MARINE BIOLOGIGAL LABORATORY. eo —— Received Accession No. Given by Place, *,* No book or pamphlet is to be removed from the Lab- oratory without the permission of the Trustees, r IM f A £= : 3 Se: Ay a U RN? RN b EN yo | RN N en Arehıv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Sehultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Vierzigster Band. Mit 32 Tafeln und 15 Abbildungen im Text. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1892. Inhalt. Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. Von Dr. Gmelin. (Aus dem zoolog. Institut der Universität Tübingen.) Hierzu DaIRe B BRENZ... Ueber die nervösen : in aa Helma ae Menschen Zweite Mittheilung. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel II. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. (Fortsetzung.) Von Hans Virchow. Hierzu Tafel III u. IV. ar Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gr edias a: Latr. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Reduetions- theilung. Von Dr. OÖ. vom Rath. (Aus dem zoolog. Institut der Universität zu Freiburg i. B.) Hierzu Tafel V. Das Schmelzorgan des Edentaten, seine Ausbildung im Embryo und die Persistenz seines Keimrandes bei dem erwachsenen Thier. Von Dr. med. E. Ballowitz, Privatdozent und Pro- sector an der Universität Greifswald. Hierzu Tafel VI u. VII. Zur Histologie der Ctenophoren. Von Dr. phil. et med. Paul Samassa. (Aus dem zoologischen Institut zu Heidelberg.) Hierzu Tafel VII—X1. . BL LER ar Werke Die Furchung des Eis von Aequorea Fordkälea) Mit besonderer Berücksichtigung der kerngeschichtlichen Vorgänge Von Dr. V. Häcker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XIII u. XIV und 5 Textfiguren. BEIN ART N ERSTER IS GARER TOO EB. ce ee Ueber die en der Urethra und des Dammes beim Menschen. Von Dr. med. W. Nagel, Privatdocent für Ge- burtshülfe und Gynäkologie an der König]. Friedrich-Wilhelm- Universität zu Berlin. (I. Anatomische Anstalt zu Berlin.) Hierzu Tafel XV und 6 Textfiguren. eo ve Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. Von Dr. med. Alfred Schaper, Assistent am anatomischen Institut zu Zürich. Hierzu Tafel XVI u. XVII. PR LTR 2 Ist Keratin, speciell das Mark von Hystrix, ein Glutinbildner ? Von Oscar Liebreich : P ; Ueber die schlauchförmigen Drüsen nes ie endamnleanals ae die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel der Schleimhaut. Zweite Mittheilung. Von G. Bizzozero, Pro- fessor in Turin. Hierzu Tafel XVIII und XIX. Seite 133 157 243 3235 IV Inhalt. Studien über den Bau des Chromatins in der sympathischen Ganglienzelle. Von Dr. Friedrich Vas. (Aus dem histolog. Laboratorium der I. medizinischen Klinik Prof. v. Koränyi’s in Budapest.) Hierzu Tafel XX. ; Auen Zur Kenntniss der Ausbreitung und Endigungsweise der Ma En-, Darm- und Pankreas-Nerven. Von Erik Müller. (Aus der histologischen Anstalt des Carolini’schen Instituts zu Stock- holmansleszu a Tafel XXI und ARIL,, "een 0 Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide bei Nervendegenerationen. Von Dr. G. Carl Huber, ass. Prof. der Histologie an der Staatsuniwersität Ann’ Arbor, Michigan, U. S. A. (Physiologisches Institut der Universität Berlin, mikroskopisch-biologische Abtheilung.) Mit 4 Figuren im: Text. Een ee. 118 Ueber den nenn Getsskörper im Auge einiger Be niden. Von Dr. G. Thilenius. (Aus dem ersten anatomi- schen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXI. . ße Anatomisch - entwicklungsgeschichtliche Studien. über die form- bildende Bedeutung des Blutgefäss - Apparates unter beson- derer Berücksichtigung der damit verbundenen mechanischen Einflüsse. Von H. Endres. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Hierzu Tafel XXIV—XXVL. Ueber das Epithel der Ausführungsgänge der grösseren Drüsen des Menschen. Von Hermann Steiner, cand. med. (Aus der anatomischen Anstalt in Zürich.) Hierzu Tafel XXVII. Ueber Mermis nigrescens Duj. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Fserzu Tafel XVII und XXIX.. . +» 27% RER ARE Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Eehönscheichen. Von Dr. med. Baumgarten. (Aus dem II. anatomischen Institut ZUMBEer mA AIENEerZiraAatel IRRE, ee ee ee: Ueber die „intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen“. Von Dr. Arnold Spuler (Freiburg i. B.). (Von der Berliner med. Fakultät gekrönte Preisschrift.) (Aus dem Il. anatomi- schen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XXX1. Zur Entwicklungsgeschichte des Nephridial-Apparates von Megas- colides australis. Von F. Vejdovsky, Professor an der böhmischen Universität in Prag. Hierzu Tafel XXXD. .. Seite 375 390 409 418 435 484 498 512 530 552 (Aus dem zoolog. Institut der Universität Tübingen.) Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. Von Dr. Gmelin. Hierzu Tafel 1. Vorliegende Arbeit stellt sich die Aufgabe, mit Hilfe der Vergleichung nach dem Grundplan zu suchen, nach welchem die Anlage und der Bau der Papilla vallata und foliata der Säuge- thiere erfolgte. Die .Verschiedenheit der Anordnung und die Mannigfaltigkeit der Gestaltung der Papillen fordert zu einem solchen Versuch auf. Es ist eine auffallende Erscheinung, dass bei der Fülle von Arbeiten, welche sich mit den Geschmacks- organen beschäftigen, so wenige die Morphologie der Papillen selbst berücksichtigt haben, eine Erscheinung, die ihre Erklärung darin findet, dass seit der Entdeckung der Geschmacksknospen durch Schwalbe und Loven in erster Linie die Endapparate der Geschmacksnerven die Aufmerksamkeit der Untersucher in An- spruch nahmen. Die wenigen Autoren, die sich mit der Morphologie der Geschmackspapillen befasst, haben fast alle mit einander gemein, dass sie die drei Träger der Geschmacksknospen, die Pap. fungiformis, vallata und foliata zu einander in Beziehung setzen und die eine aus der andern entstehen lassen. Der erste, der sich eine Vorstellung von der Entstehung der Pap. vallata und fungiformis machte, war J. 6. Mayer!) Er lässt die Pap. vallata allmählich in die fungiformis übergehen, indem der Wall der ersteren wegfällt und der eingeschlossene Pilz kleiner wird. Nach H. von Wyss?) entsteht die Pap. foliata aus der vallata durch seitliche Abplattung. Ferner theilt er?) die Säuge- 1) Ueber die Zunge als Geschmacksorgan. Novor. actor. Acad. Caes. Leopold. Carol. natura euriosor. Vol. XX, II. Theil, S. 723. 2) Ueber ein neues Geschmacksorgan auf der Zunge des Kanin- chens: Centralblatt für die med. Wissenschaften Jahrg. 1868. 3) Die becherförmigen Organe der Zunge. Archiv für mikr. Anat. Bd. VI, 1870, 8.237. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 ji 2 Gmelin: thiere je nach der Lage und Gestalt der Papillae fungiformes und vallatae in 5 Gruppen und eine dieser Gruppen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Pap. vallatae und fungiformes in ein- ander übergehen. Poulton!), welcher die Zunge von Ornithorhynchus zur Verfügung hatte, spricht nach der Form der Geschmacksorgane bei diesem Thier von Geschmackskämmen. Diese liegen in Ver- tiefungen, und er denkt sich die Pap. vallata entstanden durch Kürzerwerden solcher Geschmackskämme, bis sie eine halbkreisför- mige Erhebung darstellen. Die Pap. foliata entsteht durch An- einanderlagerung der in die Länge gezogenen und durch Furchen getrennten Kämme. Die meisten Angaben über die Entstehung der Geschmacks- papillen finden sich bei Brücher?). Nach ihm ist die Grund- form der Geschmackspapillen die Pap. fungiformis. Aus dieser entwickelt sich sowohl die Pap. vallata als foliata. Den Beweis dafür sieht er in Uebergangsformen, die er an verschiedenen Thieren beschreibt. Wie Brücher bezeichnet auch Kunze), die Pap. fungif. als die Vorstufe der Pap. vallata. Nach Boulart-Pilliet*) sind die blättrigen Papillen nichts anderes als seitlich abgeplattete umwallte Papillen. Tuekerman?), welcher zahlreiche Untersuchungen an den verschiedensten Säugethierzungen machte, ist zu einer anderen Ansicht als seine Vorgänger gekommen. Er sagt: „die An- nahme, dass die Pap. fungiformis die Vorläuferin der Pap. val- 1) The tongue of Ornithorhynchus paradoxus; the origin of taste bulbs. ... Quarterly Journal of Microscopical Science N. S. XXIII, 1883. S.453. 2) Ueber die Vertheilung und Anordnung der Geschmacks- papillen auf der Zunge der Säugethiere, spec. der Hufthiere. Tübingen. Inaug.-Dissertation 1884 u. deutsche Zeitschr. für Thiermedie. u. vgl. Patholog. X, 1884. 3) Zur Mikroskopie der Maulhöhle. Deutsche Zeitschrift für Thiermediein und vergl. Patholog. XI. Bd. 1885. 4) Note sur l’organe foli&e de la langue des mammiferes. Journ. de l’Anatom. et Physiolog. Bd. XXI, 1885, S. 337. 5) On the developement of the taste organs ofMan. Journal of Anatomy and Physiolog. Vol. XXIII, 1889. N.S. Vol. III, S. 559 und On the gustatory organs of the mammalia. Proceedings of the Boston Society of Natural history. Vol. XXIV, 1890, S. 470. Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 3 lata, und dass jede Pap. vallata nur eine Modifikation der Pap. fungiformis sei, ist kaum haltbar. Einige Papillen mögen so entstanden sein, andere, und das ist sicherlich die Mehrzahl, haben gewiss einen anderen Ursprung.“ Ganz ebenso spricht er sich in anderen Arbeiten aus. Es wird also in den letztgenannten und erst in neuester Zeit erschienenen Arbeiten erstmals ein Zweifel in die Richtigkeit der Annahme gesetzt, dass die Pap. vallata nur eine höher ent- wickelte Form der Pap. fungiformis sei. Wie diese Annahme sich so lange Zeit erhalten konnte, ist leicht verständlich. Schon eine oberflächliche Betrachtung der Zunge genügt, um bei höher entwickelten Säugern eine Aehn- lichkeit in der Form beider Papillen erkennen zu lassen. Beide stellen sich als warzenartige Erhebungen dar, welche der Zungenschleimhaut mit mehr oder weniger deutlich eingeschnürter Basis aufsitzen. Ferner wird ein Uebergang der einen Form in die andere dadurch wahrscheinlich gemacht, dass die Papillae fungiformes nicht blos im nächster Nachbarschaft der umwallten Wärzchen, sondern, wie schon Schwalbe!) und Hoenig- sehmied?) beschrieben haben, sogar auf diesen als sekundäre Erhebungen sich finden. Ein Uebergang von Pap. fungiformes in vallatae wird von Brücher?) beschrieben, welcher an der Zunge von Hystrix eristata beobachtet hat, wie die erstgenannten Papillen, je weiter sie dem Zungengrund sich nähern, immer- mehr ihre speeifisch keulenartige Form verlieren und immer mehr in das Zungenepithel hineinsinken. Am meisten jedoch wurde die Anschauung eines allmählichen Formenübergangs durch die Entdeckung Loven's?) gekräftigt, welcher als erster nicht blos im Epithel der vallatae, sondern auch der fungiformes Geschmacks- knospen fand und somit den Nachweis lieferte, dass beide im Dienste ein und desselben Sinnesapparats stehen. Trotzdem haben die von Tuckerman ausgesprochenen Zweifel ihre Berechtigung. Wenn man nämlich eine grössere 1) Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere und des Men- schen. Archiv für mikroskop. Anatomie Bd. IV, 1868, S. 156. 2) Beiträge zur mikroskop. Anatomie der Geschmacksorgane. Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. XXIII, 1873, S. 414. a). e..8. 14. 4) Beiträge zur Kenntniss vom Bau der Geschmackswärzchen. Archiv für mikr. Anat. Bd. IV, S. 96. 4 Gmelin: Anzahl von Säugethierzungen miteinander vergleicht, so sieht man, wie die Pap. vallata die mannigfaltigsten Formveränderungen erleidet. Diese treffen sowohl den Wall als die Papille in einer Weise, dass das Organ nicht im entferntesten mehr an eine Pap. fungiformis erinnert. Es soll auf diese Formveränderungen weiter unten näher eingegangen werden und hier nur soviel gesagt sein, dass die Oberfläche der Papille am veränderlichsten ist. Bald ist sie eben und glatt, bald zeigt sie Vertiefungen und Erhöhun- gen der verschiedensten Art, ein Verhalten, das sie mit andern Partien der Zungenschleimhaut und besonders des Zungengrundes theilt. Daraus kann zunächst nur der Schluss gezogen werden, dass die Oberfläche der Papille wie die übrige eutane Schleim- haut des Zungengrundes sich verhält. Was die von Brücher beschriebene Uebergangsform anlangt, so habe ich die Pap. fungif. von Hystrix eristata mikroskopisch ‘untersucht. Zur Un- tersuchung wurden Papillen gewählt, welche den Pap. vallatae benachbart lagen. Die an Schnitten erhaltenen Bilder zeigen dieht stehende Papillae filiformes, zwischen welchen sich eine fungiformis befindet. Beide Papillenarten haben gleiche Höhe; die Zwischenräume zwischen ihnen sind durch hohe Epithellagen ausgefüllt, welche die Papillen zu einem dichten Filz verbinden. Dadurch entsteht makroskopisch das Bild, als ob die Pap. fun- giformes in das Epithel hmeimsinken würden. Mikroskopisch aber zeigt- die Mucosa nirgends Erhebungen, welche einem Wall in der Umgebung der Pap. fungif. als Grundlage dienen würden. Man sieht überall nur eine von schlanken Pap. filiformes dieht um- standene Papilla fungiformis. Vor allem fehlen ihr die serösen Drüsen. Diese sind ein wesentlicher Bestandtheil der Pap. val- iatae, wie v. Ebner!) nachgewiesen hat, und man könnte erwar- ten, dass die Papillae fungiformes, zumal wenn sie in nächster Nachbarschaft der umwallten Wärzchen stehen, als ein Zeichen der Verwandtschaft mit diesen gleichfalls mit serösen Drüsen aus- gestattet wären. Aber dieses ist nicht der Fall, weder bei Hy- strix eristata, noch bei anderen Thieren, deren Pap. fungiformes, den verschiedensten Zungenabschnitten entnommen, ich darauf untersucht habe, ob seröse Drüsen an ihnen oder in ihrer Nähe ausmünden. Schon Schwalbe?) hat auf das Fehlen der acinö- 1) Die acinösen Drüsen der Zunge. Graz 1873. 2) ke. 8.15% Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. B) sen Drüsen in der Umgebung der Pap. fungiformis aufmerksam gemacht. In derselben Arbeit erwähnt der genannte Autor noch einen Umstand, nämlich das Fehlen von Geschmacksknospen an den Pap. fungiformes. Im Gegensatz zu Loven fand Schw albet) anfänglich keine Geschmacksknospen an den Papillae fungiformes und so ergeht es wohl jedem, der sie daran sucht. Nach zahl- reichen Präparaten findet man ab und zu eine Geschmacksknospe, vielleicht auch nur die charakteristische Lücke im Epithel, in wel- cher sie ‘ihren Platz hatte. Nach meinen Beobachtungen ist dieses Verhalten ziemlich dasselbe bei allen von mir untersuchten Thierarten; es ist das Fehlen der Geschmacksknospen an den Pap. fungiformes häufiger als. ihr Vorkommen. Somit kann dieses nicht als ein zwingender Beweis für vorhandene gene- tische Beziehungen zwischen der Pap. vallata und fungiformis geltend gemacht werden. Es muss übrigens ein Punkt erwähnt werden, welcher bei der Annahme solcher Beziehungen ausser Acht gelassen ist, dass nämlich die Papilla vallata bei allen Arten einen bestimmten Standort, die Grenze zwischen drüsenhaltigem und drüsenlosem Theil der Zungenoberfläche, einnimmt. Eine Verschmelzung bei- der Papillenformen wäre leichter denkbar, wenn der Standort der einen oder andern Papille einmal sich ändern würde in der Art, dass eme Papilla vallata innerhalb des Bezirks der Pap. fungiformes zu stehen käme, oder wenn die Pap. fungiformes auch rückwärts von den umwallten Wärzchen angetroffen würden. Dieses ist aber, wie weiter unten gezeigt werden soll, an keiner der mir zu Gebote stehenden Zungen der Fall. In Anbetracht dieser Thatsachen muss also wohl die An- sicht eines allmählichen Uebergangs der niederen Form in die höhere, der Pap. fungiformis in die vallata fallen gelassen werden. Vielmehr ist zu sagen, dass die Pap. vallata in ihrer Bildung von der fungiformis unabhängig ist und ein Organ eigenen Ur- sprungs darstellt. Ebenso lautet das Ergebniss für die Papilla foliata, wenn wir die Möglichkeit der Entstehung dieses Organs aus der Pap. vallata näher prüfen. 1) 1.c. 8.183. 6 Gmelin: Man hat eine Umbildung in der Art angenommen, dass die Pap. vallata, dureh irgend welche Formveränderungen der Zunge veranlasst, an die Seitenfläche derselben getreten ist. Hier hat entweder die Papille eine Theilung in Blätter eingegangen, oder aber es entstand die blätterige Beschaffenheit des Organs dadureh, dass mehrere umwallte Papillen nahe an einander rückten und die Papillen sieh zu Falten abplatteten. Diese Anschauung hat manches für sich. Es ist damit eine gewisse Uebereinstimmung im Bau erklärt. Ausserdem spricht dafür neben der gleichen Funktion beider Organe die Thatsache, dass sie von demselben Nervenpaar innervirt sind, wie Vintschgau und Hönig- secehmied!) experimentell bewiesen haben. Vor allem sind Ueber- gangsformen beschrieben. Brücher?) beschreibt an der Seiten- fläche der Zunge von Cercoleptes caudivolvulus eine in Theilung begriffene Pap. vallata. Fig. 1 stellt diese Papille in doppelter. Vergrösserung dar. Beachtenswerth ist, dass der Graben in seiner unteren Partie unterbrochen ist und das Öberflächenepithel der Papille unmittelbar in das der Zungenschleimhaut übertreten lässt. Fig. 2 zeigt einen mikroskopischen Querschnitt durch das Organ. Nach diesem liegt die Deutung näher, dass man hier eine aus- gebildete Pap. foliata vor sich hat, welche aus 2 Blättern und 3 Furchen besteht. Dafür spricht das Verhalten der Geschmacks- knospen in der Aussenwand der ersten und letzten Furche, welche fast bis an das Oberflächenepithel heranreichen, eine Beobachtung, die wir wohl an der Pap. foliata machen, nieht aber an dem Ringwall der Pap. vallata. Als ein weiterer Beweis für morpho- genetische Beziehungen zwischen der Pap. vallata und foliata ist das Vorkommen einer foliata am Platze der vallata auf dem Zungenrücken angeführt worden. Ein solches ist von v. Ebner an der Zunge des Meerschweinchens und von Brücher an der Zunge der Giraffe beschrieben und abgebildet worden. v. Eb- ner) sagt von dem von ihm gefundenen Gebilde, dass es der Lage nach einer Pap. vallata, der Form nach einer Pap. foliata 1) Nervus glossopharyngeus und Schmeckbecher. Archiv für Physiologie Bd. 14, 1877. 2) 1. ec. 8.14. 3) l. ec. 8.8. Vgl. auch Hönigschmied, Beiträge zur mikrosk. Anat. der Geschmacksorg. Zeitschrift für wissensch. Zoolog. XXIII, 1873, S. 425. Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 7 entspreche. In der That erhält man bei Betrachtung mit blossem Auge den Eindruck, als bestehe das Organ aus 4 Furchen und 3 von diesen begrenzten Falten. Auf dem mikroskopischen Quer- schnitte aber findet man, dass nur die beiden mittleren Furchen tief in die Mucosa hereinragen und wie Geschmacksfurchen sich verhalten, d. h. mit Knospen und den Mündungen von Drüsenaus- führungsgängen versehen sind. Die beiden seitlichen Furchen sind weniger tief und zeigen jene Merkmale nicht, sie dienen vielmehr nur dazu, eine waulstartige Erhebung der Schleimhaut gegen die Zungenoberfläche abzugrenzen. So hat v. Ebner das Organ abgebildet und der mikroskopische Befund mag wohl Veranlassung gewesen sein, dass er das Organ der echten Pap. foliata am Seitenrand der Zunge des Meerschweinchens gegen- überstellt und es für zwecekmässig erachtet, den Namen einer Pap. vallat. für das auf dem Zungenrücken gelegene Organ beizu- behalten. Dazu berechtigt auch der Vergleich mit den Zungen anderer Nager. An diesen ist die Form der umwallten Pa- pillen häufig in der Art abgeändert, dass Wall und Graben die Papille nicht allseitig umgeben, sondern vorn und hinten unterbrochen sind. Fig. 3 stellt den Querschnitt einer Pap. vallata des Meer- schweinchens bei schwacher Vergrösserung dar. An ihr ist der Ringwall weit weniger ausgeprägt, als bei der von v. Ebner gegebenen Darstellung, so dass eine so scharfe Abgrenzung gegen die Zungenoberfläche nicht stattfindet. Ausserdem kann man sich an der Abbildung davon überzeugen, wie die Geschmacksknospen- region in dem Epithel der Papille weiter hinaufreicht, als im Ringwallepithel, eine Erscheinung, die der Pap. vallata eigen- thümlich ist. Brücher!) hat auf dem Zungengrund der Giraffe eine Pap. foliata oberhalb der Pap. vallatae beschrieben. Die mikro- skopische Untersuchung hat ergeben, dass diese Bildung überhaupt nicht als Geschmacksorgan anzusprechen ist. Man sieht unter dem Miskroskop nicht sehr hohe, durch seichte Furchen getrennte Schleimhautfalten. In die Furchen münden Schleimdrüsen, deren Ausführungsgänge man sowohl auf dem Boden der Furchen, als an den Wänden der Falten findet. In dem unter der Bildung gelegenen Gewebe sind überall nur Schleimdrüsen, aber keine Eiweissdrüsen; Geschmacksorgane fehlen überall im Epithel. Diese. 8 Gmelin: Es ist ersichtlich, dass mit den Versuchen, Uebergänge zwischen der Pap. vallata und foliata festzustellen, die Entstehung des blätterigen Geschmacksorgans nicht erklärt werden kann. Mit dem Nachweis dieser Verwandtschaft würde zudem die Frage, warum die Blätter und Furchen des Organs gerade die ihnen eigenthümliche Anordnung haben, nicht beantwortet. Bei allen mir zu Gebote stehenden Zungen, welche mit einer Pap. foliata ausgestattet sind, finde ich die Falten und Furchen mehr oder weniger senkrecht zum Zungenrand verlaufend. Würde das Organ durch Aneinanderrücken umwallter Wärzehen oder durch Spaltung einer Papille entstehen, so wäre ebensogut möglich, dass die Furchen und Blätter eine andere Richtung als die genannte ein- halten würden. Wir müssen also eine andere Erklärung für die Gestaltung der Pap. foliata suchen, in welcher auch diese Fragen eine Be- antwortung finden sollen. Um einen Ueberbliek über die Anordnung und die Form der Pap. vallata und foliata mir zu ermöglichen, hatte der Vorstand des hiesigen zoologischen Instituts, Herr Professor Dr. Eimer, die Güte, mir die reichhaltige Zungensammlung des Instituts zur Verfügung zu stellen. Ebenso wurde mir vom Kgl. Naturalien- kabinet in Stuttgart durch die gütige Vermittlung des Herrn Pro- fessors Dr. Lampert Material überwiesen. Die Zungen einiger bei uns wild lebender Säuger und die der Hausthiere hatte ich Gelegenheit, frisch zu bekommen. Mit frischen Pferdezungen wurde ich durch die freundlichen Zuwendungen des Herrn Pro- fessors Dr. Sussdorf, Vorstand des anatomischen Instituts an der Kgl. thierärztlichen Hochschule in Stuttgart, versehen. Wenn ich dadurch in Stand gesetzt war, über eine ansehnliche und seltene Sammlung von Zungen der verschiedensten Säugethierarten zu ver- fügen, so zeigten doch die Reihen bedauerliche Lücken. Vor allem fehlten mir guterhaltene Zungen von Monotremen. Auch die Beutel- thiere, deren Vergleichung wegen der Mannigfaltigkeit der Ernährung von besonderem Werth gewesen wäre, waren nur spärlich vertreten. Die Wale endlich mussten wegen Mangels an brauchbarem Material gänzlich unberücksichtigt bleiben. Es kann darum die Arbeit nicht den Anspruch der Vollständigkeit machen, sie stellt vielmehr einen Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 9 Versuch dar, auf Grund gemachter Beobachtungen die Gestaltung der Pap. vallata und foliata zu erklären. Die Bearbeitung des Materials wurde so vorgenommen, dass zuerst die Lage und äussere Gestalt der Papillen durch Beobach- tung mit blossem Auge oder mit der Lupe festgestellt wurde. Daran schloss sich die mikroskopische Untersuchung in allen Fällen, wo die Alkoholkonservirung der Sammlungspräparate noch Resultate erwarten liess, besonders aber, wo neue und ty- pisehe Formen sich zeigten. Alles Material, das frisch zu erhalten war, wurde zu mikroskopischen Zwecken verwendet. Die Her- stellung der Präparate erfolgte nach Härtung mit bekannten Mitteln (vorwiegend Alkohol) und Färbung der ganzen Stücke mit den gebräuchlichen Farbstoffen (in der Regel Boraxcarmin) in der Art, dass Seriensehnitte durch die Organe und ihre Um- gebung aus Paraffin angefertigt wurden. Dies hatte den Zweck, über die Vertheilung der Eiweissdrüsen und Schleimdrüsen in der Umgebung der Papillen Aufschluss zu erhalten. Mit Hilfe der von Sussdorft) empfohlenen mikrochemischen Reaktion auf thierischen Schleim gelang dies vorzüglich: Die mit Borax- carmin gefärbten Schnitte wurden mittelst Methylenblau nachge- färbt, wodurch eine Doppelfärbung entstand, welche die Schleim- drüsen blau und die Eiweissdrüsen und das übrige Gewebe roth erscheinen liess. Wenden wir uns nun zu der Papilla vallata. Sie ist ein dem Geschmackssinn dienendes Organ, welches die Säugethiere in der verschiedensten Anordnung, Anzahl und Form besitzen. Während die Anordnung, wie Brücher mit Recht betont, innerhalb einer Thierfamilie wenig sich ändert, ist die Anzahl und Form manchen Schwankungen sogar innerhalb ein und derselben Art unterworfen. Das Organ ist bis jetzt nicht gefunden bei Hyrax capensis, und wenn wir einer Angabe von Tuekerman?) folgen, fehlt es dem Guineaschwein. Am zahlreiehsten vorhanden ist es bei den Wiederkäuern, bei welchen es zugleich seine schönste Entwicklung und die grösste Mannig- 1) Mikrochem. Reaktion auf thierischen Schleim. Deutsche Zeit- schrift für Thiermediein u. vergl. Patholog. Bd. 14, 1889, S. 345. 2) On the gustatory organs of the mammalia. Proceedings of the Boston Society of Natural history Vol. XXIV, 1890, S. 470. 10 | Gmelin: faltigkeit der Form zeigt. Die Papille hat ihren Platz auf der Oberfläche der Zunge und man hat sie im allgemeinen auf der Grenze zwischen Zungenkörper und -Grund zu suchen. Ist sie in der Einzahl vorhanden, so liegt sie in der Medianlinie der Zunge etwa in der Gegend, wo beim Menschen das Foramen coecum sich findet. Sind mehrere Papillen da, so sind sie so gelagert, dass sie einen nach vorn offenen Winkel bilden, dessen der Epiglottis zugekehrte Spitze meist von einer median gelegenen Papille ein- genommen wird. Es kommt vor, dass nur zwei Papillae vallatae vorhanden sind und dass die dritte mittlere ganz fehlt. Dann hat man sich die beiden Papillen auf einem bestimmten Punkt der Schenkel des Winkels liegend zu denken und zwar um so weiter auseinander, je stumpfer der Winkel ist und je weiter sie von der Kreuzungsstelle des Winkels entfernt sind. Diese Stelle ist gekennzeichnet entweder durch eine dem Foramen coeeum entsprechende seichte Vertiefung der Zunge, oder auch dadurch, dass an ihr die dritte mittlere Papille innerhalb ein und der- selben Art ab und zu wieder zum Vorschein kommen kann; es hat z. B. das Pferd bald zwei, bald drei umwallte Papillen. An den Zungen, die nur zwei Papillae vallatae haben, schiebt sich der drüsenlose Theil des Zungenrückens keilförmig in den drüsenhaltigen Zungengrund herein, und wenn sich auf dem ersteren Pap. fungiformes befinden, so erhält man den Ein- druck, als kämen diese rückwärts von den Papillae vallatae vor. Man kann sich aber leicht überzeugen, dass dem nicht so ist, wenn man sieh jenen Winkel construirt, dessen Schenkel das Gebiet der fungiformes überall abgrenzen. An jeder Papilla vallata haben wir drei Theile zu unter- scheiden: den vom Graben umgebenen Theil, den Graben und die in den Graben mündenden Drüsen. | 1. Der vom Graben umgebene Theil hat bei höheren Säugern eine kreisrunde Form und ähnelt einer gestielten Warze. Es mag dies die Ursache gewesen sein, das Organ mit dem Namen zu belegen, den es jetzt führt. Allein es ist dies durchaus nicht die häufigere Gestalt, sondern es kommen die verschiedensten Formveränderungen vor, welche ihrerseits wieder mit Aenderungen in der Anlage des Grabens innig zusammen- hängen. Als die einfachste Form der umwallten Papille wird diejenige angesehen werden müssen, bei welcher noch keine voll- Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. Mi! ständige Abgrenzung von der übrigen Zungenschleimhaut durch Wall und Graben stattgefunden hat, bei welcher vielmehr der Graben noch dureh Brücken unterbrochen ist, vermittelst deren die Papillenoberfläche mit der der Zunge in Verbindung steht. Eine solehe Form haben wir schon oben beim Meerschweinchen ge- troffen, und auch bei anderen Nagern begegnen wir ihr, z. B. bei Coelogenys paca, bei Hystrix eristata und ganz besonders deutlich bei Myopotamus coypus, da hier die Papillen eine be- trächtliche Grösse erreichen. Bei diesen Thieren wird ein länglicher Bezirk der Schleim- haut zu beiden Seiten von Furchen begrenzt; am vorderen und hinteren Ende des Bezirks sind diese unterbrochen und lassen das eingeschlossene Epithel in das der Zungenoberfläche über- gehen. Die nächste Möglichkeit wird die sein, dass vorn oder hinten an dem Bezirk die verbindende Brücke in Wegfall kommt und die Furehen miteinander verschmelzen. Findet dies am hinteren Ende statt, so hat der Graben die Form eimes Hufeisens, dessen Schenkel nach vorn geöffnet sind: der Bezirk ist vorn mit der Zungenoberfläche verbunden. Diese Form zeigen gleich- falls emige Nager, z. B. Ratten, Mäuse, ebenso der Hamster!). Besonders schön ausgeprägt aber ist sie bei den Wiederkäuern und unter diesen beim Lama, was schon J. C. Mayer bekannt war. An der Zunge dieses Thieres finden wir auch die umge- kehrt hufeisenförmige Gestalt des Geschmacksorgans, indem die Verbindungsbrücke vorn verschwunden ist und das Organ nach hinten in die Zungenoberfläche übergeht. Vereinigen sich die Furchen vorn und hinten zugleich miteinander, so erhält die abgegrenzte Partie die Form einer von einem Graben allseitig um- gebenen Ellipse, deren Längsaxe mit dem Schenkel des der Lagerung der Papillae vallatae zu Grund gelegten Winkels zu- sammenfällt. Am auffälligsten ist dieses Verhalten an der Zunge von Moschus javanieus, an welcher das Geschmacksorgan zwei nach dem Zungengrund konvergirende langgestreekte Ellipsen darstellt. Erst wenn die Ellipse sich zu einem kreisförmigen 1) Dieser sei besonders erwähnt, da Hönigschmied angiebt, bei ihm keine Pap. vallat. gesehen zu haben: „Kleine Beiträge betr. die Anordnung der Geschmacksknospen bei den Säugetbieren.“ Zeit- schrift für wiss. Zoolog. Bd. 47, 1888. 12 Gmelin: Gebilde abrundet, erhalten wir die den höheren Säugern eigen- thümliehe Form der umwallten Geschmackswarze. Was den feineren anatomischen Bau derselben anlangt, so glaube ich, mich hier kurz fassen zu dürfen; in den Lehr- büchern und Arbeiten, welche sich mit der Histologie der Ge- schmacksorgane beschäftigen, ist derselbe zur Genüge behandelt. Es sei nur auf einige Besonderheiten aufmerksam gemacht, welche bisher nicht genügend berücksichtigt wurden. Es ist schon er- wähnt, dass der Schleimhautüberzug der Papille wie die cutane Schleimhaut der benachbarten Zungenpartie sich verhält. Hier wie dort haben wir denselben Papillarkörper und dieselben Epithel- lagen, welche auf der Oberfläche der Papilla stärker entwickelt sind als an der dem Graben zugekehrten Seitenwand, wo sie eine Verminderung erfahren. Die Oberfläche der Papille ist bald glatt, bald zerklüftet; die Zerklüftung kommt nicht blos durch eine besonders starke Entwicklung der Cutispapillen zu Stande, sondern auch durch porenartige Vertiefungen, welche die Schleim- haut durchbohren. Am besten ist dies an der grossen umwallten Papille des Pferdes zu sehen. Diese Poren stellen erweiterte Ausführungsgänge seröser Drüsen dar, wie sie schon von Schwalbe!) beschrieben worden sind. Die Ausführungsgänge sind mit geschichtetem Epithel ausgekleidet, welches von dem Öberflächenepithel der Papille abstammt und bei älteren Indi- viduen von diesem nicht verschieden ist. Bei Neugeborenen da- gegen fand ich zahlreiche Geschmacksknospen in dasselbe einge- lagert. Bei einem 270 Tage alten Pferdefötus zeigte jeder der- artige Ausführungsgang in seinem Epithel wohlausgebildete Ge- schmacksknospen, welche mit denen in der Geschmacksregion an der Seitenwand und Basis der Papille gleiche Grösse und gleiches Aussehen hatten. Das Grundgewebe der Papille besteht aus fibrillärem Binde- gewebe, welchem reichlich elastische Fasern beigemischt sind. In dieses Gewebe sind Acini seröser Drüsen und viele Nervenfasern eingelagert. Beim Pferd und Fohlen fand ich auf Querschnitten durch die Pap. vallat. mehrere Nester von Ganglienzellen. Bei starker Vergrösserung zeigen viele derselben innerhalb ihres Kernes ein aus feinen Fädehen bestehendes Maschenwerk, durch welches DelseaSalnb: Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 13 das Kernkörperehen mit den im Zellkern enthaltenen Körnehen verbunden ist, ein Verhalten, auf das Professor Eimer!) auf- merksam gemacht hat. Ausser nervösen Elementen sind vor allem zahlreiche Blut- und Lymphgefässe zugegen. Das Vor- handensein grösserer Lymphsinus im Inneren der Geschmacks- papillen hat Drasch?) beschrieben. Neben Lymphbahnen be- gegnet man aber noch Iymphadenoidem Gewebe in jeder umwallten Papille und zwar in verschiedener Form. Bald ist es eine nicht scharf umschriebene zellige Infiltration, bald ein förmlicher Lymphknoten, den wir innerhalb der Papille treffen. Die erstere Form, welehe ich besonders bei jüngeren Individuen (neuge- borenem Kind und Fohlen) beobachtet habe, hat ihren Sitz in der propria mucosa in der Nähe der Geschmacksregion an der Seitenwand. Die zweite Form ist in Fig. 4 abgebildet, welche einen Horizontalschnitt durch die Pap. vallata des Hasen dar- stellt. Im Mittelpunkt der Papille, deren Sitz durch die kreis- föürmig angeordneten Drüsenausführungsgänge angedeutet ist, findet sich ein Lymphfollikel, welcher im seinem Innern ein quergeschnittenes, spaltförmiges Lymphgefäss zeigt. Das Vor- kommen von Iymphadenoidem Gewebe in der Papille ist darum bemerkenswerth, weil wir ähnlichen Verhältnissen an den Aus- führungsgängen der Zungendrüsen begegnen, worauf unten noch hingewiesen werden soll. 2. Der die Papille umschliessende Graben. Es ist schon erwähnt, dass Aenderungen in der Anlage des Grabens Hand in Hand gehen mit Aenderungen in der Form der Papille. Betrachtet man den Graben einer nieht vollkommen umgrenzten Papille, wie wir sie bei Nagern gesehen haben, genauer, so kann man beobachten, wie er nicht plötzlich in die Schleimhaut sich einsenkt, sondern allmählich beginnt und ebenso allmählich gegen die Zungenoberfläche hin ausläuft. Die Breite des Grabens hängt ab von dem Verhalten des Ringwalls, worunter man die der Papille gegenüberstehende Wand versteht. Ist der Ringwall seicht abgeböseht, so erscheint der Graben von oben 1) Eimer, Weitere Nachrichten über den Bau des Zellkerns. Arch. für mikr. Anat. Bd. 14, 1877, S. 9 f. 2) Histolog. und physiolog. Studien über das Geschmacksorgan. Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. Jahrg. 1853, Dezember- heft S. 516. 14 Gmelin: gesehen weit, fällt er dagegen senkrecht ab, so wird der Graben zu einer schmalen Spalte. Nicht selten ist der Rand des Ring- walls durch starke Entwickelung des Papillarkörpers und des epithelialen Ueberzugs wulstartig verdickt. Dadurch kann er die Oberfläche der Papille etwas überragen und sich selbst bald schwächer, bald deutlicher von der übrigen Zungenoberfläche abheben. Wie durch das letztere Verhalten weitere Geschmacks- furchen vorgetäuscht werden können, haben wir beim Meer- schweinchen gesehen. Im Uebrigen ist der Ringwall ganz ähn- lich gebaut wie die Papille. In semem Epithel finden sich namentlich bei Nagern (Ratte, Meerschweinchen, Hase, Kanin- chen), dann aber ebenso bei Hund und Mensch!) Geschmacks- knospen, so dass man auch an der Aussenwand des Grabens in solehen Fällen von einer Geschmacksregion sprechen kann. Je- doch ist diese von der Geschmacksregion der Papillenwand dadurch verschieden, dass sie nicht so weit gegen die Ober- fläche der Zunge heraufreicht. In dem bindegewebigen Gerüst des Ringwalls ist das Vorkommen von Iymphadenoidem Gewebe eine häufig beobachtete Thatsache; Fig. 3 (h) zeigt dasselbe. Noch besonderer Erwähnung bedürfen die Ausführungsöffnungen der Drüsengänge. Ihr Vorkommen ausserhalb des Wallgrabenbezirks auf der freien Zungenoberfläche, wie es mehrfach beschrieben wird ?), konnte ich bei keinem der zahlreich von mir untersuchten Thiere- feststellen. Stets fand ich die Oeffnungen beschränkt entweder auf die Oberfläche der Papille (s. o.), oder die Seiten- wände des Grabens, in den weitaus meisten Fällen waren sie am Boden desselben. Hier münden die Gänge nicht in gleichem Niveau mit dem Boden, sondern auf kraterförmigen klemen Er- hebungen Fig.4 b!. Die Erhebungen bestehen aus bindegewebigen Massen, welche die Gänge umsehliessen und von einander trennen. Es sei dieses Verhalten desshalb hervorgehoben, weil es auf eine gesonderte Anlage der Drüsenausführungsgänge hinweist. Dadurch, dass diese alle in dem Graben sich vereinigen, wird dieser zu eimem gemeimsamen Behälter für ihr Sekret, und man hat eine Einrichtung vor sich, wie sie diejenigen Drüsen 1) Hönigschmied,l.e. S.419. 2) Kunze, l.c. S.21 und Ellenberger, Histologie der Hautsäugethiere S. 698. . w Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. if des Zungengrundes zeigen, welche in Furchen oder grubige Ver- tiefungen der Schleimhaut münden. 3) Die Drüsen. Die innigen Beziehungen zwischen Ge- schmaeksorgan und serösen Drüsen hat erstmals v. Ebner nachgewiesen und auf Grund seiner Untersuchungen die physio- logische Zugehörigkeit der Drüsen zu den Geschmacksorganen ausgesprochen. Allein da sich noch in neueren histologischen Lehrbüchern und Specialarbeiten!) die Angaben finden, dass auch Schleimdrüsen in die Furchen sowohl der vallata als foliata münden, habe ich bei den von mir mikroskopisch untersuchten Zungen darauf gesehen, mir Gewissheit über die Vertheilung beider Drüsenarten im Bereich der Geschmacks- papillen zu verschaffen. Die oben erwähnte Doppelfärbung lie- ferte untrügliche Bilder. Ausserdem bediente ich mich noch beim Pferd eines physiologisch chemischen Nachweises. Ich schnitt an einer frischen Zunge die eine Pap. foliata sammt dem darunter liegenden Gewebe keilförmig aus und entfernte aus der Mitte des Zungengrundes etwas vor der Epiglottis ein gleich grosses und ebenso geformtes Stück; beide wurden gesondert zerkleinert, mit chemisch reinem Glycerin mehrere Tage lang extrahirt und hierauf das Extract abfiltrirt. Von dem gewonnenen Filtrat jeder Partie wurden bestimmte Mengen zu einem ver- dünnten Stärkekleister gebracht und beide Mischungen 4 Stunden lang einer Temperatur von 40° ausgesetzt. Hierauf wurde mit frischer Fehling’scher Lösung auf Zucker untersucht, wobei sich herausstellte, dass in der einen Mischung, welche von dem Extrakt der Pap. foliata enthielt, reichlich Cu,O abgeschieden wor- den war, in der anderen dagegen nur äusserst wenig. Ich will erwähnen, dass sowohl das Glycerin, als der verdünnte Stärke- kleister auf ihr Reduktionsvermögen geprüft wurden und dass das Glycerin in geringen Spuren zu redueiren vermochte. Die enge Zusammengehörigkeit von Eiweissdrüsen und Ge- schmacksorganen ist so zuverlässig, dass ich sie als Hilfsmittel zum Auffinden von Geschmacksorganen an sehr kleinen Zungen (z.B. Fledermaus) anwandte. Wern ich eine solehe Zunge von vorn nach hinten in Schnitte zerlegte und in den oberen oder 1) vgl. Czokor, Das Geschmacksorgan. Wiener Vierteljahres- schrift für Thierheilk. Bd. LXI. 16 Gmelin: seitlichen Theilen der Zunge Fiweissdrüsen fand, so konnte ich sicher sein, auf Geschmacksorgane irgend welcher Art zu stossen. Auf die Histologie der Eiweissdrüsen brauche ich nicht ein- zugehen; ich kann auf die klassische Arbeit v. Ebner’s ver- weisen. Es sei hier nur hervorgehoben, dass es mir niemals gelang, flimmerndes Epithel in den Ausführungsgängen der Drüsen nachzuweisen. Bochdalek!) und v. Ebner?) fanden solches in einzelnen Fällen in den Ausführungsgängen der Schleimdrüsen des Zungengrundes. Die Eiweissdrüsen bilden unter der Pap. vallata ein ver- ‘schieden starkes Polster. Bald reichen sie tief, bald weniger tief in die unter dem Organ gelegene Muskelmasse herein, ohne weder nach unten, noch zur Seite hin scharfe Grenzen zu haben. Es können vielmehr die Schleimdrüsen des Zungengrundes direkt an sie anstossen, wie Fig.3 bei f und Fig.4 bei d zeigt. Die Lagerung der Eiweissdrüsen zwischen den sich kreuzenden Mus- kelfasern ist eine sehr mannigfaltige. Auf Querschnitten sieht es aus, als ob jeder Winkel, unter dem sich Muskelfasern kreuzen, zur Einlagerung grösserer oder kleinerer Drüsenpackete benutzt würde. Es gehen dabei die Muskelfasern nieht bloss um die einzelnen Drüsenhaufen herum, sondern man trifft ab und zu Fasern, welche in das interlobuläre Bindegewebe hereintreten und in dieses übergehen. Die Muskelfaserkreuzung ist auch auf den Verlauf der Drüsenausführungsgänge von Einfluss. An Zungen, welehe unter ihrer Schleimhaut einen wenig gekreuzten und mehr senkrechten Faserverlauf zeigen, steigen die Ausfüh- rungsgänge in direkter Richtung nach aufwärts. Wenn mehrere solcher Gänge hinter bezw. neben einander liegen, so ist leicht ver- ständlich, wie dadurch eine Anordnung der Mündungen an der Ober- fläche in Reihen sich ergiebt und der Graben die Form einer ein- fachen, in die Länge gezogenen Furche annimmt. Solche Verhältnisse haben wir beim Meerschweinchen, Hystrix und anderen. Da- gegen an den Zungen, «leren Muskulatur ein enges Flechtwerk von senkrechten, längs und quer verlaufenden Fasern bildet, er- fahren die Ausführungsgänge mancherlei Krümmungen, indem sie den sich kreuzenden Fasern ausweichen müssen, um in die Sub- mucosa und von da an die Oberfläche zu gelangen. Dadurch 1) Oesterr. Zeitschrift f. prakt. Heilkunde XII. Jahrg. 1866, p. 683. 2. (er all, e Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 17 erhält man die mannigfaltigsten Anordnungen von unterschied- licher Regelmässigkeit: es können die Mündungen zu elliptischen oder ringförmigen Figuren sich gruppiren, wie wir das an der Abbildung vom Hasen (Fig. 4) sehen. Nach dem Gesagten steht also die Lagerung der Eiweiss- drüsen zwischen der Zungenmuskulatur in enger Beziehung zur Anlage des Grabens des umwallten Geschmacksorgans. Und wenn wir das Bisherige kurz zusammenfassen, so sehen wir, dass der Graben dazu dient, die Ausführungsgänge der Eiweiss- drüsen, welche auf dem Zungenrücken nur im Bereich der Pap. vallata angetroffen werden, zu vereinigen. Er ist mit Sinnes- epithelien ausgestattet und enthält in seinen Wänden stets Iymph- adenoides Gewebe. Durch die Anlage des Grabens wird die Ge- stalt des umwallten Geschmacksorgans bedingt. Dieses ist nach den verschiedenen Formen, die es zeigt, nicht als ein papillen- förmiger Fortsatz aufzufassen, den die Schleimhaut in das Epithel hereinschiekt, sondern stellt ursprünglich einen durch einen Graben von der übrigen Zungenschleimhaut abgegrenzten Bezirk dar, der bei höheren Säugern die Form eier Papille annehmen kann. 3etrachten wir jetzt die Papilla foliata. Sie ist ein dem Geschmackssinn dienendes Organ, welches an der Seitenfläche ‘des Zungenkörpers oder an dessen freiem Rande vor dem Ursprung des Arcus glossopalatinus gelegen ist. Es ist doppelt vorhanden und seine Lage bilateral symmetrisch. Einer grossen Anzahl von Thieren fehlt die Pap. foliata, vor allen den Wiederkäuern. Brücher!) beschreibt zwar eine solche bei Moschus javanicus und bei einer neugeborenen Antilope mergens; allen bei ausgewachsenen Thieren der letzten Art konnte ich kein Gebilde finden, das der von ihm gegebenen Darstellung entsprochen hätte. Während bei Wiederkäuern die Pap. foliata im allgemeinen zu fehlen scheint, ist ihr Mangel bei den Carnivoren nicht so häufig als man annimmt; am häufigsten fehlt sie bei den Feliden: Bei Löwe, Puma, Jaguar suchte ich sie vergeblich, dagegen fand ich sie beim Panther und bei der Haus- katze, hier allerdings in verkümmertem Zustande. Auch unter den niederen Säugethieren ist das Vorkommen der Pap. foliata Ihckte- 8.7. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 2) 18 Gmelin: veränderlich: unter den Edentaten fehlt sie dem Ameisenbär und Gürtelthier, ebenso habe ich sie beim Faulthier nieht gefunden. Am schönsten entwickelt ist das Organ bei den Nagethieren, und es besteht in seiner vollendetsten Form aus mehreren in bestimmter Riehtung von hinten nach vorn aneinander ge- lagerten Schleimhautfalten, welche durch Furchen getrennt sind; in die Furchen münden Eiweissdrüsen. Wenn wir das Organ im seinen Anfängen kennen lernen wollen, empfiehlt es sich, nicht diese hoch entwickelten Formen zum Studium zu wählen, sondern wir müssen auf einfachere Gestalten zurück- greifen. Solche sind als mehr oder weniger zerstreut liegende Furchen an der seitlichen Zungenschleimhaut bei verschiedenen Thieren vorhanden. Mit Rücksicht darauf ist wohl von Seiten englischer und französischer Autoren der Name „Seitengeschmacks- organ“ eingeführt worden, um zugleich damit anzudeuten, dass bei der Papilla foliata nicht eine papillenförmige Bildung der Schleimhaut als die Grundform anzusehen sei. Wir müssen viel- mehr als die beiden Componenten des Organs die Furchen der Schleimhaut und die in sie mündenden Drüsen auffassen. 1) Die Schleimhautfurchen: Die einfachste Form des seitlichen Geschmacksorgans zeigt die Zunge von Halmaturus giganteus (Fig. 5). Wir sehen hier kleine, nicht sehr scharf ab- gegrenzte Erhebungen der eutanen Schleimhaut, welche in ihrer Mitte- eine spalt- oder nadelstichförmige Vertiefung haben. Unter- sucht man diese Gebilde mit dem Mikroskop auf Querschnitten, so stellt sich heraus, dass man in der That Geschmacksorgane vor sich hat. Die Wände der Vertiefungen tragen Geschmacks- knospen, wenn auch nicht in grosser Anzahl; das bindegewebige Gerüst der Wände birgt Iymphadenoides Gewebe, welches ver- anlasst, dass das ganze Gebilde etwas über die Oberfläche der Schleimhaut hervorragt; im die Vertiefungen münden Eiweiss- drüsen entweder mit mehreren Ausführungsgängen, oder mit nur einem aus der Veremigung mehrerer Gänge entstandenen Kanal. Eine ähnliche Form des Organs zeigt die Zunge von Manatus (Fig. 6). Doch sind die Vertiefungen hier schon mehr zu Spalt- öffnungen geworden und näher zusammengerückt. Ferner finden wir bei Insektenfressern eine einfache Pap. foliata. Beim Igel z. B. liegt sie an der Seitenfläche der Zunge und besteht aus einer zwischen 2 Schleimhautwällen gelegenen Spalte, welche Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 19 mit Gesehmacksknospen ausgekleidet ist. Bei der Fledermaus (Vespertilio murinus) ist das Organ mit der Lupe schwer zu er- kennen: es ist eine von einer Schleimhautfalte gedeckte schwache Erhöhung der seitlichen Zungenfläche; an der Basis der Erhöhung öffnet sich eine nur mikroskopisch wahrnehmbare Spalte, welche mit dieht stehenden. Gesehmacksknospen ausgekleidet ist. Ich habe oben erwähnt, dass es mir gelang, bei der Hauskatze eine verkümmerte Pap. foliata zu finden. Da diese nicht allgemein bekannt ist und in ihrer einfachen Form hierher gehört, so möge eine kurze Beschreibung derselben hier Platz finden. Am Seitenrand der Zunge vor dem Arcus glossopalatin. findet sich ein schmaler, etwa 1 em langer, etwas verdickter Epi- thelsaum, auf welchem mehrere keulenförmige Papillen stehen. Schneidet man die ganze Partie aus und zerlegt sie von Aussen nach Innen in Schnitte, so machen sich unter dem Mikroskop 2 dieser Papillen durch stärkere Entwicklung bemerkbar. Diese sitzen mit breiter Basis der Zungenschleimhaut auf und beher- bergen in ihrem Innern wohl ausgebildete Lymphfollikel. Zwischen diesen Papillen geht eine unregelmässige Spalte tief in die Mu- cosa hinein. Das Epithel der Spalte enthält zahlreiche Ge- schmacksknospen, welche unregelmässig nebeneinander stehen. Die grösste Breite einer Geschmacksknospe beträgt 0,052 mm, die grösste Höhe 0,075 mm. Am Boden der Spalte mündet ein triehterförmig erweiterter Ausführungsgang, welcher zu einem Polster seröser Drüsen führt. Die Aecini derselben liegen zum grössten Theil in der Submuecosa, einzelne Drüsenpackete trifft man zwischen den Fasern der Zungenmuskulatur. Aus diesen einfachen Formen werden höher entwickelte da- durch, dass die spaltförmigen Oeffnungen grösser werden und- sich aneinander lagern, sowohl in der Richtung von oben nach unten, als von hinten nach vorn. Dadurch entstehen Furchen, und die zwischen den Furchen befindliehe Schleimhaut erhält die Form von Falten oder Blättern. Die Spuren einer solehen Entstehung zeigt das Organ, indem die Furchen nicht alle von derselben Länge und Lage und die Falten nicht alle von derselben Dicke sind. Dieser Form begegnet man wohl am häufigsten; unter den Hausthieren zeigen sie das Pferd und Schwein besonders schön. Gleichsam im groben aber veranschaulicht diese Entstehung der foliata das Bild von der Zunge des Tapir (Fig. 7). Bemerkens- 30 Gmelin: werth ist an dieser Zunge das Verhalten der Zungendrüsen, welche gegen den Rand hin eme dem Verlauf der Furchen der Pap. foliata entsprechende Richtung einhalten. Von dieser Form bis zur hochentwickelten der Nager ist nur ein kleiner Schritt: Die Falten und Furchen sind regelmässiger gestaltet und gelagert, und der ganze Bezirk hat eine scharfe Umgrenzung erfahren. Es ist also eine merkwürdige Thatsache, dass wir bei Nagern die einfachste Form der Pap. vallata, dagegen die complieirteste der foliata antreffen. Ueber den histologischen Bau der Furchen, soweit derselbe nicht schon bei denjenigen Geschmacksorganen erörtert ist, welche nur mikroskopisch als solche erkannt werden können, ist noch zu erwähnen, dass stets in dem bindegewebigen Gerüst der Furehenwand Iymphoides Gewebe angetroffen wird; gar nicht selten treten hier, wie bei der Pap. vallata dem Beschauer ausgebrei- tete Lymphknoten entgegen. Die Geschmacksregion, d. h. die mit Geschmacksknospen ausgestattete Wandfläche der Furche reicht bei der Pap. foliata im Allgemeinen näher an die Oberfläche der Zunge heran, als bei der Pap. vallata. Am Boden der Furche beobachten wir dasselbe Verhalten der Ausführungsgänge: sie münden in ringförmigen Erhabenheiten, welche nicht selten eine beträchtliche Höhe erreichen. In Fig. 8 bei a! sind die geson- derten Mündungen am Boden der Geschmacksfurchen eines Ka- ninchens dargestellt. Ausnahmsweise öffnet sich auf der Höhe der Falten ein Drüsengang, nie aber fand ich einen ausserhalb des ganzen Bezirks, d. h. vor der ersten oder hinter der letzten Furche, auf der freien Schleimhautoberfläche. Man wird somit den Geschmacksfurchen ähnlich wie dem Graben der.Pap. vallata die . Funktion zusprechen müssen, für die serösen Drüsen eine Ver- einigung ihrer Ausführungsgänge und eim Behälter für ihr Sekret zu sein. 2) Die Drüsen. Es ist zur Genüge betont, dass nur se- röse Drüsen zu der Pap. foliata gehören), und was-von diesen bei Pap. vallata gesagt ist, gilt auch hier. Auch hier grenzen die Schleimdrüsen direkt an die serösen Drüsen an und die Gegend, wo beide zusammentreffen, liegt meist rückwärts und medial von der Pap. foliata (in Fig. 5 links oben). Anders verhalten sich je- 1) vgl. auch Ebner,l. c. S.54£. Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 21 doch die Muskeln, zwischen welche die Drüsen gelagert sind. Während wir unter der Pap. vallata ein mehr oder weniger com- plieirtes Fleehtwerk von Muskelfasern getroffen haben, verlaufen diese unter der Pap. foliata weit einfacher. Trägt man eine Pap. foliata dureh Flächenschnitte ab, so stösst man sehon in ge- ringer Tiefe auf Muskelfasern, welche eine bestimmte, zum Zungen- rücken schiefe Riehtung einhalten. Die nähere Untersuchung er- giebt, dass diese Fasern dem Muscul. hyoglossus angehören, weleher von unten und hinten nach vorn und oben gegen den Zungenrand hin verläuft. Zwischen die Fasern dieses Muskels sind die Drüsenhaufen emgelagert. Der regelmässigen Lagerung entsprechend sind die Ausführungsgänge in Reihen angeordnet, was wiederum die Bildung von langgezogenen und hintereinanderliegen- den Furchen zur Folge hat. Zwischen Schleimhaut und Hyo- glossus schiebt sich zwar noch eine horizontal verlaufende Muskel- faserschicht, die Ausstrahlungen des Museul. lingualis super- fieialis. Allein es ist dies eine relativ dünne Schichte, welche bei der Anlage der Drüsen nicht in Frage kommen kann. Fig. 8 gibt über das Verhältniss zwischen Drüsen und, Muskula- tur Auskunft. Der Flächenschnitt hat das Organ nieht überall in gleicher Ebene getroffen: rechts haben wir oberflächliche, links tiefere Sehiehten. Es ist also auch an der Pap. foliata em Zu- sammenhang zwischen der durch den Muskelfaserverlauf beding- ten Lagerung der Drüsen und der Anlage der Furche festzustellen. Uebereinstimmend mit dem Befund an der Pap. vallata müssen wir die mit Sinnesepithelien ausgestattete, der Vereinigung von Drüsen- kanälen dienende Furehe als den Hauptbestandtheil des Ge- schmacksorgans bezeichnen. Dadureh wird die Geschmacksfurche als der morphologisch wichtigste Theil des Geschmacksorgans in den Vordergrund ge- stellt. Die nächste Aufgabe ist daher, nach Bildungen an der Zunge zu suchen, welche ähnliche Einriehtungen und gleiche Veranlagung haben. Es sind oben gewisse Uebereinstimmungen in der Einriehtung der Gesehmacksfurchen und der Art, wie die Zungendrüsen am Zungengrund ausmünden, angedeutet worden, und es soll im Folgenden dargethan werden, dass die Ausgänge der Zungendrüsen als die Vorstufen der Geschmacksfurchen an- zusehen sind. 189) 189) Gmelin: Die Drüsen des Zungengrundes beginnen hinter den Pap. vallatae und reichen bis zur Epiglottis; sie ziehen sich bei manchen Thieren als Drüsen des Randes am Ursprung des Areus glossopalatin. vorüber auf die Seitenfläche der Zunge herab. Ihr Standort erhält dadurch die Form eines unregel- mässigen W, dessen mittlerer Winkel den Platz der Papillae vallatae und ihrer Drüsen bezeichnet und dessen beide seitlichen Winkel bis auf die Seitenfläche der Zunge herab sich verlän- sern können. Sie bilden ein unter der Schleimhaut gelegenes Polster von verschiedener Dieke und sind, abgesehen von einer Ausnahme, die unten erwähnt werden soll, nur Schleimdrüsen. Die Ausgänge dieser sind auf zweierlei Art gestaltet: entweder sie erweitern sich vor ihrer Mündung an der Oberfläche flaschen- förmig und sind als feine mit der Lupe gerade noch wahrnehm- bare Oeffnungen auf oder zwischen den Falten der Zungenschleim- haut zu sehen. Oder aber es öffnen sich die Drüsenkanäle in grübchenartige Einstülpungen des Epithels, die sog. Krypten oder Balgdrüsen. Beide Arten kommen neben einander vor und sind ursprünglich nicht so scharf getrennt. Wenn man die Zungen- drüsen eines neugeborenen Kindes untersucht, so sieht man die Ausführungsgänge zwischen den Falten und Höckern des Zun- gengrundes münden und in dem die Mündung umgebenden Ge- webe bald viel bald wenig Iymphoide Zellen !). Da wo die Zellen reichlicher vorhanden sind, haben wir die Anfänge der Balgdrü- sen vor uns, welche erst im späteren Leben die charakteristische kugelige Gestalt und scharfe Abgrenzung durch eine Faserhülle erhalten. Ganz ähnliche Verhältnisse zeigt der Zungengrund des Fohlens; doch sieht man da und dort im adenoiden Gewebe der Balgdrüsen schon kleine Follikel. Mit der Zunahme dieser wölbt sich das Oberflächenepithel über das Niveau der Schleim- haut hervor, so dass flache, nicht scharf umgrenzte Erhabenheiten mit einer centralen Oeffnung, dem Zugang zur Balgdrüsenhöhle, entstehen. Wie in diese, so münden in die Furchen der Ton- sillen, welche bekanntlich als eine Veremigung von Balgdrüsen an einer bestimmten Stelle der seitlichen Pharynxwand aufzufassen sind, einzelne Kanäle von Schleimdrüsen. Es haben also die 1) ef. Stöhr, Ueber die Mandeln und deren Entwicklung. Cor- respondenzblatt für Schweizer Aerzte Jahrg. XX, 1890. Selbstbericht im Anat. Anzeiger VI. Jahrg., Nr. 19, 1891, S. 545. Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 23 Furehen der Tonsillen und die Höhlen der Zungenbälge neben der Aufgabe, dem Lymphapparat in bestimmter Weise zu dienen, noch den Zweck, Ausführungsgänge von Zungendrüsen aufzu- nehmen. Als Typus der Zungendrüse möchte ich gewissermassen eine Form aufstellen, wie wir sie bei niederen Wirbelthieren, bei Reptilien, z. B. beim Alligator finden. Die Zunge lässt hier eine deutliche Trennung in Grund und Körper erkennen. Auf dem ersten sieht man kleine flache Erhöhungen, welche in der Mitte eine kleine Oeffnung haben. Untersucht man mit dem Mikroskop, so ergeben sieh Bilder wie Fig.9. Der Drüsenausgang erweitert sich triehterförmig, ehe er an die Oberfläche der Zunge tritt. Sein Epithel wird unterhalb der erweiterten Stelle niedriger und lässt hier Lymphzellen durchwandern. Diese stammen von Lymphfollikeln, welche einen Mantel um den Ausführungsgang bilden. Letzterer verästelt sich nach abwärts und seine Ab- zweigungen führen zu den einzelnen Drüsenläppehen. Es ist nicht sehwer sieh vorzustellen, wie bei höheren Säugethieren mit zunehmender Entwicklung der Lymphfollikel m der Um- sebung des Drüsenkanals dieser bei der massenhaften Auswan- derung von Leukoeyten nur noch im Dienste des Lymphapparates zu stehen scheint und seine ursprüngliche Bedeutung als Aus- führungsgang der Schleimdrüsen eimbüsst. Dass er aber diesen Zweek ursprünglich hatte, zeigt die Anlage der ganzen Bildung an der Zunge jugendlicher Individuen (neugeb. Kind und Fohlen). Es ist hier der Ort, noch eine Beobachtung zu erwähnen, welche ieh an Zungendrüsen des Pferdes und der Tonsille von Schaf und Fischotter gemacht habe: es ist das Vorkommen von eigenthümlichen, epithelialen Zellen in der Umgebung der Balg- drüsen und der Furehen der Tonsillen. Diese Zellen sind beim Pferd folgendermassen gestaltet. Sowohl an Horizontal- als Vertikalschnitten der Zungen- bälge finden sich zahlreiche Gebilde, welehe an mit Boraxkarmin gefärbten Schnitten sofort dadurch auffallen, dass sie weniger tingirt und stark lichtbrechend sind. Sie liegen 0,2 mm unter dem Epithel in der Propria, haben runde oder ovoide Gestalt und sind durchsehnittlich 0,06 mm gross. Sie besitzen eine deutliche Umhüllung, an welche von aussen zahlreiche dunkle Kerne ange- lagert sind. Bei stärkerer Vergrösserung zeigen die Körperehen 24 Gmelin: in ihrem Innern eine oder zwei grössere flache Zellen mit hellem Protoplasma und etwa 5. grossem Kern und dunklem Kern- körperehen. Um diese central gelegenen Zellen lagern sich in unregelmässiger Schichtung ähnlich den Blättern eimer Knospe platte Zellen mit ovalem e. 12 « langem und 5 « breitem Kern. Auf dem Querschnitt zeigen die Zellen eine mondsichelförmige Gestalt und helles Protoplasma. Es sind diese Körperchen offenbar identisch mit den von Kunze!) in der Backen- und Gaumenschleimhaut des Pferdes Sefundenen. Ich habe versucht, dureh Behandlung mit Gold- ehlorid ihren Charakter als Nervenepithelien zu ermitteln; sie färbten sich zwar durch Gold intensiv schwarzblau, allein einen sicheren Zusammenhang mit Nervenfasern nachzuweisen bin ich nicht im Stande gewesen. Es muss also vorderhand noch dahin- gestellt bleiben, ob diese in der Umgebung der Drüsenausgänge gefundenen Körperchen als Sinnesepithelien aufzufassen sind. Dagegen ergeben sich in anderer Beziehung Ueberein- stimmungen in der Einrichtung der Geschmacksfurchen und der Drüsenausgänge. Wir haben bei der Papilla foliata gesehen, dass die einfachste Form des Geschmacksorgans in grübchen- förmigen, mit Sinnesepithelien ausgestatteten Vertiefungen der Sehleimhaut besteht, in welche die Ausführungsgänge acinöser Drüsen münden. Durch Vereinigung neben emander gelagerter Grübehen entstehen die Geschmacksfurchen. Eine ganz ähnliche Erscheinung findet sich wieder am Zungengrund. Die Balg- drüsen, welehe dazu dienen, in ihren Höhlungen einzelne Aus- mündungen von Zungendrüsen aufzunehmen, häufen sich an der seitliehen Pharynxwand zusammen. Dadurch entstehen die Ton- sillen, und dureh Vereinigung der Balgdrüsenhöhlen die Furchen der Tonsillen. Das Hauptbaumaterial aber, aus dem sowohl die Wand der Geschmacksfurche als der Balgdrüsenhöhle sich aufbaut, ist Iymphadenoides Gewebe. Während jedoch an der Geschmacks- furche nur einzelne Lymphfollikel aus diesem sich entwickeln, nehmen diese in der Wand der Balghöhlen so überhand, dass die ursprüngliche Bedeutung dieser Höhle, eine gemeinsame Bucht für die Ausmündung von Drüsenkanälen zu sein, im den Hintergrund tritt. Dafür werden an den Geschmacksfurchen Dr ce. Sellauzals: Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 25 gewisse Zellen der epithelialen Auskleidung zu den dem Geschmack dienenden Sinneszellen umgewandelt, und um diese durch Be- spülen mit dünnflüssigem Sekret stets perceptionsfähig zu er- halten, treten an Stelle der Schleimdrüsen die serösen Drüsen. Wenn man von dieser Anschauung ausgeht, so lassen sich ungezwungen Uebergangsformen zwischen den Balgdrüsen des Zungengrundes und den Geschmacksfurchen feststellen, und zwar sowohl für die Pap. vallata als foliata. Jene einfachen, längs- verlaufenden Furchen, wie wir sie an der Pap. vallata gewisser Nager gefunden haben, werden als Uebergangsformen anzusehen sein, indem die Gesehmacksfurchen als eine Vereinigung hinter einander gelagerter Drüsenausgänge aufgefasst werden können. Am schönsten kann man einen allmählichen Uebergang an der Zunge eines 9 Monate alten Pferdefötus verfolgen, wenn man dieselbe von hinten nach vorn in Schnitte zerlegt. An der Wurzel sehen wir noch keine vollständig ausgebildeten Balgdrüsen, son- dern nur verschieden tiefe Buchten und Furchen, in welche Drüsengänge münden. Es ist aber unmöglich, wenn man mit den Sehnitten in die Nähe der Pap. vallata kommt, im Präparat eine der Furchen mit Sicherheit als diejenige zu bezeichnen, welche in späteren Schnitten zur Geschmacksfurche wird. Die Pap. vallata vom Fohlen ist noch wegen einer anderen Erscheinung besonders günstig. Es ist oben erwähnt, dass auf der Papille Poren beobachtet werden, welche zu erweiterten Drüsenaus- führungsgängen führen, und dass die Wände derselben mit Ge- schmacksknospen ausgekleidet sind, und dass ferner bei einem alten Pferd dieselben Drüsenausführungsgänge ohne Knospen ge- funden worden sind. Es ist bekannt, dass an der embryonalen (reschmackspapille stets mehr Knospen vorgebildet sind, als beim ausgewachsenen Thier angetroffen werden. Dieses Verhalten beim Fohlen ist aber so recht geeignet zu zeigen, wie als eigent- liche Heimstätte der Geschmacksknospen das erweiterte Ende des Drüsenausführungsganges anzusehen ist. Noch ein weiterer Beweis für die Entwicklung der Geschmacksorgane aus Organen des Zungengrundes liegt darin, dass es Zungen gibt, an welchen die Wurzel an Stelle der Bälge und Schleimdrüsen Papillae vallatae und Eiweissdrüsen trägt, zugleich der einzige Fall, bei dem ich Eiweissdrüsen über den ganzen Zungengrund ver- breitet fand. 236 Gmelin: Eine solehe Zunge zeigt Abbildung 10 vom Iltis. An dieser sehen wir ausser 6-in der gewöhnlichen Anordnung gelegenen Papillae vallatae noch 4 weitere, jederseits 2 an der Seite des Zungengrundes. Die Papillen sind nur unvollkommen von einem Wall umgeben, so dass die Gebilde von oben gesehen, eine rosettförmige Gestalt erhalten. Hönigschmied!), welchem diese Zunge gleichfalls aufgefallen war, zählt nur 9 Papillen und sagt, es seien ausserdem noch warzenförmige Erhebungen am Zungengrund, welche aber nicht die Bedeutung eigentlicher Papillae vallatae besässen. Ich habe die eine Hälfte ‚des Zungen- srundes von der ersten umwallten Papille bis zur Epiglottis in Längsschnitte zerlegt und gefunden, dass diese Organe alle als umwallte Papillen aufzufassen sind: diese stehen in sehr seichten Vertiefungen der Schleimhaut und tragen an ihrer eingeschnürten Basis einen Ring grosser Geschmacksknospen. In die Vertiefungen münden die Ausführungsgänge der serösen Drüsen, welche unter der Mucosa eine ununterbrochene Lage bilden und erst im Bereich der Tonsillen und vor der Epiglottis an Schleimdrüsen angrenzen. k Uebergangsformen zwischen den Balgdrüsen des Zungengrun- des, beziehungsweise des Zungenrandes und den seitlichen Ge- schmacksorganen zeigen uns auf's deutlichste die schon be- sprochenen Abbildungen vom Känguru (Fig. 5), vom Manatus (Fig. 6) und vom Tapir (Fig. 7). Bei diesem ist auf das Ver- halten der Zungendrüsenöffnungen in der Nähe der Pap. foliata schon aufmerksam gemacht. Fassen wir die Ergebnisse vorstehender Untersuchungen kurz zusammen, so sind folgende Hauptpunkte hervorzuheben : 1. Die Papilla vallata ist nicht aus der Papilla fungiformis hervorgegangen, ebensowenig die Papilla foliata aus der Papilla vallata. Die beiden letzten Organe sind in ihrer Entstehung unabhängig von einander; Uebergangsformen werden zwischen beiden nicht beobachtet, vielmehr hat jede Papille ihren bestimm- ten Standort. 2. Als Grundform des Geschmacksorgans ist nicht ein papillenförmiger Fortsatz der Schleimhaut anzusehen, sondern 1) Zeitschrift f. wiss. Zoolog. Bd. 34, S.453. Kleine Beiträge, betr. die Vertheilung der Geschmacksknospen. 1 Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. 2 formbestimmend für das Organ ist die Anlage des Grabens. Dieser ist der morphologiseh wichtigste Theil des Organs und ist hervorgegangen aus der Verschmelzung einzelner mit Sinnes- epithelien ausgestatteter Drüsenausführungsgänge. Die Drüsen, welehe in die auf diese Weise entstandenen Furehen ihr Sekret entleeren, sind seröse Drüsen. Diese finden sich nur im Bereich der Papilla vallata und foliata. Die Lagerung der Drüsen und ihrer Ausführungsgänge wird durch den Faserverlauf der Zungenmuskulatur beeinflusst und steht in enger Beziehung zur Anlage und Form der Ge- schmacksfurche. 3. Die Geschmaeksfurehe ist homolog den auf dem Zungen- grund sich findenden Höhlen der Balgdrüsen und Tonsillen, welche ursprünglich nichts anderes als gemeinschaftliche Ausführungs- gänge der Zungendrüsen darstellen und eine ähnliche Eimrich- tung und gleiche Veranlagung wie die Geschmacksfurche haben. Eine Reihe von Uebergängen spricht dafür, dass man jene Bildungen des Zungengrundes als die Vorstufen der Geschmacks- furche anzusehen hat. Als weitere Befunde, welche gelegentlich dieser Arbeiten gemacht wurden, lassen sich noch anführen : Das Vorkommen von Iymphadenoidem Gewebe und Lymph- follikeln in den Wänden der Geschmacksfurchen ; das Vorhandensein von mikroskopischen Ganglienhaufen in der Papilla vallata des Pferdes; die Anwesenheit einer verkümmerten Papilla foliata bei der Katze, und endlich das Vorkommen epithelialer Gebilde, welche an den Balgdrüsen des Pferdes und den Tonsillen vom Schaf und Fischotter sich finden, und welche in ihrer äusseren Gestalt nervösen Endapparaten ähnlich sind. Vorstehende Arbeit wurde im zoologischen Institut der Universität Tübingen angefertigt. Herrn Professor Dr. Eimer bin ich für die bereitwillige Ueberlassung des Materials und für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, zu grossem Dank verbunden. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem Dank an dieser Stelle Ausdruck zu geben. 238 Gmelin: Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. Fig. Fie. Fig. Fig. Fig. Ebenso spreche ich Herrn Dr. Jul. Vosseler für die mancherlei praktischen Winke, mit denen er mich unterstützte, hiermit meinen herzlichen Dank aus. Tom: &. 10. Erklärung der Figuren auf Tafel I. Pap. foliat. von Cercoleptes caudivolvulus 2:1. Zool. Sammlung, Tübingen. a) Pap. foliat.; b) Pap. fungiform. Pap. foliat. von Cercoleptes caudivolvulus Quer- schnitt, ca. 40fache Vergrösserung; nach der Natur photo- graphirt. a) Papillenblatt mit adenoidem Gewebe; b) Ge- schmacksknospen; ce) Eiweissdrüsen; d) Ausführungsgänge derselben; e) Schleimdrüsen; f) Muskelfasern. Pap. vallat. vom Meerschweinchen; 25fache Vergrösse- rung; Oberhäuser Camera. a) Papille; b) Papillengraben; ec) Sitz der Geschmacksknospen; d) Eiweissdrüsen; e) Aus- führungsgänge derselben; f) Schleimdrüsen; g) Muskelfasern; h) adenoides Gewebe. Horizontalschnitt durch die Pap. vallat. vom Hasen; ca. 40fache Vergrösserung; photographirt. a) Standort der Papille; b, b!) Ausführungsgänge der serösen Drüsen; €) seröse Drüsen; d) Schleimdrüsen; e) Muskelfasern; f) Lymphfollikel im Mittelpunkt der Papille; &) Blutgefässe. Pap. foliat. von Halmaturus giganteus; 1:2; Zoolog. Sammlung Tübingen. a) Pap. foliat.; b) Pap. vallat. Zungengrund von Manatus latirostris; Vergr. 1.15 nach der Natur photographirt und gezeichnet. Zoolog Samm- lung Tübingen. a) Pap. foliat.; b) Pap. vallat.; c) vordere Tonsillen; d) hintere Tonsillen; e) Muscul. stylogloss. (abge- schnitten). Zungengrund von Tapirus americanus; natürliche Grösse; nach der Natur photographirt und gezeichnet. Zoolog. Sammlung Tübingen. a) Pap. foliat.; b) Pap. vallat.; c) Pap. fungif.; d) Zungendrüsen; e) Tonsillen; f) Arcus glossopalatin. (abgeschnitten). Pap. foliat. vom Kaninchen; Flächenschnitt; schwache Vergrösserung; nach Photographie. a, a!) Ausführungsgänge seröser Drüsen; b) seröse Drüsen; c) Schleimdrüsen; d) Fasern des Museul. hyoglossus; e) Fasern des Muscul. lingualis. Zungendrüse vom Alligator; ca. 60fache Vergrösse- rung nach Photographie. . Zoolog. Sammlung Tübingen. a) Hauptausführungsgang; b) trichterförmige Erweiterung des- selben; e) Schleimdrüsen; d) Lymphfollikel. Zungendrüsen von Mustela putorius. 2:1. Zoolog. Sammlung Tübingen. a) Pap. vallat.; b) Tonsille. Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität Tomsk (Sibirien). Zweite Mittheilung!). Hierzu Tafel 1. Die Nervenfaserschieht der menschlichen Retina besteht aus nackten Axeneylindern, welche in einer und dersel- ben Retina von sehr verschiedener Dieke sind; hierbei finden sich in einem und demselben Nervenbündel constant sowohl dieke als auch sehr dünne — fadenförmige — Axeneylinder. Ge- wöhnlich sind dieselben in ihrem Verlaufe mit spindeligen oder kugeligen varieösen Verdickungen versehen; die Grösse dieser Varieositäten steht einerseits von der Dieke des Axeneylinders selbst, andererseits aber von der Frische der m Untersuchung kommenden Netzhaut in Abhängigkeit. In den Fällen, wo es gelingt, eine Retina !/,, 1 bis 2 Stunden nach dem Tode, also noch fast ganz frisch zur Untersuchung zu bekommen, sind die varieösen Ansehwellungen meist von sehr geringer Grösse, wobei sie an den diekeren Axeneylindern grösser zu sein pflegen als an den dünneren. In den Bestand eines jeden Axencylinders treten äusserst feine Nervenfäden — Fibrillen — und eine interfibrilläre Sub- stanz (das Axoplasma nach Schiefferdecker)?). Die Fibrillen färben sich gewöhnlieh sehr intensiv in Methylenblau und erscheinen ihrer Länge nach von kleinen punktförmigen Verdickungen be- 1) Der vorliegende Aufsatz ist eine Fortsetzung meiner in Bd. 38 dieses Archivs (1891) abgedruckten Arbeit. 2) Schiefferdeeker und Kossel, Gewebelehre mit be- sonderer Berücksichtigung des menschlichen Körpers. Bd. II. Braun- schweig 1891. 30 AB DorgTel: setzt. Da die Fibrillen eng an einander liegen, bilden sie in dem Axeneylinder ein, je nach dessen Dieke, mehr oder weniger starkes Fadenbündel (Schiefferdecker’s Axenstrang). Die interfibrilläre Substanz erhält unter Einfluss des Methylen- blau eine nur schwach bläuliche Färbung; sie füllt sämmtliche zwischen den Fibrillen übrig bleibende Lücken aus und liegt ausserdem an der Peripherie des Axeneylinders in Gestalt einer sehr dünnen Schicht, eine Art Membran um denselben bildend. Diese Schieht wird ihrerseits, nach den Beobachtungen von Schiefferdecker, an ihrer Aussenfläche noch von einer sehr dünnen und mehr eonsistenten Schieht umgrenzt, welche letztere „die Rinde“ des Axeneylinders bildet. Da die zwischen den ein- zelnen Nervenfibrillen liegende Substanz nur im sehr spärlicher Menge vorhanden ist, erscheint gewöhnlich der ganze Axency- linder durch und durch tiefblau gefärbt, wogegen er nur an seinem Ursprunge aus dem Zellkörper, wo seine Dieke grösser ist, eine deutlich hervortretende fibrilläre Struetur zeigt. Bei niederen Wirbelthieren, besonders bei den Knorpelfischen (Sterlet, Stör) ist der Bestand des Axeneylinders aus Nerven- fibrillen und interfibrillärer Substanz sehr leicht kenntlich; dies kommt daher, weil bei den genannten Thieren die zwischen den Fibrillen und an der Peripherie des Axencylinders gelegene — interfibrilläre — Substanz viel reichlicher vertreten ist als beim Menschen. Unter dem Einflusse verschiedenartiger Reagentien (schwache Lösungen von. Osmium- und Chromsäure ete.) gleiehwie auch mit dem Absterben des Nervengewebes erleidet die interfibrilläre Substanz eine rasch eintretende Veränderung und gruppirt sich dabei in grösserer oder geringerer Menge an bestimmten Stellen des Axeneylinders in Gestalt von runden oder ovalen Anschwel- lungen, wie sie bereits längst unter dem Namen „Varicositäten“ bekannt sind (Fig. 4); der axiale Theil eines jeden dieser vari- cösen Knötehen wird gewöhnlich von den in den Bestand des Axeneylinders tretenden Fibrillen durehsetzt (Fig. 4). Sämmtliche Axeneylinder der Nervenfaserschicht sind in gesonderte Bündel angeordnet, die an der Eintrittsstelle des Op- tieus von ziemlich beträehtlicher Dicke sind und eng aneinander liegen; je mehr sie sich aber von der genannten Stelle entfernen, desto dünner werden sie, verflechten sich mannigfach unter ein- Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. 31 ander und gehen dann allmählich auseinander, um in radiärer Riehtung der Ora serrata zuzustreben. Die von der Papille zur Ora serrata hin allmählich vorschreitende Verjüngung der einzelnen Nerenbündel wird dadurch bedingt, dass aus denselben während des beschriebenen Verlaufes nach und nach einzelne Axeneylinder austreten, um in die innere, mittlere oder äussere sangliöse Schicht einzudringen. Im Gebiete der Ora serrata besteht die Nervenfaserschicht nur aus einer geringen Anzahl von Axeneylindern, die hier keine continuirliche Schieht bilden und anfangs nicht selten spiralig sewunden oder in einer bogenförmigen Biegung dahinziehen, um erst weiterhin dem einen oder anderen Bündel sich beizugesellen und in demselben radiär zur Papille hinzugehen. In der äusseren — temporalen — Hälfte der Netzhaut wird eine Umlagerung der Axeneylinder in der Nervenfaserschicht bemerkt, welehe bekanntlich durch die Gegenwart der Macula lutea hervorgebracht wird. Da sich die ersteren in Methylenblau sehr intensiv färben, so gelingt es an Flächenpräparaten der also gefärbten Retina leicht, die Lagerungsverhältnisse der Axen- eylinder sowohl im Gebiete des gelben Fleckes als auch in der Fovea centralis klarzustellen. Gewöhnlich gehören die, in Zahl von 25—30 und mehr zwischen dem Sehnerveneintritte und dem gelben Flecke liegenden Nervenbündel fast ausschliesslich dem Gebiete dieses letzteren an und tragen daher, nach dem Vorgange von Michel!) mit Recht den Namen „Maeulabündel“ (Figg. 1 und 2 ce). Ein Theil der betreffenden Bündel geht direct, in gerader Riehtung zum inneren Rande des gelben Fleekes, während die übrigen im bogenförmiger Biegung dessen oberem, unterem und lateralem Rande sich nähern (Figg. 1 und 2). Anfangs erscheinen diese Nervenbündel von beträchtlieher Stärke und liegen eng an einander, werden aber, je mehr sie sich dem gelben Flecke nähern, allmählich schmächtiger und bilden dureh gegenseitigen Faseraustausch emen ziemlich dich- ten Plexus. Im Gebiete des gelben Fleckes zerfallen sämmtliche Nervenfaserbündel, nicht selten fächerförmig, in eine Anzahl fei- 1) Ueber die Ausstrahlungsweise der Opticusfasern in der mensch- lichen Retina. Beitr. zur Anatomie und Physiologie, als Festgabe für C. Ludwig. Leipzig 1874. 32 A.S. Dogiel: nerer Bündel; die einen von ihnen lösen sich in einzelne Fasern auf, welche hierselbst — im Bereiche des gelben Fleckes — der Beobachtung entschwinden (Fig. 2), während andere den Rand der Fov. eentralis erreichen und dieselbe ringförmig umsäu- men, wie dies aus Fig. 2 ersichtlich. Von dem soeben erwähnten Nervenringe, theils aber auch von anderen, sich nieht direet an dessen Bildung betheiligenden Nervenbündeln gehen sehr feine Aestehen sowie auch vereinzelte Nervenfasern ab, welche in schräger Richtung allmählich zum Grunde der Fovea herabsteigen und durch gegenseitige Verflechtung schliesslich einen an den Seitenwänden sowie an dem Grunde der Fovea centralis gele- genen, breitmaschigen Plexus bilden (Fig. 2). Mithin hört die Nervenfaserschieht nicht etwa in 0, 4 mm Entfernung von dem Centrum der Fovea centralis auf, wie dies von einigen Beobachtern (Schwalbe!) und A.) angenommen wird, sondern sie besteht in Gestalt einer sehr dünnen, aus fernen Bündelehen und einzelnen Axeneylindern bestehenden Schicht auch im Grunde (Fundus) der Fovea fort. Anlangend die Nervenfasern, welche oberhalb und unterhalb der soeben beschriebenen (und wie bereits gesagt, ausschliesslich dem gelben Flecke zugehörenden) Bündel liegen, so zeigen sie anfangs einen bogenförmigen Verlauf; an dem Rande des gelben Fleckes angelangt, wenden sich die Enden der unteren Bündel nach oben, die der oberen Bündel dagegen abwärts, begegnen einander und treten schliesslich zu einer Reihe von Bögen zusammen, deren Convexität gegen die Ora serrata gewandt ist, während ihre concave Seite dem Aussenrande der Macula lutea sich zuwendet (Figg. 1 und 2). Aus den, hart am Rande der letzteren entlang ziehenden Nervenbündeln spaltet sich eme Anzahl von Fasern ab, welche letztere in das Gebiet der Macula sich einsenken (Fig. 2). Gewöhnlich vereinigen sich nur die Enden der, dem Aussen- rande der Macula näher gelegenen Nervenfaserbündel zu ge- schlossenen Bögen, während die Enden der übrigen, weiter ab- seits liegenden Bündel dort, wo sie eimander entgegenkommen, sich allmählich verjüngen und schliesslich in sehr feine Bündel- chen und sogar in einzelne Fasern zerfallen (Fig. le). Sowohl 1) Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. 33 diese als auch jene bilden durch mannichfache Verflechtung unter einander einen besonderen, die betreffende Stelle der Netz- haut charakterisirenden, mehr weniger breitmaschigen Plexus, in dessen Bereiche die Nervenfaserschieht nur als eine sehr dünne Schieht erschemt (Fig. le). Der genannte Plexus bildet . einen ziemlich schmalen (1,0—1,5 mm im Querdurchmesser betragen- den) Streifen, welcher in 1—1,10 mm jenseit des äusseren Randes der Macula lutea beginnt und in gerader Richtung bis zu einem Punkte reicht, wo die Nervenfasern auf's Neue eine gestreckte, radiäre Richtung annehmen, was etwa 3—6 mm weit nach aussen von der Fovea centralis einzutreten pflegt (Fig. If). Im Bereiche des soeben beschriebenen Plexus besteht die innere gangliöse Schicht aus zahlreichen, in mehreren Reihen über einander liegenden Nervenzellen und erinnert somit diese Stelle der Netzhaut, sowohl in der Anordnung ihrer Nerven- fasern als auch in der Dicke der inneren gangliösen Schicht an das Gebiet. der Macula lutea. Michel!) weist bereits auf die Thatsache hin, dass die Nervenfaserbündel an emer Stelle der Netzhaut in doppelter Lage angeordnet sind; diese Stelle liegt oberhalb des zwischen dem Sehnerveneintritte und der Fovea centralis gelegenen Netz- hauttheils. An Methylenblaupräparaten ist es leicht wahrnehmbar, dass die Nervenfassern nicht allein an der von Michel bezeich- neten Stelle eine doppelte Lage bilden, sondern ebenso auch noch in einiger Entfernung oberhalb und unterhalb des von mir eben beschriebenen Plexus und zwar nahe dem Uebergange der Fasern in die radiäre Richtung (Fig. 18). Gewöhnlich spalten sich von der, der inneren gangliösen Schicht zugewandten Seite der Nervenbündel mehr weniger feine secundäre Bündelehen, sowie auch einzelne Fasern ab, welche die radiär verlaufenden Bündel unter mehr oder weniger scharfem Winkel kreuzen und unter allmählicher Verschmächtigung nahe der Ora serrata dem Auge entschwinden (Fig. 3). Solcherweise sehen wir in dem äusseren Netzhautsegmente eime doppelte äussere und innere Lage von Nervenfassern, wobei die in den Bestand der erst- genannten Lage tretenden Bündel in dem oberen Theil des er- wähnten Segmentes nach aufwärts, die in dem unteren Segmente EEG: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 3 34 A.NS-DiogtTeal: gelegenen Bündel dagegen nach abwärts ziehen und in ihrem Verlaufe sich mit den radiären Bündeln der zweitgenannten inneren Sehicht kreuzen (Fig. 1). Untersuchungsmethode. Um eine möglichst voll- ständige Färbung der nervösen Elemente der Netzhaut zu erhal- ten, ist es erforderlich, die Augäpfel möglichst frisch, also etwa eine halbe Stunde, jedenfalls aber nieht später als 53—5 Stunden nach dem Tode in Untersuchung zu nehmen. Die Methode, welcher ich mich behufs Färbung der Retina bei meinen Unter- suchungen bediente, bestand im folgendem: Der Augapfel wurde im Niveau des Ciliarkörpers vorsichtig in zwei Hälften zerschnitten und darauf mittelst einer Scheere die hintere, grössere Hälfte in meridionaler Richtung in mehrere (3—4) Segmente zerlegt, von denen em jedes einen Theil der Retina ihrer ganzen Länge nach, von der Ora serrata bis zur Eintrittsstelle des Optieus enthielt. Das derart enthaltene Netzhautsegment wurde mittelst einer Pineette von der Chorioidea abgelöst und nebst dem anhaftenden Theile des Glaskörpers auf ein grosses Objeetglas übertragen. Hier wurde die Retina, mit der Nervenfaserschicht nach oben, ausgebreitet und der Glaskörper theilweise mit einer Scheere abgetragen, der Rest desselben aber im Zusammenhange mit der Retina belassen; letztere war dadurch für die ganze Zeit, so lange die Untersuchung dauerte, vor Austrocknung geschützt. Nachdem die Retina auf den Objeetträger gelegt und im ent- sprechender Weise ausgebreitet worden war, wurden mehrere (5—6) Tropfen einer !/,,procentigen Methylenblaulösung auf das Präparat geträufelt und selbiges sodann durch Bedeekung mit einem grossen Uhrglase vor Verstaubung geschützt. Gewöhnlich tritt bereits nach. sehr kurzer Zeit (binnen 15—20 Minuten) der Anfang der Nervenfärbung ein; untersucht man hierbei das Präparat von Zeit zu Zeit mittelst schwacher Objeetive, so ist es leicht zu bemerken, dass sich zu allererst die Axeneylinder der Nervenfasern färben, worauf eine Färbung der Zellen der inneren und der mittleren gangliösen Schicht sich einstellt u. s. w., bis schliesslich nach Ablauf von 3—4 Stunden nach dem ersten Erschemen der Färbung der grösste Theil der nervösen Elemente in sämmtlichen Netzhautschichten tingirt ist. Meist bedarf es Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. 35 während der ganzen Zeit, so lange als die Färbung vor- schreitet, einer wiederholten Beigabe der Methylenblaulösung zu dem Präparate, damit an den Rändern, sowie auch an der Ober- fläche desselben beständig eine gewisse Quantität der Farblösung vorhanden sei. Sobald sich eine genügend starke Färbung der nervösen Elemente constatiren liess, wurde die auf dem Objeetträger befindliche Methylenblaulösung, ebenso wie auch der Rest des Glaskörpers, soweit es möglich war, fortgenommen. Darauf wurde die Oberfläche des gefärbten Netzhautpräparates, ohne es von dem Glase abzunehmen, mit mehreren Tropfen einer gesät- tigten wässerigen Ammoniumpikratlösung, allein oder unter Zu- satz von Osmiumsäure, benetzt und dann das Präparat mit einem Uhrglase so luftdieht als möglich zugedeckt und bis zum nächsten Tage stehen gelassen. Nach Ablauf von 18—20 Stunden wurde die fixirende Lösung durch ehemisch reines, mit gleichem Volum Wasser verdünntes Glycerin ersetzt und dann ein Deckgläschen auf das Präparat gelegt. Um jeden Druck auf das Präparat zu vermeiden, wird es vor Auflegung des Deckglases mit einem Rähmchen aus diekem Papier belegt. Nach ein oder zwei Tagen hat das Präparat meist einen genügenden Grad von Durchsichtigkeit erlangt, so dass sich bei Aenderung der Foecalstellung die Vertheilung der nervösen Ele- mente in sämmtlichen Netzhautschichten vollkommen scharf und deutlich wahrnehmen lässt. Mithin hat die soeben beschriebene Färbungs- und Fixirungsmethode vor den anderen, ja selbst vor der @olgischen Methode, namhafte Vorzüge voraus, diese Vor- züge bestehen, wenigstens in Bezug auf die Retina, in folgendem: erstens ergibt die von uns angewandte Methode eine reine Nerven- färbung ohne Bildung etwelcher Niederschläge, welehe das Bild verundeutlichen, und zweitens gelingt es mit Hilfe dieser Methode, die verschiedenartigen Nervenzellen nebst allen ihren Ausläufern in der unversehrten Netzhaut, also bei normal erhaltenen Lage- verhältnissen der einzelnen Theile, zu veranschaulichen, was bei der Golgischen Methode nicht der Fall ist. Freilich fällt es bei der Untersuchung von Flächenpräparaten der Retina anfangs schwer, zu entscheiden, welcher Netzhautschieht namentlich diese oder jene Nervenelemente zugehören; indess- lässt sich diese Schwierigkeit bei einiger Uebung leicht überwinden. 36 Ba, Dos.iel: Weit schwieriger ist die Entscheidung der Frage, auf welche Weise sich aus der gefärbten Retina Schnittpräparate herstellen lassen? Zu diesem Behufe brachte ich die, in be- schriebener Weise gefärbte Retina in eine gesättigte alkoholische Ammoniumpikratlösung, worin sie behufs Härtung auf 1—2 Stunden belassen wurde; sodann klemmten wir das Präparat in Hollunder- mark ein und fertigten Schnitte aus freier Hand, wobei das Rasirmesser in Ammoniumpikrat-haltiges Wasser oder eben solches Glycerin getaucht wurde. Hierbei ist aber zu bemerken, dass die alkoholische Ammoniumpikratlösung dennoch in ge- wissem Grade entfärbend auf das Präparat einwirkt, selbst wenn letzteres auch nicht länger als angegeben in der Lösung gelegen hatte, so dass also die nervösen Elemente m den Schnitten nur noch stellenweise gefärbt erscheinen. Obgleich die beschriebene Härtungsmethode bei Befolgung gewisser Cautelen recht befrie- digende Resultate liefert, so ist sie dennoch jedenfalls etwas um- ständlich und führt dabei nicht jedesmal zum Ziele. i Anlangend die anderen Erhärtungsflüssigkeiten, wie z. B. die Chrom- und Pikrinsäurelösungen, die Müller'sche und die Sublimatlösung, so wird die Färbung zwar auch durch diese Flüssigkeiten fixirt, indess entschwindet sie sehr bald nach Ein- schluss des Präparates in Glycerin. Auf Grund alles oben Mitgetheilten wurde von mir behufs Anfertigung von Schnitten aus der durch Methylenblau gefärbten Netzhaut meistentheils folgendes Verfahren in Anwendung ge- bracht, welches ich bis jetzt für das Beste und zweckmässigste halte: Ein Stück der in Methylenblau gefärbten Retina breiteten wir auf der einen Hälfte eines zersägten Hollundermarkstückchens vorsichtig aus und liessen das Präparat sodann an das Hollunder- mark anfrieren; hierauf wurden aus dem gefrorenen Präparate Schnitte gefertigt. Oder die Retina wurde behufs ihrer Erhär- tung und Fixirung der Färbung für 18-—20 Stunden in die fixirende Mischung gebracht, worauf sich bereits Schnitte an- fertigen liessen. In dem ersterwähnten Falle wurden die Schnitte in gesät- tigte wässerige Ammoniumpikratlösung oder in das oben genannte fixirende Gemisch, letzerenfalls aber direet in Glycerin gebracht. Anstatt der Schnitte lassen sich in vielen Fällen die, bei Ueber- Ueber die nervösen Elemente in der Retina des Menschen. Bl tragung der Retina auf den Objeetträger in derselben entstehen- den Faltungen zur Untersuchung benutzen; oder es erweisen sich endlich auch Ineisionen der Retina als zweckdienlich, wenn man nach Einwirkung der fixirenden Lösung auf die gefärbte Retina mit einer Scheere eine ganze Anzahl von Einschnitten in den Rand des Präparates gemacht hat. Gewöhnlich lassen sich solche Ineisionen, ähnlich wie auch die in den Flächenpräparaten spontan entstehenden Falten mit demselben Erfolge wie regelrechte Sehnitt- präparate dazu verwerthen, um die Vertheilung, die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse ete. der Nervenelemente in der Retina zu studiren, und es gelingt auf solchem Wege Einiges, was an Flächenpräparaten nicht leicht zu entscheiden war, genügend zu vervollständigen und klarzustellen. Anmerkung. Am Schlusse meiner Beschreibung über die nervösen Elemente der Menschenretina angelangt, muss ich noch Folgendes hinzufügen: Die „subepithelialen Nervenzellen“ bilden, wie es zum Theil auch aus der Fig.2 (Taf. I) meiner ersten Mittheilung !) ersichtlich, keine ununterbrochene, eontinuir- liche Schicht, sondern liegen bald nahe bei einander, bald mehr oder weniger von einander entfernt; hierbei werden sie in dem peripherischen Netzhauttheile in grösserer Anzahl angetroffen, als in dem centralen. Es ist mir ferner in der letzten Zeit während der Färbung einer ganz frischen Netzhaut vom Menschen mit. Methylenblau gelungen zu beobachten, dass vom Rande der kolbigen An- schwellungen, mit welchen die Zapfenfüsse endigen, einige (3—d und mehr) dünne varieöse Fäden (Fig. 5) ihren Ursprung neh- men, die auf einer gewissen Streeke auf der Aussenfläche der äusseren Retieularschicht sich anhäufen. Eben solehe Fäden entzweigen sich auch vom Rande der kegelförmigen Anschwel- lungen von Stäbehenfüssen, jedoch in einer geringeren Zahl 1—2). In welchem Verhältniss die angeführten Fäden an emander stehen, und zwar ob sie sich unter einander und mit den äusseren Fortsätzen der bipolaren Zellen, in der Form, wie es Tartu- 35 A. S. Dogiel: Ueber die nervösen Elemente in der Retina etc. feri!) vermuthet, vereinigen, oder nur in der äusseren Reticular- schicht, wie es in der letzten Zeit von Ramon y Cajal?) an- genommen wird, verzweigen, — ist mir zur Zeit nicht gelungen mit Bestimmtheit zu entscheiden. Fig >‘ 1; © Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. a Macula lutea; b) Fovea centralis; e) Maculabündel n. Michel; d) Nervenfaserbündel, welche geschlossene Bögen bilden; e) bogenförmig verlaufende Bündel, welche schliesslich im feine Bündelchen und einzelne Nervenfasern zerfallen, um das im Texte beschriebene Geflecht zu bilden; f) radiär verlau- fende Bündel; &) Bündel von Axencylindern, die die äussere Lage der Nervenfaserschicht bilden. — Flächenpräparat, ge- zeichnet mit Hülfe der Camera lue., bei Reichert’s Obj. I; darauf um die Hälfte verkleinert dargestellt. Gebiet der Macula lutea; a) Fovea centralis, in deren Grunde die Nerfenfasern ein breitmaschiges Geflecht bilden; b) Ma- cula lutea; ec) Maculabündel; d) dem äusseren Rande der Ma- cula anliegende Nervenbündel, welche geschlossene Bögen bilden; diese Bündel entsenden Nervenfasern zur Macula; e) Nervenzellen der inneren gangliösen Schicht. — Flächen- präparat der Retina. Reich. Obj. 4, Cam. lucida. Zwei Lagen — die innere (a) und die äussere (b) — der Ner- venfasern in dem äusseren Netzhautsegmente. Flächenprä- parat, Obj. 4 (Reichert), Cam. lueida. Axenceylinder mit varicösen Anschwellungen, deren axialer Theil von den Nervenfibrillen durchsetzt wird. Reichert, Obj. Sa, Cam. lucida. Zapfen. Vom Rande der kegelförmigen Anschwellung des Zapfenfüsschens werden varicöse Fäden abgesandt. Obj. 8a, Cam. lucida. 1) Sulla Anatomia della Retina. Torino 1887. 2) Notas preventivas sobre la retina y gran simpätico de los mamiferos. Gaceta Sanitaria, 10 dieciembre. Barcelona 1891. 39 Das Dotterorgan der Wirbelthiere. (Fortsetzung. ) Von Hans Virchow. Hierzu Tafel III und IV. (Diese Arbeit schliesst sich als unmittelbare Fortsetzung an eine Mit- theilung an, welche in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, LIII. Bd., Suppl. S. 161—205 erschienen ist.) B. Die Entwicklung des Dottersackentoblasten. III. Entwicklungsstufen des Dottersackentoblasten. Nachdem ich im Vorausgehenden die während der Ent- wicklung des Dottersackentoblasten auftretenden Zellenformen und -Formationen geschildert und ihre zeitliche und räumliche Vertheilung angegeben habe, stelle ich nun mehrere Stadien dieser Entwicklung dar. Ich muss mich dabei im Wesentlichen auf Lacerta beschränken. Nur bei dem Stadium der Gastrula werde ich einige Bemerkungen über Schlangen und Schildkröten an- schliessen. Ich beschreibe von Lacerta sechs Stufen der Ent- wicklung, wozu als siebente der schon geschilderte (14, S. 171) fertige Zustand hinzutritt. Das ist noch keine vollständige Dar- stellung der Entwicklung selbst, sondern es bleiben einige Uebergänge unklar. Desswegen sehe ich mich auch ge- zwungen, die Stufen der Entwieklung getrennt zu halten. Ich hoffe aber dadurch, dass ich diese schärfer als bisher zeichne, zu nützen, und dadurch, dass ich die Lücken genau angebe, die Punkte kenntlich zu machen, an denen nachfolgende Unter- suchungen anzugreifen haben. I. Stadium — Zweiblättriger Keim mit fort- gsehender Furchung. — Ich beabsichtige nicht, den zwei- blättrigen Keim oder die „verspätete Furchung“ in allen Punkten zu schildern, sondern nur dasjenige in die Erinnerung zu rufen, was für die Frage des Dottersackentoblasten von Wichtigkeit ist. 40 Ilranıs Virrie how: Dies sind vier Erschemungen: 1. der subgerminale Spalt, 2. die Merocyten der Bodenschicht, 3. die Zeichen von Furchung, 4 das peripherische Protoplasma. Von letzterem soll erst bei dem fol- genden Stadium gesprochen werden, wo es sich reicher entwickelt. 1. Der subgerminale Spalt. — Strahl sagt von dem Spalt mit Recht (13, S. 289), er sei als ein Spalt im Keim und nicht unterhalb desselben aufzufassen, da ja unter ihm in der Bodenschieht noch Kerne mit Protoplasma enthalten sind; Wenckebaeh (15, 8. 75) nennt ihn „Dotterhöhle“, und diese Bezeichnung drückt. seine Beziehung gut aus, indem er ja ganz vom Dottersackentoblasten umgeben ist. Ich halte aber doch an dem Namen „subgerminale Höhle“ fest, wie auch Mehnert (7, 8. 389) es für Emys macht; und zwar thue ich es aus dem Grunde, weil ich auch hier von der fertigen Bildung (14, S. 172) die Bezeichnung nehme. Diese Höhle zeigt sich in Figur 2 in einer Form, wie man sie an Präparaten zu finden pflegt, aber m unnatürlicher Weise vertieft. Trotzdem aber gebe ich die Abbildung, ja gerade desswegen, weil sich eine kritische Betrachtung daran anschliesst. Die unnatürliche Tiefe erklärt sich in der Weise, die ich in den einleitenden Betrachtungen (14, S. 164) erläutert habe: Wenn man Eier dieses Stadiums fixirt und dann den proximalen Abschnitt derselben abträgt und diesen weiter behandelt, so kann man an dem Stücke selbst oft die Veränderungen beobachten, die Platz greifen. Folgende Faktoren treten in's Spiel: 1) Die Flüs- sigkeit des Spaltes als eine Eiweisslösung von hohem osmotischen Aequivalent, zieht Wasser und schwachen Alkohol an und dehnt sich dadureh aus, so dass Dach und Boden sich trennen; 2. der Dotter der Bodenschicht schrumpft durch die Einwirkung von starkem Alkohol, selbst nach vorausgegan- gener „Fixirung“, und das Dach wölbt sieh über ihm, wie ein 3ogen über einer gespannten Sehne; 3. durch Wasser, namentlich aber durch verdünnte Säuren quillt der Dotter, und der Keim wird dann mit seinen Rändern emporgebogen, wie man es z.B. auf der Figur 1 und 2 von Strahl (13) bemerkt; diese Wirkung tritt besonders stark bei dem Auswaschen in salzsäure- haltigem Alkohol auf; 4. durch Wirkung starken Alkohols kann aber auch die Höhle enger werden, obwohl diese Veränderung nach meinen Erfahrungen in diesem Stadium nicht so häufig ist Fr. EN 4 Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 41 wie die umgekehrte. Dagegen tritt sie ganz typisch in späteren Stadien ein (s. meine Figuren 27 und 34), wo die subgerminale Höhle eine bedeutende Tiefe hat. Photoxylin- (Celloidin-) Ein- bettung wirkt in dieser Richtung ganz besonders heftig und bringt die Höhle oft gänzlich zum Schwinden. Die wirklichen Verhältnisse sind meiner Meinung nach im Wesentlichen erhalten in Figur 1; hier ist zwar ein Spalt zwischen Keim und Bodenschieht vorhanden, aber die Zellen der unteren Keimschieht berühren doch den Boden. Wir müssen aber dem Kunstprodukt noch weiter nach- spüren. Je nach den Umständen ereignet sich einer von zwei möglichen Fällen: wenn vor der Zeit, wo die künstliche Erweite- rung der Höhle eintritt, der gefurchte Keim schon gut fixirt war, so erhebt sieh der letztere im Ganzen als Dach der künst- lich vertieften subgerminalen Höhle, wobei vereinzelte Zellen oder Zellengruppen losgerissen im Innern der Höhle liegen bleiben können; wenn dagegen der schädliche Einfluss emtritt, während der Keim noch weich ist, so fmdet eine gleichmässige Auflockerung der unteren Keimschicht statt. Der Beurtheiler soleher Präparate, wenn er die eingetretenen künstliehen Veränderungen nicht berücksichtigt, wird durch die ihm entgegentretenden Bilder unbewusst beeinflusst. Es ist ja viel natürlicher, dass eine Vermehrung der unteren Keimschicht dureh Abfurehung vom Boden noch stattfindet, wenn beide in Berührung sind, dagegen weniger wahrseheinlich, dass ein wesentlicher Zuwachs zur unteren Keimschicht vom Boden aus stattfindet, nachdem ein Spalt von erheblicher Tiefe aufgetreten ist. Im ersteren Falle’ setzt sich der Gang der Entwicklung ein- fach fort, im zweiten sind neue Verhältnisse eingetreten; die Furchung im Boden erscheint im ersteren Falle einfach als der letzte verzögerte Rest der Furchung des Keimes selbst, im zweiten Falle kann sie wenigstens erscheinen als ein neuer Vorgang, als „Dotterfurehung“*, und wir müssen unser Augenmerk darauf un- somehr haben, da die „Dotterfurchung“ als ein wichtiger Vor- gang uns bei Ichthyophis und bei Amphibien wirklich entgegen- tritt, und da wir daher bestrebt sein müssen, eine scharfe Diffe- rentialdiagnose zu gewinnen. Desswegen lege ich Werth darauf, zu betonen, dass — nach meiner Meinung — im Stadium des zweiblätterigen Keimes bei Lacerta (ich sage nichts von 42 Hans Virchow: anderen Reptilien) der Spalt keine eigentliche Tiefe hat, sondern dass die untere Keimschicht dem Boden noch autfliegt. 2. Die Merocyten der Bodenschicht. — In der Bodenschicht kommen die zwei Arten der Merocyten vor, welche ich als „protoplasmaarme“ und „protoplasmareiche Merocyten“ beschrieben habe (14, S. 195), die ersten in den mittleren Theilen der Bodenschicht, die letzteren in den Randtheilen. Ueber die Zahl und Lage der meroeytischen Kerne möchte ich mich nicht bestimmt aussprechen, weil durch die Mitfärbung des Dotters viele derselben verdeckt sind; im Allgemeinen kann die Vertheilung als eine gleichmässige gelten, doch kann ich eine vollkommene Regelmässigkeit nicht finden. Dass eine Verschiedenheit der beiden Formen von Meroey- ten dem Wesen nach nicht vorliegt, habe ich schon angegeben (14, 5.194). Da aber der Unterschied eonstant ist, so muss er auch Gründe haben. Diese Gründe scheinen mir. aber aus dem vorliegenden Stadium nicht erkennbar zu sein und müssen daher entweder durch ein früheres oder durch ein späteres Sta- dium gefunden werden. 5. Zeichen fortgehender Furchung in der Boden- schicht. — In dem Stadium, von dem wir sprechen, sind Zeichen fortgehender Furehung in.der ganzen Bodenschicht vorhanden. Es tritt jedoch (Fig. 2) ein beachtenswerther Unter- schied zwischen den mittleren Abschnitten und zwischen den Randabschnitten hervor, indem in letzteren die Zeichen stärker ausgeprägt sind. Ich bemerke schon hier mit Rücksicht auf die nachfolgen- den Stadien, dass ich als „Zeichen fortgehender Abfurchung“ nur die Erhebung von Buckeln und in Abschnü- rung begriffenen Zellen ansehe, aber nicht schon das Vorhandensein von Kernen. Dieses allein beweist noch nicht, dass eine Abgabe von weiteren Zellen in die subgerminale Höhle oder gar an die untere Keimschicht stattfinden wird, und der Leser möge seine Blicke nicht nur nach oben, sondern auch nach unten richten und sich vergegenwärtigen, dass in den nach- folgenden Stadien sich unter der subgermimalen Höhle „Dotter- zellen“ vorfinden, die vermuthlich gleichfalls aus der Bodenschicht hervorgehen. Ich möchte daher glauben, dass wir für spätere Stadien die Ausdrucksweise: „Zellen steigen aus der Bodenschicht Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 43 in die subgerminale Höhle auf“ ersetzen müssen durch die andere Ausdrucksweise: „Die subgerminale Höhle dehnt sich in die Bodenschicht hinein aus“. Dass die subgerminale Höhle tiefer wird, ist ja nieht eine Vermuthung, sondern eine Thatsache, und dabei wird sie voraussichtlich in die Bodenschicht vordringen und die Zellenterritorien derselben, die sich dadurch zu Zellen abschliessen, umspülen. Das Aktive liegt dann in der Flüssig- keit der subgerminalen Höhle und nicht in den Zellen. So wenigstens scheint es mir nach Berücksichtigung der topogra- phischen Verhältnisse, und Niemand sollte in dieser Frage ur- theilen ausser im engsten Anschluss an die letzteren. Doch be- trachten wir die Zellen selbst, welche in den nachfolgen- den Stadien vereinzelt in den mittleren Abschnitten der subger- minalen Höhle über dem Boden vorkommen, ob an ihnen Er- scheinungen wahrzunehmen sind, welche für die Theorie eines „Aufsteigens“ durch die Höhle hindurch verwerthbar wären, so muss ich sagen, solche Zeichen finden sich nicht. Ja ich kann mir auch ein solehes „Aufsteigen* gar nicht vorstellen. Die Zellen, um die es sich handelt, sind kugelig und ohne An- zeichen amöboider Gestaltveränderung, die sie doch haben müssten, wenn sie ihren Platz selbständig verlassen sollten. Aber wenn sie auch amöboide Eigenschaften hätten, so würden sie davon gar keinen Gebrauch machen können, da ja feste Körper, an denen sie hinkriechen könnten, fehlen. Sie müssten also dureh die Flüssigkeit der subgerminalen Höhle hindurehschwimmen wie Infusorien, und das hat bisher noch Niemand beobachtet oder behauptet. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unter- lassen, einer schmerzlichen Empfindung Ausdruck zu geben, welehe die Litteratur m dem Leser erweckt. Wenn man sieht, welche Summe von Erörterungen, welche Menge von Papier man an die „Megasphären“, kleine und grosse Zellen der subgerminalen Höhle, kernlose Gebilde in ihr u. s. w. verwendet hat, welche Fülle tö- nender Namen und anspruchsvoller Theorien aufgebracht ist, und das von Autoren, denen es auch nicht einmal eingefallen ist, sich die Entwicklung des Dotterorgans in ihrem Gesammtzusammen- hange vor Augen zu stellen, so wird man nieht bestreiten, dass dies ein betrübendes Kapitel der Entwieklungsgeschichte ist. Ich nehme also einstweilen einen nachträglichen Anschluss an die untere Keimschicht bez. das Dotterblatt nur von denjenigen 44 Hans Virchow: Zellen an, die mit Nachbarzellen zu Zellensträngen ver- einigt sind, und- auf diese Weise von vornherein in einer, wenn auch lockeren Verbindung mit dem Dache der subgermi- nalen Höhle stehen. Die vereinzelt am Boden liegenden Zellen dagegen dürften dem Untergange entgegensehen, selbst- verständlich nicht weil sie eine zum Untergange bestimmte For- mation darstellen, sondern weil sie den Anschluss verpasst haben. Wir kennen ja in der subgerminalen Höhle der Reptilien und noch besser der Vögel Zellenreste und kernlose Zellen. Ich kehre zu unserem Stadium zurück und wiederhole, dass in ihm die Zeiehen der Abfurchung in den Randtheilen stärker sind, dass sie aber in den mittleren Theilen der Bodenschicht nicht fehlen. Dies muss uns veranlassen, der überliegenden „un- teren’Keimschicht“ einen Blick zuzuwerfen, um sie mit den in Abfurchung begriffenen Stücken zu vergleichen. Da ergibt sich denn ganz constant zweierlei: 1. Dass in der unteren Keimschicht die Grösse der Zellen vom Eetoderm gegen den subgerminalen Spalt hin wächst, und 2. dass die tieferen Zellen in ihrem durch den Dottergehalt bedingten Aussehen den in Abfurchung begriffenen Stücken völlig gleichen. Die höheren Zellen nämlich (L/ in Fig. 3) haben ein netzförmiges Protoplasma, welches im Centrum der Zelle um den Kern herum dieht angehäuft -ist und am Rande grössere Vacuolen einschliesst, die tieferen Zellen dagegen (L“ in Fig. 3) enthalten kleine Vacuolen (Fetttröpfehen), um welche die Dotterkörnehen in Kreisen angeordnet sind. Ganz dasselbe finden wir in den erhobenen Kuppen der in Abfurehung begriffenen Stücke (B/ in Figur 3), während die mit der ungefurchten Dottermasse zusammenhängenden Basen (B” in Figur 3) andere Dotterkörnchen enthalten, die zwar kleiner sind als die des rohen Dotters, aber doch grösser als die vorherge- nannten. Diese Zeichen können, wie mir scheint, nieht anders gedeutet werden, als dass die tiefen Lagen der unteren Keim- schicht erst spät von dem Boden abgefureht werden. Da nun die geschilderte Beschaffenheit in der tiefen Lage der Zellen der unteren Keimschicht sich in ganzer Ausdehnung der letzteren findet, so muss man annehmen, dass der Keim in diesem Stadium noch an seiner ganzen Unterseite sich durch Zuwachs von der Bodenschicht verstärkt. Hier muss aber auch gleich hinzugefügt werden, dass daraus kein vollständiges Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 45 Bild des Wachsthums der unteren Keimschicht gewonnen werden kann, sondern dass ein solches erst vorliegt, wenn wir den An- theil kennen, den jeder der drei Faktoren: Ausbreitung der vor- handenen Zellenmasse über eine grössere Fläche, Zuwachs von der Bodenschieht, Vermehrung der vorhandenen Zellen durch Theilung, an der Gesammtleistung hat. Diese Antheile vermag ich nicht zu bemessen, und bin auch dazu nicht durch die nächsten Zwecke der vorliegenden Arbeit aufgefordert. In der Nähe des Randes nun trägt die Abgabe von Zellen weit mehr den Charakter einer „Furchung“, d. h. es werden hier durch klaffende Spalten, die in die Bodenschicht einschnei- den, grössere Stücke herausgeschnitten um central gelegene Kerne, freilich nieht, ohne dass auch sogleich kleine Zellen ge- bildet würden. Am Rande selbst endlich ändert sich das Bild wieder, indem die neugebildeten Zellen, die hier von den protoplasmareichen Merocyten ausgehen, auch ihrerseits protoplasmareich sind. Es sei gleich bemerkt, dass wir von diesen Randmerocyten auch noch im Stadium der Gastrula Zellenbildung ausgehen sehen, dass diese aber nicht mehr so sehr an eine typische Furchung erinnert. Ich kann diese Mittheilung nicht verlassen, ohne die Frage zu berühren, ob auch das Eetoderm noch direkt oder indirekt einen Zuwachs erhält. Die Frage ist desswegen nicht leicht zu beantworten, weil die Abgrenzung des Eetoderms gegen die untere Keimschicht zwar im grössten Theile der Keimhaut ganz scharf ist, im Randtheile dagegen nicht. Hier werden nämlich die Eetodermzellen allmählich höher, unregelmässig, und einzelne von ihnen (Fig. 2 und 3 E) ragen in die untere Keimschiecht hinein; ja in Fig. 2 E’ ist eine Zelle angedeutet, welche mit ihrem Körper in der unteren Keimschieht steckt und nur einen schmalen Fortsatz in dem Eetoderm hat. Achnliche Bilder haben zu der in der Litteratur vertretenen Ansicht geführt, dass das Eetoderm emen Zuwachs durch Zellen aus der unteren Keim- schicht erhalte. Es muss in diesem Zusammenhange die Frage der Be- zeichnungen berührt werden. Wüssten wir, dass in diesem Stadium schon das Eetoderm von der unteren Keimschicht ganz unabhängig ist, so könnten wir den Verlegenheits- Ausdruck „untere Keimschicht“ dureh „Dotterblatt“ schon jetzt ersetzen. 46 Hans Virchow: Indessen wir wissen das nicht genau. Bei Schlangen prägt sich im Stadium des zweiblätterigen Keimes die Erhöhung des Eeto- derms am Rande noch viel auffälliger aus; die Zellen nehmen hier eine gewaltige Höhe an, und ihre gerundeten, nach unten gewendeten Kuppen sind mit Dotterkörnern gefüllt (sie erinnern auffallend an Dottersackepithelzellen).. Im Rande ist also eine Abgrenzung von Eetoderm und unterer Keimschicht nicht sicher durchzuführen. Wenn man daher auch im Ganzen die oberste in der Flucht des übrigen Eetoderms gelegene Zellenlage zum Eetoderm rechnen und den Rest als Dotterblatt (Leeithoderm), die Randverdiekung demgemäss als „Randwulst des Leeitho- derms“ bezeichnen kann, so lässt sich doch von dem Stadium des zweiblätterigen Keimes nicht bestimmt behaupten, dass die von der Bodenschicht aus stattfindende Zellenabgabe ausschliess- lich auf Vergrösserung des Dotterblattes und nicht auch des Eetoderms gerichtet sei. Das Ergebniss unserer Betrachtung ist also, soweit das Dotterblatt in Betracht kommt, dass im Stadium des zweiblätte- rigen Keimes bei Lacerta ein Zuwachs von Zellen zum Dotter- blatt von der ganzen Bodenschicht aus stattfmdet, dass aber dieser Vorgang lebhafter und einer typischen Furehung ähn- licher m den Randtheilen ist; und dass in den neugebildeten Zellen die gleichen Unterschiede hervortreten, wie in den Me- rocyten, aus denen sie hervorgingen. II. Stadium. Beginnende Gastrula. — Im Stadium der Gastrula trifft man den Theil des Dottersackentoblasten, welcher im Boden der subgerminalen Höhle steckt, in dem gleichen Zustande wie vorher; nur tritt der Unterschied der protoplasma- armen und protoplasmareichen Merocyten schärfer hervor, weil die Merkmale der letzteren mehr ausgeprägt, namentlich die Kerne grösser geworden sind. Derjenige Theil des Dottersacken- toblasten, welcher das Dach der subgerminalen Höhle bildet, oder das „Dotterblatt“ befindet sich auf einer Zwischenstufe zwischen dem ursprünglichen Zustande, welcher durch lockere Lagerung der Zellen in mehrfacher Schicht, und dem fertigen Zustande, welcher durch einzellige Lagerung, die Vorstufe des einschichti- gen Epithels, gekennzeichnet ist. Der „Randwulst des Dotter- blattes“ hat die im vorigen Stadium bestehenden Beziehungen zu Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 47 dem Lager der Randmeroeyten bewahrt, wenn auch mit Abän- derungen im Einzelnen. Um für die Besprechung eine feste Grundlage zu haben, will ich einige Eigenthümlichkeiten des ausgebildeten Gastrula- Stadiums in die Erinnerung zurückrufen. 1. Ein „Schild“ d.h. eine kreisförmig begrenzte Dunkelheit im durehfallenden Lichte, bedingt durch Eetoderm-Verdiekung, tritt bei Lacerta nieht in allen Fällen in scharfer Abgrenzung hervor, jedesfalls weit weniger scharf wie bei Emys, einmal weil die Eetodermzellen weniger hoch und weniger durch Dotterkörnehen getrübt sind, sodann weil die weiter unten zu besprechende Verdiekung des Leeitho- derms z. T. unter dem Rande des Schildes lagert und diesen nieht sichtbar werden lässt. — 2. Der „Urdarm“ der Eidechse besteht aus einem hinteren senkrechten Schenkel, dem späteren Canalis neurenterieus, und einem vorderen horizontalen Schenkel, dem eigentlichen Urdarm. Am engsten (in querer Richtung) ist der Canal an der Umbiegungsstelle der beiden Schenkel in ein- ander, an einer Stelle, die desswegen die „Enge“ heissen mag. 3. Von der Zellenmasse des „Knopfes“, d. h. von dem in Bildung begriffenen Mesoderm, ist im Stadium der ausgebildeten Gastrula das Dotterblatt an den besseren meiner Präparate durch einen Spalt scharf geschieden. Das ist von Wichtigkeit mit Rücksicht auf einen Punkt, der noch nicht genügend geklärt ist, nämlich mit Rücksicht auf die Frage, ob das Leeithoderm (Entoderm der Autoren) an der Bildung des Mesoderm betheiligt ist oder nieht. Auf Grund des angeführten Befundes möchte man die Beteiligung ausschliessen, doch muss ich zugeben, dass ich im Stadium der eben beginnenden Gastrula eine scharfe Trennung zwischen Knopf und Leeithoderm nieht finde. Es ist mir daher allerdings wahrscheinlich, dass sich das Mesoderm unabhängig vom Leeithoderm entwickelt, doch kann ich es nicht mit voller Bestimmtheit behaupten. Da jedoch die. Feststellung der Herkunft des Mesoderms nicht die. Aufgabe meiner Unter- suchung ist, so gehe ich auf diesen Punkt nicht weiter ein. Noch einen Punkt muss ich im Voraus berühren, um für das Nachfolgende eine klare Grundlage zu schaffen. Auf den Schnitten von solehen Gastrulae, bei denen em Theil Dotter mit &ehärtet ist, findet man wohl ziemlich ausnahmslos das Dach der subgerminalen Höhle vom Boden stark abgehoben, wie es 48 Hans Virchow: meine Figuren 4 und 7 zeigen. Die Ursache liegt, wie ich er- läutert habe (14, S. 164) in der Sehrumpfung des Dotters. Die wahren Verhältnisse dürften jedoch annähernd dureh Figur 8 dargestellt sein, wo das ganze Ei geschnitten wurde. Allerdings deutet hier die leichte Einbiegung an dem Schilde. darauf hin, dass der entgegengesetzte Fehler eingetreten, das Dach unnatür- lich an den Boden angedrückt ist; doch dürfte dieser Fehler weit geringer sein als der umgekehrte. Ich glaube also behaup- ten zu können, dass im Stadium der Gastrula eine Höhle von nennenswerther Höhe nicht vorhanden ist, dass vielmehr das Dach dem Boden noch ziemlich anliegt; und ich glaube im An- schluss daran auch annehmen zu können, dass die Zellen der unteren Keimschicht zwar locker liegen, aber doch nicht isolirt. Geht man mit dieser Vorstellung an die Figur 4 heran, so lässt sich dieselbe damit wohl in Einklang bringen: wenn man die Bodenschicht dehnt, so legt sich das Dach dem Boden an, und die Verdiekungen des Keimes passen dann genau in Vertiefungen des Bodens. Die damit gewonnene Vorstellung ist für die Beur- theilung der Vorgänge von grosser Bedeutung. Um dem Beschauer der Figur 4 zu Hülfe zu kommen, sei orientirend Folgendes bemerkt: die Urdarmemstülpung (U) hat eine geringe Tiefe; unter derselben liegt ein Zellenhaufen, der „Knopf“; an die vordere und hintere Seite des letzteren schliesst sich eine keilföürmige Zellenmasse an. Der hintere Keil oder die Anlage des Mesoderms liegt dem Ectoderm an, ohne mit ihm verbunden zu sein, und ist von dem Leeithoderm durch eine Spalte (s) geschieden. Der vordere Keil oder die Wand des Urdarmes, in welche jedoch die Ausstülpung noch nicht hinein- reicht, ist von dem unterliegenden Leeithoderm durch eimen Spalt getrennt, vom aber mit dem Leeithoderm verbunden, wie auch in späteren Stadien. Das Lecithoderm ist nur von dem Knopf selbst nicht geschieden; weder durch einen Spalt, noch durch die Beschaffenheit der Zellen deutet sich hier eime Trennung an, doch kann man auf Grund des folgenden Stadiums (s. Fig. 6 u. 7) die unterste, an die subgerminale Höhle grenzende Zellen- lage dem Leeithoderm zurechnen. Von den beiden Keilen aber ist das Leeithoderm geschieden, und hinter dem Knopf ist inner- halb des Leeithoderms selbst ein Spalt vorhanden, welcher eine obere einzellige Lage kleinerer, mehr geschlossener, also schon Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 49 mehr epithelartig geordneter Zellen von einer tieferen Lage mehr locker gelegener Zellen trennt. Nach diesen Vorbemerkungen können wir unsere Aufmerk- samkeit auf das Leeithoderm beschränken. Wir theilen dasselbe ein in den proximalen Lecithoderm-Wulst, die Zwischenzone und den Randwulst. 1. Der proximale Leeithoderm-Wulst. — Derselbe tritt aut’s deutlichste vor dem Knopf hervor, wo er eine Dicke von acht bis zehn, ja bis zwölf Zellen hat. Er tritt aber auch hinter dem Knopf hervor, eine Auffassung, zu welcher auch die Figuren 6 und 7 berechtigen; allerdings hat er hier nur eine Dicke von drei bis vier Zellen. Man kann also von diesem Wulste sagen, er umgibt den Knopf und fehlt nur an der Stelle des Knopfes selbst; ist aber hinter dem Knopf weniger ausge- bildet wie vor demselben. Beschränken wir unsere Betrachtung auf die vordere Verdiekung, so müssen wir hervorheben, dass ein auffallender Unterschied zwischen den tiefen und oberfläch- lichen Zellen besteht, und zwar in drei Punkten: die tiefen Zellen, d. h. diejenigen, welche an die subgerminale Höhle anstossen, sind grösser, dotterreicher und locker gelegen, daher kuglig; die oberflächlichen, d. h. die unter dem Ectoderm gelegenen, sind kleiner, dotterärmer, dieht gelegen, daher polygonal wie in einem geschichteten Epithel. Da diese Eigenschaften sich in dem folgenden Stadium noch finden (Figur 11), so kann hier auf besondere Abbildungen verzichtet werden. 2. Die Zwischenzone. — In der Zwischenzone ist das Leeithoderm drei auch vier Zellenlagen diek. Zwischen den tiefen und oberflächlichen Zellen herrschen die gleichen Unterschiede, wie sie eben geschildert wurden, doch sind die oberflächlichen Zellen noch durch zwei weitere Merkmale gekennzeichnet: erstens ist in ihnen das Protoplasma weitmaschig; zweitens sind die Zellen selbst stark abgeplattet. Da nun von dem Rande des „Schildes“ bis an den Randsaum im Stadium der Gastrula aus- nahmslos das Leeithoderm dem Eetoderm fest anliegt, so verwischt sich für die Betrachtung jeder Unterschied zwischen den platten Eetoderm-Zellen und den gleichfalls platten obersten Leeithoderm- zellen. Von einer Abbildung kann auch hier abgesehen werden, da der Unterschied der oberflächlichen und tiefen Leeithoderm- zellen sich in dem folgenden Abschnitt wiederholt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 4 50 Hans Virchow: 3. Der Randwulst des Leeithoderms. — Im Randwulste hat das Lecithoderm eine Dicke bis zu sechs Zellen- reihen. Der Randwulst ist von bedeutender Breite. In ihm kann man zwei Abschnitte, einen proximalen und einen distalen unterscheiden und jedem etwa die Hälfte der Gesammtbreite zu- weisen. Diese Unterscheidung hat nichts zu thun mit dem Rand- saum, von welchem später gesprochen werden wird; sie ist auch nicht bedingt dureh Unterschiede im Eetoderm oder in den oberflächlichen Lagen des Lecithoderms, sondern durch solche in den tiefen Lagen des letzteren, und diese stehen in Verbin- dung mit Unterschieden in der unterlagernden Bodenschicht. In den oberflächlichen Lagen sind die Zellen im Bereiche des ganzen Randwulstes klein, abgeflacht, dieht zusammengedrängt nach Art eines geschichteten Epithels und dotterfrei. Das Proto- plasmanetz in denselben ist noch lockerer als in der Zwischen- zone, und Hand im Hand damit wächst die Schwierigkeit, die Zellengrenzen von den Protoplasmafäden zu unterscheiden. Nur gegen den Rand selbst wird das Protoplasma in den oberfläch- lichen Zellen wieder dichter und damit treten auch die Zellen- grenzen wieder deutlich hervor. Doch wenden wir uns den tiefen Lagen des Randwulstes zu, um die Unterschiede der proximalen und distalen Zone kennen zu lernen. Die Unterschiede liegen nicht in der Grösse der Zellen, sondern in ihrer Form und zweitens m der Art ihres Inhaltes, in der Gestalt und Grösse der Dotterkörner. Die Zellen in der proximalen Zone (Fig. 15) sind rundlich, kuglig oder abgeflacht; die in der distalen Zone (Fig. 16) sind z. Th. auch. rundlich, z. Th. jedoch abgeplattet, nicht nur gegen die überliegen- den, sondern auch gegen die nebenliegenden Zellen, so dass sie häufig die Gestalt von langgezogenen Platten haben (Fig. 20). Die Ursache dieser verschiedenen Gestalt liegt darm, dass die sub- germinale Höhle mit Spalten in die proximale Zone hineingreift, aber nicht in die distale. Wichtiger ist der Unterschied in der Grösse und Beschaf- fenheit der Dotterkörner. Die Dotterkörner in den tiefen Zellen der distalen Zone (Fig. 16) gleichen in Grösse und Aussehen den Körnern unveränderten Dotters, wie solche in der unterliegenden Bodenschicht gefunden werden. In den mittleren Lagen dieser Zone sind die Körner kleiner und blasser, und im Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 51 den oberen fehlen sie, wie schon gesagt ist, gänzlich. Die Dotterkörner in den tiefen Lagen der proximalen Zone (Fig. 15) weichen in zwei Punkten von dem eben geschilderten Verhalten ab: sie sind erstens kleiner, zweitens nicht rund, sondern durch eoneave Eindrücke ausgezeichnet. Em Blick auf die m Figur 15 reehts unten liegende grosse Zelle g wird dies deutlich machen: Eine solehe Zelle enthält eine grosse Zahl kugeliger Vacuolen (Fetttropfen), welche die erwähnten Eindrücke an den Dotter- körnern hervorrufen. Dadurch bilden alle Dotterkörner einer Zelle zusammen ein grobes Gerüst, in welchem aber die Grenzen der einzelnen Körner noch sichtbar sind. Dieses Bild entspricht dem, welehes man in der unterliegenden Bodenschicht findet, mit dem Unterschiede, dass in den Zellen die Balken des Gerüstes feiner, die Vaeuolen dagegen grösser sind. In den mittleren Lagen entwiekelt sich dieser Unterschied noch stärker: die Vacuolen werden noch grösser, die Balken noch feiner, und es treten zwei weitere Züge hinzu, nämlich die Dotterkörner werden blasser, und ihre Grenzen gehen verloren. Wir haben nun zwischen den Vaeuolen ein homogenes, schwach lichtbrechendes Netzwerk vor uns, über dessen Bedeutung wir kaum in’s Klare kommen würden, wenn wir nicht die Vorstufen dieses Zustandes in den tiefen Zellen und in der Bodenschicht vor Augen hätten. Dieses Bild führt über zu dem der oberflächlichen Schicht des Leeitho- blasten (L. o in Figur 15) und macht dieses selbstverständlich. Die Balken des intracellulären Netzes sind noch femer und blasser geworden, die Vacuolen geblieben; der Dotter, der in den Balken lag, ist verdaut, und das Protoplasma tritt hervor. Daraus be- gründet sich die Auffassung, dass der Dotter in den mittleren und tieferen Lagen auch schon in den Protoplasmabalken lag, und man kann nun besser len Unterschied der tiefen Zellen der proximalen und distalen Zone begreifen, der sich mit dem Unter- schied der beiden Meroeytenformen deckt. 4. Die protoplasmarmen Merocyten. — Diese habe ich bereits geschildert und abgebildet (14, S. 195, Fig. 22); die Figur ist von einem Schnitt der vorliegenden Serie genommen. Ich brauche also über ihre Beschaffenheit nichts anzugeben und kann mich darauf beschränken, von ihrer Topographie zu sprechen. Die betreffenden Kerne finden sich unter der subgerminalen Höhle und unter der proximalen Zone des Randwulstes in gleichmäs- 52 Hans Virchow: siger Verbreitung, meist in emfacher Lage, doch kommen ver- einzelt auch tiefer gelegene Kerne vor (Fig. 4 d. M/). 5. Die protoplasmareichen Merocyten. — Auch diese habe ich bereits besprochen und abgebildet (14, S. 194, Fig. 20); allerdings beziehen sich jene Figuren auf ein späteres Gastrula-Stadium, doch ist schon in der vorliegenden Stufe die Höhe ihrer Entwicklung erreicht. Die Formen der Kerne wechseln so sehr, dass man viele Abbildungen geben müsste, um die Be- schreibung zu vervollständigen. Da aber jedenfalls die Verschie- denheiten mit Funktions- und Theilungszuständen zusammenhängen, und ich keine vollständigen Reihen in dieser Hinsicht aufzustellen vermag, so wäre eine weitere Angabe einstweilen planlos, und ich nehme davon Abstand. Die Randmerocyten liegen zu zweien oder dreien in proximo-distaler Richtung neben einander, ent- weder oberfläclich oder auch mehr in der Tiefe. Ihr typischer Platz ist unter der distalen Zone des Randwulstes, doch reichen sie zuweilen bis zum Randsaume selbst, ja etwas über denselben hinaus. 6. Das peripherische Protoplasma — (Fig. 18). Ich spreche hier von wirklichem und nicht von angenommenen, von beobachtetem, nicht von gedachtem Protoplasma. Dasselbe findet sich jenseits der Randmerocyten in einer Lage, welche durch die Breite von emem oder zwei Dotterkörnern von der Oberfläche geschieden ist. Es besteht aus einem Netz, dessen Maschen der Oberfläche parallel gestreckt sind; nach oben gehen Fäden ab zur Verbindung mit dem „oberflächlichen Protoplasma“, nach unten gehen spärliche Fäden, die zwischen die Dotter- körner eindringen — wie weit, vermag ich nicht zu sagen. Distalwärts ist dieses Protoplasma weit zu verfolgen, — wie weit, kann ich nicht angeben. An der proximalen Seite hängt es mit dem Protoplasma der Randmeroeyten zusammen; man kann also das peripherische Protoplasma als die Fortsetzung des Meroeytenlagers bezeichnen. Damit soll aber kein Urtheil über die Herkunft dieses Protoplasmas gegeben sein. Ich lasse es unentschieden, ob es von dem Keim aus in den Dotter vor- geschoben wurde, oder ob es von Protoplasma herstammt, welches schon vor der Furchung in anderer Vertheilung im Dotter vorhanden war; ich betone nur, dass in früheren Stadien, soweit meine Kenntniss reicht, an dieser Stelle keine so reiche Proto- Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 53 plasmaansammlung vorhanden war, obwohl dieselbe, wie schon hervorgehoben wurde (S. 40) im Stadium des zweiblättrigen Keimes nicht fehlt. 