Umwachsung der Dotterkugel be- endet und wird hierbei der letzte Rest des Umwachsungsrandes in das Schlussstück des Urmunds umgewandelt (Fig. 4a). In geringer Entfernung vor demselben entsteht die Schwanzknospe (sk). Die Uebereinstimmung mit der Urmundentwicklung der Amphibien wird aus meiner Darstellung von selbst hervorleuchten und keines weiteren Hinweises bedürfen. In meiner Auffassung des Gastrulationsprocesses des Te- leostiereies stimme ich mit His insoweit überein, als wir beide den Rücken des Embryo durch Verwachsung zweier seitlicher Hälften sich bilden lassen, im übrigen aber weiche ich in einem Urmund und Spina bifida. 447 sehr wesentlichen Punkte von ihm ab. Nach meiner Darstellung erscheint der ganze Vorgang als em modifieirter Gastrulations- process. Die verwachsenden Theile sind die Urmundränder, und der Keimscheibenrand ist am Verwachsungsprocess nur, soweit er Urmundlippe ist, betheiligt. Nach His dagegen ist die Uranlage des Körpers ein platter Ring, dessen Breite und Dieke an einer Stelle, dem zukünftigen Kopfende ein Maximum, am gegenüber- liegenden Sehwanzende ein Minimum besitzt. Das Material für den Kopf würde ursprünglich am hinteren Ende, das Material für den Schwanz am vorderen gegenüber gelegenen Ende, dem „Gegenpol“ der ursprünglichen Keimscheibe, zu suchen sein, während das Material zum Schwanz sich nach meiner Darstellung in einer seitlichen Gegend finden würde. Nach His bilden die in der späteren Medianebene des Körpers liegenden Gebilde Anfangs die Peripherie der ganzen Scheibe. Der gesammte Rand- wulst der Keimscheibe wird zur Embryobildung verbraucht und diese letztere verbindet sich mit der Dotterumwachsung des Kei- mes derart, dass die Aufreihung des Embryomateriales zugleich mit der Umwaehsung vollendet ist. „Es legen sich die zwei Seitenhälften des Ringes aneinander und vereinigen sich als sym- metrische Körperhälften.*“ „Nur das vorderste Kopf- und das hin- terste Schwanzende bedürfen keiner Verwachsung, weil sie aus denjenigen Strecken des Randwulstes hervorgehen, welche die zwei Seitenhälften zum Ring geschlossen hatten.“ Schon Oellacher hat gegen die Theorie von Lere- boullet, welche der His’schen sehr ähnlich ist, den nicht unberechtigten Einwand gemacht: „Wenn die Ränder der Keim- scheibe die beiden Rumpfhälften bilden sollen, so müssten sie das ganze Ei umkreisen und dann wenigstens einmal einen grössten Kreis der Kugel umspannen; so müssten die beiden Rumpfhälften einmal ganz enorm ausgedehnt gewesen sein, was gewiss nicht wahrscheinlich ist.“ In der That würde nach der Darstellung von His, dass der ganze Keimrand zum Embryo zusammenwächst, der Keimrand sich wie ein kleiner Gummiring verhalten, den man über eine grosse Kugel herüberzieht. Am Aequator der Kugel angelangt, würde er auf das Maximum aus- gedehnt sein, um dann auf der entgegengesetzten Fläche sich allmählich wieder zusammen zu ziehen. Wäre der ganze Keim rand Urmundrand, so müsste er sich eine Zeit lang enorm aus- 448 Oscar Hertwig: weiten und dann wieder bedeutend verengen. Diese Schwierig- keit fällt bei meiner Fassung ganz hinweg. Und so kann ich wohl sagen, erscheint die Conerescenztheorie von His in der Urmundtheorie in einer nicht unwesentlich veränderten Form wieder. Zwischen dem Gastrulationsprocess der Teleostier und der Amnioten vermitteln die Selachier einen Uebergang. Während längerer Zeit geht die Bildung des Embryo durch Verwachsung der Urmundränder auch bei den Selachiern in der für das Te- leostierei genauer durchgeführten Weise vor sich. (Schema 1 und 2 kann daher auch für die ersten Stadien der Selachierent- wieklung dienen.) Dann aber wird eine Modifiecation des Pro- cesses durch die beträchtliche Grösse des Dotters nothwendig. Es hat nämlich der Umwachsungsrand der Keimscheibe den Dotter noch nicht ganz einhüllen können zu der Zeit, wo sich die seitlichen Urmundlippen nach hinten schon unter Bildung einer ventralen Urmundlippe vereinigen. In Folge dessen treten jetzt für die Selachier eharacteristische Veränderungen ein, welche ich durch die Figuren 7 und 8 schematisch wiederzugeben ver- sucht habe. Umwachsungsrand (Fig. 7 uw!) und Urmundrand (ur?) trennen sich von einander (Fig. 8a und uw’). Die Embryonalanlage löst sich vom Blastodermrand ab. Hinter dem Embryo bildet der Umwachsungsrand einen in sich geschlossenen Ring (uw?), inner- halb dessen der Dotter (d) noch eine Zeit lang frei zu Tage liegt, bis er durch fortschreitende Verkleinerung des Ringes auch überwachsen ist. Balfour hat diesem Ring den Namen Dotterblastoporus beigelegt und in ihm einen Theil des Urmunds erblickt. Wie schon früher gesagt, halte ich diese in der Lite- ratur weit verbreitete Ansicht für eine irrige. Denn erstens liegt am sogenannten „Dotterblastoporus“ überhaupt keine Oefinung vor, durch welche man in einen Hohlraum gelangt, wie es am Urmundrand, soweit er noch nieht verwachsen ist, der Fall ist. Durch den Umwachsungsring kommt man in die Dotter- masse, die wir uns auch- durch einen Haufen von Dotterzellen, in welche sich der Umwachsungsrand verliert, ersetzt denken könnten. Der Vergleich mit dem Blastoporus der Amphibien ist nicht minder verfehlt. Denn dieser zeigt, wenn er fertig gebildet ist, die oben aufgezählten Merkmale des Urmunds. Er ist daher Urmund und Spina bifida. 449 nicht Umwachsungslücke oder, wie His sich ausdrückt, die allmählich sich verkleinernde Oeffnung, welche frei bleibt, wenn die rascher durchfurchte obere Keimhälfte die langsamer durchfurehte untere Keimhälfte, bez. den Dotter umwächst. Er ist vielmehr Einstülpungslücke (Urmund). Von den Selachiern aus genügt ein kleiner Schritt, um die Verhältnisse der Reptilien und Vögel zu verstehen. Der Urmund- rand der Keimscheibe ist die Sichelrinne; diese schliesst sich hier aber, indem sie sich in die Primitivrinne umwandelt, wie Duval des Näheren beschrieben hat, schon ausserordentlich frühzeitig zu einem Ring in sich ab und trennt sich dabei vom Umwaechsungsrande geraume Zeit, bevor sich im vordersten Be- reich des Urmundringes Medullarfalten, Chorda und Ursegmente anlegen. Die Embryonalanlage gibt daher bei den Amnioten sehr viel früher als bei den Selachiern ihre randständige Lage auf und findet sich bald in der Mitte der Keimscheibe überall gleich weit vom Umwachsungsrand entfernt. Die Figuren 1, 9 und 10 können als Schema für diese abgekürzte und beschleu- nigte Art der Urmundbildung und der von ihr früh unabhängig gewordenen Dotterumwachsung dienen. | Den Unterschied zwischen der Urmundbildung (Gastrula- tionsprocess) und der Dotterumwachsung der Teleostier, Selachier und Amnioten fasse ich kurz noch einmal in folgende Sätze zu- sammen. Bei den Teleostiern hat der Umwachsungs- rand der Keimscheibe den Dotter fast vollständig eingehüllt, noch ehe der Urmund seinen distalen Abschluss erhalten hat. In Folge dessen wird der letzte Theil des Umwachsungsrandes, wenn er am hinteren Ende der Embryonalanlage nur noch einen kleinen Ring umgrenzt, zur Ausbil- bildung des Urmundrandes mit aufgebraucht. Der Embryo bleibt daher bis zuletzt, wie man sich ausdrückt, randständig. Beiden Selachiern tritt der Urmundschluss schon ein, wenn der Um- wachsungsrand ein kleines Feld des Dotters noch nicht überzogen hat. Von diesem Augen- blick wird die bis dahin randständige Embryonal- anlage vom Blastoderm abgelöst. Der Umwach- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 30 450 Ösear Hertwig: sungsring schliesst sich getrennt vom Embryo. Bei Reptilien und VögelnTendlieh erkolstr die Trennung von Urmundrand und Umwachsungs- rand der Keimscheibe ausserordentlich früh- zeitig, so dass dadurch die Embryonalanlage bald entfernt vom Umwachsungsrand mehrin die Mitte des Blastoderms zu liegen kommt. Ich bin auf die Dotterumwachsung so ausführlich einge- gangen, weil eine Verwirrung in der Literatur gerade über diese Frage besteht. Ich führe nur den Ausspruch von Balfour an, dass bei allen Wirbelthieren mit grossem Dotter die ventrale Leibeswand offenbar durch den Verschluss der Blastoporuslippen auf der Bauchseite vervollständigt wird. Ich erinnere an Bal- fours Argument, durch welches er die His’sche Concrescenz- theorie ad absurdum zu führen sucht, dass bei Annahme der- selben die ganze dorsale, sowie die ganze ventrale Leibeswand des Embryo durch die Verwachsung der Blastoporuslippen ge- bildet werden müsste. Ich erinnere endlich an die neuesten, oben referirten Ausführungen von His. Es wäre ein dankbares Beginnen, wenn von den hier ent- wiekelten Gesichtspunkten aus der Keimrand der meroblastischen Eier nach seiner örtlich und zeitlich verschiedenen Entwicklungs- weise einmal eingehend untersucht würde, wodurch über manche Punkte, die ich hier mehr theoretisch auseinandergesetzt habe, noch weiteres Licht verbreitet würde. Den Abschnitt über Urmundtheorie und Conerescenztheorie schliesse ich, indem ich noch eimige Vergleiehspunkte zwischen dem Urmundgebiet der Amphibien und dem Urmundgebiet der Reptilien und Vögel hervorhebe (siehe auch Lehrbuch der Ent- wicklungsgeschichte (25). Der Urmund der Amnioten ist die Primitivrinne, deren Ränder frühzeitig in einer medianen Naht zu dem Primitivstreifen verschmelzen, an welchem alle drei Keimblätter eine Strecke weit unter einander verbunden sind. Zu dem Urmundgebiet ist noch der Kopffortsatz hinzuzureehnen und ist wohl derjenige Theil, an welchem die Verschmelzung der Urmundlippen am An- fang der Gastrulation in der für Amphioxus und die Amphibien beschriebenen Weise erfolgt ist. Demnach würde auch hier der Anfang des. Urmundgebietes beim ausgebildeten Thier am An- Urmund und Spina biflda. 451 fang der Chorda und in der Zwischenhirngegend zu suchen sein. Die Bedeutung der Primitivrinne für die Bildung der Chorda, der mittleren Keimblätter ete. ist dieselbe wie die Bedeutung der Urmundränder beim Amphioxus und den Amphibien. Bei ihrer ersten Entstehung gehört die Primitivrinne dem Kopfgebiet des Embryo an; indem sie sich daselbst in die verschiedenen Axen- organe differeneirt, wächst sie an ihrem hinteren Ende, der Wachs- thumszone, durch Einschieben neu gebildeter Embryonalzellen weiter. So findet sie sich denn je nach dem Ausbildungsgrad der Keimscheiben in der Halsgegend, der Brustgegend, der Len- dengegend, d.h. ihr Abstand vom Anfang des Medullarrohrs wird mit dem Alter der Embryonen ein immer grösserer. Dies erklärt sich nieht nach Balfour's Hypothese, dass sich vor der Pri- mitivrinne neugebildete Körperstrecken durch Intussusception ein- schieben, sondern dadurch, dass das Zellmaterial der Primitiv- rinne selbst nebst seiner Umgebung sich nach vorn in Medullar- platte, Chorda, Ursegmente, Decke des Darms umbildet, während sie sich nach hinten durch Wachsthum ergänzt. Am hinteren Ende der Primitivrinne findet sich häufig eine kleine Oeffnung, durch welche man von der Eetodermseite in den Darm gelangt, der viel besprochene Canalis neurenterieus. His sagt von ihm, „es sei mit grosser Schärfe festgestellt, dass er bei amnioten Wirbelthieren erst seeundär durchbreche, er sei daher Durchbruchsöffnung und gehöre in dieselbe Kategorie von Oeffnungen, wie der Mund. Er falle daher ausser Vergleich mit dem seit Rusconi bekannten Blastoporus niederer Wirbelthiere oder dem Urmund im Sinne Haeckel’s“. Ich bleibe in dieser Frage nach wie vor auf dem früher eingenommenen Standpunkt stehen. Wie man beim Urmund- gebiet der niederen Wirbelthiere einen geschlossenen und einen offenen Theil zu unterscheiden hat, welch letzterer auf den ein- zelnen Stadien einen anderen Ort einnimmt, so auch bei den Amnioten. Hier ist der offene Theil der Canalis neurenterieus. Wenn nicht auf allen Entwicklungsstadien der Keimscheibe eine ' Oeffnung am Ende des Primitivstreifens nachzuweisen ist, so er- klärt sich dies in ungezwungener Weise aus dem Umstand, dass die Urmundränder bis zur Berührung aneinander liegen. Wei- chen sie dann auf anderen Stadien wieder auseinander ‚ so tritt 452 Oscar Hertwig: eine Oeffnung zu Tage. In diesem Falle hat dann aber ein Durchbruch oder eine Bildung einer neuen Oefinung, wie sie der bleibende Mund darstellt, nicht stattgefunden. Auf einem späteren Stadium lässt sich bei den Amnioten am hintersten Ende des Primitivstreifens, noch etwas hinter der Stelle, wo der neurenterische Canal liegt, die Aftergrube unter- scheiden. Unmittelbar vor ihr entwickelt sich die Schwanz- anlage des Embryo. Die Aftergrube bezeichnet uns, wie die Afterrinne bei den missgebildeten Froschembryonen, das hinterste Ende des Urmunds. Darüber wird das nächste Capitel ausführ- licher handeln. b) Die Schwanz- und Afterbildung der Wazhelthtere. Die Hemmungsmissbildungen der Froschembryonen sind auch für die Schwanz- und Afterbildung sehr lehrreich. Bei den höchsten Graden der Hemmung, bei denen das gesammte Ur- mundgebiet weit geöffnet ist (Taf. XVI, Fig. 1), lässt sich schon die Aftergegend als solche erkennen, indem sich am hinteren Ende des Embryo im Ectoderm eine Rinne bildet (ar), die von kleinen Falten eingesäumt in die Beckendarmhöhle führt. Der Urmundrand zeigt hier im Folge dessen eine Unterbrechung, eine Einkerbung. Zu beiden Seiten derselben sind die Urmundränder dadurch, dass die Zellen in lebhafter Wucherung begriffen sind und ein kleinzelliges, dem Längenwachsthum dienendes Keimge- webe herstellen, bedeutend verdiekt und bilden zu beiden Seiten der Afterrinne zwei Wülste (sk), die im Himbliek auf ihre weitere Entwicklung als Schwanzknospen bezeichnet wurden. Durch die Afterrinne wird der Nervenring, der sich sonst in der ganzen Peripherie des Urmunds als Medullarplatte anlegt, an einer kleinen Stelle unterbrochen. Wir haben somit am Urmundrand einen grösseren neuralen und einen kleineren, nicht neuralen Absehnitt zu unterscheiden, was für die weitere Entwicklung sehr wichtig ist. Bei anderen Missbildungen, bei denen das Urmundgebiet einen theilweisen Verschluss erfahren hat, lässt sich die wichtige Thatsache feststellen, dass sich der Urmund nicht nur successive von vorn nach hinten schliesst, sondern dass unabhängig davon sich noch eine zweite Verschlussstelle am hinteren Ende aus- bildet, und zwar in folgender Weise (Taf. XVI, Fig. 9—11, 15, 14). Urmund und Spina bifida. 455 Ueber der Afterrinne legen sich die beiden Schwanzknospen (sk) mit ihren medialen Flächen aneinander und bilden, indem sie verschmelzen, einen breiten Querwulst (n), der aus einem klein- zelligen, aber in die verschiedenen Keimblätter gesonderten Ge- webe besteht. Durch den Wulst wird der hinterste Theil des Urmunds, der später zum After (ar) wird, von dem übrigen Theil getrennt, dessen Verschluss an den Missbildungen in ano- maler Weise gehemmt worden ist. An Serien von Frontalschnitten (Taf. XVII, Fig. 13, 14, Taf. XVII, Fig. 8—11, 25) liess sich die Nahtbildung (n) an der hinteren und späteren ventralen Seite des Wulstes noch deutlich erkennen; eimmal ist eine Rinne und eine Raphe (n) vorhanden, in deren Bereich inneres und mittleres Blatt eine Strecke verbunden sind (Taf. XVII, Fig. 15 n. Taf. XVII, Fig. 2 u. 10 n.), zweitens geht am äussersten Ende eine schwarze Pigmentlinie, erzeugt durch die Verwachsung der ecto- dermalen Flächen, durch das kleinzellige Gewebe hindurch (Taf. XVIIL, Fig. 25 n). Wenn die Verschmelzung eine vollständige wie beim nor- malen Entwicklungsverlauf ist, so geht früh aus der paarigen eine unpaare Schwanzknospe hervor, welche sich von oben über die Afteranlage herüberlegt. Bei manchen Missbil- dungen aber ist die Verschmelzung nur eine theilweise und be- trifft nur die Gegend oberhalb der Afterrinne, während darüber hinaus die Schwanzknospen an einem mehr oder minder grossen Endstück getrennt bleiben (Taf. XVI, Fig. 11, 15, 18, 19 s). An der Schwanzknospe können wir eine ventrale und eine dorsale Fläche und demgemäss auch eine ventrale und eine dor- sale Schwanznaht unterscheiden. Die erstere verläuft von der Schwanzspitze bis zum After, die letztere von der Schwanzspitze bis zu dem in Folge der Hemmung offen gebliebenen Theil des Urmunds. Die erstere gehört dem nicht neuralen Theil des Ur- mundgebietes, die letztere seinem neuralen Theil an. Was den After anbetrifft, so sind in seiner ganzen Ent- wicklung 4 verschiedene Stadien zu unterscheiden. Im ersten Stadium erscheint er nur als der hinterste Abschnitt des ge- sammten Urmundes (Taf. XVI, Fig. 1 ar). Im zweiten Stadium hat er sich von ihm als eine besondere Oefinung abgetrennt, dadurch dass am hinteren Ende des neuralen Abschnitts der Urmundränder sich die Schwanzknospen gebildet 454 Oscar Hertwig: und zur unpaaren Schwanzanlage verbunden haben (Taf. XVI, Fig. 11 ete. ar). Eine durchgängige Oeffnung ist meist an Durehsehnitten durch die Aftergegend nicht zu finden, weil die Wandungen sich unmittelbar berühren. In dem Zusammenhang der Keimblätter gibt sich aber im zweiten Stadium noch die ur- sprüngliche Abstammung vom Urmund zu erkennen (Taf. XVII, Fig. 5, Taf. XVII, Fig. 11 ar). Denn wie bei, diesem "sind an der Afterstelle alle drei Keimblätter in Zusammenhang mit einander. An der Afterlippe schlägt sich das äussere Blatt in das parietale Mittelblatt um und einwärts davon geht wieder an der Darmlippe das viscerale Mittelblatt m das Darmdrüsen- blatt über. Es besteht also auf diesem Stadium genau genommen noch keime directe Verbindung des äusseren mit dem inneren Keimblatt, sondern nur durch Vermittelung des Mittelblattes. Wir kommen daher auch, wenn eine Oeffnung vorhanden ist, durch die Aftergrube erst im einen allerdings verschwindend kleinen Rest des Urdarms. Denn als solchen müssen wir doch den im Bereich des Mittelblatts gelegenen Raum bezeichnen, durch welchen man sowohl in die Coelomsäcke als auch in den seeundären Darm eindringen kann. Dieser Zustand ändert sich auf dem dritten Entwick- lungsstadium. In der Aftergegend nämlich trennt sich das mittlere Keimblatt aus dem oben beschriebenen Zusammenhang, einmal vorn an der Afterlippe von dem äusseren Keimblatt, an der Darmlippe vom Darmdrüsenblatt. Die Coelomsäcke haben sich abgeschnürt und geschlossen. In Folge dessen treten jetzt an den Ablösungsstellen äusseres und inneres Keimblatt in direete Verbindung und begrenzen in den Fällen, wo eine Oeffnung sich erhalten hat, das Afterrohr, welches von Aussen nun direct und unmittelbar, indem es das Mittelblatt durchbohrt, in den Enddarm führt. Meist fehlt aber noch wegen des oben hervorgehobenen Umstandes eine Oeffnung. Aeusseres und inneres Keimblatt grenzen zwar in Folge der Ablösung des Mittelblattes unmittelbar zusammen, bilden aber zusammen noch einen epithelialen Ver- schluss, die Aftermembran oder den Afterstrang. Von einer Aftermembran (Taf. XVII, Fig. 9) sprechen wir, wenn die Aftergrube (ar) von der Höhle des Enddarms (ed) nur dureh eine dünne Lamelle getrennt ist, die aus je einer einfachen Lage von Entodermzellen und von Ectodermzellen besteht, wie Urmund und Spina bifida. 455 es beim normalen Entwicklungsverlauf des Frosches der Fall ist. Ein Afterstrang dagegen entwickelt sich in den Fällen, in denen wie bei manchen Missbildungen die Höhle des Enddarms und die Aftergrube etwas weiter auseinander gerückt sind und so an Stelle der dünnen Epithelmembran em diekerer Epithelstreifen tritt, wenn sich das Mittelblatt aus seinem Zusammenhang trennt. Im vierten Entwieklungsstadium endlich wird der After durchgängig, indem in der Mitte der epithelialen Verschluss- membran die Zellen auseinander weichen. Bei vielen Missbil- dungen hat sich zu dieser Zeit oder auch schon vorher die von der ventralen Schwanzwurzel zu der Aftergrube führende Rinne, die häufig von hohen Falten eingefasst ist (Taf. XIX, Fig. 1a, 5 af), zu einem kurzen Rohr geschlossen (Fig. 2, 22 ar). In diesem Falle gelangt man dann in den Enddarm Auch ein mehr oder minder langes, eetodermales Afterrohr, das an der Wurzel des Schwanzes am Beginn der ventralen Schwanzflosse gelegen ist. Auch bei der normalen Entwicklung scheint sich mir ein solches ectodermales Ansatzstück zu bilden. Das sind kurz zusammengefasst die Ergebnisse, zu denen mich die Untersuchung der Schwanz- und Afterbildung bei den Missbildungen des Frosches geführt hat. Sie stimmen m erfreu- lieher Weise im Wesentlichen mit den Resultaten überein, zu denen in der neuesten Zeit mehrere Forscher, besonders Schanz, Götte, v. Erlanger über die Anlage des Afters bei normal sich ee kelnden Kenschemhr yonen gelangt sind. In der Frage der Afterentwicklung hat lange Zeit grosse Verwirrung geherrscht. Bekanntlich sind auch hier drei ver- schiedene Ansichten aufgestellt worden. Nach der älteren Auffassung soll der After wie der Mund eine Neubildung sein und dadurch entstehen, dass sich am hin- teren Körperende die Haut zu einer Grube einsenkt und später in den Enddarm durchbricht. Nach einer zweiten Ansicht, die durch das Studium von Petromyzon’ und Amphibien gewonnen wurde, soll der ganze Urmund direet zum After werden. Eine dritte Gruppe von Forschern endlich (Schanz [62el, Bonnet [3], Götte, Erlanger u.a.) nimmt zwar auch eine Beziehung des Afters zum and an, aber nur zum hintersten Theil desselben. Sie lässt sich den Urmund in 2 Oeffnungen zerlegen, in eine vordere, welche in das hintere Ende des Nervenrohrs aufge- 456 - Oscar Hertwig: nommen wird (Canalis neurentericus, Chordablastoporus) und in eine hintere Oeffnung, die zum After wird (Afterblastoporus, Afterkanal). Was besonders die Amphibien betrifft, so kann ich im All- gemeinen der von Götte (19) und von Erlanger (14) gege- benen Darstellung beipfliehten. Götte lässt den Blastoporus, wenn er sich zu einem Längs- spalt umgewandelt hat, in seiner Mitte durch Verwachsung seiner Lippen schliessen (Prostomanaht). Unter der Verschlusstelle bleibt ein kleiner Rest des Blastoporus erhalten, der gewöhnlich seine Liehtung verliert, um sich später wieder zu öffnen und den After zu bilden. Der dorsal von der Verwachsungsstelle gelegene Rest des Blastoporus stellt den Canalis neurentericus dar, der bald von den Medullarwülsten umwachsen und dadurch in das Nerven- rohr eingeschlossen wird. Aus der Verwachsungsstelle entsteht der Schwanz, an dem sich die Prostomanaht von der Spitze bis zum After hinzieht. In ähnlicher Weise fasst von Erlanger das Ergebniss seiner Untersuchungen in die Sätze zusammen: „Vergleicht man die Resultate der Arbeiten von Schanz und Morgan (40) mit denen meiner Arbeit, so wird man wohl zu dem Schluss kommen, dass der After aus dem ventralsten Theile des Urmunds hervor- geht, während der dorsalste den Neuroporus und den Canalis neurenterieus bildet. Bei den Anuren kommt noch der Umstand hinzu, dass die Stelle des Blastoporus, aus welcher der After hervorgeht, vorübergehend verschlossen und der After erst später wieder durch Durchbruch eröffnet wird, während bei den Urodelen der ventralste Theil des Urmunds nie verwachsen soll. Es dürfte daher gerechtfertigt erscheinen, die Afterbildung bei den Anuren als secundär modifieirt zu betrachten.“ In meiner Arbeit über das mittlere Keimblatt der Amphibien (24) habe ich aus einer Serie 6 Schnitte durch das Urmundgebiet eines älterrn Froschembryo abgebildet, welche die sich hier ab- spielenden Vorgänge vollkommen richtig wiedergeben. So zeigt Fig.5, Taf. VIII einen Sehnitt durch die Verschlussstelle, durch welche der dorsal von ihr gelegene Canalis neurentericus, von dem ein Sehnitt in Figur 1 abgebildet ist, von der ventralwärts gelegenen Aftergrube (Fig. 6) getrennt wird. An der Verschlussstelle tritt noch deutlich die Nahtbildung hervor, indem an ‘einer kleinen Stelle das äussere und innere Keimblatt in das Mittelblatt direct Urmund und Spina bifida. 457 übergehen. Die Aftergrube ist durch eine dünne, epitheliale Verschlussmembran vom Enddarm getrennt, wie es auf dem von mir unterschiedenen dritten Entwieklungsstadium B der Fall ist. Damals freilich habe ich, wie auch Götte, im After eine Neu- bildung gemäss der herrschenden Auffassungsweise erblickt, weil mir die Zwisehenstadien in der Entwieklung entgangen waren und damit auch die Zugehörigkeit zum Urmundgebiet übersehen wurde. Auf die Abbildungen möchte ich aber auch jetzt hin- weisen, da sie alle einschlägigen Verhältnisse sehr gut wieder- geben. Auch auf Tafel VII, Figur 12—14 (l. e.) sei aufmerksam gemacht. Wenn wir jetzt noch die normale und die gestörte Entwick- lung mit einander vergleichen, so kann die letztere auch hier zum Verständniss der ersteren Manches beitragen. Namentlich verbreitet sie über die Sehwanzbildung und über die morpholo- sische Stellung des Sehwanzes zum übrigen Körper mehr Licht. Als wichtigstes Ergebniss möchte ich hervorheben, dass der Schwanz nicht als eine direete Verlängerung des ganzen Körpers, sondern nur als eine Fortsatzbildung der Rücken- fläche nach seiner Entstehung betrachtet werden kann. Die ganze ventral vom Urmund gelegene Fläche des Rumpfes ist an seiner Entstehung gar nicht betheiligt. Der Schwanz erschemt daher als eine Fortsatzbildung des Körpers, die vom Urmund- gebiet ihren Ursprung nimmt und über den hintersten Theil des- selben, den After, hinauswächst. Dadurch tritt er in einen Gegen- satz zum ganzen übrigen Rumpf. Wir finden daher auch in seiner Zusammensetzung nur dorsal gelegene Organe betheiligt, Nerven- rohr, Chorda, Ursegmente, während Leibeshöhle, Geschlechts- organe, Nieren sich nicht in ihn hinein fortsetzen. Ob wir von einem wirklichen Schwanzdarm reden dürfen, erscheint mir frag- lieh. Allerdings verlängert sich das innere Keimblatt als ein Strang in die Schwanzanlage hinein, als eine Ausstülpung der Beckendarmwand. Es scheint aber meist nicht zur Ausbildung einer Höhlung zu kommen und später schwindet der Strang und löst sich in andere Gewebe auf. Bei keinem Wirbelthier wird er wohl je als Darm funetionirt haben, so dass ich vorschlage, den Namen Schwanzdarm ganz fallen zu lassen und ihn durch die zu keinen falschen Vorstellungen führende Bezeich- nung: „pEntodermstrang des Schwanzes“ zu ersetzen. 458 Oscar-Hertwig: Da am Urmundrand äusseres, mittleres und inneres Keim- _ blatt zusammentreffen und die median gelegenen Organe, Nerven- rohr, Chorda, Ursegmente erzeugen, werden auch der Schwanz- knospe die Anlagen von allen diesen Organen zuertheilt. Wenn dann die Sehwanzknospe sich verlängert und als Fortsatz über den Rumpf nach hinten hervortritt, geschieht dies in derselben Weise, wie der ganze Körper in die Länge gewachsen ist. Von der Wachsthunszone aus, die auf die Schwanzspitze gerückt ist, setzt sieh Ursegment an Ursegment an und kann so einen in Metameren gegliederten Anhang des Körpers zuweilen von sehr beträchtlicher Länge liefern. Der Sehwanz geht aus einer paarigenAnlage hervor, da über der Afterrinne der hinterste Abschnitt des linken und rechten Urmundrandes zur Schwanzknospe verwächst. Es wäre unberechtigt, wollte man hieraus die Vorstellung ab- leiten von Urformen von Wirbelthieren, die an ihrem hinteren Ende doppelte Schwanzfortsätze besessen hätten. Offenbar ist die Verschmelzung der Urmundränder ein älterer Vorgang als ‚die Sehwanzbildung. Erst nachdem die Verschmelzung am hin- teren Körperende eingetreten ist, entwickelt sich aus dem so ein- fach gewordenen Körperbezirk der Sehwanzfortsatz. Nur unter abnormen Verhältnissen kann die ursprüngliche Duplieität der Anlage im Entwiecklungsprocess zur Geltung kommen, dann näm- lieh, wenn durch irgend eine störende Ursache die Verschmel- zung der Urmundränder zur einfachen Schwanzknospe zur rich- tigen Zeit verhindert wird. Dann bilden sich, wie wir an mehreren Beispielen gesehen haben, doppelte Schwanzknospen aus, die ge- trennt von einander über das Rumpfende hervorwachsen und sich zu zwei langen, aus Nervenrohr, Chorda und Ursegmenten zu- sammengesetzten Halbsehwänzen verlängern. Dieselben sind daher ihrer Entstehung nach in die Kategorie der Hemmungs- missbildungen mit einzureihen. Auch hier kann nachträg- lieh noeh ein Verschmelzungsprocess, der von der Schwanzwurzel aus beginnt, eingeleitet werden. Die Entstehung des Sehwanzes aus einem linken und rechten Anlagematerial scheint auch bei Verstümmelung noch zum Vor- schein kommen zu können. Vielleicht hängt damit zusammen, dass bei Abtrennung des hinteren Schwanzendes bei Amphibien und Reptilien an Stelle eines einfachen Ersatzes des verlorenen Urmund und Spina bifida. 459 Endes häufig eine Verdoppelung zum Vorschein kommt. Eidechsen mit Doppelsehwänzen sind ja bekannt genug. Aber auch von Pelobateslarven hat Bruch (9) als Folge von Verstümmelungen Spaltung des Sehwanzendes, unter Verdoppelung der Chorda, beschrieben. Was die amnioten Wirbelthiere betrifft, so legt sich bei ihnen die Aftergrube am hintersten Ende der Primitivrinne an (Gasser, Kölliker, Bonnet, Strahl ete.). Dicht vor ihr bildet sich später die Schwanzknospe aus, wodurch der After sehliesslich unter die Wurzel des Schwanzes mehr an die Ventral- seite des Körpers rückt. Die Entwieklungsprocesse scheinen im Allgemeinen den von den Amphibien beschriebenen zu entsprechen. Wir können daher auch auf die Amnioten den Lehrsatz ausdehnen, dass sich bei ihnen der After aus einer kleinen hinteren Streeke des Urmunds herleitet und dass der Schwanz aus der vor dem Af- tergelegenen Region des Urmundgebietes, nach- dem in ihm eine Verschmelzung der Urmundlippen (Ränder der Primitivrinne) erfolgt ist, seinen Ur- sprung nimmt. 3. Die Coelomtheorie. (Entgegnung auf Goette. Der Chordakanal.) In seiner Entwieklungsgeschichte des Flussneunauges hat kürzlieh Goette (Nr. 19) gegen meine Darstellung der Bildung des mittleren Keimblattes der Amphibien und überhaupt gegen die Coelomtheorie eine heftige Polemik eröffnet. Ich würde auch hier, wie schon in anderen Fällen, geschwiegen haben, das Weitere der Zukunft überlassend, — denn zu welchem Umfange würde unsere an sich schon umfangreiche Literatur anschwellen, wollte Jeder bei der reichen Zahl eontroverser Gegenstände den hinge- worfenen Handschuh gleich kampfbereit aufnehmen? — wenn ich bei meinen Untersuchungen nicht gerade wieder auf das strittige Objeet, auf die Entwicklung des Frosches, hingeführt worden wäre. So sehe ich mich in eine Art von Zwangslage versetzt, in weleber ich mich, wenn auch ungern, zu einigen Be- merkungen entschliesse. Götte fasst das Ergebniss seiner Kritik in den Satz zu- sammen: „Die angeblichen Beobachtungen O0. Hertwigs 460 Oscar Hertwig: über den Ursprung des Mesoderms der Amphibien sind nichts . weiter als eine empirisch unbegründete — und nach den wirk- lichen Beobachtungen — irrige Annahme.“ Da ich selbst den Gastrulationsprocess des Froscheies nicht wieder neuerdings untersucht habe, obwohl ich überzeugt bin, dass sich Manches bei Anwendung verbesserter Hülfsmittel und neuer Gesichtspunkte noch klarer feststellen lässt, als es bis jetzt geschehen ist, muss ich mich zur Entgegnung erstens darauf be- schränken, hervorzuheben, dass Götte selbst kein neues That- sachenmaterial vorlegt, sondern die Sache mit der wohlfeilen Aeusserung abgethan glaubt, „er müsse auf Grund erneuerter Untersuchungen am Bombinator und Pelobates seine früheren Angaben ganz und voll aufrecht erhalten.“ Zweitens verweise ich auf die Arbeit von Schwink „über die Entwicklung des mittleren Keimblatts und der Chorda dorsalis der Amphibien“ (Nr. 65), welche zwar ein Jahr vor Götte’s „Flussneunauge“ erschienen ist, gleichwohl aber von ihm mit keiner Silbe erwähnt wird. Scehwink hat sowohl Urodelen als auch Anuren (Rana und Bufo) sehr eimgehend untersucht und kommt auf Grund dieser vergleichenden Studien zu wesentlich denselben Ergebnissen wie ich. Jeder Leser wird sofort die grosse Uebereinstimmung zwi- schen den von Schwink und den von mir gegebenen Bildern der Urodelen- und Anurenentwicklung bemerken und er wird so die Ueberzeugung gewinnen, dass es sich nicht, wie Götte sagt, um „angebliche“, sondern um „wirkliche“ Beobachtungen handelt. Nieht minder mache ich auf die guten Abbildungen in der Untersuchung von Erlanger's (Nr. 14) aufmerksam und auf seinen soeben erschienenen Artikel (Nr. 15) im Anatomischen Anzeiger, wo es heisst: „Diese Arbeit hätte doch überhaupt und speciell bei Besprechung der Coelomdivertikel des Urdarms, welche ich in der von O. Hertwig beschriebenen Weise bei sämmtlichen von mir untersuchten Anurenspecies mit der grössten Deutlichkeit ge- sehen und vielleicht nieht deutlich genug abge- bildet habe, eine Erwähnung verdient.“ Es wirft gewiss ein Licht auf die Genauigkeit der erneuten Untersuchung von Götte, dass ihm die Coelomdivertikel immer noch nieht zu Gesicht ge- kommen sind. Urmund und Spina bifida. 461 Drittens endlich hebe ich hervor, dass die Befunde, auf deren Bedentung für die Entwicklung des mittleren Keimblatts ich zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt habe (die Lippenbildung zn beiden Seiten der Chordaanlage, das Fehlen des Darmblatts unter der letzteren, der Entstehungsmodus des peristomalen Meso- blasts), von zahlreichen Forschern für andere Wirbelthierklassen (Selachier, Reptilien, Säugethiere) bestätigt worden sind. (Balfour, Rückert, Rabl, van Beneden, Ziegler etc. ete.) Ich kann daher auf die von Götte mir gemachte Unter- stellung, dass ieh die für meine Ausstülpungstheorie geltend ge- machten Thatsachen jetzt zum Theil nach meinem „eigenen still- schweigenden Zugeständniss“ für unriehtig hielte, nur kurz und bündig die Erklärung abgeben: Ich stehe auch heute noch auf dem früher entwickelten Standpunkt, dass das mittlere Keimblatt der Wirbelthiere sieh durch einen Einstülpungsprocess in der Um- gebung des Urmunds bildet und dass die Leibeshöhle von Ur- darmdivertikeln abstammt. Hiermit könnte ieh die Streitsache auf sieh beruhen lassen, wenn sich nicht in dem oben eitirten Satz von Götte die eigen- thümliche Gegenüberstellung von „angeblichen“ und von „wirklichen Beobachtungen“ fände. Was Götte unter „angebliehen Beobachtungen“ versteht, verräth er uns des Genaueren an zwei Stellen, wo er von „Grundsätzen einer so zu sagen corrigirten Beobach- tung“ redet oder sagt, dass O. Hertwig „die entwieklungs- geschichtlichen „Beobachtungen“ nach den Endergebnissen des Entwicklungsverlaufs einrichtet“. Dichtet mir doch Götte die sonderbare Absicht an, — ich will ihn immer selber reden lassen — „in die vergleichende Entwieklungsgeschichte eine neue Erkenntnisstheorie einführen zu wollen, nämlich die Construction der wirklichen Entwicklung eines Körpertheils nach den „End- resultaten“, wenn es nicht anders geht, auch im Widerspruch mit der Empirie.“ Darauf folgt gleich in Sperrschrift gedruckt der Satz: „dies heisst denn doch nichts weiter als der Zoologie und Naturwissenschaft überhaupt die empirische Grundlage ent- ziehen und durch aprioristische Begriffe ersetzen, damit aber über- haupt die induetive Methode der modernen Naturwissenschaften über den Haufen werfen.“ Meine Antwort hierauf fällt sehr kurz aus. Was ich zu 462 Oscar Hertwig: sagen habe, ist in drei Worten ausgedrückt: leiehtfertige, plumpe © Unterstellung! Es ist wohl nicht schwer aus meinen Untersuchungen zu ersehen, dass auch in meinen Augen die Thatsachen über Werth oder Unwerth jeder Theorie entscheiden. Habe ich nicht in jeder meiner Schriften, überzeugt von dem vollen Werth der -sinnlichen Wahrnehmung als der unerlässlichen Grundlage für weitere Denk- arbeit, zwischen objeetivem Thatbestand — Beschreibung des Beobachteten — und zwischen den aus den Beobachtungen ge- zogenen Schlüssen eine haarscharfe Grenzlinie gezogen? Ich kann irren in den Beobachtungen, irren in den Schlüssen, aber ich habe nie „angebliche Beobachtungen“ mitgetheilt oder Sehlüsse gezogen, die nicht auf Beobachtungen fussen. Wie ein gewissenhafter Beobachter sieh nicht scheut, seine Beobachtungen mitzutheilen, stets gewärtig, dass bald Jemand kommt, der mit mehr Talent noch besser und schärfer beobachtet hat, als er, so soll er auch ohne Scheu aus seiner Beobachtung die sich ihm ergebenden Schlüsse gewissenhaft ziehen, auch auf die Gefahr hin, später eines Trugschlusses überführt zu werden. Wie die Geschichte aller Wissenschaften lehrt, wachsen die Wissen- schaften nieht selten auch durch Irrthümer, auf denen sich die Wahrheit nur um so leuchtender abhebt. Hiermit schliesse ich eine Polemik, auf welche ich mich ungern und wider meine Gewohnheit eingelassen habe. Da ich demnach noch ganz von der Richtigkeit der Coelomtheorie für die Wirbelthiere überzeugt bin, will ich einen mit ihr eng zu- sammenhängenden Gegenstand berühren, auch auf die Gefahr hin, wieder das Missfallen meines Strassburger Critikers zu erregen. Am meisten unklar ist zur Zeit noch die Stellung der Säuge- thierentwicklung zur Coelomtheorie: insbesondere macht die unter dem Namen Chordakanal bekamnte Bildung einige Schwierigkeit. Mir scheint sich nun em Weg zu zeigen, auf welchem sich das Zustandekommen eines Chordakanals in einfacher Weise aus den Verhältnissen der übrigen Wirbelthiere erklären lässt... Zur besseren Erläuterung sollen die Schemata (Taf. XX, Fig. 16) dienen: In der Umgebung des Urmunds der Säugethiere oder, was das Gleiche ist, in der Umgebung der Primitivrinne finden sich zwei Lippenbildungen in nächster Nachbarschaft: 1) die Urmundlippen, an welchen sich das äussere Keimblatt in das parietale Mittel- Urmund und Spina bifida. 463 blatt umschlägt, und 2) die Darmblattlippen, an welchen Darm- drüsenblatt und viscerales Mittelblatt ineinander übergehen. Beim Urmundsschluss verwachsen nun in der Regel in den verschiedenen Wirbelthierklassen nur die Urmundlippen, während die Darm- blattlippen durch einen kleinen Abstand von einander getrennt bleiben und so von beiden Seiten her die Chordaanlage begrenzen, welche sich an der Verschlussstelle bildet und in Folge dessen an der Begrenzung des Urdarms Theil nimmt. Nach meiner An- sicht findet nun bei den Säugethieren eine kleine Abweichung von diesem Bildungstypus im der Weise statt, dass: auch die Darmblattlippen vom Anfang ihrer Entstehung an im der Median- ebene zusammen zu liegen kommen (Fig. 16 B. dl), und wenn sie auch nieht mit einander verschmelzen, wie es bei den Urmund- lippen (ul) später der Fall ist, so do@h sich dieht berühren und eventuell auch verkleben. So kommt unter der Chordaanlage (Fig. 16, B. ch) ein mehr oder minder langer, enger Kanal (chk) zu Stande, der hinten durch die neurenterische Oeffnung an der Oberfläche der Primitivrinne ausmündet (Fig. 16 A.), und sieh vorn (Fig. 16 D.) durch eine zweite Oeffnung mit der Blastoderm- höhle vereinigt. Von allen Forschern, die sich mit den ersten Stadien der Säugethierentwicklung beschäftigt haben, hat wohl van Beneden (Nr. 2a) den Chordakanal in seinen verschiedenen Beziehungen am eingehendsten und genauesten untersucht. Wie ich finde, passen alle seine Angaben zu meiner Erklärung. So bemerkt van Beneden — man vergleiche hiermit das von mir ent- worfene Schema — 1) dass die Coelomspalten sich Anfangs in den Chordakanal öffnen, 2) dass die Chordaanlage sich lateral- wärts in die obere Schicht des Mesoblasts eontinuirlich fortsetzt, 3) dass der Boden des Kanals in die untere Schicht des Meso- blasts übergeht. Van Beneden lässt die Chordahöhle dem Archenteron oder dem Darmkanal entsprechen. Nach meiner Ansicht würde sie nur einen vorübergehend abgetrennten, kleinen Theil desselben repräsentiren, während der übrige grössere Theil in der Höhle der Keimblase gegeben ist, in welcher sich, wie jetzt allgemein angenommen wird, der Dotter rückgebildet hat. Der Chordakanal ist eben eine mehr nebensächliche, zufällige Bildung, dem eine besondere Bedeutung nieht zukommt. Daher öffnet er sich denn auch später, wie van Beneden beschreibt, 464 Oscar Hertwig: zuerst in seiner Mitte in die Blastodermhöhle dureh mehrfältige Öeffnungen, die bald zu einer einzigen Längsspalte zusammen- fliessen. Ich würde das so ausdrücken, dass die aneinander gelegten Darmblattlippen auf einem gewissen Stadium ausein- anderweichen. Schliesslich ist der ganze Chordakanal mit Aus- nahme des typischen Canalis neurentericus mit dem Haupttheil der Urdarmhöhle (Blastodermhöhle van Beneden) vereinigt. Den Grund zur Entstehung dieser Modification bei den Säugethieren glaube ich darin erblicken zu dürfen, dass beim Beginn des Einstülpungsprocesses alle Faltenbildungen auf einen sehr engen Raum am Hensen’'schen Knoten zusammengedrängt sind, in Folge dessen sich ihre Lippen von allem Anfang an be- rühren und erst später in die Normallage übergehen. Hiermit wäre die Uebereinstimmugg mit den übrigen Wirbelthierklassen hergestellt. 4. Beziehungen des Urmunds zu verschiedenen Formen von Missbildungen. Nachdem auf mehrfache Weise festgestellt ist, dass die in dieser Abhandlung beschriebenen monströsen Froschlarven, sowie die Mesodidymi der Knochenfische und die unter dem Namen der Spina bifida bekannten Störungen ihrem Wesen nach Hem- mungsmissbildungen sind, entstanden durch behinderten Verschluss des Urmunds und damit zusammenhängende Spaltung der Axen- organe, will ich in diesem Abschnitt noch auf einige andere Beziehungen des Urmunds zu verschiedenen Formen von Miss- bildungen die Aufmerksamkeit lenken. Es wird sich hierbei zeigen, dass von meinem Standpunkt aus die erste Entstehung der Doppel- und Dreifachbildungen noch vollständiger aufgeklärt wird, als es schon durch die vortrefflichen Aufsätze von Rauber (Nr. 46—53) geschehen ist. Zunächst muss ich eine, wie ich glaube, irrige Vorstellung beseitigen. Roux (Nr. 61) erörtert am Schluss seiner oft er- wähnten Abhandlung die Frage, ob nicht bei den durch Ur- mundspalte erzeugten Frosehmissbildungen, seinen Hemiembryones laterales, jede Hälfte sich zu einer vollständigen Anlage ergänzen könne und ob nicht auf diese Weise aus einem einfachen Ei Urmund und Spina bifida. 465 Doppelmissbildungen zu Stande kommen könnten. Roux hält es für möglich, dass die Semimedulla, die Semichorda und das unterhalb der Chorda gelegene Mittelblatt sich an den Stellen, wo sie direkt an Dotterzellen anstossen, durch Postgeneration ergänzen können. „Jede Antimere würde in dem Dotter unter Umwandlung desselben, räumlich successive fortschreitend, so weit ein Stück der anderen Hälfte postgeneriren, bis beide Bil- dungen in der Medianebene des ganzen Eies zusammenstossen. In dieser Berührungsgegend müssen dann die nachträglich ge- bildeten Stücke von seitlichen Körperhälften mit einander ent- sprechenden Theilen zusaminentreffen, sofern die Bildung von beiden Seiten her annähernd gleichmässig erfolgt. Wir erhielten dann also auf eine secundäre Weise unvollkommene Doppelbildungen, welche dem in der Sache schon von Meckel deutlich beschriebenen, von mir benannten Gesetz der doppelten Symmetrie der Organ- anlagen entsprechen. Namentlich würde auf diese Weise die noch nicht während ihrer Entstehung beobachtete Duplieitas dor- salis hervorgehen können, und zwar häufiger die Duplieitas dorsi- caudalis, seltener dorsicephalica.“ Diese Hypothese steht mit den Thatsachen in Widerspruch. Denn einmal sehen wir ja, dass bei Amphibien und Fischen die in der Medianebene nicht zur Verwachsung gelangten Axenorgane auf späteren Stadien noch in einen mehr oder minder der Norm entsprechenden Zustand übergeführt werden, zweitens besitzt ja Jeder Theil schon sein zu ihm gehöriges Gegenstück, so dass nur in der räumlichen Anordnung eine Abweichung untergeord- neter Art von der Norm besteht und, was nicht fehlt, auch nicht postgenerirt zu werden braucht, drittens sind die Dotterzellen nicht als ein indifferentes, der Differenzirung harrendes Eimaterial zu betrachten, sondern selbst schon Bestandtheile einer Organ- anlage, nämlich des Darms. Der von Roux mehr gelegentlich geäusserten Hypothese hat bald darauf Klaussner (33) eine sehr ausgedehnte Bedeutung für die Erklärung von Mehrfachbildungen beigemessen. Er theilt letztere in zwei grosse Gruppen ein, 1. in solche, die durch primäre Pluralität der Anlage und 2. in solehe, die durch Fis- sion mit Postgeneration entstehen. Die erstere schlägt er vor als Zwillings-, Drillings-, Vierlings-Bildungen, die letzteren als Zwei-, Drei-, Vierfach-Bildungen zu bezeichnen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 31 466 Osear Hertwig: Im Gegensatz zu Klaussner und Roux. bin ich nun der Meinung, dass bei den Wirbelthieren Mehrfachbildungen nicht auf dem Wege der Postgeneration von schon relativ weit differenzirten Halbanlagen aus entstehen, sondern dass schon im Keim auf sehr frühen Stadien die Bedingungen für zwei oder mehr Anlagen vorhanden sind. An Teleostierembryonen hat Rauber (50—53) den Beweis für diese Ansicht geführt, indem er die Entstehung von Doppel- und Drei- fachmonstra ziemlieh weit zurückverfolgt hat, nämlich bis zu dem Stadium, wo die Keimscheibe noch ziemlich klein ist und die erste Anlage eines Kopffortsatzes erkennen lässt. „Statt dass nun“, bemerkt Rauber, „wie im gewöhnliehen Falle, bei der allmählichen Vergrösserung und Ausdehnung dieses Keims über die Dotterkugel eine einzige, zunächst vordere Embryonalan- lage zur Ausdildung gelangt, gelangen im Falle einer Achsen- vermehrung gleichzeitig zwei oder drei Embryonalanlagen zur Erscheinung.“ Er bezeichnet dieselben an anderen Stellen auch als „Vorstösse des Keimrings“, die von ihm in meridionaler Riehtung ausgehen und auf dem Urmund senkrecht stehen. In Folge dessen sind „stets die Schwanztheile der Keimpforte zuge- wendet; die Köpfe von ihr abgewendet“. „Die Ausbildung mehrerer Anlagen erfolgt daher“, nach Rauber, „stets als eine „pluriradiale“ und „stomatogene“, sie beruht zugleich auf einer Theilung des Keimscheibengebietes und in letzter Instanz des Keimmateriales.“ Verschiedene Formen der Monstra resultiren je nach der Stellung, welche die mehrfachen Anlagen am Keim- ring einnehmen, je nachdem sie näher oder entfernter von ein- ander liegen. Rauber gibt eine sehr zutreffende und einleuch- tende Darstellung von allen diesen Verhältnissen. In einem Punkte jedoch, der von ziemlicher Tragweite ist, kann ich ihm nicht beipflichten. Rauber betrachtet den ganzen Keimscheibenrand als Urmundrand, was ich schon oben (Seite 443) als nicht zutreffend nachzuweisen versucht habe. Er lässt dabei die Mehrfachbildungen sich nicht nur aus einer einfachen Zelle, sondern auch aus einer einfachen Gastrula entwickeln, aus einer Gastrula, an welcher sich zuwider dem normalen Verlauf zwei oder drei Medullaranlagen bilden. So bemerkt Rauber (52 Seite 163) in nicht misszuverstehender Weise von einer Doppelbildung des Forelleneies: „Während nur Urmund und Spina bifida. 467 eine Gastrula vorliegt, besteht ene doppelte Neurula“, unter welehem Namen er das Stadium bezeichnet, wo am Keim die Anlage des Medullarrohrs aufzutreten beginnt. Und an einer anderen Stelle sagt er: „So entwickelt sich bei den Mehrfach- bildungen aus einer einfachen Gastrula eine mehrfache Neurula“ (46 pag. 84). Nach meiner Auffassung dagegen sind die Mehrfach- bildungen auf mehrfache Gastrulaeinstülpungen zurückzuführen. Da nun in den verschiedenen Wirbelthier- klassen je nach den Eigenschaften der Eizelle, die in erster Linie dureh ihren Dottergehalt bestimmt werden, der Gastrulations- process sehr verschiedene Formen annimmt, — ich erinnere z. B. an das ausführlich erörterte Verhältniss von Urmundrand und Umwachsungsrand zu einander bei Teleostieren, Selachiern, Am- nioten — so lässt sich erwarten, dass die Art des Gastrulations- processes sich auch bei der speciellen Ausgestaltung der Mehr- fachbildungen in den eimzelnen Wirbelthierklassen äussern wird. In dieser Hinsicht hat auch schon Rauber auf tiefgreifende gesetzmässige Beziehungen zwischen normaler und „pluriradialer Entwieklung“ die Aufmerksamkeit gelenkt. Anknüpfend an eine Angabe von Hunter, „dass jeder Thierart eine eigene Art von Missbildung besonders eigenthümlich sei“, fügt er hinzu: „In wie weit die Angabe Wahres enthält, lässt sich die veranlassende Ursache wesentlich auf Unterschiede in der normalen Entwick- lung zurückführen. Die verschiedenen räumlichen Beziehungen zwischen Ei und Embryonalanlage, die Verschiedenheit in dem Maasse der Verwendung des Keimrings für die Embryonalanlage, das Vorhandensein totaler oder partieller Furchung, diese Ver- hältnisse sind es, welche die wesentlichen Unterschiede auch der Mehrfachbildungen der verschiedenen Wirbelthierabtheilungen be- dingen, ohne dass das Wesen der Mehrfachbildungen dabei eine Aenderung erleidet.“ Die Beziehungen zwischen Einfach- und Mehrfachentwick- lung glaube ich noch etwas genauer feststellen und durch fol- gende Theorie weiter aufklären zu können: Die mehrfachen Gastrulaeinstülpungen, welche den Ausgangs- punkt für die Entstehung von Mehrfachbildungen abgeben, zeigen in ihrem gegenseitigen Verhalten Jenach dem Character des Eies und des ihm eigen- 468 O8 Var Hertwege: thümlichen Gastrulationsprocesses Verschieden- "heiten, welche den Monstrositäten in den einzelnen Wirbelthierklassen ein characteristisches Gepräge yzesrkerihre m. Zur Erläuterung dieser Gastrulationstheorie der Mehrfaehbildungen bediene ich mich wieder einiger Sche- mata. Dieselben sollen nur zeigen, wie der Gegensatz, der in der normalen Entwicklung zwischen den Knochenfischen und den Vögeln besteht, auch im Character ihrer Missbildungen wieder zum Vorschein kommt. Ich beginne mit den Knochenfischen. Im Schema Fig. 11 (Taf. XX) sind am Keimscheibenrand in geringer Entfernung von einander zwei Einstülpungen entstanden und haben, indem sich ihre Einstülpungsränder in der bekannten Weise in der Richtung eines Radius zusammengelegt haben, zwei vordere Embryonal- anlagen (k! und k?) gebildet. Den kleineren Theil des Keim- scheibenrandes (z), welcher die beiden Keime trennt, nennt Rauber die innere oder mediale Zwischenstrecke, den grösseren Umfang die äussere oder laterale Zwi- schenstreceke. Jede derselben zerfällt wieder dadurch, dass sich von der vorderen Embryonalanlage (oder dem in Schluss begriffenen Theil des Urmunds) die Einstülpung eine Strecke weit auf den Keimscheibenrand fortsetzt, in zwei Abschnitte, in den Urmundrand ‘und in den Umwachsungsrand. Da bei den Teleostiern die Gastrulation sich auf einen längeren Zeitraum ausdehnt und dabei ein ziemlich beträchtlicher Theil des Um- wachsungsrandes in Urmundrand umgewandelt wird, muss die innere Zwischenstrecke, je geringer die Entfernung zwischen den zwei in Ausbildung begriffenen Embryonalanlagen ist, um so früher zur Vergrösserung der von links und rechts sich aus- dehnenden Urmundränder aufgebraucht werden. In Folge dessen müssen jetzt die ursprünglich getrennt entstandenen doppelten Gastrulahöhlen nach hinten in einen gemeinsamen Hohlraum zusammenfliessen. Aus Schema 11 ist Schema 12 hervorgegangen. Im weiteren Verlauf können nun die Urmundränder sich auf Kosten des Umwachsungsrandes nur noch auf der lateralen Zwischenstrecke vergrössern; sie verhalten sich genau wie die Randtheile einer einfachen Gastrula und legen sich dement- Urmund und Spina bifida. 469 sprechend allmählich in der Medianebene zur Bildung eines ein- fachen Rumpftheils zusammen, wie in Schema 13 dargestellt ist. Es liegt auf der Hand, dass je weiter die ersten Einstül- pungen am Keimscheibenrand von einander entfernt sind, um so länger die zwei Urmundgebiete sich getrennt erhalten und-um so grösser die zwei Embryonalkörper, die durch Conerescenz der Urmundränder entstehen, ausfallen werden. Und in dem Falle, dass die zwei Urmundgebiete am Keimscheibenrand einander mehr oder minder gegenüber liegen, werden sie sich überhaupt ganz getrennt erhalten und indem sich jedes für sich zum Ring schliesst, zwei vollständig ausgebildete Embryonen liefern, die nur mit einer Strecke der Bauchwand in Folge ihrer gemeinsamen Ent- stehung auf einem Dotter zusammenhängen. Auch muss in diesem Fall die Umwachsung des Dotters in einer etwas anderen Weise als beim normalen Verlauf vor sich gehen, da der Um- wachsungsrand durch die doppelte Embryonalanlage in zwei mehr oder minder symmetrische Hälften zerlegt ist. Die Umwachsung muss eine ringförmige werden und sich zwischen die beiden embryonalen Körper trennend hineinschieben. Bei der Ansicht von His und Rauber, dass der ganze Keimring Embryonalrand sei und zur Bildung des Körpers auf- gebraucht werde, macht die Erklärung der „Gastrodidymi oder Omphalodidymi* Schwierigkeiten und fordert einige Hilfsan- nahmen. Man vergleiche hierüber die von Rauber (50) in Virehows Archiv (Bd. 74, pag. 78—81) gegebene Darstellung. Bei meiner Theorie der mehrfachen Urmundanlage und auf Grund meiner Fassung des Gastrulationsprocesses fällt jede Schwierig- keit bei der Erklärung weg. Es wird jetzt von hohem Interesse sein, von den ange- deuteten Gesichtspunkten aus den Telostiern die Vögel, die wir als Vertreter der Amnioten überhaupt betrachten können, ver- gleichend gegenüberzustellen. Nach der Analyse, die auf Seite 449 gegeben wurde, ist bei den Vögeln der Gastrulationsprocess ein in hohem Grade ab- weichender. Denn bei ihnen wird nur ein kleiner Theil des Keimscheibenrandes in Urmundrand umgebildet. Letzterer schliesst sich meist eaudalwärts zum Ring und löst sich dadurch vom Umwachsungsrand ab. Dies muss auf die Formung der Mehr- fachbildungen a priori von weitreichendem Einfluss sein. Denn 470 Oscar Hertwig: wenn bei den Vögeln am Keimscheibenrand zwei Einstülpungen entstehen, so darf man erwarten, dass sie hier getrennt erhalten werden, auch bei einer Nahelage, wo sie bei den Knochenfischen bald in eins verschmelzen. Zur Veranschaulichung ver- weise ich auf die Schemata Figur 11, 14, 15. Figur 11, welche uns schon als Schema für die Ausgangsstellung zweier Embryonal- anlagen eines Knochenfisches gedient hatte, soll jetzt eine ent- sprechende Ausgangsstellung für die Doppelbildung eines Hühn- chens darstellen. Hier erhält sich jetzt in Folge des oben her- vorgehobenen Umstandes bei der Vergrösserung der Keimscheibe ein Theil der inneren Zwischenstrecke und nur ein geringer Theil von ihr wird durch Umwandlung in Urmundrand nach links und rechts zur Verlängerung der beiden Primitivstreifen abgegeben. Diese bleiben daher (im Gegensatz zu den Teleostiern) bis zu ihrer Ablösung von dem Keimrand immer durch ein Stück Zwischenstrecke, welches die Eigenschaft des Umwachsungsrandes besitzt, getrennt. Während im Schema 12 und 13 Verschmel- zung der beiden Urmundgebiete, ist im Schema 14 und 15 dauernde Sonderung derselben durch ihre Ablösung vom Keim- scheibenrand eingetreten. Was hier aus dem Verlauf des Gastrulationsprocesses theo- retisch entwiekelt wurde, findet sich in der That durch die Be- obachtungen bestätigt, welche man über Mehrfachbildungen beim Hühnchen und anderen Vögeln und Reptilien zu machen Gelegen- heit gehabt hat. In der That zeigen bei ihnen die Mehrfach- bildungen in typischer Weise ein anderes Verhältniss, als bei den Knochenfischen. Wenn wir die Beschreibungen und Abbildungen von Dareste(ll), Panum(43), Rauber, Gerlach, Klauss- ner und Anderen näher durchsehen, so finden wir, dass sehr’ häufig innerhalb eines gemeinsamen hellen Fruchthofes zwei oder drei von einander getrennte, mehr oder minder weit entwickelte Embryonen vorkommen. Dabei sind stets die Köpfe nach dem Centrum des hellen Fruchthofes, die Schwanzenden nach dem Keimscheibenrand zu gerichtet, wie es dem schon von Rauber betonten Gesetz ihrer Entstehung nach der Fall sein muss. Die Axen der Embryonalanlagen können zu einander den verschie- densten Einstellungswinkel zeigen. Zuweilen sind sie parallel gerichtet, wenn sie dicht neben emander liegen, oder sie bilden Urmund und Spina bifida. 471 einen spitzen, öfters einen stumpfen Winkel miteinander. Endlich können sie auch so orientirt sein, dass die Axe des einen in die gerade Verlängerung des anderen fällt, die Köpfe nach dem Cen- trum, die Scehwanzenden nach Aussen gekehrt. (ÖOppositions- stellung.) Es wird von Interesse sein, die Unterschiede zwischen bei- den Wirbelthierklassen im Einzelnen noch etwas genauer zu be- stimmen und einander gegenüber zu stellen. Bei den Knochenfischen sind vollständig gesonderte Zwei- fachbildungen, die nur durch den Dottersack zusammenhängen, sehr selten, bei den Vögeln bilden sie die Majorität. Bei den Fischen bleiben die Embryonen nur dann gesondert, wenn sie sich in Oppositionsstellung, d. h. an entgegengesetzten Stel- len der Keimscheibe anlegen, denn bei jeder grösseren Annäherung kommt es früher oder später zu einer Verschmelzung ihrer hinteren Enden. Bei den Vögeln dagegen sehen wir auch bei grösserer Nähelage keine Verschmelzung eintreten, weil die Zwischen- strecke sich grösstentheils als Umwachsungsrand erhält. Die Mehrfachanlagen werden daher mit ihren Caudalenden nieht nur nicht genähert, sondern oft sogar noch weiter in divergenter Riehtung auseinander geführt. Bei den Knochenfischen sind niemals Doppelbildungen mit secundär verschmolzenem Kopfende und doppeltem getrennten Rumpf und Schwanzende beobachtet worden, bei den Vögeln entwickeln sie sich häufig, denn da die vorderen Enden der Pri- mitivstreifen nach dem Oentrum der Keimscheibe zu dicht zu- sammenliegen, sind, wieGerlach (18) bemerkt, „vorzugsweise die Bedingungen für eine Collision der Kopfenden der beiden Em- bryonen gegeben“. Vielleicht werden sogar in Folge der früh- zeitigen Ablösung des Urmundrandes vom Keimscheibenrand und ddes dadurch hervorgerufenen Wachsthums des hinteren Theils der Primitivrinne durch Intussusception, ihre vorderen Enden noch mehr als es ihrer ersten Entstehung entspricht, nach dem Centrum der Keimscheibe zusammengeschoben. „Demgemäss findet man“, wie Gerlach in seiner Zusammenfassung fortfährt, „bei den Doppelmissbildungen theils eine mehr oder minder tief- gehende Verschmelzung der beiden Köpfe, wodureh dieselben so- gar als ein äusserlich zwar einfaches, dagegen in hohem Grade missgestaltetes Gebilde erschemen können, theils aber auch nur 472 Oscar Hertwig: einen mehr oberflächlichen Zusammenhang der beiden Köpfe, . ferner der Hals- und Brustgegend. Bei den opponirt einstrahlen- den Embryonalanlagen endlich treffen im Falle einer Ver- wachsung die Köpfe direct aufeinander, woraus verschiedene Formen der Craniopagen resultiren.