7. Das oberflächliche Prototoplasma. — Die Formation, die ich so bezeichne, beginnt, wie Fig. 17 zeigt, ziem- lich diek am Keimhautrande, verschmälert sich aber schnell und läuft als eine dünne Lamelle an der Oberfläche hin, — wie weit vermag ich nicht zu sagen. Diese Bildung macht sich schon bei der mikroskopischen Betrachtung von uneingebetteten Keimscheiben bemerkbar, nämlich dann, wenn die Dotterkörner von ihr abgefallen sind, als ein feines durchsichtiges Häutchen. Der Umstand, dass sie sich unter solchen Bedingungen erhält, und dass sie Verbiegungen verträgt, ohne abzubrechen, weist auf eine bedeutende Consistenz hin, und der mikroskopische Befund steht damit in Uebereinstimmung, denn wenn man auch in dieser Scehieht ein körniges und streifiges Aussehen und kleine Vacuolen wahrnimmt, so hat man doch nicht das Bild eines Netzes, son- dern das emer homogenen Substanz vor sich, und man darf nicht von einem Geflecht, sondern von einer Platte sprechen. Einer so ungewöhnlichen Formation gegenüber ist die äusserste Kritik geboten, und ieh erwog lange, ob nicht vielleicht die Reagentien, indem sie die Oberfläche zuerst treffen, hier eine besonders intensive Wirkung ausüben und ein künstliches Häutchen schaffen. Doch glaube ich diese Möglichkeit ausschliessen zu dürfen. Nach dem makroskopischen Befunde würde man erwarten, ein resistentes Zellenhäutchen, vielleicht eine Fortsetzung des Eeto- derms zu finden, doch bestätigt sich dies bei Durchsicht der Schnitte nicht, und die Zellen, welche in dieser Schicht einge- schlossen sind (R! in Fig. 17) tragen nicht zur Klärung, sondern zur Mehrung der Schwierigkeit bei. Nur sehr gute Präparate können die Beziehungen dieser Schicht deutlich machen und solche lehren, wie Fig. 17 und 18 zeigen, dass sie mit dem Protoplasma der Randmerocyten und mit dem „peripherischen Protoplasma“ zusammenhängt. Wegen dieser Verbindungen habe ich auch die räthselhafte Formation als „oberflächliches Proto- plasma“ bezeichnet, obwohl ich weit davon entfernt bin, sie für gewöhnliches Protoplasma zu halten. Ich betrachte sie vielmehr als eine Art von Cuticula, bemerke jedoch ausdrück- lieh, dass die gewebliche und funktionelle Bedeutung dieser 54 Hans Virchow: Formation erst auf breiterer Grundlage festgestellt werden kann. 8. Der Randsaum. — Von dem Randsaume der Keim- haut gibt Fig. 17 eine Anschauung. Man sieht hier drei Zellen- lagen übereinander, von denen man die oberste dem Eetoderm, die beiden unteren dem Leeithoderm zurechnen kann. Diese Anordnung findet sich jedoch nicht ausnahmslos, es kommen vielmehr gerade am Randsaume vielfache Verschiedenheiten vor: bald erreicht nur eine, bald mehrere Zellenlagen den Rand, bald sind die äussersten Zellen rundlich, bald abgeplattet, ja selbst an der distalen Seite zugeschärft. Ich kann aus dieser einen Serie Schnitte vorlegen, auf die man die Behauptung begründen kann, dass nur das Eetoderm den Rand bildet, andere, auf denen das Eetoderm und Leeithoderm daran betheiligt ist, und noch andere, auf denen eine indifferente Zellenmasse vorzuliegen scheint, in welcher die Sonderung in Eetoderm und Leeithoderm nicht eingetreten ist. Diese Verschiedenheiten können daher keine tiefere Bedeutung haben, und man kann über den Rand- saum nur urtheilen auf Grund der Gesammtentwieklung. Danach möchte ieh mich dahin aussprechen, dass beide Keim- blätter dauernd bis zum Rande reichen. Eine besondere Unklarheit kommt nun noch in die Betrach- tung dadurch, «dass sehr häufig distal vom Rande isolirte Zellen in dem „oberflächlichen Protoplasma“ liegen, eine (wie in Fig. 17) oder auch zwei oder drei. Ich glaube nicht, dass man daraus auf eime Abgabe solcher kleinen Zellen von den Mero- eyten und auf ein Wachsthum des Randes durch Anlagerung derartiger Zellen schliessen darf, sondern ich glaube, dass dies Zellen des Randes sind, welche vorgeschoben, von dem „oberflächlichen Protoplasma“ umschlossen sind. Es handelt sich auch hier um einen unklaren Zug in unserem Bilde, der erst aus einem weiteren Zusammenhange heraus gedeutet werden kann, aber nicht um einen Faktor, dem wir in unserer Gesammtbe- trachtung einen bestimmenden Platz anweisen dürfen. Nachdem im Vorhergehenden die Unterschiede des Dotter- sackentoblasten im Anschluss an ihre örtliche Vertheilung ge- schildert sind, können wir auf Grund davon an die Frage heran- treten, ob in dem uns beschäftigenden Stadium der früheren Gastrula noch eine Abgabe von Zellen von der Bodenschicht an Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 55 das Leeithoderm stattfindet. Hierauf glaube ich in folgender Weise antworten zu müssen: Unterhalb des proximalen Leeitho- dermwulstes und unterhalb der Zwischenzone ist die Möglichkeit eines solehen Vorganges vorhanden, da Mero- eyten in der ganzen Ausdehnung der Bodenschicht liegen ; wir werden eine solche Möglichkeit um so-mehr in Betracht ziehen, da das Leeithoderm der Bodenschicht noch anliegt (s. S. 48), und da die Dotterkörner in den tiefen Zellen, sowohl in dem proximalen Wulst wie in der Zwischenzone, den Dotterkörnern der Bodenschicht gleichen. Trotzdem ist ein solcher Vorgang nicht sicher zu behaupten, da Erhebungen der Bodenschicht nicht nachzuweisen sind (s. S. 44). Zwar finden sich an vielen Stellen der vorliegenden Serie kleme körnige dotterfreie Hügel (Protoplasma?) an der Oberfläche der Bodenschieht, indessen diese Erscheinungen sind zu unbestimmt, um sie zur Grundlage bestimmter Schlüsse machen zu_können. In der subgerminalen Höhle kommen freiliegende Zellen in geringer Zahl vor, und diese können ganz gut so erklärt werden, dass sie bei der künst- liehen Erhebung des Daches von dem Leeithodermwulst getrennt worden sind. Einzelne dieser Zellen sind klein (Fig. 14), und diese werde ich in einem andern Zusammenhange noch einmal erwähnen (s. S. 84). Anders liegt die Sache unterhalb des Randwulstes. Unter der proximalen Zone des letzteren findet man ab und zu die Bodenschicht in Form von Buckeln erhoben. Ein Bei- spiel davon ist in Fig. 19 abgebildet, und man sieht hier, so wie es auch schon bei dem zweiblätterigen Keime geschildert wurde (Fig. 5), in der Kuppe der Erhebung einen mehr lockeren Bau, während im der Basis der gleiche Zustand wie in der übrigen Bodenschicht herrscht. Solche Erhebungen kommen in der vor- liegenden Serie nicht gerade zahlreich vor, aber sie sind doch immerhin so häufig, dass man sie nicht als Ausnahmen anzu- sehen hat. Nochsinniger sind die Beziehungen zwischen dem Leeitho- derm und der Bodenschicht in der distalen Zone des Rand- wulstes; so innig, dass man auf einem Schema eine Trennungs- linie zwischen beiden gar nicht zeichnen dürfte. Der Randsaum dagegen ist wieder scharf von dem unterliegenden Dotter bez. Meroeytenlager geschieden. 56 Hans Virchow: Die geschilderten Beziehungen lassen sich nur im Sinne einer Abgabe von Zellen von der Bodenschicht an das Leeitho- derm auffassen. Da indessen in dieser schwierigen Frage die weitestgehende Kritik angebracht ist, so seien die beiden Möglich- keiten wenigstens genannt, auf welehe man vom rein logischen Standpunkte auch noch ‘kommen könnte: es könnte daran ge- dacht werden, dass um gekehrt vom Leeithoderm aus Zellen in die Bodenschieht eindringen, und zweitens, dass das Leeithoderm unabhängig von der Bodenschicht weiter wächst und seine tiefen Zellen sich mit Dotter reichlich beladen und dadurch den Charakter der unterliegenden Bodenschieht annehmen. Be- trachten wir, um derartige Einwände zu entkräften und die .Auf- fassung von einer Abgabe von Zellen von der Bodenschicht noch mehr zu stützen, die Präparate eingehender, so finden wir zu- weilen, wenn auch selten, in den tiefen Zellen der distalen Zone Riesenkerne (Fig. 20). Ferner finden wir oft im Innern der Zellen (z. B. in einer Zelle in Fig. 16) dotterfreies Proto- plasma um den Kern herum, und die Dotterkörner nur rand- ständig, also genau so wie in den Meroeyten dieser Region (frei- lich in anderen Fällen wieder die ganze Zelle gleichmässig von Dotterkörnern erfüllt); ja es gibt seltenere Fälle, in denen die ganze Zelle rein protoplasmatisch, frei von Dotter- körnern ist (Fig. 21). Ich komme also zu dem Schluss, dass unter der distalen Zone des Randwulstes Zellen von der Boden- schicht abgegeben werden, und dass diese Abgabe sich in so regelloser Weise vollzieht, dass die neugebildeten Zellen bald reicher an Dotter, bald reicher an Protoplasma sind, wie es gerade der Zufall mit sich bringt. III. Stadium. Ausgebildete Gastrula. — Ich lege von diesen Stadium zunächst die beiden Fig. 6 und 7 vor; in Fig. 6 ist die untere Wand des Urdarmes bereits an mehreren Stellen aufgebrochen, also netzförmig, so wie es Will für Platy- dactylus schildert (16, S. 596); im Fig. 7 ist nur noch ein kleiner Rest der unteren Wand erhalten. Dieser Unterschied ist es aber nicht, der mich veranlasst, zwei Figuren zu geben, sondern die Verschiedenheit in der Bildung des proximalen Leeithoderm- wulstes, wovon sogleich gesprochen werden soll. Ich führe die Theile des Dottersackentoblasten wieder topographisch geordnet vor. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 57 1. Das Leeithoderm unter dem Knopf. — Besteht aus platten Zellen in einschichtiger Lage (Fig. 9), ab und zu von kubischen (a in Fig. 9) unterbrochen. Die Zellen sind dotter- frei und erscheinen körmig, sind aber sicher von dicht netz- förmigem Protoplasma eingenommen, wie man an den kubischen Zellen erkennen kann, in welchen das Protoplasma lockerer ist. Von dem Knopf ist diese Zellenlage durch einen Spalt geschieden. Die vordersten Zellen, welche an den hinteren Rand der Durch- bruchsstelle anstossen, sind kuglig (u in Fig. 9). 2. DasLeeithoderm an der unteren Wand des Urdarmes (Fig. 10). — Hier sind die Zellen klein, abgeplattet, dotterfrei, feinkörnig; sie liegen in einfacher oder doppelter Schicht. In einigen derselben sind die Kerne nicht sichtbar. Ob dieselben zu Grunde gegangen sind, was ja nicht unwahr- scheinlich ist, untersuche ich nieht näher, da es für meinen Zu- sammenhang keine Bedeutung hat. 2. Derproximale Lecithodermwulst. — Dieser Wulst ist, wie schon früher (S. 49) gesagt wurde, nicht nur vor dem Urdarm, sondern auch hinter dem Knopf und seit- lieh zu sehen; er ist jedoch vorn am stärksten ausgebildet, und ich beschränke die Beschreibung auf diesen Theil. Fig. 7 zeigt die typische Anordnung: einen nach unten gewölbten Hügel, der öfters in zwei Abschnitte, einen hinteren und einen vorderen zerlegt ist. Die höher gelegenen Zellen, d. h. diejenigen, welche dem Eetoderm zugewendet sind (Fig. 11b), sind klein, dotterfrei, dicht gedrängt nach Art eines geschichteten Epithels; das Proto- plasma bildet ein so dichtes Netz, dass die Zellen fast körnig erscheinen. Die tiefen Zellen, d. h. diejenigen, welche der sub- germinalen Höhle zugewendet sind (Fig. 11a), sind, da sie locker liegen, kuglig, grösser, von Dotterkörnern erfüllt. Die Zellen im Innern der subgerminalen Höhle rechne ich nach früheren Aeusserungen (S. 48) den Zellen des Leeithoderms hinzu und betrachte sie (bei Lacerta) als solche, die gewalt- sam, durch die künstliche Vertiefung der Höhle von dem über- liegenden Dach abgetrennt sind. Sie haben genau die gleichen Merkmale wie die eben geschilderten, nur ist beizufügen, dass in dem vorliegenden Stadium die Zahl kleiner Zellen zugenommen hat. Ich sehe aber in diesen kleinen Zellen nichts Besonderes, son- dern betrachte sie nur als ein Zeichen dafür, dass in dem Stadium 58 Hans Virchow: der entwickelten Gastrula die Theilung der Zellen auch in den tiefen Lagen des Leeithoderms weiter gegangen ist. Fig. 6 zeigt den selteneren Befund am Lecithodermwaulst, nämlich eine Zusammensetzung desselben aus mehreren kleinen Wülsten. Fig.5 zeigt diese Erscheinung im Flächenbilde in sehr ausgezeichneter Weise, wie man sie bei Lacerta nur selten antrifft; es handelt sich hier nicht etwa um eine bestimmte Stufe derEntwieklung, sondern um eineindividuelle Variation, die ich nur desswegen zur Sprache bringe, weil sie in weit mehr ausgeprägter Form bei Schlangen und Schild- kröten (s. S. 62 und 65) vorkommt. In Fig. 6 findet man vier grössere und emen kleineren dieser seeundären Wülste; der vor- derste derselben ist m Fig. 12 stärker vergrössert dargestellt. Diese Figur lehrt, dass epithelartig angeordnete Zellen einen Kranz um eime in der Mitte gelegene Zelle bilden; die letztere enthält vier Dotterkörner und ausserdem eine Vacuole, und diese kann zu dem Irrthum Veranlassung geben, dass man den Quer- schnitt eines röhrenförmigen Lumens vor sich habe. 4. DieZwischenzone desLeeithoderms (Fig. 13). — Diese Zone setzt sich jetzt deutlicher ab als im Stadium der beginnenden Gastrula, da das Leeithoderm in ihr emschichtig geworden ist und schon ganz das Aussehen eines einzelligen Epithels angenommen hat. Die Zellen sind kubisch oder platt und unterscheiden sich von denen der obersten Lage des vorher geschilderten Wulstes dadurch, dass ihr Protoplasma eine locker netzartige Anordnung hat. Ab und zu kommen hier grössere Zellen eingesprengt vor, wie deren eine in Fig. 13b dargestellt ist. In dieser grossen, aber gleichfalls flachen Zelle erscheint die netzartige Structur in besonderer Beleuchtung: feine Balken (die in der Figur zu dick ausgefallen sind) umschliessen kuglige Hohlräume. Die Substanz der Balken ist theilweise punktirt, grösstentheils jedoch homogen und von dem matten Glanze halb- verdauten Dotters, sie besteht also nicht aus reinem Protoplasma, sondern schliesst Dotterreste ein. | 5. Der Randwulst des Leeithoderms. — Hier verdiekt sich das Leeithoderm Die obersten Zellen (eine oder zwei Lagen) bleiben abgeplattet, dem Eetoderm dicht angepresst, die mittleren und tiefen Zellen liegen locker, sind grösser und kuglig. Unterschiede zwischen proximal und distal gelegenen Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 59 Zellen sind wohl noch vorhanden, jedoch nicht so ausgeprägt, dass man wie in dem vorausgehenden Stadium zwei.Zonen unter- scheiden müsste. Eine besondere Beachtung verdienen die Zellen der mittleren Lagen (Fig. 22): in ihnen hat die loekere netzartige Anordnung den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreieht. Grosse Vacuolen (Fetttropfen ?) lassen nur einen beschränkten Raum frei für ein weitmasehiges Netz, in dessen blassen Balken sich sehwachglänzende Körnchen, anscheinend die letzten Reste der Dotterkörner vorfinden. Andere Zellen enthalten aber auch noch unveränderte grössere Dotterkörner in spärlicher Zahl. Gegen das Merocytenlager ist der Randwulst nunmehr durch eine scharfe Linie abgegrenzt, und wenn auch nicht behauptet werden soll, dass eine Abgabe von Zellen von ersterem an letzteren gar nicht mehr vorkommt, so habe ich doch so ausgeprägte Zeichen der- selben wie im Stadium der beginnenden Gastrula nicht mehr gefunden. 6. Der Randsaum. — Der Randsaum verhält sich auf den beiden in Fig. 6 und 7 dargestellten Präparaten sehr ver- schieden, so dass wir auch hier wieder auf die sehr bedeutende individuelle Verschiedenheit gerade dieses Theiles der Keimhaut hingewiesen werden. Auf Fig. 6 ist er diek, besonders vorn, auf Fig. 7 zugeschärft ; auf Fig. 6 steht er sogar auf einem weit mehr primitiven Zustande wie in Fig. 4, die Eetodermzellen sind sogar hoch, so dass eine grosse Aehnliehkeit mit dem Randsaume des „weiblättrigen Keimes von Tropidonotus (s. S. 46) entsteht. In Fig. 7 dagegen platten sich sowohl die Eetoderm- wie die Leeci- thodermzellen, die den Randsaum bilden, stark ab, und oft wer- den die letzteren von den ersteren um zwei bis drei Zellenbreiten überflügelt. 7. DieMeroyten in den mittleren Theilen der Bodenschicht. — Die meroeytischen Kerne finden sich in der ganzen Bodenschicht vor, sie sind sogar an dem Präparat von Fig. 8 unter der Embryonalanlage zahlreicher, als distal davon. Ihre Abstände sind ziemlich gleichmässig gross, doch treten sie auch in kleinen Gruppen zu zweien und dreien auf; sie liegen im Allgemeinen in einfacher Lage, doch kommt auch eine doppelte ja dreifache Schichtung vor. Gegenüber dem vor- hergehenden Stadium fällt auf, dass die Kerne nicht mehr so stark abgeplattet, sondern mehr gerundet sind; auch sind sie 60 Hans Virchow: oft grösser, so dass sich der Unterschied gegen die Kerne der Randmerocyten mehr verwischt. Zeichen der Abfurchung habe ich nicht gefunden. 8. Die Randmerocyten. — Die Kerne der Rand- meroeyten sind vielleicht zu noch bedeutenderer Grösse ange- wachsen, jedesfalls haben sie nicht an lebenskräftigem Aussehen verloren. Der Formenreichthum ist gross, doch vermag ich bis- her keine bestimmte Ordnung in denselben zu bringen und ver- zichte um so mehr auf Abbildungen derselben, da ich solehe schon gegeben habe (14, Fig. 20). In der Topographie und im Aussehen des distalen Merocytenlagers sind beachtenswerthe Unter- schiede eingetreten: dasselbe reicht nicht mehr bis zum Ende des Randsaumes, sondern ist von diesem überholt. Dafür hat es sich aber nach der Tiefe ausgedehnt und ist bis zu drei Zellenterritorien diek. In der Breite hat es die frühere Aus- ddehnung von zwei bis drei Territorien. Im Aussehen bestehen insofern Verschiedenheiten, als das Protoplasma nicht durchweg dlieht, sondern vielfach netzförmig ist und kleinere Dotterkörner in grösserer Zahl einschliesst. 9. Das „peripherische Protoplasma“ und 10. Das „oberflächliche Protoplasma“ verhalten sich so, wie sie bei dem vorausgehenden Stadium geschildert wurden. Zusammenfassung. — Ueberblicke ich alles, was ich über das Stadium der frühen und der ausgebildeten Gastrula mitgetheilt habe, so ist manches klar und manches unklar. Klar ist, dass die Keimhaut dadurch in der Fläche „wächst“, dass sie sich in distaler Richtung weiter schiebt; klar scheint mir auch zu sein, dass dieses Wachsthum durch Flächenverschiebung nicht nur im Eetoderm, sondern ganz ebenso im Lecithoderm stattfindet. Klar ist ferner, dass eine reichliche Zellenabgabe von der Bodenschieht an den Randwulst des Lecithoderms im Stadium der frühen Gastrula stattfindet; klar scheint mir auch zu sein, dass dieser Vorgang im Stadium der ausgebildeten Gastrula nachlässt und erlischt. Klar ist endlich, dass das Lecithoderm durch Uebergang seiner Zellen in einschichtige Lage in den Zu- stand des „Frühepithels“ (14, S. 179) übergeht. Unklar ist dagegen, aus welchem Grunde gerade der proxi- male Theil des Lecithoderms sich so sehr verdickt und später Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 61 als die Zwischenzone in den epithelartigen Zustand gelangt. Unklar ist ferner der Grund des Unterschiedes zwischen den proximalen und distalen Merocyten. Unklar ist endlich, was aus den Meroeyten wird, wenn dieselben nieht mehr für die Bildung des Leeithoderms in Anspruch genommen werden. Ich will nur auf den letzten Punkt eimgehen. Ich glaubte früher, die Mittheilungen von Strahl über die Entwieklung des Dottersackentoblasten von Lacerta (13) so deuten zu dürfen, dass sich aus der Furchung am Boden der subgerminalen Höhle Dotterzellen entwickeln, „die späterhin zu Dottersackepithelzellen sich umbilden“, und habe mich auch in diesem Sinne ausge- sprochen auf S. 103 meiner Arbeit über den Dottersack des Huhnes; jetzt aber, nachdem ich eigene Präparate genauer durchgesehen habe, bin ich in dieser Hinsicht schwankend geworden. Ich komme auf diesen Punkt zurück (8.85 u. 85). Der Dottersackentoblast im Stadium der Ga- strula bei Schlangen und Schildkröten. — Die Un- klarheit, welche über die Fragen des Dottersackentoblasten in der Litteratur herrscht, ist zum grossen Theile dadureh er- zeugt und unterhalten worden, dass man die Beobachtungen von den verschiedenen Klassen der Wirbelthiere zusammengeworfen hat, bevor noch diese Beobachtungen selbst genügend sicher ge- stellt waren, und in der Regel haben dabei, wie es ja immer zu gehen pflegt, diejenigen Autoren, welehe am wenigsten be- obachtet hatten, am zuversichtlichsten speeulirt. Nun ist es ja das gegebene Ziel, zu einer Gesammtauffassung des Dot- terorganes der Wirbelthiere vorzudringen, aber dies kann doch nur geschehen, wenn die Verhältnisse innerhalb der einzel- nen Klassen genau bekannt sind. Gegenüber einem so schwie- rigen Materiale aber sind wir gezwungen, langsam vorzugehen; das liegt nieht in unserer Neigung, sondern in dem Gegenstande. Hier können schon kleine Unterschiede den Schritt ver- zögern und uns nöthigen, einstweilen selbst dasjenige auseman- derzuhalten, was in den einzelnen Ordnungen beobachtet worden ist. Desswegen habe ich auch bei dem Stadium der Gastrula bisher nur von Lacerta gesprochen, und ich bringe nun in einem besonderen Abschnitte das, was ich über Schlangen und Schildkröten zu sagen finde. 1. Schlangen. — Kupffer hat in der wichtigen und 62 Hans Virchow: folgereichen Arbeit über Gastrulation (6) auch von dem Dotter- sackentoblasten einiges mitgetheilt. Es fehlt allerdings in diesen Angaben an einer topographischen Orientirung; über den Randwulst des Leeithoderms wird gar nichts gesagt; es wird sogar nicht einmal zwischen der subgerminalen Höhle und der Bodenschicht unterschieden; ja Kupffer hat beide verwechselt und hat dadurch in die Auffassung des Dot- tersackentoblasten eine Verwirrung gebracht, die bis heute fort- wirkt. Die „oberflächliche Schicht des Dotters“ und die „Dotterrinde*, von denen Kupffer bei Coluber Aesculapii und Emys spricht (6, S. 16 und 18), sind thatsächlich die subgerminale Höhle, die feinkörnige, von Vacuolen durchsetzte „Grundsubstanz des Parablast“ (8. 19) ist die dureh Reagentien zur Gerinnung gebrachte Flüssigkeit der subgerminalen Höhle. Demgemäss sind auch die Zellen und Zellenstränge dieses „Parablasten“ als Zellen und Zellenstränge der subgerminalen Höhle aufzufassen. Aendern wir die Angaben Kupffers in diesem Sinne ab, und lassen wir die mehr als problematischen „freien Nucleolen“ (8.19) aus dem Spiel, so behalten wir als wichtige positive Mittheilung, dass die Zellen der subgerminalen Höhle in Strängen angeordnet sind, welche z. Th. solide, z. Th. in „Röhren- und Blasenform“ (S. 20) vor uns erscheinen. Corning (2, S. 516) hat diese Gebilde m einem beson- deren Aufsatze behandelt und hat der weiteren Erörterung eine wichtige Grundlage geliefert, indem er neben Durchschnittsfiguren auch Flächenbilder gegeben hat (Fig. 1 und 2). Wie weit diese Gebilde distalwärts reichen, ist aus der Mittheilung leider nicht zu ersehen, dagegen wird aus Figur 3 deutlich, dass sie sich auch in dem Theil des Lecithoderms finden, weleher die untere Wand des Urdarmes bildet, also später gänzlich schwindet. Die Bedeutung dieser Stränge findet Kupffer darin, dass aus ihnen Gefässanlagen und Blut hervorgehen (6, S. 16). Corning hat die gleiche Vorstellung auch vorgeschwebt, wie aus der Ueberschrift seiner Arbeit und aus verschiedenen Stellen derselben hervorgeht, doeh verwahrt er sicehdagegen, be- stimmt für diese Ansicht einzutreten. Hier ist daran zu erinnern, dass Strahl die Meinung vertreten, wenn auch nieht eingehend Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 63 begründet hat, dass bei Lacerta die Blutinseln aus dem Meso- derm entstehen (12, S. 63), also so, wie es Kölliker für das Huhn behauptet (3) und nachdrücklieh aufrecht erhält. Es müsste ja auch auffallen, dass bei Schlangen und Schildkröten die Blut- inseln aus Strängen gebildet werden, welche unterhalb des Leceithoderms gelegen sind. Dazu kommt, dass, wie eben erwähnt wurde, nach Cornings Figur 3 die blasigen Bildun- gen sich auch in dem Theile des Leeithoderms finden, welcher die untere Wand des Urdarmes bildet, an einer Stelle also, von welcher bisher noch niemand behauptet hat, dass hier Blut- inseln entstehen, von der vielmehr bekannt ist, dass sie zu Grunde geht. Die eigenthümliehen Zellenstränge, von denen wir sprechen, verdanken ihre Entstehung dem Zusammenwirken zweier Umstände: einer grossen Abundanz des auf die Bildung des Leeithoderms verwendeten Zellenmateriales und der reichen Entwicklung der subgerminalen Höhle. Dass die letztere anfänglich in Form emes Systemes kleiner runder Vaeuo- len zwischen den Zellen der unteren Keimschicht selbst entsteht, dass also die Flüssigkeit von den Zellen der unteren Keimschicht und nicht, wie Strahl (13, S. 294) für mög- lieh hält und Mehnert (7, S. 389) bei Emys annimmt, von den Meroeyten ausgeschieden wird, kann ich an dem zweiblätterigen Keim von Lacerta unzweideutig erweisen, und ich vermuthe, dass es bei Schlangen nicht anders ist. Wenn aber ein solches System von Spalten in einer dieken Zellenlage auftritt, so ist nichts natürlicher, als dass die Zellen auseinandergedrängt werden und sich zu Strängen ordnen, und wenn dann auch innerhalb der Stränge eine Flüssigkeitsausscheidung stattfindet, so werden daraus blasige oder röhrenförmige Gebilde hervorgehen. Eine derartige untere Keimschicht befindet sich so zu sagen in einem hydropischen Zustande, der wohl vorübergehend die blattartige bez. epithelartige Schichtung trüben, der uns aber nicht veranlassen kann, die einfache Auffassung fallen zu lassen, nach welcher diese Stränge Bestandtheile des Leeitho- derms sind, die später in den epithelartigen Verband einrücken werden, wenn auch möglicherweise eine Anzahl der Zellen innerhalb der subgerminalen Höhle zu Grunde geht. Die Stränge der subgerminalen Höhle bei der Schlange ver- N EEE BE IE VED DEE PT BEE DIENT & 2 El nn a. Sen um u Gere de re he ee in ee De u 64 Hans Virchow: treten also den proximalen Leeithodermwulst der Eidechse (8. meime Fig. 4 bis 8), und es ist für den Vergleich beider von Wichtigkeit, dass wir in dem letzteren gelegentlich auch Andeu- tungen strangförmiger und blasenförmiger Bildungen sehen (Fig. 556. undal2): Diese besonderen Verhältnisse sind bei Schlangen schon im Stadium des zweiblättrigen Keimes vorgebildet. Ich habe fünf Keimscheiben dieses Stadiums von Tropidonotus geschnitten!), um über diesen Punkt Sicherheit zu erhalten, und habe immer genau das gleiche Ergebniss erhalten, welches in Figur 23 dargestellt ist. Die unter dem emschichtigen Eeto- derm gelegene, untere Keimschicht ist von bedeutender Dieke und zeigt eine eigenthümliche Anordnung: unter dem Eetoderm bildet sie der Oberfläche parallel eine aus einer oder zwei Zellen- reihen gebildete Lage (L. 0), in welcher die epithelartige An- ordnung schon erkannt werden kann; in der Tiefe, über der Bodenschieht, welche reichliche Zeichen der Abfurchung zeigt, liegen grosse, also offenbar unlängst erst abgefurchte Zellen (L. t); und zwischen L. o und L. t liegt eine lockere Zellen- masse in netzartiger Anordnung, in welcher senkrechte Züge besonders deutlich hervortreten. Die Zellen dieses Netzes, von denen eine in Figur 24 abgebildet ist, sind durch dünne protoplas- matische Fäden verbunden, die aber an den Zellen des Rand- wulstes fehlen. Es scheimt mir berechtigt, dieses Bild so zu deuten, dass aus der oberflächlichen Lage das Kupffer'sche Dotterblatt und aus dem Zellennetz die Stränge der subgermi- nalen Höhle (nach Kupffer des „Parablasten* oder der „Dot- terrinde“) hervorgehen. 2. Schildkröten. Clark (1) hat einige für unseren Zusammenhang wichtige Angaben gemacht. Hieran schliessen sich Mittheilungen von Kupffer wnd Mehnert, die aber beide, soweit sie den Dottersackentoblasten behandeln, sehr un- klar sind. Clark hat Mittheilungen gemacht, aus denen man ersehen kann, dass im Stadium der Gastrula schon der ganze Dotter von der Keimhaut umwachsen ist. Kupffer sagt hierüber nur 1) Ich verdanke diese Keimscheiben meinem Freunde H. K, Corning. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 65 (6, 8. 6): „Ausdehnung des Blastoderms nicht zu bestimmen.“ „Jedenfalls ist schon mehr als die Hälfte des Dotters vom Bla- stoderm bedeekt.“ Es ist nicht schwer, sich davon zu über- zeugen, dass Clark Recht hatte, und ich gebe in Figur 25 ein Stück der distalen Dottersackwand, welches dureh die scharfen eckigen Begrenzungen der stark abgeplatteten Eetodermzellen überrascht. Die Thatsache einer schon vollzogenen Umwachsung ist bemerkenswerth, weil sich darin der Eidechse gegenüber eine relative Intensität des peripherischen Wachsthums ausspricht. Ob auch das Lecithoderm schon die Umwach- sung vollzogen hat, vermag ich nicht sicher anzugeben, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass die mit a bezeichnete Zelle der Figur 25 leeithodermatischer Natur ist. Die zweite wichtige Thatsache, mit welcher uns Clark bekannt gemacht hat, ist die grosse Tiefe und eigenthümliche Form der subgerminalen Höhle bei Schildkröten im Stadium der Gastrula. Da wir hiermit einen festen Anhaltspunkt für die weitere Betrachtung gewinnen, so gebe ich m Figur 26 ein Schema, welches sich an eine der Abbildungen von Clark anschliesst. Natürlich handelt es sich hier nicht um eine mit dem Mikroskop zu ergründende Feinheit, sondern um eine dureh die grobe Präparation festzustellende Thatsache, die ich an einer ganzen Reihe von Eiern von Emys europaea aus dem Stadium der Ga- strula ausnahmslos getroffen habe, und gerade das Grobauffallende (dieser Thatsache erklärt wohl, warum sie den Mikroskopikern entgangen ist. Diese subgerminale Höhle ist also erstens tief, und zweitens hat sie nicht die Gestalt eines eoncaven Spaltes wie beim Huhn vom zweiten Tage an, sondern einer plancon- eawen. Höhle. Fügen wir nun als drittes hinzu — ich habe dies in die von Clark übernommene Figur eingezeichnet —, dass auch hier Zellenstränge in der subgerminalen Höhle vorhanden sind; ich entnehme dies aus der Litteratur und aus eigener Erfahrung: wenn man nach vorausgegangener Fixirung das Dach der subger- minalen Höhle abschneidet, so findet man an der Unterseite des Embryonalschildes Flecke, die in Grösse, Form und Lage sehr verschieden sind; wenn man eine solche (vorher fixirte) Keim- haut in Alkohol bringt, so lösen sich Theile dieser Flecke in flockiger oder bröckeliger Form ab. Schneidet man num die Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 5 66 Hans Virchow: Keimscheiben oder untersucht man dieselben ım Flächenbilde, so findet man in beiden Fällen an der Unterseite derselben die eigenthümlichen Stränge, die aus den Abbildungen der Litteratur bekannt sind, besonders fest mit der Umgebung des Knopfes verbunden. Ich deute danach den Befund der Präparation so, dass auch in weiterer Entfernung vom Dach der Höhle solche Zellenhaufen liegen, aber in lockerer Verbindung, so dass sie bei der Uebertragung in Alkohol durch die osmotischen Strömungen abgerissen werden. Ueber Kupffer's Angaben bezüglich Emys ist das Gleiche zu sagen, was oben bezüglich Coluber bemerkt wurde, so dass ich darauf verweisen kann. Mehnert hat in einer Arbeit über Emys lutaria taurica (7), welehe eine Reihe von wichtigen Mittheilungen, vor allem eine grundlegende Angabe über die Entstehung des Darmepithels enthält, auch von dem Dottersackentoblasten gesprochen. Diese Mittheilungen haben etwas Befremdliches, da sie sich weder mit dem, was über die früheren Stadien von anderen Reptilien, noch mit dem, was von dem ausgebildeten Gastrula-Stadium von Emys durch die Litteratur bekannt ist, und was ich aus eigener Er- fahrung weiss, zusammenreimen lassen. Von Mehnert’s Figuren kommen Figur 20 und 21, allenfalls auch Figur 50 und 31 m Betracht. Figur 20 stellt ein frühes Stadium der Entwicklung vor, — zur näheren Charakterisirung ist nichts bemerkt; Figur 21 zeigt angeblich eine beginnende Gastrula-Einstülpung, doch ist das Eetoderm und die unterliegende Zellenmasse trotz des grossen Maassstabes in einer so flüchtigen Weise schematisirt, dass ein Anhaltspunkt für das Urtheil nicht gegeben ist. Ueber die Darstellung des Dottersackentoblasten nun in diesen Figuren und in den zugehörigen Textstellen möchte ich Folgendes bemerken: 1. Ist das Dotterblatt in Figur 20 durch eine Lage ku- bischer, in Figur 21 durch eine Lage abgeflachter, epithelartig aneimander geschlossener, dotterfreier, glatter Zellen darge- stellt, während doch, wie z.B. die Abbildungen von Mitsukuri und Ishikawa (8) zeigen, die Zellen des Leeithoderms im Stadium der Gastrula durch zackige Formen ausgezeichnet sind, und während alle Zellen des Schildkrötenkeimes in diesem Sta- <ı Das Dotterorgan der Wirbelthiere. . 6 dium einen grossen Dottergehalt zeigen, der sie von anderen Reptilien unterscheidet. 2. Findet sich auf Figar 21, angeblich einer beginnenden Gastrula, unterhalb des Dotterblattes keine subgerminale Höhle und keine in derselben liegenden Zellen, während doch bei Eidechsen und Schlangen (vgl. meme Figg. 1, 2 und 25) schon im Stadium des zweiblätterigen Keimes abgeschlossene Zellen in inehrfacher Sehieht vorhanden sind, und während doch bei Schild- kröten (Clark, ich) im Stadium der ausgebildeten Gastrula die subgerminale Höhle eine so bedeutende Entwicklung hat. Ich misstraue also dem Werth der Mehnert schen Angaben in Hinsicht des Dottersackentoblasten und frage mich, ob nicht Mehnert es an einer genauen Durcharbeitung seiner Präparate in dieser Richtung hat fehlen lassen, oder ob nieht die Präparate selbst, soweit sie die uns beschäftigenden Verhältnisse betreffen, schleeht waren. In dieser Beziehung sind die kleinen dunklen Körnehen verdächtig, welche in den Dotterkörnern der Figur 21 und namentlich Figur 20 gezeichnet sind, und welche bedenklich an die. Luftbläschen erinnern, «die jeder kennt, der mit Dotter gearbeitet hat. Wenn ich versuche, das was Mehnert von der „Subger- minalschieht“* beschreibt, auf frühe Stadien der Eidechse zu beziehen, so veranlasst mich zunächst der Satz: „Das subgermi- nale Protoplasmanetz ist bei Emys gegen die unter demselben liegenden Dottermassen scharf abgegrenzt“ (7, S. 317), zu der Meinung, dass die ganze „Subgerminalschieht“ der Figur 20 nichts anderes ist als die untere Keimschiceht des zweiblättri- sen Keimes, wie der Vergleich mit meiner Figur 23 von der Sehlange anı besten verdeutlicht. Dass Mehnert von den Mero- eyten wirklich etwas bemerkt hat, kann man allerdings daraus sehen, dass er die Riesenkerne der Randmeroeyten erwähnt, im Uebrigen aber — falls das Merocytenlager von Emys dem von Laeerta ähnlich ist — hat er alles, was dasselbe eharakterisirt, übersehen, und alles nur Mögliche, was nichts damit zu thun hat, darauf bezogen. Der gesperrt gedruckte Absatz auf S. 391 ist meiner Meinung nach das Erzeugniss einer durch die Litte- ratur erzeugten Phantasie auf der Grundlage einer schlechten Beobachtung, und es dürfte schwer halten, auf so kleinem Raum eine grössere Summe von zweifelhaften und irrthümlichen Behaup- 68 Hans Virchow: tungen zusammenzudrängen: Es wird darin von Vacuolen- bildungen in den Merocyten gesprochen, — nach meiner Meinung Vacuolen zwischen den Zellen der unteren Keimschicht; von emer Aufnahme von Dottermate- rialien seitens der Merocyten, während in Wahrheit die mitt- leren Meroceyten von Anfang an mit Dotter beladen sind, da sie ja- in dem Dotter der.Bodenschicht, stecken, wogegen die Randmerocyten sich gerade durch dotter- freie Protoplasmahöfe noch im Stadium der Gastrula auszeichnen; es wird von emem Schwund der Umhüllungs- membran gesprochen, während es gerade zum Wesen der Merocyten gehört, keine zellige Abgrenzung zu besitzen, so dass also gar keine Umhüllungsmembran schwinden kann; es wird endlich von der Bildung von besonderen Granulis gesprochen, welche aber nach Ausweis der Figuren 20 und 21 in den Dotterkörnern sitzen, und von denen es gar nicht sicher ist, ob sie nieht durch die dissociirende Emwirkung der Reagentien entstanden oder z. Th. sogar Luftbläs- chen sind. Mehnert’s „Clasmatoceyten“ sind also, wenn meine Ana- Iyse dieser dunklen Stelle richtig ist, alles mögliche, sie sind nicht nur Meroeyten, sondern auch Zellen der unteren Keimschicht und Dotterkörmer. Ausserdem wirft er sie aber auch zusammen mit den Megasphären des Huhnes, die allerdings aus dem Boden der subgerminalen Höhle direet oder indireet hervorgegangen sein können, die aber nicht wie die Meroeyten in der Boden- schicht, sondern im der subgermimalen Höhle und sogar zwischen den Keimblättern getroffen werden und ohne Zweifel atypische Bildungen sind, worauf die grosse Unregelmässigkeit ihres Auf- tretens hinweist. Ich will damit nicht den Mittheilungen von Mehnert über den Dottersackentoblasten jeden Werth absprechen, — dazu habe ich kein Recht, da ich so frühe Stadien von Emys nicht untersucht habe, — darauf aber muss ich doch aufmerksam machen, dass die Form dieser Mittheilungen durchaus unklar ist. Auch nach der sprachlichen oder termmologischen Seite hin wäre Veranlassung, eine Auseinandersetzung anzuschliessen, nämlich mit Rücksicht auf die Anwendung des von Ranvier in völlig anderem Sinn (9) gebrauchten Ausdruckes „Ulasmato- Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 69 eyten“. Da erfahrungsgemäss in Dingen des Dottersackento- blasten sich immer Leser finden, die auf jedes neue Schlagwort anbeissen, so ist es nieht unmöglich, dass dureh diese „subgermi- nalen Clasmatoeyten“ die schon herrschende Verwirrung noch gesteigert und die für die Beobachtung so nöthige Aufmerksam- keit von neuem auf die Spekulation abgeleitet wird. Doch wird die fortschreitende Erkenntniss zuletzt von selbst dieser Lust an fernliegenden Analogien ein Ende bereiten. IV. Stadium. Fast vollendete Umwachsung des Dotters. — Für die folgenden Stadien war es nothwendig, die Eier im Ganzen zu schneiden, wobei z. Th. Paraffın, z. Th. Cel- loidin und Photoxylin zur Verwendung kamen. Dabei ist es mir bisher nieht gelungen, meine Präparate von Fehlern frei zu machen: Quellung, Schrumpfung, Trennung, Abbröckelung, zu dieke oder ungleichmässige Schnitte, ungünstige Färbung; zuweilen sind nur einzelne Theile der Schnitte gut, zuweilen ist der ganze Schnitt mit einem Mangel behaftet. Ich bin daher genöthigt, auch die Fehler meiner Präparate anzugeben, um der Kritik die nöthigen Handhaben zu bieten. Figur 27 stellt einen meridionalen Schnitt durch das Ei von Lacerta agilis dar, parallel der langen Achse des letz- teren; amı proximalen Pole ist der Embryo (E) zu sehen, am (distalen Pole eine Grube. Wenn man den distalen Pol soleher Eier im Flächenbilde betrachtet, so findet man hier entweder ein einfaches Grübcehen oder in demselben einen rundlichen oder auch lappigen Hügel. Das Ei ist im Ganzen geschrumpft und dadurch verkleinert. Durch denselben Vorgang ist auch die subgerminale Höhle gänzlich geschwunden, und das Dach der- selben (von E bis 1.) dem Boden dieht angelegt; im frischen Zustande aber, und auch noch nach dem Fixiren war dieselbe deutlich sichtbar, ihr Rand unregelmässig, wie angefressen oder unterfressen. Sucht man nun die Oberfläche des Präparates ab, so findet man noch jenseits der Vena terminalis (V in Fig. 27) eine Zone flachen Epithels, welche bis zum Punkte 1 reicht. Von hier ab ändert sich das Aussehen, indem die subgerminale Höhle schwindet, und nun jede Abgrenzung‘ zwischen dem Dotter und der Wandschicht fehlt; vielmehr reicht am Aequator (zwischen 70 Hans Virchow: 1 und 2) der Dotter bis an «das Eetoderm heran und ist von Zellen durchsetzt, die etwa in sechsfacher Schicht liegen. Gehen wir andrerseits von dem distalen Pole aus, so treffen wir an dem Rande der oben erwähnten Grube (G) den Rand- saum der Keimhaut (R) keulenförmig angeschwollen und durch kleine rundliche Zellen gebildet, in welehen eine Trennung von Eetoderm und Leeithoderm nieht zu machen ist. Man kann aber sagen, dass der Randsaum dem Eetoderm und Leeithoderm an- sehört, denn in ganz kurzer Entfernung vom Rande selbst lassen sich beide Blätter unterscheiden, und beide hängen mit dem Randsaum zusammen. Das Eetoderm besteht aus einer einfachen Lage platter Zellen, das Leeithoderm aus einer zwei- bis drei- fachen Lage kleiner, rundlicher, dotterfreier Zellen, wie ich in meiner früheren Mittheilung schon geschildert habe (14, S. 195). Hierzu kommen zwei andere Bestandtheile. Erstens eine feinkörnige Schicht (P in Figur 28), welehe das Leeithoderm vom Dotter trennt und sich über den Randsaum hinaus auf den Boden der Grube fortsetzt. Anschemend handelt es sich um eine Schieht von Protoplasma. Auf einem anderen Präparat des gleichen Stadiums mit etwas grösserer Grube ist die fragliche Schieht etwas deutlicher: sie überzieht den Boden der Grube in gleichmässiger Dieke und sondert sich in zwei Lagen, eine dünne oberflächliche sehr dichte Lage und eine diekere tiefe feinretienlirte. Die letztere ist zwar gegen den Dotter scharf abgegrenzt, ist aber mit feinen Fädchen besetzt und schliesst in spärlicher Zahl kleine Dotterkörner ein. Zweitens treffen wir nach innen vom Leeithoderm Gruppen kleiner rundlicher oder schwach abgeplatteter Zellen, nicht Kerne, sondern Zellen (z in Figur 28). Indem nun die letzteren mit der Annäherung an den Punkt 5 der Figur 27 zahlreicher werden, bildet sich aus ihnen eime geschlossene Zellenlage, eine Verdiekung des Leeithoderms. Mit dem weiteren Vorrücken in proximaler Richtung über den Punkt 3 hinaus tritt eine wesentliche Veränderung ein, indem nun die körnige (protoplasmatische?) Schieht gänzlich schwindet, und das Leeithoderm nicht mehr vom Dotter getrennt ist. Viel- mehr geht der Dotter bis an das Ectoderm heran, von Zellen in mehrfacher Lage durchsetzt. Dadurch gewinnt die zwischen 3 und 2 gelegene Zone eine grosse Aehnlichkeit mit der vorhin er Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 711 erwähnten, zwischen 1 und 2 gelegenen, sie unterscheidet sich aber von ihr in einem wesentlichen Punkte, nämlich darin, dass die von Zellen durchsetzte Lage nur bis zu einer bestimmten Linie reicht, welche von den Zellen nicht überschritten wird, während in der proximalen Zone die Zellen auch über diese Linie hinaus in den Dotter vordringen. Hiermit kommen wir an denjenigen Punkt, welcher in dem vorliegenden Stadium unser Interesse auf's Lebhafteste in An- spruch nimmt, und die betreffenden Verhältnisse sollen an der Hand der Figur 29 geschildert werden, welche die äquatoriale Zone von einem anderen, günstiger gefärbten Präparate darstellt. Die Dotterkörner sind durchweg von demselben Glanz, jedoch von wechselnder Grösse; im Allgemeinen sind sie in der Nähe der Oberfläche kleiner, in der Tiefe grösser. Sie sind bald homogen, bald körnig; doch wurden sie m der Figur gleiehartig behandelt im Interesse grösserer Klarheit, um so mehr, da ja nicht sicher ist, wie weit das Auftreten von Körnehen der Wir- kung der Reagentien zuzuschreiben ist. Vacuolen werden in ge- ringer Zahl angetroffen und dürften auch hier im frischen Zustande durch Fetttropfen eingenommen sein. Die Zellen sind ihrer Grundform nach kugelig, jedoch oft eckig oder gestreckt, wie es der begrenzte Raum zwischen den Dotterkörnern mit sich bringt; sie haben häufig kurze stumpfe Fortsätze, aber nie fadenförmige Ausläufer nach Art sternför- miger Zellen. Auch stehen sie nieht durch ihre Fortsätze in Ver- bindung, sondern sind isolirt. Ihre Form macht es zweifellos, dass ihnen amöhoide Fähigkeit innewohnt, womit ich aber nicht sagen will, dass sie eine Neigung zu weiteren unbegrenzten Wanderungen besitzen. Sie sind im Allgemeinen gleichmässig vertheilt, liegen aber im Einzelnen doch im kleinen Haufen und Strängen; in diesem beschränkten Sinne kann man von einem „Zellennetz“ sprechen, aber nicht von einem „Netz anastomosirender Zellen“. Zur Ergänzung des Bildes sind zwei wichtige Züge hinzuzu- fügen. Erstens ist die beschriebene Formation nicht auf die Wand- schicht beschränkt; weder in der Anordnung und Form der Dotterkörner, noch in der Anordnung und Form der Zellen unter- scheidet sich die Wandschicht von der inneren Dottermasse, wenigstens nicht in Fig. 29, d. h. in der Zone 1 bis2 der Figur 27: wohl aber findet sich, wie schon angedeutet wurde, eine Abgrenzung 12 Hans Virchow: in der distalen Zone 2 bis 3 der Figur 27, indem sich hier die zellige Formation auf die Wandschicht beschränkt. Der zweite beachtenswerthe Punkt besteht darin, dass zuweilen, wenn auch im vorliegenden Stadium in spärlicher Zahl, „Dotterzellen® (Dz in Fig. 29) gefunden werden, und zwar jenseits der Wand- schicht, also in den Randtheilen der inneren Dottermasse. Deutung. — Eine Deutung muss darin bestehen, die persistirenden früheren Zustände aufzufinden und neu auftretende Zustände auf frühere zurückzuführen. Persistirend ist der Leei- thodermrand, der indessen eine grössere Breite erlangt hat; persistirend ist wahrscheinlich auch das „peripherische Proto- plasma* (P in Fig. 21). — Ob die Randmerocyten zu Grunde gegangen sind oder sich in eine andere Formation ver- wandelt haben, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe zwar schon angeführt (14, S. 202), dass ich in einem Falle am distalen Pole kleine Protoplasmaheerde gefunden habe, welche an die proto- plasmatischen Merocyten erinnerten, aber ich muss doch hinzu- fügen, dass ich von den charakteristischen meroeytischen Kernen bisher nie etwas gesehen habe. — Die kleineren Zellen, welche auf Fig. 28 mit z bezeichnet sind, sind möglicherweise mit den Zellen des Gastrula-Stadiums gleichbedeutend, von denen eine in Fig. 17 bei R’ angegeben ist; doch kann immerhin im Auge behalten werden, ob sie nicht Beziehungen zu den Mero- eyten haben. — Ganz neu aber ist die „Formation der Zellen im Dotter“, welche in unserm Stadium in so gewal- tiger Ausdehnung von 1 bis 3 in Figur 27 und in so gleich- artiger Anordnung vorkommt, und welche im eine proximale (1 bis 2 in Fig. 27) und distale (2 bis 3 in Figur 27) Zone zerfällt. Was bedeutet diese Formation? Woher kommt sie, was wird aus ihr? Was aus ihr wird, müssen spätere Stadien deutlicher zeigen, aber woher sie kommt, müssen wir schon jetzt erörtern; auf späteren Stadien würde sich das nicht mehr er- kennen lassen; viel eher könnte man verlangen, «dass ein früheres Stadium für die Untersuchung gewählt werde, ein solches, in welehem noch der dritte oder vierte Theil der Dotteroberfläche von der Keimhaut frei ist. Bei der entscheidenden Wichtigkeit dieser Frage ist eine grössere Vollständigkeit der Untersuchung in dieser Richtung wohl erwünscht, Ich gebe bereitwillig diese Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 13 Lücke in meinem Material zu, ja weise selbst auf sie hin. In- dessen scheinen mir doch die Verhältnisse so klar zu liegen, dass eine Antwort schon jetzt gegeben werden kann, und wenn man das nicht zugeben will, so möge man das Folgende wenig- stens als eine Analyse der Möglichkeiten gelten lassen. Von Merocyten kann ich die fragliche Formation nicht ableiten, da ich Meroeyten in diesem Stadium nieht gefunden habe. — Von Dotterzellen kann ich sie nicht ableiten, denn in der Zone 2 bis 3 der Fig. 27 finden sich überhaupt keine Zellen in der inneren Dottermasse, und in Figur 29 sind Dotter- zellen nur in ganz spärlicher Zahl vorhanden. — Von Leueo- eyten, denen sie im Aussehen gleichen, kann ieh sie nicht ab- leiten, da im Stadium der Figur 27 die Gefässe von Epithel überkleidet sind, und in diesem sieh keine Zellen der frag- lichen Form finden. Auch wäre es ganz unwahrscheinlich, dass Leueoeyten eine so regelmässige Anordnung annehmen. Es bleibt also nur eine Möglichkeit: sie von dem Leei- thoderm selbst abzuleiten, und wir gewinnen dann folgende Vorstellung: das Leeithoderm wächst vor in Form einer schon im frühen Gastrula-Stadium erkennbaren Randzone, welche aus kleinen dotterfreien Zellen gebildet wird und durch eine Proto- plasmaschieht vom Dotter getrennt ist. Indem die Protoplasma- schieht schwindet, kommt das Leeithoderm mit dem Dotter in Berührung, und es findet eine gegenseitige Durchdringung beider statt, deren Ergebniss die „Formation der Zellen im Dotter“ ist. Indem diese Formation endlich auch die imnere Grenze der Wand- schieht überschreitet, dringt sie in die innere Dottermasse ein. Von Bedeutung ist an den geschilderten Erscheinungen und der ausdrückliehen nochmaligen. Erwähnung werth, dass die geschilderte zellige Formation sich anfänglich (zwischen 2 und 3 in Fig, 27, 2 und 3 m Fig. 28) auf die Wandschicht be- schränkt, also auf diejenige Schicht, aus der späterhin das ge- schiehtete Epithel hervorgeht. Zu der Zeit, wo das letztere ge- bildet ist, hat der perileeithale Spalt diese Scheidung zu einer scharfen und endgültigen gemacht. Daher kann die Verwischung (dieser Grenze durch eine von der Wandschicht in den Dotter hinein vordringende Invasion von Zellen, wie sie in Figur 29 vorliegt, nur als ene vorübergehende betrachtet werden, 74 Hans Virchow: V. Stadium. Auftreten der Dotterzellen in den oberflächlichen Schichten des Dotters — Fig. 30 stellt einen meridionalen Schnitt durch ein Ei von Lacerta agilis dar; am proximalen Pole sieht man die Amnios- höhle, welche den zweimal getroffenen Embryo enthält. Die tiefe subgerminale Höhle (H) setzt sich zu beiden Seiten (rings- herum) in einen Spalt (a. Sp.) fort, weleher künstlich (durch Schrumpfung des Dotters) entstanden ist und nicht das Wand- epithel vom Dotter, sondern eine oberflächliche Dotterschicht von der tiefen Dottermasse trennt. Am Boden der subgerminalen Höhle liegt eine streifig geronnene Masse (m), über welche so- gleich einige Worte gesagt werden sollen. Am distalen Pole wölbt sich hügelartig eine körnig erscheinende Masse (Proto- plasma?) in die Höhe über einem Haufen von Dotter. Die Rand- vene liegt rechts oberhalb, links unterhalb der Flucht der sub- germinalen Höhle, was aus Verschiebung innerhalb des Schnittes zu erklären ist; der perileeithale Spalt (p. Sp.) ist in grosser Ausdehnung sichtbar, hört aber in einiger Entfernung von dem (distalen Pole auf. Die innere Dottermasse ist in ihren peripheren Abschnitten von Dotterzellen reichlich durchsetzt, zwischen denen aber noch viel freier Dotter übrig ist; im Centrum ist das Ver- hältniss umgekehrt, hier ist der Dotter fast zellenfrei. (Gehen wir nun auf die Einzelheiten genauer ein. 1. Die streifig geronnene Masse am Boden der subgerminalen Höhle. — Wenn man diese Masse nur von Schnitten kennt, so möchte man glauben, es sei ein Gerinnsel aus der Flüssigkeit der Höhle selbst. Wenn man jedoch Eier dieses Stadiums frisch im Aequator halbirt und von der proximalen Hälfte den Dotter abspült, so findet man stets eine eigenthümliehe, völlig durchsichtige und farblose, glasige Schicht von schleimiger Consistenz. Als ich sie zuerst sah, glaubte ich, es habe sich hier eine Lage dotterfreier Zellen ausgebildet. In Wahrheit liegt aber die Substanz vor, welche durch die Reagentien streifig gerinnt; sie schliesst in spärlicher Zahl kleine rundliche oder zackige Zellen ein. Ueber ihre Natur und Herkunft ver- mag ich nichts anzugeben, es ist möglich, dass sie aus zu Grunde gegangenen verquollenen Zellen im Boden der subgerminalen Höhle entstanden ist. 2. Das Wandepithel. — Auf den Randtheilen des u Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 75 Gefässbezirkes und besonders auf der Randvene selbst finden wir nicht mehr die stark abgeflachten dotterfreien Zellen, welche die Area pellueida auszeichnen, sondern grössere, zwar auch noch abgeplattete, aber doch immerhin höhere Zellen, die mit grossen Dotterkörnern beladen sind. Entweder also hat sich der Rand- theil des Gefässbezirkes verschoben gegen das Leeithoderm, ist vorgerückt in ein Gebiet dotterreicher Zellen, oder die ursprüng- lichen dotterfreien Epithelzellen desselben haben sich mit Dotter beladen, was uns ja nicht befremden würde, da wir diesen Vorgang späterhin in der ganzen „Area pellueida“ Platz greifen sehen. Links ist sogar schon über der Randvene die Lage eine mehrsehichtige. Diese Schiehtung erhält sich im weiter distal gelegenen Abschnitten bis zum Ende des perileeithalen Spaltes, ja sie ist z. Th. schon jenseits desselben vorhanden. Wir finden also in diesem Stadium in grosser Ausdehnung diejenige For- mation, welche ich als „geschichtetes dotterhaltiges Leeithoderm“ oder „geschichtetes Dottersackepithel* schon beschrieben habe (14, S. 191), und es gilt von derselben alles, was ich früher an- gegeben habe. 3. Das Polster des distalen Poles. — Am distalen Pole trifft man eine körnig erscheinende Masse, welche eine hügelartig emporgewölbte Platte bildet. Ihrer Innen- und Aussen- seite liegen in grosser Zahl dotterfreie Zellen an. Aufbau und Bedeutung dieser Formation sind nieht ganz klar; es ist aber berechtigt, sie aus denjenigen Bestandtheilen zu erklären, welche im vorigen Stadium in der Nähe des distalen Poles gefunden wurden (s. S. 70). Dann können wir annehmen, dass die An- häufung dotterfreier Zellen aus dem Leeithodermrande entstanden ist, und dass die körnig erscheinende Platte dem peripherischen Protoplasma entspricht, welches wir schon im Stadium der Ga- strula antrafen (s. S. 52). Daraus, dass dasselbe sich in Form einer Platte emporgewölbt hat, können wir auf eine. gewisse Resistenz schliessen. Ob sich an dieser Stelle, wo ja beim Huhn der „Eiweisssack“ (das „placentare Organ“ Duvals) gebildet wird, und wo auch bei der Eidechse die Eetodermzellen durch saftiges Aussehen auffallen, spätere Bildungen besonderer Art vorbereiten, kann ich nieht entscheiden. 4. Dotter und Dotterzellen. — Bei diesem und bei allen ähnlichen Präparaten entstehen immer Zweifel, ob aller 16 Hans Virchow: Dotter, welcher an den Schnitten frei erscheint, auch wirklich im frischen Zustande frei war, ob er nicht z. Th. durch die Reagentien frei wurde, ob nicht durch die Behandlung Dotter- zellen zerstört sind. Ebenso entstehen Zweifel, ob er noch frei geblieben ist, oder ob er z. Th. dureh normalen Zerfall von Zellen wieder frei wurde, nachdem er schon vorher Bestand- theil von Zellen geworden war. Auf diese Fragen ist es manch- mal schwer, im Einzelnen Antwort zu geben, und es bleibt einst- weilen nichts übrig, als die Verhältnisse so zu schildern, wie man sie findet, ich nehme daher an, dass in dem vorliegenden Stadium aller freie Dotter nieht frei geworden, sondern frei geblieben ist. Dies kann zunächst für den eentralen Dotter für sicher gelten, weleher überhaupt nur sehr spärliche Zellen aufweist. Es scheint jedoch mit diesem Dotter eine Veränderung vor sich gegangen zu sein: die Dotterkörmer sind um kuglige Vaeuolen (Fetttropfen?) herum gruppirt, die ganze Masse erinnert also an die Bodenschieht des Gastrula-Stadiuns, jedoch sind Vaeuolen und Dotterkörner grösser als dort. Auch der distale Dotter ist dicht, zeigt aber nicht die erwähnten Vacuolen. Dagegen ist der proximale Dotter locker und setzt sich (dadurch scharf gegen den centralen ab. Auch der äquatoriale ist locker. Es besteht aber ein grosser Unterschied zwischen beiden. Der äquatoriale Dotter ist nämlich von Zellen auf's Reichliehste durchsetzt, man kann also seine Auflockerung darauf zurückführen, dass die Zellen den Dotter an sich genommen und dafür Flüssigkeit ausgeschieden haben. Der proximale Dotter dagegen ist arm an Zellen, so dass vermuthet werden kann, dass seine Auflockerung durch Flüssigkeit zu Stande gekommen ist, welehe von der subgerminalen Höhle her eindrang. Insbesondere ist hervorzuheben, dass an der Oberfläche des proximalen Dotters sich nicht eine zusammenhängende Zellenlage findet, welche .man auf die beim Stadium der Gastrula geschilderten protoplasmaarmen Meroeyten zurückführen könnte. 5. Der perileeithale Spalt und seine Umgebung. — Wir kommen hiermit zu (den Verhältnissen, welche uns im vorliegenden Stadium am meisten interessiren müssen, und zu dem Kernpunkt der morphologischen Betrachtung, welehe uns schon bei dem vorigen Stadium beschäftigte. Die Fig. 31 bis 33 mögen der Besprechung zur Grundlage dienen. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 77 Den perileeithalen Spalt trifft man öfters klatfend, wie es Fig. 52 zeigt; doch ist das artificiell. In Wahrheit dürfte er nur eben so weit sein, um den in ihm liegenden Zellen Raum zu gewähren. Diese Zellen (s. in Fig. 31 und 32) sind von mir bei der Aufzählung der Zellenformen des Dottersackentoblasten schon vorgeführt worden unter der Bezeichnung der „runden dotterfreien Zellen“ (14, S. 201). „Rund“ wurden sie nur genannt im Gegensatz zu platten Zellen; in Wirklichkeit sind sie oft abgeflacht, wie es der enge Raum gebietet; oder wo sie dieht liegen (Fig. 32) und sieh gegenseitig drücken, können sie auch kubisch erscheinen; endlich weisen kurze Fortsätze und Buckel deutlich auf ihre amöboide Fähigkeit hin. Dies plautenrdotterfin.eienazehien (atin,Fig..31 und 32, iin Fig. 31) werden sowohl an der äusseren wie inneren Wand des Spaltes getroffen. Ich habe mich schwer entschlossen, diese Zellen gelten zu lassen; die Litteratur über die Entwick- lung des Dottersackepithels beim Huhn zeigt als einen immer wiederkehrenden, härtnäckig festgehaltenen Irrthum der Autoren die falsche Annahme, dass die an die Wand gedrückten Kerne des geschichteten Epithels mit dem umgebenden Protoplasma für spindelförmige oder sternförmige Zellen gehalten werden, und gerade auf die Bekämpfung dieses Irrthums war mein Bestreben schon in meiner Dissertation gerichtet. In unserem Falle aber ist das Vorkommen abgeplatteter Zellen zweifellos, man darf die- selben aber nicht für spindelförmig halten, wie sie im Schnitt erscheinen, sondern für rund. Ein solches Stück des perilecithalen Spaltes, wie es Fig. 31 darstellt, mit den abgeplatteten Wandzellen und den im Inneren gelegenen amöboiden Zellen ist einem capillaren Gefässe nicht unähnlich; es handelt sich aber im unserem Falle nieht um enröhrenförmigesGefäss, sondern um einen den ganzen Dotter umgebenden Spalt: Es erscheint mir nicht zweifelhaft, dass die runden und die platten dotterfreien Zellen nur eine andere Erscheinungsform der gleichen Zellenart sind, Ob aber die innige Anlagerung der letzteren an die Wand nur eine vorübergehende ist, oder ob sich darin bestimmte Beziehungen zu letzterer ausprägen, ist schwerer zu entscheiden. In letzterer Hinsicht kann vor allem daran ge- dacht werden, dass sich die platten Zellen der inneren Wand 78 Hans Virchow: nachträglich im Dotterzellen umwandeln, was ich schon früher (14, S. 189) als wahrscheimlich bezeichnet habe. Eine Stütze findet diese Ansicht darin, dass die oberflächliehsten Dotterzellen selbst stark abgeplattet sind (D.1 in Fig. 32). An der Aussenseite des perileeithalen Spaltes finden wir das geschiehtete Epithel, von welchem in Fig. 32 die innerste Zellenlage abgebildet ist. An der Innenseite finden wir die Dotterzellen, und es ver- dient Beachtung, dass die oberflächliche Lage derselben genau der innersten Lage des Epithels gleicht, sowohl in der Art des Inhaltes, wie in der Gestalt, Abflachung und innigen Verbindung der Zellen. Durch das letztgenannte Merkmal unterscheiden sie sich von den tieferen runden Dotterzellen, die wenigstens auf meinen Präparaten stets in lockerer Anordnung liegen. Zwischen den Dotterzellen nun, und zwar nicht nur oberflächlich, sondern auch in der Tiefe kommen dotter- freie Zellen vor, und zwar in so grosser Zahl, dass sie als ein wesentlicher Bestandtheil der Formation angesehen werden müssen. Eine Zweifel an dieser Thatsache ist gar nicht möglich; ebenso sicher ist aber, dass diese dotterfreien Zellen nicht frei im Dotter, sondern zwischen „Dotterzellen“ liegen. Die Kerne der letzteren (N in Fig. 32) sind von den Kernen der dotterfreien Zellen in diesem Stadium und an dieser Stelle deutlich zu unterscheiden, da sie weit grösser sind. Bei der Schwierigkeit der Verhältnisse ist nicht zu verwundern, dass man über manchen Einzelbefund im Ungewissen bleibt, aber das Typische tritt doch deutlich hervor, und das ist, dass wir eine Formation antreffen, die aus einer Mischung von dotterfreien Zellen und Dotterzellen besteht. Gehen wir nun distalwärts weiter bis an das Ende des perileeithalen Spaltes (Fig. 33), so zeigt sich dieser sehr eng und von abgeflachten Zellen völlig ausgefüllt. Jenseits seines Endes liegen die dotterfreien Zellen einfach zwischen den Dotterzellen. Der Aussenseite des Spaltes liegt auch hier das geschichtete Epithel an, und dieses setzt sich auch über das Ende des Spaltes hinaus fort. Auch an der Innenseite des Spaltes treffen wir in weiter proximal gelegenen Abschnitten abgeflachte Dotterzellen an, gemischt mit zahlreichen dotterfreien Zellen. Diese For- mation erhält sich auch jenseits des Endes des perileeithalen Pr re Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 1 Spaltes und geht bis an den distalen Pol heran. Nur liegen in diesen distalen Abschnitten die Dotterzellen weniger dieht und ist möglicherweise, worüber ich nichts Bestimmtes aussagen kann, eine grössere Menge von freiem Dotter vorhanden. Das aber ist besonders zu betonen, dass hier die Zahl der dotterfreien Zellen (Fig. 35) nicht geringer ist. Bevor ich die Beziehungen der eben geschilderten Zustände zu deuten versuche, will ich erst noch ein letztes Stadium schildern, in welchem fast der ganze Dotter von „Dotterzellen“ eingenommen ist. VI. Stadium. Auftreten "der Dotterzellen: in beinahe dem ganzen Dotter. — Figur 34 zeigt ein Ei von Lacerta agilis im Meridionalschnitt, parallel der langen Achse. Das Ei ist im Ganzen geschrumpft bei der Ueberführung in Photoxylin, und das Dach der subgermimalen Höhle hat sich völlig auf den Boden aufgelegt; man bemerkt aber zwischen ihm und dem Dotter die streifig geronnene Masse (m), von welcher schon früher (5.74) gesprochen wurde. Der Embryo (E) ist vom Am- nios umhüllt. Das Cölom ist ausgefüllt von der Allantois, deren Ränder bei AA zu sehen sind. Der Punkt P kann als. die Stelle des distalen Poles gelten, doch wurde das eigenthümliche, beim vorigen Stadium beschriebene Polster hier nieht gefunden. Durch Abbröckelung ist sowohl rechts wie links am Aequator ein Defekt entstanden, Imks ist die Dottersackwand von dem Punkte G& bis W’ weggebrochen, rechts auch noch ein Stück des Dotters. Dadurch ist auch der Rand des Gefässbezirkes beiderseits zerstört, so dass sich die Stelle desselben nicht genau bestimmen lässt, doch kann man behaupten, dass derselbe den Aequator nicht überschreitet, dass also die distale Eihälfte von Gefässen und Mesoderm noch frei ist. Den perilecithalen Spalt (p. Sp.) kann man von der Stelle der Verletzung bis an den Punkt S’ jederseits verfolgen; es bleibt also zwischen den beiden Punkten S‘ noch ein ziemlich bedeutendes Stück am distalen Pole vom Spalt frei (aber wie ich sehon oben anführte, ist trotz- dem der Unterschied des geschiehteten Wandepithels und der Dotterformation zu erkennen); ich habe schon angedeutet (14, 5. 200), dass in späteren Stadien der perileeithale Spalt bis an den distalen Pol vordringt, so dass die Trennung zwischen Wand- epithel und Dotter eine vollständige wird, ausgenommen, wie 80 Hans Virchow: ich an verschiedenen Stellen hervorgehoben habe, die Stelle, wo die Vena terminalis liegt. Der gesammte Innenraum des Eies ist von „Dotterzellen“ eingenommen. (sehen wir nun auf eine genauere Betrachtung der einzelnen Formationen des Dottersackentoblasten in Figur 34 ein. 1. Das Dottersackepithel und die Wand- schicht. — a. Am Dach der subgerminalen Höhle ist das Epithel einschichtig und zum grössten Theil aus hohen blasigen Zellen gebildet; nur im unmittelbarer Nähe des Embryo hat sich plattes Epithel erhalten. Gegen den Rand der subger- minalen Höhle hin nimmt der Dottergehalt in diesen Zellen zu. Ueber den Randtheilen des Gefässbezirkes (bei G rechts) scheimt das Epithel geschiehtet zu sein. | b. Im Bereiche des perileeithalen Spaltes, d.h. vom Aequator bis 5’, herrscht der Zustand des geschichteten Epithels. ec. Distal, d.h. vom Ende des perileeithalen Spaltes bis zum distalen Pole (von S’ bis P) befindet sich die Wandschiecht gleichfalls, wie schon gesagt, im Zustande des geschichteten Epithels, obwohl sie von der inneren Dottermasse noch nicht abgegrenzt, wenigstens nicht durch einen Spalt geschieden ist. — Ich will hier, um das Bild zu ergänzen, die Beschreibung eines Scehnittes durch die distale Wandnach Vervollständigung des Spaltes, also von einem späteren Stadium, geben: das Epithel ist auf diesem Schnitt am distalen Pole dünn, zwei- schiehtig, .nämlich gebildet von einer äusseren Lage kubischer und emer inneren Lage abgeplatteter Zellen, während es etwas entfernt vom Pol höher ist und vier bis fünf Zellenreihen zeigt. Dieser Unterschied ist sicher nur unwesentlich, und wich- tiger als das Unterscheidende ist hier das Uebereinstimmende, nämlich dass nunmehr auch am distalen Pole der perileeithale Spalt aufgetreten und die Formation des geschichteten Epithels durchgeführt ist, aus welcher sich späterhin der Zustand des einschichtigen Epithels entwickeln muss. 2:1. Dveninnere Dottermasse und.die) Du ze zellen. —a. Proximal, d.h. unter der subgerminalen Höhle, bez. der streifig geronnenen Schicht, finden sich Dotterzellen in grösserer Zahl wie in Figur 30 und in gleichmässiger Vertheilung, jedoch in so lockerer Anordnung, dass zwischen ihnen noch eine Das Dotterorgan der Wirbelthiere. si reichliche Menge von unverbrauchtem Dotter übrig bleibt. Dot- terfreie Zellen kommen spärlich vor, fehlen aber nicht. 6. Aequatorial liegen die Dotterzellen dichter, jedoch auch immerhin locker. Unmittelbar am perileeithalen Spalt, wo die Dotterzellen kleiner sind und die abgeplattete Form besitzen, die man auf Figur 32 D. 1 erkennen kann, drängen sie sich diehter zusammen, namentlich berühren sie sich innig mit ihren kurzen Rändern, so dass dadurch das Bild einer Stratifikation entsteht. Dotterfreie Zellen sind in der äquatorialen Region häufig, wie Figur 32 zeigt. c. Central sind die Dotterzellen ungefähr ebenso dicht gelagert, wie in der äquatorialen Region; zwischen ihnen liegt freier Dotter. Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass an dem vorliegenden Präparat hier Dotterfett in reichlicher Menge in die Spalten zwischen Dotterzellen und Dotterkörner ergossen ist, jedenfalls desswegen, weil hier im Innern des Eies die Fixirung nieht genügend war, so dass nachher bei dem langdauernden Ausziehen mit salzsäurehaltigem Alkohol der disso- eiirende Einfluss des Reagens stark zur Wirkung gelangte. Es kann daher die Frage aufgeworfen werden, ob nieht auch andere artifieielle Veränderungen eingetreten sind, insbesondere, ob nicht die freiliegenden Dotterkörner durch artificiellen Zerfall von Zellen frei geworden sind. Dotterfreie Zellen kommen vor, sind aber selten. d. Distal sind die Dotterzellen etwas kleiner wie in den übrigen Regionen; sie liegen dieht, jedoch nicht so dicht, dass sie ihre kuglige Gestalt aufgeben müssten. Dotterfreie Zellen kommen zwisehen ihnen reichlich vor. Besonders zahlreich sind diese Zellen in einem oberflächlichen Streifen, der durch die Linie d‘ der Figuren 34 und 35 begrenzt wurde, wovon oben schon gesprochen ist; Figur 35 gibt einen ungefähren Begriff von der Zahl und Anordnung der Zellen. Stellenweise bilden dieselben kleine Gruppen, im Allgemeinen aber finden sie sich in gleichmässiger Vertheilung. Die distale Dotterregion kann also mit der äquatorialen vereinigt werden; beide zusammen stehen alsoberflächliche, dureh Reichthum an dotterfreien Zellen ausgezeichnete Region der centralen gegenüber. Die proximale Region dagegen ist mehr an die centrale anzuschliessen, da in ihr die Zahl der Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 6 82 Hans Virchow: dotterfreien Zellen gering ist und die Dotterzellen erst spät in grösserer Menge erschemen. Doch unterscheidet sich anschemend die proximale Region von der centralen durch die Beschaffenheit des Dotters, der wohl von der Flüssigkeit der subgerminalen Höhle her beeinflusst ist. 3: Der 'perileeithale! Spalt. = 12. HP am Platte, der Wand anliegende Zellen werden hier nicht, oder doch nur spärlich beobachtet, wohl aber rundliche Zellen im Innern des Spaltes. b. Distal. Hier liegen die platten Zellen in ununterbroche- ner Reihe, und an dem m Figur 33 abgebildeten Ende des Spaltes füllen sie den letzteren vollkommen aus. Deutung. — Greifen wir m dem Bestreben, die in ihrer topographischen Vertheilung geschilderten Zustände zu emem Vorgange zu vereinigen, das Wesentliche heraus, so ist es Folgendes: Im Dotter von Lacerta kommen zwei Zel- lenformen vor: Dotterzellen und dotterfreie Zel- len; die Dotterzellen erfüllen in einem späteren Stadium den ganzen Dotterraum gleichmässig, zunächst aber werden sie in peripherisceher Ausbreitung (Fig. 30) getroffen; die dotter- freien Zellen treten reichlich im Innern des perileeithalen Spaltes und in den oberflächlichen Theilen des Dotters auf, dagegen spär- lich m den centralen und proximalen Theilen des letzteren; die dotterfreien Zellen erscheinen früher als die Dotterzellen (Fig. 29). Hieraus erwächst die Vorstellung, dass die dotterfreien Zellen die Vorläufer der Dotterzellen sind. Verbinden wir diese mit der andern Vorstellung, welche an Figur 29 angeschlossen wurde (S. 71), so kommen wir zu folgendem Gedankengang: das Lecithoderm wächst mit der Annäherung an den Aequator und nach Ueberschreitung desselben distalwärts vor im Form emes dotterfreien geschichteten Epithels, aus rundlichen Zellen gebildet; indem eine Durehdringung mit Dotter eintritt, entsteht die „For- mation der Zellen im Dotter* (Fig. 29); der äussere Theil dieser Formation fällt der Wandschicht zu und geht m das „geschichtete Epithel“, das Vorstadium des „einschichtigen Epithels“, über, der innere Theil liefert durch weitere Proliferation die „dotterfreien Zellen“; diese verwandeln sich durch Aufnahme von Dotter in „Dotterzellen“. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 83 Dieser Gedankengang erklärt alle Erschemungen, welche von meinem vierten Stadium an besprochen wurden. Auch den Umstand, dass im der centralen und proximalen Region so wenig ddotterfreie Zellen gefunden werden, macht er begreiflich; denn da ja diese Zellen von der Peripherie in’s Innere eimwandern, und da sie ihrer Bestimmung nach das Bestreben haben, Dotter aufzu- nehmen, so werden nur wenige von ihnen dotterlos bis in’s Centrum gelangen, so lange sie noch auf dem Wege freien Dotter antreffen. Da wir indessen hier an dem morphologisch entscheidenden Punkte stehen, so ist es geboten, alle Möglichkeiten zu berück- sichtigen, und daher sind die drei Fragen aufzustellen: können nieht die Dotterzellen auch auf anderem Wege als von den dot- terfreien Zellen entstehen? Können nicht die dotterfreien Zellen auch eine andere Bestimmung haben als die, Dotterzellen zu bilden ? Können nicht die dotterfreien Zellen auch anderswoher als von der Wandschicht stammen ? Ich will versuchen, diese drei Fragen kritisch zu beleuchten. 1. Herkunft der Dotterzellen. — Die Dotterzellen könnten auf dem Wege der „Dotterfurchung“ gebildet werden, also durch denselben Vorgang, der bei Ichthyophis (11) wirksam ist; d. h. es könnten sich Kerne, welche von der Furchung her im Dotter stecken, ausbreiten und mit schon vor- handenem Protoplasma zusammen zu Zellen abgegrenzt werden. Diese Betrachtung würde sich auf die Merocyten stützen, denn diese sind von der Furchung her im Dotter, und das Meroeyten- lager zeigt sich im Stadium des zweiblätterigen Keimes und der frühen Gastrula als Sitz einer Zellenbildung. Allerdings handelt es sich dabei um die Abgabe von Zellen an das Leeithoderm, aber der Gedanke ist naheliegend, dass nach Aufhören dieser Beziehungen zum Leeithoderm das Merocytenlager „Dotterzellen“ produeirt, welche ja in letzter Linie den Leeithodermzellen, d.h. den Epithelzellen der Wand nahe verwandt sind. Ich werde sogleich ein Bild beschreiben, welches in der genannten Richtung verwerthet werden kann (Fig. 36). Aber es liegen doch keine Anzeichen dafür vor, dass dieser Vorgang zu reichlicher Bildung bleibender Dotterzellen führt. In den mittleren Theilen der Bodenschieht (Fig. 30) sind die Dotterzellen anfangs sehr spär- lich; wenn sich also die Merocyten hier in Dotterzellen umge- wandelt hatten, so sind sie doch zu Grunde gegangen, und viel- 84 Hans Virchow: leicht ist darauf die streifig gerinnende Schieht (m m Figur 30) zu beziehen. Die eigenthümliche Art der Ausbreitung der Dot- terzellen zunächst an der Peripherie würde allerdings nicht gegen die Bildung durch „Dotterfurchung“ sprechen, denn auch bei Ichthyophis, wo die „Furchung“ feststeht, wird der gleiche Gang eingeschlagen. Doch müssten schon bei Reptilien die Beweise für eimen solchen Vorgang sehr deutliche sein, wenn sie uns veranlassen sollten, die Bedeutung der dotterfreien Zellen für die Dotterzellenbildung zu bestreiten, oder wir müssten für die dotterfreien Zellen selbst eine andere Verwendung wissen. 2. Bedeutung derdotterfreien Zellen. — Welche Bedeutung könnten die so zahlreichen dotterfreien Zellen haben, wenn nicht die, Dotterzellen zu bilden? Im Innern des Eies könnten sie keine Rolle übernehmen, denn hier ist nichts als Dotter. Vielleicht aber könnten sie umgekehrt vom Dotter aus in andere Theile des Eies einwandern. Hierfür finden sich jedoch nicht die geringsten Anzeichen; weder trifft man diese Zellen Jemals im geschichteten Epithel, noch in dem epithelialen Ueber- zug der Gefässe, oder an der Wand der subgermmalen Höhle. Auch nicht im Innern der letzteren. Es kommen zwar in der Höhle im Stadium der Gastrula kleine Zellen vor, wie ich deren eine in Fig. 14 dargestellt habe, indessen dies sind Lecithoderm- zellen, welche in der Verkleinerung weiter fortgeschritten sind wie ihre Nachbarn, immer kuglig wie diese, und nicht mit den dotterfreien Zellen der späteren Stadien zu verwechseln. Ich sehe also gar keine andere Verwendung für die dotterfreien Zellen, als die, Dotterzellen zu bilden, und die Beweisführung scheint mir zwingender, wenn man sie an die dotterfreien Zellen, als wenn man sie an die Dotterzellen anknüpft. Auch spricht die Analogie mit der „Formation der Zellen im Dotter“, die an der Wand getroffen wurde (Fig. 29), und ihren Beziehungen zu dem geschichteten Epithel zu Gunsten der Ableitung der Dotter- zellen von dotterfreien Zellen. 3. Herkunft der dotterfreien Zellen. — Woher könnten die dotterfreien Zellen stammen, wenn nicht von der Wandschicht, d. h. vom Leeithoderm ? Diese Frage ist schon bei dem vierten Stadium gestellt und beantwortet worden, aber sie soll hier von neuem aufgestellt und soll erörtert werden, ob viel- leicht Erscheinungen hinzugekommen sind, die unser Urtheil ab- Eu} ee Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 35 ändern könnten. Für pathologisch kann ich die Zellen nicht halten, da ich sie in diesem Stadium stets getroffen habe; für unwesentlich kann ich sie nicht ansehen, dazu sind sie zu zahlreich; aus der Blutbahn können sie nicht abgeleitet werden, da die Gefässe von Epithel verdeckt sind, in welchem man solehe Zellen nicht antrifft; von Dotterzellen können sie nicht abstammen, da sie früher als diese da sind. Aber könnten sie nicht von Meroceyten stammen? Hier beschreibe ich ein Bild (Fig. 36), auf welches ich schon hinwies (S. 83). Man erblickt den seitlichen (distalen) Theil der subgerminalen Höhle, über der letzteren einschichtiges Frühepithel, in welchem zwei kleine Zellen (k) zwischen grossen Zellen vorkommen. Der Gefässbezirk ist bis in diese Gegend noch nicht vorgedrungen. Distal (links in der Figur) verengert sich die Höhle zu einem Spalt, in welchem wir wohl den peri- leeithalen Spalt erblieken müssen. Ich habe früher darauf hin- gewiesen, dass in späteren Stadien der Spalt gegen die Höhle abgeschlossen ist, und habe die Beziehungen beider als nicht genügend aufgeklärt bezeichnet. In dem Spalte nun sieht man drei protoplasmareiche dotterfreie platte Zellen (f), an welche sich weiter distal noch andere stärker abgeplattete Zellen (von denen nur noch eine mit abgebildet ist) anschliessen, welche der Aussenwand des Spaltes, d. h. dem Leeithoderm, anliegen. Die drei mit f bezeichneten Zellen zeichnen sich nun durch grosse Kerne mit lockerem Chromatingerüst aus, und das Gleiche muss gesagt werden von anderen Zellen, welche etwas weiter distal an der Innenseite des Spaltes auf anderen Schnitten dieses Prä- parates getroffen werden. Von letzterer Stelle stammt die Ab- bildung, welche ich bei der Aufzählung der Zellenformen ge- geben habe (14, Fig. 26), und ich wies schon dort darauf hin, dass die grossen Kerne mit Chromatingerüst nicht typisch seien (14, S. 198). Im Boden der subgerminalen Höhle in unserer Fig. 36 und in der inneren Wand des Spaltes sehen wir Zellen, die zwar rundlieh, aber doch epithelartig gefügt sind; unter ihnen folgen (in der Figur nieht wiedergeben) locker liegende Dotter- zellen. Von den Bodenzellen nun, welche Vacuolen (Fetttropfen ?) und Dotterkörner, letzere aber in einem vorgeschrittenen Zustande des Verdautseins, enthalten, verdienen die mit Ziffern ausgezeich- neten besondere Beachtung. Die mit 3 bis 5 bezeichneten haben 36 Hans Virchow: diehtes Protoplasma, gar keinen Dotter und grosse Kerne mit lockerem Chromatingerüst. Die grossen Kerme und das dichte Protoplasma finden sich auch in den drei anderen Zellen und daneben Dotterkörner; besonders reich ist an letzteren Zelle 6, und sie gleicht in ihren beiden Hälften den beiden ihr rechts und Iinks anliegenden Zellen. Die grossen Kerne nun und das reichliche Protoplasma erinnern deutlich an die Randmerocyten, und es ist daher nieht unwahrscheinlich, dass sowohl die Bodenzellen, wie die platten Zellen an dieser Stelle von den Merocyten abstammen, die ja im Stadium der Gastrula hier lagen. Wenn aber Zellen des perileeithalen Spaltes (f in Fig. 36) von Merocyten abstammen, so ist damit eine Handhabe gegeben, diese Betrachtung zu verallgemeinern, indem man sich entweder denkt, dass die merocytische Formation sich als solche distal- wärts weiter entwickelt hatte und überall solche Zellen bildet, oder dass dotterfreie Zellen von den Merocyten zwar nur an dieser beschränkten Stelle gebildet wurden, dass sie sich aber in dem perilecithalen Spalt wie auf einer bequemen Strasse weiter bewegten, vielleicht durch ihr Vordringen den perile- eithalen Spalt selbst erst erzeugten, um in der ganzen Aus- dehnung dieses Weges in den Dotter einzudringen und in Dotter- zellen überzugehen. Es wäre dann allerdings für die Dotterzellen auch eine dotterfreie Form als Vorstufe angenommen, aber doch eine Abstammung von Dotterzellen, denn die Merocyten sind ja Dotterzellen. Ich glaube nicht, dass es bei ‚unserer schwierigen Frage recht wäre, die Betheiligung der Merocyten an der Dotterzellen- bildung a priori ganz ausschliessen zu wollen, aber ich glaube doch, dass die Mehrzahl der vorgeführten Erscheinungen, ins- besondere die Fig. 29, dafür sprechen, dass die Dotterzellen von dotterfreien Zellen gebildet werden, und dass diese von dem Leeithoderm der Wand abstammen. IV. Litteratur über die Entwicklung des Dottersack- entoblasten. Ich habe eine Besprechung der Litteratur nicht an den Anfang dieses Kapitels gestellt, sondern bringe sie erst hier. Man wird das wohl begreiflich finden. Bei einem Entwicklungs- vorgange, der so viele locale Differenzen zeigt und sich über Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 87 eine so lange Zeit ausdehnt, können wir die Einzelbeob- achtung erst dann würdigen, wenn wir zuvor eine Uebersicht der Gesammtentwieklung gewonnen haben. Wenn nun Untersucher nur einige oder gar nur ein Stadium betrachtet haben und von diesem gar noch eine beschränkte Stelle beschreiben, wenn sie uns nur einen Bruchtheil eines Bruchtheiles vorlegen, so werden wir wohl von Anfang an das dunkle Gefühl haben, dass diese Beschreiber die Aufgabe nicht in dem natür- lichen Umfang und Zusammenhang angeschaut haben, aber wir werden einer solchen Theiluntersuchung doch erst ihren Platz anweisen können, nachdem wir uns selbst den Umfang des ganzen Gebietes, d. h. sämmtliche Einzelffagen und den Zu- sammenhang derselben klar gemacht haben. Ich habe von den Arbeiten von Kupffer, Kollmann und Strahl zu sprechen. 1. Kupffer. — Kupffer behandelt m seiner bekannten Arbeit über die Gastrulation (6) zwar nicht die Entwicklung des Dottersackes als solche, aber er spricht doch von den Zellen im Dach und im Innern der subgerminalen Höhle, und da dies Bestandtheile des Dottersackentoblasten sind, so gehört die Besprechung in unseren Zusammenhang. Die Arbeit von Kupffer hat, soweit sie die Gastrula betrifft, einen grossen und fruchtbaren Einfluss ausgeübt, und eine solche Arbeit erwirbt sich die Kraft der Autorität — mit vollem Anspruch. Aber um so mehr müssen wir Irrthümer einer solchen Arbeit klarlegen, denn auch sie treten mit dieser autoritativen Kraft auf und stiften daher mehr Unheil wie eine weniger beachtete Arbeit; und Un- heil haben die Angaben Kupffer’s über den „Parablasten“ reichlich gestiftet. Man möge mir daher verzeihen, dass ich auf das, was in den Angaben Kupffer's über den Dottersackento- blasten nach meiner Meinung falsch ist, mit einer gewissen Breite eingehe. Ich finde selbst diese Breite geschmacklos, aber sie ist im Interesse der Klarheit nothwendig. a. Kupffer hat, wie ich schon oben (S. 62) bemerkt habe, die subgerminale Höhle von Coluber und Emys als „oberflächlicheSchichtdesDotters“ oder „Dotter- rinde* angesehen und das Gerinnsel dieser Höhle für die „srundsubstanz des Parablasten“ Demgemäss hat er auch die Zellen und Zellenstränge dersubgermi- 88 Hans Virehow: nalen Höhle für Zellen und Zellenstränge des Parablasten gehalten. Dieser Irrthum ist bisher keinem derjenigen aufge- fallen, welehe die Ku pffer'schen Angaben litterarisch verwerthet haben; ein lehrreiches Beispiel dafür, wie Litteratur gelesen und eitirt wird. Bezeiehnender Weise sind aber gerade immer die- jenigen, welche so lesen und eitiren, mit theoretischen Speeu- lationen im Vordertreffen. b. Kupffer gibt eine Abbildung der Zellen der sub- germinalen Höhle (des „Parablasten“) auf Fig. 18 bei starker Vergrösserung (Immersion). Nach meinen Erfahrungen, die an verschiedenen Stellen- des Textes und im den Fig. 11, 15, 16, 19 niedergelest sind, kommen unterhalb des eigentlichen Dotterblattes bei Lacerta mannichfache Zellenformen vor, die aber immer bestimmte Züge durch den in ihnen enthaltenen Dotter aufweisen, und die in vielen Fällen schon bei gewöhn- licher starker Vergrösserung, ohne Anwendung von Immersion viel ausdrucksvollere Anordnung des Inhaltes erkennen lassen, als auf den Kupffer’schen Figuren zu sehen ist. Nun beziehen sich allerdings die Angaben von Kupffer auf Coluber und nicht, wie die meinen, auf Lacerta; ich bezweifle aber nicht, dass bei allen Reptilien analoge Verhältnisse vorkommen, und ich vermuthe daher, dass wenn man wirklich die tiefsten Zellen von Coluber untersucht, ähnliche Verhältnisse des Imhaltes vor- liegen, wie ich sie bei Lacerta gefunden habe. e. Kupffer behauptet, dass die tiefen Zellen in den Zell- strängen der subgerminalen Höhle (des „Parablasten*) Vor- stadien von Kernen zeigen, aus welchen beim weiteren Anfsteigen wirkliche Kerne werden. Wir wissen nun aber, dass in den Meroeyten der Bodenschicht, also in einer Gegend, welche noch tiefer liegt, als der Kupffer'sche „Parablast“ (d. h. die subgerminale Höhle) fertigeKerne enthalten sind, und wir wissen auch, dass von dieser Gegend aus durch Ab- furchung Zellen in die subgerminale Höhle eintreten. Dadurch wird die Kuptfer’sche Angabe hinfällig. Wenn wirklich in Zellen der subgerminalen Höhle Kernfragmente gefunden werden, so ist dies ein Zeichen des Zerfalles. Es ist aber auch möglich, dass die verschiedenen Bilder, welche Kupffer an dien oberflächlichen und tiefen Zellen erhielt, auf eine verschiedene Einwirkung der Reagentien zurückzuführen sind. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 89 d. Kupffer bringt die Zellenstränge der subgerminalen Höhle (des „Parablasten*) mit der Bildung von Endothel- röhren und Blutzellen in Verbindung. Ich habe mich schon oben (8.63) über diesen Punkt geäussert und auch darauf hingewiesen, dass ja die Zellenstränge hauptsächlich unterhalb des Dotterblattes liegen. Kupffer hat sieh nieht darüber ge- äussert, wie er sich den Durehtritt dieser. Blut- und Endothel- anlagen durch das Dotterblatt denkt. e. Bei Kupffer fehlen alle Angaben über die Merocyten der Bodenschieht, sowohl in den mittleren wie in den seitlichen Theilen der letzteren, über Aussehen, Herkunft, Bestimmung dieser Gebilde. f. Es fehlen ebenso Angaben über die Bestimmung des „Dotterblattes“. Kupffer hätte hier durch eine ganz kurze Bemerkung dem Leser sehr nützen können, wenn er nur gesagt hätte: das Dotterblatt stellt das einschichtige platte Epithel der proximalen Dottersackwand dar; es wird bei dem Schwund der subgerminalen Höhle während der weiteren Entwicklung an die eentrale Dottermasse angelegt, und seine Zellen wandeln sich dureh Dotteraufnahme in hohe Zellen des „fertigen“ Epithels um. Mit dieser Aeusserung würde Kupffer dem Leser den grossen Zusammenhang vor Augen gestellt haben. Ich urtheile also, dass die Arbeit von Kupffer, soweit sie leeithoblastische Bildungen betrifft, sich nur für solche Leser eignet, welche eigene Erfahrungen über das Reptilienei im Stadium der Gastrula besitzen; solche Leser werden aus der Einhüllung mancher Unklarheiten einige wichtige Thatsachen entnehmen, nämlich dass bei Schlangen und Schildkröten die subgerminale Höhle frühzeitig ausserordentlich breit und tief wird, und dass bei der Ausdehnung derselben der in grosser Abundanz vor- handene Dotterentoblast sich sondert in ein geschlossenes Blatt („Dotterblatt“) und Stränge und Röhren der subgerminalen Höhle, welche netzartig verbunden sind. Ueber das Schieksal dieser Stränge aber kann man aus der Darstellung nichts entnehmen; man kann nur vermuthen, dass sie sich später theilweise in das Dotterblatt, d. h. das Epithel der proximalen Dottersackwand, einreihen, theilweise zu Grunde gehen. 2. Kollmann. — Kollmann hat um den Dottersack der Eidechse das doppelte Verdienst, das vom Huhn schon früher 90 Hans Virchow: beschriebene Epithel gefunden und auch als Epithel anerkannt zu haben (4 und 5). Leider hat es sich Kollmann entgehen lassen, die damit angezeigte erste Aufgabe der Untersuchung zu verfolgen, nämlich die Entwieklung des Epithels festzu- stellen. Er ist vielmehr vom Wege abgebogen und hat sich mit zwei Fragen befasst, welche bei einer so geringen Kenntniss der zeitlichen und räumlichen Entwicklung nicht gelöst werden konnten: er hat von der verdauenden Thätigkeit dieser Zellen und von ihrer Beziehung zu mesodermalen Bildungen, zum „Akro- blast“ und den „Poreuten* gesprochen. Was er in ersterer Hinsicht mittheilt, läuft zum Theil auf blosse Worte hinaus; in zweiter Hinsicht nimmt die Speculation einen sehr weiten Raum ein, und ich für meinen Theil muss sagen, dass ich gern zehn Seiten Speculation für eine Seite Thatsachen hingegeben hätte. Von den mikroskopischen Bildern, auf welehe Kollmann seine Ansicht von der Abstammung mesodermaler Elemente von dem Epithel stützt, betreffen zwei (4, Fig. 2 und 5) die Eidechse. Solehe Figuren haben aber gar nichts Beweisendes. Bei einem Objekt, wo die Bilder so verschieden und oft so schwer zu ver- stehen sind, kann man für alles Mögliche Beweise auffinden, und ich will mich anheischig machen, aus meinen Präparaten scheinbare Belege für jede der über den Dottersackentoblasten aufgestellten Theorien beizubringen. Das einzelne Präparat beweist hier gar nichts, und wir müssen in unseren Forderungen um so strenger sein, als durch unmethodische Verwerthung der Einzelbefunde der bestehenden Verwirrung immer neue Nahrung zugeführt wird. Die Forderung ist also streng festzuhalten, dass die Untersuchung im Anschluss an die topographische Orien- tirung geschehe, und dass nur dasjenige anerkannt werde, was sich bei einer Ausdehnung der Untersuchung, bei umfassender Berücksichtigung der zeitlichen und räumlichen Ver- schiedenheiten aufrecht erhalten lässt. Von dieser breiten empirischen Basis aber merken wir den Kollmann’schen Mittheilungen nichts an. 3. Strahl. — Anders als bei den beiden Genannten liegt die Sache bei Strahl (13); bei ihm wird der Dottersackento- blast als Dottersackentoblast betrachtet, und nachdem Strahl in einer früheren Mittheilung für die Abstammung der Blutinseln aus dem Mesoderm eingetreten war (12) und auf diese Weise Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 91 die parablastischen Beziehungen von dem Entoblasten abge- schüttelt hatte, konnte er sich ganz der Betrachtung des Leci- thoblasten als solehen hingeben. Dies thut er nun, indem er den Dottersack in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung vornimmt, und indem er die gesammte zeitliche Entwieklung von dem Stadium des zweiblättrigen Keimes bis zum „Abwerfen“ ddes Dottersackes verfolgt. Die Arbeit enthält auch demgemäss die wichtigsten positiven Aufschlüsse. Trotzdem kann dieselbe nicht als erschöpfend gelten. Die Gründe dafür sind verschieden. Erstens ist die Methode (Sehnitte durch ganze Dottersäcke) einseitig und nicht geeignet, alles klar zu stellen; zweitens sind Strahl anscheinend wich- tige Stadien entgangen. Als Lücken und Irrthümer glaube ich folgendes namhaft machen zu müssen. a. Strahl hat die Form der Wandanhänge nicht erkamnt, wie ich schon hervorgehoben habe (14, S. 175). b. Strahl hat nieht erkannt, dass die Wand und die Wand- anhänge durchweg von einschicehtigem Epithel über- zogen sind. c. Strahl hat zwar die grossen Dotterzellen beschrieben und abgebildet, aber nicht die zeitlichen Verhältnisse ihrer Aus- bildung verfolgt. d. Strahl hat die dotterfreien Zellen zwar abgebildet, dieselben jedoch nur in einer Anmerkung wie etwas Neben- sächliches erwähnt, während sie eine reiche und typische Formation bilden. e. Strahl hat die platten dotterfreien Zellen gar nicht erwähnt. f. Strahl hat den perileeithalen Spalt nicht in seiner Bedeutung erkannt. $. Strahl hat den dotterfreien Leeithodermrand nicht berücksichtigt. h. Strahl hat die „Formation der Zellen im Dotter“ mit den kleinsten dotterfreien Zellen gar nicht erwähnt. i. Strahl hat von dem geschichteten Epithel eine unklare Vorstellung. Er gibt zwar an (S. 285, Fig. 9a), dass im „Keimwulst“ (2) grosse Zellen vorhanden seien, fügt aber bei: „Der ganze Keimwulst macht in seiner allgemeinen Anordnung den Eindruck eines Netz- oder Maschenwerkes“. Schon die Aus- 92 EramısNiiriechew:i: drucksweise „weitmaschiges Netzwerk grosser Zellen“ enthält einen unvereinbaren Widerspruch, denn entweder haben wir grosse Zellen vor uns, oder ein Netzwerk; in dem einen Falle sind die Linien, die wir sehen, Zellengrenzen, und der Dotter liegt in den Zellen, in dem anderen Falle sind die Linien die Ausläufer sternförmiger Zellen oder zusammenhängender Zellenterritorien und der Dotter liegt zwischen den Zellen. Beide Vorstellungen lassen sich nicht, wie es Strahl hier thut, in eine zusammenziehen; nach beiden Seiten hin, nach der von Kölliker und nach der von His (Disse, Waldeyer), kann man nicht zu gleicher Weise gefällig sein. k. Strahl hat die beiden Formen der Meroeyten, die protoplasmaarmen und die protoplasmareichen, nicht deutlich unter- schieden; er erwähnt zwar „Riesenkerne“, aber nicht, dass aus- nahmslos eine besondere Formation protoplasmatischer Mero- eyten im Randtheile der Bodensehieht vorhanden ist. Ich urtheile also, obwohl ich die in zeitlicher und räum- licher Beziehung umfassende Darstellung von Strahl im vollsten Maasse anerkenne, dass es hier an einer genügenden Feststellung der Thatsachen und vor allem an der Vorbedingung zu einer solchen, an der scharfen differentiellen Diagnose der einzelnen Zellenformen und -Formationen fehlt, und dass in Folge dessen auch die Entwicklung, die ja nichts ist, als eine Verknüpfung der Zustände zu Vorgängen, nicht vollkommen er- kannt werden konnte. Indem ich mir erlaubt habe, über andere zu urtheilen, will ich damit nicht sagen, dass ich das Problem der Entwicklung des Dottersaekentoblasten völlig erschöpft habe. Ich sehe viel- mehr deutlich, dass hier noch manches zu thun bleibt, und ich glaube nachfolgenden Untersuchern am besten zu dienen, indem ich die zweifelhaften Punkte und die Lücken in meiner Darstellung selbst hervorhebe. Abgesehen davon, dass bei einem so schwie- rigen Objekt jeder eimzelne Punkt zur Nachprüfung auffordert, wäre Folgendes besonders zu nennen. Es fehlt noch an einer Kenntniss der Theilungsvorgänge, welche vor allem an den Merocyten interessante Ergebnisse versprechen und auch für die Leeithodermzellen wichtig wären. — Die Entstehung des geschichteten Epithels aus der Formation der Zellen im Dotter wäre zu verfolgen. — Die Entstehung Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 93 der „Dotterzellen“ aus den dotterfreien Zellen, welche ich nur aus dem zeitlichen und räumlichen Vorkommen geschlossen habe, muss ebenso erst noch durch Untersuchung nachgewiesen werden. — Ich weiss nichts Bestimmtes über das Endschicksal der Meroeyten. — Ebenso nicht über das der Dotterzel- len; d. h. ich weiss nicht, ob die Dotterzellen durch Anlage- rung an die Wandanhänge zu Epithelzellen werden, oder ob sie zu Grunde gehen, und die Wandanhänge ihr Epithel von der Wand mitbringen. Ich vermuthe allerdings das Letztere, da sich schon frühzeitig durch den perileeithalen Spalt eine Trennung des Wandepithels von der inneren Dottermasse ausprägt. Da das Wandepithel anfangs geschichtet, später einschichtig ist, so ist schon damit das Material für die Bekleidung einer viel grösseren Oberfläche gegeben. Dazu kommt, dass die Epithelzellen in späteren Stadien grösser sind, so dass sie auch dadurch geeignet sind, einen grösseren Raum zu bedeeken. Und endlich kann eine Vermehrung derselben durch Theilung wohl angenommen, jedesfalls nicht ausgeschlossen werden. V. Ergebnisse. l. Der Dottersackentoblast der Reptilien erscheint unter zwei verschiedenen Formationen, in der des einschichtigen Wand- epithels und der der Dotterzellen. Beide sind durch den perileeithalen Spalt geschieden. 2. Das Wandepithel erscheint in zwei verschiedenen Formen, als reifes Epithel, von hohen Zellen gebildet, und als Früh- epithel der proximalen Dottersackwand (des Daches der sub- germinalen Höhle, der Area pellueida), von flachen Zellen ge- bildet, welche sich aber späterhin in hohe Zellen umwandeln. 3. Das Vorstadium des reifen einschichtigen Epithels ist das geschiehtete Epithel. 4. Das Vorstadium des geschiehteten Epithels ist die „Fo r- mation der Zellen im Dotter“. 9. Das Vorstadium der „Formation der Zellen im Dotter“ ist das geschichtete dotterfreie Leeithoderm des Keimhautrandes. 6. Von den Meroceyten im Boden der subgerminalen Höhle findet im Stadium des zweiblätterigen Keimes eine reich- liche Abgabe von Zellen an die untere Keimsehieht in der ganzen 94 Hans Virchow: Ausdehnung der letzteren statt; im Stadium der beginnenden Gastrula eine reichliche Abgabe an den Randwulst des Leei- thoderms, besonders an die distale Zone des letzteren; ob auch noch an die mittleren Theile des Leeithoderms, ist unentschieden. Unbekannt ist, ob im späteren Stadien von den Meroeyten blei- bende Zellenbildungen ausgehen; ebenso das Endschicksal der Meroeyten. 71. Die Dotterzellen treten zuerst oberflächlich auf und zuletzt im Centrum. Sie stammen meiner Meinung nach von dotterfreien Zellen ab, welche man in mittleren Stadien der Entwicklung reichlich in dem perileeithalen Spalt und im den oberflächlichen Schichten der inneren Dottermasse findet. Die Dotterzellen gehen wahrscheinlich zu Grunde, ohne zu Dotter- sackepithelzellen zu werden, doch ist diese Frage noch nicht mit Sicherheit zu beantworten. | Es gibt also zwei fertige Zellenformen:: Dotterzellen und reife Dottersackepithelzellen, und 5 Vorstufen: Meroeyten, Leei- thodermzellen (Frühepithel), dotterfreie Zellen des Leeithoderm- randes, kleinste dotterfreie Zellen und dotterfreie Zellen (runde und platte). Vergleich mit Vögeln und Amphibien. — Das sich entwickelnde Dotterorgan gleicht in seiner Wändschicht (Epithel) dem der Vögel, in der inneren Dotterzellenmasse dem der Amphibien. In der Entwicklung des Wandepithels haben sich die vier Stufen wiedergefunden, welche ich vom Huhn geschildert habe: Formation des Leeithodermrandes, „Formation der Zellen im Dotter,“ geschichtetes Epithel, einschichtiges Epithel; diese Formationen sind bei Lacerta viel deutlicher zu unterscheiden wie beim Huhn. Die Dotterzellen entwickeln sich nieht so wie bei Am- phibien, d.h. durch „Dotterfurehung“, sondern, wenn meine Deutung richtig ist, von einer Vorstufe, der Formation der dotterfreien Zellen aus, die ihrerseits von der Wandschicht gebildet wird. Es ist jedoch möglich, dass die Merocyten eine erste Generation von Dotterzellen liefern, die aber keinen Be- stand hat. Dotterzellen und Dottersackepithelzellen sind ursprünglich gleichwerthige Gebilde: die letzteren sind von den ersteren morphologisch abzuleiten. Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 95 Wenn diese Vorstellungen richtig sind, so liefern sie nach der einen Seite hin einen genügenden Aufschluss, in sofern näm- lich, als sie die Verhältnisse der Vögel aus denen der Reptilien erklären. Bei den Vögeln gehtder palingenetische Zustand gänzlich verloren, es werden keine Dot- terzellen mehr gebildet. Der perilecithale Spalt wird durch einen enormen Flüssigkeitserguss ausgedehnt, und ein weiter Zwischenraum zwischen Epithel und Dotter er- zeugt. Diese Flüssigkeit hat offenbar eime grosse Bedeutung für die Aufgabe der Dotterverarbeitung. Nach der anderen Seite, gegen die Amphibien, ist eine Schwierigkeit für das morphologische Verständniss eingetreten, da die Dotterzellenbildung sich bei Reptilien auf anderem Wege vollzieht, obwohl wir doch zweifellos die Dotterzellen der Reptilien und die der Amphibien gleich stellen müssen. Auch hierin muss eine eenogenetische Beeinflussung erblickt wer- den. Damit sind wir aber vor die Frage gestellt, warum der direete Weg der Dotterzellenbildung hat verlassen werden müssen. Hier sei folgende Betrachtung gestattet: die Zellen, welche an der Oberfläche liegen, befinden sich unter günstigen Bedingungen des Stoffwechsels, d. h. des Gas- wechsels, welche allein ihre Lebensfähigkeit zu erhalten im Stande ist; an diese aber wird bei der Umschliessung von so viel zu verarbeitendem Dottermaterial eine ganz besonders hohe Anforderung gestellt. Entfernt von der Oberfläche büssen sie an Lebensfähigkeit ein, und der Vorgang der Dotterfurchung, wel- cher sich aus der eigentlichen typischen Furchung heraus ent- wickelt hat, erlalmt der so sehr gesteigerten Aufgabe gegenüber, welche die Vermehrung des Dotters mit sich bringt; erlahmt nicht aus mechanischen, sondern aus biologischen (chemischen) Gründen. Hier ist ein Ersatz, ein Nachschub von lebenskräftigen Zellen von der Oberfläche her nöthig, und dieser wird geleistet in Form der dotterfreien Zellen, welche ja auch Leeithoblastzellen, Dotterzellen ohne Dotter, sind. Möglicherweise gehen viele der in’s Innere vor- gedrungenen und mit Dotter beladenen Zellen zu Grunde, und der unvollkommen verdaute Dotter wird von anderen Zellen aufge- genommen, bis endlich die Epithelzellen der Wand, von den Anhängen der letzteren in’s Innere vorgeschoben, in aus- 96 Hans Virchow: schliessliche und viel wirksamere Aktion treten. Denn da sie nur in einschiehtiger Anordnung stehen und überall in unmittelbarer Nachbarschaft von Gefässen, so sind bei ihnen günstige Lebensbedingungen dauernd vorhanden. 1) 9. [Sri 10. 11. 12. Litteratur. Agassiz (Clark), Contributions to the natural hist. of the Unit. States Vol. II. Part. III. Boston 1857. Corning,H.K., Zur Frage der Blutbildung aus dem Entoderm. Arch. f. mikr. Anat. 36. Bd., 1890, S. 516. Kölliker, A. Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. II. Aufl. Leipzig 1879, bei W. Engelmann. Kollmann, J., Intracellulare Verdauung in der Keimhaut von Wirbelthieren. Recueil zoologique suisse Tom. 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E’ Zelle, welche mit ihrem Körper in der unteren Keimschicht steckt und nur mit einem schmalen oberen Ende in das Ectoderm hineinragt. B Bodenschicht. Die Merocytenkerne sind nicht eingezeichnet. Stick vom linken Rande der vorigen Figur, 82 mal vergr. oP oberflächliche Protoplasmaschicht (s. S.40). M Rand- meroceyt. R Randfurche des gefurchten Keimes. E Ecto- dermzelle, halb in der unteren Keimschicht steekend. L/ obere kleinzellige Lage der unteren Keimschicht. L” untere gross- zellige Lage derselben. B’ Kuppen der in Abfurchung be- griffenen Stücke, von kleinkörnigem Dotter eingenommen. B“ Basen derselben, von gröberen Dotterkörnern erfüllt. Medianschnitt durch eine eben beginnende Gastrula, 25 mal vergr. (s. 8.48). E Eetoderm, nur als Linie gezeichnet. Es verdicktes Ec- toderm des „Schildes“. Es’ Unregelmässigkeit im Schilde, im Flächenbilde durch eine Gruppe von kleinen Wülsten und Grübehen gekennzeichnet, nicht Kunstproduct. U Urdarm- einstülpung. U’ keilförmige Zellenmasse, welehe späterhin die Wand des Urdarms bildet (s. S.48). M Mesoderm-Anlage. l oberste einschichtige epithelartige Lage des Lecithoderm hinter dem Knopf (s. S.48). s Spalt zwischen M und | (s. S.48). H subgerminale Höhle, artificiell vertieft. Zh isolirte Zelle im Innern der Höhle; solcher sind am vorliegenden Schnitt drei vorhanden. a artifiecieller Einriss der Bodenschicht. dM Kerne protoplasmaarmer Merocyten. dM’ tiefgelegene Kerne dieser Art. pM protoplasmareiche oder Rand-Merocyten. Gastrula von Lacerta müralis, durch netzförmige Anordnung des Leeithoderms ausgezeichnet, 25mal vergr. (S. S. 58). W proximaler Leeithoderm-Wulst. sp Zellenstränge, am Rande des Schildes. sd Zellengruppen und Zellenstränge ' weiter entfernt vom Rande des Schildes. Sagittalschnitt einer Gastrula mit durchlöcherter unterer Wand des Urdarmes, 25 mal vergr. E Eetoderm. Er Eetoderm des Randsaumes (s. 8.59). Es Ectoderm des Schildes. M Mesoderm. Lk Leeithoderin unter Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 7 98 Fig. Fig. Aw (CN a 12 . 18 4. 16. Hans Virehow: dem Knopf (s. S.56). Lu Leeithoderm unter dem Urdarm (s. S.57). Lw proximaler Leeithodermwulst (s. S. 58). w/’ vorderster der secundären Wülste (s. Fig. 12). w’ zwei iso- lirte Zellenhaufen. Lz Zwischenzone des Leeithoderms (s. S. 58). Lr Randwulst des Leeithoderms (s. S.58). Sagittalschnitt durch eine Gastrula mit eröffneter unterer Wand des Urdarmes, 25mal vergrössert. E Ecetoderm. Es Ectoderm des Schildes. R Randsaum. M Mesoderm. Lu Rest der unteren Wand des Urdarmes (s. 8.57). Lw proximaler Lecithoderm-Wulst (s. S.57). Lr Randwulst des Lecithoderms. V Vacuole. Md protoplasma- arme Merocyten. Mp protoplasmareiche Meroeyten. Gastrula von Lacerta agilis auf dem Dotter, 25 mal vergr. (s. 8. 48). Es Ectoderm des Schilde. M Mesoderm. R Randsaum der Keimscheibe. Lw, Lz, Lr wie in Fig.6. Mp, Md wie in Fig.7. P Protoplasmaherd im Dotter (s. 14, S. 168). Leeithoderm unter dem Knopf, von einem nicht abgebildeten Präparat einer Gastrula mit völlig eröffneter unterer Wand; Leitz VIII. 0 (s. 8.47). u vorderer Rand, dem vorderen Ende des Knopfes, bez. dem hinteren Rande der Durchbruchsöffnung des Urdarmes entsprechend. a kubische Zelle inmitten der übrigen platten, durch lockeres maschiges Protoplasma ausgezeichnet. Ein Stück der unteren Wand des Urdarmes von dem Punkte Lu der Fig.6; Leitz VIII 0 (s. S. 57). Zellen von dem proximalen Leeithoderm-Wulst der Fig. 7; Leitz VIII. 0 (s. S. 57). Fig. 11a. Eine Zelle aus den tiefsten Lagen des Wulstes. Fig. 11b. DreiZellen aus den höchsten Lagen des Wulstes. Seeundärer Wulst des Lecithoderms von dem Punkte w’ der Fig. 6; Leitz VIII 0 (s. 8.58). Stücke der Dottersackwand, distal von dem proximalen Le- eithodermwulst, aus dem gleichen Präparate wie Fig.9; Leitz ViH. 0 (s. S. 58). E Eetoderm. Fig. 13a das gewöhnliche Verhalten. Fig. 13b ausnahmsweise grosse Zelle (s. S.58). Die Balken des Netz- werkes sind zu dick gezeichnet. Kleine Zelle aus der subgerminalen Höhle; Leitz VIII. 0 (s. 8. 84). . Die proximale Zone des Randwulstes; Leitz VIII. 0 (s. S. 50). E Eetoderm. Lo oberflächliche, Lm mittlere, Lt tiefe Lage des Lecithoderms. g grosse Zelle des Leeithoderms (Ss. S. 51). D Bodenschicht. pr proximal. di distal. Die distale Zone des Randwulstes; Leitz VIII. 0 (s. S. 50). E Eetoderm. e‘ tiefreichende Ectodermzelle. Lo, Lm, Lt Das Dotterorgan’der Wirbelthiere. 99 wie bei Figur 15. M grosser Merocytenkern, links davon ein zweiter von gleicher Beschaffenheit. Mm zwei Merocytenkerne. D unveränderter Dotter in der Umgebung der Merocyten. Sp Spalt, artificiell. pr proximal. di distal. ie. 17. Randtheile der in Fig. 4 dargestellten Keimhaut; Leitz VIIIl.0. E Eetoderm. L/’ oberflächliche, abgeplattete Lage des Le- eithoderm (s. S.50). L” grosse Zelle der unteren Lage des Leeithoderm (s. S.50), nur die distale Hälfte ist dargestellt. Die Zelle enthält ein dichtes Protoplasmanetz und blasse Dotterkörner. d blasse Dotterkörner, je eines in zwei be- nachbarten Zellen. L“ erosse Zelle, durch Abfurchung aus der Bodenschicht entstanden, dem Leeithoderm erst locker angeschlossen. oP „oberflächliches Protoplasma“ (s. 8.53). M Gegend eines Rand-Merocyten. P Verbindung zwischen dem oberflächlichen Protoplasma und dem Meroeyten. R Rand- saum. R’/Randsaumzelle, von dem oberflächlichen Protoplasma umschlossen. D unveränderter Dotter der Bodenschicht 18. Ein Stück der Ei-OÖberfläche jenseits des Keimhautrandes; Leitz VIII. 0. oP oberflächliches Protoplasma (s. S.53). pP peripherisches Protoplasma (s. 8.52). v Verbindungsfäden zwischen beiden. t Protoplasmafäden von pP in die Tiefe gehend. D Dotterkörner; eines derselben umschliesst eine Vacuole. 19. Zellenterritorium, in Abschnürung von der Bodenschicht be- griffen, unter der proximalen Zone des Randwulstes des Le- eithoderms gelegen; Leitz VIII. 0 (s. S.55). , 20. Drei Leeithodermzellen aus der distalen Zone des Rand- wulstes, von denen zwei mit grossen Kernen versehen sind; Leitz VIII. O (s. S. 56). zP Protoplasma der Leecithodermzelle, im Innern der Zelle dicht, an der Oberfläche netzförmig. mP Protoplasma des Merocytenlagers, an der Oberfläche netzförmig. D unver- änderter Dotter. d/ abgeblasster Dotter in der tiefen Zellen- lage. d’ stärker abgeblasster Dotter in der mittleren Zellen- lage. &. 21. Dotterfreie Lecithodermzelle aus der distalen Zone des Rand- wulstes; Leitz VIII. 0 (s. S.56). Das Protoplasma ist im Innern dicht, an der Oberfläche netzförmig. &. 22. Leeithodermzelle aus der mittleren Schicht des Randwulstes im Stadium der Gastrula; Leitz VIII. 0 (s. S. 50). g. 23. Stück des zweiblättrigen Keims von Tropidonotus natrix; Leitz VIII. 0 (s. S. 64). E Ecetoderm, einschichtig. Lo oberflächliche Schicht des Leeithoderm, in einzelliger Lage unter dem Eetoderm ange- ordnet. Lt tiefe Lage des Leeithoderm, aus grossen Zellen gebildet. Lv mittlere Lage des Leecithoderm, in welcher 100 Fig. 32. ..26. BE 0) ie. 31. Hans Virchow: senkrechte Zellenstränge hervortreten, die obere und tiete Lage verbindend. D Bodenschieht mit Zeichen der Ab- furchung. . Einzelne Zelle aus dem vorigen Präparat; Leitz VIII O (s. S. 64). 125. Oo Stück der distalen Dottersackwand von Emys europaea im Stadium der Gastrula; Leitz VIII. O0 (s. S. 65). a Dotterreiche Zelle, vielleicht dem Leeithoderm angehörig. Schema des Schildkröteneies (ohne Eiweiss und Schale) im Stadium der Gastrula (s. S. 65). E Embryonalanlage, bez. Gastrula und Knopf. H subger- minale Höhle mit Zellen und Zellensträngen. D Dotter. p proximale Wand des Dottersackes (Dach der subgerminalen Höhle, Area pellucida), d distale Wand des Dottersackes (s. Fig. 25). Meridionalschnitt durch ein Ei von Lacerta agilis, parallel der langen Achse, sechs mal vergr. (s. S. 69). E Embryo. V Vena terminalis. G Grube am distalen Pol. R Randsaum. 1-—2, 2—3 „Formation .der Zellen im Dotter“ (s. 8. 70). . Das distale Stück des vorigen Schnittes, 25mal vergr. G, R wie in Fig.27. Li und L2 Randzone des Leeitho- derm (s. 8. 70. L 3 entspricht der Zone 2—3 der Fig. 27. P Protoplasma (?). Z Zellen in der Schicht P. . Dottersackentoblast vom Aequator ‚eines Eidechsen-Eies aus dem in Fig. 27 dargestellten Stadium, aber anderem Präparat; Leitz VIII. 0 (s. S. 71). E Ectoderm. V Vacuole. Dz Dotterzelle. Meridionaler Schnitt durch ein Ei von Lacerta agilis, 6mal vergr. (s. 8. 74). Sch Eischale. C Cölom. H subgerminale Höhle. m streifig geronnene (schleimige?) Schicht am Boden derselben (s. S. 74). aSp. artificieller Spalt, durch Schrumpfung entstanden, in Ver- bindung mit der subgerminalen Höhle. V Vena terminalis. P Polster am distalen Pole (s. 8.75). pSp. perileeithaler Spalt. W geschichtetes Epithel der Wand. Dä äquatoriale Dotter- zellennasse. Dp proximaler Dotter mit Zellen. Dd distaler Dotter mit Zellen. De centraler Dotter mit einzelnen Zellen. Perileeithaler Spalt von dem in Fig. 30 dargestellten Präparat; Leitz VIII. 0 (s. S. 76). a platte Zelle an der äusseren Wand. i platte Zellen an der inneren Wand. s Zellen im Innern des Spaltes. Der perileeithale Spalt und seine Umgebung von dem in Fig. 34 dargestellten Ei; Leitz VIII. 0 (s. S. 82). E innerste Zellenlage des geschichteten Epithels. Sp peri- lecithaler Spalt, artificiell erweitert. a platte Zellen an der äusseren Wand desselben. s Zellen im Innern desselben. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35: Das Dotterorgan der Wirbelthiere. 101 Z dotterfreie Zellen zwischen Dotterzellen. D1 stark abge- flachte Dotterzellen. D2 sehr wenig abgeflachte, fast kuglige Dotterzellen. N Kern einer Dotterzelle. Ende des perilecithalen Spaltes von dem in Fig. 34 darge- stellten Ei; Leitz VIII. 0 (s. S. 82). E das geschichtete Epithel. Sp der perileeithale Spalt, von abgeflachten Zellen ganz erfüllt. Z dotterfreie Zellen zwi- schen Dotterzellen. N Kern einer Dotterzelle. Meridionaler Schnitt durch ein Ei von Lacerta agilis, parallel der langen Achse desselben, sechsmal vergr. (s. S.79). E Em- bryo. P distaler Eipol. AA Rand der Allantois. G proxi- male Dottersackwand; die Fortsetzung am Aequator ist ab- gebröckelt. m geronnene (schleimige?) Schicht am Boden der subgerminalen Höhle. W geschichtetes Epithel der Wand. W’ Stelle, wo dasselbe abgebrochen ist. pSp perileeithaler Spalt. S’ Ende desselben. De, Dä, Dp, Dd centrale, äqua- toriale, proximale, distale Dotterzellenmasse. d’/ Linie, bis zu welcher die dotterfreien Zellen besonders reichlich sind (s. S. 81). Stück der vorigen Figur bei 25facher Vergr. w’ Grenze des Wandepithels gegen die Dotterzellen. D Formation, die aus Dotterzellen und dotterfreien Zellen ge- mischt ist; die Punkte geben die dotterfreien Zellen an (s. S. 81). W, S‘, d‘/ wie in Fig. 34. . Sehnitt durch den Dottersack von Lacerta viridis in der Ge- gend des distalen Endes der subgerminalen Höhle; Leitz VIII o (s. S.85). E Eetoderm. k kleine, g grosse Epithelzelle der Dotter- sackwand. V Vacuole. N Kern. #f drei platte Zellen des pe- rilecithalen Spaltes, an welche sich distal eine noch stärker abgeplattete Zelle anschliesst. 4—6 sechs Dotterzellen am Boden der subgerminalen Höhle; 3—5 dotterfrei, 1, 2 und 6 dotterhaltig. 102 O2vom, Rasch: (Aus dem zoologischen Institut der Universität zu Freiburg i. B.) Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Reductionstheilung. Von Dr. ©. vom Rath. Hierzu Tafel V. Seit längerer Zeit bin ich mit vergleichenden Untersuchungen über die Samenbildung bei Würmern, Arthropoden, Mollusken und Vertebraten bechäftigt. Ausser den allgemeinen Fragen der Zellenmorphologie und Zellenbiologie, für welche bekanntlich die Sexualzellen schon wegen ihrer Grösse besonders günstige Unter- suchungsobjeete abgeben, kamen in erster Linie folgende Ge- siehtspunkte in Betracht: I. An welcher Stelle und in welcher Weise findet in der Samenbildung die von Weismann theo- retisch geforderte Reduction des Chromatins (Reduetionstheilung) statt? II. Wie vollzieht sich die Umbildung der unreifen Samen- zellen (Spermatiden) zu reifen Samenfäden (Spermatozoen)? II. Welche Bedeutung hat die amitotische Kerntheilung im Hoden? Da eine Beantwortung dieser drei Tagesfragen nicht gut bei ein und demselben Objeete zu erwarten war, lag es nahe die Sper- matogenese einer grösseren Zahl von Vertretern verschiedener Thiergruppen gleichzeitig in Angriff zu nehmen und zu ver- schiedenen Jahreszeiten zu studiren. Für die Beantwortung der ersten Frage ist Gryllotalpa ein besonders geeignetes Object, da die Zahl und Grösse der Chromo- somen ein genaues Zählen zulässt, und die wichtigen Vorgänge vor den beiden letzten Theilungen viel klarer und verständlicher sind als bei allen anderen von mir untersuchten Thieren. Nebenbei war es von Wichtigkeit festzustellen, ob die vonHenking (Nr. 5) bei Pyrrhocoris apterus beschriebenen Resultate auch bei allen anderen Inseeten Geltung haben, oder ob vielleicht in der Samen- bildung des einen. oder des anderen Insectes Verhältnisse ange- troffen werden, welche sich den von OÖ. Hertwig (Nr. 7) bei BJ Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 103 Ascaris megalocephala eruirten Befunden anschliessen. Ich will hier aber nicht zu betonen unterlassen, dass ich bei meinen Untersuchungen vollkommen unparteiisch und objeetiv vorging, um zunächst nur eine Reihe von Thatsachen festzustellen, auf die hin erst später theoretische Betrachtungen angeknüpft wer- den sollen. Meine Studien über die Samenbildung von Gryllotalpa habe ich im Frühjahr vorigen Jahres begonnen und bis in den Herbst hinein weitergeführt. Eine vorläufige Mittheilung (Nr. 12b) der wesentlichsten Resultate ist bereits im September vorigen Jahres erschienen. Mein Material erbeutete ich reichlich in den Gärten des zoologischen Instituts, besonders unter alten Brettern, welche absichtlich auf verwesendem Laube niedergelegt worden waren. Die Begattung und Eiablage von Gryllotalpa erfolgte im vori- gen Jahre in der Umgebung Freiburgs i. B. in der zweiten Hälfte des Juli bis in die Mitte des August hinein. Die Männchen starben bald nach der Copulation; ich habe wenigstens nach dem 12. August kein Männchen mehr fangen können, während ich Weibehen, die ihre Eier abgelegt hatten, bis in den October hinein ziemlich zahlreich antraf. Letztere sollen einer Art von Brutpflege vorstehen und erst bei Beginn der kälteren Jahres- zeit absterben. Bei den frisch gefangenen Thieren wurden die Hoden herauspräparirt, was sehr leicht und schnell von Statten geht, und sofort conservirt. Die Hoden sind paarig und liegen rechts und links neben und über dem Darm; jeder der beiden Lappen besteht aus einer grossen Zahl von Follikeln, die etwa die Gestalt einer Rübe oder Birne haben und jeweils von einer derben doppelt eontourirten Membran mit eingelagerten platten Kernen umhüllt sind. Der verjüngte Abschnitt eines jeden Follikels setzt sich in einen feinen Ausführungsgang fort, der dem Stiele der Birne zu vergleichen ist. Eine grössere Zahl solcher Ausführungsgänge vereinigt sich zu einem gemeinsamen Sammelgang. Die am weitesten in der Entwicklung vorange- schrittenen Samenelemente liegen jedesmal in der Nähe des Aus- führungsganges, während die jüngsten Zellen dementsprechend an dem blinden verbreiterten Theile der Follikel angetroffen werden. Bei dieser Anordnung findet man in jedem Follikel stets mehrere Entwicklungsphasen der Samenzellen nebeneinander, 104 0: vom Rath: so dass über die Aufeinanderfolge der Stadien kein Zweifel ob- walten kann. Nur bei den Hoden ganz junger Männchen, bei welchen die Theilungen der Ursamenzellen zur Anschauung kom- men, kann ans der Lage allein auf die Reihenfolge der Stadien nieht mit Sicherheit geschlossen werden, da verschiedene Zell- gruppen in verschiedenen Theilungsphasen nebeneinander liegen. Bevor ich nun zu einer Beschreibung meiner Befunde über- gehe, will ich noch einige Worte über die Conservirungs- und Färbungsmethode vorausschicken und die später zu verwendenden Termii feststellen. Nach dem empirischen Theil soll eine Be- sprechung der Literatur und ein Vergleich meiner eigenen Resultate mit denen der früheren Autoren folgen. Gonservirungs- und Färbungsmethode. Von Conservirungsflüssigkeiten leisteten mir besonders gute Dienste die Flemming'sche Chromessigosmiumsäure, die Her- mann'sche Flüssigkeit (mit Holzessigreduction), sowie ein von mir zusammengestelltes Gemisch von Pikrinessigosmiumsäure (Nr. 12a). Weniger gute Bilder erhielt ich dureh die vielfach (und zumal für die Ovogenese) beliebte Behandlung mit erwärmtem Sublimataleohol. Bei letzterer Methode kommen meist die Centro- somen weniger gut zur Anschauung und ist auch die Spaltung des Chromatinfadens im Knäuelstadium weniger sicher zu erkennen als bei den anderen angeführten Methoden; dagegen erwies sieh heisser Sublimataleohol zur Conservirung ganzer kleinerer Thiere, z. B. von Copepoden als sehr geeignet, da die so behandelten Thiere sofort absterben und dann die zu untersuchenden Organe in einer anderen Conservirungsflüssigkeit weiter gehärtet werden können. Vielfach wurde auch der dem lebenden Thiere entnommene Hoden auf dem Objeetträger zerzupft und sofort untersucht ; sehr schöne Bilder des frischen Hodens erhielt ich bei einer nur wenige Seeunden währenden Färbung kleiner Stückchen mit wässeriger Methylenblaulösung. Bei den conservirten Hoden kam zumeist die Sehnittmethode nach Paraffineinbettung in Anwendung; neben- bei wurden aber auch von gefärbten Hoden Zupfpräparate in Cedernholzöl hergestellt, die von besonderer Wichtigkeit sind, zu- mal wenn es sich z. B. darum handelt festzustellen, wann im Knäuel- stadium der bereits längsgespaltene Chromatinfaden durch Quer- theilung in mehrere Segmente zergliedert wird. Die stets in Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 105 absolutem Alcohol nachgehärteten Hodenstücke wurden mit den übliehen Tinktionsmitteln in toto durchgefärbt und einige Serien auf dem Objeetträger mit Hämatoxylin, Boraxcarmin oder Anilin- farben nachgefärbt. Die besten Resultate erhielt ich bei allen untersuchten Objeeten durch ein 24stündiges Färben mit Alaun- coehenille im Paraffinofen bei 55° Celsius. In letzter Zeit kam auch die Färbung mit Safranin-Gentiana-Orange nach entspreehen- der Vorbehandlung genau nach den Flemming’schen Angaben in Anwendung. Dass stets mehrere Conservirungs- und Färbungs- methoden nebeneinander versucht wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. | Terminologie. Bezeichnung der verschiedenen Entwicklungs- stadien der Samenzellen. Da die von La Valette St. George (Nr. 14) eingeführten Ausdrücke Spermatogonien, Sper- matoeyten, Spermatiden, Spermatosomen zwar von den meisten Autoren angenommen wurden, aber keineswegs immer in dem- selben Sinne Verwendung gefunden haben, will ich zur Vermei- dung von Missverständnissen die von mir zu gebrauchenden Be- zeichnungen zuvor feststellen. Ich unterscheide im der Samenbil- dung von Gryllotalpa 4 Perioden. Erstens die Keimzellen- oder Vermehrungsperiode; zweitens die Wachsthums-oderRuhe- periode; drittens die Reifungsperiode (das ist die Periode der zwei letzten Theilungen) und viertens die Umwandlungsperiode. Die Zellen der ersten Periode nenne ich Ursamenzellen—Spermato- gonien; die Zellen der zweiten Periode bezeichne ich mit Hertwig (Nr. 7,S. 8) als Samenmutterzellen. ( Diese entsprechen etwa den Spermatoeyten La Valette’s). Die sich in der dritten Periode zweimal hintereinander theilenden Zellen sind Samentochterzellen. Es entstehen so aus jeder Samenmutterzelle 4 Samenenkelzellen (Spermatiden La Valette’s), die sich in der vierten Periode ohne weitere Theilung direet in Samenfäden (Spermatosomen oder Spermatozoen) umwandeln. Ueber einen Ersatz der Bezeichnungen .Chromosom und Ahnenplasmen dureh Idant und Ide. Bekanntlich werden die Chromatinkörper, welche sich bei der Caryomitose in der Aequatorialplatte der Spindel aufstellen, als Kernschleifen, Kernstäbehen, Chromosomen, Chromatophoren ete. benannt. Eine einheitliche Bezeichnung entspricht zwar einem dringenden Be- 106 0.v omRranıh): dürfnisse, ist aber schwer zu geben. Weismann hat in seiner Amphimixis (Nr. 15) für diese wechselnden und willkürlichen Be- zeichnungen den Ausdruck Idant und für die den Idanten zu- sammensetzenden Ahnenplasmen die Bezeichnung Ide eingeführt. „Die Ausdrücke Id und Idant sollen an Nägeli’s Idioplasma er- innern, deren Theile sie sind.“ Ich werde zur Verhütung jeglichen Missverständnisses bei der Darstellung meiner eigenen Befunde einstweilen den Ausdruck Chromosom beibehalten. Was versteht man unter Reductionstheilung? Die meisten Autoren, welche den Gedanken der Reductionstheilung ange- nommen haben, denken bei diesem Vorgang einfach an eine Massen- reduetion des Chromatins, die mit einer Herabsetzung der für die betreffende Thierart typischen Zahl der Chromosomen (Idanten) auf die Hälfte verbunden ist. Eine solche Auffassung entspricht aber nicht genau einer Reduetionstheilung im Sinne Weismann’s. Im Gegensatz zur Aequationstheilung, bei welcher sämmtliche Ahnenplasmen (Ide) gleichmässig auf die Tochterkerne vertheilt werden, wird bei der Reduetionstheilung nach Weismann die Zahl der Ahnenplasmen (Ide) halbirt und dem einen Tochterkerne werden diese, dem anderen jene Ahnenplasmen (Ide) zugeführt. „Unter Reduetionstheilung verstehe ich, sagt Weismann in seinem letztenWerke (Nr. 15), eine jede Kerntheilung, durch welche die Zahl der Ide, welche im ruhenden Kern vorhanden war, für die Tochterkerne auf die Hälfte herabgesetzt wird; unter Aequations- theilung eine solehe, durch welche jedem Tochterkern die volle Id Ziffer des ruhenden Kerns der Mutterzelle zugeführt wird. Im letzteren Fall wird zugleich jeder Tochterkern dieselben Ide er- halten, im ersteren würde dies nur in dem Falle eintreten müssen, wenn der Mutterkern lauter identische Ide enthielt.“ A. Empirischer Theil. I. Die Periode der Theilungen der Ursamenzellen (Sperma- togonien). Die ersten jungen Gryllotalpa-Männchen erbeutete ich an- fangs Mai und ich fand in den Hoden derselben eine überaus rege Theilung der Ursamenzellen vor. Die Hoden waren zu dieser Jahreszeit noch sehr klein und es hatten die einzelnen Follikel bei weitem nicht die Hälfte ihrer späteren Grösse Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 107 erreicht. In jedem Follikel sah ich mehrere Generationen von Ursa- inenzellen gleichzeitig in den verschiedenen Phasen der Caryomi- tose, die bei sämmtlichen Generationen in gleicher Weise zu verlau- fen schien und keine, Abweichung von dem gewohnten Schema der Mitose der Somazellen erkennen liess. In den Fig. 1—9 habe ich die verschiedenen Theilungsstadien der Reihe nach darzustellen versucht; die Abbildungen selbst bedürfen kaum einer weiteren Erklärung. Fig. 1 stellt eine Ursamenzelle im Ruhestadium dar; (der bläschenförmige Kern lässt eine deutliche Membran erkennen und das gesammte Chromatin ist in demselben in Form eines feinmaschigen Netzwerkes vertheilt; meist fallen zwei intensiv tingirte Nueleolen auf, die bei den Vorbereitungen der Thei- lungen sehr lange persistiren und sich erst im letzten Knäuelstadium allmählich der Beobachtung entziehn. Der Beginn. einer Theilung wird dadurch kenntlich, dass zuerst das feine Maschenwerk grober wird (Fig. 2.), und sich dann das Chromatin von der Kernmembran zurückzieht und nach einer Seite hin in Form eines unregelmässig gestalteten Klumpens zusammenballt Fig. 3. (Man vergleiche die ähnlichen Vorgänge, welche Hermann (Nr. 6) beim Salamander beschrieben hat.) Der Klumpen besteht aus fein gekörnelten Chromatinfäden und einzelne derselben treten aus dem Klumpen hervor und durchsetzen hier und dort den scheinbar leeren Kernraum. Das gesammte Chromatin ordnet sich jetzt in Form eines einzelnen dünnen, vielfach verschlungenen Fadens an, der selbst aus Linin besteht und an welchem die kleinen Chromatinkügelehen perlschnurartig aneinander gereiht sind (Knäuelstadium). Dieser Faden, welcher den gesammten Kern in vielen Windungen und Krümmungen durehsetzt, wird allmählich dicker, indem die Chro- matinkügelchen (Mikrochromatosomen) offenbar durch die Contrae- tionen des Linins mehr und mehr mit einander verkleben, wodurch der Faden ein höckriges Aussehen gewinnt (Fig. 4). Bei gut eon- servirten Präparaten kann man um diese Zeit bei Anwendung starker Vergrösserungen deutlich eine bereits vollzogene Längs- spaltung des Fadens erkennen; die so entstandenen. Schwester- fäden trennen sich aber nicht von einander, vielmehr sind die- selben an vielen Stellen noch miteinander verklebt (Fig. 4a u. 4b). Der Doppelfaden zerfällt nun seinerseits dureh Quertheilungen in 12 gleich grosse Segmente, bei denen gleichfalls die Schwester- fäden miteinander vereinigt bleiben. Für dieses Stadium sind 108 OÖ. vom Rath: Zupfpräparate von grosser Wichtigkeit, da man an diesen die Zahl 12 mit Sicherheit feststellen kann, während auf Schnitten manch- mal durch Anschneiden der Segmente eine grössere Zahl zur Anschauung kommt. In Figur 4a habe ich eine Abbildung eines Kernes mit quergetheiltem Faden nach einem Schnitt und in Figur 4 b nach einem Zupfpräparat gegeben. Die ein- zelnen Segmente verkürzen sich jetzt mehr und mehr und stellen sich schliesslich als 12 runde Chromosomen in der Aequa- torialebene auf. Ich habe mich vergeblich bemüht an einem sol- chen Chromosom eine Andeutung davon zu erkennen, dass es eigentlich aus zwei Hälften besteht, die dann auf der Höhe des Aequators endgültig von einander getrennt werden. Durch die schon im Knäuelstadium durch Verdoppelung des Chro- matinfadens vorbereitete und jetzt zum Vollzug kommende Längs- spaltung werden nun die 12 Chromosomen getheilt und nach Jedem Pol der Spindel wieder 12 Chromosomen (aber von der halben Grösse) angezogen. Bei Conservirung mit Pikrinessig- osmiumsäure sind an der Spindel bei der Seitenansicht die Cen- trosomen und eine Strahlung um dieselben deutlich zu erkennen (Fig. 5). Da die Spindelfiguren vom Pol aus gesehen und auch von der Seite aus betrachtet (Fig. 5 u. 6) sehr häufig sind, gelang es mir nicht selten, die Zahl 12 für die Chromosomen aller Gene- rationen der Ursamenzellen als typisch festzustellen, von welchen bei der Seitenansicht der Spindel meist fünf bis sieben zu er- kennen sind (vergl. Fig. 5). Werfen wir nun noch einen Blick auf die Fig. 4a u. 4b zurück, so erkennen wir bereits früh im Knäuelstadium zwei auseinanderweichende winzige Centrosomen; ich muss hier aber bemerken, dass ich letztere nur bei Anwen- dung bestimmter Öonservirungs- und Färbungsmethoden in ganz seltenen Fällen nach längerem Suchen mit den stärksten Ver- grösserungen auffinden konnte, ich möchte daher über ihr erstes Auftreten nichts Sicheres behaupten; in ruhenden Zellen mit bläschenförmigen Kernen habe ich bei Gryllotalpa nie eine Spur eines Centrosomas oder einer Attractionssphäre erkennen können. Wenn nun auch, wie ich vorhin betonte, die Caryomitose sämmt- licher Generationen der Ursamenzellen in gleicher Weise zu ver- laufen scheint, so fallen doch Bilder auf (Fig. Sc), bei welchen von den 12 Chromosomen stets zwei und zwei einander genähert sind, ohne aber durch eine ehromatische Brücke verbunden zu Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 109 sein. Wie diese paarweise Gruppirung zu Stande kommt, war mir nicht möglich zu eruiren. II. Die Periode der Ruhe und des Waehsthuns der Samen- mutterzellen. Nachdem die Ursamenzellen sich während der ersten Periode beständig durch mitotische Theilungen vermehrt haben, wodurch die Zellen selbst an Grösse etwas eingebüsst, die Fol- likel aber und Hodenlappen wesentlich zugenommen haben, tritt plötzlich eine allgemeine Periode der Ruhe ein, während welcher die Zellen eine Zunahme des Zellplasma erfahren; ich bezeichne dieselben jetzt als Samenmutterzellen: Eme Dotterbildung, wie sie von Hertwig (Nr. 5) bei Ascaris meg. und von Henking (Nr. 5) bei Pyrrhoeoris apt. während dieser Periode beschrieben wurde, ist mir bei Gryllotalpa nieht zur Anschauung gekommen. Die ruhenden Samenmutterzellen zeigen in dieser Zeit eine regelmässige rosettenförmige Gruppirung, indem jeweils eine grössere Zahl solcher Zellen mit ihren Spitzen um ein gemeinschaftliches Cen- trum angeordnet ist (Fig. 9). Eine derartige Gruppirung ist bei der Spermatogenese der Insecten häufig anzutreffen; sehr typisch ist sie bei den Samenmutterzellen der Drohnen. Der Habitus der Samenmutterzellen von Gryllotalpa ist von dem der ruhen- den Ursamenzellen nicht wesentlich verschieden. (Vergl. Fig. 1 und Fig. 9.) Der bläschenförmige Kern der Samenmutterzellen ist auffallend blass und das Chromatin ist in einem noch feineren Maschenwerk durch den Kern vertheilt als bei den Ursamenzellen. Das Zellplasma erscheint feinkömig, lässt aber bei Anwendung starker Vergrösserungen ein vielfach verschlungenes Gerüstwerk feiner Fasern deutlich erkennen. Mit auffallender Regelmässigkeit färben sich die Zellspitzen viel dunkler wie der übrige Zellleib und man kann häufig in diesen dunklen Partien eme Andeutung einer strahligen Anordnung erkennen; doch gelang es mir bei keiner Methode dort ein Gentrosoma zur Anschauung zu bringen. Das Ruhestadium der Samenmutterzellen beobachtete ich m der zweiten Hälfte Mai, es scheint aber nicht lange zu dauern, da ich durchgängig bereits anfangs Juni die Vorbereitungen der beiden letzten Theilungen antraf. Eine längere Ruheperiode dürfte bei den Samenmutterzellen von Gryllotalpa überflüssig sein, da die Vermehrung des Zellplasma eine relativ geringe ist. 110 OÖ. vom Rath: III. Die Periode der Reifung und der beiden letzten Thei- lungen. Die Vorbereitungen zu einer neuen Theilung werden da- durch kenntlich, dass plötzlich und fast gleichzeitig sämmtliche ruhenden Zellerne im gesammten Hoden m das Knäuelstadium eintreten, während nur einige wenige Zellen am blinden Ende der Follikel im Ruhezustand verharren und welche aus Analogie als Regenerationszellen gedeutet werden können. Die verschie- denen Prophasen der Theilung habe ich in den Fig. 10—15 dar- gestellt. Bereits im Stadium des feinen Knäuels Fig. 12 konnte ich bei Pikrinessigosmiumsäure-Behandlung die Längsspaltung des Fadens erkennen, es fehlte aber, wie ich auf Zupfpräparaten feststellen konnte, jede Andeutung der bald nachher erfolgenden Quertheilungen, die im Stadium des groben Knäuels (Fig. 13) unver- kennbar vollzogen sind. Ein Nucleolus ist bis in dies Stadium (Fig. 11) deutlich wahrnehmbar geblieben, während ein zweiter (Fig. 12) völlig unsichtbar geworden ist. Soviel steht fest, dass die Nucleoli an dem Aufbau des chromatischen Fadens kemen direeten Antheil nehmen. Wie bei den Theilungen der Ursamen- zellen habe ich zwei winzige auseinanderweichende Oentrosomen in seltenen Fällen bereits zur Zeit des femen Knäuels erkennen können (Fig. 12). Auch bei den Theilungen der Tochterzellen möchte ich mich bei der Kleimheit des Objeetes in Betreff des ersten Auftretens der Centrosomen sowie über die Bildung der Spindel jeglichen Urtheils enthalten und nur erwähnen, dass mir hin und wieder Bilder zur Anschauung kamen, die für eime Ent- stehung der Spindel innerhalb des Zellplasma zu sprechen schienen (Fig. 12) und eime unverkennbare Aehnlichkeit mit den diesbe- züglichen Abbildungen Hermann’s (N. 6) beim Salamander ver- riethen. Während aber früher bei den Ursamenzellen durch Quertheilungen des Doppelfadens stets 12 Segmente hervorgmgen (Fig. 13b), wird der Doppelfaden jetzt nur an 6 Stellen der Quere nach durchgeschnürt; es kann folglich jeder der jetzt entstan- denen Abschnitte zwei Segmenten homolog gesetzt werden. Die Fadenabschnitte verkürzen sich und die Schwesterfäden jedes Doppelsegmentes verlöthen an ihren freien Enden miteinander (Fig. 13d) und so entstehen im Kerne 6 Chromatinringe, von denen jeder 4 Fadenstücken oder 4 Chromosomen homolog ist. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 111 Diese 6 Ringe jedes Kernes liegen der Kemperipherie dicht an, so dass man nur durch Heben und Senken des Tubus die Sechszahl feststellen kann, meist verdeeken ein oberer und ein unterer Ring emander, so dass scheinbar nur 5 Ringe vorhanden sind. Dies Stadium (Fig. 13d), welches, wie wir nachher noch sehn werden von grosser Wichtigkeit ist, hat nur kurze Dauer und kommt relativ selten zur Anschauung. Viel häufiger sieht man das nächstfolgende Stadium, in welchem sich aus jedem Ring 4 sternehenförmige, durch Linin mit einander verbundene Chromosomen herausdiffereneirt haben (Fig. 14 u. 15). Wir sehen so 6 Gruppen von je 4 Chromosomen oder 24 Einzelehromosomen. Es sind aber nun nicht nur je vier Chromosomen miteinander durch Linin verbunden, vielmehr sieht man auch feine Lininfäden von gekörneltem Aussehn zwischen den Chromosomen verschiedener Gruppen verlaufen, so dass sämmtliche 24 Chromosomen in einem gewissen Zusammenhang stehen, und späterhin durch die Con- tractionen des Linins von der Kernperipherie in das Kerninnere zusammengezogen werden. Da nun die 4 Chromosomen jeder Gruppe keineswegs in einer Ebene liegen, so sind von einigen Gruppen oft nur zwei Chromosomen sichtbar, da die zwei ande- ren durch sie verdeckt sind (Fig. 15). Sowohl für das Ring- stadium als für dieses Gruppenstadium sind Zupfpräparate von grossem Werthe. In Fig. 14 habe ich das Gruppenstadium etwas schematisirt nach einem Zupfpräparat und in Fig. 15 nach einem diekeren Schnitt in natürlichen Lageverhältnissen abgebildet. Mit grösster Aufmerksamkeit habe ich die Verbindungsfäden zwischen je 4 Chromosomen studirt, aber niemals eme Spur von chromatischer Substanz wahrgenommen, so dass die 4 Chromo- somen jeder Gruppe als Einzelehromosomen und nicht die Gruppen selbst als Einheiten aufgefasst werden müssen. Welche Bedeu- tung diese Frage hat, werden wir weiter unten noch besprechen. Die Zahl der Chromosomen ist folglich vor der ersten Theilung der Reifeperiode, aber nach der Ruheperiode (Periode II) von 12 auf 24 verdoppelt. Eine nähere Betrachtung einer sol- ehen Gruppe (Fig. 14 u. 15) zeigt, dass die 4 Chromosomen in Form eines Vierecks (an den Ecken eines Quadrates) angeordnet sind; wie wir gleich noch näher ausführen werden, wird bei der ersten Theilung das Viereck durch eine dem einen Paar der Seitenwände parallele Theilungslinie getheilt und bei der zweiten Theilung 112 O.vomRath: ist die Theilungslinie senkrecht auf der ersten, geht also dem anderen Paar der Wände des ursprünglichen Vierecks parallel. Durch die beiden Theilungen entstehen so aus jeder der 6 Gruppen von 4 Chromosomen 4 Spermatozoen, deren jedes 6 Chromosomen und zwar je 1 Chromosom aus jeder Gruppe erhält. Der Verlauf der beiden Theilungen ist folgender: Anstatt, dass sich die 24 Chromosomen sämmtlich in der Aequatorialebene der Spindel aufstellen, ordnen sich die 24 Chromosomen (die jetzt völlig rund erscheinen) in 2 parallelen Kränzen von je 12 Chromosomen an, sie stellen sich ‚‚zweireihig‘ auf (Fig. 16 u. 19) und es wandern jetzt nach jedem Pol 12 ungetheilte Chromosomen, somit erhält jede Tochterzelle 12 Chromosomen, von denen auch wieder zwei und zwei einander genähert sind, ohne aber durch Chromatin miteinander verbunden zu sein (Fig. 17). Es stellen sich also bei der Spindelbildung jeweils die im Viereck angeord- neten Chromosomen so in der Aequatorialebene auf, dass diese durch die Hälfte des Vierecks geht und dasselbe einer Seite parallel in zwei Hälften theilt. Hiermit ist die erste Reductions- theilung vollzogen und die typische Zahl 12 (die auf 24 ver- doppelt war) wieder hergestellt. Bei der gleich auf die erste Theilung mit Ueberspringen des bläschenförmigen Ruhezustandes des Kernes erfolgenden zweiten Theilung (Fig. 22—25), die wie gewöhnlich senkrecht auf die erste stattfindet, werden auch jeweils die 2 zu einander gehörenden Chromosomen (Paarlinge) getrennt und jede der vier Enkelzellen (Fig. 25), hat jetzt 6 Chromosomen womit die zweite Reduetionstheilung vollzogen ist. Bei diesen Vorgängen ist vor allem dies festzustellen, dass beim Beginn der vorletzten Theilung die Zahl der Chro- mosomen das Doppelte der typischen Zahl beträgt, dass dann bei der vorletzten Theilung die verdoppelte Zahl auf die gewöhnliche Zahl redueirt und bei der letzten Theilung die gewöhnliche Zahl auf die Hälfte herabgesetzt wird. i Betrachten wir nun einmal die beiden letzten Theilungen (Reductionstheilungen) vom rein histologischen Standpunkte aus, so fallen sofort mehrere erhebliche Abweichungen von dem ge- wohnten Schema der Caryomitose auf, wie sie sonst im Thhierreich nur noch bei der Bildung der Richtungskörper beschrieben sind. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 113 Erstens: Zwischen den beiden sofort aufeinander erfolgenden Theilungen gehn die beiden Toehterzellen nicht wie gewöhnlich ein Ruhestadium ein, womit zusammenhängt, dass die zweite Theilung ohne die gewohnten Vorbereitungen (Knäuelbildung und Fadenspaltung stattfindet; zweitens ist zu beachten, dass bei beiden Theilungen auf der Höhe des Aequators keine Durch- schnürung der einzelnen Chromosomen stattfindet, vielmehr werden zweimal hintereinander die nur dureh Linin miteinander verbun- denen Chromosomen (Paarlinge) definitiv von einander getrennt. Bei der Beurtheilung dieser eigenthümlichen Kerntheilungen wird man zunächst daran denken, dass die Theilungen der Chromosomen, welche sonst in der Aequatorialebene stattfinden (aber stets dureh die Längsspaltung des Chromatinsfadens im Knäuelstadium vor- bereitet sind), bereits vorzeitig stattgefunden haben; es kann folglich die eine der beiden Trennungen der Chromosomen auf diese vorzeitige Spaltung des Chromatinfadens zurückgeführt werden, ob dies nun aber die erste oder die zweite Theilung ist, kann nach den Präparaten nieht mit Sicherheit entschieden werden, ich möchte eher an die zweite Theilung denken. Ich will hier aber nieht zu erwähnen unterlassen, dass bei man- chen Thhieren und zumal bei den Copepoden die Vorbereitungen zu den beiden letzten Theilungen in der Ovogenese und Spermatogenese derselben Thiere wesentlich von einander verschieden sind. Beson- ders deutlich sah ich bei den marinen Copepoden Eucheta und Cala- nus, dass die Spaltung des Chromatinfadens und Verdoppelung der Zahl der Chromosomen vor der ersten Theilung in der Ovogenese weit früher schon in der Periode II, in weleher die Vergrösserung und Dotterbildung der Eimntterzellen stattfindet deutlich wahr- nehmbar sind, während dieselben Vorgänge in der Spermatogenese ‚derselben Thiere erst in Periode III (Reifungsperiode) stattfinden, so dass in der Eibildung die ‚Verdoppelung des Fadens noch weiter vorverlegt ist, als in der Samenbildung. Dieser früh- zeitige Verdoppelungsprocess in der Ovogenese hängt aber un- zweifelhaft damit zusammen, dass die Periode des Wachsthums der Eimutterzellen wegen der erheblichen Grössenzunahme und Dotterbildung der unreifen Eier wesentlich länger andanert als die entsprechende Wachsthumsperiode (Periode II) in der Sper- matogenese. Ich möchte daher auch keineswegs den Verdoppelungs- process in der Ei- und Samenbildung als eine von den beiden Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 d 114 OÖ. vom Rath: letzten Theilungen unabhängigen Vorgang hinstellen. Auch die Art und Weise der Vorbereitungsvorgänge vor den beiden letzten Theilungen sind bei vielen Copepoden in der Ei- und Samenbildung desselben Thieres wesentlich von einander verschieden. In der Ovogenese konnte ich stets und besonders schön bei den marinen Formen Eucheta und Calanus eine typische Ring-Kranzbildung beobachten, ohne dass mir ähnliche Bilder in der Samenbildung derselben Thiere zur Anschauung gekommen wären. IV. Die Periode der Umwandlung. Für die Beantwortung der Frage, in welcher Weise sich die unreifen Samenzellen (Spermatiden) in Samenfäden (Sperma- tosomen, Spermatozoen) umwandeln, und aus welchen Theilen der Samenzelle der Samenfaden, der seine Zellennatur meist gänzlich eingebüsst hat, zusammengesetzt ist, gibt Gryllotalpa kein günstiges und entscheidendes Objeet ab. In den Figuren 25—28 habe ich alles wiederzugeben versucht, was ich bei An- wendung der stärksten Vergrösserungen (bis zu 2000) mit Sicherheit erkennen konnte. Wie ich bereits oben erwähnte, gehen aus den beiden letzten Theilungen jeweils 4 Enkelzellen (Fig. 25) hervor, von denen jede 6 Chromosomen und zwar stets eins aus Jeder Gruppe er- hält. In Figur 26 habe ich eine unreife Samenzelle abgebildet und fällt auf den ersten Blick eine grosse Aehnlichkeit mit einem den beiden letzten Theilungen vorausgehenden Stadium (Fig. 14 und 15) auf; wie dort 6 Gruppen von je 4 Chromosomen vorlagen, so sind jetzt in derselben Anordnung 6 einzelne Chromosomen vorhanden, welche auch wieder Sternchenform besitzen und dureh Lininfäden verbunden sind. Neben dem Kern befindet sich im Zellplasma ein ovaler Körper, der je nach der Conservirungsme-, thode einen verschiedenen Habitus zeigt und dem entsprechend bald homogen bald knäuelförmig zu sein schemt. Da ich über (lie Entstehung dieses Körpers keine weiteren Angaben machen kann, will ich denselben zunächst als Nebenkern bezeichnen (S. 122; man vergleiche die Erörterung bei Henking Nr. 5 pag. 731 u. 725— 726). In dem nächsten Stadium (Fig. 27) sehen wir ein Spermatid, welches aus einem rundlichen Kopf und langen Schwanz besteht. An dem Kopf bemerken wir eimen kleinen Aufsatz, der offenbar aus dem Nebenkern hervorgegangen ist, während der Kopt dem Zellkern Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 115 entsprieht und noch deutlich die 6 Chromosomen erkennen lässt; der Schwanz ist, wie die Färbung meiner Präparate beweist, aus dem Zellplasma entstanden und hat folglich die gesammte Zelle an dem Aufbau dieses Spermatiden theilgenommen. Der reife Samenfaden (Fig. 25) zeigt einen spindelförmigen länglichen Kopf und langen Schwanz. Ueber amitotische Theilungen im Hoden von Gryllotalpa. Für eine Entscheidung der Frage, welche Bedeutung der amitotischen Kerntheilung im Hoden zukommt, ist Gryllotalpa schon deshalb ungeeignet, da die Männchen nach einmaliger Sperma- produetion zu Grunde gehen und die wichtige Specialfrage von der Neubildung von Samenzellen hierdurch von selbst in Wegfall kommt. Ich erinnere aber daran, dass (wie schon oben erwähnt wurde) während der Reife- und Umwandlungsperiode am blinden Ende jedes Follikels einige ruhende Zellen mit Regelmässigkeit zu finden sind, die offenbar einen Regenerationsherd bilden (pag. 110). Wenn nun auch bei Gryllotalpa eme Samenneubildung nicht erfolgt, so gibt uns das Vorhandensein dieser Zellen doch einen Fingerzeig dafür, an welcher Stelle wir bei andern Inseeten, die mehremale' Sperma produeiren, den Regenerationsherd zu suchen haben. Bilder amitotischer Kerntheilungen sind übrigens bei Gryllotalpa wie bei den übrigen Inseeten mit grosser Regelmässigkeit anzu- treffen, und zumal während der Reife- und Umwandlungsperiode recht typisch und häufig wahrnehmbar. Einige solcher Kerne habe ich m Figur 29 u. 30 abgebildet; es gelang mir mehrfach in unmittelbarer Nähe der Kerne 2 winzige Öentrosomen zu er- kennen (Fig. 29) und ebenso constatirte ich in seltenen Fällen bei eingeschnürten Kernen (Fig. 30) eine deutliche Strahlung um die beiden Centrosomen, die offenbar als Attractionssphäre be- zeichnet werden muss. Eine Verwechslung dieser Zellkerne (die nur von einem unregelmässigen Plasmahofe umgeben sind und keine Zellmembran erkennen lassen) mit Kernen von Sexualzellen ist bei Gryllotalpa schon durch den eigenthümlichen Habitus und die relative Grösse der ersteren Kerne so gut wie ausge- schlossen. Die in Rede stehenden Zellen haben mit der Samen- bildung selbst absolut nichts zu schaffen und entsprechen den 116 Ö.vom Rath: Zellen, welche ich in einer früheren Publieation (Nr. 12a) als Rand- oder Stützzellen bezeichnete. Ich erinnere hier daran, dass ich in derselben Publication bereits die Frage von der Be- deutung der amitotischen Kerntheilung im Hoden eingehend diseutirt habe; in nächster Zeit gedenke ich noch einmal auf Grund meiner vergleichenden Untersuchungen auf denselben Gegenstand zurückzu- kommen und auch die amitotischen Kerntheilungen der „Sperma- togonien* der Amphibien!) zu besprechen, die scheinbar eine Ausnahme von der von mir früher aufgestellten Regel bilden. 1) Nachdem schon von La Valette St.George (Nr. 14), Nussbaum (Nr.9), Flemming (Nr.4, Hermann (Nr.6) u.a. im Hoden von Amphibien und zumal bei Salamandra mac. neben voll- kommen normalen und runden Spermatogonien auf eigenthümlich ge- lappte oder zerklüftete sogenannte polymorphe Kerne in Zellen auf- merksam gemacht worden ist, die offenbar den Spermatogonien gleich- werthig sind (trauben- oder maulbeerförmige Kerntheilung), hat in letzter Zeit Meves (Nr. 10) ausser diesen Bildern noch hantelförmige Kerndurehschnürungen und „Lochkerne* bei Spermatogonien des Sa- lamanderhodens in einer vorläufigen Mittheilung beschrieben, ohne aber eine definitive Ansicht darüber auszusprechen, ob aus den Pro- dnucten dieser amitotischen Theilungen neue Sexualzellen hervorgehen. Ehe ich dieser Frage gegenüber eine entscheidende Stellung einneh- men kann, muss die definitive Arbeit von Meves abgewartet werden. Ich möchte einstweilen nur soviel sagen, dass ich auf Grund meiner Untersuchungen bei Triton eristatus, alpestris und palmatus, sowie bei Rana esculenta und Rana fusca, die ich nebeneinander zu allen Jah- reszeiten untersucht habe, behaupten muss, dass von solehen durch amitotische Theilung entstandenen Kernen niemals eine Neubildung von Samenzellen ausgeht. In Uebereinstimmung mit Flemming und Meves habe ich in ‘der betreffenden Region des Hodens der Tritonen und Frösche, die offenbar ein Regenerationsfeld darstellt, viele Spermatogonien in mitotischer Theilung angetroffen, und nur von diesen aus geht die Neubildung der Follikel von Statten. Die durch amitotische Theilungen der Spermatogonien entstandenen Kern- fragmente gehen langsam zu Grunde; manche von ihnen dürften vielleicht bei der Follikelbildung noch als Rand-Stützzellen Verwen- dung finden. Die Annahme einer Umwandlung von solchen Kern- fragmenten in Sexualzellen ist nach meinen Befunden eine völlig un- bewiesene und überflüssige Hypothese. Ich erinnere hier daran, dass . von H. E. Ziegler (Nr.16 und 17) und von mir (Nr.12a und 17), der Nachweis geliefert wurde, dass in den Organen, in welchen mi- totische und amitotische Kerntheilungen nebeneinander vorkommen, die eigentliche Regeneration nur auf mitotischem Wege zu Stande kommt. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 117 Bestätigung der bei Gryllotalpa gefundenen Resultate über die Reduetionsfrage beiandern Inseeten, Crustaceen und Mollusken. Ausser bei Gryllotalpa gelang mir das Zählen der Chromo- somen bei einem andern Insect, unserm grossen Wasserkäfer, Hydrophilus piceus. Bei den Theilungen der Ursamenzellen fand ich regelmässig 16 Chromosomen. Vor der ersten Reduetions- theilung ist die Zahl der Chromosomen auf 32 verdoppelt, die sich in der Nähe des Aequators in 2 parallelen Kränzen von je 16 anordnen. Jede Tochterzelle erhält 16 ungetheilte Chromo- somen und bei der zweiten Theilung, die wieder mit Ueberspringen des bläsehenförmigen Ruhezustandes des Kerns zu Stande kommt, wird die Chromosomenzahl auf 8 herabgesetzt. Die Prophasen der ersten Theilung sind von denen bei Gryllotalpa beschriebenen einiger- maassen verschieden; eine Ringbildung konnte ich nicht erkennen, die Bilder, die am häufigsten zur Anschauung kamen, erinnerten sehr an die von Hertwig bei Ascaris beschriebenen Ophiuren ähnlichen Figuren. Ein Zählen der Arme dieser Ophiuren war bei der Klem- heit des Objectes und der grossen Zahl der Arme nicht möglich. Bei Dytiscus marginalis liess die geringe Grösse der Chromo- somen ein sicheres Zählen nieht zu, immerhin konnte ich vor der ersten Reduetionstheilung eine Längsspaltung des Chromatinfadens im Knäuelstadium und eine Verdoppelung der Chromosomenzahl schätzungsweise feststellen. Die Samenbildung bei Dytiseus hat mehr Aehnlichkeit mit Gryllotalpa als mit Hydrophilus. Unter den Crustaceen sah ich die Längsspaltung «les Fadens und Verdoppelung der Chromosomen bei der Samenbildung von Astaeus fluviatilis, Branchipus stagnalis und mehreren Copepoden, z. B. Heterocope saliens, Canthocamptus (Spee.?), Eucheta Pre- standreae, Calanus gracilis. Bei den gleichen Copepoden con- statirte ich, wie oben (Seite 114) erwähnt wurde, eine Verdoppe- lung der Chromosomenzahl auch vor der ersten Theilung in der Ovogenese. Ich erinnere hier daran, «dass bereits im vorigen Jahre V. Häcker in den Berichten der naturforschenden Gesell- schaft in Freiburg (Juli 1891) in einer vorläufigen Mittheilung ° für Cyelops und Canthocamptus in der Ovogenese beide Theilungen *als Reduetionsprocesse dargestellt und eine Verdoppelung der Anzahl der „Elemente“ vor der ersten Theilung constatirt hat!). 1) Während des Druckes dieser Schritt erschien die definitive 118 O0. vom Rath: Das Studium der Zwitterdrüse einiger Mollusken (Pulmo- naten) ergab folgende Zahlenverhältnisse. In der Samenbildung von Helix pomatia constatirte ich für die Theilungen der Ur- samenzellen die Chromosomenzahl 24, welche bereits von Platner (Nr. 11), als für Helix pomatia typisch bezeichnet wurde. Vor der ersten Reductionstheilung war die Zahl auf 48 verdoppelt und diese 48 Chromosomen waren in Gruppen von je 4 mit ein- ander dureh Linin verbunden und zeigten so genau die Bilder, die ich für Gryllotalpa beschrieben und in Fig. 14 u. 15 dargestellt habe, nur waren bei Helix pomatia stets 12 Gruppen von je 4 Chromo- somen zu zählen. Selbstverständlich sind diese Verhältnisse bei Helix pomatia wegen der doppelten Zahl der Chromosomen und der geringen Grösse derselben ungleich schwieriger zu er- kennen als bei Gryllotalpa. Durch die erste Reductionstheilung wird dann bei Helix pomatia die Zahl der. Chromosomen auf 24 und bei der zweiten Reductionstheilung auf 12 herabgesetzt. Wie Platner (Nr. 11) für Limax agrestis die Chromosomen- zahl 16 feststellen konnte, fand ich dieselbe-Zahl 16 auch bei den Theilungen der Ursamenzellen von Limax cinereo-niger. Vor der ersten Reduetionstheilung erkannte ich 8 Gruppen von je 4 Chromosomen, also 32 Chromosomen; nach der ersten Reduc- tionstheilung zählte ich 16, nach der zweiten Reductionstheilung 8 Chromosomen. Jede der vier Samenenkelzellen erhält auf diese Weise trotz der zweimaligen Reduction in Folge des Ver- doppelungsprocesses bei Helix pomatia 12, bei Limax cinereo- niger 8 Chromosomen, also die Hälfte der typischen Zahl 24 respective 16. Die Aehnlichkeit der Vorgänge vor den beiden Reduetionstheilungen bei Gryllotalpa und den Pulmonaten und zu- mal die Gruppenbildung von je vier Chromosomen, ist von grosser Wichtigkeit und dürfte wesentlich dazu beitragen, die weiter unten noch näher zu besprechenden scheinbar abweichen- dien Verhältnisse bei Pyrrhocoris apterus zu erklären. Ich behalte mir vor einzelne besonders interessante Momente aus dem hier beiläufig erwähnten Beobachtungsmaterial gelegent- lich ausführlicher zu beschreiben. Arbeit von V.Häcker „Die Fibildung bei Cyclops und Canthocamptus“ Zo0l. Jahrb. V.Bd. Auf den Inhalt dieser Arbeit kann ich hier leider nicht mehr eingehen. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 119 B. Besprechung der Literatur. Auf die Arbeiten der Autoren, welche vor den grundlegen- den Untersuchungen Hertwig’s (Nr.T7) Angaben über „Reductions- theilungen“ in der Samenbildung (und zum Theil auch in der Ei- bildung desselben Objectes) enthalten, will ich hier nicht näher eingehn, da die wesentlichsten Gesichtspunkte schon von ©. Hert- wig (Nr. 7) pag. 71—73, Henking (Nr. 5) pag. 722--126 und Weismann (Nr. 15) pag. 56 ausführlich diseutirt wurden. Ich beschränke mich daher auf einige kurze Angaben. Die Annahme von van Beneden und Julin (Nr. 1), dass bei Ascaris meg. die corps r&siduels (Zwischenkörperchen Hert- wig'’s) im Hoden den Richtungskörperehen entsprechen sollten, ist schon desshalb nicht.haltbar, da es Hertwig gelang, auch in der Eiröhre desselben Thieres diese Gebilde nachzuweisen. In wieweit man in den Untersuchungen Flemming's (Nr. 4) über die Samenbildung von Salamandra eine Reduction des Chromatins erkennen kann, ist von Hertwig (Nr. 7) pag. 71 u. 72 mit gewohntem Scharfsinn ausgeführt. Ich möchte hier aber nicht zu betonen unterlassen, dass es von grösster Wichtigkeit wäre, wenn noch einmal vom Gesichtspunkte der Reduetionsfrage aus das Vorkommen der heterotypen Theilung (Flemming) bei Amphi- bien studirt und mit ähnlichen Vorgängen, wie sie z. B. Carnoy (Nr.3) bei Arthropoden abgebildet hat, verglichen würde. Dass Platner (Nr. 11) im Wesentlichen die Vorgänge in der Reduction der Samenbildung bei Lepidopteren und Pulmonaten richtig erkannt hat, geht schon aus folgenden Sätzen hervor: „Die Spermatocyten entsprechen den Eiern. Die zwei Theilungen, welche sie noch eingehen, denen der beiden Richtungsspindeln. In beiden Fällen findet eine Reduction der chromatischen Substanz auf ein Viertel der ursprünglichen Quantität statt, indem die zweite Theilung ohne eingeschaltetes Ruhestadium sofort an die vorhergehende sich anschliesst.“ — „Bei der letzten Theilung der Spermatocyten findet eine Reduction der Chromosomen auf die Hälfte ihrer Zahl statt. Diese wird dadurch bewirkt, dass das Ruhestadium nach der vorhergehenden Theilung übersprungen wird. Genau der gleiche Process findet sich auch bei der Thei- lung der zweiten Riechtungsspindel.“ Ein Eingehen auf die Untersuchungen Carnoy’s (Nr. 3), in 120 O. vom Rath: dessen Abbildungen hin und wieder Reductionsvorgänge unver- kennbar sind, würde hier zu weit führen. Die wichtigsten Arbeiten über die Reduetionsfrage in der Samenbildung sind die Untersuchungen Hertwig's (Nr. 7) „Ueber die Ei- und Samenbildung der Nematoden“, die von Henking (Nr. 5) „Ueber Spermatogenese und deren Beziehung zur Entwicke- lung bei Pyrrhoeoris apterus“, Weismann’s „Amphimixis“ (Nr. 15), sowie Ishikawa’s Angaben „Ueber die Ovogenese und Sperma- togenese von Diaptomus“ (Nr. 8). Die wichtigsten Sätze dieser Autoren werde ich zur Ver- meidung jeglichen Missverständnisses wörtlich citiren. Hertwig hat die Resultate seiner Untersuchungen folgen- dermaassen formulirt: 1) Die Samenmutterzelle entspricht der Eimutterzelle oder dem unreifen Ei. 2) Während des länger dauernden Ruhezustandes des an- sehnlichen bläschenförmigen Kerns der beiden Geschleehtsproduete wird die Kernsubstanz gleich für zwei Zelltheilungen, die sich unmittelbar aufeinander folgen, in eigenartiger Weise vorbereitet. 5) Die im Keimbläschen und in dem Samenmutterkern vor- bereitete Menge wirksamer Kernsubstanz ist gleich gross, wie in jedem andern Kern vor der Theilung. Eine Reduction durch Ausstossung oder Rückbildung hat nicht stattgefunden. 4) Während der zwei unmittelbar aufeinander folgenden Thei- lungen findet eine Vermehrung der Kernsubstanz nicht statt, da ddas bläschenförmige Ruhestadium des Kerns ausfällt, und da die im Keimbläschen und Samenmutterkern vorbereiteten chromati- schen Elemente während der zwei Theilprocesse weder an Masse zunehmen, noch sich der Länge nach spalten. Die aus dem zweiten Theilungsaet hervorgehenden Endproducte enthalten daher in Folge der zweimal eingetretenen Halbirung nur die Hälfte der Kernmasse, welche ein gewöhnlicher Kern nach der einfachen Theilung besitzt. 5) Die Anzahl der im Samenmutterkern und Keimbläschen verbreiteten ehromatischen Elemente ist bei Ascaris ebenso gross, wie bei einem gewöhnlichen Kerne in der Mitte des Theilungs- processes, also die doppelte, wie sie ein Kern im der Vorphase der Theilung zeigt. Der morphologische Werth dieser Elemente scheint aber ein anderer zu sein in Folge einer vom normalen ee Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 121 Verlauf abweichenden Entstehung. Während normaler Weise acht Toehterehromosomen durch einfache Längsspaltung von vier Fäden entstehen, scheinen sie hier durch doppelte Längsspaltung von nur zwei Fäden gebildet worden zu sein. Diese zwei Fäden enthalten aber dieselbe Substanzmenge, wie vier durch Querthei- lung am Anfange der Karyokinese gebildete Fäden. 6) Da die Eimutterzelle und die Samenmutterzelle dieselben Kerntheilungsprocesse mit allen ihren von der Norm abweichen- den Eigenthümlichkeiten in genau der gleichen Weise durchmachen, müssen die Theilproducte auch denselben morphologischen Werth besitzen. a) Den beiden Samentochterzellen entsprechen Ei und erster Riehtungskörper. b) Den vier Samenenkelzellen (Samenkörpern) sind das reife Ei, der zweite Riehtungskörper und die aus Theilung des ersten Richtungskörpers entstehenden zwei Kügelchen zu vergleichen. e) Die Riehtungskörper haben daher den morphologischen Werth rudimentärer Eizellen.“ Beiläufig möchte ich hier erwähnen, dass Carl Camillo Schneider (Nr. 15) für Ascaris megalocephala auf Grund eigener Untersuchungen eine wesentlich andere Auffassung über den Re- duetionsvorgang vertritt. „Die zwei rasch aufeinander folgenden Theilungen der Ei- und Spermamutterzellen bewirken die Reduction des Chromatins auf ein Viertel der ursprünglichen Menge. Die zwei Elemente der Keimzone (Asc. meg. univalens) vereinigen sich in der Wachs- thumszone zu einem eimheitlichen Chromatophor (die Abweichung der Form desselben von der gewohnten deutet schon auf eine verschiedene Entstehungsweise hin), dieser wird geviertelt und das im Ei und Spermatozoon verbleibende Viertel im Stadium des Vorkernes verdoppelt, so dass aus diesem in die Furchungs- spindel von beiden Seiten je ein normaler Chromatophor eingeht.“ Die Vergleichung der Entwicklung von Ei und Samen bei Pyrrhoeoris ergiebt nach Henking (Nr. 5) das Folgende: 1) Den Ursamenzellen entsprechen die Ureier. Beide Zell- formen enthalten die für die Körperzellen characteristische Zahl von 24 Chromosomen. 2) Den unreifen Eiern entsprechen die Samenmutterzellen (Spermatocyten I. Ordn.). Beide wachsen erheblich heran, in 122 OÖ. vom Rath: beiden kommt es zur Ausbildung eines verhältnissmässig grossen bläschenförmigen Kernes, in beiden werden Dotterkügelchen erzeugt. 3) Die Abschnürung des ersten Richtungskörperchens ent- spricht der ersten Theilung des Spermatoeyten. In beiden Fällen kommt es zu emer Weismann’'schen Reductionstheilung, indem sich die Chromosomen „zweireihig“ aufstellen und zu je 12 Ele- menten in die neuen Zellen übergehen. Die typische Zahl 24 wird also hier durch einfache Trennung der chromatischen Ele- mente auf 12 redueirt. 4) Die Ausbildung des zweiten Richtungskörpers entspricht der zweiten Theilung der Spermatocyten. Die 12 chromatischen Elemente werden unter Beibehaltung der Zahl durch Aequatiöns- theilung direet halbirt, ohne dass sich das Stadium eines ruhen- den Kernes dazwischen einstellte. Die sofortige Theilung der Spermatocyten Il. Ordn. wurde möglich, weil die vorhergehende erste Theilung nicht als normal anzusehn ist und weil die letztere wahrscheinlich bewirkte, dass sich gleich die auch für eine zweite Theilung nöthige (also doppelte) Zahl achromatischer Fäden an die Chromosomen anheftete. Für das Spermatosom ist noch Folgendes bemer- kenswerth. 1) Aus den peripherischen Verbindungsfasern und unter Betheiligung von Spindelfasern entsteht der Nebenkern. Die Dottermasse wird gewissermaassen als Füllmaterial bei Bildung desselben benutzt. 2) Das centrale Bündel der Verbindungsfasern lässt aus sich das Mitosoma hervorgehn. 3) Der paarig gewordene Nebenkern haftet sich hinten an den zum Kopfe werdenden Kern an und durchzieht den Schwanzfaden. 4) Das dem Kern zugewandte Stück des Mitosoma wird chromatiseh und wandert als Spitzenkopf an das vordere Ende des Samenfadens. 5) In Nebenkern und Mitosoma sind wahrscheinlich kleine Mengen von Chromatinsubstanz übergegangen. 6) Es sind zwei verschiedenwerthige Arten von normalen Samenfäden vorhanden. Die einen enthalten nur 11 chromatische Elemente, die anderen ausser 11 chromatischen Elementen auch Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 123 noch ein einzelnes zuletzt ungetheilt gebliebenes Chromatinelement, welches wahrscheinlich als Nueleolus anzusehn ist.“ Während also nach Hertwig bei der Samen- und Eibildung von Asearis meg. bei der zweiten der beiden letztern unmittelbar aufeinander folgenden Theilungen eine Herabsetzung der Anzahl der ehromatischen Elemente auf die Hälfte der ursprünglichen Zahl stattfindet, wodurch verhindert wird, „dass durch die im Befruch- tungsact erfolgende Verschmelzung zweier Kerne eine Summirung der ehromatischen Substanz und der ehromatischen Elemente auf das Doppelte des für die betreffende Thierart geltenden Normal- maasses herbeigeführt wird“, findet nach Henking in der Ei- und Samenbildung von Pyrrhocoris apterus die gewünschte Reduction schon bei der ersten der in Rede stehenden Theilungen statt und wird die zweite Theilung als eine gewöhnliche Aequationstheilung bezeich- net. Henking versucht ferner die von Hertwig gewonnenen Resul- tate mit seinen Befunden in Einklang zu bringen, indem er überhaupt die Verdoppelung der Zahl der Chromosomen bei Ascaris vor der ersten Theilung anzweifelt, was allerdings nieht angeht (vgl. Weis- manns Amphimixis pag. 55). Bei diesem wenig glücklichen Erklärungsversuche betont aber Henking mit Recht, „dass bei der Annahme von acht selbständigen Elementen bei Ascaris es streng genommen auch schon bei der ersten Halbirung zu einer Reduetionstheilung kommt; denn es gehen vier Chromosomen in die Tochterzelle über, ohne auf der Höhe des Aequators eine Aequationstheilung erfahren zu haben.“ In einer vorläufigen Mittheilung (Nr. 12b) habe ich bereits im September vorigen Jahres darauf hingewiesen, dass man ausser bei Ascaris meg. nach meinen eigenen Befunden auch bei Gryllo- talpa. vulgaris von einer zweimaligen Reduction sprechen könne, da die 12 Chromosomen der Ursamenzellen dieses Inseetes vor der ersten der in Rede stehenden Theilungen zu 24 verdoppelt, durch die erste Theilung wieder auf 12 gebracht und durch die zweite Theilung auf 6 herabgesetzt werden. Kurze Zeit nach dieser Mittheilung erschien Weismann’s wichtiges Buch „Amphimixis“, in welchem unter anderem der Nachweis geliefert wird, dass trotz des scheinbaren Widerspruches in den Resultaten von Hertwig und Henking eine Vereinbarung doch möglich ist, wenn nämlich die empirischen Befunde beider Autoren eine andere Deutung erfahren. Nach Weismann sind 124 O0. vom Rath: sowohl bei Ascaris meg. als bei Pyrrhocoris apt. beide letztern Theilungen sowohl in der Ei- als Samenbildung als Reductions- theilungen aufzufassen. Beinahe gleichzeitig mit dem eben genannten Werke publi- eirte C. Ishikawa (Nr. 8) seme Arbeit über Spermatogenese, Ovogenese und Befruchtung bei Diaptomus. Nach Ishikawa findet in der Ei- und Samenbildung dieses Copepoden die ge- wünschte Reduction bei der letzten Theilung statt. Die wesent- lichsten Resultate seiner Untersuchungen hat genannter Autor in folgenden Sätzen zusammengestellt. 1) The primary sperm cells correspond exactly with the primary egg-cells. Both contain eight chromatie elements. 2) In both ceils the eight ehromosomes become constrieted “transversely giving rise to eight dumb-bell shaped bodies. These arrange themselves in an equatorial zone and beginn to divide in such a manner that half of each chromosome goes to one cell and the other half to the other. This kind of cell-division takes place two or three times and the resulting cells form the mother cells of eggs or spermatozoa, as the case may be. 3) These grow considerably; after which. 4) They begin to divide as before; each chromosome divi- ding transversely. This stage corresponds in the egg to the formation of the first polar body, which takes place exactly in the same manner as that of the first division of the sperm-mother cell. In both eases the original eight chromosomes become divi- ded into two, giving rise to the daughter cells also containing eight ehromosomes (Weismann’s „Aequationstheilung“). 5) This is immediately followed by another division, without an intervening resting stage of the nuclei, and by redue- tion in the original number of ehromosomes (Weismann's „Re- duetionstheilung*). The eight chromosomes which at first are arranged in a single row become arranged in double rows of four each, and the eell begins to divide in such a manner that four ehromosomes go to one cell and the remaining four to the other. By divisions described under Nr. 4 and 5 a sperm-mother cell as well as an egg-mother cell incereases to four cells, which in ease of the former give rise to four spermatozon, while in that of the latter a single egg cell with two polar bodies, results (or three when tbe first polar body divides). 4 an Di Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllötalpa vulgaris Latr. 125 6) During the formation of the second polar body the spermatie cell enters into the egg-cell. The nucleus of the sperimn cell is, as a general thing, at first rather small and colours deeply and homogeneously, but soon the differentiation sets in and the four chromosomes beeome distinetly visible. The nucleus of the egg-cell remaining after the formation of the second polar body — the female pronucleus of Ed. van Beneden — shows at first di- stinetly four elements. These soon grow longer, show many con- volutions, and pass into a „skein* stage. 7) The two nuclei gradually approach one another until they eome in close contact, but they do not unite imto a single piece before the equatorial plate is formed. The number of chro- matie elements in each of the copulating nuclei is now found to be eight, exactly double the number present in the maternal nu- cleus after the expulsion of the second polar body, and in the ripe Spermatozoon. This number goes unchanged to the formation of the first seginentation spindle, which gives rise to two first segmentation spheres, each of which eontains eight single ehromosomes.“ Aus den theoretischen Betrachtungen Ishikawas will ich noch folgenden Passus eitiren: „Henking tries also to make his observations eoineide will those of Hertwig upon Ascaris by giving different interpretations to the results obtained by the latter investigator. Whatewer may be the interpretation in the case of Ascaris, my own case, given above, can not to my mind be made to coineide with his obser- vation on Pyrrhocoris. I will not, however, assert the „Reductions- theilung“ in the formation of the second polar body and in the last cell division in the spermatogenesis to be the universal rule until a sufficient number of observations be obtained in other groups of animals and perhaps of plants too. Theoretical eonsiderations concerning the phenomena of fertilization lead us in all probabi- lity to the „Reductionstheilung“ body and in the last division of spermatie cells.“ Vergleichen wir jetzt einmal der Reihe nach die Befunde der eben genannten Autoren mit meimen Resultaten, so werden wir sehn, dass einer einheitlichen Auffassung der Reductionsvor- gänge nichts im Wege steht, wenn man nur eine geringe Aende- rung in der Deutung dieser Befunde vornimmt. Mit den Hert- as oceuring m the second polar 126 0.vomRath: wig’schen Angaben stehen meine Resultate in vollem Einklang, wenn man nach dem Vorgang von Weismann (Nr. 15) die 8 Stäbchen von Ascaris meg. bivalens vor der ersten Theilung als selbständige Stäbchen auffasst, dann sind auch beide Thei- lungen in der Ei- und Samenbildung von Ascaris als Reductions- theilungen zu bezeielnen, indem die 4 Stäbchen der Urei- und Ursamenzellen vor der ersten Theilung auf 8 verdoppelt, durch (die erste Theilung auf 4 und durch die zweite Theilung auf 2 herabgesetzt werden. Auch die Angaben Camillo Schneider's (Nr. 13) bei As- caris meg. univalens stehen weder mit meinen Befunden, noch mit meinen Deutungen in einem so schroffen Widerspruch als es auf den ersten Blick erscheint. Nach Schneider treten die 2 Stäbehen der Urei- und Ursamenzelle vor der ersten R-Thei- lung als ein einheitlicher „Chromatophor* auf, dieser wird dann durch die beiden Theilungen geviertelt. Ich erinnere zunächst daran, dass Carnoy, van Gehuehten und Hertwig jedes Stäbchen als ein. chromatisches Element auffassen, während van Beneden, Julin, Boveri und Schneider die Gruppe von 4 Stäbehen als ein einziges chromatisches Element bezeichnen, welches aber nach Boveri (Nr. 5) schon in 4 Unterabtheilungen gesondert und viertheilig ist. Der Unterschied der Angaben liegt mehr in der Deutung als in der Beobachtung. Bei Gryllotalpa sind nun auch stets 4 Chromosomen zu einer Gruppe vereinigt, aber die Verbindung wird durch Limin hergestellt und nicht durch Chromatin. Ob nun die Verbimdung des viertheiligen Chromatophors von Ascaris meg. univalens auch durch Linin oder durch Chro- matin vermittelt wird, ist der strittige Punkt; bei ersterer Annahme, die nach der Hertwig’schen Darstellung viel Wahrschemlichkeit für sich hat, würden die 2 Stäbehen der Urei- und Ursamen- zellen vor der ersten Theilung zu 4 verdoppelt sein und so der Annahme einer zweimaligen Reduction nichts im Wege stehn; aber selbst wenn bei Ascaris die 4 Chromosomen durch Chromatin zu einer Einheit verbunden sind, so könnte daraus keine prineipielle Differenz abgeleitet werden, da ja die Chromosomen von Gryllo- talpa im Ringstadium auch zu je vieren aus einer Einheit hervor- schn. Wir sehn, dass die Vorgänge bei Ascaris und Gryllotalpa sich sehr gut mit einander vergleichen lassen, nur liegen die Verhält- Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 127 nisse bei Gryllotalpa viel klarer vor Augen, da über die Verdoppelung der Chromosomen vor «der ersten Theilung, sowie über die Ver- bindung von je 4 Chromosomen zu einer Gruppe gar kein Zweifel aufkommen kann. Von besonderer Wichtigkeit ist ein Vergleich der Samen- bildung von Pyrrhocoris mit der von Gryllotalpa, da sehr viele übereinstimmende Momente angetroffen werden und so eine ein- heitliehe Deutung der Befunde bei beiden Inseeten erleichtert wird. Wenn die von Henking für seime Befunde aufgestellte Deutung die richtige wäre, dann würde Pyrrhocoris eine eigen- thümliche schwer begreifliehe Ausnahmestellung in Bezug auf den Reductionsprocess einnehmen; ich glaube aber, dass die von Weismann in seiner Amphimixis gegebene Deutung der Hen- king’schen Befunde viel mehr Wahrschemlichkeit beanspruchen darf. Nach Weismann sind die 24 Idanten (Chromosomen) von Pyrrhocoris vor der ersten Theilung, die also der Zahl nach den Idan- ten der Ursamenzellen gleich wären, in Wirklichkeit Doppelidanten (Doppelehromosomen). Jede Tochterzelle erhält bei dieser Anf- fassung 12 Doppelidanten und jede Enkelzelle 12 einfache Idanten (eonf. Weismann, Amphimixis $S.53—61). Vergleichen wir jetzt einmal die Abbildungen Henking’s mit meinen, so werden sofort bei den Vorgängen vor der ersten R-Theilung einige Aehnlichkeiten in die Augen fallen. Bei beiden Inseeten kommt es zu einer Ringbildung, aus welcher die definitiven Chromosomen sich heraus bilden, während aber bei Gryllotalpa die 6 Ringe gleichzeitig auftreten und sich aus ihnen kurze Zeit später 24 Chromosomen herausdifferenziren, gehen diese Vorgänge bei Pyrrhocoris neben- einander einher, so dass man die 12 Ringe nie gleichzeitig er- kennen kann, sondern stets eimige Ringe und einige fertige Chro- mosomen sieht. Durch letzteren Umstand wird ein genauerer Einblick in diese Vorgänge bei Pyrrhocoris wesentlich erschwert. Bei Gryllotalpa gehen, wie ich oben gezeigt habe, in die Ringbildung jeweils 4 Chromatinfäden ein, von denen jeder einem Chromosom entspricht, und aus jedem Ring differenziren sich nachher wieder 4 Chromosomen heraus. Nach Henking (Nr. 5) soll aber jeder Ring nur 2 Chromosomen entsprechen. Von be- sonderer Wichtigkeit für die Beurtheilung dieser Frage ist die Fig. 20 bei Henking |. c., da im dieser Abbildung deutlich Ringe mit 4 Verdiekungen zu seln sind. Vergleichen wir diese Fig. 20 128 Övom Rath: mit meinen Figuren 14 u. 15, so liegt der Gedanke nahe, ob nicht auch bei Pyrrhocoris jeder Ring 4 Chromosomen entspricht. Ich erinnere daran, dass auch bei Gryllotalpa bei den beiden letzten Theilungen stets 2 Chromosomen einander genähert sind und ein Paar bilden, bei Pyrrhocoris könnte eine noch weiter gehende Vereinigung eines Chromosomen-Paares bis zu einer scheinbaren Verschmelzung stattgefunden haben. Bei dieser Auf- fassung ist auch die zweite Theilung bei Pyrrhocoris keime Ae- quationstheilung im Sinne Weismann’s (Nr. 15), vielmehr dürfen beide Theilungen als Reduetionstheilungen bezeichnet werden, indem bei beiden Theilungen Doppelchromosomen oder Paarlinge von einander getrennt werden. Weismann möchte annehmen, dass bei der zweiten Theilung der Mutterzellen von Pyrrhocoris „die Ide zweireihig nebeneinander stehen und dass der Idant eigentlich ein Doppelidant ist.“ Ob nun die Ringbildung wie bei Gryllotalpa der Gruppenbildung von je 4 Chromosomen voraus- geht, oder ob in umgekehrter Reihenfolge aus der Vierergruppe der Ring gebildet wird, wie Weismann es schematisch für Pyrrho- coris dargestellt hat, ist im Wesentlichen völlig gleichgültig und scheint nach meinen vergleichenden Beobachtungen bei verschiede- nen Thieren verschieden zu sein. Nach den Abbildungen Carnoy’s (Nr.3) ist das Chromatin in der Aequatorialebene vieler Spindel- figuren, die offenbar der vorletzten Theilung zuzurechen sind, im deutlichen Ringen angeordnet, die dann durch die beiden aufeinander folgenden Theilungen in 4 gleich grosse Abschnitte, die 4 Chro- mosomen entsprechen, getheilt werden. Die Befunde Ishikawa’s bei der Ei- und Samenbildung von Diaptomus schliessen sich direet den Hertwig’schen Re- sultaten an und soll auch bei diesem Objeete bei der zwei- ten Theilung die Reduetion des Chromatins stattfinden; auf Grund eigener Untersuchungen über die Ei- und Samenbil- dung der bereits oben erwähnten Copepoden des süssen Wassers, Canthocamptus und Heterocope, sowie vieler mariner Formen, z.B. Eucheta, Calanus u.a. glaube ich, dass die Befunde Ishi- kawa’s auch eine andere Deutung zulassen. Ishikawa be- tont zunächst ausdrücklich, dass bei den Theilungen der Ursamen- zellen und Ureizellen die Chromosomen quer getheilt werden. „The only difference from the ordinary karyokinesis consists in the mode of division of the chromosomes, which generally divide Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 129 longitudinally and not transversely.“ Bei den von mir unter- suchten Gopepoden findet bei den Theilungen der Urei- und Ur- samenzellen im Knäuelstadium eine Längsspaltung des Chromatin- fadens statt, und ich bin daher geneigt die Theilungen der Chro- mosomen als Längstheilungen aufzufassen. Ferner bezeichnet Ishikawa die erste Theilung nach‘ der Ruheperiode in der Ei- und Samenbildung seines Untersuchungsobjeetes als eine Aequa- tionstheilung, da die S Chromosomen, welche bereits bei den Theilungen der Urei- und Ursamenzellen vorhanden waren, bei der ersten Theilung auf der Höhe des Aequators quer getheilt und somit den Tochterzellen wieder 8 Chromosomen zugeführt werden. 3ei den von mir untersuchten Copepoden findet aber vor der ersten Theilung in der Ei- und Samenbildung eme unverkennbare Längspaltung des Fadens und Verdoppelung der Chromosomenzahl statt, so dass es mir wahrschemlich erscheinen muss, dass auch bei Diaptomus keine eigentliche Durehschnürung der 8 (hantelförmigen) Chromosomen auf der Höhe des Aequators vor der ersten Theilung stattfindet, dass vielmehr wie bei allen von mir beobachteten Fällen die verdoppelten, also 16 Chromo- somen sich gleich „zweireihig“ (das heisst in zwei parallelen Kränzen von je 8 Chromosomen) aufstellen und auf diese Weise jede Tochterzelle bei der ersten Theilung 8 und bei der zweiten Theilung 4 Chromosomen erhält. Die «Abbildungen Ishikawa’s l. e. lassen eine solehe Auffassung von N veduetionstheilungen sehr wohl zu, ich verweise zumal auf Fig. 25, 26 u. 27. Nach der vorstehenden Besprechung, darf es wohl als Regel angesehen werden, dass sowohl in der Ovogenese als m der Spermatogenese stets eine mehr oder weniger deutlich erkennbare Verdoppelung der typischen Chromosomenzahl vor der vorletzten Theilung stattfindet, und dass durch die erste T’heilung die ur- sprüngliche Zahl der Chromosomen wieder erreicht und bei der zweiten Theilung auf die Hälfte herabgesetzt wird. Da nun aber die Natur die Herabsetzung der Chromosomen- zahl auf die Hälfte auf viel einfacherem Wege erreichen kann, muss der eomplieirte Vorgang der Verdoppelung und zweimaligen Theilung eine besondere Bedeutung haben. Nach Weismann liegt die Bedeutung dieser Verdoppelung „in dem Bestreben, eine möglichst vielgestaltige Mischung der vom Vater und von der Mutter herstammenden Vererbungs-Einheiten herbeizuführen.“ Der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 9 130 O-yvomeRanıh® Sinn der Längsspaltung und Verdoppelung der Idanten vor der Reductionstheilung bestände darin, „eine fast unendliche Zahl von verschiedenen Keimplasma-Mischungen zu ermöglichen, um dadurch die individuellen Unterschiede in so vielen verschiedenen Combinationen der Naturzüchtung zur Verfügung zu stellen, als Individuen entstehen“. — „Die beiden Theilungen der Keim- Mutterzellen bedeuten eine Periode der Reduction und des Um- baues des Idioplasmas. Handelte es sich blos um eine Reduction, d.h. Verminderung der Id-Ziffer auf die Hälfte, so würde eine einzige Theilung genügt haben; die zweite wurde dadurch nöthig, dass zugleich eine möglichst grosse Mannigfaltigkeit des Keim- plasmas erreicht werden sollte.“ Für das Zustandekommen von solehen Combiationen sind die Ring- oder Kranzbildungen von grosser Wichtigkeit, vorausgesetzt, dass die aus der Kranzbildung hervorgehenden Doppelidanten von den Doppelidanten, welche in die Kranzbildung eintreten, in Bezug auf die Anordnung und Vertheilung der Ide verschieden sind. Es würde dann die Kranz- bildung des Idioplasmas bei der Reductionstheilung der Keimzellen eine Neugruppirung der Ide zum Zwecke haben (conf. Amphimixis pag. 59—61 u. Fig. VID. Hinsichtlich der genaueren Ausführung der Weismann’- schen Ansichten will ich auf die Originalarbeit verweisen, da ich hier nicht in eine Besprechung der theoretischen Fragen eintreten möchte, sondern nur die Abklärung und Feststellung des that- sächlichen Verlaufes der Vorgänge beabsichtigte. März, 1892, Literatur. 1. vanBenedenu. Julin, La spermatogenese chez l’ascaride megalocephale. Bulletins de l’academie royale de Belgique. 1884. 2. Boveri, Zellenstudien. Jenaische Zeitschrift für Naturwissen- schaft. 1887—1890. 3. Carnoy, Cytodierese des Arthropodes. La Cellule T. 1. 1889. 4. Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 29. 1887. 5. Henking, Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvor- gänge in den Eiern der Insekten. II. Ueber Spermatogenese und deren Beziehung zur Entwicklung bei Pyrrhocoris apterus L. Zeitschr. f. wiss. Zool. LI. 4. 1891. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. 131 6. 10. FT. 13. 14. - 15. 16. IT: Hermann, Beitrag zur Lehre von der Entstehung der karyo- kinetischen Spindel. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXVI. 0. Hertwig, Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nema- toden. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36. 1890. C. Ishikawa, Studies of Reproductive Elements. I. Sperma- togenesis, Ovogenesis and Fertilization in Diaptomus Sp. Reprinted from the Journal of the College of Science, Imperial University, Japan. Vol.V, Pt.I. 1891. M. Nussbaum, a) Zur Differenzirung des Geschlechts im Thier- reich. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 18. b) Ueber die Veränderungen der Geschlechtsproducte bis zur Ei- furchung, ein Beitrag zur Lehre von der Vererbung. Arch. für mikr. Anat. Bd. 23. Meves, Ueber amitotische Kerntheilung in den Spermatogonien des Salamanders etc. Anat. Anzeiger Nr. 22, 1891. Platner, a) Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zelltheilung. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Histol. Bd. III. 1886. b) Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungserschei- nungen. Arch. f. mikr. Anat. Bd.33, Heft 1 u. 2. 1889. vom Rath, a) Ueber die Bedeutung der amitotischen Kernthei- lung im Hoden. Zool. Anzeiger Nr. 573—8375. 1891. b) Ueber die Reduction der chromatischen Elemente in der Samenbildung von Gryllotalpa. Berichte der naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. Bd. VI, Heft9. 1891. CarlCamillo Schneider, Untersuchungen über die Zelle, Arbeiten aus dem zool. Institute der Univ. Wien. Tom.IX. 1891. v. La Valette St. George, a) Ueber die Genese der Samen- körper. Arch. f. mikr. Anat. Bd.III. 1867. b) Spermatologische Beiträge 1.—5. Mittheilung. Arch. f. mikr. Anat. 1885—1887. e) Zelltheilung und Samenbildung bei Forficula auricenlaria, in: Festschrift zu v. Kölliker’s 70. Geburtstage. 1887. Weismann, Amphimixis. Jena 1891. Ziegler, Die biologische Bedeutung der amitotischen Kernthei- lung im Thierreich. Biol. Centralbl. Bd. XI. 1891. Ziegler u. vom Rath, Die amitotische Kerntheilung bei den Arthropoden. Biol. Centralbl. Bd. XI. 1891. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Gryllotalpa vulgaris Latr. und sind mit Seibert’s Apochrom. Homog. Immersion 1,5 mm, Apert. 1,30, Oc.8 gezeichnet. Vergr. ca. 1334. Einzelheiten wurden bei noch stärkeren Vergrösserungen eingetragen. Fig. O0. vom Rath: Zur Kenntniss der Spermatogenese etc. in . 14 16. Ursamenzelle mit bläschenförmigem Kern (Ruhestadium). Ursamenzelle in Vorbereitung zur Theilung. Das chroma- tische Netzwerk ist wesentlich derber und deutlicher geworden. Zusammenballen des Chromatins an einer Kernseite. @Querdurchschnürung des chromatischen Doppelfadens in 12 Segmente a) nach einem Schnitte; b) nach einem Zupfpräparate. Spindel in Seitenansicht. Die Aequatorialplatte der Spindel wird in etwas schräger richtung gesehen. Beginn der Trennung zweier Tochterzellen. Verschiedene Ansichten der Aequatorialplatten der Tochter- zellen. Eine rosettenförmig angeordnete Gruppe von Samenmüutter- zellen im Ruhestadium, gegen Ende der Wachsthumsperiode (Periode II). Samenmutterzelle in Vorbereitung zur Theilung. Knäuelstadium ohne erkennbare Verdoppelung des chromati- schen Fadens. Knäuelstadium mit Längsspaltung des Fadens, aber ohne Quertheilungen. Der chromatische Doppelfaden ist durch Quertheilungen in 6 Segmente zergliedert; a) nach einem Schnitt; b) und e) nach Zupfpräparaten; d) aus den 6 Segmenten sind durch Ver- löthen der freien Enden 6 Ringe entstanden. u. 15. Aus den 6 Ringen haben sich 6 Gruppen von je 4 Chro- mosomen herausdifferenzirt, in Fig. 14 etwas schematisirt nach einem Zupfpräparat, in Fig. 15 nach einem Schnitt naturgetreu dargestellt. Zusammenziehen der 6 Gruppen nach dem Kerneentrum, und Anordnung der 24 Chromosomen in 2 parallelen Kränzen von je 12 Chromosomen. u. 15. Zwei Ansichten auf die Aequatorialplatte der ersten Theilungsspindel (der Reifungsperiode) vom Pol aus gesehen. Seitenansicht der Spindel der ersten Theilung. u. 21. Verlauf der ersten Theilung. 23 u. 24. Verlauf der zweiten Theilung. Die aus den beiden Theilungen einer Samenmutterzelle her- vorgegangenen 4 Samenenkelzellen vor der Anaphase. Samenenkelzelle vor dem Beginn der Umwandlungsperiode. Umwandlung einer unreifen Samenzelle (Spermatid) zu einem Samenfaden (Spermatosom, Spermatozoon). Reifer Samenfaden. Kern einer Randzelle (Stützzelle) mit 2 Centrosomen. Eingeschnürter Kern einer Randzelle (Stützzelle) mit 2 Centro- somen und einer Attractionssphäre. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Aus- bildung im Embryo und die Persistenz seines Keimrandes bei dem erwachsenen Thier. Von Dr. med. E. Ballowitz, Privatdocent und Proseetor an der Universität Greifswald. Hierzu, Later VIeur vie Von Ch. S. Tomes!) wurde 1874 zuerst die merkwürdige Thatsache veröffentlicht, dass bei einem Gürtelthier, Tatusia peba (Dasypus peba Desm., Dasypus novemeinetus Aut.), im Laufe der Zahnentwicklung ein Schmelzorgan auftritt, obwohl bekannt- lich den Zähnen dieses Thieres, wie überhaupt bei allen mit Zähnen versehenen Edentaten, der Schmelz vollständig fehlt und die Zahnsubstanz hier nur von Dentin und Cement gebildet wird. Tomes untersuchte zwei Embryonalstadien von Tatusia, ein frühes und ein relativ spätes. Das erstere zeigte auf Durch- schnitten durch den Unterkiefer das Schmelzorgan als eine noch mit dem Epithel der Mundhöhle zusammenhängende zapfenförmige Epithelwucherung. Die oberflächlichen Zellen unterschieden sich von den im Innern befindlichen, unter sich gleichgestalteten da- durch, dass sie mehr eylindrisch waren und epithelartig die inneren Zellen in geschlossener Lage überzogen. Die untere Fläche dieses Schmelzorganes erschien bereits leicht ausgehöhlt und umfasste die erste Anlage der Zahnpapille (I. e. Taf. II, Fig. 2). Dieses Stadium glieh mithin völlig der Anlage des Schmelzorganes bei allen den Thieren, bei welchen wirklich Schmelz gebildet wird. Die älteren von Tomes untersuchten Embryonen liessen auf dem oberen Theile der Zalmpapille schon eine dünne, von den Odontoblasten erzeugte Dentinlage erkennen. Die Papille besitzt nach Tomes in diesem Stadium bereits ihre defi- 1) CharlesS. Tomes, On the Existence of an Enamel Or- gan in an Armadillo (Tatusia Peba). @uaterly Journal of Microsco- pical Science. Vol. XIV. N.S. 1874, pag.44, PL. II, 19: ne nitive Gestalt; sie ist in den beiden Abbildungen (l. e. Taf. II, Fig. 3 und 4) als länglich ovales Gebilde mit abgerundetem un- getheilten oberen Ende gezeichnet. Der oberen Fläche der Dentin- scherbe liegt ein Epithel dieht an, welches sich auch nach unten über den unteren Rand des Dentins hinaus, bis gegen die Basis der Papille, erstreckt. Dieses auf den ersten Blick einfach er- scheinende Epithel soll nach Tomes aus zwei Lagen bestehen, welche unten an der Basis der Papille in einander umbiegen und hier im unteren Theile stets deutlich von einander unterscheidbar sind. Beide Zellplatten liegen einander dicht an. Nach Tomes entsprechen diese beiden Zellagen dem äusseren und inneren Epithel des Schmelzorganes der anderen Säugethiere, während eine Schmelzpulpa und ein Stratum intermedium bei Tatusia fehlen soll. Schliesslich beschreibt Tomes noch einen secun- dären Schmelzkeim, welcher sich in unmittelbarer Nähe der pri- mären Zahnanlage befindet. Tomes deutet ihn als die Anlage eines zweiten permamenten Zahnes und schliesst daraus, dass Tatusia peba nicht den Monophyodonten zuzurechnen ist, vielmehr zwei wohl entwickelte und funktionirende Zahnfolgen besitzt. Zehn Jahre später berichten Pouchet und Chabry!) über die Zahnentwickelung von Orycteropus und dem dreizehigen Faul- thier. Von Oryeteropus wird nur erwähnt, dass bei einem Em- bryo von 32 em ein Schmelzorgan vorhanden, aber wenig ent- wickelt war, während die Zahnleiste sich in Gestalt von ge- trennten Epithelresten noch erhalten hatte. Ausführlicher sind die wichtigen Mittheilungen, welche die genannten Forscher über die Entwickelung des Schmelzorganes bei dem Faulthier gemacht haben. Bei einem Embryo von ca. 12cm bildete das Schmelzorgan einen zusammenhängenden Ueberzug, welcher die schon mit einer Dentinkappe bedeckte Oberfläche der Papille bis zu ihrer Basis umgab und in der Nähe der Pulpaöffnung mit einem verdiekten Rande endigte. An diesem Rande und den benachbarten Abschnitten desselben kann man nun leicht drei Zellschiehten unterscheiden (l. e. Taf. VI, Fig. 30—33): eine innere, von den eylindrischen Schmelzzellen 1) Pouchet et Chabry, Contribution & l’Odontologie des Mammiferes. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. Vingtieme annee. 1884, pag. 150, Pl. Va VI. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 135 gebildete Lage; eine mittlere Schicht, welche sich aus kleinen polyedrischen Elementen ohne alle anastomosirende Fortsätze zu- sammensetzt und eine compakte Masse bildet; endlich eine äussere Lage kleinerer Zellen. Diese Zusammensetzung besitzt das Schmelz- organ indessen nur in einer geringen Ausdehnung: auf der Spitze des Zahnes und an den Seiten schien dasselbe einer Atrophie anheim gefallen, welehe es unmöglich macht, die drei Zelllagen zu unterscheiden. Einen ganz anderen Befund erhielten Pouchet und Chabry bei Untersuchung eines älteren Embryo von 23 em Länge. Die Zähne waren hier schon durchgebrochen und zeigten das Dentin und Vasodentin seitlich umgeben von einem dünnen Cement- mantel, der sich indessen nieht ganz bis zur Pulpaöffnung er- streekte. An Stelle des Cementes fand sich hier ein epithelialer Ring, welcher die Basis der Pulpapapille umgiebt. Auf dem Durch- schnitt stellt sich dieser Ring in Gestalt eines Winkels dar, mit abgerundeter Basis und ausgezogener äusserer Spitze. Die obere Fläche des Ringes ist dem jungen Elfenbein zugewandt, hängt aber nicht fest damit zusammen; beide sind vielmehr oft von einander getrennt. Dasselbe gilt für den abgerundeten inneren Rand des Ringes, welcher gleichfalls mit dem umgebenden Gewebe nur in lockerem Zusammenhange steht. ° Der fein aus- gezogene äussere Rand des Ringes verlängert sich bis auf die äussere Fläche des Zahnes; er setzt sich hier nach aussen von dem Cement in eine dünne epitheliale Membran fort. Diese ist von zahlreichen Oeffnungen durchbrochen, dureh welche das Binde- gewebe der Alveole hindurchtritt (l. ec. Taf. VI, Fig. 31, 32 u. 33). Pouchet und Chabry kommen zu dem Schluss, dass dieser epitheliale Ring den Trümmerrest des Schmelzorganes darstellt, dem die beiden Forscher aber weiter keine Bedeutung beilegen. Der anfangs geschlossene Epithelialüberzug wird bei weiterem Wachsthum des Zahnes lückenhaft und durchwachsen von dem umliegenden Bindegewebe, welches die Elemente für die Cement- bildung liefert. Am längsten erhält sich von dem Schmelzorgan der genannte Ring. Aus ihren Untersuchungen ziehen Pouchet und Chabry schliesslich das Resultat (l. e. pag. 176): „Si on eompare la structure du sac adamantin a ces deux &poques, on arrive & la conelusion que jamais l’organe ne presente chez le Paresseux et probablement tous les autres Edentes le developpe- 136 E. Ballowitz: ment, quil atteint chez les autres Mammiferes et en partieulier ehez le Ongules. 11 se distingue surtout par Yabsence du tissu reticule ou gelee adamantine et par une atrophie precoce, qui marche du sommet de la dent vers la base.“ Uebrigens lassen es beide Forscher noch unentschieden, ob nicht doch an den Zähnen der Edentaten eine wenn auch sehr zarte und dadurch den früheren Beobachtern bis jetzt entgangene Schmelzschicht zur Abscheidung gelangt. Endlich berichten Pouchet und Chabry noch von einem Gürtelthiere, Tatou noir!) (wohl Dasypus peba Desm., Dasypus novemeinetus Aut.), dass sie bei einem Embryo von 15 em Länge weder die epitheliale Zahnleiste, noch ein Schmelzorgan gefunden haben. Der Zahn soll hier nur von einer einfachen Dentinkappe ohne Cement und ohne Schmelz gebildet werden. Wie ich hier sogleich bemerken will, ist diese Angabe jedenfalls unriehtig und ist der negative Befund wohl dadurch allen zu erklären, dass der Erhaltungszustand des untersuchten Embryo ein sehr schlechter und für diese Untersuchung nicht mehr geeigneter ge- wesen ist. In neuester Zeit sind die Edentaten auf ihre Zahnentwicke- lung von Röse?) untersucht worden. Indessen erwähnt Röse nur ganz kurz, dass er bei Tatusia hybrida und Dasypus novemeinetus eine „Epithelscheibe“ gesehen hat. Aus allem bisher Bekannten würde mithin hervorgehen, dass den Edentaten, obwohl sie schmelzlose Zähne besitzen, doch ein Schmelzorgan zukommt, dass dieses Schmelzorgan aber nur unvollkommen ausgebildet ist, nur aus wenigen Zellschiehten be- steht und der Schmelzpulpa und des Stratum intermedium voll- ständig entbehrt; schliesslich müsste dieses Epithelorgan nur als ein embryonales, alsbald nach Fertigstellung des Zahnes zu Grunde gehendes Gebilde angesehen werden. 1) Es wäre dringend erforderlich, dass bei vergleichend histolo- gischen Untersuchungen die zoologischen Bezeichnungen der unter- suchten Thiere nebst den Autornamen genau angeführt würden, da durch eine mangelhafte Bezeiehnung des untersuchten Materials der wissenschaftliche Werth der Arbeit entschieden beeinträchtigt und die Nachuntersuchung erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. 1) C. Röse, Ueber die Entwickelung der Zähne des Menschen. Arch, für mikrosk. Anatomie Bd. 38, Heft4, 1891, pag. 447. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 137 Meine Untersuchungen, deren Ergebnisse ieh in Folgendem an der Hand der erläuternden Abbildungen auf Tafel VI und VII mittheilen will, haben mich nun eines Anderen belehrt. Ich bin zu dem Resultat gekommen, dass der Epithelüberzug der Zahnanlagen bei den Edentaten ein echtes Schmelzorgan ist, welches alle charakteristischen Eigenthümlichkeiten aufweist, die das Schmelzorgan der schmelzführenden Wurzelzähne der übrigen Säuge- thiere kenuzeichet, nur mit dem einzigen, aber wesent- lichen Unterschiede, dass dasselbe zu keiner Zeit Schmelz produeirt. Ferner zeiste mir die Unter- suchung der Zähne völlig erwachsener älterer Thiere, dass das Sehmelzorgan bei den Edentaten kein lediglich embryonales Gebilde ist; vielmehr erhält sich von dem- Beiben ein 2anz bestimmter Abschnitt functio- nirend und bleibt zeitlebens bei diesenpermanent wachsenden, schmelzlosen Zähnen an .der für das Wachsthum der Zahnsubstanz wichtigsten Stelle liegen, eine Thatsache, welche für die Erkennt- niss der funtionellen Aufgabe desSchmelzorgans von grösster Bedeutung sein dürfte, Als Material für meine Untersuchungen dienten mir Embryo- nen von Dasypus peba Desm. (= D. novem einetus Aut.) und Dasypus setosus Wied. (= D. sexeinetus L.) verschiedener Stadien, welche in Alcohol gehärtet waren und sich in einem sehr guten Erhaltungszustande befanden. Die durch 8—10°/, ige Salpetersäure entkalkten Kiefer wurden nach Paraffin-Einbettung mit dem Jung’schen Mikrotom in frontale Serienschnitte zerlegt, (die Sehnitte mittelst Eiweisslösung aufgeklebt und mit Häma- toxylin, resp. Alaunkarmin gefärbt. Ebenso wurden die Kiefer erwachsener Thiere behandelt. Fig. 1 auf Tafel VI zeigt einen frontalen Durchschnitt durch die vordere Hälfte des ganzen Unterkiefers eines Embryo von Dasypus peba Desm., der eine Scheitel-Steiss-Länge von 6 em besass. Medial von dem Balkenwerk des Unterkiefer-Knochens, aber davon durch Bindegewebe getrennt, liegt jederseits der kreisrunde Querschnitt des Meckel’schen Knorpels. In ihrer Mitte umschliesst die Knochenanlage den relativ weiten Mandi- bularkanal mit den starken Nerven und Gefässen. Der obere 138 ErBalllionäwiitze: Theil der Kieferanlage besitzt die Gestalt einer tiefen Rinne, (deren Communieation mit dem Mandibularkanal links getroffen ist. An der medialen, lateralen und unteren Seite wird diese „Zahnrinne“ von dem Knochen begrenzt; nach oben hin ist sie dagegen offen und wird hier nur von Bindegewebe und dem Mundhöhlenepithel bedeckt. Diese nur aus Weichtheilen gebildete obere Wand senkt sich leicht muldenförmig ein und erhebt sich erst nach aussen hin, oberhalb der lateralen knöcheren Wandung der Zahnrinne zu einem später vorspringenden, auf dem Quer- schnitte dreieckigen Wulste, welcher sich durch eine tiefe Furche von dem Lippenwulst abhebt. In der Zahnrinne liegt nun im dem dargestellten Schnitte jederseits eine Zahnanlage; jede derselben ist genau durch ihre Mitte getroffen. Auffällig ist die schräge, fast liegende Stellung der Anlage, wodurch bewirkt wird, dass die eigentlich mediale Fläche fast direct nach oben und umgekehrt die laterale Fläche nach unten hin sieht. Der Bau der. Zahnanlage ist ein sehr einfacher. Vom medialen Abschnitt des Grundes der Zahnrinne erhebt sich aus dem Bindegewebe eine knopfförmige Papille, die sich durch ihren Kernreiehthum auszeichnet. Das kernreiche Bindegewebe zieht sich von der Basis der Papille noch eine Strecke weit nach oben und hängt zusammen mit einem fibrillären 3indegewebe, welches, etwas fester gewebt, als das der Umge- bung, die ganze Zahnanlage eirculär umschliesst; hierdurch wird ein deutliches Zahnsäckchen gebildet. Die obere Fläche, sowie die Seiten der Papille bis herab zu der eingeschnürten Basis derselben werden nun bedeckt von einem epithelialen Gebilde, dem Schmelzorgan. Der innere, der Papille benachbarte Rand desselben tritt als breiter, intensiv gefärbter Saum hervor, der, wie man schon bei schwacher Vergrösserung erkennt, aus mehre- ren Kernlagen besteht. Auf der Oberfläche der Papille senkt sich dieser Saum etwas nach unten ein, so dass die Papille hier bereits vertieft erscheint und einen medialen und lateralen Höcker erkennen lässt. Die seitlichen Abschnitte des Organs, welche nach unten hin an der Basis der Papille etwas verdickt und abgerundet endigen, sind schmal. Mit der medialen Fläche des gegen die Mundhöhle gelegenen seitlichen Abschnittes hängt em Epithelzapfen zusammen, die epitheliale Zahnleiste, auf welche ich späterhin noch zurückkommen werde. Der mittlere Theil Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo etc. 139 des Schmelzorganes, welcher die breite Oberfläche der Papille bedeekt, unterscheidet sich von den Seitentheilen dadurch, dass er breiter ist, auf dem Durehsehnitte halbmondförmig erscheint und aus einem hellen, durchsichtigen Gewebe besteht, welches nach unten von dem erwähnten dunklen Saume, nach oben von einer zarteren, bogenförmigen Linie begrenzt wird. Die letztere wird hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, wie wir sogleich sehen werden, durch das Gewebe des Zahnsäckchens bedingt. Papille und Epithelorgan waren übrigens in diesen von mir an- gefertigten Präparaten meist durch einen Spaltraum von ein- ander getrennt, welcher künstlich durch ungleiche Einwirkung der conservirenden Reagentien und ungleiche Schrumpfung der Gewebe hervorgerufen ist. Die Untersuchung einer Zahnanlage aus denselben Präpa- raten mit stärkeren Systemen ergiebt genaueren Aufschluss über die Zusammensetzung des Schmelzorganes. (Vgl. Fig. 2, welche eine Zahnanlage bei Zeiss Obj. D, Oc. 2 und Fig. 3, welche ein Stück des Schmelzorgans bei Zeiss Obj. F, Oe. 2 darstellt.) Die Papille zeigt sich in ganzer Ausdehnung in Folge der er- wähnten ungleichen Schrumpfung von dem epithelialen Organ isolirt (Fig. 2 und 3 bei*), ein Umstand, welcher die einander benachbarten Zelllagen beider Organe nur noch deutlicher her- vortreten lässt. Weder von Dentinbildung, noch von Schmelz ist die geringste Spur zu sehen. Die Sonderung und Anordnung der Odontoblasten hat an der oberen Fläche und den oberen Abschnitten der Seitentheile der Papille soeben erst begonnen, wie die reihenweise Anordnung der oberflächlichsten Kerne zeigt. Wenn wir nun zunächst den mittleren breiten Theil des Schmelzorgans in's Auge fassen, so erkennen wir auf den ersten Blick, dass dasselbe sich aus mehreren differenten Sehiehten zu- sammensetzt. Am weitesten nach innen, gegen die Papille hin, befindet sich ein einschichtiges eylindrisches Epithel, dessen Ele- mente zwar eine typische eylindrische Gestalt besitzen, aber doch nur von geringerer Höhe sind. Jede Zelle beherbergt einen ovalen Kern, der mit seiner Längsaxe senkrecht zur unteren Oberfläche des Schmelzorgans steht!). Diese Zellenschieht re- 1) Bei stärkerer Vergrösserung (Fig.3) sah ich übrigens häufig in diesen Präparaten feine fädchenartige Fortsätze der Zellen in den 140 Br Ballowıvz: präsentirt das innere Schmelzepithel (Fig. 3, SEi). Im wn- mittelbaren Anschluss hieran treffen wir ein mehrschichtiges Lager von Zellen, deren Elemente einander dicht benachbart sind und sich nicht deutlich von einander abgrenzen lassen. Dieselben finden sich in 4—6 Lagen übereinander geschich- tet. Ohne Zweifel haben wir es hier mit einem sehr ent- wickelten Stratum intermedium (Waldeyer) zu thun, welches be- kanntlich zuerst von Hannover als Membrana intermedia am Schmelzorgan der schmelzführenden Zähne der Säugethiere be- schrieben wurde und einen charakteristischen, in seiner Ausbil- dung bei den einzelnen Säugethier-Species aber variirenden Be- standtheil des Schmelzorgans darstellt. Dieses Stratum interme- dium im Verein mit dem inneren Epithel bildete den breiten, dunklen, unteren Saum, welcher uns bei Untersuchung des Prä- parates mit schwacher Vergrösserung entgegentrat. Die oberste Zelllage des Stratum intermedium geht nun über in ein Gewebe, welches alle Merkmale und Besonderheiten der echten Schmelz- pulpa aufweist (SEp der Figuren): sternförmige Zellen mit fein- ausgezogenen, verzweigten, unter sich anastomosirenden Ausläufern ; an den Knotenpunkten dieses Zellnetzes, umgeben von einer ge- ringen Menge Protoplasmas, die rundlichen oder länglieh-ovalen Kerne; in dem Maschenwerk reichliche helle, sich nieht färbende Zwischensubstanz. Dieses Pulpagewebe ist am mächtigsten ent- wickelt oberhalb der Mitte der Papille und besitzt hier auf ver- tikalen Durehschnitten in diesem Stadium eine beträchtliche Breite (Fig. 2 und 3). Dieser Theil ist übrigens derjenige, an welchem, wie wir sehen werden, die Pulpa am frühesten atrophirt. Von hier aus nach der Peripherie der Papille hin nimmt das Pulpa- gewebe allmählich an Ausdehnung ab. Nach aussen und oben wird das Pulpagewebe nun überdeckt von einer einschichtigen Lage kubischer oder auch mehr abgeplatteter Zellen, welche allerdings in diesem Stadium der Entwickelung über der Mitte des oberen Theiles des Schmelzorganes schon oft nicht mehr recht zu erkennen sind. Das Epithel hat hier Sprossen und Zotten getrieben, zwischen welchen sich gefässführende Zapfen künstlichen Spaltraum (*) hineinragen, denen ähnliche Fädchen von Seiten der Odontoblasten entgegengeschickt wurden. Ueber die Be- deutung derselben bin ich nicht ins Klare gekommen. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 141 des umgebenden Bindegewebes befinden, die oft schon in die peripheren Schiehten des Pulpagewebes eingedrungen sind. Hier- dureh ist das äussere Schmelzepithel (SEa), denn um dieses handelt es sich bier, in dieser Region schon mehr oder weniger defekt geworden, so (dass es sich nieht mehr von einer Seite zur anderen continuirlich verfolgen lässt. Ueberhaupt ist die obere Grenze des Schmelzorganes hier oft schon verwischt. An günstigen Schnitten treten übrigens die für das äussere Schmelzepithel eigenthümlichen Epithelsprossen oft sehr deutlich hervor (Fig. 3 SEa, Fig. 4 SEaZ). Gegen die Seitenflächen der Papille hin erhält sich das äussere Epithel am längsten und ist hier m diesem Stadium stets als einschichtige Lage nach unten hin zu verfolgen. Dasselbe erstreckt sich bis an den untersten Rand des Organs und geht hier eontinuirlich im das innere Schmelzepithel über (siehe bei SEK der Figuren). In der Nähe des Umschlagrandes besitzen seine Elemente schon etwas höhere, mehr eylindrische Gestalt, so dass es dem innern Epithel ähnelt. Die Schmalheit des seitlichen und unteren Theiles des Schmelzorganes wird dadurch bedingt, dass das Pulpagewebe hier nur wenig entwickelt ist. Allerdings beobachtet man auch bisweilen, dass dasselbe sich in ziemlicher Breite bis nach unten hin erstreckt (Fig. SEp). Gewöhnlieh ist es indessen hier nur als schmaler mittlerer Streifen vorhanden. Die Zellen selbst er- scheinen dann mehr spindelförmig und die Maschenräume sind enger als oben. Inneres Epithel, Stratum intermedium und, wie schon ausgeführt, auch das äussere Epithel setzen sich dagegen in gleicher Ausbildung auch auf die Seitentheile und den unteren Rand des Schmelzorgans fort. An der Umschlagstelle findet gewöhnlich innerhalb des Epithels eme leichte Zellanhäufung statt (vgl. SEK der Figuren). Das Schmelzorgan erfährt nun bei Dasypus sehr bald eine Rückbildung. Dieselbe tritt ein, sobald die ersten Lagen des Dentins abgesondert sind, wie die Figuren 4 und 5 auf Tafel VI zeigen. Diese Abbildungen lassen em weiteres Stadium der Zahnentwiekelung erkennen; sie sind nach frontalen Durchschnitten durch den Unterkiefer eines Embryos von Dasypus peba Desm. (D. novem einetus Aut.) gezeichnet, welcher eine Scheitel-Steiss- Länge von 3 cm besass. 142 E. Ballowitz: Die Papille zeigt oben und seitlich einen dichten Belag hoher schmaler Odontoblasten, welche von der Mitte der Seiten- fläche gegen die Basis hin immer niedriger werden. Die Ein- kerbung der oberen Fläche, welehe schon in dem Jüngeren Sta- dium deutlich war, hat sich in Folge weiterer Einsenkung des Schmelzorgans stark vertieft. Hierdurch wird bedingt, dass die Papille auf einem frontalen Durchschnitt durch die Mitte des Zahnes zweizipfelig erschemt; der mediale Zipfel ist etwas grösser als der laterale. Diese Theilfurche durchzieht jedoch nieht die ganze Oberfläche der Zahnpapille in sagittaler Richtung yon vorne nach hinten, vielmehr ist der vorderste und hinterste Theil der Papille davon frei. Die Furche beginnt lateral kurz hinter dem vordersten Abschnitt der Papille, zieht, wie die Serienschnitte zeigen, in sagittaler Richtung ziemlich über die Mitte des Zahnes hinweg, hier die grösste Tiefe erreichend, und endigt wieder lateral kurz vor dem hintersten Theile der Papille. Geht die Sehnittrichtung durch den Anfang der Rinne, so erscheint der laterale Zipfel mehr als kleiner, der Papille ansitzenden Höcker. Fallen die Schnitte durch den vordersten oder hintersten Ab- schnitt ‘der Zahnanlage (Fig. 4, so wird die Papille unge- theilt sein müssen. Derartige Schnitte hat Tomes vor sich gehabt, so dass ihm die Theilung der Papille entgangen ist. Die Gestalt der Papille des embyronalen Zahnes ist dem- nach eine wesentlich andere, als bei dem erwachsenen Thier. (Vel.. Fis.5 auf EBatel VI mit Pig rauf Tafel Spitzen und Seitenflächen der beiden Papillenhöcker sind nun bedeckt mit einem Dentinmantel, der auf der Spitze der Höcker die grösste Dicke besitzt. Das Dentin zeigt sehr deutlich die beiden Lagen des unverkalkten und verkalkten Dentins. Beide grenzen sich durch eine scharfe, unregelmässig zackig verlaufende Linie von einander ab. Im Grunde der Furche und an den unteren Hälften der Seitenflächen der Papille ist noch keine Verkalkung eingetreten, so dass die unverkalkte Zone die verkalkte überragt. Obgleich nun der Dentinmantel noch keine besondere Dieke erreicht hat, ist mit dem Schmelzorgan doch sehon eine sehr auffällige Veränderung vor sich gegangen, welche vor allem im Bereiche des verkalkten Dentins hervor- tritt. Das Pulpagewebe ist hier verschwunden, statt dessen findet man spindelförmige Zellen mit Zügen fibrillären Bindege- Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 143 webes und Gefässdurehsehnitten (G). Von dem äusseren Schmelz- epithel sind nur noch undeutliche Reste vorhanden. Am längsten erhält sich die Schmelzpulpa in der Furche zwischen den beiden Höckern und an den Seiten der unteren Hälfte der Papille. Das innere Epithel und das Stratum intermedium sind zwar noch über dem verkalkten Dentin in geschlossener Lage nachweisbar, haben aber eine wesentliche Veränderung erlitten. Am längsten bewahrt das innere Epithel seine charakteristische Gestalt über der Zone des unverkalkten Dentins, also im Grunde der Einsen- kung und zu beiden Seiten der Papille, ganz besonders aber dort, wo auch das unverkalkte Dentin noch nieht zur Abscheidung gekommen ist, an der Umschlagstelle des Epithels und in der Nähe der Basis der Papille. Hier findet man noch die schmalen hohen Cylinderzellen, welche sich deutlich von einander abgrenzen; jede derselben besitzt einen schmalen, länglich ovalen Kern, dessen Längsaxe senkrecht zur Oberfläche der Epithellage ge- stellt ist. Je weiter nach oben, gegen das verkalkte Dentin hin, um so niedriger und breiter werden die Zellen, um so un- deutlicher ihre Contouren. Auch die äussere, sonst ziemlich scharf gezogene Grenze des innern Epithels verwischt sich mehr und mehr. Zugleich werden die Kerne grösser, breiter und bläschen- förmig. Sie stellen sich mit ihrer Längsaxe nicht mehr senk- recht zur Oberfläche, sondern lagern sich parallel derselben. In der Nähe der Spitze der Höcker und auf denselben sind die Elemente mit ihren Kernen schliesslich stark abgeplattet. Eine ähnliche Veränderung geht mit den Elementen des Stratum in- termedium vor sich; auch wird dasselbe in der Zahl seiner Lagen redueirt, so dass sich auf den Höckern nur noch 2—3 Lagen platter Zellen nachweisen lassen. Ein Blick auf die Figuren 6 und { der Tafel VII wird diese Veränderungen am besten veran- schauliehen. Fig. 6 stellt den medialen Rand der Papille in ganzer Ausdehung dar; Fig. 7 ist der Oberfläche der Papille entnommen und zeigt die Grenze zwischen Dentin und Schmelz- organ. Die Zellenlagen, welehe sich auf dem Dentinscherbehen vorfinden, entsprechen mithin nicht, wie Tomes, Pouchet und Chabry angeben, dem äusseren und inneren Schmelzepithel, sondern sind die modifieirten Reste des innern Epithels und des Stratum intermediun, dem sich höchstens nur noch Reste des äusseren Epithels zugesellen können. 144 E. Ballowitz: Bei diesen Veränderungen des inneren Epithels bleibt nun der freie, gegen die Papille gewandte Rand der Zellen stets scharf begrenzt und erscheint, besonders über dem verkalkten Dentin, in Gestalt emer dunklen, sehr schmalen, scharf gezogenen Linie. Ob diese Randlinie mit der Bildung einer Cutieula dentis (— Schmelzoberhäutchen) zusammenhängt und ob überhaupt bei diesen Zähnen eine Cutieula dentis vorhanden ist, war nicht möglich zu entscheiden. Nicht selten kommt es vor, dass sich der Epithelüberzug von dem verkalkten Dentin etwas ablöst (Tafel VII Fig. 7*); es zeigt dann gewöhnlich auch das verkalkte Dentimr eine scharfe Begrenzung. Häufig war an meinen Präpa- raten der so entstandene Spalt zwischen Epithel und Dentin init lockerem Gerinnsel und Detritus angefült (Fig. T*). Nie- mals sah ich indessen die geringste Andeutung einer Schmelzbildung bei diesen Thieren, so dass ich mit Bestimmtheit aussagen kann, dass im embryonalen Leben eine Schmelzbildung seitens des Schmelzorganes nicht statt hat. Wie Pouchet und Chabry zutreffend schildern, wird nun bei weiterem Wachsthum und vermehrter Dentinablagerung die abgeplattete Epithelsehieht des Schmelzorganes defeet; es treten Bindegewebszüge an Stelle der verdrängten Zellen, bis sich schliesslich eine Membran nicht mehr erkennen lässt. Nur am Grunde der Papille erhält sich noch das Schmelzorgan, als ge- schlossene Membran, welche in Gestalt einer breiten, ringförmigen Manchette die Basis der Papille umgiebt. Hier bewahren auch die beiden Epithellagen die eharakteristische Form ihrer Elemente, während die Pulpa allmählich verschwindet und auch das Stra- tun intermedium eine Reduetion erleidet. Diesen noch weiter nach unten vorwachsenden, am längsten sich erhaltenden unteren Theil des Schmelzorgans will ich als Keimrand des Schmelz- organs bezeichnen. In Obigem wurde ein Epithelzapfen erwähnt, welcher an Frontal-Schnitten, die genau durch die Mitte des Zahnes gefallen sind, im Zusammenhang mit der medialen Fläche des Seiten- theiles’ des Schmelzorgans angetroffen wird. Diesen. Epithel- zapfen habe ich an keiner Zahnanlage vermisst, er befand sich, wie natürlich, stets an der lingualen Seite des Zahnkeims (Fig. 1, 2, 4, 5, 6, Z)). Dieser Epithelzapfen stellt die epithe- liale Zahnleiste dar. Bei den von mir untersuchten Embryonen Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 145 habe ieh dieselbe indessen nieht mehr, wie Tomes es noch für ein älteres Stadium abbildet, in Zusammenhang mit dem Mund- höhlenepithel bringen können. Es liessen sich zwar schmale Epithelstränge. von demselben bis in die Nähe des Mundhöhlen- epithels verfolgen (Fig. 2, ZI), doch erreichten dieselben letzteres nicht mehr. Die Zahnleiste ist mithin in diesen Stadien schon in ganzer Ausdehnung von dem Mundhöhlenepithel abgeschnürt. Wie die Serienschnitte erkennen lassen, bildet diese Zahnleiste auch bei . weiter vorgeschrittener Zahnentwickelung an der medialen Seite und in nächster Nähe der Zahnanlagen eine dünne, ziem- lich hohe Epithellamelle, welche sich aus eimem sehr deutlichen medialen Cylinderepithel, einem weniger bestimmten lateralen Epithel und zwischen beiden eingeschlossenen Epithelelementen zusammensetzt (Tafel VII, Fig. 6, ZI. Das mediale Cylinder- epithel ist mit dem umgebenden Bindegewebe nur in lockerem Zu- sammenhange, so dass es sich m Folge ungleicher Schrumpfung, ähnlich wie das innere Schmelzepithel, häufig von der Umgebung loslöst. Das laterale Epithel hingegen ist fest mit dem umgeben- den Bindegewebe vereinigt (vgl. Fig. 2, 4, 5 und 6). An der lateralen Fläche hängt nun das Schmelzorgan der Zahnanlage breit mit der Zahnleiste zusammen. Am leichtesten ist die untere Uebergangsstelle beider Epithelmassen aufzufinden (Fig. 6). Weniger deutlich sieht man meist die obere Uebergangsstelle, da «das äussere Schmelzepithel hier oft sehon undeutlich geworden ist (Fig. 2). Von der Nachbarschaft der Zahnanlagen aus, wo die Zahnleiste am meisten ausgebildet ist, setzt sich die epitheliale Platte continuirlich von Zahn zu Zahn durch die zahnfreien käume fort. Bei den Embryonen, bei welchen noch keine Den- tinbildung erfolgt war, besass die Zahnleiste auf diesen Strecken die Gestalt eines schräg gestellten, ungetheilten Epithelbandes, das sich in der Nähe des Mundhöhlenepithels seitlich oberhalb der medialen Knochenbegrenzung der Zahnrinne befindet. In weiteren Stadien, nach Ablagerung einer Dentinkappe, zeigt die Zahnleiste alsbald die Anzeichen eintretender Reduction: statt eines einfachen Bandes finden sich dann zwischen den Zahnan- lagen meist 1—4 kleine unscheinbare Epithelreste, wie Fig. 8 auf Tafel VII erkennen lässt. Zu einer Alveolenbildung ist es hier noch nieht gekommen, die Zähne sind noch durch einfaches Bindegewebe von emander getrennt. Bei ZI liegen drei Epithel- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 10 146 E. Ballowitz: reste der Zahnleiste. Nach vorne bis über die vorderste Zahn- anlage hinaus konnte icb nun bei Dasypus novemeinetus weder im Ober- noch im Unterkiefer im diesen Stadien die Zahnleiste verfolgen. Wohl aber erstreckt sich dieselbe nach hinten über die hinterste Zahmanlage hinaus in Gestalt eines zellenreichen, eylindrischen, etwas gebogenen Zapfens, der, ausser allem Zu- sammenhang mit dem Epithel der Mundhöhle, die Anzeichen der Zellenwucherung zeigte und jedenfalls noch weitere hintere Zähne entstehen lässt. Tomes hat diesen Epithelzapfen am Schmelzorgan als „seeundären Schmelzkeim“ im Sinne Köllikers gedeutet und daraus geschlossen, dass bei Tatusia peba ein Zahnwechsel be- steht. Ich möchte dieser Auffassung beitreten, besonders auch mit Rücksicht auf die Formverschiedenheit der Zahmpapille, resp. -Pulpa, welche die Zahnanlagen des Embryo und des erwachsenen Thieres zeigen. Man darf wohl die Beobachtung verallgemeinern und alle Gürtelthiere den Diphyodonten zu- rechnen. Aus den mitgetheilten Beobachtungen geht hervor, dass bei den Gürtelthieren im Laufe der Zahnentwickelung ein voll- ständiges Schmelzorgan auftritt, welches sich aus einem eylin- «rischen inneren und mit Epithelsprossen versehenen äusseren Epithel, einer wohl entwickelten Schmelzpulpa und einem breiten, mehrschiehtigen Stratum intermedium zusammensetzt, kurz alle charakteristischen Eigenschaften eines Schmelzorgans besitzt, dabei aber keine Spur von Schmelz absondert. Man kann daher die Schmelzpulpa und das Stratum intermedium, wie wohl ge- schehen, nicht in nähere Beziehung zu der Schmelzbildung bringen. Gegen die Annahme, dass die Pulpa als Ernährungs- organ und Bildungsmaterial für den entstehenden Schmelz von Wichtigkeit wäre, spräche auch schon der Umstand, dass die Schmelzpulpa der Schmelzmembran an der schmelzbildenden Aussenfläche der Nagezähne der Nagethiere fehlt. Nach Wal- deyer!)ist die Aufgabe der Schmelzpulpa mehr als eine mecha- nische zu betrachten, in sofern, als sie „gewissermaassen den Platz für den wachsenden Zahn offen hält.“ Man könnte hieran 1) Waldeyer, Bau und Entwickelung der Zähne, in Stricker’s Handbuch der Lehre von den Geweben. Capitel XV, 1871. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 147 auch bei den schmelzlosen Zähnen der Edentaten denken, nur befremdet dabei, dass die Pulpa schon so früh zu Grunde geht, nachden kaum erst eine unbedeutende Dentinscherbe gebildet ist. Immerhin würde die Bedeutung des Schmelzorganes bei den Edentaten völlig räthselhaft bleiben müssen, wäre die Bil- dung des Schmelzes seine einzige Aufgabe. Denn die Ver- muthung,‘ es könne sich hier nur einfach um ein rudimentäres, funetionslos gewordenes Organ handeln, wird schon dureh die oben geschilderte hohe Ausbildung des Organs hinfällig. Dureh die Untersuchungen A. von Brunn's!) ist nun vor wenigen Jahren ein ganz neuer Gesichtspunkt eröffnet und eine funktionelle Bedeutung des Schmelzorganes klargelegt worden, die bis dahin nieht in Betracht gezogen war und die für die Zahnbildung weit wichtiger ist, als die Schmelzbildung selbst. v. Brunn stellte nämlich fest, dass bei der Entwiekelung der schmelzführenden Wurzelzähne nur einem bestimmten Theil des Schmelzorgans die Aufgabe zufällt, durch Umwandlung des inneren Epithels Schmelzprismen zu bilden. Der untere Rand des Schmelzorgans hingegen, welcher oben von mir als Keimrand bezeichnet wurde, wuchert stetig weiter, entsprechend der Form der späteren Wurzel; dieser untere Theil setzt sich nur aus zwei Schiehten zusammen, einem niedrigeren inneren und einem äusseren Epithel ?). Diese Fortsetzung des Schmelzorganes umgrenzt 1) A. von Brunn, Ueber die Ausdehnung des Schmelzorgans und seine Bedeutung für die Zahnbildung. Arch. für mikrosk. Ana- tomie Bd. 29. 2) v. Brunn hat diese nicht Schmelz produeirende Epithel- wucherung als „Epithelscheide“ bezeichnet, eine Benennung, welche zuerst von OÖ. Hertwig (Ueber das Zahnsystem der Amphibien. Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. XI, Suppl. 1874) für die nicht secer- nirende Epithelhülle der Zahnanlagen der Amphibien eingeführt wurde. Folgerichtig müsste man daher das ganze Schmelzorgan der Eden- taten als „Epithelscheide* bezeichnen. Doch dürfte sich diese Be- zeichnung hier nicht empfehlen, weil, wie wir gesehen haben, das Schmelzorgan der Edentaten nicht allein aus dem äusseren und inne- ren Epithel, wie die „Epithelscheide“, gebildet wird. Es besitzt viel- mehr die Zusammensetzung, welche das Schmelzorgan bei schmelz- führenden Wurzelzähnen oberhalb der Bezirke aufweist, in deren Be- reich Schmelz gebildet wird, da nach Röse (l. ce. pag. 472) bei Säuge- thieren mit bewurzelten Zähnen Schmelz sich nur in der Ausdehnung findet, als vorher die Sternzellenschicht der Schmelzpulpa angelegt 148 E. Ballowitz: mithin den in der Verlängerung der Pulpa, resp. der Pulpahöhle gelegenen Theil des Bindegewebes (l. e. pag. 376 und 377): „Das letztere nimmt zugleich die zellenreiche Beschaffenheit der Pulpa an; sodann lässt es Odontoblasten aus sich hervorgehen, die sich an der Innenseite der Epithelscheide festsetzen und dann bald mit der Bildung des Dentins beginnen. Ich erwähne diese drei Vorgänge — Epithelwucherung und Pulpabil!dung — Odontoblastenentstehung — Dentinabscheidung — in dieser Reihen- folge, weil sie in ihr, vom freien Rande der Zahnanlage ge- rechnet, so aufeinander folgen und weil sie auch zeitlich in einem Querschnitt des Zahnes so sich nach einander einstellen ; ganz besonders muss ich dabei betonen, dass die ersten Odonto- blasten immer erst in emiger Entfernung von dem freien Rande der Epithelscheide gefunden werden.“ „Ist nun in der von dem freien Rande der Epithelscheide am weitesten entfernten Partie der künftigen Wurzel, aber im Zusammenhange mit dem Zahn- bein der Krone, die erste dünne Lage des Dentins gebildet, so tritt eine Bindegewebsdurchwachsung der daselbst liegenden Partie der Epithelscheide ein, ......... sodass zuletzt der tiefste Theil der Epithelscheide seinen Zusammenhang mit dem Sehmelzepithel der Krone einbüsst und sich ohne scharfe Grenze in das neugebildete Alveolodentalperiost verliert. Unterdessen ist das Wachsthum der Epithelscheide in die Gewebe des Kiefers hinein weiter gegangen — mit ihr die Bildung der Odontoblasten, des Dentins —, und so geht es weiter bis zur späteren Wurzel- spitze des Zahnes. Ist auch hier die äusserste Dentinschicht angelegt, so verschwindet die Epithelscheide allmählich, indem nach dem Aufhören ihres Wachsthumes die Bildung des Alve- olodentalperiostes bis zur Spitze fortschreitet.“ Denselben Process beobachtete v. Brunn auch bei der Bildung der Schneidezähne der Nagethiere an der coneaven schmelzlosen Seite der Zähne. Auch hier bleibt nur der Keim- rand des Schmelzorgans übrig, welches nach vorne ringförmig mit der persistirenden Schmelzmembran der Vorderseite der Zähne zusammenhängt. „Dieser Umschlagrand ist stets der am weite- sten nach hinten reichende Theil des gesammten -Zahn- und war“. Höchstens könnte man die übrigbleibende Epithelmanchette, von mir als Keimrand benannt, als „Epithelscheide“ bezeichnen. Das Sehmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo etc. 149 Zahnbildungsgewebes — speeiell reicht er stets eine Strecke weiter nach hinten als die äusserste Grenze des Odontoblasten- lageıs" (l. ©) pag. 371).- Bei diesenizeitlebens wach- senden Zähnen der Nagethiere geht dieser Theil des Schmelzorgans aber nieht zuGrunde, wie bei den Wurzelzähnen mit abgeschlossenem Wachs- thum, sondern bleibt, wie von Brunn fand, in die- sem Zustande während des ganzen Lebens er- halten. v. Brunn schliesst hieraus, dass die Schmelzbildung nicht die einzige Function der eingestülpten Epithelmasse ist, dass vielmehr diese in ihrer Totalität eine formbildende Rolle bei der Zahnentwicklung spielt (l. e. pag. 372). „Sem Vorhandensein ist offenbar nothwendig dazu, dass sich an der rechten Stelle — seiner inneren Fläche — die Odontoblasten anlagern; es bildet die Matrize für die spätere, erst durch die Odontoblasten zu schaffende Dentinmasse. Haben sich die Odontoblasten in der richtigen Lage aneinandergelegt, haben sie die erste dünne Elfen- beinschieht gebildet, — ist auf solehe Weise die Form des neuen Zahntheils gesichert, so ist die Rolle des Schmelzepithels für dieses Zahnstück ausgespielt. Jetzt kann die Beseitigung des letzteren beginnen und das dazu dienende Bindegewebe die Form zerstören.“ Diese wichtigen Resultate sind kürzlich auch für die Zahn- entwicklung des Menschen von Röse!) bestätigt worden. Von diesen Thatsachen ausgehend, hegte ich nun von vorn- herein die Vermuthung, dass sich auch bei den erwachsenen Edentaten noch funetionirende Reste des Schmelzorgans vorfinden müssten, eine Vermuthung, welche sich bei Untersuchung gut eonservirten Spiritusmaterials durehaus bewahrheitete. Bekanntlich sind die Zähne der Gürtelthiere und Faul- thiere immerwachsende, wurzellose Stummelzähne, welche sich, wie ein Blick auf einen frontalen Durehschnitt durch eine Unter- kieferhälfte mit einem in seiner Alveole steekenden Zahn von einem erwachsenen, mittelgrossen Exemplar von Dasypus peba 1) ©. Röse, Ueber die Entwickelung der Zähne des Menschen. Arch. für mikrosk. Anatom. Bd.38, Heft 4, 1891, pag. 447. 150 EB. Ballowitz: Desm. (= D. novemeinectus Aut.) Tafel VII, Fig. 9 erkennen lässt, aus Cement und Dentin zusammensetzen. Bei den Faulthieren kommt hierzu noch Vasodentin. Das Cement besitzt die Gestalt eines dünnwandigen Hohl- eylinders, welcher die Seitenflächen des Dentinkörpers rings- herum umgibt. Auf dem Längsschnitte erscheint das Cement daher zu beiden Seiten des Dentins in Gestalt eines schmalen Streifens, welcher die Knochenhöhlen mit den Knochenzellen in regelmässiger Vertheilung enthält (Fig. 90). Dieser Streifen ist von oben bis unten, bis in die Nähe des unteren Randes des Dentinkörpers, von gleicher Breite. Unten dagegen, in der Nähe der Basis der Pulpahöhle, verschmälert sich die Cement- schiebt ziemlich schnell (CM) und läuft fein zugeschärft aus, ohne jedoch den unteren Rand des Dentmkörpers zu erreichen. Der rauhen, unregelmässigen Aussenfläche dieser sich verschmälern- den Stelle liegt dieht gedrängt eine Zellschieht grosser Osteo- blasten an (CM). Bei Untersuchung mit starker Vergrösserung (Fig. 10) erkennt man deutlich, wie von dieser Zellschieht die Elemente sich suecessive in das entstehende Cement einlagern und zu den Knochenkörperchen des Gements werden (Fig. 100 und CM). Wir haben es hier also mit der Bildungsstätte des Cements zu thun, von hier aus wächst der, Cementeylinder per- manent nach oben hin nach. Mit dem fertigen Cement verbindet sich aussen das Alveolodentalperiost (Ap), dessen Bindegewebs- züge von der Alveolenwand schräg gegen den Zahn nach unten hin verlaufen. Der vom Cement umgebene Dentinkörper (Fig. 9 D). zeigt oben eine unregelmässige cementfreie Kaufläche, unten umschliesst er die weite Oeffnung der kegelförmigen Pulpahöhle; die letztere ist bei Dasypus oft noch schlanker ausgezogen, als in der Zeichnung angegeben, bei den Faulthieren hingegen ist sie sehr breit. Am weitesten nach innen gegen die Pulpahöhle erkennt man am Dentin einen schmalen Streif (D*), welcher sich nach oben hin allmählich verschmälert, um an der Spitze der Pulpahöhle ganz zu fehlen. Diese schmale Zone ist das noch unverkalkte Dentin, welches sich in den Präparaten durch differente Färbung deutlich von dem bereits verkalkten Dentin abhebt. Wie bei der embryonalen Zahnentwicklung erstreckt sich das unverkalkte Dentin nach unten hin über den Bereich des verkalkten Dentins hinaus, so > Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo ete. 151 dass der untere, scharfe, fast immer etwas nach innen umge- bogene Rand des Dentinkörpers ausschliesslich von dem unver- kalkten Dentin gebildet wird (vgl. Fig. 9 und 10). Die Pulpahöhle ist erfüllt mit dem kernreichen Pulpage- webe, welches von zahlreichen Blutgefässen «durchzogen ist, die, vermittelst der weiten Communikationsöffnung der Pulpahöhle, mit den Gefässen des Mandibularkanals (MK) communieiren. Die Oberfläche der Pulpamasse, welche sich häufig in Folge einge- tretener Schrumpfung von dem Dentin gelöst hat, ist bedeckt mit einer Lage dichtgedrängter, schön entwickelter, schlank aus- gezogener Odöntoblasten, deren Fortsätze sich zum Theil weit in den Dentinkörper hinem verfolgen lassen. Ganz besonderes Interesse beanspruchen nun die Seiten- theile der Basis der Pulpapapille. Schon bei schwacher Ver- grösserung sieht man hier unmittelbar unterhalb und nach innen von dem unteren Dentinrande einen intensiv gefärbten, sofort im die Augen fallenden Zellstreifen, welcher ein wenig gebogen, sonst aber meist ziemlich horizontal in die Basis der Papille von jeder Seite her scharf einschneidet. Hierdurch wird der Grund der Papille ringsherum eingeschhärt (Fig. 9 SEK) Der innere Rand dieser ringförmigen Zellplatte ist abgerundet und etwas verdickt, der äussere schärft sich zu und verliert sich in dem Gewebe, welches nach aussen von dem unteren unver- kalkten Dentin gelegen ist. Bereits mit schwacher Vergrösserung sieht man (Fig. 9), dass die obere Fläche und der imnere Rand, welche beide gegen das Pulpagewebe hin sehen, nur in losem alte Zusammenhange mit dem letzteren stehen und sich daher meist etwas von demselben abgelöst haben. Der untere Rand dagegen ist fest mit dem darunter gelegenen Bindegewebe verwachsen). 1) Die Form dieser Zellmasse variirt übrigens etwas. Bei einem erwachsenen Exemplare von Dasypus peba Desm. besass sie an allen Zähnen die kurze breite Form, wie sie in den Figg. 9 und 10 der Taf. VII dargestellt ist. Bei einem erwachsenen Exemplar von Dasypus sep- temeinetus Schreber hingegen war die Epithelmasse mehr schmal und lang ausgezogen und trat nicht so ausserordentlich scharf abgesetzt hervor, grenzte sich aber doch von dem umliegenden Gewebe sehr deutlich ab. Auch bei den erwachsenen Faulthieren ist dieser Epithel- ring vorhanden. Fig. 11 auf Tafel VII zeigt denselben an der Basis eines Kauzahnes des Unterkiefers eines alten Exemplares von Choloepus 152 E. Ballowitz: Die Prüfung dieser Stelle mit starker Vergrösserung (Fig. 10) macht sofort- zur Gewissheit, dass es sich hier um ein epitheliales Gebilde handelt. Man sieht (Fig. 10 SEK), dass die Ringplatte sich aus zwei Lagen hoher, schmaler, etwas unregelmässig ge- stalteter Zellen zusammensetzt, einer oberen inneren und einer unteren äusseren. Am imnern, gegen die Pulpa gerichteten, meist etwas gewulsteten Rande des Organs gehen beide Zell- lagen eontinuirlich im emander über und zeigen hier gewöhnlich eine mehr keilförmige Gestalt. Zwischen diesen beiden Zell- lagen befinden sich meist im inmnern diekeren Abschnitte noch einige undeutliche Elemente von wechselnder Zahl, welche sich nach aussen allmählich verlieren. Das Aussehen aller dieser Zellen ist nun in den gefärbten Präparaten ein sehr eigenthün- liches. Ihr Protoplasma färbt sich sehr intensiv, sodass die Kerne meist nicht deutlich zu erkennen sind; nur nach aussen, wo die Färbung allmählich abnimmt, treten sie deutlich hervor (Fig. 10). Die intensiv gefärbten Elemente grenzen sich durch schmale, hellere Linien von einander ab. Die Aussenfläche der Epithelzellen setzt sich scharf gegen die Umgebung ab, beson- ders oben und innen, dort, wo sich leicht der schon erwähnte Spaltraum (Fig. 10 bei*) bildet. Nur der äussere verschmälerte Rand der Epithelplatte ist undeutlich und verliert sich in der Zellenmasse,, welche sich nach aussen von dem wnverkalkten Dentin befindet. Hier lagern mehrere abgeplattete, spindelförmige, meist nur undeutlich von einander abgrenzbare Elemente, welche nach oben continuirlich in das Osteoblastenlager der Bildungs- stätte des Cements übergehen (Fig. 10). Diese Zellen sind meist in innigem Contakt mit dem unverkalkten Dentin, so dass sie gewöhnlich der umgebogenen Spitze des Dentins im Schnitt dieht anlagern. Hierdurch entsteht zwischen ihnen und dem Epithelorgan häufig ein kleiner, trennender Spalt. didaetylus Illig; die Epithelmasse (SEK) hat hier genau dasselbe Aus- sehen, dieselbe Zusammensetzung und dieselbe Lage, wie bei Dasypus. — Wie oben von mir ausgeführt wurde, ist dieser Epithelring schon von Pouchet und Chabry bei einem 23cm langen Embryo des dreizehigen Faulthieres gesehen und sehr zutreffend beschrieben wor- den. Derselbe bildet hier schon den einzig übrig gebliebenen Rest des Schmelzorganes, geht aber bei weiterer Entwickelung nicht zu Grunde, sondern bleibt zeitlebens an der Basis der Papille erhalten. Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo etc. 153 Ohne Zweifel ist nun dieser Epithelring der persistirende untere Keimrand des eınbryonalen Scehmelzorgans, wie ein Vergleich der Figur 10 mit den Figuren 2, 4, 5 und 6 sofort zeigt. Die obere Platte des Epithel- ringes entspricht dem innern, die untere dem äussern Schmelz- epithel. Am innern Rande hat sich der eontinuirliche Uebergang der beiden Epithellagen in einander noch erhalten. Auch das verschiedene Verhalten der obermm und untern Fläche zu dem umgebenden, mesodermalen Gewebe ist genau dasselbe, wie an dem Keimrande des embryonalen Organs (vgl. Fig. 2, 4 und 5). Die vollste und wichtigste Bestätigung erhält diese An- nahme aber durch das Verhalten der Pulpazellen in der Umge- bung des Epithelringes. Dort, wo der abgerundete innere Rand der Epithelplatte gegen die Pulpamasse vorragt, zeigen die ober- flächlichsten Pulpazellen noch einen vollständig imdifferenten Cha- rakter (Fig. 10 SEk). Je weiter wir die oberflächlichen Pulpa- zellen aber, entsprechend der oberen Fläche des Epithelorgans, nach aussen verfolgen, um so regelmässiger lagern sie sich zu- sammen, um so mehr nehmen sie die Gestalt und Anordnung der Odontoblasten (Od) an. Der anfangs runde Kern wird oval und stellt sich mit seiner Längsaxe senkrecht zur Pulpaoberfläche. Die Zellen selbst werden zu eylindrischen, dann schliesslieh lang ausgezogenen Elementen. In der Nähe der äussersten Dentin- spitze und in dem abgerundeten Winkel des nach innen umge- bogenen unverkalkten Dentins sind bereits die typischen Odonto- blasten vorhanden. Ganz besonders erscheinen die Odontoblasten in dem erwähnten Winkel dicht gedrängt. Hier, im Bereich der oberen Fläche des Epithelorgans, liegt demnach die Bildungs- stätte der Odontoblasten, hier reerutiren sich dieselben und rücken von hier dann allmählich an der Aussenfläche der Pa- pille vor. In gleichem Schritt mit der Ablagerung des Dentins werden dann die Odontoblasten allmählich nach oben gegen die Spitze der Pulpapapille wandern müssen, wo dann schliesslich die Dentinbildung aufhört und die abgedienten -Odontoblasten, ent- sprechend der Abnutzung des Dentins, zu Grunde gehen. Dass hier oben wirklich die Dentinbildung aufhört, beweist der Mangel des unverkalkten Dentins. Wir sehen also, dass hier bei der permanenten Dentinpro- duktion dieselbe Reihenfolge der Vorgänge obwaltet, die bei der 154 BerBalikovaneze: Zahnentwickelung im Gefolge der „Epithelscheide* beobachtet wird: Epithelwucherung — Odontoblastenentstehung — Abschei- dung des unverkalkten Dentins — Verkalkung des abgeschie- denen Dentins, eine Reihenfolge, auf deren Bedeutung, wie oben hervorgehoben, von Brunn besonders hingewiesen hat. Auch werden hier, ganz ebenso, wie es von Brunn auch für die „Epithelscheide“ betont, die ersten Odontoblasten immer erst in einiger Entfernung von dem freien Rand der Epithelwucherung angetroffen. Es erhalten sich mithin bei den 'permament wach- senden Zähnen der Edentaten am Grunde der Papille zeitlebens embryonale Verhältnisse. Nach Allem liegt klar zu Tage, dass die ein- zige Funktion des so vollständig entwickelten Schmelzorgans bei den Edentaten die formbil- dende und das Wachsthum des Zahnes regulirende ist! © Auch bier erfolgt die Bildun& und Al nung der Odontoblasten stets nuran der Innen- fläche des Organs, gewissermassen auf den Reiz der Epithelwucherung hin. Während der obere Theil desSchmelzorgans, sobald diese seine Auf- sabe erfüllt ist und die ersten Dentinlagen abge- sondert sind, sehr frähbzeitig zW. Grunde gchti,er hälttsichider wutere/Theilfdesselben zeitlebens an der Basis der Pulpapapille, weil von hier aus der Zahn während des ganzen Lebens nachwächst — gewiss ein schlagender Beweis dafür, dass die wesentliche Substanz des Zahnes, das Dentin, nur unter Vermittelung des Schmelzorganes ge- bildet werden kann. Diese Aufgabe des Schmelz- organs muss daher als seine wichtigste und primäre aufgefasst werden; die Schmelzbildung kommt erst in zweiter Linie in Betracht. — Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI u VI. In allen Figuren sind von gleicher Bedeutung: D — Dentin; D* — junges, noch unverkalktes Dentin; C — Cement; SE — Schmelz- epithel; SEa — äusseres Schmelzepithel; SEi — inneres Schmelzepithel ; PET nf Das Schmelzorgan der Edentaten, seine Ausbildung im Embryo etc. 155 SEsi — Stratum intermedium; SEp — Schmelzpulpa; SEK — unterer Keimrand des Schmelzorganes; ZI — Zahnleiste; Od — Odontoblasten; AP — Alveolodentalperiost; K — Knochen; MR — Mandibularkanal mit dem Imhalt der Gefässe und Nerven; CM — Bildungsstätte des Cements; EP — Mundhöhlenepithel; * — dureh ungleiche Schrumpfung der Gewebe künstlich entstandener Spaltraum zwischen Epithel und mesodermalem Gewebe; G — Gefässdurchschnitt; P — Zahnpapille. Fig. 1. Frontaler Durchschnitt durch den vorderen Theil‘des ganzen Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Unterkiefers eines Embryos von Dasypus peba Desm. (D. no- vemeinetus Aut.); Scheitel-Steisslänge 6 em (Zeiss Obj. A Oecul. 2). Auf jeder Seite der kreisrunde Querschnitt durch den Meckel’schen Knorpel und der Durchschnitt durch die Kieferanlage mit dem Mandibularkanal und der Zahnrinne; in letzterer die Zahnanlage, deren Papille von dem Schmelz- organ durch einen künstlich entstandenen Spaltraum etwas getrennt ist. Frontalschnitt durch eine Zahnanlage desselben Unterkiefers. Zeiss, Obj. D, Ocul.3. Schmelzorgan im Zusammenhang mit der Zahnleiste (ZI), letztere lässt sich bis in die Nähe des Mundhöhlenepithels (Ep) verfolgen. Durchschnitt durch das Schmelzorgan oberhalb: der oberen Fläche der Papille, aus dem Unterkiefer desselben Embryos. Zeiss Obj. F, Ocul. 2. Das äussere Schmelzepithel etwas ge- faltet. Schmelzpulpa (SEp), Stratum intermedium (SEsi) und inneres Schmelzepithel (SEi) deutlich. Letzteres zeigt un- regelmässige fädchenartige Fortsätze, welche in den künst- lichen Spaltraum (*) zwischen Epithel und Papille hineinragen und ähnlichen Fortsätzen an der Papille (P) entgegensehen. Frontaler Durchschnitt durch den vordersten Theil der Zahn- anlage aus dem Unterkiefer eines Embryos von Dasypus peba Desm. (D. novemeinetus Aut.), Steiss-Scheitel-Länge 8 cm. Papille hier noch ungelappt. ZEaZ Epithelsprossen des Äusse- ren Schmelzepithels. Zeiss Obj. D, Ocul. 2. Frontaler Durchschnitt durch die Mitte desselben Zahnes. Zahnpapille in zwei Zipfel getheilt. SE reducirtes Schmelz- organ. SEK unterer Keimrand des Schmelzorgans. Zeiss 0bj-. Di Oceul- 2. Seitenrand der Papille mit dem medialen Theil des Schmelz- organs, das letztere im Zusammenhange mit der Zahnleiste (ZI), welche sich mit ihrem medialen Epithel von dem imeso- dermalen Gewebe gelockert hat, so dass ein künstlicher Spalt (*) entstanden ist. . D verkalktes, D* unverkalktes Dentin. Schmelzpulpa und äusseres Epithel oben verschwunden. Zwi- schen dem inneren (SEi) und äusseren Epithel (SEa) des Keim- randes (SER) des Schmelzorgans noch das Stratum interme- dium und Reste der Sternzellenschicht der Pulpa. Inneres 156 Fig. Fig. N = 10. 11. E. Ballowitz: Das Schmelzorgan der Edentaten ete. Epithel und Stratum intermedium zeigen die von oben nach unten vorgeschrittene Veränderung und Reduktion. P Seiten- rand der Zahnpapille mit den Odontoblasten (Od). Aus dem Unterkiefer eines Embryos von Dasypus novemeinctus von 8cm Scheitel-Steiss-Länge. Zeiss Obj. F, Oeul. 2. Stück der Oberfläche der Zahnanlage aus denselben Präpa- raten, wie Fig.6. Zeiss Obj. F, Ocul. 3. D verkalktes Dentin; SE modifieirtes inneres Schmelzepithel und Stratum interme- dium. Pulpa und äusseres Epithel verschwunden. GG Durch- schnitte durch Blutgefässe des unmittelbar an das Epithel stossenden mesodermalen Gewebes. Bei * künstlicher Spalt- raum zwischen Epithel und verkalktem Dentin. Frontaler Durchschnitt durch den Unterkiefer in dem Zwi- schenraum zwischen zwei Zahnanlagen. K Knochen des Unter- kiefers. G Gefässdurchschnitt. ZI Reste der Zahnleiste. Em- bryo von Dasypus peba Desm. (D. novemeinctus Aut.) von Scm Scheitel-Steiss-Länge. Frontaler Durchschnitt durch eine Unterkieferhälfte mit einem in seiner Alveole steckenden Zahne, der letztere in der Mitte der Länge nach getroffen. Völlig erwachsenes Exemplar von Dasypus peba Desm. (D. novemeinctus Aut... Zeiss Obj. A, Ocul. 2. SEK persistirender Keimrand des Schmelzorgans. Linker Seitentheil der Basis der Zahnpulpa desselben Präpa- rates mit dem persistirenden Keimrand des Schmelzorgans (SEK), Winkel homogene Immersion 1/4, Oe. 2. Linker Seitentheil der Basis der Zahnpulpa von Choloepus didaetylus Ilig. SEK persistirender Keimrand des Schmelz- organs. (Aus dem zoologischen Institut zu Heidelberg.) Zur Histologie der Ctenophoren. Von Dr. phil. et med. Paul Samassa. Hierzu Tafel VII— XI. Die vorliegende Untersuchung wurde hauptsächlich unter- nommen, um über das Nervensystem der Ctenophoren neue Auf- klärungen zu gewinnen. Die Ansichten darüber gehen bekanntlich schr auseinander: während Eimer (8) einen ausserordentlichen Nervenreiehthum bei Beroe gefunden zu haben glaubte, sprach Chun (3) den Ctenophoren ein Nervensystem im Sinne der übri- gen Thiere überhaupt ab. Schliesslich gelangte die Annahme R. Hertwig’s (17) zu ziemlich allgemeiner Geltung, der einen eetodermalen Nervenplexus ähnlicher Art fand, wie er von sei- nem Bruder und ihm bei Actinien und Medusen aufgedeckt worden war. Diese Annahme schien um so sicherer, als auch Chun (4) von seiner zuerst ausgesprochenen Meinung zurück- kam,und sieh Hertwig 's Ansicht anschloss. Aber auch nach Hertwig's Arbeit schienen wichtige Punkte noch unaufge- klärt: so konnte er eine Verbindung des Nervenplexus mit dem Sinneskörper nicht nachweisen und sich auch über die m der Gallerte verlaufenden Fasern nicht überall mit Sicherheit aus- sprechen. Diese Punkte beabsichtigte ich einer erneuten Unter- suchung zu unterziehen; je weiter ich aber in die gesteckte Auf- gabe eindrang, destomehr kam ich zu Anschauungen, welche von Hertwig’s Ansichten beträchtlich abweichen. Dadureh bin ich genöthigt, die Frage nach dem Nervensystem der Ctenophoren in vollem Umfange von Neuem aufzuwerfen. Eine genaue Untersuchung des Epithels ergab sich als noth- wendig und auch alle übrigen Organe mussten berücksichtigt werden, soweit sie zu der vorliegenden Frage Bezug hatten. Dar- nach bitte ich die Vollständigkeit meimer Angaben zu beurtheilen. Meine Untersuchungen erstreekten sich auf Vertreter der Hauptfamilien, nämlich: Euchlora rubra Chun, Hormiphora Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 11 158 PaulSamassa: plumosa L.Ag., Callianira bialata Dell. Chiaj., Eucharis multicornis Eschseh., Cestus veneris Les.,, Beroe ovata Dell. Chiaj. und Beroe Forskalii Chun. Da ich einen Unter- schied zwischen den beiden Species von Beroe in ihrem histolo- gischen Verhalten nicht bemerken konnte, so gelten meine An- gaben immer für beide. Mit der Beschreibung der Technik will ich nicht ermü- den, da sie nichts Neues bietet. Ich will nur auf einen Punkt eingehen: gute Schnittserien smd zum Studium hier ebenso not- wendig wie Isolationspräparate. Hertwig und Chun geben mit Reeht an, dass Paraftmeinbettung für Ctenophoren wenig geeignet sei, da sie starke Schrumpfung hervorrufe. Ich bediente mich mit gutem Erfolge der bekannten Oelloidinparaftinmethode. Ich kann folgende Modifieation empfehlen, die ich für meine Zwecke nach verschiedenen Versuchen am geeignetsten fand: Das Object wird aus absolutem Alkohol in ein Gemisch von ‚Aether und absolutem Alkohol zu gleichen Theilen gebracht. Das käufliche Celloidin wird in kleine Stücke zerschnitten und im Wärmsehrank getrocknet, um das Wasser daraus vollkommen zu entfernen. Hiervon wird täglich ein Stückchen dem Alkohol-Aethergemisch, in dem das Object sich befindet, zugesetzt, so dass die Lösung etwa nach 10 Tagen eime zähflüssige Consistenz erhält. Da der lange Aufenthalt in der Lösung dem Objeete nieht im Ge- ringsten schadet, so ist eine langsame Steigerung des Celloi- dingehaltes sehr zu empfehlen, weil dadurch die Schrumpfung möglichst vermieden wird. Das Objeet wird hierauf in ein mit der Lösung, in der es sich zuletzt befand, gefülltes Schäl- chen übertragen. Sobald sich das Celloidn an der Luft mit einer Haut überzieht, überträgt man das Schälchen in Berga- motte- oder Origanumöl, und sobald das Celloidn ganz durch- sichtig geworden ist, wird das Objeet in viereckigem Block aus- geschnitten und in Paraffin übertragen, das einmal gewechselt wird. Das Celloidin behält im Paraffin die Farbe des Oeles bei, was durchaus nieht schädlich ist. Der Vorzug des Oeles vor dem Chloroform oder der viel längerdauernden Alkoholbehandlung liegt darin, dass das Celloidin nieht zu sehr erhärtet, so dass ich Serien von einer Schnittdieke von 5 u leicht schneiden konnte. Ich begann meine Untersuchungen im Winter 1890/91 in der zoologischen Station zu Neapel. Für den mir daselbst zu- Zur Histologie der Ctenophoren. 159 gewiesenen Tisch erlaube ich mir -dem hohen k. k. oesterr. Ministerium für Cultus und Unterricht meinen Dank auszusprechen. Desgleiehen bin ich Herrn Geh.