“ Zwischen der Verschmel- zung der Kopfenden zweier Vogelembryonen und der Bildung eines einfachen hinteren Endes beim Doppelmonstrum eines Lachses be- steht ein prineipiell wichtiger Unterschied. Dort handelt es sich um ein secundäres Zusammentreten bereits vollständig und normal angelegter Körperstrecken, hervorgerufen durch Raummangel, in Folge dessen sich die Organe bei ihrem Wachsthum gegenseitig beeinträchtigen. Hier dagegen handelt es sich um die Verschmel- zung zweier Körperhälften, die sich zu einem normal beschaffenen Körperabsehnitt ergänzen und in so fern als Gegenstücke zu eim- ander gehören. Während bei den Knochenfischen Missbildungen mit vor- derer Verdoppelung (einfacher Rumpf mit 2 Köpfen) am häufig- sten sind, treten sie bei den Vögeln gegenüber den anderen Formen an Zahl sehr zurück. Rauber bemerkt von ihnen: „Schwierigkeiten für die Erklärung bieten sonderbarer Weise gerade Beobachtungen von vorderer Divergenz, d.i. Y-förmige Doppelbildungen des Hühnchens. ‚Es ist, als ob das bei der Weiterentwieklung von Doppelanlagen der Knochenfische so stark hervortretende konjunktive Moment unter bestimmten Verhält- nissen auch bei Doppelanlagen der Vögel in stärkerem Maasse hervortreten könne, als es normal geschieht. Fälle soleher Art sind verhältnissmässig selten. Ueber ihre Beurtheilung können noch Zweifel bestehen und ist darum die Nothwendigkeit her- vorzuheben, weitere Beobachtungen dieser Art von früheren Sta- dien zu sammeln.“ Gerlach ist der Ansicht, dass diese Doppel- bildungen des Hühnchens trotz äusserer Gleichartigkeit sich nicht in derselben Weise wie bei den Knochenfischen erklären lassen und er ist dadurch veranlasst worden, der Radiationstheorie von Rauber noch eine Theorie der Bifureation zur Seite zu stellen. Nach der Erklärung von Gerlach geht im Gegen- satz zur Radiation die Bifureation in der Weise vor sich, dass „nur eine einzige Embryonalanlage in die Area pellucida ein- strahlt, welche in ihrer weiteren nach vorwärts gerichteten Aus- bildung bald früher, bald später die Medianlinie verlässt, um ga- Urmund und Spina bifida. 473 belig divergirend in zwei Schenkel auszulaufen. Jeder dieser Schenkel entspricht dem bei Beginn der Bifurcation noch nieht gebildeten Theile der Embryonalanlage, so dass dieselbe sich vor der Bifureationsstelle doppelt entwickelt, während sie hinter derselben einheitlich erscheint. Daraus ergibt sich, dass durch die Bifureation die Doppelmissbildungen mit vorderer Duplieität ins Leben treten, deren höhere Grade (Ischiopagus) ein frühzei- tigeres Eintreten der Bifureation voraussetzen, als diejenigen For- men der vorderen Verdoppelung, welche nur die Kopf- und Ge- sichtstheile betreffen (Diprosopus, Dicephalus).“ Den Bildungsmodus der Bifurcation für gewisse Doppel- missbildungen der Vögel anzunehmen und ihnen dadurch eine exceptionelle Stellung anzuweisen, liegt nun aber durchaus kein Grund vor, wenn wir die vortreffliche Darstellung Duval's (13) über die Entstehung der Primitivrinne aus der Sichelrinne berücksich- tigen. Danach legt sich bei den Vögeln ebenso wie bei den Knochenfischen der Urmundrand am Keimscheibenrand an und bildet sich durch „Conjunetion“ zur Primitivrinne um. Wenn daher zwei Gastrulaeinstülpungen sehr dieht neben einander ent- stehen, werden auch beim Hühnchen, in derselben Weise wie bei der Forelle, aus ihnen zwei Primitivrinnen hervorgehen müssen, die am vorderen Ende eine Streeke weit getrennt sind und nach hinten im eins verschmelzen, wenn die kleine sie trennende, innere Zwischenstrecke zum Urmundrand aufgebraucht ist. Bei den Vögeln setzt dieser Vorgang nur eine viel grössere Nahestellung der beiden Anlagen als bei den Knochenfischen voraus wegen der früher dargelegten, veränderten Beziehungen zwischen Urmund- und Umwachsungsrand. Endlich finden sich bei den Fischen nie Doppelmonstra mit parallel gerichteten Achsen, die in der Berührungsebene je nach dem Grade der Annäherung mehr oder minder weit verschmolzen sind. Bei den Vögeln werden solche beobachtet, und sie werden hier entstehen, wenn von Haus aus die beiden Gastrulaeinstül- pungen nur wenig weiter als in dem vorher erörterten Fall ausein- anderliegen. Die innere Zwischenstrecke muss bei diesen immer- hin seltenen Vorkommnissen eine solehe Grösse besitzen, dass sie bei der Ausbreitung der Keimscheibe und der zugleich sich vollziehenden Bildung der beiden Primitivrinnen an diese nach links und rechts nur so viel durch Umwandlung in Urmundrand 474 Oscar Hertwig: abgibt, als ihr Umwachsungsrand in dieser Zeit an Ausdehnung zunimmt. Unter diesen Bedingungen werden die sich bildenden Primitivstreifen an ihren hinteren Enden auf den verschiedenen Stadien immer gleichen Abstand bewahren bei gleich bleibender Grösse der inneren Zwischenstreeke, während sie bei den Kno- chenfischen eonvergiren müssen unter Sehwund der Zwischen- strecke. Liegen bei den Vögeln endlich die beiden Gastrula- einstülpungen noch etwas weiter als im letzten Fall auseinander, so müssen die hinteren Enden der aus ihnen entstehenden Pri- mitivrinnen divergiren, weil bei einer weiteren Vergrösserung der inneren Zwischenstrecke der Umwachsungsrand an Ausdehnung mehr zunimmt, als Urmundrand gebildet und zur Verlängerung der Primitivrinnen aufgebraucht wird. Im Anschluss an meine Gegenüberstellung der Mehrfach- bildungen von Fisch und Vogel sei noch darauf aufmerksam ge- macht, dass, wie schon von anderer Seite (Rauber, Gerlach) hervorgehoben worden ist, „durch die Radiationstheorie eine von Seiten der Teratologen vielfach discutirte Erscheinung ihre höchst einfache und natürliche Erklärung findet: nämlich die bei Doppel- missbildungen höheren Grades (vollkommenen Axenduplieitäten) sofort in die Augen fallende Thatsache, dass die beiden Com- ponenten derselben an gleichartigen Körpertheilen mit einander verbunden sind“ (Gerlach). Kopf mit Kopf, Brust mit Brust müssen bei grosser Nahestellung beider Componenten verschmelzen, weil diese vom Keimrand ausgehend in gleichem Sinne orien- tirt sind. Die Theorie, durch welche die verschiedene Beschaffenheit der Doppelmissbildungen bei Knochenfischen und bei Vögeln er- klärt worden ist, kann uns vielleicht auch weiter noch zur Er- klärung dienen, warum bei den Wirbelthieren, welche sich aus klemen, holoblastischen Eiern entwickeln, bei Öyclostomen, Am- phibien, Ganoiden, Doppelmissbildungen entweder noch gar nicht oder nur sehr selten beobachtet worden sind. Von Salamandra, bei welchem aber die Eier gerade aus- nehmend gross sind, ist ein Doppelembryo von Braun (Nr. 7) beschrieben worden. Born hatte (Nr. 6) Gelegenheit, aus einer Zucht von Rana mehrere Doppelembryonen zu sammeln, hat aber von der Anatomie derselben noch keine genaueren De- tails veröffentlicht. Berücksichtigt man indessen, wie oft Frosch- Urmund und Spina bifida. 475 laich untersucht und die künstliche Befruchtung von Froscheiern ausgeführt wird, so muss die Spärlichkeit derartiger Angaben gewiss überraschen und uns die Annahme nahe legen, dass in den genannten Thierklassen sich wahrscheinlich Mehrfachbildungen nieht so häufig wie bei den Teleostiern und Amnioten, vielleicht auch gar nicht bilden werden. Auch Rauber hat diese Er- scheinung hervorgehoben und dadurch zu erklären gesucht, dass bei den holoblastischen Eiern „der Platz für eine zweite An- lage sehr beschränkt ist und dass Eier dieser Beschaffenheit ausserordentlich wenig dazu geeignet sind, Doppelbildungen nicht sowohl anzulegen, als vielmehr zu irgend einer vorgeschrittenen Stufe der Entwieklung zu bringen“. Nach meiner Ansicht könnte die berührte Erscheinung auch hier mit der Art des Gastrulationsprocesses zusammenhängen, entweder in der Weise, dass wegen des beschränkten Raumes an der Blastula sich überhaupt nieht Einstülpungen an zwei ver- schiedenen Stellen bilden können, oder vielleicht in der Weise, dass zwei getrennte Einstülpungen zwar entstehen, aber frühzeitig unter einander in eins verschmelzen, ehe es noch zur Verwachsung der Urmundränder an zwei getrennten Stellen und dadurch zur Entstehung von zwei getrennten Medullarplatten gekommen ist. In letzterem Falle könnte man sagen, dass eine der Anlage nach im Keim vorhandene Mehrfachbildung gewissermaassen latent ge- blieben ist, weil sie nicht die Möglichkeit ihrer Entfaltung ge- funden hat. h Es lässt sich vielleicht hoffen, dass durch Untersuchung von Froscheiern auf früheren Stadien der Entwicklung, als sie dieser Arbeit zum Ausgangspunkt gedient haben, eine Antwort auf die aufgeworfene Frage zu erhalten sein wird. Auch wäre daran zu denken, dass die von mir als Hemmungsmissbildungen beschriebenen Froscheier vielleicht in ihren extremen Formen zu Mehrfachmissbildungen in einer ursächlichen Beziehung stehen und durch gleiche Bedingungen hervorgerufen worden sind. Eine derartige Vermuthung lässt sich nieht ganz von der Hand weisen, zumal wenn man eine Beobachtung von Rauber beachtet. Danach „treten bei Vorhandensein zweier vorderer Embryonalanlagen leicht Hemmungen für den unmittelbaren, wei- teren Anschluss der äusseren Zwischenstrecke zur Bildung eines gemeinsamen Körpertheils ein. Zu einer vorderen Verdoppelung 476 Oscar Hertwig: gesellt sich dann die Rückenspalte im Bereich des gemeinsamen ein- fachen Körperabschnitts“. Ueber diese und andere Fragen werden wir aber erst Klar- heit gewinnen können, wenn wir zuvor wissen, welche tieferen Ursachen im Ei wirksam sein müssen, wenn statt einer normalen einfachen sich mehrere getrennte Gastrulaeinstülpungen oder aus einer einfachen Eizelle zwei Embryonen entwickeln sollen. d. Unter welchen Bedingungen können aus einer einfachen Eizelle mehrfache Anlagen hervorgehen? Die in? vorigen Capitel aufgeworfene und diesem Capitel zur Ueberschrift dienende Frage drängt’ sich einem Jeden natur- gemäss auf, der sich mit dem Studium der Mehrfachbildungen eingehender beschäftigt hat. An Hypothesen, welche uns den Vorgang verständlicher machen sollen, hat es in der Literatur nicht gefehlt, auch Versuche sind häufig angestellt worden, um auf experimentellem Wege, namentlich durch mechanische Ver- letzungen (Spaltung der Embryonalanlage) oder durch andere Eingriffe Missbildungen künstlich zu erzeugen. Wer sich hierüber näher orientiren will, sei auf die geschichtlichen Darstellungen von Rauber und von Gerlach hingewiesen. Mir liegt jetzt daran zu zeigen, wie nach unseren gegenwärtigen Erfahrungen die Antwort auf die Frage ausfallen würde. Mir scheinen verschiedene Wege möglich zu sein, auf denen die ursprünglich einfache Anlage einer Eizelle auf zwei oder drei vermehrt werden kann. Ein solcher Weg ist die Son- derung der Theilprodukte eines Eies in mehrere, sich in ihrer Entwieklung nieht mehr gegenseitig beeinflussende Theile. Nach der von mir m zwei Schriften (Nr. 22) näher ausge- führten Vererbungstheorie erhält jedes Theilstück der Eizelle dureh den Kerntheilungsprocess nach Quantität und Qualität sleichviel Erbmasse in ihrem Kern. Durch den Besitz dieser Erbmasse trägt es die Möglichkeit in sich, unter geeigneten Be- dingungen aus sich das Ganze zu reprodueiren. Ich freue mich für diese Auffassung ein neues, wichtiges Argument in den inter- essanten Experimenten von Driesch und Chabry erhalten zu haben. Urmund und Spina bifida. 477 Driesch (Nr. 12) hat Seeigeleier, nachdem sie sich eben zum ersten Mal getheilt haben, nach einem von mir schon für andere Zwecke benutzten Verfahren geschüttelt und so in vielen Fällen die beiden ersten Furchungszellen von einander isolirt und für sich getrennt weiter gezüchtet. In 30 Fällen erhielt er auf diesem Wege 30 normale Blastulae von halber Grösse und in 15 Fällen am Ende des zweiten Tages kleine Gastrulae, von denen drei sich noch zu richtigen Plutei weiter entwickelten. Hiermit hat Drieseh die wichtige, mit meiner Auffassung or- ganischer Bildung in Harmonie stehende Thatsache festgestellt, dass „eine isolirte Furchungszelle sich, wenn sie überhaupt lebt, stets zueinem Gebilde entwickelt das sieh nur durch seine Grösse vom normalen, unterscheidet“, dass sie aus sich keine Halbbildung im Sinne Roux’s, sondern wieder „ein ganzes Individuum halber Grösse, eine Theilbildung‘“ erzeugt. Zuweilen war durch das energische Schütteln die Eihaut nicht zerrissen, sondern „nur stark gedehnt und der sonst im Zweistadium ziemlich enge Kon- takt der Furchungszellen gelockert worden“. Die Folge war, dass sich in mehreren Fällen in einer Eihülle zwei kleine Bla- stulae und zwei kleine Gastrulae entwickelten. Die beiden aus einem Ei durch Theilung entstandenen Furchungszellen hatten daher Zwillinge geliefert, die. meist von einander ganz getrennt waren, aber in emem Fall in bleibender Verbindung standen. Wenn es möglich wäre, bei einem in zwei Halbkugeln ge- theilten Froschei die eine derselben ohne jede Beschädigung der anderen vollständig zu entfernen, so müsste sich aus der Theil- hälfte eine vollständige, normale, nur etwas kleinere Froschlarve züchten lassen. Die Theilhälfte würde sich, nachdem sie sich weiter ‚gefurcht hätte, zu einer normalen Keimblase, einer nor- malen Gastrula ete. in derselben Weise wie das ganze Ei, um- bilden und würde nur an Grösse redueirt sein, wie es durch die Halbirung der entwicklungsfähigen Substanz nothwendig geworden ist. Wenn es ferner möglich wäre, zwischen die beiden ersten Furchungszellen eines Froscheies in ihrer Berührungsebene einen Isolator dazwischen zu schieben, der jede Beziehung zwischen ihnen aufhebt, so müsste sich aus jeder Hälfte, einzig und allein in Folge ihrer Isolirung, ein ganzer normaler Embryo bilden, Aus dem Ei würden Zwillinge hervorgehen. 478 Oscar Hertwig: Mit diesen Folgerungen scheinen nun wenig die Resultate zu harmoniren, zu denen Roux (Nr. 61) in seinem Aufsatz „über die künstliche Hervorbringung halber Embryonen durch Zerstö- rung einer der beiden ersten Furchungskugeln“ gelangt ist. Roux hat selbst seine wesentlichsten Ergebnisse kurz dahin resümirt: „Nach Zerstörung einer der beiden ersten Furchungs- zellen vermag die andere sich auf dem normalen Wege zu einem im Wesentlichen normalen halben Embryo zu entwickeln. Auf diese Weise erhielten wir Hemiembryones laterales und anteriores nebst den entsprechenden Vorstufen der Semiblastula und Semi- gastrula. Auch wurden Dreiviertelembryonen mit Fehlen einer seitlichen Kopthälfte durch Anstechen des Eies nach der zweiten Furchung gewonnen.“ Schon Driesch hat den Gegensatz zwischen seinen und den von Roux erhaltenen Ergebnissen betont. Ich glaube nun nicht, dass dieser Gegensatz wirklich auf einem verschiedenen Verhalten der Furchungszellen eines Echinoderms und des Frosches beruht, sondern mit Mängeln zusammenhängt, die den Roux’- schen Experimenten anhaften. Roux hat durch seine Anstechversuche die verletzten Furchungszellen gar nicht aus dem Entwicklungsprocess voll- ständig ausgeschieden; er hat sie nur mehr oder minder in ihrer Entwicklung geschädigt und gehemmt; diesen Umstand hat übri- gens Roux schon selbst bei seinen Experimenten störend empfunden. Anfangs hat er die Eier nur angestochen, wobei Extraovata entstanden; dieses Verfahren wurde aber bald aufge- geben, da selbst bei mehrfachem Anstechen mit einfachen, feinen Nadeln und trotz der so hervorgerufenen grossen Extraovata sich die Zellen normal entwickelten. Es wurde daher die Nadel vor dem Einstechen heiss gemacht, wodurch bessere Resultate erzielt wurden; aber diese waren auch jetzt noch der Art, „dass bei etwa 20°/, der operirten Eier bloss die unversehrte Zelle den Eingriff überlebte, während die Mehrzahl ganz zu Grunde ging und einige wenige, bei denen wohl die Nadel schon zu kalt ge- wesen war, sich normal entwickelten.“ Ferner operirte Roux mit grossen Massen „nicht isolirter, sondern in Ballen bei- sammen liegender Eier nach Bildung der ersten Furche, um da- von nach einigen Stunden oder am anderen Tage diejenigen Urmund und Spina bifida. 479 auszulesen und gesondert aufzustellen, bei welchen sich die ope- rirte Furchungskugel nicht gefurcht hatte“. Roux hat daher, wie ich die Sache beurtheile, bei seinen Versuchen gar keine Halbblastula, Halbgastrula, oder einen Halb- embryo erhalten, sondern eine ganze Blastula, eine ganze Gastrula, einen ganzen Embryo, die allerdings in Folge der ihnen zuge- fügten Schädigung aus einem normal und einem anormal ent- wickelten Theil bestanden. An einigen der von Roux abge- bildeten Durchschnitte war die Dottermasse nieht in Zellen ab- getheilt, aber dass sie nicht als todter Theil aus der Entwicklung eliminirt war, lässt sich schon daraus schliessen, dass sie von zahlreichen Kernen durchsetzt war, um welche sich sogar Strah- lung des Protoplasma gebildet hatte. Roux ist geneigt, die Kerne von dem Furchungskern der operirten Furchungskugel herzuleiten, welcher daher durch den Eingriff nieht abgetödtet gewesen sein kann. Durch die Anstechversuche von Roux sehe ich also nur das eine bewiesen, dass bei dem ungestörten Verlauf der Ent- wicklung das Zellenmaterial der einen Körperseite hauptsächlich von einer der beiden ersten Furchungszellen abstammt. In Folge der Continuität der Entwicklung muss ja natürlicher Weise jede ältere Zellengruppe sich auf eine vorausgegangene Jüngere Gruppe und so schliesslich bestimmte Körpertheile auf bestimmte Fur- chungszellen zurückführen lassen. Dagegen finde ich durch die Roux’schen Versuche nicht den Cardinalpunkt bewiesen, dass sich aus der linken Furchungszelle nichts anderes als die linke Körperhälfte unter allen Umständen entwickeln müsse, weil sie nur für diese die differenzirenden und gestaltenden Kräfte enthielte. Der Differenzpunkt ist von ausserordentlicher Tragweite für die Beurtheilung des organischen Entwicklungsprocesses: Nach Roux sind die Entwieklungsvorgänge „nicht als eine Folge der Zusammenwirkung aller Theile oder auch nur aller Kerntheile des Eies zu betrachten, sondern an die Stelle soleher differenzi- renden Wechselwirkungen auf einander tritt die Selbstdifferenzi- rung der ersten Furchungszellen und des Complexes ihrer Deri- vate zu einem bestimmten Stück des Embryo“. Jede der beiden ersten Furchungskugeln „enthält also nicht nur das Bildungsmaterial zu dem entsprechenden Stück des Embryo, sondern auch die differenzirenden und gestaltenden Kräfte“. „Die Furchung 480 Oscar Hertwig: scheidet den die direete Entwieklung des Individuums vollziehen- den Theil des Keimmaterials, insbesondere des Kernmaterials qualitativ und bestimmt mit der dabei stattfindenden Anordnung dieser verschiedenen, gesonderten Materialien zugleich die Lage der späteren differenzirten Organe des Embryo.“ „Es vollzieht sich“, bemerkt Roux, „die Gastrulation im jeder Antimere selbst- ständig und das Gleiche ist auch in der eaudalen und cephalen Hälfte der Fall. Demnach gilt es auch für die betreffenden Viertel, und wir können mit Berücksichtigung der beobachteten Weiterentwicklung dieser Viertel schliessen: die Entwicklung der Froschgastrula und des zunächst daraus hervorgehenden Embryo ist von der zweiten Furechung an eine Mosaikarbeit und zwar aus mindestens vier vertikalen, sich selbständig . entwickelnden Stücken.“ Diesen Thesen muss ich die Antithesen gegenüberstellen: 1) Die Entwicklung emes Organismus ist keine Mosaikarbeit; 2) die Theile eines Organismus entwickeln sich in Beziehung zu einander oder die Entwicklung eines Theiles ist abhängig von der Entwicklung des Ganzen. Worauf diese Thesen und Antithesen schliesslich hinaus- laufen, wird der Leser am besten ersehen, wenn wir uns, wie schon oben bemerkt wurde, die beiden ersten Furchungszellen des Froscheies in der Theilungsebene durch einen Isolator ge- trennt denken. Da kein schädigender Eingriff stattgefunden hat, abgesehen von der Aufhebung der Wechselbeziehungen, so muss die Entwicklung zu beiden Seiten des Isolators weiter vor sich gehen. Nach Roux würden wir aus der linken und rechten Furchungszelle, da jede nur die differenzirenden und gestaltenden Kräfte für die linke und rechte Körperseite des Embryo enthält und differenzirende Wechselwirkungen überhaupt in Abrede ge- stellt werden, zuerst eine linke und rechte Blastulahälfte, aus jeder wieder eine dementsprechende Gastrula und schliesslich zwei vollständige Körperhälften entstehen, die, wenn sie nicht in der Medianebene von einander durch den Isolator getrennt wären, sich zusammen zu einem Normalembryo ergänzen würden. Nach meiner Auffassung, und das ist wohl auch die Auffassung, zu welcher Driesch auf Grund seiner Experimente hingeführt sein wird, wandelt sich jede der beiden Furchungszellen in einen Zellhaufen um, aus dem weiter eine vollständige Blastula, eine Urmund und Spina bifida. 481 vollständige Gastrula, ein vollständiger Embryo nur von geringerer srösse hervorgeht. Nach meiner Auffassung enthält daher jede der beiden ersten Furchungszellen nicht nur die differenzirenden und gestaltenden Kräfte für eine Körperhälfte, sondern für den ganzen Organismus und nur dadurch entwickelt steh normaler Weise die linke Furchungszelle zur linken Körperhälfte, dass sie zu einer rechten Furehungszelle in Beziehung gesetzt ist. Ich erwähnte oben als Stütze für meine Auffassung neben Driesch auch die Experimente des französischen Forschers Chabry (Nr.10). In der Theorie steht dieser Forscher auf dem Standpunkte von Roux. Er nimmt für die Aseidien und für Thiere, deren Furchungszellen frühzeitig differenzirt sind, an, „que chaque blastomere contient en puissance certaines parties dont sa mort entraine la perte irr&mediable et que les diffe- rentes parties del’animal sont preforme&es dans les differentes parties de l’oeuf“. Seine Experimente scheinen mir aber gerade das Gegentheil davon zu beweisen. Mit Hülfe besonders erfundener, sinnreicher Instrumente hat Chabry (1887) einzelne Furchungszellen von Ascidiella aspersa durch Anstechen mit feinsten Glasnadeln zerstört. Zerstörte er nun von den beiden ersten Furchungszellen die linke, welche das Material für die linke Körperhälfte enthalten sollte, so züchtete er in mehreren Fällen aus der rechten unversehrten Furchungs- zelle eine Larve, dont la queue avait la forme, la longueur et la structure habituelle. Les trois feuillets du blastoderme etaient distinets et le systeme nerveux represente par une tache pigmen- taire a grains fins situge A la base de la queue dans la con- cavite de son point d’attache au trone. En avant il existait une papille de fixation.“ Wurde die rechte Furchungskugel zer- stört, so erzeugte Chabry, wie er sich ausdrückt: linke Halb- individuen, von denen er bemerkt: „Is peuvent presenter les mö&mes organes que les demi-individus droits A l’exception sans doute de l'otolithe.*“ Das Resultat war dasselbe, wenn auf dem II. Furchungsstadium die zwei rechten oder die zwei linken Zellen zerstört wurden. Chabry bildet eine so erhaltene Larve ab mit dem Bemerken: Malgr& sa ressemblance frappante avee une larve ordinaire, elle n’est pourtant que la moitie d’une larve. Archiv für mikrosk, Anat. Bd. 39 32 482 Oscar Hertwig: La forme generale est assez bonne, le trone et la queue sont distinets.“ Auch bei Zerstörung der nach vorn oder der nach hinten gelegenen zwei Zellen oder nur von einer derselben konn- ten Larven gezüchtet werden. Chabry legt im Sinne seiner Theorie ein Gewicht auf den Umstand, dass bei Zerstörung gewisser Zellen sich kein Otolith und nur 1 Haftpapille vorgefunden habe. Das sind aber doch sehr untergeordnete Momente, wenn man bedenkt, dass sich alle drei Keimblätter, Chorda, Muskeln, Nervenanlage, Darmkanal ete. im Ganzen der Norm entsprechend entwickelt haben. ‚Und wahr- scheinlich würden auch noch der Otolith und die Haftpapillen entstanden sein, wenn die so vielen schädigenden Manipulationen (öftere Untersuchung) ausgesetzten Larven nicht so früh zu Grunde gegangen wären. Bilden sich doch bei Aseidien sogar Ocellen in der Umgebung von künstlich erzeugten Oeffnungen ihres Pe- rithoracalraums (Loeb 39). Am Schluss seines Aufsatzes mässigt denn auch Chabry selbst die volle Strenge seiner Auffassung, dass die Organe in einzelnen Furchungszellen präformirt seien, durch den Satz, den man als ein halbes Zugeständniss meiner Auffassung betrachten kann: „I m’a paru en effet que, par la mort d’une cellule, la puissance des survivantes &tait changee et qu’elles donnaient alors naissance A des parties que sans cela elles nauraient pas produites.“ Die ausgezeichneten Experimente von Chabry haben in meinen Augen ein sehr wichtiges Ergebniss zu Tage gefördert, das schon Driesch in folgende Sätze zusammengefasst hat. „Aus der nieht operirten Furchungszelle entwickelt sich nicht ein halber rechter oder linker Embryo, sondern stets ein ganzer von halber Grösse, dem allerdings gewisse Organe von minderer Bedeutung (Otolith, ein Haftorgan) fehlen. Die speciellen Aus- führungen und Bilder von Chabry machen dies sicher: das Resultat ist also demjenigen Roux’s im Wesentlichen entgegen- gesetzt.“ Die hier vertretene Auffassung der organischen Entwick- lung harmonirt mit den Experimenten der Botaniker und mit den in ähnlicher Weise auf thierische Objeete ausgedehnten, ergeb- nissreichen Versuchen von Loeb (Nr. 39). Der an erster Stelle besprochene Weg, auf welchem Mehr- I , = A Pa. Urmund und Spina bifida. 483 fachbildungen aus einem einfachen Ei ihren Ursprung nehmen können, scheint mir im natürlichen Verlauf der Dinge der Regel nach nieht eingeschlagen zu werden.” Durch mechanische Ein- wirkung das Ei in zwei entwicklungsfähige Theile zu zerlegen ist kein einfaches Beginnen. Auch lehrt die direete Beobachtung bei den Knochenfischen, dass sieh die mehrfachen Anlagen aus einer einheitlichen Keimscheibe hervorbilden. „Sämmtliche Fischeier, die Mehrfachbildungen auf dem Neurulastadium beher- bergten, waren nicht grösser als gewöhnliche und unterschieden sich, abgesehen von der Mehrfachbildung selbst, in nichts ande- rem von den gewöhnlichen, mit Einfachbildung versehenen.“ Daraus schliesst Rauber: „Der Keim einer späteren Mehrfach- bildung muss den mehrfachen Kräfteplan, dessen Vollzug die In- dividualität bedingt, entweder schon vor der Befruchtung be- sitzen, was das Wahrscheinlichere, oder er muss ihn durch die Wirkung des Samens auf das Ei erhalten.“ Auch ich glaube, dass essich um Ursachen handelt, die sehor vor dem Furehungsprocess auf dasEi eingewirkt haben müssen, und unter den hierin Frage kommenden Ursachen halte ich Anomalien des Befruchtungs- processes(Polyspermie oder Ueberfruchtung) für die wahrscheinlichsten. Wie von mir (Nr. 21,27) und F ol (Nr. 16, 17) bei Eehinoder- men zuerst festgestellt wurde, wird unter normalen Bedingungen das Ei von einem einzigen Samenfaden befruchtet, während in Eier, die in irgend einer Weise gelitten haben, mehr oder minder zahl- reiche Samenfäden eindringen. Nur einfach befruchtete Eier entwickeln sich normal, alle anderen zeigen Störungen des Fur- chungsprocesses und wurden daher schon in meiner ersten Arbeit als pathologische bezeichnet. Fol hat die Entwicklung der- selben weiter verfolgt und gefunden, dass aus ihnen Keimblasen hervorgehen, an denen sich mehrere Einstülpungen bilden. Er nannte sie daher Polygastrees, konnte sie aber über das ange- deutete Stadium hinaus nicht länger am Leben erhalten. Er knüpfte an sie die Hypothese, dass aus mehrfach befruchteten Eiern Doppel- oder Mehrfachbildungen hervorzugehen scheinen. Einige Jahre später ist Fol in einer kurzen Mittheilung in dem Genfer Archiv noch einmal auf seine Hypothese zurück- gekommen. Er hat die Eier von Seeigeln dadurch, dass er sie 484 Oscar Hertwig: in eine Kohlensäureatmosphäre brachte, vorübergehend gelähmt “ und darauf bei Zusatz von Samen Ueberfruchtung hervorgerufen. Er gibt an, auf diese Weise Larven, die Doppel- und Mehrfach- missbildungen (Polygastr6es) darstellen, erhalten zu haben. Seine ursprüngliche Hypothese modifieirt er in sofern, als er zugibt, dass manchmal die Einführung von zwei Spermatozoen kein ano- males Phänomen hervorruft. Dagegen glaubt er, dass mit der Zahl 3 die Grenze erreicht ist, welche von einem Ei nicht ungestraft überschritten werden kann. „Le fait a une importance theorique incontestable* bemerkt Fol hierzu, „puisqu'il montre que le spermatozoaire ne represente pas par Iui m&me une individualite, mais seulement une certaine dose de substance nucl&aire, posse- dant sans doute des proprietes speciales.“ „La question de lorigine de Yindividualite n’est pas absolument liee & la dose ni & la provenance de Ja substance du noyau. Le nombre des individualitös qui prendront naissance dans un oeuf normal, ne peut se reconnaitre qu’au nombre des amphiasters qui se mon- trent lors de la premiere caryokinese.“ Bei kurzer Asphyxie der Eier dringen nach Fol drei bis vier Samenfäden in ein Ei ein und liefern Larven, welche sehr häufig Doppelbildungen darstellen; bei länger dauernder Asphyxie erfolgt Ueberfruchtung durch 5—10 Samenfäden. Wenn Weiter- entwieklung eintritt (was nicht immer der Fall ist), entstehen häufig Vielfachbildungen (monstres polygastrees). Mein Bruder und ich haben, unabhängig von Fol, durch chemische Stoffe (namentlich Narcotiea), durch mechanische Er- schütterung, durch Wärme und Kälte Eizellen von Echinodermen gelähmt und bei Samenzusatz geringere und höhere Grade von Ueberfruchtung hervorgerufen. Die dadurch bedingten Entwick- lungsprocesse haben wir eingehend verfolgt, die höchst sonder- baren Kerntheilungsfiguren, die Knospenfurchung ete., worüber die Originalarbeiten (Nr. 27) nachzusehen sind. Ueber das Ver- hältniss zur Entstehung von Mehrfachbildungen konnten wir uns aber an dem Untersuchungsmaterial keine Gewissheit verschaffen. Es ergab sich zwar die wichtige Thatsache, dass mehrfach überfruchtete Eier, trotzdem sie auf dem Wege der Knospenfurehung sich in ganz irregulärer Weise in einen Haufen von Zellen getheilt hatten, doch schliesslich im Ganzen normale Keimblasen lieferten, die sich vermöge ihrer Flimmerung rotirend "im Wasser fort- Urmund und Spina bifida. 485 bewegten. Häufig aber entwickelten sich viele über dieses Sta- dium nicht weiter, trotzdem sie noch eimige Tage am Leben blieben, eine Erscheinung, die sehr gewöhnlich auch bei Bastard- befruchtung vorkommt. Es haben also offenbar die Eier, sei es als Nachwirkung der schädigenden Eingriffe, sei es durch den Act der Ueberfruchtung selbst, an Lebenskraft verloren. Ueber die Hypothese von Fol haben wir uns in der oben erwähnten Arbeit auf Grund unserer Erfahrungen folgendermaassen ge- äussert: „Während unseres Meeraufenthalts haben wir der Frage nach der Entstehung von Mehrfachbildungen ganz besondere Auf- merksamkeit gewidmet. Wir haben Tausende von Larven aus überfruchteten Eiern gezüchtet und auf dem Gastrula- und Plu- teusstadium untersucht, da voraussichtlich um diese Zeit Zwil- lingsbildungen am besten hätten erkannt werden müssen. Allein unsere Ausbeute war eine ganz verschwindende; wir haben einige wenige Larven mit doppelter Gastrulaeinstülpung und einige wenige Plutei mit doppelter Spitze aufgefunden. Die geringe, höchstens ungefähr zehn betragende Zahl von Doppelgastrulae steht in gar keinem Verhältniss zu den Tausenden von einfachen Gastrulae, welche wir aus überfruchteten Eiern gezüchtet haben, so dass man sie keineswegs als Beweise für die Ansicht, dass Doppelbefruchtung Doppelmissbildungen verursacht, ausnutzen kann. Immerhin möchten wir auch nicht die Theorie dadurch für widerlegt halten.“ Das Letztere ist auch jetzt noch mein Standpunkt. Ob- wohl meine diesmaligen Experimente an Froscheiern gleichfalls zu keinen positiven Ergebnissen geführt haben, möchte ich doch rathen, auf dem vorgezeichneten Wege die Lösung noch weiter zu suchen. Eines freilich können wir schon jetzt mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, dass ein unmittelbarer direeter Zusammen- hang zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung nicht be- steht. Es ist -nicht mehr daran zu denken, dass zwei Samen- fäden dureh ihr Eindringen eine Doppelbildung, drei Samenfäden eine Dreifachbildung verursachen. Gibt doch auch Fol zu, dass bei Echinodermen, wie schon Selenka betont hatte, die Ein- führung von 2 Spermakernen kein anormales Phänomen hervor- ruft. Und mein Bruder und ich haben normale Gastrulae und Plutei aus Eiern erhalten, von denen dem Mengenverhältniss 486 Oscar Hertwig: nach zu urtheilen ein grosser Theil aus überfruchteten Eiern :seinen Ursprung genommen haben muss (Einzeleulturen über- fruchteter Eier waren nicht ausgeführt worden). Auch jetzt habe ich gefunden, dass Froscheier, die ganz unregelmässige Furehung zeigten und daher nach dem allgemeinen Stand unserer Erfahrungen mehrfach befruchtet gewesen sein müssen, in ein- zelnen Fällen, in denen sie isolirt worden waren, normale Larven lieferten. Wie aus einem Minus der normalen Sub- stanzmenge (aus Eifragmenten oder isolirten Fur- ehungskugeln), so lassen sich auch aus einem Plus — einem Ei und mehreren Spermatozoen — normale Individuen gewinnen. Wir können so- mit einer Theil- eine Veberschussentwicklung)) gegenüberstellen. Wenn zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung nun auch kein direeter Zusammenhang nachweisbar ist, so könnte ein soleher doch auf indireetem Wege bestehen. Wir müssen näm- lich einen wichtigen Punkt nicht übersehen. Jedes normal be- fruchtete Ei stellt — um mich eines Ausdrucks von Chabry zu bedienen — „ein im Gleichgewicht befindliches, organisches Sy- stem dar, bei welchem es unmöglieh ist die Lage oder Form eines seiner Theile zu stören, ohne dass die anderen spontan und unmittelbar einen anderen Gleichgewichtszustand annähmen“ (pag. 147). Entfernung sowohl als auch Hinzufügung eines gleich organisirten Theils wird unter allen Umständen als Eingriff in das System eine Störung hervorrufen und es werden regulatorische Vorgänge Platz greifen müssen, damit sich trotzdem die Entwick- lung der Norm nähert. Wenn Störungen im System nicht aus- geglichen sind, so werden sie sich im ersten Fall vornämlich in Defeeten äussern: Künstliche Theilbildungen werden leicht, wie dies auch aus den Experimenten von Chabry hervorgeht, an dieser oder jener Stelle irgend einen Mangel aufweisen. Sollte 1) Es scheint mir sogar der Fall nicht undenkbar und gewisser- maassen nur ein Gegenstück zu der selbständigen Entwicklung einer Eihälfte zu sein, dass zwei eben befruchtete Eier, wenn sie aus ihren Hüllen befreit nach Art der ersten Furchungshalbkugeln zusammen- gefügt und mit einer gemeinsamen Hülle umgeben werden könnten, sich nach Art einer getheilten Furchungskugel weiter verhalten und zusammen zu einem einfachen Embryo entwickeln würden. Urmund und Spina bifida. 487 bei der Ueberschussentwicklung nicht auch unter besonderen Be- dingungen das Entgegengesetzte eintreten ? Das Eindringen von zwei und mehr Samenfäden bedingt immer eine sehr erhebliche Störung im Entwicklungsprocess des Eies. Verbinden sich bei Eehinodermen zwei Samenkerne mit dem Eikern, so entsteht ein Tetraster und anstatt sich zu zweitheilen, schnürt sich das Ei etwa zu derselben Zeit gleich in vier Zellen ab. Beim Eindringen von drei und mehr Samenfäden erscheinen die complieirtesten Kemtheilungsfiguren!) und das Ei zerfällt auf dem Wege einer ganz unregelmässigen Knospenfurchung in eine grössere Zahl von Theilstücken, die sich weiterhin auf dem Wege der Zweitheilung vermehren. Wenn der Protoplasmakörper des Eies nicht schon vor der Befruchtung in semer Lebensfähigkeit zu sehr geschädigt war, bildet sich ein Haufen kleiner Zellen, und diese ordnen sich, indem sie Cylindergestalt annehmen, zu einer Keimblase an, der man nicht mehr ansehen kann, ob sie von einem einfach oder mehrfach befruchteten Ei abstammt. Ob eine Mehrfachbildung entsteht oder nicht, lässt sich erst auf dem Gastrulastadium entscheiden, indem statt einer zwei oder mehrere Einstülpungen wahrnehmbar werden. Wir können daher sagen: Die duch; Beberfruchtung hervorgerufene, Sto- rung, nachdem sieim Keimblasenstadium für uns latent geworden war, findet einen Ausdruck erst wiederin der Abänderung des Gastrulationspro- Gesses. Für Echinodermeneier gibt Fol an, häufiger zwei Gastrula- einstülpungen beobachtet zu haben; uns ist es nur in einigen wenigen Ausnahmefällen gelungen. Nach diesen und anderen Erfahrungen will es mir scheinen, als ob kleine, «dotterarme Eier sich zur Production von Mehrfachbildungen eben wegen ihrer Kleinheit überhaupt wenig eignen, weil an der Blasenoberfläche wenig Raum für mehrfache Einstülpungen gegeben ist und die Entstehung einer Einstülpung schon ein Verhinderungsgrund für 1) Nebenbei will ich bemerken, dass in der Anzahl der Chro- mosomen, welche den Tochterkernen zugetheilt werden, sehr variabele Verhältnisse Platz greifen müssen, worauf in zukünftigen Unter- suchungen einmal an günstigen Objeeten ein besonderes Augenmerk wird zu richten sein, ebenso darauf, ob in irgend einer Weise noch eine Regulirung der Zahlenverhältnisse nachträglich bewirkt wird. 488 . Osear Hertwig: die Entstehung weiterer sein könnte. Auf dieses Moment hat schon Rauber in einer etwas anderen Form hingewiesen. Da- her bieten Asteracanthioneier, die grösser sind als Seeigeleier und mehr Deutoplasma besitzen, was ich gleichfalls nicht für un- wesentlich halte, vielleicht schon günstigere Bedingungen dar, wie denn Fol an diesem Object zuerst auf das Auftreten mehrerer Gastrulaeinstülpungen aufmerksam geworden ist. Die Grösse und der Dotterreicehthum der Eier scheint mir in folgender Weise in die Wagschale zu fallen. Nehmen wir die meroblastischen Eier der Fische und Vögel, an denen ja bis jetzt die Mehrfachbildung am häufigsten wahrgenommen worden ist. Bei Mehrfachbefruchtung würden sich viele Kernfiguren in der Keimscheibe bilden, welche dadurch rascher in Zellen zer- lest würde. Da Keme in ihrer Umgebung das Protoplasma an- sammeln, so würden hierdurch vielleicht auch die protoplama- tischen Theile mehr noch als es schon normaler Weise geschieht, aus dem Nahrungsdotter nach der Keimscheibe gezogen werden. Diese würde daher nicht nur rascher zerklüftet, sondern zugleich auch reicher an entwicklungsfähiger Substanz und so zur Production von zwei oder drei Einstülpungen veranlasst werden. Die mehr- fache Gastrulation gibt aber, wie wir gesehen haben, den mit Sicherheit nachgewiesenen Ausgangspunkt für die typischen Mehr- fachbildungen der Wirbelthiere ab. Die Frage nach der Wirkungsweise der Ueberfruchtung wird endlich noch durch ein weiteres Moment complieirt. Jedes gesunde Ei hat ein wunderbar eingerichtetes, regulatorisches Ver- mögen, durch welches Ueberfruchtung verhütet wird. Dasselbe beruht in einer grossen Reizbarkeit, welche unmittelbar contraetile und seeretorische Vorgänge zur Folge hat. Auf den durch die Berührung mit dem Kopf eines adäquaten Samenfadens hervor- serufenen Reiz antwortet die Eizelle durch Abscheidung einer Membran und Auspressen einer geringen Menge von Liquor peri- vitellinus, wodurch das Eimdringen eines weiteren Samenfadens unmöglich gemacht ist. Der ganze Mechanismus arbeitet so prompt, dass künstlich befruchtete Eier wirbelloser Thiere, auch wenn ihre Oberfläche bei Vermischung mit viel Samenflüssigkeit alsbald von vielen Samenfäden bedeckt ist, doch nur das Ein- dringen eines einzigen gestatten. Ueberfruchtung setzt daher für gewöhnlich einen geringeren Grad der Reizbarkeit der Eizellen, Urmund und Spina bifida. 489 einen langsameren Verlauf der Abscheidung einer Membran, über- haupt eine Störung des regulatorischen Mechanismus voraus; diese aber wird immer die Folge einer geringeren oder grösseren Sehädigung sein, welche das Ei vor der Befruchtung erfahren hat. In Folge dessen werden zu den durch die Ueberfruchtung an sich verursachten Abände- rungen der Normalentwicklung noch die Störungen hinzukommen müssen, welehe mit der von Anfang an vorhandenen Schädigung des Protoplasma- körpers der Eizelle zusammenhängen. Ein Zeichen einer derartigen Störung erbliecke ich an über- fruchteten Echmodermeneiern darin, dass aus dem Eiinhalt glän- zende Kügelchen, gewissermaassen abgestorbene und unnütz ge- wordene Theile, in die Höhle der Keimblase ausgeschieden werden (Stereoblastulae). Viel tief greifendere Veränderungen liessen sich an überfruchteten Froscheiern beobachten (Taf. XX, Fig. 21 bis 27). Manchmal war nur die animale Hälfte des Eies in den Entwicklungsprocess eingetreten (Fig. 21, 22), während die vege- tative Hälfte, da sie eme geringere Quantität Protoplasma ent- hält, nicht in Zellen abgetheilt ist und Merkmale des Zerfalls an sich trägt (Vacuolisirung ete.).. Doch kommen in ihr Kerne und sogar einzelne, isolirt oder in Gruppen zusammenliegende Zellen (Z!) vor. Derartige Befunde können doch nur so gedeutet werden, dass sich’ in dem geschädigten Ei’'in Folge’ der Befruchtung die lebensfähigen und die dem Ab- sterben anheim fallenden Substanzen von einander sondern, was in den auf Tafel XX abgebildeten Präparaten in sehr verschiedener Weise durchgeführt ist. In einem Ei (Fig. 23) haben sich nur in der Rinde des animalen Poles Inseln kleiner pigmentirter, in ein bis zwei Lagen ausgebreiteter Zellen (Z?) auf der vacuolisirten Dottermasse gebildet, in einem andern Fall (Fig. 21) ist eine Blastula entstanden, bei welcher nur die animale Hälfte aus Zellen, «die vegetative aus theilweise abge- storbener Dottermasse besteht. Und in einigen anderen Fällen (Fig. 24, 26, 27) sehen wir, dass die lebendige Substanz, die sich vom nicht entwicklungsfähigen Rest des Eies abgetrennt hat und oft nur die Hälfte oder nur ein Drittel des Ganzen beträgt, sogar sich zur Gastrula einstülpt, sogar eine Nervenplatte (Fig. 26, 27 np) und Chorda entwickelt. So sind Theilbildungen entstanden, 490 OiscarHertwig: die in mancher Beziehung mit den Theilbildungen übereinstimmen, - die Roux durch vollständige oder partielle Zerstörung einer der beiden ersten Furchungskugeln hervorgerufen hat. In dieselbe Reihe von Erscheinungen rechne ich Befunde, die uns Chabry (Nr. 10) von monströsen Larven von Aseidiella aspersa mittheilt. Er gibt an, im Herbst gegen Ende der Laich- periode und ebenso auch von Individuen, die sich längere Zeit in Gefangenschaft befunden hatten, Eier erhalten zu haben, die fast ausschliesslich monströse Larven hervorbrachten. Es zeigte sich dies schon früh an Unregelmässigkeiten des Furchungspro- cesses. Abbildungen, die Chabry hiervon gegeben hat, stimmen mit dem überein, was ich bei Echinodermen als Knospenfurchung bezeichnet habe. Weiterhin beobachtete Chabry, dass Theile des Eies abstarben, zuweilen die Hälfte oder sogar drei Viertel und dass aus dem lebensfähig gebliebenen Rest sich monströse Larven entwickelten, an denen man die drei primitiven Keim- blätter und noch verschiedene Organe unterscheiden konnte. Einmal wurde auch eime Larve aufgefunden. die zwei Ruder- schwänze und eine doppelte Chorda besass. Obwohl Chabry seine Befunde nur durch die Annahme von parents monstripares und durch die Doetrin einer monstruosite du germe zu erklären sucht, glaube ich doch, dass es sich auch bei Aseidia um geschädigte und mehrfach befruchtete Eier handelt, wie es Fol, Born (Nr. 4), mein Bruder und ich an anderen Objeeten festgestellt haben. ‚Wie aus meiner Darstellung hervorgegangen sein wird, müssen in einem überfruchteten Ei verschiedene Faetoren mit einander coneurriren, Kräfte, welche zur Entwicklung tendiren und Einwirkungen hem- mender und störender Art. Die ersteren werden dureh die Befruchtung, auch wenn sie eine mehr- fache ist, angeregt, die letzteren sind die Folgen der Sehädigung, welehe das Ei durch Ueberreife und Einflüsse verschiedener Art vor der Befruch- tung erfahren hat. Je nachdem der erste oder der zweite Factor überwiegt, werden die Endergeb- nisse der Entwieklung sehr verschieden ausfallen müssen. Ueberblicken wir nun von diesem Gesichtspunkt aus die Urmund und Spina bifida. 491 teratologischen Befunde, die man von Hecht- oder Lachseiern gewonnen hat. Da zeigt sich denn nach den Erfahrungen von Lereboullet und Rauber, dass monströse Eier in manchen Zuehten reiehlicher vorkommen und verschiedene Charactere dar- bieten. Neben typischen Mehrfachbildungen finden sich Eier mit Urmundspalte und bei diesen wieder ist der Urmundrand zuweilen nur auf einer Seite zu einem Halbembryo entwickelt, während er auf der anderen Seite seine organbildende Fähigkeit eingebüsst hat. Endlich lernen wir Eier kennen, bei denen nur der Dotter von einer dünnen Zellschieht umwachsen worden ist, welche die Fähigkeit eine Embryonalanlage zu schaffen gar nicht mehr oder nur theilweise besitzt (Molen). Im letzteren Fall kann von der Zellblase aus das Rudiment eines Schwanzes angelegt worden sein, während Kopf und vordere Rumpfhälfte fehlt. Auch bei den monströsen Froscheiern bot sieh uns eme Reihe dar: Em- bryonen mit verschiedenen Graden der Urmundspalte, Hemmung der organbildenden Thätigkeit auf einer Seite des Urmundrandes, Eier, bei denen nur eine partielle Entwicklung Platz gegriffen hat. Nach dem Vorausgeschickten ist die Möglehkeit nicht von (ler Hand zu weisen, dass die oft so verschiedenartigen Befunde in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, dass es sich um in verschiedenem Maasse geschädigte und in Folge dessen über- fruchtete Eier handelt, bei welchen sich die den Entwicklungs- process fördernden und hemmenden Faetoren bald in dieser bald in jener Weise, bald in diesem bald in jenem Theile der Anlage geltend gemacht haben. Man sieht, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung liegt nicht so einfach, als es nach der Hypothese von Fol zu sein schien. Es handelt sich um complieirte, in ihrem Zusammenhang noch schwer zu über- schauende Verhältnisse. Von emer Beziehung zwischen Zahl der eingedrungenen Samenfäden und der Art der Mehrfachbildung wird zunächst ganz abzusehen sein; dagegen werden die durch Ueberfruchtung hervorgerufenen Abänderungen des normalen Ver- laufes des Entwieklungsprocesses, sowie die Grösse und die Or- ganisation des Eies bei der Entstehung von Monstrositäten eine Hauptrolle spielen und bei Erklärungsversuchen in erster Linie zu beachten sein. So dunkel das ganze Gebiet der monströsen Entwicklung auch immerhin noch sein mag, so glaube ich doch, 492 Oscar Hertwig: dass es einer planmässigen, experimentellen Forschung, wenn sie in der angebahnten Richtung weiter vorgeht, gelingen wird, über viele Dinge Licht zu verbreiten. Bei Eiern von Fischen, Amphibien und wirbellosen Thieren wird man durch künstliche Eingriffe Ueberfruchtung hervorrufen müssen. Von den Eingriffen ver- dienen diejenigen natürlich am meisten den Vorzug, welche die Entwicklungsfähigkeit der Eier am wenigsten schädigen (Ueber- reife, Behandlung mit Kohlensäure, Kälte etc... Abnormitäten des Furchungsprocesses werden dabei zu beobachten, die abnorm gefurehten Eier werden, wie es schon Born (Nr. 5) in einer Versuchsreihe unternommen hatte, isolirt weiter zu züchten sein. Ein Erfolg für diese Mühen wird bei Wahl eines geeigneten Ob- jeetes nicht ausbleiben. Figuren-Erklärung. a After. ' kd Kopfdarmhöhle. ab Augenblase. ki Kiemen. ar Afterrinne, Äfterrohr. l Leber. af Afterfalten. ‚ Is linke Schwanzhältte. ak äusseres Keimblatt. mk mittleres Keimblatt. au Auge. mr Medullarrohr. ch Chorda, ch! der linken, ch?der | mp Medullarplatte. rechten Seite. mw Medullarwäülste. chk Chordakanal. ms Muskelsegmente. d Dotter. ı n Naht. dp Dotterptropt. p Pigment. da Darm. pr Primitivrinne, pr! pr? der linken dl Darmlippe. und rechten Anlage. ds Darmstrang. ' r Rumpf. ed Enddarm. rs rechte Schwanzhälfte. f Flosse. s Schwanz. th Furchungshöhle. ı sf Schwanzflosse. £& Spinalganglion. ' sk Schwanzknospe, sk! sk? der h Haitscheiben. | linken und rechten Seite. hb Hörbläschen. ' sch Scheidewand. hz Herz. t Trichter. ik inneres Keimblatt. ' ud Urdarm. k Kopf, kl, k? linke und rechte | ul Urmundlippe, ul! dorsale ul? Kopfanlage der Doppelbildung. ventrale, Urmund und Spina bifida. 493 uo Urmund. va Vacuole. ur Urmundrand, ur! der in Ver- | vp Verbindungsplatte. schmelzung begriffene Theil, v Verbindungsstelle. ur? der am Keimscheibenrand | z Zwischenstück. gelegene. ' z! Zellen im Dotter. us Ursegment. ' z2 an der Oberfläche abgefurchte ug Urnierengang. | Zellen. uw Umwachsungsrand (1—5 auf | * Eingang in die Kopfdarmhöhle. verschiedenen Stadien). Erklärung der Figuren auf Tafel XVI—XX. W — Weibchen. get. = abgetödtet. befr. —= befruchtet. cons. — conservirt. Ara Beil, X VI. Fig. 1. Missgebildeter Froschembryo (Bm) mit höchstem Grad der Ur- mundspalte vom Rücken aus gesehen. Ei eines am 14. März gretödteten Froschweibehens, am 16. befruchtet und am 23. eingelegt. Eine ebensolche Missbildung Bf vom Rücken aus gesehen. Ei am 17. befruchtet, am 23. eingelegt. 3. Seitliche Ansicht von Fig. 2. Fig. 4. Eine ebensolche Missbildung Bb. 5. Eine ebensolche Missbildung Ba. Fig. 6. Missbildung J!. Fig. 7. Missbildung J?. Die Embryonen J! und J? rühren von Eiern eines am 14. getödteten Weibchens her, welche am 16. be- fruchtet und am 21. eingelegt wurden. Fig. 8. Schon ziemlich weit entwickelte Missbildung Bk mit normal gebildetem Kopfende (Augen- und Ohrblasen) mit Urmund- spalte in der Mitte des Rückens vor dem dorsalwärts umge- bogenen Schwanzende. Fig. 9. Missbildung N mit Verschluss des Urmunds im vordersten Abschnitt des Kopfes, während es sonst noch in ganzer Aus- dehnung geöffnet ist. Der Embryo rührt von Eiern eines am 14. getödteten Weibchens her, welche am 16. befruchtet und am 23. abgetödtet wurden. Fig. 10. Missbildung M. Weibchen am 14. getödtet, 16. befruchtet, 23. conservirt. Fig. 11 u. 12. Missbildung O mit theilweise entwickeltem Kopfende, ausgedehnter Urmundspalte und doppelter Schwanzknospe. Fig.11 Ansicht von der Schwanzseite, um die Oberfläche zu = (dje} 180) 494 Fig. Fig. Fig. EERRT 2 65) _ ke 20. . 26. 27. e. 28. Oscar Hertwig: zeigen. Fig. 12. Embryo von der Rückenfläche etwas seit- wärts gesehen. W. 14. get., 16. befr., 23. conservirt. Missbildung F mit normal entwickeltem Kopfende, Urmund- spalte in der Mitte des Rückens und Auftreten der Schwanz- knospen. W. 14. get., 16. befr., 23. cons. Missbildung G mit normal entwickeltem Kopf- und vorderem Rumpfende, mit Urmundspalte vor der Schwanzwurzel. (W. 14. get., 16. befr., 23. cons.) u. 16. Missbildung mit Urmundspalte und Verkümmerung der rechten Körperseite, mit entwickelter linker Schwanzhälfte. (W. 17. befr., 23. cons.) Missbildung T mit geschlossenem Kopf und Rumpf, aber ge- spaltenem Schwanzende. (17. befr., 23. cons.) u. 19. Missbildung Bg mit wenig ausgebildetem Kopfende und gespaltenem Schwanzende, mit weitem Urmundrand, Fig. 18 bei seitlicher, Fig. 19 bei Ansicht vom Rücken. Weit entwickelter Embryo S mit dem Rest einer Urmund- spalte vor dem dorsalwärts umgebogenen Schwanzende. (17T. befr., 23 cons.) Weit entwickelter Embryo B mit Rest einer Urmundspalte vor dem rechtwinklig umgebogenen Schwanzende. Weit entwickelter Embryo V mit rechtwinklig umgebogenem Schwanzende und einer kleinen, kaum sichtbaren Oeffnung am Rücken, dem Rest einer Urmundspalte. (17. befr., 28. cons.) Aehnlich wie in Fig. 22 gestaltete Missbildung P. (W. 14. get., 16. befr., 25. cons.) Hechtembryo am Ende des dritten Tages mit Urmundspalte. Derselbe am siebenten Tage. Copie nach Lereboullet. Beide Figuren sind um die Hälfte verkleinert und mit Tusche angelegt worden. Missbildung Cb. Im der Kopf- und Rumpfgegend, in welcher sich der Urmund geschlossen hat, entwickeln sich die Medullar- wülste, aber am hinteren Ende ist der Urmund noch weit offen. (17. befr., 21. cons.) Missbildung Ca. Ei, in dem sich die Medullarwülste am Kopf- ende entwickeln, während das hintere Ende einen noch weit geöffneten Urmund zeigt. Die Missbildung entstammte Eiern eines am 14. getödteten Weibehens, die am 16. befruchtet wurden. Das Ei zeigte unregelmässige Furchung und wurde isolirt, am 23. eingelegt. Missbildung Ad mit normal entwickelter Rückengegend, aber einer weiten Urmundspalte an dem hinteren Ende unterhalb der Schwanzknospe, von der Seite gesehen. Missbildung Ac mit einem Rest der Urmundspalte am hinteren Ende, vom Rücken gesehen. Missbildung Ab mit einem Rest der Urmundspalte am hinteren Fig. jo} Fie ig. 10. Urmund und Spina bifida. 495 Ende. wo er,etwas auf die Bauchseite verschoben ist, von der Bauchseite aus gesehen. Missbildung H mit beginnender Schwanzbildung und einem Rest der Urmundspalte, welche sich ventralwärts vor der Schwanzwurzel findet, von der Seite gesehen. (W. 14. get., 26. befr., 23. cons.) . 32— 85. Eier eines am 14. getödteten Weibchens, die am 16. be- | all: r. a3: fruchtet wurden und 4 Stunden nach Zusatz des Samens in der skizzirten Weise Barokfurchung zeigten. Die Eier wurden isolirt. Aus den in Fig. 22 und 23 abgebildeten Eiern ent- wickelten sich Embryonen mit Medullarwülsten, bei den in Fig. 34 und 35 abgebildeten Eiern trat keine Gastrulation ete. ein. ; TVarkei XV Querschnitt durch das vorderste Kopfende von Missbildung Ji! (Taf. XVI, Fig. 6). Querschnitt durch die Mitte des Rumpfes derselben (JU. Querschnitt durch das hintere Drittel des Rumpfes von der- selben Missbildung (J}). Sagittalschnitt nahe der Medianebene durch die Missbildung O (Tafel XVI, Fig. 12). Von demselben Object ein Sagittalschnitt, der mit der Median- ebene ziemlich zusammenfällt und von dem nur das Schwanz- ende abgebildet ist. Querschnitt durch den seitlichen Urmundrand desselben Ob- jeetes etwa in der Mitte des Rumpfes. Querschnitt durch den nicht zum Schluss gelangten Theil des seitlichen Urmundrandes von Missbildung F (Taf. XV], Fig. 13). Siehe auch Taf. XVIII, Fig. 19—25. Medianschnitt durch Missbildung Ba (Taf. XV], Fig.5). Siehe auch Fig. 11, 12 und 20 auf Taf. XVII. Medianschnitt durch Missbildung M (Taf. XVI, Fig. 10). Siehe auch Fig. 17, Taf. XVII. Querschnitt durch den seitlichen Urmundrand im hinteren Drittel des Rumpfes von Embryo Bf (Tat. XVI, Fig. 2). Siehe auch Fig. 16 und 22, Taf. XVII. Querschnitt durch den seitlichen Urmundrand im vorderen Drittel des Rumpfes von Missbildung Ba. Siehe auch Fig. 8 und 12. Von demselben Object ein Querschnitt durch den seitlichen Urmundrand im hinteren Drittel des Rumpfes. Querschnitt durch das hintere Ende von Missbildung J! (Taf. XV], Fig. 6) an der Stelle, wo sich die Urmundränder über der Enddarmhöhle zur Schwanznaht zusammengelegt haben. (Siehe auch Taf. XVII, Fig. 1-3). 12:19: Fig. . 14. 48: r, 116; Bde le. ie. 9. Oscar Hertwig: Desgleichen, noch etwas weiter nach hinten. Medianschnitt durch Missbildung J? (Taf. XVI, Fig. 7). Siehe auch die Figuren 18, 19 und 21 auf Taf. XVII. Medianschnitt durch Missbildung Bf (Taf. XVI, Fig. 2). Siehe auch die Figuren 10, 22 auf Taf. XVII. Sagittalschnitt in einiger Entfernung von der Medianebene von Missbildung M (Taf. XVI, Fig.10). Vergl. auch den Me- dianschnitt Fig. 9. Querschnitt durch den seitlichen Urmundrand von Missbildung J3, von welcher in Fig. 15, 19, 21 Sagittalschnitte abgebildet sind. Sagittalschnitt durch die Medullarplatte und die Ursegmente am seitlichen Urmundrand derselben Missbildung. (Siehe Fig. 15 und 18.) . Sagittalschnitt in der Gegend der am seitlichen Urmundrand gelegenen Chorda von Missbildung Ba. (Siehe auch Fig. 8, 11 und 12). . Sagittalschnitt in der Gegend der am seitlichen Urmundrand gelegenen Chorda von Missbildung J?. Präparate derselben Schnittserie sind auch in Fig.15 und 19 abgebildet. (Vergl. auch den Querschnitt Fig. 18.) . Querschnitt durch den seitlichen Urmund im vorderen Drittel des Rumpfes von Missbildung Bf. (Vergl. auch den Quer- schnitt Fig. 15 und den Medianschnitt Fig. 16.) rasen oXaVaEDT: Querschnitt durch das Kopfende von Missbildung N (Taf. XV], Fig. 9). Von demselben Object ein etwas mehr nach hinten folgender Querschnitt der Serie, in welcher linke und rechte Hirnhälfte auseinander weichen. Von demselben Object ein Querschnitt durch das vordere Drittel des Rumpfes im Bereich der Urmundspalte. Von Fig.3 der linke Urmundrand bei etwas stärkerer Ver- grösserung gezeichnet. Querschnitt durch das hintere Ende derselben Missbildung N, im Bereich der Verschmelzung von linkem und rechtem Ur- mundrand. Ein etwas weiter nach hinten folgender Querschnitt der Serie von demselben Object. Ein Querschnitt durch die Afterrinne, etwas stärker vergrössert, von demselben Object. Ein Horizontalschnitt durch Missbildung W durch das hin- tere Ende in der Gegend über der Aftergrube. Desgleichen ein etwas mehr ventralwärts folgender Horizon- talschnitt der Serie durch die Aftergrube. en TE A Urmund und Spina bifida. 