-Rath Dohrn zu Dank verpflichtet, der mir die Benützung des Arbeitstisches, nachdem mein Ver- fügungsrecht über denselben bereits erloschen war, in liebens- würdigster Weise noch für einen weitern Monat gestattete. Die Untersuchung geschah jedoch nur nebenbei, da ich auch noch mit andern Arbeiten beschäftigt war. Nachdem ich dann an eonservirtem Material zu den wichtigsten Resultaten gekommen war, musste mir eine neuerliche Untersuchung des frischen Mate- rials erwünscht erscheinen; doch glaube ich nicht, dass durch Unterlassung derselben wesentliche Lücken entstanden sind. Der Untersuchung des conservirtem Materials unterzog ich mich im hiesigen zoologischen Institut, und es ist mir eine angenehme Pflieht, Herrn Prof. Bütschli für seine rege Antheilnahme und für so manchen guten Rath auch an dieser Stelle meinen herz- lichsten Dank auszusprechen. Epithel. Beirore: Man kann am Epithel von Beroe deutlich zwei Zell- formen unterscheiden: Drüsenzellen und zwischen den- selben ein Gewebe, das die Drüsenzellen umscheidet und die Zwischenräume zwischen denselben ausfüllt; ich will es als inter- stitielles Gewebe bezeichnen. Man bringt dasselbe am Besten zur Anschauung an durch Osmium stark gebräunten, ungefärbten Präparaten (Fig. 1,16). Auch an Alkohol-Material, das nach- träglich nach der Löwit’schen Goldmethode behandelt war, habe ich brauchbare Bilder gewonnen. Man sieht an derartigen Prä- paraten ein grobes Maschenwerk (Fig.1, 1G) von deutlich faserigem Bau; die hellen Lücken (Fig. 1, Db) in demselben zeigen meist eine sehr feine polyedrische Zeichnung. Die Oberfläche des Maschenwerkes ist von kleinen Körnchen (Fig. 1,K) bedeckt, die einen Durchmesser von 2 u besitzen. Gegen den Sinnespol stehen die Drüsenzellen nieht mehr so dicht und das Zwischengewebe gewinnt an Raum (Fig. 2). Dasselbe enthält überall eine grosse Zahl von Kernen. Von Zellgrenzen ist nirgends etwas zu sehen, und, da die Kerne zahlreich übereinander liegen, der Gedanke an ein eylindrisches Epithel völlig auszuschliessen. Ich vermuthe, 160 Paul Samassa: dass die Kerne zu den faserigen Zügen in selbem Verhältnisse stehen, wie etwa bei Wirbelthieren die Kerne des Bindegewebes zu letzterem. Doch ist der Gedanke vielleicht nieht auszuschliessen, dass es sich um fest verklebte, spimdelförmige und sternförmige Zellen handelt. Es erwies sich als sehr widerstandsfähig gegen alle darauf angewandten Reagentien. Eime eigenthümliche Gestaltung gewinnt das Epithel im Magen von Beroe (Fig.6) und — wie ich gleich hier bemerken will — aller von mir daraufhin untersuchten Ctenophoren. Die Drüsenzellen stehen hier viel diehter und das interstitielle Gewebe ist auf einzelne verästelte Zellen (Fig. 6,1G) redueirt, welehe zwischen ihnen liegen. An stark mit Osmiumsäure behandelten Präparaten treten scharf umschriebene Fasern hervor, so dass es vollständig das Aussehen eines Nervenplexus erhält, wofür ich diese Zellen ursprünglich auch hielt. An schwächer mit Osmium behandelten Präparaten überzeugt man sich jedoch, dass diese Fasern sich stark verästeln und so den Zwischenraum zwischen den Zellen ausfüllen (Fig. 6,16). Volle Sicherheit gewinnt man aber erst an Querschnitten (Fig. 4). Hier findet man zwischen den hohen Drüsenzellen ein feines Fachwerk (Fig. 4,16), in dem Kerne liegen, die sich durch eine intensivere Färbung von den Kernen der Drüsenzellen in charakteristischer Weise unterscheiden. Die Kerne liegen entweder zwischen den Drüsenzellen und haben dann eine länglich ovale Form, oder es liegt zwischen den Drüsen- zellen je ein rundlicher Kern an der basalen und an der äussern Seite des Epithels. Eine grössere Zahl habe ich nicht beobachten können; so dass in der geringen Zahl der Kerne, so wie in der geringeren Dieke der Scheidewände ein sehr kennzeichnender Unterschied dem Körperepithel gegenüber liegt. Diesem interstitiellen Gewebe wurde bisher wenig Beachtung geschenkt. Auf Eimer's (8) Angaben über das Körperepithel brauche ich wohl nicht einzugehen, da bereits Hertwig (17) und Chun (34) nachgewiesen haben, dass sich dieselben mit den thatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang bringen lassen. Vom Magenepithel giebt er eine Abbildung, in der offenbar das interstitielle Gewebe als Wand der Drüsenzellen aufgefasst wird. Chun beschreibt dasselbe unter dem Namen Zwischengewebe; doch ergeben sich gegen die obige Darstellung wesentliche Differenzen. Während Taf. XV, Fig. 16 a u. b dieses Autors mit Ausnahme der Zur Histologie der Otenophoren. 161 Zahl und Grösse der Kerne des interstitiellen Gewebes, sehr gut mit meiner Darstellung in Einklang zu bringen ist, ist dies mit Fig. 17 u. 18, sowie auch mit der Beschreibung nicht der Fall; denn er sagt vom Zwischengewebe, (dass es von Vaecuolen durchsetzt sei und Körnerhaufen in sich enthalte, was sich wohl nur auf verkannte Drüsenzellen beziehen kann. Unverständlich ist ferner der Durch- schnitt Fig. 15, wo ausser den Körnerhaufen, die er dem Zwischen- gewebe zurechnet, von diesem letztern überhaupt nichts zu sehen ist. Daraus ist zu schliessen, dass Chun dieses Zwischengewebe als gelegentliches Füllsel zwischen den übrigen Bestandtheilen des Epithels ansah, dass ihm aber die gesetzmässige Regelmässig- keit, mit der dasselbe alle Drüsenzellen umscheidet, entgangen war. Hertwig hat das Zwischengewebe als solches überhaupt nieht erkannt. Die Körner, welehe dem interstitiellen Gewebe aufliegen und dem Epithel im frischen Zustande schon eine deut- lich polygonale Zeichnung verleihen, glaubte er in den Zellen gelegen, aber an den Rand gedrängt. Im Uebrigen unterschied er Drüsen- und Deekzellen und theilt das interstitielle Gewebe theils den einen, theils den andern zu, wobei allerdings der grosse Kernreichthum desselben hätte auffallen müssen. Bei Bueckers (2) finde ich dasselbe (Fig. 5) ganz gut als Maschenwerk zwischen den Drüsenzellen dargestellt; doch bezieht er sich im Texte nicht darauf. Die Zellen, welche in den Lückenräumen des interstitiellen (ewebes liegen, will ich schlechtweg als Drüsenzellen bezeichnen. Chun und Hertwig unterscheiden 2, bei Cestus sogar 3 Arten derselben; ich glaube mich aber davon überzeugt zu haben, dass dieselben weiter nichts sind als Entwieklungstadien einer und derselben Zellart. Als das erste Stadium (Fig. 2, Da 1) betrachte ich Zellen mit schwachkörnigem Inhalt, in dem sich aber keinerlei Zeiehnung entdeken lässt. Dieses Stadium entspricht den Fluores- eenzzellen Chun’s bei Cestus, was ich bei Beschreibung dieser Form noch genauer zu begründen haben werde. Im zweiten Siadium (Fig. 2, Db 2) sind die Zellen etwas grösser als im ersten. Im Zellinhalt sieht man eine feine Zeiehnung, welehe meist einen Kreis mit davon abgehenden Radien darstellt, mitunter aber auch einen einfachen vierstrahligen Stern. Im Magen, wo die Drüsen- zellen zumeist oval und grösser sind, wird diese Zeichnung noch complieirter. Der Zellinhalt zwischen dieser Zeiehnung hat jedwede 1» PaulSamassa: körnige Structur verloren und kann sehr wohl Hohlräume vor- täuschen. Ich will dieses Stadium, das bei allen Ctenophoren in derselben Weise wiederkehrt und durch seine besonders starke Tinctionsfähigkeit mit gewissen Farbstoffen, auf die ich noch zurückkomme, leicht kenntlich ist, mit b, die Stadien vor dem- selben mit’a, die nach demselben mit e bezeichnen. Im einzelnen Falle sollen die Zahlen die Aufeinanderfolge der Stadien angeben, da ja die Bezeichnung a und e eine Gruppe von solchen umfasst. Das Stadium b stellt den Beginn einer Zerklüftung dar, die im Folgenden (Fig.2, De5) bereits vollzogen ist. An der Stelle, wo wir im früheren Stadium die feine Zeichnung sahen, finden sich breite Zwischenräume, zwischen welchen stark liehtbrechende Schollen liegen, welche zum Theil noch die Form, die aus ihrem früheren Lageverhältniss resultirtte, bewahrt haben. Die Zelle selbst baucht sich über die äussere Epithelwand etwas vor. Im nächsten Stadium (Fig. 2, De4) haben die Schollen durchaus Körnchenform gewonnen und werden häufig aus der Zelle nach aussen tretend getroffen. Da diese Körnehen mit denjenigen, die dem interstitiellen Gewebe aufliegen, vollkommen übereinstimmen, so ist daran nicht zu zweifeln, dass letztere aus den Drüsenzellen stammen. Zu be- merken wäre noch, dass der Kern seine Lage am basalen Ende der Zelle stets bewahrt hat und höchstens im Stadium b etwas abgeplattet erscheint. Ich beziehe nun auf das Stadium b Chun’s Glanzzellen und Hertwig’s Deckzellen, wenn ich davon absehe, dass Letzterer auch das interstitielle Gewebe zum Theil dieser Zellart zurechnet. Dem Stadium e dürften Chun’s Körnerzellen und Hertwig’s Drüsenzellen (mit demselben Vorbehalt wie oben) entsprechen. Auch die Körmerhaufen, welche Chun bei Beroe als frei im Zwischengewebe liegend schildert, sind offenbar Drü- senzellen im Körnerstadium. Warum Chun dieselben nicht als Körnerzellen ansieht, ist mir unverständlich, da ich einen wesent- lichen Unterschied den gleichen Stadien des Cestusgegenüber, die Chun als Körnerzellen bezeichnet, nicht finden konnte. Dass diese Entwiekelungsstadien als verschiedene Zellarten heträchtet wurden, liegt hauptsächlich daran, dass sich dieselben gegen die meisten Farbstoffe sehr verschieden verhalten; doch muss ich erwähnen, dass bereits Eimer (2) verschiedene Stadien aus dem Magenepithel beschreibt, die wohl den Stadien b und e entsprechen dürften, und die er als Entwickelungstadien derselben Zur Histologie der Ctenophoren. 163 Drüsenart erkannte. Auch Chun bemerkt, dass ein prineipieller Unterschied zwischen Glanz- und Körnerzellen sich nicht ziehen lasse und dass Uebergangsformen häufig seien. Der oben geschil- derte Entwiekelungsgang lässt sich am besten an Präparaten mit reiner Kernfärbung verfolgen. Ich will nun den Einfluss anderer Färbungen schildern: Mit Delafield’schem Hämatoxylin färbt sieh Stadium a sehr schwach; im Stadium b wird die Färbung blauschwarz, bei Säurebehandlung intensiv dunkelroth; von hieran nimmt die Färbung wieder ab. Sind die Körmer bereits kugelig geworden, so sind sie gar nicht oder schwach bläulich gefärbt. Chun’s Angaben, dass sich die Glanzzellen damit nieht färben, dürfte wohl auf Kleinenberg’sches Häma- toxylin zu beziehen sein, womit es auch mir gelang ganz reine Kernfärbnng zu erzielen. Bei vitaler Methylenblaufärbung sah ich im Epithel blaue Flecken, die sich wohl auf das Stadium b beziehen dürften. Methylenblau an conservirten Objecten und Methylgrün haben ähnliche Wirkung, indem sich das Stadium b intensiv violett, das übrige Gewebe grünlich färbt. Vesuvin färbt gleichfalls das Stadium b, während Eosin auf die Körnchen des Stadiums e am intensivsten wirkt. Zwischen den Schollen des Stadiums b befinden sich ganz (dünne Protoplasmawände, welche in der Mitte zusammenstossen und an ungefärbten Präparaten die feine polygonale Zeichnung hervorgerufen (Fig. 1). Hertwig hebt mit Recht hervor, dass darauf Chun’s Angaben, dass der Kern der Glanzzellen ver- ästelt sei, zurückzuführen ist. Die Oberfläche des Epithels ist meist mit einer Schleimschicht bedeckt, welche an Methylenblau- oder Methylgrünpräparaten die charakteristische Färbung des Stadiums b aufweist. Hievon ist leicht eine ganz dünne Mem- bran zu unterscheiden, die dem Epithel aufliegt (Fig. 2, 3, 4 e); an der Unterseite derselben finden sich häufig kleine, ovale Kerne des interstitiellen Gewebes; ich deute diese Membran als Cutieula. Die Vertheilung der Drüsenstadien ist verschieden. Wenn’ sieh wohl auch alle Stadien finden lassen, so überwiegt doch meist das Stadium b und e; a ist selten. Diese Vertheilung "hängt natürlich mit der zeitlichen Dauer der einzelnen Stadiem zu- sammen; in zweiter Linie kommt in Betracht, dass, ‘auf irgend einen Reiz hin, alle entleerungsfähigen Zellen eines grössern Be- 164 ’ Paul Samassa: zirks ihren Inhalt mit einem Male abgeben und daher dann ge- wisse nachrückende Stadien überwiegen. Der bisher geschilderte Bau. des Epithels erleidet an einigen Stellen des Körpers gewisse Modificationen. In der Nähe des Sinneskörpers, der Wimperrinnen, der Ruderplättchen werden die Drüsenzellen allmählich klemer, und schliesslich geht das inter- stitielle Gewebe in ein einfaches eubisches Epithel über; doch hat dasselbe durchaus nicht die Ausdehnung, wie man nach Hertwig’s Fig. 5 Taf. I schliessen müsste. Dieselbe steht übrigens auch mit Fig. 7 Tafel I desselben Autors in Wider- spruch. Während nämlich Fig. 8 ein einfaches Epithel darstellt, zeigt Fig. 7 ein Epithel aus derselben Gegend im frischen Zu- stande, das die polygonale Körnerzeichnung zeigt. Da die Körner aber, wie schon oben erwähnt, dadurch, dass sie bloss dem interstitiellen Gewebe aufliegen, diese Zeichnung verursachen, so muss dieses und zwischen demselben auch Drüsenzellen vor- handen sein. Eine andere Modifieation findet sich im aboralen Ende des Magens, indem hier das Zwischengewebe zwar wohl erhalten bleibt, in den Lückenräumen desselben aber an Stelle der Drü- senzellen einfache grosse Zellen (Fig. 6, EZ) liegen. ‘In der Umgebung der Wimperrinnen finden sich eigenthüm- liche Epithelborsten, welehe Hertwig als Taststifte beschrieben hat. Wie sich auf Quersehnitten (Fig. 3) leicht ermitteln lässt, besitzen sie (Fig. 3 EB) eine dornartige Gestalt und gehen mit ihrer breiten Basis unmittelbar in die Cutieula über. Sie stehen immer zwisehen den Drüsenzellen auf dem interstitiellen Gewebe, was ich auch in Hertwig’s Abbildung (Taf. I Fig. 7) angedeutet finde. Dasselbe ist an der Ansatzstelle des Dorns leieht vorge- buchtet, zeigt aber im Uebrigen keine Abweichung vom norma- len Verhalten, insbesondere in den Kernverhältnissen. Dieselben sind wie überall zahlreich und ohne bestimmte Anordnung im Gewebe verstreut. Es findet sich niehts, was sich als besondere zum Dorn gehörige Zelle erweisen würde. Ich stehe damit im Widerspruch mit Hertwig’s Angaben, welcher den Taststiften besondere Sinneszellen zurechnet; auch kann ich die Angabe dieses Forschers, dass sich der Taststift nach unten zu verjüngt und mit dieser Spitze im Epithel steekt, nieht bestätigen. Diesen Bildungen stehen die „säbelförmigen Cilien“ nahe, Zur Histologie der Ctenophoren. 165 welche in der Nähe des Mundrandes den Magen auskleiden. Sie beginnen am Streifen von Flimmerzellen, auf den ich noch zu- rückkomme, und laufen in zungenartige Vorsprünge aus, wie dies von Chun dargestellt wird. Bezüglich des Baues der Cilien selbst kann ich Chun’s und Hertwig’s Angaben vollkommen bestätigen, so insbesondere den faserigen Bau derselben und Chun’s Bemerkung, dass sie häufig am Ende etwas aufgefasert sind. Von dem lanzettförmigen Plättehen, dem die Cilie aufsitzt, sind sie scharf abgesetzt, und konnte ich an der Ansatzstelle nichts von jenem Bau der Flimmerhaare bemerken, wie er sich, 7. B. an den Basalpolsterzellen der Ruderplättehen erhalten hat. Die Funetion, welche Chun ihnen zuschreibt, nämlich das Fest- halten der einmal ergriffenen Beute, scheint mir sehr wahr- schemlich; demnach dürfte ihnen beim erwachsenen Thier active Beweglichkeit kaum zukommen. Das Verhältniss der Cilien zum Epithel ist viel eomplieirter als bisher angenommen wurde. Betrachtet man nämlich ein Stück derartigen Cilienepithels von der Fläche, so sieht man in demselben zahlreiche Drüsenzellen, ohne dass jedoch über ihnen das Cilienkleid unterbrochen wäre. An Querschnitten (Fig. 5) sieht man den typischen Bau des Magenepithels, das Fachwerk des interstitiellen Gewebes, in dem die Drüsenzellen liegen. Die Cilien verhalten sich dazu in der Weise, dass das schmale Ende des lanzettförmigen Plättchens umbiegt und in das interstitielle Gewebe (Fig. 5, iG) eintritt; man sieht häufig diesem einge- senkten Theile des Plättehens anliegend einen langgestreckten, plattgedrückten Kern. Das breite Ende, dem die Cilie aufsitzt, überdeckt die Drüsenzellen, deren Secret zwischen den Plättehen austritt. Von der Richtigkeit dieser Auffassung überzeugt man sich im aboralen Theile des Cilienfeldes, wo die Cilien kleiner und spärlicher werden. Die Bilder stimmen mit denjenigen der Borsten des aboralen Körperepithels (Fig. 3) sehr überein; so dass darüber kein Zweifel herrschen kann, dass die Cilien ebenso wie die Borsten dem interstitiellen Gewebe angehören. Doch erleidet der im Vorstehenden geschilderte Bau einige Modificationen. In den oboral gelegenen Theilen des Cilienfeldes ist der schmale Theil des Plättehens nicht so stark abgebogen, sondern schiebt sich zum Theil unter das vor ihm gelegene Plättehen. Die Drüsenzellen weichen von denen des Magens nicht ab. In den 166 Paul Samassa: meisten Fällen fand ich die Körnchen entleert zwischen den Cilien, die Zellen selbst im Stadium a (Fig. 5 Da). Doch fand ich die übrigen Stadien auch, aueh Stadien, in denen die Körn- chen gerade im Austreten begriffen sind, so dass über die Her- kunft derselben kein Zweifel herrschen kann. Die Drüsenzellen können aber auch fehlen. Es sind dann zwei Modificationen vor- handen: das Gewebe, in das die Enden der Plättchen eingesenkt sind, hat den Charakter des interstitiellen Gewebes, nur sind die Lückenräume stark redueirt. Dies findet man häufig in den aboralen Theilen des Wimperfeldes. Eime andere Form grenzt unmittelbar an den Flimmerring (Fig. 5, x). Hier findet man die Cilien sehr dieht stehend. Das Plättchen biegt unmittelbar hinter dem Ansatze der Cilie fast senkrecht ab; hier liegt ihm ein grosser ovaler Kern an. Unter diesem liegen noch hie und da Kerne.. Da die Plättchen mit ihren Kernen dicht hinterein- ander liegen, so kann von dazwischen liegenden Drüsenzellen keine Rede sein. Am Flimmersaum schliesst das Cilienfeld mit einigen dieht gedrängten Kernen ab. Diesen Zustand habe ich an einer Jungen, etwa 10mm langen Beroe vorherrschend gefunden. Es scheint mir daher wahrscheinlich, dass derselbe mit Wachsthums- verhältnissen zusammenhänge. Da nämlich das Wachsthum der Beroiden beinahe unbesehränkt zu sein scheint, so muss mit dem- selben natürlich auch eine Vergrösserung des Cilienfeldes, eine Vermehrung der Elemente desselben einhergehen. Ein Wachs- thum am aboralen Ende desselben scheint mir deshalb unwahr- scheinlich, weil hier das Cilienfeld in typisches Magenepithel über- geht, von dem bei der hohen Differenzirung, die es bereits er- fahren hat, eine Neubildung von Cilien nicht anzunehmen ist. Ueber die Art der Neubildung kann ich jedoch nichts angeben, da ich in Bildung begriffene Cilien nicht beobachten Konnte. An den Typus, der an den Flimmerring angrenzt, dürfte sich Hertwig gehalten haben, indem. er einfache cubische Zellen mit je einer Cilie abbildet. Es können aber auch Stellen, wo die unter dem Plättehen liegende Drüsenzelle sich im Sta- dium a befindet, zu einer derartigen Annahme Veranlassung geben, da der dem Plättehen anliegende Kern leicht übersehen werden kann. Von ähnliehen Bildern ging wohl auch Eimer aus, der insbesondere die Aehnlichkeit mit dem Wimperepithel des Trieh- ters hervorhob; dort findet sich ein einfaches eubisches Epithel, Zur Histologie der Ctenophoren. 167 an dem jede Zelle mit einer Geissel versehen ist (Fig. 63 En). Doch tritt die Cutiecula nie zwischen zwei Zellen, wie dies Eimer darstellt. Chun gibt eine richtige Abbildung der isolirten Plätt- chen; doch entgingen ihm die Drüsenzellen. Die Untersuchung der Elemente des Mundrandes stösst auf beträchtliche Schwierigkeiten. Die histologische Erhaltung ist häufig schleeht; der Flimmerring war mit Ausnahme eines ein- zigen der von mir untersuchten Exemplare stets eingezogen. Da ich daher in meiner Erfahrung auf wenige Objecte beschränkt bin, so bin ich der Gefahr ausgesetzt, etwas für typisch zu halten, was sich bei Untersuchung eines grössern Materials vielleicht als variabel und nebensächlich herausstellen könnte. Auf das mit den säbelförmigen Cilien versehene Epithel folgt eime einzige Reihe grosser Zellen mit fein granulirtem Inhalt (Fig. 5, EZ). Wenn mir auch der drüsige Charakter derselben wahrschemlich “erscheint, so lassen sie sich doch nieht in die bisher beschrie- benen Formen der Drüsenzellen eimreihen. Ueber diese Zellen finden sich in der Literatur. keine Angaben; doch kann Chun sie vielleicht gesehen haben, da er Tafel XV Fig. 19 eine gra- nulirte Kugel abbildet, die der Lage nach den geschilderten Zellen entsprieht, aber er bezieht sich im Texte nicht darauf. Der Ring der Flimmerzellen (Fig.5, FZ), der diesen Zellen folgt, besitzt eine Stärke von 4 bis 5 Zellen. An der Basis derselben finden sich Kerne, die dem interstitiellen Gewebe ange- hören. Hier und da finden sich in denselben auch Vaeuolen; doch habe ich dieselben nicht in so grosser Zahl angetroffen, wie Hertiwig es abbildet. Im Zellkörper der Flimmerzellen finden sich immer deutlich die Fortsätze der Cilien. v. Lendenfeld (26) bildet diese Partie von Neis cordi- gera ab, einer australischen Beroide. Sie ist dort ganz unver- gleiehlich breiter als bei Beroe. Die Kerne des interstitiellen Gewebes, die unter den Flimmerzellen liegen, beschreibt er als birnförmige Ganglienzellen. ° Die schmalen Zellen, die er als Sinneszellen deutet, dürften wohl gleichfalls dem Zwischenge- webe angehören, da ich Aehnliches mitunter auch sah. Die auf diese Zellen folgende Schieht der Drüsenzellen fand ich etwa dreimal breiter als die vorige, während Hertwig sie nur als etwas breiter angibt. Diese Drüsenzellen fand ich meist im Körnerstadium; da jedoch das Stadium b auch vor- 168 Paul. Samassa: kommt, so glaube ich nicht, dass sie sich von den sonst im Epithel vorkommenden wesentlich unterscheiden, ausser in der Form. Diese ist viel gestreckter; das interstitielle Gewebe dringt nicht zwischen die Zellen ein, sondern befindet sich an der Basis derselben. In diesem kommen ziemlich zahlreiche Vaeuolen vor. Ob dieselben sich in den Drüsenzellen auch finden, kann ich nicht mit voller Bestimmtheit ausschliessen. Während Chun hier lediglich lange, mit Körnchen erfülle Zellen abbildet, welche einen gegen die Gallerte vorspringenden Wulst bilden, gibt Hert- wig ein ganz richtiges Bild; doch deutet er trotz der grossen Zahl der übereinander liegenden Kerne Alles als Drüsenzellen. Der eigentliche Mundrand wird von interstitiellem Gewebe und eigenthümlichen Zellen gebildet, die nur an dieser Stelle vor- kommen, und die ich als Giftzellen (Fig. 5, GZ) bezeichnen möchte. Das interstitielle Gewebe bildet em umhüllendes Fach- werk. Die am meisten entwickelten Giftzellen haben eine birn- oder flaschenförmige Gestalt; der Kern liegt am Grunde; dem Protoplasma sitzt mit breiter Basis ein Stachel (Fig. 5, GB) auf, der über das Epithel hervorragt. Von der Oberfläche des Epithels noch entfernt liegen im interstitiellen Gewebe jüngere Giftzellen, welche bereits einen kleinen Stachel besitzen. Die- selben rücken mit dem Verbrauch der Giftzellen gegen die Ober- fläche vor; man kann dies auch daraus entnehmen, dass sich an der Oberfläche halbkreisförmige Einschnitte finden, welche offen- bar die entleerten Fächer, in denen die verbrauchten Giftzellen steekten, darstellen. Auch sah ich mitunter den Stachel an seiner Basis abgebrochen und den Inhalt der Giftzellen halb aus- getreten. Eimer’s Angaben kann ich auf eine bestimmte Partie des Mundrandes nicht beziehen. Von Hertwig und Chun werden die Stacheln als Tastborsten angesehen. Die Thatsache, dass die jungen Giftzellen, die sich gar nicht an der Oberfläche des Epithels befinden, bereits Borsten besitzen (Fig. 5), dürfte diese Ansicht widerlegen. Hertwig stellt ferner die „Taststifte* auf der basalen Seite zugespitzt dar, was ich jedoch nicht bestätigen kann. Auch muss ich das Vorkommen von Drüsenzellen und Körnehen in dieser Gegend bestreiten. Der angeblich nervöse Fortsatz, den Hertwig in einem Falle der Giftzelle anhaftend fand, dürfte ein Stück des interstitiellen Gewebes gewesen sein; er sagt übrigens selbst, dass er keinen nervenähnlichen Eindruck Zur Histologie der Ctenophoren. 169 gemacht habe. Chun stellt sich den Bau des Mundrandes ähn- lieh vor, wie den der Tastpapillen von Cestus und Eucharis. v. Lendenfeld gab den Borsten die Deutung von Vertheidi- gungswaffen und nannte sie Hoplocysten. Da er sie aber den Borsten an den Tastpapillen von Eucharis und Cestus gleich stellt, die mit den vorliegenden Gebilden gar nichts zu thun haben, er auch keine Abbildungen gibt, so kann ich kaum annehmen, dass ihm brauchbare Präparate von dieser Partie des Mundrandes vorgelegen haben. Der Giftdrüsenring, wie man vielleicht diesen Epithelstreifen bezeichnen könnte, setzt sich noch etwas auf die Körperoberfläche fort, um hier im das normale Epithel überzu- gehen. Die Giftzellen haben mit den Nesselzellen der übrigen Coelenteraten sicherlich keine Homologie, da ihr Bau von ihnen sehr verschieden ist und sich insbesondere durch den Mangel eines Nesselfadens auszeichnet. Vestus: Das Epithel von Cestus steht dem von Beroe sehr nahe. Seine Höhe ist wechselnd. An manchen Stellen sind die Drüsen- zellen so dieht zusammengedrängt, dass das interstitielle Ge- webe ebenso redueirt erscheint, wie im Magen von Beroe; doch ist, wie dort, jede Drüsenzelle von imterstitiellem Gewebe um- scheidet, wenn dieselben auch noch so dicht liegen. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Körnchen, die das interstitielle Gewebe bedeeken, bedeutend kleiner sind als bei Beroe (Fig. 7, 8, K). Dies kommt daher, dass die Körner, welche etwa dieselbe Grösse haben, wie bei Beroe noch einer zweiten Zerklüftung unterliegen, welche in denselben häufig angetroffen wird (Fi- gur8 De). Die Körnchen sind von Chun Taf. XV, Fig. 12 gut wiedergegeben worden. Das Verhalten des interstitiellen Gewebes zu den Längsmuskeln werde ich bei der Muskulatur besprechen. Einer eingehenden Besprechung bedarf jene Zelltorm, welche von Chun (3) zuerst unter dem Namen der Fluoresceenzzellen be- schrieben wurde (Fig. 7, Da. Chun suchte in denselben den Grund für die eigenthümliche Erscheinung des Erblauens, die nur den Cestiden zukommt, und Hertwig stimmte ihm hierin bei, Sie sind sehr leicht zu erkennen: sie besitzen meist ein glänzendes, stark lichtbrechendes Aussehen. In einem Falle fand ich sie fein granulirt. Mit Hämatoxylin färben sie sich sehr 170 x Paul Samassa: schwach; während das Stadium b der Drüsenzellen dieselbe inten- sive Färbung besitzt, wie bei Beroe. Mit Methylenblau färben sie sieh grünlich, ohne ihr glänzendes Aussehen einzubüssen. Mit Borax-Carmin färbt sich das Drüsenstadium b sehr intensiv roth, die Fluoresceenzzellen rosa, was auch Hertwig angiebt. Es finden sich jedoch hier in der Färbung alle möglichen Uebergänge. Ausserdem findet sich häufig eine feine Zeiehnung, welche den Beginn einer Zerklüftung anzudeuten schemt (Fig. 7, Da). Auch finden sich sehr unregelmässige Formen, welche sich in ein- zelne Ballen abgrenzen, was. auch Chun beobachtet hat. Ich vermuthe daher, dass diese Zellen bloss das erste Stadium der Körnerbildung sind und dem Stadium a bei Beroe annähernd entsprechen, obwohl sie sich in vielen Punkten von demselben unterscheiden. Für meine Auffassung spricht aber noch, dass ich vielfach an Epithelstücken von den Breitseiten des Cestus, also Stellen, welche zweifellos das Phänomen .des Erblauens zeigen, keinerlei Fluorescenzzellen finden konnte. Da andauernden Reizen Uebermüdung folgt, so könnte man einwenden, dass die Fluoreseenzzellen sich in einem derartigen Zustande der Ersehöp- fung befunden haben. Ich kann jedoch mit voller Bestimmtheit angeben, dass bloss Drüsenzellen in den Stadien b und e vor- handen waren, die Körner in ganz besonders reichlicher Menge. Dessgleichen fand ich die Fluorescenzzellen an den Schmalseiten des Cestus manchmal vorhanden; manchmal fehlten sie. Dies Alles scheint mir dafür zu sprechen, dass man es hier mit einem vorübergehenden Stadium der Drüsenentwieklung zu thun habe. Es wäre denkbar, dass gerade dieses Stadium die Ursache des Erblauens sei. Wenn man aber die Erscheinung des Leuchtens im Dunkeln und des Erblauens vergleicht, so kann darüber kein Zweifel herrschen, dass es sich um ein und denselben Vorgang handelt, der sieh in einem Falle als Erblauen, im anderen als Leuchten kund thut. Die Erscheinung erfolgt in beiden Fällen auf einen Reiz hin; die Art der Verbreitung und des Aufhörens, sowie der schliesslichen Uebermüdung ist ganz dieselbe. Es scheint auch unwahrscheinlich, dass das T'hier denselben äussern Reiz je nach der Beleuchtung der Umgebung mit verschiedenen Vorgängen beantworten sollte. Nachdem im Thierreiche die Erscheinung des Leuchtens meist mit einem erhöhten Stoffwechsel der leuch- tenden Gewebe verbunden ist, so scheint es wohl auch hier das Zur Histologie der Ctenophoren. 171 Nächstliegende, eine erhöhte Sekretionsthätigkeit der Drüsenzellen als die Ursache des Leuchtens sowohl, als auch des Erblauens zu betrachten. Bei Chnn finde ich über das Verhältniss des Leuchtens zum Erblauen keine Angaben. Ein besonders moditieirtes Epithel trifft man an den late- ralen Enden des Cestus (Fig. 8). Es ist dies offenbar die Region des Wachsthums, und der Zustand des Epithels daselbst entspricht dem embryonalen. Das interstitielle Gewebe nimmt mehr Raum ein als beim ausgebildeten Epithel; hingegen sind die Kerne meist spärlicher. Dazwischen liegen einfache rundliche Zellen (E Z), dann solehe, in denen sich em oder zwei Vacuolen finden, sodann verschiedene Uebergänge zu grossen Zellen (Da), welche einen homogenen Inhalt mit verhältnismässig grossen Vaeuolen be- sitzen; letztere stellen am Rande der Zellen halbkugelförmige Einsen- kungen dar. Das Stadium b ist vorhanden, dessgleichen das Körner- stadium, bei welchem die beträchtliche Zahl der Körner in einer Zelle aufffallend ist. Bemerkenswerth ist, dass dort, wo die im Vorstehenden geschilderten vaeuolenhaltigen Zellen vorkommen, Stadien von Chun’s Fluorescenzzellen fehlen. In den vacuolenhaltigen Zellen dürften wohl Entwieklungsformen der Drüsenzellen aus dem indiffe- renten embryonalen Epithel zu erblicken sein. Hierin bestärkt mich die Darstellung, die Chun von der Entwicklung des Epithels gibt und die von der obigen nur darin abweicht, dass er das inter- stitielle Gewebe für die Anlagen der Körnerzellen hält. Demnach würde die erste Entwicklung der Drüsenzellen in anderer Weise vor sich gehen als die spätere Erneuerung des Drüsenseeretes. Eine zweite Stelle, wo das Epithel eine eigenartige Ge- staltung erhält, sind die Spitzen der Tastpapillen, welehe an der aboralen Seite des Cestus gelegen sind. Gegenüber den bisherigen Darstellungen muss ich hervorheben, dass auch hier das intersti- tielle Gewebe eine bedeutende Rolle spielt. Betrachtet man näm- lich ein Flächenpräparat einer Tastpapille,. am besten von der Unterseite des Epithels, so sieht man die grossen Drüsenzellen mit der in ihnen enthaltenen Krystalldruse. zwischen denselben aber reichlich Kerne von der Grösse, wie sie im interstitiellen Gewebe vorkommen. Man erhält dadurch das Bild einer poly- gonalen Zeiehnung. Auf Schnitten sieht man, wie die grossen Drüsenzellen in halbkugelförmigen, vom interstitiellen Gewebe gebildeten Bechern sitzen. Die Entwicklungsstadien, die Chun 172 PaulSamassa: beschreibt, sind auch zu sehen, besonders am Rande; Chun hielt aber das interstitielle Gewebe jedenfalls auch für Entwicklungs- stadien. Die Tastborsten gehören dem interstitiellen Gewebe an. Besondere Sinneszellen jedoch, wie Hertwig sie den Tast- papillen zuschreibt, konnte ich nieht finden. Die Borsten sind hier viel feiner und bei der Conservirung schwerer zu erhalten als bei Eucharis. An den Enden des Cestusbandes fand ich dieht- gedrängte Epithelzellen als die erste Anlage der Papillen. Chun bildet von einem jungen Cestus einen derartigen Haufen von Kernen auf Taf. XV, Fig. 9 ab, ohne sich jedoch im Text darauf zu beziehen. Mundrinne und Magen von Üestus habe ich nicht untersucht. Euehlora. Das Epithel dieser Form ist einerseits desshalb interessant, weil sie zu den ursprünglichsten Ctenophoren gehört, anderer- seits weil nach Chun’s Angaben bei derselben Nesselzellen vor- kommen sollen. Sie ist auch sonst zur Untersuchung sehr geeignet, weil ihre zelligen Elemente besondere Grösse erreichen; leider hatte ich zu wenig Material, um diese Vortheile genügend ausnützen zu können. Charakteristisch ist, dass eine Differenzirung in Drüsenzellen und interstitielles Gewebe hier noch nicht statt- gefunden hat (Fig. 9, 10). Die im Vergleich zu andern Formen sehr grossen Kerne (N) sind zahlreich im Epithel verstreut; die Zellgrenzen sind nicht zu sehen. Zwischen den Kernen liegen aneinander gepresste Schollen (Fig. 9, Db), welche sich bloss durch den Mangel eines Kernes vom Stadium b der Drüsen bei Beroe unterscheiden und sich ebenso stark mit Hämatoxylin färben. Ausserdem kommen als weitere Entwicklungsstufen Haufen von Körnehen vor (Fig. 9, 10, De), bei denen sich gleichfalls die Uebergänge zur vorigen Form sehr gut finden lassen. Ausserdem finden sich auch noch runde, stark lichtbrechende Körperchen von verschiedener Grösse (Fig. 9, Dx); sie besitzen in der Mitte meist einen hellen Fleck, der einem Hohlraum entspricht, so dass man sie sich als Hohlkugeln vorzustellen hat; häufig sieht man deutlich, dass sie in einer Vacuole liegen. Im Magen (Fig. 10, Dx) sind sie meist grösser und besitzen unregelmässige Gestalt; sie sind hier von Vaeuolen durchsetzt; mitunter sieht man sie zu kleinen Körnchen zerfallen. Auch im Epithel der Tentakeln kommen sie vor, wo sie ähnliche Bilder bieten, wie im Magen; ich fand Zur Histologie der Otenophoren. 173 sie sogar im Gastrovascularsystem, wenn auch selten. Einen Faden an oder in denselben habe ich nie gesehen. Aus alle dem geht wohl mit Sicherheit hervor, dass Chun’s Dentung, der diese Gebilde als Nesselkapseln ansah, nieht haltbar ist. Ich kann sie nur als Drüsensekret betrachten, wenn sie sich auch dem Ent- wieklungsgange der gewöhnlichen Drüsenzellen nicht mit Sicher- heit einreihen lassen. Ich habe in den Drüsenzellen der Magen- wülste von Hormiphora ganz ähnliche Körperchen gesehen, wie im Körperepithel von Euchlora. Die grösseren Formen im Magen und den Tentakeln erinnern einerseits an die Drüsenzellen der Magen- wülste bei Callianira, andererseits an das Fluorescenzzellenstadium bei Cestus. Dass man sie auch im Epithel der Gastrovaseular- canäle findet, deutet darauf hin, dass es sich überhaupt um eine verbreitete Substanz handelt, die leicht zur Ausscheidung gelangt; freilich dürfte nicht auszuschliessen sem, dass die Körperchen erst bei der Nahrungsaufnahme in das Entoderm gelangt sind. Im Magen (Fig. 10) ist das Epithel so dieht mit Secreten erfüllt, dass das Protoplasma auf ein ganz ähnliches Maschen- werk redueirt ist, wie es im Magen der Beroe vom imterstitiellen Gewebe gebildet wird. Das Verhalten der Kerne belehrt aber leicht, dass es zu einer Sonderung der Gewebe noch nicht ge- kommen ist. Die Zellen des Magens sind durchaus mit Cilien besetzt, Chun gibt vom Magenepithel eine Abbildung, die für manche Stellen gewiss zutrifft; das Vorkommen der von ihm als Nesselkapseln gedeuteten, stark lichtbrechenden Körperchen ist ihm jedoch entgangen. Hormiphora. Am Epithel von Hormiphora (Fig. 11) fällt zunächst ein protoplasmatisches Netzwerk auf, in dem kreisrunde Vaecuolen (V) mit ausserordentlicher Regelmässigkeit vertheilt sind. Dort wo mehrere Protoplasmabalken zusammenstossen, findet sich meist ein Kern (N); Zellgrenzen sind nieht sichtbar. Zwischen diesem Gewebe liegen Zellformen, welche sowohl in ihrer Form, als in ihrem Verhalten gegen Farbstoffe mit dem Stadium b der Drüsen- zellen bei Beroe übereinstimmen. Die Beziehungen dieser Zell- form zu dem vacuolenreichen, dazwischenliegenden Gewebe ist nicht leicht festzustellen; am besten gelang mir dies an eonser- virten, mit Methylenblau gefärbten Präparaten. Die erwähnten, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 12 174 PaulSamassa: im Drüsenstadium b befindlichen Zellen haben dementsprechend eine violette Färbung. Das vacuolenreiche Gewebe ist fast farb- los. Zwischen diesen beiden Extremen finden sich alle Nuancen. Die dem Stadium b nächststehenden Zellen (Fig. 11, Da 4) sind blau gefärbt, — an ihnen lässt sich die Zusammensetzung aus Schollen erkennen —; während das Stadium b nur einen intensiv violett gefärbten Klumpen vorstellt. In den nächst früheren Stadien tritt die Färbung der Schollen derjenigen des Proto- plasmas gegenüber immer mehr zurück ; hierbei gehen auch die Schollen aus der gepresst polygonalen allmählich in mehr runde Formen über. Die Färbung wird schliesslich grün; in der Zelle liegen ungefärbte Vacuolen, und nur die Protoplasmabalken zwi- schen denselben sind etwas dünner als im umgebenden Gewebe (Da 5). Am Anfang dieser Entwicklung stehen endlich Formen, bei denen eine Abgrenzung der Zelle noch nicht sichtbar ist (Da 2); man findet dann lediglich um einen Kern herum die Balken zwischen den Vacuolen grün gefärbt. Nach der anderen Seite schliessen Körnchenzellen (De 6 und 7) den Entwicklungs- eyelus ab; derselbe lehnt sich insofern an Uestus an, als die aus den Schöllen entstehenden Körnchen (De 6) einer zweiten Zer- klüftung unterliegen (De 7). Diesem Vorgang der Körmnchen- bildung steht aber ein zweiter, viel einfacherer gegenüber: es differenzirt sich nämlich in jeder Vacuole ein Körnchen (Fig. 11, K). Dasselbe war in einem Falle nur sehr schwach gefärbt. Ein zweites Mal sah ich diese Form an einer mit Hämatoxylin gefärbten Serie: die Körnehen hatten da die intensive Färbung des Stadiums b und waren in vielen Fällen bereits ausgetreten. Besonders häufig war ‘diese Form der Körnchenentwicklung an der aboralen Körperhälfte und in der Nähe des Meridianstreifens. In beiden Fällen kamen übrigens zwischen diesen Formen der Körnerentwieklung solche der ersten Art auch vor. Dass diese beiden Arten der Entwieklung im Grunde nicht verschieden sind, liegt auf der Hand; während sich die Vacuolen in dem einen Falle dieht zusammendrängen, wird in dem andern Falle das Körnchen gebildet, ohne dass dieselben ihre Lage verändern. Dass Letzteres der ursprünglichere Modus ist, scheint sehr wahrschemlieh. Genaueres über die Beziehungen der beiden Entwieklungstypen zu einander konnte ich jedoch nieht ermitteln. Die hier geschilderten Verhältnisse lehnen sich sehr an diejenigen von Euchlora an, be- Zur Histologie der Ctenophoren. 175 sonders insofern, als auch hier das interstitielle Gewebe fehlt und jeder Zelle die Thätigkeit Körnehen zu produeiren zukommt. In der Umgebung der Ruderplättehen (Fig. 12) und in zwei Streifen (Fig. 13), welche genau in der Triehterebene vom Sinnes- pol gegen den Mund zu verlaufen, finden sich jedoch Verhältnisse, die denen bei Beroe näher stehen. Während das Epithel sonst flach ist und nur die Zellen im Stadium b über dasselbe hervor- ragen, ist das Epithel hier hoch und zwischen den Drüsenzellen findet sich ein interstitielles Gewebe. Der Uebergang zu dem- selben ist eim ganz allmählicher: in der Nähe des Meridian- streifens nimmt die Zahl der in fortgeschrittenen Stadien befind- lichen Zellen zu; das zwischen denselben liegende Gewebe wird auf dünne Balken beschränkt, in denen aber immer noch Vacuolen vorhanden sind. Schliesslich sinkt die Breite der Balken zum Theil unter den Durchmesser einer Vacuole, und das Vorkommen der Vacuolen in denselben hört auf. Gleichzeitig nehmen die Balken (Fig. 12, iG) eine faserige Structur an, was an Beroe erinnert. Hingegen sind die Kerne weitaus nicht so zahlreich, wie bei Beroe. Dort wo mehrere Balken an einander stossen, wodurch sich eine etwas grössere Platte bildet, kommen aber auch hier Vacuolen (V) vor. Dieselben stehen mit der Entwick- lung der Drüsenzellen im Zusammenhang. Da nämlich die Form der Zellen mit den zahlreichen Vacuolen hier nieht vorkommt, wie sonst im Epithel, so können die hier so zahlreichen weiteren Stadien natürlich auch nicht durch das Zusammendrängen von Vacuolen entstehen. Hingegen findet man mitunter an den er- wähnten Stellen Zellen, welche sich in ihrem Verhalten gegen Farbstoffe zwar ebenso verhalten, wie das Stadium b (Fig. 12, Db), aber blos aus zwei Schollen bestehen (Da) und am Anfange der Entwicklung stehen. Falls diese Annahme richtig ist, so würden wir hier den interessanten Fall vor uns haben, dass das Gewebe seiner Form nach zwar dem interstitiellen Gewebe bei Beroe und Cestus gleicht, der Funetion nach jedoch den Charakter des indifferenten Epithels gewahrt hat. Auffallend ist, dass die Körnerstadien, die auch sonst im Epithel nieht häufig sind, hier sehr selten von mir gefunden wurden. Da dies auch bei Callianira und Eucharis der Fall ist, so bim ieh der Annahme nieht abge- neigt, dass die Aufgabe der Körnchensekretion hier in den Hinter- grund tritt, und die Zellen eine andere Fun >tion besitzen, viel- 176 PaulSamassa: leicht diejenige, die Chun ihnen bei Eucharis zuschreibt, nämlich : der Haut eine grössere Festigkeit zu verleihen. Eine zweite Stelle, wo das Epithel eine Differenzirung er- fahren hat, sind zwei Streifen, welche in der Triehterebene gelegen, vom Sinnespol zum Mundpol ziehen und hierbei blos durch die Ausmündung der Tentakelsäcke unterbrochen werden. Sie wurden offenbar von Chun gesehen, der angibt, dass zwischen je zwei Ruderplättehenreihen ein Streifen polygonaler Epithelzellen vom Sinnespol zum Mundpol verlaufe. Ich komnte ihn nur im der Triehterebene finden, wo er übrigens am conservirten Thiere mit freiem Auge als eine vorstehende Linie sichtbar ist. Anfangs schien es mir in der That, als ob dieser Streifen blos aus poly- gonalen Zellen zusammengesetzt sei (Fig. 13); bei genauerer Untersuchung erkennt man jedoch, dass die polygonale Zeichnung durch das interstitielle Gewebe hervörgerufen wird, dessen Balken hier viel schmäler sind, als an den Meridianstreifen. Doch finden sich auch hier Kerne, so dass die Deutung als interstitielles Gewebe nicht anzuzweifeln ist. Die Mehrzahl der im inter- stitiellen Gewebe steckenden Drüsenzellen (Da) ist dicht mit Vaeuolen erfüllt und dürfte wohl dem Entwicklungsstadium 3 (Fie. 11, Da3) im Körperepithel entsprechen. Aber auch die späteren Stadien habe ich stets, wenn auch nicht so zahlreich, vorgefunden. Die Entwicklung der Drüsenzellen schliesst sich hier an die im gewöhnlichen Körperepithel mehr an, als in der Umgebung des Meridianstreifens. Im interstitiellen Gewebe finden sich keine Vacuolen und bei der starken, räumlichen Beschränkung desselben ist eine Entwicklung von Drüsenprodueten aus dem- selben kaum anzunehmen. Die Differenzirung des Gewebes ist also hier offenbar am weitesten vorgeschritten. Das Gleiche ist im Magen der Fall, dessen Epithel, wie ich bereits hervorhob, mit dem von Beroe die vollkommenste Aehnlichkeit besitzt. Hertwig unterscheidet auch hier Deck- und Drüsenzellen, wobei den ersteren die Vacuolen zugetheilt werden. Chun nimmt Glanz- und Körnerzellen an, während das vaceuolenreiche Gewebe als Zwischengewebe bezeichnet wird. Callıanira. Das Epithel von Callianira ist dem von Hormiphora sehr ähnlich, worm auch Hertwig und Öhun übereinstimmen. Ein Zur Histologie der Ctenophoren. 177 Unterschied besteht darin, dass die Vacuolen unregelmässiger, die Protoplasmabrücken zwisehen denselben viel schmäler als bei Hormiphora sind. Auch die Bildung der Körnehen scheint in ähnlicher Weise vor sieh zu gehen; doch habe ich den Vorgang hier nicht genau verfolgt. Das Epithel im der Umgebung der Ruderplättehen ist ebenso differenzirt wie bei Hormiphora. Hert- wig bildet dasselbe Tafel III, Fig. 6 ab, wobei wesentlich nur das Maschenwerk des interstitiellen Gewebes dargestellt ist. Er gibt an, dass das Epithel in dieser Gegend stark vaeuolisirt sei. Der Drüsenstreif in der Triehterebene fehlt. Die Pigment- flecke, durch welche Callianira ausgezeichnet ist, sind in der Weise, wie Hertwig angibt, aus platten Epithelzellen gebildet, deren Grenzen durch den Mangel an Pigment leicht kenntlich sind. Eine Mehrschichtigkeit des Epithels, wie Chun sie an- gibt, habe ich nicht beobachten können, dessgleichen auch nicht die Form der Zellen, welche Chun Taf. XV, Fig. 20e abbildet. An Callianira habe ich ferner die histologische Beschaffenheit der Magenwülste genauer untersucht. Es kommen hier sehr zahlreiche Drüsenzellen (Fig. 15 DZ) vor, welche ein stark liehtbrechendes Secret erzeugen. Dasselbe ist meist von Vacuolen erfüllt, die manchmal auch das Aussehen von Körnchen besitzen, was ja prineipiell keinen Unterschied macht. Dieses Secret wird häufig im Austreten angetroffen; es hat in vieler Beziehung Aehnlich- keit mit den stark lichtbrechenden Körperchen von Euchlora. Grundsätzlich verschieden von dem der gewöhnlichen Drüsen- zellen kann es wohl kaum sein. Das interstitielle Gewebe (Fig. 15 iG) ist auch in den Magenwülsten vorhanden und ist immer der Träger der Flimmerhaare (Fig. 15, WH). Gewöhn- liche Drüsenzellen im Körnerstadium kommen auch vor, und ist wohl darauf Chun’s Angabe, dass die Magenwülste mit eylin- drischen Körnerzellen besetzt seien, zu beziehen. Es scheint wohl erwiesen, dass diesen Magenwülsten eime wichtige Function bei der Verdauung zukommt. Den Zweck der Faltenbildung sieht Chun in einer „Vergrösserung der resobirenden Ober- fläche.* Da aber die Resorption zweifellos nieht Aufgabe des Magens, sondern des Gastrovascularsystems ist, so kann ich mich mit obiger Deutung nur einverstanden erklären, wenn statt „resorbirend“ „secernirend* eimgesetzt wird. Nach Chun’s weiteren Erörterungen scheint er übrigens auch dieser Ansicht 178 Paul Samassa: zu sein, so dass wohl nur ein lapsus calami vorliegen dürfte. Vom übrigen Magenepithel giebt Chun eine zutreffende Ab- bildung; die braunen, aus grossen Körnern zusammengesetzten Körper dürften jenem Entwieklungstadium entsprechen, das unmittelbar auf b folgt, in dem die ‚Schollen sich zu Körnern umwandeln, aber noch tinetionsfähig sind. Eueharis. Ich habe mich mit dem Epithel dieser Form nicht ein- gehender befasst. Auch hier ist in der Umgebung der Ruder- plättehen das Drüsenepithel sehr kräftig entwickelt; die Zellen desselben werden von Chun als derbwandige Zellen beschrieben. Das Epithel am Ende der Tastpapillen (Fig. 14) ist in ähnlicher Weise zusammengesetzt wie bei Cestus. Auch hier trägt das interstitielle Gewebe (iG) Borsten (EB), die jedoch viel kräftiger sind als diejenigen von Cestus. Dass zu denselben besondere Sinneszellen gehören, wie Hertwig angiebt, muss ich bestreiten; auch sind die Borsten an ihrer Basis nicht conisch verjüngt, wie er es Taf. I, Fig. 4 abbildet. Die zwischen dem inter- stitiellen Gewebe liegenden Zellen (Fig. 14, Db) sind Drüsen- zellen vom gewöhnlichen Typus; dieses Verhalten ist jedenfalls mit Bezug auf Cestus interessant, da es einen Fingerzeig giebt, dass die dort vorkommenden abweichenden Zellen vielleicht doch aus einfachen Drüsenzellen entstanden sein könnten. Chun stellt die Drüsenzellen so dar, dass das, was ich für die ganze Zelle halte, nur eine Vaeuole sei, die in einem weiten Hohlraum liegt, weleher auch den Kern beherbergt. Ich kann dieses Ver- halten nicht bestätigen und möchte es auf eine Schrumpfung zurückführen. Allgemeines. Ein Ueberblick über die im Vorstehenden geschilderten Thatsachen ergiebt zweifellos, dass beim Epithel von Euchlora die einfachsten Verhältnisse vorliegen. Dieses stimmt auch mit Chun’s Ansicht überein, dass die Familie, zu welcher Euchlora gehört, — die Mertensien —, die ursprünglichsten Ötenophoren vorstellt. Jede Zelle ist hier befähigt die charakterischen Körn- chen zu produeiren. Während Hormiphora in den meisten Partieen der Körperoberfläche diesen emfachen Bau bewahrt, hat sich im Zur Histologie der Ctenophoren. a ri) Magen und im Drüsenstreifen eine Differenzirung vollzogen, indem ein Theil der Zellen die Funetion der Secretion übernimmt, während ein anderer Theil diese Drüsenzellen umscheidet, die Räume zwischen denselben ausfüllt und dadurch die Rolle eines stützenden Gewebes spielt — das interstitielle Gewebe. Es ver- liert dabei sogar seinen epithelialen Charakter und wird. wenig- stens funetionell zum Bindegewebe. Eine Uebergangsform scheint ddas Epithel an den Meridianstreifen darzustellen, wo ein Theil der Zellen zwar die Gestalt des interstitiellen Gewebes besitzt, die Fähigkeit Körnchen zu produeiren aber noch nicht verloren hat. Die höchste Ausbildung dieser Differenzirung findet endlich bei Beroe und Cestus statt, wo der bindegewebige Charakter des interstitiellen Gewebes in einer faserigen Struetur zum Ausdrucke kommt. Was den Vorgang der Seeretion anbelangt, so scheint die ursprünglichste Form die zu sein, welche sich zum Theil bei Hormiphora findet: in der Zelle selbst scheidet sich vom Protoplasma eine Substanz, die sich in kleine Flüssigkeitsräume — Vacuolen — in der Zelle vertheilt. Der Inhalt der Vacuole verdichtet sich; es entsteht ein Körnchen, das schliesslich aus- gestossen wird. Der zweite sehr verbreitete Modus lässt sich auf den geschilderten leicht zurückführen. Die Vacuolen sammeln sich um den Kern, platten sich durch Druck gegenseitig ab und redueiren das Protoplasma der Zelle auf dünne Wände. Die Vaecuolen nehmen noch an Volumen zu und erreichen meist mit dem Maximum ihres Volumens auch ein Maximum der Färb- barkeit mit Hämatoxylin und Anilinfarben. Hierauf verdichtet sich der Inhalt der Vacuolen und wir sehen als Endproduct ein stark liehtbreehendes Körnchen. Als solches, mitunter aber auch schon in einem früheren Stadium, verlässt das Secret die Zelle. Diese Entwieklungsform findet sich bei Euchlora, wo die geringe Zahl der sich zusammendrängenden Vaecuolen einen Ueber- gang zum vorigen Typus darstellt; er wiegt ferner bei Hormi- phora vor und herrscht ausschliesslich bei Callianira. Eucharis habe ich zu wenig eingehend untersucht, um jede andere Form mit Bestimmtheit ausschliesen zu können. Endlich scheint die Entwicklung der Drüsenzellen des Cestus aus den embryonalen Epithelzellen, wie sie an den Enden des Cestusbandes vorkommt (Fig. 8), hierherzugehören. Der dritte, am meisten abgeleitete Vorgang besteht darin, dass eine homogene Secretmasse in 80.75 Paul Samassa: Schollen zerfällt, die sich dann zu Körnehen umbilden; er herrscht bei Beroe und Cestus fast ausschliesslich. Ich glaube, dass es mir im Vorstehenden gelungen ist, die meisten der verschiedenen Zellformen, welehe bei den Üteno- phoren vorkommen, auf verschiedene Zustände von Drüsenzellen zurückzuführen. So sehr nun auch die Thatsachen für emen derartigen Zusammenhang sprechen, so stösst es doch im beson- deren Falle mitunter auf grosse Schwierigkeiten, eine Zellform an richtiger Stelle in den Entwicklungseyelus einzureihen. Es steht dahin, ob mir dies überall gelungen ist. Bei erneuerter Untersuchung werden sich wohl auch noch zwischen den Zell- formen, die nach meiner Darstellung eine besondere Stellung einnehmen, und den gewöhnlichen Drüsenzellen Beziehungen auf- finden lassen, z. B. bei den eigenthümlichen Drüsenzellen an den Tastpapillen des Cestus. Aehnliche Drüsenzellen, wie sie hier geschildert wurden, werden auch von den Gebrüdern Hertwig (16) bei Actinien beschrieben. Die Körnchenzellen sind als solehe ohne weiteres zu erkennen, die andere Zellform kann wohl nur dem Stadium b entsprechen. Wenn die Autoren sich über die Beziehungen der beiden Zellarten nicht mit Bestimmtheit aussprechen, so ver- muthen sie doch, dass sie bloss Seeretionsstadien derselben Drüsenform seien. Sie denken sich allerdings im Gegensatz zu der hier dargelegten Auffassung das Stadium b aus e durch Quellung der Körnchen hervorgegangen. Auffallender ist die Uebereinstimmung des Epithels der Ötenophoren mit dem der Turbellarien, speciell der Polyeladen. Mit Letzteren haben sie insbesondere das interstitielle Gewebe, wie es von Lang (25) dargestellt wird, gemein. Die von Böhmig (1) eingehend beschriebene Entwicklung der Rhabditen stimmt bis in Einzelheiten mit derjenigen der Körner überein. Sinneskörper. Meridianstreifen. Polplatten. Bezüglich der äusseren Configuration und topographischen Lage dieser Theile verweise ich auf Chun’s ausführliche An- gaben. Die Wirkungsweise des Otolithen oder Statolithen — wie Verworn (30) ihn genannt wissen will — konnte ich an Eucharis intra vitam verfolgen, da es bei dieser Form sehr leicht gelingt, das Organ herauszupräpariren; ich kann Chun’s An- Zur Histologie der Ctenophoren. 181 gaben nur bestätigen. Ich will mich hier daher auf einige histologische Eimzelheiten beschränken, welche die Angaben früherer Autoren ergänzen oder berichtigen sollen. Chun besehreibt vier Streifen stark liehtbreehender Körper- chen, welche bei Callianira vom Boden der Glocke gegen die Polplatten hin verlaufen sollen. Da neben denselben Pigment auftritt, so nahm Chun (3) an, dass es sich um ein primitives Organ für Liehtperception handle. Später (4) kam er jedoch von dieser Ansicht zurück, mit der Begründung, dass sich wenig- stens beim erwachsenen Thier das Pigment zu den liehtbrechenden Körpern derart verhalte, dass ein Lichtstrahl unmöglich zur Perception gelangen könne. Sehnitte dureh Callianira klärten diesen Befund in der einfachsten Weise auf: an den Stellen, an welchen Chun die lichtbrechenden Körperehen sah, finde ich Streifen von Drüsenzellen, deren Körnerseeret offenbar zu dieser Täuschung Veranlassung gab; um jeden Zweifel darüber auszu- schliessen, dass es sich wirklich um Drüsenzellen handelt, will ich noch bemerken, dass dieselben sich in dem von mir unter- suchten Falle meist im Stadium b befanden. In der Umgebung des Drüsenstreifens findet sich nun Pigment in den Flimmer- zellen des Epithels angehäuft, besonders stark in jenen Zellen, deren Flimmerhaare die Glocke bilden. Dadurch scheint also ausgeschlossen, dass diese Gebilde irgend etwas mit der Perception des Liehtes zu thun haben, was für junge Thiere wohl auch gelten dürfte. Bezüglich der Otolithen wurde von allen Autoren ange- geben, dass dieselben von Epithelzellen gebildet und ausgestossen würden. Bei Beroe, wo die Otolithen nur sehr lose beisammen liegen, überzeugt man sich jedoch leicht, dass jedem Otolithen ein Kern anhaftet (Fig. 16, N). Bei Hormiphora und Callianira (Fig. 17) sind die Otolithen viel fester an einander gefügt; zwischen denselben finden sich dünne Protoplasmawände, an denen häufig die Kerne haften und gegen den Otolithen vor- springen. Die Otolithen sind also nieht, wie man bisher annahm, Zellproduete, sondern Epithelzellen selbst, welche sich aus dem Verbande des Epithels losgelöst haben. Wenn die Zelle das Epithel verlässt, ist der Otolith bereits gebildet; die concentrische Sehiehtung, so wie die Körnehen im Centrum desselben, habe ich bei Beroe (Fig. 16) gesehen, wie Chun dies angiebt. 182 Bra ua Siarmlassısıar: Die Wimperrinnen sind besonders bei Hormiphora _eigen- thümlich gestaltet; sie stellen sowohl hier als auch bei Beroe nicht eine verdiekte, wie Hertwig angibt, sondern eine ver- dünnte Partie des Epithels vor (Fig. 18). Die einzelnen Zellen (Fig. 18, FZ) sind klein und gestreckt, der Kern oblong. Sie liegen dachziegelförmig übereinander, wobei ihr bewimpertes önde vom Sinnespol abgekehrt ist. Der Durchschnitt Fig. 18 ist also in der Richtung der Zellen zur Oberfläche der Wimper- rinne schief geführt. Auf Flächenansichten (Fig. 19) deeken sich nun häufig eine Anzahl genau hintereinander stehender Zellen theilweise, und es entsteht dadurch das Bild, als ob die Flim- merrinne aus Fasern mit langgestreckten Kernen in denselben gebildet würde (Fig. 19, x). Auch mit den stärksten Vergrösse- rungen gelang es mir oft nicht, die Grenzen der Kerne festzustellen. An die Wimperrinnen schliessen sich die Reihen der Ru- derplättehen. Dieselben sind durch zahlreiche verklebte, ausser- ordentlich lange Flimmerhaare gebildet; die dazu gehörigen Zellen stellen ein eimschichtiges Epithel vor und bilden einen Wulst, der von Chun als Basalpolster bezeichnet wird. Die Form des- selben ist dadurch bedingt, dass die Zellen an ihrer Basis dicker sind als an ihrem peripheren Ende, das an die Basis des Ruder- plättehens stösst. Nehmen wir dazu, dass bei Beroe und Callia- nira häufig das Ruderplättechen mit keilförmiger Basis dem Basal- polster gewissermaassen eingefalzt erscheint, wie dies Hertwig darstellt (Taf. V, Fig. 16), so sehen wir alle Bedingungen ver- wirklicht, um möglichst viele Zellen an der Bildung eines Ruder- plättehens theilnehmen zu lassen. Die eylindrische Form der Zelle, wie Chun sie von Eucharis abbildet, kommt nur in der Mittelebene des Basalpolsters vor; nach oben und unten zu nehmen die Zellen immer mehr spindelförmige Gestalt an. Dies trifft auch für Eucharis zu, wovon ich mich an Präparaten, welche im Leben mit Methylenblau gefärbt worden waren, überzeugt habe (Fig. 26). Man sieht hier bei der genannten Behandlung Fasern, welche vom Ruderplättchen ab in der Längsrichtung (les Meridianstreifens ziehen und fein zugespitzt enden (Fig. 26, BPZ); sie besitzen jene intensiv blaue Färbung, welche für Nervenfasern der Wirbelthiere bei gleicher Behandlung characte- ristisch ist. In die Ruderplättehen selbst setzt sich die Färbung meist in Form eines ebenso gefärbten Streifens (Fig. 26, x) mehr Zur Histologie der Ctenophoren. 183 oder weniger weit fort, ohne jedoch das freie Ende des Ruder- plättehens zu erreichen; doch finden sich Fasern und Streifen auch unabhängig von emander. Bei Beroe erhielt ich ganz ähn- liche Bilder, nur sind die Fasern breiter und kürzer. Da ich hier den Befund an Schnitten eontrolliren konnte, so zweifle ich nieht daran, dass die Fasern die unmittelbar unter dem Epithel gelegenen Basalpolsterzellen vorstellen. In der Technik der Me- thylenblaufärbung, ist es gelegen, dass immer nur einzelne Zellen gefärbt werden und dieselben meist Zeichen des beginnenden Zerfalles an sich tragen, z. B. unregelmässige Form und Vari- cositäten (Fig. 26, Va). Was den feineren Bau der Basalpolsterzellen betrifft, so möchte ich hervorheben, dass (derselbe ganz dem der Flimmer- zellen entspricht, wie er nach dem Erscheinen von Hertwig’s und Chun’s Arbeiten durch Engelmann (10) und Frenzel (11) aufgedeckt wurde. Bei Callianira (Fig. 22) sieht man besonders an mit Osmium behandelten ungefärbten Präparaten am peripheren Ende der Zellen einen Saum, der durch die an einander stossen- dien unteren Knöpfehen gebildet wird (Fig. 22, uß); ich habe denselben bei Beroe nie mit voller Sicherheit sehen können, will jedoch sein Vorkommen nicht in Abrede stellen. Die auf die unteren Knöpfehen folgenden Stäbchen (St) sind bei Callia- nira am Rande des Basalpolsters sehr kurz und werden gegen seine Mitte immer länger (Fig. 20). Häufig sind die zu einer Zelle gehörenden Stäbehen an einander gepresst und so durch Lücken von denen der anderen Zellen getrennt. Den Eindruck einer Cutieula kann die Stäbehenschicht unter keinen Umständen machen. Auf die Stäbehen folgen die oberen Knöpfehen (Fig. 22, oK), die als Saum immer sichtbar, bei genauer Betrachtung aber leieht als Knöpfehen zu erkennen sind. Bei Callianira sah ich manchmal unter den oberen Knöpfehen eine Linie, die viel- leicht auch einer Reihe von Knöpfehen entsprechen könnte. Auf die oberen Knöpfchen folgen die Zwischenglieder (ZG), die bei Callianira und Beroe überall dieselbe Grösse haben. Nun folgt das Ruderplättehen; da dasselbe an seiner Basis stärker tingirt ist, häufig auch eine breitere Linie besonders hervortritt, so ver- muthe ich, dass hier jedes Flimmerhaar mit einem Bulbus be- ginnt. Innerhalb der Zelle sieht man mitunter eine Längsstrei- fung, die wohl nur desshalb nieht immer zu sehen ist, weil sie 154 Paul Samassa: von im Inneren der Zelle verlaufenden Fasern herrührt, auf die nach aussen noch eine Protoplasmaschicht folgt. Dass die Ruderplättehen aus verklebten Cilien bestehen, ist genügend bekannt; während aber bei den anderen von mir unter- suchten Ötenophoren die einzelnen Cilien hierbei einfach neben- einander liegen, findet bei Callianira und bei Cestus eine eigen- thümliche Durchflechtung derselben statt. Ich habe dieselben sehr schön an Querschnitten durch Ruderplättechen gesehen, bei denen die inneren Schichten wohl in Folge ungenügenden Eindringens der Conservirungsflüssigkeit gequollen waren (Fig. 20). Die gut erhaltenen äusseren Schichten der Cilien stellen sich als intensiv gefärbter Streifen (Fig. 20, x) dar. Im Inneren aber sind die einzelnen Geisseln grossentheils isolirt und ihr Verlauf daher ganz gut zu verfolgen. Man sieht wie einzelne dieser Cilien durch die äussere Cilienschieht hindurch treten; ausserhalb der- selben legen sie sich bogenförmig nach oben und mit ihrem Ende der nächst höheren durchtretenden Cilie an, wodurch sehr regelmässige Lückenräume entstehen. Die innersten Cilien scheinen nahe der Basis an die Oberfläche zu treten, so dass in Folge dessen die Unterschiede in der Länge derselben nicht beträchtlich sein dürften. Betrachtet man ein ganzes Ruderplätt- chen von der Fläche, so ist im basalen Theile desselben wegen seiner Dieke meist nichts zu erkennen; im peripheren sieht man hingegen dunklere, rechteckige Flecken (Fig. 23, x), die in zur Basis des Ruderplättehens schiefen Linien angeordnet sind. Die- selben werden durch diese aus dem Inneren an die Oberfläche tretenden Cilien hervorgerufen. Das Resultat dieser Durchflechtung ist, wie leicht einzusehen, eme Dickenabnahme des Ruderplätt- chens gegen das Ende desselben, was sich auch an Querschnitten bestätigen lässt. Der Zweck derselben ist wohl’ der, dem Ruder- plättchen eine grössere Festigkeit und Resistenz zu geben. T'heo- retisch ist dieses Verhalten. jedenfalls interessant, insofern die einzelne Cilie hier m einer Lage noch wirkungsfähig erscheint, die von der im normalen, unverklebten Zustande sehr beträcht- lich abweicht. Vielleicht wäre dieses Verhalten aber auch so zu erklären, dass nur der basale Theil jeder Cilie seine Actions- fähigkeit bewahrt hat, während der periphere passiv bewegt wird; dann würde auch die oben erwähnte Thatsache Erklärung finden, dass die Methylenblaureaetion immer nur im basalen Theile Zur Histologie der Ctenophoren. 185 des Ruderplättchens statt hat. Damit stehe ich freilich ganz auf dem Boden der Hypothese. Die Verbindung der Ruderplättchen eines Meridianstreifens unter einander geschieht, wie Öhun zuerst fand, bei den Loba- ten und Cestiden durch Flimmerstreifen, die den Flimmerrinnen ähnlich ‘gebaut sind und sich an jeden Basalpolster «dreieckig verbreitert ansetzen. Dieselben fehlen den übrigen Ctenophoren, was Chun dadurch erklärlich findet, dass bei denselben die Basalpolster aneinanderstossen und die Verbindung so direkt her- gestellt wird. Damit stimmen die T'hatsachen aber nicht überein: bei Callianira beträgt die Entfernung zweier Basalpolster von Rand zu Rand gemessen 0,2 mm, bei Hormiphora meist 0,3 mm, bei Beroe bald mehr, bald weniger und nur bei Euchlora kann es mitunter den Anschein gewinnen, als ob die Basalposter un- mittelbar aneinanderstiessen; die Fig. 20, 24, 28, sowie Hert- wigs Fig. 6, Taf. VII können davon ein Bild geben. Es besteht aber auch bei diesen Formen eine Verbindung der Basalpolster eines Meridianstreifens untereinander, die von der bei Lobaten und Cestiden vorkommenden sehr verschieden ist. Sie wurde zuerst von Hertwig bei Callianira gesehen. Zwischen 2 Basalpolstern verlaufen hier im regelmässigen Abständen dicke, stark licht- brechende Fasern, wie Hertwig es Fig. 6, Taf. VII abbildet. Nach den Angaben dieses Autors sollen sie kernlos sein und sich mit ihren verzweigten Enden in die Basalpolster einsenken. Sie sind jedoch nichts Anderes als Verbindungsfasern zwischen den Basalpotsterzellen; sie gehen an ihren Enden direkt in die zu äusserst gelegenen Zellen der Basalpolster über. Am besten konnte ich dieses Verhalten an Längsschnitten feststellen, wo ınan diesen Uebergang mit voller Sicherheit wahrnehmen kann (Fig. 21). Isolationspräparate sind nicht so entscheidend, weil bei diesen den Enden der Verbindungsfasern immer eine grosse Zahl dieht gedrängter Basalpolsterzellen aufsitzt, so dass die Möglichkeit nieht auszuschliessen ist, dass die Fasern so enden, wie Hertwig es angibt. In eine Verbindungsfaser gehen immer mehrere neben und hintereinanderstehende Basalpolsterzellen über und zwar in der Weise, dass jede in zwei Fortsätze ausläuft, deren einer zur Faser geht, während der andere sich an der Gallerte befestigt (Fig. 21). Die Verbindungsfaser zeigt bei Callianira nie eine Streifung oder faserige Zusammensetzung. 186 Paul Samassa: Bei Euchlora (Fig. 25), wo die Basalpolster sehr nahe aneinander stehen, findet man häufig auf Längsschnitten zwischen denselben ein stark liehtbrechendes Verbindungsstück (V F), in welches die äussersten Zellen ganz übergehen, während die zu- nächst Gelegenen Fortsätze zu denselben senden. 3ei Hormiphora (Fig. 24) verbinden die Fasern immer nur die mittleren Partieen der Basalpolster. Auch hier werden die- selben durch die Zellfortsätze gebildet, besitzen aber einen fa- serigen Bau. Charakteristisch ist der Unterschied zwischen der oralen und aboralen Hälfte jedes Basalpolsters. An der oralen Hälfte (Fig. 24, 0) nimmt nämlich die Länge der zu äusserst gelegenen Basalpolsterzellen von den Seiten gegen die Mitte all mählich zu. Es vereinigen sich mehrere Zellen zu einer Faser, die jedoch das nächste Basalpolster nicht erreicht. Hingegen sind in der aboralen Hälfte (Fig. 24, ao) die Zellen an den Seiten ziemlich gleichlang und in der Mitte enden die Verbin- dungsfasern in einem Gebiet, das viel kleiner ist, als das, von dem sie entspringen. Dass die Fasern auch hier wirklich die Zellen zweier Basalpolster mit einander verbinden, konnte ich an Schnitten mit voller Sicherheit entscheiden. Bei Beroe ist es auf Längssehnitten (Fig. 25) schwer, die Art der Verbindung sicher zu stellen. Man sieht zwar, wie die Zellen gegen die Ränder in der Richtung der Meridianstreiten zu spin- delförmig werden und Fortsätze zu einem Faserbündel abgeben, das sich immer mehr verschmälert. Auf Schnitten, welche paral- lel zur Basis des Meridianstreifens geführt sind (Fig. 27) !) kann man sich jedoch überzeugen, dass die Basalpolster ihrer ganzen jreite nach dureh zarte Fasern verbunden sind. Bei Beroe macht sich aber auch noch eine andere Erscheinung bemerkbar, die ich bisher bei keiner anderen Ctenophore gefunden habe. Man findet nämlich am Grunde der Basalpolster, jedoch noch ausser- halb der Gallerte, Fasern (Fig. 27 u. 28, NF), welche in der Richtung der Meridianstreifen verlaufen und kleine runde oder spindelförmige Kerme (NZ) besitzen; dazu kommen noch die Fortsätze der Basalpolsterzellen, so dass man hier immer auf 1) Die Basalpolster sind häufig bogenartig vorgewulstet, so dass in dem Schnitte, den Fig. 27 darstellt, in der Mitte die Gallerte, seitlich aber die lateralen Partien der Basalpolster getroffen sind. Zur Histologie der Ctenophoren. 157 eine deutliche Faserscehiceht trifft. Auf Querschnitten sieht man auch noch Fasern, welche senkrecht zur Richtung des Meridian- streifens im Basalpolster verlaufen und eben solche Kerne be- sitzen wie die Längsfasern. Zu erwähnen wäre noch, dass sieh an der aboralen Seite des Basalpolsters häufig unter dem Epithel Kerne finden (Fig. 28, x) über deren Bedeutung ich nichts zu sagen weiss. Wenn wir nach der Bedeutung der Verbindungsfasern fragen, so müssen wir vor Allem im Auge behalten, dass die Bewegung der Ruderplättehen den Gesetzen der Flimmer- bewegung folgt. Es bietet sich uns auch hier das Bild einer fortlaufenden Welle, wie es uns von gewöhnlichem Flimmerepithel her bekannt ist. Diese Erscheinung, die durch die gesetzmässige zeitliche Aufeimanderfolge des Schlages der einzelnen Flimmer- elemente bedingt wird, soll nach der allgemeinen Annahme durch einen von Zelle zu Zelle fortgeleiteten Reiz verursacht sein; der Contact der in Betracht kommenden Flimmerelemente erscheint demnach unerlässlich. Verworn (29) kam jedoch gerade an Ötenophoren zu einer Ansicht über die Flimmerbewegung, welche von der oben dargestellten wesentlich abweicht. Diesem Autor zu Folge soll jedes Flimmerelement autonom sein, d. h. in sich selbst sowohl die Energie, als auch den Antrieb zum Schlage produeiren. Es würden demnach die von einander inabhängigen Elemente ganz regellos schlagen, wenn sie nicht gegenseitig in mechanischer Weise behindert wären. Jedes Element gewinnt erst dann Raum seinen Schlag auszuführen, wenn auch das vor- hergehende schon schlägt u. s. f.; dadureh sollte die Erscheinung der Metachronie zustande kommen. Dieser Theorie widersprechen aber vor Allem die Experimente, welche Verworn angestellt hat. Hielt er ein Plättchen einer Reihe in seiner extremsten Schlagstellung nach oben fest, so wurde dadurch das folgende, Plättehen offenbar von jedem mechanischen Hinderniss, das es am Schlagen verhindert hätte, befreit. Nach Verworn's Theorie müsste es also jetzt schlagen; dies ist aber nicht der Fall: son- dern es bleibt in Ruhe und die Bewegungswelle bleibt an dem festgehaltenen Plättchen stehen, woraus allerdings das folgt, was Verworn zunächst daraus schloss: dass nämlich der Schlag jedes Plättehens von dem des vorhergehenden abhängig ist, aber gewiss nicht in der von Verworn angenommenen Weise. Ferner 188 Paul Samassa: wurde von Chun und Verworn (30) nachgewiesen, dass Reize, welche den Otolithen treffen, auf den Meridianstreifen übertragen werden; insbesondere wies Verworn nach, dass in gewissen Fällen eine ganze Ruderplättehenreihe zum Stillstand kommen könne. Es wäre nun zwar ganz gut zu verstehen, dass von der Feder aus, auf rein mechanischem Wege, die Elemente der Flimmerrinne zum Stillstande gebracht würden, dessgleichen wie die Ruderplättchen durch die Unthätigkeit des ersten Plättchens gleichfalls zur Ruhe gezwungen wären: in welcher Weise aber das letzte Element der Flimmerrinne auf das erste Ruderplättchen als mechanisches Hinderniss wirken soll, bleibt mir unerfindlich. Dagegen beweist die von Verworn angeführte Thatsache, dass Ruderplättchen noch lange Zeit weiterschlagen, wenn sie mit einem Theil des Basalpolsters ausgerissen werden, nichts für die Autonomie der Flimmerelemente, da durch die am Rande fortschreitende Verwesung ein genügender Reiz gesetzt sein kann, um das Schlagen des Plättehens zu veranlassen. Mir erschemt dem gegenüber die Annahme viel plausibler, dass die Energie, welche den Schlag der Wimpern ausführt, in der Zelle selbst produeirt, der Anstoss zum Schlage aber durch einen Reiz, der von der benachbarten Zelle ausgeht, gegeben wird. Da dies aber den Contact der Zellen voraussetzt, so kann die Aufgabe der Verbindungsfasern nur die sein, diesen Reiz von einem Basalpolster auf den nächsten fortzuleiten. Die Bedeutung der Fasern, welche bei Beroe innerhalb der Basalpolster ver- laufen, werde ich später noch erörtern. In den Polplatten fand ich überall ein einschichtiges Flim- merepithel; irgend welche Unterschiede zwischen den Zellen waren nie wahrzunehmen: ich kann daher v. Lendenfeld's (26) Angaben, dass bei Neis m den Polplatten eigenthümliche spindelförmige Sinneszellen vorkommen, nicht bestätigen. In ihrem Bau spricht überhaupt Nichts dafür, dass es sich um ein Sinnesorgan handle. Irgend eine bessere Deutung habe ich freilich nicht. Tentakel. Der Tentakelapparat der Ctenophoren wurde insbesondere durch Hertwig sehr eingehend dargestellt. In der Beurtheilung desselben muss aber in soferne eine Aenderung eintreten, als Zur Histologie der Ctenophoren. 189 Hertwig den ganzen Tentakel aus dem Eetoderm ableitete, während aus der späteren Untersuchung Metschnikoff's (27) hervorgeht, dass die Axe des Tentakels aus dem Mesoderm stammt. Fügen wir hinzu, dass Kleinenberg (18) dieselbe für entodermal hält, so ergibt sich gewiss Manches, dessen Er- forschung für die Keimblätterfrage bei den Ütenophoren von grosser Wichtigkeit wäre. Die Entwicklungsgeschichte wird hier wohl in erster Linie Aufklärung bringen; doch glaube ich auch durch das Studium des ausgebildeten T'hieres, das mir allein zur Verfügung stand, in einigen Punkten weitergekommen zu sein. Ich will zunächst den Bau der Tentakelbasis an der Hand von Querschnitten durch Hormiphora bespreehen. Hertwig wies mit Recht darauf hin, dass der Tentakel in einem bestän- digen Wachsthume sich befinde, um die durch das Abreissen des peripheren Tentakelendes gesetzte Schädigung auszugleichen. Wir dürfen also darauf rechnen hier Bildungszustände aller Stadien zu finden. Die Tentakelbasis besteht nach Hertwig’s Darstellung aus dem Mittelstreifen, der die Tentakelaxe erzeugt, und den beiden Seitenstreifen, welche die epitheliale Bedeckung liefern. Auch der Mittelstreifen soll epithelialer Natur sein, im oralen Theile der Tentakelbasis aber von den Seitenstreifen überwuchert werden, über dem Abgange des Tentakelstammes jedoch ein freiliegendes Epithel bilden. Querschnitte, welche dureh das orale Ende des Mittelstreifens gehen, zeigen denselben kreis- förmig und offenbar aus embryonalen Zellen bestehend. Die Seitenstreifen sind hier noch gar nicht vorhanden. Hingegen wird der Mittelstreifen vom einfachen Epithel des Tentakelsackes be- deckt, was wohl gegen eine ectodermale Entstehung desselben spricht. _ Verfolgen wir die Schnitte in aboraler Richtung, so finden wir, dass der Querschnitt des Mittelstreifens ovale Form annimmt (Fig. 31, MS) und in der Mitte eine Raphe (Fig. 31, RM) auftritt, die aber weder den an das Epithel, noch den an die Gallerte grenzenden Rand des Mittelstreifens erreicht. Sie hat die Form einer Linie, die auch dadurch noch deutlicher wird, dass die Kerne beiderseits in einiger Entfernung von der Linie aufhören. Auch findet sich senkreeht zu dieser Iuinie zwischen den Kernen eine Streifung, die ich darauf zurückführe, dass die Zellen spindelförmige Gestalt haben. Die ganze Bildung Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 13 190 Paul Samassa: lässt sich noch am ehesten mit dem Medullarrohr eines Teleo- stiers vergleichen. Demnächst erfährt dann der unter dem Epithel gelegene Theil des Mittelstreifens eine Modifieation. Es grenzen sich hier zwei symmetrisch an der Raphe gelegene Zellhaufen vom Mittelstreifen ab (Fig. 30, A/NT). Unter den Zellhaufen entsteht ein dreieckiger Spalt (Fig. 30,x), der seitlich zwischen die Zellhaufen und den Rest des Mittelstreifens ein- dringt. Die beiden Zellhaufen stellen die erste Anlage eines Nebententakels vor. Verfolgt man die Querschnitte weiter, so findet man zu gleicher Zeit drei Veränderungen (Fig. 29): zu den zwei Zellhaufen der Nebententakelanlage gesellt sich ein dritter, dessen Entstehung ich nieht ermitteln konnte. Alle drei stossen mit ebenen Flächen an einander an (A/NT) und sind von einer Kapsel umgeben, deren Kerne man deutlich wahrnehmen kann (K/NT). An Stelle der Raphe findet man in dem dem Epithel zunächst gelegenen Theil einen ansehnlichen Spalt, der mit Zellen, welche Fortsätze besitzen, erfüllt ist. Es handelt sich hier wohl um Gallerte, welche von Bindegewebszellen durch- setzt ist. Das Gewebe ist äusserst zart und daher nur an sehr gut erhaltenen Objeeten zu sehen; auch an solchen sieht man hie und da Lücken in demselben, welche künstlich entstanden sein dürften. Bei Objeeten, die ich blos in Paraffin eingebettet hatte, fand ich jedoch nur einen grossen Hohlraum, in dem die Zellen zu einem kleinen Häufehen in der Mitte zusanmengedrängt waren; es können also leicht Täuschungen entstehen. Darum wage ich auch nicht zu entscheiden, ob der früher erwähnte Spalt (Fig. 30, x) wirklich einen Hohlraum darstellt oder ob er nicht auch mit Gallerte erfüllt ist. Aus später ersichtlichen Gründen will ich dieses Gallertgewebe den Axenstrang des Mittelstreifens nennen. Die dritte Veränderung betrifft die Seitenwände des Mittel- streifens (Fig. 29, mZ): hier haben sich nämlich Muskelfasern differenzirt; der dem Körper zugewandte Theil hat seinen embryo- nalen Charakter bewahrt (eZ); er geht seitlich allmählich in die muskelbildende Zone, in der Mitte in den Axenstrang über; die Raphe hat sieh hier erhalten, erreicht jedoch nicht die Gallerte. Auf‘ den folgenden Querschnitten trifft man Anlagen von Neben- tentakeln an, die sich in vorgesehritteneren Stadien befinden. Dasselbe unterscheidet sich jedoch von dem der Fig. 29 nur Zur Histologie der Ctenophoren. 191 dadurch, dass die Kapsel beträchtlich verdiekt ist und eigene Kerne an derselben nicht mehr nachzuweisen sind. Hingegen fällt hier der Unterschied zwischen zwei ver- schiedenen Arten von Anlagen auf, von denen die eine die ge- schilderte Anordnung von drei Zellgruppen besitzt, während die andere aus fünf solchen besteht. Die Ersteren werden zu kleinen, die Letzteren zu grossen Nebententakeln, auf die ich noch zurück- komme. Die Anlage der Letzteren gibt Fig. 35 wieder, wo einer grossen Zellgruppe (S’B) vier kleine halbkreisförmige symmetrisch aufsitzen und zwar in der Weise, dass die dem Körper zuge- wandte Seite der grossen Zellgruppe unbedeckt bleibt. In den Zeilgruppen sieht man in eier protoplasmatischen, von Vaeuolen durchsetzten Grundsubstanz zahlreiche Kerne; Zellgrenzen liessen sich nieht wahrnehmen. Den Abgang des Tentakelstamms von seiner Basis sieht man am besten an Längsschnitten in der Triehterebene. Die Angaben Hertwigs über Callianira kann ich vollkommen bestätigen. Hingegen weicht Hormiphora insofern ab, als die geldrollenförmige Anordnung der Kerne sich hauptsächlich an den Rändern findet, während in der Mitte nur wenige Kerne in der Nähe der Gallerte sie besitzen und schon in geringem Abstande davon mit ihrer Längsaxe in der Richtung der Muskel- fasern orientirt erscheinen (Fig. 37). Daraus dürfte hervorgehen, dass die mittleren Muskelfasern ihrer Entstehung nach älter sind, als die am Rande. Man müsste sich dann das Wachsthum des Tentakelstammes im folgender Weise vorstellen: indem die Neu- bildung der Muskelfasern hauptsächlich vom oralen, zum Theil wohl auch vom aboralen Ende des Mittelstreifens aus vor sich seht, müssen die älteren Muskelfasern immer mehr gegen die Mitte zu gedrängt werden; haben sie die Mitte erreicht, so werden sie überhaupt von ihrem Mutterboden abgedrängt und in die Tentakelaxe hineingeschoben; woraus auch folgt, dass jede Muskelfaser nieht die ganze Länge des Tentakels besitzen kann, sondern nur einen beschränkten Theil derselben. Querschnitte über dem Abgange des Tentakels zeigen wieder orale Bilder des Mittelstreifens, wobei die dem Körper abge- wandte Hälfte zunächst noch Durchschnitte von Muskelfasern auf- weist, die dem Körper zugewandte Hälfte den Bau des embryo- nalen Gewebes, wie sonst auch. Die Mitte ist vom Axenstrang 192 Paul Samassa: erfüllt. Je mehr wir uns dem aboralen Ende des Mittelstreifens nähern, desto mehr nimmt das embryonale Gewebe zu, das schliesslich allein den Mittelstreifen bildet (Fig. 32). Der Axen- strang verschwindet, und an seiner Stelle findet sich wieder die Raphe in gleicher Ausdehnung wie am oralen Ende (vgl. Fig. 31), mit dem das aborale Ende überhaupt in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt. Ueber den Mittelstreifen zieht das Epithel hinweg; da ich dies auch für Callianira bestätigen kann, so muss ich für erwiesen halten, dass der Mittelstreifen nirgends an die Körper- oberfläche tritt. Die gegentheiligen Angaben Hertwig's, so wie dessen Fig. 1u.7 auf Tafel II dürften durch Kunstproducte, welche die Conservirung oder Einbettung hervorrief, zu erklären sein; ich habe schon darauf hingewiesen, wie leicht solche, be- sonders an der mittleren Raphe, entstehen. Dass Hertwig’s Bilder mit meiner Fig. 32 derselben Gegend entstammen, geht schon daraus hervor, dass in beiden Fällen das Tentakelgefäss noch nicht gegabelt ist und die oralwärts vorhandene Scheide- wand hier nur als eine schwache Leiste vorspringt; ein Irrthum in dieser Beziehung ist also auch ausgeschlossen. Demnach würde der Befund beim erwachsenen Thiere der von Metschnikoff (27) behaupteten Herkunft der Tentakelaxe nicht im Wege stehen. Es drängt sich jedoch eine andere Frage auf: Nach Hertwig's Annahme fand die Scheidung der ge- sammten Muskulatur im Tentakel und im Mittelstreifen in zwei Hälften eine plausible Erklärung; da eine Einfaltung des Epithels die erste Anlage der Muskulatur gewesen sein sollte, so schien es sehr begreiflich, dass jede der gegenüberstehenden Epithel- wände eine Hälfte der Tentakelmuskulatur liefere. Diese Er- klärung fällt nun natürlich weg. Der Mittelstreifen bildet em Rohr, dessen Wände theils aus Muskulatur, theils aus embryonalem Gewebe besteht und dessen Lumen von Gallertgewebe, dem Axenstrang, erfüllt ist. Eine Erklärung für diesen eigenthüm- lichen Bau geben aber die vorliegenden Beobachtungen nicht. Immerhin würde Folgendes zu beachten sein: sowohl das em- bryonale Gewebe, als auch, wenigstens theilweise, die musku- lösen Partieen zeigen eine eigenthümliche epithelartige Anord- nung, die, wie ich schon erwähnt habe, beim embryonalen Gewebe eine gewisse Aehnliehkeit mit dem Bau des Medul- larrohrs der Wirbelthiere hervorruft. Zudem sind die Röhren- Zur Histologie der Ctenophoren. 193 wände meist so scharf gegen den gallertigen Axenstrang abge- setzt, dass sieh dadurch die Vermuthung aufdrängt, als habe es sieh hier ursprünglich um einen Hohlraum gehandelt, der erst seeundär mit Gallerte ausgefüllt wurde. Dadurch gewinnt Kleinenberg’s Annahme (18), dass die Tentakelaxe der Cteno- phoren ursprünglich entodermal und hohl gewesen sei, eine ge- wisse Wahrscheinlichkeit. Für Kleinenberg’s negative Meso- dermtheorie scheint mir dieses freilich wenig zu beweisen: denn da das Mesoderm der Ötenophoren doch einmal irgendwie aus dem Entoderm entstanden sein muss, so kann es ja ursprünglich wohl auch eine Tentakelaxe gewesen sein. Bei Callianira beginnt der orale Theil des Mittelstreifens ganz ebenso, wie bei Hormiphora; auch die erste Anlage der Seitenfäden ist ähnlich: sie besteht auch hier aus zwei Zellhaufen (Fig. 34, A'NT), die in der Mitte durch die Raphe getrennt sind. Im Uebrigen sind die Verhältnisse von Hertwig in Fig. 8, Taf. II gut wiedergegeben. Im weitern Verfolge treten aber Abweiehungen von Hormiphora auf: die paarige Nebententakel- anlage verschmilzt zu einer unpaaren, medianen; eine Kapsel- bildung ist nicht zu bemerken. Im Gegensatze zu Hormiphora ist bereits auf diesem Stadium der Axenstrang vorhanden, der die Nebententakelanlage halbmondförmig umgreift (Fig. 34, AS). An den weiter aboralwärts geführten Durchschnitten ergiebt sich Folgendes (Fig. 33): Die Muskelschicht (M Z) reicht nicht so weit gegen den Körper zu, wie bei Hormiphora: auch ist der Axenstrang (AS) mehr redueirt, da er sieh nicht zwischen das embryonale Gewebe (e Z) einschiebt. In der dem Epithel zunächst liegenden Partie des Mittelstreifens gehen zwei Muskelzüge an die Nebententakelanlage und legen sich beiderseits derselben mit einer kolbigen Verdiekung (Fig. 33, M'NT) an, die aus embryo- nalem Gewebe besteht. Es ist dies die Anlage der beiden Muskel- stränge des Nebenfangfadens, die also von ihrer ersten Entstehung an mit der Muskulatur der Tentakelaxe in Verbindung stehen. Ich trete dadurch in Gegensatz zu den Angaben Hertwig's, der annimmt, dass die Anlage des Nebenfangfadens in das Epithel gelangt und dann erst secundär mit der Axe wieder in Verbin- dung tritt. Genau median geführte Längssehnitte geben aller- dings Bilder, wie sie von Hertwig Taf. II, Fig. 2 dargestellt werden. Verfolgt man aber die ganze Serie, so findet man immer 194 Paul'’Samassa: auf den vorhergehenden und folgenden Schnitten die Muskel- stränge, welche die Verbindung mit dem Mittelstreifen herstellen. Auf Quersehnitten, besonders der höher gelegenen Partien, wird man natürlich auch häufig die Axenanlage ausser Verbindung mit dem Mittelstreifen finden, da dieselbe zum Theil umgebogen ist und in anderen Ebenen liegt; verfolgt man aber die Anlage bis an ihre Basis, so wird sich der Zusammenhang immer leicht nachweisen lassen; in dieser Weise dürfte auch Hertwig's Fig. 10 u. 11 auf Taf. II zu erklären sein. Die Seitenstreifen bestehen aus eimem mehrschichtigen Epithel; am aboralen Ende (Fig. 52, SS), wo die Seitenstreifen weiter hinaufreichen als der Mittelstreifen, erkennt man in den- selben bloss eine grosse Zahl von Kernen, was ich als einen embryonalen Zustand betrachte. Dieselbe Beschaffenheit des Epithels findet sich überall an den seitlichen Rändern der Seiten- streifen, aber nur in geringer Ausdehnung. Während das Wachs- thum des Mittelstreifens hauptsächlich vom oralen Ende her er- folgt, ist bei dem Seitenstreifen offenbar das Umgekehrte der Fall. Die Weiterentwieklung des Epithels findet in der Weise statt, dass einzelne Zellen zu Drüsenzellen werden (Fig. 29, 35, Db u. De), während andere dieht gedrängt den Raum zwischen denselben ausfüllen (eEe). Man sieht daher auf Schnitten ein mit zahlreichen Kernen erfülltes Netzwerk; ich bezeichne dasselbe als embryonales Ectoderm, da ein Theil der Zellen sich jedenfalls noch zu Drüsenzellen umwandelt, während ein anderer Theil noch tiefergreifende Veränderungen erfährt, welche bei der Ent- wicklung der Greifzellen besprochen werden sollen. Die hier vorkommenden Drüsenzellen entsprechen offenbar den gewöhn- lichen Drüsenzellen des Körper- und Magenepithels. Dort, wo man zuerst nur Lücken zu sehen glaubt, sieht man auch die feine Zeichnung, wie sie im Körperepithel dem Stadium Da 4 auf Fig. 11 entspricht. Ausserdem findet man das durch seine intensive Färbbarkeit ausgezeichnete Stadium b nicht nur in den Seitenfeldern,: sondern auch mitunter im Epithel des Tentakel- stammes und der Nebententakel. Das Körnerstadium wiegt aber vor; die Kömer sind in den Seitenstreifen noch wenig licht- brechend und fein granulirt: an dieses Stadium werde ich bei Besprechung der Entwicklung der Greifzellen anzuknüpfen haben. Zur Histologie der Ctenophoren. 195 Vorher muss ich auf den Tentakelstamm und die Weiterentwick- lung der Nebententakel näher eingehen. Die Entstehung der Muskelfasern im Tentakelstanım habe ich im Anschlusse an Hertwig’s Untersuchungen bereits be- sproehen. Die Muskelfasern sind von einem bindegewebigen Fachwerk umhüllt, das ich als Perimysium bezeichnen will (Fig. 36, P); in diesem liegen auch die Kerne, die ich sowohl auf Querschnitten, als auch auf Längsschnitten gefunden habe. Kerne sind offenbar auch die körnigen Stellen, welche Hertwig auf Querschnitten gefunden hat; er war m der Deutung derselben zweifelhaft, da er sie auf Längsschnitten nicht habe finden können; doch bildet er in Fig. 4, Taf. III auf einem Längsschnitte Kerne ab, ganz so, wie ich sie auch gesehen habe, so dass ich hier doch ein Missverständniss vermuthe. Im Centrum des Tentakel- stammes verläuft Hertwig’s Axenstrang, der mit dem des Mittel- streifens in direetem Zusammenhange steht und aus demselben Gallertgewebe gebildet wird, wie dieser. Es ist auch leicht einzusehen, dass bei dem fortwährenden Wachsthum des Ten- takels immer neue Partien des Gewebes aus dem Mittelstreifen in den Stamım hineinrücken müssen, so dass die Identität der beiden Gewebe nieht zu bezweifeln ist. Der Axenstrang nimmt von der Basis gegen die Peripherie zu an Umfang ab. Auf einem Längsschnitte, wo derselbe nahe der Tentakelbasis getroffen ist, sieht man ziemlich zahlreiche Kerne (Fig. 38, N); sie sind. mit- unter oval, aber durchaus nicht in der Längsriehtung des Ten- takelstammes orientirt. Ausserdem sieht man zahlreiche Lücken- räume (Fig. 38, V), meist mehr am Rande. In grösserer Ent- fernung von der Basis ist der Mittelstrang mehr eingeengt und die Hohlräume überwiegen derart, dass die Scheidewände auf Schnitten nur wie die Ausläufer der Zellen erscheinen. Die Hohl- räume dürften dureh die Conservirung entstanden sein, da die Gallerte hier sehr zart zu sein scheint, wie ich es schon für den Axenstrang des Mittelstreifens erwähnte. Auf Quersehnitten kann man ferner schen, dass der Mittelstrang mit dem Perimysium der Muskeln im Zusammenhange steht. Hertwig gibt an, dass der Axenstrang aus Gallerte bestehe, in die feine Nervenfasern ein- gebettet seien. Ich habe aber einen faserigen Bau des Axenstranges niemals wahrnehmen können. Es könnten höchstens im distalen Theile des Tentakelstammes die oben geschilderten Verhältnisse zu 196 Paul Samassa: einer Täuschung im diesem Sinne Anlass geben. Es kommt hier nämlich wohl vor, dass die oblongen Kerne in der Richtung der Tentakelaxe orientirt sind und dass der Durchschnitt der Gallert- wand das Bild einer in der Längsrichtung verlaufenden Faser gibt. Da dies aber durchaus nicht die Regel ist, so glaube ich, dass es sich auf die oben dargelegte Weise erklären lässt. Schliesslich kommt aber noch in Betracht, dass natürlich auch dieser entferntere Theil des Axenstranges sich allmählich aus dem unteren Mittelstreifen gebildet hat; da sich jedoch hier nichts von einem faserigen Baue findet, so scheint dies doch auch für den distalen Theil höchst unwahrscheinlich. Der Axenstrang zieht sich genau in der Richtung der Triehterebene in zwei dünne Lamellen aus, welchen die Musku- latur der beiden Seiten vollkommen scheidet; dies ist aus den Verhältnissen im Mittelstreifen der Tentakelbasis leicht verständ- lich, da hier die beiden Muskelblätter durch den Axenstrang von einander geschieden sind. Daraus ist auch die Beziehung der Seitententakel zum Stamm zu erklären; da ihre Anlagen ge- nau in der Mittellinie und zwar nur an der oralen Seite liegen, so müssen auch die Seitenfäden am ausgebildeten Tentakel alle längs dem genannten Septum angeordnet sein. Bei Callianira (Fig. 36) gehen die Muskelbänder der Seitenfäden (MNT) direkt in die Muskulatur des Stammes über, was ich Hertwig’s gegen- theiligen Angaben gegenüber hervorheben möchte. Hertwig's Angaben, dass beim ausgebildeten Tentakel von Callianira sowohl die Axe als auch die Muskelbänder von einer Kapsel umgeben seien, kann ich bestätigen; die Entwicklung derselben habe ich nicht beobachtet. Bei Hormiphora sind die Verhältnisse insoferne anders, als hier, wie Hertwig angiebt, die Muskelbänder in den Seitenten- takeln fehlen, was sich auch in der Entwicklung ausspricht. Die Bedingungen für den Ansatz derselben am Stamm sind aber die- selben, da hier ebenso wie bei Callianira die Seitenfadenanlage an den Axenstrang anstösst; an Querschnitten ist man leicht ähnlichen Täuschungen ausgesetzt, wie ich sie früher für Callia- nira angab; verfolgt man aber jede Seitententakelanlage bis an ihre Basis, so wird man immer feststellen können, dass dieselbe an den Axenstrang des Mittelstreifens anstösst. Die aus 3 Zell- gruppen bestehenden Anlagen führen zur Bildung von kleinen, Zur Histologie der Ctenophoren. 197 die aus 5 zusammengesetzten von grossen Nebententakeln. Bei den Ersteren (Fig. 39) zieht sich hierbei die mittlere Zellengruppe zu einer bandartigen Stützlamelle (SB) aus, der an den Enden die beiden anderen Zellgruppen in röhrenförmiger Gestalt aufsitzen. An der Basis stösst das mittlere Stützband an das Axenband des Stammes, während die seitlichen Röhren in das Perimysium der Muskeln übergehen. Die Ausbildung der grossen Nebenten- takel (Fig. 40) geschieht in der Weise, dass das mittlere, grosse 'Zellnest sich zu einem Stützbande (SB) abplattet; es biegt dann an den Seiten um und erzeugt dadurch auf den Querschnitten jene U-förmige Figur, welche Hertwig beschreibt und Taf. III, Fig. 12 abbildet. Die 4 kleinen Zellgruppen (Fig. 40, NA) der Anlage wachsen zu Röhren aus, die ich als Nebenaxen bezeieh- nen will, und sind folgendermassen vertheilt: zwei stossen an den Enden der U-förmigen Figur an das Stützband an, in der- selben Weise wie bei den kleinen Seitententakeln (Fig. 39); die anderen zwei liegen etwas plattgedrückt an den beiden Umbie- sungsstellen des U; das Stützband zieht unter denselben hinweg. Hertwig hat diese Stellen wohl gesehen; er deutet sie aber insoferne unrichtig, als er annimmt, dass sie durch das Aus- einanderweichen des Stützbandes in zwei Blätter hervorgerufen würden. Die histologische Differenzirung der m der Anlage gleichen fünf oder drei Zellgruppen geht beim Stützband und den Neben- axen in verschiedener Weise vor sich. Bei Ersterem legen sich die beiden Kapselwände aneinander zu einer homogenen Lamelle, in der die Kerne liegen (Fig. 39, 40, SB); schliesslich verdünnt sich diese immer mehr, und die Kerne sind nieht mehr zu sehen. Bei den Seitenaxen entwickeln sich die Vacuolen mehr, und ein Durchschnitt zeigt dann die Kerne mit scheinbaren Ausläufern. Mitunter sind mehrere Reihen von Kernen vorhanden, welche durch eine Scheidewand von einander getrennt sind; ein Längs- schnitt zeigt daher eine feine Linie, welche wohl leieht für eine Faser gehalten werden könnte. Ich vermuthe, dass dies Hert- wig zu der Annahme geführt hat, dass an den erwähnten vier Stellen im Stützbande Fasern verlaufen. Ich komme nun zu einem der schwierigsten Punkte, nämlich: zum Bau und zur Entwicklung des Tentakelepithels. Dasselbe besteht bei Hormiphora und Callianira aus den von Chun ent- 198 Paul Samassa: deckten Greifzellen und einem sehr redueirten, interstitiellen Ge- webe. Nach Sinneszellen habe ich vergeblich gesucht und ich muss die darauf bezüglichen Angaben Hertwig's für Callianira und Hormiphora umsomehr in Zweifel ziehen, als auf allen Bildern, die Hertwig vom Tentakelepithel dieser Formen gibt, Sinnes- zellen fehlen, das Epithel aber so wiedergegeben ist, wie auch ich es stets gefunden habe. Nach der Darstellung von Chun und von Hertwig bestehen die Greifzellen aus halbkugeligen mit stark lichtbrechenden Körnchen in einfacher Lage erfüllten Vorragungen, an deren Unterseite sich ein spiraliger Muskelfaden ansetzt. Bezüglich des Kernes gibt Chun an, dass er nur in einem Falle an dem der Axe zugewandten Ende des Spiralfadens einen Kern ansitzend gefunden habe. Hertwig gibt an, der Kern liege zur Seite gedrängt an der Basis der halbkugeligen Vorragungen. Er bildet denselben zwar auf Taf. I, Fig. 14 ab, bezieht sich jedoch im Texte nicht darauf. Die dort abgebildeten Kerne gehören jedoch zweifellos dem Zwischengewebe an, wenn ich auch dasselbe in dieser Ausdehnung im Tentakelapparat nie angetroffen habe. Betrachtet man das ausgebildete Epithel eines Seitententakels von der Fläche (Fig. 45), so sieht man zwischen den kreisförmig sich darstellenden Greifzellen ein Netzwerk (iG), das die Räume zwischen den Greifzellen ausfüllt und in dem spärlich Kerne liegen; ich betrachte dasselbe als interstitielles Gewebe. An den Greifzellen bemerkt man unter der Körnerlage die ersten Windungen des Spiralfadens (SF), in der Mitte aber einen bei reiner Kermfärbung intensiv gefärbten Punkt (CF). Querschnitte (Fig. 44) durch das Epithel geben darüber folgende Aufklärung: die Körnerlage (Fig. 44, DG) stellt sich im optischen Durchschnitt halbkreisförmig dar; senkrecht zur Oberfläche setzt sich immer ein langgestreckter, intensiv gefärbter Kern (N) an, der in der Mitte des Spiralfadens liegt. An Schnitten mit reiner Kernfärbung lässt sich weiter nichts wahrnehmen; nimmt man aber etwa eine diffuse Hämatoxylinfärbung zu Hilfe, so sieht man, wie der Kern sich in eine Faser (CF) tortsetzt, die sich an der Tentakelaxe inserirt; mitunter, jedoch nicht immer, ist noch ein zweiter Kern in den Verlanf der Faser eingeschaltet, meist in der Nähe der Axe. Dass der Spiralfaden sich verjüngt und gleichfalls an der Axe befestigt ist, ist durch Hertwig und Chun bekannt; einen Kern habe ich mit Sicherheit im Spiralfaden nie nachweisen Zur Histologie der Ctenophoren. 199 können. Der oben beschriebene Faden, den ich als Centralfaden bezeichnen will, wurde zwar von Hertwig in einigen Fällen gesehen, in seinem ganzen Verlauf und seinem Verhältniss zum Spiralfaden jedoch nicht erkannt. ir beschreibt bei Euplo- camis, dass sich das proximale Ende des Spiralmuskels in einen femen Faden fortsetzt, der sich an der Axe inserirt, und fährt dann fort: „In einigen Fällen liess sich der Faden noch weiter über die Basis des Spiralmuskels hinaus bis an den Zellenkörper verfolgen; er steigt dabei geraden Weges in der Axe der Spirale auf.“ Ein ähnliches Verhältniss wird von ihm auch für Hormi- phora angegeben. Sowohl Spiralfaden als Centralfaden gehen an den Seiten- tentakeln mit einer dreieckigen Verbreiterung in die dieke Kapsel der Axe über, ohne dass eme Grenze zwischen beiden kenntlich wäre; besonders bei Callianira sieht die Kapsel infolge der An- sätze häufig wie gesägt aus. Ein Umbiegen des Spiralfadens in einen Muskelfaden hat Chun für Lampetia und Cestus beobachtet. Dem gegenüber muss ich mich Hertwig anschliessen, der diese Angaben bestritt. Bei Hormiphora ist em solches Verhalten leicht auszuschliessen, weil Muskeln in den Nebententakeln über- haupt nieht vorhanden sind, aber auch bei Callianira kann ich mit Bestimmtheit angeben, dass die Fäden sich bloss an der die Muskelbänder umgebenden Kapsel ansetzen, mit diesen selbst aber nicht in Verbindung treten. Ueber das Verhältniss des Centralfadens zum Spiralfaden konnte ich nur schwer Aufklärung gewinnen: einerseits deshalb, weil es sich dabei um körperliche Verhältnisse in den kleinsten Dimen- sionen handelt; andererseits, weil in der Seitenansicht die halbkuge- lige Körnerzone gerade die entscheidende Stelle bedeckt und das ge- naue Sehen erschwert: mitunter ist aber auf Schnitten dieser Theil weggeschnitten, so dass man klareren Einblick gewinnt. An solehen Zellen glaube ich mich überzeugt zu haben, dass das periphere Ende des Spiralfadens sieh genau am Ende des Öentralfadens ansetzt. Man kann dieses Verhalten aber auch in der Aufsicht auf die Greifzellen von oben wiedererkennen. Bei etwas tiefer Einstellung sieht man den Kern des Centralfadens als intensiv gefärbten Punkt, den Spiralfaden als Kreis um den- selben. Beim Heben des Tubus kann man den Spiralfaden ver- folgen, der genau am höchsten Punkte des Centralfadens endigt. 200 Paul Samassa: Ich deute das so, dass der Centralfaden an dieser Stelle in den Spiralfaden umbiegt. Ein einfaches Aneinanderliegen der Enden würde zwar wohl dasselbe Bild geben, und an der ausgebildeten Zelle dürfte sich meine Annahme kaum beweisen lassen; doch sprechen einige Momente in der Entwicklung dafür, auf die ich jetzt eingehen will. Es wäre am einfachsten die Entwicklung der Greifzellen am Tentakelstamm zu studiren, weil sich ja hier alle Stadien finden müssen; doch bietet sich eine andere Schwierigkeit, indem die Zellen hier kleiner sind als an den Nebententakeln, und der Differenzirungsprocess daher viel schwerer zu verfolgen ist. Ich habe mich desshalb hauptsächlich an die Nebententakel gehalten, welehe in ihrer Aufeinanderfolge auch alle Stadien verfolgen lassen, die man sich ohne weiteres ins Zeitliche übertragen kann. Das Epithel der Seitenstreifen geht ganz in derselben Form, wie wir es vorhin kennen gelernt haben, auf die Seitenfäden über: wir finden also auf denselben ein mehrschichtiges Epithel, dessen Hauptbestandtheil Drüsenzellen im Körnerstadium bilden; die Körner sind trübe und granulirt; das Stadium b kommt auch vor, und besonders bei Callianira fand ieh unmittelbar um die Axe herum eine Lage davon, dureh die intensive Färbung mit Hämatoxylin und Anilinfarben leicht kenntlich. Der Raum zwischen den Zellen ist mit zahlreichen Kernen erfüllt. Später ordnet sich an der Peripherie eine Lage von Drüsenzellen an (Fig. 39, De); unter dieser finden sich dieselben aber auch noch zahlreich, obwohl in keiner regelmässigen Anordnung; um die Axe herum liegt eine grosse Zahl von Kernen. Mit der weitern Verbreiterung der Axe wird natürlich die Oberfläche vergrössert und die Dicke des Epithels redueirt. Die Drüsenzellen stehen dann meistens in zwei, höchstens in drei Reihen ziemlich dieht gedrängt (Fig. 40); die tiefste Reihe derselben stösst gleich an die zahlreichen Kerne, welche die Axe umgeben. Auf diesem Stadium beginnt meist die Bildung der Central- fäden; manchmal aber ordnen sich die Drüsenzellen vorher in einer Reihe an und diese Fälle sind für unseren Zweek instruc- tiver (Fig. 41). Die früher runden Zellen sind dann eylindrisch geworden, offenbar infolge ihrer gedrängten Stellung ; unter ihnen haben sich die oben erwähnten Kerne (Fig. 41, FA) zu einer Reihe angeordnet, ein Zusammenhang zwischen den beiden Ele- Zur Histologie der Ctenophoren. 201 menten ist nicht zu bemerken, (dagegen unter dem Kem häufig eine Faser, welche ihn mit der Axe verbindet. Das nächste Stadium (Fig. 45), das ich fand, zeigte die Drüsenzellen (De) von der Axe abgedrängt; vermuthlich infolge der damit ver- bundenen Oberflächenvergrösserung haben sie wieder runde oder birnförmige Gestalt angenommen; mit der Axe sind sie durch einen Fortsatz verbunden, in dem ein oblonger Kern eingeschaltet ist (CF); hie und da findet sich sowohl zwischen den Fasern als auch an der Oberfläche zwischen den Drüsenzellen ein Kern. Da die Kerne um die Axe herum nieht mehr vorhanden sind, so bleibt nur die Erklärung, dass dieselben sich zu den oblongen Kernen umgestaltet haben, ihr Zellleib aber als Faser gegen die Drüsenzellen vorgewachsen ist. Dafür sprechen auch die Bilder, welehe man dort erhält, wo der Faden bereits ausgebildet ist, während die Drüsenzellen noch in zwei Reihen angeordnet sind (Fig 42): man findet, dass die äussere Lage der Drüsenzellen bereits die Fortsätze mit den langgestreckten Kernen besitzt, also dem Stadium der Fig. 43 entspricht; zwischen den Fasern liegt die zweite Reihe von Drüsenzellen; unter jeder derselben liest an der Axe ein Kern, der aber seine rundliche Gestalt noch bewahrt, ähnlich wie in Fig. 41. In einem weitern Stadium ist diese Lage aber auch bereits von der Axe abgerückt und mit gleichen Fortsätzen versehen wie die obere. Von den Drüsen- zellen ist zu erwähnen, dass ihr Kerm auf diesem Stadium meistens nicht zu sehen und vermuthlich wohl zu Grunde ge- sangen ist. Manchmal ist er jedoch noch zu bemerken (Fig. 41, 42N); wenn die Zelle bereits mit emer Faser versehen ist, so dass eine Umwandlung desselben in den Kern der Faser bestimmt auszuschliessen ist; dagegen spricht auch schon, dass der Durch- messer des Drüsenkerns im vorigen Stadium (Fig. 39) 4u ‚beträgt, während der Kern der Faser bei einer Breite von 2 « eine Länge von 8 « besitzt, so dass man eine Volumszunahme auf das Vierfache annehmen müsste. Die weiteren Umgestaltungen erfolgen in der Weise, dass die Drüsenzelle immer mehr die Form eines Nagelkopfes annimmt, an dessen Unterseite sich an- fänglich noch ein kleines Häufchen Protoplasma befindet, (Fig. 44, be), das schliesslich aber auch verschwindet (Fig. 44a). Die Bildung des Spiralfadens dürfte in der Weise erfolgen, dass das periphere Ende des Centralfadens weiter wächst und 202 Paul Samassa: dadurch die Windungen bildet. Den Vorgang genau zu ver- folgen, ist unmöglich, weil gerade das Ende des Öentralfadens von der Drüsenzelle am meisten verdeckt wird. Es spricht aber dafür, dass man Zellen sieht, in denen nur eine Windung ange- deutet erscheint; ferner solche in denen der Spiralfaden bereits unter der Zelle hervortritt, mit der Nebententakelaxe aber noch nicht in Verbindung steht. Schliesslich kommt noch in Betracht, dass jedes Element, das ihn sonst erzeugen könnte, fehlt. Indem sich der Kern des Oentralfadens noch etwas verschmälert und verlängert, ist die Form erreicht, welche ich oben von den aus- gebildeten Greifzellen beschrieb. Ob der Kern, der sich häufig auch noch an der Basis des Centralfadens befindet (Fig. 44, b, e) aus dem bereits gestreekten Kern durch T'heilung entsteht, oder ob ursprünglich auch Anlagen mit zwei Kernen vorkommen, habe ich nieht zu entscheiden vermocht, wenn mir auch KErsteres wahrscheinlicher erscheint. Ueber den wichtigen Punkt, wie der Faden an der Drüsenzelle befestigt ist, konnte ich nichts ermitteln. Durch vorstehende Darstellung glaube ich erwiesen zu haben, dass das, was man bisher als Greifzellen betrachtete, aus minde- stens zwei Zellen zusammengesetzt ist, von denen die eime den Drüsenantheil derselben, die andere den Central- und Spiralfaden bildet, welehe Beide ja eigentlich nur einen einzigen Faden vor- stellen. Damit fällt Chun’s Erklärung, dass die Greifzellen eine Art von Muskelepithelzellen vorstellen; auch die von Haeckel (13) und Chun vertretene Homologie der Greifzellen mit den Nesselzellen der übrigen Coelenteraten erweist sich als unhaltbar; denn was den drüsigen Theil der Greifzelle betrifft, so geht aus Bau und Entwicklung desselben zur Genüge hervor, dass er mit den sonst im Epithel vorkommenden Drüsenzellen grundsätzlieh übereinstimmt. Ueber die morphologische Bedeu- tung des Muskelfadens lässt sich gegenwärtig nichts aussagen ; mit Bestimmtheit kann man aber sagen, dass er dem Muskel- fortsatz einer Nesselzelle nicht entsprechen kann. Es erübrigt noch einige Veränderungen des Epithels der Nebententakel zu besprechen, welche besonders bei Hormiphora ausgebildet sind. Wie Hertwig angibt, wird zwischen den Greifzellen und der Axe Gallerte ausgeschieden. Ist diese noch nieht sehr mächtig, so wird sie einfach vom Centralfaden und von dem feinen Faden, in welchen der Spiralfaden ausläuft, Zur Histologie der Ötenophoren. 205 durchsetzt. Bei stärkerer Ausbildung findet sich jedoch in der Gallerte ein Netzwerk von Fasern, wie dies von Hertwig ge- schildert wird. In den grossen Seitententakeln ist immer die eoneave Seite der erwähnten U-förmigen Figur auf Quersehnitten mit diesem Faserwerk erfüllt. Den Anfang der Gallertausschei- dung sieht man auf Fig. 40. Hier ist die convexe Seite des U mit mehrschiehtigem Epithel bedeckt, das noch etwas auf die eoncave Seite übergreift. Am Boden derselben findet sich ein- faches Epithel (EZ), das durch Gallerte bereits etwas vom Stütz- band abgedrängt ist. In der Gallerte sieht man Hohlräume (V), die auf Schrumpfung zurückzuführen sein dürften. Ueber das Schieksal des eimschichtigen Epithels konnte ich nichts ermitteln. Auf den nächsten Stadien, die ich fand, ist dasselbe nicht mehr vorhanden, der Nebententakel allseitig mit Greifzellen bedeckt. Die Enden des Spiral- und Centralfadens gehen in das beschriebene Netzwerk über, in dem sich, wie von Hertwig beschrieben wurde, Pigmentzellen finden. Von den Greifzellen am Tentakel- stamm ist zu bemerken, dass die Fadenenden sich hier am Perimysium inseriren. Sehliesslich möchte ich. als wichtig nochmals hervorheben: 1) dass die Thatsachen mit einer mesodermalen Entstehung der Tentakelaxe sehr gut im Einklang stehen ; 2) dass die sogenannten „Greifzellen“ mindestens aus zwei Zellen zusammengesetzt sind, und dass der Drüsenantheil derselben grundsätzlich mit den Drüsenzellen des Körperepithels übereinstimmt; 3) dass sich im Tentakelapparat von Callianira und Hormiphora keinerlei Elemente finden, die sich als nervös deuten liessen. Auf die Frage nach der vergleichend morphologischen Bedeutung des Tentakelapparates fällt aber durch die erwähnten Thatsachen nur wenig Licht; hoffentlich gelingt es der Entwicklungsgeschichte, diese Lücke auszufüllen. Die Elemente der Gallerte. ‘Bevor ich mich der Analyse der verschiedenen Gewebe, welche in der Gallerte eingebettet sind, zuwende, wird es gerathen sein, die Grundsätze darzulegen, nach welchen ich die Gewebe zu unterscheiden gedenke. Es kommt hiebei die Muskulatur, das Nerven- und das Bindegewebe in Betracht. Die so weit auseinandergehenden Ansichten über das Nervensystem der Uteno- 204 PaulSamassa: phoren sind ja gerade darauf zurückzuführen, dass bei dieser Unterscheidung nach sehr verschiedenen Grundsätzen verfahren wurde. Eimer sah vor Allem im dem Vorkommen von Vari- eositäten ein Kennzeichen der Nervenfaser. Diese Ansicht wurde von Chun und Hertwig sehr energisch bekämpft, indem von ihnen nachgewiesen wurde, dass die zahlreichen varieösen Fasern, welche Eimer bei Beroe gefunden hatte, auf ungenügende Conservirung zurückzuführen seien. Bei guter Conservirung lässt Hertwig aber doch die Bildung von Varicositäten als Kenn- zeichen von Nervenfasern bis zu einem gewissen Grade gelten; es wird diese Eigenschaft von ihm sogar in seinem Lehrbuche der Zoologie bei der Charakteristik der Nervenfasern angeführt. Es beweist dies freilich nur, wie mangelhaft unsere Erkennungs- mittel des Nervensystems gegenwärtig noch sind. Gehen wir auf die Entstehung der Varicositäten näher ein, so finden wir, dass es zwei Formen derselben gibt, welche ich beide bei Otenophoren gefunden habe. In dem einen Fall ist eine Hüllmembran kugelig aufgetrieben und von der betreffenden Faser abgehoben; bei sehr gut conservirten Objeeten habe ich diese Art von Varicositäten überhaupt nicht vorgefunden ; waren dieselben etwas schlechter eonservirt, so fand man sie an Fasern, die man für Nervenfasern hätte halten können, bei noch schlech- terer Uonservirung schliesslich an Fasern, über deren Natur als Muskelfasern nicht der geringste Zweifel sein konnte. Die andere Form der Varicositäten ist bei den Bindegewebszellen vorhanden ; besonders ausgesprochen bei Cestus, wo auch die bindegewebige Natur dieser Zellen von Hertwig und Chun anerkannt wurde. Hier finden sich an den Fortsätzen ziemlich eng hintereinander zahlreiche Anschwellungen, die nicht auf das Abheben einer Hüllmembran, sondern auf eine derartige Ansammlung des Proto- plasmas bei der Conservirung zurückzuführen sind. Dies wird auch dadurch bewiesen, dass besonders die sehr feinen Fortsätze nur aus einer Reihe hintereinander liegender Pünktchen bestehen, welche untereinander überhaupt keinen Zusammenhang - mehr besitzen. Herr Professor Bütschli hat die Freundlichkeit mir mitzutheilen, dass er bei Conservirung mariner Rhizopoden die Pseudopodien häufig in genau demselben Zustande fand. Ich muss übrigens noch bemerken, dass sich diese Art der Vari- cositäten auch bei der besten Conservirung vorfindet. Zur Histologie der Ctenophoren. 205 Damit ist wohl klar, dass die Bildung von Varicositäten zu irgend einer wesentlichen Eigenschaft des Nerven in keiner Beziehung steht ; nichtsdestoweniger kann dieselbe doch ein ganz brauchbares Hilfsmittel sein bei Thieren, deren Gewebe bereits hoch ausgebildet sind, und wo erfahrungsgemäss nur den Nerven- fasern jene Zartheit und Veränderlichkeit zukommt, welche zur Bildung von Varicositäten neigt. Handelt es sich aber wie in unserem Falle gewissermassen um eine Terra incognita, wo sich von vornherein über die Eigenschaften der Gewebe nichts aus- sagen lässt, so ist dieses Mittel vollständig unbrauchbar. Eine andere Hoffnung knüpfte sich für mich an die vitale Methylenblaureaction, welche ja in letzter Zeit so glänzende Er- folge aufzuweisen hat. Sie gründet sich, soweit bis jetzt bekannt, darauf, dass Methylenblau infolge des höheren Sauerstoff bedürf- nisses des Nerven von ihm zu Methylenweiss redueirt und dieses bei Absterben des Nervs an der Luft zu Methylenblau wieder oxydirt wird. Den übrigen Geweben kommen aber redueirende Eigenschaften natürlich auch zu, nur nicht in so hohem Grade. Ist der Abstand dem Nervengewebe gegenüber ein sehr grosser, so können Zweifel wohl schwer entstehen. Bei den Otenophoren zeigen aber die verschiedensten Gewebe eine ähnliche Methylen- blaureaction, wie das Nervengewebe der höheren Thiere. Ich habe bereits erwähnt, dass dies bei den Drüsenzellen im Stadium b und bei den Basalpolsterzellen der Fall ist; einen Plexus unter dem Epithel findet man nie, hingegen sind in der Gallerte einige sehr dünne Fasern gefärbt. Auf demselben Stadium ist es aber auch die Marksubstanz dickerer Muskelfasern genau ebenso. Schreitet die Oxydation weiter fort, so färbt sich die ganze Faser, welche aus anderen Kennzeichen mit Bestimmtheit als Muskelfaser angesprochen werden kann. Daraus folgt aber, dass auch diese Methode für unsere Zwecke nicht zu brauchen ist. Zu ähnlichem Resultate kam übrigens auch. Verworn (30). Die Goldmethode habe ich bloss an Alkoholmaterial ver- sucht und hiebei lediglich eine gleichmässige Färbung aller Elemente erzielt. Auch für die nervösen Zellen werden von Eimer sehr bestimmte Kennzeichen aufgestellt. Als solches wird z. B. pag. 216 seines Medusenwerkes (9) angegeben, „dass die Menge des Plasmas der Zelle so gering sei, dass es im optischen Durch- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. 14 206 PaulSamassa: schnitt nur in Form einer ganz schmalen Linie um den Kern herum sichtbar wird.“ Wenn aber dann zwei Seiten später eine faserige Differenzirung des Plasmas .als charakteristisch hinge- stellt wird, so kommt man natürlich mit der Anwendung des zuerst angegebenen Merkmales in Verlegenheit. Die vorstehende Erörterung führt offenbar zu dem bekannten Resultate, dass histologische Merkmale des Nervensystem, welche für die ganze Thierreihe giltig wären, bis jetzt nicht bekannt sind. ‚Es gäbe aber noch einen Weg: es ist anzunehmen, dass wenigstens innerhalb eines Thierkreises sich gewisse histologische Merkmale des Nervensystems feststellen lassen. Und da dies in der That bei einem grossen Theil der Coelenteraten bereits ge- schehen ist, so müsste man die dabei gewonnenen Merkmale bei den Ctenophoren zu verwenden suchen. Ich habe es auch damit versucht. Nachdem ich mich aber überzeugt hatte, dass der ecetodermale Nervenplexus, der für die Cnidarier charakteristisch ist und nach Hertwig’s Angaben auch den Ctenophoren zu- kommen soll, bei diesen Thieren thatsächlich nicht vorkommt, so musste es mir überhaupt sehr fraglich erscheinen, ob das eventuelle bei den Ötenophoren vorkommende Nervensystem über- haupt mit dem der Cnidarier homolog sein könne. Es hätte dann auch die eingehendste, vergleichend histologische Unter- suchung des Nervensystems der Onidarier die hier vorliegende Frage nicht einen Schritt weiter fördern können. Es bleibt also nur noch die morphologische Methode, und auf diese habe ich mich gestützt. Es wurde von den Brüdern Hertwig (15) und von Rich. Hertwig (17) mit Recht her- vorgehoben, dass wir mit der Bezeichnung Nervensystem einen physiologisch und morphologisch streng begrenzten Begriff ver- knüpfen. Wir werden in letzterer Beziehung als nervös ein Organsystem zu verstehen haben, das aus pereipirenden Apparaten, einer Verbindung derselben mit Ganglienzellen, der Letzteren unter sich und schliesslich mit der Muskulatur besteht. Wenn man also ein Organsystem sucht, das den oben gestellten Anforderungen genügen soll, so muss man zu irgend einem positiven oder negati- ven Resultat gelangen, vorausgesetzt, dass nicht unüberwindliche technische Schwierigkeiten dem entgegenstehen. Da dies aber bei den Ctenophoren nicht der Fall ist, so muss ein auf diesem Weg gewonnenes Resultat auf Wahrschemliehkeit Anspruch machen. Zur Histologie der Ctenophoren. 207 Die Unterscheidung zwischen Muskulatur und Bindegewebe ist sehr leicht, wenn beide histologisch gut charakterisirt sind. Das ist nicht immer der Fall. Ich suchte daher die künstliche Verdauung als Unterscheidungsmittel heranzuziehen. Nachdem ich aber einen Ueberblick darüber gewonnen hatte, wie sehr verschieden bei Wirbelthieren Bindegewebe, Sarkolemm, elastische Faser ete. der Verdauung gegenüber sich verhalten, so musste es völlig aussichtslos erscheinen, von dieser Basis aus ein Merk- mal für die Bindesubstanz der Ctenophoren aufzustellen. Dies um so mehr, als bei Ctenophoren ebensogut wie bei Wirbel- thieren unter diesem Namen sehr heterogene Elemente vereinigt werden. Mitunter kann auch hier die Art der Anordnung die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, ob eine Faser als Muskel wirken könne oder nicht, entscheiden. Ist dies aber trotzdem in einigen Fällen nicht möglich, so wird die Lücke hier nicht so empfindlich sein, wie bei der Frage nach dem Nervensystem, weleher prinzipiell eine viel grössere Bedeutung zukommt. J3eroe. In der Gallerte von Beroe ist die Muskulatur weitaus überwiegend. Bezüglich der Anordnung muss ich auf die ausführlichen Angaben von Eimer, Hertwig und Chun verweisen, da dies zu meinem Thema nicht in nächster Beziehung steht. Die Dieke der Muskelfasern schwankt beträchtlich. Die diekeren Fasern sind histologisch sehr wohl eharakterisirt: sie besitzen ein Sarkolemm, eine contractile, längsgestreifte Rinden- schieht und in der Axe einen Markfaden, der auch die oblongen Kerne beherbergt. Zu dieser von den Autoren übereinstimmend gegebenen Darstellung möchte ich Einiges ergänzend hinzufügen. Auf den Querschnitten einer Muskelfaser (Fig. 46) sieht man das Sarkolemm (S) als äusserst zarten Ring; von diesem treten gegen das Innere der Faser kurze Leisten (PF) vor, welehe körperlich als ein Mantel von Fibrillen zu denken sind, welcher die Faser bedeckt. Der Rest der contractilen Substanz zeigt eine sehr blasse und schwer sichtbare netzförmige Zeichnung, hie und da grössere Lücken (V), im Centrum die Markaxe oder einen Kern. Die erwähnten Leisten, die ich als Primitivfibrillen bezeichnen will, verursachen die Längsstreifung der Muskelfaser. Sie wur- 208 PaulSamassa: den zwar von Eimer gesehen, aber für Verbindungen des Sar- kolemms mit den Muskelfasern gehalten. Auch Hertwig sah sie und bildete sie ganz richtig ab (Taf. VI, Fig. 9a), hielt sie aber für das Sarkolemm, das einen körnigen Ring zwischen Gallerte und Muskelsubstanz bilde. Hieraus mag auch seine Ansicht zu erklären sein, dass das Sarkolemm „nur eine Erhärtung und Ver- dichtung der benachbarten Gallerte* sei; ich kann dem nicht bei- stimmen, da der feste Zusammenhang: mit der Muskelfaser ent- schieden dafür spricht, dass das Sarkolemm von dieser gebildet wird. Eine Streifung des Sarkolemms ist nicht vorhanden; hin- gegen findet man dasselbe mitunter im einzelnen Blasen abge- hoben (Fig. 48). Dieselben sind manchmal rhombisch, wodurch eine sehr regelmässige Zeichnung entsteht. Zwischen den Muskelfasern bestehen sehr zahlreiche Ver- bindungen, was besonders von Chun hervorgehoben wurde. Dieselben sind so zahlreich, dass man gewiss sagen kann, dass die ganze Muskulatur der Gallerte im Zusammenhange steht. Bezüglich der Form der Verbindungen verweise ich auf Chun’s Darstellung und Abbildungen; bei der Wichtigkeit, welche mir dieser Punkt zu besitzen scheint, will ich die wichtigsten Formen auch hier noch wiedergeben. Fig. 47b zeigt zwei Fasern, welche senkrecht aufeimanderstossen; eine vollständige Durchkreuzung findet aber nicht statt, sondern der Markfaden der Faser x zieht unter dem der Faser y hinweg und die Verbindung findet bloss im Sarkolemm und der Rindensubstanz statt. Eine zweite Form (Fig. 47a) ist überaus häufig: zwei sich kreuzende Fasern sind durch eine dreieckige Verbreiterung des Sarkolemms mit einander verbunden; mitunter sah ich in derselben eime feine Streifung, die davon herzurühren schemt, dass einzelne Primitivfibrillen zwischen den Muskeln ausgetauscht werden. Zwischen parallel verlaufenden Muskeln finden sich Verbindungsfasern von ver- schiedener Dicke. Sie kommen aber auch bei Muskelfasern vor, die sich unter beliebigen Winkeln kreuzen; sie sind bald Kurz und breit (Fig. 47e), bald länger und zarter (47d) und setzen sich dreieckig verbreitert an die Muskeln an; in der dreieckigen Ansatzplatte finden sich mitunter Kerne (Fig. 47d); meist aber fehlen dieselben. Eine Struktur konnte ich in den Verbindungs- fasern nicht finden; sie machen den Eindruck, als ob sie bloss aus dem Sarkolemm bestünden. Auch Hertwig hat diese Zur Histologie der Ctenophoren. 209 Verbindungsfasern gesehen und deutet sie als Nerven; wo zwei Muskelfasern nur durch eine kurze Querbrücke verbunden sind, glaubt er, dass dies nur Nervenendigungen seien, während der Nerv, welcher dieselben versorgt, abgerissen sei. Eine solche Annahme kann ich aber auf das Bestimmteste ausschliessen. Die Zahl der Verbindungen zwischen Muskelfasern wurde von Hert- wig überhaupt unterschätzt; er bemerkt von der Papillenmus- kulatur der Euecharis mit Hinweisung auf Fig. 10, Taf. VII, dass dieselbe sich hauptsächlich durch die grosse Zahl der Anasto- mosen von der Muskulatur von Beroe unterscheide; dem gegen- über muss ich sagen, dass bei Beroe Anastomosen gewiss ebenso häufig sind wie in der angezogenen Figur. Um alle Verbin- dungen gut zu sehen, empfiehlt es sich, Färbungsmethoden anzu- wenden, welche das Sarkolemm gut tingiren; mit Methylenblau- färbung an Alkoholmaterial erhielt ich vorzügliche Resultate. Das ist aber eine durchaus nicht nothwendige Voraussetzung, was ja aus Ch un’s Ergebnissen hervorgeht. Eine besondere Stellung nehmen die Radiärmuskeln ein, das sind jene Muskeln, welche zwischen Körperwand und Magen oder Triehter ausgespannt sind. Dieselben enden, wie von allen Autoren angegeben wird, beiderseits verästelt. Hertwig gibt an, dass die Art der Verästelung an dem der Körperoberfläche und an dem dem Magen zugewandten Ende verschieden ist; im ersteren Falle finden die Theilungen unter sehr spitzen Winkeln statt, wodurch der Muskel besenreisartig aufgefasert erscheint; während er im letzteren Falle geweihartig ist. Ich kann diese Darstellung in den Hauptpunkten bestätigen. Bezüglich der Endigung am Körperepithel fand ich eine kleine Abweichung (Fig. 49): die erste Theilung der Muskelfaser findet bereits in beträchtlicher Entfernung vom Epithel statt; die daraus resul- tirenden Zweigfasern erster Ordnung (Fig. 49, r M) ziehen dann ungetheilt bis zu der unter dem Epithel gelegenen Gallertschicht, in welcher Längs- und Quermuskeln nicht mehr vorkommen und welche von Eimer als „Nervea“ bezeichnet wurde; auf diesem Wege gehen sie zahlreiche Verbindungen vom Typus der Fig. 47a und b mit der umgebenden Muskulatur ein. An der erwähnten Gallertschieht angelangt, theilt sich die Faser in der von Hert- wig geschilderten Weise. Ob dieser lange ungetheilte Verlauf der aus der ersten Theilung hervorgehenden Fasern die Regel 210 Paul Samassa: ist, kann ich nieht entscheiden, da ich ein genügend grosses Material daraufhin nieht untersucht habe. Eine Abweichung vom gewöhnlichen Theilungsmodus ist in Fig. 51 dargestellt. Die Zweigfaser 1. Ordnung liegt in der Richtung der zu äusserst gelegenen Zweigfaser 2. Ordnung, so dass dadurch das Bild einer Faser entsteht, die nur auf einer Seite Seitenäste abgibt. Im Uebrigen stimmen diese Fasern mit den anderen vollständig überein. Ich vermuthe, dass diese Zweigfasern die zu äusserst gelegenen eines Radiärmuskels sind, von der Zugrichtung daher am meisten abweichen; es würde sich ihre Form dann aus mechanischen Gründen leicht erklären. Keinesfalls kann ich Hertwig’s An- sicht beistimmen, der die fraglichen Fasern auf diesen Unter- schied hin als Nervenfasern ansieht. Bezüglich des dem Magen zugekehrtem Ende der Radiär- fasern wird von allen Autoren angegeben, dass sich dasselbe an der Magenwand inserire. Dies ist aber nicht der Fall; es fällt zunächst schon auf, dass sich die Längsmuskelschicht des Magens mit dem darauf liegenden Epithel sehr leicht von der Gallerte abziehen lässt, ohne dass irgend welche abgerissenen Muskelenden daran haften. Dies wird durch Betrachtung der Ringmuskula- tur, die in der Gallerte der Längsmuskelschicht zunächst liegt, leicht aufgeklärt (Fig. 50). Man sieht nämlich die Ringmuskeln (RM) von den geweihartigen Enden der Radiärmuskeln (rM) so umschnürt, wie etwa ein Draht von einer Rebenranke. Eine Verbindung der Substanz der beiden Muskeln findet dabei aber nicht statt, was daraus hervorgeht, dass der Radiärmuskel sich leicht vollkommen vom Ringmuskel loslösen lässt. Es lässt sich auch nur auf diese Weise erklären, dass Hertwig das be- schriebene Verhältniss entgangen ist, während er das Ende des Radiärmuskels ganz richtig abbildet. Der Zweck dieser Einrichtung dürfte in Folgendem be- stehen: Beroe besitzt die Eigenschaft auf einen Reiz hin die Körperoberfläche zurückzuziehen. Dieser Effect wird durch die Radiärmuskeln hervorgerufen. Wären dieselben einerseits am Körperepithel, andererseits am Magen befestigt, so müsste eine Contraetion eine Annäherung dieser beiden Flächen zur Folge haben; es würde nicht nur die Körperoberfläche, sondern auch die des Magens eingezogen werden. Soll nun der Effeet der Contraetion lediglich für die Körperoberfläche nutzbar gemacht Zur Histologie der Ctenophoren. 