497 Fig. 10—12. 3 Horizontalschnitte einer Serie durch das hintere Ende von Embryo G (Taf. XVI, Fig.14). Fig.10. Schnitt oberhalb der Aftergrube. Fig. 11. Schnitt durch die Aftergrube. Fig. 12. Schnitt unterhalb der Aftergrube. Fig. 13—15. Einzelne Querschnitte aus einer Serie durch das umge- krümmte Schwanzende von Missbildung Bk (Taf. XVI, Fig. 8). Fig. 16. Querschnitte durch den hinteren Kopftheil von Missbildung Be. (Taf. XVI, Fig. 18) aus der Gegend, wo die Hirnhälften seitlich aus einander weichen und die Chorda sich theilt. Fig. 17. Von demselben Embryo ein bald folgender Querschnitt aus dem vordersten Bereich der Urmundspalte, wo die Kopfdarm- höhle nach aussen mündet. Siehe auch Fig. 26. Fig. 18. Querschnitt durch Embryo F (Taf!XVI, Fig. 13) aus der Ge- gend hinter dem Kopf, wo die Theilung von Rückenmark und Chorda beginnt. Fig. 19—21. Von derselben Missbildung nachfolgende Querschnitte der Serie. Fig. 21. Schnitt durch die Ausmündung der Koptdarm- höhle. Siehe auch Taf. XVII, Fig. 7. Fig. 22—25. Frontalschnitte aus einer Serie durch das hintere Körper- ende von Missbildung F, deren vorderer Körpertheil in Quer- schnitte (Fig. 18—21) zerlegt wurde. Fig. 22. Durchschnitt durch das hintere Ende der Urmundspalte. - Fig. 23. Durchschnitt durch die Verschmelzungsstelle der hmteren Ur- mundränder. Fig. 24. Durchschnitt durch die Schwanzwurzel und die Aftergrube. Fig. 25. Durchschnitt durch die Schwanzknospe. Fig. 26. Quersehnitt durch die umgekrümmte in 2 Hälften gespaltene Schwanzanlage von Missbildung Bg (Taf. XVI, Fig. 18 u. 19). Siehe auch Fig. 16 und 17 (Taf. XVIID. Fig. 27. Querschnitt durch die Mitte des Rumpfes von Missbildung X’ (Taf. XVI, Fig. 15 und 16) mit vorkümmertem rechtem Ur- mundrand. Fig. 285. Querschnitt durch Missbildune H (Taf. XVI, Fig.31) in der Gegend des ventralwärts vor der Schwanzwurzel gelegenen Restes einer Urmundspalte. Fig. 29. Copie nach Oellacher (l. c. Taf. XVII, Fig. 6). Zur Hälfte verkleinert. Querschnitt durch einen Katadidymus von Trutta Fario, der bis zum Lobus optieus eine Urmundspalte besass. Der Sehnitt ist durch die Lebergegend geführt. Fig. 30. Copie nach Lereboullet (l. c. Fig. 32. Keimwulst eines Hechteies von 50 Stunden. Dotterloch. Keimwulst. Ver- längerung desselben. Tafel XR. Fig. 1—3. Querschnitte durch das Schwanzende von Embryo B (Tat. XVI, Fig. 21) mit Afterrinne. Fig. 4. Querschnitt durch die Aftergegend von Embryo KR. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 a Os ear Bert wu: 5 u. 6. Desgleichen von Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22). 7-9. 3 Horizontalsehnitte durch den Rumpf von Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22). Fig.7. Durch das gespaltene Rückenmark. Fig.9. Durch die gespaltene Chorda. Fig.8. Durch die Aus- mündung der Urmundspalte (t) am Rücken. 10 u. 11. Querschnitte durch das Schwanzende von Embryo V (Taf. XVI, Fig. 22) mit verdoppeltem Rückenmark und dop- pelter Chorda (chl, ch?). 12—14. 3 Querschnitte durch Embryo A. Fig. 12. In der Gegend des Hinterkopfs. Fig. 13. An der Spaltungsstelle von Rücken- mark und Chorda. Fig. 14. Durch die Urmundspalte. 15. Horizontalschnitt durch Embryo P (Taf. XVI, Fig.23) an der Ausmündung der Urmundspalte. 16. Querschnitt durch das Schwanzende desselben Embryo. 17. Längsschnitt durch Embryo Ad (Taf. XVI, Fig. 28). 18-20. Aus einer Schnittserie durch das Schwanzende von En- bryo CE mit Spaltung der Chorda (ech!, ch?). 21. Horizontalschnitt durch Embryo T (Taf. XVI, Fig. 17) mit Doppelschwanz (s?, s). 22 u. 23. 2 Horizontalschnitte durch Embryo S (Taf. XVI, Fig. 20). Fig.22. Durch das gespaltene Rückenmark. Fig. 23. Durch die gespaltene Chorda. 94. Querschnitt durch das Schwanzende desselben Embryo. y 25. Querschnitt durch die Afterrinne desselben Embryo. . 26. Medianschnitt durch Embryo Ab (Taf. XVI, Fig. 30). . 27. Querschnitt dureh Embryo Ca (Taf. XVI, Fig.27) an der Ur- mundspalte. BartelERX, 1-4. Schemata, um die Bildung eines Lachsembryos durch Zu- sammenrücken und Verwachsen der Urmundränder und das Verhältniss des Urmundrandes (ur) zum Umwachsungsrand (uw) zu zeigen. 5 u. 6. Schemata, um die Entstehung der Urmundspalte durch mangelhaften Verschluss der Urmundränder (Hemmung) bei Lachsembryonen zu erläutern. . 7u.8 Schemata, um das Verhältniss von Urmundrand (ur) und Umwachsungsrand (uw) bei Selachierembryonen zu erklären. e. 9 u. 10. Schemata, um dasselbe Verhältniss wie in Fig. 7 und 8 für die Eier von Vögeln und ‚Reptilien zu erklären. 11—13. Schemata über die Entstehung der Doppelmissbildungen vom Lachs aus zwei Gastrulaeinstülpungen. ie. 14 u. 15. Schemata zur Erklärung der Doppelmissbildungen vom Hühnchen. 16. Schemata zur Erklärung des Chordakanals der Säugethiere. ', 17-20. 4 Schemata, um die Hemmungsmissbildungen mit Ur- La. 1b. DE 2b. 6. . Urmund und Spina bifida. 499 mundspalte Fig. 17, 18 mit der normalen Entwicklung Fig. 19, 20 zu vergleichen. . 21—23. Pathologische Eier, bei denen nur in einem beschränkten Bezirk Zellenbildung eingetreten ist, während der grösste Theil des Dotters sich nicht getheilt hat. ig. 24. Theilweise entwickeltes Ei, bei welchem der in Zellen getheilte Absehnitt 2 Keimblätter gebildet und sich zu einer Art Ga- strula umgebildet hat. &. 25. Eine isolirte Zelle (z), umgeben von ungetheilter Dottermasse. Eine stärker vergrösserte Partie von Fig. 21. . 26 u. 27. Zwei Eier, bei denen sich die Hälfte der Dottermasse nicht entwickelt hat, die andere Hälfte in Zellen zerlegt ist, die sich zu zwei resp. drei Keimblättern angeordnet und so- gar eine Medullarplatte (mp) angelegt haben. Literatur- Verzeichniss. Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen. 1880, 1882. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie Bd. II. van Beneden, Untersuchungen über die Blätterbildung, den Chordakanal und die Gastrulation bei den Säugethieren. Anat. Anz. Bd. III, 1888, pag. 709. Bloehmann, Eine einfache Methode zur Entfernung der Gal- lerte und Eischale bei Froscheiern. Zoolog. Anz. 1889, Nr. 307. Bonnet, Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer, gewonnen am Schafei. Arch. f. Anat. u. Physiologie. Anat. Abth. 1884, 1889. Born, Weitere Beiträge zur Bastardirung zwischen den einhei- mischen Anuren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 27. Born, Ueber die Furchung des Eies bei Doppelbildungen. Bres- lauer ärztl. Zeitschr. 1887, Nr. 15. 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Störungen des Furchungsprocesses ELISE. la, a u Ara Monströse Entwieklung von Eiern, bei denen mehr oder minder grosse Partieen des Dotters ungetheilt geblieben sind Störungen im Gastrulationsprocess, die zu mangelhaften Ver- schluss des Urmunds und in Folge dessen zu einer Reihe von Misshilduneen fühzen".. 2... .. „ler ne. : I. Gruppe der Missbildungen. Totale Urmundspalte IH. Gruppe der Missbildungen. Partielle Urmundspalte in der Rückengegend Missbildungen mit partieller Urmundspalte in der Rückengegend auf einem frühen Entwieklungsstadium Br. PAR Missbildungen mit partieller Urmundspalte in der Rüe fach gegend auf einem weiter vorgerückten Entwicklungsstadium III. Gruppe der Missbildungen. Partielle Urmundspalte in der Aftergegend B. Allgemeiner Theil. Beurtheilung und Verwerthung der Befunde Das Vorkommen ähnlicher Missbildungen in anderen Wirbel- thierklassen und ihre Stellung im System der Teratologie a) Die Terata mesodidyma und katadidyma der Knochen- itstelatages her ESEL Arne Re Er b) Die Terata mesodidyma der Amphibien a RS e) Spaltbildungen der Axenorgane bei den drei höheren Wirbelthierklassen, Spina bifida Aa RN tsE Die Bedeutung der an den Missbildungen gewonnenen Befunde für einige Grundfragen der Wirbelthiermorphologie . . . Die Ürmundtneorie,. 7. urn ee: Die Conerescenztheorie 3 b) Die Schwanz- und Atte bilelae ad Wirbe ee ; Die Coelomtheorie (Entgegnung auf Götte. Der Ohorddlkanal) Beziehungen des Urmunds zu verschiedenen Formen von Miss- bildungen Se: ae, 5 Ne REN Unter welchen Belin urn können aus einer einfachen Ei- zelle mehrfache Anlagen hervorgehen ? BER U. Se. a) Sonderung der Theilproducte eines Eies. (Experimente von Driesch, Roux, Chabry). a NE b) Bedeutung der Ueberfruchtung (Polyspermie) für die Entstehung von Mehrfachbildungen und anderen Mon- strositäten 503 Seite 299 396 356 358 363 364 483 504 v.la Valette St. George: Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. Von v. 1a Valette St. George. Hierzu Tafel XXI. Bei der Durchmusterung einer Reihe von Schnitten durch den Hoden von Astacus fluviatilis Fahr. (nobilis Huxley), welche ich zum Studium des, wie mir scheint, noch etwas dunklen Baues des Krebshodens angefertigt hatte, stiess ich auf Präparate so auffallender Art, dass eine Erörterung derselben, sowie die Wie- dergabe der gewonnenen Bilder wohl von allgemeinem Interesse für die Ei- und Samenbildung sein dürfte. Die betreffenden Objeete wurden im Juli und August dem Spermarium von Thieren entnommen, welche mit den äusseren Zeichen der Männchen versehen waren. Der Inhalt der Hodenbläschen näherte sich dem Reifezu- stande seimer Geschlechtsproducte. Die einzelnen Acini, welche, wie die Beeren einer Wein- traube ihren, oft sehr kurzen Stielen, den Ausführungsgängen anhängen, zeigen eime doppelt contourirte, mit länglichen, stark färbbaren Kernen versehene Membrana propria, welche sich auf die Ausführungsgänge fortsetzt. Der Hohlraum der Bläschen wird erfüllt von Zellen- und Kerngebilden sehr verschiedener Art. Zunächst sieht man Sperma- togonien in den verschiedensten Stadien ihrer mitotischen Ent- wiekelung, von der Ursamenzelle bis zum fertigen Spermatosom ; jedoch enthält meist jeder Acinus nur eine bestimmte Phase der Karyokimese, bis er schliesslich eime grössere oder geringere An- zahl von Samenkörpern beherbergt. Da ich an diesem Orte nicht die Spermatogenese des Fluss- krebses schildern will, mag es hier genügen, nur einige charak- teristische Formen aus der Umbildung der Spermatogonien zum besseren Verständniss der Abbildungen hervorzuheben und daran einige Bemerkungen zu knüpfen. Die ruhenden Spermatogonien sind rundliche oder ovale Ueber innere Zwitterbildungz beim Fhusskrehs. 505 n Zellen von 0,026 mm Länge und 0,021 mm Breite, im Durch- schnitt, mit 0,017 mm grossem Kern. Das Cytoplasma ist fein- körmig, das Caryoplasma enthält kleinere und grössere Körner, welche sich, wie der ganze Kem, nur schwach färben. Tritt die Fadenbildung ein, so wächst die Ursamenzelle sehr rasch und erreicht in diesem Stadium eimen Durchmesser von 0,045 mm in der Länge und 0,038mm in der Breite. Das Cytoplasma soleher Zellen enthielt einen sehr deutlichen, jedoch kaum gefärbten, 0,007 mm grossen Nebenkern. Bei einzelnen Zellen war die Mitose bis zur Bildung der Spindel fortgeschritten, an welcher sich Polstrahlung und Centro- somen erkennen liessen. Diese Zellformen liegen, wie Fig. 1, 8 und 11 zeigen, dicht der Membrana propria an, eingebettet in eine feinkörnige Masse, weiche durch Safranim nicht gefärbt wird. Wenn sie auch nicht an allen Schnitten zu sehen sind, so darf man doch wohl annehmen, dass sie einen grossen Theil der inneren Oberfläche der Wandung der Hodenbläschen auskleiden. Sie bilden offenbar die Reserve für die nächste Samenentwickelung. Stets findet man in der Nähe dieser, der Spermatogenese angehörigen Zellen Kerne von sehr verschiedener Grösse und Form, welche sofort durch ihre starke Aufnahme des Farbstoffes in die Augen fallen und auch dadurch leicht von den Kernen der Spermatogonien unterschieden werden können. Sie liegen in derselben feinkörnigen Substanz, wie die Zellen ; Zelleontouren bemerkt man jedoch an ihnen niemals. Ob sie solche m frühe- ren Stadien der Hodenentwickelung besessen haben, muss ich dahingestellt sein lassen, wenn ich es auch nach meinen früheren Erfahrungen annehmen möchte. Jedenfalls glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Kerne für „Follikelkerne“ anspreche. Die kleinsten derselben waren kreisrund und massen 0,008 mm, die grössten 0,05 mm und darüber, von länglicher Form. Diese Follikelkerne sind abgeplattet und häufig in ihrer Gestalt den Zellen angepasst, welchen sie sich anschmiegen. Mehrfach erschemen sie eingekerbt oder abgeschnürt, mit noch aneinanderliegenden Rändern, deren Contouren den Theilstücken entsprechen. Bleiben diese mit einander verbunden, so kann die Form eines „gelappten Kerns“ entstehen. 506 v. la Valette St. George: Das Innere der Follikelkerne ist von grösseren und klei- neren Körnern durchsetzt, welehe häufig dureh netzartig verlau- fende Brücken mit einander verbunden werden und, wie die ganzen Kerne, äusserst ehromatophil sind. Mitotische Theilungsfiguren wurden nie- mals an diesen Kernen beobachtet, ebenso wenig als Zellgrenzen um dieselben, was ich nochmals her- vorhebe. Sie liegen stärker angehäuft an der Peripherie des Hodenbläschens und zwar um so mehr, als sich der übrige In- halt desselben dem Reifezustande der Samenkörper nähert. Solche Aeini lassen die Follikelkerne nach dem Centrum ihres Lumens hin vollständig vermissen. Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung des übrigen Inhaltes der Hodenbläschen. Vorab muss ich bemerken, dass bereits im Julihoden alle Stadien der Spermatogene aufzufinden waren. Ich sah Hodenbläschen, welehe noch von ruhenden Spermato- gonien erfüllt waren, andere, welche diese oder jene Phase der mitotischen Theilung der Ursamenzellen enthielten, wieder andere, welche Spermatocyten zeigten, solche, deren Inhalt aus Sperma- tiden bestand, und endlich eine ganze Anzahl von Aecini, deren Spermatiden sich in fertige Spermatosomen umgewandelt hatten. Eine Reihe von Schnitten enthielten, in eine bestimmte Gruppe jener Zellformen ’einge- bettet, kleinere oder grössere Eier, Fig.1, 6 und 11. Diese lagen meist der Peripherie des Hodenbläschens an, waren rund oder oval von 0,06 mm bis 0,015 mm Grösse und zeigten die gewöhnlichen Bestandtheile des Eierstockseies: Keimbläs- chen von 0,04mm bis 0,05 mm Durchmesser mit 0,0053 bis 0,007 mm grossen Keimflecken, welche sich stark färbten, einen feinkörnigen Dotter, welcher dem Keimbläschen dichter ange- lagert war, als in der Peripherie und durchsetzt mit, durch die Einwirkung der Osmiumsäure stark geschwärzten Kügelchen von Nahrungsdotter. Bin freies Ei, welches ich auf Fig. 2 abgebildet habe, war eingefasst von einer einfachen Schicht von Follikelkernen, bei den meisten anderen lagen solche Kerne zwischen Ei und Fol- likelhaut. Diese selbst bildete in einzelnen Fällen eine von der Wand ausgehende kernführende Hülle um das Ei, Fig.6. Zum Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 507 Vergleiche habe ich auf Fig. 10 ein Ei aus einem Schnitte durch das Ovarium des Flusskrebses abgebildet, welches sich von den vorher beschriebenen in niehts unterscheidet, als im Grössenver- hältniss des Keimbläschens. Ein dem frischen Eierstocke desselben Thieres entnommenes und leicht gefärbtes Ei, Fig. 12, liess eine Lage heller Zellen er- kennen, welehe als Follikelepithel das Ei umgab. Dieses Bild entsprach ganz genau der Beschreibung, welche Waldeyer!') von dem Eierstocksei des Flusskrebses gegeben hat. Wie ist nun das Vorkommen von Eiern in dem sonst ganz normalen Hoden zu erklären ? Ich glaube, auf die einfachste Weise. Offenbar sind jene Eier aus Spermatogonien hervorgegangen, welche ihrem ursprüng- lichen Berufe untreu geworden; sie haben, anstatt sich zu einer Summe von Spermatoeyten durch Theilung zu vermehren, einen kürzeren Weg eingeschlagen, der aus ihnen durch einfaches Aus- wachsen je ein Ei entstehen liess. ös kann demnach eine Ursamenzelle unter Umständen zur Eizelle werden; ein neuer Beweis der Verwandtschaft zwischen Spermatogonie und Oogonie. Ebenso dürfte das Follikelepithel beider Gebilde als gleich- werthig anzusehen sein. Wie die Ursamenzelle von demselben umhüllt wird, so auch die Ureizellen in den Thierklassen, welche ein solches besitzen. Man könnte mir einwenden, dass die Follikelkerne des Krebshodens keine Zellgrenzen erkennen liessen; ich gebe dies zu, glaube aber bestimmt, dass die vorhin beschriebene feinkör- nige Substanz, in weleher jene Kerne eingebettet liegen, als das zusammengeflossene Protoplasma jener Kerne anzusprechen sein wird, dessen Bedeutung darin besteht, die Spermatogonien und ihre Brut von einander zu trennen und — vielleicht auch — sie zu ernähren, was mit der Aufgabe der Cystenhaut, da wo nur eine Umhüllung vorhanden, zusammenfällt. Es wird ja jetzt vielfach die Frage diseutirt, in welchem Verhältnisse die Eizelle stehe zu den Samen bildenden Ele- menten. Vor Jahren habe ich mich dahin ausgesprochen), .dass 1) W. Waldeyer, Eierstock und Ei S.85, 1870. 2) Ueber die Genese der Samenkörper. IV. Mittheilung, Arch, f, mikr. Auat. Bd. XII, S. 821, 1876. 908 v. la Valette St. George: Urei und Ursamenzelle als gleichwerthig zu betrachten seien, beide eingeschlossen in eine Zellhaut: die Follikelmembran. Dass diese Zellhaut von der Oogonie und Spermatogonie gebildet würde, erschien mir damals schon sehr wahrscheinlich. Für die Ursamenzellen habe ich dies seitdem mit Bestimmt- heit nachweisen können. In Betreff der Eizelle mögen noch weitere Beobachtungen erforderlich sen. Während nun die Ei- zelle sich in der bekannten Weise weiter entwickelt, thut dies die Ursamenzelle auch, jedoch in der Art, dass sie Theilproduete erzeugt: die Spermatocyten, welche in verschiedenen Generationen auf einander folgen können. Die letzte dieser Generationen der Samenzellen ist besonders charaeterisirt durch bestimmte Ver- änderungen ihres Inhalts, welche die Bildung des Spermatosoms vorbereiten und hat deshalb die passende Benennung Sperma- tiden (Samenbildungszellen) erhalten. Den Oogonien und Sper- matogonien würden die Geschlechtszellen oder Gonoblasten vor- hergehen. Findet man den Sprung von diesen zu jenen etwas weit, so könnte man nach dem Vorgange F. Hermann’s (12) und Nussbaum’'s!) ein Zwischenglied, die Keimzellen oder Bla- stoeyten, einschieben und als Endproduete deren Theilung die Ureier und Ursamenzellen ansprechen. Damit würde Alles beim Alten bleiben und eine Verwirrung der Begriffe nieht eintreten können. Die Aufeimanderfolge der einzelnen Stadien dürfte sich dem- nach in folgende Fassung bringen lassen : Dig esichleichtszellenitl@enßhlasten GERT blasti. II. Weiz elben,tBlastoiegiten; Bilaistocytar: Il rever,' VOogomiaeı# 2. ÜrTsamenzeillenz Spermatogoniae. Beide bleiben als solche ungetheilt. Das Urei liefert unter Umständen jedoch noch weitere Theilungsproduete nach aussen ab: a) die Follikelzellen, b) die Richtungskörperchen ; ebenso die Ursamenzelle: a) die Follikelzellen, b) die Cysten- zellen. 1) Anatomische Studien an Californischen Cirrhipedien S. 64, 1890. Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 509 Weiterhin wächst das Urei direet zum fertigen Ei aus, während die Ursamenzelle eme Mehrheit von männlichen Be- fruehtungselementen hervorbringt. Die Keimzellen würden das Vermehrungsstadium der Geschlechtszellen repräsentiren und dem- nach mit van Beneden’s „Spermatomeres“ zusammenfallen. Aus verschiedenen Gründen möchte ich letzteren Ausdruck vermeiden. Ganz abgesehen von der Wortform, deren Abstammung mir doch sehr zweifelhafter Natur zu sein scheint, ist der Umstand nisslich, dass jene Bezeichnung von den verschiedenen Autoren bereits für die Repräsentanten aller drei Stadien der Spermato- genese in Anwendung gebracht worden ist. Man müsste also eigentlich, wenn man sie braucht, den Namen des betreffenden Autors daneben setzen. Das Wort „Keimzelle“ hat ausserdem den Vorzug, dass es das Geschleeht nieht präjudieirt und jedenfalls empfehlenswerther ist, als „Primordialeier“ oder „Ovules mäles“. Gilson a.a.0. S.75 glaubt zwar, dass ich die Vorläufer der Spermatogonien so genannt hätte; er irrt jedoch darin; ich habe diesen Aus- druck, der durchaus nicht nach meinem Geschmack ist, niemals gebraucht, ebenso wenig, wie ich von einer männlichen Kuh oder einem weiblichen Hahn zu reden pflege. Nach den Erfahrungen von Platner!) und Prenant?) ist es überdies sehr wahrscheinlich, dass die Keimzellen eimen anderen Theilungsmodus zeigen, wie die Theilproducte der Sper- matogonien: die Spermatoeyten. Diese selbst sind ja leicht von den Spermatiden zu unterscheiden, da wo nur die beiden Formen vorkommen; sind deren mehrere vorhanden, so kann man ja Spermatoeyten 1. Ordnung, Il. Ordnung ete. statuiren. Man möge mir verzeihen, wenn ich diese Gedanken etwas weit ausgesponnen habe und mir gestatten, noch einen kurzen Rückbliek zu werfen auf die Resultate früherer Beobachtungen über die Spermatogenese des Flusskrebses und das Vorkommen von ähnlichen Zwitterbildungen bei den Decapoden und Se- lachiern. 1) G. Platner, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33, S. 196, 1889. 2) Observations eytologiques sur les &l&ments scminaux des Gasteropodes pulmoncs. La cellule T. IV, 1888. 510 v. la Valette St. George: Die erste umfassende und recht genaue Abhandlung über die männlichen Geschlechtsorgane der Dekapoden verdanken wir Grobben (6), welcher jedoch, wie mir scheint, weder in der 3enennung, noch in der Auffassung der Bedeutung der einzelnen zur Spermatogenese mitwirkenden Formelemente glücklich ge- wesen ist, bei aller Anerkennung der sorgfältigen Bearbeitung des Gegenstandes. So lässt er die Spermatogonien, welche er „Spermato- blasten“ nennt, durch Umwandlung von „Ersatzkeimen“ ent- stehen. Diese letzteren aber sollen aus Follikelkernen, welche einen gewissen Theil des Protoplasmas des Keimlagers um sich als Zellleib abtrennen, hervorgehen. Gegen diese Annahme hat bereits Nussbaum (10) Wider- spruch erhoben, indem er Spermatogonien und Follikelzellen be- züglich deren Kernen jeden genetischen Zusammenhang abspricht und dem Follikelgewebe nur die Bedeutung einräumt, welche meinen früheren Beobachtungen in anderen Thierklassen ent- spricht. Nussbaum sagt weiter: „Beide Bildungen, die männ- liche Follikelhaut und das weibliche Follikelepithel, sind ver- sleiehbar, aber nieht in dem Sinne Grobben's, dass sie Er- satzkeime darstellen, sondern deshalb, weil beide vergängliche Hüllen der Geschleehtsstoffe abgeben.“ Die Riehtigkeit dieses fundamentalen Satzes ist gewiss nicht zu bezweifeln. Wohl können, wie ich dies an verschiedenen Orten nach- gewiesen habe, Follikelzellen aus einer Spermatogonie hervor- schen; niemals aber dürfte die letztere einer Follikelzelle ihren Ursprung verdanken. Dasselbe trifft meiner Meinung nach auch für die Oogonie und ihre Follikelhüllen zu. Grobben’'s Bilder auf TafelV, Fig. 1—3 habe ich oft vor Augen gehabt. Sie sind richtiger gezeichnet, als der Autor sie gedeutet hat. So zeigt uns Fig.3 offenbar gelappte oder, wie man sie jetzt nach Bellonei nennt, polymorphe Kerne, welche Follikelkerne sind und eher der Vergangenheit anheim- fallen, als dass aus ihnen je eine Spermatogonie werden würde. G. Herrmann (9) braucht für die Grobben’schen Spermatoblasten den namentlich bei den französischen und belgi- schen Autoren beliebten Ausdruck „ovules mäles“, nennt da- Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 511 gegen die Theilungsproduete der Spermatogonien „spermato- blastes“. Sabatier (11) lässt aus den Wandzellen, den „Sperma- togonien* durch direete Tiheilung „protospermatoblastes“ und aus diesen „par genese direete* „deutospermatoblastes“ hervorgehen, welehe sieh zu Samenkörpern umbilden. F. Hermann's (12, 15) Arbeiten halte ich für höchst beach- tenswerth, obgleich wir in der Auffassung mancher Dinge recht wenig übereinstimmen. Scharf unterscheidet er Spermatogonien und Follikelzellen, doch darf er nicht glauben, dass ich an der Zellnatur der letzteren je gezweifelt hätte!). Wo die Zellgrenzen nieht zu erkennen waren, habe ich die Follikelkerne, als in einer gemeinsamen Protoplasmamasse eingebettet, dargestellt; wo sich jedoch Follikelzellen nachweisen liessen, habe ich auch diese be- schrieben und abgebildet. So beim Kalbe, beim neugeborenen Meerschweinchen und Kinde. Auch lassen des Autors (15) eigene Bilder auf Fig. 1, 4, 6 deutliche Zellgrenzen um die Follikelkerne vermissen. Wie er, so habe ich im meiner damaligen Abhandlung keinen Anstand genommen mit fz zu bezeichnen „Follikelzellen oder deren Kerne“. 7 und Beim Flusskrebs war es mir bisher nicht möglich, eine der- artige Abgrenzung nachzuweisen, weshalb ich hier nur von Fol- likelkernen reden kann. Auf die Gefahr hin, etwas vom Thema abzuschweifen, muss ich doch meine Verwunderung darüber aussprechen, dass ein so gewissenhafter Beobachter glaubt, die „Spermatogemmen“ mit ein paar Worten aus der Welt schaffen zu können. Ich habe eine Anzahl von Schnitten vor mir aus dem Ho- den der Maus von der zweiten bis zehnten Woche nach der Ge- burt, welche die Samenknospen vortrefflich erkennen lassen. Auf den Abbildungen Hermanns sieht man freilich nichts davon. Je weiter die Spermatogenese fortschreitet, desto deutlicher heben sich die Spermatogemmen ab. Es gilt für diese dasselbe, was ich vorhin über die Fol- % 1) v. la Valette St. George, Die Spermatogenese bei den Säugethieren und dem Menschen. 8.27, Fig.1fg.; S. 34, Fig. 67; 8.44, Fie.127.' 1878. 512 v. la Valette St. George: likelzellen bemerkt habe. Sie bilden, wie ich dies ausdrücklich betont, a.a.0. S. 29 „Zelleneomplexe“, „Riesenzellen ähn- lich“, weil es bei frischen Präparaten selten gelingt, die Zell- grenzen zu erkennen, sind jedoch nicht, wie Hermann sich ausdrückt, „riesenzellenartige Bildungen, deren Kerne sich gerade so wie die gewöhnlichen Spermatidenkerne in Spermatosomen verwandeln sollen“. ‘s ist dies ein arges Missverständniss, welches ich mit meinen eigenen Worten aufklären will. In der fünften Mittheilung der Spermatologischen Beiträge habe ich S. 433 gesagt: Die Spermatogonie produeirt dureh „Theilung einen Zellhaufen: Spermatogemme, welcher bei den Inseeten, wie bei den Amphibien durch Anemanderlagerung der peripherischen Zellen eine besondere Hülle erhält und zu der Spermatocyste wird, als deren Inhalt die, die Spermato- gemme zusammensetzenden Spermatocyten sich vervielfältigen durch fortgesetzte Theilung, aus welcher die Spermatiden und schliesslich die Spermatosomen hervorgehen“. 3ei den Säugethieren fehlt die Umhüllung der Spermato- semmen — im Uebrigen bleibt die Sache ganz dieselbe. Die Theilungsproduete der Spermatogonie setzen als Sper- matocyten und Spermatiden die Zellen der Spermatogemme zu- sammen, deren Grenzen, wie Hermann ganz richtig bemerkt, sich bei gewissen Methoden der Härtung durch deutliche Con- touren erkennen lassen, ein Factum, welches mir übrigens auch in meiner früheren Arbeit nicht unbekannt geblieben ist; ich brauche nur auf Fig. 54, 36, 82, 85 a.a.O. hinzuweisen. Da- her nannte ich auch die Spermatogemmen „Zelleneomplexe“ und Zellenhaufen. Von diesem Zellenhaufen bleibt stets eine Zelle zurück und entwickelt reichliches feinkörniges Protoplasma, welches die übrigen Zellen bis zur Reife der Spermatosomen zu- sammenhält. Als letzten Rest dieser Zelle sehen wir „eine mehr oder weniger lange Säule von dunkelkörnigem Protoplasma, welches am anderen basalen Ende einen grossen hellen, mit slänzendem Körperchen versehenen Kern umschloss“ a. a. 0. 8.29, Big. 25,.32,.833, 45, :60,62,73, 74,86, :92, 93,294, 104 ete. In der Erklärung der Abbildungen habe ich diese Kerne mit den Buchstaben sg bezeichnet, jedoch nur, um: anzudeuten, dass ich sie als Derivate von Spermatogonien ansehe. Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 513 Schon damals habe ieh mich dahin ausgesprochen (a. a. O. S.42), dass die Fusskerne vergänglich seien und nicht durch wiederholte Theilung zur Bildung neuer Spermatogonien dienen könnten, vielmehr seien die Ursamenzellen als Träger der Re- generation der Samenelemente anzusehen, in keinem Falle aber die Follikelzellen (a. a. ©. 8. 36). Alles dies halte ich auch heute noch aufrecht. Die Fuss- zelle ist Stützzelle, jedoch weder im Sinne Merkel's, dass sich die Samenelemente “in deren Nischen emlagern, noch in der Weise, dass sich die Samenelemente mit ihr copuliren, eine An- nahme, welche zwar zur Zeit noch von sehr berufenen Forschern gestützt wird. Die Fusszelle bildet von Anfang an einen integrirenden Theil der Spermatogemme, tritt jedoch erst deutlich in die Erscheinung, wenn die Spermatoeyten eine gewisse Entwicklung erreicht haben und am klarsten hervor zur Zeit der Samenreife, um bald nachher wieder zu vergehen. An ihrer Stelle findet sich bei den Amphibien und Insecten die Cystenhaut, wie ich letzteres in meiner V. Mittheilung der „Spermatologischen. Beiträge“ näher ausgeführt habe. Ist denn Hermann (12) die frappante Aehnlichkeit zwi- schen seinen so trefflich gezeichneten Bildern in Fig. 1 und Fig. 24 nicht aufgefallen? Was stellen diese anderes dar, als zwei Spermatogemmen im letzten. Stadium ihrer Entwicklung, die eine vom Erdsalamander, die andere von der Maus. Beide zeigen eine körnige Protoplasmamasse, auf dem einen Bilde noch zwei Cystenkerne, auf dem anderen einen Fusskern enthaltend. In die Zellsubstanz der Stützzellen sind die Samenkörper eingelagert und durch jene noch zusammengehalten, woraus bei der endlichen Loslösung die Bündelform der aus je eimer Sper- matogemme hervorgehenden Spermatosomen resultirt. Bei den Säugethieren wird die Stützsubstanz nur von einer einzigen Zelle geliefert, welche mit ihrem Fussende auf der Mem- brana propria des Hodenkanälchens steht, während bei den Am- phibien und Inseeten die Uystenzellen, denen dieselbe Function zufällt, in der Mehrzahl vorhanden sind. Die Kerne dieser Zellen liegen vielfach nach dem Lumen des Kanälchens zu in grösserer Zahl, so auch beim Erdsala- mander, doch werden sie, wie dies Hermann annimmt, zwi- schen den ausgebildeten Spermatocyten nicht vermisst, was mir Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 34 514 v.la Valette St. George! Hodensehnitte vom August beweisen. Damit verliert auch die Erklärung der Angabe Flemming’s!), dass die Spitzen der reifen Samenfädenköpfe in je einem Cystenbündel stets nach dem Lumen des Kanals zu, die Schwanzenden nach der Kanalwand zu liegen sollen, ihren Boden. Ich sehe letzteres auch an meinen Decemberpräparaten mehrfach, jedoch ebenso oft das Umgekehrte. Die Spermato- somenbündel liegen regellos, bald mit den Schwänzen, bald mit den Köpfen gegen die Membrana propria des Hodenkanälchens zugekehrt, zuweilen auch parallel oder im Winkel mit derselben. Eine gleiche Unregelmässigkeit der Anordnung zeigen auch an diesen Schnitten die in die körnige Masse der Cystenhaut eim- gebetteten Kerne. Gerade letzterer Umstand dürfte die so verschiedenartige Lage der Samenkörperbündel beim Salamander erklären, welche bei den Säugethieren nieht möglich ist. Es hat mich befremdet, dass Hermann die Cystenkerne „Follikelkerne“ nennt, obwohl sich eine zweite, die Spermato- eysten unter einander verbindende kernführende Haut, welche ich früher?) von anderen Amphibien beschrieben hatte, auch beim Erdmoleh unschwer nachweisen lässt. Namentlich an den Stellen, wo die Cysten nach dem Kanallumen hin auseinanderweichen, sind die Kerne der Follikelhaut, wie ich diese zweite Hülle be- nannt hatte, leicht zu erkennen. .Die Follikelkerne dürfen meiner Meinung nach nieht ohne Weiteres mit den Cystenkernen zusammengeworfen werden, oder man müsste die Öystenhaut Follikelhaut nennen. Darüber könnte man sich ja verständigen, denn ich sehe wohl em, dass die Be- nennung misslich wird in den Fällen, in welchen sich nur eine Umhüllung der Spermatogemmen nachweisen lässt. Will man jene beiden Bezeiehnungen als gleichbedeutend gebrauchen, so würde eine zweite Hülle der Spermatogemmen vorkommenden Falls äussere Follikelhaut zu nennen sein 1) Flemming, Weitere Beobachtungen über die Entwicklung der Spermatosomen bei Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 31, S.86. 1887. 2) v. la Valette St. George, Ueber die Genese der Samen- körper. Vierte Mittheilung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 12, S. 799, 1876, Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 515 oder, ihrem Zwecke entsprechend, Verbindun&shaut, weil sie die von ihrer Cysten- oder innerer Follikelhaut umhüllteh Spermatogemmen noch besonders unter sich veremigt. Die Zellen der inneren Follikelhaut oder, wo nur eine Hülle vorhanden, kurzweg Follikelhaut der Spermatogonie und deren weiterem Ent- wiekelungsstadium der Spermatogemme, fungiren in der ange- schenen Weise als Stütz- und Ernährungszellen der Spermato- eyten und Spermatiden, während die äussere Follikelhaut dazu dient, die Spermatoeysten in ihrer Lage zu halten. Beide Bil- (ungen haben mit der Spermatogenese direet nichts zu thun; ihre Rolle ist ausgespielt mit der Reife der Spermatosomen. Dass die Follikelzellen Hermann’s oder meine Cystenzellen nach vollendeter Entwickelung des Cysteninhalts zu Grunde sehen, bin ich durchaus geneigt, mit diesem Autor anzunehmen, auch möchte ich der von ihm gestützten Vermuthung Flem- mings!), dass die sogenannten indifferenten Keimzellen des er- wachsenen Salamanderhodens als eigentliche Ursamenzellen oder Spermatogonien aufzufassen seien, aus denen sich das Hoden- sewebe regenerirt, worauf bereits Bellonci?) hingewiesen, bei- pflichten. Dazu veranlassen mich sowohl frühere Beobachtungen am Selachier- und Inseeten-Hoden, als auch die Bilder aus dem Sper- marium von Salamandra mae., welche ich jetzt im December gewonnen habe. Ich sehe an diesen Schnitten neben jüngeren Stadien, zunächst der Membrana propria des Hodensäckchens, oft, von dieser etwas abgehoben, Reste der Follikelhaut, welche mehrere Spermatocysten emschliessen und sich zwischen diese einschieben, mit länglichen oder polymorphen, stark gefärbten Follikelkernen versehen, sodann eime körnige Substanz und blasse Kerne von derselben Form als Ueberbleibsel der Oystenzellen und, in diese eingebettet, die fertigen Samenkörperbündel. Spermatogonien enthielten diese Ampullen durchweg nicht; nur ganz vereinzelt habe ich solche, welehe jedoch im Zerfall begriffen waren, gefunden. Sie schienen dem Untergange ge- 1) Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. Anat. Bd.29, $. 391, 1887. 2) Bellonei, Sui nuclei polimorfi delle cellule sessuali degli Anfibi. Memorie d. Acad. d. sc. di Bologno S.IV, Bd.7, 1886. 516 v. la Valette St. George: weiht. Bei weiter entwickelten waren auch Follikel- und Cysten- haut bis auf einen Rest der letzteren, welcher die Spermatoso- menbündel noch zusammenhielt, verschwunden. Nur noch ein- zelne Kerne waren übrig geblieben. Auch die Membrana propria schien hinfällig zu werden. Dagegen sah ich im Nachbargewebe neue Spermatogonien auf- treten und bereits eime ganze Entwiekelungsreihe derselben bis zur Bildung von Spermatiden. Es scheinen mir beim Salamander dieselben Verhältnisse vorzuliegen, wie sie schon vor längerer Zeit von Semper (19) und mir!) von den Selachiern geschildert worden sind, auf welche bereits Spengel?) und Nussbaum (8) hingewiesen haben, dass nämlich die alten Ampullen nach der Reife der Samenkörper eingehen und neue entstehen, deren Inhalt aus je einer Sperma- togonie hervorgeht, wie ich letzteres?) ja auch neuerdings bei den Inseeten nachweisen konnte. Es wird nunmehr Zeit, nach dieser Absehweifung wieder zum Flusskrebs zurückzukehren. Die mitotische Vermehrung der Spermatocyten von Astacus fluv. wurde zuerst von Nussbaum (10) beschrieben und später durch Carnoy (14) weiter verfolgt. Recht ausführlich beriehtet Gilson (15) über die Samen- entwiekelung des Flusskrebses. Der Autor schliesst sich der Anschauung Grobbens an, dass die Hodenbläschen bei Beginn der Spermatogenese nur ein „Plasmodium“ mit zahlreichen Kernen — Grobben’s „Keimlager‘“ und „Ersatzkeime‘‘ — enthalten sollen. Diese Kerne würden sich Anfangs nur durch Spaltung vermehren, bis im gegebenen Augenblicke eine Abgrenzung ihres Proto- plasmas eintrete, und darauf karyokinetische 'Theilung. Dieser Auffassung Gilson’s kann ich ebenso wenig beistimmen, wie ich mich bereits oben gegen Grobben's Ansicht ausgespro- chen habe. Beide Beobachter verwechseln meiner Meinung nach die in 1) v. la Valette St. George, De spermatosomatum evolutione in Plagiostomis. 1878. 2) Spengel, Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arb. aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg Bd. III, S. 64, 1876. 3) v. la Valette St. George, Spermatologische Beiträge. IV. Mittheilung. Arch. f. mikr. Anat. Bd.28. — V. Mittheilung. Arch, f. mikr. Anat. Bd. 30. Ueber innere Zwitterbildung beim Menschen. 517 einem gewissen Stadium sieh sehr ähnlich sehenden Kerne der Spermatogonien mit den Follikelkernen. Grobben (6) drückt sieh übrigens viel vorsichtiger aus, als es das Citat von Gilson wiedergiebt. Er sagt von den Hodenbläschen des jungen Thieres: „Dieselben waren fast alle nur mit einerlei Elementen ausgekleidet und diese gliehen den Ersatzkeimen. Noch fanden sich allerdings hie und da im Hoden grosse Zellen vor, die den Spermatoblasten gleich waren. Das Auftreten der Spermatoblasten kann ich nur so er- klären, dass schon sehr früh gewisse Keime zu Spermatoblasten sieh umbilden. Doch dürfte diese Bildung nur vorübergehend sein.“ Die Bilder, welehe Gilson in Fig. 420—428 wiedergiebt, bilden, meiner Meinung nach, keine Entwiekelungsreihe, sondern gehören theilweise Follikelkernen, theilweise Spermatogonien an. Es scheint mir ferner gar kein Grund vorzuliegen, dass die Zellen el auf Fig. 417 und 418 aus Follikelkernen hervorgehen. Warum sollten sie denn nicht ebenso gut von nicht verbrauchten Spermatogonien abstammen können ? Doch will ieh nicht näher hierauf eingehen, zumal diese Dinge in neuester Zeit durch vom Rath (16) eine sehr zu- treffende Beurtheilung erfahren haben. vom Rath hat durch recht genaue Beobachtungen, deren Mittheilung einfache, jedoch höchst eharaeteristische Zeiehnungen beigefügt sind, festgestellt, dass bei geschlechtsreifen Thieren das Epithel jedes Hodentollikels aus zwei, wesentlich von ein- ander verschiedenen Zellen besteht: den eigentlichen Samenbil- dungszellen oder Spermatogonien und den zwischen diesen lie- genden Rand- oder Stützzellen (= Follikelzellen, Basalzellen, Fusszellen). Die Spermatogonien haben ein deutliches Zellplasma und sind von einem scharfen Contour begrenzt; zwischen ihnen liegen, zumal hart an der Peripherie, die kleinen, meist eckigen und eigenthümlich gestalteten Kerne der Randzellen; die zu- gehörigen Zellgrenzen sind nicht zu erkennen und scheinen diese Kerne in eine gemeinsame Plasmamasse eingebettet zu sein. Die Spermatogonien erzeugen zum grössten Theil durch mitotische Theilung die Spermatocyten bis zu deren Endstadium, den Spermatiden. Mit dem Auftreten dieser wachsen die Randkerne zu wahren Riesenkernen heran, sich beständig amitotisch theilend. 518 v.la Valette St. George: Von den zurückgebliebenen Spermatogonien erfolgt nachher (lie Regeneration der neuen Samenbildungszellen. Die Randzellen (Stützzellen) stehen weder mit der eigent- lichen Spermatogenese, noch mit den Regenerationserscheimungen in direeter Beziehung. Eine Umwandlung von Randzellen (Stütz- zellen) zu Spermatogonien findet nicht statt. Diese Sätze, welche ich hier fast wörtlich wiedergegeben habe, stimmen mit allen meinen bisherigen Erfahrungen durch- aus überein. Was ich hierüber gesehen habe, darf ich wohl in ein paar Worten der Zeitfolge nach mittheilen. Im Mai schemt sieh noch Alles im Krebshoden in der Ruhe zu befinden. Man sieht kleinere und grössere Aeini noch zum Theil Spermatosomen enthalten, welche offenbar von der letzten Brunst zurückgeblieben sind, dazwischen einzelne Sper- matogonien, grosse Follikelkerne und kleinere, welche den Sper- matogonien angeschmiegt liegen. Die Spermatosomen sowie die grossen Follikelkerne sind augenscheinlich im Zerfall begriffen. Daneben fand ich Bläs- chen, welehe weder Samenkörper noch grosse Follikelkerne, sondern nur Spermatogonien und kleine, in eine feinkörnige Masse eingebettete Follikelkerne aufwiesen. Die Spermatogonien zeigten einen durchschnittlich 0,01 mm grossen, mit klemeren und grösseren gut färbbaren Kernkörperchen durchsetzt. Das deutlich nach aussen abgegrenzte Protoplasma war feinkörmig; je nach der Lage erschien die 0,024—-0,35 mm grosse Ursamen- zelle rund, oval oder eckig. Keime Spur der Karyokinese war vorhanden. Anders schon gestaltete sich das Bild im Juni. Die Samenkörper waren verschwunden, ebenso die grossen schollen- ähnlichen Follikelkerne; die kleineren zeigten hier und da Ein- schnürungen. Die Spermatogonien waren nebst ihren Kernen um ein Fünftel grösser geworden und erfüllten meist den ganzen Innenraum des Acinus. Die Karyomikrosomen werden diekerchromatophiler und lassen häufig ein oder mehrere, unregelmässig geformte Körner hervortreten, welehe mit den übrigen durch feine Fäden netz- artie verbunden sind. Darauf erscheinen sie wieder in gleicher Grösse, nehmen an Dieke zu und an Zahl ab. Dann reihen sie sich auf in kurze, von einander getrennte Bögen. Hier und da Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 519 sieht man Mitosen mit schönster Spindel und Polstrahlung, da- segen wurde das Knäuelstadium, wie es schon vom Rath vermisste, auch von mir in dieser Zeit niemals gesehen. Die Chromosomen der Spindel bildeten eine so dichte und ddieke Platte, dass nicht daran gedacht werden konnte, sie zu zählen, was vielleicht in dem Entwiekelungsstadium der sich mitotisch theilenden Zellen seinen Grund hat. Die Präparate vom Monat Juli zeigen bereits ein ganz anderes Bild. Die Zellen haben bis zu 0,04 mm an Grösse zu- genommen; ihr Kern, bis 0,02 mm gross, zeigt einen schönen diehteren oder lockeren Knäuel mit weiten, eckigen Maschen, (das feinkörnige Protoplasma enthält einen farblosen oder schwach tingirten Nebenkern von 1,007 mm Länge und 0,002 mm Dicke. Derselbe stellt eine bieonvexe Scheibe dar, erscheint daher im optischen Querschnitt spindelförmig und schärfer eontourirt. Seine Contouren sind nicht glatt; das ganze Gebilde sieht aus, im Profil betrachtet, wie ein mehrfach zusammengelegtes kurzes Stückchen Bindfaden, während der optische Durehsehnitt in der Breite der Scheibe feine Körnchen zeigt, ganz so, wie ich!) vor Jahren den Nebenkern bei den Spermatoeyten anderer Ar- thropoden beschrieben und seine Entstehung nachgewiesen habe. vom Rath bildet denselben sehr deutlich ab auf Fig.2 a. a. O., ebenso Grobben und Nussbaum von „Spermatoblasten“ und Spermatogonien. An den Objeeten, welche vom Rath benutzt hat, scheint die Umbildung zu Spermatocyten etwas später — erst gegen Ende Sommers — eingetreten zu sein, ein Umstand, welcher wohl in den äusseren Verhältnissen des verwandten Materials zu suchen ist. Daneben sieht man, allerdings noch vereinzelt, die übrigen Phasen der Mitose, wobei es auffällt, dass die Chromo- somen dicker und weniger zahlreich auftreten, wie in der Spindel der Spermatogonien. Der August weist die Stadien auf, welehe ich vorhin eingehender geschildert habe. Es scheint in diesem Monat die Samenbildung eingetreten, im September und October auf der Höhe zu stehen, da ich bereits im November die meisten Aeini geleert fand. l) v. la Valette St. George, Festschrift für A. v. Kölliker S.54, 1887. 520 v.la Valette St. George: Es waren wohl noch Spermatosomen übrig, jedoch zeigten manche derselben deutliche Spuren des Zerfalls, indem sie sich in bräunliche, in der Mitte feinkörnige Klümpcehen umgewandelt hatten. Daneben wurden kleine Acmi gesehen, welehe ganz mit Spermatogonien erfüllt waren und nur wenige randständige kleine Follikelzellen enthielten. Es schienen neugebildete Hodenbläs- chen zu sein, welche noch nicht zur Samenbereitung gedient hatten. Die Follikelkerne der alten Acini zeigten die von vom Rath so trefflich geschilderten bizarren Formen. Im December sieht man alte Bläschen mit theilweise noch erhaltenen, zu grösserem Theile jedoch zerfallenen Sperma- tosomen, oft an deren Stelle eine bräunliche homogene Masse, der Inhalt der sehr grossen, mehr central liegenden Follikel- kerne wird klumpig, die Randeontouren schwinden; kurzum die alten Follikelkerne scheinen ihre Rolle ausgespielt zu haben, nachdem sie noch kurz vorher Theilungen eingegangen waren. Am Rande findet man Spermatogonien mit runden, nur leicht färbbaren Kernen, in der characteristischen Weise von kleinen eckigen Follikelkernen umsäumt, auch Acimi mit ver- späteten und theilweise rückgebildeten Spermatiden, endlich solche, deren ganzer Inhalt den Eindruck des Zerfalls machten neben neugebildeten. Es scheinen demnach beim Flusskrebs einzelne Hodenbläs- chen fortzubestehen in Vorbereitung auf die neue Brunst, andere zu Grunde zu gehen und neue aufzutreten. Der Januar, in welchem Monate ich diese Untersuchungen zum Abschluss bringen musste, zeigte nahezu dasselbe Bild, je- doch waren die grossen Follikelkerne sehr rar geworden. An einem der mit Safranin gefärbten Schnitte von Hoden- stückehen aus dieser Zeit, nm Flemming’scher Mischung ge- härtet, gelang es mir, eine Beobachtung zu machen, welche die von mir bei anderen Thieren an frischen Präparaten wiederholt gewonnene Auschauung über die Entstehung der Follikel- be- ziehungsweise Uystenzellen auch für den Flusskrebs bestätigen dürften. Ich fand eine isolirte, ovale Spermatogonie von 0,035 mm Länge, 0,029 mm Breite mit ebenfalls ovalem 0,022 mm langem und 0,021 mm breitem Kern. In dem feinkörnigen Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 521 Protoplasma, dem Kerm dicht angeschmiegt, lag ein 0,019mm langer und 0,008 mm hoher Follikelkern. Der Kern der Sper- matogonie war feinkörmig, mit mehreren Kernkörperchen ver- sehen, der Follikelkern, etwas stärker gefärbt, zeigte kleinere und grössere, rothe Körner in seinem Innern. Es schien mir der Mühe werth, das interessante Object auf Fig. 3 wiederzugeben. Die jungen Spermatogonien liefern um diese Zeit die schön- sten Bilder aus der Prophase der Karyokinese. Zunächst sieht man grosse Ursamenzellen, aneinandergedrängt, in deren Zwi- schenräume sich von der Wand her kleine Follikelzellen ein- schieben. Das Protoplasma jener Zellen verdichtet sich nach dem einen Pole zu und zeigt einen etwas dunkler gefärbten Körner- haufen. Dieser besteht, wie stärkere Vergrösserung lehrt, aus feinen, gebogenen Fädchen. Der Kern ist noch scharf eontou- rirt und besitzt kleine, netzförmig angeordnete Mikrosomen (Fig. 5). Dann tritt das Stadium auf, welches Grobben, Nussbaum, Carnoy, Gilson und vom Rath geschildert, ein weitmaschiges Fadennetz des Kernes nebst Nebenkern im Proto- plasma, welcher nach der Spindelbildung schwindet. Ein so eleganter Fadenknäuel, wie ihn Gilson abbildet, ist mir übrigens nie zu Gesicht gekommen; dagegen scheint mir die Zeichnung Carnoy's naturgetreu zu sein. Die erste mir bekannte Beobachtung über Zwitterbildung bei den Decapoden wurde von Nicholls (17) beim Hummer gemacht im Jahre 1730. Nach dem Berichte Gerstäcker’s (23) erwies sich das untersuchte Objeet als ein in jeder Beziehung seitlich ge- theilter Hermaphrodit, welcher rechts weiblich, links männlich war. Wie die äusseren Geschlechtstheile dieses Doppelgeschlecht aufwiesen, so fand sich auf der rechten Seite ein ausgebildetes Ovarium, links eine Hode, beide Generationsorgane in Verbindung mit den äusseren Zeugungstheilen. Die Abhandlungen von E. Desmarest und D. Bergen- dal waren hierorts nicht aufzutreiben. Sie scheinen sich auf äusseren Hermaphroditismus zu beziehen. Dagegen beschreibt G. Herrmann (22) aus dem vorderen Theile des Hodens beim Hummer grosse runde oder ovale Zellen mit körnigem Proto- plasma, grossem bläschenförmigen Kern und rundem, sich mit Carmin lebhaft färbendem Kernkern neben Spermatogonien und 522 v. la Valette’St. George: Spermatoeyten. Er fand diese Zellen einmal in der Zahl von - acht bis zehn. Gewiss mit vollem Recht spricht er diese Zellen als Eier an und hat damit zuerst das Vorkommen einer Zwitter- bildung im Spermarium bei den Decapoden constatirt. rudimentäre Hodenananlagen an dem Ovarium von Se- lachiern sind schon vor längerer Zeit durch Semper (19) be- kannt geworden. A. Swaen und H. Masquelin (20) fanden bei jenen Thieren Eier im Hoden neben normalen und atrophirten Sper- matogemmen. Ein weiteres Eingehen auf die verschiedenen Arten von innerer Zwitterbildung, wie solche im Thierreiche so vielfach beobachtet worden sind, würde den Rahmen dieser Mittheilung allzu weit überschreiten. Litteraturangabe. 1. Kölliker, A., Observations sur les zoospermes des Crustaces. Annal. d. sciene. nat. 2. serie, XIX, Zool. p. 335—350, pl. 1843. Kölliker, A., Die Bildung der Samenfäden in Bläschen. Neue Denkschr. d. allg. schweiz. Gesellsch. f. d. ges. Naturw. Bd. VIII, 1847. Lavalle, Recherches d’anatomie microscopique sur le test des Crustaccs decapodes. Compt. rend. de l’acad. d. science. T. 24, p-12—15. Annal. d. science. nat. 3. serie VII Zool. p. 352—377, pl. 7, 1847. 4. Duvernoy, G. L. Des organes de generation des Crustaces decapodes. Compt. rend. de l’academie XXXI, p. 3412— 348. 1850. 5. Brocchi, P., Recherches sur les organes genitaux mäles des Crustaccs decapodes. Annal. d. science. nat. 6. serie, II, Zool. art. 2, 1875. 6. Grobben, C., Beiträge zur Kenntniss der männlichen Geschlechts- organe der Dekapoden. 1878. Rougemont, Ph. Sur l’anatomie des organes genitaux de l’Astacus fluviatilis et sur la physiologie de la generation de ces Crustaecs. Bullet. de l. soc. science. nat. de Neuchatel, XI, p. 400 — 402. 18179. 8. Nussbaum, M. Zur Difterenzirung des Geschlechts im Thier- reich. Arch. f. mikr. Anat. Bd.18, S. 54, 1880. ID co | 10. 11. 16. 17. 18. 19. iD ID Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. 523 Herrmann, G. Sur la spermatogenese des Crustaces podophtal- mes, speeialement des Decapodes. Compt. rend. des s. de l’acad. d. science. T. 97, p. 985, 1883. Nussbaum, M. Ueber die Veränderungen der Geschlechtspro- ducte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 23, S. 202, 1884. Sabatier, A. Sur la spermatogenese des Crustaces d&capodes. Compt. rend. des s. de l’acad. d. sciene. T. 100, p. 391, 1885. Hermann, F. Beiträge zur Histologie des Hodens. 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Schnitt aus dem Krebshoden vom August, welcher ein Ei, Spermatogonien und Follikelkerne enthält. Fig. 2. Isolirtes Ei mit einem Kranze von Follikelkernen, schwächer vergrössert. Fig. 5. Einzelne Spermatogonie mit Follikelkern in ihrem Protoplasma. Fig. 4 Acinus mit drei Spermatocysten. Die beiden äusseren ent- halten Spermatocyten, die mittlere Spermatosomen. Schwä- chere Vergrösserung. - Fig. 5. Spermatogonie vor der Mitose mit knäuelförmigem Neben- kern, aus dem Januar. Fig. 6. Hodenbläschen mit zwei Eiern, von denen das eine eine deut- liche Follikelhaut besitzt, Spermatiden und Follikelkernen. Vergrösserung wie in Fig.1. Fig. 7. Polvmorpher Follikelkern, aus dem August. Fig. 8. Segment vom Rande eines Acinus mit zwei Spermatogien und Follikelkernen. Fig. 9. Follikelkern im Zerfall, aus dem December. Fig. 10. Ei aus dem Eierstock eines weiblichen Krebses mit einem Reste der Follikelhaut. Fig. 11. Segment vom gegenüberliegenden Rande von dem auf Fig. 8 abgebildeten Acinus mit einem Ei, einer Spermatogonie, zwei Spermatosomen und drei Follikelkernen. Fig. 12. Frisches Ei vom weiblichen Thiere in gefärbtem Serum mit Follikelhaut. (Aus der entwicklungsgeschichtlichen Abtheilung des anatomischen Institutes zu Breslau.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Zahnanlagen bei Nagethieren. Von Paul Freund, Zahnarzt in Breslau. Hierzu Tafel XXII u. XXIH. Auf Anregung von Prof. Born begann ich im Herbste 1890 die Entwicklungsgeschichte des Gebisses verschiedener Nager von dem Gesichtspunkte aus zu untersuchen, ob sich in der Lücke zwischen den ausgebildeten Zähnen noch Reste von An- lagen ausgefallener Zähne auffinden liessen. Erst als ich einige . darauf bezügliche Funde gemacht hatte, erfuhr ich, dass in einer Arbeit von Pouehet und Chabry!) eine Reihe auf unser Thema bezüglicher Angaben enthalten sind. Ein genauerer, unten fol- gender kritischer Vergleich der Befunde dieser Autoren mit den meinigen wird jedoch zeigen, dass denselben gerade sehr wesent- liche Punkte entgangen sind. Das Gebiss der Nager fällt einerseits durch die starke Re- duktion der Zahl der Zähne auf. Die höchste Zahl finden wir bei den Leporidae mit 28 Zähnen, nämlich 1.2, C.®, M.$, die niedrigste bei den Muridae, bei den meisten 16, nämlich I.4, C.8, M.3, bei Hydromys werden sogar nur 12 Zähne I.4, C.2%, M.3 gezählt. Immer sind die Ineisivi durch eine weite Lücke von den M. resp. Pm. getrennt. Als weitere Be- sonderheiten sind der Mangel des Milchgebisses bei vielen Arten und ferner der Umstand zu betrachten, dass die I. immer, die M. meist zu den immerwachsenden, wurzellosen Zähnen gehören. Von allen Autoren, welche über die Abstammung der Nager sich ausgesprochen haben, wird angenommen, dass dieselben von Formen mit einem reicher und vor Allem vollständiger ausge- 1) G. Pouchet et L. Chabry, Contributions A l’Odontologie des Mammiferes. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. Paris 1884. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 35 526 Paul Freund: statteten Gebisse abstammen, dass also die Reduktion der Zahn- zahl, der Ausfall ganzer Zahnarten, wie der Eckzähne, eine se- eundäre Erscheinung ist, die mit der speciellen Anpassung des Gebisses an besondere, ohne diese Umgestaltung der Zähne kaum verwerthbare Nahrung zusammenhängt. Mit anderen Worten: Die Reduktion der Zahl der I. (im Unterkiefer ist immer nur 1 jederseits vorhanden, im Oberkiefer nur bei den Leporiden 2, sonst auch 1), der Ausfall der Eckzähne und jedenfalls auch eines Theils der Praemolaren steht in Beziehung zur Umgestaltung der restirenden I. zu meisselartigen Nagezähnen, vermittelst deren die Thiere auch sehr feste pflanzliche Nahrungsstoffe, wie Baum- rinden und Körner, von denen die letzteren einen besonders hohen Nährwerth besitzen, verarbeiten können. Dass zur vollen Wirksamkeit der ganzen Anordnung auch die Eigenthümlichkeit des immerwährenden Wachsthums der Nagezähne gehört, ist schon von mehreren Autoren ausgeführt worden. Wie wirksam . diese Gebissform im Kampfe ums Dasein ist, ergiebt sich ohne Weiteres aus dem grossen Artenreichthume des Nagerstammes, der universellen geographischen Verbreitung seiner Vertreter, sowie der eolossalen Individuenzahl innerhalb der einzelnen Arten. Letztere hängt natürlich von der spriehwörtlich gewordenen Fruchtbarkeit der Nager ab, diese steht aber bekanntlich in ge- rader Proportion zu der Leichtigkeit und Ausgiebigkeit des Nah- rungserwerbes. Es ist charakteristisch, dass die schliesslich durch die Gebissformation bedingten Vortheile im Kampfe ums Dasein so gross sind, dass die, Natur auf die Beigabe von anderen Ver- theidigungsmitteln. beinahe ganz verzichtet hat. Die Nager ge- hören zu den wehrlosesten Säugethieren. Wie man sich die Reduktion des Gebisses im Speeiellen zu denken hat, hängt von den Anschauungen ab, die man über die phylogenetische Herleitung der Nager angenommen hat. Solcher Anschauungen sind aber eine ganze Anzahl von verschiedenen Autoren bisher aufgestellt worden. — Die ausführlichste und neueste Behandlung dieses Themas, die sich auf eine eingehende Vergleichung des Gebisses, verschiedener Skelettheile, des Uroge- nitalapparates und der Mammarorgane stützt, rührt von A. Fleischmann her). 1) Embryologische Umtersuchungen von A. Fleischmann, Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 527 Fleischmann ist geneigt, die Nager von Marsupialien- ähnlichen Vorfahren mit einem vollständigen, inseetivoren Gebiss abzuleiten. Die Worte, in denen er im 7. Capitel, genannt „Phylogenetische Skizze“, die Summe seiner Ergebnisse zieht, lauten folgendermaassen: „In der Organisation der Nager sind demgemäss 2 verschiedene Stufen erkennbar, welche für die Ge- schichte der Säugethiere bedeutungsvoll sind. Auf der einen Seite prägen sich manche Eigenthümlichkeiten aus, die auf einer niederen, durch die Marsupialia repräsentirten Stufe funetionell wichtig sind, andererseits schliessen viele Formzustände an den Typus der höheren Placentalier an. Die Nager stehen gleichsam als alte Denkmale einer längst verschwundenen Zeit da und ent- rollen uns das Bild der Umgestaltung, welche vielleicht schon in der Kreide die Protheria zu placentalen Säugethieren erhob. Indessen reichen die jetzt bekannten Thatsachen nicht aus, eine direete Verwandtschaft mit den Beutelthieren zu beweisen. Es Palsstesich nurÖhehaupten, dass Thiererimihrer Oreanıisation dem 'Baue der Marsupialia'sehr ähnlich, die Ahnen der nagenden Säuger waren. Die phylogenetisch bedeutsamen Formen sind nieht in einer Gruppe zusammengedrängt, sondern über alle vier Kreise der Rodentia verstreut. Je nach den uns noch sehr unbekannten speeiellen Lebensbedingungen sind eben einzelne in diesem, andere in jenem Organe eonservativ geblieben.“ Ausserdem möchte ich gerade in Bezug auf unsere Resultate bei Lepus noch den Schlusssatz desselben Fleischmann’schen Capitels hier anführen: „Was die Lagomorpha anlangt, so dünkt mir die von Schlosser begründete Annahme festzustehen, dass sie nicht zu gleicher Zeit, wie die echten Nager, vom Urstamme abgezweigt sind, sondern erst seit verhältnissmässig kurzer Zeit als placentale Nagethiere existiren.“ Im Uebrigen haben die ausgezeichneten Sehlosser’schen!) paläontologischen und allgemeinen Untersuchungen über die Or- Privatdoc. in Erlangen. Il. Heft. A. Die Stammesgeschichte der Nagethiere. 1) M. Schlosser, Die Nager des europäischen Tertiärs nebst Betrachtungen über die Organisation und die geschichtliche Entwick- lung der Nager überhaupt. Cassel 1885. Palaeontographica 31. Band. Dritte Folge 7. Band. 528 Paul Freund: ganisation und die geschichtliche Entwicklung der Nager schon bei Fleischmann eingehende Berücksichtigung gefunden. Es sei noch besonders hervorgehoben, dass, obgleich einzelne der herbivoren Beutler ein dem der Nagethiere äusserst ähn- liches Gebiss besitzen (Phascolomys hat sogar immerwachsende Nagezähne und dabei die Zahnformel I.4 C.2 Pm. + M. 4), Fleischmann sich doch ganz scharf gegen eine direkte Ablei- tung der Nager von diesen Thieren ausspricht. Er sagt: „Die herbivoren Beutler stehen nieht in näherer phylogenetischer Be- ziehung zu den Nagethieren, sondern sind ein eigenartig differen- zirter Zweig der Beutelthiere. Indem ich die Bezahnung ver- schiedener Marsupialia eingehend schilderte, verfolgte ich nur den Zweck klarzustellen, dass die Reduction eines ursprünglich vollständigen Gebisses bei den herbivoren Diprotodontia Einrich- tungen hervorruft, die dem Gebisse der Nagethiere sehr ähnlich sind. Wenn also in einem Stamme der Säugethiere die Ent- stehung eines oberen und unteren Schneidezahnpaares unter Ver- lust der übrigen I. und C. an wirklichen Beispielen erkennbar ist, so ist auch ‘die Annahme wahrscheinlich, dass bei den Vor- fahren der Nager ein ähnlicher Vorgang ein analoges Resultat zeitigte. In der adaptiven Gruppe wäre die Anpassung der Schneidezähne an ihre gesteigerte Aufgabe weiter geschritten, indem die wurzeltragenden I. prismatische Gestalt und perma- nente Regenerationsfähigkeit erreichten.“ Cope!) vertritt eine andere Ansicht. Er leitet die Nager von den Bunotherien, in specie von der Unterordnung Tillodontia her, bei denen bei vollständigerer Bezalmnung eine ausgeprägte, nagezahnähnliche Bildung einzelner I. gefunden wird. Für die Resultate unserer embryologischen Untersuchungen erscheint bemerkenswerth, dass nach dieser Herleitung die grossen Nagezähne der lebenden Rodentia den zweiten 1. ihrer von Cope vermutheten Ahnen entsprechen würden, da bei diesen 1) E. de Cope, The mechanical causes of the development of the hard parts of the Mammalia. Journ. of Morphology Vol. Ill. 1889. Boston. — Die eigentlichen auf unser Thema bezüglichen Original- mittheilungen desselben Autors aus dem American Naturalist 1883/84, sowie aus dem Report U. S. Geol. Surv. Tertiary Vertebrata 1885 waren mir leider nicht zugänglich. Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 529 der erste I. schon rudimentär und klein, und der zweite zum Nagezahn entwickelt ist. Eine vollkommene Sonderstellung nimmt mit seinen Betrach- tungen Baumet) ein. Diese Sonderstellung beruht erstens darauf, dass dieser Autor die immerwachsenden Zähne als die Urform der Sängethier- zähne überhaupt betrachtet wissen will. Er stützt sich bei dieser Annalıme auf die Anschauung, dass die Construction des immer- wachsenden, wurzellosen Zahnes eine relativ einfachere sei. Dabei sei die Organisation soleher Zähne geeignet zur Production eines massenhaften Materials von Zahnsubstanz. Auch diese Eigen- schaft hält Baume für etwas Ursprüngliches, da in der ganzen Thierreihe das Gesetz einer fortschreitenden Reduction der Zahn- substanzbildung erkennbar wäre. Ausserdem gehören Thiere mit immerwachsenden Zähnen mit Ausnahme der Rodentia nach Baume alten Formgruppen an, deren noch lebende Vertreter vielleicht auf dem Aussterbeetat stehen. Es ist klar, dass durch die Baume sche Annahme eine Schwierigkeit umgangen wird, die in Folgendem besteht: Wenn man .die immerwachsenden wurzellosen Zähne von Wurzelzähnen mit beschränktem Wachs- thum herleitet, so ist man gezwungen, eine Wiederholung des- selben Vorgangs (Convergenzerscheinung) bei Vertretern aus den verschiedensten Familien, die direkt mit einander gar nichts zu thun haben, anzunehmen; denn nach Baume finden sich immer- wachsende Zähne „in bunter Reihe bei den Carnivoren, Ce- taceen, Prosimien, Multungulen, Sirenien, Ruminantien, Rodentien und Marsupialien. Sie sind, wie aus obiger Zusammenstellung hervorgeht, sehr verbreitet, aber auch sehr verzettelt, wenn man die Verwandtschaft im Auge behält. Die verschiedenen Vertreter stehen vielfach veremzelt da“. Mahn?) und Fleisehmann haben sich gegen die Rich- tigkeit der Baume schen Annahmen unter Anführung gewichtiger Gegengründe ausgesprochen. Uebrigens hängt diese Baume sche Anschauung mit den < 1) R. Baume, Odontologische Forschungen Theil I. Versuch einer Entwicklungsgeschichte des Gebisses. Leipzig 1882. 2) R. Mahn, Bau und Entwicklung der Molaren bei Mus und Arvicola. Morphol. Jahrb. Bd. XVI, Heft 4. 530 PaulEreund: anderen von diesem Autor vertretenen eigenthümlichen Ansichten zusammen, von denen die hervorragendste die ist, dass Baume das Milchgebiss nicht für eine besondere Dentition gehalten wissen will. Bei den Säugern gäbe es demnach nur einen Schein- diphyodontismus. Die Milchzähne gehörten in dieselbe Reihe wie die bleibenden, es wären nur schwächere Zähne, welche sich rascher entwickeln. Die stärkeren (bleibenden) Zähne entwickeln sich nach B. langsamer, verdrängen aber dann die rasch ent- wickelten schwachen Zähne (Milchzähne). Es ist hier nieht der Ort genauer auszuführen, auf welche vergleichenden und ent- wicklungsgeschichtlichen Thatsachen Baume seine Auffassung stützt. Auf die ontogenetischen Befunde Baum es habe ich mich im speciellen Theile noch gelegentlich zu beziehen. Jedenfalls schliesst sich auch Baume allen übrigen Autoren in der An- nahme an, dass die Bezahnung der Rodentia durch Reduetion aus einem reicheren und vollständigeren Gebisse entstanden sei. Wie hochgradig man sich die Reduetion zu denken hat, ergiebt ein Vergleich des vorhandenen Zahnmaterials der Nager mit der Grundform des Gebisses der Eutheria, wie sie Schlos- ser!) nach Oldfield Thomas schematisch darstellt. Danach hätten die Vorfahren der Placentalen noch 5 Ineisivi, einen Caninus, 4 Praemolares und 4 Molares besessen, wobei freilich zu bemerken ist, dass ein derartiger Reichthum wohl bei keiner recenten oder bekannten fossilen Form sich verwirklicht findet. In wie weit lassen sich nun Spuren des Reduetionsvorgangs, Reste der verschwundenen Zähne bei den Nagethieren noch embryologisch nachweisen ? Diese unsere Fragestellung gliedert sich naturgemäss weiter- hin in folgender dreifacher Weise, wobei jede Frage für den Oberkiefer und den Unterkiefer gesondert untersucht werden muss: 1) Da, mit Ausnahme des Zwischenkiefers der Leporiden (wo 2 Zähne vorhanden sind), die reeenten Rodentia nur 11. besitzen, so stellt sich die Frage: Sind Reste der verschwundenen übrigen I. embryologisch nachweisbar ? Hierbei ist namentlich in Hinsicht auf die oben eitirten Cope’schen Anschauungene die Stellung etwaiger embryonaler Rudimente zu dem grossen 1) M. Schlosser, Ueber die Deutung des Milchgebisses der Säugethiere. Biolog. Centralbl. Bd.X. Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 531 Nagezahn zu berücksichtigen. Stehen die Rudimente einwärts oder auswärts vom Nagezahn ? Ist der letzere demnach als I.,, oder als I., aufzufassen ? 2) Finden sich in der Lücke Reste von Zahnanlagen ? Diese Frage eliedert sich nach den 3 Stadien, die man bei der embryonalen Entwicklung der Zähne beobachtet, in 3 Unter- fragen: a) Trifft man in der Lücke nur eine Zahnleiste an ? b) Wenn eine solche vorhanden ist, werden an derselben Schmelzorgane gebildet ? ec) Wird innerhalb der Schmelzorgane Email und von der Papille Dentin produeirt ? Dabei fügt sich hier wieder die Zusatzfrage an, falls b und ec zu bejahen sind: Schliessen sich die beobachteten Zahnanlagen den I. oder den Praemolaren an, oder kommt beides vor ? 3) Da in der Reihe der Nager die Zahl der Backzähne von 6 (Lepus im Oberkiefer) bis auf 3 bei den Muriden (bei Hydromys sogar auf 2) sinkt, wäre bei Nagern mit redueirter Backzahnzahl auch nach den Resten der verlorenen Backzähne zu suchen. Es ist klar, dass diese Aufgabe zum Theil mit der einen Unterabtheilung der vorigen Frage zusammenfallen kann (Rudi- ment am hinteren Ende der Lücke). Ich will gleich hervorheben, dass ich dieser dritten Frage in dieser Arbeit keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. Da die Entwicklung der Back- zähne bei den Muriden unter Fleischmann ’'s Leitung einer eingehenden Bearbeitung von Mahn unterzogen worden ist, bei dem sich keine Angaben über Rudimente der verschwun- denen Backzähne vorfinden, die doch diesem Autor sicher nicht entgangen wären, so erscheint eine derartige Untersuchung auch von vornherein wenig aussichtsvoll. Das von mir untersuchte Material stammt von Embryonen von Lepus cunieulus, Sciurus vulgaris, Cavia, cobaya, Cricetus frumentarius, Mus decumanus und Mus museulus. Die Methoden bestanden in der Anfertigung von contimuirlichen Schnittserien durch die Köpfe der Embryonen nach bekannten Vorschriften. Im Speciellen habe ich mich an die von Prof. Born!) im ana- 1) G. Born, Zeitschrift für wissenschaftlicke Mikroskopie Bd. V. Braunschweig 1888. 532 BaııRme und: tomischen Institute zu Breslau eingeführte Technik angelehnt, wie er dieselbe in seinem Aufsatze „Noch einmal die Plattenmodellir- methode“ beschrieben hat. Von den wiehtigsten Stadien wurden Plattenmodelle ange- fertigt. Naturgemäss enthielten dieselben die epithelialen Zahn- anlagen, sowie das Mundhöhlenepithel, von dem sie ausgegangen waren; ganz ähnlich ist offenbar Mahn l. e. verfahren. Ich will die beiden Arten vorausstellen, bei deren Unter- suchung sich positive Resultate ergeben haben, d. i. Lepus und Seiurus. Die übrigen Formen, bei denen im Sinne unserer Frage- stellung nichts gefunden wurde, sind danach mit wenigen Worten zu erledigen. Lepus. Für diese Form liegen bei Pouchet und Chabry l. ce. eine Reihe von Angaben vor, die ich hier anführen muss, da ich die- selben theils zu bestätigen, theils zu ergänzen, theils zu wider- legen habe. Die französischen Autoren bestätigen die älteren Beobachtungen, dass im Zwischenkiefer des Kaninchens jederseits 3 grössere I., die aber nicht neben, sondern hinter einander stehen, gebildet werden. Die zweiten davon sind hmfällig und fallen kurz vor oder kurz nach der Geburt aus. Die I.,’) werden viel später gebildet als I., und I... — Aus eigener Erfahrung habe ich diesen Angaben nichts hinzuzufügen, da die Anlage des 1, (des bleibenden I.,) bei dem grössten von mir untersuchten Embryo (10 em Gesammtlänge) nur wenig weiter entwickelt war, als bei dem Embryo, von dem die Figur 20 der französischen Autoren stammt. Es war ein kolbiges, nur durch eine ganz flache Papille eingedrücktes Schmelzorgan als Anlage dieses Zahnes ventralwärts und nach hinten von dem stark entwickelten hinfälligen I., vorhanden. I., und I., liegen, wie Pouchet und Chabry angeben, in einer und derselben Alveole. Wie Fleischmann sich auf Querschnitten überzeugte, sind die Id, schmelzkronige Zähne mit 2 Dentinwurzeln. 1) Ber Bequemlichkeit wegen ist hier und im Folgenden Id., (nach der gebräuchlichen Nomenklatur) kurz als I.;z und der bleibende I., als I., bezeichnet. Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 533 Im Unterkiefer wird nur ein grosser I. angelegt. Ausserdem haben aber Pouchet und Chabry 2 neue hinfällige Zähnchen bei Lepus entdeckt, die in beiden Kiefern vor den grossen I., liegen. Diese Zähne fanden sie bei Embryonen von 285—45 mm Länge und zwar in einem rudimentären Zustande, für den man kein Analogon bei anderen Wirbelthieren kennt. Die Beschreibung ihres Fundes lautet in abgekürzter Form etwa folgendermaassen: „Bei Embryonen von 28-—45 mm Gesammtlänge und etwas darüber findet sich vor dem schön ausgebildeten Schmelzorgane des grossen Ineisivus mit der voderen Fläche des letzeren direkt zusammenhängend eme epitheliale Masse, die in einer nach aussen ganz abgeschlossenen Höhle ein fmgerhutförmiges Dentinzähnchen enthält. Auf der Oberfläche desselben stehen direkt die innersten eylindrischen Zellen des Epithelsacks. Die Pulpahöhle des Zähn- chens ist mit emigen Blutkörperchen und embryonalen Zellen angefüllt. Das Schmelzorgan dieses Dentinzähnchens (denn als nichts anderes ist der Epithelsack anzusprechen) zeichnet sich nach den französischen Autoren einmal durch seine eompakte Textur (es fehlt die Schmelzpulpa), sowie dadurch aus, dass dasselbe das Zähnchen vollkommen umschliesst. Das Schmelzorgan hängt durch einen Epithelstrang mit der hinteren Seite und dem unteren Rande der eingesenkten Epithelmauer (mur plongeant) zusammen. (Als solche bezeichnen diese Autoren die eingesenkten Epithel- massen, welche sich an der Stelle der zukünftigen Rinne zwischen Lippe und Alveolarrand bei vielen Embryonen finden. Aufge- lagerte Epithelmassen, die die Autoren als mur saillant bezeich nen, entsprechen ungefähr den Verdickungen des Mundhöhlen- epithels am Kieferrande, die von den Deutschen als Kieferwall bezeiehnet werden.) — Unser Dentinzähnchen verschwindet lange vor der Geburt, sei es, dass es resorbirt wird, sei es, dass es ausfällt. Auch das Schmelzorgan des grossen I. hängt nach Chabry und Pouchet durch einen Epithelstrang mit der mur plongeant zusammen, aber mit dem hinteren ‚und oberen Rande der letzteren. Ein ähnliches Rudimentärzähnchen im Oberkiefer finden Chabry und Pouchet erst bei Embryonen von 32—40 mm Länge. „Es liegt unmittelbar vor dem grossen Ineisivus und seine Spitze erscheint inmitten des Epithels der mur plongeant“ (Fig. 21). Die Jüngsten Stadien, die ich eingehend untersuchen konnte, bR2: Pan Ere und: betrafen Embryonen von Lepus euniculus von 9 mm Kopflänge und 15 mm Gesammtlänge. Von jüngeren hat mir nur die _ Sehnittserie von einem Embryo von 6 mm Kopflänge vorgelegen. Da dieselbe nur die Zahnleiste, und zwar, wie es scheint, im Oberkiefer eontinuirlich, im Unterkiefer dagegen hinter der Ge- send der Ineisivi unterbrochen zeigt, während Schmelzorgane noch gar nicht vorhanden sind, will ich mir die Untersuchung dieser jüngsten Stadien auf eine Zeit aufsparen, wo mir reich- licheres Material zur Verfügung steht. Ich behandle zuerst die Gegend der I. bei Embryonen, deren Kopflänge etwas mehr oder etwas weniger, als 1.em be- trägt. Die Steissscheitellänge derselben, em aus leicht begreif- lichen Gründen viel variableres Maass, schwankte zwischen 11/, bis 3 em. Figur 13 gibt ein Bild des Modells, das ich mir vom Mundhöhlenepithel mit den Oberkieferzahnanlagen der reehten Seite eines Embryo von 0,9 em Kopflänge und 2,1 em Gesammt- länge angefertigt habe, das Modell ist von oben und etwas von aussen gesehen; ein zweites Modell mit den Anlagen der I. im Ober- und Unterkiefer von einem ungefähr eben so grossen Thiere habe ich nicht abgebildet. Im Unterkiefer ist das von Chabry und Pouchet ent- deekte Rudimentärzähnehen zu sehen. Eine deutliche Anschauung von demselben liefert Figur 1. Aus derselben ergibt sich, dass das Sehmelzorgan des Zähnehens nicht allseitig geschlossen, wie Chabry und Pouchet behaupten, sondern an der unteren Seite offen ist. Dureh die Oeffnung tritt eine reichkernige Pulpa in das Innere des Zähmehens ein. Die Mitte der Pulpa wird von einem weiten Blutgefäss eingenommen, die peripheren Zellen derselben bilden eine schöne Odontoblastenschieht, welche sehon ein solides, hakenförmiges Dentinkäppcehen abgesondert hat. Letzteres hat sich an dem der Zeichnung zu Grunde liegenden Präparate ein wenig von dem wohl ausgebildeten Schmelzepithel zurückgezogen. Kurz, es ist, abgesehen von dem mangelnden Sehmelz, ein reeht typisches Bild einer kleinen Zahnanlage, wie man es sonst bei niederen Wirbelthieren zu finden gewohnt ist. Der Verbindungsstrang, welcher das Schmelzorgan des Rudimen- tärzähnchens mit dem Mundhöhlenepithel verbindet, reicht mit dem vorderen Ende in der That, wie die Franzosen angeben, bis zum hinteren Umfang der hier erst wenig ausgebildeten mur Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 535 plongeant. Weiter nach hinten geht dieser Verbindungsstrang aber, wie die Figur 1 zeigt, von dem unverdiekten Mundhöhlen- epithel aus. Ferner sieht man an der Figur einen starken epithe- lialen Vorsprung, der nach innen gerichtet ist, von der Stelle abgehen, wo der Verbindungsstrang in die eigentliche Schmelz- glocke übergeht. Dies Bild wiederholt sich mehr oder minder aus- geprägt an jedem Schnitte. Nach der gebräuchlichen Auffassung wäre die Strecke von a—ß im Figur 1 als „Zahnleiste“ anzu- sehen, an deren Aussenseite dieht über dem Ende ohne Hals das Schmelzorgan des Rudimentärzähnchens ansässe. Ob diese Art der Auffassung hier richtig ist, kann erst das Studium Jjün- gerer Stadien, das ich mir vorbehalte, zeigen. Mit der Hinter- seite des Schmelzorgans des Rudimentärzähnchens hängt nun das Schmelzorgan des grossen Unterkiefer-Ineisivus direkt zusammen; ebenso verlängert sich der Verbindungsstrang des Schmelzorgans des Rudimentärzähnchens mit dem Mundhöhlenepithel nach hinten direkt in den gleichen Verbindungsstrang des Schmelzorgans des grossen Ineisivus. Wenn man diesen Strang, wie oben ange- deutet, als Zahnleiste auffasst, so wäre diese Continuität der Zahnleiste von einem Schmelzorgan zum anderen nichts Unge- wöhnliches, im Gegentheil sie entspricht der allgemeinen Regel. Ungewöhnlich aber ist der direkte Zusammenhang zweier Schmelz- organe, wie ihn übrigens auch Figur 19 (Längsschnitt) von Pouchet und Chabry sehr deutlich zeigt. Das Schmelzorgan des bleibenden Ineisivus befindet sich noch auf einem sehr nie- deren Zustande der Entwieklung. Es ist eme klumpige Epithel- masse, die auf der hinteren Seite etwas abgeflacht und eingedellt erscheint. Diese flache Delle vertieft sich späterhin zu der nach hinten offenen Glocke des Schmelzorgans. Es ist in der Anlage des grossen Ineisivus noch keime Spur von Zahnsubstanz ent- wickelt. Hinter dem grossen I. hört die Zahnleiste im Unterkiefer vollständig auf. Man findet, um dies gleich vorweg zu nehmen, in diesem, wie in allen folgenden Stadien bei Lepus von dem Ineisivus bis zu den Backzähnen im Unterkiefer eine vollständige Lücke, in der niemals deutliche Reste einer Zahnleiste zu sehen sind. Nun zu den Ineisiven des Zwischenkiefers bei Kaninchen- embryonen von etwa 1 cm Kopflänge (vergl. Fig. 13). Entgegen den Angaben von Chabry und Pouchet findet sich das Rudi- 536 Para Rnre unde mentärzähnehen im Zwischenkiefer auch schon bei Embryonen von 1 em Kopflängen und ca. 2 cm Gesammtlänge vollkommen ausgebildet. Dasselbe sitzt, wie Figur 13 zeigt, dieht hinter der noch wenig ausgebildeten mur plongeant so am Mundhöhlen- epithel an, dass ein besonderer Verbindungsstrang seines Schmelz- organs mit dem letzteren nieht zu constatiren ist.. Das Schmelz- organ ist länger, als am Unterkiefer; die Längsaxe erscheint schräg nach oben und aussen gerichtet. An dem oberen Ende findet sich, ein wenig nach vorn verschoben, die sehr enge, von aufgewulsteten Rändern umgebene Oeffnung, die ins Innere der Pulpahöhle führt. Das solide Dentinzähnchen ist eben so schön entwickelt, wie im Unterkiefer. Die ab- gerundete Kuppe des sehr langen Zähnchens ist in Folge des Fehlens eimes besonderen Verbindungsstranges nur durch we- nige Zelllagen von der Oberfläche des Mundhöhlenepithels getrennt. Auch im Oberkiefer schliesst sich an das Schmelz- organ des Rudimentärzähnchens continwirlich ‘das des grossen Ineisivus an. An dem Modell erkennt man leicht die eigenthüm- lichen Verhältnisse, welche die Befestigung des ersten grossen Nagezahnes am Mundhöhlenepithel darbietet, Verhältnisse, die sich aus den Schnittbildern kaum verstehen lassen und denen man auch in der Beschreibung nur schwierig gerecht werden kann (auch in der Abbildung sind dieselben nur unvollkommen zu sehen). Das Dach der Mundhöhle macht nämlich hinter der Stelle, an der das Schmelzorgan des grossen Nagezahns ansitzt, eine stufenförmige Ausbiegung nach unten. (Eine ähnliche Stufe folgt weiter hinten an der Stelle, an der das Scehmelzorgan des I., ansitzt.) Ausserdem hat der Verbindungsstrang des Schmelz- organs des grossen Nagezahns eine eigenthümliche Form. Er besteht nämlich aus zwei Platten, einer quergestellten, deren Vorderseite, wie der grösste Theil des Schmelzorgans des I., selbst, mit dem Schmelzorgan des Rudimentärzähnchens verwachsen ist, und emer am Innenrande dieser rechtwinklig angefügten sagittalen Platte, die sich nach hinten bis zum Schmelzorgan des I., verlängert. Bei diesem wiederholen sich dieselben Verhält- nisse. Man kann sich auch so ausdrücken, dass man sagt, die Verbindungsstränge, welche die Schmelzorgane des L, und I., mit dem Mundhöhlenepithel verbinden, sind von der hinteren Seite und etwas von innen her ausgehöhlt. Der Verbindungs- “ Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 537 strang des ersten I. ist vorm mit dem Schmelzorgan des Rudi- mentärzähnchens verwachsen und geht nach hinten in den Ver- bindungsstrang des I., über, während letzterer sich nach hinten in die Zahnleiste der Lücke wie wir sehen werden, verlängert. Zusammen mit den Stufen gibt das, wie gesagt, recht complieirte Bilder. Festzuhalten ist, dass die Schmelzorgane des l., und des Rudimentärzähnchens direkt zusammenhängen, während I., und I., dureh eine Bildung verbunden sind, die wohl als Zahnleiste anzusprechen ist. Die Epithelmasse des Schmelzorgans des I., selbst ist klumpig und von der hinteren oberen Seite etwas ab- geflacht und eingedrückt. Die Ränder dieser Delle erheben sich später stärker und bilden sich so zu der charakteristischen Glockenform aus. Das Schmelzorgan des I., befindet sich, wie Fig. 13 zeigt, in einem noch viel unentwickelteren Zustande. Wir wollen hier gleich die Veränderungen in der Gegend der Ineisivi bei späteren Stadien anschliessen. Da ist Folgendes für den Unterkiefer zu bemerken. Die eingesenkte Epithelmauer (mur plongeant), welche die spätere Rinne zwischen Lippe und Alveolarrand bezeichnet, bildet sich viel stärker und weiter nach hinten aus. Auf den vordersten Schnitten erscheint sie als eine zweizipfelige, tief eingesenkte Epithelmasse, welche das vordere Ende der Meckel’schen Knorpel und die denselben aufliegenden Deekknochen gewissermassen einscheidet. An der Innenseite der Epithelmasse sitzt der gemeinschaftliche Verbindungsstrang der Schmelzorgane des Rudimentärzähnchens und des grossen I. an. Letzteres nimmt schon bei Embryonen von 1!/, em Kopflänge und etwa 4 cm Steissscheitellänge in der oben angedeuteten Weise die bekannte Glockenform an. Da diese nach hinten colossal ausgedehnte Glocke. innerhalb deren sich im der gewöhnlichen Weise der Zahn ausbildet, an Masse bei weitem überwiegt, so gewinnt es jetzt das Ansehen, als steckte das Rudimentärzähnchen mit seiner Spitze in dem Verbindungsstrang dieser grossen Glocke mit dem Mundhöhlenepithel, während nur das untere Ende des Zähnchens, umgeben von seinem Schmelzorgan vor der grossen Glocke frei in die Tiefe ragt. Es sind jetzt also ähnliche Ver- hältnisse vorhanden, wie sie Fig. 14 vom Eichhörnchen zeigt. Das Rudimentärzäbnchen bleibt zwar im Wachsthum weit hinter dem grossen I. zurück, es ist aber doch bei älteren Thieren, z. B. bei Kaninchen von etwa 2!/, em Kopflänge und ca. T cm Gesammt- 538 PaulFreund: länge im Vergleich zu den jüngeren Stadien entschieden ge- wachsen. Seine Pulpahöhle ist niemals nach aussen abge- ‘schlossen, wie Chabry und Pouchet angeben, sondern steht immer mit dem umliegenden Mesoderm, freilich nieht in der einfachen Weise, wie in Figur 1, im Zusammenhang. Bei grös- seren Kaninchen erscheint das Rudimentärzähnchen entschieden verkleinert, wie in Resorption begriffen. Bei noch späteren Stadien konnte ich nichts mehr davon auffinden, ohne dass ich über die Art seines Unterganges etwas Sicheres auszusagen ver- möchte, so wenig wie dies Chabry und Pouchet imstande waren. Im Zwischenkiefer sind die Veränderungen ganz ähnliche, wie im Unterkiefer. Es bildet sich eine starke eingesenkte Epithelmauer aus, die die Gegend der späteren Spalte zwischen den beiden Lippenhälften und dem vorderen Kieferende be- zeichnet. Sie erscheint in Folge dessen auf den vordersten Schnitten einfach, weiter rückwärts zweizipflig. Die eine Hälfte derselben ist im Fig. 2 und ein Längssehnitt von ihr in dem Combinationsbilde Fig. 3 zu sehen. In dieser colossalen Epi- thelmasse verschwindet die vordere Stufe am Mundhöhlendach, wie sie oben bei dem jüngeren Stadium beschrieben wurde, voll- ständig. An der Innenseite des Seitenzipfels dieser Epithelmasse sitzt, wie Fig. 2 zeigt, das Schmelzorgan des Rudimentär- zähnchens an (Fig. 2 gehörte einer Serie durch den Kopf eines Kaninchenembryo von 5,1 em Gesammtlänge und 2,3 em Kopf- länge an). Das Schmelzorgan des ersten Ineisivus wächst zu einer nach hinten offenen, ungeheuren Glocke aus und gemäss den vorher dargestellten Verhältnissen (vergl. Fig. 2 und 13) scheint nun das Rudimentärzähnchen in dem Verbindungsstrange dieser Glocke mit der mur plongeant zu liegen. Durch die Ent- wieklung der mur plongeant ist die Spitze des Zähnchens na- türlich weit in die Tiefe gerückt. Das Combinationsbild Fig. 3, das nach Längsschnitten durch den Kopf eines Kaninchen- embryo von gleicher Grösse, wie der von Fig. 2, hergestellt ist, zeigt diese Verhältnisse vielleieht am deutlichsten. Die histologischen Verhältnisse des Rudimentärzähnchens sind in Fig. 2 zu erkennen; der Dentinmantel desselben erscheint in Fig. 2 an der Aussenseite durchbrochen. Der Zusammenhang der Pulpa mit dem Mesoderm findet durch diesen Durchbruch Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 539 aber nieht auf geradem Wege, sondern in sehr eomplieirter Weise statt, indem das Schmelzorgan von Bindegewebszügen ‘wie zer- klüftet erscheint, Verhältnisse, deren detaillirte Schilderung an einen andern Ort gehört. Ebenso wenig will ich auf die histo- logischen Verhältnisse an dem Schmelzorgan des grossen Nage- zahns eingehen. Es sei nur wieder auf Fig. 2 verwiesen, die das eigenthümliche Eindringen von Gefässsprossen in die äussere Flächen des Schmelzorgans, mit der sieh schon so viele Forscher beschäftigt haben, einigermassen demonstrirt. Das Rudimentär- zähnchen des Zwischenkiefers bleibt ungefähr ebenso lange er- halten, wie das des Unterkiefers. Ueber die Art und Weise seines Verschwindens vermag ich vorläufig nichts auszusagen. Bei Embryonen von 4!/, em Gesammtlänge und 1,7 em Kopflänge war die Zahnleiste zwischen dem ersten und zweiten I. noch vorhanden, freilich fast nirgends mehr im Zusammenhang mit dem Mundhöhlenepithel. Das Schmelzorgan des I., hatte deutliche Glockenform angenommen. In einer älteren Serie war die Zahn- leiste zwischen den zwei grossen I. schon vollkommen verschwun- den, doch war an dem betreffenden Modell noch die Stufe am Mundhöhlendach zu sehen, an deren Vorderrande früher der Ver- bindungstrang des Schmelzorgans von I., mit der Mundhöhle ansass und wohl als Rest dieser Verbindung em wenig in’s Bindegewebe einragender Epithelvorsprung. Während ich bisher in der Lage war, die Angaben von Chabry und Pouchet in Bezug auf die Zahnentwieklung des Kaninchens bis auf unwesentliche Modificationen zu bestätigen, bin ich in Betreff der Lücke im Oberkiefer zu ganz anderen Resultaten gelangt, als die französischen Autoren. Diese behaup- ten, die Zahnleiste sei in beiden Kiefern in der Lücke beim Kaninchen vollkommen unterbrochen. Für den Unterkiefer kann ich, wie oben erwähnt, diese Angabe bestätigen. Im Oberkiefer dagegen finde ich schon bei den jüngsten von mir untersuchten Stadien (etwa 1 em Kopflänge, 2—3 em Gesammtlänge) in der ganzen Länge der Lücke von den Schneidezahnanlagen bis zu den Backzahnanlagen die Zahnleiste in typischer Ausbildung. Fig. 13 gibt davon ein gutes Bild. Die Zahnleiste sitzt genau an der- selben Stelle, wo sie bei Säugern mit vollkommener Bezahnung gefunden wird, d. h. einwärts von der Furche, mit der das an- nähernd horizontale Mundhöhlendach in die senkrechte Wangen- 540 PaulFreund: schleimhaut umbiegt. Die Stelle, an der die Zahnleiste festsitzt, ist m der Gegend der Lücke, wie in der Gegend der Backzahn- “ anlagen etwas vertieft, namentlich gegen eine nach innen von ihr gelegene Vorwölbung der Gaumenfläche (Kieferwall?). Es ist vielleicht zweekmässig ausser den Massangaben, das Stadium, in welehem sich die Leiste in voller Entwicklung findet, noch anderweitig zu charakterisiren. Es ist das Stadium des eben beendeten Gaumenschlusses, bei welchem man in der senkrechten Gaumennaht noch deutliche Epithelreste, in der horizontalen Gaumennaht (zwischen Nasenseptum und Gaumenplatte) noch eine charakteristische Anordnung der Bindegewebselemente findet, wo- mit aber keineswegs gesagt sein soll, dass die Epithelleiste sieh nieht sehon vor diesem Stadium bei offener Gaumenspalte und nachher bei verschwundener Gaumennaht vorfände Für beide Fälle liegen mir ausreichende Beläge in meinen Serien vor. Ich wollte nur das Stadium, in welchem sie mir am höchsten entwiekelt schien, charakterisiren. Die Epithelleiste beginnt vorn sehr niedrig und unscheimbar, wie es auch das Modell I wieder- gibt, im Zusammenhang mit dem Schmelzorgan des I... In der Gegend des Stenson’schen Canals ist sie mitunter so, unansehn- lich, dass man Mühe hat, sie wahrzunehmen. Hinter demselben wird sie rasch höher und erreicht ihre grösste Höhe beim Ueber- gang in die Backzahnanlagen. Auf den Schnitten präsentirt sie sieh als ein Epithelstrang, der vom Mundhöhlenepithel aus, etwas schräg nach innen geneigt, in das Mesoderm eingesenkt ist. In der Nähe des Mundhöhlenepithels erscheint er schmal, nur zwei sehr niedrige Zellreihen breit; das eingesenkte Ende ist knopf- förmig verdiekt, theils durch Höherwerden der peripheren Zellen, theils dureh Einschaltung mehrerer Zellen im Innern desselben. Natürlich variiren Form und Maasse sehr erheblich nach der Sehnittrichtung und anderen zufälligen Umständen. Fig. 4 gibt das Bild der Epithelleiste aus einer Serie, wo sie besonders breit erscheint. In ‘den anderen Serien sieht sie erheblich schlanker und länger aus. An dem abgebildeten Schnitte (Fig. 4) beträgt die Länge der Epitheleinsenkung etwa 100 u, die Breite des dieken Endes etwa 60 „, die Breite des verschmälerten Halses 30 u. An der Serie, nach welcher Modell Fig. 13 gear- beitet ist, beträgt die Höhe der Epithelleiste ungefähr in der Mitte ihrer Länge beinahe 120 a, die Breite am verdickten Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 541 Ende nur etwas über 20 « und am verschmälerten Halse nur etwa 10 u. Schon bei einem Embryo von 11 mm Kopflänge und 34 mm Gesammtlänge, viel deutlicher aber und viel ausgedehnter bei einem älteren von 17 mm Kopflänge und 44 mm Gesammtlänge zeigt die Zahnleiste in der Lücke eime bemerkenswerthe Ver- änderung. Zuerst nur in beschränkter Ausdehnung, bei dem älteren Embryo aber beinahe in ihrer ganzen Länge, zeigt sich der Hals der Epithelleiste vom Mesoderm durchbrochen. Die Bilder sind dabei ganz ähnliche, wie an anderen Stellen, wo ein Epithelzug vom angrenzenden Bindegewebe verdrängt wird. Der Durehbruch betrifft mitunter nur das Stück unterhalb des knopf- förmigen Endes, so dass am Mundhöhlenepithel ein kleiner Zapfen ansitzt, dem Bindegewebe folgt, wobei man an der Anordnung der Zellen des letzteren noch häufig die Richtung des verschwundenen Epithelstranges verfolgen kann. In der Tiefe sieht man dann das abgelöste verdiekte Ende als einen mit Epithelzellen angefüllten Kreis, der sich, wie andere derart im Rückgang begriffene Epithel- reste, dadurch auszeichnet, dass er Carmin sehr stark annimmt und daher dunkelroth gefärbt erscheint. Es ist klar, dass dies derselbe Vorgang ist, den die Zahnleiste auch bei vollzähnigen Säugethieren erleidet, nachdem sich an ihr die Schmelzorgane gebildet und von ihr abgeschnürt haben. Die Zahnleiste in der Lücke beim Kaninchen geht aber zu Grunde, ohne jemals Sehmelz- organe gebildet zu haben. Bei einem Kaninehenembryo von 23 mm Kopflänge und 5l mm Gesammtlänge ist im vorderen Theil der Lücke jede Spur der Leiste verschwunden, im hinteren Theile hingegen, in der Nähe der Backzähne, taucht in jedem Schnitte an derselben Stelle in dem Bindegewebe des Gaumens ein kleiner rother Kreis auf, den ich geneigt bin für den letzten Rest der Zahnleiste zu halten. Meine Gründe dafür sind folgende: Erstens findet er sich in dem hinteren Theil der Lücke in jedem Schnitte an derselben Stelle, und zwar entspricht diese Stelle, so viel ich sehen kann, der, an weleher in jüngeren Stadien .die Epithelleiste. gefunden wird. Zweitens geht häufig von dem rothen Punkte aus im Bindegewebe eine Art Narbenstrang zum Mundhöhlenepithel, d. h. ein heller Streif, in welehem sich wenig oder gar keine Kerne finden, während an den Rändern desselben die Kerne dieht gedrängt stehen. Drittens lässt sich der Epithel- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 36 542 Paul Freund: kreis bis an die Zahnleiste des ersten Praemolaris verfolgen, ohne dass ich einen direkten Zusammenhang vollkommen sicher zu behaupten vermöchte. Ist meine Auffassung richtig, so würde sich daraus ergeben, dass die Zahnleiste in der Lücke beim Kaninchen in der Richtung von vorn nach hinten verschwindet. Ueber die Backzahnanlagen von Lepus eunieulus habe ich nichts Besonderes zu melden. Man sieht im Fig. 13 erst drei und diese noch in sehr unentwickeltem Zustande: Die Schmelz- organe haben .die Form von flachen Schalen. Ein anderes Modell, das hier nieht abgebildet ist (nach einer Längssehnittserie durch einen Kopf eines Kaninchenembryo von 5,1 em Gesammtlänge und 2,3 cm Kopflänge angefertigt), zeigt 5 Backzahnanlagen. An der zweiten und dritten findet man die charakteristische Glocken- form mit den gegen die Pulpa gerichteten Vorsprüngen. No. 1 und No. 4 sind weniger weit entwickelt, die fünfte Anlage prä- sentirt sich in Form einer knopfförmigen, hur ganz, flach ein- gedellten Epithelverdiekung am hinteren Ende der Zahnleiste. Seiurus. Von dieser, wie sich herausstellte, sehr interessanten Form gelang es mir trotz eines erheblichen Aufwandes von Mühe und Unkosten nur eine volle Tracht mit 7 Embryonen zu bekommen. Ich behalte mir aber die Bearbeitung älterer und jüngerer Stadien vor, da ich wenigstens den Weg kennen gelernt habe, auf dem man im nächsten Jahre mit Sicherheit solche zu erlangen vermag. Zum Glücke entspricht das mir vorliegende Stadium ziemlich genau dem, auf welches sich die hauptsächlichsten Angaben von Chabry und Pouchet beziehen. Da ich von diesen sehr er- heblich abweiche, so seien die etwas schwierig verständlichen Angaben der französischen Autoren hier resümirt. Die Worte von Chabry und Pouchet lauten: „Die Zahnleiste beginnt im Oberkiefer im Niveau der I. und verlängert sich bis jenseits der Molaren were...» 3 Vor den Stenson’schen Gängen fehlt die Zahnleiste vollständig ........ Im Unterkiefer ist die Zahnleiste in der ganzen Ausdehnung der Lücke continuirlich.“ Nun folgt ein Satz, der nach dem vorausgeschickten nicht vollkommen verständlich erscheint. Er lautet: „Die Zahnleiste Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 543 wird also bei allen Nagern, die wir studirt haben, von 2 Hälften gebildet, die sich in der Mitte nicht vereinigen. Beim Eichhörn- chen im Speeciellen entstehen die I. von derselben Epithelein- stülpung (involution), wie die Backzähne.“ Nach dem Vorausgesagten wäre dies nur für den Unter- kiefer richtig. Denn im Oberkiefer soll die Zahnleiste ja vor den Stenson’schen Canälen vollständig fehlen. Nach der Figurenerklärung beziehen sich die Angaben von Chabry und Pouchet auf Embryonen von 4 em «Länge. Die von mir bearbeiteten Embryonen hatten 2 em: Kopflänge und 4,7 cm Gesammtlänge, waren also nur wenig grösser, als die der französischen Autoren. Ich habe Folgendes gefunden: 1) Das Eichhörnchen besitzt, wie das Kaninchen, vor dem grossen Nagezahn ein Rudimentärzähnchen, das von Chabry und Pouchet übersehen worden zu sein scheint. 2) In der Lücke zwischen I. und M. findet sieh am Unter- kiefer nur eine ganz kurze Strecke weit, etwa in der Ausdehnung, wie es in Fig. 15 zu sehen ist, in der Fortsetzung der Zahn- leiste der Ineisivi em vom Mundhöhlenepithel abgelöster kleiner Epithelstrang, der als Rest der Zahnleiste anzusehen ist. In der ganzen grossen Strecke dahinter bis zu den Molares war keine Spur mehr davon nachzuweisen. Ob man annehmen kann, dass in den nur wenig jüngeren Stadien, die Chabry und Pouchet vorgelegen haben, wie diese angeben, eine vollständige Zahnleiste in der ganzen Lücke des Unterkiefers vorhanden ist, muss ich dahingestellt sein lassen, bis mir reichlicheres Material vorliegt. Wahrscheinlich ist es mir nicht. 3) Im Oberkiefer finden sich sehr ausgedehnte Reste der Zahnleiste in der Lücke. Einmal fehlt dieselbe auf keinem Schnitte von dem I. bis zum Stenson’schen Gang. Vergl. dazu Fig. 8—-10 und das Modell (Fig. 14). An den meisten Stellen ist der Epithelstrang vom Mundhöhlenepithel abgelöst, an anderen hängt er mit diesem zusammen. Häufig erscheint derselbe der Gaumenfläche parallel umgelegt, regelmässig sind die Binde- gsewebskerne um das Epithelrestehen concentrisch angeordnet. Dies ist also direkt entgegen der Angabe von Chabry und Pouchrert. Hinter der Ausmündungsstelle der Stenson’sehen Gänge 544 Paul Freund: findet man streckenweise keine Spur der Epithelleiste, dann wieder ist dieselbe auf einzelnen Schnitten vorhanden, oder an ihrer Stelle eine Art Narbe im Bindegewebe. Noch vor der Mitte der Lückenstrecke zwischen der Ausmündung der Sten- son’schen Gänge und dem ersten Backzahn tritt ein Rest der Epithelleiste als ein wieder regelmässig in jedem Schnitte sicht- barer Bestandtheil auf. Am hinteren Ende lässt sich mit Leich- tigkeit der Uebergang dieses Zahnleistenrestes der Lücke in die Zahnleiste des ersten Backzahnes constatiren. Auch auf dieser Strecke wechselt übrigens das Bild vielfach, indem der Epithel- strang bald grösser, bald kleiner, bald senkrecht aufgerichtet, bald umgelegt, bald mit dem Mundhöhlenepithel in Verbindung, bald isolirt erscheint. Nach diesem Befunde erscheint es kaum zweifelhaft, dass im Oberkiefer bei Sciurus in jüngeren Stadien die Lücke von einer continuirlichen Zahmnleiste durchzogen wird, genau so, wie bei Lepus. 4) An der Aussenseite der Zahnleiste in der Lücke sitzt dieht vor und im der Querschnittsebene der Ausmündung der Stenson'schen Gänge je ein kleines Schmelzorgan mit deutlicher Papille. Vergl. dazu Modell Fig. 14. Diese beiden Schmelzorgane liegen natürlich dicht hinter einander. Bei beiden ist die Oeff- nung der Schmelzglocke nach vorm und oben gerichtet. Das vordere dieser beiden Schmelzorgane ist dadurch besser als solches charakterisirt, dass es Schmelzpulpa enthält. _ Vergl. Figur 7. Aber auch die Schmelzkeimnatur der hinteren Anlage (vergl. Figur 10) ist kaum zu bezweifeln. Merkwürdiger Weise haben in ihrer Figur 26 Chabry und Pouchet die hintere dieser beiden Anlagen ganz charakteristisch abgebildet (der Schnitt geht auch durch die Ausmündungsstelle des Stenson’schen Ganges), vergl. dazu meine Fig. 10. Sie deuten die Anlage nach der Figurenerklärung aber ganz unrichtig als die des grossen 1., welche, wie ein Blick auf Modell Fig. 14 lehrt, eine viel höhere Entwicklung und nebenbei auch eine ganz andere Lage hat. Nun haben wir noch zu einzelnen der hier aufgeführten 4 Nummern speciellere Bemerkungen zu machen. Die Zahnleiste, an der das Schmelzorgan des Rudimentär- zähnchens und des grossen I. im Unterkiefer ansitzen (vergl. dazu Fig. 5, 6 und Modell Fig. 15), geht von dem Anfang einer eigenthümlichen mur plongeant aus, die das vordere Ende Beiträge zur Entwieklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 545 des Meckel’schen Knorpels sammt dem diesen aufliegenden Deekknochen als eine tiefe Schale umfasst. Es ist genau dieselbe Bildung, wie sie Chabry und Pouchet von der Ratte be- schrieben und abgebildet haben. Mit dem Mundhöhlenepithel zu- sammen erscheint der Durchschnitt derselben auf mittleren Sehnitten als geschlossener Epithelkreisbogen, in dessen Innern die Zahn- anlagen, der Knochen und der Knorpel enthalten sind. An der Oberfläche der Mundhöhlenschleimhaut ist die Stelle, von der die Epithelleiste und neben ihr die mur plongeant ausgeht, durch eine Rinne bezeichnet. Die Epithelleiste steht namentlich nach hinten nicht mehr mit dem Mundhöhlenepithel in Zusammenhang. Vergl. Modell Figur 15. Dass von derselben eine kurze Strecke weit ein Epithelstrang nach hinten zieht, ist oben erwähnt und am Modell zu sehen. An der äusseren Seite dieser Epithelleiste sitzen nun dicht neben einander die Schmelzorgane des Rudimentär- zähnchens und des grossen Nagezahns vermittelst je eines langen Halses so an, dass nur das etwas kolbig verdiekte Ende der Epithel- leiste diese Ansatzstelle ein wenig nach unten und innen überragt. Wie die Figuren sowohl, als auch das Modell lehren, ist namentlich der Hals des Rudimentärzähnchens ein besonders lang gestrecktes Gebilde, das so weit nach unten und hinten herabzieht, dass die Schmelzglocke des Rudimentärzähnchens neben den Meckel- schen Knorpel zu liegen kommt (vergl. Fig. 6). Sowohl der Hals dieses Schmelzorganes, als auch der plumpere und massigere des dahinter gelegenen I., endlich auch die Zahnleiste selbst sind nicht glatt contourirt, sondern mit den mannigfachsten Vorsprüngen und Einsenkungen besetzt (vgl. dazu Fig. 5 und 6), sodass an manchen Stellen ein Bild herauskommt, das an das einer wuchern- den Drüsenanlage, oder noch besser an das eines Careinoms erinnert. Die Oeffnung der Schmelzglocke des Rudimentärzahnes ist wie die der grossen I. nach hinten gewendet. Innerhalb derselben liegt nicht, wie bei Lepus, ein wohlgestaltetes Dentinzähnchen, sondern eine kleine, unansehnliche, beinahe solide Dentinspitze, in die nur von der inneren Seite ein schmaler Bindegewebsstrang eintritt. Auch schemt dieselbe nicht mehr allseitig von Epithel umhüllt zu sein. Ueber den nach hinten folgenden Hals der Schmelzanlage des Nagezahns ist nicht mehr zu sagen, als dass er an der Abgangsstelle vor der Zahnleiste breit mit dem- HA6 *... Bianssstireumed: Halse der Schmelzanlage des Rudimentärzähnchens verwach- sen ist. Die Anlage des Rudiments im Oberkiefer erläutert Modell Figur 14. Man sieht, dass dieselbe vor der Schmelzanlage des grossen I. gelegen ist. Auch die Schmelzanlage des Oberkieter- rudimentärzahnes sitzt an einem langen Halse, welcher schräg nach aufwärts zieht und sich mit dem massigen Halse des grossen Nagezahns des Zwischenkiefers vereinigt. Auch hier wiederholt sich, freilich weniger ausgeprägt, wie im Unterkiefer, die Un- regelmässigkeit der Contour. Die Oefinung der Schmelzglocke des Rudimentärzähnchens ist nach hinten und oben gewendet. Im Innern derselben umgiebt die Pulpa ein zierliches Dentin- käppehen. Figur 11 und 12 erläutern das Gesagte. Figur 11 giebt ein Situationsbild in beinahe 50 facher Vergrösserung. Man sieht an der Figur, dass die Schmelzanlage des Rudimen- tärzähnchens und des grossen I. von einer und derselben ver- diehteten bindegewebigen Hülle umgeben sind. Figur 12 zeigt aus demselben Schnitt die Schmelzanlage des Rudimentärzähnchens in beinahe 200facher Vergrösserung. Zu Nr. 4 ist Folgendes zu bemerken: Figur 7 zeigt bei 100 facher Vergrösserung einen Schnitt durch das vordere rudi- mentäre Schmelzorgan, das dicht vor der Ausmündung des Sten- sonschen Ganges gelegen ist. Man sieht auch den Durchschnitt des zugehörigen Stückes der Zahnleiste, die aber auf diesem Schnitte weder mit dem Mundhöhlenepithel, noch mit dem quer- verlaufenden Halse des Schmelzorganes in Verbindung steht. Beide liegen aber zusammen in einer diehtkernigen, eoncentrisch geschichteten Bindegewebshülle. Im Innern der Schmelzglocke findet sich deutliche Schmelzpulpa. Eine Dentinanlage war nicht nachzuweisen. Die oberflächlichsten Kerne der Pulpa erschienen heller, was in der Figur etwas übertrieben herausgekommen ist. Sie waren von der tieferen dunklen durch einen Querspalt ge- trennt, der vielleicht ein Blutgefäss darstellt. Figur 8 ist um 9 Schnitte (a 15 u) weiter nach rückwärts (Situationsbild bei 26 facher Vergr.).. Der Schnitt geht durch den vorderen Umfang der Ausmündung der Stenson’schen Gänge. Von der Schmelzglocke der vorderen Anlage ist nur noch der hintere Umfang getroffen, nach innen von derselben die vom Epithel abgelöste Zahnleiste. Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 547 Figur 9 liegt 3 Schnitte weiter nach rückwärts (dieselbe Vergrösserung). Der Schnitt geht durch den engen Zwischenraum zwischen den beiden rudimentären Schmelzorganen hindurch. Es ist die Zahnleiste zu sehen und lateralwärts von derselben eine Verdiekung des Mundhöhlenepithels, mit der die Zahnleiste an anderen Stellen in Verbindung steht. Figur 10 endlich liegt nur 2 Schnitte hinter dem vorigen und zeigt die zweite rudimentäre ‚Schmelzgloeke. Dieselbe ist lange nicht so deutlich als solche charakterisirt, wie die vordere. Denn einmal sitzt sie direkt der Aussenseite der Epithelleiste an und steht durch einen kurzen, dieken Verbindungsstrang mit dem Mundhöhlenepithel in Zu- sammenhang. Weiter fehlt im Innern derselben die Schmelzpulpa, auch ist die Bindegewebspulpa oder Zahnpapille nicht so dicht- kernig, wie bei der vorderen Anlage. Doch ist das ganze Ge- bilde von einer concentrischen Bindegewebsmembran umhüllt (auf der Figur nieht sichtbar), und es ist namentlich nach dem Mo- dell Figur 14 an der Schmelzorgannatur der Anlage kaum zu zweifeln. Cavia. Von Cavia konnte ich ein kleines Exemplar untersuchen von 4!/,mm Kopflänge. Dasselbe bot für unser Thema kein besonderes Interesse, da die Zahnanlagen noch in der allerersten Bildung begriffen waren). Dann kommen zwei Serien, die eine durch den Kopf eines Em- bryos von 1,4em Kopflänge und 2,9 cm Gesammtlänge, die andere betraf ein etwas Jüngeres Exemplar, das mir Herr Prof. Froriep in Tübingen freundlichst überliess. Die Stadien waren insofern sehr "günstig, als sie denen des Kaninchens entsprachen, bei welchen die rudimentären Zahnanlagen am deutlichsten sind. Das Resultat der Untersuchung war aber ein beinahe negatives: keine Spur eines Rudimentärzähnchens und keine Spur einer Anlage für den zweiten I. In der Lücke fanden sich hier und da dicke Epithelzapfen, welche vom Mundhöhlenepithel des Oberkiefers aus eine Strecke weit in die Tiefe hineinragten und sich häufig auch als runde abge- 1) Dasselbe verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Keibel in Freiburg i. B., der mir eine ganze Serie von Meerschweinchenembryonen zur Verfügung stellte. Dieselben waren aber meist zu jung und deshalb für meine Arbeit nicht verwendbar. 548 Pan Erennide löste Epithelkreise einige Schnitte hindureh nach hinten fortsetzten. Nach wenigen Schnitten hörten dieselben aber immer wieder auf. ös ist sehr möglich, dass hier Reste der Zahnleiste vorliegen. Ein sicherer Beweis dafür lässt sich freilieh nieht führen. Es wäre dies möglich, wenn man einen solehen Epithelzapfen entweder nach vorn eontinuirlich in die Zahnleiste der I., oder nach hinten in die der Backzähne verfolgen könnte. Beides ist aber nicht der Fall. Für die Zahnleistennatur spricht aber ein- mal der Ort, von dem die Einwachsungen ausgehen, welcher mit dem typischen Orte der Zahnleiste bei Lepus ziemlich über- einstimmt. Freilich sind die Verhältnisse des Mundhöhlenepithels und der Gaumenschleimhaut bei Cavia etwas andere, als hei Lepus, worauf ich hier aber nicht weiter eingehen kann. Ferner könnte man einen Beweis per exclusionem machen: die Epithel- zapfen könnten ausser Zahnleistenrudimenten nur noch Drüsen- anlagen sein. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Anlagen kleiner Mundhöhlenschleimdrüsen in unserem Stadium schon so deutlich sind. Stiehhaltig ist dieser Beweisversuch aber nicht. Oricetus frumentarius, Mus museulus und Mus deeumanus. Diese Thiere lassen sich mit wenigen Worten abmachen. Obgleich uns wenigstens von den zwei letztgenannten Arten zu- sammenhängende Serien geeigneter Stadien zur Verfügung standen, war das Resultat der Untersuchung doch rein negativ. Es fand sich weder in der Gegend der I. noch im der Lücke eine Spur von rudimentären Zahnanlagen. Die Besprechung und Würdigung meimer Resultate gliedert. sich nach. den vorausgestellten Fragen: 1) Finden sich m der Gegend der I. embryonale Zahnrudi- mente bei den Nagethieren? Darauf lautet die Antwort: Bei Lepus findet sich im Ober- und Unterkiefer vor dem grossen Nagezahn ein Rudimentärzähnchen, wie schon Chabry und Pouchet entdeckt haben. Diese merkwürdige Beobachtung scheint den meisten nachfolgenden Autoren entgangen zu sein. Ich konnte dieselbe bestätigen und hinzufügen, dass sich offenbar dasselbe Zahnrudiment auch beim Eiehhörnehen vorfindet. Herr Dr. Fleischmann hat nun die Frage bei mir ange- Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 549 regt, ob dieses Rudimentärzähnchen einen Rest eines I., dar- stellt, — dann würde der Nagezahn als I., bezeichnet werden müssen, was mit der oben angeführten Cope’schen Herleitung der Nager merkwürdig übereinstimmt, — oder ob das Rudimentär- zähnchen als Rest einer Milchzahnanlage für den grossen Nage- zahn anzusprechen sei. Leider geben die thatsächlichen Befunde für die Entscheidung dieser Alternative kein vollkommen aus- reichendes Material an die Hand. Die Entwicklung des Rudimentärzähnehens, wie ich sie bei Lepus eontinuirlich verfolgen konnte, stimmt in den Hauptzügen durchaus nicht mit der eines Milchzahnes überem, mag man in Betreff des Verhältnisses der Milchzahnentwicklung zu der des bleibenden Zahnes die ältere, in den Lehrbüchern wiederge- gebene Anschauung, oder die von Baume annehmen. Es ist meines Wissens nicht bekannt, dass das Schmelzorgan eines Milchzahns mit dem des zugehörigen bleibenden Zahnes direkt verwachsen erscheint, wie das schon Chabry und Pouchet wenigstens für das Rudimentärzähnchen des Unterkiefers bei Lepus nachgewiesen haben. Für den Zwischenkiefer war den französischen Autoren das betreffende Stadium entgangen; ich konnte zeigen, dass hier wenigstens anfänglich bei Lepus das Gleiche stattfindet. Sehr störend für die Annahme der Milchzahnnatur des Rudi- mentärzähnchens sind für eine oberflächlichere Betrachtung die Verhältnisse am zweiten hinfälligen I. im Zwischenkiefer von Lepus. Derselbe ist offenbar ein richtiger Milehzahn für den zweiten kleineren, bleibenden I. Er erreicht eine hohe Ent- wieklung, zu einer Zeit, wo die Anlage für den bleibenden I.,, die jedenfalls aus dem angrenzenden Stücke der Zahnleiste her- vorgeht, noch ganz klein und unbedeutend ist. Erst in der letzten Zeit vor der Geburt entwickelt sich der bleibende T., stärker und verdrängt den hinfälligen I.,, der kurz vor oder nach der Geburt ausfällt. Soll man nun annehmen, dass der zweite I. bei Lepus einen richtigen Milchzahn als Vorgänger beibehalten hat, während beim ersten I. der Milchzahn ganz rudimentär bleibt und von der Anlage des bleibenden Zahnes, die zur selben Zeit, ja auch früher als die des Milch-Ineisivus 2 einsetzt, ungewöhnlich rasch überholt wird? Man kann freilich zur Erklärung dieser Divergenz die Nothwendigkeit einer rascheren Entwicklung des bleibenden 550 Panels Raremnmnde l.,, der ja den eigentlichen grossen Nagezahn darstellt, anführen, ‚ wodureh der Entwicklung des zugehörigen Milchzahns gewisser- massen das Material entzogen und dieser in eine rudimentäre Form gedrängt würde. Schliesslich muss man sich auch sagen, dass es leichter vorstellbar ist, dass die Schmelzorgane eines Milchzahnes und des zugehörenden bleibenden Zahnes, die doch jedenfalls ‘auch sonst in irgend einer Weise zu einander in näherer Beziehung stehen, unter den vorliegenden speeiellen Verhältnissen (besonders grosse und darum auch raschere Ausbildung des bleibenden Zahnes) mit einander verwachsen, als dass zwei hintereinander folgende Zahnanlagen, die sonst gar nichts mit einander zu thun haben, in derartige intime Beziehungen zu einander treten. Es fällt auch in's Gewicht, dass das Rudimentärzähnchen und der Nagezahn nicht nur in einer Alveole, sondern, wie besonders beim Eichhörnchen deutlich sichtbar, sogar in einem bindege- webigen Zahnsäckchen zusammen liegen. Auf die räumlichen Verhältnisse der Zahnanlagen möchte ich kein zu grosses Gewicht legen. Es liegt ja im der That das Rudimentärzähnchen vor dem Nagezahn, aber auch der hinfällige I.,, den wir doch gewiss als Milchzahn auffassen müssen, liegt, wenigstens nach der Ab- bildung von Chabry und Pouchet, vor der Anlage des zweiten bleibenden Zahnes. Es hängt dies mit den besonderen räum- lichen Verhältnissen an den Kiefern der Nager zusammen. Wich- tiger scheint mir, dass beim Eichhörnchen, an dem die ein- schlägigen Verhältnisse gewissermassen weniger abnorm zu sein scheinen, als beim Kaninchen, die Schmelzanlagen des Rudimen- tärzähnchens und des bleibenden Zahnes durch ihre „Hälse* zusammenhängen und zwar sowohl im Oberkiefer als im Unter- kiefer, genau so, wie dies meistens von dem Milchzahne und dem blei- benden Zahne beschrieben wird. Alles in Allem neige ich persönlich mehr zu der Anschauung, dassdas Rudimentärzähnchen als eineinstarkerRückbildung begriffeneMilch- zahnanlage für den grossenNagezahn anzusprechen ist, ohne aber zu verkennen, dass diese Anschauung durchaus nieht als endgiltig begründet betrachtet werden kann. Es sei noch besonders hervorgehoben, dass sich bei Seiurus, der sich in vielen Verhältnissen sogar noch conservativer als Lepus gezeigt hat, keine deutliche Spur des I.,, den Lepus in Form des Milchzahns ka ae al Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 551 und des bleibenden Zahns erhalten hat, auffinden liess. Dass das vordere der beiden von mir nachgewiesenen Schmelzorgane neben der Ausmündung der Stenson schen Gänge sich nur schwer als I., auffassen lässt, wird weiter unten zu besprechen sein. Durch weitere Untersuchungen muss festgestellt werden, ob die Rudimentärzähnchen, wie sie sich in dem einen von mir unter- suchten Stadium von Seiurus darstellen, gerade auf der Höhe ihrer Entwicklung angelangt sind, oder ob sie sich noch weiter entwiekeln, oder ob sie endlich nieht vielleicht schon im Rück- gange begriffen sind. 2) Finden sich Zahnanlagen bei den untersuchten Nagern in der Lücke? Darauf lautet die von uns gefundene Antwort: Bei Lepus trifft man in der ganzen Länge der Lücke eine wohl- entwiekelte Zahnleiste, aber nur im Oberkiefer, was Chabry und Pouchet ausdrücklich bestritten hatten. An dieser Zahnleiste von Lepus entwickeln sich jedoch niemals Schmelzorgane. Sie geht nach einem ziemlich langen Bestande spurlos zu Grunde. Bei Seiurus war in unserem Stadium im Oberkiefer eine hinter den Stenson’schen Gängen eine Strecke weit unter- brochene, sonst aber sehr ausgedehnte und zusammenhängende Zahnleiste vorhanden. Nach Chabry und Pouchet sollte die- selbe gerade vor den Stenson schen Gängen fehlen. Ausserdem geben die französischen Autoren, deren Aussagen freilich in diesem Punkte etwas unklar lauten, für den Unterkiefer eine vollständige Zahnleiste durch die ganze Lücke hindurch an. In unserem nur wenig älteren Stadium waren nur Spuren einer Verlängerung der Zahnleiste dieht hinter der Schneidezahnanlage im Unterkiefer nachweisbar, so dass mir die Angabe von Chabry und Pouchet nicht sehr glaublich erscheint. Dagegen kann man mit Sicherheit annehmen, dass in jüngeren Stadien beim Eichhörnchen die Zahnleiste des Oberkiefers in der Lücke vollkommen ununterbrochen gefunden werden wird. Ausserdem finden sich bei Seiurus neben den Stenson schen Gängen zwei dicht hintereinander liegende Schmelzorgane, von denen das vordere ganz unleugbar als solches eharakterisirt ist, während das hintere, etwas undeutlichere, aber doch immer noch genügend sichere Schmelzorgan - Merkmale trägt. Merkwür- diger Weise haben Chabry und Pouchet eine dieser Anlagen 552 PranmmeRörierumd® abgebildet, aber wie wir gesehen haben, ganz falsch ge- . deutet. Als was sind dieselben anzusprechen? Das vordere Sehmelz- organ kann wohl kaum als Rest des bei Lepus vorhandenen T., gedeutet werden; denn bei diesem Thier heftet sich der Verbin- dungsstrang des I., mit dem Mundhöhlenepithel weit vor der Ausmündung der Stenson’schen Gänge an; der Zwischenraum, der an der Figur 14 (beim Eichhörnchen) zwischen dieser Anlage und der des I., sichtbar ist, erscheint viel zu gross, als dass man annehmen könnte, es handle sich hier um zwei direet aufeinander folgende Zahnanlagen. Freilich werden auch für diese Frage erst jüngere Stadien ausschlaggebend sein, indem auch eine seeundäre Entfernung der beiden Anlagen von einander nicht ausgeschlossen, jedoch nicht wahrscheinlich ist. Auch wird sich erst durch weitere Untersuchungen nachweisen lassen, ob es noch zur Dentinablagerung in diesen Anlagen kommt, oder nicht, und wie dieselben verschwinden. So wie die Verhältnisse sich am vorliegenden Stadium stellen, könnte man diese beiden Schmelzorgane als merkwürdiger Weise erhaltene Reste von hinteren Schneide- resp. Eekzahnanlagen ansehen; gegen die Auf- fassung als Praemolaren-Rest spricht ihre Lage neben der Aus- mündung der Stenson schen Gänge. Es sei hier nochmals daran erinnert, dass sich bei Cavia nur sehr zweifelhafte Reste der Zahnleiste in der Lücke nach- weisen liessen, während bei Cricetus und Mus jede Spur einer rudimentären embryonalen Zahnanlage fehlte. Zum Sehlusse sei noch hervorgehoben, dass unsere Befunde der Anschauung Fleischmann ’'s entsprechen, nach welcher der Verfall der Zahnanlagen im Unterkiefer weiter vorgeschritten ist, als im ÖOberkiefer. Im Unterkiefer fand sich, abgesehen von den zweifelhaften Angaben von Chabry und Pouehet über das Eichhörnehen, keine Zahnleiste in der Lücke; im Ober- kiefer dagegen war in grösserer oder geringerer Vollständigkeit eine solehe bei Lepus, Cavia und Seiurus, bei letzterem sogar mit Schmelzorganen, nachweisbar. Auch stimmt es mit den all- semeinen Anschauungen von Schlosser und Fleischmann, dass die Lagomorphen eine besonders alte und conservative Nagerform darstellen, und dass nach diesen die Seiuro- morphen zunächst folgen, sehr gut überein, dass sich bei Vertretern Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 553 dieser Gruppen die deutlichsten und ausgebreitetsten embryonalen Reste von verschwundenen Zahnanlagen nachweisen liessen, während bei den stärker veränderten Myomorphen, soweit die- selben untersucht wurden, auch die embryonale Reduction eine vollständigere war. Endlich sei noch hervorgehoben, dass der Befund einer Zahnleiste im der Lücke bei Lepus und Seiurus sich den gleichartigen Befunden anderer Autoren bei verschiedenen lückzähnigen Säugethieren anschliesst. So wurde die Zahnleiste in der Lücke im Zwischenkiefer der Ruminantien neuerdings endgiltig von Mayo!) festgestellt. Für die Edentaten ist das- selbe von Chabry und Pouchet gezeigt worden und für die Bartenwale hat bekanntlich Geoffroy St. Hilaire nicht nur die Existenz der Zahnleiste, sondern sogar ganzer embryonaler Zähnchen, die nur nie zum Durchbruch kommen, sondern innerhalb des Kiefers resorbirt werden, nachgewiesen. An das Ende meimer Abhandlung will ich noch einige Worte des Dankes anfügen. In erster Reihe bin ich Herm Prof. Dr. G. Born, Pro- sector an der Kgl. Anatomie zu Breslau und Vorsteher der Ab- theilung für Entwicklungsgeschichte, zu grösstem Danke verpflichtet. Er hat mich zuerst zu diesen überaus interessanten und lehr- reichen Studien angeregt, er hat mich in die immerhin schwierige Technik, welehe solche Arbeiten erfordern, eingeführt, er stand mir mit Rath und That, wo immer er nur konnte, keine Mühen und keine Ausgaben scheuend, zur Seite. Für seine ausserordent- liche Liebenswürdigkeit und Opferwilligkeit sei es mir verstattet, hier Herrn Prof. Born nochmals meinen herzlichsten Dank zu sagen. Auch Herrn Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Hasse, Director der kgl. Anatomie in Breslau bin ieh ganz besonders verpflichtet für die mir bereitwilligst ertheilte Erlaubniss im entwieklungs- geschichtlichen Institute der Anatomie arbeiten zu dürfen. Zu grösstem Danke endlich bin ich Herrmm Privatdocenten Dr. A. Fleischmann zu Erlangen verpflichtet. Er hat mich 1) Mayo, The Superior Tneisors and Canine Teeth of Sheep (2 Plates). Bulletin of the Museum of Comparative Zoology, at Har- vard College. Vol. VII. Cambridge 1886—88. 