211 werden, so muss das Magenende des Radiärmuskels fixirt sein. Dies würde bei der gegebenen Eimrichtung in der That der Fall sein, vorausgesetzt, dass bei Contraetion der Radiärfasern auch die Ringmuskulatur contrahirt wird. Es müsste dadurch sogar eine Verstärkung des Effeetes hervorgerufen werden, indem das Magenende der Radiärfasern nieht nur fixirt, sondern auch noch weiter nach innen gezogen würde. Um nun dieser Voraussetzung, unter welcher allein die Einrichtung einen Zweck haben könnte, zu genügen, muss eine Uebertragung des Reizes von der Radiär- faser auf die Ringfaser angenommen werden. Dieselbe geschieht meiner Ansicht nach dadurch, dass durch die Contraetion der Radiärfaser die Ringfaser eingeschnürt und dadurch zur Con- traction veranlasst wird. Physiologische Bedenken stehen dieser Auffassung nicht im Wege, da von Kühne (23, 24) nachgewiesen wurde, dass unter ähnlichen Verhältnissen auch bei den quer- gestreiften Muskeln der Wirbelthiere eine Uebertragung des Reizes stattfindet. Zu bemerken wäre noch, dass verbindende Fasern, welche auf andere Weise die gleichzeitige Action der Radiär- und Ringmuskulatur erklären könnten, vollständig fehlen. Unmittelbar unter dem Körperepithel findet sich eme Lage platter Muskelfasern (Fig. 49, sM). Dieselbe ist nur zu sehen, wenn das Epithel entfernt ist, was eben nicht leicht gelingt. Die Fasern verlaufen meist in zwei unter spitzen Winkeln sich kreuzenden Richtungen, wodurch eine rhombische Felderung er- zeugt wird. Diese Faserschicht wurde von Kölliker (19) beobachtet, von allen späteren Autoren aber übersehen. Das, was Chun subeutane Muskulatur nennt, liegt bereits unter der muskelfreien Gallerte — Eimer’s Nervea — hat also mit der fraglichen Muskulatur nichts zu thun. Hertwig stellt das Vorkommen dieser Schicht direkt in Abrede. Ich wende mich der Entwieklung der Muskulatur zu. Die bedeutenden Grössendifferenzen, die man zwischen zgeschlechts- reifen Beroes findet, weisen darauf hin, dass der Körper der- selben die Fähigkeit besitzt unter günstigen Bedingungen, wie es scheint, beinahe unbegrenzt weiterzuwachsen. Da die Mus- kulatur, welche den Hauptbestandtheil der Gallerte bildet, dabei in erster Linie betheiligt ist, so finden sich in der That zahl- reiche Bildungsstadien derselben. Diese Thatsache wurde beson- 212 Paul’Samassa: ders von Chun hervorgehoben, von Hertwig aber zu wenig beachtet. Ueber die erste Entstehung der Muskelzellen stehen sich zwei Ansichten gegenüber: nach Kowalewsky und Chun sollen Eetodermzellen in die Gallerte einwandern und dort zu Muskel- zellen werden; nach Chun soll auch beim erwachsenen Individuum dieser Vorgang noch stattfmden. Nach Metschnikoff sollen die Zellen der Mesodermstreifen sich in der Gallerte vertheilen und zu Muskeln umgestalten. Ein Einwandern von Muskelzellen aus dem Eetoderm glaubt er für den Embryo bestimmt ausschliessen zu können. Ich kann das auch für das ausgebildete Thier. Zunächst habe ich die Muskelepithelzellen, welche nach Chun auch schon im Epithel kenntlich sein sollen, durchaus nicht finden können. Ich weiss auch nicht, was er dafür angesehen hat. Hingegen wird aus dem Folgenden hervorgehen, dass der Anschein auswandernder Epithelzellen sehr leicht entstehen kann, wenn man nicht Schnittserien zu Rathe zieht. Diese beweisen aber unwiderleglich, dass irgend etwas Derartiges nicht statt- findet; entscheidend ist hierbei das Epithel an jenen Stellen, wo unter demselben zahlreiche Muskelbildungsstadien liegen; von auswandernden Epithelzellen ist dann nicht das Geringste zu bemerken. Ich schliesse mich daher der Annahme Metsch- nikoff's an. Ich gehe bei meiner Darstellung von den Bindegewebs- körperchen aus, welche von Eimer und Hertwig gesehen wurden. Beide Autoren vermuthen, dass dieselben amöboider Bewegungen fähig seien. Es machte auch auf mich diesen Ein- druck. Man trifft sie ziemlich häufig in der Gallerte, manchmal kugelrund (Fig. 53d), meist mit einigen Pseudopodien, die aber nur auf einer Seite ausgestreckt sind (Fig. 53 a—e), so dass es scheint, als ob sie sich in dieser Richtung fortbewegten. Der Kern ist manchmal durchaus intensiv gefärbt, manchmal ist es nur das Kernkörperchen, während der Kern blass erscheint. Ich deute diese Bindegewebskörperchen als Zellen des Mesoderm- streifens, die sich in ihrem embryonalen Zustande erhalten haben und nenne sie Embryonalzellen.. Von ihnen geht die Bildung der Muskelfasern aus und zwar besonders reichlich in der Um- gebung des Sinnespols. Es lässt sich schon aus anderen Gründen ohne dass Zur Histologie der Ötenophoren. 213 sich hier die Hauptzone des Wachsthums befindet: es ist nämlich bloss hier die Möglichkeit gegeben, dass sich neue Ruderplätt- chen aus den Elementen der Flimmerrinne bilden; eine Bildung derselben am oralen Ende ist ganz auszuschliessen. Ferner finden sich auch im aboralen Ende des Magens indifferente Epithelzellen, welche sich dann zu Drüsenzellen umgestalten können (vel. Fig. 6). Hingegen findet das Wachsthum des Körperepithels von den Meridianstreifen aus statt, im deren Umgebung das Epithel noch einfach ist. Da übrigens mit dem Wachsthum auch eine Dieken- zunahme der vom Sinnespol entfernt liegenden Gallertpartien ver- bunden ist, so ist es klar, dass auch hier eme Bildung von Mus- keln stattfinden muss. Fig. 57 stellt die Entwieklung der Längs- muskulatur dar, wie sie in der Nähe des Sinnespoles stattfindet. Das erste Stadium bilden die embryonalen Mesodermzellen (eZM), welche spindelförmige Gestalt besitzen. Im nächsten Stadium (x) finden wir eine dieser Zellen getheilt, das Protoplasma derselben aber noch im Zusammenhange. Auf einer Seite wurde eine dünne Faser ausgeschieden, die durch ihr starkes Liehtbrechungs- vermögen ohne Weiteres dem trüb granulirten Protoplasma gegen- über kenntlich ist. An den Enden der Faser gehen vom Proto- plasma Fortstätze aus, welche mit den in Bildung begriffenen Radiärfasern in Verbindung treten. In der weiteren Entwicklung (y) erstarkt die Faser und wächst mehr aus; die Continuität des Protoplasmas wird unterbrochen und nur um die Kerne herum,- die in bestimmten Abständen der Faser anliegen, findet sich noch ein Häufehen desselben. Ein Uebergangsstadium zur aus- gebildeten Faser habe ich in diesem Falle nieht gefunden; es dürfte sich aber ähnlich gestalten, wie in den Fällen, die ich jetzt beschreiben will. Ich habe bereits erwähnt, dass sich die Embryonalzellen in der ganzen Gallerte verbreitet finden. Mitunter findet man solehe mit zwei oder mehr Kernen, oder man trifft Bilder wie Fig. 58a, wo ein Kern schon beträchtlich abgerückt scheint, aber mit einer breiten Protoplasmabrücke mit dem Rest verbunden ist. Endlich findet man eime Kette von 4 Kernen in einem breiten Pro- toplasmastrange (Fig. 58b). Als nächstes Stadium deute ich eigenthümliche Fasern (Fig. 58 ec), welche keine scharfen Con- touren besitzen und häufige Varieositäten aufweisen, die aber nicht durch die Abhebung einer Hüllmembran, sondern durch 214 PaulSamassa: die kugelförmige Zusammenziehung des Protoplasmas hervorge- rufen sind. In Abständen finden sich immer Kerne, mitunter zwei beisammen, was auf ein weiteres Wachsthum schliessen lässt. Diese Fasern wurden von Eimer für Nervenfasern gehalten, von Hertwig und Chun aber übersehen. Die Entwicklung dieser Fasern habe ich natürlich nieht gesehen, sondern lediglich die verschiedenen Formen, die ich fand, in dieser Weise combinirt. Man könnte also auch den hier dargestellten Zusammenhang in Ab- rede stellen, und ich muss mich verantworten, warum ich diese Fasern nicht als Nervenfasern ansehe: vor Allem deshalb, weil sich dieselben mitunter nur zwischen drei Kernen im ganz derselben Form, wie in Fig. 58, e erstrecken; man sieht dann an den beiden Enden einige Pseudopodien, niemals aber eme Verbindung mit Muskeln. Zweitens sind die Fasern aber auch viel zu selten, denn wenn die Muskeln innervirt wären, so müsste man einen ungleich grösseren Reichthum an Nervenfasern voraussetzen. Als nächstes Stadium sehe ich dann sehr dünne, stark liehtbreehende Fasern an, denen die Kerne seitlich mit etwas Protoplasma ansitzen, denen aber auch sonst noch kleine Protoplasmafetzchen anhaften. Diese verschwinden jedoch bald (Fig. 58d). Schliesslich wird der Kern langgestreckt und liegt in der Faser (Fig. 58 e). Der Zeitpunkt hierfür scheint sehr zu wechseln; man findet ganz gleich starke Fa- sern, wo in dem einen Falle der Kern anliegt (Fig. 59 b), ‚während er sich im andern Falle bereits in der Faser be- findet (Fig. 59 a). Natürlich muss man den letzteren Fall davon unterscheiden, wenn man lediglich einen anliegenden Kern in der Aufsicht über der Faser liegen sieht. Eine Sonderung in Mark- und Rindensubstanz ist erst an viel diekeren Fasern zu bemerken. Ich kann mieh daher Hertwig’s und Chun’s Ansieht, dass der Markfaden der Rest des ursprünglichen Bil- dungsplasmas darstelle, nicht anschliessen. Die Bildung der Radiärfasern geht von der Körperwand aus vor sich (Fig. 60), indem eine embryonale Zelle sich mit dem einen Ende am Epithel verästelt ansetzt, mit dem andern unter Vermehrung der Kerne gegen den Magen zu fortwächst. Die Ausbildung des Magenendes konnte ich nicht beobachten. Da nun die Bildungszelle dieser Fasern ursprünglich dicht unter dem Epithel liegt, so kann sie ohne die Controle durch Schnitte leicht zu der Täuschung Anlass geben, dass es sich um auswandernde Zur Histologie der Ctenophoren. 215 Eetodernzellen handle, wie dies von Kowalewsky und Chun angegeben wurde. In der Gallerte finden sich mitunter Fasern, welche durch einen dünnen Faden mit einander verbunden sind, den wir als Sehne betrachten können (Fig. 52a). In einem Falle (Fig. 52b) sah ich in der Sehne ein Stück Muskel eingeschaltet. Von diesen Fällen, die ich an sehr gut conservirtem Material beobachtet habe, sind Artefacte zu unterscheiden, die ich insbesondere bei Conservirung in Alkohol sehr häufig angetroffen habe. Hier ist der Muskel in zahlreiche Stücke zerrissen, welche durch das eollabirte Sarkolemm mit einander verbunden sind. Bezüglich der Längsmuskelsehicht, welche unmittelbar unter dem Epithel des Magens liegt, wird von Eimer und Hertwig angegeben, dass dieselbe am aboralen Ende des Magens infolge zahlreicher Anastomosen in eine Art gefensterte Membran über- gehe. Ich konnte eine solehe nicht finden und kann mit Bezug auf Eimer’s Abbildung nur eine Verwechselung mit dem inter- stitiellen Gewebe des Epithels vermuthen. Bindegewebszellen in ihrer typischen Form, wie wir sie bei den anderen Formen noch kennen lernen werden, finden sich bei Beroe auch, jedoch selten (Fig. 55). Es sind Zellen mit emer grossen Zahl protoplasmatischer varicöser Ausläufer. Sie be- sitzen Aehnlichkeit mit den Gliazellen der Wirbelthiere. Ob Zellen, wie sie in Fig. 54 abgebildet sind, als Bindegewebszellen oder als Embryonalzellen zu betrachten sind, lässt sich schwer ent- scheiden: es würde darauf ankommen, ob diese Zellen ihre Form noch ändern oder nicht, was sich am conservirten Material eben nicht sagen lässt. Eine eigenthümliche Form des Bindegewebes findet sich in der Gegend des Sinnespoles. Man sieht hier (Fig. 56) ein Gerüstwerk sehr feiner, protoplasmatischer Fäden, welche varicös sind und mit Bindegewebszellen (BZ) im Zusammenhange stehen. Der Verlauf der Fäden ist meist geradlinig; sie liegen nicht in einer Fläche, sondern die ganze Gallerte dieser Gegend ist von ihnen in allen Richtungen durchsetzt. Die Fig.56 stellt also lediglich einen optischen Querschnitt dar. Offenbar sind es diese Fäden, welche Eimer mittelst Vergoldung darstellte und Fig. 71 abbildet; er zählte sie dem Nervensystem zu. Ich werde auf ihre Bedeutung bei den entsprechenden Gebilden des Cestus ein- 216 BrarulSkumlalsısiar: gehen und dort auch rechtfertigen, warum ich sie nicht für ner- vös halte. Zum Bindegewebe rechne ich auch eigenthümliche, wohl charakterisirte Fasern, welche sich unter dem Sinneskörper und unter den Ruderplättchen finden. Zwischen den Basalpolstern und dem Radiärkanal (Fig. 61) findet sich eine Gallertlage, welche sich etwas stärker färbt als die übrige Gallerte des Körpers, was ich als ein Zeichen grösserer Dichte auslege. Unmittelbar unter dem Basalpolster verlaufen Längsmuskeln; auf diese folgt eine Sehieht von Quermuskeln (QM), welche sich in die Gallerte des Körpers hinein verfolgen lassen. Zwischen Basalpolster und Gastrovaseularcanal sind sehr dünne Fasern (St F) ausgespannt, in deren Verlauf 2—3 Kerne eingeschaltet sind. Jeder Kern liegt gewöhnlich in einem Hohlraum (V) der Gallerte. Am Radiär- canal hört die Faser mit der Gallerte einfach auf; am andern Ende scheint sie aber mitunter in das Basalpolster einzutreten; ich kann das freilich nicht mit Bestimmtheit sagen, da die Beobachtung hier sehr erschwert ist. Ueber die Bedeutung der Hohlräume konnte ich zu keinem befriedigenden Resultat gelangen. Zunächst nahm ich an, dass der Hohlraum dem Volumen eines sehr wasserreichen Zellkörpers entspreche, der durch die Conser- virung zerstört worden sei. Dafür scheint zu sprechen, dass sich häufig einige körnige Protoplasmareste in dem Hohlraum vorfinden. Dagegen spricht aber, dass sich auch Kerne an den Fasern finden, die in keinem Hohlraum liegen, und dass andererseits Hohlräume auch an solehen Stellen die Fasern umgeben, wo Kerne nicht vorkommen. Von Eimer, der diese Fasern zuerst beschrieb, wurden sie als nervös erklärt. Ich kann mich dieser Deutung desshalb nicht anschliessen, weil ich nicht einsehe, welche nervöse Funktion eine Faser haben könnte, die vom Basalpolster zum Radiärcanal ver- läuft, um hier einfach aufzuhören; denn eine Verbindung dieser Fasern mit der Muskulatur kann ich bestimmt verneinen. Chun hat diese Fasern überhaupt nicht gesehen. Hertwig bemerkte sie ebenso wie Eimer; er glaubt aber, dass es sich um sehr stark künstlich veränderte Muskelfasern handle, da die Meridian- streifen bei der Conservirung stets stark eingezogen und infolge des ungenügenden Eindringens der Conservirungsflüssigkeit schlecht erhalten sei; dadurch sollte die Perlschnurform der Faser zustande Zur Histologie der Ctenophoren. 217 kommen. Damit hängt es nun sicherlich nieht zusammen; ich habe nämlich dem von Hertwig erwähnten Uebelstande dadurch gesteuert, dass ich die Thiere vor der Conservirung mit 5—10°/, Alkohol lähmte. Ich erhielt die Meridianstreifen dann immer in normaler Lage oder sogar etwas vorgewölbt. Als Artefact könnte übrigens nur der Hohlraum um den Kern herum angesehen werden; während doch der Kern selbst unter allen Umständen als Anschwellung der Faser bestehen bleibt. Das perlschnurartige Ansehen derselben entspricht also vollständig dem wahren Sach- verhalt. Verworn (29) hält diese Fasern gleichfalls für Muskel- fasern und schreibt ihrer Contraetion das Zurückziehen der Ruder- plättchen auf einen Reiz hin zu. Dies kann aber schon desshalb nicht richtig sein, weil die Dieke der zwischen Basalpolster und Radiärcanal gelegenen Gallerte, z.B. in Fig. 61, nicht einmal 0,l mm beträgt, während die Retraetion mehrere Millimeter be- tragen kann. Ich schreibe vielmehr der Quermuskulatur (Fig. 61,QM) den Hauptantheil bei diesem Vorgange zu; ausserdem spielen wohl noch die zwischen je zwei Meridianstreifen verlaufenden Längsmuskeln eine Rolle. Ich halte die fraglichen Fasern über- haupt nicht für Muskelfasern, denn sie haben höchstens mit Ent- wicklungszuständen derselben Aehnliehkeit. Sie für solehe zu halten ist aber ganz unmöglich, da ausgebildete Muskelfasern in dieser Verlaufsriehtung vollkommen fehlen. Ich glaube daher, dass sie bindegewebiger Natur seien und will sie als Stützfasern bezeichnen. In ähnlicher Form wie unter den Ruderplättehen kommen die Stützfasern unter dem Sinneskörper vor (Fig. 62), wo sie die ziemlich beträchtliche Gallertschichte, welche das Epithel des Sinneskörpers vom Entoderm trennt, durchsetzen. Die Gallerte hat auch hier jene dichte Beschaffenheit, wie unter den Basal- polstern. Die gleiche Eigenschaft hat die Gallerte in den Triehter- klammern. Als solche wurden von Eimer zwei halbeylindrische Gallertpolster bezeichnet, welche den Eingang zum Trichter ver- schliessen. Nach Eimers und Hertwig’s Angaben sollen in derselben zahlreiche Nervenfasern vorkommen. Fig. 63 stellt einen Durchsehnitt durch den aboralen Theil einer Klammer dar. Man sieht hier in dem vorspringenden Gallertpolster emige ver- ästelte Zellen (BZ), deren Ausläufer am Epithel enden. Die 218 PaulSamassa: Kerne dieser Zellen waren auf Hämatoxylinpräparaten durch eine dunklere Färbung den Kernen des Epithels gegenüber aus- gezeichnet. Solche dunklere Kerne finden sich nun ziemlich häufig ausserhalb der Gallerte unter den Epithelzellen (Fig. 63 x) und stehen mit den Ausläufern der verästelten Zellen in Verbin- dung. Mitunter sieht man. auch einen Kern, der zur Hälfte noch in der Gallerte, zur andern Hälfte im Epithel steckt, als ob er eben im Begriff wäre auszuwandern (Fig. 63y). Dieser Befund scheint für eine nervöse Natur dieser Zellen zu sprechen; wenn ich sie dennoch für Bindegewebszellen halte, so thue ich dies im Hinblick auf ihr Verhalten zur Muskulatur. Die Gallerte der Klammern wird in ihrem oberen Theil durch eine Schicht von Muskeln abgegrenzt, welche parallel zum Epithel derselben ver- laufen (Fig. 65, MF). Mit diesen Muskeln zeigen die verästelten Zellen keine Verbindung, noch weniger mit der ausserhalb der- selben gelegenen Muskulatur. Weiter oralwärts geht die Klammer in die Triehtermundlippen über und die genannte Muskelschicht hört auf. Dafür treten an Stelle der Bindegewebszellen Fasern, welche beiderseits am Epithel enden und in ihrem Verlaufe keinerlei Verbindung mit anderen Elementen eingehen. Ich halte sie desshalb auch für Bindegewebe. Ausser diesen Elementen kommen auch noch zahlreiche junge Muskelfasern vor, welche wohl vor Allem als Nervenfasern gedeutet worden sein mögen. Cestus. Von der Muskulatur sind zunächst die in der Trichter- ebene — also in der Längsrichtung des Cestusbandes — unter dem Epithel verlaufenden Muskeln von Interesse. Pinselt man das Epithel weg, so stösst man unmittelbar auf diese Muskel- schieht (Fig. 64, LM), der noch zahlreiche Kerne des interstitiellen Gewebes aufliegen und anhaften; ich habe dieselben, um das Bild übersichtlich zu erhalten, m Fig. 64 weggelassen. Unter diesen Muskeln trifft man auf eine Lage gekreuzter Fasern (Fig. 64, &M) und unter dieser auf die Gallerte mit einigen zu äusserst gelegenen Bindegewebszellen. Die Längsmuskeln sind, wie von Hertwig angegeben wird, homogene Fäden; Chun’s Darstellung, dass dieselben in Mark- und Rindenschicht gesondert seien, und dass Erstere die Kerne enthalte, ist demnach nicht richtig. Zwischen den Längsmuskeln findet man feine, nicht Zur Histologie der Ctenophoren. 219 scharf eontourirte Linien (Fig. 64 x), welche auch nach Ent- fernung der Muskeln bestehen bleiben. Sie wurden von Hertwig gesehen und als Eindrücke der Muskelfasern in einer sie umge- benden Kittmasse gedeutet. Sie haben jedoch eine andere Be- deutung, die man auf Querschnitten (Fig. 65) leicht erkennt. Man sieht hier vom interstitiellen Gewebe des Epithels aus Scheidewände (x) an die unter der Längsmuskulatur gelegene Lamelle ziehen, so dass jede Muskelfaser in einer Röhre steckt, welche einerseits vom interstitiellen Gewebe, andererseits von der erwähnten Lamelle gebildet wird. Beim Abpinseln des Epithels reissen nun diese Seitenwände durch, und der Theil, der an der Lamelle haften bleibt, erzeugt die feinen Linien. Häufig sieht man Längsmuskelfasern einfach zugespitzt enden; es dürfte demnach die Länge der Fasern nicht so ausserordentlich sein, wie Chun annimmt. Mitunter sieht man auch Verbindungen zwischen zwei benachbarten Fasern. Die gekreuzte Muskelschicht (Fig. 64, gM) unter der Längsmuskulatur fand ich so, wie Hert- wig sie beschreibt; auf einem Präparat mit reiner Körnerfärbung sah ich zahlreiche, langgestreckte Kerne, welche in der Richtung der Fasern lagen; die Fasern selbst waren allerdings nicht zu sehen. Da ich aber sonst keine Gebilde wüsste, welchen diese Kerne angehören könnten, so glaube ich doch, dass es die Kerne der gekreuzten Muskulatur sind, welche demnach viel zahlreicher wären, als Hertwig es dargestellt hat. Sowohl für die Längsmuskelschicht, als auch für die ge- kreuzten Fasern wird von Hertwig ein eetodermaler Ursprung angenommen. Da er dies aber nicht direct beobachtete, sondern bloss nach Analogie mit den Cnidariern erschloss, wurde neuer- dings das Vorkommen ectodermaler Muskelfasern bei Ctenophoren von Hatschek (14) bezweifelt. Die hier dargelegten Verhältnisse sprechen aber doch für sehr nahe Beziehungen zum Epithel. Es ist besonders bemerkenswerth, dass ausser dem interstitiellen Gewebe keinerlei Kerne vorhanden sind, die man den Muskel- fasern zuschreiben könnte. Auch aus dem Verhalten des Epithels an den lateralen Enden scheint mir eine Entstehung aus dem Eetoderm sehr wahrscheinlich. Leider standen mir hiervon so wenig Präparate zur Verfügung, dass ich mir über die Einzel- heiten des Vorganges kein klares Bild machen konnte; ich möchte mir daher eine Darstellung desselben auf bessere Gelegen- 220 PaulSamassa: heit versparen. Zu erwähnen wäre noch, dass an isolirten Jungen Längsmuskelfasern (Fig. 67) aus der Nähe der lateralen Enden ein Protoplasmastreifen haftet, der fast ebenso breit ist wie die Faser selbst und in gewissen Abständen Kerne birgt. Ich nehme an, dass sich derselbe im weitern Verlaufe der Entwieklung von der Muskelfaser ablöst und zu interstitiellem Gewebe wird. Nach dem hier Dargelegten muss es auch als währscheinlich erscheinen, dass die -subeutane Muskulatur bei Beroe eetodermalen Ur- sprungs ist. Mesodermale Muskelfasern fand ich hauptsächlich an der aboralen Seite. Sie unterscheiden sich von denjenigen der Beroe vor Allem dadurch, dass Mark- und Rindenschicht sehr scharf von einander geschieden sind, und dass eine Streifung fehlt. Hingegen Stimmen sie mit denen von Callianira sehr überein. Bezüglich der Muskulatur der Papillen möchte ich bemerken, dass ich Hertwig’s Fig. 11 auf Taf. VIl für stark schematisch halte, da verästelte Muskelfasern auch in schiefer und senkrechter Riehtung die Papille durchsetzen und mit einander Verbindungen eingehen. Das Bindegewebe spielt bei Cestus eine viel grössere Rolle als bei Beroe. Einen Hauptbestandtheil bilden die Bindegewebs- zellen (Fig. 66, 70, BZ), welche in grosser Zahl die Gallerte be- völkern. Sie besitzen meist sehr zahlreiche Ausläufer. Charak- teristisch ist hierbei, dass sich dieselben fast gar nicht verästeln; dadureh erhalten viele Zellen jene Aehnlichkeit mit Gliazellen der Wirbelthiere, die ich schon bei Beroe hervorgehoben habe. Mitunter geben sie zu einer Täuschung leicht Anlass: sie besitzen zwei bis drei stärkere Ausläufer, welehe bei schwächerer Ver- grösserung allen zu sehen sind. Ein solches Bild gibt auch Hertwig Taf. V, Fig.2 wieder; dadurch entsteht eine beträcht- liche Aehnliehkeit mit den Ganglienzellen, wie sie von den Brüdern Hertwig bei Medusen beobachtet wurden. Erst mit den stärksten Vergrösserungen (Apochr. S2mm Oe..12) gelang es mir auch an diesen Zellen eine grosse Zahl feinster Ausläufer nachzuweisen. Diese Ausläufer sind, wie ich schon eingangs (dieses Capitels bemerkte, meist varieös. Die Bindegewebszellen stehen unmittelbar unter der Epithelmuskulatur mit einem Gerüst- werk protoplasmatischer Fäden im Zusammenhang (Fig. 69), das mit dem bei Beroe beschriebenen (vergl. Fig. 56) in vielen Be- Zur Histologie der Ctenophoren. 221 ziehungen übereinstimmt. Die meisten der Fäden sind zwar auch hier zart und variecös; mitunter trifft man aber auch stärkere, von mehr faserigem Bau, welche geschlängelt und wie zusammen- geschnurrt erscheinen. Ein wesentlicher Unterschied gegen Beroe besteht darin, dass das Gerüstwerk von den Bindegewebszellen viel unabhängiger zu sein scheint, indem sich grössere Strecken desselben finden, in denen keine Bindegewebszelle liegt: Wo letztere aber vorkommen, ist der Zusammenhang mit dem Ge- rüste mit Sicherheit nachzuweisen; demnach scheint mir auch eine nervöse Bedeutung desselben ausgeschlossen. In den tie- feren Schichten der Gallerte findet man keine Spur dieses Ge- rüstes. Ich dachte zunächst an die Möglichkeit, dass es in- folge des schlechten Eindringens der Conservirungsflüssigkeit hier nicht erhalten sei. Da aber auch sehr feine Ausläufer der Bindegewebszellen zu sehen sind, so müssten doch irgend- welche Reste des Gerüstes noch nachzuweisen sein, zudem spricht auch das Verhalten bei Beroe dagegen. Gerade im Hinblick auf das Letztere kam ich auf die Vermuthung ,* es könnte dieses Gerüstwerk mit der Neubildung von Gallertsubstanz im Zusammenhange stehen; da mit dem Längenwachsthume des Cestus auch eine Zunahme der Dicke des Bandes einhergeht, so könnte auch hier in der erwähnten Gegend em solcher Process vor sich gehen; doch ist diese Annahme blosse Vermuthung. Ausser den Bindegewebszellen erfüllt noch eine grosse Zahl feiner drehrunder Fasern (Fig. 66, eF) die Gallerte; dieselben streichen meist von der oralen zur aboralen Seite; an manchen Stellen kreuzen sie sich aber auch im den verschiedensten Rich- tungen (Fig. 66). Kerne sitzen denselben in kugeliger oder lang- gestreckter Form seitlich an; sie sind jedoch nieht häufig. Die Fasern sind gewöhnlich geschlängelt, mitunter zu einer Spirale zusammengeschnurrt. Entwicklungsstadien derselben fand ich an den lateralen Enden. Sie entstehen aus den embryonalen Meso- dermzellen, die auch dem Cestus nicht fehlen. Man findet die Faser als den Fortsatz einer verästelten Zelle (Fig. 68a) oder als die Fortsetzungen einer spindelförmigen Zelle (Fig. 68b). Die geschilderten Fasern wurden von Hertwig als nervös ange- sehen. Histologisch spricht wohl nichts dafür, da sie äusserst widerstandsfähig erscheinen. Ausserdem übertreffen sie aber die Muskelfasern, welche sie eventuell innerviren könnten, an Zahl Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. 15 22» Paul Samassa: um em Vielfaches, und dies allein schon muss gegen ihre nervöse Funktion sprechen. Die grosse Ueberzahl derselben gegenüber den ausgebildeten Muskelfasern, sowie der Umstand, dass Letztere in den Theilen, wo die fraglichen Fasern vorherrschen, gar nicht vorkommen, schliesst auch die Deutung als Entwicklungsformen der Muskelfasern aus. Es wäre noch der Fall möglich, dass die Fasern ausgebildete Muskeln wären, so dass wir dann zwei beträchtlich verschiedene Typen mesodermaler Muskulatur bei Cestus zu unterscheiden hätten. So wenig wahrscheinlich mir auch diese Annahme dünkt, so kann ich sie doch nieht mit voller Sicherheit ausschliessen. Viel mehr scheint mir jedoch dafür zu sprechen, dass die Fasern bindegewebig sind und viel- leicht mit den elastischen Fasern höherer Thiere eine gewisse Aehnlichkeit besitzen. Callianira. Die Muskeln von Callianira (Fig. 71) stimmen mit denen von Cestus am meisten überein; sie sind gleichfalls denjenigen von Beroe gegenüber durch eine scharfe Scheidung von Mark- und Rindensubstanz, sowie durch den Mangel des die Strei- fung bedingenden Fibrillenmantels charakterisirt. Die Art der Verbindung der Muskeln unter sich zeigt mit den Verhält- nissen von Beroe grosse Aehnlichkeit; mit dieser Form stimmt auch die Entwicklung der Muskelfasern vollständig überein. Die Bindegewebszellen (Fig. 73) haben Aechnlichkeit mit denen von Oestus, doch sind sie meist etwas kleiner, besitzen eine geringere Zahl sehr feiner Ausläufer. Häufig sieht man auch Fasern, welche mit den elastischen Fasern des Cestus übereinstimmen. Doch muss man hier in der Beurtheilung sehr vorsichtig sein, da einerseits eine Verwechslung init jungen Muskelfasern leicht möglich ist, andererseits setzen sich aber auch die Muskelfasern häufig in eine lange Sehne fort, welche sich gabelig getheilt am Epithel inserirt; Fig. 72 stellt dies von einer noch nicht ganz ausgebildeten Muskelfaser dar. Trotzdem möchte ich annehmen, dass elastische Fasern bei Callianira vorkommen. Eine gefensterte Muskelhaut im aboralen Theile des Magens, wie sie von Chun beschrieben wird, habe ich nicht beobachtet. Zwischen den Basalpolstern der Ruderplättehen und dem Zur Histologie der Ctenophoren. 223 Radiärcanale liegt Gallerte, welche in derselben Richtung wie bei Beroe von Stützfasern durchzogen wird (Fig. 74, SF). Ein Hauptunterschied gegen Beroe liegt aber darin, dass die Fasern hier der Kerne entbehren. Meist erscheinen sie breit (Fig. 20), besitzen einen unregelmässigen Contour und heben sich durch ihre Färbung von der sie umgebenden Gallerte nur wenig ab. In einigen wenigen Fällen (Fig. 74) fand ich sie aber drehrund und stark liehtbrechend; diesen letzteren Zustand möchte ich für den normalen halten und den zuerst geschilderten auf Rechnung der Conservirung setzen. Mitunter sind die Fasern an ihren An- satzstellen getheilt. Zu erwähnen ist noch, dass die Gallerte auch hier jene dichtere Beschaffenheit besitzt, wie ich sie bei Beroe hervorgehoben habe; dies tritt besonders an den Rändern gegen den Basalpolster und den Radiärcanal hervor (Fig. 74, x), wo sich immer ein Streifen von Gallerte findet, der sich sehr intensiv färbt. Eigenthümlich ist auch, dass bei Färbung mit Methylenblau die ganze zwischen Meridianstreifen und Radiärcanal gelegene Gallerte, jene «dunkelblaue Färbung erhält, wie sie den Drüsenzellen im Stadium b zukommt, während alles Uebrige einen grünlichen Ton hat. Die Fasern wurden von Hertwig ge- sehen und in Uebereinstimmung mit seiner Deutung der Stütz- fasern bei Beroe als Muskelfasern betrachtet. Eine Beurtheilung derselben scheint mir desshalb schwierig, weil man keine Be- ziehung derselben zu Zellen auffinden kann. Da sie aber wenig- stens im ihrer Verlaufsrichtung mit den Stützfasern von Beroe übereinstimmen, so möchte ich sie bis auf Weiteres als binde- gewebig beurtheilen. Zwischen dem Sinneskörper und dem Entoderm liegt eine geringe Menge dichterer Gallerte, in der ich einen Inhalt oder eine Struktur nieht entdecken konnte. Hormiphora. Hormiphora ist besonders ausgezeichnet durch den Be- sitz bandförmiger , eireulärer Muskeln. Dieselben besitzen im ausgebildeten Zustande immer in der Mitte eine Markaxe (Fig. 75, Ma), was ich -Hertwig’s Darstellung gegenüber hervorheben möchte. In der contractilen Substanz finden sich spindelförmige Spalten, welche mit körnigem Protoplasma er- füllt sind. Die Herkunft derselben erklärt sich aus Entwick- 294 Paul Samaksea: lungstadien dieser Muskelbäuder, die man häufig in der Nähe des Sinnespoles antrifft. Man sieht an solchen (Fig. 76) eine grössere Zahl homogener Muskelfäden, welche miteinander durch ebenso breite Streifen körnigen Protoplasmas (Fig. 76, x) ver- bunden sind, welche die Kerne enthalten; das Muskelband ist daher offenbar aus eintr grossen Zahl von Muskelfasern zusammen- gesetzt. Im weitern Verlaufe der Entwicklung werden die Proto- plasmastreifen immer mehr redueirt, bis sie endlich bei der aus- gebildeten Faser nur mehr die erwähnten Spalten darstellen. Die Kerne scheinen zu Grunde zu gehen, da ich sie hier nicht mehr finden konnte. Nur Einer der mittleren Protoplasmastreifen bleibt mit seinen Kernen erhalten und stellt dann am ausgebildeten Bande den Markfaden vor. Ausser diesen Muskelbändern durchsetzen noch zahlreiche Muskelfasern die Gallerte, welche mit denen von Callianira grosse Aehnlichkeit haben; doch wäre zu erwähnen, dass man zwischen denselben nur selten Verbindungen sieht. Unter dem Epithel des Tentakelsackes verlaufen Muskeln, welche offenbar eeto- dermalen Ursprungs sind. Hier setzen sich auch zahlreiche Muskelfasern mit sehr dünnen, an ihren Enden gegabelten Sehnen an; sie besitzen ähnliche Form wie die entsprechenden Fasern von Callianira (Fig. 72). Hertwig hielt dieselben für Nerven- faseın und gibt an, dieselben wären gerade hier sehr leicht zu erkennen, da sie ausser den Muskelbändern die einzigen Elemente seien, die sich in der Gallerte finden. Dem gegenüber kann ich aber mit Bestimmtheit versichern, dass sich sehr zahlreich solche Fasern finden, wie ich sie in Fig. 71 von Callianira ab- bilde, und die man doch schwerlich als Nervenfasern deuten wird. Das Nervensystem. Ich habe in Vorstehendem die Elemente der Gallerte be- schrieben und ein nervöses Gewebe dabei nicht gefunden. Es erübrigt noch die Angaben zu besprechen, welche von Eimer, Hertwig, Chun und Buekers über das Nervensystem ge- macht worden sind. Eimer’s Angaben wurden bereits von Uhun und von Hertwig eimer eingehenden Kritik unterzogen. Ich kann mich derselben insofern nieht ganz anschliessen, als doch von Eimer Einiges ganz richtig geschildert wurde, was Zur Histologie der Ctenophoren. 225 Hertwig und Chun gar nieht gesehen und emfach als Arte- fact erklärt haben; dass ieh aber in der Deutung mit Eimer nicht übereinstimme, wird noch aus der Besprechung der Hert- wig'schen Angaben hervorgehen. Chun sah den Sinneskörper und die davon abgehenden Meridianstreifen als Nervensystem an; von-Hertwig wurde aber dagegen geltend gemacht, dass wir mit der Bezeiehnung „Nerven- system“ einen feststehenden Begriff verbinden, so dass man nicht ein Flimmerepithel mit diesem Namen belegen könne. Ich habe mich bereits oben dieser Anschauung angeschlossen. Buekers’ Ansicht über das Nervensystem von Üestus gründet sich auf ein derartig misshandeltes Gewebe, (dass man höchstens sagen kann, dass er theils Muskelfasern, theils Binde- gewebszellen zu einem Nervensystem combinirt hat. Es bleiben noch Hertwig's emgehende Angaben: die wichtigste davon ist zweifellos die über das Vorkommen eines eetodermalen Nervenplexus, ähnlich dem der Medusen. Derselbe soll schon am frischen Objeet in Form eines anastomosirenden Netzwerks sichtbar sein. Ich habe es versäumt lebendes Material daraufhin zu untersuchen; wenn ich aber Hertwig's Fig. 7 und 8, Taf. I miteinander vergleiche, so ist es mir schwer ver- ständlieh, wie die in Fig.8 so dünne Nervenfaser in vivo (Fig. 7) einen so breiten Streifen erzeugen kann. Hertwig hebt die Schwierig- keiten hervor, bei den Gtenophoren das Epithel mit dem Nerven- plexus zu isoliren; es gelang mir trotzdem von allen untersuchten Arten Epithel in grösseren Stücken zu erhalten. Bei Hormiphora und Callianira ist dasselbe so «dünn, dass ein darunter liegender Plexus der Beobachtung nieht hätte entgehen können. Ich fand bloss bei Callianira in einem Falle eine plexusartige Anordnung von Zellen; es ergab sich aber, dass die Fortsätze mit wohl- charakterisirten Bindegewebszellen im Zusammenhange standen, so dass an ihrem bindegewebigen Charakter kein Zweifel sein konnte. Bei Cestus ist infolge des geschilderten Verhältnisses zwischen Epithel und Längsmuskulatur die Existenz eines Nerven- plexus über der Längsmuskulatur eine Unmöglichkeit; unter der- selben finden sich aber keinerlei Zellen, die von den Bindege- webszellen unterschieden wären. Bei Beroe gelang es mir m einigen Fällen, das Körperepithel wegzupinseln; ich traf dann die subeutane Muskulatur an, die von Hertwig übersehen 226 Plaull’ Samasısa: worden war, sonst aber nichts. Auch an Schnitten fanden sich häufig Stellen, wo auf grösseren Strecken gerade bloss das Epithel weggeschnitten war; aber auch hier liess sich nichts von emem Plexus bemerken. Als eine Stelle, wo sich der Nervenplexus immer mit Sicherheit darstellen lassen soll, wird von Hertwig der aborale Theil des Magens angegeben. Hier soll unter der Längsmuskelschicht ein sehr ausgebildeter Nervenplexus vor- kommen. Da ich denselben nicht finden konnte, so kann ich mich der Vermuthung nicht entschlagen, dass irgendwie eine Verwechslung mit dem interstitiellen Gewebe vorliegt. Dasselbe hat eine so auffallend plexusartige Gestalt (vergl. Fig. 6), dass es Hertwig hätte auffallen müssen, wenn er es nicht eben schon in anderem Sinne gedeutet hätte. Bei verschiedenen anderen Gelegenheiten habe ich sehon im Verlaufe der Darstellung meine von Hertwig abweichende Deutung begründet. Hervorheben möchte ich noch: dass ich trotz eingehender Untersuchung von Schnittserien keinerlei Ele- mente im Epithel gefunden habe, welche sich als Sinneszellen hätten deuten lassen; dass die Stifte am Mundrand von Beroe Giftstacheln, die Borsten in der Umgebung der Wimperrinne von Beroe und an den Tastpapillen von Eucharis und Cestus Cuti- eularbildungen des interstitiellen Gewebes sind; dass endlich der Tentakel von Callianira und Hormiphora bloss von Greifzellen bedekt wird. Ich komme also zu dem Schlusse, dass die Ötenophoren kein Nervensystem besitzen, welches den eingangs des vorigen Abschnittes gestellten Anforderungen an ein solches entsprechen würde. Damit ist natürlich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich doch nervöse Vorgänge im Ütenophorenkörper abspielen, oder besser, dass Nerven im physiologischen Sinne vorkommen. So halte ich es für durchaus wahrschemlich, dass die dünnen Verbindungsfasern zwischen den Muskeln nicht mehr contractil sind und lediglich die Aufgabe haben, den Reiz von einer Faser auf die andere zu übertragen. Man müsste also eine Faser, die in den meisten Fällen morphologisch nicht einmal den Werth einer Zelle besitzt, physiologisch als Nervenfaser ansehen. Aber auch dies dürfte sich schwer beweisen lassen; es könnte ja auch möglich sein, dass die Emwirkung der Verbindungsfaser lediglich durch Zug zustande käme oder etwas Aehnliches. Andererseits Zur Histologie der Otenophoren. 227 müsste man z. B. das Leuchten oder Erblauen des Cestus auf einen Reiz hin auf Rechnung einer nervösen Funktion des inter- stitiellen Gewebes setzen. Die Untersuchung dieser Fragen steht aber ausserhalb des Rahmens der mir geßtellten Aufgabe. Es fragt sich nun, wie die Wirkungsweise der Muskulatur. bei Mangel eines Nervensystems zu denken sei. Diese Frage wurde von Chun bereits ausführlich erörtert, und kann ich mich diesem Autor in den wesentlichen Punkten anschliessen. Wir werden anzunehmen haben, dass ein von aussen kommender mechanischer Reiz die Muskelenden am Epithel direkt trifft und die Muskeln zur Contraction reizt. Da die Muskeln unter ein- ander in Verbindung stehen, so wird sich der Reiz leicht auf die benachbarten Muskeln übertragen können. Irgend ein Grund diese Muskeln desshalb als besonders primitiv zu betrachten, liegt wohl nicht vor, da die direkte Reizbarkeit der Muskeln ohne Nervenwirkung gegenwärtig doch als sicherstehend zu betrachten ist; damit präcisire ich in Uebereinstimmung mit Chun meine Stellung zu der Eimer'schen Deutung der Radiärmuskeln als Nervenmuskelfasern. Zur bessern Uebertragung des Reizes auf die Enden der Muskelfasern dürften die Borsten des Epithels dienen; in der That finden wir an den Stellen, wo solche vor- kommen, die Reizbarkeit der Muskeln sehr erhöht. Man könnte nun einwenden, dass beispielsweise bei den zahlreichen, scheinbar in den verschiedensten Richtungen ver- Jaufenden Muskeln von Beroe eine zwecekmässige Action gar nicht möglich sei, wenn nicht eine bestimmte Auswahl in den wirkenden Muskeln getroffen werde. Es würde in der That so sein, wenn die Muskeln als Antagonisten wirkten, etwa so wie bei den höheren Thieren ; es müsste dann allerdings ein centrales Nervensystem vorausgesetzt werden, das dem eines Wirbelthieres an Complieirtheit kaum nachstehen dürfte. Die Art der Wirkung ist aber hier offenbar eine ganz andere; berührt man z. B. einen Meri- ddianstreifen einer Beroe, so findet eine blitzschnelle Retraction desselben statt. Nach einiger Zeit gewinnt (derselbe dann seine Form und Lage wieder; dies geschieht aber ganz langsam, etwa so wie bei einem Kautschukball, in «den man eimen Eindruck gemacht hat und der dann seine ursprüngliche Gestalt wieder annimmt. Daraus schliesse ich, dass die Muskeln alle derartig angeordnet sind, dass der Effeet ihrer Contraction ein Zurück. 298 PaulSamassa: ziehen des Meridianstreifens ist, während die ursprüngliche Form dureh die elastische Gallerte wieder hergestellt wird. Die Elasti- eität der Gallerte bildet also hier in derselben Weise den Anta- gonisten der Muskeln, wie die Gallertscheibe einer Meduse .den der sie bewegenden Ringmuskulatur. Damit dürfte freilich nicht Alles erklärt sem; dem gegen- über muss ich aber darauf hinweisen, dass wir überhaupt über den Zweek der Muskulatur der Rippenquallen nieht überall im Klaren sind. So kann z. B. die so kräftig entwickelte Mus- kulatur von Callianira nieht den Zweck haben, auf emen Reiz hin die Haut zu retrahiren, da, soviel bekannt, diese Reaktion überhaupt nieht erfolgt. Der Hauptzweck der Muskulatur dürfte hier darin bestehen, das speeifische Gewicht des Thieres zu ver- grössern oder zu verkleinern, ein Vermögen, welches allen Ötenophoren zukommt und worauf neuerdings Verworn (30) aufmerksam gemacht hat. Dieser Vorgang spielt im Haushalt der Thiere gewiss eine grosse Rolle, insofern das Steigen und Sinken derselben damit verbunden ist. Wie aber äussere Ein- flüsse darauf wirken, ist zunächst ganz unbekannt. Wenn, wie dies ja wahrscheinlich ist, die Temperatur hierbei in Betracht kommt, so handelt es sich um einen Reiz, der gewiss nicht an den Muskelenden am Fpithel angreift und über dessen Wirkungs- weise wir uns keine Vorstellung machen können. Ich habe im Vorstehenden den Nachweis zu führen versucht, dass die Otenophoren kein Nervensystem besitzen; ich glaube aber, dass sie sich in einem Zustande befinden, wie er der Bil- dung des Nervensystems bei den Bilateralthieren vorausgegangen sein muss. Ich komme damit auf die Frage nach der ersten Entstehung des Nervensystems. Sie wurde von Kleinenberg und von den Gebrüdern Hertwig zu lösen gesucht; mag nun aber die Theorie des erstern oder der letzteren Forscher für die Cnidarier Giltigkeit haben, von der Anwendung auf die Bilateral- thiere sind beide Theorien durch den Umstand ausgeschlossen, dass sie einen primären Zusammenhang von Muskulatur und Nervensystem, die Entstehung beider aus einem Keimblatte voraus- setzen. Diesem Postulat entsprechen aber die Bilateralthiere nicht; mit grosser Gesetzmässigkeit entsteht bei ihnen die Mus- kulatur aus dem mittlern, das Nervensystem aus dem äussern Keimblatte; dieser Thatsache entsprechend ist die Verbindung 180) DD Ne) Zur Histologie der Ctenophoren. zwischen beiden eme seeundäre; der Nerv wächst gegen den Muskel vor, und in der Nervenendigung findet keine Verbindung dureh Continuität, sondern nur durch Contact statt. Wollte man trotzdem die Geltung einer der erwähnten Theorien für die Bilateralthiere aufrecht erhalten, so würde eine Abweichung vom biogenetischen Grundgesetz vorliegen in solehem Umfange, dass uns eine Erklärung dafür überhaupt fehlt; eine solche ist bisher auch gar nicht versucht worden. Uebertragen wir aber die ontogenetischen Thatsachen unab- hängig davon auf die Phylogenie, so kommen wir zu folgenden Sehlüssen : ein eetodermales Nervensystem und eine mesodermale Muskulatur haben einmal unabhängig von eimander existirt. Eine Muskulatur ohne Nervensystem ist nun zwar ganz gut denkbar, ein Nervensystem ohne Muskulatur ist aber undenkbar, da es dann keine Function gehabt hätte; es muss also eine andere Funetion gehabt haben, es muss überhaupt ein anderes Organ gewesen sein. Dieser Zustand findet sich, wie ich glaube, bei den Ctenophoren. Sie besitzen eine mesodermale Muskulatur, welehe ohne Vermittlung eines Nervensystems funktionirt. Für das Organ, welches als Vorläufer des Nervensystems zu betrachten ist, halte ich den Sinneskörper und die Meridianstreifen. Es kommen sogar bei den Ötenophoren verschiedene Ausbildungs- zustände desselben vor, welche auf dem direkten Wege einer Umbildung zu einem Nervensystem liegen. Den ursprünglichen Zustand zeigen uns die Lobaten und die Cestiden, indem hier die Ruderplättchen durch Flimmerstreifen verbunden sind; der ganze Meridianstreifen besteht also aus einer eontinuirlichen Reihe von Flimmerzellen, die bloss im den Ruderplättehen eigenthümlich modifieirt erscheinen. Diese Öon- tinuität wird bei Callianira (Fig.20) und Hormiphora (Fig. 24) unterbrochen; der Flimmerstreifen zwischen den Basalpolstern fehlt; dafür sind dieselben durch Fasern verbunden, welche physiologisch eine nervenähnliche Function haben dürften. Diese “ Fasern besitzen aber keinen Kern; sie sind lediglich die Fort- setzungen der Basalpolsterzellen und repräsentiren für sich noch nicht ‘den Werth einer Zelle. Das nächste Stadium stellt Beroe dar (Fig. 28); hier sind Epithelzellen der Basalpolster aus ihrem epithelialen Verbande ausgeschieden und haben sich zu Fasern umgestaltet (Fig. 27 und 28, NF), welehe die Basalpolstern unter- 350 PaulSamassa: einander verbinden. Sie besitzen physiologisch offenbar nerven- ähnliche Function und da sie auch histologisch den Charakter selbständiger Nervenfasern erlangt haben, so stehe ich nicht an, sie als solche zu bezeichnen. Bei Beroe hat sich aber auch die Muskulatur in bedeut- samer Weise umgestaltet: während bei Hormiphora und Callianira dieselbe keine besonderen Beziehungen zu den Meridianstreifen aufweist, ist bei Beroe dieht unter den Basalpolstern eine Längs- und Querfaserschieht vorhanden, welche die Zurückziehbarkeit der Ruderplättehen bedingt. So weit die Thatsachen: auf diesen fussend will ich nun zeigen, dass eine Umbildung des Sinnes- körpers und der Meridianstreifen zu emem Nervensystem möglich und denkbar ist. Eine Verbindung zwischen den Nervenfasern und der Muskulatur wäre wohl möglich; ob sie bei Beroe wirk- lich sehon vorkommt, kann ieh nieht mit Sicherheit entscheiden, weil die Untersuchung hier auf grosse Schwierigkeiten stösst. Vielleicht wird das Experiment leichter Aufklärung bringen. Berührt man nämlich ein Ruderplättehen, so wird die Plättchen- reihe in grösserem oder geringerem Umfange retrahirt. Dies erfordert nun zunächst noch nicht eine nervöse Verbindung zwischen den Basalpolsterzellen und der Muskulatur, da ja die Muskulatur rein mechanisch durch den Druck der Berührung gereizt worden sein könnte. Erfolgt aber die Retraction nach oben und unten auf eine weite Strecke hin, so ist eine nervöse Einwirkung immerhin wahrscheimlich. Mag nun aber diese Ver- bindung mit der Muskulatur bei Beroe vorhanden sein oder nicht: es steht der Bildung einer solchen bei der gegenseitigen Lage der in Betracht kommenden Gebilde jedenfalls nichts im Wege. Wir können uns dann denken, dass die nervöse Leitung, welehe ursprünglich nur die Aufgabe hatte, die Flimmerelemente unteremander zu verbinden, nun auch Reize auf die Muskulatur ober- und unterhalb der gereizten Stelle überträgt, so dass auf einen Reiz hin der ganze Meridianstreifen retrahirt werden würde. Denken wir uns weiter, dass sich in den Flimmerrinnen aus dem Epithel äbnliche Fasern bilden wie in den Basalpolstern, so wäre die Möglichkeit geboten, (dass auf einen Reiz hin, der den Sinneskörper trifft, alle Meridianstreifen auf einmal retrahirt würden, und es wäre immerhin denkbar, dass eine derartige Einrichtung für das Thier einen Vortheil haben könnte. Anderer- Zur Histologie der Ctenophoren. 231 seits wäre damit eine nervöse Verbindung einer Anzahl von Muskeln mit einem Oentralorgan erreicht und bei einer Umwand- lung der pelagischen Lebensweise in eine kriechende die Basis für die Ausbildung eines Nervensystems gegeben. In der vorstehenden Erörterung könnte höchstens die Art der Beweisführung Anspruch darauf machen, etwas Neues zu bieten. Das, was ich beweisen wollte, wurde aber schon von verschiedenen Seiten behauptet. So kam Claus (6, p. 29) und im Anschlusse an diesen Chun (4, p. 219) zu der Ansicht, dass im Gegensatze zur Kleinenberg’schen und Hertwig'schen Theorie contraetile Muskelfasern und Sinnesorgane sich unab- hängig von einander gebildet hatten und erst secundär mit einander in Verbindung traten. Es bleibt dabei aber unver- ständlich, wie Sinnesorgane sich gebildet haben sollten, denen jede Möglichkeit die gemachten Pereeptionen in motorische Effeete umzusetzen fehlte, welche also in keiner Weise dem Organismus einen Nutzen bringen konnten. Es könnte für eine derartige Bildungsweise das Seleetionsprineip mindestens nicht in Betracht kommen. Der zweite Hauptpunkt, nämlich die Entstehung von Nerven aus den Meridianstreifen, wird von allen Forschern behauptet, welehe die Abstammung der Turbellarien von den Ctenophoren vertreten. Aber gerade derjenige von ihnen, der diese Hypothese am eingehendsten begründet hat — nämlich Lang — ist über diese Ableitung wenig befriedigt, da ihm die Entstehung eines Nervensystems aus einem Flimmerepithel schwer verständlich erscheint. Ich glaube aber nachgewiesen zu haben, dass gerade dies mit der Ontogenie der Bilateralthiere im besten Ein- klange steht. Zur Phylogenie und Systematik. Die Frage nach der Abstammung der Ütenophoren wurde von Haecekel zu lösen gesucht, der sie auf Grund einer Ueber- gangsform, der Otenaria etenophora, von den Hydromedusen ab- leitete. Hertwig fasste dieser Hypothese gegenüber alle Schwierigkeiten zusammen, ‚welche in dem von den Hydromedusen total verschiedenem Bau der Ctenophoren begründet sind. Selbst die geringe Uebereinstimmung, welche in dem nach Hertwig's 232 Paul Samassa: Ansicht beiden Gruppen gemeinsamen Vorkommen eines eeto- dermalen Nervenplexus liegt, fällt nach den Resultaten der vor- liegenden Untersuchung fort. Die von Haeckel und Chun behauptete Homologie zwischen Nessel- und Greifzellen schien Hertwig bereits äusserst zweifelhaft. Nach der Darstel- lung, welehe ich von der Entwicklung der Greifzellen gegeben habe, scheint die Haecekel-Chun’sche Annahme unhaltbar, umsomehr als auch Chun’s Angabe, dass bei Euchlora Nessel- zellen vorkommen, sich als unriehtig erwiesen hat. Schliesslich möchte ich noch einen Einwand gegen die Haeckel'sche Hypo- these machen, der von Hertwig nicht erwähnt wurde: es sollen die acht Nesselstreifen der Ctenaria den Meridianstreifen homolog sein; Nesselzellen und Flimmerzellen sind aber doch von vornherein zwei ganz verschiedene Ausbildungsformen des Epithels, und es lässt sich keine Möglichkeit finden, wie die eine in die andere übergegangen sein soll. Von allen diesen speciellen Einwürfen ganz abgesehen, scheint mir auch eine Entstehung der Ctenophoren aus etenaria- ähnlichen Hydromedusen aus allgemeinen Gründen höchst unwahr- scheinlich. Die Otenaria ist dureh ihre Körpergestalt und durch die redueirte Tentakelzahl eine unter den Hydromedusen hoch- stehende, dem pelagischen Leben im hohen Grade angepasste Form. In gleicher Weise ist bei den Ötenophoren das primitive Bewegungsprineip dureh Cilien zu hoher Vollendung ausgebildet. Es sind also sowohl Ötenaria als auch die Ctenophoren hoch ausgebildet, aber in ganz divergenter Richtung, und es lässt sich nicht verstehen, wie die hohe Ausbildung der einen Rich- tung in die der andern übergehen soll. Es müssten zu diesem Zwecke bei Ötenaria Flimmerzellen auftreten, die Cilien derselben müssten sich zu Ruderplättehen vereinigen, um zur Fortbewegung zu dienen, während doch zu gleicher Zeit in der Mukulatur ein ausgezeichnetes und zweckmässiges Bewegungsprineip noch vor- handen ist. Eine weitere Reihe von zutreffenden Eimwürfen wird von Heider und Korschelt (21) gemacht, auf die ich hier verweisen kann. Aus allen diesen Gründen kann ieh mich der Haeckel- schen Hypothese nieht anschliessen. Die Achnliehkeit, die zwischen Ctenaria und den Ötenophoren herrscht, erreieht sicherlich nicht den Grad, wie er gerade von Haeckel zwischen manchen Zur Histologie der Ctenophoren. 23 Acalephen und Hydromedusen aufgedeckt worden ist, ohne iln aber zu der Annahme einer Verwandtschaft zwischen diesen Formen zu veranlassen. Im Anschlusse an Korschelt und Heiden scheint es mir viel naturgemässer zu sem, die Ötenophoren von einfachen, bewimperten Formen abzuleiten, welche dieses Bewegungsprineip besonders vervollkommnet haben. Es fragt sich nun, in wie weit unter dieser Voraussetzung eine Verwandtschaft der Cteno- phoren mit den Unidariern möglich oder wahrscheinlich ist. Eine definitive Entscheidung ist darüber gegenwärtig nicht mög- lieh; die Frage wird sich nur durch eine eingehende Unter- suchung der Entwieklung der Tentakel und des Mesoderms bei den Otenophoren lösen lassen. Ich möchte hier aber zeigen, dass wenigstens die Möglichkeit vorliegt, die Ctenophoren von einer einfachen Polypenform abzuleiten, und darauf käme es ja bei der Frage der Verwandtschaft mit den CUnidariern in erster Linie an. Ich gehe hierbei von der Entwieklung der Callianira aus, wie sie durch Metschnikoff bekannt geworden ist. Die Anlage des Mesoderms findet in vier Streifen statt, von denen zwei in der Sagittalaxe, zwei in der Transversalaxe ich be- diene mich der Claus ’schen (7) Terminologie — gelegen sind. Die der Transversalaxe werden zur Axe der Tentakel, die beiden anderen liefern die Gewebe der Gallerte. Die Uebereinstimmung, welche in der ersten Anlage der vier Mesodermstreifen liegt, lässt mir Kleinenberg's Annahme (18) wahrscheinlich erscheinen, dass dieselben alle ursprünglich Tentakelaxen waren; dass also die Ötenophoren von vierstrahligen mit vier Tentakeln versehenen Formen abstammen; die Entwicklungsgeschichte spricht zum mindesten nicht gegen die Annahme, dass bei Beroe auch die Mesodermstreifen der Transversalebene, die bei Callianira die Tentakelaxen bilden, zu Gallertgewebe werden und es würde dann lediglich derselbe Vorgang bei den Vorfahren der Oteno- phoren in der Sagittalebene stattgefunden haben. Z/aehe ich ferner in Rücksicht, dass in der Tentakelbasis zwischen dem Muskel bildenden Mantel und dem gallertigen Axenstrang eine sehr scharfe Abgrenzung besteht (vgl. Fig. 29, 33, 94) und dass die Zellen des ersteren eine epithelartige An- ordnung besitzen, so scheint es wohl möglich, dass die Stelle des jetzigen Axenstranges ursprünglich ein Hohlraum gewesen 934 PaulSamassa: war, der erst seeundär mit Gallertgewebe — dem Axenstrang — ausgefüllt wurde. Da aber jede Andeutung einer Verbindung zwischen dem Tentakelgefäss und der Tentakelaxe fehlt, so müssen wir nur annehmen, dass die Tentakelgefässe erst gebildet wurden, nachdem die Tentakelaxe bereits solid geworden war und sich vom Gastrovascularraum abgeschlossen hatte. Ist diese Annahme richtig, so müsste in der Entwicklung der Tentakelaxe ein vorübergehendes Stadium des Hohlseins aufzufinden sein. Natürlich muss man dann annehmen, dass diese Tentakelaxe ursprünglieh entodermal war, was mit Kleinenberg’s Auf- fassung übereinstimmt. Nach dem Vorstehendem ist jedenfalls die Möglichkeit vorhanden, die CUtenophoren von einer einfachen Polypenform mit vier hohlen Tentakeln abzuleiten; diese Form müsste bewimpert gewesen sein und der Nesselzellen entbehrt haben. Im Uebrigen könnte sie den einfachsten Formen der Hydroidpolypen sehr nahe gestanden haben. In diesem Sinne wären vielleicht zwei Punkte in der Organisation der Ctenophoren zu beurtheilen, erstens: das Vorkommen eetodermaler Muskel- fasern ; zweitens: die ectodermale Entstehung der Genitalproduete, welche ich wenigstens bei Callianira genau so gefunden habe, wie dies von Hertwig dargestellt wird. Aus diesem Gesichtspunkte ist die systematische Stellung der Otenophoren zu beurtheilen, und die von Hatschek (14) vorgenommene Abtrennung derselben von den übrigen Coelente- raten erscheint zum mindesten verfrüht. Gegen dieselbe ist auch Chun (5) aufgetreten, aber mit Gründen, denen ich mich in keiner Weise anschliessen kann. Wenn dieser Autor das Haupt- gewicht auf das Vorkommen eines Gastrovaseularsystems legt, so ist das mindestens ebenso einseitig, wie wenn Hatschek — nach Chun’s Ansicht — bloss Histologie und Homologie der Keimblätter berücksichtigen würde. Nachdem doch gegen- wärtig die Aufstellung eines natürlichen Systems unser Haupt- zweck ist, so muss eben Alles zusammenwirken, um über die Verwandtschaft der Thiere Aufklärung zu verschaffen. — Sollte dies aber im vorliegenden Falle gegenwärtig noch nicht zu erreichen sein, so scheint jedenfalls der conservative Standpunkt in der Systematik zweekmässiger als der subjective. Damit komme ich zu folgendem Schlusse: Sollte sich einmal heraus- stellen, dass die Ctenophoren von einer polypenartigen Stamm- Zur Histologie der Ctenophoren. 235 form nieht abgeleitet werden können, dass sie also mit den Cnidariern nieht verwandt sind, so müssten sie systematisch von ihnen getrennt werden, wenn die Aehnlichkeit im Gastrovascular- system auch noch so gross wäre. Ich wende mich nun einer zweiten phylogenetischen Hypo- these zu: der Abstammung der Turbellarien von den Ctenophoren. Dieselbe wurde zuletzt von Lang in ausführlicher Weise dar- gestellt und begründet. Lang führt am Schlusse dieser Be- sründung diejenigen Momente an, die der Hypothese entgegen- stünden: die Verschiedenheit der Mesodermentwicklung bei Cteno- phoren und Polyeladen; das Fehlen eines Organes bei den Oteno- phoren, das sich mit dem Excretionsapparat homologisiren liesse; die Schwierigkeit, die Entstehung des Nervensystems der Poly- eladen zu erklären. Was den ersten Punkt betrifft, so waren die kurz nach dem Erscheinen der Lang’schen Monographie von Metschnikoff veröffentlichten Untersuchungen über die ‚Entwieklung der Utenophoren geeignet, jedes Bedenken zu zer- streuen. Ja dieselben waren sogar allein im Stande, die von den übrigen Bilateralthieren so sehr abweichenden Mesoderm- verhältnisse der Polyeladen aufzuklären. Während bei allen übrigen Bilateralthieren zwei symmetrische Mesodermstreifen vor- kommen, besitzen die Polycladen deren vier. Aber die La- serung derselben ist nicht so beschaffen, dass sich zwei Meso- dermstreifen ohne Weiteres mit denen der höheren Bilateralthiere homologisiren liessen; nach Lang’s Angaben liegt ein Meso- dermstreifen vor, ein anderer hinter dem Urmund, während zwei symmetrisch über demselben gelagert sind. Daraus wird es mir sehr wahrscheinlich, dass die beiden Mesordermstreifen der höheren Bilateralthiere nur aus einem Mesodermstreifen der Polyeladen entstanden seien und zwar aus dem vor dem Urmund gelegenen. Für diese Auffassung spricht auch die Thatsache, dass in ver- schiedenen Thierelassen — ich erinnere an Sipunceulus, Neritina, die Hirudineen — nur von einem Macromer eine Urmesoderm- zelle abgeschnürt wird, welche sich theilt und die beiden Polzellen des Mesoderms liefert, die dann ihre symmetrische Lage zur Haupt- axe einnehmen. Demnach dürften die Mesodermverhältnisse der Turbellarien von denen der höheren Biateralthieren noch viel mehr abweichen, als man bisher annahm; sie lassen sich in der einfachsten Weise durch die Gtenophoren erklären; wenn die 236 Paul Samassa: Sagittalaxe derselben zur Hauptaxe der Polyeladen wird, so folgt nothwendig «diejenige Anordnung der Mesodermstreifen , wie Lang sie für den Embryo von Discocelis dargestellt hat zu einer Zeit, wo die darauf bezüglichen Verhältnisse der Ctenophoren noch gar nicht bekannt waren. Die zweite Schwierigkeit, die Entstehung des Exeretions- systems wird sich wohl so lange nicht lösen lassen, als die Ent- wicklung dieses Organsystems nicht genau bekannt ist. 3ezüglich des dritten Punktes verweise ich auf den vorigen Abschnitt: ich hoffe wenigstens die Möglichkeit nachgewiesen zu haben, dass sich aus dem Sinneskörper und den Meridian- streifen der Ctenophoren ein Nervensystem entwickelt habe. Schliesslieh möchte ich noch auf die grosse. Ueberein- stimmung im Baue des Epithels der Ctenophoren und der Poly- claden hinweisen, wie sie aus dem ersten Abschnitte dieser Unter- suchung hervorgeht. Sie betrifft erstens den Besitz eines inter- stitiellen Gewebes, das unter den Turbellarien nur den Polycladen zu- kommt. Allerdings ist dasselbe bei ihnen bewimpert im Gegensatze zu den Ötenophoren. Doch findet sich hier ein Uebergang: Üteno- plana (20), die man doch, wenn man die Verwandtschaft zwischen Ütenophoren und Turbellarien überhaupt leugnet, als Utenophore betrachten müsste, besitzt ein sehr ausgebildetes, bewimpertes interstitielles Gewebe. Auf einen zweiten Punkt, die Homologie der Körnerzellen bei den Ctenophoren mit den Rhabditenzellen der Turbellarien, wurde von Lang bereits hingewiesen; dieselbe erscheint aber jetzt eingehender begründet, da sich in der Ent- wieklung der Körner bei den Ctenophoren mit derjenigen der Rhabditen bei den Turbellarien, wie sie durch Böhmig (1) be- kannt geworden ist, eine sehr grosse Uebereinstimmung heraus- gestellt hat. Hierbei stehen wiederum die Polycladen den Cteno- phoren näher als die übrigen Turbellarien, da bei ihnen eine Verlagerung der Rhabditenzellen ins Mesoderm noch nicht statt- gefunden hat. | Die Hypothese der Abstammung der Turbellarien von den Ötenophoren wurde in letzter Zeit besonders von v. Graff (12) angegriffen. Wenn dieselbe von diesem Autor eine „unbewiesene Ansicht“ genannt wird, so lässt sich dagegen höchstens sagen, dass die Zahl der bewiesenen phylogenetischen Theorien über- haupt "nicht gross ist. v. Graff führt aus, dass Lang die Zur Histologie der Otenophoren. 237 Aecoelen und nieht die Polyeladen von den Utenophoren hätte ab- leiten müssen, da er auf das Nervensystem das Hauptgewicht lege und gerade bei den Acoelen vier dorsale und vier ventrale Längsnerven vorkommen, welche in ihrer Lage an die acht Meri- dianstreifen der Ctenophoren erinnern. Dieser Einwurf gründet sich aber auf ein offenbares Missverständniss der von Lang vertretenen Theorie: denn, wenn die Sagittalaxe der Ctenophoren zur Hauptaxe der Polyeladen und die Hauptaxe zur Sagittalaxe wird, so können nur acht vom Gehirn dorsal nach vorn und hinten verlaufenden Nerven mit den Meridianstreifen der Ctenophoren homologisirt werden, niemals aber ein ventraler Nervenstamm. Dies wäre nur nach Lang’s und Selenka’s ursprünglicher Annahme möglich, gegen die sich aber Lang in seinem Haupt- werk ausdrücklich ausgesprochen hat. Der hier vertretenen Hypothese gegenüber vertritt v. Graff die Meinung, dass die Turbellarien von den Acoelen abstammen, deren Acoelie als primär aufzufassen ist. Ist das Letztere aber der Fall, so dürfen auch die Vorfahren der Acoelen keinen Darm besessen haben. Sie können also nicht von Gastraeden abstammen, und da von den Turbellarien alle Bilateralthiere abgeleitet werden, so würde .die Haeckel’sche Gastraea-Theorie überhaupt nur für die Coelenteraten Giltigkeit haben. Aber weder v. Graff, noch Spengel (28), der ihm im diesem Punkte beistimmt, scheinen diese Consequenzen, die doch aus ihren Annahmen ganz unausweichlich folgen, gezogen zu haben, da z. B. v. Graff von Gastraeaden als etwas ganz von selbst Verständlichem spricht, Ja die Acoelen sogar auf dem Wege über Triehoplax von diesen ableitet. Wenn v. Graff schliesslich sagt, dass er in der Lebensweise der Acoelen nichts gefunden habe, was für eine seeundäre Rückbildung des Darms sprechen würde, so ist da- gegen zu bemerken, dass die Umbildung des Entoderms bei den Acoelen mit der Rückbildung desselben bei Parasiten keine Aehnliehkeit besitzt, worauf auch schon von Spengel hinge- wiesen wurde, und dass es sich hier offenbar um eine Erschei- nung handelt, über deren Zweck und Bedeutung wir zunächst nichts wissen. So dürfte es sich wohl empfehlen, abzuwarten, ob sich die Angaben über das Auftreten eines Darmlumens in der Entwicklung der Acoelen nicht doch bestätigen, bishin aber Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 16 238 PaulSamassa: die Lösung der Frage nach der phylogenetischen Stellung der- selben zu verschieben. Heidelberg, den 3. Mai 1892. Verzeiehniss der eitirten Litteratur. . Böhmig, L., Untersuchungen über rhabdocoele Turbellarien. II. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd.51, 1891. Buekers, P. 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Da,b,e — Drüsenzellen im Stadium a,b,e der Körnerentwicklung. Die Zahlen-Indices bedeuten | die aufeinanderfolgenden Sta- | GZ — Giftzelle. dien im einzelnen Falle. DG — Drüsenantheil der Greifzelle. DS — Drüsensecret. DZ — Drüsenzelle. EB — Epithelborste. ı'K— Ee — Ectoderm. | eEe — embryonale Zellen des Ec- A/NT — Anlage einer Nebenten- | toderms. eF — elastische Faser. En — Entoderm. eZ — embryonale Zellen des Mit- telstreifens. eZM — embryonale Zellen des Me- soderms. EZ — Epithelzelle. BAR Fadenanlage der Greifzelle. | FZ — Flimmerzelle. G — Gallerte. GB — Giftborste. gM — gekreuzte Muskelschicht des Cestus. GrZ — Greifzelle. iG — interstitielles Gewebe. Körnchen. KNT-—Kapsel d. Nebententakelaxe. 940 Paul Samassa: K’/NT — Kapselanlage der Neben- tentakelaxe. LM — Längsmuskeln des Cestus. Ma — Markfaden der Muskelfaser. MF — Muskelfaser. MNT — Muskelstrang eines Neben- tentakels bei Callianira. M’NT — Anlage des Muskelstranges eines Nebententakels von Cal- lianira. MS — Mittelstreifen der Tentakel- basis. mZ — muskelbildende Zone des Mittelstreifens. N — Kern. NA — Nebenaxe eines Seitenten- takels von Hormiphora. N’A — Anlage der Nebenaxe eines Seitententakels von Hormi- phora. NF — Nervenfaser. NZ — Nervenzelle. o— oral. oK — oberes Knöpfchen. Ot — Otolith. P — Perimysium. PN — Kerne des Perimysiums. QM — Quermuskulatur der Meri- dianstreifen. rM — radiäre Muskulatur. RM — Raphe des Mittelstreifens. RiM —Ringmuskulatur desMagens. RP — Ruderplättchen. S — Sarkolemm. SB — Stützband des Seitenten- takels. S’B — Stützbandanlage des Seiten- tentakels. sC — säbelförmige Cilie. Sc— Septum des Tentakelstammes. SF — Spiralfaden der Greifzelle. sM — subeutane Muskulatur. SS — Seitenstreifen der Tentakel- basis. St — Stäbchen. StF — Stützfasern. uK — unteres Knöpfchen. V — Vaecuole. Va — Varicosität. VF — Verbindungsfaser. WH — Wimperhaar. WR — Wimperrinne. PF — Primitivfibrillen der Mus- | ZG — Zwischenglied. kelfaser. | Tafel-Erklärung. maxte 1 VIIT. 1. Beroe. Epithel. 1/372. 2. Beroe. Durchschnitt durch das Epithel in der Nähe des Sinnespoles. 1/750. 3. Beroe. Durchschnitt durch das Epithel in der Nähe einer Wim- perrinne. 1/750. 4. Beroe. Durchschnitt durch das Magenepithel. 1/372. 5. Beroe. Querschnitt durch den Mundrand. 1/500. 6. Beroe. Epithel aus dem aboralen Theile des Magens. 1/7590. 7. Cestus. Epithel. 1/750. 8. Cestus. Epithel vom lateralen Ende. 1/750. DD e DIITEEDED Zur Histologie der Ctenophoren. 241 Euchlora. Körperepithel. 1/500. . Euchlora. Magenepithel. 1/500. Hormiphora. Körperepithel. 1/500. - Hormiphora. Epithel aus der Umgebung der Ruderplättchen. 1/750. Hormiphora. Epithel aus dem Drüsenstreifen der Trichterebene. 1/500. . Eucharis. Spitze einer Tastpapille. 1/372. Callianira. Magenwulst. Querschnitt. 1/750. Tafel IX. . Beroe. Otolith. Durchschnitt. 1/750 Callianira. Otolith. Durchschnitt. 1/750. Hormiphora. Flimmerrinne. Querschnitt. 1/1500. Hormiphora. Flimmerrinne von der Fläche. 1/750. Callianira. .Ruderplättchenreihe. Längsschnitt. 1/125. Callianira. Uebergang der Basalpolsterzellen in eine Verbindungs- faser. 1/372. Callianira. Querschnitt durch einen Basalpolster. 1/750. Callianira. Ende eines Ruderplättchens. Flächenansicht. 1/125. Hormiphora. Verbindungsfasern. Flächenansicht. 1/125. Euchlora. Längsschnitt durch die Ruderplättchenreihe. 1/125. Eucharis. Basalpolster und Ruderplättchen in vitaler Methylen- blaureaction. Nach einer Skizze. . Beroe. Flachschnitt durch die Ruderplättchenreihe. 1/1259. . Beroe. Längsschnitt durch die Ruderplättchenreihe. 1/372. Hormiphora. Querschnitt durch den Mittelstreifen der Tentakel- basis. 1/125. Hormiphora. Querschnitt durch die Tentakelbasis. Erste Anlage einer Nebententakelaxe. 1/372. Ehe > . Hormiphora. Querschnitt durch das orale Ende der Tentakel- basis. 1/372. . Hormiphora. Querschnitt durch die Tentakelbasis oberhalb des Abganges des Tentakels. 1/186. Callianira. Querschnitt durch die Tentakelbasis. 1/186. Callianira. Querschnitt durch die Tentakelbasis; erste Anlage eines Nebenfangfadens. 1/125. . Hormiphora. Querschnitt durch die Anlage eines grossen Seiten- tentakels. 1/372. Callianira.. Abgang eines Nebententakels vom Tentakelstamm. 1/750. . Hormiphora. Längsschnitt in der Triehterebene. Abgang der Muskelfasern des Tentakelstammes. 1/372. Hormiphora. Axenstrang des Tentakelstammes. 1/500. Hormiphora. Querschnitt durch einen jungen Nebententakel. 1/2580. 242 Paul Samassa: 40. Hormiphora. Querschnitt durch ein junges Stadium eines grossen Nebententakels. 1/186. 41. Hormiphora. Querschnitt durch das Epithel eines Nebententakels. Entwicklung der Greifzellen. 1/750. 42. Hormiphora. Entwicklung der Greifzellen. 1/500. 5 43. Hormiphora. Längsschnitt durch einen Nebententakel. Entwick- lung der Greifzellen. 1/750. 44. Hormiphora. Greifzellen. 1/750. 45. Hormiphora. Flächenansicht des Greifzellenepithels von einem Nebententakel. 1/750. 46. Beroe. Querschnitt einer Muskelfaser. 1/150. 47. Beroe. Verbindungen der Muskel unter einander. a 1/372, b—a 1/500. Mare: 48. Beroe. Muskelfaser mit blasig aufgetriebenem Sarkolemm. 1/500. 49. Beroe. Endigung der Radiärmuskeln an der Körperoberfläche. 1/280. 50. Beroe. Endigung der Radiärmuskeln an der Ringmuskulatur des Magens. 1/280. 5l. Beroe. Endverzweigung eines Radiärmuskels an der Körperober- fläche. 1/372. 52. Beroe. Muskelfasern aus der Gallerte. 1/280. 58. Beroe. Embryonale Zellen des Mesoderms. 1/500. 54. Beroe. Uebergangsformen zwischen embryonalen Zellen und Bindegewebszellen. 1/500. 55. Beroe. Bindegewebszelle. 1/500. 56. Beroe. Bindegewebszellen aus der Nähe des Sinnespoles. 1/8372. 57. Beroe. Entwicklung der Muskeln in der Nähe des Sinnespols. 1/372. 58. Beroe. Entwicklung der Muskelfaser. 1/500. 59. Beroe. Junge Muskelfasern. 1/500. 60. Beroe. Entwicklungsstadium eines Radiärmuskels. 1/372. 61. Beroe. Querschnitt durch einen Meridianstreifen. 1/125. 62. Beroe. Gallerte unter dem Sinneskörper. Durchschnitt. 1/280. 63. Beroe. Querschnitt durch eine Trichterklammer. 1/280. Tate lsRır. 64. Cestus. Eetodermale Muskulatur. 1/372. 65. Cestus. *Querschnitt durch Epithel und Längsmuskulatur. 1/500. 66. Cestus. Gallerte. Bindegewebszelle und elastische Fasern. 1/125. 67. Cestus. Entwicklungsstadium einer Längsmuskelfaser. 1/500. 68. Cestus. Entwiclkllungsstadien elastischer Fasern. 1/500. 69. Cestus. Bindegewebszelle und protoplasmatisches Gerüst der Gal- lerte. 1/500. 70, Cestus. Bindegewebszelle. 1/500. Zur Histologie der Ctenophoren. 243 71. Callianira. Muskelfasern. 1/500. 72. Callianira. Junge Muskelfaser. 1/500. 73. Callianira. Bindegewebszelle. 1/500. . 74. Callianira. Gallerte zwischen Meridianstreifen und Radiärkanal. 1/372. 75. Hormiphora. Muskelband. 1/372. 76. Hormiphora. Muskelband. Entwicklungsstadium. 1/3572. Die Vergrösserungen beziehen sich auf Apochromate von Sei- bert. Mit Ausnahme der Fig.26 wurden sämmtliche Figuren mit Abbe’schem Zeichenapparat in der Höhe des Objecttisches gezeichnet. Die Furchung des Eis von Aequorea F'orskalea. Mit besonderer Berücksichtigung der kerngeschiechtlichen Vorgänge. Von Dr. V. Häcker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut in Freiburg i. B. Hierzu Tafel XIII und XIV und 5 Textfiguren. Die grosse Craspedote des atlantischen Ozeans und Mittel- meers, Aequorea Forskalea Esch., darf als vorzügliches Objekt für die Untersuchung der ersten Entwicklungsstadien des Meduseneies gelten, soweit zelltheilungs- und kerngeschichtliche Einzelheiten in Frage kommen. Es sind verschiedene Momente, welche unsrer Qualle diese Rolle zuweisen. Die Möglichkeit, ein grösseres Untersuchungs- material zur Laichzeit zu beschaffen und längere Zeit im Aquarium zu halten, die äusserliche Unterscheidbarkeit der Geschlechter, durch welche die künstliche Paarung erleichtert wird, die Durchsichtig- keit und Grösse der Eier und nieht zum wenigsten die bequeme Tageszeit, in welcher sich die wichtigsten Entwieklungsvorgänge abspielen, durch alles dies wird die Aequorea nicht nur im der genannten Richtung empfohlen, sondern vornehmlich auch als Orientirungs- und Schulobjekt für den angehenden Zoologen, der sieh am Meere mit der Biologie der Eientwieklung überhaupt vertraut machen will. 244 Vv. Häcker: Die Entwieklung der Aequorea-Planula ist bis zum Auftreten der Nesselkapseln und der entodermalen Längsspalte von Claus (5, 6) ausführlich beschrieben worden. Wenn ieh daher anf den- selben Zeitraum der Aequorea-Entwicklung und speziell auf die früheren Stadien abermals eingehe, so geschieht es, um die Claus’schen Beobachtungen durch einige Einzelheiten kernge- schiehtlicher Natur zu ergänzen. Die betreffenden Untersuchungen wurden in diesem Frühjahr an der zoologischen Station in Triest vorgenommen und ich spreche an dieser Stelle dem K. K. Mini- sterium für Kultus und Unterricht, sowie dem Direktor der Station, Herrn Hofrath Claus, meinen warmen Dank für die Ueberlassung eines Arbeitplatzes aus. In hohem Maasse ver- bunden bin ich dem Inspektor der Station, Herm Dr. Gräffe, für seine Unterstützung bei der Beschaffung des Untersuchungs- materials und für den liebenswürdigen Rath, mit welchem er mir zu jeder Zeit bei der Beobachtung der pelagischen Formenwelt zur Seite stand. 1) Auftreten der Aequorea. Die ersten Aequoreen er- hielt ich am 22. März, nachdem eine dreitägige Bora das kalte Sehneewasser, das der Adria in der ersten Hälfte des März zu- geführt worden war und welches die oberflächlichen Schichten des Meeres bildete, aus der Triester Bucht herausgetrieben hatte. Schon am Tage vorher, bei noch anhaltender Bora, waren als Vorläufer der wiederkehrenden pelagischen Fauna zum ersten Mal in grösserer Menge geschlechtsreife Cetochilus septentrionalis, Tomopteris vitrata und Sagitta bipunctata aufgetreten. Zugleich mit Aequorea erschienen sodann Discomedusa, Aurelia, Tiara und Pleurobrachia und waren — mit Aus- nahme der bald wieder verschwindenden Tiara — bis zum‘ Schluss meines Aufenthaltes, bis Mitte April, ziemlich regelmässig zu erlangen. Von Aequorea erhielt ich die beiden Geschlechter annähernd in gleicher Anzahl, doch kam es freilich auch einmal vor, dass unter einem Dutzend gleichzeitig gefangener Individuen nur ein einziges Weibchen vorhanden war. Wie schon Claus (4) ausgeführt hat, sind die Geschlechter der Aequorea an der Fär- bung dadurch zu unterscheiden, dass die paarig in den Wan- dungen der Radiärgefässe verlaufenden Gonadenbänder beim Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 245 Männehen durch lokale Anhäufung von Pigmentkörnchen eme blaue Färbung bekommen, während sie beim Weibehen, nach Claus in Folge der Dotterfärbung der Eier, rosa erscheinen. 2) Eiablage und erste Entwieklungsvorgänge. Die Eiablage findet nach Claus in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden statt, eine Angabe, deren vollständige Richtigkeit schon von Metsehnikoftf (17) im Himbliek auf die Verhältnisse bei andern Medusen in Zweifel gezogen worden ist. Aus der Zu- sammenstellung bei Metschnikoff geht nämlich hervor, dass die übrigen Medusen, jede Art zu bestimmten Tagesstunden, ihre Eier in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Abend ablegen. Nach meinen eigenen, diesbezüglichen Anfang April!) gemachten Beobachtungen erfolgt sie erst zwischen 7 und 7!/, Uhr Morgens und zwar in der Weise, dass nach Beginn der Eiablage binnen wenigen Minuten das ganze Aquariumglas mit den glashellen Eiern erfüllt ist. Isolirte und gepaarte Weibchen zeigen hierin, soviel ich sehen konnte, keinen wesentlichen Unterschied. Es scheint demnach für die Regelmässigkeit des Eintritts der Eiab- lage die Anwesenheit von Männchen oder von freien Geschlechts- stoffen von keiner Bedeutung zu sein. Dies steht in einem gewissen Gegensatz zu der Beobachtung Fols (7) an Geryonia fungiformis, wonach die Thiere in reinem Seewasser ihre Ge- schlechtsstoffe zurückhalten, während die Anwesenheit von freien Geschlechtsstoffen die sofortige Entleerung der Gonaden her- vorrufe. Die ersten Entwieklungsvorgänge vollziehen sich — bei den Eiern frisch gefangener Individuen — mit der grössten Regel- mässigkeit. Um 9 Uhr ist der erste Richtungskörper allgemein abgeschnürt (Fig. 3), das Eindringen des Spermakerns und die zweite Richtungstheilung ist um 9!/, Uhr zu bemerken (Fig. 4 und 5). Um 10 Uhr ist sodann das Dyasterstadium der ersten Furchungsspindel und an derjenigen Seite des Eis, an welcher dieselbe gelagert ist, die erste Andeutung der Segmentirung zu 1) Nach Metschnikoff verschiebt sich bei Formen, welche in der Frühe die Eier ablegen, z. B. bei Mitrocoma Annae, die Stunde mit der Jahreszeit. 246 Veacnatelterre beobachten (Fig. 7). Die vollständige Durchschnürung des Eies erfolgt in der Zeit zwischen 10 und 11 Uhr (Fig. $S—10) und um 11 Uhr sind bereits wieder die Tochterkerne in die metakine- tische Theilungsphase eingetreten (Fig. 11). Bis 11?/, Uhr voll- zieht sich die zweite Segmentirung des Eies (Fig. 12) und um 12 Uhr befinden sich die vier Enkelkerne wieder auf dem Dy- asterstadium (Fig. 15). Auch die nächstfolgenden Stadien scheinen im Ganzen bei normalen Verhältnissen je eine Stunde in Anspruch zu nehmen, wenigstens fand ich den Uebergang vom 92-Zellen- in das 64-Zellen-Stadium (Fig. 15) nie vor 5 Uhr Naehmittag, also genau dem Zeitpunkt, welcher einer Reihenfolge einstündiger Theilungsphasen entspricht. Im grossen Ganzen verläuft also die Furchung des Aequorea-Eies wenigstens bis zum 64-Zellen-Stadium in der Art regelmässig, dass die ersten Theilungs- perioden des Eies von annähernd gleicher Dauer sind. Es scheint mir die letztere Thatsache in sofern von Bedeutung zu sein, als daraus hervorgeht, dass die Theilung und Erholung des Kerns in den ersten Furehungsstadien sich unabhänig von der Masse des beherrschten Zellplasmas vollzieht. Ich muss es dahin gestellt sein lassen, ob auch die weiteren Theilungs- perioden von einstündiger Dauer sind und möchte nur noch der Vollständigkeit halber hinzufügen, dass, wie auch Claus angibt, die Verdiekung der hinteren Körperwand etwa 24 Stunden nach Beginn der Furehung auftritt und noch im Laufe des zweiten Vormittags die Entodermzellen vom hinteren Pole aus einzu- wandern beginnen. Am Abend des zweiten Tages sind bereits Planula-Larven mit solidem Entodermgewebe aufzufinden. Bezüglich der Veränderungen, welche das Medusen-Ei während der ersten Furchungen äusserlich erleidet, habe ich den älteren Beobachtungen, insbesondere den von Claus am Aequo- rea-Ei angestellten, wenig hinzuzufügen. Schon Fol (7) und O0. Hertwig (14) haben, ersterer für Geryonia fungiformis, letzterer für Mitrocoma Annae hervorgehoben, dass die erste Furche an der Oberfläche des Eis über der Stelle, wo die erste Furehungsspindel liegt, ihren Ausgang nimmt, eime Erscheinung, welche sehon Metschnikoff (17) direkt auf die Nachbarschaft der letztern zurückführt!). Die Furchung beginnt erst, wenn die 1) Auf dieselbe Art verläuft die erste Furchung bei den Aka- lephen. Vgl. Claus (6) und Götte (9). Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 247 Tochterkerne bereits wieder das bläschenförmige Ruhestadium erreicht haben, und zwar erstreekt sie sich zunächst auf das Deutoplasma, welches, in dem zähen Grundplasma eingebettet, sich innerhalb desselben rasch nach den beiden neuen Centren zu orientiren beginnt. Während die Furche nach dem unteren Pole fortschreitet, treten, wie es Claus für Aequorea beschrieben und Metschnikoff auf verschiedenen Zeichnungen für andere Medusen angedeutet hat, „mehrfache, den zähen Dotter ein- schnürende Faltungen auf.“ Es sieht aus, als ob das Ei von aussen gewaltsam zusammengeschnürt werde (Fig. 9). Der Grund für diese Erscheinung liegt wohl darin, dass die leicht beweg- lichen Körner und Schollen des Deutoplasma sich rascher nach den beiden neuen Anziehungspunkten orientiren, als das zähe Grund- plasma, in welches die Dottersubstanz eingebettet ist. Indem nun in den oberflächlichen Schichten der beiden Hemisphären durch die Umordnung des Deutoplasmas, welche sich rascher vollzieht als die der Grundsubstanz, Gleiehgewiehtsstörungen in der letzteren auftreten, kommen die erwähnten Faltungen zu Stande. Allmählich werden dieselben aber ausgeglichen, so dass die beiden Blastomeren die Gestalt zweier aneinander geschmiegter Ellipsoide annehmen. Häufig bleibt freilich am hinteren Pole ein dotterfreier, die Blastomeren verbindender Damm längere Zeit bestehen; ja, die beiden Blastomeren können u. U. hier noch durch eine vollständige Brücke verbunden sein, wenn schon vom oberen Pole aus die zweite meridionale Furche in einer zur ersten senkrechten Ebene gegen den untern Pol zu sich auszubreiten be- ginnt. Auf das erste meridionale Furchenpaar (M,) folgen, wie auch Claus angibt, eine äquatoriale (A,) und auf diese gleich- zeitig zwei meridionale (M,), welche mit den beiden ersten Meri- dianen (M,) Winkel von 45° bilden. Durch die gegenseitigen Verschiebungen und Verkeilungen der Blastomeren werden die Verhältnisse weniger deutlich, doch hat Claus jedenfalls Recht, wenn er die beiden nächsten Furchen, welche das 32-Zellen-Sta- dium herbeiführen, als äquatoriale (A,) anspricht. Die Kern- theilungenverlaufen mindestens bis zum 64-Zellen- Stadium beinormalen Verhältnissen vollständig gleichzeitig und auch die Blastomeren scheinen normaler Weise von gleicher Grösse zu sein. "9248 V.Häeker: 3) Pathologisehe Erscheinungen. Für das Acht-, Sechzehn- und Zweiunddreissig-Zellenstadium des Aequora-Eies wird von Claus angegeben, dass die Elemente der animalen Hälfte hinter denen der vegetativen zurückstehen, wenn dies auch, wie Claus. betont, nur in geringem Maasse der Fall ist. Auch ich habe derartige Bilder gesehen, jedoch kamen mir stets auch solche Eier vor Augen, deren sämmtliche Blastomeren von an- nähernd gleicher Grösse waren. Für die Furchungskugeln des in Fig. 14 abgebildeten, im Sechzehn-Zellen-Stadium befindlichen Eies z. B. waren keine Unterschiede festzustellen. Erheblichere Grössendifferenzen traten in späteren Entwieklungsstadien auf. Auch für andere Medusen wurde von verschiedenen Autoren die Ungleichheit der Blastomeren angegeben und bestritten. So weist z. B. Götte (9) für das Ei von Aurelia aurita nach, dass sowohl die Angabe von Claus (6), wonach die Blastomeren bis zur 4. Theilung gleich sind, als die von Häckel (10), wonach dies nieht der Fall ist, richtig sein kann, insofern beides neben einander vorkommt. Metschnikoff stellt die Regel auf, dass die ‚vier ersten Blastomeren bei sämmtlichen Medusen gleich gross sind, — mit einer Ausnahme, nämlich Polyxenia leucostyla. Ich glaube, dass sich alle früheren Beobachtungen sehr wohl vereinigen lassen. Ich fand, dass die Eier von solchen Aequoreen, welche frisch gefangen und in frisches Seewasser ein- gesetzt waren, im Allgemeinen insofern die normale total-äquale Furchung aufweisen, als alle Kerntheilungen gleich- zeitig verlaufen und alle Blastomeren von an- nähernd gleicher Grösse sind. So zeigt z. B. die Fi- gur 14 (16-Zellen-Stadium) sämmtliche Kerne im Bläschenzustand. Die folgende Figur stellt den Uebergang aus dem 32- in das 64-Zellen-Stadium dar: alle Kerne befinden sich in den Metaphasen der Theilung, nur einer oder zwei (in der Mitte des Bildes ge- legene) sind hinter den Genossen ein wenig zurückgeblieben, wie wohl auch 'sie bereits die Metaphasen aufweisen. Anders verhält sich dies bei Eiern von Individuen, welche sich schon zwei Tage, und noch mehr bei soleben, welche sich drei oder vier Tage im Aquarium befinden: Die Kerntheilungen verlaufen nieht mehr gleiehmässig und die Blastomeren weisen beträchtliche Grössenunterschiede auf. Hand in Hand mit diesen Unregelmässigkeiten gehen nun Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 249 aber zwei bezeichnende Erschemungen: Das Auftreten pa- thologischer Kerntheilungsformen und die Ab- weichung des Zellenkomplexes von der Kugelform. Schon von einer Reihe von Autoren wurden für die Eifur- chung das Auftreten von abnormen Theilungsfiguren angegeben. So zeichnet z. B. Carnoy (2) auf einem Bilde (Fig. 251), welches die erste Furchungsspindel des Eis von Spiroptera strumosa, eines Nematoden aus dem Magen des Maulwurfs, wiedergiebt, einen typischen Triaster, d. h. eine Kerntheilungsfigur, bei welcher, bei Anwesenheit von drei im Dreieck gestellten Attraktionscentren, das Chromatin auf drei unter Winkeln von 120° sich treffende Aequatorebenen vertheilt ist. Schon Carnoy fügt der Beschrei- bung dieser Figur hinzu: '„Ces figures sont &videmment anormales chez la spiroptere. Nous eroyons qu'elles r&sultent de la fusion de plusieurs noyaux mäles avee le noyau femelle.“ Ich selbst fand bei Cyelops-Eiern mit 16 Blastomeren eine Hyperchromatose der Kerne, welche sich darin äusserte, dass bei sonst normalen, die regelrechte Anzahl von cehromatischen Elementen aufweisenden Dyastern der Aequator von einem Kranze herausgeschleuderter Chbromatinpartikelehen umstellt war (vergl. hierzu die Theilungsfigur a in Fig. 17). Aehnliche Figuren sind bekanntlich schon verschiedentlich in krankhaft veränderten Ge- weben, namentlich in bösartigen Geschwülsten, gefunden worden und neuerdimgs ist es OÖ. und R. Hertwig gelungen, durch Behandlung mit Chinm- und Chlorallösungen im Echinodermen-Ei analoge Figuren künstlich hervorzurufen (vgl. die Zusammen- stellung bei OÖ. Hertwig, 15). O. Hertwig führt die Er- scheinung darauf zurück, dass durch die chemischen Agentien die verschiedenen Bestandtheile der Zelle in verschiedener Weise getroffen werden, so dass bei der Erholung aus dem Lähmungs- zustand ihr Zusammenwirken ein anormales wird!). 1) Auf Grund der Entdeckung Fol’s (8), dass die beiden Pol- körperchen der ersten Theilungsfigur je eine männliche und eine weibliche Hälfte enthalten, spricht ©. Hertwig nachträglich (15, S.15, Anm. 12) die Ansicht aus, dass durch die Einwirkung der Chinin- oder Chlorallösung die Verschmelzung der beiderseitigen Polkörper- ehenhälften verhindert werde und dass auf diesen Umstand die Vier- theilung zurückzuführen sei. Diese Annahme würde frei- endrarst Anruf kt re t en von under etrasterenenunr tur die erste Theilunx des Eis erklären. 250 V. Häcker: Derartige Figuren treten nun in den verschiedenen Fur- chungsstadien des Aequorea-Eies schon am zweiten Tage der Gefangenschaft und noch mehr in den folgenden Tagen auf, vermuthlich als Wirkung einer chemischen Veränderung des See- wassers im Aquarium. Von besonderer Bedeutung sind sie aber hier deshalb, weil zugleich mit ihnen, wie erwähnt, Ungleich- zeitigkeit der Kerntheilungen, beträchtliche Grössen- differenzen der Blastomeren und Abweichungen des Eies von der Kugelform zu beobachten sind. Die Figur 16 stellt ein relativ noch weniger affieirtes Ei dar. Dieses Bild ist auf folgende Weise zu erklären. In der Entwicklung des Aequorea-Eies folgen, wie erwähnt, auf die beiden ersten meridionalen Furchen (M,) eine äquatoriale (A,) und auf diese wieder zwei meridionale (M,). Das Resultat dieser ersten Vorgänge sind demnach 16 Furchungskugeln, welche, wenn wir von den gegenseitigen Lageverschiebungen absehen, in zwei übereinander liegenden Gruppen von je 8 Zellen angeordnet sind. Die beiden nächsten Furchen haben wieder eine äquatoriale Gesammtrichtung (A,). In dem in Figur 16 abgebildeten Ei sind nun in der That die acht Zellen der oberen Gruppe im Begriff, die letztgenannte äquatoriale (A,-) Theilung einzugehen. Die untere Gruppe hat aber überhaupt noch nicht die 8-Zahl von Zellen erreicht, insofern wenigstens zwei Zellen noch in dem vorhergehenden, meridionalen (M,;-) Furchungsprocess begriffen sind, wie dies namentlich in der durch ihre Grösse aus- gezeichneten Zelle links unten (a) mit horizontaler Spindel her- vortritt. Durch den Triaster der Zelle b wird gewissermaassen die M,- und A,-Furehung kombinirt, während die Zelle ganz rechts (e) sich zu der normalen äquatorialen (A,-) Furchung an- schiekt. Wir finden also hier — wenigstens in der untern Zellgruppe — neben einander: Ungleichzeitigkeit der Theilungsprocesse und Auftreten pathologischer Kerntheilungsformen (Triaster). Das Ei selbst aber zeigt eine bedeutende Abweichung von der Kugelform, die namentlich in der grossen Lücke zwischen der zurückgebliebenen a-Zelle und den rascher sich theilenden b- und e-Zellen zum Aus- druck kommt. Viel grössere Unregelmässigkeiten finden sich m dem in Figur 17 wiedergegebenen Ei. Wir sehen neben einander kleine Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 251 und "sehr grosse Zellen, normale Theilungsfiguren und Triaster, unordentliche Vertheilungen des Chromatins und bläschenförmige Riesenkerne. Bei längerer Gefangenschaft treten noch viel unregelmässigere Bilder mit bedeutenden Abweichnngen des Eies von der Kugelform schon in den frühsten Furchungsstadien auf. So finden sich z. B. Fälle, wo einzelne Blastomeren nur noch durch schmale Plasmabrücken mit den übigen verbunden sind. Ich möchte es auf Grund der vorstehenden Bemerkungen als wahrscheinlich bezeichnen, dass zahlreiche Bilder, welche Metschnikoff in seinem Atlas gibt, pathologische Verhältnisse darstellen. Im Besonderen wird dies gelten für die Figuren, welche die Furchung des Eis von Oceania armata wiedergeben (Atlas, Tafel I, Fig. 33—37). Andrerseits dürfte es sich vielleicht als allgemeine Norm für die Betrachtung der Eifurchung überhaupt aufstellen lassen, dass nur solche Bilder als beweisend gelten können, bei wel- chensämmtliche Theilungsfiguren denAnblick normaler Mitosen aufweisen. Für gewisse Fälle, so wahrscheinlich für alle Medusen, wird ein weiteres Kriterium für die Richtigkeit der Habitus- Bilder in den Anfangsstadien die Gleichzeitigkeit der Kerntheilungen sein. Für zahlreiche Formen aus andern Thiergruppen ist freilich, wenigstens für die späteren Ent- wicklungsstadien, diese Probe nicht stichhaltig, vielmehr seht Hand inHand mit einer funetionellenDif- ferenzirungderZellelementeaucheinezeitliche Verschiebung der Kerntheilungen. 4) Der Metanucleolus. Bei Behandlung der Aequo- rea-Eier mit Schneider’schem Essigkarmin (vgl. 23, S. 254, Anm.) treten die kerngeschichtlichen Verhältnisse, dank der Durchsichtigkeit des Deutoplasmas, auf's schönste zu Tage. In älteren Ovarialeiern, sowie in soeben abgelegten Eiern (Fig. 1) findet man ein grosses Keimbläschen mit äusserst feinem Chro- matingerüst und eimem runden oder nierenförmigen, tingirbaren Nucleolus, welcher die bekannten hellen, kugeligen Einschlüsse („Vakuolen*) in der Ein- oder Mehrzahl enthält. Etwa eine 952 V. Häcker: halbe Stunde nach der Eiablage ist nahe der Oberfläche des Eis das merklich verkleinerte Keimbläschen ohne Kernkörper zu be- merken. In der Nähe des Keimbläschens tritt aber von jetzt an mit Regelmässigkeit ein runder, dunkel sich tirgirender Körper mit einem oder mehreren helleren Einschlüssen auf (Fig. 2). Die vollständige Habitus-Gleichheit dieses Körpers und des Keimbläschen-Nucleolus, 8o- wienamentlich dasgegenseitigsich ausschlies- sende Auftreten beider Gebilde, weisen mit gros- ser Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass beide identisch sind, oder zum mindesten dass der erstere einen Abkömmling oder ein Theilstück des anderen darstellt. Zu wiederholtem Male kamen mir auch Bilder zu Gesicht, auf welchen thatsächlich der Nucleo- lus aus dem Keimbläschen auszutreten schien; ihre Beweiskraft wird aber durch den Umstand geschwächt, dass ich bei meinen Untersuchungen auf die Schnittmethode Verzicht leisten musste. Jedenfalls aber sah ich während der Bildung des ersten Rieh- tungskörpers den fraglichen Körper häufig dem Eikern dicht an- liegen, während er in späteren Stadien mehr abseits lag, und in andern Fällen (Fig. 2) traten in der gleichmässig ovalen Mem- bran des Eikerns an der Stelle, welche dem Begleitkörper ge- genüber lag, Unregelmässigkeiten in Form von Einkerbungen auf. Dagegen, dass dieser Körper etwas mit dem Spermakern zu thun habe, sprieht auf’s entschiedenste die Thatsache, dass sich etwas später, zur Zeit der zweiten Richtungstheilung regelmässig ein bläschenförmiger Ken mit deutlicher Strahlen- sonne lässt, welcher als der wirkliche Spermakern auzufassen ist, dass ferner dieser keinerlei Lagebeziehungen zu dem frag- lichen Körper zeigt und dass letzterer seinerseits stets in der Einzahl und bis in späte Furchungsstadien in einer der Blasto- meren ausnahmslos aufgefunden werden kann. Ich möchte — um den anderweitig gebrauchten Ausdruck Paranucleolus zu ver- meiden — für diesen Körper, den ich in direkte genetische Ver- bindung mit dem .Kernkörper des Keimbläschens bringe, die Be- zeichnung „Metanucleolus“ vorschlagen. Die Figur 3 zeigt ein Ei nach Abschnürung des ersten Riehtungskörpers. Nach Beendigung des Vorgangs, den man mit Leichtigkeit am lebenden Ei verfolgen kann, gewahrt man an der Austrittsstelle eine Einbuchtung des Eiplasmas, die aber Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 253 bald wieder ausgeglichen wird. An eben dieser Stelle scheinen auch die Spermakerne einzudringen. Die Figur 4 zeigt die An- fangs tangential gestellte zweite Richtungsspindel. Man erkennt deutlich sechs im Kreise gestellte hantelförmige Chromosomen (in der. Seitenansicht, Figur 4, sind deren 3—4 zu zählen, welche sich im weiteren Verlauf in ihrer Mitte „quer- theilen“. Neben der Spindel liegt der Metanucleolus, sowie ein oder zwei Spermakerne mit deutlicher Strahlung !). Die Körper der Spermakerne sind bläschenförmig mit diehtem Chromatinnetz und färben sich imGegensatzzum Metanucleolus äusserst schwach. Ihre Anwesenheit entgeht daher bei anfänglicher Betrachtung dem Auge viel leichter, als die des Metanucleolus; einmal darauf aufmerksam geworden, kann man jedoch im Aequorea-Ei in diesem Stadium den Spermakern mit seiner Strahlung mit Regelmässigkeit beobachten. Die zweite Richtungsspindel nimmt im Dyasterstadium eine radiäre Stellung ein (Fig. 5): deutlich sind zwei Gruppen von je sechs kurzen Chromatinstäben zu erkennen. Es folgt nunmehr ein etwa halbstündiges Ruhestadium, während dessen man zwei durch eine Scheidewand getrennte Bläschen, den männlichen nnd weiblichen Kern, neben emander liegen sieht (Fig. 6). Es findet also bei Aequorea der nämliche Vorgang statt, der sich bei der Befruchtung der verschiedensten Thierformen abspielt: der Sper- makern nimmt an Grösse zu, bis er den Umfang des weiblichen Kerns erreicht hat, und ist während der der ersten Furchungs- theilung vorangehenden Erholung dicht neben ihm gelagert. Es spricht sich darin ein Gegensatz zu Boveri's Befunden bei Tiara (1) aus, denen zu Folge die Spermakugel in den weiblichen Kemseintretven soll. In Figur 7 ist der Dyaster der ersten Furchungsspindel dargestellt. Er enthält zwei Gruppen von je 12 Chromosomen und ich möchte hier erwähnen, dass ieh bei wiederholten Zäh- lungen die Zahl 12 konstant wiedergefunden habe. Auch hier liegt der Metanucleolus neben der Spindel und zwar, wie dies auch in den folgenden Stadien meistens der Fall ist, in der Höhe der Aequatorebene. Der Metanucleolus ist nun mindestens 1) Die Strahlensonne des Spermakerns konnte von keinem der früheren Autoren, OÖ. Hertwig (bei Mitrocoma Annae, 14), Metschni- koff und Boveri (bei Tiara, 1) beobachtet werden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 7 954 V.Häcker: ‘bis zum Stadium der Figur 15 mit Regelmässigkeit neben einem der ruhenden oder sich theilenden Kerne festzustellen. Oefters trifft man auch, wenigstens in früheren Stadien, neben ihm oder weit von ihm entfernt, einen überzähligen Spermakern mit Strah- lung (Fig. 4 und 11). Zur Zeit, wenn sich dann in der schwärmenden Blastula die Zellen des hinteren Poles durch Verlängerung ihres radiären Durchmessers gegenüber der übrigen Bläsenwandung zu differen- ziren beginnen (Fig. 18), kann man in einzelnen von ihnen neben dem chromatischen Fadenknäuel kleine nucleolenartige Körper beobachten, welche den nicht differenzirten Blastula-Elementen fehlen. Es wäre denkbar, dass man es hier mit den Abkömm- lingen des Metanucleolus zu thun hat, ich vermag aber weder hierüber, noch über das weitere Schicksal dieser Gebilde etwas bestimmtes zu sagen. Das Auftreten des Metanueleolus ist nicht nur im Aequorea- Ei ein regelmässiges, sondern derselbe hat, wie zu erwarten ist, eine viel weitere Verbreitung. Es finden sich wenigstens nicht nur bei den verschiedenen Gruppen der Medusen, sondern auch bei entfernter stehenden Formen Verhältnisse, welche direkt ver- gleichbar sind. Die Abbildungen, welehe Metschnikoff (17) von dem befruchteten Ei einer anderen Leptomeduse (Eucopide), Mitrocoma Annae, gibt, sind wohl ohne Weiteres dahin zu deuten, dass der kuglige Körper neben dem Eikern nicht, wie Metschnikoff annimmt, den Spermakern, sondern den Metanucleolus darstellt. Dies gilt jedenfalls für die Figuren 25, 26 und 28 auf Tafel III, wie aus beifolgenden Holzschnitten (S. 255) zu ersehen ist. Die Figur 27 lässt sich überdies als Illustration zu den Bemerkungen heranziehen, welche oben betreffs der Ent- stehungsgeschichte des Metanucleolus gemacht worden sind. In- teressant sind namentlich auch folgende Bemerkungen von Metsehnikoff: „Nicht selten fand ich am Boden der Gefässe unbefruchtete Mitrocoma-Eier, in welchen der Spermakern, weit vom Eikern gelegen (Fig. 28), scheinbar verirrt war, und offen- bar deswegen seine befruchtende Wirkung nieht ausüben konnte“ (17, 8. 31, unten). Offenbar handelt es sich hier thatsächlich um unbefruchtete Eier, bei welchen aber der angebliche Sperma- kern als der Metanucleolus zu deuten ist. Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 255 Das Boveri’sche Objekt, die Anthomeduse Tiara, habe ich leider nieht unter- suchen können. Mir wäre dies ganz besonders interessant ge- em) wesen im Hinblick auf die Be- merkung Boveri's: „In allen Eiern, welche ich während der Riehtungskörperbildung ab- Fig. 23 Fig. 25 tödtete, war ein Spermakern nieht nachzuweisen; ich fand denselben zuerst in Eiern mit vollkommen ausgebildetem ru- Eee RN henden Eikern als eine homo- Fig. 26 ER gene oder schwachkör- nige, intensiv färbbare Kugel, die von einem schma- len hellen Hof umgeben war. PRO ern SE i , Kıoı, 27 Eine Spermastrahlnng 3 konnte ieh nicht wahr- nehmen !)“. Ich hätte ferner 07) auch gerne eine Nachunter- suchung mit Bezug auf die ey Frage angestellt, ob nicht doch fie. 28 (6) vielleicht die Figuren 35 und 36 >) von Boveri, welehe nach der Ansicht dieses Forschers den Spermakern im Innern des weib- lichen Kernbläschens zeigen, sich auf frühere, meiner Figur 1 entsprechende Stadien beziehen. Von Akalephen habe ich die Eier von Aurelia au- rita zu untersuchen unternommen. Es gelang mir auch mehrfach neben den beiden bläschenförmigen Copulationskernen eine kleine Kugel zu finden, aber das grobe Dottermaterial der Aurelia-Eier, welche bekanntlich zwischen den Armen der Meduse ihre Em- bryonalentwicklung durchlaufen, verhinderte die Feststellung des regelmässigen Auftretens. 1) Ich habe zu bemerken, dass die gesperrt gedruckten Stellen bei Boveri nicht hervorgehoben sind, 256 Voilälcker:n z Chun (3) fand in den Gonophoren-Urknospen einer Sipho- nophore, Stephanophyes superba, in mittleren und grösse- ren Eizellen neben dem blassen, in seiner Peripherie schwach granulirtem „Grosskern“ einen ziemlich homogenen, intensiv sich färbenden „Kleinkern“. Derselbe zeigt vielfach helle kuglige Einschlüsse und gleicht den Chun ’'schen Bildern nach in seinem ganzen Habitus dem Metanucleolus von Aequorea (vergl. 5, Taf. VII, Fig. 5). Chun vermuthet, dass er durch Abschnürung aus dem Grosskern hervorgehe. Auch in den Eizellen junger Gonophoren ist er theilweise noch zu bemerken, während zugleich im Grosskern ein scharf kontourirtes Kernkörperchen zum Vor- schein kommt. Wenn also der Chun’sche Kleinkern dem Me- tanucleolus entspricht und demnach mit dem Kernkörper des Keim- bläschens in Zusammenhang zu bringen ist, müsste eine Theilung des Kernkörpers anzunehmen sein, welche einerseits den aus- tretenden Kleinkern-Metanucleolus, andrerseits den im Ei ver- bleibenden Kernkörperrest liefert. Eine regelmässige Theilung des Keimbläschen-Körpers lässt sich auch bei andern Formen feststellen (11, S. 242). Ich übergehe die Fälle, in welchen der Austritt von Kör- pern aus dem Keimbläschen beschrieben wurde, ihr weiteres Sehieksal aber nicht verfolgt werden konnte. Es sei nur in Kur- zem erwähnt, dass auch noch zur Zeit der Riehtungskörperbildung in den Eiern verschiedener Thiere neben den Richtungspindeln Körper gefunden worden sind, welche in Vorkommen und Aus- sehen durchaus an den Metanucleolus erinnern, so z. B. von O0. Hertwig in den Eiern von Mytilus und Sagitta (14). Besondere Erwähnung verdient aber noch die Paracopula- tionszelle im Winterei der Daphniden, welche von Weis- mann und Ischikawa (25) beschrieben worden ist. Sie kommt als Vergleichsobjekt schon deshalb in erster Linie in Be- tracht, weil über ihre Entstehung und ihr Schieksal ausführliche Angaben vorliegen. Herr Geheimrath Weismann hatte die Güte, mir seine Präparate zur abermaligen Durchsicht zur Ver- fügung zu stellen, und ich bin im Stande, was den thatsächlichen Verlauf der Vorgänge anbelangt, die Angaben der beiden Autoren vollständig zu bestätigen. Dagegen muss ieh mich zu der An- sicht von Weismann und Isehikawa insofern in Gegensatz setzen, als ieh die „Paracopulationszelle“ nieht für eine Zelle, Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 257 ja nieht einmal für einen vollständigen Kern halten, sondern dass ich sie ihrem Habitus nach nur mit einem einzelnen Organ des Keimbläschens, nämlich dem Kernkörper oder Nucleolus, vergleichen kann. Sie stellt nämlich zur Zeit der Richtungs- körperbildung und später bis zu dem Moment, wo sie mit einem der Furchungskerne in Verbindung tritt, eine kuglige Blase dar, in welcher sich dreierlei Substanzen unterscheiden lassen. Entweder nämlich besteht die Kugel zum grossen Theil. aus färb- barer Substanz, welche eine grössere Anzahl von „Vakuolen“ in sich schliesst. Die Maschen der färbbaren Substanz, durch welche die einzelnen Vacuolen von einander getrennt werden, sind häufig noch mit dunkleren Körnchen besetzt. Nicht selten tritt aber an Stelle der kleinen Vakuolen eine grosse, kuglig oder unregelmässig geformte auf, welche von einer aus färbbarer Substanz sich zusammensetzenden „Vakuolenrinde* (0. Hertwig, 14) umschlossen wird. Die dunklen Körnchen, welche in den Maschen der färbbaren Substanz lagen, scheinen nunmehr die Innenseite der Vakuolenrinde in mehr oder weniger kontinuir- licher Schiehte zu bekleiden. Diese- Bilder entsprechen nun bis ims Einzelne denjenigen, welche der Keimbläschen-Nucleolus bei zahlreichen Crustaceen darbietet. So treten z. B. (11) bei Cyclops brevicornis im Keim- bläschenstadium mit feinfadigem Chromatingerüst innerhalb des Nueleolus zahlreiche kleine „Vakuolen“ und in den dazwischen liegenden Maschen zahlreiche glänzende Körnchen auf, m den Ovi- dukteiern anderer Cyelops-Arten und in denen von Canthocamptus zeigt der Kernkörper im Doppelfadenstadium des Keimbläschens mehrere kleinere oder — in späteren Stadien — eine grosse Vakuole. In den Ovidukteiern der Daphniden selbst treten nun freilich diese bei den Copepoden so mächtig entwickelten Gebilde in weit geringerem Maasse hervor. In älteren Stadien enthält das membranlose Kernplasma dichte Fadenzüge einer dun- kel sich tingirenden Substanz, welche anscheinend in ihrer Gesammtheit der chromatischen Substanz entspricht, so auffallend auch die bald darauf sich vollziehende Massenreduktion sein muss: es treten nämlich in den Richtungsspindeln nur wenige, äusserst kleine Theilungselemente auf. Daneben sind im Kern- plasma ein oder zwei verhältnissmässig sehrkleine Nucleolen zu bemerken: es ist mir aber leider auch hier 258 VeHklarelfez: nicht gelungen, den Beweis eines direkten Zusammenhangs der- selben mit der Paracopulationszelle zu erbringen. Ich bin auf diese Verhältnisse deswegen ausführlicher ein- gegangen, weil ich es für höchst wahrscheimlich halte, dass der Metanucleolus der Medusen und die Paracopulationszelle der Daphniden homologe Gebilde sind. Die Vergleiehspunkte sind, wie ich kurz wiederhole, folgende: VorBeginnderRichtungskörperbildung tritt neben dem Eikerneinbläschenförmiges Gebilde auf. Dasselbe zeigt in seinem Habitus Ueberein- stimmung mit dem um diese Zeit fehlenden Kern- körper des Keimbläschens. EsistwährenddererstenFurcehungsvorgänge mit Regelmässigkeit und zwar stets in der Ein- zahl zu beobachten. Bei weiteren Untersuchungen wird wohl die Existenz des Metanucleolus noch bei anderen Formen aufgefunden werden. Zunächst dürfte aber der Hinweis von Interesse sein, dass nicht jeder bläschenförmige Körper, welcher im frisch abgelegten Ei neben dem Eikern zu beobachten ist, ohne Weiteres als Sperma- kern anzusprechen ist. Ein sieheresKriterium darüber, ob man es mit dem Spermakern selbst zuthun hat, wird stets nur das Vorhandensein der Strahlen- sonne sein. 5) Bemerkungen über das Zahlengesetz der Chromosomen. Wie ich oben erwähnt habe, sind in der zweiten Richtungsspindel des Aequorea-Eies beim Auseinander- rücken der Theilungselemente jederseits sechs Chromosomen zu bemerken. In den Furchungsdyastern ist, wie ich mehrfach feststellen konnte, die doppelte Anzahl, also 12, zu beobachten. Dies ist von Interesse mit Rücksicht auf den Boveri’schen Befund bei Tiara, bei welcher Form die Normalzahl „14“ auftritt. Nach allem, was wir bis jetzt wissen, scheinen den Thei- lungsvorgängen der organischen Materie, im Besondern der Zer- legung des Chromatins in seine morphologischen Einheiten, über- aus einfache Zahlenverhältnisse zu Grunde zu liegen. Schon Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 259 Boveri (1) scheint es „aller Beachtung werth, dass unter den acht verschiedenen Zahlen, die wir bis jetzt als bei der Be- fruchtung vorkommend kennen, fünf sind, welche eine sehr einfache Reihe darstellen, nämlich 1—2, 2—4, 4—8, 8—16, 16—32, eine Reihe, in der jedes Zahlenverhältniss aus dem nächst niedrigeren durch einen sehr einfachen und thatsächlich vorkommenden Process, nämlich eine sich plötzlich irgendwie ein- schaltende Theilung der Chromosomen ohne Zelltheilung — wie in den Spermatoeyten von Salamandra — entstehen könnte.“ Nach den bisherigen Beobachtungen kommen fast aus- schliesslich Potenzen von Zwei und Drei und endlich Com- binationen des Zweier- und Dreiersystems vor. Zum Zweiersystem (Boveri’sche Reihe, 2, 4, 8, 16, 32 u. s. w.) gehören vor allem die beiden Ascaris-Typen mit den Normalzahlen 2 und 4. Auch sonst scheint unter den N e- matoden das Zweiersystem vertreten zu sein; die Spiroptera strumosa aus dem Magen von Talpa und die Coronilla des Seyl- lium canicula (bei beiden die Normalzahlen 8 und 16), ferner Filaroides mustelarum aus dem Sinus frontalis von Foetorius vul- garis (Normalzahl 8 ?) fügen sich diesem System ein, wobei ich übrigens bemerken möchte, dass, wie aus Carnoy’'s Bildern (2) hervorgeht, auch bei den beiden erstgenannten Formen zwei Typen vorzukommen scheinen, von welchen dem Boveri’'schen Befunde bei Ascaris entsprechend, der eine durch Verdopplung der Chromosomenzahl des andern entstanden ist). In dieses System gehören ferner die Mollusken (z. B. Carinaria, Phyllirrho&, Pterotrachea nach Boveri (1), Limax agrestis nach Platner (19), erstere mit der Normalzahl 32, letz- terer mit 16)2) und Orustaceen. Wenigstens sind bei Cyelops die Elemente zweitniedrigsten Grades, die Chromatinstäbchen, in der Achtzahl vorhanden und ebenso fand ich bei Daphniden (Moina) in der zweiten Riehtungsspindel zwei Gruppen von je 4 1) Ophiostomum mueronatum aus dem Magen von Vespertilio auritus macht hier eine Ausnahme, indem es sich dem dritten System einzureihen scheint. Doch spricht Carnoy (2) auch hier mehrfach von einer Achtzahl der Stäbchen. 2) Nach vom Rath eilt die Zahl 16 auch für Limax einereo- niger, dagegen scheint Helix pomatia mit der Zahl 24 dem dritten System sich einzureihen, - 260 V.sENaäleikuen® kurzen Chromatinstäbchen, was gleichfalls auf die Normalzahl „8“ schliessen lässt. Vom reinen. Dreiersystem (3, 9, 27...) ist nur die Zahl „9* vertreten; diese gibt Boveri für Echinus microtuber- eulatus und Sagitta bipunetata als Normalzahl an. Sehr häufig ist das gemischte Zweier- und Dreier- system (6, 12, 18, 24, 36, 48). Hieher gehört von den Me- dusen Aequorea („12“), sowie anscheinend die Mehrzahl der In- sekten. So wurde die Zahl „24* von Henking (12) für Pyrrhoeoris, die Zahl „12“ von vom Rath (21) für Gryllotalpa nachgewiesen. Weiter gehören in dieses System die Wirbel- thiere; wenigstens fanden Flemming und Rabl (20) überein- stimmend bei Salamandra maculosa die Zahl „24“. Unbestimmter lauten die anderen Angaben, welche auf Wirbelthiere Bezug haben; Oppel (18) gibt für Anguis fragilis schätzungsweise „18 bis 24° an, Rückert (22) für Torpedo ca. „36“, Holl (16) für Gallus (an einer Stelle) „6*'). In gewissem Sinne können auch die Copepoden hierher gerechnet werden, insofern bei den- selben (Cyclops) die stäbehenförmigen Einheiten sich aus je 6 Einheiten niedrigen Grades zusammensetzen, so dass eine Ge- sammtzahl von 48 Einheiten niedrigsten Grades resultirt. Vereinzelt wird auch von einigen Autoren das Auftreten der Zahl „14“ festgestellt, so von Boveri für Tiara. Ebenso spielt nach Henking (13) diese Zahl in den Richtungsspindeln des Eies einer Lepidoptere (Pieris brassicae) eine Rolle und bei- läufig sei erwähnt, dass Strasburger (24, S. 49) aus nahmsweise in den Pollenmutterzellen einer Anthere von Chlorophytum Sternbergianum übereinstimmend 14 Kernfäden fand, während sich hier sonst konstant 12 Segmente vorfinden. Es mag daran erinnert werden, dass auch die näheren Verwandten von Tiara (Aequorea) und von Pieris (Pyrrhocoris, Gryllotalpa) sichdem kombinirten Zweier- und Dreiersystem einreihen, so dass man vielleicht die Zahl „14“ als phylogene- 1) Ebenso gibt A. Böhm (Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morph. und Phys. zu München 1891) für die Forelle die Zahl 12 an. Eine Ausnahme unter den Wirbelthieren bilden vielleicht die Säuger, z. B. die Maus („16*2). Vgl. Hermann F., Beitr. z. Hist. d. Hodens (Arch. f. mikr. Anat. 34, Bd. 1889). Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. 261 tische oder ontogenetische Abnormität betrachten kann, welche mit der Normalzahl „12* in Verbindung zu bringen ist. Wie aus dieser vorläufigen Zusammenstellung hervorgeht, fügen sich die bisher bekannt gewordenen Fälle im grossen Ganzen drei Systemen ein in der Art, dass näher verwandte Formen im Allgemeinen einem und demselben System angehören. Vielleicht spielen diese Zahlengesetze, welche der Theilung des Chromatins vorstehen, auch bei andern Theilungsvorgängen eine Rolle. Ich habe wenigstens wiederholt beobachtet, dass bei solehen Weibehen von Öyclops brevicornis, welche nach erfolgter Ueberwinterung erstmals Eiersäcke führten, die Gesammtzahl der die Eitrauben zusammensetzenden Eier 48 war, also gsenau’die Zahl, welche der Normalzahl der Chro- matinelemente niedrigsten Grades entspricht. Hohenheim, 9. Juni 1892. Literatur- Verzeiehniss. 1. Boveri, Th, Zellenstudien III. Jen. Zeitschr. 24. Bd. 1890. 2. 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Die Zeichnungen wurden nach Essigkarmin-Präparaten mit Seibert, Wasser-Immersion entworfen. m „Metanucleolus.“ ie 9 1/ 2 J« a 4. 9.45h. „ Yabsyın 6 10h. De OALDEN: 8. 10.50 h. 9. 10.45.h. 10. nn, lach 12. 11.45 h. Ial2NhN 14. 2h. 15. >h. 16. 1, &. 18. Frisch abgelegtes Ei mit Keimbläschen und Kernkörper. , Stunde nach der Ablage. Neben dem Keimbläschen der Metanueleolus. Etwa 2!/, Stunden alt, 9 Uhr Vorm. Abschnürung des ersten‘ Richtungskörpers. Zweite Richtungsspindel, zwei Spermakerne mit Strah- lung und Metanuceleolus. Zweite Richtungsspindel im Dyasterstadium, ein Sper- makern und Metanucleolus. Die beiden Geschlechtskerne im Bläschenzustand neben einander gelagert. Ausserhalb des Eis der zweite Richtungskörper. Erste Furchungsspindel. Beginn der Furchung. Zwei-Zellenstadium. Oberflächenansicht. Zwei-Zellenstadium. Dyaster der zweiten Theiluno, Ein -über- zähliger Spermakern. Vier-Zellenstadium. Ansicht vom vorderen Pol aus. Die vier Blastomeren sind in der Gegend des unteren Pols noch in Verbindung mit einander. Dyaster der dritten'Theilunme. Sechzehn-Zellen-Stadium. Uebergang aus dem 32- in das 64-Zellenstadium. Uebergang aus dem 8- in das 16-Zellenstadium. Pa- thologisch. Siehe Text S. 250. Blastula. Pathologisch. Schwärmende Blastula. 264 (I. Anatomische Anstalt zu Berlin.) Ueber die Entwickelung der Urethra und des Dammes beim Menschen '). Von Dr. med. W. Nagel, Privatdocent für Geburtshülfe und Gynäkologie an der König!. Friedrich Wilhelm-Universität zu Berlin. Hierzu Tafel XV. Die Ansicht Rathke’s über die Bildung des Dammes im engeren Sinne des Wortes ist in mehreren Lehrbüchern und Aufsätzen durch eine von Perls stammende Erklärung über die äussere Trennung der Cloake in Darm-, Frucht- und Harngang verdrängt worden. Es findet sich, und das gilt auch für die betreffenden Originalarbeiten, keine Angabe darüber, welcher Quelle die Darstellung von Perls entnommen ist. Soviel ich habe ermitteln können, muss die von Perls in seinem Lehr- buch!) S. 630 gegebene Schilderung gemeint sein, welche aber nicht auf Beobachtung beruht, sondern lediglich eine schematische Darstellung der obwaltenden Verhältnisse beabsichtiget. Jeder Fachgenosse wird mir zugeben müssen, dass weder die von Perls gegebenen 3 Abbildungen, noch die dazu gehörende Erklärung den wirklichen Verhältnissen entsprechen. Eine bläschenförmige Allantois besteht beim Menschen überhaupt nicht, auf keiner Ent- wicklungsstufe, und es steht mit den thatsächlichen Verhältnissen im Widerspruche, wenn Perls bei einem 5 wöchentlichen Foetus Urethra und Müller'schen Gang unmittelbar in die Allantois einmünden lässt. Perls sagt nicht, wie er sich die Entstehung 1) Siehe Sitzungsberichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Gesammtsitzung vom 23. Juli 1891: Ueber die Entwickelung der Urethra und des Dammes beim Menschen von Dr. W. Nagel. 2) Perls, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie. II. Aufl. von Neelsen. Stuttgart 1886. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 265 der Scheidewand denkt, welche Mastdarm von dem Vestibulum vaginae schliesslich vollkommen trennt; es geht aber aus seiner dritten Zeichnung hervor, dass sie einfach durch Tieferwachsen des Septum recto-vagmale entstehe. Man kann sich füglich wundern, dass eine Naturbeobachtung habe einer Hypothese den Platz räumen müssen, und dass letztere eine Zeit lang in gewissen Kreisen die allein gültige Ansicht ge- wesen ist. Zufällig untersuchte Missbildungen an den äusseren Geni- talien des Weibes, welehe sich selbstredend nicht durch die sche- matische und irrige Darstellung Perls erklären liessen, erregten zunächst Verdacht gegen die Richtigkeit der oben erwähnten Hy- pothese und waren die Veranlassung für einige Autoren, wie Reichel u. A., die Entwieklung des Dammes aufs Neue zu untersuchen. Reichel!) spricht sich dahin aus, dass die zwei kleinen Hervorragungen, welche man, auch nach meinen Beobach- tungen, fast regelmässig bei jüngeren Embryonen seitlich, mehr oder weniger dicht am hinteren Winkel der Cloake findet, in der Weise zur Dammbildung beitragen, dass sie nach vorne wachsen, wobei ihre vorderen Enden sich schliesslich an die hinteren Enden der senitalfalten legen; durch den Zusammenstoss der hinteren Enden der Genitalfalten und der vorderen der Analhöcker mit einander in der Medianlinie bildet sich dann, nach Reichel, der neue, „in diesem Stadium freilich noch sehr kurze Damm.“ Diese An- nahme Reichel’s kann ich nieht als richtig anerkennen und ich werde weiter unten meine Bedenken dagegen geltend machen. Perls’ Hypothese fand freilich unter den anatomischen Fachgenossen so gut wie keine Beachtung, obwohl einige Au- toren der neueren Zeit, wie z. B. Taruffi?), sich veranlasst fühlen, die Unrichtigkeit derselben hervorzuheben. Wenn aber dessen ungeachtet auch von anatomischer Seite neuerdings Unter- suchungen über die Entwicklung des Dammes angestellt worden sind, so findet dies seine natürliche Erklärung in dem Bedürf- 1) P. Reichel, Die Entwickelung des Dammes und ihre Be- deutung für die Entstehung gewisser Missbildungen. Zeitschrift f. Ge- burtshülfe und Gynäkologie. Bd. 14. 2) Taruffi, Suwi canali anomali del Pene. Nöta critica. Bo- logna 1891. Bulettino delle Scienze Mediche. 266 W.Nagel: nisse, von Zeit zu Zeit früher beobachtete Thatsachen mit den Hülfsmitteln der neueren Teehnik auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Von Jüngeren Forschern haben, unter vorwiegender Benutzung von Säugethierembryonen, besonders v. Mihalkoviez, Retterer und Tourneux mit dieser Frage sich beschäftigt; die beiden erstgenann- ten haben sich im Sinne Rathke’s entschieden, wogegen Tourneux auf Grund seiner Untersuchungen beim Schafe zu Gunsten der Entstehung des Dammes nur durch Tiefertreten des Septum recto- vaginale sich ausgesprochen hat, ohne dass dabei eine Verschmel- zung von seitlichen Falten, wie Rathke meint, stattfinde. Weiter unten werde ich Gelegenheit haben, auf die An- sichten der genannten Forscher näher einzugehen. Die ältere Literatur habe ich!) bei früherer Gelegenheit berücksichtigt und verweise desshalb auf die angeführte Arbeit. Meine Untersuchungen betreffen menschliche Embryonen, welehe ich Herrn Geheimen Medieinalrath Prof. Dr. Gusserow verdanke und welehe den in früheren Arbeiten erwähnten Quellen entstammen. Da es von einem glücklichen Zufall abhängig ist, gerade solehe Embyonen zu erhalten, welche eine gewünschte Entwicklungsstufe darbieten, so sind die hier niedergelegten Be- obaehtungen zu sehr verschiedenen Zeiten und im Laufe mehrerer Jahre entstanden. Wie bei früheren Arbeiten, so hat auch dies- mal der Direetor der I. anatomischen Anstalt, Professor Dr. Waldeyer, mir in der freundlichsten Weise mit seinen Rath- schlägen zu Seite gestanden. Bei Embryonen von 11 bis 13mm Länge sieht man bei Be- trachtung des Schwanzendes durch die Loupe zunächst eine längs- ovale Grube, welche etwa von der Basis des Steisshöckers bis zur Spitze des Geschlechtshöckers sich erstreckt, und deren Ränder ver- diekt sind (siehe Fig.2 Tafel XV). In den meisten Fällen wird die Grube von dem spitz zulaufenden, frei hervorragenden 1 bis 2 mm langen Steisshöcker überdeckt, so dass man diesen vorsichtig abtragen muss, will man die erwähnte Grube vollkommen über- blieken. Der Geschlechtshöcker, dessen freie Spitze die vordere Begrenzung der erwähnten Grube darstellt, wird dadurch ge- bildet, dass die Ränder derselben vorn sich dieht aneinander 1) W. Nagel, Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems beim Menschen. Archiv für Mikroskopische Anatomie 1889. Ueber d. Entwickelungd. Urethra und des Dammes b. Menschen. 267 legen und gleichzeitig frei hervorwachsen. Der Geschlecehtshöcker entsteht also durch Vereinigung zweier ursprünglich getrennter paariger Gebilde (der Ränder des Geschlechtsspaltes also); seine Anlage ist demnach eine doppelte, wie ich früher betont habe und Retterer!) auch hervorhebt. Reihenscehnitte durch den Geschlechtshöcker zeigen diese Entstehungsweise deutlich, indem derselbe in seiner ganzen Länge, an der ventralen Fläche mit einer epithelialen Furche versehen ist, welche an der Spitze des Höckers bis zur dorsalen Fläche reicht, wodurch dieselbe in zwei Hälften getheilt wird (siehe Fig. 8 Tafel XV). Sagittale Längsschnitte durch Embryonen der erwähnten Grösse zeigen in klarer Weise (siehe Fig. 1, Tafel XV), dass wir eine einzige Grube vor uns haben, welche etwa in der Mitte am tiefsten ist und, allmählich Hacher und enger werdend, bis zur Spitze des Geschlechtshöckers reicht. In diese Grube münden hinten der Darm (Fig. 1 D, TafelXV), vor diesem der Sinus urogenitalis oder Oanalis urogenitalis, wie Rathke ihn besser benennt (Fig. 1, CU). Zwischen beiden Canälen befindet sich ein etwa 0,5mm diekes Septum (Spt). Das Epithel der Innen- wände der Cloake besteht aus eubischen Zellen (siehe Fig. 1, Tafel XV); bei Embryonen von S—1l mm jedoch ist im hinteren Abschnitte der Cloake das Epithel eylindrisch und geht unmittel- bar in das Oylinderepithel des Reetums über. Um diese Zeit ist, wie ich früher (a. a. O.) nachgewiesen habe, von einem Geschlechtsstrange im Sinne von Thiersch noch nicht die Rede, indem nur die beiden Wolff’schen Gänge in den Canalis urogenitalis einmünden und die Müller’schen Gänge in der Mitte des Wolff’schen Körpers in früher be- schriebener Weise endigen. Die Einmündung der W olff’schen Gänge in den Canalis urogenitalis liegt ferner so hoch oben (siehe Fig. 1 WG, Tafel XV), dass sie bei Beschreibung der Grube gar nicht in Betracht kömmt. Dasselbe ist der Fall auch dann, wenn die Müller'schen Gänge den Wolff’schen entlang so weit herabgewachsen sind, (dass sie den Canalis urogenitalis er- reicht haben und also jetzt einen Geschleehtsstrang im 1) Retterer, Sur l'origine et l’evolution de la Region anoge- nitale des mammiferes. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie, Paris 1890. S. 198. 268 W:! Nagel: Sinne von Thiersch bilden, denn auch jetzt liegt, wie ich!) gezeigt habe, die hügelförmige Einmündung des Geschlechts- stranges so hoch oben an der hinteren Wand des Canalis uro- genitalis, dass weder die Müller'schen noch die Wolff- schen Gänge irgend einen Antheil an der Bildung der erwähnten Grube (Cloake) haben. Es münden also auf dieser Entwickelungs- stufe nur zwei Kanäle (der Darm und der Canalis urogenitalis) in die Grube ein, welche, wenn man die. Verhältnisse beim Er- wachsenen zum Vergleiche heranzieht, von dem hinteren Rande des Anus bis zum vorderen Rande der Urethralmündung (bezie- hungsweise bis zum Frenulum klitoridis, siehe unten) reichen würde. Die Grube verhält sich vollkommen gleich bei beiden Geschlechtern, wie ich bei einer Reihe Embryonen von 11 bis 26mm, welche in verschiedenen Flüssigkeiten gehärtet in verschiedenen Körperrichtungen geschnitten wurden, festgestellt habe. Bei 6 von diesen wurden Sagittalschnitte möglichst genau (soweit dieses überhaupt thunlich ist) in der Längsaxe der Oloake gemacht. Von diesen waren, wie der (mikroskopische) Befund an den Geschlechtsdrüsen ergab, 2 männliche, die übrigen weibliche; bei allen zeigte die Cloake einen Zustand genau wie im Fig. 1 abgebildet. An den äusseren Genitalien allen würde man also um diese Zeit nicht unterscheiden können, ob man ein weibliches oder männliches Individuum vor sich hat. Da das Herabwachsen der Müller'schen Gänge erst bei Embryonen von 25mm Länge vollzogen ist, und da ferner die Mündung des Geschlechtsstranges erst bei Embryonen von 15 bis 17em Rumpflänge das Vestibulum erreicht, so bleiben die in Fig. 1, Tafel XV dargestellten Verhältnisse in Bezug auf die in die Cloake einmündenden Gänge ziemlich lange bestehen. Dagegen treten an der Grube (Cloake) selbst alsbald merk- liche Veränderungen ein, indem die epithelialen Wände ihres vorderen, im Bereiche des Geschlechtshöckers liegenden Theiles sich dieht aneinander legen und mit einander vollkommen ver- kleben; gleichzeitig wächst der ganze Geschlechtshöcker in die Länge und erlangt, wie bekannt, im Anfange des dritten Foetal- ımonats bei beiden Geschlechtern annähernd dieselbe Ausdehnung, 1) W. Nagel, Ueber die Entwickelung des Uterus und der Vagina beim Menschen. Archiv für mikroskopische Anatomie 1891. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 269 so dass um diese Zeit der Geschleehtshöcker bei weiblichen Em- bryonen ein durchaus penisähnliches Aussehen darbietet. Betrachten wir zunächst die Veränderungen in dem vorderen Theile der Cloake. Bei der soeben erwähnten Verklebung der epithelialeu Wände des Geschlechtsspaltes (Cloake) kömmt es zu einer ge- wissen Ueberproduetion von Epithel, indem man äusserlich in der ganzen Ausdehnung der verklebten Stelle einen länglichen schmalen Wulst bemerkt, welcher in der Regel auf der Spitze des Geschlechtshöckers mit emem Epithelhörncehen endet (siehe Figg. 4, 6, TE, Tafel XV). Meines Wissens ist Tourneux!) der einzige, welcher bisher diese Eigenthümlichkeit beschrieben hat; ob sie auch bei anderen Wirbelthieren vorkommt, muss ich dahin gestellt lassen. Durch die mikroskopische Betrachtung erkennt man, dass sowohl der Wulst, wie das Hörnchen aus platten protoplasmareichen Zellen mit kleinen Kernen bestehen. Der soeben geschilderte Vorgang findet in gleicher Neessecbeiwbeiden Geschlechtern start Unirdiese Zeit der Entwiecklung,. bei Embryonen von 2,5 bis 5 em Rumpf- länge, beiderlei Geschlechts besteht der Geschlechtshöcker also aus einem etwa.2mm langen Fortsatz, dessen vorderes Ende mittels einer flachen ceirculären Rinne knopfartig von dem übrigen Theile des Geschlechtshöckers sich abgrenzt (siehe Figg. 4, 6, 7, Tatel XV). Medianwärts von dieser Rinne steht die Grube noch offen, im Bereiche des knopfartigen Endes (die spätere Glans) hat die vorhin beschriebene Verklebung_ statt- gefunden und wir haben also an dieser Stelle, sowohl bei männ- liehen wie bei weiblichen Individuen ein mit einem soliden Epi- thelstrange ausgefülltes Rohr, welches an seiner ventralen Fläche einen Längsschlitz besitzt, durch welchen der im Rohr befindliche Epithelstrang mit dem äusseren Epithel in Verbindung steht (siehe Fig. 9, Tafel XV). Da, wo die Verklebung der Grube proximalwärts ihr Ende erreicht, weichen die Ränder derselben auf kurze Strecken auseinander und es besteht hier bei beiden Geschlechtern eine rautenförmige Erweiterung (R), jedoch 1) Tourneux, Sur le Developpement et l’evolution du tuber- eule genital chez le foetus humain dans les deux sexes. Journal de l’ Anatomie et de la Physiologie Paris 1889, Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 15 270 W. Nagel: tritt erst bei Embryonen von 4—D em Rumpflänge, diese Er- weiterung (siehe Figg. Tu.11) auf und nimmt nun eime Zeit lang bei beiden Geschlechtern an Deutlichkeit zu, bei den jüngeren Embryonen fehlt sie noch, indem die Grube bei diesen nach vorn hin allmählich schmäler wird (siehe Figg. 4—6), bis sie schliess- lich in die erwähnte Furche übergeht. Während der weiteren Entwickelung bemerkt man nun, dass bei einigen Embryonen die Sehlitzränder der erwähnten, im Be- reiche der Glans belegenen Furche sich einander nähern, um schliesslich unter Bildung einer Gewebsbrücke vollkommen mit eim- ander zu verwachsen (siehe Fig. 10, Tafel XV bei V). Diesen Vorgang, durch welchen also die epitheliale Furche zu einem an beiden Enden offenen Rohre umgebildet wird, habe ich zuerst an Embryonen von 6—7 em Rumpflänge gesehen; der Bau der Geschlechtsdrüsen, des Geschlechtsstranges und die Umbildung, welche die Cloake inzwischen erfahren hat und welche weiter unten mitgetheilt werden soll, bezeichnen diese Embryonen mit Sicherheit als männliche. Bei anderen Embryonen der nämlichen Grösse, welche durch die Beschaffenheit der Sexualdrüsen, des Geschlechtsstranges und des Geschlechtsspaltes sich zweifellos als weibliche kenn- zeichnen, bleibt die Gewebsbildung am Schlitzrande aus und die epi- theliale Furche bleibt bis auf weiteres als solche bestehen. Während es also auf früheren Entwicklungsstufen nicht möglich war, an dem distalen knopfartigen Ende des Geschlechtshöckers (der späteren Glans) einen Geschlechtsunterschied zu bemerken, so besteht von jetzt an (bei Embryonen von 6—7 em Rumpflänge und darüber) ein soleher: die epitheliale Furche bildet sich bei männlichen Individuen in ein Rohr um und entwickelt sich im weiteren Ver- lauf zum Eicheltheile der Harnröhre, bei weibliehen Indivi- duen bleibt die Furche offen, verkleinert sich allmählich, um schliesslich, entsprechend der weiteren Entwickelung der Glans elitoridis, ganz zu verschwinden. Wenn ich oben den Ausdruck : „ein an beiden Enden offenes Rohr“ gebrauche, so muss ich noch hinzufügen, dass das ganze Lumen um diese Zeit mit Zellen ausgefüllt ist, - welche, wie es aus der obigen Schilderung ohne weiteres hervorgeht, mit dem Epithel der Furche gleichwerthig sind. Dieser Epithelpfropf bleibt längere Zeit erhalten, sein Verschwinden ist mit der Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 271 Scehliessung der rautenförmigen Erweiterung eng verbunden und soll weiter unten besprochen werden. Gleichzeitig mit der Annäherung der Schlitzränder an ein- ander erleidet das erwähnte epitheliale Rohr im seinem ventralen Abschnitte eine kleine Erweiterung und sein Lumen hat alsdann auf dem Querschnitte eine birnförmige Gestalt (siehe Fig. 10, Tafel XV). Wir finden also in der ersten embryonalen Anlage die eigenartige spätere Gestaltung des Eichel-Theils der Harm- röhre (Fossa navieularis) angedeutet; denn bekanntlich ist dieser Absehnitt nächst der Pars prostatica der weiteste Theil der männ- lichen Harnröhre und hat ein senkrecht stehendes Lumen. Da wo die Glans dureh eime eireuläre Rinne (siehe das vorher Gesagte) sich von dem übrigen Theil des Geschlechts- höckers abhebt, bildet sich das Praeputium, und zwar geht das- selbe von dem kleinen Wulst aus, welcher die genannte Rinne proximalwärts begrenzt. Es erhebt sich nämlich an dieser Stelle eine das ganze Glied ringförmig umgebende Hautfalte, welche allmählich die Glans eimhüllt. An einer Stelle jedoch, nämlich an der vorderen Spitze der rautenförmigen Erweiterung, bildet sich zunächst keine Falte, hier bleibt das Praeputium andauernd in engerer Verbindung mit dem Geschleehtshöcker und bildet so das Frenulum praeputii (siehe Fig. 12, Tafel XV). Die Entwickelung des Praeputiums vollzieht sich zunächst im gleicher Weise bei beiden Geschlechtern; man bemerkt die Falte zuerst bei Embryonen von 5!/, bis Tem Rumpflänge, je nach der individuell verschiedenen Entwickelung. und bei Embryonen von 12—14 em Rumpflänge überzieht dieselbe die Glans, unter Frei- lassung ihrer Spitze vollkommen. Bei Embryonen von 4 em Rumpf- länge (siehe Fig. 9) besteht, was auch Tourneux!) hervorhebt, der Epithelüberzug der Glans aus einer einreihigen Schichte schmaler _Cylinderzellen, auf welche eime mehrschichtige Lage von Plattenepithelien folgt. Die Innenfläche des Praepu- tiums ist ebenfalls mit Oylinderepithel bekleidet; eine Spalte zwischen Glans und Praeputium besteht um diese Zeit nicht, in- dem der ganze Zwischenraum mit Plattenepithelien ausgefüllt ist. Bei Embryonen beiderlei Geschlechts von etwa 12—15 em Rumpf- länge sieht man in dieser subpräputialen Epithellage zahlreiche 1) Tourneux a.a. O. 8.247. "272 W. Nagel: coneentrisch gebaute Epithelperlen, welche Schweigger- Seidel!) zuerst (bei Knaben) näher beschrieben hat und die nach seiner Ansieht eine Rolle bei der Lösung des Praeputium spielen sollen. 'v. Kölliker?) bemerkt hierzu, dass solche Körper auch an anderen Orten vorkommen, wo von solchen Trennungen keine Rede ist, wie z. B. am Zahnfleische (Rest der Schmelz- organe) und am Gaumen (Rest der Gaumennaht). Da ich die Lösung des Praeputium nicht weiter verfolgt habe, muss ich mich an dieser Stelle darauf beschränken, das Vorhandensein der ge- dachten Epithelperlen festzustellen, und zwar bei beiden Ge- schleehtern. An der Umschlagsstelle des Praeputium bemerkt man ferner bei Embryonen der oben erwähnten Grösse vereinzelte kurze gsewundene Schläuche mit 2 Ausläufern: die Anlage der, ebenfalls von Schweigger-Seidel?) beschriebenen Tyson’schen Drüsen. r Erwähnen will ich noch, dass ich einmal bei einem weib- lichen Embryo von 12 cm Rumpflänge einen kurzen soliden Epi- thelschlauch gesehen habe, welcher, von dem vorderen Theile der rautenförmigen Erweiterung ausgehend, in das Gewebe der Glans sich hineinerstreckte. Tourneux*) sieht in diesem Gebilde die Anlage der von Wertheimer entdeckten Drüse der Glans elitoridis, welehe Tourneux mit der von der Gu&rin’schen Falte (beim Manne) ausgehenden Drüse gleichstellt. Was nun den inneren Bau der Glans betrifft, so fällt zu- nächst auf, dass die Spitze der Glans aus dieht angehäuften kleinkernigen Zellen besteht; nach der Basis der Glans hin be- schränken, wie auf Querschnitten durch die Glans besonders deut- lich zu sehen ist, diese Zellen sich auf eine schmale dicht unter- halb der Oberfläche liegende Zone, welche proximalwärts an Dicke noch mehr abnimmt. An der Basis der Glans wird ein zweiter ziemlich central liegender Haufen dichtgedrängter Zellen 1) Sehweigger-Seidel, Zur Entwickelung des Praeputiums. Virchow’s Archiv Bd. 37. S. 219. 2) A. v. Kölliker, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte 1879. S. 1000. 3) Schweigger-Seidel, Ueber die Tyson’schen Drüsen. Vir- chow’s Archiv. Bd. 37. 4) Tourneux, a. a. O0. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 273 sichtbar, dessen distale Spitze auf dem Querschnitte eine dreieckige Gestalt hat und welcher proximalwärts unmittelbar in die beiden Anlagen der Corpora eavernosa (elitoridis sive penis) übergeht, deren vereinigte Endigung er also darstellt. Zwischen den beiden er- wähnten, von einander getrennten Zellanhäufungen in der Glans findet sich eine Schichte lockeren Bindegewebes, worin zahlreiche Gefässe mit weitem Lumen sich verzweigen. Die ersterwähnte Zellanhäufung, welche die Anlage des Schwellkörpers der Glans bildet, steht also in keinerlei Verbindung mit den übrigen Sehwellkörpern und ieh kann demnach v. Kölliker!) und van Ackeren?) beipflichten, dass die Glans von Anfang an einen besonderen Schwellkörper hat, welcher hutähnlich den beiden Schwellkörpern des Geschlechtshöckers aufsitzt. Nachdem die Glans den geschilderten Bau erlangt hat und vom Praeputium überzogen worden ist, bleibt sie, wie der Geschlechts- höeker überhaupt, bei weiblichen Embryonen im Wachs- thum zurück. Dadurch verschwindet der Geschlechtshöcker mehr und mehr hinter den grossen Labien, bis er — etwa bei Em- bryonen von 20 em Rumpflänge — das für die Clitoris älterer Foeten und Neugeborenen eigenthümliche Verhalten zeigt. Gleichzeitig mit «den beschriebenen Umbildungen an dem distalen Ende der Cloake vollziehen sich in ihrem mittleren und hinteren Theile wichtige Entwicklungsvorgänge. Be- trachten wir zunächst die Vorgänge an dem mittleren Abschnitte der Grube, welehe aber bei beiden Geschlechtern wesentlich ver- schieden sind. Bei männliche n Embryonen schliesst sich dieser mittlere, der weiblichen Schamspalte entsprechende Abschnitt mehr und mehr, indem die beiden Wände vollkommen mit einander verwachsen. Dass es sich bei dem Verschwin- den der Grube um eine wirklichemedianeVerwachsung ihrer Wände handelt, geht daraus hervor, dass man bei männ- lichen Embryonen von 7—8 Centimeter Rumpflänge eme deut- 1) v. Kölliker, Zur Anatomie der Clitoris (Bericht über die Untersuchungen des cand. med. M. Bender aus Darmstadt). Sitzungs- berichte der physik. med. Gesellschaft z. Würzburg. 1884. 2)F. van Ackeren, Beiträge z. Entwickelungsgeschichte der weiblichen Sexualorgane des Menschen. lnaug.-Diss. Zeitschrift f. wissenschaftliche Zoologie. Bd. XLVIII. S. 20, - 274 W. Nagel: liche mediane Scheidewand durch die Scrotalanlage und das Corpus cavernosum urethrae hindurch bis zum Boden der Urethra sich erstrecken sieht. Dieses Septum findet sich, wie ich ausdrücklich hervorheben will, nur in diesem genannten Theile der Grube, welcher, wie bemerkt, der Rima pudendalis des Weibes entspricht; wir finden es nicht am Damm. Beim Zusammenwachsen der beiden Wände findet ein Ueberschuss von Gewebsbildung statt, indem man äusserlich, im ganzen Bereiche der verwachsenen Stelle eine deutliche Firste sieht, welche über den Hodensack hinweg bis zur rautenförmigen Grube sich erstreekt (siehe Fig. 11 und 12, Tafel XV). Die Firste hat eine individuell verschiedene Höhe, zeigt mitunter in der Mitte eine kleine Einkerbung, steht manchmal schief, aber entspricht stets genau dem Verlaufe des Septum. Sie wird von der Epi- dermis überzogen und ihr innerer Bau stimmt mit demjenigen des oben erwähnten Septums überein: eine diehte Anhäufung von Zellen mit kleinen Kernen (zwischen welchen man übrigens auch zuweilen einige grössere epithelähnliche Zellen findet) mit einge- streuten kurzen vielfach in einander geflochtenen zarten Binde- gewebsfasern. Es ist ohne weiteres klar, dass die Firste, wie das Septum, ein Ergebniss des Zusammenwachsens der beiden Wände des Gesehlechtsspaltes ist und ich verstehe nicht recht die Gründe Retterer’s!), welcher bei Thieren ein ähnliches Gebilde gesehen hat, dieses zu verneinen. Die Firste flacht sich allmählich ab, ihre Spuren bleiben aber, wie bekannt, bei Er- wachsenen als Raphe am Serotum und am Perineum bestehen. 3jei weibliehen Embryonen bleibt der hier in Rede stehende mittlere Abschnitt der Cloake offen, es vollziehen sich aber um diese Zeit (bei Embryonen von 3 bis 17 Centimeter Rumpflänge) sehr erhebliche Aenderungen im Aussehen desselben, welche, wie ich a. a. OÖ. ausführlich beschrieben habe, dadurch hervorgerufen werden, dass der distale Abschnitt des Ge- schleehtsstranges (die spätere Vagina) auffallend in die Länge wächst, wodurch der Canalis urogenitalis, da er im Wachsthum zurückbleibt, allmählich kürzer wird ; somit rückt der Geschlechts- 1) Retterer, Sur l’origine et l’&volution de la Region Ano- genitale des mammiferes. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. Paris 1890, Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 275 strang, genauer gesagt, der Müller’sche Gang, mit seinen Wan- dungen (da der Wolff’sche Gang atrophirt und zurückbleibt) dem Boden der Grube stets näher, um schliesslich in dieselbe einzumünden. Ist dieses geschehen, so sehen wir also beim Weibe drei Kanäle in die Grube einmünden, nämlich (von hinten nach vorne gezählt): Darm, Geschlechtsgang (Müller ’scher Gang), Urethra. Hierbei muss man sich jedoch vergegenwärtigen, dass inzwischen die Grube im Ganzen flacher geworden ist und dass gleichzeitig in ihrem hinteren Theile die Dammbildung (siehe unten) vor sich geht. Die vorhin erwähnte rautenförmige Erweiterung an ‘der Basis der Glans (siehe Fig. 7 und Fig. 11 R) ist bei männlichen Embryonen der letzte Abschnitt des Geschlechts- spaltes, welcher sich schliesst. Der Zeitpunkt, wann dieses ge- schieht, ist nicht genau zu bestimmen, da, wie ich wiederholt betont habe, die Länge und Entwiekelung der Embryonen er- hebliehen individuellen Schwankungen unterworfen sind. Nach meinen Untersuchungen beginnt die Schliessung bei Embryonen von 5 bis 7 Centimeter Länge und sie vollzieht sich in derselben Weise wie am übrigen Theile des Geschlechtsspaltes, indem die Ränder mit einander zusammenwachsen. Bemer- kenswerth ist, dass das Zusammenwachsen stets in der Tiefe be- ginnt: bei Embryonen dieser Entwicklungsstufe findet man bei äusserlicher Betrachtung an dem Geschlechtshöcker eine kleine Grube, welehe die Gestalt der rautenförmigen Entwickelung be- halten hat und ohne weiteres als solche angesehen wird; Quer- schnitte lehren jedoch, dass die Wände in der Tiefe der Grube bereits mit einander zusammengewachsen sind, so dass also jetzt eine abgeschlossene Urethra besteht. Bei solchen Embryonen vermisst man den Epithelpfropt, welcher bei jüngeren Embryonen den Eichel-Theil der Urethra ausfüllte und als Epithelhörnchen aus dem Orifieium urethrae herausragte (siehe Fig. 7, Tafel XV). Der Harn, welcher durch die rautenförmige Erweiterung keinen Abfluss miehr findet, hat offenbar den Pfropf weggespült und das Harnlassen geschieht jetzt auf natürlichem Wege. Bleibt aus irgend einer Ursache die rautenförmige Erweiterung (R) offen, so entsteht Hypospadie. Bei weiblichen Embryonen schliesst sich die rauten- förmige Erweiterung nicht; allerdings ändert sich ihre Form, 276 W. Nagel: theils durch die Rückbildung der Glans, theils durch die Ent- wickelung der kleinen Labien; sie bleibt aber zeitlebens bestehen und bildet den zwischen Frenulum chtoridis und Orifiecium ure- thrae belegenen Theil des Vestibulums, welcher vielleicht passend mit dem Namen Fossa navicularis anterior belegt wer- den könnte. Die Entwickelung der Harnröhre beim Manne und Weibe bietet demnach Uebereinstimmungen und Verschiedenheiten dar; zum besseren Verständnisse der obwaltenden Vorgänge habe ich die nebenstehenden schematischen Zeichnungen angefertigt, von welchen die Figuren I—IIl mediale Längsdurchschnitte darstellen und zwar: Fig. I von Embryonen von 15—22 Millimeter Länge, ehe die Müller ’schen Gänge den Canalis urogenitalis erreicht haben und ehe die äusseren Genitalien einen Geschlechtsunter- schied zeigen; Fig II von einem weiblichen Embryo (etwa 17 Uentimeter Rumpflänge) nachdem der Geschlechtsstrang (die vereinigten Müller schen Gänge) vollends herabgewachsen ist; um diese Zeit bestehen also im Wesentlichen dieselben Verhält- nisse wie bei Erwachsenen. Fig. III von emem männlichen Embryo (von etwa 5 Centimeter Rumpflänge) nach Zusammen- wachsen der Wände des Gesechlechtsspaltes (dureh Schraffi- rung angedeutet), aber vor der Schliessung der rautenförmigen Erweiterung (R). Figg. IV—VI geben schematische Umrisse der äusseren Genitalien und zwar: Fig. IV von Embryonen von 15—22 mm Länge (also entsprechend der Fig. D. Fig. V von einem männ- lichen Embryo von etwa 5 Centimeter Rumpflänge (entsprehend Fig. IID, Fig. VI von einem weiblichen Embryo von etwa 17 Centimeter Rumpflänge (entsprechend Fig. II). In sämmtlichen Figuren bedeuten: Bl-—- Harnblase, a-- Mündung der Wolff- schen Gänge (beziehungsweise in Fig. II- Mündung der ver- einigten Müller’schen Gänge, da ja bei weiblichen Embryonen die Wolff’schen Gänge frühzeitig zu Grunde gehen und an der weiteren Entwickelung des Geschlechtsstranges sich nicht bethei- ligen), S -——- Septum reeto-urogenitale beziehungsweise in Fig. II Septum reeto-genitale (vaginale). R — rautenförmige Erweiterung im vorderen Abschnitte der Cloake; v — Introitus vaginae, r = Rectum, C U = Canalis urogenitalis, u = Urethra; x be- zeichnet die ursprüngliche Einmündungsstelle der hinteren Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 277 & TV 278 W. Nagel: Wand des Canalis urogenitalis in die Cloake und deutet in den Figuren II und III an, wo man diese Stelle auf späteren Ent- wiekelungsstufen zu suchen hat. Die Linien (a, ß, d) in Figg. IV bis VI sind durch gleiehwerthige Punkte gezogen, deren Be- deutung aus dem Text leicht ersichtlich ist; die Linie d ist durch die, dureh x in Figg. I—III bezeichnete Stelle (Mündungs- stelle der hinteren Wand des Canalis urogenitalis in die Cloake) gezogen. Der oberhalb der Linie a belegene Abschnitt der Cloake wird beim männlichen Embryo (Fig. V) zum Eichel-Theil der Urethra, beim weiblichen Embryo zur epi- thelialen Furche der Glans elitoridis. Homolog sind in der An- lage bei beiden Geschlechtern die proximalen zunächst der Blase gelegenen Abschnitte der Harnröhre (1 in Figg. I, II und II). Die Bildung dieses proximalen Abschnittes der Harmröhre (1 im Fig. D ist eng mit der Entwickelungsgeschichte der Harnblase verknüpft. Dieser Abschnitt der Harnröhre wird nämlich (siehe auch bei v. Mihalkoviez!) durch das Hinaufrücken der Ureterenmündungen gebildet, welche, wie ich an einem anderen Orte 2) dargelegt habe, ursprünglich in gleicher Höhe mit den Mündungsstellen der Wolff’schen Gänge (a, Fig. I) liegen. Während aber beim Manne dieser Absehnitt sich vom folgenden lebenslang durch eine scharfe Grenze — Mündungsstelle der Ductus ejaeulatorii (Wolff’schen Gänge, a in den Figuren I und III) — trennt, verwischt sich beim Weibe diese Grenze, da die Mündung des Geschleehtsganges herabrückt, um später in das Vestibulum auszumünden (a in Fig. ID). Der folgende Abschnitt (2) ist anfangs bei beiden Ge- schlechtern gleich angelegt (Fig. I); er umfasst beim erwachsenen Manne den distalen Theil der Pars prostatica und die Pars menm- ‘"branacea bis zum Eintritt der Harnröhre in das Corpus cavemo- sum urethrae, beim Weibe verschwindet er bis auf den als Fossa navieularis posterior bekannten Abschnitt des Vestibulums. Es 1) v. Mihalkovicez, Untersuchungen über die Entwickelung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift f. Anatomie und Histologie Bd. II. Paris, Leipzig, Lon- don 1885. 9) W. Nagel, Ueber die Entwickelung des Urogenitalsystems des Menschen. Archiv f. mikroskopische Anatomie. Bd. 34, 1889. S. 275, 280 und 368. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 279 ist dieser Theil der ursprüngliche Canalis urogenitalis, wie ein Blick auf die Fig. I sofort zeigt; aber nur beim Manne (Fig. III) behält er den Character als urogenitaler Canal. Der dritte oder eavernöse Abschnitt der Harnröhre (Fig. III, 5) kömmt als solcher nur dem Manne zu und bildet sich durch Ver- schluss der Cloake (in Fig. III durch Sehraffirung angedeutet). In semem vorderen (Eichel-) Theile ist er allerdings, wie ich oben darlegte, auch bei weiblichen Individuen angelegt, indem die epithelialen Wände der Cloake auch bei weiblichen Embryo- nen in ihrem vorderen Theile mit einander verkleben. Aber nur bei männlichen Embryonen kömmt es hier zu Bildung einer Röhre (in Fig. III durch Schraffirung angedeutet; siehe auch Fig. V oberhalb der Linie d), bei weiblichen bleibt die Furche offen und verkleinert sich allmählich (Fig. VI oberhalb der Li- nie d). Die fertige Harnröhre des Weibes (Fig. II) entspricht also nur dem Abschnitte 1 in Fig. I und IM. Wenden wir uns nun zum hinteren Abschnitte der Cloake, an welchem sich inzwischen die Dammbildung vollzieht. Bei äusserlicher Betrachtung der Embryonen von 3—4 Centimeter Rumpflänge sieht man zunächst, dass die Cloake an einer bestimmteu Stelle, welche dem späteren Damm entspricht, schmäler geworden ist, es zieht aber noch immer eine deut- liehe Furche von der Basis der Glans bis zum Anus (siehe Figg. 4—1 Tafel XV). Zerlest man derartige Embryonen in Frontalsehnitte, so erkennt man im Bereiche des späteren Dam- mes die Cloakengrube als eine Furehe, deren schräg nach der Mitte zu abfallende Wände in ihrer ganzen Länge, von der Mündung des Canalis urogenitalis bis zum Anus, eine beträcht- liehe7 Werdiekung ihres’ "Epithels7eizen.! ? Dieg Tiefe der Furche riehtet sich nach der Grösse und Entwickelung des betreffenden Embryo; während bei den jüngeren Embryonen von 14—17 mm Länge die Tiefe der Furche, entsprechend der ge- ringeren Körperlänge, 0,16—0,2 mm beträgt, so beträgt sie bei älteren Embryonen 0,4—0,6 mm. Nach vorne geht die Furche unmittelbar in den Canalis urogenitalis, nach hinten, indem sie gleichzeitig flacher wird, in den Anus über. Die Epithelverdiekung an den Wänden der Cloake 280 W. Nagel: (siehe Figg. 15 und 14, Tafel XV) betrifft nur die äussere epidermoidale Lage, deren eubische Zellen mehrfach ge- schichtet sind, während die tiefe, aus Cylinderzellen bestehende Lage einreihig bleibt. Bei jüngeren Embryonen von etwa 14mm Länge ist die Verdiekung nur unbedeutend, indem der Epithel- saum an den Seitenwänden der Furche eine Höhe von 19 u hat, während er ausserhalb der Furche 16 u hoch ist; bei älteren Embryonen (von 3—4 Üentimeter Rumpflänge) hat die Epithel- verdiekung eine Höhe von 0,07—0,1—0,12 Millimeter. An ein- zelnen Stellen berühren die gegenüberliegenden Epithelverdiekungen einander und da der obige Befund sich bei allen Embryonen in gleicher Weise wiederholt, so ist gewiss der Schluss berechtigt, dass die erwähnten Epithelwülste den Schluss der Grube herbeiführen, indem sie mit einander verwachsen). Ich möchte noch die ausschliesslich epithe- liale Natur der erwähnten Verdiekungen besonders betonen, weil v. Mihalkoviez von zwei Cutisstreifen spricht, welche sammt ‚der bedeekenden Epidermis von der Seitenwand des Beckenaus- ganges medianwärts wachsen. Was v. Mihalkoviez?) in seiner Fig. 157 Tafel 8 (vergleiche seinen Text S. 312) als seit- liche Dammfalten bezeichnet, hat aber, so meine ich, mit der Damm- bildung nichts weiter zu thun als die umliegende Haut überhaupt; es sind nämlich nur zufällige Configurationen dadurch hervorgerufen, dass in dem von v. Mihalkoviez beschriebenen Embryo eine Fissura transversalis (siehe unten) bestand. Die von mir beschriebenen Epithelwülste kann man durch äusserliche Betrachtung nieht wahrnehmen, weil sie, wie gesagt, an den Wänden der Furche sitzen. 1) Es ist selbstredend, dass man den Vorgang nicht als ein Zu- sammenwachsen der epithelialen Wülste allein auffassen darf, sondern es sind vielmehr die seitlichen Wände der Grube, welche mit einander zusammenwachsen. Derartige epitheliale Verdiekungen findet man an allen Stellen der Körperoberfläche, wo ein besonderes Wachsthum statt- findet, ich erinnere z. B. an die Epithelverdickungen, welche man, wie ich früher nachgewiesen habe (W. Nagel, Ueber die Entwickelung der Extremitäten der Säugethiere. Marburger Inaugural-Dissertation 1878.), an den Extremitätenstummeln Junger Embryonen findet. 2) 18,2. 0; Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 281 Rathke!) war bekanntlich der Ansicht, dass die Abtren- nung des Canalis urogenitalis von dem Darme theils dureh Tiefer- wachsen des Septum uro-genitale, theils durch Bildung zweier Seitenfalten, welche mit dem erwähnten Septum zu einer einzigen Falte zusammenwachsen, sich vollziehe; diese Falte schneidet von 5 Seiten her immer tiefer in die Cloake ein. Während diese innere Trennung sich vollzieht, nähern sich, nach Rathke, gleichzeitig die Seitenränder der äusse- ren Oeffnung der Oloake (also Theile der allgemeinen Hautbe- deekungen) in der verlängerten Richtung jener Falten, verwachsen mit einander, setzen den Damm (Perineum) zusammen und schei- den dadurch die ursprüngliche einfache Oeffnung der Cloake in zwei verschiedene Oeffnungen. Den damaligen Untersuchungsmethoden entsprechend, hat Rathke seime Beobachtungen nur durch äusserliche Be- trachtung von embryonalen Harnwerkzeugen gemacht. Die Prä- parate sind allerdings musterhaft hergestellt; da er aber, soweit ich ersehen kann, dieselben keiner näheren Untersuchung unter- worfen hat, so geben seine Präparate keine genügenden Auf- schlüsse über die innere Trennung der Cloake, denn diese muss bei den von ihm untersuchten Embryonen (Schaf; die jüngsten waren 15mm lang, siehe seine Abbildungen Tafel IV und V a. a. O.) erheblich weiter vorgeschritten sein als Rathke an- nimmt und durch ausschliesslich äusserliche Betrachtung nur an- nehmen konnte. Die Arbeiten von v. Mihalkoviez und Retterer ge- ben ebenfalls, weil ihre Embryonen in der Entwiekelung bereits zu weit vorgeschritten, keine Aufschlüsse über die Art und Weise, wie die innere Trennung des Canalis urogenitalis vom Darme sich vollzieht, dagegen bestätigen sie, was die Säuge- thiere betrifft, die oben angeführte Darstellung Rathke’s über die Trennung der Cloakenöffnung. Retterer ver- gleicht diesen Vorgang mit der Entwickelung der Augenlider. Beim Menschen wissen wir ebenfalls, wie ich a. a. ©. be- reits hervorgehoben habe, nichts Sicheres über diejenigen Ent- wickelungsvorgänge, durch welche der in Fig. 1 Tafel XV ab- 1) H. Rathke, Abhandlungen z. Bildungs- und Entwickelungs- geschichte der Thiere. Leipzig 1832. I. Theil S. 57. 282 W. Nagel: gebildete Zustand geschaffen worden ist, m welcher Weise also die innere Trennung der Cloake vor sich geht. Jedenfalls können die oben beschriebenen seitlichen Epithelwülste hiermit niehts zu thun haben, denn dieselben treten erst, wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, viel später auf. Es muss also bis auf ‘ weiteres dahingestellt bleiben, wenigstens was den Menschen be- trifft, wie das Septum recto-urogenitale entsteht, dagegen lässt sich aus meinen Beobachtungen mit Bestimmtheit der Schluss ziehen, dass der Damm im engeren Sinne des Worts (also die oberflächliche Schicht) nur durch Zusammen- wachsen der beiden Seitenwände der Cloaken- srube gebildet wird; ich halte es jedoch keineswegs für aus- geschlossen, dass ein Emporwachsen der tiefer liegenden Gewebe während dieses Vorganges zur Abflachung der Grube beitrage. Die Zusammenwachsung scheint sich schnell zu vollziehen, denn bei Embryonen der nächstfolgenden Entwieckelungsstufe (5 em Rumpflänge) ist der Damm vollkommen gebildet und man sieht nunmehr an Stelle der Furche eine deutliche Firste, welche sich vom Anus bis zum Vestibulum erstreckt, bzw. in den am Hodensack vorhandenen Saum unmittelbar übergeht. Die Firste hat eine sehr wechselnde Höhe, welche bis zu 0,25 mm steigen kann; in der Regel wird sie nach dem Anus hin niedriger und zeigt mitunter eine längsverlaufende Einkerbung. Das Epithel zeigt regelmässig im Bereiche der First eine Verdiekung der äusseren epidermoidalen Lage, während die tiefere, aus Oylinder- zellen bestehende Lage eimreihig bleibt. Im übrigen sieht man im Bereiche des neugebildeten Dammes kein Septum, wohl aus dem einfachen Grunde, weil das Zusammenwachsen nur die oberflächlicehe Schicht (Haut und subeutanes Gewebe) betrifft. Dessenungeachtet sehe ich, im Widerspruche mit Retterer, die oben besprochene Firste als ein Ergebniss der Vereinigung der beiden Wände, als eine Ueberproduetion von Gewebe an. Häufig sieht man bei jüngeren Embryonen, dass die Cloakengrube an ihrem hinteren Theile zwei seitliche Aus- läufer hat, so dass die ganze Grube die Gestalt emes umge- kehrten lateinischen T bekömmt (siehe Fig. 3, Tafel XV). Die Querfurche schneidet die Oeffnung des Darmes, weshalb Rathke!) 1) Rathke a.a. O0. S. 64. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 283 dieselbe ‚mit dem Namen Fissura transversalis ani be- legte. Rathke!) und Retterer?) bringen — bei Wirbelthieren — die Entstehung der Fissura transversalis mit der Schliessung der Cloakengrube in Zusammenhang; dieselbe soll nach Retterer dureh das Vorwachsen der seitlichen Dammfalten (replis anoge- nitales) behufs Bildung des Dammes (repli preanal) entstehen. Beim Menschen trifft diese Entstehungsweise keinesfalls zu, denn die Fissura transversalis besteht schon lange vor der Schliessung der Cloake und behält ihre Gestalt unverändert auch nachdem der Damm längst fertig ist. Auf Schnitten senkrecht zu seiner Längsaxe sieht man, dass sowohl das Hautepithel wie das sub- eutane Gewebe im Bereiche der Fissur sich genau so verhalten wie im Bereiche der übrigen Haut. Ich halte die Fissura trans- versalis ani für eine für die Entwiekelung des Dammes vollständig gleiehgültige Erscheinung; sie verschwindet alsbald voll- kommen. Die Analöffnung hat zunächst die Gestalt eines Längs- schlitzes, dann legen sich ihre Ränder in Falten und schliesslich nimmt sie das bekannte sternförmige Aussehen an. Die von Reichel?) beschriebenen Analhöcker, welche ihm zufolge den Damm bilden sollen, finden sich sehr häufig, doch nicht regelmässig, bei jüngeren Embryonen, und lange nicht immer an einer bestimmten Stelle, mitunter nur auf der einen Seite; bald sitzen sie ein wenig mehr seitlich, bald ‚ganz in der Nähe der Analöffnung, meist aber zu weit hinten, um irgend eine Bedeutung für die Bildung des Dammes haben zu können. Hierzu kömmt noch, dass sie auch nach vollzogener Dammbildung sowohl ihre Lage als ihr Aussehen unverändert behalten. Mikroskopisch betrachtet unterscheiden diese Her- vorragungen sich nieht von dem umliegenden Gewebe; mitunter, aber auch nach Bildung des Dammes, sieht man in denselben eine stärkere Anhäufung von kleinkernigen Zellen, und wenn sie in der Nähe der oben besprochenen Firste liegen, streckt sich die Epithelverdiekung dieser auch über eimen Theil der Analhöcker. — Möglich ist es, dass diese Gebilde ebenso wie die Fissura transversalis ani eine phylogenetische Bedeutung haben, hierüber ist mir jedoch nichts bekannt. Deketterer aa 07 8159 und 2 Di Wei chrel' a7: 284 W. Nagel: Die erste Anlage der Bartholini’schen bzw. der Cowper- schen Drüsen habe ich in Uebereimstimmung mit Tourneux!) bei Embryonen von 4 em Rumpflänge gefunden und zwar als eine solide schlauchähnliche Epithelausstülpung an den beiden Seitenwänden des Canalis urogenitalis, etwas oberhalb der Ein- mündung dieses Canals in die Cloake. Das Epithel der Drüsen- anlage besteht aus einem hohen ceubischen Epithel; Verzwei- gungen habe ich bei Embryonen von 5—6 em Rumpflänge zuerst gesehen. Bei grösseren Embryonen ist der inzwischen hohl gewordene Ausführungsgang der Drüsenanlage mit einem niedrigen eubischen Epithel, ähnlich demjenigen des Canalis uro- genitalis bekleidet, während die Verzweigungen dasselbe hohe fast eylindrische Epithel trägt wie in der ersten Anlage. Da der ursprüngliche Canalis urogenitalis, wie Seite 278 auseinander- gesetzt, bei männlichen Embryonen erhalten bleibt und zum an- sehnlichsten Abschnitte der Harnröhre sich entwickelt, bei weib- lichen Embryonen hingegen zum Vestibulum redueirt wird, so ist damit die Erklärung gegeben, wie es kömmt, dass die Drüsen mit ihren Ausmündungen, obwohl in ihrer Anlage gleichwerthig, bei erwachsenen Individuen an so verschiedenen Stellen, je nach dem Geschlechte, gefunden werden. Die weitere Entwiekelung und feinere Anatomie der genannten Drüsen haben von Seiten Dr. V. Müller's, ebenfalls im I. ana- tomischen Institut, eine eingehende Untersuchung erfahren und da ich, soweit meine Untersuchungen an Embryonen reichen, seine bereits veröffentlichten?) Befunde bestätigen kann, so ver- weise ich hiermit auf diese Arbeit. Durch die oben geschilderten Entwiekelungsvorgänge lassen sich ungezwungen alle vorkommenden Missbildungen an den äusseren Genitalien erklären, so auch die jüngst von Reichel?), Frommel®) und Schauta°) besprochenen. In dem von Frommel ee, (0), 2) V. Müller, Ueber die Entwickelungsgeschichte und feinere Anatomie der Bartholini’schen und Cowper'schen Drüsen des Menschen. A. f. mikroskop. Anatomie Bd. 39. 1892. Ss) Re terhteilra. a0! 4) Frommel, Zwei seltene Bildungsanomalien der weiblichen Genitalien. Münchener Mediein. Wochenschrift 1890. Nr. 15. S. 263. 5) Schauta, Vollkommene Cloakenbildung bei gleichzeitiger Ei Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 285 beschriebenen Falle fehlte der Damm bei einem 21jährigen Mäd- chen vollkommen, so dass die Dammgegend das Aussehen darbot wie bei completer Dammruptur. Irgend eine Verletzung wurde in Abrede gestellt und die Mutter behauptete, dass die Geni- talien ihrer Tochter von jeher so ausgesehen hätten. Hier 'war offenbar das Zusammenwachsen der beiden seitlichen Wülste (siehe Fig. 13 u. 14 Tafel XV) ausgeblieben; es war also, was den.Damm betrifft, ein Zustand geblieben wie in Fig. 1 Tafel XV abgebildet. Bei der von Schauta behandelten Patientin!) hat es sich regelmässiger Ausmündung des Darmes und der Harnröhre. A. f. Gynäkologie. Bd. 39. 1891. S. 484. 1) Ich vermag Schauta nicht Recht zu geben, wenn er (Ueber den Zusammenhang der Gynäkologie mit den übrigen Fächern der Gesammtmediein. Eröffnungs-Vorlesung am 12. Oktober 1891. Wien) sagt, dass ich durch seine angeführte Mittheilung zum Studium der Entwickelung der Harnröhre angeregt worden bin. Meine diesbezüg- lichen Untersuchungen haben, wie auch Professor Waldeyer be- zeugen kann, bereits vor drei Jahren begonnen und sind gerade mit Bezug auf die Bildung der weiblichen Harnröhre durch Abtren- nung von dem Canalis urogenitalis von Professor Waldeyer am 22. Mai 1890 in der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften be- kannt gegeben worden, während die Arbeit Schauta’s Januar 1891 erschien. Durch die erwähnte Mittheilung Schauta’s, die mich ganz besonders interessirte, wurde ich veranlasst, meine damals bereits weit vorgeschrittene Untersuchungen über die Entwickelung der Cloake zu beschleunigen und das Ergebniss früher zu veröffentlichen (Sitzung- berichte d. Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften v. 23. Juli 1891), als es eigentlich meine Absicht war; weiteren Antheil an der Entstehung meiner Untersuchungen hat aber der Aufsatz Schauta’s nicht gehabt. Schauta meint ferner, dass meine Untersuchungen die von ihm aufgestellte Hypothese über die Entwickelung der Harnröhre bestätigen. Auch dieses vermag ich nicht zuzugeben. Schauta sagt nämlich (a.a. 0.S.490): „Unser Fall lässt es im höchsten Grade als wahrschein- lich erscheinen, dass, ebenso wie bei der Trennung von Scheide und Mastdarm, auch bei der Entwickelung der Harnröhre der Verschluss in einer doppelten Richtung stattfinden dürfte. Erstens durch Wachs- thum eines Septum vesico-vaginale nach abwärts, zweitens aber durch Verschluss des Geschlechtsspaltes und Bildung einer Harnröhrenmün- dung zu einer Zeit, in der jenes von oben wachsende Septum noch nieht seine untere Wachsthumsgrenze erreicht hat. Es müsste also zu dieser Zeit der Entwickelung ausser dem regelmässigen Orificium Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 19 286 W. Nagel: meiner Meinung nach offenbar um ein mangelhaftes Herabwachsen des distalen Abschnittes des Geschlechtsstranges (Schauta stellte auch eine Atresia vaginae fest) gehandelt. In Folge dessen lag die Mündung der Urethra (Mündung des Canals 3 im Fig. 3 der Schauta’schen Abbildungen) tiefer im Vestibulum als gewöhn- lich; ausserdem hatte im Bereiche des Geschlechtshöckers eine Zusammenwachsung der Ränder des Geschlechtsspaltes stattge- funden, wie sie sonst nur beim männlichen Geschlechte auf- tritt und zur Bildung einer kurzen’ Urethra distalwärts von der ursprünglichen Urethralmündung geführt. Die widernatürliche Verbindung zwischen Vestibulum und Reetum in den Fällen von Reichel und Schauta lässt sich ferner, dadurch erklären, dass nur in dem oberflächlichen Theile eine Verwachsung der beiden seitlichen Wülste stattgefunden hat, während die Grube in der Tiefe offen blieb, wozu noch das durch die mangelhafte Entwickelung der Vagina gehemmte Tieferwachsen des Septum reeto-vaginale beigetragen hat. London, Mai 1892. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. 1: Sagittaler Längsschnitt durch einen weiblichen mensch- lichen Embryo von 19mm Länge. D = Darm. W.G.— Wolffscher Gang. Al. — Allantois- gang. C. U. — Canalis urogenitalis. Spt. Septum recto- urogenitale. Sp. G. — Spitze der Glans. eutaneum urethrae noch eine zweite, höher oben in die Scheide aus- mündende Oeffnung der Harnröhre vorhanden sein, und unser Fall würde ein Stehenbleiben auf dieser Stufe der Entwickelung darstellen.“ Wie man sowohl aus meinen früheren wie aus den jetzigen Mittheilungen ersehen kann, entspricht diese Hypothese den thatsächlichen Verhält- nissen nieht und weicht wesentlich von meinen Ansichten über die Entwickelung der Harnröhre ab. Ueber d. Entwickelung d. Urethra und d. Dammes b. Menschen. 287 Figg. 2, 3,4,5,6 u.T. Aeussere Genitalgegend von menschlichen Embry o- nen von 10, 15 und 40 mm (Figg. 4—7). St. — Steisshöcker. E. Epithelhörnehen. R. rautenför- mige Grube. Figg. 8,9 u.10. Querschnitte durch die Glans menschlicher Embryonen vonSmm Länge, 4und 7 Centimeter Rumpflänge. Figg. 8 und 9 weiblich, Fig. 10 männlich. Figg. 11 u.12. Aeussere Genitalgegend von menschlichen Embyonen männlichen Geschlechts von 4 und 10 Centimeter Rumpf- länge. R. — Rautenförmige Grube. Fig. 13 u. 14. Frontale Längsschnitte durch den hinteren Theil der Cloake (vor der Einmündung des Darmes) von mensch- lichen Embryonen von 4-5 Centimeter Rumpflänge. Beide Figuren zeigen die Epithelverdickungen an den Seitenwänden der Oloake. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. Von Dr. med. Alfred Schaper, Assistent am anatomischen Institut zu Zürich. (Eingereicht am 22. Juni 1892.) Hierzu Tafel XVI und XVII. Vorliegende Arbeit entstand auf Anregung meines früheren verehrten Chefs, des Herrn Professor L. Stieda zu Kö- nigsberg in Pr., dem ich hierfür und für die freundliche Ueber- lassung des ersten embryologischen Materials an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank ausspreche. 288 Alfred Schaper: Ich begann meine Untersuchungen bereits zu Anfang des vorigen Jahres und sollten sich dieselben zunächst nur auf die Entwieklung der Glandula carotica erstrecken. Es handelte sich dabei vor Allem um die Frage, ob die Glandula carotica, wie Stieda!) und mit ihm Rab1l?) annahm, aus dem Epithel einer Schlundspalte hervorgehe oder ob sie sich nach Kastschenko’s®) Beobachtungen aus der Adventitia der Carotis primitiva entwickle. Leider erwies sich mein embryologisches Material damals als un- zulänglich, um diese Frage mit Sicherheit beantworten zu können; ich wandte daher meine Aufmerksamkeit zunächst der histolo- gischen Anatomie dieses Organes zu, über welche zu jener Zeit noch recht unklare und widersprechende Ansichten herrschten. Auch hier stiess ich anfangs auf manche Schwierigkeiten, so- wohl bei Beschaffung wirklich brauchbaren Materials als auch bei der Auswahl geeigneter Fixationsmethoden. Diese Umstände verzögerten die Fertigstellung meiner Untersuchungen derart, dass ich erst Ende Januar dieses Jahres zu einem definitiven Abschluss kommen konnte. Schon im Februar referirte ich im hiesigen „Morphologischen Kränzchen“ über meine hauptsächlich- sten Resultate. Nichts destoweniger zögerte ich noch mit der Publi- kation in der Absicht, dieselben durch die wieder aufzunehmen- den entwicklungsgeschichtliehen Untersuchungen noch zu vervoll- ständigen, wozu mich namentlich die inzwischen erschienene Ar- betMarchand'’s®), in der er sich in Betreff der Entwicklung der Drüse rückhaltslos der Kastschenko’schen Ansicht an- schliesst, von Neuem anregte. Nun erschien jedoch Ende Februar dieses Jahres im zwei- ten Hefte des XI. Bd. der „Beiträge zur pathologischen Anatomie* auch von Paltauf eine ausführliche Arbeit über 1) Stieda, Ueber die Entwicklung der Glandula thymus, Glan- dula thyreoidea und Glandula carotica. Leipzig 1881. 2) Rabl, Zur Bildungsgeschichte des Halses. Prag. med. Wochenschr. 1886. Nr. 52. 3) Kastschenko, Das Schicksal der embryonalen Schlund- spalten bei Säugethieren; Arch. f. mikr. Anatom. Bd. XXX. p. 1. 4) Marchand, Beiträge zur Kenntniss der normalen und pa- thologischen Anatomie der Glandula carotica und der Nebennieren. Internat. Beiträge z. Wissensch. Mediein. (Festschr, Rud. Virchow gewidmet zur Vollendung seines 70. Lebensjahres. Vol. I.) Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 289 die Glandula carotica und deren Entwicklung, in welcher er sich gemäss eingehender Untersuchungen ebenfalls für die Kast- schenko sche Ansicht erklärt, dass nämlich die Glandula ca- rotica aus einer umschriebenen Wucherung der Gefässwand der Carotis interna hervorgehe. In Anbetracht dessen glaube ich nunmehr, auf eine weitere entwicklungsgeschichtliche Untersuchung der Drüse verzichten zu können, zumal alles das, was ich in dieser Beziehung bereits zur Beobachtung bekam, mit den Palt- auf’schen Resultaten sehr wohl vereinbar ist. — Anderseits je- doch beeile ich mich, die Ergebnisse auch meiner histologi- schen Untersuchungen hiermit noch zur Kenntniss zu bringen, da einmal trotz vieler Uebereinstimmungen dennoch manche Dif- ferenzen in den Untersuchungsresultaten der beiden letzten Au- toren und den meinigen vorliegen, ferner ich selbst bei Anstellung meiner Beobachtungen die „Drüsen“ verschiedener Säuger mit in die Untersuchung hineinzog, bei denen die Verhältnisse im Allgememen klarer liegen als beim Menschen und wesentlich zum Verständniss der verwickelten histologischen Befunde bei- tragen. Von einer Wiedergabe der bezüglichen Litteratur kann ich hier absehen, da dies bereits zur Genüge von Marchand und Paltauf geschehen ist. Nur will ich nochmals hervorheben, dass bis zum Erscheinen der Marchand'schen Arbeit zwei prineipiell verschiedene Ansichten in Bezug auf die Deutung der histolo- gischen Elemente der Carotisdrüse sich gegenüber standen. Die eine erklärte die Glandula carotica für ein thatsächlich drüsiges Gebilde, das unter die Kategorie der Nerven- oder Blutgefässdrüsen zu zählen sei, die andere sah darin weiter nichts als ein arterielles Wundernetz, einen Plexus oder Glomerulus von Gefässen, deren Wan- dungen sich dureh grossen Zellenreichthum auszeichneten.— Die erste Ansicht wurde namentlich von Luschka%), die letztere von Arnold?) vertreten. Alle nachfolgenden Arbeiten schlossen sich, ohne zu einer Einigung zu führen, der einen oder andern Ansicht an. Auch das Gesammtresultat der Ende vorigen Jah- 1) Luschka, Ueber die drüsenartige Natur des sog. Ganglion interecaroticum. Arch. f. Anatom. 1862 p. 405. 2) Arnold, Ueber die Structur des Ganglion intercaroticum, Arch. f, pathol. Anatom. Bd. 33, 1865. p. 190. 290 Alfred Schaper: res erschienen Marecehand’schen Arbeit ist in vieler Beziehung nur ein negatives, indem der Autor am Schlusse derselben sagt: Die Glandula carotica ist ein rudimentäres Organ und stellt we- der ein Ganglion, noch eine Drüse, noch ein ausgebildetes Ge- fässgeflecht dar. — Nur davon will er sich mit Bestimmtheit über- zeugt haben, dass die zahlreich vorhandenen epithelähnlichen Zellen des Organs sowohl aus histologischen als entwicklungs- geschichtlichen Gründen als morphologische Bestandtheile der Wandungen der darin befindlichen Gefässe anzusehen seien. — Auch die Marehand schen Untersuchungen haben also in Be- treff der anatomischen und physiologischen Stellung unseres Or- gans zu keinem sicheren Entscheid geführt, wenngleich die Arbeit in histologischer Beziehung vielfach neue Aufschlüsse über die Structur der Drüse giebt. Im Allgemeinen schliesst sich Marchand der Arnold’schen Ansicht an, indem er die zahl- reichen Gefässe der Glandula carotiea für das eigentlich Wesent- liche derselben ansieht. — Die Ergebnisse der Paltauf schen Untersuchungen stimmen in vieler Beziehung mit denen Mar- chand’s überein, was für die Richtigkeit derselben sprechen könnte. Da jedoch beide Arbeiteu gleichzeitig, ohne Bezug auf- einander entstanden sind, so konnte ein Ausgleich der vor- handenen Differenzen, oder eine eventuelle Berichtigung des einen Autors durch den andern nicht stattfinden. Mir nun lie- gen beim Niederschreiben meiner eigenen Beobachtungen beide Arbeiten vor und ich will daher versuchen, die noch vorhandenen Widersprüche zu beseitigen und die Resultate obiger Autoren mit den meinigen in Einklang zu bringen. Für besonders wün- schenswerth hielt ich es ausserdem, die mit Worten allein schwer wieder zu gebenden histologischen Einzelheiten in der Structur der Glandula carotica durch möglichst detaillirte, naturgetreue Zeichnungen klar zu legen, was ich in der Marchand’schen und Paltauf’schen Arbeit vermisst habe. Vorkommen der Glandula carotica. Ausser beim Menschen wurde die Glandula carotica bis- her beim Pferd, Kalb, Schaf, Schwein, Hund, Kanin- chen, beim Igel und 'bei der Katze gefunden. Ich selbst hatte Gelegenheit, dieselbe ausserdem bei Lutra vulgaris Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 291 und Phocaena ecommunis zu beobachten. Da sie sich also bei Repräsentanten so verschiedener Ordnungen der Säuger fin- det, liegt die Wahrscheinliehkeit nahe, dass sie bei diesen all- gemein vorhanden ist. — Bei den Vögeln fehlt sie bereits, we- nigstens trifft man in der Umgebung der Carotisbifureation Kein homologes Organ, wie mir meine vergeblichen Nachforschungen bei der Gans und bei älteren Hühnerembryonen erwiesen haben. Dessgleichen fehlt sie bei Reptilien undAmphibien. Die sog. Carotidendrüse der Batrachier und Salamandrinen ist nicht homolog mit der Glandula carotica der Säuger. — Schon Luschka weist hierauf hin. — Nach den Untersuchungen Zimmermann's!) an der Carotidendrüse von Rana eseu- lenta stellt dies Organ eine tonnenförmige Anschwellung der Carotis und zwar an der Stelle, wo die Arteria hyoideolingualis sich abzweigt, dar. Dieselbe zeigt theils einen eavernösen, theils einen capillären Bau. Um das Ganze zieht sich eine mehrere dünne Lamellen bildende bindegewebige Kapsel. — Zimmer- mann bezeichnet das Organ einmal als „ein ächtes wahres, arterielles Wundernetz in Bezug auf die Carotis* und weiterhin als „ein cavernöses Gebilde für die Arteria hyoideolingualis* und schlägt den Namen Carotislabyrinth für dasselbe vor. Histologisch setzt sich dasselbe aus glatten Muskelfasern, Endo- thelzellen, lockerem Bindegewebe und Pigmentzellen zusammen. Nach diesen Befunden Zimmermann’s hat die Carotisdrüse der Anuren gar nichts gemein mit dem gleichnamigen Organ der Säuger; ganz abgesehen davon, dass sie bei ersteren ein in den Verlauf der Carotis unmittelbar eingeschaltetes, bei letzteren hingegen ein durchaus diskretes Gebilde dar- stellt. Ich selbst habe mich ausserdem an eigenen Präparaten von der Richtigkeit dieser Verhältnisse bei Rana überzeugen können. — Boas?) untersuchte die Carotisdrüse schon vor Zimmermann bei Rana, Bufo und Salamandrinen und konnte bei allen ein gleiches anatomisches Verhalten, nämlich ein schwammiges, durchlöchertes Gewebe vom Bau der Arterien- l) Zimmermann, Ueber die Carotidendrüsse von Rana eseu- lenta. Inaug.-Dissertation, Berlin 1887. 2) Boas, Beiträge zur Angiologie der Amphibien. Morph. Jahrb. VIII. 1883. p. 169. 292 Alfred Schaper: wände konstatiren. Bei Bufo fand er ausserdem einen Knorpel- knoten im Inneren derselben. Er bezeichnet dieselbe mit Hyrtl als ein accessorisches Herz. — Bei Salamandern nimmt sie nach Boas ihren Ursprung aus der ersten Kiemenarterie und der Carotis externa, indem diese nach Eintritt der Me- tamorphose an der Stelle, wo sie nebeneinander herlaufen, gegenseitig Sprossen ineinander hineintreiben, die sich wiederum weiter verästeln und in vielfache Communication treten. — Bei Anuren hingegen sollnach Maurer’s!) Untersuchung die Ca- rotisdrüse aus dem Epithel des ersten kiementragenden Bogens in Form eines Zapfens hervorgehen, der erst zur Zeit der Meta- morphose zu dem späteren mächtigen Gebilde heranwächst, wo- bei sich auch Elemente der Gefässwand der entsprechenden Kie- menarterie betheiligen. Diese entwieklungsgeschichtlichen Resultate Maurer’s würden nach den Untersuchungen Kastschenko's und Palt- auf's über die Entwickelung der Glandula carotica bei Säugern ebenfalls gegen eine Homologie dieses Organs bei den Anuren einerseits und den Säugern anderseits sprechen. Im Uebrigen aber macht der histologische Bau bei den Amphibien eine epi- theliale Entwicklung derselben so wenig wahrscheinlich, dass ich vorläufig noch eimige Bedenken dagegen erheben möchte, die dadurch noch vergrössert werden, dass Maurer bei den Urode- len eine solehe epitheliale Anlage der Glandula carotiea nicht nachweisen konnte. — Bei den Fischen endlich ist eine Carotis- drüse bisher ebenfalls nieht beobachtet. Interessant jedoch ist hier eine Untersuchung Leydig’s?) über die vonDuvernoy?°) entdeekten und von Valentin) näher beschriebenen sog. Axil- larherzender Chimaera monstrosa, welche bis dahin für accessorische, in den Verlauf der Arteria axillaris eingeschaltete Nebenherzen gehalten wurden. Ueber seine histologischen Be- funde schreibt Leydig Folgendes: „Statt der erwarteten glatten oder quergestreiften Muskeln gewahrt man 1) Maurer, Schilddrüse, Thymus und Kiemenreste der Amphi- bien. Morph. Jahrb. XIII. 1887. p. 297 und p. 351. 2) Leydig, Zur Anatomie und Histologie der Chimaera mon- strosa. Arch. f. Anatom. und Physiol. 1851. p. 241. 3) Duvernoy, Anal. de sc. nat. 1837. 4) Valentin, Müller’s Arch. 1842. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 293 1. Eine undeutlich gelappte Beschaffenheit des ganzen Her- zens, bedingt durch eine zarte Bindesubstanz, welche als äussere Hülle sich nach innen fortsetzte und undeutliche Läppehen ab- grenzte. Diese waren erfüllt 2. mit Moleeularmassen!) und Kermen. — An man- chen Stellen liessen sich 3. sehr zahlreiche Capillargefässe unterscheiden, welche enge Maschenräume einschlossen. — Endlich nach Na- trium eaustieum kommen 4. eine Menge doppelt eontourirter Nervenfasern, welche das Ganze nach allen Richtungen durchsetzen, zum Vorschein. An der Arterie, unmittelbar neben dem „Nebenherzen“ liegt ein Ganglion des Sympathieus mit deutlichen Ganglien-Kugeln, und ein reiches Nervengeflecht überspinnt überhaupt diesen Theil der Arterie. Letztere selbst geht mit ihren aufgezählten Häuten, ohne sich zu verändern oder ihr Lumen zu erweitern, durch die näher charaeterisirte Substanz des „Nebenherzens“ hindurch.“ Leydig lieferte durch diese Beobachtungen den Beweis, dass die „Axillarherzen“ der Chimären keine Herzen, d. h. mit Muskelfasern belegte Anschwellungen des Gefässsystems sind. Sie zeigen vielmehr, wie er sagt, einen drüsigen Character und seien der Kategorie der Blutgefässdrüsen zuzuzählen. — Ausser bei Chimaera finden sich diese Gebilde bei Rochen und Haien. Schon Lusehka weist auf die fast vollständige Uebereinstimmung dieses Organes mit der Glandula carotiea der Säuger hin. — Mir war es leider nicht möglich aus Mangel an Material ein- schlägige Untersuchungen hierüber anzustellen. Doch drängt allein schon die Beschreibung Leydig’szuder Annahme, dass wir es hier mit einem der Carotisdrüse sowohl in histologischer als physio- logischer Beziehung gleichwerthigen Organ zu thun haben. — Sollten jedoch weitere Untersuchungen diese Annahme bestätigen, so wäre man zu dem Schlusse berechtigt, dass homologe Gebilde der Glandula carotica unter den Wirbelthieren weiter verbreitet sind, als sie bis jetzt unserer Beobachtung zugänglich waren. Sie wären dann fortan nicht mehr ausschliesslich in der Umge- bung der Carotisbifurcation, sondern wahrscheinlich an den ver- 1) Ein Ausdruck, dessen sich auch Luschka bei Beschreibnng der zelligen Elemente der Glandula carotica bedient. 294 Alfred Schaper: schiedensten Stellen des thierischen Körpers, jedoch stets im engen Anschluss an das Gefäss- und Nervensystem zu suchen. Ferner läge die Vermuthung nahe, dass die Glandula carotica bei den Thieren, wo sie sich vorfindet, nicht das einzige Organ ihrer Art repräsentirt, sondern dass mehrere dieser Gebilde in demselben Individuum auch anderorts vorkommen können. Die bei Menschen und verschiedenen Säugern beobachtete Glandula coceygea, welche nach der Darstellung und nach den Abbildungen Sertoli’s und Eberth’s!) der Carotisdrüse gleichwerthig sein muss, würde bereits zu Gunsten dieser Annahme sprechen. — Auch die physiologische Funetion dieser „Blutgefässdrüsen“ würde bei einem solehen Verhalten an Bedeutung gewinnen. In meiner Vermuthung, dass die Glandula carotica nicht das einzige Organ sui generis im thierischen Körper sei, wurde ich ausserdem noch bestärkt beim Lesen einer Arbeit Stilling’s ®), in weleher er die Glandula carotica wegen der Aehnlichkeit der typischen Zellen kleinen Knötchen vom Bau der Marksubstanz der Nebennieren an die Seite stellt, welehe er im Geflecht des Bauchsympathieus in der Umgebung des Ganglion semilunare beim Kaninchen, bei der Katze und beim Hunde regelmässig in grösserer Zahl auffand. Er sagt nämlich: „Il me parait interes- sant que les m&mes cellules se trouvent encore dans un autre organ qui appartient au systeme nerveux sympathique, dans le ganglion intercarotidien. Ce petit corps, dont Luschka a montre la structure glandulaire, doit done dorenavant &tre range a cöte des capsules surrenales.* — Ich habe daraufhin sofort diese Knötehen im Geflecht des Bauchsympathieus beim Kanin- chen untersucht. Leider jedoch konnte ich mich nicht von der erhofften Aehnlichkeit der Zellen mit denen der Carotisdrüse überzeugen. Topographie und makroskopische Anatomie der Glandula carotieca. Ueber die Topographie und makroskopische Anatomie der 1) Sertoli, Arch. f. pathol. Anatom. und Physiol. XLH, 1868. p. 370. — Eberth, Plexus vasculosus eoccygeus. Stricker's Handb. I. p. 213. 2) Stilling, A propos de quelques experiences nouvelles sur la maladie d’Addison, Revue de Medeeine 1891. p. 808. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 295 Glandula carotica kann ich mich kurz fassen. Von beiden finden wir bei Luschka und Arnold bereits eine vortreffliche Be- schreibung, die weiterhin durch Marehand ergänzt worden ist. — Nur in vergleichend-anatomischer Hinsicht möchte ich noch Einiges hinzufügen. Während beim Menschen die Gl. carotica mit ziem- licher Regelmässigkeit als ein spindelförmiges, abgeplattetes Knöt- chen von etwa 5—Tmm Länge, 2,5—4 mm Breite und 1,5 mm Dieke zwischen der Oarotis interna und externa, unmittelbar über der Bifureation der Carotis communis anzutreffen ist, so lassen sich bei den meisten Säugern nicht so bestimmte Angaben in Betreff der Lage und der Gestalt der Drüse machen. Beim Kalb und Schaf z. B. wechselt die Lage derart, dass man nur sagen kann, sie liegt in der Umgebung der Carotisbifur- cation. Es macht daher einige Schwierigkeiten, sie hier zu fin- den; ja bisweilen sucht man sogar vergeblich darnach. — Bei der Katze liegt sie relativ hoch über der Carotistheilung. Beim Kaninchen traf ich sie stets unmittelbar über der Bifureation. Beim Pferde und bei Phocaena ecommunis, wo ich sie in nur je einem Falle beobachtete, war sie der Carotistheilung dicht aufgelagert. Bei Lutra vulgaris endlich bestand sie aus zwei Theilen, die unten der Wand der Carotis communis — der eine medial, der andere lateral -——, weiter hinauf den entsprechen- den Seiten der Carotis externa noch eine kurze Strecke weit an- gelagert und oben durch eine schmale Brücke, die über einen Theilungswinkel der Carotis externa hinwegzog, mit einander ver- bunden waren. Was weiterhin die Form des Organes anbetrifft, so scheint auch diese bei den einzelnen ‘Individuen einer Species ausser- ordentlich zu schwanken. Besonders wieder beim Kalb und Schaf fand ich die mannigfachsten Variationen. Bald erschien die Drüse kugelig, bald oval, bald langgestreckt, oder sie bestand aus zwei oder mehreren Abtheilungen, die bisweilen weit von einander getrennt waren. — Bei der Katze war sie meist ge- drungen spindelförmig, auf dem Querschnitt dreieckig, beim K a- ninchen sehr langgestreckt. Beim Pferde fand ich die relativ grösste Drüse von unregelmässiger, maulbeerförmiger Gestalt. Die Farbe der Drüse schwankt je nach dem Blutfüllungs- zustand derselben zwischen braunroth und blassrosa; im letzteren 296 Alfred Schaper: Falle hebt sie sich nur wenig von der hellen bindegewebigen Umgebung ab. Auf der Oberfläche des Organs kann man mit unbewaffnetem Auge bereits kleinste, leicht prominirende, meist hellere Körncehen unterscheiden, die dem Ganzen ein granulirtes Aussehen verleihen und so ein makroskopisches Charakteristikum der Drüse bilden. Im Ursprung und Verlauf der zur Gl. carotica tretenden arteriellen Gefässe scheint sich bei den meisten der von mir un- tersuchten Säuger ebenfalls keine feste Norm aufstellen zu lassen. — Während wir beim Menschen fast regelmässig eine kleine Hauptarterie aus der Carotistheilung oder etwas höher aus einem der beiden Aeste von unten her an das Organ herantreten sehen, so fand ich beim Kalb und Schaf, bei der Katze und beim Kaninchen meist mehrere gleichwerthige Gefässe von den gerade benachbarten Arterien zu der Drüse verlaufen. Niehts- destoweniger findet man auch bisweilen, besonders bei letzteren Beiden, ein grösseres arterielles Gefäss aus der Carotistheilung zur Drüse emporsteigen. Histologischer Bau der Glandula carotica. Die prineipiellen Gegensätze in Bezug auf die Deutung der histologischen Struktur unseres Organs, welche durch Luschka einerseits und Arnold andererseits geschaffen wurden und sich bis vor Kurzem erhielten, werden uns nieht besonders auffällig erscheinen, wenn wir. Gelegenheit nehmen, uns selbst von der schwierigen Analyse der mikroskopischen Elemente der Gl. earo- tica zu überzeugen. Wir begegnen hier unter gewissen Umstän- den Verhältnissen, die thatsächlich der einen, wie der anderen Anschauung bis zu einem gewissen Grade freien Spielraum lassen. — Besonders ist es, wie schon erwähnt, die Beschaffung geeig- neten und genügend frischen Materials, sowie die richtige Aus- wahl brauchbarer Fixationsmethoden, was die Untersuchung dieses sehr diffieilen Organs einigermaassen erschwert und für das Ver- ständniss der Untersuchungsresultate von ausserordentlicher Be- deutung ist. — Auch Paltauf bereits betont in seiner Arbeit, dass die Fixationsmethode von grossem Einfluss auf die Gestal- tung des mikroskopischen Bildes sei. Meine ersten Untersuchungen nahm ich anmenschlichen Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 297 Carotisdrüsen vor, die frühestens 12—16, meist: aber erst 24 Stunden nach dem Tode der Leiche entnommen waren. Die hiervon angefertigten Präparate waren jedoch so unklar und histo- logisch so wenig verwendbar, dass ich vor der Hand zu keinem sicheren Resultate gelangen konnte. — Ich schrieb diese Miss- erfolge dem Umstand zu, dass die Drüsen zu lange Zeit nach dem Tode zur Untersuchung gelangten, und sah mich daher ge- nöthigt, eine günstige Gelegenheit zur Erlangung frischeren Ma- terials abzuwarten. Während dieser Zeit nun nahm ich meine Untersuchungen an thierischen Carotisdrüsen vor, die mit geringeren Schwierigkeiten in frischerem Zustande zu erhalten waren. Katzen, Kaninchen, Kälber und Schafe lieferten mir genügendes Material, das stets lebenswarm nach verschiedenen Methoden fixirt wurde. Als Fixationsflüssigkeiten verwandte ich: Alkohol abs., Müller'sche Flüssigkeit, Sublimat, Salpetersäure, Chromessigsäure, Chromosmiumessigsäure und Picrinessigsäure. — Bei Durchmusterung der so erhaltenen Präparate gewann ich bald die Ueberzeugung, dass die Carotisdrüsen der genannten Säuger sich im Allgemeinen besser eignen zur Klarlegung des complieir- ten Baues dieses Gebildes als das homologe Organ des Menschen, und dass sie ferner durch ihren grösseren Reiehthum an „typi- schen Zellen“ besonders zum Studium dieser ein günstigeres Ob- Jeet bieten. Weiterhin machte ich die Erfahrung, dass verschie- dene Fixationsmethoden auch so verschiedene Bilder zu liefern pflegen, dass bisweilen Schnitte von verschieden conservirten Stückchen derselben Drüse kaum als zusammengehörig wieder zu erkennen waren. — Zur Methodik der Untersuchung sei endlich noch hervorgehoben, dass die ausserordentlich dieht gelagerten und relativ kleinen Elemente der Drüse zur Erlangung klarer und übersichtlicher Bilder die Anfertigung feinster Schnitte!) und sehr starke Vergrösserung mit Immersionssystemen verlangen. Obgleich ich nun schon während dieser Untersuchungen an thierischen Carotisdrüsen auch in den Besitz besseren mensch- lichen Materials gelangte, so erzielte ich doch bei diesen m Betreff der Conservirung immer noch nieht die gewünschten Re- 1) Ich benutzte für die feineren histologischen Untersuchungen eine Schnittdicke von 0,005—0,01 mm. 298 Alfred Schaper: sultate, die alle Zweifel in gewissen Punkten beseitigt hätten. — Erst Anfang März dieses Jahres gelang es mir bei Gelegenheit einer Section an einem Hingerichteten beide Carotisdrüsen noch lebenswarm, eine hälbe Stunde nach dem Tode zur mikroskopischen Conservirung zu bekommen. An der Hand der von diesem durchaus eimwandslosen Ma- terial gewonnenen Präparate kam ich endlich zu Resultaten, die im Allgemeinen eine prineipielle Ueberemstimmung im histologi- schen Bau der Carotisdrüse und derjenigen der zur Untersuchung gelangten Säuger klar legten. Hierdurch wurde ich in den Stand gesetzt, durch Combination der verschiedensten Präparate für Verhältnisse, deren Deutung bei der Gl. carotica des Menschen allein einige Schwierigkeiten machte oder gewissen Zweifeln Raum lies, eine begründetere Erklärung zu finden; und gerade dieser Umstand veranlasst mich, nach dem Erscheinen jener aus- führlichen Arbeiten von Marchand und Paltauf auch meine Untersuchungsresultate zur Veröffentlichung zu bringen, in der Hoffnung, hierdurch noch em Weniges zur Kenntniss des Baues der Carotisdrüse beitragen zu können. Was zunächst die unmittelbare Umgebung der Gl. carotiea anbetrifft, so besteht diese, wie bekannt, aus einem lockeren, zahlreiche markhaltige und marklose Nervenfasern, sowie viele Gefässe enthaltenden Bindegewebe. Die Gefässe sind meist Ve- nen, welche sich durch eine dünne Wandung und ein relativ srosses Lumen auszeichnen. In nächster Nähe der „Drüse* ord- net sich das Bindegewebe zu diehteren, eoncentrischen Schichten an, welche das Organ wie mit einer Kapsel umschliessen. Von dieser erstrecken sich bindegewebige, mit vereinzelten glatten Muskelfasern durchsetzte Züge in das Innere hinein und sondern hier jene „Seeundärknötchen“ (Fig. 1) von einander ab, die man besonders deutlich beim Menschen bereits makroskopisch als kleinste, leicht prominirende, meist hellere Körnchen an der Oberfläche unterscheiden konnte. In vergleichend-anatomischer Hinsicht ist hier zu bemerken, dass diese in das Innere hinein- tretenden Bindegewebszüge beim Menschen viel mächtiger ent- wickelt sind als bei den meisten Säugern, in Folge dessen bei ersteren die „Seeundärknötchen“ weiter auseinander gerückt und mehr isolirt erscheinen. Die Carotisdrüse der Säuger gleicht in dieser Beziehung mehr dem jugendlichen Stadium der mensch- Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 299 fo) fe) lichen Carotisdrüse, wo das interstitielle Bindegewebe noch nicht in dem Maasse entwickelt ist; ‚sie zeigt bei den Säugern daher einen eompaeteren Bau und lässt die „Seceundärknötchen“ makroskopisch nicht mit derselben Deutlichkeit wie beim Men- schen erkennen. — Aus der bindegewebigen Umhüllung der „Se- eundärknötchen“ lösen sich nun abermals zarte Faserzüge ab, die in das Innere der letzteren hineintreten, um hier wiederum einzelne Abtheilungen von einander zu sondern, die ich ihrem wesentlichsten Constituens entsprechend als die „Zellballen“ (Fig. 1) bezeichnen möchte. Auf das weitere Verhalten des Binde- gewebes zu diesen „Zellballen* werde ich später noch zu sprechen kommen. Auf demselben Wege wie das Bindegewebe dringen auch Blutgefässe und Nerven in das Organ ein. Die Anord- nung des Bindegewebes wird hierdurch in der Art modifieirt, dass es an der Stelle, wo das Hauptgefäss emtritt, in grösserem Umfange mit im die Drüse hineinwuchert und hierdurch eine Art Hilus (Fig. 1) bildet. Ein Verhalten, auf das Marchand bereits aufmerksam macht. Am deutlichsten ist dieser Hilus beim Menschen ausgebildet, da hier, wie schon oben erwähnt, fast regel- mässig ein grösseres Gefäss (in Fig. 1 als „Hauptarterie“ be- zeichnet) aus der Carotistheilung von unten her in das Organ eindringt. Die „Seeundärknötchen“ gruppiren sich hier — um einen Vergleich zu gebrauchen — ähnlich wie die Körner der Himbeer- frucht um den Fruchtboden. — Im Hilus angelangt, senden Ar- terien sowohl wie Nerven Zweige zu je einem „Secundärknöt- chen“, um sich hier weiter in den „Zellballen“ zu verästeln. Die Arterien lösen sich zu einem Capillarnetz auf (Fig. 1 und 2), das zu den später zu besprechenden typischen Zellen des Organs in engste Beziehung tritt. Aus dem Capillarnetz gehen Venen hervor, die sich nur selten zu einem Hauptgefäss vereinigen, son- dern in ein venöses Geflecht einmünden, das sich sowohl zwischen den „Zellballen“ (Fig. 1. v’), als zwischen den ‚Secun- därknötchen‘“ und im Hilus (Fig. 1. v) der Drüse ausbreitet. Aus diesem Geflecht nehmen alsdann mehrere Sammelvenen ihren Ursprung, die das Blut in die zahlreichen Venen (Fig. 1. V) des umgebenden Bindegewebes leiten. — Da die typische Anordnung der einzelnen Bestandtheile des Organs und die Vertheilung der Gefässe in demselben auf einem emzelnen Schnitte aus natür- 300 Alfred Schaper: lichen Gründen nie klar zur Anschauung kommt, so habe ich es vorgezogen, in Fig. 1 ein schematisches Bild davon zu geben. — Fig.. I ist eine halbschematische Darstellung des Capillar- netzes in einem „Zellballen“. Das Präparat, dem diese Abbil- dung entnommen wurde, entstammt einer mit blauem Leim von der Carotis eommunis aus injieirten menschlichen Carotisdrüse. Zu bemerken ist, dass die Injeetion unter sehr hohem Druck stattfand, in Folge dessen die Gefässe stark erweitert und die dazwischen befindlichen Zellen eomprimirt erscheinen. Ich be- tone nochmals, dass diese Abbildung lediglich den grossen Ge- fässreiehthum der „Zellballen“ und die typische Anordnung der Gefässe in denselben illustriren soll. — Auf den ersten Blick hat das Präparat bei schwacher Vergrösserung eine frappante Aehn- lichkeit mit einem Nieren-Glomerulus, so dass auch die früheren Autoren stets diesen Vergleich herbeizogen. Die ge- nauere Betrachtung jedoch belehrt uns, dass wir es nieht mit einem eigentlichen Glomerulus oder Wundernetz im Sinne Arnold’s und Pförtner’s, sondern mit einer capillären Auflösung der in den „Zellballen“ eintretenden Arterie (a) zu thun haben. Die relativ weiten, häufig geschlängelt und zurückgebogen ver- laufenden Capillaren (ce) anastomosiren vielfach miteinander und bilden ein enges Netzwerk, in. dessen Maschen die typischen Zellen des Organs gelagert sind. Marchand führt an, dass sich die zuführende Arterie in ein Convolut kleinster Gefässsehlingen auflöse und zwischen diesen sich erst ein Netzwerk von Capil- laren befinde. Ich kann dies nur insofern gelten lassen, dass wohl die ersten Zweige der eintretenden Arterie hie und da noch muskulöse Elemente in ihrer Wandung enthalten. Das eigent- liche Gefässnetz jedoch ist rein capillärer Natur. — Aus dem Capillarsystem sehen wir endlich zwei Venen (v‘) her- vorgehen, die in das Venengeflecht (v‘) des umgebenden Binde- gewebes einmünden. — Gleichzeitig sehen wir in Begleitung der Arterie (a) einen markhaltigen Nerven (d) in den „Zellballen‘“ ein- treten. Ueber die weitere Vertheilung der Nerven später. Da das zwischen den „Seeundärknötchen“ befindliche Binde- gewebe ärmer an Gefässen als jene ist, so heben sich an Injeetionspräparaten die „Seceundärknötchen“ durch dieses Ver- halten sehr seharf von der Umgebung ab und erscheinen als Gefässinselehen in das Stroma eingelagert. — In Bezug Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 501 auf die Wandung der Arterien ist zu bemerken, dass sich die- selbe bis zum Eintritt in die „Seeundärknötchen“ häufig durch eine relative Dieke und grossen Zellreichthum auszeichnet. Gleich hier jedoch will ich hervorheben, dass diese Zellen nicht iden- tisch sind mit jenen der „Zellballen“, wie Marehand geneigt ist anzunehmen, sondern dass sie lediglich als Bindegewebszellen der Gefässadventitia in Anspruch zu nehmen sind. Interessant ist nun der Umstand, dass sich mit zunehmen- dem Alter die Menge des interstitiellen Bindegewebes und der Gefässe bedeutend vergrössert. — Während beim Neugeborenen und bei Kindern bis zu etwa sechs Jahren nur zarte Bindege- webszüge die „Secundärknötchen‘“ umhüllen und wenige Fasern in das Innere derselben hineinsenden, so finden wir bei Erwaech- senen und namentlich bei Personen höheren Alters (50-60 Jahre) das interstitielle Gewebe häufig in solchem Maasse vermehrt, dass es die Hauptmasse der Drüse ausmacht, und die „Secundär- knötchen“ nur als kleine, weit auseinanderliegende Parenchym- inseln erscheinen lässt. Auch innerhalb der letzteren sind die Bindegewebszüge bedeutend verbreitert, so dass die „Zellballen“ mehr oder weniger auseinandergedrängt sind. — Sonderbarer- weise geht nun mit der Vermehrung des Bindegewebes auch eine Vermehrung der Gefässe einher. Schnitte durch ältere Carotisdrüsen erscheinen daher durch die grosse Menge der Ge- fässlumina wie ein Sieb durehlöchert, während jugendliche Or- gane einen compaeteren Bau zeigen und sich auf den ersten Blick durch ihren relativ grösseren Zellreichthum auszeichnen. Letztere gleichen daher, wie schon erwähnt, im dieser Hinsicht mehr «den Carotidendrüsen der Säuger; wenngleich auch hier eine geringe Zunahme des Bindegewebes und der Gefässe mit vorrückendem Alter zu constatiren ist. Bei der Gl. carotica vom Kalbe, die mit Flemming’scher Flüssigkeit fixirt war, beobachtete ich im interstitiellen Gewebe längere und kürzere Reihen dicht- sedrängter Kerne, die durch Safranin intensiv dunkelroth gefärbt wurden. Ich vermuthe, dass wir es hier mit Gefässneubil- dungen zu thun haben, hervorgegangen aus Wucherungen der Wandelemente der vorhandenen Gefässe. An einzelnen Stellen liess sich ein Zusammenhang zwischen den Kernreihen und den Gefässwandungen beobachten. In Betreff der Nerven der Gl. carotica kann ich mich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 20 302 Alfred Schaper: kurz fassen, da ich den darüber vorhandenen Beobachtungen nichts Neues hinzuzufügen habe und verweise zur Kenntnissnahme dieser auf die ausführlichen Darstellungen Luschka’s und Arnold’s (l. e.). Besonders hervorheben möchte ich nur, dass sowohl markhaltige wie sympathische Fasern noch in die „Zell- ballen“ eindringen. Ueber ihr weiteres Schicksal innerhalb dieser konnte ich Nichts in Erfahrung bringen; sowohl Versuche mit der Golgi’schen und Ramon y Cajal’schen Methode, sowie Fär- bungen mit Methylenblau liessen mich hier im Stich. — Ferner sind Ganglienzellen bei Weitem nicht in soleher Menge vorhanden, wie von früheren Autoren angegeben wurde. Schon Marcehand und Paltauf haben dies constatirt. Ich habe nur ganz vereinzelte Ganglienzellen, und zwar multipolare, zwischen den „Secundärknötehen“ und auch den „Zellballen“ eingestreut gefunden (Fig. 8 f). Ueber das Mengenverhältniss zwischen markhaltigen und marklosen Nervenfasern ist schwer eine bestimmte Angabe zu machen. Nur ist es mir zweifelhaft, dass, wie Marchand angiebt, die marklosen Fasern überwiegen. Mir gelang es nach der Pal’schen Methode ein ziemlich dichtes Netz markhaltiger Nerven darzustellen. f Ich wende mich nunmehr zu dem Theil meiner Untersuchun- gen, in welchem ich noch vielfach von den Resultaten Marchand’'s und Paltauf’s abweiche; nämlich zur Betrachtung des specifischen Bestandtheils unseres Organs, den ich kurz als das „Drüsengewe- be* bezeichnen will, ohne damit für die drüsige Natur irgend etwas präjudieiren zu wollen. — Es sind dies diejenigen Elemente der Gl. earotica, welche in der Beobachtung und Deutung die meisten Schwierigkeiten machen. — Auch Marchand und Paltauf haben sieh hiervon überzeugt. — Gerade diese Elemente sind es, die sich uns je nach der Conservirungsmethode in so ver- schiedener Gestalt präsentiren, dass nur eine grosse Reihe von Versuchen und die Anwendung zahlreicher technischer Hülfsmittel uns genügende Ergebnisse liefern, durch deren Combination wir zu einem befriedigenden Gesammtresultat gelangen können. Da ferner die Carotisdrüsen jugendlicher und älterer Individuen so wesentliche Verschiedenheiten in ihrem Bau aufweisen, so ergiebt sich hieraus die.Nothwendigkeit, auch in dieser Richtung ver- gleichende Beobachtungen anzustellen. Endlich habe ich mich, wie schon oben hervorgehoben, überzeugen können, dass gerade Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 305 die Untersuehung thierischer Carotisdrüsen ein wesentliches Hülts- mittel ist zum Verständniss von Verhältnissen, die beim Menschen speciell unklarer liegen. Die „drüsigen“ Bestandtheile der Gl. carotica präsen- tiren sich uns in jenen „Zellballen“, aus welchen die „Secundär- knötehen“ zusammengesetzt erscheinen. Innerhalb dieser Zell- ballen, welche bekanntlich durch mehr oder weniger entwickelte Bindegewebszüge von einander getrennt sind, liegen nun die typischen Zellen meist wieder in characteristischen Gruppen angeordnet. Wir treffen sie bald zu rundlichen oder ovalen Complexen, bald zu kürzeren oder längeren Strängen verei- nigt (Fig. 6, T und 8). Bei Neugeborenen jedoch finden wir die Zellen noch nicht im einer bestimmten Anordnung. Zwar liegen sie auch bereits meist in der Nachbarschaft der Gefässe, lassen aber eine regelmässige Gruppirung um dieselben noch nicht erkennen. (Fig. 4.) — Die m den Zellballen ein dichtes Netz bildenden Capillaren (Fig. 2) treten nun zu jenen Zellen in engste Beziehung. Das Mengenverhältniss zwischen Zellen und Gefässen ist em sehr variables. Beim Neugeborenen (Fig. >) ist die Menge der typischen Zellen im Verhältniss zu den Ge- fässen (meist Capillaren) noch nicht so bedeutend, doch imponiren sie durch ihre Grösse und die Schärfe ihrer Contouren. Es ist nun anzunehmen, dass in den ersten Lebensjahren noch eine ausserordentliche Vermehrung der Zellen stattfindet, mit der die Vermehrung der Gefässe nicht gleichen Schritt hält; denn in höherem jugendlichen Alter überwiegen durchaus die zelligen Elemente, wie ich bei der Drüse eines 4!/,, 10, nnd 23jährigen Menschen (Fig. 6) eonstatiren konnte. In den 20er Jahren scheint die Entwicklung der typischen Zellen der Gl. earotica über- haupt ihren Höhepunkt erreicht zu haben (Fig. 6). Nach den 30er Jahren prävaliren von Neuem die Gefässe, was einerseits durch eine Vermehrung derselben, andererseits jedoch durch einen allmählichen Verfall der typischen Zellen zu erklären ist (Fig. 3 und 4). Letzterer Zustand wird noch augenscheinlicher dureh die gleichzeitige Wucherung des interstitiellen Bindegewebes (Fig. 3). — Bei den Säugern scheinen diese Veränderungen nicht so hochgradig zu sein. Die Gl. carotica derselben, die sich von vornherein durch einen grösseren Zellenreichthum als die mensch- 304 Alfred Schaper: liche auszeichnet, erhält sich auch bei älteren Thhieren in einem fast gleichen Zustande. Was nun die Beziehung der Blutgefässe zu den „typischen Zellen“ des Organs betrifft, so geht Marchand von den neueren Autoren hierin am weitesten. In seinen Beobachtungen an einem _ viermonatlichen menschlichen Embryo sagte er unter anderem: „Das kleine, von unten her in die Drüse eintretende Stämmchen, welches ein enges Lumen und eine sehr zellreiche Wand besitzt, theilt sich beim Eimtritt m das Körperchen in eime Anzahl Aeste und man kann sich ziemlich leicht überzeugen, dass die unregel- mässig verlaufenden, verästelten und gewundenen Zellstränge in unmittelbarer Verbindung mit den Gefässverästelungen stehen, oder, wenn man will, mit ihnen identisch sind. Bei stärkerer Vergrösserung kann man hier und da in den dichten Zellhäufehen und Strängen ein enges, durch eine feine Linie abgegrenztes Lumen mit rothen Blutkörperchen erkennen.“ Und weiter sagt er (bei einem fünfmonatlichen menschlichen Embryo): „Sodann zeigt sich auch hier ein deutlicher Zusammen- hang (der Zellen) mit kleineren Gefässen, welche zwischen den grösseren Zellhaufen verlaufen und in dieselben eintreten. Man sieht kleinere Gefässchen mit engerem Lumen durch allmählige Ver- mehrung der Wandelemente in zellenreiche Schläuche übergehen.“ Auch ich habe von diesen Gesichtspunkten aus menschliche Embryonen ungefähr desselben Alters untersucht, konnte mich jedoch nieht von diesen Verhältnissen überzeugen. Dennoch würde ich es nicht wagen, Marchand aus diesem Grunde einen Beobachtungsfehler vorzuwerfen, zumal mein Untersuchungsmaterial sich nicht der besten Öonservirung erfreute. Nur musste es mich dann Wunder nehmen, dass ich auch bei bestfixirten Organen Neugeborener und jüngerer Individuen nichts darauf Bezügliches antreffen konnte. — Wenn ich Marehand und seine Abbil- dungen recht verstehe, so hat er beobachtet, dass einmal die typischen Zellen der Drüse aus den Wandelementen (Endothelien?) der Gefässe direet hervorgehen, zweitens aber auch, dass jene (die unmittelbare Begrenzung der Blutwege bilden, so dass letz- tere alsdann des typischen Endothels entbehren und das Blut stellenweise frei in den Zellschläuchen coursirt. — Von dem Ursprung der Zellen aus den Wandelementen der Gefässe konnte ich mich zwar ebenfalls nicht überzeugen, will ihn aber deshalb Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 305 nicht in Abrede stellen, da ja, wenn man die Entstehung des ganzen Organs von einer Wucherung der Gefässwand der Carotis interna und von den daraus sich entwickelnden Gefässsprossen ableitet, schliesslich auch eine spätere Bildung der Zellen aus der Wand jener kleinsten Gefässe (oder Capillaren) nicht als unmöglich erscheint. Nur so vielhabe ieh mit Sieher- heit constatiren können, dass die kleinsten Ge- fässe des Organs stets die ihnen zukommenden Wandelemente besitzen, und dass die Capillaren, die. ja, wie vorhin ausgeführt, den grössten Theil des Gefäss- systems der Zellballen bilden, nie ihres typischen Endo- thelsehlauches entbehren, auch dort nicht, wo sie in unmittelbarer Nachbarschaft der Zellen verlaufen (vergl. sämmt- liche Abbildungen). Auch Paltauf lässt die „Drüsenzellen* der Gl. earotiea aus den Gefässwandzellen hervorgehen, äussert sich jedoch nicht weiter über die Beschaffenheit der Gefässwände nach dieser Proliferation. Aus seinen Abbildungen scheint jedoch hervorzu- gehen, dass auch er die Gefässe und besonders die Capillaren stets mit einer durchaus selbstständigen Wandung ausgestattet fand. — In Bezug auf die Entwicklung der Zellen beim Kanin- chen sagt er: „.... die Entwicklung fängt mit eimer Wuche- rung der Gefässwand der Carotis interna an und scheint mit der Sprossung von Gefässen innig zusammenzuhängen, da bereits in den ersten Anfängen meiner Beobachtungen in der verdickten Adventitia sich solche finden, dieselben überhaupt für die Klein- heit des Gebildes sehr stark und reichlich sind; ihre Verzweigung mit andauernder Proliferation der Gefässwandzellen legt bereits frühzeitig den Grund für die spätere körnige Structur des Organs.“ Dieser Entwieklungsweise und ihrer sonstigen Beschaffenheit gemäss stellt Paltauf jene Zellen den sog. Perithelien Eberth's, wie sie sich auch in der Steissdrüse, — allerdings in anderer Anordnung (Paltauf) — finden sollen, an die Seite. Waldeyer!) bezeichnet sie bei der Gl. eoceygea als Perithelialorgane und vergleicht sie mit den Zellen der Hodengefässe. Characteristisch für die Carotisdrüse ist die 1) Virehow’s Arch. Bd. LV. p. 123. 306 | Alfred Schaper: enge Beziehung der Zellen besonders zu den Capil- laren. Zwar sind auch die kleinsten Gefässe bereits von Zell- haufen begleitet und stellenweise wie mit einem Mantel von den- selben umgeben, doch ist das Verhältniss beider zu einander nieht ein so enges, ich möchte sagen nicht ein so physiologisches wie bei den Capillaren. Bei letzteren nämlich kann man viel- fach beobachten, dass sie entweder in einen mehr oder weniger unregelmässig congregirten Zellhaufen eintreten und sich hier nach allen Richtungen verzweigen, oder dass sie, eine Haupt- richtung verfolgend, in das Lumen eines blindsehlauchähbnlichen Zelleomplexes eintreten und auch hier zum Theil seitlich zwischen den die Wand des Schlauches bildenden Zellen Aeste hindureh- schieken oder am Ende des Schlauches, der hier häufig etwas kolbig verdickt erscheint, m eine rücklaufende Schlinge über- gehen!). Am interessantesten endlich ist dasjenige gegenseitige Lageverhältniss, wo die Zellen in einfacher Schicht eine an einer Stelle geöffnete Hohlkugel, die auf dem Durchschnitt als nicht vollständig geschlossener Kreis erscheint, bilden, in dessen relativ enges Lumen eine einfache oder auch zwei bis drei Capillar- schlingen eintreten. Letzteres Verhalten, das ich als das typischste bezeichnen möchte, habe ich besonders bei jugendlichen mensch- lichen Individuen (Fig. 6. k), sowie auch beim Schaf und Kalb verschiedentlich angetroffen. — Wenn man der Gl. earotica eine physiologische Funetion beimessen will, so sind emzig und allein diese eben geschilderten Gebiete engster Berührung zwischen Zellen, Blutgefässen und Nerven (denn auch diese treten in die Zell- ballen ein) als der Ort einer physiologischen Wechsel beziehung zwischen diesen Organen anzusehen. Nun zu den Zellen selbst! — Zur riehtigeren Beur- theilung meiner folgenden Darlegung schicke ich ein kurzes Refe- rat der bezüglichen Beobachtungsresultate Marchand's und 1) In Bezug auf das Verhältniss der Zellen zu den Capillaren unterscheidet sich die Glandula carotica also in Nichts von der Glan- dula coceygea; wenigstens nach den Abbildungen Eberth'’s (l. ec.) — Es ist unrichtig, wenn Paltauf sagt, dass in der Carotisdrüse die Zellen nur einen einfachen Beleg an der Aussenfläche der Gefäss- schlingen bilden, während sich in der Steissdrüse förmliche Mäntel oder Zelllager um Aestchen und Verzweigungen der Arteria sacralis (resp. deren Capillaren!) finden. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 307 Paltauf's voraus, um auf dieselben in den Punkten, wo ich von obigen Autoren abweiche, an geeigneter Stelle zurückkom- men zu können. Marchand sagt 1. bei einem viermonatlichen menschlichen Embryo: „Stellen- weis haben die rundlichen Zellhaufen ein epithelähnliches Anse- hen, sie sind jedoch nie so scharf von der Umgebung abgegrenzt, wie z. B. die Drüsenschläuche einer jungen Thymusanlage. Viel- fach sieht man die grösseren Zellhaufen an der Peripherie sich ziemlich allmählich in ein zartes Maschenwerk von Zellen auf- lösen, welches seinerseits ohne bestimmte Grenze in das zarte fibrilläre Gewebe übergeht.“ 2. bei einem fünfmonatlichen menschlichen Embryo: „Sie (die Drüsenläppehen) bestehen hauptsächlich aus dicht gedrängten rundlichen, etwas eckigen Zellen, welche in ihrer Gruppirung mehr an epitheliale Zellmassen erinnern; indess zeigt sich auch hier noch der Mangel einer scharfen Trennung von der Umgebung, indem rundliche und eckige Zellen von derselben Beschaffenheit wie im Innern der Läppchen sich mehr verstreut in der nächsten Nachbarschaft finden.“ 3. Im ausgebildeten Zustande: „Die grösseren Zellhaufen stellen oft kreisrunde, mit einem Bindegewehssaum umgebene Ge- bilde dar, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Drüsenaecinus haben können. Auch sind die Zellen selbst häufig so dicht an- einandergedrängt, dass das Aussehen eines epithelialen Zellhaufens entsteht. Dennoch zeigen sie stets ein viel festeres Gefüge und sind nicht frei von Zwischensubstanz, welche hier und da inner- halb des Zellhaufens als feines Retieulum zum Vorschein kommt. Auch lassen sich die Zellen durch Zerzupfen nur schwer aus dem Zusammenhang lösen.“ .... „Ein Theil der Zellen hat eine deutliche polyedrische, epitheliale Form, andere scheinen durch Ausläufer zusammenzuhängen, so dass ein netzförmiges Aussehen entsteht.“ Paltauf kam unabhängig von Marchand im Allge- meinen zu ähnlichen Resultaten. Bei Schilderung des Baues der „Drüsenkörner“ (meinen Secundärknötchen) beschreibt er die- selben als zusammengesetzt aus blasigen, runden oder schlauch- förmigen Hohlräumen, welche sich bei stärkerer Vergrösserung zum einen Theil als Gefässlumina entpuppen, zum andern Theil "308 Alfred Schaper: jedoeh in ihrem Inneren noch eine zarte retieulirte Bindesubstanz erkennen lassen, die kleine rundliche Höhlen in ihre Maschen einschliesst. — In Bezug auf Letzteres sagt er dann weiter: „In diesem netzartigen, lockeren Gewebe mit oft so weiten Lücken, dass sie an Grösse den Gefässquersehnitten gleich kommen, finden sich nun Zellen mit deutlichem, ja ziemlich viel Protoplasma, deren runder Kern sich intensiv in Safranin färbte; diese Zellen haben eine eubische, oder kurz eylindrische Form, oder sind polygonal, haben ein etwas granulirtes Protoplasma und gewinnen dadurch ein epitheloides Aussehen; häufig liegt auch der Kern excentrisch“ .... „Mit dem feinen Balkenwerk des Retieuluns haben sie keine Verbindung, sie liegen den zarten Bälkchen wohl an, aber ein inniger Zusammenhang, oder dass von ihnen die letzteren ausgehen würden, sind nur Trugbilder. Ausser diesen Zellen finden sich noch feingranulirte und fädige Massen und Flocken, ähnlich Gerinseln oder Präeipitaten einer eiweisshaltigen Flüssigkeit;* .... „Dieses (retieulirte) Gewebe — sagt er weiter — scheint nicht immer gleich entwickelt zu sein; so habe ich Präparate einer Carotisdrüse von einem Kinde vor mir, bei welchen ausser dem Reichthum an Kernen auch deren dichte Lageruug auffällt; da findet sich das retieulirte Gewebe recht spärlich, die äusseren Belegzellen der Gefässe reichlich in zusam- menhängenden Reihen, sie zeigen aber nicht das reichliche Proto- plasma ....* Endlich fügt Paltauf auch noch hinzu, dass die Art der Conservirung einerseits auf die Deutlichkeit des Retieulums, andererseits auf das Aussehen der grossen protoplas- matischen Zellen Einfluss hat. „Nach Härtung in Müller’scher Flüssigkeit erschemt das zarte Retieculum viel weniger deutlich, ja kann sogar übersehen werden, während im Gegensatz die grossen protoplasmareichen Zellen mit den grossen runden Kernen sich sofort aufdrängen, indem sie jene perivasculären Räume völlig ausfüllen; dabei sind die Zellgrenzen nicht deutlich sicht- bar, und erscheinen die runden Kerne häufig m einer gleich- mässig fein granulirten Grundsubstanz eingetragen“ .... „Es scheint durch die Müller’sche Flüssigkeit eine Art Schwellung und Quellung der Zellen, ja auch der Kerne eingetreten zu sein.“ Was zunächst das von Marchand und Paltauf beschrie- bene retieulirte Zwisehengewebe anbetrifft, so ist ein sol- ches zweifellos vorhanden. Auch ich habe dasselbe in allen Fällen Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 309 mehr oder weniger ausgebildet beobachten können. Nur sah ich niemals ein so enges bindegewebiges Netzwerk, wie es Mar- chand abgebildet hat (l. e. Fig. 5). Es besteht nämlich (we- nigstens bei Kindern und Erwachsenen) durchaus nicht das ganze Maschenwerk (wie wir es in Abbildung 3 sehen) aus Bindegewebe, sondern es werden die engeren Maschen, wie man sich bei stärkerer Vergrösserung leicht über- zeugt, grösstentheils aus protoplasmatischen Fäden (Fig. 4 g) gebildet, anf deren Entstehen ich gleich zu sprechen kommen werde. — Auch ich habe, unabhängig von Paltauf, eonstatiren können, dass die Conservirungsmethode von grossem Einfluss auf die Deutlichkeit desselben ist, indem in der That die Müller’sche Flüssigkeit dasselbe hinter den zelligen Elementen sehr zurücktreten lässt, während es Fixirungsflüssigkeiten, wie Alkohol abs., Pierinessigsäure und Flemming’sche Lösung ete. in grosser Schärfe zum Vorschein bringen. — In Bezug auf die Deutung des bindegewebigen Theils dieses Gewebes begegnet man einigen Schwierigkeiten, um dasselbe in einer der gewohn- ten Categorien des Bindegewebes unterzubringen. Dem „reticu- lären Gewebe“ xat' eZoynv, dem sog. adenoiden Gewebe, möchte ich es jedenfalls nicht ohne Weiteres an die Seite setzen. Der ganze Charakter desselben ist so grundaus verschieden, die Ver- fleehtung und Verknüpfung der Bindegewebsbalken, die Anord- nung der Kerne so andersartig, dass die Präparate, welche uns dieses Retieulum am besten veranschaulichen, durchaus andere Bilder liefern, als wir etwa bei einer ausgeschüttelten Lymph- drüse gewohnt ind!). — Weiterhin existirt dieses Netz werk normalerweise niemals für sieh allein (wie Marchand beschreibt und abbildet), sondern enthält stets die typischen Zellen der Drüse in seinen Maschen- räumen (Fig.4t.. Wenn Marchand sagt, dass grössere Zellhaufen an ihrer Peripherie bisweilen in ein Maschenwerk übergehen, in dem sich nur vereinzelt noch Zellen eingestreut finden, und hierzu eine entsprechende (wohl etwas schematisch gehaltene) Zeichnung giebt, so muss ich dies für einen Irrthum 1) Auch lässt sich dieses Reticulum nicht etwa durch Ausschütteln der zelligen Elemente, wie bei der Lymphdrüse, darstellen, was mir diesbezügliche vergebliche Versuche erwiesen haben. - 310 Alfred Schaper: halten, der wahrscheimlich dureh eine ungeeignete Conservirung des Präparates hervorgerufen wurde. Man sieht in der That an schleeht fixirten Präparaten auf den ersten Blick häufig weiter nichts als ein Maschenwerk, dessen Lücken zum grossen Theil durch Gefässlumina eingenommen sind (Fig. 5). Bei stärkerer Vergrösserung jedoch überzeugt man sich, dass die übrigen Lücken nicht etwa leer sind, sondern die stark geschrumpften und verzerrten Zellen, häufig an ihrer Wandung angedrückt, ent- halten (Fig. 4.t.). — An gut fixirten Präparaten hin- segen füllen die Zellen jene Maschenräume stets und vollständig aus. Doch will ich hier gleich erwähnen, dass man bei älteren menschlichen Individuen (50—60 Jahre) auch bei bester‘ Conservirung häufig ähnliche Schrumpfungs- bilder zu Gesicht bekommt. Ich werde darauf später noch zu- rückkommen. — Endlich umfasst eine Masche des bindegewebigen Retieulums nicht etwa nur eine Zelle, sondern meist einen Complex von mehreren derselben. Im letzteren Falle liegen die Zellen eines Maschenraums ohne Zwischensub- stanz nebeneinander. Ich hebe dies besonders hervor im Gegen- satz zu der Darstellung Marehand's, dass nämlich die Zellen stets durch Zwischensubstanz von einander getrennt seien. — Das gesammte Bindegewebsnetz stellt weiter nichts als ein Gerüst, einen Stützapparat für die in seinen Maschen eingebetteten Capil- laren und Zellen der „Zellballen“ dar. In der Umgebung der zuführenden kleinsten Arterien findet es sich bereits nicht mehr, sondern wird hier dureh fibrilläres Bindegewebe vertreten. Auf letzteres Verhalten macht auch Marchand bereits aufmerksam. Bei weitem den grössten Schwierigkeiten begegnen wir nun bei Beobachtung und Deutung der in jenes zarte Retieulum eingelagerten typischen Zellen selbst. — Beim Menschen bekommt man sie nur in den seltensten Fällen in naturgetreuer Form zu Gesicht. Daraus erklären sich meine ersten Misserfolge an menschlichen Carotisdrüsen, die erst mehrere Stunden nach dem Tode eonservirt werden konnten. Alle diese Präparate zeigten trotz sorgsamster Fixirung nach den verschiedensten Methoden (auch mit Müller’scher Flüssigkeit!) mehr oder weniger Verhältnisse, wie ich sie in Abbildung III und IV wiedergegeben habe, die ein Stück eines Längsschnittes einer mit Pierinessigsäure behandelten Carotisdrüse vom Menschen Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 311 darstellen. — Weitere Untersuehungen, die ich nunmehr an Säugern (Kalb, Schaf, Katze, Kaninchen ete.) anstellte, wo ich in der Lage war, die Drüse lebenswarm zu conserviren, lieferten mir bei geeigneter Fixirung so durchaus andere Resul- tate, dass ich Anfangs in Verlegenheit war, dieselben mit den vorigen, beim Menschen gewonnenen zu vereinigen. Erst wieder- holte Versuche und vor allem die erst vor Kurzem erlangte günstige Gelegenheit, auch eine menschliche Carotisdrüse lebens- warm zur Gonservirung zu erhalten, liessen mich diese Differenzen verstehen und zu der Ueberzeugung kommen, dass alle meine bisher dargestellten Präparate vom Menschen nicht der Natur entsprachen. — Abbildungen sowohl wie Erklärungen in den Arbeiten Marchand’s und Paltauf's lassen mich nun ver- muthen, dass die Präparate beider Autoren von ähnlichen Feh- lern behaftet waren. Nach allen meinen Beobachtungen halte ich mich zu dem Schlusse berechtigt, dass die typischen Zellen der Drüse einen Protoplasmaleib von ausserordentlicher Zartheit besitzen, der nieht nur wenige Stunden nach dem Tode bereits hochgradige Zerfallerscheinungen aufweist, sondern auch durch zu heftig wirkende Fixirungsmittel bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird. Ausserdem scheint mit zunehmendem Alter eine allmähliche spontane Degeneration der Zellen vor sich zu gehen, indem man bei älteren Individuen nie mehr so intacte protoplasmareiche Zellen antrifft. — Naturgetreu erhaltene Zellen be- kommt man nur dann zu sehen, wenn man die lebenswarmen Organe eines jüngeren Individuums entweder in Müller'scher Flüssigkeit oder in anderen Lösungen ehrom- saurer Salze, so z. B. in 3°/, Lösung von Kalium biehromieum oder Ammonium biehromieum fixirt hat. Ich stehe hier abermals in einem Widerspruch zu Paltauf, welcher meint, dass die durch Müller’sche Flüssigkeit erhaltenen Bilder Resultate von Quellungs- erscheinungen seien. Ich muss dem entgegenhalten, dass in meinen so behandelten Präparaten sich alle Gewebselemente, wie Bindegewebe, Blutgefässe, Nerven und Ganglienzellen einer so vorzüglichen Conservirung erfreuten, dass ich die „Drüsen- zellen“ nicht einzig und allein für das Opfer einer Quellung halten kann, abgesehen davon, dass sie auf mich durchaus nicht den Eindruck einer solchen gemacht haben. Die Abbildungen 5, 6, 312 Alfred Schaper: und 7 sind sämmtlich nach Präparaten angefertigt, die in Müller’scher Flüssigkeit fixirt wurden. Wir sehen hier, dass die protoplasmareiehen?) Zellen eine beträchtliche Grösse und meist eine rundliche oder polygonale Ge- stalt besitzen. Letztere Form herrscht besonders dann vor, wenn die Zellen zu grösseren Haufen: beisammen liegen und sich dureh gegenseitigen Druck einander abgeplattet haben. In dieser Anordnung zeigen die Zellen einen auffällig epithelialen Character; eine Eigenthümlickkeit, deren auch Marchand und Paltauf nachdrücklich Erwähnung thun. (Die Zellenformen sind am besten erhalten in Abbildung 5 und 6.) — Das Proto- plasma ist gleichmässig fein gekömt. Eine Zellmembran ist beim Menschen wie bei den meisten der von mir untersuchten Säuger mit Sicherheit nieht vorhanden. Der grosse rundliche Kern liegt meist in der Mitte der Zelle, zeigt (bei Fixation in Chromosmiumessigsäure) ein deutliches Kerngerüst nebst mehreren Kernkörperchen und besitzt eine ziemlich starke Membran. Letztere tritt besonders deutlich hervor in Abbildung 7, die der Gl. carotica vom Schaf entnommen wurde, wo der Kerm- inhalt ringsum von der Membran etwas zurückgetreten ist. — Da nun die Zellen selbst keine Membran besitzen, auch nicht etwa durch eme Kittsubstanz mit einander verbunden sind, son- dern sieh mit ihrem nackten Protoplasmaleib ein- ander berühren (ohne jedoch dadurch ihre Selbstständigkeit einzubüssen), so erklärt es sich, dass die Zellgrenzen im Allge- meimen nur wenig sichtbar sind, und dass man häufig Bilder antrifft, wo die Kerne in einer gemeinschaftlichen Protoplasma- masse (Fig.7 b.) zu liegen scheinen, worauf auch Paltauf bereits aufmerksam macht. — Wenn man Abbildung 7 mit 3 und 4 vergleicht, die einem meiner ersten schlechtfixirten menschlichen Präparate entnommen sind, so wird man auch ver- stehen, welehe Schwierigkeiten es mir Anfangs machte, diese beiden so grundverschiedenen Resultate mit emander in Einklang zu bringen. — Auch bei im Allgemeinen gut fixirten Präparaten sieht man hier und da Anfänge von Schrumpfungen des Proto- plasmas, die sich dadurch kundgeben, dass die Zellen nicht 1) Auch bei Neugeborenen (Fig. 5) und Kindern sind die Zellen bereits ebenso reich an Protoplasma! Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 313 mehr mit ihrem ganzen Umfang aneinandergelagert sind, sondern eine mehr oder weniger sternförmige Gestalt annehmen und nur mit ihren Ausläufern zusammenhängen (Fig. 6 2). Solche Verhältnisse traf auch Marcehand an. — In einem weiteren Stadium der Schrumpfung geht eine noch ausgedehntere Zerklüftung des Protoplasmas vor sich und giebt dann Bilder, die wohl den von Paltauf gesehenen „fein granulirten und fädigen Massen und Flocken“ entsprechen, die derselbe sehr treffend als ähnlich Gerinseln oder Präeipitaten einer eiweisshaltigen Flüssigkeit beschreibt (Fig. 4 g). Paltauf spricht sich jedoch nicht näher über Natur und Herkunft dieser Gebilde aus. — Noch weitere Schrumpfungen bilden dann all- mählich den Uebergang zu jenen mit zahlreichen Hohlräumen durehsetzten und dadurch nur noch als ein Maschenwerk er- schemenden Präparaten (Fig. 3), auf deren histologische Werth- losigkeit von den früheren Autoren niemals mit dem nöthigen Nachdruck hingewiesen wurde. Die ganze Art und Weise der Gerinnung oder Schrumpfung des Protoplasmas macht es mir wahrscheinlich, dass die ty- pischen Zellen der.GlLıearotieaneinenbeträcht- liche Menge von Zellsaft (Hyaloplasma) enthal- ten, nach dessen Elimination (in Folge der Fixirung und weiteren Behandlung des Präparates) das „Spongioplasma“ nur unter den günstigsten Bedingungen in der Weise fixirt wird, dass die lebenswahre Gestalt Ve Aeallerechalten”ble:i bit. Nicht ganz leieht ist es, die Frage zu entscheiden, wodurch die Zellgrenzen (wenn sie vorhanden) eigentlich gebildet werden, wenn man eine Zellmembran und eine Kittsubstanz aus- schliesst. Vielerorts sind es zweifellos zarteste Bindege- websfibrillen, welche zwischen die Zellen eindringen und so eine scharfe Abgrenzung derselben bedingen. Solche Bindege- websfasern geben sich dann auch häufig durch ihre charac- teristischen Kerne kund (Fig.6 b und Fig.7 k). Diese Fasern sind es, welche nach starker Schrumpfung der Zellen als ein Theil jenes zarten Reticulums hervortreten, wie wir es m Abbildung 3 sehen, und durch ihre schärfere Contourirung (Fig. 6 b) von (dem protoplasmatischen Maschenwerk (g) wohl zu unterscheiden sind. — Doch nieht alle Zellen sind 314 Alfred Schaper: dureh Bindegewebsfibrillen von einander ge trennt. Dies geht einerseits daraus hervor, dass die Lücken des bindegewebigen Retieulums fast immer grösser sind, als dass sie nur zur Aufnahme einer einzelnen Zelle bestimmt sein könnten, ferner aus dem Umstand, dass bisweilen (Fig. 7 b) ein grös- serer Complex von Kernen in einer gemeinschaftlichen Proto- plasmamasse zu liegen schemt, ohne dass auch nur eme Spur von einer Begrenzung der Zellen zu sehen wäre. Wenn auch noch so zarte Bindegewebsfibrillen zwischen allen Zellen ver- liefen, so hätten sich diese auch in solchen Fällen durch geeig- nete Reagentien, technische und optische Hilfsmittel zur An- schauung bringen lassen. — Die scharfe äussere Begrenzung der Zellen an der Peripherie der einzelnen Zelleomplexe rührt von dem eng sich anschliessenden umgebenden Bindegewebe her. — DochauchandereZellgrenzensiehtman, die sicher- lieh nieht bindegewebiger Natur sind. Sie zeichnen sich im Allgemeinen durch eine geringere Schärfe aus. Ihr Vorhandensein ist auf eme gegenseitige Compression der Zellen und eine dadurch bedmgte Verdichtung der peripheren Protoplasmamasse zurückzuführen. — Dass diese Con- touren nicht allerorts und nicht in allen Präparaten sichtbar sind, beruht möglicherweise darauf, dass die Zellen in einem gewissen Stadium protoplasmatischer Spannung und dadurch erhöhten gegenseitigen Druckes von der Fixation überrascht werden müssen, um die peripherische Compressionszone zum Ausdruck kommen zu lassen. ‘Einer besonderen Betrachtung bedarf bei dieser Gelegen- heit noch die Abbildung 8, die einem Schnitt durch die mit Sublimat fixirte Gl. carotica einer jungen Katze entnommen ist. — Hier fallen vor Allem die relativ scharfen, deutlichen Con- touren der Zellen ins Auge, die durchaus den Eindruck einer Membran machen. Ich habe mich hier denn auch nicht mit Sicherheit überzeugen können, ob eine solehe wirklich vorhanden oder ob sie nach Analogie der übrigen Präparate einerseits durch „wischenliegende Bindegewebsfibrillen, andererseits durch periphere Verdichtung des Protoplasmas der Zellen nur vorgetäuscht werde. Jedenfalls war auch die Fixirungsmethode (Sublimat) von bedeu- tendem Einfluss auf solche Gestaltung des Bildes, wenngleich ich bei entsprechender Behandlung der Carotisdrüse vom Menschen PETE W Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 315 und anderer Säuger nie so scharfe Zelleontouren beobachten konnte. Leider habe ich versäumt, die Gl. carotica der Katze auch nach Fixation in Müller’scher Flüssigkeit zu untersuchen. — Die Zellen haben in Folge dieses Verhaltens einen blasigen Character. Vom Protoplasma ist bei mässiger Vergrösserung nichts wahrzunehmen. Erst bei Anwen- dung stärkerer Systeme mit homogener Immersion sieht man dasselbe als ein äusserst zartes, fein granulirtes Netz- mwerkäidie Zelle erfüllen! (iie778u 2).% Der) Kem- pflegt dabei von einer grösseren Protoplasmamasse umgeben zu sein, von welcher Ausläufer nach der Peripherie der Zellen hinziehen, um hier, meist wieder mit emander verschmelzend, eine schmale protoplasmatische Zone zu bilden. Diese Anordnung des Proto- plasmas erinnert sehr lebhaft an das Verhalten desselben in vielen Pflanzenzellen. Selbstverständlich darf man dabei nicht vergessen, dass dieses protoplasmatische Netzwerk bei Pflan- zen einem physiologischen Zustand entspricht, während es bei unseren Zellen als die Folge der (jedenfalls ungeeigneten) Fixa- tion anzusehen ist. In Anbetracht dessen, dass die Glandula earotica weder ein Ganglion, noch eine ausgesprochene Drüse darstellt, schlägt Mar- ehand vor, die Benennung derselben in „Nodulus carotieus“ abzuändern. Ich meine, es wäre besser, den Namen „Glandula“ vorläufig noch beizubehalten !), solange wir genöthigt sind, unser Organ in physiologischer Beziehung in die dunkle Categorie der Blutgefäss- oder Nervendrüsen eimzureihen. Nach meinen Aus- führungen auf Seite 295 und 294 und an der Hand meiner histo- logischen Befunde halte ich es für wahrscheinlich, dass die Gl. carotica nicht als ein rudimentäres Organ aufzufassen ist, sondern dass derselben in Gemeinschaft mit der Gl. eoceygea und anderen grösseren oder kleineren Complexen ähnlicher Zellen (Perithelien und Plasmazellen der Autoren)?) eme bestimmte physiolo- gische Function zukommt, deren Speecifieität zu ergründen, weiteren Forschungen vorbehalten bleibt. Erst dann würde es 1) Zumal auch andere Organe deren epitheliale Abkunft und drüsiger Charater durchaus noch nicht erwiesen ist (z. B. die Neben- nieren) ebenfalls als „Drüsen“ bezeichnet werden. 2) Hierher gehören vielleicht auch die sogen. Milchflecke im Bauchfell junger Kaninchen. 316 Alfred Schaper: an der Zeit sein, eine eventuelle, der Bedeutung des Organs ent- sprechende Abänderung des Namens vorzunehmen. Resume. I. Die Glandula carotica findet sich mit Wahrscheimlich- keit bei allen Säugern. — Bei den Vögeln fehlt bereits ein homologes Organ, wenigstens in der Umgebung der Carotis- bifureation. — Die sog. Carotidendrüse der Batrachier und Salamandrinen ist nieht homolog mit der Gl. carotica der Säuger. — Bei den Fischen ist eine Carotisdrüse bisher nicht beobachtet, doch scheint es, dass die bei Chimära monstrosa, bei Rochen und Haien gefundenen und von Leydig beschrie- benen sog. Axillarherzen der Gl. earotica gleiehwerthig sind. II. Die Arterien der Glandula carotica bilden keine Wundernetze, sondern lösen sich in den „Zellballen“ zu einem dichten knäuelartigen Geflecht relativ weiter und vielfach mit einander anastomosirender Capillaren auf. Ill. Beim Menschen tritt im höheren Alter eme Vermeh- rung des Bindegewebes und der Blutgefässe im Inneren der Gl. carotica ein. Dadurch treten die ‘„drüsigen Bestandtheile“ an Masse zurück. IV. Die Carotisdrüse besitzt zahlreiche markhaltige und sympathische Nerven, die bis in das Innere der „Zell- ballen“ zu verfolgen sind. — Ganglienzellen sind jedoch sehr spärlich. Diejenigen, welche ich antraf, waren multi- polar. V. Die Capillaren treten zu den epitheloiden Zellen der „Drüse“ m engste Beziehung, indem sie von diesen un- mittelbar und meist allseitig, in häufig typischer Gruppirung umlagert werden. Nie jedoch entbehren die Capil- laren ihres Endothels! Nie eursirt das Blut frei zwischen den Zellen! VI. Die „typischen Zellen“ liegen in einem weit- läufigen bindegewebigen Retieulum, welches stets grössere Gruppen derselben in seinen Maschen aufnimmt und nur hier und da zarte Fibrillen zwischen eimzelne Zellen eintreten lässt. VO. Im normalen Zustande füllen die Zellen die Maschenräume jenes bindegewebigen Reticu- lums vollständig aus. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. ol7 VI. Die protoplasmareichen Zellen haben eine beträchtliche Grösse und eme rundliche oder po- lyedrische Gestalt. Letztere Form herrscht besonders dann vor, wenn die Zellen zu grösseren Haufen beisammen liegen und sich durch gegenseitigen Druck eimander abgeplattet haben. In diesem Falle haben sie em,auffällig epitheliales Aussehen. — Der Kern ist relativ gross und meist rund. IX. Eine Zellmembran ist beim Menschen und bei den meisten der von mir untersuchten Säuger nicht vorhanden. X. Die Zellen liegen dort, wo sie nicht durch Bindege- websfasern von einander getrennt sind, mit ihrem nackten Proto- plasmaleib unmittelbar nebeneinander. Die Zellgrenzen sind daher nur unter den günstigsten Bedingungen sichtbar. XI. Das Protoplasma der Zellen ist ausserordentlich zart und reich an Hyaloplasma. Daher erklärt sich die Schwierigkeit, dieselben lebenswahr zu conserviren. XI. Im höheren Alter tritt ein spontaner Zerfall der Zellen ein. . Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI und XV. Mori, Sohema der Gefässverthkeilung ın der Glan; dulaecarotieca des Menschen. Man sieht von unten her die (meist aus der Carotisbifurca- tion entspringende) Hauptarterie in den Hilus der Drüse ein- treten. Hier angelangt giebt sie Zweige ab zu je einem „Se- eundärknötchen“. Diese Zweige verästeln sich weiter zu je- nen die Seeundärknötchen zusammensetzenden „Zellballen“, um sich in letzteren in ein dichtes Netz vielfach miteinander anastomosirender Capillaren aufzulösen. Aus diesem gehen eine oder mehrere Venen hervor, welche in ein die Zellballen umgebendes venöses Geflecht (v’) eintreten; letzteres steht weiter mit einem grösseren, im Hilus der Drüse und zwischen den Secundärknötchen befindlichen Venengeflecht (v) in Ver- bindung, aus welchem dann endlich durch mehrere an ver- schiedenen Stellen der Drüse austretende Sammelgefässe das Blut in die zahlreichen weiten Venen (V) des intercarotischen Bindegewebes gelangt, um durch diese dem Blutstrom der Vena jugularis oder einer ihrer Aeste zugeführt zu werden. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 21 Fig. Alfred Schaper: Halbschematische Darstellung des Capillar- netzes ineinem Zellballen der Glandula ca- rotica eines Menschen von45 Jahren. — (Injec- tionspräparat — Alkoholfixation — Färbung mit Borax-Carmin). — Vergr. 240/1. Das Bild ist aus mehreren Schnitten durch einen Zellballen eombinirt. Das umgebende Bindegewebe ist, da es sich um eine ältere Person handelt, stark entwickelt, und hat sich in Folge der Fixation allseitig von dem Zellballen etwas retra- hirt. — In Folge zu starken Injectionsdrucks sind die Capillaren (ec) abnorm erweitert und die dazwischen gelegenen Zellgruppen (b) comprimirt. — a ist die zuführende Arterie, — b eine in Begleitung derselben eintretende Nervenfaser. — v’” stellt zwei abführende Venen dar, und v’ Durchschnitte durch das venöse Geflecht, welches den Zellballen umgiebt:. — Die Capillaren besitzen überall ihre typische Endothelwand (e), an welcher die „Drüsenzellen“ (b) unmittelbar angelagert er- scheinen. Schnitt durch ein Seeundärknötchen der Glandula carotieca eines Menschen von 50 Jah- ren. — (Fixirt mit Pierinessigsäure — gefärbt mit Hämatoxy- lin nach Heidenhain). — Vergr. 150/1. Diese Abbildung nebst der folgenden stellt uns das eigen- artige Maschenwerk dar, welches man bei Präparaten von älteren Personen oder bei ungeeigneter Fixation zu Gesicht bekommt. Schon diese schwache Vergrösserung lässt erkennen, dass ein grosser Theil der Hohlräume durch Gefässlumina gebildet wird. In den übrigen Lücken jedoch erblicken wir die Andeutung eines noch engeren zarten Netzwerks und zahlreiche dunkelgefärbte Kerne. Ein Theil des yorıgen Präparates bei starken Vergrösserung (520/1 homog. Immers.). Die Abbildung stellt einen einzelnen Zellballen dar. Wir sehen hier das zarte, in Fig. 3 nur undeutlich zu erkennende Netz theils aus feinsten Bindegewebfasern (b), zum grösseren Theil jedoch aus einem protoplasmatischen Fadenwerk (g) bestehen, in welchem sich zahlreiche dunkelgefärbte, runde, meist noch von einem grösseren Protoplasmahofe umgebene Kerne (t) eingestreut finden. Das um die Kerne gelegene Protoplasma steht in directem Zusammenhang mit dem proto- plasmatischen Fadenwerk. Es sind die Kerne der typischen Zellen der Drüse, deren Protoplasma durch ungeeignete Fixa- tion eine solche Verzerrung und Zerklüftung erfahren hat, dass von der wahren Form der Zellen (ef. Fig. 5 und 6) nichts mehr zu erkennen ist. Die helleren mehr ovalen Kerne (d) gehören dem Bindegewebe zu. — a ist eine kleinste Ar- terie, — € sind Capillaren, von denen sich e’ durch bedeutende Fig. 5. Fig. 7. Fig. 8. Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. 319 Weite auszeichnet und bereits einen Uebergang in eine Vene darstellt. Schnitt durch die Glandula carotica eines Neugeborenen. (Fixirt in Müller’scher Flüssigkeit — ge- färbt mit Borax-Carmin.) — Vergr. 520/1 homog. Immers. Die relativ grossen, protoplasmareichen Zellen (b) liegen noch in mehr oder weniger unregelmässigen Haufen besammen. Die Zellgrenzen sind meist deutlich. — Nur sehr spärlich sieht man zarteste Bindegewebsfibrillen zwischen einzelne Zellen selbst eindringen. — Die Capillaren (ce) sind im Verhältniss zu den Zellen sehr zahlreich. — a ist eine kleine Arterie. — Das zwischen den Zellballen verlaufende Bindegewebe (d) ist sehr kernreich. Schnitt durch einen’ Theil eines Zellballens der Glandula carotica eines Menschen von 23 Jahren. — (Lebenswarm fixirt in Müller’scher Flüssigkeit — gefärbt mit Hämatoxylin). — Vergr. 520/1 hom. Immers. Die protoplasmareichen Zellen mit grossem runden Kern sind zumeist in länglichen Zügen angeordnet, bei k jedoch sehen wir dieselbe in einfacher Schicht zu einem nicht völlig geschlossenen Kreise zusammengefügt. Derselbe entspricht, wie sich aus benachbarten Schnitten schliessen liess, dem Durch- sehnitt einer Hohlkngel. An der offenen Stelle des Kreises tritt eine Capillarschlinge (c/) in denselben ein. Die Zellgrenzen sind fast überall deutlich. An einzelnen Stellen sind Schrum- pfungen des Protoplasmas eingetreten und hängen hier die Zellen nur durch schmale protoplasmatische Brücken (z) zu- sammen. c Capillaren. — e Markhaltige Nerven. — g Das den Zellballen umgebende Bindegewebe. Schnitt durch einen Zellballen derGlandula carotica vom Schaf. — (Fixirt in Müller’scher Flüssig- keit — Doppelfärbung mit Hämatoxylin und Eosin). — Vergr. 520/1 homog. Immers. a Kleinste Arterien. — b Die scheinbar gemeinschaftliche Protoplasmamasse, in welche die grossen rundlichen Kerne (d) eingeschlossen sind. Der Kerninhalt ist etwas geschrumpft und lässt die Kernmembran deutlich hervortreten. — Nur an einzelnen Stellen (e) sieht man scharfe Zellgrenzen. — ce Ca- pillaren. — d Kerne der typischen „Drüsenzellen“. — f Ver- sprengte Zellhaufen. — g Das den Zellballen umhüllende Bin- degewebe. — h Durch Sehrumpfung entstandene Lücken im Protoplasma. Stück eines Schnittes durch die Glandula ca- rotiea einerjungenKatze. — (Fixirt in Sublimat. — gefärbt in Borax-Carmin). — Vergr. 520/1 homog. Immers. Man sieht nicht einen einzelnen Zellballen, sondern Seg- mente mehrerer derselben, die durch Bindegewebszüge (g) 320 Alfred Schaper: Beiträge zur Histologie der Glandula carotica. von einander getrennt sind. Hier und da sieht man auch zartere Bindegewebsbündel (namentlich an den Kernen kennt- lich) in die Zellballen selbst eindringen. — In der Mitte liegt eine multipolare Ganglienzelle (f), — e ist ein markhaltiger Nerv, — d sind Capillaren von weiterem und engerem Caliber. Erstere stellen bereits Uebergänge zu kleinsten Venen dar, letztere sieht man zwischen den typischen Zellen (a) der Drüse verlaufen. Diese sind theils in Reihen, theils in unregelmässigen Haufen angeordnet, und haben im ersten Falle eine mehr oder weniger cubische, im zweiten Falle eine rundliche oder poly- zgonale Gestalt. Die Zellen sind durch scharfe Conturen (b) von einander abgegrenzt und zeigen in ihrem Inneren einen grossen runden Kern. — Das fein granulirte sehr helle Proto- plasma bildet ein zartes Netzwerk. Ist Keratin, speciell das Mark von Hystrix, ein Glutinbildner ? Von Oscar Liebreich. Die nachstehende Untersuchung ist in Folge einer an mich gerichteten Anfrage seitens Hermm Prof. Waldeyer entstanden, ob mir bekannt wäre, dass aus Keratin beim Kochen Leim ent- stehen könne. — Die Beantwortung dieser Frage ist insofern von Bedeutung, als von Herrn v. Nathusius-Königsborn ange- nommen wurde, dass die Marksubstanz der Thierhaare, Stacheln ete. zur Papille gehörig sei und nicht der Epidermis zugehöre. In ersterem Falle müsste das Mark beim Behandeln mit kochendem Wasser Leim liefern, der als Zeuge für die bindegewebige Natur dann angerufen werden könnte, wenn andrerseits von Neuem con- statirt würde, dass das Keratin kein Leimbildner sei. Es ist um so wichtiger diese Frage zu prüfen, als Herr von Nathusius die Aussage eines guten Gewährsmannes, nämlich die des Dr. Stohmann, Dirigenten der Versuchsstation des land- wirthschaftliehen Central-Vereines der Provinz Sachsen, für seine Anschauung in Anspruch nimmt. Es wurde genanntem Forscher Ist Keratin, speciell das Mark von Hystrix, ein Glutinbildner? 321 durch Herrn von Nathusius die Marksubstanz von Hystrix zur Untersuchung übergeben; „er hat gefunden, dass nach 30stündigem Kochen mit Wasser in offenen Gefässen der grössere Theil der Marksubstanz gelöst wurde. Die 30stündige Kochung wurde in einem Glaskolben vorgenommen, auf welchen mittelst eines durch- bohrten Korkes ein sechs Fuss langes Glasrohr gesetzt wurde, in letzterem verdiehtete sich alles Wasser und floss in das Kölb- chen zurück. Bei den dünnen Querschnitten ist die Einwirkung bis zum vollständigen Zerfall der Masse gegangen, bei den grös- seren Stücken sind wenigstens die radialen Ausläufer der Haupt- schicht fast ganz blos gelegt. Die wässerige Lösung hinterliess beim Verdampfen einen gelatinirenden Rückstand, der ganz die Beschaffenheit des Leimes zeigte.“ Herr v. Nathusius fährt in seinem Berichte fort: „Dr. Stohmann glaubt, dass der Versuch eine sichere Be- stätigung dessen, dass die Marksubstanz bei Hystrix leimgebend sei, geliefert habe und auch mieh haben die mir mitgetheilten Präparate hiervon überzeugt“ !). In Kürze wiederholt: Mark von Hystrix-Stacheln wurde am aufreehtstehenden Kühler mit Wasser gekocht. Ein Theil sing in Lösung, welche beim Eindampfen gelatinirte und klebrig wurde. Dr. Stohmann glaubt, dass diese Masse Leim sei, Herr von Nathusius will sich überzeugt haben, dass es sich um Leim handle. Es werden jedoch von beiden Autoren keine Reaetionen angegeben, welche den Glutin-Cha- rakter des Rückstandes beweisen. Um diese Behauptungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, erschien es geboten, die Einwirkung des Wassers zunächst auf markloses Keratin zu untersuchen und festzustellen, welche Reac- tionen die so erhaltenen Producte zeigen. — Entfettete Spähne von Kuhhorn wurden in Autoclaven auf 120° mehrere Stunden erhitzt. Die dabei sich bildenden Produete sind zum Theil be- schrieben und liefern den Beweis, dass es sich um mehr oder weniger eingreifende Prozesse handelt, die zu einer Abscheidung von niedrigen Schwefelverbindungen führen. Die durch Kochen von Schwefelwasserstoff befreiten Lösungen, welche als Keratin- lösungen im Folgenden bezeichnet werden sollen, wurden auf ihr 1) Das Wollhaar des Schaafes von von Nathusiws-Königs- born, Berlin 1866. 322 Oscar Liebreich: Verhalten zu verschiedenartigen Reagentien geprüft und zwar besonders in Rücksicht auf solche, welche für das Glutin und das ihm nahestehende Chondrin Bedeutung haben. Folgende Reagentien erzeugen Niederschläge: In Keratinlösungen: 1) Kupfersulfat. 2) Sublimat. 5) Gerbsäure. 4) Essigsäure. 5) Essigsäure und Ferroeyankalium (Niederschlag nicht löslich im Ueberschuss von Ferrocyankalium). 6) Essigsäure und Kochsalz., 7) Eisenchlorid. 8) Bleiessig. 9) Sublimat und Essigsäure. 10) Sublimat und Essigsäure und Kochsalz. Es sei bemerkt, dass keine Substanz gefunden wurde, welche in Glutin- und Chondrin-Lösung einen Niederschlag giebt und die nieht auch in Keratinlösungen einen solchen erzeugt. Von diesen Substanzen erzeugen Niederschläge : In Glutin-Lösungen: 1) Tannin. 2) Essigsäure und Chlornatrium. 3) Essigsäure und Ferroeyankalium (Niederschlag im Ueber- schuss von Ferrocyankalium löslich). In Chondrinlösungen: 1) Kupfersulfat 2) Tannin. 3) Essigsäure. 4) Eisenchlorid. 5) Bleiessig. Die Tabelle hätte noch stark erweitert werden können, für (den vorliegenden Zweck ist dieselbe mehr als ausreichend. Die Reactionsversuche wurden lediglich zu dem Zweck unternommen, um eine sichere analytische Trennung von Glutin, Chondrin und Keratinlösungen ausführen zu können, was auch vollständig gelang. Folgende Tabelle diene zur Uebersicht der für die Tren- nung erforderlichen Reactionen. Ist Keratin, speciell das Mark von Hvstrix, ein Glutinbildner ? 323 > N , * bedeutet Niederschlag; o keinen Niederschlae. ir >) o© ı Glutin | Chondrin | Keratin | Essigsäure 0 F 2 Essigsäure und Kochsalz a ) An 3 | Sublimat o | (0) “7 4 ' Sublimat und Essigsäure | 0 m Ar 5 | Sublimat u. Essigsäure u. Kochsalz | + 0 a Es ist zu bemerken: Der Niederschlag von Glutin, mit Essigsäure in Kochsalz- lösungen erzeugt, ist im Ueberschuss von Kochsalzlösung unlöslich. Der Niederschlag von Chondrin, durch Essigsäure erzeugt, ist in Kochsalzlösung löslich. Der Trennungsmethode von Keratin, Chondrin- und Glutin- lösungen liegt folgende Combmation der einzelnen angeführten Reactionen zu Grunde. 1) Die erhaltene Lösung enthält nur Keratin. Es wird mit Sublimat ausgefällt und filtrirt. (Man überzeuge sich jedesmal durch Zusatz von Sublimatlösung zum Filtrat, ob auch vollständige Ausfällung vorhanden sei.) Im Filtrat giebt Zusatz von Essigsäure keine Fällung, weil kein Chondrin zuge- gen ist. Diese essigsaure Lösung im eine gesättigte Chlornatrium- lösung geträufelt giebt ebenfalls keinen Niederschlag, weil kein Glutin vorhanden war. 2) Die erhaltene Lösung enthält Keratin und Chondrin. Es wird wiederum mit Sublimat ausgefällt. In dem Filtrat erzeugt Essigsäure einen Niederschlag, dieser zeigt die Gegen- wart von Chondrin an. Man filtrivt und träufelt die klare Lösung in gesättigte Kochsalzlösung. Es entsteht kein Niederschlag, weil kein Glutin vorhanden ist. Der durch Essigsäure entstandene Niederschlag löst sich auf Zusatz von gesättigter Kochsalzlösung klar auf. 3) Die erhaltene Lösung enthält Keratin und Glutin. Der durch Sublimat erzeugte Niederschlag wird abfiltrirt, das Filtrat mit Essigsäure versetzt bleibt klar, weil kein Chondrin vorhanden ist. Die Lösung in gesättigte Kochsalzlösung ge- träufelt giebt einen Niederschlag von Glutin herrührend. 