554 Paul Freund: auf eine Reihe recht bemerkenswerther Thatsachen aufmerksam gemacht, mich in die paläontologische Literatur eingeführt und mir sehr werthvolle Angaben und Bemerkungen für meine Ab- handlung gemacht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII u. XXI. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. ep Mundhöhlenepithel. — mp mur plongeant der Franzosen. — L Zahnleiste. — S Schmelzorgan oder Schmelzglocke. — Sr Schmelz- organ rudimentärer Zahnanlagen. — Sh Hals des Schmelzorganes. — d Dentin. — p Pulpa. — I Ineisivus. — Ir rudimentärer Ineisivus. ling linguale Seite. — lab labiale Seite. — v Blutgefässe. — Kn Kno- chen. — K Knorpel. — Oj Jacobson’sches Organ. — DSt Duetus Stensonianus. Fig. 1. Querschnitt durch das Rudimentärzähnchen aus dem Unter- kiefer eines Kaninchenembryos von lcm K.-L., 2,1cm G.-L. Vergr. ca. 127 mal. Rudimentärzähnchen im Zwischenkiefer von einem Kaninchen (Querschnitt) von 2,3 cm K.-L., 5,1em G.-L. Vergr. ca. 7öfach. Fig. 3. Combinationsbild aus 6 aufeinanderfolgenden Schnitten einer Längsschnittserie durch den Kopf eines Kaninchens von 2,5 cm K.-L., 5,1 G.-L. Zur Demonstration der Zahnanlagen im Zwi- schenkiefer. Vergr. ca. 20mal. In dieser Figur sind die Epithelien dunkelgrau, die Zähne schwarz und das Bindegewebe ganz hellgrau. 4. Zahnleiste in der Lücke bei einem Kaninchen von 1,1 cm K.-L., 3,4cm G.-L, Querschnitt. Vergr. ca. 100 mal. In den folgenden Situationsbildern 5 und 6 sind, ebenso wie in den gleichartigen späteren 8, 9 und 10, die Epithelien und epithelialen Zahnanlagen schwarz, das Dentin weiss schraffirt, der Knochen grau und der Knorpel punktirt ge- halten. — Die folgenden Figuren bis 12 inel. beziehen sich auf Eichhörnehenembryonen von 2cm K.-L., 4,7 cm G.-L. Fig. 5. Schnitt durch das vordere Ende des Unterkiefers (RK die ver- schmolzenen vorderen Enden der Meckel’schen Knorpel). Es ist der an der Zahnleiste sitzende lange Hals des Schmelz- organs des Rudimentärzähnchens getroffen. Vergr. 26. = 08 [80] Fig. Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Zahnanlagen bei Nagethieren. 555 Fig. 6. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 13. Sechs Schnitte (A 15 u) weiter nach hinten. Das Rudimentär- zähnchen selbst ist sichtbar. Vergr. 26. Figur 7 bis 10 zeigen die Querschnitte durch die beiden Schmelzorgane, die man im Oberkiefer in der Gegend der Ausmündung der Stenson’schen Gänge findet. Die Schmelzglocke der vorderen Anlage bei stärkerer (100facher) Vergr. 9 Schnitte (A 15 u) weiter nach rückwärts. Der Schnitt geht durch den vorderen Anfang der Ausmündung der Stenson- schen Gänge. Von der Schmelzglocke der vorderen Anlage ist nur noch der hintere Umfang getroffen, nach innen von derselben die vom Epithel abgelöste Zahnleiste. Vergr.. 26. 3 Schritte weiter nach rückwärts. Der Schnitt geht durch den engen Zwischenraum zwischen den beiden rudimentären Schmelzorganen hindurch. Vergr. 26. Noch 2 Schnitte weiter nach hinten. Das Bild zeigt die zweite rudimentäre Schmelzglocke. Vergr. 26. Querschnitt durch die Gegend des rudimentären I. im Ober- kiefer. Vergr. beinahe 50. Das Rudimentärzähnchen aus demselben Schnitt bei 200facher Verer: Kaninchen von 1cm K.-L., 21cm G.-L. Epithel der rechten Hälfte der Gaumenfläche mit anhängenden Zahnanlagen. Das Modell war in 80facher Vergrösserung gearbeitet; das Bild stellt das Modell in etwas mehr als halber Grösse dar. Man sieht von oben und etwas von aussen auf dasselbe. Fig. 14 u. 15 stellen Modelle dar, die nach einer Schnitt- serie durch den Kopf eines Eichhörnehenembryo von 2emK.-L. und 4,7cm G.-L. gearbeitet sind. Die Vergrösserung war eine 50fache. Fig. 14 zeigt die Zahnanlagen des Oberkiefers von den I. an bis Fig. 15. hinter die Einmündungsstelle des Duetus Stensonianus. Das Modell ist von oben und innen und etwas von hinten gesehen gezeichnet; °/, des Originals. Die Anlagen der I. im Unterkiefer mit der eigenthümlichen und charakteristischen mur plongeant, von der medialen Seite gesehen; 8/,, des Originals. 556 Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Entodermbildung von Cyclops. Von Dr. V. Häcker, Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i.B. Hierzu Tafel XXIV u. XXV. Die Frage nach der Beziehung zwischen Kerntheilungs- typus und physiologiseher Leistung der Zelle ist neuer- dings von verschiedenen Gesichtspunkten aus in Anregung ge- bracht worden. Es war vor Allem der Gegensatz zwischen Mitose und amitotischer Theilung, welcher zur Stellung dieses Problems hindrängte, und die Frage nach der biologischen 3edeutung der letzteren ist in neuester Zeit durch H. E. Ziegler und O.vom Rath (24) in Anlehnung an einen Flemming’schen Gedanken (5) dahin beantwortet worden, dass alle Fälle von amitotischer Kerntheilung bei Metazoen ‚in biologischer (physio- logischer) Hinsicht der Mitose gegenübergestellt werden können und im Vergleich zu dieser einen degenerativen Charakter haben.“ Fraglicher ist augenblicklich die Bedeutung der sogenannten asymmetrischen Karyokinesen, die seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit namentlich pathologischer Kreise auf sich ge- lenkt haben und anfangs gewissen malignen Tumoren als Eigen- thümlichkeit zuzukommen schienen. Die neueste einschlägige Ar- beit (17) spricht sich aber gegen einen derartigen Zusammenhang aus und der Verfasser derselben will überhaupt den Zoologen’ die Entscheidung des Problems überlassen wissen. Von allgemeinerem Interesse ist wohl die Frage nach der Beziehung, in welcher die Eigenthümlichkeiten der beiden Kern- theilungen, die sich in der letzten Phase der Ei- und Samenbil- dung abspielen, zum besonderen Zustand der copulirenden Zellen stehen. Alle Forscher, welche sich mit diesen zwei Theilungen beschäftigt haben, stiessen mehr oder weniger auf Verhältnisse, welche sich nieht in dem Schema der normalen Mitose unter- Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 557 bringen lassen; den Unterschied gegenüber der letzteren hat wohl am schärfsten Flemming (4) durch Aufstellung der von ihm in den Spermatocyten von Salamandra verfolgten heteroty- pischen Form zur Darstellung gebracht. Es ergab sich bald auch mit Sicherheit, dass bei den verschiedenen Thiergruppen der Vorgang in verschiedener Weise sich abspielt. Ja, selbst inner- halb kleinerer Formenkreise herrscht keineswegs die zu erwar- tende Gleichförmigkeit. Während z. B. unter unsern freilebenben Copepoden der bei einigen Cyelops-Arten auftretende Modus gewisse Anklänge an die Flemming'sche heterotypische Form zeigt (10, 11), findet sich bei Canthocamptus ein umständlicher Vertheilungsprozess ganz eigenartiger Natur vor, und die von Ishikawa (13) kürzlich bei einem Calaniden, Diaptomus, gefundenen Bilder schliessen sich wieder mehr an Vorkommnisse bei Insekten an. Doch scheint auch innerhalb der Calaniden- Gruppe der Cyelops-Typus aufzutreten. Dieser letztgenannte Typus, der sich mehr oder weniger zu Flemming's heterotypischer Form in Parallele setzen lässt, spielt nun auch im Verlauf der Embryonalentwick- lung von Cyelops eine merkwürdige Rolle und sein Auf- treten in der Urgenitalzelle war für mich die Veranlassung, die ersten Entwicklungsvorgänge und die Keimblätterbildung von Cyelops brevicornis Claus näher zu untersuchen. Noch von einem allgemeineren Gesichtspunkt aus schien dies freilich eine dankbare Aufgabe zu sem: trotz der Arbeiten von Claus (3), P. P.C. Hoek (12), Grobben (9), Fri& (6) und Urbanowiez (18, 19) sind noch zahlreiche Punkte in der Entwieklungsgeschichte der freilebenden Copepoden einer Nach- untersuchung bedürftig, eine um so empfindlichere Lücke in der Crustaceenforschung, als gerade „die Entwieklung der Copepoden Verhältnisse bietet, welche sich am nächsten an die der Anne- liden anschliessen“ (Korschelt und Heider). 1) Die erste Theilung der Urmesodermzelle. Für Cetochilus hat Grobben (9) gezeigt, dass die hinter der „eentralen Entodermzelle“ gelegene Furchungskugel, noch während ihres Aufenthalts in der Peripherie des Blastoderms, sich in vier Elemente theilt, von denen die beiden vorderen, grösseren die x Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 39 37 558 V. Häcker: „Urzellen des Mesoderms“ darstellen, während die beiden hinteren zu Ektodermelementen werden. Später theilt sich sodann jedes dieser vier Elemente in em medianes und ein laterales Tochter- element und die vordere Vierer-Reihe rückt als „Mesodermzellen“- Gruppe in die Tiefe der Furchungshöhle. Bei Cyelops brevicornis Claus tritt insofern eine Verschie- bung der Verhältnisse hervor, als eme einzige Zelle frühzeitig, d. h. vor Beginn aller mit der Gastrulation zusammenhängenden Theilungen, in die Tiefe «des Blastocöls tritt und sich hier in ein centrales und ein peripherisches Tochterelement theilt, wobei die Karyokinese in Form einer normalen Mitose abläuft. Die centrale Zelle (A) geht im Innern eine zweite Theilung ein, wobei die Bilder der Flemming'’schen heterotypischen Form auftreten, und liefert die Genitalzellen. Von dem’peripherischen Schwesterelement (B) dagegen stammen die beiden primären Urmesodermzellen ab, welche jedoch erst während des Gastrulationsprozesses dem erstgenannten Genitalzellenpaare ins Innere nachfolgen. Vergleicht man die vier Elemente der dritten Generation mit den vier Grobben’'schen „Mesodermzellen“, so tritt schon in genetischer Beziehung ein Unterschied in so fern hervor, als bei Cetochilus zwischen denjenigen beiden Theilungs- perioden, welche die vier „Mesodermzellen“ liefern, eine Abspal- tung „ektodermaler“ Elemente eingeschoben ist!). Ehe ich auf die erste der Theilungen eingehe, möchte ich noch bemerken, dass manchmal die in den beiden Eiersäcken eines und desselben Individuums befindlichen Eier die ganze in Betracht kommende Reihe von Stadien zur Ansicht bringen. Im grossen Ganzen gelangt dann die natürliche Reihenfolge der letz- teren zur Beobachtung, wenn man die Eier eines und desselben Sackes von vorne nach hinten fortschreitend durehmustert. Erst als ich mir schon die ganze Entwicklungsreihe durch Combination der einzeln gezeichneten Bilder konstruirt hatte, wurde ich auf das erwähnte Verhältniss aufmerksam und es wurde mir damit eine schöne Bestätigung für die Richtigkeit meiner Reihe zu Theil. Zu beachten ist auch das Verhalten des zweiten Richtungs- körpers. In jüngeren Eiern sieht man ihn auf der Wanderung 1) Bezüglich der Angaben von Urbanowicz (18, 19) habe ich bereits darauf hingewiesen (11), dass sie in den fraglichen Punkten sich mit meinen Beobachtungen nicht wohl in Einklang bringen lassen. Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 559 ins Innere des Eies begriffen, und er befindet sich häufig sogar noch zur Zeit der ersten Theilung in der Reihe der Blastodermkerne. Während der zweiten Theilungsperiode und manchmal noch früher trifft man ihn aber innerhalb der A-Zelle an und seine Anwesen- heit scheint, wie ich in einem besondern Abschnitt ausführen werde, nicht ohne Einfluss auf den Verlauf der zweiten Theilung dieser Zelle zu sein. Verfolgen wir nunmehr an der Hand der Abbildungen die Vorgänge im Einzelnen. Wir gehen dabei aus von dem Moment, wo die vorletzte gemeinschaftliche Theilung der Blastomeren eben im Ablauf begriffen ist. Die um den vegetativen Pol gescharten Zellen sind, wie die Figur 1 zeigt, ihren Genossinnen vorangegangen, und dementsprechend sind ihre Kerne bereits wieder auf dem feinfadigen Knäuelstadium ange- langt. Dies ist in Figur 1, wie auf allen folgenden Figuren, dureh einen gleichmässigen Ton angedeutet, wobei eine dunklere Schattirung besagt, dass die obere Schnittebene durch die Kerne hindurchgeht, eine helle, dass die letzteren in der Tiefe des Schnittes gelegen sind. Die Kerne der gegenüberliegenden Hemi- sphäre zeigen alle möglichen Phasen der Mitose, ein Beweis dafür, dass mit fortschreitender Entwicklung die in den ersten Fur- chungsstadien zu Tage tretende Gleichzeitigkeit der Kernthei- lungen einer wunübersichtlicheren Gesetzmässigkeit gewichen ist. Bei fh ist die ursprüngliche Furchungshöhle, bei rk der auf der Wanderung begriffene zweite Richtungskörper zu bemerken. Eine Zelle, deren Kern gleichfalls das feinfadige Knäuelstadium erreicht hat, ist ins Innere des Eies getreten: es ist dies die gemein- schaftliche Stammzelle der Urmesodermzellen rd Ürsenıtalzerten: Der feinfadige Knäuel geht nunmehr in em Spirem über (Fig. 2) und zugleich vollzieht sich die Längsspaltung des Chromatinfadens. Nach erfolgter Quertheilung ordnen sich sodann die schleifenförmigen Doppelfaden-Segmente in normaler Weise in der Aequatorebene einer achromatischen Spindel an, wie dies in Fig. 3 in der Seitenansicht und in Fig. 4 in der Polansicht wiedergegeben ist. Namentlich die letztere lässt die Achtzahl der schleifenförmigen, längsgespaltenen Segmente in überaus deut- licher Weise erkennen, und ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass acht die Normalzahl der während der Kern- 560 Vokäeker: theilung auftretenden Chromatin-Elemente bei sämmtlichen Cyelops- Arten ist (10, 11). Ich habe mich speziell an den Blastoderm- kernen während ihrer vorletzten gemeinschaftlichen Theilung (Fig. 1) davon überzeugen können, dass auch hier sich m der Aequatorebene stets acht längsgespaltene Schleifen vorfinden und dass dementsprechend im Dyaster je acht einfache Segmente nach jedem Pole rücken. Sowohl in Fig. 3, als in Fig. 4 sehen wir den zweiten Richtungskörper (rk) als dunkelgefärbte, an- scheinend homogene Masse innerhalb der Zelle liegen und am Rande der letzteren finden sich ausserdem stets mehrere grössere Lücken zwischen den Dotterschollen. Von diesen Lücken sind häufig zwei an den Polen der Spindel gelegen und in diesen hellgefärbten Plasmainseln gelang es mir in seltenen Fällen das schwer zu erkennende Centrosoma festzustellen. Fig. 5 gibt eine etwas schräge Polansicht des Dyasters. Acht Schleifen sind nach der einen Seite, d. h. hier nach oben, acht nach unten gerückt. Sehr auffallend ist die schon hier auftretende Verschiedenheit der Schleifen in den beiden Tochterhälften. Die acht Elemente des einen Theilkerns (B) färben sich bei Alaunkarmintinktion dunkel und zeigen die be- kannte Häkehen- oder Schleifenform, dieselbe, die in der Aequatorialplatte (Fig. 4) noch allen Elementen zuzukommen scheint; die acht anderen (unteren) Schleifen (A) dagegen tingiren sich heller und streeken sich noch während des Auseinanderrückens der Theilkerne zu längeren, stäbehenförmigen Gebilden aus, welche eine paarweise Anordnung und eine theilweise Verklebung be- naehbarter Fadenenden hervortreten lassen. Die letztgenannten Eigenthümliehkeiten der paarweisen Zusammenlagerung und der theilweisen Verklebung lassen es als möglich erscheinen, dass bei dieser ersten Teilung nicht ein Auseinanderrücken der durch die Längsspaltung erzeugten, zusammengehörigen Schwesterele- mente, sondern eine Vertheilung der Doppelsegmente als soleher stattfindet, in der Art, wie es bei der Bildung des ersten Riehtungskörpers von Oyelops zu erfolgen scheint (10, 11). Nach dieser Theilung bleibt die eine Zelle, A, deren Schick- sale wir zunächst weiter verfolgen, im Innern des Eies, während die B-Zelle wieder zwischen die Blastodermzellen zurückgeschoben wird. Dieser Phase gehört das in Fig. 6 wiedergegebene Sta- dium an: die B-Zelle, deren Kernsubstanz immer noch auf die Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 561 acht, unregelmässig neben einander gelagerten Häkchen vertheilt ist, hat sich wieder der Reihe der Blastodermzellen eingefügt. Eine ganz eigenthümliche Erscheinung bietet aber das Chromatin der centralgelegenen A-Zelle dar. Die acht Fäden sind noch etwas länger und dünner geworden und haben grossentheils eine hufeisenförmige Gestalt angenommen. Sämmtliche Hufeisen sind mit ihren Bögen nach einer Seite und zwar gegen die B-Zelle gerichtet und an der Umbiegungsstelle scheint eine gewisse Ten- denz zur Kniekung oder zum Durchbruch der Fäden vorzuliegen, so dass sich - einzelne der Fäden geradezu zu herzförmigen Figuren zusammenschliessen. Es ist dies die zierlichste und zugleich klarste Kerntheilungsfigur, welche im Verlauf der an schönen Bildern so reichen Eientwieklung von Oyelops auftritt. Allem dieser Schleifenreigen scheint nicht von längerer Dauer zu sein. Die Elemente büssen ihre Selbständigkeit wieder ein und es tritt im folgenden Stadium innerhalb der A-Zelle ein lockeres, vermuthlich aus einem einzigen zusammenhängenden Faden bestehendes Spirem auf (Fig. 6a und Fig. 22). Bis zu welchem Grade die Umbildung zum feinfadigen Knäuel fort- schreitet, habe ich nicht mit Sicherheit ausmachen können. 2)" Die'zweite, heterotypische Theilung der A-Zelle. Die nächsten Bilder stellen die Umlagerungen des Chromatins dar, welche die zweite Theilung der A-Zelle einleiten und begleiten. Ich habe bereits vorausgeschickt, dass diese zweite Kerntheilung im grossen Ganzen nach dem Schema der heterotypischen Mitose verläuft. Die Figur 7 zeigt zunächst, dass sich das Spirem auf's Neue in eine Gruppe von acht Fäden umsetzt, welche eine paarweise Anordnung hervortreten lassen. Die beiden Elemente eines Paares streben sichtlich eine Verklebung der benachbarten Enden an, allein dieser Verbindung wirken offenbar vorerst noch andersge- richtete Kräfte entgegen. Und so kommt es, dass z. B. in Figur 7 die Fäden des mittleren Paares fast ihrem ganzen Verlaufe nach an einander geschmiegt sind und speziell noch auf der einen Seite eine Verklebung der Enden aufweisen und dass im Gegensatz dazu die Elemente des untersten 562 Verknelksen: Paares eine vollständige Selbständigkeit zeigen. Ich werde weiter unten auf die Frage zu sprechen kommen, ob hier eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit je zweier Fäden vorliegt oder ob die paarweise Anordnung sekundärer Natur ist. Neben den centrifugalen Richtkräften scheinen übrigens auch noch Torsionskräfte im Spiele zu sein. Denn „die Knäuel haben in diesem Stadium eine sonderbare Disposition dergestalt, dass nach der einen Seite zu die Windungen sieh dicht ge- schlängelt zusammenhäufen, auf der entgegengesetzten mit gra- derem Verlauf und in ziemlich gleichem Abstand über den Kerm- umfang ziehen, während das Innere des Kerns nur von wenigen Zügen durchsetzt ist. — In diesen Knäueln tritt im Innern, zwischen den ehromatischen Fäden, eme unregelmässige, streifig- netzige Struktur hervor, die ich als wesentliche Anlagesub- stanz der Kernspindel betrachte.“ (Flemming, S. 405. Vrel. meine Figuren 8 und 9). In der Fig. 10, welche das fol- gende Asterstadium in Seitenansicht gibt, tritt die achromatische Spindel deutlicher hervor, und in dem betreffenden Präparat war auch am Rande der Zelle das eine der Centrosomen aufzufinden. Wie aus dieser Figur ferner hervorgeht, lagern sich die mit den Enden verklebten Fadenpaare im Aster derart um, dass die Verklebungsstellen in die Aequatorebene zu liegen kommen. Dies tritt sehr deutlich hervor an dem am weitesten rechts gelegenen Paar, bei welchem indess noch beide Fadenbögen nach einem Pole gerichtet sind. Ein zweites Paar liegt nicht nur mit seinen Verklebungsstellen, sondern auch mit der Hauptrichtung seiner Fäden in der Aequatorebene; bei dem am weitesten links gelegenen Paar ist nur die eine sehr deutlich erkennbare Verklebungsstelle in der genannten Ebene gelegen, die beiden andern Enden des Fadenpaares sind durch die dagegen wirkenden Kräfte an der Vereinigung verhindert oder nachträglich auseinandergeschleudert worden. Bei dem letzten Paar, bei welehem die Riehtkräfte zuerst die erstrebte Anord- nung erzielt haben, ist gleichfalls eine Verklebung nicht mehr zu erkennen. „Möglich ist es ja, dass an einzelnen Segmenten die Endverschmelzung sich verzögert, oder selbst ganz ausbleibt“ (Flemming l. e., S.407, Anm. 26). „Es gibt überhaupt viel- fach. Bilder, in denen der grösste Theil der chromatischen Stränge schon den Spindelfasern angeordnet liegt, ein andrer & Die Kerntheilungesvorgeänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildeg. ete. 563 oO {uw} o Theil aber noch in wirren Touren herausgeschleudert erscheint“ (Flemming |. e., S. 408). „Aber auch sie werden schliesslieh in Ordnung gebracht und es liegt nun die Form der ehromatischen Figur vor, die ich schon früher als den Spermatocyten eigenthümlich beschrieben habe und die sich am emfachsten mit einer bauchigen Tonne vergleichen lässt.* (Flemming, l. e. S. 408.) Meine Figuren 11—15 geben diese Tonnenform wieder. Namentlich in der ersten derselben „kann man bei einem Theil der Fäden sehen, dass sie vollständig geschlossene Schlingen bilden, deren Schenkel an den zwei Polseiten winklig in einander umbiegen und im Aequator fortlaufend zusammenhängen“ (Flemming, l.c. S. 409). Nur Flemming's „äquatoriale Anschwellungen ver- mochte ich nirgends zu finden, wohl aber häufig Kniekungen in der Aequatorebene, welche offenbar den ursprünglichen Ver- klebungsstellen entsprechen (Fig. 12), sowie die von dem genann- ten Autor gleichfalls gefundenen Unterbreehungen an der gleichen Stelle (Fig. 15). Die Unterbrechung in der Aequator- ebene vollzieht sich bald an sämmtlichen Schlingen und es kommt ein Bild zur Ansicht, wie es Fig. 14 darstellt. „Es wird also nun jede Schlinge, «die früher von einer Polseite zur andern reichte, im Aequator in zwei Hälften zerlegt, die sich allmählich polar- . wärts von einander begeben und dabei ihre Schenkel verkürzen“ (Flemming, |. e. S. 412). Ebenso wie Flemming es bei seinem Object beschreibt, dauern auch hier sowohl Metakinese, als die erwähnten Zwischenstadien zwischen Metakinese und Dyaster relativ sehr lange, man findet sie wenigstens in sehr zahlreichen Eiern eines und desselben Eiersacks. Demnächst tritt die gegenseitige Abgrenzung der Tochter- zellen (a, und a,) hervor, Fig. 15—17, und es befinden sich nun sowohl im inneren als im äusseren Theilkern je vier, offenbar sehr bald (Fig. 17) in Kugelehromosomen sich auflösende Schleifen. In den Fig. 13—17 habe ich diese Zahl wenigstens im inneren Theilkern auf's genaueste feststellen können, nachdem ich mich selbstverständlich überzeugt hatte, dass die Theilkerne vollständig zwischen die ‚beiden Schnittebenen der sehr. dieken Sehnitte fallen. Am klarsten tritt die Vierzahl der Elemente und ihre eigenthümliche steile Anordnung in der Fig. 14 hervor, deren oberer Theil, stärker vergrössert, die Fig. 14a darstellt. 564 NEE er: Es liegt also bezüglich der-Zahl der Theilungseinheiten eine „Reduetionstheilung“ vor, indem die beiden Derivate von A an Stelle der Normalzahl „acht“ nur noch je vier Schleifen enthalten. Oder, wenn wir uns auf diejenigen Theilungseinheiten beziehen, in welehe das gesammte Chromatin während der Metakinese zerlegt ist, und wenn wir die Annahme machen, dass diese morphologischen Elemente in sämmtlichen verschie- denen Kerntheilungstypen physiologisch gleichwerthig sind (d. h. mit Weismann stets auch die gleiche Anzahl von „Iden“ enthalten, 21), so befinden sich in den Derivaten a, und a, ebenso viele Einheiten, wie im zweiten Richtungskörper, in der befruch- tungsfähigen Eizelle und im der Samenzelle und halb so viele als in sämmtlichen übrigen Kernen. Ausser dem Richtungskörper, mit dessen Schicksalen sich ein besonderer Abschnitt beschäftigen wird, ist in den Fig. 11—19 am Rande der A-Zelle eine mondsichelförmige, dotterfreie Plasma- insel zu bemerken, die ich bis jetzt nur als Analogon einer Attractionssphäre zu deuten im Stande bin. Ihre besondere Ge- stalt und Lagerung mag mit der Lage des Centrosomas am Zell- rand zusammenhängen. Auffallend ist aber immerhin, dass diese Plasmasichel immer nur in der Einzahl und zwar am inneren Pole der A-Zelle auftritt. Das Chromatin der beiden Theilkerne löst sich nunmehr m kuglige Chromosomen auf, die in einer dunkel sich färbenden Plasmainsel eingebettet sind (Fig. 18). Die Fig. 19 zeigt end- lich, wie die beiden Kerne die Bläschenform annehmen: in dem offenbar mit einer zarten Membran sich umgebenden Kern sind ein unregelmässiges chromatisches Gerüst und mehrere kuglige Kernkörperchen zu bemerken; es tritt also hier der nämliche Typus auf, den die beiden Copulationskerne von Cyelops vor der ersten Theilung (vergl. 11, Fig. 26) und ebenso die Furch- ungskerne in ihren Ruheperioden aufweisen (vergl. 11, Fig. 29). 3. Mesoderm-und Entodermbildung. Wir haben gesehen, dass, nach Ablauf einer allgemeinen Theilung der ekto- dermalen Elemente, eine Zelle in’s Innere tritt und zunächst eine Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 565 erste Theilung nach dem Schema der gewöhnlichen Mitose ein- geht. Die eine Tochterzelle, die A-Zelle, theilt sich nach dem heterotypischen Schema ein zweites Mal und die beiden Tochterkerne treten im Bläschenstadium in die Mitte des Dotters (Fig. 19). Hier sind dieselben während des ganzen Verlaufs der Embryonalentwieklung wahrzunehmen, deutlich kenntlich durch ihre Grösse, ihre Bläschenform und die Feinheit des chromatischen Fadengerüsts. Es sind die sehon von Grobben (9) angegebenen Genitalzellen des freien Nauplius. Die B-Zelle, durch die Massigkeit ihres Chromatins kenntlich, ist zunächst wieder zwischen die Randzellen des späteren Blastoporus zurückgetreten (Fig. 6a, B: Die Invagination hat hier soeben ihren Anfang genommen und der Schnitt geht schräg durch die Oeffnung hindureh). Sie beginnt nunmehr gleichfalls sich zu theilen, und zwar nach dem Schema der nor- malen Mitose, aber mit sehr breiten Dyaster- figuren, wie solche in den ersten Furchungsstadien vorkommen (Fig. 22). Die Theilproduete (b, und b,), welche in den ersten Spiremstadien durch den langgestrekten Fadenknäuel ausgezeich- net sind (Fig. 20 und 21), zwängen sich nun, den Genitalzellen folgend, zwischen den Nachbarzellen hindurch und die Bahn dieser voluminösen Elemente wird durch das Lumen des Blasto- porus angezeigt. Die Derivate der B-Zelle stellen die primären Urmesodermzellen dar. Die Fig. 23 gibt einen genau durch die dorsale und ven- trale Mittellinie geführten Sagittalschnitt durch einen Embryo wieder. Die ventrale Seite zeichnet sich im Vergleich zur dor- salen durch diehtere Zusammenlagerung der Kerne und deutlich erhaltene Dotterklüftung aus. In der Mitte des Schnittes liegen hintereinander die zwei grossen blassen Urgenitalzellen (a, und a,). Zu beiden Seiten derselben ist je eine primäre Urmesodermzelle (b, und b,) aufgerückt. Während aber. die erstgenannten Zellen während der ganzen Embryonalent- wicklung im Bläschenstadium verharren, gehen die beiden Ur- mesodermzellen alsbald je eine Theilung in der Längsrichtung des Embryos ein. Zugleich mit der Einwanderung der soeben besprochenen 566 Vaäcker: Zellen hat von der nämlichen Stelle aus der Gastrulations- process seinen Anfang genommen). _Sehon in früheren Stadien waren vereinzelt m der Gegend des animalen Pols tangential und schräg zum Radius gestellte Dyaster wahrnehmbar (Fig. 6, 6a und 11 beie), während sämmtliche übrigen Blastodermkerne eine dichte Knäuelfigur darstellen. Vielleicht beziehen sich diese vereinzelten Bilder auf die Theilungen der Grobben’- schen „centralen Entodermzelle.* Zur Zeit der zweiten Theilung der A- und B-Zelle nimmt die Anzahl dieser Theilungsfiguren zu und die durch die Eimwanderung der a- und b-Zellen erzeugte Vertiefung, der spätere Blastoporus, ist nunmehr von mehreren, so viel ich sehen konnte, 4 oder 5 Eekzellen umstellt, welche mit schräg zum Radius gestellten Spindeln in periodische Thätigkeit treten (Fig. 23). Das Product jeder einzelnen Simultantheilung ist eine Generation von Entodermelementen, welche staffelweise in’s Innere tritt, zunächst dem Blastoporus entlang die Richtung auf die Eimitte einhaltend, dann aber um die central gelegenen Polzellenpaare herum schalenförmig sich ausbreitend. Das Resultat dieser Vorgänge ist eine becher- förmige Gastrula mit weiter und tiefer Blastoporusöffnung (Fig. 23). Ausser in den primären Urmesoderm- zellen (b-Zellen) und Urentodermzellen (Eekzellen des (astrulamundes, Polzellen des Entoderms) finden sich in diesem Stadium niemals Mitosen vor, weder im Ekto- derm, noch in den Entodermzellen, noch in der Genitalzellen- gruppe (a-Zellen). Die Fig. 24 gibt einen etwas tiefer gelegenen Schnitt durch (denselben Embryo. Auch hier sind zwei von den Polzellen des Entoderms getroffen und ausserdem eine Anzahl von einwan- dernden Entodermkernen, von welchen einige in den Wandungen des Blastoporus gelegen sind (vrgl. hierzu Fig. 23), während die ältesten, in zwei parallelen Staffeln angeordnet, die Mitte des Embryos einnehmen. Da die Polzellen des Entoderms stets die .nämliche Theilungsphase aufweisen, so entspricht jede Staffel einer gleichaltrigen Generation von Entodermzellen. Die Fig. 25 stellt einen Frontalschnitt dar, der 1) Die Gastrulation wurde bei den freilebenden Copepoden zu- erst von P. P. C. Hoek (12) beobachtet. Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 567 grossentheils in die untere Hälfte des Embryos fällt und dess- halb fast lauter Ektodermzellen von ventralem Habitus enthält. Die Urgenitalzellen liegen immer noch hinter einander in der Längsriehtung des Embryos und die Kerne der primären Ur- mesodermzellen sind in das Asterstadium eingetreten. Nach etwa sechs Theilungen der Entodermpolzellen schliesst sich der Gastrulamund (Fig. 26) und zu gleicher Zeit unter- nehmen sämmtliche Ektodermzellen eine letzte gemein- schaftliche Theilung. Im Stadium der Fig. 26 sind übrigens nur noch die Kerne der dorsalen Seite in. voller Thätig- keit, während die ventral gelegenen bereits wieder das Ruhe- stadium erreicht haben. Die Form des Gastrulabechers ist während des Einrückens der letzten Entoderm-Generationen da- durch eine unsymmetrische geworden, "dass die einwandernden Kerne mehr und mehr die Richtung nach der dorsalen Seite be- vorzugten; die allerletzten Generationen haben sich zu einem Säck- chen geschlossen, welches einen Rest der ursprünglichen Gastrula- höhlung in sich begreift (Gastrula-Endsäckchen). Die Urgeni- talzellen liegen noch hintereinander, auf jeder Seite begleitet von je zwei gleichfalls hintereinander gelegenen, sehr grossen und chromatinreichen Zellen (seeundäre Urmesoderm- zellen ,—/ß,), den Abkömmlingen der primären Urmesoderm- zellen, welch’ letztere auf früheren Bildern (Fig. 23 und 25) in der bezüglichen Theilung begriffen waren. In Fig. 26 kommt selbstverständlich nur das Paar der einen Seite zur Ansicht (Bu, B))). Ob diese letztere allerdings die rechte oder die linke Seite des Embryos ist, habe ich leider nicht mit Sicherheit feststellen können. Keines meiner;Präparate liefert genügende Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, ob das Proktodäum oder das Stomodäum an der Stelle /des Gastrulamundes auftritt. Die Urmesoderm- und Urgenitalzellen befinden sich im Stadium der Figur 26, annähernd in der Mitte des Embryos und können dem- gemäss nicht Tzur Entscheidung herangezogen werden. Ich 1) Die Fig. 26 hat eine gewisse Aehnlichkeit mit Grobben’s Figur 21. Da ich aber alle :vorangehenden Stadien in lückenloser Reihe besitze, so ist für mich die entodermale Natur der mit ent be- zeichneten Kerne keine Frage. 568 ; Veiacker: möchte aber doch auf einen andern Punkt hinweisen, der eine Lösung der Frage zu ermöglichen scheint. In den folgenden Stadien, in welchen die primäre Segmentirung des Embryos in drei gleiche Abschnitte erfolgt, findet sich im vordersten Seg- mente stets eine kleine Gruppe von strahlig gestellten Kernen, welche einerseits grosse Aehnlichkeit mit dem Gastrula-End- säckehen besitzt, andrerseits aber in späteren Embryonalstadien direet in die flaschenbauchförmige Erweiterung des Oesophagus (Fig. 27) überzugehen scheint. Ich habe wenigstens mehrere Bilder gesehen, wo der letztere erst durch eine seichte Ver- tiefung des Ektoderms angedeutet ist, und unterhalb derselben die erwähnte sternförmige Kerngruppe auftritt. Vielleicht sind also Gastrula-Endsäckehen und Oesophaguserweiterung ein und dasselbe Gebilde. Diese Auffassung würde freilich mit sonstigen Befunden bei Crustaceen und speciell mit der Hoek schen An- gabe über die freilebenden Copepoden (12) im Widerspruch stehen und sich nur mit der Grobben’schen Beobachtung an Moina (8) decken. Die Fig. 27 gibt einen Frontalschnitt durch einen kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden Embryo. Vorne hat sieh der Oesophagus „eingestülpt“, wahrscheinlich als Product der Thätig- keit einiger „oesophagealer Polzellen“. Ich habe wenigstens nur an seiner Mündung mitotische Theilungen beobachtet. An seinem distalen Ende ist er blasenförmig erweitert und ich habe oben bereits die Vermuthung ausgesprochen, dass dieser Absehnitt mit dem charakteristischen Gastrula-Endsäckchen identisch sei. Die Ento- dermkerne haben sich durch die ganze, Dottermasse ausgebildet und dieselbe seeundär in polyedrische Zellbezirke zerklüftet. Einen mehr ventral gelegenen Schnitt durch denselben Embryo stellt die Fig. 28 dar: Der hinterste Abschnitt enthält die beiden dieht neben einander gelegenen Genitalzellen und zu beiden Seiten derselben findet sich als Derivat der /-Zellen je eine kleinere Gruppe von Kernen vor, die sich nach vorne je in einen geschweiften Bogen vielgestaltiger Kerne fortzusetzen scheint. Da die letzteren sich in ihrem ganzen Habitus, von den kleineren, dunkel sich färbenden Entodermelementen unterscheiden und da ich die Kerne zu beiden Seiten der Genitalzellen häufig in mitotischer Theilung fand, so fasse ich die ß-Zellen, wie voraus- geschickt wurde, als Polzellen des Mesoderms und die beiden Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 569 bogigen Kernreihen als Mesodermstreifen auf. Jeder der letzteren setzt sich übrigens aus mindestens zwei schräg über- einander liegenden Kernreihen zusammen und die Elemente der- selben breiten sich lateralwärts nach der Rückenseite des Embryos aus (Fig. 27, m). Es liegen also hier Verhältnisse vor, welche mit den neueren Beobachtungen an Isopoden verglichen wer- den können; namentlich zeigen die beiden bogigen Mesoderm- reihen, welche in einiger Höhe über dem ventralen Ektoderm verlaufen, eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Patten schen Befunde bei Cymothoa (15, Fig. 17). Die eingangs berührte Frage nach den Beziehungen der Copepoden- zur Annelidenent- wicklung werde ich im Folgenden kurz streifen. 4. Die Bedeutung der Gastrulation bei Cy- elops. Prüfen wir die im vorigen Abschnitt skizzirten Vor- gänge hinsichtlich ihrer theoretischen Bedeutung. Die Thatsache, auf welche ich zunächst am meisten Werth legen möchte, ist die frühzeitige und jedesmal auf wenige Elemente beschränkte Differenzirung der Urzellen oder Polzellen des Ento- derms, des Mesoderms und der Genitalanlage. Speciell das Entoderm geht.durch eine Folge von Theilungen aus wenigen, oberflächlich gelegenen Polzellen her- vor, welche mit schräg zum Radius gestellter Kernspindel gene- rationsweise Staffeln von Entodermzellen nach dem Innern ab- stossen. Einerseits die in der Theilungsriehtung der Polzellen begründete Anfangsdirection, andererseits das im Wege stehende Hinderniss der genitalen und mesodermalen Polzellenpaare bewirkt eine becherförmige Ausbreitung der einrückenden Elemente. Eine Vermehrung der letzteren im Innern des Eis findet offenbar bis zum definitiven Zusammenschluss des Mitteldarms nieht mehr statt. Ich habe wenigstens nie im entodermalen Gewebe Mitosen entdecken können und die geringe Anzahl der später sich zum Mitteldarm zusammenschliessenden Elemente spricht gleichfalls gegen die Annahme einer nachträglichen Proliferaton der Gastrula- kerne. Dieselben verbreiten sich vielmehr nach dem Schluss des Gastrulamunds im Dotter und nur das Endsäckehen der Gastrula, das sich vermuthlich zum Theil aus den ursprünglichen Polzellen zusammensetzt, bewahrt einen epithelialen Charakter, 570 V. Häcker: Eine ähnliche „Becher-Gastrula“ scheint auch dem Lucifer zuzukommen (2; die betreffende Abbildung ist von Korschelt und Heider auf S. 312 ihres Lehrbuchs wiedergegeben). Je- doch müsste dureh eine Nachuntersuchung entschieden werden, ob auch hier die Gastrulation durch Wucherung von einzelnen Polzellen aus erfolgt. Unwahrscheinlich ist es keinesfalls, dass aueh in andern Fällen, ausser in dem von mir beobach- teten, die Invagination in der beschriebenen Weise vor sich geht. Das Auftreten der Invaginationsgastrula ist also, wenigstens in unserem Falle, mit der frühzeitigen, phyletisch jedenfalls sekun- dären Differenzirung von Polzellen aufs Innigste ver- knüpft. Dieser Zusammenhang legt uns aber nahe, diese Invagi- nationsgastrula gleichfalls als etwas Sekundäres, als eine Eigen- thümlichkeit zu betrachten, die im Zusammenhang mit der Concentrirung der Fähigkeit, speeifische Ento- dermelemente abzuspalten, entstanden ist, oder, wie sich nieht schwer zeigen lässt, entstehen musste. Denken wir uns (Fig. 29) die beiden in einem Mediansehnitt getroffenen Polzellen des Entoderms in schräg zum Radius gestellter Rich- tung sich theilend. Die central gelegenen Toehterzellen der ersten Generation werden zusammenstossen, und wenn weitere Nachschübe zwischen sie und die bleibenden Polzellen einge- schaltet werden, so wird die resultirende Wirkung der ursprüng- lichen Theilungsrichtung und des gegenseitigen Seitendrucks die Bildung eines Gewölbes sein, aus denselben mechanischen Gründen, aus denen sich auch die Zellen der Blastula zu einem kugelförmigen Gewölbe zusammenschliessen. Der Vorgang er- scheint noch klarer, wenn in den Polzellen eine zunehmende Drehung der ursprünglich tangentialen Spindeln in die Radius- richtung herein angenommen wird, eine Voraussetzung, die bei Cyelops mit der Beobachtung übereinstimmt. Diese Gewölbe- Gastrula (bezw. die hier auftretende Form der Becher-Gastrula) stellt aber ein wichtiges Verbindungsglied in der Reihe der Gastrulatypen dar. Metsehnikoff hat es in seinem Medusen-Werke (14) als hauptsächliehen Mangel der Gasträa-Theorie bezeichnet, dass die Ableitung und Erklärung der Delamination aus der Invagi- nation auf ernste Schwierigkeiten stosse. Er selbst denkt sich [2 Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 571 als Urmetazoon eine Parenchymella (Phagoeytella), bei welcher durch multipolare Einwanderung von peripherischen Elementen ein solides, intracellulär verdauendes Parenchym erzeugt wurde. Jedenfalls „muss grundsätzlich angenommen werden, dass die multipolare Entodermbildung eine ursprünglichere Form als die eoncentrirte repräsentirt, denn die umgekehrte Annahme stösst auf zu starke Hindernisse.“ Aus der eoncentrirten Einwanderung kann sodann nach Metschnikoff unschwer die Invagination abgeleitet werden. So trete bei Laodiee in dem durch polare Einwanderung entstandenen Parenchym eine sekundäre Höhlung auf, wobei auch das Entoderm einen epithelartigen Charakter bekommt. Bei Annahme einer weiteren Abkürzung im Entwick- lungsgang könne man sich denken, dass die oberflächlich diffe- renzirten Entodermzellen, anstatt einzeln einzuwandern, sich gemeinschaftlich einstülpen und dieser Process könne sich end- lich auch auf benachbarte Blastodermelemente ausdehnen, wo- durch der eingestülpte Sack allmählich grösser wird). Ich stelle mir die Entstehung des bei Cyelops auftreten- den Invaginationstypus auf folgende Weise vor. Ich möchte die primitive Entodermbildung in das Stadium einer Blastula verlegen, deren Elemente sämmtlich gleichwerthig sind, und sich mit tangential gestellten Spindeln periodisch und gleichzeitig theilen, in der Art, wie wir es in den früheren Furchungsstadien zahl- reicher Formen finden. Wenn dann die Spannung im Kugelge- wölbe ihr Maximum erreicht hatte, mussten, wofern die Kolonie ihre Einheit bewahren sollte, die Elemente von geringerer Spann- kraft von ihren Schwesterzellen in die Tiefe der Hohlkugel ge- 1) Balfour lässt die Frage, ob Einstülpung oder Abspaltung die Art des Uebergangs von den Protozoen zu den zweischichtigen Metozoen wiederhole, offen (1, II, S.307), er hält es jedoch für mög- lich, dass die Colenteraten Vorfahren besassen, bei welchen der Ver- dauungskanal physiologisch durch eine solide Masse von amöboiden Zellen vertreten war (1, I, S.172). In bestimmterer Weise nimmt Götte (7, S.184) für Cölenteraten und hypogastrische Würmer eine Sterrogastrula-ähnliche Stammform an, und von anderen Gesichts- punkten als die genannten Forscher ausgehend, hat H. E. Ziegler (23) betont, „dass wir, wenn wir in der Ontogenese eine Ausstülpung finden, die Möglichkeit erwägen müssen, dass diese Ausstülpung se- kundär aus einem Proliferations- oder Wucherungsprozess entstan- den ist“. 572 V. Häcker: drängt und demzufolge auf die Ausübung ihrer vegetativen Funk- tionen beschränkt werden. Nachdem sodann sowohl die multi- polare Einwanderung als die damit verbundene Arbeits- theilung zu einer erbliehen Eigenthümlichkeit geworden war, stellten sich die Theilungsspindeln von vornherein in die Radius- richtung ein und es kam auf diese Weise die Entoderm- bildung durch Delamination zu Stande (eine Drehung der Spindeln des Blastoderms aus der tangentialen in die radiäre Richtung lässt sich sehr schön bei den Wintereiern der Daph- niden verfolgen). Nun ist aber für die Weiterentwicklung der Organismenwelt die zunehmende Differenzirung ursprünglich gleich- werthiger Elemente, die fortschreitende Arbeitstheilung, ein Prinzip von der weittragendsten Bedeutung. Ihm zu Folge wird sich auch wohl die Fähigkeit der Abspaltung morphologisch und physio- logisch ungleiehwerthiger Elemente, welche ursprünglich sämmt- lichen Blastulaelementen in gleicher Weise zukam, allmählich auf bestimmte Regionen der Blastulaoberfläche und weiter auf be- schränkte Zellgruppen eoncentrirt haben. Wir können uns also zunächst denken, dass in der Parenchym-Gastrula eine Concentrirung der erwähnten Fähigkeit auf beschränkte Partien der Oberfläche stattgefunden habe: Daraus ging die Gastrulation durch polare Einwucherung hervor, ein Typus, auf welchen sich wiederum eine Reihe specieller Formen zurückführen lässt. Bei fortschreitender Concentrirung ist es endlich zur Differenzirung weniger Entoderm-Pol- zellen gekommen, und wir haben gesehen, wie in diesem Fall die Bildung einer Gewölbe-Gastrula zu Stande kommt. Als Beleg dafür, dass auch in andern Fällen die Invagination des Entoderms sekundär entstanden ist, darf vielleicht das ver- schiedene Verhalten der Winter- und Sommereier der Daphniden herangezogen werden, von denen die ersteren, als die geschleeht- lich erzeugten, vermuthlich einen ursprünglicheren Typus dar- stellen. Das Winterei entspricht in seinem Dauerzustand einer typischen Parenchym-Gastrula, und ich habe wenigstens bei den Wintereiern von Sida erystallina und Moina paradoxa feststellen können, dass dieselbe durch multipolare Delamination zu Stande kommt. Die parthenogenetisch erzeugten Sommereier dagegen weisen, wie namentlich Grobben’s schöne Untersuchungen an Moina (8) zeigen, eine typische Invaginationsgastrula auf bei Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 573 gleichzeitiger früher Differenzirung der mesodermalen und geni- talen Polzellen. Wenn wir also die Invagimations-Gastrula von Cyelops andern Invaginationstypen gegenüberstellen und sie als spezielle Anpassung betrachten, die neben und im Zusammenhang mit der frühzeitigen Differenzirung von entodermalen, mesodermalen und genitalen Polzellen aufgetreten ist, so erscheint es fraglich, ob wir es hier mit besonders ursprünglichen, an amneliden- ähnliche Vorfahren erinnernden Verhältnissen zu thun haben. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass einerseits bei den Copepoden, anderseits bei den Anneliden Polzellen-Differenzirung und Inva- gination das Ergebniss emer Parallel-Entwicklung sind. 5. Das Endschicksal des zweiten Riehtungs- körpers. Bereits in meiner früheren Arbeit habe ich über die eigenthümliche Wanderung des zweiten Richtungskörpers einige Angaben gemacht und es als wahrscheinlich bezeichnet, dass derselbe zu einer der centralen Zellen in Beziehung tritt. Bei solchen Individuen, welche ich Ende Januar und Mitte Juni konservirte, ist der Richtungskörper in den früheren Furchungs- stadien auf der Wanderung ins Innere begriffen, im Blastoderm- stadium liegt er an der Wandung der Furchungshöhle (11, Fig. 30) und noch in späteren Stadien, wenn sich schon der Gastrulamund geschlossen hatte, fand er sich fast regelmässig etwa im Centrum des Embryos vor. Sein definitives Schicksal konnte ich jedoch nicht verfolgen. Beispiele einer derartigen Lebensdauer und Aktivität einer Richtungszelle werden in der neueren, Litteratur vielfach ange- führt. So hat neuerdings Zelinka (22) bei gewissen Rotatorien eine besondere Lebenszähigkeit dieses anscheinend funktionslosen Elements festgestellt. Bei Cyelops brevieornis geht dieselbe aber noch viel weiter, denn hier scheint es in der That dem zweiten Richtungskörper noch beschieden zu sein, in den Verband der embryonalen Zellen wieder aufgenommen zu werden. Bei einigen Thieren, welche Mitte März konservirt wurden, habe ich ihn in zahlreichen Eiern, welche die erste Theilung der „Stammzelle“ aufwiesen, mit Regelmässigkeit innerhalb oder wenig- stens dieht neben der letzteren vorgefunden, während er in etwas Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 38 574 V. Häcker: älteren Eiern mit der A-Zelle in der nämlichen Verbindung stand. Selbstverständlich vermag ich nicht zu entscheiden, ob sein Vorkom- nen innerhalb der Stammzelle und später in der A-Zelle ein zufälliges ist, aber so viel steht fest, dass er da, wo er sich wirklich in ihrem Innern befindet, nieht ohne Einfluss auf den Verlauf der Thei- lungen ist. So sehen wir ihn in Fig. 3u. 4 während des Aster- stadiums der ersten Theilung scheinbar theilnahmslos am inneren Zellrand liegen. Sicherlich ist es aber nicht zufälliger Natur, dass er sich stets in der Ebene des Spindels-Aequators befindet, vielmehr ist wohl diese Lage gleichfalls durch die zur Zeit der Zellkörper beherrschenden Richtkräfte bestimmt. Auch zur Zeit des Tonnenstadiums wird diese Stellung von ihm eingenom- men (Fig. 11—13) und ist offenbar nieht ohne Einfluss auf den Ver- lauf der Theilung. Wenigstens weisen in Fig. 12 drei von den ihm zunächst gelegenen Tonnenreifen in der Aequatorebene eime starke Kniekung auf, und noch viel auffallender konvergiren in Fig. 13 die sehon unterbrochenen Fäden der einen Seite nach seinem Standorte hin. Dieselbe Erscheinung tritt in Fig. 14 zu Tage und es scheint sogar, als ob er die ihm zunächstliegende Schleife des oberen Theilkerns in ihrer Wanderung zum Pol aufgehalten habe. In Figur 16 und 17 befindet er sich mitten unter den vier Schleifen des innersten Enkelkernes, während er allerdings in Fig. 15 sich relativ weit ausserhalb der A-Zelle befindet. In Fig. 18 zeigt er gleich dem inneren Enkelkerne eine Auflösung in kugelige Chrosmosomen, in den späteren Stadien aber, welche sich noch in denselben Eiersäcken wie die obigen vorfinden, ist er nicht mehr aufzufinden gewesen. Alles in Allem lässt sich vorerst nur soviel sagen, dass in gewissen Fällen der zweite Richtungskörper zum inneren Ab- kömmling der A-Zelle in Beziehung tritt. Es mag dabei viel- leicht in Betracht kommen, dass die Riehtungszelle hinsichtlich der ganzen Art ihrer aktiven Wanderung an Eigenthümliehkeiten der Samenzelle erinnert und dass die A-Zelle ihrerseits auf Grund ihres Kernteilungsmodus mit den zur Copulation sich ver- breitenden Geschlechtszellen verglichen werden kann; es wäre also sehr gut denkbar, dass durch diese Verwandtschaft, welche die beiden in Betracht kommenden Zellen zu den Geschlechts- zellen zeigen, ihre gegenseitige Attraktion bedingt werde. Ja, es wäre sogar sehr naheliegend, hier eine regelmässige Ver- Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 575 schmelzung der beiden Elemente anzunehmen, aus dem Grunde, weil die vier Ohromatinschleifen des Richtungskörpers die vier Elemente der innern Zelle auf die Normalzahl „acht“ bringen würden. Aber, wie gesagt, die Regelmässigkeit des Vorganges ist dureh die oben mitgetheilten Beobachtungen ausgeschlossen, und ich muss mich daher zunächst auf den Hinweis beschränken, dass es sich vielleicht hier um einen sekundären Copulationspro- cess handelt, der unter Verwerthung der zweiten Richtungszelle in phylogenetischer Entstehung begriffen ist. Die Weismann-Ischikawa'sche Paracopulation (20) ist zum Vergleich nicht wohl heranzuziehen, da es nach den Bildern der genannten Autoren ausgeschlossen zu sein scheint, dass die Paracopulationszelle mit einem der Richtungskörper identisch ist. Eher noch könnten die bekannten Vorgänge im Embryosack der Phanerogamen in Analogie gebracht werden und zu erwähnen ist schliesslich ein anderer Fall von sekundärer Befruchtung, welehen der Botaniker Schmitz (16) beschrieben hat. Nach den Beobachtungen dieses Forschers gehen nämlich die aus dem befrucehteten Carpogon der Florideen hervorgehenden O0- blastemfäden vor der Sporenbildung”mit benachbarten Thal- luszellen eine Copulation ein. Vielleicht verbreiten weitere Untersuchungen Lieht über die erwähnten, im Thierreich offenbar vereinzelt stehenden Vorkommnisse. 