4) Die erhaltene Lösung enthält Keratin, Glutin und Chondrin. Der durch Sublimat erzeugte Niederschlag wird abfiltrirtt. Zusatz von Essigsäure zum Filtrat erzeugt den Nieder- schlag von Chondrin. Wird derselbe abfiltrirt und das Filtrat 324 Oscar Liebreich: Ist Keratin, speciell das Mark ete. in gesättigte Kochsalzlösung geträufelt, so entsteht der Nieder- schlag von Glutin. Man braucht den durch Essigsäure entstan- denen Ghondrin-Niederschlag nieht abzufiltriren, sondern kann die trübe Lösung in gesättigte Kochsalzlösung direct einträufeln, da der Chondrin-Niederschlag sich auflöst und der Glu- tin-Niederschlag sich bildet. — Die Brauchbarkeit desanalyti- schen Ganges wurde an Mischungen der drei Substanzen geprüft und die Richtigkeit desselben bestätigt gefunden. Mit Hülfe dieser Methode wurden zunächst die Keratinlösungen untersucht, welche aus entfetteten Hormspähnen durch Behandeln mit Wasser bei 120° erhalten waren, dieselben ergaben weder das Vorhandensein von Glutin noch von Chondrin. Ferner wurde das Federmark von Gänsefedern derselben Procedur unterworfen. Auch hier war Glutin undChondrin nicht nachzuweisen. In beiden Fällen hätte, wenn auch die Einwirkung von Wasser von 120° auf die Hornmassen eine sehr starke war, die Gegenwart von Glutin und Chondrin sich nachweisen lassen müssen. Um die Angaben des Herrn von Nathusius zu prüfen, wurde das von ihm angewandte Material, nämlich das Mark der Stacheln von Hystrix dem Stohmann schen Verfahren unterworfen,. d.h. 30 Stunden hindurch am aufrecht stehenden Kühler gekocht. Die Lösung verhielt sich beim Eindampfen wie es die genannten Autoren beobachtet haben. Die concentrirte Lösung gelatinirte beim Erkalten. Die chemische Trennungs-Methode zeigte, dass die Hauptmasseausder Flüssigkeit durchSublimat ausfiel, also von der Zersetzung des Keratins herstammte. Die Chondrinprobefielnegativaus. Bei der Glutinprobe zeigte sich eme ganz minime Trübung!). Man ersieht also, dass das Mark von Hystrix-Stacheln eine Glutinbildung dureh das Gelatiniren der erhaltenen Lösungen vortäuscht, dass dasselbe in Wirklichkeit sich nieht in Glutin umsetzt, sondern keratiner Naturist, also der Epidermis zugehört ?). 1) Auch das Federmark, nach derselben Weise behandelt, zeigte weder Chondrin noch Glutin. Die Federseele dagegen, bei höherer Tem- peratur (120° unter Druck behandelt, ergab die Gegenwart von Glutin. 2) Uebrigens enthielt der durch Behandeln von Hystrix ge- wonnene Körper keinen Schwefel, dagegen Stickstoff und will ich die- sen Körper vorläufig als Keratosolvin bezeichnen Ueber die schlauchförmigen Drüsen desMagen- darmkanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel der Schleimhaut. Zweite Mittheilung. Von G. Bizzozero, Professor in Turin. (Auszug aus den „Atti della R. Accademia delle scienze di Torino,“ Vol. XXVII. Sitzung vom 22. November 1891 und Sitzung vom 17. Januar 1892,) Hierzu Tafel XVIII und XIX. Rectumdrüsen der Maus (mus museulus). Die Schleimhaut bildet, zusammen mit ihrer Muskelschicht und dem Unterschleimhautgewebe, 5 oder 6 Längsfalten, welche das Lumen des Darms fast verschliessen. In der Schleimhaut befinden sich, palissadenförmig angeordnet und durch spärliches 3indegewebe von einander getrennt, die schlauchförmigen Drüsen. Hier und dort ist ihre Schicht von Lymphfollikeln unterbrochen, welche bis unter das Epithel der freien Schleimhautfläche gelan- gen. Die Drüsen durchziehen die ganze Dicke der Schleimhaut und sind verhältnissmässig kurz, geradlinig. Sie endigen unten in einen leicht keulenartig angeschwollenen Blindsack (Taf. XVIIL, Fig. 1). Ihr Lumen ist verhältnissmässig eng, es erweitert sich leicht sowohl im Blindsack als auch an der Mündung der Drüse auf die Schleimhautoberfläche. Auch bei diesen Drüsen besteht das sie auskleidende Epi- thel aus zwei Zellenarten: aus Protoplasma- und Schleimzellen }). Die Protoplasmazellen sind ohne Vergleich im viel zahl- 1) Zur Härtung benutzte ich sowohl Alkohol als Pikrinsäure. Letztere erhält besser die Umrisse der Elemente. Zur Färbung mit Safranin dienen beide; doch verleiht der Alkohol lebhatftere Farben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 59) 326 G. Bizzozero: reicherer Menge vorhanden und haben, je nach dem Punkte wo man sie beobachtet, verschiedene Form und Constitution. Im Blindsack (Fig. 1) haben sie die Gestalt von Pyramiden mit abgestumpfter Spitze, deren Basis auf der Membrana propria aufsitzt. Ihr Kern ist rund oder leicht oval und liegt m dem der Basis zugewendeten Theil der Zelle. Gleich oberhalb des Blindsacks ändern die Zellen allmäh- lich ihre Form. Sie nehmen eme Krümmung an, derart, dass ihre Convexität gegen die Oberfläche der Schleimhaut gerichtet ist, und gleichzeitig ordnen sie sich so an, dass sie etwas schief zur Axe des Drüsenschlauches stehen, wobei ihr freies Ende auf einem etwas höheren Niveau liegt, als das auf der Membrana propria aufsitzende Ende. Ausserdem ist dieses letztere Ende nicht abgestumpft, sondern hat die Gestalt einer abgeplatteten Zunge, die sich krümmt und gebogen unter der Basis der un- mittelbar darunterliegenden Zelle endigt. Der Kern bewahrt seine runde oder ovale Gestalt und verbleibt in dem basalen Ende des Elements. Diese Aenderung der Zellen in Form und Anordnung tritt um so deutlicher hervor, je mehr wir uns der Drüsenmündung nähern. Ueber die Mündung hinaus bilden die Zellen das Epi- thel der freien Darmoberfläche; und hier sind sie in verhältniss- mässig beschränkter Zahl, denn da die Drüsen eng aneinander gerückt sind, stellt die Schleimhaut nur die feineren Bälkchen eines Netzwerks dar, in welchem jede Masche von einer Drüsen- mündung eingenommen, oder besser gesagt, gebildet wird. — Auf der Schleimhaut sind ‘die Epithelzellen natürlich pyramiden- förmig und haben im Gegensatz zu dem, was man in den Blind- säcken der Drüsen beobachtet, die Basis am freien Ende. Ausser diesen Formveränderungen bieten uns die Protoplas- mazellen das Protoplasma und ihre freie Oberfläche betreffende Modifieationen dar, ganz ähnlich jenen, die wir schon beim Ka- ninchen gesehen haben. Denn im den beiden tieferen Dritteln des Drüsenschlauches ist das Epithelprotoplasma ziemlich hell und stellt sich, bei starker Vergrösserung untersucht, als aus einer homogenen Substanz gebildet dar, in welcher ein Netzwerk von sehr feinen Bälkchen und mit sehr breiten Maschen sich ausbreitet. Im oberflächlichen Drittel der Drüse dagegen wird das Protoplasma immer körniger (Fig. 1), und dieses Aussehen Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 327 wird dadurch bedingt, dass das Netzwerk immer diehter und in- folgedessen die dazwischen liegende homogene Substanz immer spärlicher wird. Das gewahrt man ganz deutlich, wenn man bei sehr starker Vergrösserung mit wässerigem Safranin gefärbte und in Zuekerlösungen aufbewahrte Präparate untersucht. Auf diese Weise nimmt das Protoplasma der Zellen allmählich das wohlbekannte Aussehen jenes der die Darmschleimhaut ausklei- denden Zellen an. — Was das freie Ende der Zellen anbetrifft, so zeigt sich dieses in den beiden tieferen Dritteln der Drüse (bei den von der Seite betrachteten Zellen) durch eine sehr feine Linie begrenzt; im oberen Drittel dagegen fängt ein gestrichelter Saum an zu erscheinen, der allmählich an Dieke zunimmt, bis er schliesslich so diek wird wie der gestrichelte Saum des Epi- thels der freien Darmoberfläche, mit welchem er sich direkt fortsetzt. Die Schleimzellen bieten ebenfalls, je nach ihrer Lage, bemerkenswerthe Veränderungen in Form und Struetur dar. Diese Unterschiede studirt man am besten an Sectionen, die nach Härtung in Pikrinsäure und Färbung z. B. mit Vesuvin in Damar- harz eingeschlossen worden; denn in den nach Färbung mit Pi- erocarmin oder Safranin in Glycerin eingeschlossenen Schnitten ist der Schleim der Zellen stark aufgequollen und infolgedessen hat auch der Durchmesser der Elemente sehr zugenommen. Nun wohl, in diesen Präparaten sieht man, dass im Blind- sack der Drüsen (Fig. 1b) die Zellen meistens eine Form haben, die von jener der umstehenden Protoplasmazellen wenig abweicht; sie sind nur etwas breiter an der Stelle, wo sich der Schleim befindet, und der Kern ist nach der Basis gerückt und quer ge- stellt. Je weiter man in der Drüse nach oben geht, desto mehr nimmt das Schleimtröpfehen an Grösse zu), und die Zelle nimmt so eine birnenförmige Gestalt an; der diekere Theil entspricht der freien Oberfläche, der verjüngte Theil da- gegen enthält den Kern und endigt, schnabelförmig auslaufend, gegen die Drüsenmembran. In Fig. 1 sieht man, wie (diese Zellen quer zur Längsaxe der Drüse gestellt und gekrümmt sind, gleich den sie umgebenden Protoplasmazellen ihre Convexität 1) Der Querdurchmesser des Schleimtröpfchens in den Zellen des Blindsacks misst 7—8 u, in den der oberen Drüsenhälfte 15 u. 328 G. Bizzozero: gegen die Drüsenmündung richtend; ausserdem sieht man hier auch, wie sie allmählich ihre Form ändern, bis sie zu Becher- formen des Schleimhautepithels werden. Nicht weniger bedeutende Modifieationen finden wir im der Struetur und in den Reactionen des Schleimklümpehens, das sie enthalten. In den Zellen des Blindsacks wird dieses (in mit Pi- erinsäure gehärteten, mit Vesuvin gefärbten und in Damarharz eingeschlossenen Präparaten) durch eine homogene Substanz dar- gestellt, die von einem Netzwerk mit feinen Bälkchen durchzogen ist; jene färbt sich nicht, dieses färbt sich sehr wenig mit Ve- suvin, sodass man die Zelle kaum von den Protoplasmazellen un- terscheiden kann. Weiter nach oben wird das Netzwerk gröber und färbt sich besser; so werden die Zellen auch bei schwacher Vergrösserung durch ihre braune Farbe erkennbar. Im obersten Theil der Drüse endlich und im Epithel der freien Schleimhaut- oberfläche erscheinen die Schleimklümpehen unter der Form von Häufchen braungelber Körnchen. Was nun die chemische Zusammensetzung der Schleimsub- stanz anbelangt, bemerke ich, dass man auch hier, wie beim Kaninchen, eine graduirte Modification in der Art und Weise wie sie gegen Safranin reagirt, gewahrt, eine Modification, deren beide Endpunkte durch die Zellen der Drüsenblindsäcke einerseits und durch die Zellen der Schleimhautoberfläche andererseits dar- gestellt werden. In der That färben sich diese, mit Safranın, schneller und stärker gelb als jene, und entfärben sich, wenn in die Zuckerlösung gebracht, weniger leicht. Doch entfärben auch sie sich- wenn die Zuckerlösung nicht sehr concentrirt ist. Die in Mitosis begriffenen Zellen (Fig. 1) sind im den hier in Rede stehenden Drüsen sehr zahlreich. Eine jede dieser letzte- ren enthält deren 5—8 und selbst mehr, und alle befinden sich in den tieferen 3 Fünften der Drüse, sodass der der Mündung näher gelegene Theil derselben ohne solche ist, wie denn auch das Epithel der freien Darmoberfläche keine solche enthält. Bringt man nun diese Anordnung der Mitosen in Anschlag und andererseits auch die obenbeschriebenen stufenweise erfolgenden anatomischen und chemischen Modificationen, welche die beiden Drüsenzellenformen, vom Blindsack der Drüsen nach der Schleim- hautoberfläche gehend, darbieten, so muss man schliessen, dass auch in den Drüsen von mus musc. alle jene Bedingungen vor- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 329 handen sind, welche uns beim Kaninchen eine allmähliche Umwand- lung des Drüsenepithels in Schleimhautepithel annehmen liessen. Bei Mus würden wir den Unterschied haben, dass hier die Mitosen im Drüsenhals fehlen. Das lässt sich leicht erklären. Beim Kaninchen ist das Drüsenepithel sehr reich an schleim- bereitenden Zellen, sodass es, auch wenn man eine Zerstörung und Ausstossung von Schleimzellen in Reehnung zieht, einer schnellen Erzeugung von Protoplasmazellen der Drüsenmündung entsprechend bedarf, um jenes grosse Uebergewicht der Proto- plasmazellen über die Schleimzellen zu erlangen, das man an der freien Oberfläche des Darms beobachtet. — Bei Mus dagegen bedarf es dieses secundären Zellenerzeugungsherdes nieht, denn da die Schleimzellen auch in der Drüse spärlich sind, verändert sich das numerische Verhältniss zwischen den beiden Zellenarten beim Uebergang vom Drüsenepithel zum Epithel der freien Darm- oberfläche nicht in erheblichem Grade. Reetumdrüsen des Hundes. Ich brauche hier keine Beschreibung dieser Drüsen zu ge- ben, da ihre Form und Structur schon von Klose!) eingehend behandelt worden ist und eine Zeichnung derselben schon von Heidenhain gegeben wurde ?). Es sind, wie gewöhnlich, schlauch- förmige Drüsen, die von zwei Epithelzellenarten ausgekleidet werden: von Schleimzellen, zwischen welchen sich Protoplasmazellen befinden. — Doch muss ich bemerken, dass in der Heidenhain’- schen Zeichnung der Antheil der Schleimzellen etwas übertrieben ist zu Ungunsten des protoplasmatischen Theils. Das rührt von der angewendeten Präparationsmethode her: Härtung in Müller’- scher Flüssigkeit oder Alkohol und, nach ausgeführter Färbung, Untersuchung und Conservirung in Glycerin. Bei Anwendung dieser Flüssigkeiten schwellen die Schleimzellen sehr an, und dureh den Druck, den sie auf den Körper der dazwischenliegen- den Protoplasmazellen ausüben, verkleinern sie diesen. — Den- selben Fehler kann man, nach meiner Erfahrung, der Härtung 1) Klose, Beitrag zur Kenntniss der tubulösen Darmdrüsen. Inaug.-Diss. Breslau 1880. 2) Heidenhain, Phys. der Absonderungsvorgänge. 1880, 330 G. Bizzozero: mittelst Pierinsäure oder Sublimats zum Vorwurf machen. — Bei Härtung in Flemming’scher oder Hermann ’'scher Flüssigkeit dagegen bewahren die Schleimzellen fast gänzlich die Grösse und die Form, die sie von Natur aus haben, wie man dies leicht feststellen kann, wenn man einen Vergleich macht mit Präpara- ten, die man einfach durch Zerzupfung der eben dem Thiere entnommenen Schleimhaut und deren Ausbreitung zwischen den zwei Gläschen ohne Hmzufügung irgend welcher Flüssigkeit er- hält. Doch muss bemerkt werden, dass weder die Flemming’sche noch die Hermann’sche Flüssigkeit der im den Zellen enthaltenen Schleimsubstanz jene Strucetur kugelrunder und blasser Körnchen bewahren, die sie im frischen Gewebe hat. Diese körnige Struc- tur ist übrigens sehr zart und verliert sich bald, auch wenn man das frische Gewebe mit den anderen obenerwähnten Härtungs- flüssigkeiten behandelt. Um sie zu sehen, muss man also das frische Gewebe entweder ohne Hinzufügung einer Flüssigkeit, oder in Müller’'scher Flüssigkeit zerzupfen, welche die körnige Structur erst nach einiger Zeit zerstört. In der hier nachfolgenden Beschreibung werde ich mich hauptsächlich der durch Härtung in Flemming’scher oder in Hermann'scher Flüssigkeit erhaltenen Präparate bedienen, denn eine sorgfältige Vergleichung hat mich überzeugt, dass sie besser als die anderen die natürliche Zusammensetzung der Elemente erhalten und deren Struetur deutlicher hervortreten lassen. Die eine ergänzt sodann die mit der andern erhaltenen Resultate, denn wenn die erstere besser die Zellenumrisse hervortreten lässt, hat die andere mir gestattet, glänzendere Färbungen, besonders was den in den Zellen enthaltenen Schleim betrifft, zu erhalten, und dieses ist zum Studium der Entwicklung dieser letzteren von grosser Wichtigkeit. Als Färbemittel des Schleims leistet das Safranin in den mittelst dieser beiden Flüssigkeiten gehärteten Stücken nicht so gute Dienste wie in den in Alkohol gehärteten. Prächtige und exclusive Schleimfärbungen erhält man dagegen sowöhl mit Methylenblau als mit Hämatoxylin. Wegen seiner grösseren. Wirkungsschnelligkeit habe ich diesem letztern bei meinen Untersuchungen den Vorzug gegeben. Die besten meiner Präparate sind eben jene, bei welehen, nach Härtung m Her- mann 'scher Flüssigkeit, die Kerne durch Safranin eine rothe und der Schleim durch Hämatoxylin eine violette Färbung er- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 551 hielten !). In diesen Präparaten lassen sich auch bei schwacher Vergrösserung leicht die Zahlenverhältnisse zwischen den Schleim- und den Protoplasmazellen an den verschiedenen Stellen der Drüse erkennen. — Im Blindsack derselben (Taf. XVIII, Fig. 2 A) pflegen die Schleimzellen verhältnissmässig zahlreich zu sein, sodass zwischen je zweien derselben nur eine oder höchstens zwei Pro- toplasmazellen beobachtet werden. Dieses Verhältniss erhält sich bis gegen die Mitte des Drüsenschlauches. — In der oberen Hälfte der Drüse dagegen erlangen die Protoplasmazellen ent- schieden das Uebergewicht, sodass die Schleimzellen durch meh- rere Zellen der andern Art von einander getrennt werden (Fig. 2 B). Das Epithel der freien Darmoberfläehe endlieh wird fast aus- schliesslich von Protoplasmazellen gebildet. Die morphologischen Merkmale der Protoplasmazellen bieten in den verschiedenen Regionen der Drüsen des Hundes dieselben Modifieationen dar, die wir bereits beim Kaninchen und bei der Maus kennen gelernt haben. Im Blindsack (Fig. 2 A) passen sie sich, in der Form, den von den Sehleimzellen freigelassenen Räumen an, besitzen einen ovalen Kern, der in das tiefe Ende des Zellkörpers gerückt ist, und haben ihr freies Ende von einer feinen Linie begrenzt. Das Protoplasma erscheint etwas weniger granulös als in den 1) Die Schnitte von in Hermann'scher Flüssigkeit und später in Alkohol gehärteten Stücken werden mittelst Xylols und abso- luten Alkohols vom Paraffin befreit, darauf auf 1 oder 2 Stunden in eine wässerige Safraninlösung gelegt, sodann in absolutem Alkohol 10—15 Sec. lang gewaschen, 10 Min. lang in Hämatoxylin gehalten, eine halbe Minute lang von Neuem in Brunnen-Wasser gewaschen und endlich schnell in absoluten Alkohol (oder zuerst in eine 1/,ige Salzsäurelösung und dann in absoluten Alkohol), in Bergamottöl und in Canadabalsam gebracht. Die Schnitte müssen sehr dünn, von höch- stens Su Dicke sein. Gewöhnlich sind sie steif genug, um direct aus einer Flüssigkeit in die andere gebracht zu werden. Fallen sie zu- fälligerweise zu zart aus, so können sie unter dem Deckglas gefärbt werden, indem man die verschiedenen Flüssigkeiten unter denselben passiren lässt. Wird das Deckglas von zwei sehr dünnen Papierstreifen gehalten, die parallel zur längeren Axe des Öbjectträgers ange- bracht sind, dann erfolgen die Strömungen schnell und regelmässig, ist die Substitution einer Flüssigkeit durch die andere eine voll- kommenere und werden infolgedessenzdie Präparate besserfjgefärbt, 332 G. Bizzozero: Zellen der freien Darmoberfläche. Die seitlichen Umrisse der Zellen sind nieht sehr deutlich. In den oberen Regionen der Drüse nehmen die Zellen fort- schreitend an Länge und Breite zu (man vergleiche mit einander die Elemente der Fig. 2 A und 2 B, die in derselben Ver- grösserung gezeichnet wurden) und nehmen ausserdem die typi- schen Merkmale der ausgewachsenen Zelle an. Denn der Kern rückt etwas mehr gegen die Mitte der Zelle, das Protoplasma wird etwas körniger, die seitlichen Umrisse des Zellkörpers tre- ten deutlieher hervor, und auf der das freie Ende des Elements begrenzenden Linie bildet sich der gestrichelte Saum. Letzterer ist gegen die Mitte der Drüse hin schon ziemlich deutlich und nimmt um so mehr an Dicke zu, je näher der Mündung die Zellen sind. Also auch bei den Reetumdrüsen des Hundes kann man nicht von einem Drüsenepithel sprechen, das morphologisch sich von dem der freien Oberfläche unterschiede. Das Epithel des Blindsacks ist verschieden von dem der freien Oberfläche; aber zwischen dem einen und der anderen haben wir alle Uebergangs- stadien, und diese finden sich in stufenmässiger Anordnung im Körper der Drüse }). Was die schleimabsondernden Zellen betrifft, so deute ich deren Modificationen nur an, denn sie differiren nicht we- sentlich von jenen, die wir bei anderen Thieren kennen ge- lernt haben. In Fig. 3 B habe ich von einem in Hermann’scher Flüs- sigkeit gehärteten Präparat drei verschiedene Zellenformen ab- gezeichnet, von denen a dem Blindsack, b dem mittleren Theil und e nahe der Drüsenmündung entnommen ist. Man sieht, dass die Zellen, je mehr wir uns der Oberfläche nähern, desto straffer mit Schleim gefüllt sind. In Fig. 3 A habe ich zwei Zellen gezeichnet, welche die gleiche Thatsache darthun, die jedoch einem in Alkohol gehärteten und in Glycerin aufbewahrten Präparat entnommen sind. Ein Vergleich mit den in Fig. 3 B gezeichneten Elementen wird eine Vorstellung ge- 1) Auch zwischen den Epithelzellen der Reetumdrüsen des Hun- des gewahrt man auswandernde Leukocyten, doch in verhältniss- mässig nicht grosser Zahl, Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 333 ben von dem Grad der Anschwellung, den, wie ieh schon sagte, die Härtung in Alkohol in den Schleimzellen erzeugt. Auch beim Hunde sodann kann man deutlich nachweisen, dass auch in viel geringerm Maasse als beim Kaninchen, eine allmähliche ehemische Modification des abgesonderten Schleims stattfindet. In der That gewahrt man in den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten, dass die Intensität im der Färbung des Schleims vom Blindsack gegen die Drüsenmündung hin leicht zunimmt ). Dass diese graduirten Modifieationen in beiden Epithelzellen- arten auf eine Abstammung des Epithels der Darmoberfläche von dem der Drüsen hindeuten, wird auch beim Hunde durch das Studium der Mitosen bestätigt. Diese sind in den Reetumdrüsen des Hundes sehr zahlreich; jede Drüse enthält deren mehrere. Und das steht in Zusammen- hang mit der beständigen und bedeutenden Abscehuppung des Epithels. In der That sind in dem die freie Darmoberfläche bedeekenden Schleim die durch Abschuppung abgefallenen Epi- thelzellen verhältnissmässig zahlreich; in einem Schleimhautschnitt z. B. von 5—10 u Dieke und 7 mm Länge zählte ich deren etwa 50. Es ist nieht leicht, genaue Zahlen anzugeben, denn die ab- geschuppten Zellen verlieren ihre Form, sodass es mitunter nicht möglich ist, ihre wahre Natur festzustellen; und andererseits muss ihre Zahl sicherlich bei den verschiedenen Thieren und bei den verschiedenen Bedingungen eines und desselben Thieres varliren. Nun wohl, auch beim Hunde fehlen die Mitosen im Epithel der freien Darmoberfläche gänzlich. Sie finden sich zahlreich im tiefen Drittel der Drüsen und besonders in dem Blindsack. Im mittleren Drittel sind sie selten, und zum Unterschied von dem, was wir in den Recetum- und Colondrüsen des Kaninchens beobachtet haben, finden sich im oberflächlichen Drittel keine 1) Diesen Unterschied der Färbungsintensität in den verschiedenen Theilen der Drüse beobachtet man auch in den in Alkohol gehärteten und mit wässeriger Safraninlösung gefärbten Präparaten. — Man beachte hierbei, dass die gelbe Farbe, welche bei dieser Behandlung die Schleim- substanz annimmt, sich verliert, wenn man zur Conservirung des Prä- parates die wässerige Zuckerlösung hinzufügt. 334 G. Bizzozero:, mehr. — Der thätigste Zellenerzeugungsherd ist also der Blindsack. Betreffs der Mitosen in den Drüsen des Hundes heben wir jedoch eime Thatsache hervor, die für das Studium der Entwicke- lung der schleimabsondernden Zellen von hohem Interesse ist: nämlich die, dass neben zahlreichen Mitosen mit hellem, nicht differenzirterem, protoplasmatischen Zellkörper, von denen man also nicht recht weiss, ob man sie zur Reihe des protoplasmati- schen, oder zu jener des schleimabsonderden Epithels zählen soll, weniger zahlreiche Mitosen vorkommen, welche in ihrem Protoplasma Schleimsubstanz enthalten und die sich durch dieses Merkmal als Regenerations elemente des Schleimh autepithielsoffenbaren Auf diese Elemente wurde meine Aufmerksamkeit zuerst ge- lenkt, als ich dabei war, Längsschnitte von in Alkohol gehärteten Drüsen zu untersuchen; und die Beobachtung wurde bei anderen sowohl in Sublimat als in Pierinsäure gehärteten Drüsen bestätigt. Unter den anderen den Drüsenschlauch auskleidenden Elementen sah ich nicht selten gepaarte Zellen, die dünner und kürzer waren, als die benachbarten gewöhnlichen Epithelzellen. Die Vermuthung, dass diese Zwillings-Zellen schleimiger Na- tur wären, kam mir durch die Beobachtung, dass ihr Protoplasma hell und von einem feinen Netz, ganz wie das der Schleimsub- stanz, durchzogen war; ebenso wie die Vermuthung, dass es in Mitose begriffene Elemente wären, in mir auftauchte, als ich sah: 1. dass die Zellen immer gepaart und eimander so ähnlich wa- ren; 2. dass sie dieht aneinander lagen, während die ausge- wachsenen Schleimzellen, an welcher Stelle der Drüse sie sich auch befinden, immer durch dazwischen liegende “Protoplasma- zellen von einander getrennt sind; 3. dass sie kleiner waren als die gewöhnlichen Schleimzellen; 4. dass ihre Kerne nicht, wie in den Schleimzellen, in das der Membrana propria anliegende Ende der Zelle gerückt waren, sondern sich an den seitlichen und entgegengesetzten Theilen der betreffenden Zellen befanden. — Um jedoch diese Vermuthung zur Gewissheit zu machen, musste ich feststellen: 1. die schleimige Natur der in der Zelle enthaltenen Substanz, 2. das Vorhandensein der den anderen Stadien des karyokimetischen Prozesses entsprechenden Formen. Die schleimige Natur der Substanz wurde durch die Reac- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 335 tionen mit Färbemittel ausser Zweifel gestellt. Denn genau so wie der Schleim der wirklichen Schleimzellen färbte sie sich: l. gelb, wenn sie auf einfach in Alkohol gehärteten Schnitten mit einer wässerigen Safraninlösung behandelt wurde, 2. stark violett oder blau, wenn sie auf Schnitten von in Flemming'scher oder Hermann ’'scher Flüssigkeit gebärteten Stücken mit Hämato- xylin (Fig. 4d) oder Methylenblau behandelt wurde. — Von die- sen Reactionen hat die mit Hämatoxylin grösseren Werth, denn (namentlich wenn die Härtung n Hermann scher Flüssigkeit vorgenommen und der Schnitt nach Färbung mit Hämatoxylin und vor seiner Einschliessung in Damarharz in leicht mit Salz- säure versetztem Alkohol gewaschen wurde) mit dieser färbt sich die Schleimsubstanz sehr intensiv, während alle anderen Theile, alle anderen Elemente der Schleimhaut vollkommen farblos bleiben. Was nun die verschiedenen Formen anbelangt, welche die verschiedenen Stadien des karyokinetischen Prozesses darstellen, so fand ich dieselben leicht und in vollständig überzeugender Weise durch die in der Anmerkung auf Seite 331 mitgetheilten Doppelfärbung. Die violette Farbe, welche die Mitosen der Schleimzellen annehmen, macht es möglich, sie auf den ersten Blick von den gewöhnlichen Mitosen zu unterscheiden. — Und hier ist zu bemerken, dass sich zu dieser Untersuchung besser die Quer- als die Längsschnitte der Drüsen eignen. Der Grund davon ist folgender: während die gewöhnlichen Mitosen, wie schon gesagt, sich im ganzen tiefen Drittel der Drüse zerstreut finden, finden sich die Mitosen der Schleimzellen nur zwischen den das äusserste Ende des Blindsacks ausklei- denden Epithelzellen. Aufeinem Längssehnitt der Drüse bietet also der Blindsack dem Beobachter nur eine einzige Reihe (von der Schnittfläche gesehen) der ihn auskleidenden Epithel- zellen dar, sodass man unter diesen wenigen Zellen nur selten eine Schleimzellen-Mitose zu sehen bekommt. Werden dagegen die Drüsen quer geschnitten, d. h. wird die Schleimhaut in lau- ter parallel zu ihrer Oberfläche gerichtete Schnitte zerlegt, so bieten uns die die tieferen Schichten treffenden nnd also die Blindsäcke umfassenden Schnitte diese letzteren vollständig dar, sodass wir die sie auskleidende Epithelschieht ganz oder fast ganz zu sehen bekommen. 336 G. Bizzozero: In Fig. 4 habe ich einige von den Schleimzellen-Mitosen, die sieh in meinen Präparaten befinden, gezeichnet. Man sieht hier verschiedene den Aequatorialplatten- (von der Schnittfläche ge- sehen oder in der Frontalansicht (a a a) und den Doppelstern- Stadien (e e e/ e’) entsprechende Figuren vom Beginn der Tren- nung der beiden Faserngruppen bis zur vollendeten Theilung der Zelle. — Schleimzellen, die einen in Mitosis befindlichen Kern im Knäuelstadium enthielten, habe ich nie gesehen. Mag sein, dass ungenügende Beobachtung der Grund davon ist; doch wenn ich bedenke, welch grosse Zahl von Präparaten ich stu- dirt habe, bin ich fast geneigt anzunehmen, dass dies daher kommt, weil in diesem ersten Stadium des karyokinetischen Pro- zesses die Zellen noch keine Schleimsubstanz in ihrem Innern gebildet haben und ihr Körper also noch aus Protoplasma allein besteht. Um die Frage zu entscheiden wären jedoch noch wei- tere Beobachtungen nöthig. Alle diese in Mitosis befindlichen Kerne liegen, wie die der gewöhnlichen Karyokinesen, mehr im Innern, d.h. dem Drüsen- lumen näher, als die Kerne der in Ruhe befindlichen Zellen (Fig. 2A). Ich sagte vorhin, dass die Zwillingszellen einige Merkmale darbieten, durch welche sie sich von den typischen Schleim- zellen unterscheiden. Zwischen jenen und diesen sind jedoch alle Uebergangsstadien vorhanden. Denn während anfangs die Zwillingszellen kürzer sind als die Cylinderepithelschicht, in wel- cher sie sich befinden, so dass sie mit ihrem tiefen Ende die Drüsenmembran nicht erreichen (Fig. 2A; Fig.4d), verlängern sie sich später allmählich, bis sie diese letztere berühren; die Kerne, die seitwärts lagen, rücken allmählich gegen das tiefe Ende (Fig.4e) und nehmen, mehr oder weniger zusammenge- (drückt, ihre Stelle in der äussersten Spitze, und endlich, wäh- rend die beiden Zellen zuerst dieht aneinander lagen, werden sie durch die sich zwischen sie schiebenden benachbarten Proto- plasmazellen von einander getrennt. So bilden sich aus den beiden Zwillingszellen zwei ausgewachsene Schleimzellen, sowohl hinsichtlich der Constitution als hinsichtlich der Form, der Dieke und der Lage, die sie im Drüsenschlauche einnehmen. Die Fadenstructur der chromatophilen Substanz der Schleim- zellen-Mitosen tritt nicht besonders deutlich hervor, nach welcher Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 337 Methode die Härtung und Färbung auch ausgeführt worden sein mag. Doch ist dies überhaupt bei allen Mitosen des Darm- epithels der Fall, und jedenfalls smd die in Mitosis befindlichen Kerne der Schleimzellen dem Aussehen nach vollständig den Kernen der ihnen benachbarten gewöhnlichen Mitosen gleich. — In Fig. 4b habe ich eine Aequatorialplatte gezeichnet, die einige Spuren der achromatischen Spindel aufweist. Es ist dies etwas sehr Seltenes, denn im Allgemeinen sieht man in diesen Drüsen des Hundes die farblose Spindel weder in den Schleim- zellen-, noch in den schönsten protoplasmatischen Mitosen. Also auch beim Hunde wird die Abstammung des Epithels des Dickdarms vom Epithel seiner schlauchförmigen Drüsen be- wiesen: 1. durch die stufenweise erfolgenden Umbildungen, welche die Epithelzellen, sowohl die protoplasmatischen als «die schleim- bereitenden, auf dem Wege vom Grunde des Blindsacks bis zur Drüsenmündung aufweisen; 2. dadurch, dass in Mitosis befind- liche Elemente nur in den Drüsen vorkommen. — Beim Hunde verdienen sodann folgende Thatsachen Beachtung: 1. dass die Regeneration des Epithels im Blindsack der Drüse stattfindet, während beim Kaninchen zwei Hauptregenerationsherde vorhan- den sind; nämlich der eine im Blindsack, der andere am Drüsen- halse; 2. dass ausser den gewöhnlichen Mitosen auch Mitosen vorhanden sind, deren Körper schon Schleimsubstanz enthält und die demnach sicherlich zur Regeneration der sogenannten becher- förmigen Zellen dienen. Diese Schleimzellenmitosen wurden von mir schon im Colon des Kaninchens beobachtet!); beim Hunde aber treten sie viel deutlicher hervor und sind zahlreicher, und befinden sich auch bei ihm ausschliesslich im Blindsack der Drüse. Ohne Zweifel also hat in diesem der Regenerationsherd der becherförmigen Zellen seinen Sitz?). 1) Bizzozero, Dieser Arbeit erster Theil Bd. XXXTII, Fig. 12 der Tafel XV. 2) Ich halte die Bemerkung nicht für überflüssig, dass sich in dem das Lumen der Reetumdrüsen des Hundes ausfüllenden Schleim sehr zahlreiche Bacillen zu befinden pflegen, die bis zum Blindsack gelangen. Damit werde ich mich in einem andern Kapitel der Arbeit beschäftigen. 338 G. Bizzozero: Duodenaldrüsen. Duodenaldrüsen des Hundes. Zum Studium der schlauchförmigen Drüsen des Duodenum habe ich die des Hundes denen des Kaninchens vorgezogen; denn die Duodenaldrüsen des Kaninchens sind sehr gewunden, so dass sie sich zu einer vergleichenden Untersuchung der Modi- fieationen, welche die Epithelien in den verschiedenen Regionen des Drüsenschlauches darbieten, nicht recht eignen; während sich dazu sehr wohl die des Hundes eignen, die lang, gerad- linig sind und vertical in der Schleimhaut sitzen. Was die Härtungs-, Färbungs- und Conservirungsmethoden betrifft, so habe ich alle bereits vorher erwähnten angewendet. Unter diesen habe ich besonders die Härtung m eimfachem Al- kohol zweekmässig befunden !), der besser als jede andere Flüssig- keit die Merkmale und die Umrisse des Epithels erhält, sowie die Färbung mit Pierocarmin (und Emschliessung in Glycerin) oder mit Safranin (und Conservirung in Rohrzucker). Die Con- servirung in Damarharz ist, wie gewöhnlich, besser dann anzu- wenden, wenn es sich um das Studium der Mitosen handelt. Die Drüsen (Taf. XVII, Fig. 5) nehmen ihren Anfang mit einem leicht angeschwollenen, keulenförmigen Blindsack, durch- ziehen leichtgewunden die ganze Dicke der Schleimhaut, stehen parallel zu einander und sind dureh einen vom Bindegewebsstroma (der Schleimhaut ausgefüllten Zwischenraum (d) von einander ge- trennt; in kurzer Entfernung von der Schleimhautoberfläche ver- schmelzen sie gewöhnlich mit einander derart, dass sich aus je zwei Drüsen (ce) ein einziger breiter Schlauch bildet, der an der 3asis der Darmzotten ausmündet. Das Stroma der Schleimhaut ist reich an Leukoeyten, welche sich in besonders grosser Zahl unterhalb der Drüsenblindsäcke vorfinden (e). Das Lumen der Drüsen ist eher etwas weit, besonders im Blindsack. Es wird von einer Masse ausgefüllt, welche, wenn in Alkohol gehärtet, ein schleimiges oder vielmehr colloidartiges 1) Bei der Härtung in Alkohol und Conservirung in Glycerin muss man natürlich der Anschwellung Rechnung tragen, welche die Schleimklümpehen erfahren (S. 329). Da jedoch in diesen Drüsen die Schleimzellen spärlich sind, so ist das von keinem Nachtheil, sondern dient vielmehr dazu, diese Zellen deutlicher hervortreten zu lassen. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 339 [ Aussehen hat und consistenter im Blindsack (Fig. 2 A) als in der oberen Region scheint. In derselben beobachtet man stets Haufen von Körnchen und Leukoeyten, deren Kerne von den Färbe- stoffen intensiv durehtränkt werden und die den im Stroma der Schleimhaut befindlichen ähnlich sind. Gleich diesen enthalten sie bald nur einen einzigen ovalen oder rundlichen Kern, bald 2 oder 3 kleine runde Kerne. Es sind offenbar Elemente, die aus dem Stroma stammen und mit dem Drüsenseeret ausgeschie- den werden. In der That sieht man nicht wenige dieser Leu- koeyten, während sie dabei sind das Drüsenepithel zu durch- wandern. Was die Mitosen des Epithels anbelangt, so sind sie, wie bekannt, sehr zahlreich. Doch wie ich schon früher zu be- merken Gelegenheit hatte!), sind sie im Drüsenschlauche nicht gleichmässig vertheilt; sie sind sehr zahlreich in der tiefen Hälfte der Drüse und mithin auch in deren Blindsack, spärlich da- gegen in der oberen Hälfte derselben, obgleich man einige we- nige bis in unmittelbarer Nähe der Drüsenmündung gelangen sieht. Nehmen wir nunmehr die Structur der Epithelzellen in Augenschein. Auch hier haben wir Protoplasma- und Schleim- zellen; die einen und die anderen müssen wir gesondert be- trachten, sie in Beziehung setzend zu den Epithelformen, welche die Darmzotten auskleiden, mit denen sie sich in ununterbro- chenem Zusammenhang befinden. Nehmen wir an, eine in Längsschnitte zerlegte Drüse vor uns zu haben: Protoplasmazellen. — Wenn wir damit anfangen, die Zellen der Blindsäcke mit jenen der Zotten zu vergleichen, finden wir in den Dimensionen und in der Struetur ziemlich bedeutende Unterschiede, so dass wir Jenen Recht geben könnten, die da an- nehmen, dass das Epithel der Drüsen verschieden sei von «dem der Zotten. Wenn wir jedoch, mit unserer Untersuchung bei den Blindsäcken beginnend, allmählich in der Drüse nach oben schreiten, bis wir deren Mündung erreichen, und dann zu den Zotten übergehen, sehen wir, dass zwischen der einen und der anderen Epithelform an kemer Stelle eime scharfe Grenze be- steht; das Epithel verändert sich durch eine abgestufte Reihe von Uebergangsformen. 1) Bizzozero und Vassale, |. ce, 340 G. Bizzozero: Im Blindsack (Fig. 6 A) sind die Zellen lang, pyramiden- förmig; ihre Basis ist der Fläche, auf welcher sie aufsitzen, zu- gewendet und die abgestumpfte Spitze liegt dem freien Ende entsprechend. Die Kerne liegen der Basis nahe und enthalten 2—3—4 dieke Kernkörperchen. Bei den unmittelbar darüber liegenden Zellen ist die Form schon modifieirt, denn deren freies Ende ist breiter geworden und bei vielen Zellen ist die basale Hälfte etwas gekrümmt und läuft in ein verdünntes und nach unten gerichtetes Ende aus (b); bei anderen Zellen jedoch ist auch das basale Ende scharf abgeschnitten (ce). Weiter nach oben in der Drüse gehend (Fig. 6B) bis zu deren Mündung, sehen wir, dass die Zellen sich fast gar nicht verändern; sie sind senkrecht zur Achse der Drüse angeordnet und infolge dessen ist ihr basales Ende abgestumpft; ihre Form wird so mehr die eines Rechtecks (ausgenommen jene Zellen, die seitlich von den Schleimzellen gedrückt werden), die Kerne verbleiben im der basalen Hälfte, und das Protoplasma bleibt feinkörnig. Die einzige wesentliche Veränderung findet in ihrem freien Ende statt. Dieses wird im Blindsack von einer einfachen feinen Linie begrenzt, weiter oben in der Drüse wird an seiner freien Oberfläche eine blasse Schicht sichtbar, welche bei ge- ringer Vergrösserung homogen scheint, aber bei starker Ver- grösserung feine parallel zur Längsachse der Zelle gerichtete Streifen zeigt. In der Mitte der Drüsenlänge ist diese Schicht schon ziemlich entwickelt (Fig. 6 B) und sind deren Streifen deut- licher; sie hat ganz das Aussehen jenes gestrichelten Saumes angenommen, der für das absorbirende Epithel des Darms cha- rakteristisch ist, und als solches setzt sie sich durch den ganzen übrigen Theil der Drüse fort. An der Basis der Zotten angelangt, setzt sich das Epithel auf ihnen fort, indem es seme wesentlichen Merkmale beibe- hält; die einzigen Unterschiede bestehen darin, dass (Fig. 6 C) die Zellen etwas schmäler und länger werden, der glänzende Saum etwas an Dicke zunimmt und die ihn bildenden Stäbehen deutlicher hervortreten, und endlich, dass der Zellenkern sich etwas von der Basis entfernt und bis gegen die Mitte der Zelle vorrückt. Wie man sieht, liegt der Hauptunterschied zwischen den Zellen der Drüsenblindsäcke und jenen der Zotten im Fehlen Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete 341 oder im Vorhandensein des glänzenden Saumes; aber dieses kann kein unterscheidendes Merkmal zwischen dem Drüsenepithel und dem Epithel der freien Oberfläche sein, denn der glänzende Saum existirt auch beim Epithel der Drüse auf einer Strecke, die mehr als die Hälfte ihrer Länge ausmacht, und ausserdem sieht man ihn aus einer Modifieation hervorgehen, die am freien Ende der Zelle stufenweise erfolgt. Sehleimzellen. — Auch diese haben je nach der Stelle, wo man sie beobachtet, ein verschiedenes Aussehen. Im Blind- sack (Fig. 6A, d) sind sie pyramidenförmig, ihre Basis der Mem- brana propria zuwendend. Ihre äussere Hälfte wird von dem einen ovalen oder rundlichen Kern enthaltenden Protoplasma ge- bildet; die innere Hälfte dagegen ist mit vom gewöhnlichen Netz- werk durchzogenen Schleim gefüllt. Am freien Ende sind die Zellen offen, um ihr Seeret m das Drüsenlumen ergiessen zu können. Etwas weiter oben (Fig. 6 A, e) bewahren die Zellen noch fast dieselbe Form, aber ihr Kern zeigt sich von spärlichem Protoplasma umgeben und ist gegen das basale Ende der Zelle gedrängt. Noch weiter oben verändern sich die Zellen ganz und gar. Sie nehmen allmählich an Dicke zu und neigen so zur Ei- oder Kugelform (Fig. VI B, a), so dass sie emen Kelch ohne Fussgestell darstellen; ihr Kern ist abgeplattet und gegen die Peripherie gedrängt, und der ganze von der Zellenmembran begrenzte Raum wird vom Schleim eingenommen. Mitunter befindet sich noch unterhalb des Kerns Protoplasma (Fig. 6 B, b) unter der Form eines mit der Spitze gegen die Drüsenmembran gerichteten kleinen Kegels. Der in der Zelle enthaltene Schleim steht in ununter- brochener Verbindung mit dem im Drüsenlumen angesammelten. Der Kern, zusammengedrängt wie er ist, präsentirt sich, wenn von der Sehnittfläche gesehen, unter der Form eines sehr dünnen homogenen und glänzenden und von den gewöhnlichen Kern- färbemitteln ziemlich intensiv gefärbten Halbmondes; in der Flächenansicht dagegen scheint er noch oval, feinkörmig und mit _ Kernkörperehen versehen. Die Schleimzellen gelangen mit diesen Merkmalen bis zur *Drüsenmündung, werden jedoch immer grösser und durch den Schleim immer mehr ausgedehnt. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 95 342 G. Bizzozerö: Auf den Zotten angelangt, ändert sich ihre Form ganz plötzlich: gleich den Protoplasmazellen werden sie schmäler und länger (Fig.6 ©); besonders verschmälert sich die basale Hälfte der Zellen und sie erhalten so die Form eines mit spitz aus- laufendem Fusse versehenen Kelches, und im Fusse ist der Kern enthalten. Letzterer ist ebenfalls in der Form modifieirt worden, d.h. er ist schmal und lang geworden, und seine Längsachse ist parallel der Längsachse der Zelle; doch bewahrt er noch seine grosse Färbbarkeit und sein glänzendes Aussehen. Nach allem, was wir an den Rectum- und Colondrüsen des Kaninchens schon beobachtet haben, gestattet uns der Vergleich dieser verschiedenen Schleimzellenformen beim Hunde die An- nahme, dass sie durch eine stufenweise erfolgende Modification jener pyramidenförmigen Schleimzellen, die sich in den Drüsen- blindsäcken befinden, erzeugt sind. Und diese Annahme wird auch durch die Thatsache bestätigt, dass die morphologische Veränderung der Zellen in gleichem Schritt mit einer chemischen Modification des von ihnen ausgeschiedenen Schleims erfolgt. Hier muss ich bemerken, dass der Schleim dieser Zellen beim Hunde nicht die gleichen Reactionen auf die Färbemittel darbietet, wie bei den Reetumdrüsen des Kaninchens; es färbt sich nieht mit Methylgrün und Vesuvin, färbt sich dagegen mit Safranin, doch nur, wenn eine concentrirte wässerige Lösung an- gewendet wird!). Mit dieser erhält man, wie ich schon vorher zu bemerken Gelegenheit hatte, eine sehr elegante Differenzirung: die Grundsubstanz des Bindegewebes bleibt farblos, alle Kerne des Gewebes nehmen eine vesuvingelbe Farbe an, der Körper der Epithelzellen, der glatten Muskelfasern und der Zellen des Meisner’schen und des Auerbach'schen Ganglion wird fuch- sinroth, und der Schleim hebt sich durch eine hellgelbe Farbe ab’). 1) Der Schleimhautschnitt, der sehr dünn (etwa 5 u) sein muss, wird in Terpentin vom Paraffin befreit, in absoluten Alkohol gebracht und dann mittelst eines Spatels in einem Tropfen Alkohol (der ihm eine gewisse zur Weiterbeförderung sehr zweckdienliche Steifigkeit verleiht) auf den Objeetträger gelegt, wo er unter dem Deckglas ge- färbt wird. Der Alkohol wird durch Wasser ersetzt und dieses so- dann durch eine concentrirte wässerige Safraninlösung. “ 2) Nicht mit allen im Handel vorkommenden Safraninfarben er- hält man diese schöne Differenzirung der verschiedenen Elemente. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 345 Nun wohl, wenn man einen so gefärbten Schnitt der Drüsen untersucht, gewahrt man leicht, dass die Färbungsintensität des Scehleims sehr variirt: m den Blindsäcken ist er kaum röthlich- gelb, während er etwas weiter oben rein gelb ist und noch weiter oben eine ausgesprochen hellgelbe Farbe zeigt. Das bezieht sich sowohl auf den in den Zellen enthaltenen, wie auf den das Drüsenlumen ausfüllenden oder auf der Oberfläche der Darmzotten befindlichen Schleim. | Also auch hier haben wir, wie beim Colon und Reetum, eme abgestufte chemische Modification des Schleimzellenseerets, die in den Blindsäcken beginnt und bis zur freien Darmoberfläche fortschreitet. Es ist im den Blindsäcken, wo die Jüngsten Schleim- zellen entstehen. Die zahlreichen Theilungen dureh Mitosis, die hier stattfinden, geben eylinder- oder pyramidenförmigen Ele- menten den Ursprung, welche eine verschiedene Bestimmung haben: einige bleiben Protoplasmazellen, andere dagegen bilden sich in Schleimzellen um. Die ersten Stadien dieser Umbildung lassen sich schwer wahrnehmen, denn die eben erst erzeugten ganz kleinen Schleimkörnchen werden versteckt durch das kör- nige Protoplasma, in welchem sie liegen. Die in den Blindsäcken vorherrschenden Formen zeigen uns also gewöhnlich die Schleim- zellen in einem schon verhältnissmässig weit vorgeschrittenen Stadium. Macht man jedoch Schleimhautschnitte quer zu den Drüsen, und zwar äusserst dünne, und färbt sie mit Safranin, so bekommt man nicht selten (in jenen Schnitten, welche die Drüse unmittelbar oberhalb der Blindsäcke getroffen haben) Cylinder- zellen zu sehen, in denen die Umbildung eben erst begonnen hat (Fig. 7,a); die-Zellen gleichen noch in Form, Kern u. s. w. den benachbarten Protoplasmazellen, unterscheiden sich von diesen jedoch dureh Schleimkörnchen, welche, sich in deren imneren Hälfte anhäufend, hier ihr Protoplasma auf ein einfaches Balken- netz redueirt haben. Die darauf folgende Formveränderung bei den Schleimzellen wird hauptsächlich dadurch bestimmt, dass sich in ihnen viel Schleim ansammelt, der sie rundlich gestaltet und den Kern so- wie das spärliche Protoplasma gegen ihre Basis drückt. Ich Ich erhielt sie mit dem aus der Fabrik von Bindschedler und Busch in Basel kommenden Safranin. — Mit dem mir von Dr. Grübler in Leipzig gelieferten Safranin O erzielte ich z. B. keine Färbung des Schleims. 344 G. Bizzöozero: sage hauptsächlich und nicht vollständig, denn auf die Formen sowohl der Protoplasma- als der Schleimzellen muss auch der auf ihre Oberfläche ausgeübte Druck einen Einfluss haben. In der That müssen, da in der tieferen Hälfte des Drüsen- schlauches eime lebhafte Vermehrung durch Mitosis stattfindet, die Elemente auf einander. einen Druck ausüben, und müssen die gedrückten Elemente beständig dem Punkte des geringern Drucks, d. h. der freien Darmoberfläche zustreben, wo die beständige Ausstossung von Zellen den Raum für die neuhinzukommenden Zellen frei macht. Ummittelbar oberhalb des Blindsacks macht sich dieser Druck vorwiegend auf die Seitenwände der Zellen, d.h. in einer senkreeht zur Längsaxe der Drüse stehenden Riehtung geltend. Das geht aus der Form der Zellen und ihrer Kerne hervor; denn wenn man einen Längsschnitt (Fig. 6 A) von dieser Drüsenregion mit einem Querschnitt (Fig. 7) vergleicht, bemerkt man, dass in diesem letztern die Zellen schmäler und länger und die Kerne ebenfalls mehr im die Länge ausgedehnt sind. Ein Gleiches geht auch hervor, wenn man in einem Längs- schnitt die aufsitzende Basis der Drüsenzellen von vorn betrachtet (Fig. 5); die längere Achse dieser Basis ist parallel der Hauptachse der Drüse. Die sonderbare Form der Zellen b in Fig. 6 A, die m den Blindsäcken sehr häufig vorkommt und dadurch charakterisirt wird, dass das freie Ende des Elements höher liegt als das ba- sale und dass dieses letztere sich krümmt und, immer dünner werdend, unter der Basis der darunter liegenden Zelle endigt, findet bekanntlich eine leichte Erklärung in dem Vorrücken der Zellen gegen die Drüsenmündung; denn dieses kann sich leichter vom freien Ende vollziehen als vom basalen, das auf der Drüsen- membran aufsitzt. Vom Blindsack absehend, ist in den anderen Regionen des Drüsenschlauches die Riehtung der Achse des grössern Drucks veränderlich, wahrscheinlich im Zusammenhang damit, dass Cen- tren karyokinetischer Vermehrung vorübergehend sich bilden und dann verschwinden. Eben deshalb beobachtet man, dass in den verschiedenen Regionen des Drüsenschlauchs die Epithelzellen bald in der Querrichtung, wie in den Blindsäcken, bald in der Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 345 Riehtung der Längsachse der Drüse zusammengedrückt erscheinen, bald endlich, dass sie gleiche Querdurchmesser haben. Wie bereits gesagt, sind sowohl die Protoplasma- wie die Schleimzellen in den Drüsen im allgemeinen kürzer als auf den Zotten. Ich glaube, dass dies in Zusammenhang steht mit dem Drucke, den die Seeretmasse auf das Absonderungsepithel ausübt. Einen solehen Druck übt der im Lumen eingeschlossene Schleim sicherlich auf die freie Oberfläche der Drüsenepithelzellen aus, und er muss bewirken, dass dieselben kürzer werden. Sind dagegen die Zellen auf den Zotten angelangt, dann hat der vom Secret ausgeübte Druck aufgehört und es wirkt nur noch der Seiten- druck auf sie, den sie selbst auf einander ausüben und der be- wirkt, dass sie länger werden. Uebrigens variirt, auf der Zotten- oberfläche, die Dieke und die Länge einer und derselben Zelle (sei es Protoplasma- oder Schleimzelle) je nach dem Contractions- stand jener Zottenstelle, auf welcher sie ihren Sitz hat, bekannt- lich bedeutend. | ! Duodenaldrüsen der grauen Maus. Mit lebhaftem Interesse machte ich mich daran, diese Drüsen zu studiren, denn gewisse schon seit längerer Zeit bekannte Besonderheiten in ihrer Structur mussten die Zuverlässigkeit meiner Theorie über den Ursprung des Darmepithels von Neuem erhärten. Panetht!) hatte in der That sehon im Jahre 1887 ge- funden, dass im Blindsack der schlauchförmigen Drüsen der Maus und der Ratte dieke und glänzende Körnchen enthaltende Zellen existiren, welche zwischen den Zellen des Drüsenepithels ge- lagert sind und ebenfalls als secernirende Elemente betrachtet werden können. Nun wohl, welches sind die Beziehungen, die zwischen ihnen und den Schleimsubstanz secernirenden Elementen bestehen? Wie kommt es, dass diese von Paneth beschrie- benen Zellen sich in jenem Theile der Drüse befinden, in welchem, nach meiner Meinung, sich der Regenerationsherd des Darmepi- thels zu befinden pflegt? Diese Fragen hatte bereits Paneth zu beantworten ge- 1) Paneth, Centralbl. f. Physiol. 1877 pag. 255, und Archiv £. mikr. Anatomie, Bd. XXXT, 1888, 346 G. Bizzozero: sucht; doch blieben seine darauf gerichteten Untersuchungen ohne befriedigendes Resultat. Er kam nur zu dem Schlusse, dass die körnehenhaltigen Zellen ganz und gar verschieden von den Schleimzellen seien. In der That beschreibt er sie, kurz gesagt, so!): „Diese mit Körnehen erfüllten Zellen im Fundus von Krypten liegen. Die Körnchen (oder Tröpfehen), in frischen Präparaten, sind mässig liehtbrechend, nieht so stark als Fett, von verschiedener Grösse, meistens viel grösser als die Körnehen in Becherzellen der Maus und selbst des Tritons. In der Krypte sind manchmal mehrere, manchmal nur em bis zwei Zellen von diesen Tröpfehen erfüllt, oder es liegen, wie es scheint, nur wenige Tröpfehen in einer Zelle. — Von der Wirkung einfachster Reagentien auf diese Tröpfehen ist Folgendes auszusagen: Gegen destillirtes Wasser und Kalilauge sind sie resistent; in letzterer schrumpfen sie etwas und bekommen härtere Contouren, werden also stärker liehtbre- chend. Aether löst sie langsam auf; ebenso Alkohol. Verdünnte Säuren lösen sie rasch auf; sie treten nieht wieder auf, wenn man durch Kalilauge die Säure neutralisirt. Osmiumsäure con- servirt die Tröpfehen und die Zellen, in denen sie liegen, vor- züglich, erstere werden dabei mahagonibrau, nieht schwarz. Sie nehmen alle Farbstoffe an und halten sie hartnäckig fest: Hä- matoxylin, Safranin, Methylenblau, Eosin, Jodgrün. Sie halten dieselben bei der Entfärbung mit Alkohol länger fest als die Kerne. Dabei färben sich diese Körncehen ohne allen Farben- wechsel und unterscheiden sich hierdurch von den Körnchen in den Beeherzellen, die ausserdem viel kleiner sind. So färben sie sich mit Jodgrün türkisenblau, die Becherzellen olivgrün, mit Safranin intensiv krapproth, während die Becherzellen entweder homogen und kaum gefärbt oder mit rothgelben Körnchen erfüllt sind. ... Nur selten liegt eine Becherzelle mit bauchiger Theka und den sonstigen Eigenschaften der Becherzellen in der Nähe des Fundus der Krypten, und unterscheidet sich dann sehr deut- lieh von den Körnchenzellen. Die Körnehenzellen sind eine eigene Art Drüsenzellen, verschieden von den Becherzellen. Das in ihnen gebildete Seeret hat andere morphologische und chemische Eigenschaften, als die Körnchen in den Becherzellen. . . Die 1) Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. XXXI pag. 178. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 347 Zellen im Fundus der Krypten sind mit grösseren und reichli- cheren Körnehen erfüllt, als die weiter oben befindichen. Dass die Körnchenzellen aus Epithelzellen entstehen, darüber kann kein Zweifel sein; ebensowenig darüber, dass sie ihren Inhalt in das Lumen entleeren. Was wird weiter aus ihnen?“ Diese Frage gestatteten die Beobachtungen Paneth’s nicht in befriedigender Weise zu beantworten. Und bessere Resultate hatten auch nicht die neueren Unter- suchungen Nieolas'!), die nach vervollkommneten Methoden und mit den vollkommensten bis jetzt existirenden Objektiven ausge- führt wurden. Er constatirte das Vorhandensein der Paneth’- schen Zellen nieht nur beim Menschen, bei der Maus und der Ratte, sondern auch bei der Feldmaus und beim Eichhörnchen, stellte im Gegensatz zur Ansicht Paneth’s fest, dass sie stets einen Kern enthalten, sah einige Besonderheiten in der Structur der Körnehen und bemerkte, dass einige Epithelzellen einen oder zwei kugelförmige oder halbmondförmige Körper (enelaves) ent- halten, welche sich zum Theil mit Safranin färben und jenen Körpern gleichen, die von Mehreren in anderen Theilen des Darm- epithels von anderen Thieren beschrieben wurden. Er hält es für wahrscheinlich, dass die Zellen, wenn sie mit Körnchen ganz vollgefüllt sind, dieselben in das Drüsenlumen entleeren und eine kurze Zeit lang das Aussehen von schmalen und stark färbbaren Zellen bewahren, dann aber wieder Körnchen in ihr Protoplasma absondern, um dieselben dann wieder in das Drüsenlumen zu entleeren, und so eine bis jetzt nicht bestimmbare Zeitlänge hin- durch ihren seeretorischen Cyklus wiederholen. Diese Zellen sollen also auch nach Nicolas in gar keiner Beziehung zu den Schleimzellen stehen; sie sondern ein besonderes Produet ab, dessen chemische Zu- sammensetzung und Funetion nicht genau angegeben werden können. Nach dieser Darlegung wird man leicht begreifen, weshalb ich dureh eigene Untersuchungen die zwischen den in Rede ste- henden Zellen existirenden Beziehungen kennen zu lernen wünschte. Hier nachstehend die Resultate meiner Untersuchungen): 1) Nicolas, Journal international d’anatomie et de physiol. 1891, vol. VIII, pag. 1. 2) Zur Härtung sind die concentrirte wässerige Pikrinsäure- lösung, die von Paneth so empfohlen wird (Immersion für die Dauer, von zwei Tagen in die Lösung, Auswaschen ein Tag lang in Wasser 348 G. Bizzozero: Die Duodenaldrüsen der Maus (Taf. XIX, Fig. 1) sind kurz, sodass sie selbst bei sehr starker Vergrösserung in einem einzigen Gesichtsfeld des Mikroskops ganz überbliekt werden können. Das erleichtert natürlich die Vergleiehung der sie auskleidenden Ele- mente. Sie sind geradlinig oder in kaum wahrnehmbarer Weise gekrümmt, und ihr tiefes Ende ist leicht keulenförmig. Sie sind dieht an emander gelagert und ist deshalb das dazwischenliegende Bindegewebe sehr spärlich. Von den sie auskleidenden drei Zellarten (Protoplasma-, Schleim- und Paneth’sche Zellen) bieten die Protoplasmazellen dieselben Modifieationen dar, die wir bei den im vorhergehenden Kapitel studirten schlauchförmigen Drüsen wahrgenommen haben. Im Blindsack (Fig. 1a) zeigen sie den in den tiefern Theil der Zelle gerückten ovalen Kern; die Umrisse der Zellen sind nicht sehr deutlich, und ihr freies Ende wird von einer sehr feinen Umrisslinie begrenzt. — Weiter oben in der Drüse, gegen deren Mitte, fängt am freien Ende ein deutlicher gestrichelter Saum an zu erschei- nen, der schnell an Dieke zunimmt (Fig. 1b), bis er, noch vor der Drüsenmündung, dem die Zottenoberfläche auskleidenden fast gleichkommt. Also auch hier kann man nicht sagen, dass der ge- strichelte Saum ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Zotten- und dem Drüsenepithel bilde. — Die Kerne bleiben, in der ganzen Drüse, im basalen Ende der Zellen; erst an der Basis der Zotten fangen sie an gegen die Mitte der Zellen zu rücken; gleichzeitig werden sie etwas kleiner und rundlicher und ihre Chromatinsub- stanz färbt sich intensiver mit Safranin. Was das Protoplasma anbetrifft habe ich keine bedeutenden Unterschiede gefunden, wie z. B. jene, welche bei den Reetum- drüsen des Kaninchens existiren. Sowohl in «den Drüsen, wie auf den Zotten erscheint es als ein sehr feines Netzwerk mit vorwiegend parallel zur Achse der Zelle gerichteten Bälkchen. Natürlich sehe ich hier von den Zellen ab, in welehen der Darm Fett absorbirt; denn, wie bekannt, in diesen Fällen ist das Pro- toplasma der Zellen der freien Oberfläche reichlich damit ver- sorgt, während es in dem der Drüsen fehlt!). Alkohol), sowie deFlemmin &’sche und dieHermann sche Flüs- sigkeit (Immersion in dieselben 1 oder 2 Tage lang, Auswaschen in fliessendem Wasser, 1 Tag lang Alkohol) vorzuziehen. 1) Dieses lässt sich leicht an Präparaten feststellen, die in Flem- u Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 349 Die Zellen nehmen gewöhnlich an Grösse etwas zu. In Fig. 2 habe ieh vergleichshalber einige Zellen des Blindsacks (A) mit anderen, der oberen Hälfte einer Zotte entnommenen (B) zu- sammengestellt. Diese letzteren sind etwas gekrümmt dureh den Druck, der von unten auf sie ausgeübt wird; doch ist dies nicht constant, und andererseits verändert sich die allgememe Form der Zelle sehr, je nach dem Contractionszustand der Zotte, dem Vorhandensein oder Niehtvorhandensein von Fetttröpfehen im Epithel und anderen uns hier nieht interessirenden Bedingungen. Die Zellen des Drüsenblindsacks hatten (in mit Hermann’scher Flüssigkeit gehärteten Präparaten) eine Länge von 15—20 « und eine Breite von 4,5 u; die der Zotte waren im Durchschnitt 24 u lang und 6—8 u breit. Was die Scehleimzellen betrifft, so ist deren Zahl verhält- nissmässig sehr gering. In vielen Drüsen (auf Schnitten von 62} 3; in nicht wenigen gewahrt Du Dieke) sieht man davon 2 man gar keine; in eimigen wenigen sind deren 4 oder mehr, bis zu 7 oder 8. — Was ihre Lage anbetrifft, finden sie sich nie oder fast nie im Drüsenblindsack. Sie fangen gewöhnlich in einer gewissen Entfernung von ihm an (Fig. le) und setzen sich, in Jangen Zwischenräumen auf einander folgend, durch die ganze Drüse und dann auf der ganzen freien Oberfläche der Sehleim- haut bis gegen das Ende der Zotten fort. — Sie haben die Form eines länglichen Bechers. Der oberflächliche Theil derselben wird von der Schleim- substanz eingenommen, der tiefe Theil dagegen vom Kerm, der weder gegen die Drüsenmembran gedrückt, noch dünn und lang ist wie in anderen Drüsen. Der Kern ist gewöhnlich oval, von sehr spärlichem Protoplasma umgeben und unterscheidet sich, dem Aussehen und der Lage nach, wenig von dem des benachbarten protoplasmatischen Epithels. — Auch in den Zotten bewahren die Schleimzellen die längliche Form; doch rückt der Kerm (Fig. 2 B) etwas mehr gegen die Mitte der Zelle; das Protoplasma nimmt an Umfang zu, indem es den Kern ringsum einschliesst und den ganzen tiefern Theil der Zelle einnimmt; die Schleim- ming’scher Flüssigkeit gehärtet, in Alkohol und dann in Cedernholzöl gebracht, in Paraffin in Schnitte zerlegt, in Xylol, in Alkohol getaucht und endlich in Glycerin conservirt wurden. Die vom Osmium ge- schwärzten Fetttröpfchen bleiben sehr gut erhalten. 350 G. Bizzozero: substanz dagegen erscheint als ein dieker Klumpen, der das verbrei- terte freie Ende der Zelle einnimmt und hier austritt, um sich mit dem im Drüsenlumen enthaltenen Schleim zu vereinigen. Die Schleimsubstanz erscheint, wenn sie in frischen Drüsen!) ohne Hinzufügung von Flüssigkeit oder in einige Augenblicke vorher in Müller’scher Flüssigkeit zerzüpfelten Drüsen untersucht wird, unter der Form feiner kugelförmiger, ziemlich blasser Körnchen (Fig. 4a). Diese Structur verliert sich jedoch leicht, wie dies gewöhn- lich auch bei andern Drüsen geschieht, unter dem Einfluss der Flüssigkeiten, die wir auf die Gewebe einwirken lassen, um sie zu härten, zu untersuchen u. s. w. Paneth hat beobachtet, dass die Körnehen erhalten bleiben, wenn man zur Härtung die Stücke einen Tag oder länger in Pikrinsäure liegen lässt, und ich kann seine Beobachtung bestätigen und hinzufügen, dass sie noch besser erhalten bleiben, wenn man die Härtung in Hermann’scher Flüssigkeit vornimmt. Doch kommt sowohl bei dieser als bei jener die körnige Struetur nicht in allen Zellen gleich gut zur Erscheinung; in einigen ist sie kaum angedeutet, in andern hat die Schleimsubstanz ein homogenes Aussehen angenommen, ohne dass man den Grund für dieses verschiedene Verhalten finden kann. Die Schleimsubstanz färbt sich in den in Alkohol oder Pikrinsäure gehärteten Stücken unter dem Einfluss einer wässe- rigen Safraninlösung intensiv gelb. Die Farbe geht jedoch ver- loren, wenn man zur Conservirung des Präparats Glycerin oder auch die Zuekerlösung hinzufügt. Die Farbe bleibt dagegen in den in Pikrinsäure gehärteten Präparaten erhalten, wenn man eine schon vorher mit Safranin gefärbte Zuckerlösung hinzufügt. In den in Flemming’seher und mehr noch in den m Her- mann scher Flüssigkeit gehärteten Stücken färbt sich die Schleim- substanz schön mit Methylenblau oder mit Hämatoxylin, während alle anderen Theile des Gewebes ungefärbt bleiben. Diese Re- action ist es besonders, die, wie wir sehen werden, mir zur Lösung der Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, diente. Um nun auf die Paneth’schen Zellen zurückzukommen, 1) Beim eben getödteten Thier haftet das Epithel zäh an der Oberfläche der Schleimhaut und der Membran der Drüsen; um es zu erlangen wird man gut thun, einige Stunden vorher getödtete Thiere zu benutzen. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 351 so schien es mir anfangs, dass ich zu keinem anderen Schlusse kommen könnte, als meine Vorgänger im Studium dieser Frage. Diese Zellen schienen mir sowohl nach ihrer Form, als nach ihrer Grösse, Anordnung, nach dem starken Lichtbrechungsver- mögen und den Reactionen ihrer Körnchen ganz und gar ver- schieden zu sein von den Schleimzellen. Doch ein eingehenderes Studium liess mich erkennen, dass zwischen einer Zellenform und der anderen stets abgestufte Uebergangsformen existiren, und ich kam so nach und nach zu der festen Ueberzeugung, dass diePaneth- schen Zellen nur die jugendliche Form der Schleimzellen sind. Zu dieser Erkenntniss gelangt man mit ganz verschiedenen Präparationsmethoden. Wenn wir z.B. ganz dünne Schnitte von in Flemming’scher Flüssigkeit gehärteten Drüsen untersuchen, die mit Saffranın gefärbt sind!) und in Damarharz eingeschlossen wurden, scheint es auf den ersten Blick, dass die Paneth’schen Zellen mit den Schleimzellen nichts gemein haben. Jene (Fig. 1 e) haben eine sehr breite Basis und sind oft pyramidenförmig; ihr Kern liegt quer zur Achse des Elements und zeigt durch häufige Einbuchtungen unregelmässig gestaltete Umrisse; in ihrem Proto- plasma sind die charakteristischen rundlichen oder ovalen Körn- chen in grosser Zahl vorhanden, die intensiv roth gefärbt und von verhältnissmässig bedeutender Grösse sind. Doch ist diese Grösse nicht bei allen die gleiche; gewöhnlich ist sie geringer in dem dem Drüsenlumen zugewendeten Theil der Zelle, be- trächtlicher dagegen in dem Theil, in welchem der Kern sich be- findet. Die Körnchen scheinen in eine farblose, sehr durchsich- tige Substanz getaucht, und nur auf äusserst dünnen und mit den besten Objeetivlinsen untersuchten Schnitten vermag man zu erkennen, dass die Körnehen wie in den Maschen eines aus sehr feinen Bälkchen bestehenden Protoplasmanetzes liegen (Fig. 7), das sien mit grosser Treue in mehreren Figuren Nicolas’ wie- dergegeben findet). Die Schleimzellen hingegen haben die Form eines Kelches ohne Untersatz (Fig. 1 e); in dem verhältnissmässig dieken Fuss- gestell befindet sich der ovale Kern; die Höhlung des Kelches 1) Man thut gut, das Safranin in Anilinwasser aufzulösen; die gefärbten Schnitte werden entweder in Alkohol oder in einer alkoho- lischen Pikrinsäure- oder in einer 1%/„igen alkoholischen Chromsäure- lösung (Martinotti) ausgewaschen. 2) L. c. Tafel 3. 352 G. Bizzozero: wird durch den Schleim ausgedehnt, der sich wie eine durch das Safranin rosa gefärbte homogene Masse präsentirt. Keine Spur von granulöser Structur und noch weniger von durch Saffranin stark gefärbten Körnehen ist im Schleim zu entdecken. Mit der Untersuchung fortfahrend bekommt man jedoch häufig Uebergangsformen zu sehen. Vor allem bemerkt man Paneth'sche Zellen, die (wie bereits von Anderen hervorgehoben worden) nicht im Blindsack liegen, sondern sich weiter oben (Fig. 1c/), manchmal über die Mitte der Drüse hinaus befinden. Sie sind natürlich nicht mehr pyramidenförmig, sondern sind länger und schmäler geworden und nähern sich so der Form der eigentlichen Schleimzellen. Wie in diesen ist der Kern be- strebt eine parallel zur Längsachse der Zelle gerichtete Lage einzunehmen. Sie enthalten noch zahlreiche stark gefärbte Körn- chen, deren Grösse jedoch etwas abgenommen hat. Weiter sieht man Zellen, die man wegen der safranino- philen Körnchen, die sie enthalten, noch als zur Kategorie der Paneth’schen Zellen gehörig erkennt; doch sind die Körnchen klein, sehr klein geworden (Fig. 1 d, Fig. 5a und b), der Zellkörper und der Kern haben die Form der entsprechenden Theile der Schleimzellen angenommen, und ausserdem hat eine bemerkens- werthe Modification in der zwischen den Körnchen liegenden Substanz stattgefunden: dieselbe ist reichlicher gewor- den und hat die Eigenschaft angenommen, dass siesiehmitSafranin rosafärbt, und zwar mitder gleichen Intensität wie der Schleim der Scehleimzellen. Die letzte Uebergangsform wird durch Zellen dargestellt, die den Schleimzellen in allem gleichen, die aber noch, in ihrem Schleim zerstreut, äusserst feine und intensiv roth gefärbte Körn- chen als ein Zeichen ihrer primitiven Abstammung aufweisen. Die Färbung mit Safranin ist nicht die einzige, die diese Eigenthümliehkeiten darthut. Wenn in Flemming’scher Flüssigkeit gehärtete Sehnitte mit Vesuvin gefärbt werden, heben sich die schleimbereitenden Zellen von den zwischen ihnen liegenden Protoplasmazellen durch die grössere Homogenität und das stärkere Liehtbrechungsver- mögen ihres Schleiminhaltes ab, sowie durch das intensivere . Colorit, das ihnen vom Vesuvin ertheilt wurde. Nun. wohl, jene schleimbereitenden Zellen, welche im tieferen Theil der Drüse Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 353 liegen, zeigen oft, in ihrem Schleim zerstreut, glänzende Körn- chen, die, was Lichtbrechungsvermögen und Schärfe der Umrisse betrifft, ganz und gar den m den Paneth'schen Zellen befind- lichen gleichen, von denen sie sich nur durch einen kleineren Durchmesser unterscheiden. Noch elegantere und überzeugendere Figuren erhält man dureh Färbung der Schnitte mit Methylenblau oder Hämatoxylin, welche die Kerne nur sehr wenig, die Schleimsubstanz dagegen intensiv färben. Fig. 3 ist einem mit Methylenblau gefärbten Präparat entnommen. Man bemerkt dort die Paneth’schen Zellen aa, die sich im Blindsack befinden. Weiter oben sieht man zwei Zellen bb derselben Art, die jedoch kleinere Körn- chen enthalten, namentlich in der Nähe des freien Endes der Zelle; die zwischen diesen klemen Körnchen liegende Substanz hat bereits eine ähnliche blaue Farbe angenommen, wie sie für die Schleimsubstanz charakteristisch ist. In e endlich sieht man den optischen Querschnitt einer Zelle, die, obgleich sie noch äusserst kleine Körnchen zeigt, dem Aussehen und der Färbung der zwischen den Körnehen liegenden Substanz nach sich doch in nichts von den wirklichen Schleimzellen unterscheidet. Nach diesen Resultaten wollte ich nun versuchen, die Gegen- probe zu erhalten, indem ich die gelbe Reaction anwendete, die den Schleim darbietet, wenn die Schnitte von in Alkohol oder in Pikrinsäure gehärteten Präparaten mit einer concentrirten wässerigen Safraninlösung behandelt werden. Das Resultat konnte kein günstigeres sein. Nach einer halben Stunde erlangt man eine vollständige Differenzirung: die Körnchen der Paneth- schen Zellen zeigen eime lebhaft rothe Farbe, wie das Proto- plasma und der Kern, und die zwischen ihnen liegende Sub- stanz bleibt ungefärbt oder nimmt eme etwas gelbliche Farbe an; die vollkommenen schleimbereitenden Zellen dagegen werden von einem aufgequollenen und gelb gefärbten homogenen Schleim- substanzklümpehen ausgedehnt. Zwischen jenen Zellen und diesen existirt sodann eine ganze Reihe von Uebergangsformen, darge- stellt durch Zellen, deren Seeret immer, kleiner werdende rothe Körnchen, getaucht in eine immer reichlicher werdende und in- tensiv gelb gefärbte Substanz, enthält !). 1) Diese Präparate konnte ich eonserviren dadurch, dass ich 354 G. Bizzozero: Mit diesen verschiedenen Methoden hatte ich also das Vor- handensein von Uebergangselementen zwischen den Paneth’schen Zellen und den Schleimzellen nachgewiesen, welche, abgesehen von den anderen Modificationen, diese Eigenthümlichkeit zeigen, dass ihr Seeret aus Körnehen besteht, welehe die Reactionen der Paneth’sehen Körnehen darbieten, und in eine Substanz ge- taucht sind, die dagegen die Reaetionen der Schleimsubstanz zeigt. Diese zwischen den Körnchen liegende Substanz schien mir gewöhnlich ein homogenes Aussehen zu haben; nie, auch nicht bei Härtung in Pikrinsäure, hatte ich m ihr klar und deutlich jene granulöse Structur gesehen, welche eben die Pikrin- säure im Schleim, wenn nicht aller so doch einer gewissen Zahl von Schleimzellen eonservirt. Es leuchtet ein, wie wichtig es für mich war, diese granulöse Structur zu erkennen, denn das wäre ein anderer und sehr wichtiger Beweisgrund zur Feststellung der schleimigen Natur der in Rede stehenden Substanz gewesen. Ich erreichte meinen Zweck dadurch, dass ich zur Härtung die Hermann’sche Flüssigkeit anwendete. Wenn ganz dünne Schnitte (von weniger als 5 u Dicke) von in dieser Weise ge- härteten Stücken mit Hämatoxylin gefärbt und bei starker Ver- grösserung untersucht werden, gewahrt man (Fig. 6a), dass die violette Färbung sich ausschliesslich auf dem Secret der Sehleim- zellen fixirt hat — alle anderen Theile des Gewebes sind ungefärbt geblieben — und dass dieses Secret aus Kkugelförmigen oder (infolge des gegenseitigen Drucks) etwas polyedrischen Körnchen mit wenig markirten Umrissen, und von merklich gleicher Dicke in einer und derselben Zelle besteht. Um dieses Resultat zu er- langen, ist es nothwendig, dass der Schnitt sehr dünn, das Objeetiv tadellos und mit homogener Immersion und das Licht eine mit Safranin gefärbte concentrische wässerige Zuckerlösung an- wendete. In diesen Präparaten, die ich seit länger als einem Jahre conservire, sieht man, dass in nicht wenigen Pan eth'schen Zellen die Körnehen eine gelbrotheFarbeangenommen haben, während sie in den anderen immer lebhaft roth gefärbt erscheinen, was beweist, dass auch die wirklichen Paneth’schen Körnchen nicht immer einander gleich sind. Dies bestätigt sich auch in den in Flemming'’scher oder Hermann ’'scher Flüssigkeit gehärteten, mit Safranin gefärbten und in Alkohol, Bergamottöl und Canadabalsam gebrachten Präparaten; die kleineren Körnchen färben sich viel inten- siver als die grösseren. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 355 sehr lebhaft sei; ist das natürliche Lieht schwach, so ersetze man es durch künstliches Lieht. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt. so kommt die körnige Structur nicht immer zur Erscheinung, dlenn da die Körnehen ziemlich undeutliche Umrisse haben, treten diese nicht hervor und das Schleimklümpehen macht den Eindruck, als habe man eine homogene blaue Masse vor sich. Die violette Färlung ist lebhafter und die Körnehen treten deutlicher hervor in den Schleimzellen der Drüsen als in denjenigen der Zotten- oberfläche. Bei Anwendung von Hämatoxylin bleiben die Körn- chen der Paneth’schen Zellen ungefärbt. Lässt man dagegen der Behandlung mit Hämatoxylin die Färbung mit Safranin vorausgehen !), dann erhält man eine Doppel- färbung; die Körnchen der Paneth’schen Zellen (ebenso wie die Kerne, besonders die in Mitosis befindlichen) nehmen eine glän- zend rothe Farbe an, während die Körnchen der Schleimklümpehen sich violett färben. Nun wohl, untersucht man in diesen Präparaten die Seeretklümpehen jener Zellen, die ich als Uebergangszellen bezeichnete, dann sieht man, dass sie aus zwei Arten von Körncehen bestehen: aus violetten Körnchen, zwischen denen sich Körnehen von lebhaft rother Farbe befinden. Ob- gleich die ersteren keine sehr deutlichen Umrisse haben und die letzteren äusserst klein sind, so tritt doch, wenn man mit einem apochromatischen homogenen Objeetiv und mit weiter Oeflnung 1) Die ganz dünnen Schnitte werden mittelst einer sehr ver- dünnten Eiweisslösung auf dem Deckgläschen fixirt und mittelst Xy- lols vom Paraffin und darauf mittelst absoluten Alkohols vom Xylol befreit. Sodann lässt man das Gläschen auf einer verdünnten Safra- ninlösung (8 Tropfen concentrirter wässeriger Safraninlösung auf 1 Gramm Wasser), die man in ein Uhrgläschen thut, schwimmen, erhitzt diese bis sich Dämpfe zu entwickeln anfangen und überlässt sie dann ein paar Stunden lang sich selbst. Darauf: Auswaschen, einige Se- eunden lang, in absolutem Alkohol, Immersion, 15 Minuten lang, in Hämatoxylin, Auswaschen, einige Secunden lang, in destillirtem Was- ser, Einlegen auf einige Secunden in mit HCL (0,5 °/,) gesäuerten Al- kohol und endlich Auswaschen, einige Minuten lang, nBrunnen- wasser. Einlegen in absoluten Alkohol, Bergamottöl und Damarharz. Man achte darauf, dass die Färbung mit Hämatoxylin keine zu inten- sive sei, denn sonst werden in den Uebergangszellen die feinen sa- franinophilen Körnchen innerhalb des blau gefärbten dicken Schleim- klümpcehens nicht sichtbar. 356 G. Bizzozero: des Abbe’schen Apparats untersucht, der Farbenunterschied der Körnehen sehr deutlich hervor (Fig. 6b). Diese Beobachtungen zeigen also, dass die Paneth’schen Zel- len junge Schleimzellenformen darstellen. Sie secerniren grosse, glänzende, safraninophile Körnchen, die sie in das Drüsen- lumen ergiessen. Aelter werdend fahren sie eine gewisse Zeit lang fort, Körnchen von gleicher Natur zu secerniren, die jetloch kleiner sind; und gleichzeitig scheiden sie auch Körnchen aus, die sich intensiv mit Hämatoxylin färben. In einem weitern Stadium hört die Erzeugung von safraninophilen Körnchen ganz und gar auf und das Secretklümpehen wird gänzlich von mit Hämatoxylin färbbaren Körnchen gebildet; die Zelle ist so eine wirkliche Schleimzelle geworden. Während nun diese Verände- rungen im Innern der Zelle stattfinden, nimmt diese auch die den Schleimzellen eigene Kelchform an und rückt allmählich vom Blindsack der Drüsen nach deren Mündung hinauf, und dann auch auf die Zotten. Die Paneth’schen Zellen mit kleinen Körnehen sind auch von Nieolas beobachtet worden; doch hielt er sie für die Junge Form der Paneth’schen Zelle, deren ausgewachsene Form grössere Körnchen ausgeschieden haben würde; während aus meinen Un- tersuchungen, wie wir gesehen haben, das vollständige Gegen- theil hervorgeht. Früher hätte die Thatsache, dass die Schleimzellen beim Aelterwerden die ehemische Natur ihres Seerets veränderten, son- derbar erscheinen können. Doch kann sie uns nieht mehr be- fremden jetzt wo wir gesehen haben, wie bei allen bis jetzt studirten T'hieren, wenn man vom Blindsack der Drüse gegen deren Mündung vorschreitet, eine mehr oder weniger erhebliche Modification der Merkmale des Schleims stattfindet. Diese Unter- schiede, die wir nun im Duodenum der Maus beobachtet haben, sind sicherlich nicht grösser als diejenigen, die ich bei den Schleimzellen des Reetums vom Kaninchen beschrieben habe, welche letzteren sich, je nach ihrer Lage in der Drüse, der Essigsäure und den Farbmitteln gegenüber so verschieden verhalten. Die Zellenerzeugung in den schlauchförmigen Drüsen des Duodenum der Maus ist eine sehr lebhafte; das wird durch die zahlreichen Mitosen bewiesen, die man in jeder Drüse wahrnimmt und die die Aufmerksamkeit Aller, die sich in diesen letzten Jahren Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 357 mit dem Gegenstand beschäftigten, erregt haben!). Sie werden in der Regel in der tiefern Hälfte der Drüse angetroffen; selten findet man sie in der oberflächlichen Hälfte, und noch seltener in der Nähe der Mündung. Die Mitosen fangen im Blindsacke an; zuweilen sieht man sie an der äussersten Spitze des Blind- sacks zwischen je zwei Paneth’schen Zellen. Der Körper der in Mitosis befindlichen Zellen schien mir immer protoplasmatisches Aussehen zu haben. Zum Unterschied von dem, was man so häufig in den Reetumdrüsen des Hundes beobachtet, sah ich keine in Mitosis befindlichen Kerne in Zellen, die schon Schleim enthielten, was jedoch nicht sagen will, dass es in ihnen keine solche gebe. Darmschleimhaut von der Drüsen ermangelnden Thieren. Nachdem wir nun gesehen haben, welchen bedeutenden An- theil die schlauchtörmigen Drüsen an der Regeneration des Darm- epithels haben, wird es uns interessiren zu erfahren, wie diese Regeneration bei solchen Thieren stattfindet, deren Darm keine schlauehförmigen Drüsen besitzt. Sind es hier vielleicht die Epi- thelzellen der freien Oberfläche, welche an der gleichen Stelle, wo sie ihre Funetion ausüben, sich durch Mitosis vermehren ? Um diese Frage zu beantworten, werden wir den Darm einiger dieser Thiere untersuchen. Es ist nothwendig, die Unter- suchung nicht an einer Species allein, sondern an mehreren vor- zunehmen, weil der Darm einiger uns den Regenerationsprozess in seinem einfachsten Ausdrucke darbietet; während der Darm anderer, wie z. B. der des Tritons uns schon eomplieirtere Figuren zeigt und deshalb eine Uebergangsform zu dem mit Drüsen verse- henen Darm der höheren Thiere darstellen kann. Darm des Tritons. Beim ausgewachsenen Thiere hat er, vom Magen bis zum After genossen, eine Länge von etwa I4—18 em. Er hat nicht überall den gleichen Durchmesser; er ist dieker an dem vorderen 1) Neuerdings hat Reinke einige sonderbare Structureigen- hümlichkeiten dieser in Mitosis befindlichen Kerne beschrieben. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 24 358 G. Bizzozero: Theile, wo er (in mit Kleinenberg’scher Flüssigkeit und Alkohol sehärteten Präparaten) einen Durchmesser von 2—2,5 mm hat, während er im hinteren Theile wenig mehr als Imm im Durch- messer misst. — Der Länge nach aufgeschnitten, gewahren. wir auf seiner Schleimhaut keine wirklichen Zotten. Dieselbe bildet vielmehr aneinandergrenzende Falten, welche, je nach dem Theil des Darms, in welchem sie ihren Sitz haben, eine verschiedene Configuration und Anordnung zeigen. Im hinteren Theile sind sie der Längsachse des Darms entsprechend gelagert, haben einen regelmässig wellenförmigen Verlauf und die zwischen ihnen be- stehenden Beziehungen sind derartige, dass die Convexitäten einer Falte sich den Concavitäten der ihr unmittelbar seitlich anliegenden Falte anpassen (Taf. XIX, Fig. 5). Im vorderen Theile des Darms dagegen wird der Verlauf der Falten, je mehr wir uns dem Magen nähern, immer unregelmässiger, die Ondulationen bilden sich in eine Ziekzacklinie um und die Ziekzacklimien der verschiedenen Falten verschmelzen mit einander. Ausserdem sind im hinteren Theile des Darms, da derselbe hier enger ist, die Falten niedriger, dieker, näher an einander gelegen und höchstens in einer Zahl von zehn vorhanden; während sie im vorderen Theile viel höher und dünner sind und in jedem Querschnitt dieses Darm- abschnitts in einer Zahl von 14—16 wahrgenommen werden. Die Darmschleimhaut ermangelt der schlauchförmigen Drüsen. Hier befinde ich mich nieht in Uebereinstimmung mit Paneth, der (l.e. p. 174) schreibt: „Beim Triton hingegen, dessen Dünn- darm sehr schöne, sogar verzweigte Krypten hat, setzt sich das Epithel unterschiedlos, mit einem sehr deutlichen Stäbehenbesatz versehen, in dieselben fort“ und seine Behauptung mit einer Fi- gur belegt (l. e. Fig. 7 a), die eine Drüse darstellen soll, welche, sich gabelförmig theilend, mit zwei Blindsäcken endigt. "Ich glaube, dass Paneth die von ihm gezeichnete Figur wohl ge- sehen, aber nicht richtig gedeutet hat. Sie stellt nichts anderes dar als den Vertiealschnitt von Darmfalten, die dicht aneinander liegen und so das Aussehen einer Drüse bieten. Die Darmfalten theilen sich oft in ihrem Verlauf. Nun wohl, macht man Schnitte an der Stelle, wo die Theilung eben erst begonnen hat, dann sind die aus jener Theilung hervorgehenden beiden Falten noch ganz nahe beieinander gelegen und simuliren den Längsschnitt einer Drüse; je weiter entfernt von der Theilungsstelle man da- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 359 gegen die Schnitte macht, desto mehr entfernen sich die beiden Falten von einander und werden von einander unabhängig. Ich glaube, dass Paneth, wenn er Schnitte in Serien gemacht hätte, sich hiervon leicht überzeugt haben würde. Die von ihm wie- dergegebene Figur stellt eine noch niedrige Falte dar, die zwischen zwei viel höheren ihren Ursprung nimmt. Wegen des oben beschriebenen wellenförmigen Verlaufs der Darmfalten werden bei einem Verticalschnitt der Darmwände die Epithelzellen nicht alle ihrer Länge nach durehschnitten, wie es der Fall sein würde, wenn die Schleimhaut eine glatte Ober- fläche hätte. Auch wenn man den Darm ganz genau in seiner Quere durchschneidet (Fig. 9) werden einige Falten quer getroffen, andere hingegen (und das sind die zahlreichsten) unter verschie- denen Schiefgraden. Dementsprechend werden dabei auch die sie auskleidenden Epithelzellen sehr häufig schief oder quer dureh- schnitten. Das ist der Grund, weshalb die Präparate vom Epithel des Tritons weniger demonstrativ und weniger deutlich ausfallen, als man auf Grund der bedeutenden Grösse der dasselbe bilden- den Elemente annehmen möchte. Das Epithel, wenigstens soweit es dasdieobere Hälfte der Falten auskleidende Epithel betrifft, ist schon vielfach beschrieben worden (von den neueren Beschreibungen führe ich hier die Paneth’s und Nicolas’ an), sodass ich mich hier nicht lange aufzuhalten brauche. Es wird (Fig. 11 A) von grossen Protoplasmazellen mit diekem gestricheltem Saum gebildet, zwischen denen sich beeherförmige Zellen befinden. Diese letzteren haben einen in der Richtung der Längsaxe der Zelle ausgedehnten ovalen Kern, der (im Gegensatz zu dem was man bei anderen Thieren beobachtet) nicht gegen die Basis der Zelle gedrängt wird, sondern in einer gewissen Entfernung von derselben liegt. Er pflegt sich etwas intensiver zu färben als die Kerne der Pro- toplasmazellen. Zwischen den Zellen sieht man oft Leukoeyten (Fig. 11 A), und diese können sich sowohl gegen die Basis, als gegen das freie Ende der Elemente hin befinden. Ausserdem beobachtet man im Innern einer gewissen Anzahl Protoplasma- zellen Vaeuolen, in denen sich (Fig. 11 A) kugelrunde Körper- chen von verschiedenem Durchmesser befinden, welche oft einen Theil der sie bildenden Substanz von den Kernfärbemitteln stark gefärbt zeigen. Diese encelaves wurden vor Kurzem eingehend 360 G. Bizzozero: von Nicolas beschrieben, der sie für ein besonderes Sekretions- product der Protoplasmazellen hält. Ich bleibe dabei, aus Grün- den, die ich an anderer Stelle sagen werde, sie für’ ein Produet des Zerfalls der in die Epithelschieht eingewanderten und später in den Körper der protoplasmatischen Epithelzellen gelangten Leukoeyten zu halten. Die Schleimzellen sind ziemlich regelmässig in der Epithel- schicht vertheilt. Ihr numerisches Verhältniss zu den Protoplas- mazellen lässt sich aus den Fig. 10 und 12 ersehen. Die die obere Hälfte der Falten auskleidenden Zellen lie- gen hier in einer einzigen Schicht. Von Ersatzzellen ist keine Spur vorhanden. Ausserdem befinden sich ihre Kerne alle im Ruhezustand. Einen Kern, der sich in Mitosis befände, habe ich nie beobachtet. Wie regeneriren sich also diese Elemente? Existirt ausserhalb der Epithelschicht ein Erzeugungsherd der- selben, der den schlauchförmigen Drüsen der Säugethiere ent- spricht ? Um eine Antwort hierauf zu finden, müssen wir das die untere Hälfte der Falten bekleidende Epithel stu- diren, das sich auf den durch die Vereinigung der Grundflächen zweier benachbarter Falten gebildeten Wölbungen (Fornices) fort- setzt. Diese ganze Epithelzone werden wir der Kürze halber Epithel der Fornices nennen (Fig. 12 y), während wir das obenbeschriebene, die obere Hälfte der Falten bekleidende Epithel als Epithel der Kämme bezeichnen werden (BEER Vergleicht man nun das Epithel der einen Zone mit dem der “ndern, dann gewahrt man mehrere Unterschiede. Vor allem pflegen die Zellen der Wölbungen (Forniees) etwas kleiner als die der Kämme zu sein, wie aus.dem Vergleich von A und B in Fig. 20 hervorgeht. Was die Constitution der Zellen anbetrifft, variirt die der Protoplasmazellen von einer Zone zur andern nicht in erheblichem Grade. Ueberall wird das Protoplasma von’ einem feinen Netz- werk mit in der Richtung des grössern Durchmessers der Zelle ausgezogenen Maschen gebildet, das besonders in mit Pikrinsäure, Safranin und Zuekerlösung behandelten Präparaten deutlich her- vortritt. Die Umrisse der Zellen treten etwas weniger in der Zone der Wölbungen hervor. — Was den gestrichelten Saum an- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 361 belangt, so ist derselbe vorhanden und ist von bedeutender Dieke in beiden Zonen, sogar bei den die tieferen Theile der Fornices bekleidenden Zellen. Im Ganzen genommen existiren zwischen den Protoplasma- zellen der beiden Zonen nicht jene erheblichen Unterschiede, die wir bei den Säugethieren zwischen den Zellen der Drüsenblind- säcke und jenen der freien Darmoberfläche wahrgenommen haben und die in der verschiedenen Dichtigkeit des Protoplasmas und im Fehlen des gestrichelten Saumes bestehen. Die einzigen An- zeichen, die die Zellen der Fornices als die jüngeren erscheinen lassen könnten (und sie sind in Wirklichkeit von geringem Be- lang), wären ihr geringerer Durchmesser und die geringere Deut- lichkeit ihrer seitlichen Umrisse. Deutlicher treten die Unterschiede dagegen bei den Schleim- zellen hervor. Sie betreffen nieht so sehr die Form der Zelle als vielmehr die Merkmale des in ihr enthaltenen Schleims. Der Schleim erscheint bei den im frischen Zustande unter- suchten Elementen in allen Zellen unter der Form homogener Körnehen mit wenig markirten Umrissen. Wird dagegen der Darm mit den verschiedenen zur Härtung dienenden Flüssigkeiten behandelt, dann gewahrt man, dass das Verhalten des Schleims, je nach den Zellen die man betrachtet, ein verschiedenes ist und dass bei vielen derselben (wie wir dies übrigens auch schon bei den Säugethieren gesehen haben) die meisten der obengenannten Flüssigkeiten die granulöse Struetur mehr oder weniger verschwin- den machen. Nunwohl, im allgemeinen kann man sagen, dass diese Structur um so besser erhalten bleibt, je tiefer die Schleim- zellen in den Fornices gelegen sind, während sie in den auf den Kämmen der Darmfalten gelegenen Zellen leicht verschwindet. Dieser Unterschied tritt sehr deutlich bei den in Pikrinsäure ge- härteten, mit einer wässerigen Safraninlösung gefärbten und in concentrirter Zuekerlösung conservirten Präparaten hervor \). Zelle b der Fig. 14 hatte in einer Fornix ihren Sitz und man 1) Der nicht geöffnete Darmabschnitt wurde auf einige Stun- den in Kleinenberg'sche Flüssigkeit, dann auf einen Tag in 50%,igen Alkohol und auf einen Tag in 70°%/,igen Alkohol gelegt, end- lich 12 Stunden lang in fliessendem Wasser ausgewaschen und, nach- dem er die gewöhnliche Reihe der Manipulationen durchgemacht, in Paraffin eingeschlossen, 362 G: Bizzozero: bemerkt bei ihr (abgesehen von den Besonderheiten der Form, von denen ich später sprechen werde), dass das Schleimklümpehen von einem Aggregat gut begrenzter Körnehen gebildet wird; noch deutlicher sieht man diese Körnchen, zerstreut und isolirt, in jener Protoplasmazone, die sich zwischen dem Schleimklümpchen und dem Kern befindet. — Zelle e dagegen ist einem Kamme entnommen. In derselben ist das Schleimklümpehen in eine ho- mogene Substanz reducirt, in welcher sich ein feines nnd zierliches Netzwerk ausbreitet. Bei starker Vergrösserung erkennt man, dass die Bälkehen desselben kreisförmige Maschen begrenzen. Diese Form der Maschen lässt sich leicht erklären; dureh die Einwirkung der angewendeten Reagentien haben die kugelförmigen Schleimkörnchen dieser Zellen, indem sie blass wurden und auf- quollen, ihre Umrisse verloren und das Aussehen einer homogenen Masse angenommen; dadurch ist die zwischen den einzelnen Körn- chen liegende Substanz zur Erscheinung gekommen, welche, in Anbetracht der Kugelform der Körnchen, die Configuration eines Netzes mit kreisförmigen Maschen haben muss. Doch ist es nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass man in diesen aufgequollenen Schleimklümpehen oft, wie eben bei der Zelle der Fig. I4e, Körnehen bemerkt, die ihre Individualität bewahrt haben und denjenigen der Zelle b sehr ähnlich sind. Bei den in Alkohol allein, oder vorher im Sublimat (Subli- mat 2, Chlornatrium 1, Wasser 100) und dann in Alkohol gehär- teten Präparaten verändert sich die granulöse ‚Structur der Schleimsubstanz noch mehr. Die Körnchen quellen derart auf, dass das dazwischen liegende Netzwerk auseinandergeht und so das Schleimklümpehen wie eine homogene Masse erscheint, in welcher unregelmässig gestaltete Körnchen, die die Ueberbleibsel des Netzes darstellen, zerstreut liegen. Auch beim Triton bleibt die granulöse Structur des Schleims am besten in solehen Präparaten erhalten, die inHermann- scher Flüssigkeit gehärtet, verschiedenartig gefärbt und in Cana- dabalsam oder Damarharz eingeschlossen wurden. Hier wird sie sowohl in den Zellen der Fornices als in jenen der Kämme be- obachtet, doch ist auch hier zwischen diesen und jenen ein Unter- schied: denn in der Forniees tritt sie deutlich in fast allen Zellen (Fig. 11 B), und in einigen sogar sehr deutlich hervor, sodass man die Umrisse und die Grösse jedes Körnchens unterscheiden Ueber die schlauchförinigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 363 kann; auf den Kämmen dagegen sind die Körnehen nicht selten zu compacten Haufen vereinigt (Fig. 11 A), in welchen sich ihre Umrisse nicht deutlich erkennen lassen. Werden die Schnitte von in Hermann’scher Flüssigkeit gehärteten Stücken nicht in Balsam gebracht, sondern ohne Weiteres in Wasser untersucht, dann gewahrt man einen andern Unterschied: Im ‚Schleim der Zellen der Kämme und einiger Zellen der Fornices werden die Körnehen unter der Einwirkung des Wassers blass und lassen das zwischen ihnen liegende Netz- werk erkennen; während in den anderen Zellen der Fornices die Körnehen unverändert bleiben und nur etwas aufquellen. Diese Veränderungen kann man selbst stattfinden sehen, wenn man den Schnitt zuerst in einem Tropfen Alkohol untersucht und dann auf einer Seite des Deckgläschens einen Tropfen Wasser hinzu- thut und die Einwirkung desselben auf die Elemente des Schnittes verfolgt. Von Wichtigkeit ist sodann die Thatsache, dass sowohl in diesen Präparaten wie in den mit Pikrinsäure, Sublimat oder Alkohol behandelten keine markirte Grenze zwischen den Zellen der einen und der andern Art existirt; es sind zahlreiche Ueber- gangsstadien vorhanden zwischen den Zellen, in denen die Körn- chen sich erhalten und jenen, in denen sie.sich zu einer homo- genen Masse verschmolzen haben. Solche Uebergangsstadien können sogar in einer und derselben Zelle beobachtet werden. — Das in Fig. 15 dargestellte Gebilde befand sich an dem unter- sten Theil einer Fornix und war in Hermann’scher Flüssigkeit gehärtet worden. In einem Tropfen Alkohol untersucht, hatte seine ganze Schleimmasse eine granulöse Struetur; als darauf ein Tropfen Wasser beigefügt wurde, traten die Körnchen deutlich und isolirt nur in der Nähe des Kerns hervor, während die gegen das freie Ende der Zelle gelegenen Körnchen zu einer von dem gewöhnlichen Netzwerk durchzogenen homogenen Schleim- masse verschmolzen, sodass sie sich nur noch dureh die (ihnen von der Hermann’schen Flüssigkeit verliehene) braunere Farbe vom Schleim der auf dem Kamme gelegenen Zellen unterschieden. Diesen morphologischen Unterschieden zwischen dem Schleim der Fornices und dem der Kämme entsprechen auch Unterschiede im Verhalten der verschiedenen Färbemittel gegenüber. In der folgenden Tabelle gebe ich die Unterschiede an, welche noch 364 G. Bizzozero: jetzt in den Präparaten, die dieser meiner Darlegung als Grund- lage dienen und die ich in den Monaten April bis Juni 1890 an- fertigte, deutlich hervortreten, Unterschiede also, welche sich in 19—21 Monaten noch nicht verwischt haben. Präparationsmethode. |JungerSchleim.| Ausgew. Schleim. 1. Alkohol, Safranin, Zucker. | Kastaniengelb. Schwefelgelb. 2.Kleinenberg’sche Flüs-| Kastaniengelb. |Hellgelb, fast schwe- sigkeit, Safranin, Zucker. felgelb. 3.Hermann'’sche Flüssig- Bräunlich. Weniger intensiv keit, Untersuchung in bräunlich. Wasser. 4.Hermann’sche Flüssig- | Safraninroth. Gelb oder rothgelb. keit, Safranin, Chrom- | Alkohol, Alkohol, Damar- harz. | 5.Hermann'’sche Flüssig- | Rothviolett. Kastaniengelb. . a . I keit, Safranin, Zucker. 6.Hermann'sche Flüssig-| Fast farblos. Intensiv violett. keit, Hämatoxylin, al- kohol. Salzsäurelösung, Damarharz. Als jungen ‚Schleim habe ich hier solchen betrachtet, der eine deutlich körnige Structur hat und dieselbe den Reagentien gegenüber am zähesten bewahrt; er befindet sich, wie ich schon sagte, in einer gewissen Zahl Zellen des Epithels der Fornices, besonders in dem am tiefsten gelegenen Theil dieser letzteren. Wir werden später sehen, welche Gründe mich bewogen, ihn als jungen Schleim zu betrachten. Betreffs des ausgewachsenen Schleims hielt ich mich an die becherförmigen Zellen des Epi- thels der Kämme. Ich habe also zwei extreme Typen in Betracht gezogen. Denn auch hier beeile ich mich zu bemerken, dass zwischen diesen Extremen alle Uebergangsstadien vorhanden sind; und so findet man z. B. in den Präparaten der Nr. 1 zahlreiche Zellen, deren Schleim bei der Färbung alle Abstufungen vom Kastanien- gelb zum Schwefelgelb darbietet, in denen der Nr. 4 Abstufungen vom Roth zum Gelb u. s. w. In der Darmschleimhaut des Tritons giebt es also. nicht zwei in der Form und der Constitution des betreffenden Schleims immer und deutlich sich voneinander unterscheidende Schleim- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 365 zellenarten; sondern es giebt zwei durch eine Reihe von Ueber- gangsstadien miteinander verbundene Schleimzellenformen. Wenn nun die Beschreibung, die ich bisher vom Darm- epithel des Tritons gegeben habe, uns gestattet hat, Untersu- chungen zwischen den dasselbe bildenden Protoplasma- und Schleimzellen zu finden, je nach der Stelle, an welcher sie in der Schleimhaut gelegen sind, so hat sie uns doch noch nicht in den Stand gesetzt, die Frage zu beantworten: wie regeneriren sich die Elemente des Epithels? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir vor allem un- tersuchen, ob unter den den Darm des Tritons auskleidenden eylindrischen Zellen solche vorhanden sind, die im Begriffe stehen, sich zu theilen. Nun wohl, in ihren Kernen habe ich nie Figuren gesehen, die auf eine direete Theilung hindeuteten. Dagegen habe ich zuweilen ganz deutliche mitotische Kerne gesehen, welche, wie die in den schlauchförmigen Drüsen der Säugethiere existirenden, der Oberfläche näher liegen als die im Ruhezustand befindlichen Kerne (Fig. 16). Doch muss ich gleich bemerken, dass diese Mitosen äusserst selten sind. Auf fast 500 vollständigen Schnitten vom Darm des Tritons, die ich noch bewahre und die so präpa- rirt wurden, dass sie die in ihnen enthaltenen Mitosen aufweisen mussten, gelang es mir nur drei solehe Mitosen aufzufinden. Zwei befanden sich an der Basis einer Falte, die dritte auf deren Scheitel. Diese spärlichen Mitosen reichen also nicht aus, um die Regeneration des Darmepithels zu erklären; wir müssen die Lösung der Frage wo anders suchen. Man findet die Lösung der Frage nur, wenn man den tieferen Theil der Epithelschieht untersucht. Und hier gewahren wir wieder Unterschiede zwischen dem Epithel der Kämme und dem der Fornices. Das erstere ist ein einfaches, nur aus einer Zellen- sehieht bestehendes Epithel. Das letztere dagegen zeigt uns zwischen den tieferen Enden seiner eylindrischen Zellen andere Zellen (Fig. 10e), welche sich, je nach dem Punkte den man be- trachtet, in verschiedener Zahl darbieten. Bald sind sie nämlich spärlich und in einer gewissen Entfernung von einander gelegen (Fig. 11 B), bald bilden sie eine fast ununterbrochene Lage oder sind, sogar auf gewissen Strecken, in zwei Lagen angeordnet. Besonders muss man vorsichtig zu Werke gehen, um das 366 G. Bizzozero: Vorhandensein dieser Lage tiefer Zellen festzustellen, denn wenn man z. B. schräg zur Längsachse der eylindrischen Zellen gerichtete Schnitte macht, kann es geschehen, dass der Unerfahrene Figuren vor sich hat, die er als zu einem geschichteten Epithel gehörig deutet, auch wenn es sich um ein aus einer einzigen Lage be- stehendes Epithel handelt. Und diese Schrägheit der Schnitte ist, wie gesagt, beim Darm des Tritons, wegen des unbeständigen Verlaufs semer Falten, sehr häufig. Um alle Irrthumsquellen zu vermeiden ist es nothwendig ganz dünne Schnitte anzufertigen, die verschiedenen zu einer und derselben Serie gehörigen Schnitte untereinander zu vergleichen und dafür zu sorgen, dass die ey- lindrischen Zellen parallel zu ihrer Längsachse getroffen werden. Im Darmepithel des Tritons existiren‘ 215% wahre Ersatzzellen; es verwirklicht sich hier was man irrthümlich beim Darmepithel der Säugethiere angenommen und beschrieben hatte. — Doch noch mehr. — Diese Ersatzzellen nehmen nicht nur den zwischen den unteren Enden der eylindri- Zellen frei gelassenen Platz ein, sondern sie dringen auch in Gruppen in’s Bindegewebe der Schleimhaut em und nehmen hier dierForm'von Sprossen‘ oder epithelialen Zapfenan. Diese subepithelialen Sprossen (Fig. 12 u. 13) bleiben stets in ununterbrochenen Beziehungen mit der den Darm bekleidenden Epithellage und erscheinen in Schnitten von sehr verschiedener Grösse. — Die kleinsten werden von wenigen Zellen dargestellt, welche zum Theil noch m dem den Darm bekleidenden Epithel liegen, zum Theil die Grenzlinie zwischen dem Epithel und der Schleim- haut unterbrechen und in diese letztere hineinragen. — Die grössten dagegen bestehen aus einigen Dutzenden von Zellen. Sie gehen mit breiter Basis von der Epithelschicht ab; kaum in (die Schleimhaut gedrungen, beschreiben sie zuweilen eine Curve, sodass sie parallel zur Oberfläche der Schleimhaut zu liegen kommen (Fig. 3 ce‘) und laufen schliesslich im ein abgerundetes Ende aus. In ihrem kurzen Verlaufe werden sie vom Ober- flächenepithel durch eine dünne Bindegewebsschicht getrennt, in weleher man nicht selten einige Blutgefässe beobachtet (Fig. 13 e). — Diese kurzen Sprossen dringen in die Schleimhaut in sehr ver- schiedener Riehtung ein, sodass man in einem und demselben Darmquerschnitt einige ihrer Länge nach, andere quer durch- Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 367 schnitten sieht (Fig. 12 u. 13). Diese letztern erscheinen sehr oft als gänzlich vom Bindegewebe eingehüllte und mit dem Ober- flächenepithel nicht mehr im Zusammenhang stehende Zellinseln, sodass man sie beim ersten Blick für selbständige Epithelzellen- inseln halten könnte. Das ist leicht begreiflich: die Fortsetzung kann man nur in jenen Schnitten wahrnehmen, die die Basis, mit welcher der Zapfen auf der betreffenden Epithelschieht aufsitzt, betreffen. Die Schnitte in Serien heben jeden Zweifel darüber. Denselben Zapfen, der in gewissen Schnitten ganz und gar isolirt scheint, sieht man in den folgenden Schnitten sich in die darüber- liegende Epithelschicht fortsetzen. Die Zahl und die Grösse dieser Sprossen variirt je nach den Regionen des Darms. In dem unmittelbar auf den Magen folgenden Darmabschnitt sind die Ersatzzellen vorwiegend in den tiefen Schichten des Oberflächenepithels gelegen; die Zapfen sind klein, kurz und werden nur in den tiefsten Theilen der For- nices an der Basis der Falten beobachtet. Weiter nach dem After gehend dagegen werden die Zapfen zahlreicher und länger und setzen sich nicht nur vom ganzen Epithel der Fornices ab, sondern steigen auch weiter hinauf und werden selbst in Bezie- hung mit dem Epithel der Kämme gesehen; in einigen Fällen habe ich Sprossen in geringer Entfernung vom Scheitel des Kamms gesehen. Die diese Sprossen bildenden Zellen sind, da sie dicht an- einander liegen, von unregelmässig polyedrischer Gestalt. Sie bestehen aus einem verhältnissmässig grossen Kern und einer Protoplasmazone, die denselben umgiebt und sehr spärlich ist, sodass die Kerne ganz nahe bei einander zu liegen kommen. Die Umrisse der Zellen sind sehr fein und ziemlich schwer zu er- kennen, selbst in Präparaten die in Pikrinsäure gehärtet wurden (Fig. 13 ec”), obgleich diese die Umrisse der oberflächlichen Epi- thelelemente doch gut zu erhalten pflegt?). Ueber ihre epitheliale Natur kann kein Zweifel obwalten, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Weil ihre Constitution dar- auf hinweist. Denn ihre Kerne differiren nur wenig von den 1) Beiläufig sei bemerkt, dass man zwischen den Zellen dieser Epithelzapfen regelmässig Leukocyten sieht, die in allem den im Darm- bekleidungsepithel befindlichen gleichen. 368 G. Bizzozero: der wirklichen eylindrischen Zellen; sie sind kaum etwas kleiner, sind rundlich statt oval, und die Bälkchen ihres Netzwerks sind etwas feiner. Was das Protoplasma anbetrifft, so differirt dieses nur insofern, als es in den Zellen der Zapfen weniger compact ist; sodass z.B. in den in Pikrinsäure gehärteten Präparaten, in denen das feine Protoplasmanetz deutlicher hervortritt, dieses letztere grössere Maschen zeigt als das Protoplasmanetz in den Zellen des oberflächlichen Epithels; doch erscheint es, wie in diesen, durch die wässerige Safraninlösung stark roth gefärbt (in den durch Zucker- lösung conservirten Präparaten). — 2) Weil man an jenen Stellen der Präparate, wo die Zapfen in Zusammenhang mit der Epithelsechicht stehen, alle Uebergangsformen von den Zellen der Zapfen zu jenen des oberflächlichen Cylinderepithels nebeneinander gelagert sieht, d. h. gewahrt, dass die Zellen länger werden, ihr Proto- plasma vermehren und die Form ändern, je mehr sie sich der Epitheloberfläche nähern (Fig. 13 ec‘). — 3) Weil man zwischen, den gewöhnlichen Epithelelementen solche eingelagert sieht, die bereits in ihrem Protoplasma eine Gruppe von Schleimkörncehen enthalten, d. h. Elemente, die man als junge Schleimzellen betrachten muss (Fig.13c und e‘, Fig. 14a). Die beste Methode, um diese so interessante Thatsache klar zu stellen, ist die, dass man die Präparate in Pikrinsäure härtet, mit einer wässerigen Safraninlösung färbt und in Zucker eonser- virt!). Durch den Gegensatz der zwischen der rothen Farbe, welche das Protoplasma der Epithelzellen der Zapfen annimmt, und der kastaniengelben Farbe des jungen Schleims besteht, heben sich die in Rede stehenden Zellen deutlich ab. Sie er- scheinen als von einem Kern gebildet, dem ein rundlicher oder ovaler Haufen feiner und zusammengedrängter Schleimkörnchen dicht anliegt; das Protoplasma wird gar nicht wahrgenommen oder es stellt nur einen sehr kleinen Theil der Zelle dar (Fig. 14 a). In einem einzigen Zapfen kann man 2,3 und mehr solche junge Schleimzellen sehen. — Der Schleim, den sie enthalten, zeigt sich immer unter der Form deutlicher Körnchen, und der Farbenton dieser letzteren ist der gleiche, den der Schleim jener eylindri- 1) Man wähle ein Stück vom hinteren Darmabschnitt, weil, wie ich schon sagte, hier die Sprossen besser entwickelt sind. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 369 schen Zellen mit deutlichen Schleimkörnchen, die am tiefsten Theile der Fornices existiren, angenommen hat. Diese schleimbereitenden Zellen der subepithelialen Sprossen werden, indem sie mit den sie umgebenden Protoplasmazellen zu- sammen in die Höhe rücken, nach und nach zu einem Theil der oberflächlichsten Schicht des Oberflächenepithels. Zu diesem Zwecke modifieiren sie sich, werden sie länger und erreichen schliesslich mit dem einen Ende die freie Epitheloberfläche, und auf diese Weise fangen sie an, die in ihnen enthaltenen Schleim- körnehen auszuscheiden. Als eine solche junge, aber schon an der Oberfläche gelegene Zelle glaube ich die Zelle b der Fig. 14 bezeichnen zu können. Sie gehörte schon dem oberflächlichen Epithel an, unterschied sich aber von den ausgewachsenen Schleim- zellen dadurch, dass ihr Schleimklümpehen verhältnissmässig klein und am Kern durch einen langen Streifen Protoplasma getrennt war, in welehem man hier und dort einige isolirte Schleimkörn- chen bemerken konnte. Den Beweis für den lebhaften Regenerationsprocess, der in den sowohl der tiefen Schicht des Bekleidungsepithels, als den Zapfen angehörenden Ersatzzellen stattfindet, wird uns in keinen Zweifel zulassender Weise von den dort vorhandenen zahlreichen Mitosen geliefert. Dieselben fallen, wie im Allgemeinen in allen Geweben des Tritons, durch ihre Grösse und die Deutlichkeit, mit welcher die einzelnen sie bildenden chromatischen Fäden hervortreten, sehr in die Augen. In jedem Stadium des Processes sind die Mitosen deutlich zu erkennen, sodass es leicht fällt, sie zu zählen. In jedem Darmschnitt von 5—10 u Dicke findet man deren mindestens zehn!). Ich halte es für überflüssig, den vielen von den Beobachtern wiedergegebenen Figuren der Mitosen in den verschiedenen Geweben des Tritons die von mir im Darm- epithel beobachteten hinzuzufügen. Doch konnte ich mich nicht enthalten, hier zwei im Doppelsternstadium befindliche Mitosen abzuzeichnen (Fig. 13 u. 17); die erstere gehörte einem subepi- thelialen Zapfen an, die andere dagegen befand sich in der tief- sten Schicht des Oberflächenepithels. Das Protoplasma der mi- totischen Zellen pflegt sehr hell und durehsichtig zu sem, be- 1) Die von mir verwendeten Tritonen waren stets gut ermährt worden. 370 G. Bizzozero: sonders um die Kerne herum. Ich habe nicht feststellen können, ob etwa zwei Mitosenarten existirten, d. h. eine für die Proto- plasmazellen, die andere für die Schleimzellen. Doch habe ich auf diesen Punkt nicht in besonderer Weise mein Augenmerk gerichtet. Durch Vergleichung des Darms von im April getödteten Tritonen mit dem Darm von Thieren derselben Species, die unter den gleichen Bedingungen gehalten, aber im Juni getödtet wurden, konnte ich feststellen, dass die Epithelzapfen in diesen letzteren zahlreicher waren und mehr Mitosen enthielten. Die Epithelzapfen können nicht als Drüsen betrachtet wer- den, weil sie aus unreifen Zellen bestehen und ihnen ein Lumen fehlt. Bedenkt man jedoch, dass auch die wirklichen Drüsen in einer gewissen Periode ihrer Entwicklung oft von festen Zapfen Junger Epithelelemente dargestellt werden, so ist man geneigt zu schliessen, dass die Epithelzapfen des Darms vom Triton phylo- genetisch den schlauchförmigen Drüsen der höheren Thiere ent- sprechen. Kurz zusammengefasst, findet auch im Darm des Tritons die Regeneration der Elemente durch imdireete T'heilung statt. Der Sitz der Mitosen ist nur für eine geringe Zahl von Elementen im oberflächlichen Epithel; für die grössere Zahl ist er zwischen den jungen Ersatzzellen, welche sich sowohl an der Basis der eylindrischen Zellen als in den subepithelialen Zapfen befinden. Beim Triton ist es bemerkenswerth, dass nicht wenige von diesen Ersatzzellen Schleimsubstanz absondern, trotzdem sie mit der freien Oberfläche des Epithels noch nicht in Beziehung stehen. Auch beim Triton findet ein Reifen der schleimbereitenden Zellen statt, und der Schleim, den sie absondern, verändert sich immer mehr in seinem Aussehen und seinen Reaetionen, je älter die ihn erzeugenden Zellen werden und je mehr sie aus der Tiefe der Epithelschicht gegen die freie Oberfläche vorrücken. Es ist also die Meinung jener Forscher, die, wie Paneth!), glauben, dass die Schleimzellen aus den protoplasmatischen Epithelzellen hervorgehen und sich, nach Entleerung ihres Inhalts, wieder in solche umbilden können, nicht annehmbar. 1) 1. c. pag.. 185, Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 371 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIIL und XIX). Fig: 1, Fig. 2 Fie. 3 > *' Ir Fig. 4. TatelxXVIM. Schlauchförmige Drüse des Rectums von Mus musculus (Kleinberg’sche Flüssigkeit, Vesuvin, Damarharz). Man be- merkt 2 Mitosen aa und sieht die Modificationen, welche die schleimbereitenden Zellen (b, b/, b’) darbieten, wenn man vom Blindsack gegen die Drüsenmündung vorschreitet. Ebenso sieht man die abgestuften Modificationen der Protoplasma- zellen, welche im oberflächlichen Theil der Drüse dunkler und körniger werden. — 290 d. Theile von Längsschnitten einer Reetumdrüse des Hundes (Hermann'’sche Flüssigkeit, Doppelfärbung mit Safranin und Hämatoxylin, Damarharz). A Blindsack. Man sieht das Drü- senepithel, und im Lumen die Secretmassen. Im Epithel ge- wahrt man eine Protoplasmazellen-Mitose a, und weiter unten zwei schleimbereitende Zwillingszellen b. — B, aus dem ober- flächlichen Drittel der Drüse, in kurzer Entfernung von der Mündung. Die Mitosen fehlen, die Protoplasmazellen sind zahlreicher als im Blindsack. Beide Zellenformen sind sodann erösser und haben deutlichere Umrisse als im Blindsack. — BS0 d. Reetumdrüsen des Hundes. Verschiedene Schleimzellenformen. A, von einer in Alkohol gehärteten Schleimhaut, Schnitte in Glycerin conservirt: a Zellen aus dem Blindsack, b Zelle in kurzer Entfernung von der Drüsenmündung. — B von einer inHermann'’scher Flüssigkeit gehärteten Schleimhaut, Doppel- färbung mit Hämatoxylin und Saffranin: a Zelle aus dem Blindsack, b Zellen aus dem mittleren Theil der Drüse, ec Zelle in kurzer Entfernung von der Drüsenmündung. — 400d. Rectumdrüsen des Hundes. Mitosen von Schleimzellen (Her- mann’sche Flüssigkeit, Doppelfärbung mit Safranin und Hämatoxylin). Die Figuren sind zum Theil Quer- und zum Theil Längsschnitten der Drüsen entnommen. aa Aequato- rialplatten. — b Zelle mit Aequatorialplatte und Andeutung einer farblosen Spindel. In den um diese herum liegenden Schleimzellen sieht man den- Kern nicht, der in einer tiefen 1) In vielen Figuren wurden die Farben der Präparate nicht reprodueirt. 372 Fig. Fig. Fig. Fig. 6. G. Bizzozero: Ebene lag — (ein Gleiches bemerkt man in den Figuren a’ und e’/ e). — ee e/e/ Doppelsterne. — d Zwillingszellen mit seitwärts gelegenen Kernen. — e Zwillingszellen mit nach dem tiefen Ende der betreffenden Zellen gerückten Kernen. In e wurde das die Schleimsubstanz durchziehende feine Netz- werk gezeichnet; in den Figuren abed wurde dasselbe der Kürze halber fortgelassen. — 820 d (Apochr. 1,5 mm von Zeiss). Vertiealschnitt vom Duodenum des Hundes (Härtung in Al- kohol). a zusammengezogene Zotten mit ihren glatten Längs- muskeln. — b schlauchförmige Drüsen. — ce e Confluenz zweier Drüsen in einen einzigen an der Basis der Zotten ausmün- denden Schlauch. — d Lymphoidgewebe zwischen den Drü- sen. — e Lymphoidschicht unter den Drüsenblindsäcken. — f und & die beiden Schichten der Muscularis mucosae. — i Sub- mucosa. — 25.d. Schlauchförmige Drüsen des Duodenum vom Hunde (Härtung in Alkohol, Pikrocarmin, Glycerin). A Blindsack. — B Ab- schnitt nahe der Mitte der Drüse. — C Zottenepithel. Er- klärung im Texte. — Circa 860 d (Apochr. 1,5 mm von Zeiss). Duodenum des Hundes. Querschnitt des Blindsacks einer schlauehförmigen Drüse (Alkohol, Paratfin, wässerige Safra- ninlösung, Zuckerlösung). Erklärung im Texte. — Vergrösse- rung wie bei der vorhergehenden Figur. Duodenum des Hundes (Alkohol, Pikrocarmin, Glycerin). Aus dem Längsschnitte einer Drüse, unmittelbar oberhalb des Blindsacks untersucht. Das Objectiv wurde so eingestellt, dass man die Protoplasmazellen im optischen Querschnitt sieht, so dass die grössere Achse der Zellen parallel der Achse des Mikroskops ist. — a Umrisslinie der Drüse. — b Drüsenzellen, Erklärung im Texte. arte XI Schlauehförmige Duodenaldrüsen der Maus. Ik, ID Drüsen im Längsschnitt (Flemming’sche Flüssigkeit, Safra- nin, alkoholische Chromsäurelösung, Damarharz). 7604 (5 homog. Immersion von Reichert). — a,b Protoplasmazellen. ce c/ Paneth’sche Zellen. — d Paneth’sche Zelle mit ganz feinen Körnchen und Schleiminhalt. — e ausgewachsene Schleimzelle. — f Mitose. Cylindrische Zellen (Hermann'’sche Flüssigkeit, Hämatoxylin, Alkohol mit HCl, Damarharz). 840d. (Apochr. 1,5 mm von Zeiss). A aus einer Drüse, nahe deren Blindsack. B von U EN Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals ete. 373 Fig. 4: Fig. {er} Fig. 7. Fig. 9. einer Zotte, in kurzer Entfernung von deren Gipfel; zwischen den Protoplasmazellen sieht man eine schleimbereitende Zelle, bei welcher der Schleim nur das oberflächliche Drittel des Körpers einnimmt. Tangentialschnitt vom Drüsenblindsack (Flemming'sche Flüssigkeit, Methylenblau). Vergrösserung wie in vorher- gehender Figur. — aa Paneth'’sche Zellen; in einer ist der Kern nicht sichtbar. — bb Paneth’sche Zellen mit‘ Körn- chen, die kleiner sind als in den vorhergehenden Zellen; die zwischen den Körnchen liegende Substanz am freien Ende der Zelle färbt sich sehön blau (Reaction der Schleimsubstanz). ec Zelle mit sehr feinen Körnchen, die zwischen den Körn- chen liegende Substanz ist wirkliche Schleimsubstanz. Drüse, dem Thiere 2 Stunden nach dem Tode entnommen und mittelst Zerzupfens in Müller’scher Flüssigkeit unter- sucht. — aa schleimbereitende Zellen, deren Körnchen viel weniger markirte Umrisse haben als die der Paneth’schen Zellen b b. Elemente einer Drüse (Flemming’sche Flüssigkeit, Satranin, Damarharz). 840d. (Apochr. 15mm von Zeiss). a Epithel- zellen ihrer Länge nach durchschnitten; zwischen ihnen ge- wahrt man eine schleimbereitende Zelle mit ganz feinen Pa- neth’schen Körnehen. — bb b schleimbereitende Zellen, wie die vorhergehenden, aber im optischen Querschnitt gesehen; die Paneth’schen Körnchen variiren in der Grösse in den verschiedenen Zellen. Schleimbereitende Zellen aus einer Drüse. Von den Zellen sieht man nur das Schleimklümpehen (Her mann’sche Flüssig- keit, Safranin, Hämatoxylin, Damarharz). 1200 d. etwa (Apochr. 1,5 mm von Zeiss). a ausgewachsenes Schleimklümpchen; die Körncehen sind alle mit Hämatoxylin gefärbt. — b von einer Jungen Schleimzelle: das Schleimklümpchen besteht aus Körn- chen, die mit Hämatoxylin, und aus anderen kleineren, die intensiv mit Safranin gefärbt sind. Paneth’sche Zellen (Flemming’sche Flüssigkeit, Safranin, Damarharz). 1000 d. (Apochr. 1,5 mm von Zeiss). Darmschleimhaut des Tritons Zwei Längsfalten der Schleimhaut aus dem hinteren Darm- abschnitt, nur etwas vergrössert gezeichnet. Querschnitt vom Darm, in geringer Entfernung vom Magen (Pikrinsäure, Safranin, alkoholische Chromsäurelösung, Da- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 25 Fig. 10. Fig. 11. Fig. ‚12: Fie. 13. Fig. 14. @G. Bizzozero: marharz). 22 d. — Man sieht quer oder schräg durchschnit- tene Falten. Von einem Querschnitt (Hermann'sche Flüssigkeit, Vesuvin, Damarharz). 110d. — Man sieht zwei quer durchschnittene und mit aus Protoplasma- und Schleimzellen bestehendem Epithel bekleidete Falten. — a Muskelschicht. — b Schleim- haut. — cce Ersatzzellennester. Von einem Querschnitt des Darms (Hermann'’sche Flüssig- keit, Vesuvin, Damarharz). A Epithel in geringer Entfernung von dem Scheitel einer Falte. In der Schleimzelle zeigt der Schleim zum Theil noch eine körnige Structur. Links von derselben sieht man eine Protoplasmazelle, welche drei runde Körperchen (enclaves) enthält, von denen zwei sich wenig, das dritte dagegen in einem Theil seiner Substanz sich in- tensiv mit Vesuvin gefärbt hatten. Rechts von der Schleim- zelle sieht man einen Leukoeyt, der in einer in den Körper zweier Protoplasmazellen gegrabenen Höhle liegt. — B Epithel einer Wölbung (Fornix). In der Tiefe sieht man zwei Er- satzzellenkerne. Von den beiden Schleimzellen hat die eine deutliche, die andere weniger deutliche Schleimkörnchen. Von einem Querschnitt des Darms, in kurzer Entfernung vom After (Pikrinsäure, Safranin, Zucker). 110 d. — Man sieht eine Falte der Schleimhaut. a und b Muskelschichten. — e Schleimhaut. — ddd Blutgefässe. — ee Schleimzellen in der Länge oder schräg durchschnitten. In f hat der Schnitt das Epithel etwas schief getroffen. ggg subepitheliale Sprossen. Ein Theil der vorhergehenden Figur. 270 d. — a Oberflächen- epithel, das in a/ etwas schief durchschnitten ist. — bb aus- gewachsene Schleimzellen. — c, €, «€ subepitheliale Sprossen. In e und ce’ sieht man zwei Zellen, die bereits Schleim abson- dern, welcher aus kastaniengelb gefärbten Körnchen bestand, während er hier (um die Farbe zu ersparen) als dunkle ho- mogene Masse gezeichnet wurde. Drei Schleimzellen aus einem Querschnitt des Darms (Pikrin- säure, Safranin, Zucker). 700 d. (Apochr. 1,5mm von Zeiss). — a ganz junge Zelle, die in einem subepithelialen Zapfen ihren Sitz hatte. — b junge Zelle vom tiefsten Theil einer Fornix. — c ausgewachsene Zelle vom Scheitel einer Falte. Im Präparat ist der Schleim in a und b unter der Form von kastaniengelb gefärbten Körnchen; in e dagegen sind nur noch einige gelb gefärbte Körnchen erhalten, die anderen sind unter dem Einfluss der Zuckerlösung blass geworden und haben fast gänzlich die hellgelbe Farbe verloren, die sie unter dem Einfluss des Safranins angenommen hatten; dagegen kommt das zwischen ihnen liegende Netzwerk zur Erscheinung. Ueber die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals etc. 375 Fig. 15.. Junge Schleimzelle aus dem tiefsten Theil einer Fornix. Starke Vergrösserung. — Erklärung im Texte. Fig. 16. Mitose in den oberflächlichen Epithelzellen (Pikrinsäure, Sa- franin, Alkohol, Damarharz). 250 d. Die Epithelschicht ist schräg durchschnitten ; die Umrisse der einzelnen Epithelzellen sind nicht deutlich zu sehen. Fig. 17. In Mitosis befindliche Zelle zwischen den Ersatzzellen der tiefen Schicht des Oberflächenepithels (Flemming’sche Lö- sung, Safranin, Damarharz). 390 d. Das Epithel war etwas schräg durchschnitten worden; die Umrisse seiner Zellen sind nicht deutlich zu sehen. (Aus dem histolog. Laboratorium der I. medizinischen Klinik Prof. v. Koränyi's in Budapest.) Studien über den Bau des Chromatins in der sympathischen Ganglienzelle. Von Dr. Friedrich Vas an der I. medizinischen Klinik. Hierzu Tafel XX. Die Methode Nissl’s!) zur Darstellung der Chromatin- struetur an der Nervenzelle kann man derzeit als die zuver- lässigste betrachten. Die Wichtigkeit ‘dieser Methode muss an- erkannt werden, wenn man bedenkt, dass es bisher unmöglich war, eine scharfe Grenze zwischen physiologischen Zuständen 1) Niss|l, Tageblatt der 58. Versammlung Deutscher Natur- forscher und Aerzte. 1885. Strassburg. 376 Friedrich Vas: und initialen pathologischen Veränderungen der Nervenzelle zu ziehen. Auffallend ist es, dass sich trotz alledem die normale und pathologische Histologie des Sympathieus dieser Methode bis nun nicht bediente, obgleich, wie bekannt, eben dieser Theil der Nervenhistologie einer verlässlichen Grundlage am meisten ent- behrt. Wäre diese Methode schon früher bekannt gewesen oder derselben in neuerer Zeit eine häufigere Verwendung zu Theil geworden, so würde auch bezüglich der physiologischen Bedeu- tung der grossen sympathischen Ganglien keine Divergenz in sol- chem Maasse herrschen, wie dies bei der Durchsicht der dies- bezüglichen Fachlitteratur leicht zu ceonstatiren ist. Der Auf- fassung eines Theiles der Autoren, die in den Ganglien wichtige physiologische Funetionen innehabende Gebilde erblicken, steht eine zweite, wie Siegmund Mayer sie benennt, ‚„nihilistische“ entgegen, welche in den grossen Grenzstrangganglien nur em- bryologische Reste erkennen will. Die Untersuchung der Chromatinstructur des Zellleibes der normalen Ganglienzellen scheint geeignet, dieses Dunkel zu klären und zur Erkennung der normalen, funetionirenden Zelle eine reelle Basis, untrügliche differential diagnostische Mo- mente, zu bieten. Die in geringer Zahl bis nun erschienenen Berichte!) über den Werth der Nissl’schen Methode beziehen sich sowohl auf normale Zustände, als auch auf einzelne pathologische Erschei- nungen der Rückenmarks- und Grosshirn-Zellen. Die erwähnten Untersuchungen stellten fest, dass die normale Ner- venzelle der grauen Substanz eine typische Formation des Chro- matins besitzt, welche schon zu Beginn einer Erkrankung der Zelle eine leicht zu erkennende Veränderung erfährt. Der Grad (der Veränderungen hält stetig Schritt mit dem Grade der Er- krankung, um schliesslich zur totalen Destruction des Chromatins zu führen. Natürlich war das Erkennen dieser mancherorts sehr sublimen Veränderungen nur so möglich, nachdem vorher die 1) Nissl, .c — Friedmann, Ueber progress. Verände- rungen der Ganglienzellen ete. Arch. f. Psych. Bd. 19, 1888. — Neurol. Centralblatt 1891, Heft 1. — Schaffer, Neurolog. Centralblatt X. — Sarbo, Ungarisches Archiv für Mediz. Be.I, Nr. 4. Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 377 normale Chromatinstructur mit Hilfe der Nissl’schen Methode in ihren Details genau erkannt war. Beim Studium der Histo- logie der Sympathicus-Ganglien des Grenzstranges muss nun erst dieser erste Schritt gethan werden. Die vorliegende Arbeit be- fasst sich auf vergleichender Basis mit der Feststellung der normalen Chromatinstructur des Zellleibes der sympathischen Ganglienzellen. Die Untersuchungsmethode, die zur Erlangung nachstehender Resultate befolgt wurde, war, wie erwähnt, jene Nissl’s. Das aus dem eben getödteten Thiere oder aber dem menschlichen Cadaver entnommene Partikelchen eines Grenzstrang-Ganglions wurde in absoluten Alkohol emgelegt, hierauf in Celloidin ein- gebettet. Das in sehr feine Schnitte zerlegte Material kam dann in eine eoncentrirte wässerige Lösung von Magentaroth (Grübler), worin die Schnitte entweder einige Stunden hindurch verblieben oder behufs Beschleunigung der Tinction für einige Minuten in der Lösung ein wenig erwärmt wurden. Hierauf Auswaschen des überschüssigen Farbstoffes in absolutem Alkohol. Den Rest des überschüssigen Farbstoffes entzog das Nelkenöl, wohm die Schnitte schliesslich geriethen. Die Conservirung geschah in Canada- balsam. Bei der Untersuchung der Chromatinstruetur des Zell- leibes ist eine gute Oelimmersion unentbehrlich. Die beigegebenen Zeichnungen sind bei einer etwa tausendfachen Vergrösserung (3 mm homogene Immersion und Compensationsocular Nr. 12, Zeiss) gezeichnet. Für die beigeschlossenen Abbildungen schulde ich Herrn Dr. Emanuel Liebermann aufrichtigesten Dank. Wie schon früher erwähnt, wurden die Untersuchungen auf Grund vergleichender Basis vorgenommen. Dies geschah auch desshalb, um mit der Richtigkeit emer Auffassung im Reinen zu sein, welche in letzterer Zeit von einem englischen Autor, Na- mens Hale Whitet!), auf Grund eigener Untersuchungen dahin- gestellt wurde. Der genannte Autor behauptet nämlich, die Grenzstrang-(Hals-)Ganglien der Thiere wären physiologisch intacte, funetionirende Gebilde, während jene des Affen und Menschen nur den Werth embryologischer Reste hätten. Auf 1) White, On the histology and function of the mammbolian superior cerv. gangl. Journ. of phys. VIII, pag. 66. — White, Further observ. of the histology and function ete. Journ. of phys.X, pag. 341—357. — White, About the phys. and path. value of the (Gasserian ete. ganglia. Brain 1890 autumn part. 378 Friedrich Vas: diese Auffassung muss ich noch nach Wiedergabe nachstehender Untersuchungsergebnisse zurückkehren. Die vergleichenden Untersuchungen wurden an Kaninchen, Hunden, Pferden, Menschen, und zwar an Foeten, Neuge- borenen, entwickelten Kindern, uErwachsenen und Greisen ausgeführt. Bei den Untersuchungen kamen nicht nur die Ganglien der Halspartie, sondern auch jene des Brustabschnittes in Betracht. Auf die Ganglienzellen, welche in den verschiedenen parenchy- matösen Organen ihren Sitz haben, wurde jedoch bei dieser Ge- legenheit keine Rücksicht genommen. Hervorgehoben muss wer- den, dass nur die Chromatinstructur des Zellleibes, nicht aber auch die des Zellkernes Gegenstand genauer Beob- achtung bildete. 