6. Die heterotypische Theilung bei den Co- pepoden. Wie im zweiten Abschnitte ausgeführt wurde, zeigt der in der A-Zelle auftretende Kerntheilungstypus im den meisten Punkten Uebereinstimmung mit Flemming's heterotypischer Mitose. Immerhin sind zwei Unterschiede hervorzuheben. Der erste derselben betrifft die Prophasen der Theilung. In den Spermatocyten von Salamandra geht nämlich aus dem einfach-fadigen Spirem dureh Längsspaltung des sanzen Fadens ein Doppelfaden hervor, der durch Quer- theilung in eine Anzahl grösserer Doppelfadensegmente zerfällt. In der A-Zelle von Cyelops habe ich niemals ein Spirem- stadium mit längsgespaltenen Chromatinfäden aufgefunden: ein 576 V\ekliäcker: solches tritt vielmehr nur in den Prophasen der ersten Thei- lung der Stammzelle auf. Vielleicht lässt sich eine Uebereinstimmung bei folgender Betrachtungsweise erzielen. Aus dem doppelfadigen Spirem der „Stammzelle* gehen acht Doppelfadensegmente hervor (Fig. 4). Nun scheinen, wie erwähnt, die Bilder des Dyasterstadiums (Fig. 5) darauf hinzuweisen, dass m der ersten Theilung kein Aus- einanderrücken der Schwesterelemente, sondern eine Vertheilung der Doppelfadensegmente als solcher erfolge. Es würden also in das Spirem des A-Kerns vier Doppelfadensegmente eintreten und die vier in den Prophasen der zweiten Theilung auftreten- den Fadenpaare (Fig. Tu. 10) liessen sich direkt auf letztere und damit genetisch, wie es das heterotypische Schema verlangt, auf ein Doppelfadenspirem zurückführen. Eme zweite Eigenthümlichkeit der Theilung der A-Zelle besteht darin, dass in einzelnen Fällen im Dyaster ein Durch- bruch der an die Pole tretenden Fadenwinkel in den Eeken und demnach eine Zerlegung derselben in ihre beiden Schenkel erfolgt. Diese seeundäre Quertheilung der Schleifen in ihre Halbsegmente tritt aber keineswegs bei sämmtlichen Schleifen eines Tochter- kernes ein, sondern immer nur bei einzelnen derselben (Fig. 12 und 13 bei !), und in zahlreichen Bildern (Fig. 14—17) fehlt sie zweifellos überhaupt. Diese Abweichung vom Typus ist deshalb von Interesse, weil bei Cyclops auch bei der Bildung des ersten Riehtungskörpers die in die beiden Theilkerne eintretenden chro- matischen Elemente die Form von „Doppelstäbehen“ zeigen. Der Verlauf der Ovogenese ist bei Cyelops signatus in Kurzem folgender. An der Kuppe der Keimdrüse befindet sich ein Polster von „Stammzellen,“ welche unter fortgesetzter mito- tischer Theilung die „Ureikerne* liefern. Schon während der bezüglichen Metakinese zeigen die von letzteren übernommenen acht stäbehenförmigen Segmente eine Andeutung der Längsspal- tung und zugleich eine rosenkranzartige Differenzirung in „Kugel- chromosomen“. In den nächstälteren Kernen ist die Aneinander- reihung der letztern zu Stäbchen aufgegeben, jedes einzelne Kugelehromosom hat sich in der ursprünglichen Längsriehtung des Stäbchens gespalten und jedes dieser „Doppelpünktchen“ steht dureh Linin-Doppelfäden mit zwei benachbarten in Verbindung („Diplose“ 11). Zur Zeit des Wachsthums des Kernkörpers wird Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. ete. 577 die Chromatinstructur undeutlicher, aber gleich mit Beginn der Dotterabscheidung tritt sofort wieder eine Anordnung desselben in äusserst zarten Doppelfadenzügen klar hervor. Dieselben werden kurz vor der Bildung des ersten Richtungskörpers massiger und nun treten vier Doppelfadensegmente auf (Fig. 30), welche an ihren Enden bei jr eine Verklebung, in ihrer Mitte bei * eine Kniekung erkennen lassen. Eine Umlagerung dieser Fäden im Sinne des Flemming'schen heterotypischen Schemas habe ich bis jetzt nie beobachten können, vielmehr scheint es beim Punkte * zum Durchbruch zu kommen und die acht Segmente verkürzen sich sodann unter Aufgabe der Endverklebung zu acht Doppel- stäbehen, von denen vier in den ersten Richtungskörper ein- gehen, vier im Ei verbleiben (Fig. 31). Bei der zweiten Thei- lung bleiben im Ei vier Einzelstäbchen, bezw. zwei Doppel- stäbehen zurück. Man kann die beschriebenen Vorgänge in zweifacher Art deuten. Entweder findet in der That keine Umlagerung nach dem „heterotypischen* Schema statt, d. h. der Doppelfaden des Keimbläschenstadiums zerlegt sich einfach durch Quertheilung successive in vier grössere primäre, und dann in acht kleinere Segmente. Dann würde in Figur 32 das Stadium d direkt auf das Stadium a folgen (die Fig. 32 a stellt eines der vier primären Segmente dar), und die beiden Elemente jedes Doppelstäbehens würden „identische* Schwesterelemente sein (d.h. sie würden mit Weismann die nämlichen „Ide* enthalten), wofern nicht während der Diplose und im Keimbläschenstadium eine gegenseitige Verschiebung der Schwesterfäden stattgefunden hat. Oder aber, es ist vorauszusetzen, dass die erwähnte Um- lagerung der Beobachtung entgangen ist. Dann würde sich der Vorgang mit der heterotypischen Mitose decken, wofern man eine sekundäre Quertheilung der Segmente an der Umbiegungsstelle annimmt, wie dies ausnahmsweise in der A-Zelle vorkommt (Fig. 52 a—d). Die Einzelelemente jedes Doppelstäbehens aber würden zwei ursprünglich hintereinander folgende Abschnitte eines und desselben Einzelfadens darstellen. Mit dieser letzteren Auffassung wäre allerdings eine Parallele für die Vorgänge in der A-Zelle gewonnen, und ebenso liessen sieh Weismann’s Anschauungen recht gut mit ihr in Einklang 578 Virkläte ler: bringen. Allein ich vermag bis jetzt kein Bild anzuführen, welehes ihr zur Stütze dienen könnte. Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass auch dann, wenn wirklich eine heterotypische Theilung während der Reifungsphase vorliegen würde, die Auffassung keine Einschränkung erleiden würde, dass die „Diplose“ der Copepoden mit keiner der beiden folgenden Theilungen in direktem Zusammenhang steht. Es müsste denn angenommen werden, dass die Längsspaltung der ersten Theilung eine Zurücksehiebung bis in die Dyaster der Urei- zellen erfahren habe. Literatur-Verzeichniss. 1. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Jena 1880. 2. Brooks, W.K., Lueifer, a study in Morphology. Phil. trans. R. Soc. London. Bd.173, 1883. 3. Claus, C., Die freilebenden Copepoden. Leipzig 1863. 4. Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. für mikr. Anat. 29. Bd., 1887. 5. — — Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten und über deren Attractionssphären. Arch. f. mikr. Anat. 37. Bd., 1891. 6. Frie, J. A., Note preliminaire sur l’ontogenie de nos Copepodes d’eau douce. Zool. Anz. 5. Jahrg., 1882. 7. Götte, A., Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. II. Theil. Hamburg und Leipzig 1884. Ss. Grobben, C., Die Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. Arb. Zool. Inst. Wien 2. Bd., 1879. 9. — — Die Entwicklungsgeschichte von Cetochilus septentrionalis Goodsir. Arb. 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B äussere Tochterzelle der „Stammzelle“. b, und b, Derivate der B-Zelle (primäre Urmesodermzellen) — um. Bı—ß, Derivate der b-Zellen (sekundäre Urmesodermzellen). e Polzellen des Entoderms (Eekzellen des Gastrulamunds). m Mesodermzellen. a/I, aII, a’III erstes — drittes Glied der ersten Antennen. a”’], a” II, a”ex, a”en erstes und zweites Glied, Exopodit und Endo- podit der zweiten Antennen. madb Mandibeln. Die Figuren 1—29 beziehen sich auf Cycelops brevicor- nis Claus, die Figuren 30—32 auf Cyclops signatus Koch. 80 VMeERlearease: Die Fig. 1 wurde mit Zeiss homog. Immers. Apochr. Apertur 1,30 Okular 8 entworfen. Die im Folgenden neben den Nummern der Fi- guren gegebenen Zahlen bezeichnen das gegenseitige Grössenverhält- niss, wenn die Figur 1 —= 1 gesetzt wird. Fig.1 (1). Eintritt der „Stammzelle“ ins Innere des Eis. Vorletzte gemeinschaftliche Theilung der Blastodermkerne. Fig.2 (3). „Stammzelle“: Spirem. Fig.3 (3). „Stammzelle“: Aster in Seitenansicht. Fig.4 (3). „Stammzelle*: Aster in Polansicht. Fig.5 (3). „Stammzelle“: Metakinese. Fig.6 (3). Trennung der A- und B-Zelle. Fig. 6a (2). Schräger Schnitt durch den Gastrulamund. An seinem Rande die B-Zelle und zwei in Thätigkeit begriffene En- toderm-Polzellen. Im Grunde die A-Zelle. Fig.7 68). „A-Zelle*: Prophasen der zweiten Theilung. Acht paar- weise angeordnete Fäden. Fig.8 (3). Fig. 9 3. „A-Zelle“: Uebergang zum Aster. Fig. 10 (3). ‘„A-Zelle*: Aster in Seitenansicht. Fig. 11 (2). „A-Zelle“*: Tonnenfigur; die Schleifen sind im Aequator noch nicht unterbrochen. Fig. 12 (4).) „A-Zelle“: Tonnenfigur. Ablenkung der dem Richtungs- Fig. 13 (3). körper zunächst liegenden Schleifen. Fig. 14 (8). „A-Zelle“: Metakinese. Fig. 14a (4). Dasselbe. Der obere Theilkern lässt deutlich die Vierzahl der Schleifen erkennen. Fig. 15 (3). „A-Zelle*. Dyaster. Trennung der Zellen a, und a,. Fig. 16 (3).) „ar-Zelle* : Der Richtungskörper liegt in der Mitte der vier Fig. 17 (3).) Schleifen. ig. 18 (3). „ar-Zelle*: Auflösung in Chromatinkörner. Dasselbe in dem anliegenden Richtungskörper. Fig. 19 (3). Uebergang der a,- und a,-Zelle ins „Bläschenstadium“. Fig. 20 3 Beginn der Gastrulation. Die beiden b-Zellen im Begriff, Fig. 21 (3). den a-Zellen ins Innere zu folgen. Fig. 22 (3). Theilung der B-Zelle. Aus derselben gehen die b-Zellen der beiden vorigen Figuren hervor. Fig. 23 (@/,). (Medianer Sagittalschnitt.) Gastrulation. Im Innern die Paare der Urgenital- (a-) und primären Urmesoderm- (b-) Zellen, letztere in Theilung. Fig. 24 (3/,). Derselbe Embryo. (Tieferer Schnitt.) Im Innern zwei „Staffeln“ (Generationen) von Entodermzellen. Fig. 25 (?/)). (Medianer Frontalschnitt.) Im Innern hintereinander die beiden Urgenitalzellen, auf jeder Seite derselben je eine in Theilung begriffene primäre Urmesodermzelle. Fig. 26 3/,). (Sagittalschnitt.) Letzte Theilung der Blastodermkerne. Im Innern die hintereinander liegenden Urgenitalzellen, Die Kerntheilungsvorgänge b. d. Mesoderm- u. Entodermbildg. etc. 581 bedeckt durch das eine Paar der sekundären Urmesoderm- zellen. Dorsalwärts die Hauptmasse der Entodermzellen (ent) mit dem Gastrula-Endsäckchen (ges). ie. 27 (1). Embryo vor dem Ausschlüpfen. (Frontalschnitt.) Vorne die Oesophagus-Einstülpung. Das Hinterende ist mehr tangential getroffen und daher eine Reihe von Ektoderm- elementen angeschnitten. Fig. 28 (1). Derselbe Embryo. (Tieferer Schnitt.) Im hintersten Kör- perabschnitt die beiden Urgenitalzellen, begleitet beider- seits von einigen Mesoderm-Polzellen, von welchen zwei bogenförmige Mesodermzellenreihen nach vorne gehen. Fig. 29. Schema der Invagination von Cyelops. Fig. 30—32. Schemata der ersten Theilung in der Reifungsphase von Cyelops signatus. Freiburg i. Brsg., 2. Februar 189. Studien über die Verhornung der mensch- lichen Oberhaut. Von Dr. Behn, prakt. Arzt in Kiel. Hierzu Rate X VE „In Zukunft wird man speeifisch gefärbte Gewebe zu ver- dauen und Reste der verdauten Gewebe specifisch zu färben und endlich die isolirten Resultate beider Methoden sorgfältig zu ver- gleichen haben.“ Dieser Wegweiser, den Unna!) für spätere Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut giebt, ist die Anregung zu folgender Arbeit geworden. Aus äusseren Gründen konnte in meiner Dissertation?) auf diese wichtige Untersuchungsmethode nicht Rücksicht genommen werden. 1) Fortschritte der Hautanatomie in den letzten 5 Jahren. M. f. p. D. 1888. 2) Studien über die Hornschicht d. menschl. Oberhaut speciell über die Bedeutung des Stratum lucidum (Oehl). Kiel 1887. 582 Behn: Auch schien es mir wichtig, die im vielen Stücken von dem bis dahin Geläufigen stark abweichenden Befunde der Zander- schen!) Arbeit bei dieser Gelegenheit einer Nachuntersuchung zu unterwerfen. Ehe ich auf die Arbeit Zander’s näher eingehe, möchte ich die Technik der Untersuchungen kurz erläutern. Von einem Arbeiten mit Trypsin habe ich von Anfang an abgesehen, um sicher zu sein, dass niemals auch bei lange aus- gedehnter Verdauung hornhaltige Substanz verschwinde. Es wurde nur Pepsinsalzsäure als Verdauungslösung benutzt. Anfangs stellte ich mir nach der Anweisung von Hoppe-Seyler?) aus der abprä- parirten Magenschleimhaut (von Schwein, Kalb, Katze) eine frische, gut verdauende Pepsinlösung ber. Später benutzte ich zur Her- stellung der Verdauungslösung auch conservirte Pepsinpräparate nämlich: Pepsinum sice. (d. Arzneibuch f. d. d. R.) Pepsinum eone. Langenbeck Vinum pepsini (d. A.f.d.d.R.) | gut haltbare Glycerin- Vinum pepsini Blell | extracte des Pepsins. Namentlich den letzteren habe ieh, da mir durch die Libe- ralität des Fabrikanten genügende Quantitäten zur Verfügung standen, in der letzten Zeit fast ausschliesslich benutzt. Abgesehen von einzelnen besonderen Befunden bei dieser Methode, deren später Erwähnung gethan werden soll, ist das Arbeiten mit diesen, Glycerinextracte von Pepsin darstellenden Pepsinweinen ausserordentlich bequem und in vielen Fällen dem Arbeiten mit frisch aus Magenschleimhaut bereiteten Lösungen vorzuziehen. Die Lösung wurde folgendermaassen zusammengestellt: 4 Th. Vm. peps. Blell 2 Th. Acid. mur. office. 125 Th. Aqu. dest. Die Sehnitte wurden in dieser Lösung 4—10 Stunden auf einer Temperatur von 37°—40° Celsius gehalten; dann stark ausgewaschen, so dass auch die letzte Spur Säure aus den- 1) Untersuchungen über den Verhornungsprozess; Il. Mittheilung. Der Bau der menschlichen Epidermis. Archiv f. Anat. u. Phys. 1888. Anat. Abth. 2) Handb. d. physiol.- und pathologisch-chemischen Analyse 1883. Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 585 selben entfernt wurde, und zum Sehluss eventuell verschiedenen Färbungsmethoden unterworfen. Zur Controlle bei jedem Verdauungsversuch wurde ein dünner, ca. 1 Ü] em grosser Schnitt von coagulirtem Hühnereiweiss in die Lösung gethan und dieselbe solange auf der erhöhten Tempe- ratur gehalten, bis das Eiweissschnittchen gänzlich verdaut war. Das Pepsinum eone. Langenheck scheint kein reines Pepsin- präparat zu sein, wenigstens war dies das einzige von den auf- geführten Präparaten, welehes auch in alkalischer Lösung eine verdauende Wirkung ausübte. Es scheint sich danach um Beimengung von Trypsinfer- menten zu handeln. Auch bei längerer Einwirkung dieses Prä- parats in saurer Lösung auf Hautschnitte sah ich ein Undeutlicher- werden der Hornstrueturen, was auch einem Trypsingehalt ent- sprechen würde. Zander!) hat in seiner oben schon erwähnten Arbeit ganz neue Ansichten über die Verhornung der menschlichen Oberhaut aufgestellt. Schon Unna?) hat in seiner Kritik derselben darauf auf- merksam gemacht, dass Zander fast ausschliesslich die Müller- sche Flüssigkeit als Härtungsmittel und das Methyleosin als Fär- bungsmittel benutzt habe. Die Folge davon sei gewesen, dass die Befunde bei so behandelten Schnitten recht einseitig seien und sehr des Vergleichs mit anders gehärteten und anders gefärbten Schnitten entbehrten. Im Gegensatz zu Unna und Buzzi?) glaube ich zwar, dass eine gelinde „Chrombeize“ der Oberhaut nieht so schädlich ist, im Gegentheil bei ihr manche Einzelheiten besser zu schen sind als bei Alkoholhärtung®). Auch Blasehko°) hat zum Studium der intracellulären Fibrillen Chromsäurehärtung empfohlen. Dass Zander auf die Verdauungsmethoden keine Rücksicht senommen habe, hält Unna für einen Fehler, und auch ich glaube, Keratohyalin und Eleidin. M. f. p. D. 1888. 1889. ef. meine Dissertation. 5) Ueber den Verhornungsprozess. Arch. f. Anat. u. Phys. 1889. Phys. Abth. 584 Behn: dass Zander wohl kaum zu seinen Schlussfolgerungen gekommen sein würde, wenn er diese Methode angewandt hätte. Zander unterscheidet zum ersten Male zwei Typen der Verhornung. Typus A finde sich an Stellen, wo die Hornschicht eine beträchtliche Dieke besitzt (also Hohlhand, Beugeseite der Finger, Fusssohle und Plantarfläche der Zehen); Typus B dagegen an der ganzen übrigen Haut. Was zunächst Typus A betrifft, so hat Zander das Ver- dienst, zuerst auf die feinere Structur der Hornzellen an Vola manus und Planta pedis aufmerksam gemacht zu haben. Die einzelnen Hornzellen werden bei seiner Methode von glänzenden, homogen erscheinenden, rothgefärbten Säumen begrenzt, die den von Unna!) bei Verdanungsversuchen gefundenen Hornmembranen zweier Zellen plus den stark verkürzten Riffelfortsätzen ent- sprechen. Im Centrum derselben lasse sich ein heller Fleck erkennen, der bei stärksten Vergrösserungen als eine Lücke im Gewebe erscheine. Er spricht denselben als leere Kernhöhle an, da ihm niemals mit Kernfärbungsmitteln gelang, denselben zu färben, noch irgend eine Struetur an demselben nachzuweisen. Zuweilen war derselbe von einem feinen Saum umgeben, doch nieht immer. Zwischen der Kernhöhle und den Zellgrenzsäumen befinde sich ein Netzwerk aus allerfeinsten Fädchen, die sich zu langge- streekten Maschen vereinigten, so dass der Zellkörper ein ziem- lich deutlich streifiges Aussehen zeige. Der die Zellkörper umgebende Saum sei 0,85 « dick, er erscheine vollkommen homogen. Die Färbung dieser Gewebs- theile (Grenzsaum der Zelle, Maschenwerk des Zellleibes, die Kernhöhle abschliessende Membran) gelinge am besten mit Me- thyleosin oder Hämatoxylin, doch seien auch einzelne Pikrocarmin- lösungen verwendbar. Als Härtung sei vorzugsweise Müller’sche Flüssigkeit zu verwenden, doch gäben auch Flemming sches Gemisch, sowie mittelstarke Chromsäurelösungen gute Bilder, gestatteten aber nicht die Färbung mit Methyleosin. Sublimatlösungen und starker Alkohol seien ganz ungeeignet. 1) Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut. Ziemssen’s Handbk. d. Path. u. Ther. 1882. or 2 Si) Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhant. Coneentrirte Pikrinsäurelösung liefere weniger gute Bilder wie die erstgenannten Mittel. Die Hornschicht des Typus B sei aus dünnen Lamellen zusammengesetzt, die auf dem Querschnitt als glänzende 1,7 u dicke Streifen erschienen. Die Lamellen seien parallel über- einander geschichtet und ständen auch untereinander im Zusam- menhang. So.komme, besonders wenn sie etwas aus einander gezerrt würden, das Bild eines Netzwerkes zu Stande. Doch sei es mit dem Netzwerk des Typus A nicht zu verwechseln. Die Lamellen seien doppelt so dick als bei A; die Maschen zwischen den Lamellen unregelmässig und grösser als bei Typus A. Der Raum zwischen den Lamellen sei vollständig leer, Die Lamellen seien homogen. Zuweilen könnten in den Lamellen der untersten Schichten des Stratum corneum Verdiekungen nachgewiesen wer- den, die mehr oder weniger gut erhaltene Kerne enthielten. Die Lamellen seien aus der Verschmelzung von äusserst abgeflachten und total verhornten Zellen hervorgegangen. Zander glaubt annehmen zu können, dass die ganzen Lamellen beim Typus B, sowie die Zellgrenzen, das Netzwerk innerhalb der Zellen, sowie die den Kern umgebende Membran beim Typus A aus Hornsubstanz beständen. Die T'hatsache, dass die Hornschieht des Typus A und B durch Pikrocarmin und Haematoxylin und noch eimige andere Reagentien sich verschieden färben, scheint nach Zander dafür zu sprechen, dass ehemische Differenzen zwischen den verhornten Massen der Typen A und B bestehen. Im Stratum eorneum des Typus B kämen nur vollkommen verhornte Zellen vor; bei Typus A seien noch protoplasmatische Ueberreste erhalten; dieselben müssten entweder in den Lücken des Hornfadennetzes liegen oder sie könnten auch mit der Hom- substanz chemisch verbunden sein. Letztere Annahme würde mit. Waldeyer’s!) Ansicht über die Verhornung im Einklang stehen, „dass das Eleidin sich all- mählich mit dem protoplasmatischen Netzwerk, innerhalb dessen es entstanden resp. ausgeschieden war, wieder verbindet und aus dieser Verbindung die Hormsubstanz hervorgeht.“ Zander glaubt, dass das Eleidin (wohl besser gesagt Ke- 1) Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde, ins- besondere der Haare und Federn. Festschrift zuHenle’s Jubiläum 1882, 586 Behn: ratohyalin) der Körmnerzellen schon wahre Hormsubstanz sei! Die Verschiedenheit der Färbung des Typus A und B glaubt er leicht durch die verschieden rasche Einwirkung der benutzten Farbstoffe auf Keratinsubstanz erklären zu können: ein feines Hornnetz des Typus A werde leichter durch Hämatoxylin ge- färbt werden, als die massiven verhornten Lamellen des Typus B. Anderseits eile bei Pikrocarmin die Pikrinsäurefärbung der Karminfärbung voraus. Die Letzere verhalte sich dann ähnlich wie Hämatoxylin. Der Typus A sei also, um es zu recapituliren, auf dem Handteller und der Fusssohle und ausserdem auf der Beugeseite und an der Spitze der Finger und Zehen zu finden. Doch nieht immer sei die Hornschieht an diesen Stellen ausschliesslich nach dem Typus A gebaut, sondern es kämen zuweilen zwischen den nach Typus A gebauten Zellen Einschiebungen von solchen nach dem Typus B vor. An allen anderen Hautstellen käme nur der Typus B und dieser immer rein vor. Auf die Ursachen, die Zander zur Begründung dieser zwei verschiedenen Typen, sowie für das Auftreten von Misch- formen beider an Hand und Fuss anführt (zeitweise stärkerer und geringerer Zuschuss von jungen Zellen, Wirkung der Ober- flächenspannung), will ieh hier nicht weiter eingehen. Es lag mir zunächst daran zu untersuchen, ob, wie Zan- der angibt, der Typus A und Mischformen desselben mit Typus B nur an der Vola manus und Planta pedis, und der reine Typus B ausschliesslich an allen anderen Körpertheilen vorkomme. Ich hielt mieh hier nieht ganz genau an Zander’s An- gaben, da ich statt Müller scher Flüssigkeit 5°/, Kalibiehromi- cum-Lösung nahm, die ich schon früher!) für Hauthärtung be- sonders brauchbar gefunden hatte. Bei dieser Härtung zeigten Schnitte von Vola manus und -Planta pedis dieselbe Structur der Hornzellen, wie Zander sie beschreibt. Durch Färbung mit Methyleosin oder Hämatoxylin gelang es leieht, die Zellgrenz- säume, sowie das intracelluläre Netzwerk gefärbt zur Darstellung zu bringen. Auch ich vermochte bei reiner, wenn auch kurzer, Alkoholhärtung, der vergleichsweise Hautstücke von derselben 1) ef. meine Dissertation Kiel 1887. Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 587 Stelle unterworfen wurden, niemals die zarte Struetur der Horn- zellen dureh Färbung deutlich zu machen. Ob es sich dabei um eine schrumpfende!) Einwirkung des Alkohols handelt, will ich hier nieht weiter erörtern, doch scheint es mir sehr wahrscheinlich, da ja auch die Zellen bei dieser Härtung immer mehr oder weniger eingedrückt und eckig er- scheinen, niemals aber die ovalrhomboide Form zeigen, wie bei Härtung in Kalibichromieum. Am Besten sieht man diesen Unterschied, wenn man ein- mal einen nach Reinke?) gefärbten Schnitt (Alkoholhärtung) mit einem solchen nach Zander vergleicht. Auch mir sind bei der Untersuchung der verschiedensten Hautstücke der Vola manus und Planta pedis die vom reinen Typus A abweichenden Bilder aufgefallen, die nach Zander Mischformen des Typus A und B sind. Die diffus gefärbten Zellen oder Zelllagen sollen Zellen des Typus B, also in toto ver- hornte Zellen sein. Auch die Zellen des Stratum lueidum färben sich bei dieser Methode diffus, doch unterscheidet Zander zwei Arten von diffus gefärbten Zellen im stratum lueidum: Einmal sei die austrocknende Wirkung der Luft noch nicht zur Geltung gekommen und das feine intracelluläre Hornnetz noch durch anhaftende Protoplasmareste verhüllt. Bei andern diffus gefärbten Zellen des Stratum lucidum glaubt er, dass es sich um total verhornte Zellen des Typus B. handele. In jedem Fall seien die Zellen des Stratum lueidum nicht von denen des Stratum eorneum zu scheiden ; denn wenn sie auch eine andere Färbung annähmen, so hätten sie doch mit den Zel- len des Stratum corneum die vollendete Verhornung gemeinsam. Ich habe in meiner Dissertation ausgesprochen, dass es sich in den Zellen des Stratum lueidum um ein sieh diffus färbendes Gemisch von dem Zellprotoplasma und den Keratohyalinkörnern handle. Dieser Stoff sei mit dem Keratohyalin nicht identisch, unterscheide sich auch von demselben durch verschiedene hier nicht weiter zu erörternde Differenzen in der Färbung. Inzwischen 1) ef. Unna, Kritik der Cajal’schen Arbeit. M. f. p. D. 1888. 2) Archiv für mikr. Anat. Bd.XXX. Untersuchungen über die Horngebilde der Säugethierhaut. 588 ! Behn: hat Buzzi!) die topographisch, morphologisch und chemisch differente Natur der beiden Stoffe der Körnerschicht (Keratohyalin) und des stratum lueidum (Eleidin) festgestellt. Er hält das Keratohyalin der Körner für eine albuminoide Substanz; ausser- dem sei aber in den Körnerzellen noch eine andere, nicht genauer von ihm charakterisirte Substanz, die wohl mit der von Cajal?) erwähnten identisch ist. Das Eleidin hält er für kein Cholestearinfett, wie Lewin und Stieker, sondern für ein Glycerinfett; doch glaubt er, dass es nicht allein Glycerinfett darstellt. Zander gibt an, dass er an allen übrigen Körperstellen, mit Ausnahme von Vola manus und Planta pedis, den Typus B gefunden habe. Dies kann ich im Allgemeinen bestätigen, doch findet sich an Stellen, die nicht so rasch abschuppen, zuweilen der Typus A. Ich fand denselben in der Gegend des äusseren Knöchels, Zehenrücken, inneren Knöchels, Daumen (Dorsum). Es handelt sich eben, wie Unna?) im der Kritik der Zan der’schen Arbeit ganz richtig betont, bei dem Typus A von Zander um die mittlere Schicht des Stratum corneum, die, im Allgemeinen an allen Stellen der Körperhaut (mit Ausnahme von Planta pedis und Vola manus) auf ein Minimum redueirt, an einzelnen Stellen doch deutlich in die Erscheinung tritt. Weiter hatte ich zu untersuchen, wie sich die Zander- ‚schen Befunde des Typ. A und Typ. B nach Eimwirkung einer verdauenden Flüssigkeit verhalten. Die Anweisung Unna’s für spätere Untersuchungen, die ich dieser Arbeit vorangestellt habe, dass man spezifisch ge- färbte Gewebe verdauen, verdaute Gewebe spezifisch färben und die Resultate beider Methoden vergleichen solle, lässt sich bei Anwendung von Pepsinsalzsäurelösung nicht ganz durchführen, weil die Salzsäure der Verdauungsflüssigkeit die Schnitte der spe- zifisch gefärbten Gewebe entfärbt. Ich habe mich daher darauf 1) Monatsh. der pract. Dermat. 1888 u. 1889. Keratohyalin und Eleidin. 2) Internat. Monatsschrift f. Anat. u. Histologie Bd. III, pag. 250. Contribution & l’ctude des cellules anastomosdes des Epithel. pavi- inent. strat. 3) Fortschritte d. Hautanatomie. M. f. p. D. 1888, Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 589 beschränkt, die Reste verdauten Gewebes spezifisch zu färben und diese mit den unverdauten spezifisch gefärbten Geweben zu ver- gleichen. Weiter habe ich verdaute Schnitte nach dem Typ. A und B mit einander verglichen. Unterwirft man einen Schnitt nach Typ. A der Verdauung, so erhält man das Netzwerk, welches Unna!) zuerst beschrieben hat, d. h. die Hornmäntel der Zellen, die ea. lu diek sind und dem glänzenden Saum von Zander, der die Hornzellen umgiebt und sich mit Methyleosin stark roth färbt (mach Zander's Mes- sungen 0,8 u diek), entspricht. Doch möchte ich hier gleich be- merken, dass dieser Hornmantel in verdauten Schnitten sich nie so intensiv färben liess, wie er bei unverdauten Schnitten erscheint; er nahm gewöhnlich nur eine blass-rothe Färbung mit Methyleosin an. Von dem feinen Fadenwerk im Innern der Zelle sowie von dem die Kernhöhle zuweilen umgebenden Saum (Zander) ist bei verdauten Schnitten nichts mehr zu sehen?). Demnach scheint es nicht, wie Unna?) meint, dass die netzartige Zeichnung im Innern der Hornzelle des Zander'sschen Typ. A einer „ober- flächlichen Fältelung dieser Zellen“ entspreche, welche Unna aus der Entspannung der ausgeschnittenen Hornschicht abgeleitet hat: sondern es sind wohl nieht verhornte Reste des Zellinhalts, die in der Endschieht des Typ. A und meistens an Stellen des Typ. B dureh die austrocknende Wirkung der Luft nieht deut- lich mehr in die Erscheinung. treten. Ich glaube nicht, dass im der mittleren Schicht des Typ. A schon eine austroeknende Wir- kung der Luft, wie Zander will, zu Stande kommt. In den 1) Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut. Ziemsen’s Handbuch d. Pathol. u. Ther. 1882. 2) Beim Abschluss der vorliegenden, im Frühling 1891 begon- nenen Arbeit ist mir eine vorläufige Mittheilung Blaschko's (Ar- chiv für Anatomie und Physiologie 1889. Phys. Abtheilung) in die Hände gekommen, nach welcher er in einem Vortrag in der physio- logischen Gesellschaft zu Berlin im fertigen Nagel sowie in der Haar- rinde die intracellulären Fibrillen für ganz verhornt hält, „während im Stratum corneum der Epidermis die Fibrillen nicht aus echter Horn- substanz bestehen können, da sie bei einem länger dauernden Ver- dauungsprozesse aufgelöst werden“. 3) Kritik der Zander’schen Arbeit. Fortschritte der Hant- anatomie. M. f. p. D. 1888. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 39 590 Behn: die Zellen umgebenden Hornmänten habe ich nicht mit Sicher- heit die von Unna gesehenen kurzen Zacken, die zwischen den beiden Hornmembranen zweier Zellen als letzte Reste der früheren Stacheln vorhanden sein sollen, erkennen können. Bei gefärbten, verdauten und unverdauten Schnitten erschien der Hornmantel homogen. Was nun den Typ. B der Hautverhornung anbetrifft, so stellt sich, wenn man einen das Zander'sche Bild zeigenden Schnitt verdaut, heraus, dass nicht, wie Zander will, die ganze Zelle des Stratum comeum verhornt ist, vielmehr ergiebt sich hier dasselbe Verhalten wie bei Typ. A, nur der Mantel der Zelle ist verhornt, das Innere derselben wird verdaut. Die Dicke der Hornmäntel ist ungefähr dieselbe wie bei verdauten Schnitten des Typ. A. Zur Teehnik möchte ich hier bemerken, dass es nicht leicht ist, bei dem dünnen Stratum eorneum des Typ. B und dem spinn- webartigen Charakter der verdauten Schnitte einen solehen ohne grosse Zerrung auf den Objektträger zu bringen. Sobald aber irgend ein Zug stattgefunden hat, legen sich die dünnen Hornmäntel glatt übereimander, und man erhält nie- mals mehr das Bild von melonen- und gurkenförmigen Hülsen, das von Unna passend mit Bienenwaben verglichen wird. Wenn man sich künstlichen Magensaft aus frischen Thiermägen selbst bereitet, so wird dadurch bei einem Hautsehnitt Corium und Stratum Malpighi vollkommen verdaut, nur das bienenwaben- artige Stratum eorneum bleibt in den Hornmänteln seiner Zellen er- halten. Ein etwas anderes Bild erhält man, wenn man mit konser- virten Pepsinpräparaten arbeitet. Es bleiben dann zuweilen Theile des Corium und Stratum Malpighi unverdaut. Am brauchbarsten erwies sich mir der Blell’sche Pepsin- wein, über dessen Verwendung ich schon oben berichtete. Hier bleibt das ganze Stratum Malpighi und auch Corium erhalten. Wenn man den Zeitpunkt richtig wählt, was nach der Dieke des Schnitts, Körpergegend etc. etwas verschieden ist, so kann man sehr gut den Schnitt mit Methyleosin oder Hämatoxylin- Eisessig färben. (Bei verdauten Gefrierschnitten erkennt man in dem zu einer fast homogenen Masse gewordenen Corium sehr deutlich die Ver- theilung und den Aufbau der elastischen Fasern.) Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 591 Die Hornmäntel des Stratum eorneum nehmen eine schwach- blaue Färbung an. Der optische Querschnitt derselben erscheint durch Reflexion des Lichtes dunkler blau. Die Kerne im Stratum Malpighi färben sich gut mit Hämatoxylin. Die Körner der Körnerschicht, die ja, wie Waldeyer!) schon angiebt, verdaulich sind und nicht, wie Zander behauptet, aus ächter Hornsubstanz bestehen, sind nieht mehr zu sehen. Ist die Wirkung der Verdauungsflüssigkeit auf eine kürzere Zeit beschränkt gewesen, so können die Körner noch vorhanden und färbbar sein, während der Inhalt der Hormzellen schon voll- kommen verdaut ist. Das Stratum lueidum ist in solehen Fällen durch seine diffus gefärbten Zellen deutlich erkennbar. Doch sieht man an einzelnen Schnitten die m dieser Lage schon vor- handenen Hornmäntel der Zelle?). Es scheint darnach, als wenn der Inhalt der Zellen des Stratum lucidum, ob überhaupt oder in Folge der Härtungsmethoden, schwerer verdaulich sei, als der der Zellen der mittleren Hornschicht. Doch will ich hier gleich bemerken, dass auch in der letzteren einzelne unregelmässig zer- streute Zellen vorkommen, die sich in verdauten Schnitten in toto mit Hämatoxylin oder Methyleosin färben. Niemals sah ich ganze Lagen solcher Zellen in verdauten Schnitten. Auch halte ich diese Zellen nicht für gänzlich verhornt, wie Zander es thut, sondern glaube, dass es sich um eine chemische Differenz des Zellinhaltes bei vorhandener Mantelverhornung handelt. Im ungefärbten Schnitt erscheint der Inhalt solcher Zellen immer in eigenthümlicher Weise glänzend. Falls es sich wirklich um total verhornte Zellen hier handelte, so dürften sie sich nach Zander auch nicht mit Hämatoxylin färben. Bei länger fortgesetzter Verdauung kann man die Zahl dieser Zellen sehr vermindern. Dass es sich um eine chemische Differenz des Zellinhaltes dieser Zellen gegenüber anderen Hornzellen handelt, ist mir um so wahrscheinlicher, als sich der Inhalt der Zellen der Endschicht des Stratum corneum in verdauten Schnitten mit Hämatoxylin auch färben, also auch weniger verdaulich ist, als derjenige der Zellen der mittleren Schicht. 1) Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde , ins- besondere der Haare und Federn. 1882. 2) ef. Fig. 4. 592 Behn: Diese Befunde beziehen sich auf Sehnitte von Kalibichro- matpräparaten, die mit Blell'scher Pepsinwemlösung behandelt wurden. Ein etwas anderes Bild enthält man, wenn Schnitte von Alkoholpräparaten genommen werden. Gegenüber der Undeutlichkeit der einzelnen Hornzellen beim unverdauten Schnitt sieht man, sobald die Verdauung genügend fortgeschritten ist, die einzelnen Hornwaben sehr deutlich, doch erscheinen sie bei dieser Behandlung viel flacher, was wohl auf die schrumpfende Wirkung des Alkohols zu beziehen ist!). Ein leichter Zug entfaltet sie zu ihrer vollen Grösse, die bei Kali- biehromatschnitten meist von Anfang an deutlich ist. Färbt man einen solchen verdauten Schnitt mit Hämatoxylin, so sieht man ein ähnliches Bild wie bei vorausgegangener Bichromathärtung, nur erscheinen die Zellgrenzen der obersten Zelllagen des Stratum Malpighi blau gefärbt gegenüber dem mehr einen violetten Far- benton zeigenden Protoplasma der Zellen. Die blauen Zellgrenzen haben dieselbe Dicke wie die Hornmäntel des Stratum cormeum. An einzelnen Stellen scheinen diese blauen Zellgrenzen direkt in den ebenfalls blaugefärbten Hornmantel einer Zelle des Stratum corneum überzugehen?). Die Kerne der von blauen Zellgrenzen umgebenen Zellen der oberen Lagen des Stratum Malpighi sind scharf violett-roth gefärbt. Es scheint mir danach wahrscheimlich, dass die Mantelverhornung der Zellen der Epidermis nicht wie ich früher?) annahm im Stratum lueidum oder der nächsthöheren Zelllage auftritt, sondern dass man annehmen muss, dass schon früher, wahrscheinlich mit dem ersten Auftreten des Keratohyalin, die Bildung der Hornmäntel der Zellen stattfindet. Es entspricht dies einer Ansicht von Unna), der die Verhornung der Kera- tohyalinbildung vorangehen lässt. Als Beispiel führt er an das zeitlich spätere Auftreten der Körnerschicht als der Hormschicht beim Embryo, sowie, dass die Körnerschicht bei der Wundüber- häutung sich sekundär zwischen Stachel- und Hornschicht zwischen- schiebe. Ob man mit Unna annehmen soll, dass jede Zelle eimen 1) ef. oben. 2) ch Ri. 6b. 3) cf. meine Dissertation. 4) Ueber das Keratohyalin und seine Bedeutung für den Pro- zess der Verhornung. M. f. p. D. 1882. Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 593 eigenen Hornmantel bildet, der von dem der benachbarten durch kurze Zacken getrennt ist, oder dass vielleicht sich die Horn- substanz in den Intercellularlücken abscheidet und die letzteren erfüllt, und dass in Folge davon Ernährungsstörungen der Zelle auftreten, die wieder ihrerseits die Bildung des Keratohyalin hervorrufen, will ich hier dahingestellt sein lassen. Wie ich sehon oben betonte, sieht man die Fibrillen in der Zelle des Stratum cormeum am besten nach Härtung der Haut in Chromsalzen. Auch Blaschko!) empfiehlt zum Studium der Fibrillen im Stratum Malpighi und Stratum eorneum die Chrom- säurehärtung. Bei Alkoholhärtung habe ich nicht. die Fibrillen in den Hornzellen sehen können. Wohl aber konnte ich bei osmirten Hautschnitten in den Zellen des Stratum corneum schwarz gefärbte fibrillenähnliche Gebilde unterscheiden. Verdaut man Schnitte vorher osmirter Haut mit Blellscher Pepsinwemlösung, so zeigt sich das interessante Verhalten, dass ebenso wie das Stratum Malpighi auch die geschwärzten Theile des Stratum corneum (der Rahmen) unverändert erscheinen, nur der in der Mitte weiss gebliebene Theil des Stratum corneum wird verdaut und zeigt dann das Bienenwabenbild. Ich habe dann, um das weiter zu studiren, derart behandelte, genügend lange verdaute Sehnitte noch einmal einer Osmirung ausgesetzt. Eine schwarze Färbung im Inneren des schwarzen osmirten Rahmens trat nicht auf, die Hornmembranen nahmen durch die Osmiumsäure nur einen leieht gelblichen Farbenton an. Auch wenn ich Gefrier- schnitte in Blell’scher Pepsinweinlösung verdaute (es bleibt hier nur das Stratum corneum erhalten), färbten sich die Hornmem- branen bei der nachfolgenden Osmirung gelb. Ich möchte hier nun noch einen nebensächlichen Befund mittheilen, der aber vielleicht zum Studium der Coriumpapillen verwendbar ist. Bei mit Blell’scher Pepsinweinlösung verdauten Sehnitten (Kalibiehromathärtung), die man mit Methyleosin über- färbt hat, tritt eine eigenartige Färbung auf. Während bei unverdauten Schnitten das Stratum Malpighi roth gefärbt wird und die Coriumpapillen mehr weniger ungefärbt erscheinen, so dass man bei dieser Färbung sehr gut das Verhalten der Fuss- zellen des Stratum Malpighi studiren kann, treten die Corium- Ile: 594 Behn: papillen bei verdauten Schnitten dureh das Methyleosin dunkel- roth bis rothbraun gefärbt in dem schwach roth gefärbten Stratum mueosum deutlich hervor. Bei starker Vergrösserung sieht man an der Spitze der Papille kleine dunkelroth gefärbte Zacken, die vielleicht bei der Verbindung des Coriums mit den Fusszellen eine Rolle spielen. Wenn wir jetzt kurz die Ergebnisse der Untersuchungen zusammenfassen, so zeigt sich, dass bei unverdauten Schnitten der Zander’sche Typus A auch an anderen Stellen vorkommt als an Hohlhand, Fusssohle, Beugefläche der Finger und Zehen. 3ei verdauten Schnitten von Hautstellen des Typus A zeigen sich die intracellulären Fäden. im Stratum corneum als verdaulieh. Sie können daher nicht aus Keratin bestehen. Bei Vergleiehung zweier verdauter Schnitte von Hautstellen des Typus A und B findet man keine Versehiedenheiten. Die Aufstellung zweier verschiedener Arten der Oberhaut- verhornung, wie Zander will, wird dadurch hinfällig. Es gibt verschiedene Resultate, ob man frisch bereiteten künstlichen Magensaft oder conservirte Pepsinpräparate zur Ver- dauung benützt. Bei Anwendung der letzteren (speciell des vin. Pepsin. Blell) bleibt das Stratum Malpighi im verdauten Schnitt erhalten und kann man dasselbe später noch gut färben. Wenn man mit dieser Methode in Alkohol gehärtete Prä- parate behandelt, erhält man Bilder, die es nahe legen anzunehmen, dass die Mantelverhornung der Zellen der Oberhaut schon mit oder sogar vor dem Auftreten von Keratohyalin beginne. Kiel, im Dezember 1891. Erklärung der Photogramme auf Tafel XXVI. Fig. 1. Mediale Seite der zweiten Zehe, Planta pedis, erwachsener Mann, verdaut; Stratum corneum, gefärbt. Alkoholhärtung. Studien über die Verhornung der menschlichen Oberhaut. 595 Fig. 2. Innerer Knöchel, erwachsene Frau, verdaut, Stratum cor- neum, ungefärbt. Gefrierschnitt. Fig. 3. Grosszehe, Plantarseite, erwachsener Mann, Kali bichromieum- härtung, verdaut, Hämatoxylin-Eisessig. Uebersichtsschnitt. Das Stratum Malpigshi, in dem man einzelne Corium-Pa- pillen sieht, die Endschicht des Stratum corneum, und einzelne Zellen in der mittleren Schicht, sowie ein Stückchen eines Schweisskanals haben sich stark blau gefärbt. Fig. 4. Dasselbe Präparat wie Fig.3, der Schnitt ist nur kurze Zeit verdaut. Methyl-Eosin. Rechts unten dunkel gefärbte Corium-Papillen mit kurzen Zacken an der Spitze, links oben Stratum corneum, in der Mitte Stratum granulosum und Stratum lucidum stark roth gefärbt. Man unterscheidet einzelne Körnerzellen, nach oben weiter sind einzelne Zellen des Stratum lucidum fast bis auf den Hornmantel verdaut. Fig. 5. 4.Zehe. Dorsalseite, erwachsener Mann, Alkoholhärtung, ver- daut, Hämatoxylin. Uebergäang des Stratum corneum in das Stratum Malpighi. Von Körnern des Stratum granulosum ist nichts mehr zu sehen. (Der weisse Fleck rechts über einer Zelle ist ein Fehler in der Platte.) Fig. 6. Ferse, alte Frau. Alkoholhärtung, verdaut. Hämatoxylin. Man sieht deutlich, wie die dunklen Zellsäume der obersten Zellen des Stratum Malpighi sich in die blau gefärbten Horn- mäntel des Stratum corneum fortsetzen. In der Mitte eine diffus in toto gefärbte Hornzelle. Alle Photogramme bis auf 2 und 3 sind bei einer 500fachen Vergrösserung (Zeiss Apochromat 2mm, 1,350 Ocular 4) aufgenommen. Nr.2 bei 250facher Vergrösserung (Apochromat 2mm 1,30, Ocular 2). Nr.3 bei ca. 60facher Vergrösserung. Die Tubuslänge betrug immer 160 mm. Für die Photogramme wurden Vogel-OÖbernetter’s haltbare Eosinsilberplatten (Perutz, München) benutzt. Eine Retouche ist nicht vorgenommen. 596 Bernhard Rawitz: Ueber den feineren Bau der hinteren Speichel- drüsen der Oephalopoden. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel XXVII. Die hinteren Speicheldrüsen der achtfüssigen Cephalopoden, deren anatomische Lage und Beziehungen als bekannt vorausge- setzt werden, sind, soweit ich die Literatur zu übersehen vermag, nur zwei Mal Gegenstand histiologischer Untersuchungen gewesen. Livon!) schildert die Drüsen folgendermaassen: Der Bau, nach welchem sie zum Typus der traubenförmigen Drüsen ge- hören, zeigt eine grosse Aehnlichkeit mit dem der analogen Ge- bilde der Vertebraten. Die einzelnen Aecini enthalten dieke Drü- senzellen, welche auf starker, bindegewebiger Tunica propria auf- sitzen; sie gehen in Gänge über, deren Innenwände mit Cylin- derepithelzellen ausgekleidet sind und die durch ihre Vereinigung den Hauptausführungsgang einer jeden Drüse bilden. Derselbe kann mit dem duetus Stenonianus (!) der Säugethiere verglichen werden. Er besteht aus einer dieken Membran, die aus binde- gewebigen und elastischen Fibrillen zusammengesetzt ist, welche in zwei Schichten, einer longitudinalen stark entwickelten und einer eireulären schwächeren, liegen. Die eireuläre Schicht er- scheint in zwei Zonen, einer äusseren und einer inneren, zwischen denen die longitudinale Schicht eingeschlossen ist. Das Lumen des Hauptausführungsganges ist von einem Cylinderephithel aus- gekleidet. Die zweite Arbeit, in welcher die hinteren Speicheldrüsen analysirt werden, ist von Joubin 2). Nach diesem Forscher 1) Livon, Recherches sur la structure des organes digestifs des Poulpes. Journal de l’anatomie et de la physiologie ete. par Robin et Pouchet. 1881, Bd. 17. 2) Joubin, Recherches sur la morphologie comparde des glandes salivaires. Archives de zoologie experimentale et generale. 2me serie; Tome VPis supplementaire, 1887—90 (memoire IV). Den Hinweis auf diese interessante Arbeit verdanke ich meinem Freunde, Professor Paul Pelseneer in Gand. Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 597 entspreehen die Drüsen vollkommen dem Typus der sogenannten tubulösen Drüsen. Um dies zu erkennen genügen Paraflin- schnitte nicht, weil man auf denselben nur eine grosse Menge runder oder ovaler Durchschnitte der Schläuche antrifft, den Zu- sammenhang der einzelnen Schnittbilder aber nicht reconstruiren kann. In Isolationspräparaten erkennt man die einzelnen Tubuli, die fast alle denselben Durchmesser besitzen; nur diejenigen von ihnen, welche dem Ausführungsgange benachbart sind, sind etwas weiter. Jeder Tubulus theilt sich vom Anfange ab, d. h. von seiner Einmündungsstelle in den Hauptausführungsgang bis zur Peripherie wiederholt diehotomisch. Alle Schläuche sind ausser- ordentlich gewunden und um einander gedreht; dadurch eben wird die Erkennung des Baues der Drüse auf Schnitten zur Un- möglichkeit. In dem „tube salivaire*, also dem eigentlich sekre- torischen Abschnitte der Drüse, sind die Zellen, welche becher- förmige Gestalt haben, in hohem Grade schräg gegen die Mün- dung des Schlauches orientirt; dieselben berühren sich in der Mitte eines jeden Tubulus, sodass nur ein „virtuelles“ Lumen vorhanden ist und daher das Sekret bei seiner Fortbewegung zum Ausführungsgange die Zellwände komprimiren muss. Die hinteren Speicheldrüsen sind im hervorragendem Maasse Schleim- drüsen. Dicke Schleimtropfen, die mit sehr feinen Granulationen besetzt sind, nehmen zwei Drittel des Zellkörpers ein und treten durch die Mündungen dieser becherförmigen Gebilde hindureh. Wo der Schleim, der als soleher dureh seine intensive Färbung in Hämatoxylin erkennbar ist, sich vorfindet, da kann man die protoplasmatische Partie der Zelle nicht genau sehen; da aber, wo er fehlt, konstatirt man, dass der grösste Theil einer Zelle von einem Netze eingenommen ist, das von zahlreichen anastomosiren- den oder parallelen Fibrillen gebildet wird und von einem dich- ten Plasma ausgeht, welches, an der Basis der Zelle gelegen, den Kern enthält. Die Zellen sind, wie man an Längsschnitten sieht, vollkommen gleich; es giebt keine Unterschiede zwischen ihnen, sie sind in der ganzen Ausdehnung des Schlauches iden- tisch. Der sekretorische Schlauch besitzt eine bindegewebße Scheide, die aus longitudinalen Fasern besteht. Diese ist von einer Schicht von Muskelfasern umgeben, welche meistens keinen Kern haben. Hinsichtlich des Hauptausführungsganges bestätigt Joubin im Wesentlichen die Angaben Livon's, von dem er 598 Bernhard Rawitz: sonst in fast allen Punkten abweicht; nur sind nach ihm die üpithelzellen des Ausführungsganges nicht ceylindrisch, son- dern platt. Meine eigenen Untersuchungen, zu denen ich das Material während meines letzten, mir durch ein von der hiesigen medi- einischen Fakultät aus der Gräfin Bose-Stiftung gewährtes Reise- stipendium ermöglichten Aufenthaltes an der zoologischen Sta- tion zu Neapel gesammelt habe, führten mich zu Resultaten, welche mit denen Joubin’s, der seine histologischen Angaben leider nur durch eine einzige, von einem Macerationspräparate entnommene Abbildung illustrirt, in vielen und wesentlichen Punkten übereinstimmen, in vielen anderen ebenfalls wesentlichen Punkten aber von denselben abweichen. Die Angaben von Livon vermochte ich nach keiner Richtung zu bestätigen. Die hinteren Speicheldrüsen von Eledone moschata und Octopus vulgaris — bei beiden Species sind die Or- gane durchaus übereinstimmend gebaut — sind exquisit tubu- löse Drüsen, wie dies Joubin vollkommen richtig erkannt hat. Auf Durehschnitten durch dieselben erblickt man zunächst eine Fülle von Kanälen, die in den verschiedensten Richtungen getroffen sind und vom reinen Querschnitte zum reinen Längs- schnitte alle möglichen Uebergänge darbieten. Durch Verglei- chung der einzelnen Bilder m einer grösseren Serie kann man den Zusammenhang derselben sich reeönstruiren und gewinnt dann als Resultat die Ueberzeugung vom tubulösen Character der Drüse. Mit Leichtigkeit kann man dieses Ergebniss der Com- bination als Thatsache feststellen, wenn man geeignet macerirte Drüsen zerzupft. Man unterscheidet in Zupfpräparaten einen relativ weiten Schlauch (Fig. 1, ı), der nur sparsam verästelt und wenig gewunden ist und sich in den Hauptausführungsgang fort- setzt, und diesem aufsitzend (Fig. 1, 2) zahlreiche reich ver- zweigte, sehr stark um und durcheinander gewundene Seiten- schläuche. Diese, welehe sieh übrigens durchaus nicht immer nur diehotomisch theilen, wie Joubin angiebt, haben ein Lu- meA, das an den Einmündungsstellen in den ersten Schlauch- abschnitt dem Lumen desselben entspricht (Fig. 1), dann mit den tamificationen immer geringer wird. Die Drüse stellt also, m ihrer Totalität betrachtet, einen einzigen vielfach verzweigten Schlauch dar, welcher seine Wurzel im Hauptausführungsgange Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 599 besitzt und nach der Peripherie, d. h. dem Inneren der Drüse zu, zahlreiche blinde Enden hat. Schon an Zupfpräparaten lässt sich erkennen, dass der ersterwähnte Sehlauchabsehnitt und die Seitenschläuche hinsicht- lich ihres epithelialen Belages scharf von einander geschieden sind; dureh das Studium mikroskopischer Schnitte, an denen allein die folgenden Einzelheiten festzustellen sind, wird dies deutlich be- wiesen. Die Seitenschläuche (Fig. 1, 2) stellen nach meiner Auf- fassung den eigentlich sekretorischen Abschnitt der Drüse dar, ich will sie daher insgesammt als „Drüsenschlauch“ bezeichnen; der erst erwähnte Schlauch und seine sparsamen Verzweigungen (Fig. 1, ı) haben offenbar nur die Funktion der Abführung des Sekretes, sie mögen insgesammt „ausführender Schlauch“ heissen. Von dem eigentlichen „Ausführungsgange*, an welchem die Drüse hängt wie die Frucht am Stiele, unterscheidet sich der aus- führende Schlauch in sehr bedeutendem Grade. Den physiologisch wichtigsten Abschnitt der Drüse bildet der Drüsenscehlauch, an dessen Beschreibung ich jetzt gehen will. Zur Erkennung der zu schildernden Einzelheiten ist von grosser Bedeutung die angewandte Methode der Färbung. Unter den zahlreichen 'Tinetionsmitteln, welche ich versuchte, zeigten sich am geeignetsten und lieferten die besten Resultate die von mir in meinem „Leitfaden für histiologische Untersuchungen“ zuerst empfohlene Doppelfärbung mit Orange-Hämatoxylin und dann eine Doppelfärbung mit Orange-Alauncarmin, bei welch letzterer das Alauncarmin so verwendet wird, wie in der ersteren das Hämatoxylin. Soleher Art behandelte Präparate gewähren einen ungemein buntscheckigen Anblick und es ist sehr schwer, sich in der Fülle der verschiedenartigsten Bilder zurecht zu finden und das Zu- sammengehörige zusammen zu stellen. Es rührt dies daher, dass der epitheliale Belag des Drüsenschlauches keineswegs, wie Joubin angibt, allenthalben der gleiche, sondern vielmehr ein funetionell gemischter ist, d. h., dass die Drüse, von physio- logischen Gesichtspunkten aus betrachtet, keinen einheitlichen Charakter besitzt, durchaus nicht, wie Joubin meint, „exeessi- vement“ Schleimdrüse, sondern nach der Terminologie Heiden- 600 Breemhranride kr aswantze hains gleiehzeitig Schleim- und Eiweissdrüse ist. Man findet in demselben Durchschnitte durch den Drüsenschlauch neben einander Eiweiss- und Schleimzellen (Fig. 2 ez, mz) und in demselben Lumen Eiweiss und Muein zusammen vor (Fig. 2 e, m). Das Muein gibt sich in der erst genannten Doppelfärbung, wie ich das in meinen Untersuchungen über den „Mantelrand der Acephalen (Theil II)“ bereits hervorgehoben habe, und wie dies auch Joubin richtig ausgeführt, durch seine ungemein srosse Affinität zum Hämatoxylin kund, sodass die Mueinzellen und -Massen durch ihre mehr oder weniger intensive veilchenblaue Färbung sofort auffallen (Fig. 2 mz und m) (in Orange-Alaun- carminpräparaten ist die Färbung tiefroth). Das Eiweisssekret und die Eiweisszellen färben sich in den genannten Tinetions- mitteln intensiv orangegelb (Fig. 2 ez und e). Das relativ indifferenteste Stadium, bei dem man nicht sicher entscheiden kann, ob ein Muein oder ein Eiweiss oder ein beides secernirender Scehlauchtheil vorliegt, traf ich nur selten und nur in kleinen Quersehnitten. Dieselben zeigten folgendes Verhalten (Fig. 3). Von dem feinen, kreisförmigen, in der Mitte des Schlauches ge- legenen Lumen (Fig. 3 I) gehen in Form von Radien zarte Stränge (Fig. 3 s) peripherwärts zur Tunica propria, die bald weit auseinander, bald einander genähert stehen und bei Betrach- tung mit schwachen Linsen wie Zellmembranen erscheinen. Bei Verwendung starker Systeme!) ergibt sich dagegen, dass diese Stränge keineswegs Membranen sind, sondern eme protoplas- matische Natur haben; sie haben sich dunkelorange gefärbt. Sie gehen direet in die Hauptmasse des Protoplasma der Zellen über (Fig. 3) und besitzen ganz ausserordentlich zarte Fortsätze, welehe nach den Seiten hin ausstrahlen. Das Epithel, welches die Schlauehwand auskleidet, ist hier ein emheitliches, die Zellen sind von konischer Gestalt, am Lumen abgestutzt, nach hinten, d. h. der Tunica propria zu, breiter. An der Tuniea propria, auf welcher die Zellen aufsitzen, ist das Protoplasma ausserordent- lich zart granulirt (Fig. 3 z,), zeigt aber, wie ich entgegen der 1) Ich konnte mich bei dieser Untersuchung einer ganz ausge- zeichneten Wasserimmersion von Zeiss (J) bedienen, deren Anschaffung mir durch ein Stipendium aus der Gräfin Bose-Stiftung der hiesigen medieinischen Fakultät ermöglicht wurde. Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 601 Angabe von Joubin hervorheben will, keine Andeutung einer Netz- zeichnung, und hat sich in den oben erwähnten Doppelfärbungen dunkelgelb mit einem Stieh in’s Bräunliche tingirt. Diese Be- schaffenheit hat das Zellplasma im etwa einem Drittel der. Höhe des Epithels, von der Tunica propria aus gerechnet. Die Granu- lirung geht in die vorhin erwähnten radienartigen Stränge direet über; letztere enden, wie bemerkt, am Lumen, an welchem das Epithel etwas dunkler contourirt erschemt (Fig. 3). Die geschil- derte Struetur des Plasma setzt sich scharf ab gegen den übrigen Theil der Zellen, weleher auch bei stärkster Vergrösserung (Zeiss J. Oe. 4) ganz homogen erscheint und sich hellgelb ge- färbt hat (Fig. 3 z,). Zwei Formen von Kernen sind in diesen Sehlauchquersehnitten zu unterscheiden, welche eine verschiedene Lagerung haben. Es finden sich grosse, bläschenförmige ovale oder kugelrunde Kerne, in denen gelegentlich ein Kernkörperehen und zuweilen undeutlich ein Kerngerüst zu erkennen ist (Fig. 3 k,). Sie liegen stets in der Nähe der Tuniea propria in dem peripheren, zart granulirten und dunkel gefärbten Theile der Zellen, nie dagegen in deren homogenem Abschnitte. Die zweite Kernform wird durch schmale, ovale Gebilde repräsentirt, die fast stäbehenförmig aussehen, sieh sehr intensiv gefärbt haben und niemals Kernkörperehen enthalten, noch je ein Gerüst erkennen lassen (Fig. 3 k,). Sie liegen meistens dem Lumen genähert, selten basalwärts und finden sich immer in den schmalen, radien- artigen Plasmasträngen. Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung anderer Partieen des Drüsenschlauches, an denen die funktionelle Bedeutung des Organes deutlich hervortritt. Als Ausgangspunkt mögen Sehlaueh- querschnitte dienen, an welchen man ziemlich geordnete, über- sichtliche Verhältnisse antrifft. Zunächst, und hiermit setze ich mich in Gegensatz zu Joubin, haben diese Querschnitte des Drüsenschlauches, wie auch alle anderen Quer-, Schräg- und Längssehnitte, ein deut- liches Lumen (Fig. 2). Dasselbe kann nicht arteficiell sein, d.h. ist nicht dadurch entstanden, dass m Folge der Fixirung und Conservirung die Epithelzellen geschrumpft sind, denn man findet ausnahmslos in den Lumina die secernirten Muein- und Eiweiss- massen (Fig. 2 e und m). Ich kann demgemäss auch der An- gabe von Joubin nicht zustimmen, dass die gegenüberliegenden 602 Bernhard Rawitz: Zellen des Drüsenschlauches normal dieht an emander stossen. Nor- nal trifft man — nämlich bei Thhieren, welche in der Gefangenschaft regelmässig gefüttert wurden — die Drüsen in lebhafter Thätig- keit an; das Stadium vollkommener Sekretionspause, das Joubin offenbar beobachtet hat, habe ich nie gesehen. Auch eine andere Behauptung Joubin's kann ich nicht bestätigen, nämlich dass die Zellen des Drüsenschlauches becherförmige Gestalt haben und schräg gegen seine Axe orientirt sind. Ich habe nie die Becher- form und niemals eine schräge Richtung des epithelialen Belages angetroffen (Fig. 2). Die erwähnten Schlauchquersehnitte zeigen nun folgende Verhältnisse : Die Abgrenzung der auf der Tuniea propria aufsitzenden Drüsenzellen gegen einander ist keine sehr scharfe, wenigstens nieht so scharf, wie in dem zuerst geschilderten Querschnitts- bilde. Die Zelleontouren sind vielmehr nur bei stärkster Ver- grösserung als ganz zarte, vom Lumen zur Peripherie strebende Striche zu erkennen. Man kann sagen, dass der epitheliale Belag dieser Schlauchtheile in zwei Hauptlager zerfällt, deren jedes eine Hälfte der Wandung einnimmt. In der einen finden sich die Muein, in der anderen die Eiweiss secernirenden Zellen. Die- jenigen Zellen, welche sekretleer, in Ruhe, sind, haben in den oben genannten Tinetionsmitteln einen dunkelorangenen Ton an- genommen; diese Zellen sind sehr dieht und zart granulirt, von einer Netzzeichnung, wie sie Joubin beschrieben hat, war in meinen Präparaten nichts zu erkennen. Beim Uebergange zur Thätigkeit wird das Protoplasma in den Eiweisszellen zu- nächst gröber granulirt; dann eonfluiren die Granula, an der dem Lumen zugewandten Partie der Zelle zuerst, zu mehr oder weniger grossen Tropfen, die Tropfenbildung schreitet basalwärts vor und schliesslich ist die Zelle bis auf einen minimen, der Tuniea propria dieht angedrückten unveränderten Rest des Proto- plasma, mit dunkelgelben!) Tropfen dicht erfüllt. Diese Tropfen, die in den Zellen dieht an einander liegen und durch gegen- 1) Die Angaben über Farbennüancen der zu beobachtenden Einzelheiten sind stets den in Orange-Haematoxylin oder in Orange- Alauncarmin tingirten Präparaten entnommen; ich will dies über dem Striche nicht mehr besonders hervorheben. Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 603 seitigen Druck eine polyedrische Gestalt angenommen haben, trifft man dann auch im Lumen des Drüsenschlauches, zunächst noch den Zellen aufsitzend, bis sie schliesslich in das Lumen vollständig eintreten und dabei zu einheitlichen, structurlosen Massen zusammenfliessen (Fig 2 e. Die eitirte Abbildung gibt übrigens eine weniger übersichtliche Vertheilung der beiden Zell- arten wieder). In den Mueinzellen zeigen sich ganz andere Bilder. Das zart granulirte Plasma der sekretleeren Zelle wird zunächst homogen und damit zugleich heller gelb. Dieser gelbe Farbenton verwandelt sich nach und nach in eimen grauen, der einen Stich in's Bläuliche zeigt, dann erscheint ein leichtes Veilchenblau, das allmählich intensiv wird: ein Zeichen, dass die Mucinumwandlung beendet ist. Auch hier fimdet sich ein Rest von unverändertem Plasma dicht an der Tunica propria. Das Muein tritt, soweit ich aus meinen Präparaten schliessen kann, niemals in Tropfengestalt in das Lumen des Schlauches, sondern zieht sich als ein langgestreckter Faden in dasselbe hinein (Fig. 2 m.), der sich schliesslich von der Zelle loslöst und mit den von anderen Zellen stammenden Mueinfäden ver- schmilzt. Hinsichtlich der Kerne, die man in diesen Zellen findet, ist Folgendes auszusagen. Zwei verschiedene Formen derselben sind vorhanden, welche durch keinerlei Uebergänge mit einander verbunden sind. Die eine Form wird durch grosse, bläschen- förmige, kugelrunde Gebilde repräsentirt, welehe ein deutliches Kernkörperchen enthalten und stets basal gelegen sind; die andere Form ist bedeutend kleiner, intensiver gefärbt als die vorige, von ovaler Gestalt und findet sich nur selten basal, meist dem Lumen genähert, häufig sogar demselben dicht anliegend (Fig. 2). Die erste Kernform gehört den ruhenden, sekretleeren, die zweite den thätigen, sekretgefüllten Zellen an. Bei der Kleinheit der Kerne dieser Drüsen war es mir nicht möglich den Antheil, den sie am Sekretionsvorgange nehmen, genau zu eruiren, wie ich dies bei den Kernen in der Fussdrüse der Opisthobranchier im Stande war.!) 1) ef. Rawitz, Die Fussdrüse der Opisthobranchier. Abhand- lungen der Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom Jahre 1887. 604 Bernard Rawitz: Eine so regelmässige Anordnung der den Drüsenschlauch charaeterisirenden Zellen und dadurch so klare, übersichtliche Verhältnisse trifft man allerdings nur selten an; meistens ist die Gruppirung der Eiweiss- und Mueinzellen eine viel unregelmässi- gere (Fig. 2), und meistens sind auch die einzelnen Phasen des Sekretionsprocesses durchaus nicht in derselben Schlauchpartie neben einander zu beoabehten. Sehr häufig hat man im Schnitte Sehlauchtheile, in welchen sekretleere Zellen vollständig fehlen, in denen überhaupt nur Zellen vorhanden sind, die voll Eiweiss oder voll Mucin sind. Man sieht also im demselben Durchschnitte nur veilehenblau gefärbte oder mit gelben Tropfen dieht erfüllte Zellen. Dabei stehen dieselben ganz unregelmässig durchein- ander, und es zeigen namentlich die Mueinzellen verschiedene Nüaneen in der Färbung. Im Lumen der einzelnen Durch- schnitte dureh den Drüsenschlauch findet man häufig die beiden Se- kretarten zusammen vor (Fig. 2), die sich dann durch ihre diffe- rente Färbung klar von einander abheben; Eiweiss und Muein mischen sieh hier also nieht. An anderen Stellen ist auch bloss das eine Sekret vorhanden, während das andere fehlt, und dann enthält häufig das Lumen Eiweiss, während die Zellen Muein- zellen sind; oder umgekehrt, es ist das Lumen von Muein erfüllt, die Zellen aber sind Eiweisszellen. An anderen Stellen wieder entsprechen Sehlauehinhalt und Zellbelag emander völlig und ınan kann den Zusammenhang des esteren mit dem letzteren noch wahrnehmen. Ganz wilde Bilder bieten solche Durehsehnitte dureh den Drüsenschlaueh dar, welche denselben tangential ge- troffen haben. Hier, wo ein Lumen fehlt, wie natürlich, lässt sich vielfach eine Ordnung im den einzelnen Theilen gar nicht er- kennen, weil zu dem Durcheinander von Eiweiss- und Mueinzellen die ungünstige Sehnittriehtung hinzukommt. Gerade in Tangential- schnitten habe ich gelegentlich eine Netzzeichnung in den Zellen gesehen; doch hat dieselbe nicht die Bedeutung derjenigen, welche Joubin beschrieben. Sie findet sich nämlich nur in solehen Zellen, deren ganzer Körper, bis auf einen kleinen Rest, in Mucin um- eewandelt ist, betrifft also das Sekret und nicht das Protoplasma. Offenbar handelt es sich hier um Coagulationserscheinungen, welehe dureh die Reagentien hervorgerufen werden. Ein weiteres Eingehen auf die Fülle der sich darbietenden, ungemein wechselvollen Einzelheiten hat, wie ich glaube, keinen Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 605 Zweck, da mit dem bisher Geschilderten ein Verständiiss der histiologischen Eigenheiten des Drüsenschlauches der hinteren Speicheldrüsen ermöglicht ist. Es sind die Gruppirung der Drüsenzellen, ihr gegenseitiges Verhalten, ihre Beziehungen zum Sekret und damit der Bau und, meines Erachtens, auch die Funktion der Drüse dargethan. Das im ersten Augenblicke Ver- wirrende des Schnittbildes ist erklärt durch die Thatsache, dass die einzelnen Phasen des Sekretionsprozesses neben einander und durch einander sich finden, und vor allem dadurch, dass physio- logisch verschiedenwerthige Zellen — Eiweiss bereitende und Mucin bereitende Zellen — unmittelbar neben und mit einander vorkommen. Und zwar zeigt sich die Vermischung der beiden Zellarten sowohl in den Stellen des Drüsenschlauches, welche unmittelbar an den ausführenden Schlauch angrenzen, wie auch in den letzten peripheren blinden Enden, allenthalben in der gleichen regellosen Weise. Es lassen sich die Veränderungen, welche der Zellleib durch die secernirende Thätigkeit erfährt, nach der vorausgehenden Darstellung folgendermaassen chronologisch ordnen. Das zart granu- lirte Plasma der sekretleeren Zelle wird homogen, dann nimmt es zunächst am Schlauchlumen, von da zur Tunica propria basal- wärts vorschreitend, emen blaugrauen Farbenton an, der sich in derselben Richtung allmählich zu einem intensiv veilchenblauen verwandelt. Die Zelle ist sekretgefüllt, ist Mueinzelle; das Sekret wird in das Schlauchlumen entleert, zurück bleibt nur ein Rest von Protoplasma mit Kern. Oder: der zart granulirte Zellleib wird grob granulirt, die Granula fliessen zu verschiedenen grossen Tropfen zusammen, die schliesslich bis auf einen kleinen Proto- plasmarest die Zelle anfüllen; die sekretgefüllte Zelle ist eine Eiweisszelle. Das Sekret gelangt in das Schlauchlumen, vereint sich mit dem ersteren, aber vermischt sich nieht mit ihm. Einen wesentlich anderen Bau besitzt der ausführende Schlauch. Derselbe zeigt einheitliche Verhältnisse in seiner ganzen Ausdehnung, insofern als wir hier nur eine Art Epithel- zellen antreffen, die sich in den genannten Doppelfärbungen stets hellorange gefärbt haben (Fig. 4). Auf einem Querschnitte kann man am epithelialen Belage zwei Regionen unterscheiden (Fig. 5z, und z,), die deutlich von einander abgesetzt sind, von denen die eme schmalere der Tunica Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 40 606 Bernhard Rawitz: propria dicht anliegt und als ein plasmatischer Ring die zweite umfangreiche umgiebt. Die Grössenverhältnisse dieses Ringes sind in demselben Schlauchquersehnitte nicht allenthalben dieselben; an einzelnen Stellen ist der Ring grösser als an anderen. Gegen die innere Region ist er durch eine zarte Linie abgesetzt (Fig. 51), die nicht als Membran betrachtet werden kann, sondern offen- bar durch die diehtere Beschaffenheit des inneren Protoplasma (Fig. 5 z,) hervorgebracht wird. Während die Aussenregion im allgemeinen keine gröbere Eintheilung erkennen lässt, ist dies da- gegen an der Innenregion der Fall, denn es zerfällt dieselbe in eine mehr oder minder beträchtliche Zahl meist gleich grosser und durch Membranen von einander geschiedener Abtheilungen (Fig. 5). Diese letzteren liegen nur selten dieht aneinander, meistens sind sie durch zart granulirte eylindrische (Fig. 4 z,) oder ganz unregelmässig gestaltete Zellen getrennt (Fig. 5 2,). Das ziemlich weite Lumen des ausführenden Schlauches (Fig. 4 und 51) ist von einer schmalen, stellenweise lamellös erscheinen- den Membran ausgekleidet (Fig. 4 mb), von welcher im den häu- figsten Fällen die Scheidewände der oben erwähnten Abtheilungen entspringen (Fig. 4 und 5 mb). Zuweilen besitzen die Scheide- wände aber auch keinen direkten Zusammenhang mit der Mem- bran des Lumen. In jenen Abtheilungen von unregelmässiger Gestalt findet sich ein ganz eigenartiger Inhalt. In homogener, fast gar nicht gefärbter Grundsubstanz liegen zart gelb tingirte, äusserst feine Fäden, die leicht wellig gebogen sind (Fig. 4 und 5 b); dieselben haften ausnahmslos an der das Lumen auskleidenden Membran fest an und sind hier, wie in einem Blumenstrausse, eng zu- sammengefasst, während sie nach der entgegengesetzten Richtung, also der Schlauchwand zu, fiederförmig auseinander strahlen. Es sieht aus, als ob eine grössere Zahl von Büscheln feiner Fäden in jenen Membran umschlossenen Räumen liegen (Fig. 4 u. 5 b), eine Durehfleehtung der einzelnen Stränge findet nicht statt, wie man mit starken Linsen gut erkennen kann. Häufig füllen diese Büschel den ganzen von der Membran umschlossenen Raum aus, ebenso häufig aber ist dies nicht der Fall. Dann trifft man in den basalen Partien dieser Räume je eine zart granulirte Zelle mit grossem, mit Kernkörperchen versehenen Kern, die sich nur äusserst schwach tingirt (Fig. 4 2,). Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 607 Zwischen den mit Büscheln versehenen und von Membranen umgrenzten Zellräumen findet sich ein zart granulirtes Plasma, das eine bestimmt ausgesprochene ‚Gestaltung nicht erkennen lässt (Fig. 52,). Dasselbe enthält grosse ovale Kerne mit je einem Nucleolus, die bald dicht am Schlauchlumen, bald mehr basal- wärts an der äusseren ringförmigen Region gelegen sind (Fig. 5). Ueber diese letztere ist Folgendes auszusagen. Die dieselbe zusammensetzenden Zellen sind von eimander nicht scharf ge- schieden, der ganze Aussenring erscheint vielmehr als eine Art Plasmodium, in dem verstreut grosse ovale Kerne in spärlicher Anzahl und stark geschrumpfte Kerne von stäbehenförmigem Aus- sehen in grösserer Menge vorkommen (Fig. 5z,). Der plasma- tische Bestandtheil des Aussenringes zeigt eine ungemein subtile Structur. Dieht an der Tunica propria, in einer ganz schmalen Zone, findet sich eine sehr zarte Granulirung (Fig. 5z,). Von da aus streben nach innen feine, ebenfalls zart granulirte Stränge, die an manchen Stellen sehr dicht sind und parallel zu einander verlaufen, während sie an anderen Stellen sich verzweigen, mit den benachbarten dadurch sich verflechten und so ein zartes Netz bilden. Gegen die Innenpartie ist diese Region klar ab- gesetzt. Die beigegebene Figur 5 zeigt die geschilderten Einzel- heiten, zu deren Erkennung die Anwendung sehr starker Ver- grösserungen unerlässlich ist, in naturgetreuer Wiedergabe. Die Grenze zwischen ausführendem Schlauch und Drüsen- schlauch ist eine sehr scharfe, denn da, wo die einzelnen Partieen des letzteren von dem ersteren sich abzweigen, beginnt auch un- mittelbar der sekretorische Epithelbelag. Die Tunica propria (Fig. 2,4 und 5t), deren Zusam- mensetzung am besten an Präparaten zu studiren ist, welehe mit Indigearmin-Boraxcarmin gefärbt wurden, zeigt am Drüsenschlauche folgendes Verhalten. Man kann an ihr drei Blätter unterscheiden, eine Intima, Media oder Museularis und eine Adventitia. Die ersteren beiden haben gleiche Dicke, der Durchmesser der letzteren ist nieht ge- nau festzustellen, da sie kontinuirlich in das intertubuläre Gewebe übergeht. Die Intima ist eine structurlose Haut, auf welcher die Drüsenzellen aufsitzen; sie ist hell, färbt sich nur wenig und lässt eine zellige Zusammensetzung in meinen Präparaten nicht erkennen, d. h. es fehlen ihr die Zellkerne. Die Adven- 608 Bernhard Rawitz: titia ist ebenfalls eine helle strueturlose Haut, die aber reichlich grosse ovale oder kreisrunde Kerne besitzt, die sich in nichts von denen des intertubulären Gewebes unterscheiden. Die Media oder Museularis erscheint auf Querschnitten als eine einfache Lage eireulär verlaufender, sich dachziegelförmig deckender Mus- keln; auf Längsschnitten sieht man die in einer Reihe dieht an einander stehenden Muskelquerschnitte (Fig. 4 mm). Gleich Jou- bin habe auch ich die Muskeln meistens kernlos gefunden. Die Tuniea propria des ausführenden Sehlauches zeigt die- selbe Zusammensetzung; nur ist hier die Museularis breiter und es wird dieselbe gegen den Hauptausführungsgang hin mehr- schichtig. Das intertubuläre Bindegewebe zeigt den gewöhn- lichen Habitus des spongiösen Bindegewebes der Mollusken. Es besitzt zahlreiche grosse ovale oder kugelige Kerne und enthält in nicht unbeträchtlicher Menge Flemming’sche Schleimzellen. Es erübrigt noch die Beschreibung des Hauptausfüh- rungsganges. Im Lumen desselben, das sei zunächst er- wähnt, findet man das Drüsensekret in reichlicher Menge, und es sind auch hier noch Eiweiss und Mucin von einander getrennt. Die Wand besteht aus drei Lagen, einer Intima, einer Media oder Muscularis und einer Adventitia. Von diesen ist die letztere die mächtigste, die Intima die schwächste. Es verhalten sich in ihrem Diekendurchmesser die drei Lagen Intima, Media, Adventitia ungefähr wie 1: 1?/,:15!/;. Die Intima wird, wie ich in Uebereinstimmung mit Joubin gefunden habe, von platten Zellen gebildet, die in zwei bis drei Lagen übereinander ge- schichtet sind (Fig. 6i); die Grenzen der einzelnen Zellen sind nieht deutlich. Der Längsdurchmesser der ovalen Kerne ist pa- rallel gerichtet zur Längsaxe ‚des Ganges. Die Muscularis besteht ausschliesslich aus ceirculär verlaufenden, kernhaltigen Muskelfasern, die in zahlreichen Lagen vorhanden sind (Fig. 6). An der Wurzel des Ausführungsganges, im Hilus der Drüse, theilt sich dieselbe in zwei Abtheilungen, von denen die äussere und zugleich schwächere nach aussen von der Adventitia hinzieht und sich im basalsten Viertel des Ausführungsganges verliert (Fig. 6 mm); hier hätte derselbe also vier Lagen. Die Adventitia endlich ist aus zahlreichen Lagen von Bindegewebstibrillenbündeln zu- sammengesetzt, deren längsovale grosse Kerne parallel zur Längs- Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 609 axe des Ausführungsganges stehen (Fig. 6a). Die Fibrillen- bündel sind durch eine sich in allen Farbstoffen ziemlich intensiv tingirende Kittsubstanz zusammengefasst, sodass dadurch ein Bild entsteht, das an die bindegewebige Umhüllung der Vater’schen Körperchen lebhaft erinnert. Während die Structur der Epithelzellen des Drüsenschlauches und deren Verhalten gegen Farbstoffe einen Rücksehluss auf die Art der Sekrete mit Leichtigkeit gestatten!), ist es sehr viel schwieriger, darüber in's Klare zu kommen, welche Bedeutung dem Epithel des ausführenden Schlauches beizumessen ist. Dass dasselbe nicht einfach indifferenter Natur ist, das geht, wie ich meine, aus den zu beobachtenden Eigenthümlichkeiten mit Evidenz hervor. Zwar bin ich nicht geneigt, die erwähnten fiederförmigen Büschel zarter Fäden für natürlich zu halten; ich glaube vielmehr, dass dieselben Artefacte sind, hervorgebracht durch die eoagulirende Wirkung der fixirenden und conservirenden Reagentien. Aber was für eine Substanz ist es, die hier gerinnt? Eine genaue Antwort darauf zu geben bin ich ausser Stande; hier ist die Grenze für die mikroskopische Forschung, wenigstens bei dem gegenwärtigen Stande unserer mikrochemischen Kennt- nisse, hier beginnt das Gebiet des Physiologen. Wahrscheinlich ist es mir, dass in den Zellen des ausführenden Schlauches eine salzhaltige Flüssigkeit gebildet wird, die sich dem eigentlichen Drüsensekrete beimischt und die bei Anwendung unserer gewöhn- lichen Fixirungsflüssigkeiten in der geschilderten Form nieder- geschlagen wird. Indessen kann meine Vermuthung auch irrig sein; es wird die Aufgabe künftiger vergleichend-physiologischer 1) Gleich Joubin kann ich den Befunden von Bourgquelot, welche dieser in seiner Abhandlung „Recherches exp£erimentales des sucs digestifs des eephalopods“ (Archives de zoologie experimentale et g6- ncrale Tome X, 1882) niedergelegt hat, nach denen den hinteren Spei- cheldrüsen eine verdauende Wirkung nicht zukommen soll, keine aus- schlaggebende Bedeutung beimessen. Es sind diese „exakten“ Unter- suchungen sehr wenig exakt, die von Bourquelot beschriebenen Experimente sehr wenig beweisend, weil viel zu roh und flüchtig aus- geführt. Es bedürfte meines Erachtens ganz anderer Beweismomente, als der Bourquelot'’schen, um die hinteren Speicheldrüsen der Ce- phalopoden ihrer Funktion zu entkleiden, umsomehr, da diese Funk- tion aus dem histologischen Verhalten klar hervorgeht. 610 Bernhard Rawıtz: Forsehungen sein, auf diese, wie ich glaube, nicht uninteressante Frage die riehtige Antwort zu finden. In jüngster Zeit ist von neuem das Problem lebhaft erörtert worden, ob die Drüsenzelle bei der Sekretion zu Grunde geht oder nicht. Ohne bestreiten zu wollen, dass in vielen Fällen durch die absondernde Thätigkeit der Zelle auch deren weitere Fortdauer unmöglich gemacht wird (wie z. B. in der Milchdrüse der Mammalia), kann ich mich doch nicht der Ansicht derer anschliessen, welche dieses Vorkommniss als die Regel, das Er- haltenbleiben der Zellen als die Ausnahme betrachten. Wie für die Zellen der Fussdrüse der Opisthobranchier und die Drüsen- zellen im Mantelrande der Acephalen muss ich auch für die Zellen der hinteren Speicheldrüsen der Cephalopoden daran fest- halten, dass dieselben erhalten bleiben. So viel ich auch meine Präparate durchmustert habe, nirgends habe ich eine Ausstossung der ganzen Zelle gesehen und nirgends diejenigen Elemente entdeckt, welehe an die Stelle der eliminirten hätten treten können. Im Anschlusse an Stöhr, der für die Drüsen der Verte- braten diese Thatsache zuerst scharf betont hat, betrachte ich die Drüsenzelle der Wirbellosen als ein keineswegs vergäng- liches, sondern vielmehr recht langlebiges Gebilde. Diese Auf- fassung ist mit Leichtigkeit aus den Thatsachen abzulesen; für die gegentheilige Ansicht sind stringente Beweise bis jetzt noch nicht erbracht worden. Die vorliegende Untersuchung wurde im physiologischen In- stitute des Herrn Prof. H. Munk angestellt, dem ich für Ueber- lassung der Mittel desselben zu grösstem Danke verpflichtet bin., Erklärung der Figuren auf Tafel XXVL. Fig. 2-6 sind mit dem Abb e’schen Zeiehenapparate entworfen, das Detail ist bei den angegebenen Vergrösserungen ausgeführt, die nur durch die starken Oculare sich von den für den Entwurf gewählten unterschieden. Fig.2 bis 5 sind von Orange-Hämatoxylin, Fig. 6 von Orange-Alauncarmin-Präparaten. Die Präparate stammen von Ele- done moschata. Ueb. d. feineren Bau d. hinteren Speicheldrüsen d. Cephalopoden. 611 Kig, 1. Fig. 2 Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Schematische Darstellung eines Zupfpräparates. Die Pfeile zeigen die Richtung des Sekretionsstromes. 1 — ausführender Schlauch; 2 — Drüsenschlauch. Drüsenschlauch ; Querschnitt. Vergr. Zeiss Ocul. 3, Syst. D. mz — Mucinzellen ; ez — Eiweisszellen; e — Eiweiss; m — Muein. Drüsenschlauch; Querschnitt. Vergr. Zeiss Ocul. 4, Syst. J. Z1, Za— die beiden Abschnitte der Zelle (cf. Text); s — Plasma- stränge; kı, kg — die beiden Kernformen; 1— Lumen; t — Tu- nica propria. Ausführender Schlauch; Längsschnitt. Vergr. Zeiss Ocul. 3, Syst. D. z,, Z3— die differenten Zellen (cf. Text); b — Büschel; mb — Membranen; 1 — Lumen; t — Tunica propria; mm — Muskellage derselben; it — intertubuläres Gewebe. Ausführender Schlauch; Querschnitt. Vergr. Zeiss Ocul. 4, Syst. J. Zu, Zg — die beiden differenten Zelllagen (ef. Text); li — Grenzlinie; b — Büschel; mb — Membranen; kj, kg — die beiden Kernformen; 1 — Lumen; t — Tunica propria; it — intertubuläres Gewebe; k3 — Kerne desselben. Hauptausführungsgang; Längsschnitt; nur die halbe Wand ist gezeichnet. Vergr. Zeiss Ocul.3, Syst. D. i — Intima; m — Muscularis; a — Adventitia; mm — äusserste Lage der Musecularis (ef. Text). (Aus dem histolog. Laboratorium der psychiatrischen und Nervenklinik zu Budapest.) Beitrag zur Histologie der Ammonshorn- formation'). Von Dr. Karl Schaffer, Assistent. Hierzu Tafel XXVII. Die überraschenden Resultate, welche man in neuester Zeit mittelst der Golgi-Cajal’schen Methode am Centralnerven- system erlangte, erschlossen die feinsten Structurverhältnisse, welche bislang zumindest sehr lückenhaft oder total unbekannt 1) Vorgelegt der kgl. ungar. Akademie in der Sitzung vom 15. Febr. 1892 vom o. M. Viktor Mihalkovies. 612 Karlsehartter: waren. Insbesondere das Rückenmark und Klemhirn sind jene Abschnitte des Centralnervensystems, deren genaue Durchfor- schung zu vorläufig abgeschlossenen Kenntnissen führte. Nur die Hirnrinde entbehrte bisher eine Bearbeitung, welche aber in neuester Zeit durch den genialen Forscher R. y Cajal!) aus- geführt wurde. Die modifieirte Rinde, das Ammonshorn, fand in Golgis Schüler, Luigi Sala?), seinen Bearbeiter. We- sentlich diese zwei Arbeiten standen mir zur Verfügung, als ich zur histologischen Durchforschung des Ammonshorns schritt, wozu mich hauptsächlich jene Frage bewog, ob hier denn nicht auch all jene Formelemente, wie sie Cajal für die typische Hirnrinde nachwies, aufzufinden sind, umsomehr, da Sala’s Schilderung mit jener von Cajal nicht ohne Weiteres in Ein- klang zu bringen ist. Es sei mir gestattet, vor Allem meine Untersuchungsmethode anzugeben, worauf ich meine eigenen Untersuchungsresultate anführen werde. i Als Untersuchungsmethode wandte ich ausser dem Golgi- Cajal’schen noch das Weigert'sche Kupferlackverfahren und die NissI’sche Zellfärbung mit Methylenblau und Magentaroth an. Durch diese combmirte Anwendung dachte ich einen voll- kommeneren Einblick - in die Struktur des Ammonshorns zu ge- winnen. Da der Werth der raschen Golgi'schen und der Wei- zertsschen Methode schon längst bekannt ist, erübrigt mir nur die Aufmerksamkeit besonders auf das Niss!'sche Verfahren zu lenken. Dasselbe führe ich nach der ursprünglichen Vorschrift (welehe mir ganz dasselbe leistet als Niss!'s neuere, doch viel complieirtere) aus, indem die in absol. Alcohol gehärteten Hirn- stücke nach sehr kürzerer Durchtränkung mit Celloidin in feine Schnitte zerlegt und letztere im gesättigter wässriger Magenta- roth-Lösung gewärmt werden bis zur Bildung leichten Dampfes; hierauf Auswaschung im absolutem Alcohol und definitive Diffe- renzirung mit Nelkenöl. Auf diese Weise werden sämmtliche Nervenzellen äusserst distinet sichtbar gemacht bei fast vollkom- mener Entfärbung des Grundgewebes. — Als Untersuchungs- objeet dienten mir das junge Kaninchen und neugeborne Schweine. 1) La Cellule. 1891. Sur la structure de l’Ecorce cerebrale de quelques mammiferes. 2) Zeitschr, f. wiss. Zoologie. 1891. Zur feineren Anatomie des grossen Seepferdefusses. Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 613 I. Ammonshorn. Wir unterscheiden am Ammonshorn, wie bekannt, folgende Schichten: 1) Das Muldenblatt-Alveus, mit der Fimbria. 2) Das Stratum oriens, aus spindelförmigen Zellen bestehend. 3) Die Pyramidenzellen-Schicht. 4) Das Stratum radiatum, gebildet durch die Spitzen- fortsätze der Pyramidenzellen. 5) Das Strat. laeunosum (s. Strat. medullare medium), ein lockeres, viel Capillargefässe aufweisendes Gewebe, deren markhaltige Nervenfasern sich von der Lam. medull. involuta abspalten. 6) Das Strat. moleeulare. 7) Die Lam. medullaris involuta, der oberfläch- liehsten Tangentialfaserschichte entsprechend. Die von mir gefundenen Verhältnisse für die einzelnen, oben erwähnten Schichten sind folgende: 1) Das Muldenblatt wird aus Nerfenfasern gebildet, welche mit der Oberfläche zumeist parallel, gestreckt, schwach wellenförmig verlaufen und wird durch Axeneylinder constituirt, welche beinahe insgesammt aus den Pyramidenzellen entspringen. Die Nervenfasern des Alveus kreuzen zahlreich die protoplasma- tischen Fortsätze der Pyramidenzellen, und mit ihnen in gleicher Riehtung, d.h. mit der Ventrikeloberfläche parallel verlaufen die Fortsätze — so funktionelle wie protoplasmatische — der spin- delförmigen Zellen des Strat. oriens. 2) Theilweise noch zwischen den Fasern des Alveus lie- gend treffen wir die Nervenzellen der zweiten Schicht, des Str. oriens an. Es sind dies Zellen von vorwiegend gestreekt spin- del-, oft auch. kugelförmiger Gestalt, welche spärlichere proto- plasmatische Fortsätze entsenden als die übrigen Nervenzellen des Ammonshorns, hauptsächlich aber zumindest zwei, aus den entgegengesetzten Polen des Zellleibes entspringende, mit der . Ventrikeloberfläche verlaufende protoplasmatische Fortsätze auf- weisen. Die Seitenzweige derselben verlaufen theils im Alveus, theils begeben sie sich in die subpyramidale — unter den grossen Pyramiderzellen befindliche — Schicht. Der Axeneylinder ent- 614 RKarlSchaffer: springt aus einem Pol oder ‘von einer Seite des Zellleibes, und -mengt sich zwischen die Alveusfasern, oder er steigt schief in die subpyramidale Schicht auf, während er sehr zahlreiche, zu- meist mit dem Alveus parallel verlaufende, auf lange Strecken verfolgbare Seitenzweige entsendet (s. Figg. 1 und 2). Im Str. oriens befindet sich noch eine Lage von Nerven- zellen, welche wir als polymorphe bezeichnen können, doch sind auch darunter zahlreiche spindelförmige oder dreieckige Gebilde. Sie sind alle ungefähr der Grösse der kleinen Pyra- midenzellen entsprechend, doch finden sieh unter ihnen hie und da auch ansehnlichere. Die protoplasmatischen Fortsätze ver- laufen emestheils aufwärts und streben, das Str. radiatum passirend, zur Lam. med. involuta, anderntheils wenden sie sich abwärts zum Alveus, um zwischen dessen Fasern sich zu verlieren. Zwi- schen diesen ein- und auswärts verlaufenden protoplasmatischen Fortsätzen gibt es auch solche, welche bogenförmig seitwärts ziehen. Als characteristisch für diese polymorphen Zellen halte ich deren aufsteigenden Axeneylinder. Derselbe er- scheint wesentlich in zwei Formen. Der Axencylinder vermag einestheils in gestrecktem Verlauf, parallel mit den Spitzenfort- sätzen der Pyramidenzellen, das Kernblatt zu erreichen, wobei er bald spärlich, bald reichlich Seitenzweige, welche zumeist ab- wärts gegen den Alveus streben, sendet (s. Figg. 3, 4, 5), andern- theils aber verliert der aseendirende Axeneylinder bereits nach sehr kurzem Verlauf seine Individualität und er biegt abwärts gegen das Muldenblatt. Man findet auch solehe Nervenzellen, welche einen direet abwärts verlaufenden funetionellen Fortsatz mit zahl- reichen Verästelungen ohne ausgesprochene Direetion aufweisen. Letztere Zellen müssen als Golgi's sensitive Zelle, oder als eine N.-Zelle I. Typus angesprochen werden (s. Fig. 6). — Es sei aber ausdrücklich hervorgehoben, dass ausser den polymorphen Nervenzellen mit ascendirenden Axeneylindern auch solche, wenn auch spärlicher mit descendirenden, direet gegen den Alveus ge- richteten funetionellen Fortsätzen gibt, wo dann aber derselbe zumeist von eimem basälen oder lateralen protoplasmatischen Fortsatz entspringend, mehrere, gleichfalls abwärts verlaufende | feine Seitenzweige entstehen lässt. Es erhellt aus obiger Beschreibung, dass wir im Str. oriens zwei Lagen von Nervenzellen unterscheiden können. Eine, theils Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 615 im, zumeist unmittelbar über dem Alevus liegend, besteht aus gestreckt spindelförmigen Nervenzellen, deren funetionelle wie auch protoplasmatische Fortsätze überwiegend parallel mit den Alveusfasern verlaufen; die andere Lage, welche auch als sub- pyramidale Schichte zu bezeichnen wäre, besteht aus polymorphen Zellen, deren Axeneylinder mit geringen Ausnahmen ascendirend zum Kernblatt streben, obschon spärlich auch solehe Gebilde zu finden sind, deren funetioneller Fortsatz, seine Individualität sehr bald verlierend, in zahlreiche Fibrillen sich auflöst!). 3) Sehr interessante Verhältnisse bietet die Sehicht der Pyramidenzellen dar. Vor allem sei erwähnt, dass die- selben in zwei, übereinander liegende Lagen zu trennen sind: die, auf die subpyramidale Sehieht folgende Lage besteht aus sog. Riesenpyramiden, auf welehe einwärts, gegen das Str. radiatum eine Schichte von kleineren Pyramiden folgt. Diese Verhältnisse sind nicht nur an den so besonders prägnanten Golgi’schen Bildern zu eonstatiren, sondern fallen sehr leicht an Präparaten auf, welche mit Magentaroth behandelt wurden. Diese zwei Lagen von different grossen Pyramidenzellen sind insbesondere im Subie. e. Ammonis deutlich ausgedrückt, während im eigentlichen Ammonshorn diese zwei Arten der Nervenzellen eng aneinander rücken, ja in eine compaete Lage verschmelzen, doch auch in dieser sind kleine und grosse Pyramiden zu unter- scheiden. So die kleinen als die grossen Pyramiden senden haupt- sächlich in zwei Richtungen ihre protoplasmatischen Fortsätze aus. Die basalen streben gleich den Wurzeln eines Baumes zum Alveus, wobei sie zahlreiche Nebenzweige entsenden; der Spitzenfortsatz, welcher eigentlich das Strat. radiatum bil- det, entsteht aus der Zelle als zumeist dieker Strang, welcher nach einem gewissen Verlauf unter spitzwinkeliger Gabelung in zahlreiche Zweige und Zweigehen sich auflöst, die insgesammt in die Lam. med. involuta umbiegen. Es kann aus den Pyramiden- zellen jedoch auch ein doppelter Spitzenfortsatz entstehen, aus welchem gleichfalls äusserst zahlreiche Zweige sich entwickeln. Derartige Zellen sind hauptsächlich im eigentlichen Ammons- horne anzutreffen. Sämmtliche protoplasmatische Fortsätze, welche Jene, von Ca jal nachgewiesenen dornenartige Anhängsel aufweisen, werden in der Moleeularschieht immer mehr und mehr dünn, 616 KarlSchaffer: zeigen von Stelle zu Stelle Kknollenartige Verdiekungen oder besser rosenkranzartige Ansehwellungen und biegen in die den Tangentialfasern der Rinde homologe Lage von Fäserchen des Kernblattes um. — Die protoplasmatischen Fortsätze entspringen jedoch nicht nur von der Spitze und Basis der Pyramiden- zellen, sondern auch von der Seite des Zellleibes, wodann sie als schräge, die subpyramidale Schicht durchquerende Fäserchen er- scheinen. Die eben beschriebenen Verhältnisse siehe an Fig. T, Ss und 10. Die Axeneylinder der Pyramidenzellen streben durchwegs zum Alveus. Sie entspringen zumeist der basalen Fläche der Nervenzellen, und fallen direet zum Alveus herab, woselbst sie dann ihre Richtung wechselnd, den Alveusfasern sich anschliessen. Während der Durchkreuzung der subpyramidalen Schicht ent- senden daselbst die Axeneylinder zahlreiche, zumeist unter rechtem Winkel abgehende Seitenzweige, welche auch ihrerseits viele Fibrillen entsenden. Diese Seitenzweige sind durchwegs auf- fallend dünner als der Axeneylinder; die schmächtigsten, etwa als Endzweigchen zu betrachtenden enden mit kleinen, knopf- artigen Anschwellungen. Manchmal läuft der Axencylinder nicht gerade zum Alveus hinab, sondern macht bedeutende Seiten- biegungen. — Sein Ursprung aus dem basalen Theil des Zell- leibes ist keine ausschliesslich gültige Regel, da ich ihn oft von der Seite abgehen sah. Ferner ist der Ursprung des Axeneylin- ders aus dem Zellkörper selbst — wenn auch überwiegend, doch nicht ohne häufige Ausnahme, indem er gar oft von basalen oder lateralen protoplasmatischen Fortsätzen entsteht. Er weist in seinem Verlaufe kleine Knötchen auf; am Punkte des Abganges der Seitenästehen sind dreieckige Verdiekungen siehtbar. — Interessante Verhältnisse bieten besonders jene Pyramidenzellen, hauptsächlich die grossen dar, welche an der Rindeneinrollungs- stelle des Ammonshorns liegen (s. Fig. 9). Der Axencylinder steigt zwar gegen den Alveus herab, bevor er sich aber in den- selben senken würde, theilt er sich ; ein Zweig, der schwächere, also Seitenästehen, verliert sich zwischen den Fasern des Alveus; der andere stärkere Zweig, also des eigentlichen Axeneylinders ver- läuft in der subpyramidalen Schicht auf weite Strecke verfolg- bar, mit dem Alveus beinahe parallel. Aus letztereın, manchmal auch noch aus dem ursprünglichen, ungetheilten Axencylinder Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 617 entspringt unter schiefem Winkel oder beinahe rechtwinkelig ein gleich starker Nebenzweig, welcher direet hinauf in das Stratum radiatum gelangt, und im Str. lacunosum sich verzweigt. Während dieses Weges gibt er mehrere Fibrillen, welche theils in der subpyra- midalen Schicht, theils im Str. radiatum sich verbreiten, ab. — Die Pyramidenzellen des Hilus f. dentata bieten ganz die- selben Verhältnisse dar, als die übrigen Nervenzellen der Pyra- midenschieht. Als einzige, doch nicht wesentliche Abweichung möchte ich deren mehrfachen Spitzenfortsatz erwähnen, indem von der Spitze der Zelle sofort mehrere, zwei, drei oder auch mehrere protoplasmatische Aeste gegen das Str. granulosum der Fase. dentata abgehen, dringen jedoch in letztere nur selten ein und verzweigen sich hauptsächlich in jener fibrillenreichen Schicht, welche wir bei der Beschreibung des Gyr. dentatus unterhalb des Strat. granulosum antreffen werden. Die basalen protoplas- matischen Fortsätze verbreiten sich zwischen den zahlreichen Nervenfasern des Hilus. Letzterer wird von den Axeneylindern der daselbst befindlichen Pyramidenzellen gebildet, aus welchen dieselben basal, oft auch lateral entspringend, in Form eines Bogens, dessen CUonvexität gegen den freien Rindenrand der F. dentata gewendet ist, sich den Hilusfasern anschliessen, mit welchen sie zum Alveus resp. Fimbria gelangen. Unterhalb der Pyramidenschieht befindet sich zwischen die- sem und dem Alveus ein Netz, ein Fasergewirr, welches haupt- sächlich von jenen Axeneylindern gebildet wird, welche ich bis- her erwähnte. Namentlich wird es constituirt von den func- tionellen Fortsätzen und deren so reichen Seitenästchen der Py- ramidenzellen, von den mit dem Alveus beimahe parallel ver- laufenden Seitenzweigen des Pyramidenaxencylinders, von den, nach dem I. Typus Golgi’s sich reichlich verästelnden Axen- eylinder einzelner subpyramidalen Nervenzellen, von den func- tionellen Fortsätzen und deren Seitenramificationen der poly- morphen und fusiformen Zellen des Strat. oriens. 4) Stratum radiatum. Diese Schicht wird bekannt- lich von den protoplasmatischen Spitzenfortsätzen der Pyramiden- zellen gebildet. Dieselben erscheinen an den oberflächlicheren kleinen Pyramiden einfach, d.h. der Zellleib übergeht in einen ziemlich dieken Fortsatz, welcher aber unweit von seinem Ur- sprunge sich gabelig in zwei oder mehrere Aeste theilt. Die 618 KarlSchaffer: tiefer liegenden Riesenpyramiden senden aus ihrem oberen Pol zumeist und unmittelbar zwei Fortsätze, welche sich dann sue- cessive theilen. Diese Verhältnisse gelten jedoch nicht als Regel, da ich auch Riesenpyramiden mit einzigem Spitzenfortsatz antraf. Noch im Strat. radiatum theilen sich die Spitzenfortsätze so häufig spitzwinkelig, dass jede einzelne Pyramidenzelle mit ihren Spitzen- fortsätzen einem Besen überraschend ähnlich ist, dessen Heft die Zelle selbst und der aus dieser entspringende protoplasmatische Fortsatz ist. Der äusseren Form nach sind die basalen und Spitzenfortsätze ziemlich verschieden: denn während letztere — wie ich soeben erwähnte — besenähnliche Verzweigungen auf- weisen, sind die basalen protoplasmatischen Fortsätze mit ihren von einander bogenförmig divergirenden Aesten mehr mit den Wurzeln eines Baumes zu vergleichen; man könnte mit Recht die Spitzenfortsätze als besenähnliche, die basalen Zweige als baumwurzelartige Fortsätze bezeichnen. Die Aechnlichkeit ist zumindest so auffallend, dass diese Benennung als gerechtfertigt erscheint. — Bereits die seeundären Zweige der Spitzenfortsätze sind mit dornenähnlichen Anhängseln reichlich besetzt, umsomehr aber die feineren Ramificationen, welche in die moleeuläre Schicht fallen. Zu letzterer Formation angelangt, biegen die feinen protopl. Fortsätze um, und verlaufen theils schief, theils mit den Fasern des Kernblattes parallel, wobei sie contimuirlich dünner werden und mit den rosenkranzähnlichen Anschwellungen reichlich besetzt sind; schliesslich scheinen sie mit einem knopfähnlichen Anhängsel zu enden, indem sie in die unmittelbare Nachbarschaft jener protoplasmatischen Fortsätze der Fase. dentata gelangen, welche den Zellen des Str. granulosum angehören. Besonders hervor- heben möchte ich jene Beobachtung, dass die Dendriten der Py- ramidenzellen in die moleeuläre Schicht der Fascia dentata viel- fach hineindringen. Eime specielle Erwähnung verdient eine Lage von marklosen Axeneylindern, welche im Strat. radiatum an der Basis der Spitzenfortsätze mit dem Alveus parallel ver- laufen. Später, bei der Beschreibung der F. dentata, werde ich ausführlicher erwähnen, dass diese Nervenfasern aus dem Str. sranulosum des Gyrus dentatus entspringen, und in Gesammtheit das Strat. ueidum Honegger bilden. Diese Fasern biegen jedoch, sobald sie aus dem Hilus fase. dentata in das Ammons- horn gelangten, bald in die Längsrichtung um, resp. sie gesellen Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 619 sich zu jenem Fasergewirr, welches oberhalb der Pyramidenzellen, im Strat. radiatum sich ausbreitet. Dasselbe wird gebildet von ‚den Collateralen der Axeneylinder der Pyramiden, welche auch in der suprapyramidalen Schieht mit ihren Ausläufern vielfach sich verzweigen, ferner von den ascendirenden Axencylindern der subpyramidalen polymorphen Nervenzellen, wie auch deren Seiten- zweige, ferner von jenen aufsteigenden Axencylinder-Collateralen der Riesenpyramiden gebildet, welche im Stratum lacunosum sich verzweigen. 5) Strat. lacunosum s. medullare medium besteht aus fast ausschliesslich parallel mit den Alveusfasern verlaufenden Axeneylindern, welche nur theilweise aus dem Kernblatte sich ab- spalteten. Zu ihnen gesellen sich noch Fasern, welche aus den aufsteigenden Axeneylindern der subpyramidalen Nervenzellen in diese Schicht abzweigen (s. Fig. 3 u. 4), sowie jene ascendirende Collateralen, welche aus den Axeneylindern der Riesenpyramiden entspringen. Das Strat. lacunosum wird von den besenförmigen Protoplasmafasern der Pyramiden durchsetzt. Im Str. lacunosum sieht man höchst selten rundlich-polygonale Nervenzellen, deren protoplasmatische Fortsätze theils aufwärts gegen das Kernblatt ziehen, theils verlaufen sie abwärts parallel mit den Spitzenfort- sätzen der Pyramiden. Wie wichtig und überwiegend jener Antheil des Strat. la- eunosum ist, welcher durch die ascendirenden Collateralen der Pyramiden, sowie durch die Nebenzweige der subpyramidalen polymorphen Nervenzellen gebildet wird, erhellt klar aus den Weigert’schen Präparaten. Man sieht nämlich an der Rinden- einrollungsstelle (welche im Schema Fig. 15 mit © bezeichnet ist) zahlreiche, in selbständige Bündel angeordnete markhaltige Ner- venfasern aus der subpyramidalen Schicht zwischen den einzelnen Pyramiden aufwärts in radiärer Anordnung gegen den Knoten- punkt C verlaufen, um in die lacunöse Schicht umzubiegen. All’ diese ascendirenden Fasern sind im genannten Schema mit „al“ bezeichnet. 6) Stratum moleeulare. Besteht aus kleineren und spärlichen, der Form nach polygonalen (in der Richtung des Strat. radiatum) oder fusiformen Nervenzellen, deren protoplasmati- sche Fortsätze hauptsächlich in zwei Richtungen abgehen (s. Fig. 11). Dem basalen Theile des Körpers entstammen Fortsätze, welche 620 Karl Schaffer: abwärts in das Strat. radiat. verlaufen; von ihnen entspringen Seitenäste spitzwinkelig, gleichfalls zwischen den Spitzenfortsätzen der Pyramidenzellen sich verbreitend. — Von dem übrigen Theile des Zellkörpers, welcher gegen das Kernblatt sieht, gehen schiefe Zweige ab, welche daselbst verlaufen. Der zumeist kurze Axen- eylinder strebt hinauf zur Lam. imvoluta, um sich hier zu ver- zweigen; die Seitenäste verlaufen mit den übrigen Nervenfasern des Kernblattes parallel. 1)Lamina medullaris involuta (Kernblatt). Diese Schieht wird vor Allem durch jene Tangentialfasern gebildet, welche aus dem Subieulum herstammen. Ferner nehmen an ihrer Bil- dung vornehmlich die Endausläufer jener ascendirenden Axeney- linder Theil, welche aus der subpyramidalen Nervenschicht (poly- morphe Zellen) entspringen. Diese Axeneylinder geben, wie ad5) bemerkt wurde, Seitenzweige für das Str. lacunosum, und sie enden, indem sie sich diehotomisch theilen, im Kernblatt. Somit entsprechen diese Nervenzellen jenen von Ramon y Cajal, welche er „cellules a eylindre-axe ascendant“ bezeichnet. Da- durch, dass diese Endzweige noch seeundäre und tertiäre Zweigchen aufweisen, entsteht ein ziemlich diehter Filz aus feinsten Filamenten gebildet. — Als sehr wichtig erachte ich den Umstand, dass aus dem Str. moleeulare einestheils feinste Ramificationen, anderseits auch stärkere Aeste, welch’ letzterer Provenienz meine bisherigen Imprägnationen nicht entschieden, in die oberflächliche weisse Schicht jenes Theiles der Fase. dentata gelangen, welcher mit dem Ammonshorne zusammengewachsen ist. Somit wird ein Theil jener peripheren weissen Schicht der F. dentata, welcher den Tangen- tialfasern analog sein soll, einestheils auch von Fasern der Lam. medullaris involuta gebildet. Kurz gefasst besteht somit die Mo- leeularschicht aus folgenden Elementen: Dendriten der Pyramiden, ascendirende Axeneylinder und deren Nebenzweige der subpyra- midalen Nervenzellen, Axeneylinder und protoplasmatische Fort- sätze der Nervenzellen in der moleculären Schicht, schliesslich aus Tangentialfasern aus dem Subiculum. II. Fascia dentata. Dieselbe wird durch folgende Schichten aufgebaut: 1) Hilus et Nucleus fasciae dentata. 2) Stratum granulosum. Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 621 3) Strat. moleeulare. 4) Strat. marginale. Die von mir gefundenen Verhältnisse finden ihren Ausdruck in folgenden Angaben. 1) Hilus et Nucleus fasciae dentata. Dieser wird emestheils von jenen Nervenfasern gebildet, welche vom Alveus her einstrahlen, und für welche wir nach- wiesen, dass sie zum grössten Theil aus Axeneylindern der im Hilus befimdlichen Pyramidenzellen bestehen; anderntheils wird er aus zelligen Elementen eonstituirt, welehe ihrer Form nach in drei Gruppen sich theilen lassen. Wir finden a) echte Pyra- nidenzellen, welche als Ausläufer des Str. cellul. pyram. zu betrachten sind. Die compacte, aus dicht nebeneinander gelager- ten Gebilden bestehende Schicht der Pyramidenzellen lockert sich bei der Oeffnung des Halbringes des Str. granulosum; die einzelnen Nervenzellen liegen im Hilus in grösserer Entfernung von ein- ander, im Ganzen aber bilden sie beim Schwein ein ovales resp. drei- eckiges Feld, welches eben dem Kerne der Faseia entspricht. Bereits bei der Beschreibung des Ammonshorns hob ich hervor, dass die wesentlichen Merkmale dieser Zellen mit den eigent- lichen Pyramidenzellen übereinstimmen. Wie bekannt, - geht ihr basal oder lateral vom Zellkörper entspringender Axeneylinder in den Alveus über. — Wir finden ferner b) polymorpheNerven- zellen, welche insgesammt in jenem Raume liegen, welcher zwischen dem soeben erwähnten dreieckigen Feld der Pyramidenzellen und dem Str. granulosum übrig bleibt, d. h. in der Zona retieularis. Der Form nach — schon der Name deutet darauf hin — sind es vieleckige, sehr zahlreiche protoplasmatische Fortsätze auf- weisende Nervenzellen. Ihr Axeneylinder zieht abwärts zu jenen Fasern, welche zum Alveus gelangen. Sie bilden somit einen ferneren Ursprung des Alveus. Seitenramificationen weisen diese Axeneylinder gleichfalls auf. Die knorrigen, dornenbesetzten pro- toplasmatischen Fortsätze verzweigen sich «) im Hilus, /) parallel mit dem Rande des Strat. granulosum, d. h. sie verlaufen unter- halb dessen Zellen in der Zona retieularis, und y) dureh direct in die graue Substanz der Fasc. dentata zur Rindenoberfläche strebende Aeste zwischen den Zellen des Strat. granulosum (s. Fig. 13 p). — Letztere protoplasmatischen Fortsätze durchsetzten das Str. granulosum zwischen dessen Zellen, und streben in geradem Ver- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39 41 622 { Karl Schaftfer:- lauf zum Strat. marginale der Fasec. dentata. Sie geben daselbst beinahe gar keine Seitenzweige ab. — Schliesslich finden wir unmittelbar ‚unter dem Strat. granulosum c) emestheils lang- gestreckte exquisit spindelförmige Zellen (s. Fig. 13 fl), deren Riehtung manchmal parallel dem Rande des Strat. granu- losum ist; ihre protoplasmatischen Fortsätze verlaufen im Hilus selbst, auch deren Axencylinder; wohin letzterer gelangt konnte ich nicht sicher entscheiden, denn die Imprägnation dieser spindelförmigen Zellen gelingt immer nur schwierig. Bemerken muss ich ferner, dass ich diese Gebilde in dieser Form nur beim Kaninchen vor- fand, während bemn Schwein ich dieselben vermisse. Andern- theils fand ich gleichfalls nur beim Kaninchen unmittelbar dicht unter den Zellen des Strat. granulosum dreieckige, etwa den kleinen Pyramiden ähnliche sehr spärliche Nervenzellen, deren protoplasmatische Spitzenfortsätze in der Rinde der Fase. den- data verlaufen, während die Axeneylinder abwärts in den Hilus gelangen. Ich bemerke ausdrücklich, dass Sala ausser den oben erwähnten spindelförmigen , ferner den Pyramidenzellen keime übrigen Nervenzellen im Nucleus fasciae dentatae beschreibt. 2) Stratum granulosum. Besteht aus birnförmigen kleinen Nervenzellen beim Kaninchen, während dieselben Zellen beim Schweine bedeutend grösser und mehr keilförmig erscheinen. An gut gelungenen Imprägnationen sind die Zellen dieht neben- einander gelagert, und alle senden ihre Fortsätze nur in zwei Richtungen, nämlich a) zur Oberfläche und b) gegen den Hilus. (Br Pie. larer). a) Die zur. Rindenoberfläche zelangenden Fortsätze sind insgesammt protoplasmatischer Natur; sie ent- springen zu zwei bis vier, divergiren bogenförmig zumeist be- deutend von emander, theilen sich gabelig sehr bald nach ihrem Ursprunge und gelangen zur Oberfläche, zum Strat. marginale, woselbst sie mit knopfähnlichen Anhängseln enden. Ein Anheften der protoplasmatischen Fortsätze an die oberflächlichen Gliazellen, oder gar an Gefässe, wie dies Sala behauptet, konnte ich nir- gsends finden. Sämmtliche Fortsätze sind mit Dornen und Kör- nern kurz nach ihrem Ursprunge aus dem Zellleib reichlich besetzt, und bieten ihren Ramifieations- und Verlaufsverhältnissen semäss äusserlich das Bild eines Hirschgeweihes. b) Gegen den Hilus verlaufen zweierlei Fortsätze. Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 623 Vor allem entspringen aus dem Zellkörper basale protoplasma- tische Fortsätze, welche morphologisch sich ebenso repräsentiren als die oberflächlicher entstehenden, nur sind sie kürzeren Ver- laufs und verbreiten sich in jenem Retieulum von Nervenfibrillen, welches direkt unter den Nervenzellen des Str. gran. sich be- findet. Ich muss hier bemerken, dass Sala derartige basale protoplasmatische Fortsätze weder erwähnt, noch abbildet. — Ferner entsteht basal von jeder Zelle je ein Axeneylinder, indem sich der Zellkörper beim Kaninchen etwas, beim Schwein bedeutend zu- spitzt. Ueber die feineren Verhältnisse dieses Axeneylinders konnte ich Folgendes eruiren. Der funetionelle Fortsatz ist voll- kommen glatt, kaffeebraun, glänzend; erist beim Kaninchen sehr dünn, beim Schweine entschieden dieker; er durchschreitet die Schieht der polymorphen Nervenzellen, um in das s. g. Strat. lucidum Honeggers zu gelangen. Letzteres ist eine dünne Schicht von marklosen Nervenfasern, welche an der Spitze der Pyramidenzellen des Ammonshorns verlaufen. Die näheren Faser- verlaufsverhältnisse sind bei folgenden Betrachtungen verständlich. Das Str. granulosum der Fase. dentata bildet einen nicht ge- schlossenen Ring, an dessen Oeffnung, wie bekannt, die Pyrami- denzellen in den Kern der Fase. dentata hineinströmen. Sie ver- breiten sich daselbst, indem sie beim Schwein ein dreieckiges Feld des Kerns in Anspruch nehmen, und lassen einen Streifen grauer Substanz innerhalb des Str. granulosum für die polymor- phen Zellen frei. Dieser Streifen ist an der Kuppe der Fase. dentata, woselbst auch die grösste Kümmung, der Gipfel des Halbringes des Strat. granulosum ist, am breitesten. Hieher strömen die Axeneylinder jener Nervenzellen des Str. granulosum, deren Spitzenfortsätze zur freien Rindenoberfläche der Fase. dentata gerichtet sind, um sich den Axeneylindern jener übri- gen Nervenzellen des Str. granulosum anzuschliessen, welche in der, mit dem Ammonshorne zusammengewachsenen Rindensub- stanz der Fase. dent. — Lam. profunda fasciae dentatae — sich verzweigen. Mit letzteren bilden die Axencylinder eine doppelte Schicht von marklosen Nervenfäsern; die eine Schieht zieht an der Spitze der Hilus-Pyramiden, die andere an den basalen pro- topl. Fortsätzen letzterer Nervenzellen vorbei, um bei der Oeffnung des Strat. granulosum sich in eine einzige Lage von Nerven- fibrillen, zum Strat. luecidum Honeggers sich zu vereinen, 624 KarlSchaffer: welche dann, wie oben bemerkt, an den Spitzenfortsätzen der Pyramidenzellen vorbeiläuft. Dieses Strat. lueidum biegt jedoch nach kurzem Verlauf aus der Querebene in die Längsrichtung um. — Aus obigen Erörterungen folgt, dass die Axeneylinder jener äussersten Nervenzellen des Str. granulosum, welche gegen die freie Rindenoberfläche der Fase. dent. sich verbreiten, eine bo- genförmige Krümmung beschreiben, um sich den übrigen Axen- eylindern des Str. granulosum anzuschliessen. — All’ diese Ver- hältnisse erläutert jedoch am klarsten die halbschematisch gehal- tene Figur 15. Zu den einzelnen Axencylindern einer Nervenzelle des Str. sranulosum zurückgreifend, muss ich noch folgende wichtige Ver- hältnisse hervorheben. Der Axeneylinder entsendet bald nach seinem Ursprunge aus dem Zellleibe mehrere feinste, zumeist rechtwinkelig abgehende Seitenzweige, welche sich insgesammt unter dem Strat. granulosum in der Form einer begrenzten Pa- rallelschieht verbreiten. Es entsteht somit ein feines Netz, ein förmliches Fäserchengewirr unter der Körnerschicht, welches ausschliesslich von den Seitenramificationen der Axeneylinder gebildet wird. Es ist dies die Honeggersche Zona reti- eularis. Aus derselben steigen einzelne feine Zweigchen, das Str. granulosum durchsetzend, zur Rindenoberfläche der Fase. dentata, um hier an der Bildung der oberflächlichen Tangential- faserschicht theilzunehmen. Meine Beobachtungen über die Neuroglia des Ammonshorns will ich nur kurz erwähnen. Im Alveus sind zwei Arten von Gliazellen zu finden. Vor Allem fallen in der Nähe der Ansatzstelle der Fimbria, ferner an der Umbiegungsstelle des Subieculum in das Ammons- horn Gliazellen auf, welche gleich den Ependymzellen an der Ventrikeloberfläche des Alveus neben einander gereiht sind. Es sind dies mit feinen, sehr zahlreichen und welligen, zumeist kurzen Fortsätzen besetzte Zellen, aus deren Körper jedoch ein starker Fortsatz aufwärts gegen die Pyramiden strebt, welcher jedoch sehr bald, noch in der‘ Höhe der gestreckt-fusiformen Zellen des Strat. oriens in die Richtung der Alveusfasern um- biegt, um in hübsch geschwungenen Bögen aufwärts gegen den Hilus resp. gegen das Str. lacunosum zu gelangen. Der erwähnte einzige und starke Fortsatz dieser Gliazellen verläuft Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 625 daher eine gewisse Strecke mit den Alveusfasern, ist mit den- selben jedoch nicht zu verwechseln, da er mit feinsten, geringe Verzweigungen aufweisende Anhängseln reich besetzt ist, wäh- rend doch der Axeneylinder vollkommen glatt erscheint. Noch im Alveus sind Gliazellen zu finden, welche den soeben be- schriebenen ähnlich sind, d. h. der Zellkörper ist auch mit feinen wurzelähnlichen Forsätzen reichlich und in jeder Riehtung besetzt; es fällt jedoch ein Fortsatz durch seine Länge auf, welcher gestreckt im Alveus verläuft. Die zweite Art von Gliazellen besteht aus frei im Gewebe liegenden Gebilden, welche zahlreiche feine Fäden aus ihrem Körper in jede Richtung entsenden. Man findet sie überall zerstreut, und zwar nicht nur im Alveus, sondern auch in den übrigen Schichten des Ammonshorns. In der Fascia dentata fand ich gleichfalls zwei Zell- arten. Die eine besteht aus Gliazellen, welche, in der Moleeular- schicht liegend, sternförmig mehrere Fortsätze entsenden. Die zur Oberfläche gelangenden inseriren sich daselbst mit einer dreieckigen geringen Anschwellung. Ein Anheften von proto- plasmatischen Fortsätzen an Blutgefässe, wie dies Sala behauptet, sah ich nieht. Wie der Zellkörper, so sind auch die Fortsätze äusserst reichlich mit Körnchen besetzt. — Die zweite Zellart besteht aus zumeist kleinen kugeligen Gebilden, welche, im Hilus oder unter dem Strat. granulosum liegend, aus sich ziemlich starke Fortsätze entstehen lassen, welche theils im Hilus sich verzweigen, hauptsächlich aber aufwärts, die Körnerschicht pas- sirend, gegen die Oberfläche streben, und dieselbe auch erreichen. Manchmal unterhalb des Strat. granulosum, zumeist über dem- selben theilen sich die ursprünglich dieken Fortsätze dichotho- mich und spitzwinkelig, werden sodann sehr dünn, den Axen- eylindern täuschend ähnlich, umsomehr, da sie rosenkranzähnliche Anschwellungen in ihrem ganzen Verlaufe aufweisen. Ausser diesen stärkeren Fortsätzen längeren Verlaufs, haben die soeben erwähnten Gliazellen noch sehr feine, jedoch kurze wurzelähnliche Fortsätze, welche, aus dem Zellkörper entspringend, in allen Rich- tungen kurz verlaufen (S. Fig. 13 ge). 626 KarlSchaffer: Ueberblick. Meine Angaben zusammenfassend, unterscheide ich im Ammons- horne folgende Schichten: 1) Alveus, 2) Schieht der polymorphen Zellen: a) fusiforme, b) polygonale, 3) Schicht der grossen und 4) der kleinen Pyra- midenzellen, 5) zellenarme Schicht — kugelige, fusiforme Elemente. R. y Cajal unterscheidet bei Säugethieren ganz dieselben Scehiehten. Setze ich noch zu meinen Befunden hinzu, dass ich gleichfalls Nervenzellen mit aufsteigenden und solche mit sich in feinste Aestehen auflösende Axeneylinder fand, so steht uns nichts im Wege, eine vollkommene Analogie des Ammons- hornes mit der typischen Hirnrinde zu statuiren. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht nur in der räum- lichen Anordnung eben genannter Zellarten: im Ammonshorne sind nämlich beide Arten von Pyramiden hart an einander ge- rückt, resp. die Schicht der kleinen Pyramiden schemt in jene des grossen hinabgedrückt, wodurch ein ausgesprochenes Stratum radiatum zu Stande kommen konnte. Man gewinnt den Eindruck, als wäre das Ammonshorn eine typisch gebaute, doch gewisser- massen comprimirte Rinde. — Vergleiche ich meine Be- funde mit jenen von Cajal, so vermisse ich einzig die bei Säugethieren bisher nur von ihm beschriebenen Nervenzellen mit mehreren Axeneylindern, welche er im Strat. moleculare des Ka- ninchens antraf. Damit will ich aber nicht die Existenz solcher Elemente für das Ammonshorn absprechen, denn es ist doch möglich, dass bei weiteren Imprägnationen solche sich finden lassen. Die einzelnen Zelltypen des Ammonshorns stimmen jedoch auch in Einzelheiten mit Cajal’s Angaben über die Rindenele- mente überein. Die Spitzenfortsätze der kleinen wie der grossen Pyramiden bilden in der körnigen Schicht des Ammonshornes gleichfalls jene Endbüschel („panaches terminaux“) und durch deren gegenseitige Kreuzung entsteht jenes Astgewirr gleich den Bäumen eines dichten Waldes („a la facon de l’enchevetrement des arbres dans une fort tres &paisse“), wie dies für die typische Rinde festgestellt ist. — Auch hier weisen die Axeneylinder der Pyramiden, welche insgesammt in das Windungsmark — Alveus — gelangen, zahlreiche, zumeist rechtwinkelig entspringende Colla- teralen auf; auch hier gehen von den Axencylindern der grossen Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 627 Pyramiden aufsteigende Seitenäste ab, welche mit ihren feinsten Zweigehen in der Nähe der Molecularschieht sich verbreiten. Cajal sagt: „Les collaterales des cylindre-axes des grandes pyramides sont tres nombreuses ..... La direetion que suivent les collaterales est ordinairement horizontale ou oblique; elles conservent communement leur reetitude et se diehotomisent une on deux fois. Il n’est pas rare d’observer que les plus hautes prennent un cours ascendent, se ramifient et s’etendent par leurs ramilles jusque pres de la zone moleculaire; en certains cas ou remarque que deux ou trois collaterales procedent d’une petite tige courte d’origine.* — Die Endigung der Collateralen sah auch ich in Form eines Knöpfehens („bout libre, granuleux ou epaissi“). Die polymorphen Elemente des Strat. oriens weisen eben- falls auf- und absteigende protoplasmatische Fortsätze auf, wovon die aufsteigenden zum Strat. lacunosum streben, die moleeuläre Schicht jedoch nicht erreichen. Ausser absteigenden Axeneylindern, welehe dann im Alveus verlaufen, sah ich besonders häufig auf- steigende, welche nach Abgabe mehrerer Collateralen das Strat. lacunosum erreichten. Cajal erwähnt polymorphe Zellen, deren Axeneylinder „affeete une direction ascendante, il se comporte done comme celui des cellules sensitives de Golgi“; ich muss jedoch bemerken, dass diese Zellen keinen Typus zweiter Ord- nung erkennen liessen. Wie Cajal, fand auch ich zerstreut um die Pyramidenschicht herum die Golgi’schen sensitiven Zellen in geringer Anzahl hauptsächlich aber in der Schicht der poly- morphen Elemente. Ebenso wie in der Rinde sind jene Nerven- zellen, welche einen aufsteigenden Axeneylinder aufweisen, in der untersten Etage des Ammonshorns anzutreffen, d. h. zwischen den polymorphen Zellen. In Bezug einer Analogie mit der ty- pischen Hirnrinde sind lückenhaft zu nennen meine Angaben über die oberflächlichsten Nervenzellen des Ammonsherns, indem ich hier nur selten imprägnirte Gebilde zu sehen bekam, und auch diese nicht die mehrfachen Axeneylinder wie Cajals Zellen aufweisen. Die von mir gesehenen Nervenzellen haben einen kurzen, in der moleeulären Schicht sich verbreitenden, Bifureation erleidenden Axencylinder; die protoplasmatischen Fortsätze breiten sich nicht längs der Oberfläche, sondern vielmehr im Sinne des Strat. radiatum, d. h. radiär aus. 628 KarlSchaffer: Alle diese der typischen Rinde entsprechenden Elemente sind jedoch nur im Ammonshorne aufzufinden, im Hilus fase. (lentatae, wo diese Formation abklingt, sind nur mehr die Pyra- miden, und auch diese in etwas abweichender Form aufzufinden. Nachdem die Analogie zwischen der typischen Hirnrinde und Ammopshorn gefunden ist, lässt sich letzteres folgenderweise auf das bekannte Rindenschema redueiren: I. Hıirnrinde=Ammonshornrinde. 1. Zellenarme oder moleeuläre Schicht; dieselbe fasst in sich die Tangentialfasern d. h. die Lamina medullaris involuta, die kugeligen und fusiformen Nervenzellen, und schliess- lieh aueh die terminalen Ausbreitungen der Pyramidendendriten. 2. Schicht der kleinen Pyramiden, über welchen das, mit dem äusseren Baillargerschen oder Gennari'schen Streifen analoge Stratum laeunosum liegt, und 3. Schicht der,grossen Pyramiden. Dadurch, dass im Ammonshorne die kleinen Pyramiden auf die grossen hinabgedrückt erscheinen, entsteht eine zellenarme Zwischen- schicht, das Str. radiatum. 4. Körnerformation oder Schicht der kleinen unregel- mässigen Nervenzellen; derselben entsprechen die polymorphen subpyramidalen Zellen. 5. Schieht der Spindelzellen oder Vormauerfor- mation; dieser entsprechen jene gestreckt spindelförmigen Zellen, welche direct über dem Alveus liegen (Strat. oriens). HI. Windungsmark=Alveus. Aus obiger Analogie ist aber auch verständlich, wenn wir mit der, die Auffassung verwirrenden und das Gedächtniss be- lästigenden obsoleten Nomenklatur der Ammonshornformation breehen, und statt jener obige, für die typische Rinde giltige Schichteneintheilung acceptiren. Die Nissl’schen Bilder bieten, was nur die Zellkörper oben angeführter Nervenelemente anbelangt, ganz dieselben Verhältnisse. Auch an diesen Präparaten erblicken wir die platt-fusiformen Zellen des Strat. oriens, die darauf folgenden polymorphen Nerven- elemente; ferner die Schicht der Riesenpyramiden, sowie die der kleinen Pyramiden; endlich die oberflächlichst liegenden oval-kugeligen Nervenzellen der körnigen Schicht (Fig. 12). Alle Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 629 diese Gebilde weisen im Zellleibe chromatische Substanz auf, doch ist diese so beim Kaninehen wie neugeborenen Schwein verschieden von jenen chromatischen Fäden, welche wir im Rückenmark dieser Thiere antreffen. Während hier im Proto- plasma der motorischen Vorderhornzellen homogene, mit Magenta- roth oder Methylenblau intensiv sich färbenden Stäbchen, welche auch in den protoplasmatischen Fortsätzen — nur in denselben und nie im Axeneylinder — als chromatische Fäden aufzu- finden sind, erblieken wir im Zellleibe der Rindenzellen die Chromatinsubstanz in der Form von zahlreichen, eng aneinander sereihter Körnchen,, welehe in toto ein Stäbchen ausmachen. Zum Studium diesbezüglicher Verhältnisse sind insbesondere die Riesenpyramiden geeignet. In den basalen wie Spitzenfortsätzen erscheint das Chromatin nur mehr als feinste Körnchen, wie dies besonders die Pyramidenzellen’ zeigen. — Es sei hier nur neben- sächlich jene meine Beobachtung erwähnt, dass im Axeneylinder keine ehromatische Körnehen vorkommen, da dieser als ein gleich- mässig homogeneres, blass gefärbtes Bändchen erscheint. Ich er- wähne diesen Umstand nur desshalb, weil es mir bei der Lösung der Frage über die Bedeutung des Axeneylinders gegen die Rolle der protoplasmatischen Fortsätze als wichtig erscheint. Wir sehen nun, dass der Axeneylinder nicht nur mit der Golgi- schen Methode morphologisch von den protoplasmatischen Fort- sätzen als different sich erweist — sein auf sehr lange Strecken gleichmässiger. Durchmesser, seine dünnen, ebenen Contouren im Gegensatze zu der bereits auf kurzen Distanzen erfolgenden Kaliberschwankung der protoplasmatischen Fortsätze, welche ausserdem mit den dornenähnlichen Anhängseln reich besetzt, somit uneben sind: auch mit dem Nissl’schen Verfahren unter- scheidet sich der Axeneylinder auffallend von den übrigen Fort- sätzen. Während sämmtliche protopl. Fortsätze in ihrem ganzen verfolgbaren Verlaufe chromatische Fäden aufweisen, entbehrt letztere den als ganz homogen erscheinenden Axeneylinder voll- kommen. Diese Verhältnisse sind besonders instructiv an den grossen Vorderhornzellen des Kaninchens zu demonstriren, wie auch überhaupt diese Nervenzellen des genannten Thieres die entwickeltetsten Chromatinfäden zeigen. Mit der Nissl!’schen Methode zeigt die Fase. dentata ausser den dieht gelagerten kugeligen resp. keilförmigen Nervenzellen 630 KarlScehaffer: des Strat. granulosum, welche in 2—3 eng übereinander liegen- den Reihen liegen, noch zwei Zellschiehten. Die oberflächliche Lage wird von äusserst spärlich erscheinenden, zumeist spindel- förmigen Zellen gebildet, welche zumeist in der oberflächlichen weissen Markschicht der Fase. dentata vorkommen. Die tiefe Schieht wird von jenen polygonalen Nervenzellen gebildet, welche wir unterhalb der Körnchenschicht antreffen. L. Sala lässt das Ammonshorn, seinem Lehrer Golgi fol- gend, aus 4 Schichten bestehen: 1) Innere Schicht oder Alveus, 2) Graue Windungsschicht oder Schieht der grossen Ganglien- zellen, welche in sich begreift: a) Strat. moleculare, b) Str. cellu- losum, 6) Str. radiatum, d) Str. lacunosum, 3) Lam. medullaris involuta s. nuclearis, 4) Schicht der kleinen Ganglienzellen (Fase. dentata). Seine Schilderung lässt sich mit jener von Cajal über die typische Rinde nicht so leicht in Einklang bringen. Vor allem beschreibt er ausführlicher nur eine Art von Zelle des Ammonshorns, die Pyramiden, und obschon die Nervenzellen des Stratum oriens erwähnt werden, so vermisse ich doch die An- gabe deren genauerer Verhältnisse. Sala beschreibt Nerven- zellen mit ascendirendem Axeneylinder gar nicht. Ebenso suchte ich vergebens nach emer ausdrücklichen Angabe von Zellen der moleculären Schicht. Den Alveus lässt auch er aus den Axeneylindern der Pyramiden entstehen; ebenso sollen fast alle Fasern des Kernblattes aus den Riesenpyramiden ihren Ur- sprung nehmen. Nach meinen Angaben verbreiten sich die End- ausläufer der Pyramidenspitzenfortsätze in der Lam. involuta; doch wird letztere ferner noch durch die aufsteigenden Axency- linder der subpyramidalen Nervenzellen, ferner durch die func- tionellen Fortsätze der Zellen in der moleeulären Schicht gebildet. Dass die Protoplasmafortsätze der Nervenzellen des Strat. granu- losum bis zur Peripherie der Fascia dentata reichen, erwähne auch ich, doch konnte ich eine Verbindung derselben mit den Gliazellen nieht eonstatiren. Darüber sind wir einig, dass das Str. Iuecidum aus den Axeneylinder der kugeligen Zellen des Str. granulosum gebildet wird; doch während Sala angibt, dass die Fasern des Str. lucidum (diesen Namen gibt er nicht an) zum Alveus und zur Fimbria gehen, fand ich, dass dieselben an den Spitzenfortsätzen der Pyramiden in’s Ammonshorn ziehen, Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. 631 um sich schliesslich jenem Nervennetze anzuschliessen, welches ober- und unterhalb der Pyramiden sich befindet. — Seinem Ausspruche, dass zwischen Faseia dentata und Ammonshorn ein Uebergang von Nervenfasern stattfindet, schliesse ich mich voll- kommen an, da ich einen solchen bei der Besprechung der Lam. med. involuta erwähne. — Ausser den spindelförmigen Nerven- zellen des Nucleus faseiae dentatae erwähnt Sala keine anderen Gebilde, während ich noch polygonale, mit ihren Protoplasma- fortsätzen in die Fasciarinde dringende Nervenzellen beschreibe. Es liegt wohl einzig nur in der Imprägnation, dass ich unter dem oberflächlichen weissen Bündel der Fascia dentata nicht jene spärlichen — mit der Nissl’schen Methode zwar sichtbar gemachte Nervenzellen sah, über welche Sala angibt, dass der funetionelle Fortsatz zur oberflächlichen Schicht zieht. Erklärung der Figuren auf Tafel XXVIIH. Fig. 1. Spindelzellen des Stratum oriens. (Kaninchen.) Fig. 2. Kugelige Zelle des Stratum oriens, mit schräg-ascendirendem Verlauf und zahlreichen Collateralen. (Schwein.) Fig. 3—5. Subpyramidale Nervenzellen mit ascendirenden Axeneylin- dern. (Schwein.) Fig. 6. Subpyramidale Nervenzelle mit einem Axencylinder nach Golgis. IH. Typus. (Schwein.) Fig. 7 u. 8. Pyramidenzellen. (Kaninchen.) g. 9. Riesenpyramide, deren Axencylinder-Nebenzweig im Str. lacu- nosum sich verzweigt. (Schwein.) Fig. 10. Polymorphe Nervenzellen und Pyramiden (mit ihren proto- plasmatischen Spitzenfortsätzen). (Kaninchen.) Fig. 11. Nervenzelle des Stratum moleceulare im Ammonshorn. (Ka- ninchen.) Fig. 12. Nervenzellen des. Ammonshornes (Schwein) nach Nissl. p— kleine Pyramide, P — Riesenpyramide, sp — subpyramidale Nervenzelle. Fig. 13. Rinde der Fascia dentata. gr — Nervenzellen des Stratum granulosum, Zr — Zona reticularis, p — polymorphe Nerven- zelle, £ — fusiforme Nervenzelle, gl — Gliazelle. Fig. 14. Nervenzelle des Stratum granulosum, dessen Axencylinder seine zahlreichen Collateralen für die Zona retieularis ent- sendet. (a — Axencylinder, aa — ascendirende Collateralen, ;% — Nebenzweige. 632 Karl Schaffer: Beitrag zur Histologie der Ammonshornformation. Fig. 15. Schema des Ammonshornes. C— Stelle der Rinden- einrollung, 1 — fusiforme, 2 — polymorphe, 3 — Golgi’sche Nervenzelle, 4 — Riesenpyramide, 5 — kleine Pyramide, 6 — Ner- venzelle der moleceulären Schicht, al — ascendirende Collate- ralen der Pyramiden, welche (theils auch jene der polymorphen Zellen) insgesammt in das Strat. lacunosum übergehen, 7 — polygonale Nervenzelle der Fascia dentata, 8 — daselbst fusi- forme Zelle. Sämmtliche Figuren sind mit Zeiss’ Zeichenapparat bei einer Vergrösserung von 650 gezeichnet, mit Ausnahme der Figg.6 und 12, welche mit Reichert’s Oelimmersion !/, Ocul. III angefertigt wurden. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. Von Dr. A. v. Brunn, Protessor in Rostock. Hierzy Tafel XXIX u. XXX Fig. 10 u. 11. Während der letzten Jahre ist es mir viermal möglich ge- wesen, die Nasenhöhlen von Enthaupteten unmittelbar nach dem Tode auszusägen und ihre Schleimhaut zum Zwecke mikrosko- pischer Untersuchungen zu conserviren. Meine Aufmerksamkeit habe ich während der Untersuchung namentlich der Beantwortung folgender drei Fragen zugewendet: 1) Existirt typisches Riechepi- thel beim Menschen, und wie gross ist seine Ausdehnung? 2) Wie ist das Riechepithel gebaut, und wie endigen in ihm die Olfac- toriusfasern? 3) Wie unterscheidet sich der Bau der eigentlichen Regio olfactoria von dem der Regio respiratoria; existiren Bo w- man’sche Drüsen, und wie sind sie beschaffen ? A. v. Brunn: Beiträge zur mikroskopischen Anatomie. 633 1. Die Ausdehnung des typischen Riechepithels. Betreffs der Ausdehnung der Regio olfactoria weichen die Angaben der Autoren in bemerkenswerther Weise von einander ab. Entgegen den älteren Angaben und Abbildungen von Searpa, Söommerine, Arwolds.Bocky’Hyrtl us. ıw. giebt M. Scehultze (1) an, er habe sich davon überzeugt, dass schon der untere Rand der oberen Muschel schwerlich von einem Riech- nervenaste je erreicht werde, und dass auch an der Nasen- scheidewand die Olfaetoriuszweige bei weitem nicht soweit herab reichen, als von jenen Schriftstellern angegeben worden sei. Diese Angabe hat indessen auffallender Weise nur geringe Be- achtung gefunden. So wird von Schwalbe (7), Hartmann (8), Merkel (9), Frey (6), Kölliker (5) die Schleimhaut der oberen und des grösseren oberen Theiles der medialen Fläche der mitt- leren Muschel als Rieehschleimhaut bezeichnet und angegeben, dass sich ebensoweit oder noch weiter die Verbreitung der Rieehnerven- äste am Septum narium herab erstrecke. Kölliker giebt die Entfernung des unteren Randes des Sinnesepithels von der La- mina eribrosa auf 2,0—2,Scem an. Toldt (10) allein schliesst sich der M. Sehultze’schen Ansicht rückhaltlos an. Mir kam es bei der Untersuchung der beiden ersten Hinge- richteten A und B (45 bez. 35 Jahre alte kräftige Männer) zu- nächst nieht darauf an, die Ausdehnung der Riechschleimhaut festzustellen, sondern nur zu eruiren, ob überhaupt Riechepithel von der von den Säugethieren bekannten Zusammensetzung vor- handen sei. Zu einem Zweifel daran berechtigten die von mehre- ren Autoren noch nach Publikation der M. Schultze’schen Arbeiten gemachten gegentheiligen Erfahrungen. Welcker (3), ebenso Lusehka (4) sahen in der Nasenhöhle Hingerichteter nur Flim- merepithel, während erneute Untersuchungen M. Schultze's (2) die früheren Resultate bestätigten. Auch Henle (22) und Ehlers vermissten eilienloses Epithel in den Leichen zweier Enthaupteter, und ganz denselben Erfolg hatte die Untersuchung eines Hinge- richteten durch Waldeyer (11). Die Untersuchung memes ersten Falles A ergab genau das- selbe negative Resultat. Hier zeigte, obwohl im Uebrigen der Körper ausserordentlich kräftig und gesund war, die gesammte Nasenhöhlenschleimhaut starke Röthung und Schwellung und an 634 A.v. Brunn: den unteren Muscheln zahlreiche polypöse Wucherungen; es war auch keine Spur einer Gelbfärbung im oberen Theile der Höhle zu bemerken. Jedenfalls lagen also hier pathologische Verhält- nisse vor, um derentwillen dieser Fall nieht als m irgend einer Hinsicht beweisend angesehen werden kann. Das Epithel war ausser am Vestibulum überall typisches Flimmerepithel mit ein- gestreuten Becherzellen. — Dagegen ergab einen vollen positiven Erfolg der Fall B. Ich hatte die sich durch blassgelbe Fär- bung auszeichnende Schleimhaut der oberen Muschel und der gegenüberliegenden Strecke des Septum in mehreren Stücken frisch abgetrennt und diese theils in Pacini’sche Lösung, theils in 1°/, Osmiumsäure eingelegt. Hier fand sich Riechepithel in schönster Ausbildung und in einer Ausdehnung, welche ich zwar der angewendeten Methode wegen nicht genau bestimmen, aber doch auf ungefähr 1 [Jem an der Scheidewand schätzen konnte. In den beiden letzten Fällen nun, C — 40 Jahre alter — und D — 30 Jahre alter Mann — bin ich streng methodisch zu Werke gegangen. Nachdem das Gehirn herausgenommen und der Schädel links neben der Medianlinie sagittal gespalten worden war, nachdem ferner aus der angeschnittenen Iinken Nasenhöhle Schleimhautstücke zum Zweck anderweitiger Untersuchungen in verschiedene Flüssigkeiten eingelegt worden waren, wurde die rechte Nasenhöhle durch einen in der Ebene der Lamina papyra- cea geführten Sagittalschnitt, einen hinter den Choanen geführten Frontalschnitt und einen über dem Gaumen angebrachten Hori- zontalschnitt herausgelöst. Das Präparat kam zuerst in Müller- sche Flüssigkeit, blieb in derselben vier Wochen lang; — nach dem Auswässern wurde es in Pikrolithionkarmin gefärbt und dann in 70° Aleohol, dem 1°/, Salzsäure zugefügt war, ausgewaschen. Bei tägliehem Wechseln der Flüssigkeit dauerte es etwa 10 Tage, bis diese letztere farblos blieb. Nun folgte Ueberführung in stärkeren und schliesslich absoluten Aleohol und in diesem ge- schah die Ablösung der Schleimhaut von der inzwischen grössten- theils entkalkten Knochenwandung. Diese war am Septum sehr leicht ausführbar, gelang aber auch an der lateralen Wand voll- kommen; selbstverständlich mussten die Uebergangsstellen der Schleimhaut in die Siebbeinzellen und die grösseren Nebenhöhlen abgeschnitten werden; — die Schleimhaut dieser Räume enthält ja nirgends Olfactoriusfasern. Die auf solehe Weise in toto 1s0- Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 635 lirte Sehleimhaut der Haupthöhle wurde nun in Celloidin ein- gebettet und in eine Schnittreihe von 0,05 mm Dicke zerlegt, eine Sehnittstärke, welche die Erkennung der Unterschiede zwischen Riech- und Respirationsschleimhaut mit aller wünschenswerthen Klarheit gestattet. Nur aus derjenigen Gegend, in welcher das Riechepithel seine grösste Ausdehnung hat, wurde eine Scheibe von 0,5 mm Dieke herausgeschnitten, die dann in Paraflin eingebettet und zu Schnitten von 0,005—0,01 mm verwendet wurde zwecks genauerer Untersuchung, besonders der Bowman’schen Drüsen. Die beiden Gesammtresultate der Untersuchung dieser Schnitt- reihen wurden sodann zu je einem Bilde vereinigt durch ein der Plattenmodellirmethode entsprechendes Verfahren. Zunächst wurde an Jedem Schnitte von der Innenfläche der Firste des Nasenhöhlen- daches aus gemessen, wie weit sich Riech- und Flimmerepithel erstreekten, und das Ergebniss aufgeschrieben. Nachdem das an allen Schnitten ausgeführt war, wurden auf Millimeterpapier von einer horizontalen, die Firste bedeutenden Linie aus und senkrecht zu ihr Linien von 0,5 mm Breite (also der 1O fachen Dicke der Schnitte) und von der 10fachen Länge der Ausdehnung des Riech- epithels gezogen, und zwar nach Unten diejenigen, welche dem Riechepithel der Seitenwand, nach Oben die, welche demselben an dem Septum entsprachen. Dadurch dass die aufemander folgenden Linien einander berührend gezogen wurden und dadurch, dass solche Darstellung in der ganzen Ausdehnung der Riechschleimhaut ge- schah, entstand ein treues Bild der Ausdehnung und Form der vom Riechepithel bedeckten Fläche bei zehnfacher Vergrösserung. Dieses Bild wurde nun photographisch auf ein Zehntel, also natür- liche Grösse, redueirt und das erhaltene Photogramm in eime Zeich- nung der rechten Nasenhöhle mit nach Oben geschlagenem Septum in der richtigen Lage eingeklebt. — Dabei sei zu den erhaltenen Bildern, Fig. 1 und 2, Folgendes bemerkt. Die Skizze der Nasen- höhle ist nach einem anderen in der hiesigen Sammlung befind- lichen Präparate mittelst Diopter gezeichnet, nur die oberen Muscheln sind genau nach den an den Schnitten gemachten Mes- sungen eingetragen. Das Resultat ist nun das Folgende. Im Falle © beträgt die Ausdehnung des Riechepithels 257 [Jmm in der rechten Nasenhöhle, in beiden zusammen also vermuthlich etwas über 500 ]mm. Davon kommen auf die Seitenwand 124, auf das 636 AS va raumen® Septum 133 O]mm. Die Regio olfactoria ist auf den mittleren Theil der oberen Muschel und den gegenüberliegenden Theil des Septum beschränkt; ihr Rand bleibt von der hinteren Wand der Nasenhöhle etwa 5mm, von der vorderen ca. 10 mm entfernt. Die hintere Grenze, ungefähr parallel dem oberen Theile der hinteren Wand verlaufend, ist wenig unregelmässig; der untere Rand mehrfach ausgezackt; der vordere ausserordentlich unregelmässig, mit zahlrei- chen streifenförmigen Verlängerungen versehen, vielfach unterbro- chen durch eingestreute Flecken von flimmerndem Respirations- epithel. Vor der Hauptmasse befindet sich an der Seitenwand eine grosse, ca. DL_mm haltende, vollständig isolirte Insel, ebenso wie eine nur durch einen schmalen Isthmus mit dem Continent verbun- diene Halbinsel am Septum gesehen wird. Kleine Flimmerepithel- flecke zeigen sich auch hier und da mitten im Riechepithel und häufig weit von dessen Rande entfernt. In dem zweiten Falle D beträgt die Flächenausdehnung des Sinnesepithels 235[_ | mm, 99 am Septum, 139 an der lateralen Wand; vermuthlich also in beiden Nasenhöhlen zusammen etwa 480| |mm. Auch hier ist die obere Muschel allein Sitz der Riechschleimhaut, welche deren unteren Rand nirgends erreicht, auch der vor dem vorderen Ende dieser Muschel gelegene Theil des Riechepithels überschreitet nach Unten zu nieht die Hori- zontallinie, in welcher der untere Rand der Concha superior liegt. Ist also in Bezug auf Grösse und Lage eime ziemlich grosse Uebereinstimmung mit FallC nieht zu verkennen, so differirt da- gegen die Form von der im erstbeschriebenen Falle recht wesent- lich. Das ganze Bild, dort höher als breit, hat hier entgegen- gesetzte Form; betrug dort die Ausdehnung in sagittaler Richtung 18, in der Höhenrichtung 23 mm, — wobei die Höhen an der Seitenwand und dem Septum addirt sind — so sind hier die entsprechenden Maasse 27 bez. 15 mm. Ging dort der hintere Rand der hinteren Nasenhöhlenwand parallel, so divergirt er hier mit ihr. Auch zeigt sich im Falle D eine bedeutendere Grössendifferenz der am Septum und der an der lateralen Wand gelegenen Abtheilung der Riechschleimhaut. Die Neigung des Riechepithels, Flecken von Flimmerepithel zu umschliessen, ist hier bedeutend stärker ausgeprägt wie dort, — auch kleinere abgesprengte Stücke des Riechepitliels, von respiratorischem Epithel allseitig umgeben, kommen vor: solche kommen auch Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 637 inmitten der Flimmerepithelimseln an mehreren Stellen zur Be- obachtung. Bei einer Vergleichung dieses Ergebnisses mit denjenigen, welche in der Literatur niedergelegt sind, ergiebt sich, dass allein die Angabe Max Schultze’s mit ihm völlig übereinstimmt. Die sämmtlichen Angaben und Abbildungen der Handbücher, ausgenommen das Toldt’sche, scheinen mir also demnach einer Beriehtigung dringend bedürftig zu sein. Auch die Angabe des neuesten Autors auf diesem Gebiete, Suchannek (16), dass das Riechepithel des Menschen nicht in continuo die Riechgegend überziehe, sondern auf ganz unregelmässig am Nasendache ver- theilte Inseln beschränkt sei, kann nicht als ganz zutreffend be- zeichnet werden; denn trotz aller Unregelmässigkeiten bekommt man doch immerhin den Eindruck, dass die Riechgegend einem Continent verglichen werden muss, der bald mehr, bald weniger zahlreiche und grosse Seen enthält, Halbinseln und Landzungen aussendet und zu dem eine Anzahl von Inseln gehören. Endlich könnte noch die Frage aufgeworfen werden, ob die Ausdehnung des Riechepithels mit der Ausbreitung des Nervus olfactorius übereinstimmt oder nicht. Nach Krause’s (12) An- gaben kann das zweifelhaft erscheinen: er sagt nämlich Band 1 S. 176, dass als Regio olfactoria eine auf den obersten Theil der Scheidewand resp. der obern Muschel beschränkte Partie bezeichnet werde, — während Band 2 S. 850 angegeben wird, dass die medialen Aeste des Riechnerven sich im der Mitte bei- nahe bis zum Boden der Nasenhöhle herab verbreiten, vorm und hinten weniger weit herabreichen, — und dass die lateralen Aeste bis an den unteren Rand der Concha media herabgehen. Die Untersuchung meiner Präparate hat bezüglich dieses Punktes ein negatives Resultat ergeben; die so leicht erkennbaren dicken Rieehnervenstämme hören am Rande des Riechepithels auch auf. 2. Das Riechepithel und sein Verhalten zum Nervus olfae- torius. Die Dieke des Riechepithels beträgt im meinen drei Fällen durehschnittlieh 0,06 mm, sie schwankt zwischen 0,054 und 0,081, wobei bemerkt sein mag, dass die Extreme nieht häufig zur Beobachtung kommen. Sie ist also wesentlich geringer als Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39 42 638 A v.Brunn: bei den Hausthieren, wo sie bei dem Hunde zu 0,1—0,12, bei der Katze zu 0,15, beim Kaninchen zu 0,12, beim Schaf zu 0,12, beim Kalbe zu 0,153 mm bestimmt wurde. Das Epithel der Riechgegend fällt daher durch Dieke beim Menschen, wie das schon von anderer Seite verschiedentlich betont worden ist, dem ungefähr gleichmächtigen besitzenden Flimmerepithel gegenüber nicht auf. Die beiden hauptsächlichsten Bestandtheile des menschlichen Riechepithels, die Epithelial- und Riechzellen, hat uns M.Schultze (1) kennen gelehrt; ihre Formverhältnisse sind so bekannt, so ganz die gleichen wie bei den Säugethieren, dass ich nicht nöthig habe, eine Beschreibung davon zn geben, sondern nur auf die Fig. 3—5 verweise. Eine dritte Zellenart, die Basalzellen, pyra- midenförmige, kernhaltige, zwischen den Füssen der Epithelzellen in einer Reihe stehende Elemente, beschrieb zuerst Sidky (15) und sie sind alsdann von allen späteren Untersuchern bestätigt worden. Das, was nun meine Aufmerksamkeit besonders im Anspruch nahm, war das Verhalten der Zellen zur Oberfläche des Epithels mit Rücksicht auf die von mir (13, 14) bei Säugethieren beschrie- benen Bildungen, nämlich die Riechhärchen und die Membrana limitans; und ferner die Bedeutung der von Suchannek (16) beschriebenen, von ihm als Glockenzellen bezeichneten Gebilde. Die Riechhärcehen waren an Isolationspräparaten aus den Schleimhäuten der drei Leichen B, © und D mit Leiehtig- keit zu erkennen, ganz besonders gut an solchen aus Paecini- scher Flüssigkeit, aber auch an denen aus Osmiumsäure. Sie zeigten sich ganz ebenso wie bei den früher untersuchten Säuge- thieren als zarte, kurze, spitz auslaufende Härchen, die in der Zahl von 6—8 dem peripherischen Ende der Sinneszellen auf- sitzen, meist etwas divergent angetroffen werden, mitunter aber auch zusammengeklebt sind; regelmässig sitzen sie auf einer kleinen knopfförmigen Anschwellung der Riechzelle auf, von der ich es noch dahingestellt lassen muss, ob sie im Leben vor- handen ist oder sich erst nach dem Tode bez. unter dem Ein- flusse der Reagentien bildet. Für letztere Deutung spricht die Thatsache, dass si@ ausserordentlich verschieden gross gefunden wird, — am kleinsten in Osmiumpräparaten (Fig. 3) grösser in den vermittelst Pacini’scher Lösung macerirten, am längsten und regelmässigsten an solchen aus Müller’scher Flüssigkeit (Fig. 8). Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 639 Auch an Golgi-Präparaten zeigen sie wie auch die Härchen, sieh mitunter sehwarz gefärbt — vorausgesetzt, dass auf der Ober- fläche keine Niederschläge sich gebildet haben ; — [van Gehuchten (20) zeichnet sie von der Riechschleimhaut des jungen Kaninchens, ich habe sie im Jacobson’schen Organe des Schafes (Fig. 12) eben- falls beobachtet]. Vollkommen fehlen sie bei keiner der ange- wendeten Methoden, — auch nieht bei Thieren, deren Riech- schleimhäute ja noch einige Minuten früher in die Conservirungs- flüssigkeit gelegt werden können, — jedenfalls also müssen sie, falls sie nicht im Leben vorhanden sind, mit ausserordentlicher Schnelligkeit entstehen und liefern so mindestens den Beweis, dass die Substanz der Riechzellen eine andere Beschaffenheit hat als die der Epithelialzellen. Die Membrana limitans liess sich, besonders gut an den ÖOsmiumpräparaten, auch mit Leichtigkeit erkennen und wies dieselben Verhältnisse auf, wie sie in meiner letzten Publieation über den Gegenstand (14) beschrieben worden sind. Als äusserst zarte homogene Membran liegt sie der Epitheloberfläche auf und lässt durch Poren die peripherischen Fortsätze der Sinneszellen heraustreten. Auf ihrer Aussenfläche findet sich häufig, den Epi- thelialzellen entsprechend, eine früher schon von W. Krause (12) von Schaf und Kaninchen beschriebene, dayn von mir bestätigte Masse, die mitunter eine undeutliche Streifung parallel der Zel- lenaxe zeigt und dann den Eindruck eines äusserst blassen Härchenbesatzes macht, so wie ihn Schiefferdecker (17) in Fig. 48 S. 88 zeichnet, häufiger aber jede Structur vermissen lässt). Schiefferdecker fasst diese Massen als Cutieularbildun- gen auf, — ich möchte sie dem Stäbehensaum der Darmepithelien und wie diese den-Flimmerhaaren vergleichen. Sie würden sich zu den Stäbchen der Cylinderzellen des Darmes etwa so verhal- ten, wie diese zu den Flimmerhaaren, d. h. eine ausserordentlich gering entwickelte Stufe derselben darstellen. Die Limitans selbst, die sich häufig auf grössere Streeken isoliren lässt und in Zupfpräparaten oft eine grössere Anzahl von Stütz- und Riech- 1) Bei der Sitzung der Anatomischen Gesellschaft zu Berlin im Jahre 1889 habe ich einer grossen Anzahl von Fachgenossen Präpa- rate demonstrirt, welche sowohl die Riechhärchen wie die Membr. limi- tans zeigten. 640 ASsvzabsrzuensne zellen mit einander verbunden hält, wenn alle übrigen Verbin- dungen sich gelöst haben — s. Fig. 3 und 5 — ist dem von den Cilien durchbohrten homogenen Saume der Flimmerzellen [welchen ich aus denselben Gründen wie Schiefferdeeker (17 S. 78) glaube annehmen zu müssen] gleichzusetzen }). 1) Gegenüber verschiedenen Bestätigungen meiner Angaben über die M. limitans, wie sie bei Sidky (5), W. Krause (12), Schiefferdeceker (17) u. A. zu finden sind, ist diese Bildung be- züglich der Fische und des Frosches geleugnet worden von Dogiel (24), wie mir scheint, nicht ganz mit Recht, wenigstens soweit es den Frosch betrifft. Dogiel hat Bildungen ganz ähnlich den von mir gezeichneten beim Frosch gesehen und gezeichnet, will aber für sie den Namen einer Menibran nicht gelten lassen. Er sagt (S. 115): „Das äussere freie Ende der Stützzelle ist von einem schmalen, ziemlich stark glänzenden Saum bedeckt, welch’ letzterer ein ganzes Bündel bartförmig angeordneter, sehr langer und feiner Flimmerhärchen trägt. Der beschriebene Saum steht mit der Zellsubstanz selbst in engem Zu- sammenhange, indess wird er häufig beim Zerzupfen oder bei Druck auf das Präparat sammt den Flimmerhärchen von der Zelle abgelöst, wobei manchmal mit dem Saume auch ein Theil der Zellsubstanz in Verbindung bleibt. Da die peripherischen Fortsätze der Riechzellen der Oberfläche sowie dem Saume der Stützzellen recht eng anliegen, sehen wir in Zupfpräparaten nicht selten einen von einer Stützzelle abgerissenen Saum mit einer oder mehreren Riechzellen im Zusammen- “ Damit diese Angabe sich mit der meinigen (14) decke, fehlt nur noch eins, nämlich die Zustimmung dazu, dass die Säume der Epithelialzellen auch noch unter einander derart im Zusammenhange stehen, dass sie sich häufig von einer ganzen Menge von Zellen in con- tinuo ablösen. Einen innigen Zusammenhang dieser Säume, oder wie ich lieber sagen möchte, Deckel zeigen die Riechschleimhäute des Menschen und der Säugethiere sehr evident (Fig.3 und 5). Solche Deckel sind bei den Zellen des Flimmerepithels ja auch vorhanden, wie man an der continuirlichen Abhebung des Flimmersaumes (Schief- ferdecker) sieht; auch hier stehen die Säume benachbarter Zellen in engerer Verbindung unter einander als die Zellenkörper und lösen sich dem entsprechend mitunter im Zusammenhange ab, — aber es muss wohl betont werden, dass dieser Zusammenhang in der Regio olfaetoria ein ungleich innigerer ist nnd ausserordentlich viel häufiger zur Beobachtung kommt. Wird ein solcher Zusammenhang der Säume unter einander zu- gegeben, dann stimme ich dieser Beschreibung ganz bei, — denn für etwas anderes als die miteinander verbundenen Deckel der Stütz- zellen halte ich die M. limitans auch nicht, Ich kann aber auch nicht einsehen, warum man dieser Bildung nicht den Namen einer Mem- hange. Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 641 Ich komme zu der Frage nach den „Glockenzellen“ Suchan- neks. Auf senkrechten Durehschnitten der menschlichen Riech- schleimhaut sieht man nach Aussen von der Zone der Stützzellen- kerne in der von Suchannek als Protoplasmasaum bezeichneten Schieht in ziemlich grosser Anzahl intensiv färbbare Kerne, um- geben von einem im Allgemeinen kugelig erscheinenden Zell- körper: das sind die von dem genannten Autor als „Glockenzellen“ bezeichneten Gebilde. (Hierbei sei die sprachliche Bemerkung gestattet, dass es wohl besser deutsch gewesen wäre, sie Schellen- zellen zu taufen; denn die klingelnden Geräthe an den Pferde- leinen der Knaben, mit denen S. diese Zellen vergleicht, sind Schellen, nieht Glocken.) Diese Gebilde liegen in den verschie- densten Tiefen des S.'schen Protoplasmasaumes, S. hat sie auch auf der Oberfläche des Riechepithels gefunden. In den beiden Serien der Fälle C und D sind innerhalb der genannten Schicht Zellen in einer Menge vorhanden, die den S.’schen Angaben entspricht; ich habe aber trotz grosser darauf verwendeter Sorgfalt nur äusserst wenige auf der freien Fläche des Epithels oder im Durchtritt durch dieselbe zu sehen be- kommen, sodass ich den Eindruck habe, dass jedenfalls die Auswan- derung keine allgemeine Eigenschaft aller „Glockenzellen“ sein kann. In Bezug auf die Pigmentirung unterscheiden sich meine Ergebnisse wesentlich von denen des Entdeckers. Im Falle C, wo die Schleimhaut an einigen Stellen dunkelgoldgelbes körniges Pig- ment in den Stützzellen wie auch in den Zellen des Bindegewebes aufwies, waren einzelne „Glockenzellen“ gleichfalls pigmentirt, in gewiss 90 Procent aller Fälle fehlte dagegen jede Pigmen- bran geben soll. Nennen wir doch die Limitans externa retinae auch eine Membran, obgleich sie keine selbständige Bildung ist, sondern aus den mit einander verbundenen äusseren abgeplatteten Enden der Radiärfasern besteht, — und sich auch nicht einmal isoliren lässt. Auch den von DogielS.118 ins Feld geführten Einwand, der schleimige Charakter der Stützzellen des Frosches spräche gegen die Existenz einer Limitans, kann ich nicht wohl gelten lassen. Sind die Epithelialzellen hier Becherzellen, wovon ich nach Dogiel’s Angaben überzeugt bin, — so müssen ihre Deckel natürlich Löcher besitzen für den Durchtritt des Sekretes. Die Limitans würde dann also hier zwei Arten von Poren haben, neben denen für die Sinneszellen noch solche für den Schleim. 642 Arm sBanunme tirung, nicht nur an den Stellen mit pigmentfreiem, sondern auch an denen mit farbstoffhaltigem Epithel. In Leiche D dagegen, wo nur an wenigen Stellen eme Färbung des Epithels zu er- kennen, sondern nur in den Bindegewebszellen solches häufiger zu finden war, habe ich überhaupt keine pigmentirte Glocken- zelle gesehen. Die Kerne waren im Allgemeinen einfach, nur in C kamen einige vor, die aus zwei Stücken bestanden und an die Kerne der Eiterzellen erinnerten. Was die Form dieser Zellen betrifft, so glaube ich zwei Abarten demselben unterscheiden zu müssen. Die einen sind kuge- lige Elemente, welche entweder die Oberfläche nicht erreichen oder (dieselbe mehr oder weniger überragen; sie sind es, die mitunter mehrere Kerne beherbergen und in denen auch Pigment zur Beobachtung kam; sie halte ich für Wanderkörper, welche das Pigment aus der Schleimhaut mitgebracht haben. Weit häufiger als sie sind aber die Zellen der zweiten Art. Schon an den Schnitten konnte ich sehr häufig erkennen, dass die Körper, auch der ziemlich tief gelegenen „Glockenzellen“ mittelst emes diekeren oder dünneren Fortsatzes bis zur Epitheloberfläche vordringen (Fig. 5), indessen genügen für die klare Erkennung der Form Schnitte ebensowenig wie für die Feststellung der feineren Form- verhältnisse der Riech- und Stützzellen: hier sind Isolationsprä- parate absolut nothwendig. Solche aus Osmiumsäure haben mir nun die Ueberzeugung verschafft, dass diese Zellen nichts An- deres sind als Riechzellen, deren Kerne ausnahmweise nahe dem freien Ende gelegen sind. Ich habe sie nicht nur häufig mit einem peripherischen Fortsatze bis an die Limitans reichen und selbige durchsetzen gesehen, sondern auch deutliche Riechhärchen auf ihrem freien Ende zu erkennen vermocht (Fig. 5), ebenso wie auch ein centraler Fortsatz von ganz derselben Beschaffen- heit wie bei den typischen Riechzellen da ist. Auch die Eigen- thümlichkeit der letzteren, dass deutliche Kernkörperchen vor- handen sind, fehlt nicht. Ebenso sind häufig durch Osmiumsäure dunkel gefärbte Körnehen nach Aussen vom Kern und in ähn- licher Verbreitung wie bei den Riechzellen zu sehen. Meinen Präparaten nach haben wir es also in diesen Gebilden mit der- jenigen Abart der Riechzellen zu thun, welehe Dogiel (24) bei Fischen und Amphibien beschrieben und Riechzapfen genannt hat. Meine Ansicht über die Suchannek’schen „Glockenzellen“ EEE. u Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 643 ist also die, dass es zum bei Weitem grössten Theile atypische Richzellen, zum kleineren Theile Wanderkörper sind. Ich wende mich zur Besprechung des Verhältnisses zwischen Sinnesepithel und Riechnerv. Der so lange geforderte, von zahlreichen Autoren vergeblich gesuchte Beweis für die Max Schultze’sche Annahme vom direeten Zusammenhange der Olfactoriusfibrillen mit den Riech- zellen ist zuerst von Ehrlich (26), dann von Arnstein (27) mittelst der Methylenblaufärbung für den Frosch erbracht; dann mittelst der schnellen Golgi’schen Methode bezüglich des Hundes durch Grassi und Castronovo (18), bezüglich des jungen Ka- ninchens und der jungen Ratte durch Ramon y Cajal (19) und van Gehuchten (20 und 20a) geliefert. Es gelang mir bei dem Hingerichteten D mittelst derselben Methode leicht das von jenen Forschern Gesehene zu bestätigen. Ich vermochte nicht allein den Zusammenhang der centralen Riechzellenfortsätze mit subepithelial gelegenen Nervenfädchen zu erkennen, sondern auch letztere bis zu den Nervenästen zu verfolgen, wo sie sich an andere gleichfalls gefärbte Fädchen von durchaus derselben Beschaffenheit anlagerten (Fig. 6 und 7). Wie schon Ramon y Cajal angegeben hat, sind Theilungen von Olfactoriusfibrillen nie zu erkennen, weder in gröberen oder feineren Aesten, noch im Epithel; auch frei endigende Nervenfasern, die als solche des Rieehnerven bezeichnet werden könnten, habe ich nie gesehen. Allerdings sind mir mehrfach an der Grenze des Riechepithels gegen das Flimmerepithel Nervenfasern vorgekommen, die aus der Schleimhaut in das Epithel aufstiegen und in ihm bis gegen die Oberfläche hinaufgingen, ohne mit einer Zelle in Verbindung zu treten, also frei endigten; indessen halte ich sie mit Ramon y Cajal für sensible, also dem Trigeminus entstammende. Sie unterscheiden sich von den Olfactoriusfibrillen durch beträcht- lichere Dicke. 3. Schleimhaut und Drüsen. Der Bau der eigentlichen Schleimhaut weist im Bereiche der Regio olfactoria beträchtliche Abweichungen von dem der Regio respiratoria auf, welche bisher noch recht wenig beachtet zu sein scheinen. In der Respirationsgegend findet sich eine, 644 NE Briumeng wie Stöhr (21) gezeigt hat, mit zahlreichen Iymphoiden Zellen durehsetzte bindegewebige Schleimhaut, die äusserst arm an elastischen Fasern ist, dagegen ausserordentlich zahlreiche venöse Blutgefässe enthält. Letztere namentlich an der unteren Muschel in so grosser Menge, dass eine Art von Schwellgewebe entsteht. Diese Schleimhaut ist gegen das Epithel hin zu eimer mächtigen homogenen Basalmembran von 0,011—0,02 mm Dieke verdichtet, welche gegen das Epithel scharf abgesetzt aufhört, in das Schleim- hautgewebe allmählich übergeht. Sehr auffallend ist nun zunächst, (lass eine deutliche Basalmembran mangelt soweit als Riechepithel vorhanden ist: sie hört an der Grenze desselben plötzlich zugeschärft auf. Als zweite Eigenthümlichkeit der Riechsehleimhaut muss hervorgehoben werden ein ganz ausserordentlicher Reichthum an Zellen bei äusserst geringer Menge von Bindegewebe: die Menge der leucoeytenähnliehen Zellen ist eine so grosse, dass dagegen diejenige der Respirationsschleimhaut ganz zurücktritt. Namentlich nächst dem Epithel hat die Schleimhaut ganz die Beschaffenheit des adenoiden Gewebes, sie ist hier zusammen- gesetzt aus diehtgedrängten runden und eckigen Zellen — unter denen sich ab und zu eine pigmentirte befindet — und aus äusserst zarten spärlichen Fibrillen zwischen ihnen. An Isolations- präparaten lösen sich mitunter grössere Mengen solcher Zellen zusammen ab, und derartige Massen haben mich früher veran- lasst, sie als ein subepitheliales bindegewebiges Zellennetz zu bezeichnen. — Hier und da tritt auch em wirklicher Follikel auf, der sich bis unmittelbar unter das Riechepithel erstreckt und von dem aus man die Iymphoiden Zellen zwischen die Ele- mente der Epitheldecke eindringen und selbige stellenweise in soleher Menge durchsetzen sieht, dass der Epithelcharacter ver- wischt erscheint, so wie das ja durch Stöhrs Arbeiten von den verschiedensten Schleimhäuten bekannt geworden ist, wie es ja auch in der übrigen Nasenschleimhaut vorkommt. Diese adenoide Beschaffenheit hat die Schleimhaut in einer Dieke von 0,18—0,2 mm vom Epithel ab, — dann treten dieke geflechtartig angeordnete Bindegewebsbündel auf, welche unmittel- bar in das Periost übergehen. Von den Drüsen der Regio olfactoria sagt Henle (12), dass sie acinöse, seien und sich nur durch die Zahl und die Gruppirung der Acini von den Schleimdrüsen der Regio respira- A ee ee Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 645 toria unterscheiden; er beruft sieh dafür auf das übereinstimmende Urtheil aller Beobachter. Seitdem sind nun aber auch ab- weichende Meinungen laut geworden. Sidky (15) der seine Untersuchungen auch auf den Menschen ausgedehnt hat, giebt an, nirgends andere als tubulöse Drüsen gefunden zu haben. Toldt (10) macht die Angabe, die Drüsen des Menschen wichen von denen der Säuger insofern ab, als sich gewöhnlich mehrere Drüsenschläuche zu einem gemeinschaftlichen Ausführungsgange vereinigten und nicht selten auch seitliche, wie Acini aussehende Ausbuchtungen besässen; doch sei es nicht gerechtfertigt, sie desshalb den acinösen Drüsen zuzuzählen. Suchannek (16) nennt sie leichtverästelte tubulöse Drüsen, giebt an, dass sie seröse sind und im Bereiche ihrer Ausführungsgänge stellenweise Erweiterungen besitzen. Nach meinen Serienschnitten kann ich keine dieser Angaben, wenigstens für den erwachsenen Menschen, für zutreffend er- klären, muss vielmehr folgende Beschreibung geben. Der ausser- ordentlich enge Ausführungsgang kommt aus einem weiteren, dieht unter dem Epithel gelegenen Behälter hervor, in welchen mehrere Drüsengänge einmünden; letztere nehmen von hier an gegen das blinde Ende zu an Weite allmählich ab. Der Ausführungs- gang ist ganz ähnlich geformt und gebaut, wie bei den Thieren (vgl. z. B. die schönen Abbildungen Dogiels 23); sein Epithel besteht aus 8—12, meist 10 Zellen, deren jede langgestreckt und von trapezförmigem Querschnitt ist. Von ihnen sind je 4—6 zu einem Rohre gruppirt, wobei von den Grundlinien des Trapezes die kleinere nach Innen, die grössere nach Aussen gerichtet ist. Die beiden so gebildeten Röhren stossen an ein- ander: die tiefere öffnet sich in den erweiterten Theil, die ober- flächliche in die Nasenhöhle, wobei meist durch Zuschärfung des freien Randes, welche auf Kosten der inneren Fläche er- folgt, eine triehterförmige Erweiterung zu Stande kommt (Fig. 8). Der seiner Neuheit wegen am meisten interessirende Theil, welcher gleichzeitig die grössten Verschiedenheiten aufweist, ist der mittlere, den ich als die Blase der Bowman’'schen Drüse bezeichnen möchte. Er ist an dreien meiner Objecte (A, B, D) ausserordentlich stark entwickelt, 0,05—0,1 mm tief, 0,1—0,25 mm weit, mit zahlreichen etwa halbkugelförmigen, seitlich ansitzenden Ausbuchtungen versehen, die besonders an 646 A.v. Brunn: Flächenschnitten gut wahrgenommen werden (s. Fig. 9): dadurch ähnelt der Flächenschnitt einer solehen Blase dem Querschnitt eines Alveolarganges der Lunge. In seinem Bereiche ist das Drüsenepithel ausserordentlich stark abgeplattet, so dass die ohnehin schon flachen Kerne die ganze Dieke der Zellen ein- nehmen, ja nicht selten sogar noch dieker sind als die Zellsub- stanz: das hat dann zur Folge, dass sie eine Ausbauchung der Zelle verursachen und so das Aussehen eines Endothels hervor- rufen. Von irgend welchem geformten Inhalte ist Nichts zu sehen. Meist in die der Oberfläche abgewendete Seite der Blase, mitunter auch in die seitlichen Wände münden 3—5 Drüsen- röhrehen ein, welche entweder sofort, oder nachdem sie eine kurze Strecke, 0,05—-0,08 mm senkrecht zur Oberfläche verlaufen waren, in einer der Oberfläche parallelen Richtung hingehen und endlich blind endigen, theils innerhalb der eigentlichen Schleim- haut, theils innerhalb des diehten fibrillären in das Periost über- gehenden Bindegewebes. Solche Drüsenschläuche trifft man ‚auf jedem Schnitte in beträchtlicher Anzahl, häufiger im Quer- als im Längsschnitt, an, — nirgends aber bilden sie eine ge- schlossene Drüsenschicht. Von den Drüsen der Säugethiere unter- scheiden sich also die menschlichen in doppelter Hinsicht: einmal durch ihre geringe Anzahl, — es bleiben zwischen ihnen grosse väume frei, — zweitens durch ihre Richtung, — indem sie keines- wegs senkrecht zur Oberfläche verlaufen. So passend für die Drüsenschicht der Säugethiere im Allgemeinen die Vergleichung mit der Schichte der Magendrüsen ist, so wenig passt sie hier. Wie ist es nun zu erklären, dass so vielfach die Angabe gemacht worden ist, die Drüsen der Riechschleimhaut seien acinöse? Ich kann mir nur denken, dass die Blasen der Drüsen mit ihren alveolenähnlichen Ausbuchtungen die Veranlassung dazu gegeben haben, dass sie als die alleinigen Bestandtheile der Drüsen betrachtet, die eigentlichen Tubuli aber übersehen worden sind. Die Epithelzellen der Tubuli erscheinen auf Längsschnitten meist quadratisch oder rechteckig, auf Querschnitten trapez- förmig, sie müssen also als keilförmig mit abgestutzter Schneide bezeichnet werden. Die Kerne sind kugelig, das Protoplasma feinkörnig. Schleimzellen kommen in meinen Präparaten in den BEER Se ee a Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 647 Bowman’'schen Drüsen nirgends vor: sie müssen also zu den reinen Eiweissdrüsen gerechnet werden !). Von dem beschriebenen Verhalten der Fälle A, B und D weicht C insofern ab, als hier die Blasen der Drüsen nur aus- nahmsweise so stark ausgebildet sind wie dort; die meisten Drüsen besitzen unter dem Epithel nur eine geringe spindel- förmige Erweiterung, — jedenfalls kommen in dieser Hinsicht beträchtliche Differenzen vor. Münden nun auch im Allgemeinen die Bowman ’'schen Drüsen in der angegebenen Weise aus, so gibt es doch noch eine zweite, seltenere, aber wie es scheint doch regelmässig vor- kommende Art der Ausmündung, nämlich in mit Flimmerepithel ausgekleidete Vertiefungen, Crypten. Solche finden sich langhin an der oberen Wand der Nasenhöhle und an den benachbarten Theilen der Seiten- und Scheidewand in emer senkrechten Aus- dehnung von höchstens 1 mm. Sie sind vor der Reg. olf. am häufigsten, werden aber auch in ihr nicht selten gefunden und zwar bis gegen ihren hinteren Rand hin. Es sind (Fig. 10) bald einfache Einstülpungen, bald geben sie eine grössere Anzahl kolben- oder schlauchförmige Aeste ab und diese letzteren können auf eine Entfernung von 0,5—1,0.mm der Oberfläche parallel in der Schleimhaut hingehen, so dass man ihre Querschnitte nicht selten neben Längsschnitten sieht. Ihr Epithel ist sowohl in der Riechsehleimhaut wie vor ihr dasselbe wie im respiratorischen Theile, nämlich Flimmerepithel mit vereinzelten Becherzellen (Fig. 11a). Unmittelbar in diese Crypten münden die Bowman - schen Drüsenschläuche ein, und zwar meist so, dass ihr Epithel erst innerhalb der Crypte in das Flimmerepithel übergeht: häufig kann man Cryptenquerschnitte sehen, welche die in Fig. 11b 1) Ich bemerke das besonders, da Paulsen (25) für eine An- zahl von Thieren nachgewiesen hat, dass in den Bowman'’schen Drüsen ein gemischtes Epithel existirt, indem zwischen den Eiweiss- zellen. auch Schleimzellen vorkommen. Zwar habe ich meine Präpa- rate nicht nach der von Paulsen angewendeten Methode — Os- miumsäure oder Heidenhain’sche Hämatoxylinfärbung — behandelt; indessen sind in den Drüsen der Regio resp. die Schleimzellen durch ihre geringe Tinktion wie die netzförmige Structur des Inhaltes so klar zu erkennen, dass ich die feste Ueberzeugung habe, es wären mir einzelne Schleimzellen in den Bowman'’schen Drüsen nicht ent- gangen. 648 A. v. Brunn: . dargestellte Beschaffenheit haben, auf der einen Seite hohes wimperndes Epithel, auf der anderen das niedrige eubische, wie es sieh in den weiten dem Ausführungsgange näheren Theile der Bowman'schen Drüsenschläuche findet. Innerhalb der übrigen Theile der Nasenhöhle, speciell auf - beiden Seiten der mittleren und unteren Muschel, kommen solche Crypten nieht vor, auch habe ich nie andere als Bowman'sche Drüsen in sie einmünden gesehen. Das ist insofern bemerkens- werth, als darin auch eine Differenz zwischen manchen Thieren und dem Menschen zu liegen scheint. Dogiel (25) hat ganz ähnliche Eimsenkungen des Epithels bei Katze und Hund gesehen, aber nur in. der Respirationsschleimhaut, — hat auch Drüsen in sie einmünden gesehen, gibt aber nicht an, dass es Bowman’- sche gewesen seien. Wie nun bezüglich zahlreicher Thiere von vielen Autoren angegeben worden ist, dass die in Rede stehenden Drüsen nicht auf die Riechschleimhaut beschränkt seien, so überschreiten sie auch beim Menschen deren Grenzen beträchtlich nach. allen Richtungen hin. Nach Unten, nach Hinten wie auch nach Vorn-unten zu zeigen sie ganz den Bau. der zuerst beschriebenen Art mit Blase, auch ihr Ausführungsgang ist ebenso gebaut und zieht zwischen den Flimmerzellen zur Oberfläche, nur in dem oben erwähnten obersten Theile der Regio respiratoria münden sie zum grossen Theil in die Crypten. Im Falle A, wo Riechepithel fehlte, waren die Bow- .man’schen Drüsen wohl entwickelt, mit mächtigen Blasen versehen. Endlich möchte ich in Betreff der von vielen Autoren nach- ‘ gewiesenen Pigmentirung der Bowman’schen Drüsenzellen be- merken, dass eine solehe an keinem meiner vier Objecte zur Beobachtung gekommen ist, sondern dass Pigment nur in den Epithelialzellen der Riechschleimhaut und in den Flimmerzellen der Respirationsgegend, sowie in den Bindegewebszellen der Sehleimhaut — und zwar in ihnen bis an die untere Muschel herab — gefunden wurde. In den genannten Epithelzellen lag es meist in den peripherischen Abschnitten, seltener im Fuss. Das Pigment der Bindegewebszellen zeichnete sich dem des Epithels gegenüber dureh intensivere Gelbfärbung und gröbere Körnung aus. eK Beiträge zur mikrosk. Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. 649 Litteraturverzeichniss. Max Schultze, Ueber den Bau der Nasenschleimhaut. Halle 1862. Derselbe, Das Epithelium der Riechschleimhaut. Centralblatt für die med. Wiss. 1864. Weleker, Untersuchung der Retinazapfen und des Riechepi- thels bei einem Hingerichteten. Zeitschrift für rat. Mediein 3. R. Bd. 18, 1863. Luschka, Das Epithelium der Riechschleimhaut des Menschen. Centralblatt für die med. Wiss. 1864. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. Frey, Histologie und Histochemie. 4. Aufl. 1874. Schwalbe, Neurologie. 1881. Hartmann, Handbuch der Anatomie. 1881. Merkel, Handbuch d. topogr. Anat. I. 2. 1887. Toldt, Gewebelehre. Waldeyer, Ueber die Riechschleimhaut des Menschen. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankh. XV. W. Krause, Handb. d. Anat. 3. Aufl. I. Bd. 1876. II. Bd. 1879. v. Brunn, Unters. über das Riechepithel. Archiv f. mikroskop. Anat. XI. Derselbe, Weitere Unters. über das Riechepithel und sein Ver- halten zum N. olfact. Ebenda XV. Sidky, Recherches anatomo-mieroscopiques sur la muqueuse ol- factive. Paris 1877. Suchannek, Beiträge zur feineren norm. Anatomie des mensch- lichen Geruchsorganes. 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Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX und XXX. Fie. = 2 oo Fig. Eye Rechte Nasenhöhle. Das Septum S ringsum, mit Ausnahme des oberen Randes, abgelöst und nach oben geschlagen. Die dunkle Figur stellt die Ausbreitung des Riechepithels dar, wie sich dieselbe nach der im Text beschriebenen Reconstruction darstellt. Fall C, Mann, 40 Jahre alt. Ebenso. Fall D, Mann, 30 Jahre alt. und b. Isolationspräparat von FallB, 35jähr. Mann. Osmium- säure 1°, Wasser. a: Drei Epithelialzellen, eine Riechzelle und ein peripherischer Fortsatz einer solchen. Auf der freien Fläche die Limitans Ml.; auf dem freien Ende der Riechzellen stehen Riechhärchen, auf dem der mittleren Epithelialzelle eine structurlose Kuppe. — b: Peripherische Enden einer Riech- und einer pigmentirten Stützzelle. Limitans und Riech- härchen. Winkel Obj. !/a. Oe. 1. Isolationspräparat von demselben Individuum aus Pacini- scher Flüssigkeit. Epithelial- und Riechzellen, letztere mit Härchen. Winkel !/,. Oec. 1. Isolationspräparat von demselben Menschen. Osmium 1°/,; Wasser. a) Eine Epithelial- und eine Riechzelle, deren Kern oberhalb der Kernzone der ersteren Zellen liegt (Dogiel’s Riechkolben). — b) Eine Stützzelle nebst zwei typischen Riech- zellen und einer von der genannten atypischen Form. An der Limitans hangen rechts noch die Reste zweier zerstörter Zellen. — c) Die Epithelialzelle zeigt die von der Riechzelle eingenommen gewesene Nische ; letztere Zelle mit Riechhaaren. Winkel Obj. B. Oe. 1 6 und 7. Golgi-Präparate von FallD. Uebergang der aus den Nervenstämmcehen hervorgehendon Olfactoriusfibrillen in Riech- zellen. Die dunklen dicken Zeichnungen in Fig. 7 sind Silber- niederschläge in den Bowman’schen Drüsen. Winkel Obj. 6. €. 2. Senkrechter Durchschnitt der Riechschleimhaut von D. ez — Kerne der Epithelialzellen; rz — Kerne der Riechzellen; rz* — atypische Riechzellen; bz — Basalzellen. pz — pigmentirte Bindegewebszellen; n — Nervenquerschnitte; Ba — Ausfüh- rungsgang; Bb — Blase; Bt — Tubuli der Bowman’schen Drüsen. Winkel Obj. 6, Oe.2. Die Endigung der Ölfactoriusfasern etc. 651 Fig. 9. Flächenschnitt durch die Blasen der Bowman'schen Drüsen. Bezeichnungen wie bei Fig. 8. Winkel Obj. 6, Oe. 2. Fig. 10. Frontalschnitt des oberen Theiles der Nasenhöhle 2mm vor dem Rande der Reg. olf. Fall C. Crypten, theils im Längs-, theils im Querschnitt. C* — Querschnitt einer solchen, die auf einer Seite mit Flimmerepithel, auf der anderen mit dem eu- bischen Epithel der Bowman’schen Drüsen ausgekleidet ist. Bt — Schläuche solcher Drüsen. Bl — Blutgefässlakunen. Winkel Obj.2, Oe.1. Fig. 11. Querschnitte zweier Crypten aus einem Flächenschnitte durch die Riechgegend von Fall D. In a auf der unteren Seite Flimmer-, auf der oberen cubisches Epithel. In b zeigt sich der Zusammenhang: eines Tubulus mit einer COrypte. Der Schnitt ist in der Verbindungsstelle nicht durch das Lumen, sondern durch das Epithel gegangen. In den Lumina der beiden dieht an der Crypte getroffenen und daher weiten Tubuli Bt netzförmig geronnenes Sekret. Bt* — Querschnitt eines Drüsenröhrchens weiter von der Ausmündung. Die Endigung der Olfactoriusfasern im Jacobson’schen Organe des Schafes. Von Dr. A. v. Brunn, Professor in Rostock. Hierzu Tafel XXX, Fig. 12. Dass im Jacobson’schen Organe vieler Thiere der mediale Theil des Epithels wohlcharakterisirtes Riechepithel ist, und dass in diesen Theil Aeste des Nervus alfactorius eintreten, ist bekannt; namentlich Klein (Quarterly Journal of mikr. science 1881 und 1882) und Piana (Contrib. alla conoscenza dell’ organo di J. 1880) haben die einschlägigen Verhältnisse genau untersucht. Die Endigung der Riechnervenäste in den Sinneszellen ist bisher wohl noch nicht mit Sicherheit erkannt worden; und wenn esauch als mehr als wahrscheinlich betrachtet werden musste, dass sie keine wesentlichen Differenzen von der- jJenigen in der Regio olfactoria aufweisen würde, so mag doch Or RE ET 1 N a we se, ee NE 2 Du ET m 3 a ar Ze 652 A. v. Brünn: Die Endigung der Olfactoriusfasern ete. die Veröffentlichung einer Abbildung des in Rede stehenden Ver- hältnisses (Taf. XXX Fig. 12) nicht überflüssig erscheinen. Sie ist nach einem Golgi-Präparate des Jacobson’'schen Organes des Schafes angefertigt und zeigt genau dieselbe unmittelbare Verbindung des centralen Riechzellenfortsatzes mit den Nerven- fasern, wie wir sie durch Grassiund Castronovo, Ramon y Cajal, Van Gehuchten von der Riechschleimhaut kennen. sanz besonders tritt auch hier das von dem zuletzt genannten Forscher an seinem Objeet beobachtete Hervorragen der Sinnes- zellen über die Limitans deutlich hervor, auch Spuren gefärbter Sinneshaare sind wie dort zu erkennen. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi. Archiv fmikroskon. Anatomie. Bd_XNMNX. — m 7 an Fl >: a aa m I SE, = Pr 3% e - , > a ” T, K e > E R : f “ 2 L AR ‚! TR nn | 8 I Ver mer Wirt 1774 2 Fri rarkfi kfurt 5 74 P) Irchur f. mukroskon. Anatomie. Ba. XXXIX. ESOHHETE . * er Tech AnstorWerner@Wrder rafor LH, PRN ab ER = = 2 H, Archwr fmukroskon. Anatomne Ba. XXMX. 217 20. Stad.E NR TETTERESE 2a 22. Stad.G. 25.$tad.J Kah eze — [7a : rr — nA iS; _ Archiv. f mikroskon. Anatomie Ba_XXMX 1 ra b WAND i' aaa [44 e 3 9. PR & nn u nu u, ei ge IR 72 8. ar 7: n. / ©. < d ce III Ih DNS > — ——— 7 N | ISETHERN ++ Ja Lane Ke g 2 ' Archiv £mukroskon. Anatomie BaX\MNX. 2 en A A - Archiv. £ mikroskon.Anatomie. Bd.XXMX. Taf. vl. — 2 ZUR, ı J . ‘ i 1. | I 2 \\ £* ‚\ £, 5 s > >, - + FR > 3 Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXAMX. Et w In M ar en Taf: VIH. Vom: SEIZLHNGEN - Dt er Sn € nn f=ikkg] - je chi ] usa 134 [ 7 % Archiv. S mikroskop. Anatomie. Ba.XNXX- [ Bir. | en: "% » h an a* BE "x ar 2 u) ii > - Archir fmikroskop. Anatomie Ba. XXNX. fe Hl TG mE Ve T We We N a a ee | R ’ 4 k : % aFo0s al Ir zZ = 09 00:5 — | 17. "0.0.0990 09,0 9°0 a Wo 99 o o> es oo o ° 20. ; j ni; E WE A Pr} 2 = Be Fr Archiv. f mikroskon. Anatomie. Bd.XXXIX a “ “2 Faak &Krapf, München. del. . Ba. XKXIX te ukroskon. Analom LER JE 17 EArTch Jıth Anst.w Werner & Winter Frankfart®M! Kropf, München. del ER # 2 F RT Pr re “r_ dh ee a as SE 0 Mi Zu Archiv f-mikroskop. Anatomie Bd. XXXIX. - | I EEE HEIDEN -. — pass a 5er es YAZX. Archiv f' mikroskop. Anatomie. Bd. A Taf: XIV. 20 owutz deln. 17 LO L 6b. Da Anst, u Werner d Binder Frank für. ik. Archiv. fmukroskop. Anatomie Bd. XXXIX. 7: NW Oscar Hertwıg { Y I \ 7 = 7 = = 1 = 6 = _ fi \ ‘ Seceaet ce 4 Archiv fmikroskop. Anatomie. Bd. XXXX. IR I ur ds I ae > ® a“ STAERESSG EEE 4 EL -s P DENN N II ee N “ll I N UND ” ehe EEE ı SCH. = Um» - Oscar Herwig del. - Archiv f£ mikroskon. Anatomie. Bd. XXX. ac, 2uR mann, EABAER 2. a T T . Oscar Hertwig. del, 2 f; EuaDS v rn du ltzeet N Oscar. Reriwig del. Aa HN AU NN u Beraar ” r WATTE wur N Sig: Wi : > HERE ae Sa aunun Y; a U, ii x R n . w % = , \ [2 ij . r mr: ’ By Jıtk. AnstuWarreraWäer Bj ana En Y # { u | a}! el { HJ Sr \\ fi pr dr Mi Yır #7 f 08 4 { j* Fin Archiv f. mıkroskop. Anatomie. Bd. AXXX. | | fe | | | wu? Oscar Hertwig de) JE nn ERS ci . 1.) j = m PEN e Ih. 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