1) Ich beginne mit der Schilderung der normalen Chro- matinstruetur der Ganglienzellen des Hundes. Das Chromatin dieser Ganglienzellen unterscheidet sich vor allem durch die Form der einzelnen Körner von jenem der Rückenmarkszellen. Wäh- rend dasselbe bei letzterem stäbehenförmig erscheint, ist es in den Sympathieus-Zellen von kreisrunder, annäherungs- weise runder oder vollkommen unregelmässiger Gestalt. Die Körnchen sind bezüglich ihrer Grösse und Zahl im Zellleibe verschieden vertheilt. Es ist nicht schwer, an jeder Zelle eine periphere Zone zu erkennen, wo das Chromatin aus grossen und dichtgelagerten Körnchen zusammen- gesetzt erscheint. Der Durchmesser dieses Ringes beträgt zu- meist ein Viertheil des ganzen Zellleibes.. Ein zweiter, ähn- lich geformter Ring ist in unmittelbarer Umgebung des Zell- kernes sichtbar. Dieser zweite Ring ist jedoch bedeutend schwä- cher als der äussere, besteht meist aus ein oder höchstens zwei Reihen grobkörrigen Chromatins. Zwischen diesen beiden Ringen bleibt natürlich ein Zwischenraum, der aus feinkörnigem, con- centrisch um den Kern geschichteten Chromatin zusammengesetzt ist. Die Sehichtung des Chromatins ist jener der Rückenmark- zellen ähnlich. So wie bei letzteren, ist auch bei der sympathi- schen Nervenzelle leicht zu erkennen, dass diese Schichtung dort, wo dieselbe einem Zellfortsatze in die Nähe gelangt, allmählich ihre Anordnung wechselt, indem die Chromatinkörner der Längs- achse des Fortsatzes entsprechend gelagert erscheinen. In diesen Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 379 Fortsätzen, welehe bloss eine kleine Strecke hindurch in der Schnittebene des Präparates zu verfolgen sind, zeigt die Grösse und Zahl der Chromatinkörner eine auffallende Abnahme. Bezüglich der Chromatinstructur des Kernes ist kein be- stimmter Typus zu entdecken; auch scheint es, wie ich mich dureh vergleichende Untersuchungen überzeugte, dass zur Dar- stellung des Kernchromatins das F lem m in g’sche Chromosmium- essigsäure-Gemisch zweckmässiger wäre. Die eben geschilderten Details der Chromatinstruetur beim Hunde zeigen unter normalen Verhältnissen bei körperlich entwickelten Thieren immer genau denselben Typus. Dieser Umstand giebt zugleich Anlass mit wenigen Worten der sogenannten ehromophoben und chromophilen Zellen zu gedenken, deren Existenz Fleseh!) und dessen Schülerinnen Koneff und Gittis?) feststellten. Genannte Autoren unter- suchten die Schnitte der sympathischen Ganglien verschiedener Thiere und fanden, dass im selben Schnitte ein Theil der Zellen den Farbstoff sehr intensiv aufnimmt, ein anderer Theil aber beinahe ungefärbt bleibt. Von der Richtigkeit dieses Umstandes konnte ieh mich auch überzeugen, wenn die Präparate nach den meisten üblichen Methoden gefärbt wurden, welche die diffuse Tinetion des Zellleibes herbeiführen. Die Nissl’sche Methode jedoch hat, wie bekannt, jenen Vortheil, nur die Chromatin- struetur (die filare Substanz [Flemming]) zu tingiren, wäh- rend die interfilare vollkommen ungefärbt oder schwach rosa- farben erscheint. Demzufolge ist es auch ganz unmöglich, mit Hülfe der Nissl’schen Methode auch auf dessen Umstand kück- sicht zu nehmen. Dieser Mangel jedoch ist in gewisser Hin- sieht ein Vortheil, da dieses Verfahren ohne Rücksicht auf den schon unter normalen Verhältnissen differenten chemischen (ehro- mophoben oder ehromophilen) Zustand des Zellleibes jede ge- sunde Zelle gleichmässig färbt und deren Chro- matintextur isolirt darzustellen vermag (Fig. 2). 1) Bemerkungen über die Structur d. Ganglienzellen. Neurol. Centralblatt 1886. — Structur der Nervenzellen in periph. Ganglien. Neurol. Centralbl. 1886. 2) Anna Gittis, Beitr. zur vergl. Histologie d. periph. Gan- glien. Dissert. 1887. — Virchow-Hirsch, Berichte 1888. ‚380 Friedrich Vas: 2) Die Chromatinstructur der Ganglienzellen des Kaninchens unterscheidet sich in wenigen Momenten von jener des Hundes. Die Unterschiede bestehen einerseits darin, dass die Chromatin- körnehen von geringerem Umfange sind, andererseits, dass die zweite, den Kern umgebende Zone der Körner beim Kaninchen vollkommen fehlt. Der äussere Ring jedoch ist constant und gut ausgeprägt vorhanden. Die Chromatinstructur der Kerne, deren gewöhnlich zwei in einer Zelle vorhanden sind, zeigt nichts Typisches. Der Nucleolus ist immer intensiv gefärbt, die inter- filare Substanz des Kernes vollkommen ungefärbt, jene des Zell- leibes jedoch von schwach rosafarbener Nuance (Fig. 1). 3) Bezüglich der Pferdeganglien fehlte es.mir leider an genügendem Material, um mit voller Bestimmtheit den Typus des Chromatins feststellen zu können. Ein Umstand jedoch ist es, der ganz entschieden zu erkennen war, nämlich der, dass der Zellleib nebst dem überaus feinkörnigen Chromatin sehr zahl- reiche Pigmentkörner enthält, welche meist, in einem Haufen zusammengeballt, einen Theil der Zelle einnehmen. Die Wich- tigkeit dieses Umstandes wird im den nachfolgenden Zeilen dort erörtert werden, wo der Bedeutung des Pigmentes für das Ner- vensystem Erwähnung gethan werden muss. 4) Die Untersuchung der Ganglienzellen des Menschen wurde vorgenommen: a) aneinem Foetus vom VII. Monate der Schwangerschaft. Vergleicht man das hier ge- wonnene Bild der Ganglienzellen mit jenen des Hundes, ist der Unterschied ein höchst augenfälliger. Die Zellen sind klein, kaum ein Viertel des Durchmessers einer Ganglienzelle, wie man sie im Durchschnitte beim Hunde findet. Der Zellleib umfasst als schmaler Gürtel den relativ sehr voluminösen Kern. Das Paraplasma oder die interfilare Substanz ist ausgeprägt rosafarben gefärbt. Im Zellleib ist keine Spur einer Chromatinstruetur zu finden, derselbe ist vollkommen homogen. Der Kern dagegen ist reich an Chromatinsubstanz (Fig. 3). b) Bei vollkommen ent- wieckelten Neugeborenen vom IX. Monate der Schwangerschaft ändert sich dieses Bild. Die Zellen sind beträchtlich, beiläufig um ein Drittel grösser, als die des Foetus; der Zellleib ist ziemlich breit, während das Volumen des Kernes eine leicht erkennbare Reduction erfährt. Das Paraplasma er- Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 381 scheint blass rosa gefärbt. Der wichtigste Unterschied aber besteht darin, dass deutliche Spuren des im Entwickeln begriffenen Chromatins zu erkennen sind. An der Peripherie der Zelle erscheinen namlich die hier und da ziem- lieh grossen Körnehen, welche sich in einzelnen Zellen zu einem leicht erkennbaren Kranz formiren. Allenfalls ist ein an- derer grosser Theil der Zellen noch frei jeglichen Chromatins. Ein zweiter Umstand, dessen hier nur kurz Erwähnung gethan werden soll, ist das Erscheinen des gelben Farbstoffes, welcher entweder in feinen diffus zerstreuten Körnern oder in gröberen Klümpehen an einer Seite der Zelle angehäuft er- scheint. Jene Zellen, wo das Auftreten dieses Pigmentes zu er- kennen war, zeigten bezüglich Chromatinstruetur nichts, was dieselben von den farbstofflosen Zellen unterschieden hätte (Fig.4&. c) Im vorgeschrittenen Kindesalter (10—12 Jahre) ist der Entwickelungsgrad der Zellen, was deren Grösse und Chromatinstructur anbelangt, ein noch höherer. Die Zellen erlangen eine bedeutende Grösse. Der Kern ist relativ klein. Der Zellleib weist einen vollkommen entwickelten Typus der Chromatinstructur auf. Der Aufbau derselben unterscheidet sich kaum von jenen des Hundes oder Kaninchens: an der Peripherie der Zelle ein gut entwickelter grobkörniger Ring, der nach innen allmählich in feinkörniges, concentrisch geschichtetes Chromatin übergeht. In der Nähe des Kernes, dessen Contouren scharf ausgeprägt erscheinen, sind mancherorts einige grössere Chromatinkörnchen zu erblicken. Der Kern ist arm an Chromatin. Der Nucleolus ist intensiv gefärbt. Die Anwesenheit des gelben Pigmentes ist hier noch um vieles häufiger constatirbar. Die meisten Zellen enthalten dasselbe ın grösserem oder geringerem Maasse, entweder m Form kleiner Körnchen, welche einen beschränkten Raum in der Zelle ein- nehmen, oder diffus im ganzen Zellleibe zerstreut sind (Fig. 5). d) Bei körperlich vollkommen entwickelten In- dividuen im Alter von 20—40 Jahren zeigt die Entwicke- lung der Zellen im Allgemeinen, und speziell was das Chromatin betrifft, keine besonderen Fortschritte. Die Grösse der Zellen ist ziemlich dieselbe wie jene der Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren. Das Chromatin jedoch ist reichlicher, der äussere 382 Friedrieh Vas: Kranz desselben von grösserem Breitendurchmesser und auch das feiner gekörnte Chromatin im Inneren der Zelle diehter gereiht. Ein Unterschied mehr quantitativer Natur bezieht sich auch auf das Zellenpigment. Dasselbe ist hier in den meisten Zellen vorhanden und erscheint entweder geformt (gekörnt), oder diffus im Zellleibe imbibirt. Doch muss auch hier ausdrücklich betont werden, dass die Chromatinstruetur dieser stark pigmentirten Zellen vollkommen intact, in jeder Beziehung mit jener der nichtpigmentirtenZellen übereinstimmend, erschien (Fig. 6). Bei Betrachtung dieses Umstandes muss ich gleichzeitig jener Auffassung gedenken, welche, in dem Vorhergehenden schon kurz erwähnt, einem englischen Autor Namens Hale White!) entstammt. White fand nämlich, gelegentlich der Untersuchung der Grenzstrang-Ganglien verschiedener Thierarten, dass die Hals- Ganglien des Affen sowie des erwachsenen Menschen in ihren Zellen viel Pigment enthielten, während jene der übrigen Thierspecies, sowie die der menschlichen Foeten von Pigment frei waren. Genannter Autor fand auch, dass den Zellen der menschlichen Hals-Ganglien auch sonstige Zeichen der Destruction anhaften: Zerfall des Protoplasmas, Verfettung, Schrumpfung. White fand gleichzeitig, dass die Ganglienzellen des Herzens der Brustganglien, des Ganglion Gasseri vom Pigment frei und auch sonst intaet waren und zwar nicht nur beim menschlichen Foetus, sondern selbst im Erwachsenen. Bei Zusammen- fassung seiner Untersuchungsresultate kommt er zu jenem Re- sultate, dass die Halsganglien des Menschen, nach der Geburt eine stetige regressive Metamorphose eingehen, wodurch dieselben ihre physiologischen Funetionen verlieren und schliesslich im Erwachsenen nur den Werth embryonaler Reste beibehalten, welche aus diesem Grunde die erwähnte starke Pigmentation auf- weisen. Die Halsganglien aller übrigen Thierarten jedoch, da deren Zellen pigmentlos und auch sonst intact erscheinen, müssen als stetig funetionirende Organe betrachtet‘ werden. In einer von mir erschienenen früheren Arbeit?) bemühte ich mich, jene IE: 2) F. Vas, Ueber die phys. Bedeutung der Ganglien im symp. Grenzstrange. Allg. Wiener Med. Z. 1891. Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 335 Bedenken anzuführen, welche schon a priori beim Durchlesen der Arbeit White’s im Leser gerechterweise entstehen. Durch Wiedergabe einiger Untersuchungsergebnisse, die mir schon seiner- zeit für dieses Thema zur Verfügung standen, trachtete ich den angeführten Bedenken eing reelle Basis zu geben. In wie ferne mein damals eingenommener Standpunkt berechtigt war, baben die seit jener Zeit fortgesetzten Untersuchungen gezeigt und sehen wir nun, wie sich die Auffassung White’s zu den bis jetzt beschriebenen Untersuchungsergebnissen verhält. Dass die Anwesenheit des Pigmentes in den Ganglienzellen .der menschlichen Foeten nieht zu eonstatiren ist, ist Tihatsache. Thatsache ist ferner, dass das Pigment in den Halsganglien des Erwachsenen in ziemlicher Menge vorhanden, während das- selbe in den Brustganglien spärlich zu finden ist. Nicht zu leug- nen ist auch, dass bei zahlreichen Thierspecies das Pigment in den Zellen überhaupt nicht erscheint. Doch wäre ich der Mei- nung, dass diese Umstände dureh andere in ihrer Bedeutung auf- gewogen werden. Wie erwähnt, fand sich in den Hals-Ganglien- zellen des Pferdes Pigment in grosser Menge vor. Hier kann auch noch erwähnt werden, dass die Hals-Ganglienzellen des Frosches reichlieh Pigment enthalten. Und doch zählt selbst White diese Thiere zu jenen Klassen, deren Hals-Ganglien ihre Funetion nieht verlieren. Wichtig ist es auch, dass das Er- scheinen des Pigmentes auch beim Menschen schon in den ersten Lebensmonaten zu erkennen ist. Dass übri- sens nicht nur die Ganglienzellen des Grenzstranges Farbstoff enthalten, ist eine bekannte Thatsache. Varaglia!) fand, um ein Beispiel zu erwähnen, einen Theil der Nervenzellen des menschlichen Rückenmarkes reich an.Pig- ment, ohne an denselben Merkmale der Atrophie zn erkennen. Eine ganz gewöhnliche Erfahrung ist es ferner, dass einzelne Ganglienzellen des menschlichen Rückenmarkes pigmentirt sind, ohne sonstige Deformation zu zeigen. Aus all dem ergiebt sich, dass das Erscheinen des Pigmentes eine specifische Eigenschaft mancher l) Varaglia, Sur le pigment de la colonne cellulaire des nerfs mixtes. Arch. Italien. de biologie T. IX. Hoffmann-Schwalbe, Jahresb. Bd. 16. 384 Friedrieh Vas: Thierspecien ist, ohne dass daraus die Erkran- kung oder Atrophie der Nervenzellen dedueirt werden könnte. Meines Wissens hat White die Chromatinstruectur nicht untersucht. Denn hätte er dies gethan, so würde er zu jenem Ergebnisse gekommen sein, dass gerade die foetalen, pigmentfreien Nervenzellen es sind, welche keine Chromatinstruetur besitzen, während die am reich- sten pigmentirten /einetausgesprochene "Text tur desselben aufweisen. Hieraus ist nicht zu schwer jene Consequenz zu ziehen, dass die foetalen ehromatinlosen Zellen es sind, welehe physiologische Funetionen noch nicht besitzen und dass mit dem Fortschreiten der Entwickelung des ganzen Organimus auch die sympatische Nerven- zelle, ihrer körperlichen Vollendung entgegenschreitend, ehro- matin- und zugleich pigmenthaltig wird. Hier- dureh erhält zugleich jene Supposition ihre Ba- sis, dass diese Nervenzellen es sind, welche auf Grund ihrer morphologischen Beschaffenheit (Chromatinstruetur) auf physiologische Fune- tionen Anspruch erheben können. e) Wie erwähnt, wurden die Untersuchungen auch auf Ganglien soleher Greise erstreckt, an denen die Section auch sonstige Zeichen des senilen Marasmus aufdeckte. Und hier fanden sieh thatsächlich Zeichen, welehe einer morphologischen Destruc- tion gleich kommen. Die Beschreibung dieser Veränderungen gchört-zwar, strenge genommen, in jenen zweiten Theil dieser Abhandlung, welcher die pathologischen Veränderungen der sym- pathisehen Ganglien besprechen soll, doch möge schon hier er- wähnt werden, dass die Destruction der Chromatinstruetur die Aufmerksamkeit des Untersuchers auf sich lenkt. Die Destruc- tion macht sieh in mehreren Formen sichtbar. Die gewöhnlichste Form ist der fein körnige Zerfall derselben, wodurch die Zelle so erscheint, als ob sie fein mit Staub belegt wäre. Ein zweites Stadium macht sich im Homogenwerden der Zellsubstanz bemerkbar. Diese Form beginnt in der Mitte der Zelle und scheint gegen die Peripherie vorzuschreiten. Ein drittes Stadium ist ferner an jenen Zellen zu unterscheiden, wo der Zellleib zu einer stark gefärbten, formlosen Masse Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 385 verwandelt erscheint, welche durch ihre dunkle Färbung die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. — Hier und da bemerkt man an Zellen, welche eigentlich als solehe nur zu vermuthen, nicht aber zu erkennen sind, zahlreiche grobe und feine Bröckelchen, welehe auf einen Haufen zusammengeballt stehen, und den kör- nigen Zerfall, den letzten Grad vor dem vollkommenen Untergang der Zelle markiren. — Ohne bei diesem Capitel hier länger ver- weilen zu wollen, möge nur auf die Aehnlichkeit dieser Verände- rungen hingewiesen werden, welche dieselben mit dem von Friedmann!) beschriebenen und bei der Myelitis gefundenen Veränderungen haben (Fig. 7). Ueberblicken wir die bisherigen Untersuchungsergebnisse, so ist daraus ersichtlich: 1). Dassıdas. Chromatin,der sympathischen Nervenzellen einen strengen Typus einhält. 2) Dass dieEntwickelung des Chromatins mit der allgemeinen körperlichen Entwickelung des Organismus und derspeeiellen Entwickelung der Nierivenzelle Schrittihält. S)Dass das,Pigment eine speeielle Eigen-, Schaft einzelner,Thierspeecies bildet ,sohmerdass demselben eine besondere Bedeutung zuzuschrei- ben wäre. 4) Dass das Chromatin der Nervenzellen des Menschen im Greisenalter eine gewisse Destrue- tBonzerlerdet: H, Eine in mannigfacher Beziehung wichtige Frage ist die, ob der Erregungszustand der Nervenzelle durch be- stimmte characteristische morphologische Erscheinungen zur Gel- tung kommt, eder ob überhaupt die gereizte Zelle von der ruhenden zu unterscheiden wäre? Nimmt man die bisherigen Erfahrungen, welche man beim Studium des Protoplasmas im Allgemeinen machte, zum Ausgangspunkte, ist obige Frage mit grösster Wahrscheinlichkeit bejahend zu beantworten, da doch bekanntermaassen die Structur des Protoplasmas der Amoeben, der rothen Blutkörperchen ete., auf thermische, eleetrische, me- 1) Neurolog. Centralbl. 1891, Nr. 1. 356 Friedrich Vas: chanische und chemische Reize mit Formveränderung reagirt. Bezüglich der Nervenzellen jedoch stehen uns nur wenige experimentelle Daten zur Verfüguug und diese wenigen in man- cher Beziehung widersprechend, wären kaum geeignet, die obge- nannte Frage einer entgültigen Lösung entgegen zu führen. Fleisehl!) fand im Ganglion Gasseri des Frosches, nach- dem er dasselbe in concentrirte Borsäurelösung gethan , dass nebst den Veränderungen, welche der Zellleib m Folge chemischer Einwirkung erlitt, in gewisser Beziehung Erscheinungen aufwies, welehe nieht rein chemischer, sondern physiologischer Natur sein mussten; er sah nämlich in zahlreichen Fällen das Austreten der Zellkerne aus dem Zellleibe. Hier möge auch einer interessanten Erfahrung Swier- ezewskys und Tomsa’s?) Erwähnung gethan werden. Ge- nannte Autoren sahen an rasch isolirten Ganglienzellen des Fro- sches die Nucleolen in stetiger Eigenbewegung. Diese Bewegung war eine ziemlich rasche und dureh Hinzuleitung von verschie- denen Gasen die Schnelligkeit derselben beeinflussbar. Korybutt-Daskievits?) reizte den Ischiadieus des Frosches eleetrisch und untersuchte hernach jenen Theil des Rückenmarkes, aus dem die Wurzeln des Ischiadieus entspringen. Er fand als auffälligstes Symptom die bedeutende Volumzu- nahme der/Zellkerne. Hodge*) jedoch kam zu einem ganz entgegengesetzten Resultate. Er reizte nämlich mittelst schwachem, indueirtem Strome die einem unterspinalem Ganglion entspringenden Nerven- bündel einige Stunden hindureh und fand nachher die Zell: kerne gesehrumpft und von stärker gekörntem Aussehen. Diese Veränderungen waren nach etwa 24 stündiger Ruhe verschwunden. Meines Wissens wäre dies das Resume der bisherigen Unter- suchungen, welche sich auf den Erregungszustand der Nervenzellen beziehen. Die Methode Niss!'s scheint naturgemäss dazu geeignet, 1) Berichte der Wiener Akad. d. Wissensch. 1873. 2) Zur Phys. des Kernes und Kernkörperchens der Nervenzellen des Sympathieus. Centralbl. 1869. 3) Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. 32. 4) Centralbl. für Phys. III, 1889 und 1891, Bd. V. Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 387 auch in dieser Beziehung verwendbar zu sein, da aus den Unter- suchungen Heitzmann’s hervorgeht, dass das Protoplasmagerüst also die eigentliche Ohromatinstructur in Folge der angewandten Reize Formveränderungen aufweist. Die diesbezüglichen Experi- mente nahm ich an Kaninchen vor. Der freigelegte Grenzstrang des Halsabschnittes wurde unterhalb des Ganglions supremum mittelst indueirtem Strome gereizt. Die Eleetroden jedoch wurden 3em abwärts vom Ganglion supremum nebeneinander aufgelegt. Diese Cautele schien deshalb nothwendig, da sonst die eventuell auf- tretenden Veränderungen der Zellen leicht einer mechanischen Einwirkung des Stromes eingerechnet werden könnten. Der Rollenabstand betrug 15 cm, die Dauer der Reizung 15 Minuten. Auffallend war schon während des Experimentes die Röthung und Turgescens des Ganglions supremum, welche schon nach etwa 5 Minuten eintrat und bis zur Beendigung des Reizes stetig zunahm. Nach 15 Minuten wurde das Ganglion beiderseits vom Grenz- strange rasch abgetrennt und in absoluten Alcohol oder in eon- eentrirte Sublimatlösung gebracht. Behufs Controlle und um eine sichere Basis des Vergleiches zu besitzen, wurde das Ganglion supremum der nicht gereizten Seite derselben Procedur unter- worfen und gleichzeitig untersucht. Die Experimente wurden in derselben Weise im 6 Fällen wiederholt !). Es drängt sich schon hier die Frage auf, ob das Einlegen der Ganglien in absoluten Aleohol, deren morphologische Eigen- schaften nieht dermaassen verändert und so zahlreiche Kunstpro- duete schafft, dass die Beurtheilung der natürlichen Verhältnisse erschwert oder ganz unmöglich wird? Diese Frage, zweifelsohne von grosser Wichtigkeit, bemühte sich schon Peequeur?) in's Klare zu bringen, indem er Ganglien den verschiedensten üblichen Fixirungsmethoden unterwarf; um die Grösse der entstandenen Kunstproducte, welche den verschiedenen Methoden eigen sind, beurtheilen zu können. Peequeur kam zur Ueberzeugung, dass die Alcoholfärbung, insbesondere nach vorhergehender Sublimat- 1) Obengenannte Experimente wurden im phys. Institute der k. ungar. thierärztlichen Akademie ausgeführt. 2) Peequeur, Krit. Bemerk. über die Bedeutung der Kunst- producte bei der Beurtheilung entzündlicher und atrophischer Pro- cesse. Neurolog. Centralbl. 1886, S. 398. 338 Friedrieh Vas: fixirung, die verlässlichste ist, während die sonst gebräuchlichen Chromsalze die Ganglienzellen am meisten deformiren. Aehnliche Vergleiche bezüglich des Werthes der üblichen Härtungsmethoden nahm auch ich behufs Orientirung vor, und kann mich daher auch auf Grund eigener Ueberzeugung der An- schauung Peequeur's anschliessen. Die gehärteten Ganglien wurden nachher der Nissl’schen Färbungsmethode unterworfen. Der Vergleich der gereizten mit den nieht gereizten Ganglienzellen lieferte in mancher Beziehung auffallende Resultate, welche sich auf den Zellkern beziehen. Der Kern ist in den gereizten Zellen bedeutend grösser, erscheint wie geschwellt, nebstdem verlässt er seinen Platz im Innern der Zelle und drängt sich stark peripheriewärts. In manchen Zellen ist diese Tendenz derart ausgeprägt, dass die Contoure der Zelle durch den nach auswärts drängenden Kern eine leichte Ausbuckelung erfährt. Mancherorts ist jene eigenthümliche Erscheinung zu beobachten, dass ein Segment des Zellkernes die Peripherie der Zelle überschreitet. Vollkommen ausgetretene Zell- kerne jedoch konnten nieht entdeckt werden. Das Chromatin des Kernes scheint etwas reichlicher, ohne jedoch dass irgend eine typische Formation erkennbar wäre. Eine andere Serie von Veränderungen bezieht sich auf den Zellleib, der um etwa ein Dritttheil vergrössert er- scheint. Natürlich machen sich die Veränderungen auch an der Formation des Chromatins bemerkbar. In emigen Fällen waren diese Veränderungen desselben sehr hochgradig und bestanden darin, dass die Umgebung des Zellkernes an Chromatin auffallend arm wurde, ja sogar vollkommen ehromatinlos ersehien. Andererseits je- doch machte sich an der Peripherie der Zelle eine Stauung der Körner bemerkbar, wodurch em sehr starker und grobkörniger Ring entstand. Auch hier also macht sich die Tendenz des Peripherwärtsschreitens geltend (Fig. 8). — Diese erwähnten Erscheinungen, welche aus bisher unerforseh- baren Ursachen einmal sehr ausgeprägt, ein anderesmal jedoch schwächer zum Ausdruck gelangten, waren als Resultat der elee- trischen Reizung immer zu erkennen. Dass diese Erscheinungen der mechanischen Wirkung des eleetrischen Stromes entstammen Studien über d. Bau des Chromatins in d. sympath. Ganglienzelle. 389 würden, ist nicht wahrscheinlich, da, wie erwähnt, der indueirte Strom verwendet wurde, und zwar in einer Entfernung, dass die an und für sich geringe mechanische Leistung desselben auf das Ganglion nicht übergreifen konnte. Die Veränderungen selbst, haupt- sächlich das Peripherwärtsschreiten der Kerne, geschah den ver- schiedensten Richtungen nach, während, wenn diese Erscheinung eine physikalische Wirkung der Stromes wäre, auch das Aus- treten der Kerne immer dieselbe Richtung beibehalten müsste. Aus alldem geht hervor, dass die beschriebenen Verände- rungen der Ganglienzellen dem Reizzustande als dessen characteristische morphologische Eigenschaften zugeschrieben werden müssen. Allenfalls ist es sehr wahrscheinlich, dass unter physiologischen Verhältnissen diese Veränderungen in solchem Grade nicht zur Entwicklung gelangen, da die physiologisch, den Ganglienzellen zukommenden Reize, was Heftigkeit anbelangt, dem experimentell angewandten indu- eirten Strome nicht gleichzustellen sind. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX. Fig. 1. Schnitt aus dem Gang]. cerv. supr. des Kaninchens (nicht ge- reizt). Vergröss. 1000. Nissl’sche Färbung. ‘ Sehnitt aus dem Gang]. cerv. supr. des Hundes. Vergr. 1000. Nissl’sche Färbung. Fig. 3. Schnitt aus dem Gangl. cerv. supr. eines menschlichen Foetus vom VII. Monate. Vergr. 1000. Nissl’sche Färbung. Fig. 4. Schnitt aus dem Gangl. cerv. supr. eines Neugeborenen. Vergr. und Färbung wie oben. Fig. 5. Sehnitt aus dem Gang]. cerv. supr. eines 12jährigen Knaben. Vergr. und Färbung wie oben. Fig. 6. Schnitt aus dem Gangl. cerv. supr. eines 2Sjährigen Mannes. Vergr. und Färbung wie oben. Fig. 7. Sehnitt aus dem Gangl. cerv. supr. eines 70jährigen Mannes. Vergr. und Färbung wie oben. Fig. 8. Schnitt aus dem Gangl. cerv. supr. eines Kaninchens, dessen Grenzstrang 15 Minuten mit inducirtem Strome gereizt wurde. Fig. 1 ist der nicht gereizten Seite desselben 'Thieres ent- nommen. Vergr. und Färbung wie oben. ID Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 26 390 Erik Müller: (Aus der histologischen Anstalt des Carolini’schen Instituts zu Stockholm.) Zur Kenntniss der Ausbreitung una Endigungs- weise der Magen-, Darm- und Pankreas-Nerven. Von Erik Müller. Hierzu Tafel XXI u. XXI. Die Untersuchungen über die Ausbreitung und Endigungsweise der Nerven, theils im Pankreas, theils in den verschiedenen Lagen der Magen-Darmwand, welche ich hier vorlege, bekräftigen in ge- wissen Hinsichten schon vorher bekannte Sachverhältnisse, wollen aber auch ein Beitrag dazu sein, unsere Kenntnisse in diesen Dingen in einzelnen Theilen zu erweitern. Was besonders die Frage hinsicht- lich der sympathischen Nervenzellen in diesen Organen betrifft, so sind meine Untersuchungen indessen noch recht unvollständig. Dass ich sehon jetzt meine Resultate der Oeffentlickeit überliefere, hängt theils davon ab, dass die nächste Zukunft für mich von anderen Beschäftigungen in Anspruch genommen wird, theils davon, dass die Bilder, die ich über die Nerven — deren Verlauf und Endigungsweise — in diesen Organen erhalten habe, mir an Reichhaltigkeit und Deutlichkeit die besten zu sein scheinen, die man mit Hülfe der jetzigen Untersuchungsmethoden erhalten kann. Den näheren Bericht über die Nervenzellen, die sich in diesen Organen befinden, will ich für eine spätere Mittheilung aufbewahren. Meine Untersuchungen sind alle mit der Golgi’schen sog. schnellen Methode vorgenommen. Als Material habe ich Organe theils vom Hunde und vom Kaninchen, theils vom Frosch ange- wendet. Ich beginne meinen Bericht mit den Nerven in der Muskulatur und der Sehleimhaut der Darmwand. Die mächtigen Geflechte von Nervenfäden mit eingelagerten Ganglienzellen, welche theils in der Submucosa, theils zwischen Ausbreitung u. Endigungsweise d. Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 391 den beiden Muskellagern gelegen sind und nach ihren Entdeckern die Meissnerschen und Auerbach’schen Plexus benannt werden, sind von zahlreichen späteren Untersuchern studirt wurden. Diese bestätigen im Ganzen genommen die von den Entdeckern gefundenen Verhältnisse. Mit der Golgi’schen Färbungsmethode, welche, so viel ich weiss, bisher noch nieht bei Untersuchung dieser Nervengewebe angewendet worden ist, habe ich im Zwi- schenraum zwischen der Rings- und Längsmuskulatur sowohl, als auch in dem submucosen Lager im Darme ausserordentlich reichliche Bündel von Nervenfäden erhalten (Fig. 1), die sich in verschiedenen Richtungen kreuzen und hierdurch ein enges Flechtwerk bilden. Das Studium der Nervenzellen ist gerade in diesem Plexus mit den allergrössten Schwierigkeiten verknüpft. Sie lassen sich schwer färben, und sind ausserdem verborgen, theils von der kolossalen Menge von Nervenfäden, die es hier giebt, theils von diffusen Silberniederschlägen m den Knotenpunkten des Netzwerkes. Von der Vertheilung und Endigungsweise der Nerven in der glatten Muskulatur im Allgemeinen und auch besonders in den Muskelhäuten in der Darmwand ist viel geschrieben worden. Kölliker!) untersuchte die Nerven in der glatten Mus- kulatur schon im Jahre 1862 und fand, dass sich die Nerver- stämme in feme Fäden vertheilten, welche, nachdem sie sich verzweigt hatten, mit freien Endausläufern schlossen. Laut Auerbach?) gehen von gewissen Lagen in dem mächtigen Plexus zwischen dem Längs- und Ringmuskellager des Darmes feine Ausläufer in das Ringmuskellager hinein, um hier hauptsächlich geradlinig in querer Richtung zu verlaufen. Sie bestehen aus 1—2 Primitivfäden und theilen sich in letzt- erwähntem Falle bald, um sich in derselben Richtung fortzusetzen. Diese Fäden sind überall reichlich vorhanden zwischen den Mus- kelfäden, jedoch in solcher Entfernung von einander, dass mehrere — 5—10 Zellen — zwischen sie zu liegen kommen. Auch in das Längsmuskellager treten solche, mit den Muskelfäden paral- lele Nervenfäden ein. Ein bestimmtes Ende der Nerven in der Muskulatur konnte er nicht sehen. 1) Würzburger naturw. Zeitschrift Bd. II, 1862. 2) Virchow’s Archiv Bd. 30. 399 Erik Klebs!), Frankenhäuser?) und Arnold?) widmeten der Erörterung des Verhältnisses der Nerven in der glatten Mus- kulatur gründliche Untersuchungen. Ich will mich hier darauf beschränken, hauptsächlich die des Letzteren zu referiren. In allen Organtheilen, die aus glatter Muskulatur bestehen, also auch in der Muskelhaut des Darms, zeigt sich eine ziemlich gleich- artige Anordnung der Nerven. In dem Bindegewebe, welches diese Organtheile umhüllt, bilden sie weitmaschige Plexus (Grundplexus), indem sich die Fäden neben einander legen und einander auf mannigfaltige Weise kreuzen. Von diesem Plexus gehen zahlreiche Fäden aus, welche, indem sie sich mit einander verflechten, einen sekundären Plexus bilden, welcher die Muskelbündel umspinnt (intermediäres Netz) und auch in diese hineindringen kann. Von dem intermediären Netze gehen feine Fäden zwischen die Muskelfasern hinein. Diese vertheilen sich in noch feinere, welehe sowohl in ihrem Verlauf, als auch an den Theilungsstellen dunkle Körner von gerundeter, ellipti- scher oder kantiger Form enthalten. Die Fäden anastomosiren mit einander und bilden hierdurch feinmaschige wirkliche Netze (intramuskuläre Netze), die m der Kittsubstanz zwischen den Muskelfasern liegen. Von diesen Netzen gehen Fäden aus, die sich in die Muskelsubstanz hineinsenken, und darauf in die Kerne eindringen. Hier treten sie in Verbindung mit den Körnern des Kerns, um darauf quer durch die Zelle hindurchzugehen und sich von Neuem mit dem intramuseulären Netze zu vereinigen. Die Körner im Kern sind also keine Endpunkte der Nerven- fäden, sondern nur Anschwellungen in dem feinen Netze. — Auch Frankenhäuser fand vor Arnold schon eine Verbindung zwischen dem Kern der Muskelfasern und den Endzweigen der Nerven. Er lässt diese indessen im Kern enden, indem sie mit den hier befindlichen Körnern in Verbindung treten, die er als Kernkörper auffasst. Löwit®) hat mit der Goldehlorid-Methode die Ausbreitung 1) Virchow’s Archiv Bd.32, 1865. 2) Die Nerven der Gebärmutter und ihre Endigung in den glatten Muskelfasern. Jena 1867. 3) Die Gewebe der organischen Muskeln. Leipzig 1869 und Stricker’s Handbuch 1871. 4) Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 71, 1875. Ausbreitung u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 39 und Endigungsweise der Nerven in der glatten Muskulatur genau untersucht. Er unterscheidet, wie vorher Klebs und Arnold, einen Grundplexus, einen intermediären und einen intramuskulären Plexus von Nervenfäden. Die beiden ersterwähnten enthalten mäch- tige Primitivfibrillenbündel, welehe durch wiederholte Auffaserungen und Verzweigungen an Dicke abnehmen und schliesslich in die feinen Terminalfibrillen übergehen, die in das intramuskuläre Netz ein- gehen. Diese letzteren verlaufen in der Kittsubstanz zwischen den zu Reihen geordneten Muskelzellen, parallel mit diesen. In der Nähe des Kerns der Muskelzelle tritt der Nerv in eine Art Verbindung mit der Muskelzelle. Von welcher Art diese ist, kann er nieht genau bestimmen. Ob die zahlreichen, parallel mit den Muskelfäden laufenden Nervenfibrillen frei enden oder ob sie zusammenhängende Terminalnetze bilden, wie die vorher- gehenden Forscher, Arnold u. A. m. meinen, kann er nicht mit Bestimmtheit angeben. Die letztere Möglichkeit scheint ihm am wahrscheinlichsten. „Ich hebe hervor“ — sagt er, „dass ich an meinen gelungensten Goldpräparaten immer nur zusammen- hängende Endfibrillen auffinden konnte.“ Ungefähr gleichzeitig mit oben referirter Untersuchung kam eine Abhandlung von Arnstein und Goniaew über die Nerven im Nahrungskanal heraus. „Verfolgt man die seeundären Stränge des Plexus myentericus, so sieht man sie büschel- oder pinsel- förmig in die Muskulatur ausstrahlen; in der nächsten Nähe der letzteren theilen sich die feinen Fäden mehrfach, wodurch ein sehr zierliches Bild entsteht.“ Eine Menge feiner Nervenfäden versenken sich in die Muskulatur und können bis zu den deutlich hervortretenden Muskelkernen verfolgt werden. Ein so vollstän- diges, intramuskuläres Nervennetz, wie es Arnold dargelegt, konnten sie nicht finden. Sie erhielten freilich sehr leicht mit Goldehlorid ein zwischen den Muskelzellen gelegenes Netz schwar- zer Fäden, hielten jedoch dafür, dass dieses von der gefärbten Kittsubstanz gebildet wurde. Die Form der Maschen an dem fraglichen Netze wechselt nämlich mit der Richtung, in welcher die Muskelzellen vom Schnitt getroffen wurden. Die Contouren der letzteren stimmen gewöhnlich mit dem Fadennetze überein. Den Zusammenhang dieses Netzes mit wirklichen Nervenfäden aufzuweisen, ist den erwähnten Forschern nicht geglückt. 394 Erik Müller: Drasch!), welcher die Nerven in der Darmwand genau untersucht hat und dessen Untersuchungen ich später ausführli- cher erwähnen werde, erzielte hinsichtlich der Nervenenden in der Muskulatur mit den von Löwit gefundenen übereinstimmende Resultate. Er betont indessen besonders, dass sich L. vielleicht manchmal einer Verwechslung mit der Kittsubstanz zwischen den Zellen schnldig gemacht hat, die auch vom Goldehlorid gefärbt wird, und daher leicht mit Netzen von nervöser Natur verwech- selt werden kann. Gscheidlen?), welcher die Nervenenden in der glatten Muskulatur mit Goldehlorid untersucht hat, kömmt zu einem ähn- lichen Resultat, wie Löwit. Lustig?) untersuchte die Nervenenden in der Urinblase und im Darm bei Säugethieren. Er fand, dass die feinen Nerven- endzweige entweder damit endeten, dass sie mit der Kerneontour in Verbindung traten, oder auch mit dem sog. Protoplasma- oder Kernfortsatz, worunter er den centralen, dem Kern zunächst ge- legenen, mit Gold imtensiv färbbaren Theil des Protoplasma ver- steht. Diese Nervenendfäden können mehrere Zellen versorgen. Der Verfasser hält, auf die Erfahrung über die Menge von Ner- venendigungen, die er durch seine Untersuchungen gemacht hat, gestützt, für wahrscheinlich, dass eine jede besondere Muskelzelle mit einem Nervenfaden in Verbindung tritt. Die Nervenfäden, welche die glatte Muskulatur bei den höheren Thieren versorgen, zeichnen sich nach Ranvier's®) Ansicht dadurch aus, dass sie mit einander anastomosiren. Gleich- wie Klebs, Arnold u. A. m. unterscheidet er einen Grund- plexus einen intermediären und einen intramuskulären Plexus. Im Darme bilden die Nerven erst einen Grundplexus zwischen den beiden Muskellagern: Plexus mysenterieus oder Auerbach's Plexus. Von diesem Plexus gehen Fäden ab, die in dessen Ma- schen einen andern Plexus ohne Ganglienzellen bilden, und schliesslich befindet sich im Innern der Muskellager der dritte intramuskuläre Plexus. Die mit einander zusammmenhängenden, 1) Sitzungsber. d. Akad. d. Wissenschaften Bd.71, 1875. 2) Archiv für mikr. Anat. 14. Bd., 1877. 3) Sitzungsber. d. Akad. d. Wissenschaften Bd. 83, 18831. 4) Traite technique d’Histologie. Ausbreitung u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 395 zu einem wirklichen Netze vereinigten Fäden in diesem, treten in der Gegend der Kerne der Muskelzellen in Verbindung mit dem Protoplasma der Zellen durch knollenartige Verdickungen, die unmittelbar auf dem letzteren liegen und von Ranvier „mo- torische Flecke“ genannt werden. ‚Arnstein!) hat die Nerven im Magen und im Darm mit der Methylenblaumethode untersucht. Er findet ein dichtes, mit Ganglienzellen versehenes Geflecht; hiervon gingen Bündel von Fibrillen parallel längs der Muskelbündel aus. Von diesen dräng- ten einzelne blaue Fäden sich zwischen die Muskelfäden hinein, um zu enden, „ohne Endköpfe oder taches motrices zu bilden“. Obregia?) untersuchte die Nervenenden in der Muskulatur im Darm des Hundes. Er wendete folgende Methoden an: Be- handlung mit 2°/, Essigsäure, Methylenblaufärbung nach Ehr- lichs Methode, Goldehlorid (mit Citronensaft nach Ranvier). Die Nerven dringen longitudinal oder schief in den Zellenkörper ein und verlaufen darauf longitudinal durch die Kerne, so dass nicht die Mitte des letzteren, sondern dessen Seitengrenze mit der Faser verknüpft ist. Hierauf können die Nervenfasern diese Zelle verlassen, um eine zweite oder dritte Zelle auf dieselbe Weise zu durchziehen, ehe sie endigen. Dies Letztere findet innerhalb der Muskelzelle statt, und die Nervenfaser vereinigt sich nicht, wie Arnold sah, nach der Passage durch die Zelle von Neuem mit dem intramuskulären Netze. Wie aus dem Vorhergehenden hervorgeht, sehen die Meisten: Arnold, Löwit, Ranvier u. A.m., welche das Verhältniss der Nerven in der glatten Muskulatur untersucht haben, dafür an, dass die Endfasern derselben durch Anastomosen ein wirk- liches Netz bilden. Kölliker sprach indessen schon im Jahre 1862 die Ansicht aus, dass die Nerven in der glatten Muskulatur mit freien Enden schlössen. Ebenso Arnstein in späterer Zeit, gestützt auf die Erfahrung, die er mit der Methylenblau- methode gemacht. Wie in dem Folgenden dargelegt werden soll, wird diese Ansicht bestätigt durch Untersuchung mit der Golgi’- 1) Anatomischer Anzeiger Bd. II, 1887. 2) Verhandl. des X. internat. medicin. Congresses, Berlin 1890, Bd.1, Abth.1. 396 Erik Müller: schen Methode. Die Resultate, die ich hiermit erzielt, will ich nun berichten. Vom Plexus Auerbach’s gehen reichliche Nervenstämme, d.h. Bündel feiner Nervenfäden, in die Muskellager hinein, ge- wöhnlich fast winkelrecht gegen deren Verlaufsrichtung. Von diesen Bündeln kann man zwei Arten unterscheiden: theils solche, die in die Muskellager hineingehen, um sich dort weiter zu ver- zweigen und damit zu enden, dass sie mit den Muskelzellen in Verbindung treten, theils solche, welche quer durch die Muskel- lager hindurchgehen, um sich resp. mit dem Plexus M eissner’s und dem subserösen Nervenplexus zu vereinigen. Diese letzteren anastomosirenden Bündel sind recht zahlreich. Ueber die Ver- theilung und Ausbreitung der Nervenstämme innerhalb der Mus- kellager erhält man die beste Einsicht, wenn man sie in Schnitten studirt, welche diese Lager parallel mit der Richtung der Mus- kelzellen getroffen haben. Man nimmt dann in erster Reihe die kolossale Menge von Nervenfäden wahr, welche sich in diesen Muskelhäuten befinden, theils in Form von freien Endfasern, theils als mehr oder minder mächtige Fädenbündel. Man findet ferner ihre Anordnung und Ausbreitung besonders typisch. Als Beispiel will ich auf Fig. 2 hinweisen, welche vom eirkulären Muskellager des Frosches genommen worden ist. Die oben er- wähnten Stämme in der Cireularis (Fig.2 a), vom Plexus Auer- bach’s kommend, vertheilen sich unter fast rechten Winkeln in Zweige, die in der Richtung der Muskelbalken verlaufen, und von diesen gehen, ebenfalls rechtwinklig, neue Zweige aus, welche den Verlauf der Muskelbalken kreuzen, und diese wiederum vertheilen sich in Zweige mit longitudinalem Verlauf u. s. w. Durch diese fast rechtwinklige fortgesetzte Vertheilung entsteht eine sehr typische guirlandenförmige Verzweigung der Nerven- fäden. Es ist klar, dass die Nervenstämme während dieser Zer- theilung nach und nach an Mächtigkeit abnehmen und dass schliesslich, als letzte Leiter dieser Verzweigung, nur die feinen Nervenfäden dastehen. Das Totalbild der Nervenausbreitung wird also das eines mächtigen Flechtwerkes mit gröberen und feineren Maschen. Das grösste Interesse bei diesen Bildern wendet sich in- dessen dem schliesslichen Ende der Nervenfäden zu. Wie ist dies? Wie ist die Verbindung zwischen den Muskelzellen oder Ausbreitung u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 397 den daraus gebildeten Balken und den Endigungen der Nerven, welche sich im oben beschriebenen Plexus befinden? Folgt man, in Präparaten, die nach der Golgi’schen Silberfärbungsmethode behandelt worden, den einzelnen Nervenfäden, nachdem sie die Bündel verlassen haben, worin sie verlaufen, so findet man, dass sie sich in feine Endzweige theilen, die frei auslaufen. Der Verzweigungstypus ist sehr verschieden und will ich in dieser Hinsicht aufFig. 3, 4, 5, 6 hinweisen, welche verschiedene Typen dieser Endverzweigungen der Nerven darlegen. Man kann dem- zufolge grosse Endverzweigungen mit mächtigen Zweigen vor- finden, welche einander oft kreuzen, ehe sie endigen (Fig. 4). Oder man kann ihnen zur Seite kleine büschelförmige Bildungen kurzer zahlreicher Fäden sehen, welche durch Verzweigung eines einzigen entstanden sind (Fig. 3), und ferner zahlreiche Uebergänge von verschiedenem Aussehen zwischen den erwähnten Verzweigungstypen. Die Endverzweigungen der Nerven in der glatten Muskulatur sind augenschemlich von derselben Art, wie die verzweigten Nervenendigungen, die seit lange schon in der quergestreiften Muskulatur bekannt sind. Die Nervenfäden ver- laufen, ehe sie sich zertheilen, im Allgemeinen parallel mit den Muskelfäden. Die Zweige, in die sie sich zertheilen, verlaufen bald in derselben Richtung, bald etwas unregelmässiger. Die feinen Zweige endigen mit einer keulen- oder birnenförmigen Anschwellung (Fig. 6b), die sich auf eine Muskelzelle (a) legt. Diese Anschwellungen sind sehr konstant und regelmässig (Fig. 4a) ihrem Aussehen nach, so dass ich keinen Anstand nehme, sie als ein der Wirklichkeit entsprechendes Structurverhältniss anzu- sehen. Es ist indessen nicht nur an den Enden der Fäden, wo sich solehe befinden. Man findet nämlich oft die Fäden ihrer ganzen Länge nach mit dergleichen kleinen Platten versehen, oft an kleinen kurzen Stielen sitzend und eine jede mit ihrer besonderen Muskelzelle in Verbindung tretend. Hieraus geht hervor, dass ein jeder Nervenfaden mehrere Muskelzellen ver- sorgen kann. In dünnen Schnitten, wo die Färbung geglückt ist und die Contouren der Muskelzellen deutlich hervortreten, habe ich mir besondere Mühe gegeben, mit starker Vergrösserung das Verhältniss des Nervenfadens zur Substanz der Muskelzelle zu studiren. Wie in dem Vorhergehenden erwähnt worden, haben verschiedene Untersucher (Arnold, Lustig, Obregia u. A. m.), 398 Erik Müller: welehe mit der Goldehloridmethode arbeiteten, einen intimen Zu- sammenhang zwischen diesen Theilen zu finden gemeint, indem sich der Nervenfaden in die Zelle hineinsenken und in Verbindung mit deren Kern treten soll. Etwas Aehnliches habe ich in meinen Präparaten nie gefunden. Die Endvaricosität, womit der Nerv endigt, legt sich auf den Zellenkörper selbst, berührt denselben, senkt sich aber nie in denselben hinein. Das Bild in Fig. 6 gibt ein Beispiel dieses Verhältnisses. Was nun die Menge von Nervenendigungsfäden betrifft, so ist dieselbe in verschiedenen Schnitten sehr verschieden, gleich- wie auch in den verschiedenen Theilen desselben Schnittes, na- türlicherweise von der mehr oder minder geglückten Färbung ab- hängend. Es ist ja eine Eigenthümlichkeit der Golgi'schen Silberfärbungsmethode, die Nervenelemente nur theilweise zu färben. An den Stellen, wo die Färbung besonders geglückt ist, erstaunt man über die kolossale Menge frei endigender Fäden, die es in der Darmmushulatur giebt. Als Beispiel eines solchen Bildes gilt Fig. 7, welche gezeichnet ist nach einem Schnitt vom Längs- muskellager des Hundedarms, parallel mit den Muskelzellen. Nach solehen Bildern zu urtheilen, sollte also eine jede Muskel- zelle mit einem Nervenfaden in Verbindung treten. Auch an diesen Stellen mit solcher reichlichen Nervenfärbung kann man deutlich konstatiren, dass alle Nervenfäden frei endigen, nirgends gehen sie Verbindungen mit einander ein. Fassen wir das Vorhergehende zusammen, so finden wir, dass die reichlich vorkommenden Bündel von Nervenfäden, die im Muskellager des Darms befindlich sind, sich in feinere Zweige zertheilen, die sich auf eine sehr charakteristische Weise mit ein- ander verflechten, ohne jemals wirkliche Anastomosen einzu- gehen. Schliesslich gehen aus diesem Netzwerk mit seinen grös- seren und kleineren Maschen und gröberen und feineren Balken feine Nervenfäden hervor, die gewöhnlich parallel mit den Mus- kelzellen verlaufen. Diese verzweigen sich auf eine sehr typische Weise und die Zweige in dieser Endarborisation endigen als freie Fäden, sich mit dem Protoplasma der Muskelzellen in Ver- bindung setzend. Die Endnetze, die von verschiedenen Forschern mit der Goldehloridmethode dargestellt und als Nervennetze beschrieben worden sind, werden von Anderen als Kittsubstanz zwischen den Ausbreitung u. Endigungsweise d. Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 399 Muskelzellen angesehen, die in solchem Falle auch vom Gold- eblorid gefärbt worden ist. Es ist daher von sehr grossem Inter- esse zu finden, dass diese Kittsubstanz auch schwarz gefärbt wird bei Silberfärbung nach Golgis Methode. Man erhält nämlich die hübschesten Netze im den Muskellagern von verschie- denem Aussehen, je nachdem der Schnitt die Muskelzellen der Länge oder der Quere nach getroffen hat, mit regelmässigen oder unregelmässigen, runden oder ovalen Maschen. Fig. 8 liefert ein Beispiel eines solehen Bildes. Es kann nicht geleugnet werden, dass man oftmals Bilder von diesem Netzwerk von Kitt- substanz erhält, die auf eine auffällige Weise Uebereinstimmung mit den Netzen darlegen, die von verschiedenen Untersuchern mit Goldehlorid hergestellt und als Nervennetze beschrieben worden sind. Diese Verwechslung ist indessen schon, wie oben erwähnt worden, von Arnstein und Goniaew, sowie auch von Drasch besprochen worden. Sind die Nervenfäden ebenfalls ge- färbt, so lassen sie sich immer gut von diesen schwarzen Netzen unterscheiden, so dass eime Verwechslung zwischen diesen ver- schiedenartigen Bildungen bei Anwendung dieser Methode nicht möglich ist. Ueber das Verhältniss der Nerven in der Mukosa des Darm- kanals sind nicht so viele Untersuchungen ausgeführt worden. Arnstein und Goniaew!) untersuchten mit der Gold- ehloridmethode theils die Struetur und die Anordnung der Nerven- elemente mn Auerbach's und Meissner’s Plexus, theils die Nervenendigungen im Oesophagus und Magen des Frosches. Da meine Untersuchungen nur die Nerven in der Mukosa des Magens und des Darms umfassen, so will ich hier nur die Resultate der er- wähnten Forscher hinsichtlich der Innervation der Magenschleim- haut referiren. Ausser besonderen, für die Gefässe bestimmten Nerven finden sie feine Bündel von Nervenfäden, aus den tieferen Schleimhautlagern direkt an die Oberfläche aufsteigend und hier in freien Endausläufern zwischen den sich verschmälernden basalen Enden der Cylinderzellen schliessend. Sie setzen sich nicht in Zellen fort, wie Trütschel und Thanhoffer es beschreiben. Gewisse Epithelzellen werden vom Goldehlorid oft stark gefärbt. Da- von hängt der Irrthum ab, den diese Untersucher gemacht haben, 1) Archiv f. mikr. Anat. Bd. XI, 1875. 400 Brik Müller: wenn sie die Nerven mit den Zellen in Continuität stehen lassen. Auch an den Drüsen fanden Arnstein und Goniaew Nerven- ausbreitungen. Drasch!) untersuchte mit der Goldehloridmethode die Nerven im Duodenum. Er beschreibt genau Auerbach’s und Meissners Plexus, ferner die Nervenausbreitungen um die Brunner’schen Drüsen und findet schliesslich reichliche Nerven in der eigentlichen Schleimhaut und in den Villi. Zwischen den Lieberkühn’schen Krypten steigen grosse Nervenstämme em- por, welehe Anastomosen eingehen und so reichliche Netzwerke bilden. Von diesen unterscheidet er gröbere und feinere Netze, zwischen denen ein Fadenaustausch stattfindet und worin grössere und kleinere Ganglienzellen eingelagert sind. Unmittelbar gegen die Membrana propria der Drüsen liegen feine Nervennetze. In den Villi befinden sich theils reichliche Nerven, theils Ganglien- knoten. Von der Tiefe der Schleimhaut dringen jene in die Villi hinauf, theilen sieh diehotomisch und treten in Verbindung mit Zweigen von naheliegenden Nerven oder mit den erwähnten Ganglienknoten. So entstehen zwei Netze: ein oberflächliches unter dem Epithelium gelegenes und ein tieferes im Zottenparen- ehym, welehe indessen durch anastomosirende Fäden mit ein- ander in Verbindung stehen. Von dem ersteren gehen freie Fäden theils nach den Bluteapillaren, theils zu der Basalmembran ab, welehe das Cylinderepithelium gegen das Zottenparenehym be- grenzt. Von dem tieferen Netze gehen Fäden zu den Muskel- zellen in den Villi. Ramön y Cajal?) hat mittelst der Golgi’schen Methode in den Villi der Darmsehleimhaut besondere Nervenzellen von Stern- oder Spulenform entdeekt, die mit einander anastomosiren und hierdurch zusammen ein Netzwerk mit verdiekten Knoten- punkten bilden, welche also gerade von den Zellenkörpern zu den ebenerwähnten Zellen ausgemacht wurden. Prof. Andrea Capparelli°) in Catania hat die Nerven- endigungen in der Magenschleimhaut untersucht und sich dabei 1) Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissenschaften Bd. 81, III. Ab- theilung. Wien 1880. 2) Gazeta Medica Catalana. 1889. 3) Biologisches Centralblatt Bd. XI, 1891. Ausbreitung u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 401 der Golgi’schen Methode bedient. Sein Untersuchungsmaterial ist Frosch und Hund. Er macht hier die wichtige Entdeckung, dass die Nervenfäden mit becherförmigen Epithelzellen in der Schleimhaut in Verbindung stehen. Sie färben sich gleichwie die Nerven schwarz und setzen sich in feine Ausläufer fort, welche direkt mit den Nervenfäden zusammenhängen. „Die Nerven in der Magenschleimhaut stehen in Verbindung mit den bis jetzt als Epithelzellen (Becherzellen) betrachteten Elementen.“ Ich gehe jetzt zur Berichterstattung über die Nervenaus- breitung in der Schleimhaut des Magens und des Darms über, so wie sie sich in Präparaten darstellt, wo die Färbung nach Golgi's sog. schnellen Methode geglückt ist. Ist es gelungen, mittelst dieser Methode die Nerven in der ganzen Breite der Darmwand zu färben, so ist das Bild, welches man von einem (Querschnitte erhält, ausserordentlich belehrend. Man sieht dann nämlich den reichlichen Zusammenhang, der zwischen den Nerven- ausbreitungen der einzelnen Häute stattfindet. Ja, man erhält den Eindruck eines zusammenhängenden Flechtwerkes von grö- beren oder feineren Bündeln von Nervenfäden, welches sich von dem subserösen Lager quer durch die Darmwand hindurch ganz bis an Cylinderepithelium ausbreitet. Zwischen den beiden Mus- kelhäuten sowohl, als auch in dem submukösen Lager ist das Flechtwerk reichlicher als sonst. Dies sind die beiden, seit Meissner und Auerbach bekannten Nervenplexus. In der Mukosa haben wir die Plexusbildungen zu unter- scheiden, die sich im unteren Theil derselben befinden (Fig. 9), wovon Nerven unter Anderem auch zu den Lieberkühn’schen Drüsen abgehen, und die, welche sich in den Villi befinden (Fig. 10, 12a u. 15). Sie hängen indessen mit einander zusammen, Mit der Golgi'schen Färbung erhält man ausserordentlich in- struktive und gute Bilder über die Nervenausbreitung in diesen Theilen der Mukosa. Sie stimmen der Hauptsache nach mit den Resultaten überein, welche Drasch mit Goldehlorid erzielt hat. Nur die Anordnung und das Verhältniss zwischen den Fäden untereinander ist verschieden in den Präparaten, welche mit der Goldehlorid-Säuren-Behandlung dargestellt sind und mit der Gol- gischen Färbung. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass das Aussehen der Nervenfäden, so wie man sie nach geglückter Färbung mit Golgi’s Methode erhält, den in Wirklichkeit 402 Erik Müller: stattfindenden Verhältnissen entsprechen. Von dem Meissner- schen Plexus (Fig. 9, a) steigen mächtige Bündel von Nervenfäden vertikal oder schief in die Mukosa hinauf (Fig. 9, b), zertheilen sich hier in kleinere Bündel, welehe sieh unter Austausch von Fäden mit einander kreuzen und bilden hierdurch einen zusammen- hängenden mächtigen Plexus erster Ordnung; von diesem gehen nun noch kleinere Bündel aus, die sich in ein feineres Flechtwerk von Nervenfäden auflösen, welche die Drüsen zunächst umgeben und hiervon gehen feine Endzweige ab, die sich entweder theilen oder ungetheilt in nächster Nähe der Zellen endigen. Ein Ein- dringen zwischen oder in die Zellenkörper selbst habe ich nir- gends mit voller Sicherheit wahrnehmen können. Bei starker ‘ Färbung nehmen die gröberen sowohl, als auch die feineren Nervenfäden-Bündel eine gleiehförmige, schwarze Farbe an und man erhält dann Bilder mit wirklich anastomosirenden Balken. Dies tritt besonders oft an den feinen Flechtwerken von Nerven- fäden hervor, die den Drüsen zunächst liegen. Die Bilder stimmen also mit den Bildern überein, welche Drasch mit Goldehlorid erhalten. Er zeichnet die Ausbreitung der Nerven in diesen Plexus als zusammenhängende wirkliche Netze, welches mir auch aus der Beschreibung hervorzugehen scheint. So verhält es sich indessen nieht. Darüber klären die silbergefärbten Präparate auf, wo die Färbung mässig, also nicht zu stark hervortritt, wo das Silber nieht zwischen den Fäden niedergeschlagen ist. Man findet bei Anwendung hinreichend starker Vergrösserungen, dass die Bündel, wenn sie sich mit einander verflechten, freilich Fäden austauschen können, man sieht diese aber nicht untereinander zusammenschmelzen und in den feineren Netzen sieht man auch, dass die Anastomosen nur scheinbar sind: Fäden kreuzen sich über einander ohne zusammenzuschmelzen. Das Prinzip für die Nervenendigungen in diesem Theil der Mukosa, also um die Drüsen herum, ist dasselbe, wie in der Muskularis: eine immer feinere und feinere Zertheilung der Fädenbündel bis zu den einfachen Fäden, welche dann entweder Endfäden sein können, oder sich ein oder mehrere Male in solehe zertheilen können, die blind en- digen. Natürlicher Weise begeben sieh nicht alle diese Endfäden zu der feinen subepithelialen Endausbreitung auf den Drüsen, sondern ein Theil schliesst als Gefässnerven, andere als Muskelnerven in der Muscularis mucosae oder in den Muskelfasern in der Mukosa. Ausbreitung u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 403 Der Reiehthum an Nerven in den Villi, wovon Drasch redet, tritt auf eine ausgezeichnete Weise in den Präparaten her- vor, wo die Färbung nach Golgi's Methode geglückt ist. Ein Quer- schnitt der Mukosa m einem solchen Stücke gibt ein besonders lehrreiches Bild von der Menge, der Anordnung und der Aus- breitung der Nerven (Fig. 10, 12a u. 13). In einem Villus einen peripheren Plexus von einem centraleren zu unterscheiden, wie Drasch es gethan, dafür reden indessen diese Bilder nieht. Sie machen eher den Eindruck einer ziemlich gleiehförmigen Ver- theilung der Nervenelemente durch des ganzen Villus’ Parenchym- masse bis zu dem Epithelium. Will man indessen ein besonderes epitheliales Lager unterscheiden, so muss man als ein solches die zahlreichen Endausläufer auffassen, die sich hier vorfinden und die sich unmittelbar an das Epithelium legen. Diese End- ausläufer treten nämlich oft sehr hübsch hervor als ein mehr oder weniger zusammenhängendes Lager frei auslaufender Fäden. Von den verschiedenen Graden von Färbung gilt hier dasselbe, was oben von den übrigen Plexus gesagt worden. Bei starker Fär- bung (Fig. 10) sieht man starke, homogene schwarze Strähne vom Plexus um die Drüsen aufsteigen und die Villi von der Basis bis an die Spitze hinaus durchziehend, unterdessen an Dicke abnehmend durch die Querzweige, welche sie an die übrigen abgeben. Daneben gehen feinere Zweige ab, die sich einander anlegen oder sich kreuzen, einen feineren Plexus bil- dend, aus welchem schliesslich die freien Endzweige hervor- gehen (Fig. 12a). In Präparaten, wo die Färbung schwächer ist, sieht man deutlich, dass sowohl die grösseren, als auch die feineren Zweige in diesem Geflechte aus feinen Nervenfäden be- stehen, die neben einander herlaufen, nirgends wirkliche Anasto- mosen mit einander eingehen, sondern als freie Endzweige endi- gen. Von diesen unterscheidet man hier in den Villi zwei Arten: theils solche, die sich unmittelbar unter dem Cylinderepithelium befinden, theils andere, die innerhalb des Villusparenchyms liegen. Die letzteren stehen im Zusammenhang mit den hier reichlich vorkommenden glatten Muskelzellen. Das Flechtwerk von Nervenfäden, welches so eben beschrie- ben worden, weicht etwas von der Anordnung ab, die Drasch als für die Villi eigenthümlich beschrieben hat. Er beschreibt die feinen Plexus als aus mit einander wirklich anastomosirenden 404 Erik Müller: Nervenfäden bestehend. Dies geht noch deutlicher aus den Bil- dern hervor. Im Gegentheil finde ich hier, wie an anderen Stellen, immer freie Nervenfäden, freilich oft eimander kreuzend, doch ohne mit einander zusammenzuschmelzen. Ramön y Cajal ist es geglückt, mit der Golgi'schen Methode eine Art Zellen mit verzweigten und anastomosirenden Endausläufern darzulegen, die er als zahlreiche in das Villuspa- renchyma eingelagerte Ganglienzellen deutete. Es ist auch mir geglückt, einige wenige Male dergleichen Zellen oder zellenähn- liche Bildungen zu imprägniren. Fig. 12 liefert ein Beispiel solcher Bildungen. Das Eigenthümliche ist indessen, dass 'sie nicht gefärbt wurden in den Fällen, wo die übrigen Nervenele- mente, die oben beschriebenen Fäden, reichlich gefärbt wurden, sondern in den Fällen, wo ich sie gefärbt erhielt, waren die Nerven unbedeutend mitgefärbt. Meine Erfahrung in Hinsicht derselben ist bisher nur gering. Wie oben erwähnt worden, endigen gewisse Nerven in den Villi mit freien Endausläufern unmittelbar unter dem Cylinderepi- thelium. Ein Eindringen weit zwischen die Zellen hinein oder in die Zellen habe ich nicht finden können, noch weniger einen direkten Uebergang in die Epithelzellen. In der Mukosa des Magens befinden sich reichliche Netzwerke von derselben Natur, wie die oben be- schriebenen, die Drüsen umgebend, und die Nervenausbreitung erstreckt sich zwischen diesen ganz bis zum Cylinderepithelium hin- auf. Was das Ende der Nervenfäden hierselbst betrifft, so stimmen meine Resultate, mit der Golgi'schen Methode erzielt, vollkommen mit denjenigen überein, welche Arnstein und Goniaew mit der Goldehloridmethode erhielten. Die Nerven endigen mit freien, oft angeschwellten Endfäden unter dem Cylinderepithelinm oder zwischen den basalen zugespitzten Enden der Zellen (siehe Fig. 11). Bilder, wie sie Capparelli erhalten, und woraus er den Schluss zieht, dass die Nerven in die Epithelzellen übergehen, habe ich freilich oft erhalten, aber es ist mir leicht geworden zu finden, dass Capparelli in der Deutung derselben sich einer Täuschung schuldig gemacht hat. Wie ich in einer vorhergehenden Arbeit!) mitge- theilt habe, legen die Epithelzellen — besonders diejenigen, die schleimmetamorphosirt sind — eine besondere Vorliebe an den Tag, 1) Verhandl. d. Biolog. Vereins in Stockholm Bd.4, 1892. Ausbreitune u. Endigeungesweise d.Masen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 405 oO o- [o} to} ’ bei der Behandlung mit Golgi’s Methode schwarz gefärbt zu werden. So findet man oft in den oberflächlicheren Thheilen des Froschmagens solche schwarz oder braun gefärbt, welche einen braun oder schwarz gefärbten Ausläufer in das unterliegende Villusparenehyma aussenden. Bei geglückter Nervenfärbung sieht man jetzt deutlich, wie die Nerven zwischen diesen Ausläufern endigen, und es ist sehr leicht sich davon zu überzeugen, dass sie sieh nieht in sie fortsetzen. Als Beispiel des Verhältnisses der Nervenendigungen in der Mukosa unter den Zellen kann Fig. 11 dienen. Von den Nerven im Pankreas. Meine Untersuchungen über dieses Organ mit der Golgi- schen Methode nahm ich ursprünglich in der Absicht vor, das Verhältniss der Drüsengänge zu studiren, nachdem meine Auf- merksamkeit nach dieser Richtung gelenkt worden war durch recht interessante Funde, die ich hinsichtlich der Ausführungsgänge der Labdrüsen in der Magenschleimhaut gethan. Ich untersuchte das Pankreas beim Hund und Kaninchen und es gelang mir sogleich vortreffliche Färbungen nicht nur der Ausführungsgänge, sondern auch der Nervenelemente zu erhalten. Einige Zeit nachdem ich ‘ diese Bilder erhalten, kam eine Arbeit!) von Ramön y Cajal und Sala heraus, die gerade diese Dinge behandelte. Meine Resultate stimmen in der Hauptsache mit den von diesen For- schern erzielten überein. Ramön y Cajal und Sala finden die Nervenplexus, die das Pankreas besitzt, theils aus eigenthümlichen Nervenzellen, welche sie „eorpuseulos ganglionares simpaticos viscerales“ nennen, theils aus Verzweigungen Remak'’scher Nervenfäden zusammengesetzt. Die Zellen sind multipolar mit kleinem Zellenkörper, von welchem zahlreiche Ausläufer ausgehen, die sich reichlich verzweigen und damit endigen, periaeinöse Flechtwerke zu bilden, von welchen feine Fäden zwischen die Zellen eindringen. Diese visceralen sympathischen Ganglienzellen unterscheiden sich von den in den sympathischen Ganglien vorkommenden, — die, wie Ramön y Cajal?) und van Ge- 1) Terminacion de los nervios y tubos glandulares del pancreas de los vertebrados. Barcelona 1891. 2) Estructura del gran simpatico de los mammiferos. Barce- lona 1891. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40 97 406 Erik Müller: huchten!) gezeigt, zwei Arten von Ausläufern besitzen, theils gewöhnliche Axeneylinder-Ausläufer, theils verzweigte Protoplas- ma-Ausläufer, — dadurch, dass sie nur diese einzige Art ver- zweigter Ausläufer haben. Sie haben ausserdem die Eigenthüm- lichkeit, mit einander zu anastomosiren. Die Resultate, zu denen ich gekommen bin, stimmen, wie schon gesagt worden, in der Hauptsache mit denen der erwähnten Forscher überein. Gleich wie ihnen, ist es mir gelungen, mit der Golgischen Methode sehr reichliche plexusartige Nerven- ausbreitungen um die einzelnen Acini aufzuweisen, und die Ner- venfäden, die in dieselben eingehen, sind zweierlei Ursprunges; sie kommen theils von verzweigten Ausläufern von sehr charak- teristischen Zellen, theils von zahlreichen Bündeln von Nerven- fäden. Die letzteren finden sich in reichlicher Menge vor und durchziehen das Organ im verschiedenen Richtungen (Fig. 14). Sie vertheilen sich in mehr oder weniger mächtige Zweige, welche zwischen den Acini verlaufen und sich mit einander zu sröberen und feineren Netzen verflechten. Von diesen gehen feinere Zweige ab, von welchen ein Theil sich zu den Gefässen begiebt, um dort perivasculäre Plexus von Fäden (Fig. 15,b) zu bilden, die sich in einander verflechten, ohne direkt mit einander zu- sammenzuhängen und enden als freie Ausläufer gewöhnlich mit einer knopfförmigen Anschwellung, wie auch Ramön y Cajal und Sala es erwähnen. Im Uebrigen vertheilen sie sich um die Acini sowohl, als auch um die Ausfuhrungsgänge in der Drüse und bilden um diese ein Flechtwerk von feinen Fäden, welche un- mittelbar den Zellenkörpern anliegen und mit freien End- zweigen schliessen (Fig. 15,a u. 16). Was besonders bei Präparaten mit sehr geglückter Färbung die Aufmerksamkeit fesselt, ist der grosse Reichthum an Fäden, die jeden Acinus umgeben, und ferner, dass sie — wenigstens die feinsten Endzweige — ganz den Zellen anliegen. Ich habe mieh nie davon überzeugen können, dass sie, wie Ramön y Cajal und Sala erwäh- nen, sich zwischen die Zellen hineinsenken. Es scheint freilich oft, als ob es sich so verhielte, besonders bei Anwendung ge- ringer Vergrösserungen. Man erhält dann nämlich Bilder, wie 1) La Cellule T. VII. 1. fasc. Ausbreitune u. Endigungsweise d.Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 407 Oo < fe > $) Fig. 16, a aufweist, worin von den reichlichen Nervenausbrei- tungen um die Acini herum feine Fäden sich gegen das Centrum hineinzustreeken und sich zwischen die Zellen einzusenken scheinen. Aber man kann sich dennoch in jedem Falle davon überzeugen, dass der Schnitt den Acinus mehr oder weniger schief getroffen hat, dass man also wenigstens theilweise einen Flächenschnitt dieses Aeinus vor sich hat und dass also die erwähnten Fäden an den äusseren Seiten der Zellen und nicht zwischen ihnen liegen. Dies ist der einzige Punkt, worin die Resultate meiner Unter- suchungen von denen der obenerwähnten verdienstvollen Forscher abweichen. Ich muss hinzufügen, dass die von mir in dieser Hinsicht untersuchten Stellen eine besonders reichliche Färbung der periacinösen Nerven gezeigt haben. Dagegen habe ich mich mit Bestimmtheit davon überzeugen können, dass sie in unmittel- barer Berührung mit den Zellen liegen. Die perivasculären und die periacinösen Flechtwerke von Nervenfäden hängen innig mit emander zusammen, wie Fig. 15 zeigt, worin man theils ein Gefäss (b), theils einen Acinus (a) sieht, beide von reich- lichen Nervenfäden umsponnen. Die Bildungen, welche Ramön y Cajal und Sala im Pankreas gefunden und als viseerale sympathische Ganglienzellen beschrieben haben, ist es mir auch zu finden gelungen, schon seit der Zeit meiner ersten Untersuchungen über die Nerven in diesem Organ. Man erhält ziemlich reichlich in jedem Schnitt, wo die Färbung geglückt ist, solehe schwarzgefärbte Körper von verschiedener Grösse und ‚Form: dreieckig, spulenförmig und vieleckig, von denen feine Nervenfäden entspringen, die, wie die übrigen Nervenfäden, in die periacinösen Flechtwerke hinein- schen und sich verzweigen. Beispiele solcher Bilder liefern Fig. 17—20. Es ist dagegen schwierig, sich in jedem Fall da- von überzeugen zu können, dass diese Bildungen Ganglienzellen mit verzweigten Nervenausläufern sind. Man ist nämlich Täu- schungen verschiedener Art unterworfen. Ich habe mich da- von überzeugt, dass diese Bilder dadurch entstehen können, dass ddas Silber in reichlieher Menge um die Nervenfäden an den Punk- ten der feinen Flechtwerke sich niederschlägt, wo sich mehrere Nervenfäden kreuzen. Auf diese Weise ist ganz sicher die un- tere zellenähnliehe Bildung in Fig. 19 entstanden. Bei Anwen- dung schwacher Vergrösserung hat eine solche ein vollkommen 408 Erik Müller: homogenes Aussehen, untersuche ich dagegen mit stärkeren Linsen, so finde ich, dass sie aus feinen, sich kreuzenden Fäden besteht. Das Silber ist ferner auch zwischen den Fäden nieder- geschlagen und dies ist die Ursache des obenerwähnten Aussehens bei geringer Vergrösserung. Inwiefern die obere, naheliegende zellenähnliche Bildung auf dieselbe Weise entstanden ist, kann ich nieht mit Bestimmtheit sagen, sehe es indessen für sehr wahrscheinlich an. Trotz alledem bin ich gleichwohl in Ueber- einstimmung mit Ramon y Cajal und Sala davon überzeugt, dass im Pankreas eigenthümliche verzweigte Nervenzellen vor- handen sind. Man erhält nämlich auch Bilder wie Fig. 20. Sie zeigen einen homogenen schwarzgefärbten Zellenkörper oder einen solehen mit einer helleren Parthie in der Mitte — ganz sicher der Zellenkern; von diesem scharf begrenzten Körper gehen ge- wöhnlich mit einer schmäler werdenden Basis feine Zweige äus, die oft deutlich varieös sind und sich auf vielerlei Art ver- zweigen, um zu endigen wie die übrigen Nervenfäden um die Acini. Aber ganz gewiss erfordert eine so wichtige Sache wie diese: das Darlegen spezifischer, eigenthümlicher Ganglienzellen, hier und da in einem Organe liegend, noch weit eingehendere Studien, um als sicher und bewiesen angesehen zu werden. Da- her habe ich sie nur im Vorbeigehen erwähnt und emige Ab- bildungen derselben geliefert. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI und XXII. Fig. 1. Geflecht von Nervenfasern zwischen der Längs- und Ring- faserschichte des Hundedarmes. Fig. 2. Nervenplexus in der Ringfaserschichte des Froschmagens. a — Nervenstämme aus dem Plexus Auerbach’s herkommend. Fig. 3, 4, 5, 6. Endgeweihe der Nervenfasern in der Muscularis des Froschmagens. a — Muskelzellen. b — Endvarikosität der Nervenfaser. Fig. 7. Nervenendfäden in der Museularis des Hundedarmes. Fig. 8. Kittsubstanz zwischen den Muskelzellen. ie. 9. Nervenplexus, die Lieberkühn’schen Drüsen des Kanin- chendarmes umspinnend. Fig. 10, 12a u. 13. Nerven in den Zotten des Kaninchendarmes. Ausbreitung u. Endigungsweise d. Magen-, Darm- u. Pankreas-Nerven. 409 Fig. 12. Zellen in denselben. Fig. 11. Nervenendfasern in der Mukosa des Froschmagens. a — Cy- linderepithelzellen. b — Nervenfasern. Fig. 14. Nervenfasern im Pankreas des Hundes. Fig. 15. Periacinöse (a) und perivasculäre (b) Geflechte von Nerven- fasern im Pankreas des Kaninchens. Fig. 16. Periacinöse Plexus im Pankreas. Fig. 17, 18, 19, 20. Nervenzellen und ähnliche Bildungen im Pankreas des Hundes und des Kaninchens. Fie..] und 11 sind gezeichnet mit Zeiss Öbj. 6, Oc. 3; Eie. 2, esse 11021 00]..2,..0c7 3; Rio, 45,19, 12, 14, 15, Torkamtes 19 2 Verieck Obj. 7, :Oc 3; Fig. 6, 13, 20 Zeiss Oc. 3, Immersion 5; > Fig. 8 Zeiss Obj. E, Oe. 3. (Physiologisches Institut der Universität Berlin; mikroskopisch-biolog. Abtheilung.) Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide bei Nerven- degenerationen. Von Dr. &. Carl Huber, ass. Prof. der Histologie an der Staatsuniversität Ann’ Arbor, Michigan U. S. A. Mit 4 Figuren im Text. Die Degeneration und Regeneration markhaltiger Nerven- fasern ist schon häufig Gegenstand einlässlicher Untersuchung gewesen, doch weichen auch heute noch in vielen Punkten die Anschauungen der einzelnen Autoren beträchtlich von einander ab. Eine dieser Streitfragen ist die, welehen Antheil die Kerne der Schwann'schen Scheide an der Degeneration nehmen, und ich möchte mit dem Folgenden einen kleinen Beitrag insbeson- dere zur Lösung dieser Frage bringen. Während der Degeneration markhaltiger Nerven vergrössern — so nimmt man ziemlich allgemein an — und vermehren sich die Keme der Schwann’schen Scheiden. Dem entgegen äussert sich Engelmann (1) wie folgt: „Die Kerne und das 410 G. Carl Huber: sie umgebende Protoplasma der Nervenfasern erleiden während der Degeneration keine nennenswerthe Veränderung, insbesondere vermisste ich ausnahmslos und noch nach Monaten Zeichen einer Wucherung oder Theilung. Das gilt nicht nur für die ange- schnittenen Zellen, sondern auch für den ganzen peripherischen Stumpf.“ Und weiter unten: „Ich muss mich demnach mit Vul- pian’s Schülern, Cossy und De&jerine, entschieden gegen Ranvier aussprechen, welcher die nach Durchschneidung in den peripherischen Theilen auftretenden Vorgänge nicht als Degene- ration, sondern als ‚„Suraetivite formatrice‘“ betrachtet“. Schiff (2) vertritt dieselbe Ansicht: „Wenn die Degeneration durch- schnittener Nerven immer weiter schreitet, so bleiben, wenn alle Wiedervereinigung verhindert ist, zuletzt nur die leeren Nerven- scheiden erhalten; diese blassen Scheiden sind nieht schwer von einander zu isoliren, und man kann an denselben, besonders nach Zusatz von Essigsäure, noch erkennen, dass eine jede von Stelle zu Stelle mit wechselständigen, länglich ovalen, dunkleren Kernen besetzt ist (welehe früher durch die Anwesenheit der Markscheide dem Auge entzogen waren)“. Auch Wolberg (3) sagt: Weil er nie Uebergangsformen beobachtete, die auf Theilung und Proliferation der Kerne hin- (leuten könnten, sehe er sich gezwungen, die bereits früher von Schiff und Engelmann ausgesprochene Meinung zu bestä- tigen, „dass die Kernvermehrung nicht einer Proliferation zuzu- schreiben ist, sondern dass dieselbe Quantität von Kernen auch in normalen Verhältnissen in den Primitivfasern zugegen ist, jedoch, durch das Nervenmark verdeckt, der Beobachtung sich entzieht, und erst nach Resorption des Nervenmarks augenschein- lich wird“. Diesen Angaben ist ihre Grundlage entzogen worden, seit von verschiedenen Forschern übereinstimmend festgestellt worden ist, dass je in einem Ranvierschen Segment — wenigstens bei höheren Wirbelthieren — nur ein Kern gefunden wurde, oder höchstens in seltenen Fällen deren zwei. Obwohl also, wie oben erwähnt, eine Vermehrung der Kerne der Sehwann’schen Scheide von den Meisten anerkannt wird, so gehen doch die Memungen der Autoren über die Art und Weise der Proliferation beträchtlich auseinander und zwar hauptsäch- lich nach folgenden drei Richtungen: Sie nehmen an: erstens Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide ete. 411 freie Kernbildung in dem Schlauch der Schwann’schen Scheide, zweitens Einwanderung von Leucocyten durch die Wand der Scheide, und drittens Vermehrung der Kerne — oft allerdings ohne nähere Bezeichnung der Proliferationsart. Nach Neumann's (4) Angaben nimmt Sigmund Meyer (5) eine freie Kernbildung an und fügt, anscheinend im Einver- ständnisse damit, hinzu, dass die Meyer'sche Idee einer freien Entstehung der Kerne im Protoplasma der Fasem um so we- niger zu verwerfen sei, als auch nach mehrfachen Angaben (von Müller (6), Roth (7)) eine autochthone Kernbildung in dem Axeneylinder kernloser Fasern vorzukommen scheint; Ko- rybutt Daszkiewiez (8) äussert sich folgendermaassen: „Wie wir schon vorhin gesehen, waren es nur die Kerne der schmäleren, von uns als die jüngeren angesehenen Nervenfasern, welche eine Vermehrung aufweisen; daher muss es für die brei- teren Nervenfasern, deren Kerne sich nicht theilen, andere Wege geben, auf welche die Kerne in die Scheide und das Mark ge- langen. An der Schnittwunde der Nerven wird es auch nicht schwer, die Einwanderung der im Nebengewebe befindlichen Kerne in die vom degenerirten Mark erfüllten Scheiden zu ver- folgen; weniger leicht hingegen ist es, das Auftreten von Kernen in peripherisch gelegenen degenerirten Stücken zu erklären. Dass jedoch auch hier die Annahme einer Einwanderung berechtigt erscheint, darauf weisen die von mir wiederholt beobachteten Fälle, in denen die weissen Blutkörperchen an den Ranvier- schen Einschnürungsstellen, welchen in der Regel das Mark man- gelt, in die Scheide hineindringen. Die auf dem oben beschrie- benen Wege in die Scheide gelangenden Kerne vermehren sich anfangs rapide, bis sie eine gewisse Zahl erreichen; alsdann be- sinnt vorwiegend ihre individuelle Ausbildung.“ Auch ieh stand der Ansicht von K'orybutt Daszkiewiez sehr nahe; denn wenn man bedenkt, dass man häufig kleine Fetttröpfehen in dem Endoneurium zwischen den degenerirten Nervenfasern sieht, so liegt der Gedanke nahe, dass die Wander- zellen in den Nervenschlauch eingetreten sind, dass sie sich. dort vermehrt haben und das Mark zerstört, und dass sie hernach den Schlauch wieder verlassen haben. Obgleich ich nun speciell auf diesen Punkt achtete, so sah ich doch nie ein Bild, welches sich sicher so deuten liess, — auch nicht einmal in unmittelbarer Höhe 412 G. Carl Huber: der Schnittwunde, wo man am ehesten ein derartiges Vorkomm- niss erwarten dürfte. In der Nähe der Ranvier’schen Ringe sah ich allerdings Kerne, aber ich musste dieselben als zur Henle’schen Scheide gehörig auffassen. Ranvier (9) glaubt eine Vermehrung der Kerne der Sehwann’schen Scheide gesehen zu haben und beschreibt in detaillirter Weise, wie sich die Kerne vergrössern, wie das Kern- körperehen sich theilte und wie der Kern schliesslich sich völlig einschnürte. Diese Beobachtungen machte Ranvier am Kanin- chen, und Neumann fand einigemal bei denselben Thieren eine gleiche Erscheinung, bei Fröschen jedoch niemals. Eiechhorst (10) schreibt: „Was die Kerne der Schwann- schen Scheide betrifft, so nehmen sie bei der Degeneration an Zahl zu; über den Ursprung der Kerne kann ich nichts sicheres angeben. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Kerne durch eine Theilung der vorhandenen alten Kerne entstanden seien, zumal ich wiederholt kleinere Einschnürungen an ihnen wahrgenommen habe; hierfür spricht auch das dichte Zusammenliegen der Kerne. Nur der Umstand wahrt mich davor, diese Ansicht als absolut sicher hinzustellen, dass ich niemals Kerne gefunden habe, die klemer waren als die normalen, wie man bei einer Theilung ver- muthen sollte.“ Nachdem wir nun die verschiedenen Angaben über das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide bei der Nervendegeneration besprochen haben, wollen wir näher eingehen auf die Resultate eigener Untersuchungen. Auch ich verwendete Kaninchen zu den Versuchen, denn erstens schreitet bei diesen Thieren die Degeneration nach der Durchschneidung der Nerven rascher vor als bei vielen anderen Thieren, und zweitens sind die Nervi ulnaris und medianus, welche zu diesen Versuchen sich vorzüglich eignen, am Oberarm sehr oberflächlich gelegen. Fol sendes war mein ÖOperationsverfahren: Nachdem ich die rasirte Haut der Innenfläche des Oberarms gut mit Sublimat desinfieirt hatte, schnitt ich die Haut über den Nerven durch, indem ich mir das Vorderbein so halten liess, dass dessen Axe mit der Körperaxe einen rechten Winkel bildete. Man findet so (beson- ders leicht nahe am Ellenbogen) Nerven und Gefässe ohne Mühe. Ein lem langes Stück der betreffenden Nerven wurde exeidirt, was bei Sorgfalt ohne Blutungen geschehen kann. Die desinfi- Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide ete. 413 eirte und genähte Wunde wurde mittelst Collodium geschlossen. Am zweiten, dritten, vierten, sechsten, achten, zehnten, zwölften Tage nach der Operation wurden den chloroformirten Thieren die durcehsehnittenen Nerven aus dem lebenden Gewebe entfernt, und in physiologischer Streckung in Conservirungsflüssigkeit ge- bracht. (Die Streckung erreichte ich dadurch, dass ich den Nerven auf einem Holzklötzehen, zwischen zwei Vorsprüngen des- selben mittelst Fäden ausspannte.) Ich verwendete die Her- mann’sche Lösung und ein Pikrinosmiumsäuregemisch, welches nach Benda’s Vorschrift so hergestellt wird: Man nimmt 1°/, Osmiumsäurelösung, sättigt sie mit Pierinsäure und filtrirt. Nach- dem .die Nervenstücke während 24 Stunden in einer dieser Fixirungsflüssigkeiten gelegen hatten, wurden sie eine Stunde lang in fliessendem Wasser gewaschen, und nach regelrechter Härtung in Alcohol, in Paraffın eingebettet und in 3 u dieke Schnitte zerlegt. Zum Aufkleben der Schnitte leistete mir em von Gaskell im Wesentlichen schon angegebenes Verfahren vorzügliche Dienste. Die Serienbänder wurden auf destillirtes Wasser gebracht, dieses letztere wird dann erwärmt, bis sich alle Falten in den Schnitten völlig ausgebreitet haben. Ein mit dünner Eiweisslösung bestrichenes Deckglas wird nun unter die Schnitte gebracht, welche auf dem Wasser schwimmen und diese damit aufgefangen. Man lässt nun das überflüssige Wasser ab- laufen und das Deekglas 6—8 Stunden eintrocknen. Die Schnitte halten dann für jede Behandlung fest, obgleich so wenig Eiweiss auf dem Glase sitzen geblieben ist, dass eine beliebige Nachfär- bung angewendet werden kann. Diese Art des Aufklebens scheint mir viel sicherer, als das von Gulland (11) und Martin Heidenhain (12) angegebene Verfahren. Nach Entfernung des Paraffins wurden die Schnitte mit Saffranin und Lichtgrün nach Benda’s (13) Methode gefärbt. Das Myelin erscheint grünlich und schwarz, die Sehwann'sche Scheide und das Endoneu- rium grün, die Kerne dagegen deutlich rot. In Folgendem werde ich mich an die Beschreibung der Kerne der Sehwann'schen Scheide halten und nur da die anderen Verhältnisse in den Kreis der Betrachtungen hinein- ziehen, wo es zur Erläuterung dieses Gegenstandes nöthig er- scheint. Zwei Tage nach der Nervendurchschneidung ist das Myelinrohr schon in grössere Stücke zerfallen, je 3—4 in einem 414 G. Carl Huber: Ranvier’schen Segment und oft sieht man die Schollen von einander schon getrennt dureh eine körnige Masse, die schlecht tingirbar ist. Die Kerne (der Sehwann’schen Scheide) sind vergrössert, länglich oval, viele davon scheinen chromatinreicher als normal; im Ranvier’schen Segment sieht man in diesem Stadium nur je einen Kern. Er sitzt entweder zwischen einer der Myelinschollen und der Schwann’schen Scheide, umgeben von einem Hof von Protoplasma, der oft feine Körnung zeigt und erheblich grösser ist als im der normalen Faser oder in der Mitte des Schlauches zwischen je zwei Stücken des Myelins. Es ist leicht erklärlich, dass der Kern in die Axial-Partie des Schlauches rückt, wenn man annimmt, dass das Mark an der Stelle des Kernes sich trennt. Mitosen konnte ich zu dieser Zeit noch nicht nachweisen; wohl aber gegen das Ende des dritten Tages (Fig. A und B). In A findet sich der Kern im Knäuelstadium, die Kern- membran ist verschwunden, die einzelnen Chromosomen treten deutlich hervor. Ausserhalb der Schwann’schen Scheide findet sich in der Zeichnung A ein Kern der Henle’schen Scheide, und zwar im Ruhezustande. B zeigt uns einen Monaster mit leicht wahrnehmbarer achromatischer Spindel, welche jedoch in diesem Schnitt nur zur Hälfte getroffen ist. Unter den grös- seren Myelinstücken findet man jetzt auch mehrere kleine, die sranulirte Masse hat sich vermehrt. Ob in den grösseren Mye- linschollen noch Reste des Axeneylinders vorhanden seien, wagte ich nicht zu unterscheiden nach meinen Präparaten; mir kam es in erster Linie darauf an, die Kerntheilungen nachzuweisen und zu diesem ‚Zwecke war meine Behandlungsweise der Präparate viel geeigneter als mit Bezug auf die Verhältnisse des Axen- eylinders. Figur C zeigt einen degenerirenden Kaninchennerven vom vierten Tage. Zugleich möge dieselbe dazu dienen, die Frage zu beantworten, welehe Neumann (4) aufzuwerfen scheint, in- dem er sagt: „Man möge wenigstens nicht vergessen, dass, um die in den degenerirten Fasern zu beobachtende Verbreitung der Kerne über alle Theile derselben als einfache Kerntheilung zu erklären, man gezwungen wäre, entweder eine Activität der Kerne selbst, welche sie zu Wanderungen innerhalb der Zone befähigt, oder lebhafte Protoplasma-Strömungen anzunehmen, denen die Kerne folgen.“ Diese Ansicht kann Neumann nicht Ueber das Verhalten der Kerne der Schwann’schen Scheide etc. 415 gelten lassen, und besonders da nicht: „Wo zwischen die in kurzen Intervallen gelegenen Kerne eylindrische Bruchstücke des Marks, welehe die Scheide der Faser vollständig erfüllen und die Kerne von einander absperren, eingeschaltet sind.“ Nach meinen Befunden sehe ich mich zu dee Annahme berechtigt, dass die Kerne und das sie umgebende Protoplasma activ beweglich sind und zwar deshalb, weil wir mitotische Theilung sehen, weil wir in späteren Stadien, statt eines, zwei (oder mehrere) Kerne finden m einem Ranvier'schen Segment, und weil die Kerne nicht mehr bei einander liegen, wie nach einer Theilung, sondern von einander getrennt sind durch granulirte Masse und durch Mye- linschollen. Ganz besonders beweisend für diese Ansicht scheint mir das Bild zu sein, wie ich es in Figur C wiedergegeben habe: der eine Tochterkern ist in der Mitte des Segmentes gelagert, während der andere (x), entfernt von diesem, zwischen eine Myelin- scholle und die Sehwann'sche Scheide sich eingedrängt hat. Beide Kerne finden sich im Knäuelstadium. Das gleiche Ver- hältniss ist mir mehrere Mal zu Gesicht gekommen. Ein weiteres Stadium zeigt Fig. D. Das Präparat stammt von einem 8 Tage nach der Durchschneidung eingelegten Nerven. - Die Markstücke sind da schon recht klein, die Detritusmasse hat erheblich zugenommen; anstatt eines Kernes findet man in diesem Segmente nun deren 5. Man sollte eigentlich eine gerade Kernzahl erwarten, es lässt sich aber leicht annehmen, dass von diesem Segment ein oder mehrere Kerne weggeschnitten sind, denn der Schnitt ist äusserst dünn. Präparate, die eingelegt waren am zehnten und neunzehnten Tage nach der Durchschnei- dung, zeigten etwa das gleiche Bild, man findet 6 bis 12 Kerne, einige auch in der Theilung; die Myelinschollen sind kleiner, und dem entsprechend hat auch die granulirte Masse zugenommen. Was die Bindegewebszellen des Endoneuriums anbelangt, so sah ich auch bei diesen mitotische Theilung, aber erst vom sechsten bis achten Tage an. Leucoeyten, namentlich die poly- nucleären, sind entschieden reiehlicher vorhanden in dem Endo- neurium des degenerirenden Nerven als in demjenigen des nor- malen. Auch ist der degenerirende Nerv entschieden hyperämisch. Innerhalb der Sehwann’schen Scheiden habe ich nie Leuco- eyten gefunden, ebenso wenig in der Wand derselben steckende (durchwandernde). 416 G. Carl Huber: Fassen wir die mitgetheilten Befunde zusammen: Bei der Degeneration markhaltiger Nervenfasern vermehren sich die Kerne der Sehwann’'schen Scheide durch mitotische Theilung. Die Verbreitung der getheilten Kerne über das Ran vier’sche Seg- ment geschieht wahrscheinlich durch eine active Wanderung der- selben. Die Meyer-(ö)Neumann’sche (4) Annalıme eimer freien Kernbildung scheint mir zum mindesten unnöthig zu sein, da ja die mitotische Kernvermehrung nachweisbar ist. Ebensowenig begründet erscheint mir die Hypothese von Schiff (2), Engelmann (1) und Wolberg (3), wonach im Ranvier- schen Segment mehrere präformirte Kerne vorhanden sein sollen, die aber erst während der Degeneration sichtbar würden. Die vorliegende Arbeit wurde ausgeführt in der mikrosko- pisch-biologischen Abtheilung des physiologischen Institutes zu Berlin, und ieh erlaube mir den Herren Prof. Fritsch und Privatdocent Dr. Benda meinen ergebenen Dank auszusprechen für das Interesse, mit welchem sie derselben gefolgt sind. Literatur-Verzeichniss. 1. Engelmann, Ueber die Degeneration von Nervenfasern. Pflüger's Archiv für Physiologie Bd. 13, 1876. 2. Schiff, Archiv für gemeinschaftliche Arbeiten pag. 609, 1854. 3. Wolberg, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XVIII u. XIX. 4. Neumann, Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 18. 5. Sigmund Meyer, Die peripherischen Ganglienzellen und das sympathische Nervensystem, 1876, pag. 15. 6. Müller, Würzburger med. Zeitschrift Bd.1, pag. 51. 7. Roth, Virchow’s Archiv Bd.55, pag. 157; Bd.58, pag. 255. 8. Korybutt Daskiewiez, Ueber die Degeneration und Regene- ration der markhaltigen Nerven nach traumatischen Läsionen. In- augural-Dissertation Strassburg 1877, pag. 30. 9. Ranvier, Lecons sur l’histologie du systeme nerveux. Bd. Il. 10. Eichhorst, Virchow’s Archiv Bd.59, pag.1, 1874. 11. Gulland, A simple method of fixing paraffin sections to the slide. Journal of Anatomy and Physiology Act. 1891. 12. Martin Heidenhain, Ueber Kern und Protoplasma. Festschrift zum 50jährigen Doctorjubiläum des Herrn Geheimrath Prof. Dr. Kölliker. 1893. 13. Benda, Verhandlungen der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin. Jahre. 1891—1892, No. 4—5. 18. Dee. 1891. Ueber das Verhalten des Kerns der Schwann’schen Scheide ete. 417 A. “2. e. D. Erklärung der Figuren. Die Zeichnungen wurden alle mittelst der Camera lucida bei Anwendung von 1/s Oel-Immersion (Zeiss) und Ocular 3 gemacht. Fig. A und B. Nervenfasern eingelegt in Hermann’s Lösung am dritten Tage nach der Durchschneidung, mit Saffranin und Licht- grün gefärbt. A zeigt dem Kern der Schwann’schen Scheide im Knäuel-Stadium, B im Stadium des Monaster. Fig. C. Nerv am Ende des vierten Tages in Hermann'’s Lösung eingelegt. Zwei Kerne im Knäuelstadium; einer davon (x) hat sich eingeschoben zwischen ein Stück Mark und die Schwann'’sche Scheide. Fig. D. Nerv am Ende des achten Tages nach der Durch- schneidung in Picrinosmiumlösung fixirt. Man sieht fünf Kerne in 418 G. Thilenius: (Aus dem ersten anatomischen Institut zu Berlin.) Ueber den linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. Von Dr. & Thilenius. Hierzu Tafel XXIII. Wenn man an eimem Karpfenauge!) die Selera und Ar- sentea entfernt und damit die „Chorioidealdrüse“ freilegt, so findet man dieselbe aus zwei Theilen bestehend, einem ‚grösseren huf- eisenförmigen und einem kleineren linsenförmigen. A. von Hal- ler, der dies zuerst sah, giebt folgende Beschreibung des „Mus- kels“, wie er die „Drüse“ auffasste: „Non perfeetus est eireulus, sed fere 330 grad., eum deliquo, qua nervus opticus subit. Inter erura discedentis musculi alia portio similis, exigua, ad perpen- dieulum interponitur.‘“ (Opera minora III. Oeculi piseium.) Diese Notiz scheint indessen keine Beachtung gefunden zu haben. Carus giebt in seiner 1839 erschienenen „Zootomie“ eimen Durch- schnitt dureh das Karpfenauge, ohne die genannten Theile zu unterscheiden. Auch in Joh. Müller’s und Hyrtl’s Arbeiten über das Gefässsystem der Fische findet sich kein Hinweis auf die Zweitheilung der „Drüse“. So ging die Kenntniss des linsen- förmigen Abschnittes verloren; er wurde erst durch H. Virchow wieder aufgefunden. In den „Beiträgen zur vergleichenden Anatomie des Auges“, die sich hauptsächlich mit der Morpho- logie des Glaskörpers beschäftigen, giebt H. Virehow eine kurze Beschreibung des Körpers. Danach kommt demselben, der in einem Ausschnitte der „Drüse‘“ liegt, eine ventrale und eine 1) Bezeichnungen: Dorsal, ventral (auf den ganzen Fisch be- zogen; im Auge — innen resp. aussen, d.h. der Chorioides resp. Ar- genta zugewandt). Nasal, temporal (auf die benachbarten Organe bezogen; beim Fische — vorne resp. hinten. Proximal, distal (in Bezug auf das Herz als Centralorgan; etwa — central resp. peripher). Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 419 dorsale Fläche zu, von denen die erstere der Argentea, letztere der Chorioides zugewandt ist. Der Körper hat keinen Zusam- menhang mit der eigentlichen „Drüse“ und wird durch einen Zweig der Art. hyaloidea versorgt, der sich auf der ventralen Fläche verästelt. Die so entstandenen Seitenzweige theilen sich diehotomisch weiter und zwar ‚in so regelmässig fortschreitender Weise, dass die Gefässe feinsten Kalibers sämmtlich nur an den entferntesten Punkten, also am Rande und an der oberen (dor- salen) Fläche liegen, wo sie im Venen übergehen, die ebenso sich rückwärts sammeln“. Hieraus resultirt eine grössere Vene, die an derselben Stelle mündet, an welcher die Arterie eintritt. Damit ist erwiesen, dass das Gefässsystem einen bedeuten- den Antheil an dem Aufbau des Körpers nimmt. Immerhin war noch das Verhalten desselben zu Nachbargebilden und der Ge- fässverlauf im Inneren genauer festzustellen. Da ferner „Drüse“ und Körper von einander unabhängig sind und letzterer eine eigene Arterie und Vene besitzt, so war die Frage berechtigt, ob sich besondere Zell- oder Gewebsformen nachweisen liessen, welche den Körper als besonderes Organ charakterisiren. Die in Folgendem wiedergegebene Untersuchung wurde auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. H. Virchow unternommen und sollte die erwähnten Punkte erledigen. Was zunächst das Vorkommen des linsenförmigen Gefäss- körpers betrifft, so sah ihn A. von Haller bei Cyprinus cearpio, H. Virchow fand ihn ausserdem bei Tinca vulgaris und Cato- stomus Comersonii. Weiterhin besitzen den Körper Carassius vul- garis und Cyprinus auratus, wogegen er den Barben und Weiss- fischen fehlt. Anscheinend kommt er also nur den plumperen Formen, den nächsten Verwandten des Karpfens zu. Bei den genannten Arten ist der Körper leicht aufzufinden, wenn man nach Durchtrennung des queren Gaumenmuskels und Eröffnung der Orbita die Selera und Argentea abträgt. Letztere ist von den beiden Schenkeln der „Drüse‘“ leicht zu entfernen, während sie an dem zwischen denselben gelegenen Abschnitte oft so festhaftet, dass man zu ihrer völligen Entfernung ein Ma- zerationsmittel zu Hülfe nehmen muss. An dieser Stelle ist der linsenförmige Körper gelegen. Im frischen Auge hat er die- selbe Consistenz und die gleiche röthliche Farbe wie die „Drüse“. Während diese aber ziemlich fest an der Chorioides anliegt, ist 420 G. Thilenius: jener beweglicher und lässt sich frei von der Chorioides abheben, bis auf einen kleinen Theil, der ihn wie ein Stiel auf dem zwi- schen Argentea und Chorioides verlaufenden Optieus fixirt. Die Gestalt des Körpers ist annähernd die einer Linse. Seine Längs- axe entspricht dem verticalen Augenmeridian, während seine Queraxe dem Augenäquator parallel gelegt ist. Das proximale Ende ist, wie erwähnt, am Opticus befestigt, das distale ragt frei in den zwischen Chorioides und Argentea vorhandenen Raum hinein und erreicht meist den Augenäquator. Von den genannten beiden Augenhäuten erscheint der Körper etwas abgeplattet, so dass zwei Flächen entstehen: eine dorsale (obere, der Chorioides zugewandte) und eine ventrale (untere, der Argentea anliegende) [Fig.1]. Beide Flächen sind convex und gehen in einer schmalen Randzone in emander über, liegen aber nicht völlig den entsprechen- den Augenhäuten an, da der Körper etwas um seine Längsaxe gedreht ist. Dadurch liegt der nasale Abschnitt der Randzone näher an der Argentea, der temporale näher an der Chorioides. Auch der Abstand des Körpers von den Schenkeln der ‚„Drüse‘ ist beiderseits ungleich. In dem temporalen Zwischenraume ver- läuft die untere Augenvene, die von der Iris kommend unweit vom Optieus zur Vena ophthalmica magna wird. Sie drängt den Körper etwas nasalwärts, so dass hier wenig mehr Raum bleibt als für den Durchtritt eines Nerven erforderlich ist, der theil- weise von dem Körper bedeckt zum Corpus ciliare zieht. Die angeführte Gestalt findet sich indessen nicht immer. Abgesehen von individuellen Abweichungen, die unbedeutend sind, bestehen erheblichere Unterschiede zwischen den einzelnen Arten. Bei allen findet sich eine Differenz zwischen Längs- und Queraxe des Körpers, welche am kleinsten bei Cyprinus carpio, am grössten bei Carassius vulgaris ist; bei ersterem ist die Linsenform am ausgeprägtesten, bei letzterem könnte man cher von einer Tonnenform sprechen. Die übrigen Arten stehen in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen. Zur Darstellung des Gefässverlaufes wurden nur Karpfen und Schleihe verwandt, da diese allein eine Grösse erreichen, welche ein Gelingen der schwierigen Injection hoffen lässt. Nach Hyrtl’s Angabe wurde die Kanüle stets in die Art. coeliaca eingebunden. Als Injectionsmasse diente eine dünnflüssige, mit geschlämmtem Zinnober gefärbte Lösung von braunem Schellack, Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 421 welche eine nachfolgende Korrosion des Körpers mit Eau de Javelle gestattet. Die so erhaltenen Präparate wurden dann mit den Bildern verglichen und eombinirt, welche Schnittserien durch den mit Berliner Blau injieirten Körper ergaben. Die Präpara- tion geschah in der Weise, dass der Kiemenkorb abgelöst, der grosse quere Gaumenmuskel entfernt und somit die Orbita von der Schlundseite her eröffnet wurde. Man sieht dann zu- nächst drei grössere Arterien, welche das Auge und seine Um- gebung versorgen. Aus der ersten Kiemenarterie unweit von deren Uebergang in den Cireulus cephalicus entspringt die Carotis post. und zieht in Begleitung eines Nerven und einer Vene bis zum Orbitalringe. Sie ist dabei am Boden und an der tempo- ralen Grenze der Augenhöhle gelegen und folgt der nasalen (ventralen) Kante des Metapterygoids. Sie giebt einen Ast an den M. reetus ext. ab und theilt sich, am Orbitalringe angelangt, in zwei Aeste, von denen der eine sich zum Hyomandibulare wendet, während der andere in starkem Bogen zum Prämaxillare gelangt und die Art. iridis abgiebt. Das zweite Gefäss ist die Art. hyoideo-opereularis, welche als Fortsetzung der ersten Kie- menarterie an der Innenfläche des Operculum bis zur Neben- kieme verläuft, aus deren Wundernetz sie als Art. ophthalmiea major wieder hervorgeht. Sie zieht in Begleitung der Ven. oph- thalmica, ohne Aeste abzugeben, frei durch die Orbita, dureh- bohrt etwas unterhalb des Sehnerven die Selera und Argentea und gelangt schliesslich zur „Chorioidealdrüse“. Das dritte Gefäss endlich ist die Carotis anterior. Sie geht aus dem An- fangstheile des Cireulus cephalicus hervor, verläuft in Begleitung einer Vene an der nasalen Wand der Orbita bis zum Prämaxil- lare und versieht die nahegelegenen Muskeln der Augenhölle. Ummittelbar nach ihrem Ursprunge giebt sie die Art. hyaloidea ab, welche indessen oft auch isolirt entspringt. Letztere senkt sich als dünnes Stämmehen zwischen die M. rectus inf. und intern. auf den Optieus, den sie kurz nach seinem Austritte aus dem Foramen opticum an seiner nasalen Seite erreicht, aber sofort überbrückt, um an die temporale zu gelangen. Sie ver- läuft nun an dem Optieus entlang bis zur Selera, unterwegs kleine Zweige an das lockere Bindegewebe der Orbita und an den Sehnerven selbst abgebend. Etwa Imm vor der Insertion der Scelera an den Optieus senkt sich das Gefäss ein wenig in Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40, 28 453 "@. Thilenius: die Sehnervenscheide ein und geht in dieser durch Selera und Argentea hindurch. Hier angelangt, verlässt es den Optieus, krümmt sich etwas ventral und tritt von dem distalen Ende her auf die ventrale Fläche des linsenförmigen Körpers. Der oben erwähnte Stiel des letzteren wird dabei zum Theil von dem Gefässe gebildet. Die Arterie folgt nun der Krümmung des Körpers, hat also zunächst eine ventrale Krümmung (entsprechend der ventral convexen Fläche), ausserdem aber auch eine tempo- rale, da der Körper um seine Längsaxe gedreht ist. Anfangs, etwa im ersten Drittel ihres Verlaufes (auf dem Körper), liegt die Arterie ziemlich genau in der Mittellinie des Körpers, d.h. annähernd im verticalen Augenmeridian. Darauf folgt mit dem zweiten Drittel eine Wendung nach dem temporalen Rande, wäh- rend das letzte Drittel eine mehr nasale Richtung einhält. Die Arterie ist damit an den distalen Abschnitt der Randzone ge- langt und endet entweder kurz vor oder auch auf der letzteren; sie ist niemals bis auf die dorsale Fläche zu verfolgen. Auf der ganzen bisher geschilderten Strecke liegt die Argentea dem Gefässe fest an. Zahlreiche Gewebszüge verbinden beide mit einander und umgreifen die Arterie vielfach auch nach ihrer dem Körper zugewandten Seite, so dass sie in einer Hülle von Ar- genteagewebe zu verlaufen scheint. Es erklärt sich hierdurch die Schwierigkeit, welche die Entfernung der Argentea bei der Prä- paration bietet. Erst am Rande des Körpers gelingt die Los- lösung leichter. Während des Verlaufes an der ventralen Fläche giebt die Arterie Seitenzweige ab, die nasal- und temporalwärts sich in die oberflächliche Schicht einsenken, um weiterhin in immer kleinere zu zerfallen. Unter fast rechtem Winkel treten diese primären Seitenzweige aus dem Hauptstamme. Zwei bis vier wenden sich nasalwärts, einer, höchstens drei temporalwärts. In jedem Falle ist der Antheil, den der nasale Abschnitt des Körpers erhält, der grössere. Dies gilt indessen nur für das proximale (dem Sehnerven zunächst gelegene) Drittel des Verlaufes. Nun folgt eine kurze Strecke weit keine Abzweigung, sondern diese be- ginnt erst wieder, wenn die Arterie anfängt, sich nach der na- salen Seite zu wenden, also am Ende des zweiten Drittels, resp. beim Beginne des dritten. Hier sind es zwei bis drei Aestchen, die sich nach der nasalen Seite begeben, während keines oder nur Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 425 eines nach der temporalen gelangt. Sobald die nasale Krüm- mung innerhalb des distalen Drittels sich deutlich. auszuprägen beginnt, zerfällt die Arterie in zwei oder drei Endäste, welche ihr Blut unverkürzt dem nasalen Abschnitte zuführen. Der Quer- schnitt des Hauptstammes nimmt sehr langsam ab, erst kurz vor den Endästen tritt eine auffallende Verjüngung ein. Die pri- mären Seitenzweige sowohl als auch die Endäste sind annähernd gleich weit. Aus dem bisher geschilderten Verlaufe der arteriellen Ver- theilung lässt sich eine Zerlegung des Körpers in drei zusam- menhängende Abschnitte herleiten. Der verticale Augenmeridian bildet die Grenze zwischen dem kleineren temporalen und dem fast doppelt so grossen nasalen Theile. Letzterer besteht seiner- seits aus einem kleineren distalen Abschnitte, welcher die End- äste der Arterie aufnimmt und einen proximalen grösseren, dem alle die primären Seitenzweige angehören, welche aus dem ersten Drittel der Arterie austreten. Das mittlere, etwas temporal ge- richtete Drittel der letzteren würde dann die Verbindung zwi- schen den genannten beiden Theilen herstellen. Diese Einthei- lung ist freilich eine etwas willkürliche, aber für die weitere Be- trachtung wesentlich. Die primären Seitenzweige ,‚b, der Arterie ‚a, (Figg. 2 u. 3) theilen sich ebenso wie die Endäste sehr schnell weiter. Aus jedem einzelnen entstehen zwei sekundäre Gefässe ce (Figg. 2, 3), von denen eines sich dorsalwärts wendet, also in den Körper eintritt, während das andere nur wenig von der Richtung des primären abweicht, also mehr oberflächlich weiter verläuft. Die Theilung setzt sich nun in derselben Weise fort. Aus jedem sekundären Zweige entstehen zwei tertiäre (Fig. 3 d) und so fort. Im allgemeinen sind die dorsal sich abzweigenden Aestchen be- deutend kürzer, so dass die Gesammtheit der gröberen Zweige sich als Scheibe darstellen lässt, deren Dieke durch die Länge der dorsalen Aeste bestimmt wird. Aus der letzten Theilung, der dritten oder vierten, gehen Gefässe hervor, die nur noch den Werth von Capillaren haben und sich nicht weiter theilen. Sie liegen in der Randzone und in der Mitte des Körpers pa- rallel neben einander; sie nehmen also eine Scheibe des Körpers ein, welche der Randzone entspricht. Anastomosen finden sich sehr selten und auch dann nur zwischen benachbarten primären 4924 ‘G. Thilenius: Seitenzweigen (Fig. 3x). Lässt man diese unberücksichtigt, so setzt sich demnach der Körper aus einer Reihe von Vertheilungs- gebieten zusammen, die von einander getrennt quer zur Längs- axe des Körpers stehen, und deren Zahl der der primären Sei- tenzweige entspricht. Alle genannten Verhältnisse sind deutlich erkennbar, wenn der Körper noch in situ sich befindet. Entfernt man ihn nun aus dem Auge und zerstört alles Gewebe völlig mit Eau de Javelle, so zeigt die ursprünglich ventrale Fläche nur die grö- beren Verzweigungen, während die jetzt freigelegte dorsale alle Capillaren enthält, welche parallel neben einander gelegen, ihre Querschnitte dem Beschauer zuwenden. Es fragt sich nun, welchen weiteren Weg das Blut nimmt, nachdem es von der Art. hyaloidea dem Körper auf so compli- eirte Weise zugeführt wurde. Zunächst sammeln sich die Capillaren wieder zu grösseren Gefässen, in genau derselben Weise, wie sie aus solchen ent- standen sind. Es treten also zunächst zwei Capillaren zusam- men; aber es sind durchaus nicht immer dieselben, welche aus einem gemeinsamen Aestchen bei der letzten Theilung hervor- gegangen sind, sondern meist solche, welehe nur von demselben primären ventralen Seitenzweige stammen. (Innerhalb des Ver- theilungsgebietes eines primären Seitenzweiges kann also seitens der Capillaren ein Austausch stattfinden, wenn sie sich wiederum vereinigen.) Je zwei der aus zwei Capillaren entstandenen Ge- fässe vereinigen sich wiederum zu einem einzelnen und so fort. Es entstehen also schliesslich tertiäre, sekundäre und primäre Zweige, die denen der ventralen Seite gleichwerthig sind, nur dass sie eben der entgegengesetzten, der dorsalen Fläche zu- streben (Fig.6). Auch diese dorsalen Gefässe haben keine oder nur wenig Neigung zu anastomosiren; wie an der ventralen Seite finden sich Verbindungen nur zwischen primären Seitenzweigen. Ein wesentlicher Unterschied besteht indessen zwischen dem ven- tralen und dem dorsalen Gebiete der grösseren Gefässe. Wie oben auseinandergesetzt wurde, treten die primären ven- tralen Seitenzweige rechtwinkelig aus dem Stamme „der Art. hyaloidea aus und verlaufen in der Ebene der ventralen Fläche. Auch die sek undären, tertiären ete. Zweige haben grossen- theils dasselbe Bestreben (Fig. 2, 3), trotzdem doch die Capillaren, zu Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 425 denen sie hinführen, in der Ebene der queren Axe des Kör- pers gelegen sind, welche senkrecht auf dem verticalen Meridian des Auges steht. Auf einem Schnitte, der senkrecht zum verticalen Meridian durch einen primären ventralen Seitenzweig geführt wird, kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass die letzten grö- beren Verzweigungen (Fig.7f) einen fast rechten Winkel mit ihren Capillaren bilden. Wenn nun auf der dorsalen Seite die Sammlung der Capillaren in genau derselben Weise statt hätte, wie deren Entstehung von der ventralen Seite her, so müsste man in dem genannten Schnitte an der Sammelstelle wiederum rechte Winkel treffen. Dies ist aber nicht der Fall, sondern die aus der Vereinigung der Capillaren resultirenden Gefässe be- halten die Verlaufsrichtung der ersteren bei und bilden somit eine gerade Fortsetzung derselben (Fig. 7 f‘). So kommt es, dass die dorsalen Gefässe nieht wie die ventralen in oder pa- rallel der Oberfläche verlaufen, sondern fast senkrecht auf die- selbe gerichtet sind. Besonders ins Auge fallend ist dies bei den primären dorsalen Zweigen (Fig. 6 b’). Ein weiterer Unterschied ergiebt sich, wenn man die pri- mären Zweige und ihre endgültige Vereinigung auf der dorsalen Seite des Körpers verfolgt. Ehe die primären dorsaien Seiten- zweige die dorsale Fläche des Körpers erreichen, tritt eine Ver- einigung derselben ein, jedoch nicht zu einem Stamme, sondern zu drei Gefässen. Das eine derselben geht in der Nähe des distalen Abschnittes der Randzone aus den ersten primären Sei- tenzweigen hervor und verläuft nach dem Stiele des Körpers hin mit einer dorsalen Krümmung, entsprechend der dorsalen con- vexen Fläche des Körpers. Es nimmt auf dieser Strecke das Blut aus dem distalen Abschnitte auf. Etwa an der Grenze des letzteren und der beiden proximalen wendet sich das Gefäss ziem- lich plötzlich temporalwärts und empfängt einen primären Seiten- zweig, der aus der mittleren Partie des Körpers kommt, und ein grösseres Gefäss aus dem proximalen temporalen Körperabschnitte. Nahe an dem proximalen Theile der Randzone (also nahe am Stiele) tritt endlich das dritte Gefäss hinzu, welches die primären dorsalen Seitenzweige des proximalen nasalen Abschnittes ebenso aufgenommen hat, wie das eben erwähnte aus dem proximalen temporalen Abschnitte kommende Gefäss, die primären Seiten- zweige des letzteren vereinigte. Die drei ‚„Sammelgefässe“ 426 G. Thilenius: sind annähernd gleich stark, indessen weiter als die primären Seitenzweige sowohl der dorsalen, als der ventralen Seite. An- dererseits ist jedes von ihnen schwächer als die Art. hyaloidea, welcher erst das aus den drei Sammelgefässen hervorgehende bezüglich der Weite entspricht. Da endlich primäre dorsale und primäre ventrale Seitenzweige einander gleichen, so ist es wohl gerechtfertigt, jene drei Gefässe besonders zu bezeichnen. Das aus der Vereinigung der Sammelgefässe resultirende Gefäss behält zunächst die Richtung bei, welche das aus dem distalen Körperabschnitte kommende hatte, und erreicht so den proxi- malen Theil der Randzone an der temporalen Seite (Fig. 4a’). Von hier aus tritt es in den Stiel des Körpers ein und gelangt in ihm auf die temporale ventrale Seite des Sehnerven zwischen Chorioides und Argentea. Es senkt sich weiterhin in den Op- ticus ein und beschreibt dabei eine eigenthümliche Krümmung. Zu- nächst bleibt das Gefäss an der temporalen Seite des Opticus; sobald aber dieser die Chorioides erreicht, wendet es sich in einem scharfen Bogen nach der nasalen Seite, die es quer unter dem Sehnerven passirend und dem Ansatze der Chorioides genau folgend, erreicht. Hier tritt eine weitere, halbkreisförmige Bie- gung ein, die schon völlig in der Nervenscheide liegt. Dadurch hat das Gefäss wieder eine Richtung nach der temporalen Seite erhalten. Es folgt derselben, bis es die Mitte des Opticus er- reicht hat und verläuft dabei nahe an dem Ansatze der Argentea. Nun erhält das Gefäss eine letzte Krümmung, durch welche es nicht mehr quer zu den Sehnervenfasern, sondern längs derselben weitergeht. Gleichzeitig tritt es von ventral (seinem bisherigen Verlaufe) nach dorsal schräg herauf in den Optieus und erreicht die Papille. Dabei geht es innerhalb des Nerven quer über seine erste (an der Chorioides verlaufende) quere Strecke hinweg, welche noch ausserhalb der Nervenscheide gelegen ist (Fig. 5). Nach diesem complieirten Verlaufe zerfällt das Gefäss in die an- scheinend radiär, thatsächlich aber bilateral symmetrisch ange- ordneten Gefässe der Membrana hyaloidea. In der Art der geschilderten Gefässvertheilung spricht sich deutlich der Unterschied gegen die benachbarte „Chorioideal- drüse“ aus. In dieser tragen die Gefässe von vorne herein den Charakter gerader Röhren, die ähnlich den Läufen einer Mitrail- leuse neben einander liegen und nur sehr allmählich und ohne Ueber d.linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 427 Krümmungen oder Verzweigungen ihren Querschnitt ändern. Eine weitere Verschiedenheit ergiebt sich, wenn man die beiden Ge- fässkörper im Zusammenhange mit ihren Arterien betrachtet. Das ventrale zuführende Gefäss des linsenförmigen Körpers ist bisher als Art. hyaloidea bezeichnet worden. Streng genommen besteht eine solche aber erst von den Capillaren des Körpers an. Da indessen dieser Körper nur wenigen Arten zuzukommen scheint, so kann er dennoch als accessorisch betrachtet werden; insofern bleibt also jene Bezeichnung auch für das zuführende Gefäss be- _ rechtigt. Freilich liesse es sich vom Standpunkte der rein deseriptiven Anatomie aus rechtfertigen, wenn man in dem aus Capillaren bestehenden Abschnitte ein Gebiet sehen will, welches zwei ver- schiedene Arterien trennt. Es würde sich dann eine Analogie finden in dem Verhalten der Art. hyoideo-opercularis zur Art. ophthalmiea magna. Erstere besitzt ebenso wie die zuführende Arterie des Körpers Abzweigungen, welche vor dem Eintritt in die Nebenkieme resp. den Körper austreten; dagegen führt die Art. ophthalmieca magna der „Drüse* ihr (aus der Pseudobranchie erhaltenes) Blut ebenso unverkürzt zu, wie der mit den Capillaren des Körpers beginnende Theil der Art. hyaloidea es den Glas- körpergefässen bringt. Es würde also der linsenförmige Gefäss- körper der Nebenkieme entsprechen, aber nur in descriptivem Sinne, nicht im morphologischen. Von: Joh. Müller wurde die Pseudobranchie als Wundernetz aufgefasst, und zwar stellt er sie zu den vollkommeneren, den „amphicentrischen“, deren Be- griff er folgendermaassen feststellt: Ein Blutgefässstamm zerfällt plötzlich in eine Menge nicht anastomosirender Kanäle, in denen das Blut mehr oder weniger grosse Strecken zurücklegt, und diese Zerlegung wird durch Sammlung des ganzen Labyrinthes in einen neuen Stamm wieder aufgehoben. Auch der linsenförmige Körper mit den besprochenen Ge- fässverhältnissen entspricht dieser Definition. Der zuführende Theil der Art. hyaloidea zerfällt plötzlich in eine grosse Anzahl kleinster Gefässe, und diese sammeln sich wieder zu einem ein- zigen Gefässe, dem fortleitenden Theile der Arterie. In dem linsenförmigen Gefässkörper liegt also ein amphicentrisches Wundernetz, welches in den Verlauf der Art. hyaloidea eingeschaltet ist. 498 G. Thilenius: Die Beschreibung dieses Wundernetzes, welche oben ge- geben wurde, musste ein wenig schematisirt werden und zwar wegen der technischen Schwierigkeiten, welche die Injection bietet. Sie stützt sich auf die Beobachtungen, die an etwa fünfzig Corrosionspräparaten und fast.ebenso vielen Sehnittserien gemacht wurden; doch gelang nur in fünf Fällen eine un- zweifelhaft völlige Füllung des ganzen Systems von der Kiemen- arterie an bis zu den Glaskörpergefässen. Es ist daher leicht möglich, dass die Einzelheiten der Schilderung nicht immer genau den Verhältnissen jedes einzelnen Auges entsprechen, doch sind die Grundzüge in allen Fällen dieselben. Dass Anastomosen zwi- schen den primären ventralen Seitenzweigen, wenn auch sehr selten, vorkommen (Fig.3x), wurde schon oben erwähnt. Von weiteren Abweichungen fand sich ferner, dass mitunter auch die sekundären Seitenzweige der ventralen Fläche, statt quer zur Längsaxe des Körpers zu verlaufen, erst eine kurze Strecke weit parallel zu derselben verliefen (Fig.2). Endlich wurde bei zwei Karpfen beobachtet, dass die zuführende Art. hyaloidea nieht als einzelner Stamm auf die ventrale Fläche trat, sondern sich beim Verlassen des Stieles in zwei parallele gleich starke Ge- fässe theilte, von denen eines das nasale, das andere die beiden temporalen Körperabschnitte versorgte. Im Uebrigen entsprach die weitere Vertheilung völlig der gegebenen Darstellung. Nach der oben gegebenen Beschreibung ist der Gefäss- körper meist linsenförmig und besitzt zwei glatte convexe Flä- chen. Wäre nun das arterielle Wundernetz der einzige Bestand- theil desselben, so müsste dieses im allgemeinen dieselbe äussere Form haben. Wenn man indessen einen corrodirten Rest, also das Wundernetz, mit dem intaeten Körper bezüglich der Gestalt vergleicht, so zeigen sich vielerlei Unterschiede: Der frische Körper ist rundlich und glatt, das Corrisionspräparat zeigt ver- schiedene Defeete.e An der ventralen Fläche des Präparates lassen sich einige seichte Furchen erkennen, welche ohne Rück- sicht auf die arteriellen Verzweigungen in verschiedener Richtung über diese hinweglaufen. Am auffälligsten ist, dass die Rand- zone des frischen Körpers gleiehmässig und eben ist, während Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 429 nach der Corrosion regelmässig sich eine bedeutendere Ausbuch- tung zeigt, welche dem distalen temporalen Theile der Randzone entsprechend zwischen dem temporalen und dem distalen nasalen Abschnitte des Wundernetzes gelegen ist. Ausser dieser grösseren Unebenheit finden sich kleinere Einkerbungen auf der ganzen Randzone. Endlich ist auch die dorsale Seite verschieden. Hier zeigt sich statt der ursprünglich eonvexen eine concave Fläche, welche die tertiären und sekundären dorsalen Seitenzweige enthält; die primären erheben sich aus ihr völlig frei und tragen die drei Sammelgefässe, welche unter der intakten Körperfläche lagen. Hier ist also durch die Mazeration Gewebe entfernt worden, welches zwischen der dorsalen convexen Fläche des Körpers und der concaven des Präparates sich befand, und dessen Dicke durch die Länge der primären Seitenzweige bestimmt wurde. Ueber die Natur des Entfernten geben sowohl Schnittserien als auch Injectionen von der Vena ophthalmieca aus Aufschluss. Gelingt eine theilweise Füllung, so zeigen sich nach der Corro-' sion jene Defecte nur in ganz geringem Maasse und lassen sich völlig dadurch erklären, dass ja auch die Wandungen der Ge- fässe zerstört sind, deren Ausgüsse das Präparat darstellt. Hier- aus folgt, dass der Körper nicht nur aus einem arteriellen, son- dern auch aus einem venösen Theile besteht, welch letzterer mit der unteren Augenvene zusammenhängt. Diese geht aus den ventralen Gefässschweifen der Iris hervor, nimmt das Venenblut der Glaskörpergefässe durch Vermittelung des venösen Ring- gefässes auf und verläuft dann zwischen Chorioides und Argentea im verticalen Augenmeridiane weiter, bis sie das distale Ende des linsenförmigen Gefässkörpers erreicht. Hier wendet sie sich ein wenig temporalwärts, verläuft also nicht in der Mitte des Körpers, ‚sondern neben und etwas über dessen temporalen Ab- schnitt und liegt so in dem Raume zwischen Körper und tempo- ralem Drüsenschenkel. Weiterhin nimmt sie die Venen der „Drüse* auf und schliesst sich in ihrem Verlaufe an die Art. ophthalmica magna an. Fernerhin liegt nach Joh. Müller’s Untersuchungen zwischen den Schenkeln der „Drüse“ ein venöser Sinus, der, wie besonders hervorgehoben wird, keinerlei Ver- bindungen mit den Venen der „Drüse“ besitzt. Dem venösen Theile des Körpers fällt nun die Aufgabe zu, den venösen Sinus mit der unteren Augenvene zu verbinden. Bei 430 G. Thilenius: den untersuchten Cypriniden liegt jener Sinus in dem dorsalen Theile des Körpers, füllt die besprochene Concavität des ar- teriellen Corrosionspräparates aus und bildet in seinem proxi- malen Abschnitte einen Theil des Stieles des Körpers, liegt hier also dem Optieus an. Er enthält viele unregelmässige Ausbuch- tungen und scheint mit dem Theile der Chorioidealvenen zu communieiren, welcher dem zwischen den „Drüsenschenkeln“ gelegenen Abschnitte der Chorioides angehört. (Mit absoluter Sicherheit war dieser Zusammenhang bei der Schwierigkeit der Injeetion nicht nachzuweisen, doch ist er in hohem Grade wahr- scheinlich.) Betrachtet man den venösen Sinus in seinem Ver- halten zu dem arteriellen Gebiete, so ergiebt sich, dass die pri- mären dorsalen Seitenzweige frei durch ihn hindurchtreten, wäh- rend die Sammelgefässe mit ihrem ventralen Umfange ihn be- rühren (Fig. 6 b/). Die untere Augenvene endlich gleicht den Defeet aus, der sich zwischen dem temporalen distalen und dem nasalen Ab- schnitte des corrodirten Körpers vorfindet. Während ihres Ver- laufes neben dem Körper giebt die Vene Zweige ab. Ein stärkerer verlässt sie schon am distalen Theile der Randzone und tritt über diese hinweg in den dorsal gelegenen Sinus. An- dere schwächere verlaufen in den oben erwähnten seichten Fur- chen theilweise über die ventrale Arterie hinweg, anastomosiren regelmässig mit einander und senken sich in den Körper ein oder gehen über die Randzone nasal- oder temporalwärts auf die dor- sale Seite über, um hier oft nach mehrfacher Theilung in den Sinus zu münden. Die in den Körper eintretenden Venenzweige theilen sich weiterhin, ohne dass sich eine besondere Gesetz- mässigkeit erkennen liesse, und gelangen in den Zwischenräumen des arteriellen Wundernetzes, theils als grössere Stämmchen, theils als Capillaren gleichfalls in den venösen Sinus. Wie die Lage, so ist auch die Stärke dieser Venen abhängig von den Zwischenräumen des arteriellen Wundernetzes. Anastomosen finden sich überall. Die durch den Körper hindurchtretenden Venen stehen unter einander in Verbindung und zwar ohne Rück- sicht auf ihre Kaliber, ebenso die oberflächlich um den Körper verlaufenden. Endlich anastomosiren auch diese beiden Systeme mit einander, so dass ein überall zusammenhängendes Venennetz zu Stande kommt, dessen Fäden die verschiedensten Querschnitte Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 431 besitzen und welches nur theoretisch eine Trennung in ober- flächliche und tiefe Portion zulässt. Vergleicht man das arterielle mit dem venösen Gefässgebiete, so ergeben sich folgende Unterschiede: 1) Die zuführende Arterie löst sich vollkommen zu kleineren Zweigen und schliesslich zu Capillaren auf. Sie folgt dabei streng dem dichotomischen Typus und verschwindet also völlig als solche; die untere Augenvene dagegen bleibt bestehen, nur von ihr ausgehende Zweige bilden ein in sich zusammenhängendes Netz, ohne dabei einen bestimmten Typus einzuhalten. 2) Die arteriellen Capillaren sammeln sich schliesslich wieder zu einem Stamm; die Venen münden als Gefässe verschiedenen Kalibers in den venösen Sinus. 3) Das arterielle Wundernetz bestimmt im Wesentlichen die Gestalt des Körpers und nimmt vorwiegend dessen ventrale Hälfte in Anspruch; das venöse Netz füllt die Zwischenräume des ar- teriellen Gebietes aus und umhüllt dasselbe; die dorsale Hälfte des Körpers wird zum grössten Theile von dem venösen Sinus eingenommen. Die mitgetheilte Untersuchung lieferte den Nachweis, dass der linsenförmige Körper nicht von einem Zweige der Art. hya- loidea versehen wird, sondern dass diese selbst in ihm ein Wundernetz bildet. Ferner stellte sich heraus, dass wohl ein venöses Netz in dem Körper vorhanden ist, aber ohne continuir- lichen Zusammenhang mit der Arterie und ihren Verzweigungen. Damit verringerte sich auch die Wahrscheilichkeit, dass die Frage nach charakteristischen Zell- oder Gewebsformen in be- Jahendem Sinne beantwortet werden würde. In der That ergab die histologische Untersuchung in dieser Beziehung ein negatives Resultat, obgleich die verschiedensten Fixirungs- und Färbe- methoden versucht wurden. Weder die Gefässwände, noch das sehr spärliche Bindegewebe zwischen denselben liessen Besonder- heiten in ihrem Bau erkennen. In dem letzeren fanden sich in der Nähe der Chorioides Pigmentzellen mit bräunlichem Pigment, in der Umgebung der Argentea solche mit Guanin. Ihre Anwesenheit erklärt sich aus der Nachbarschaft der genannten Augenhäute, zumal die Pigmentmentzellen nie in der Tiefe, sondern nur nahe der dorsalen, resp. ventralen Körperoberfläche sich vorfanden. | 432 G. Thilenius: Es erübrigt noch den Zweck zu betrachten, welchen der linsenförmige Gefässkörper haben könnte. Was zunächt das ar- terielle Wundernetz betrifft, so erfüllt es alle die Bedingungen, welche eine Verlangsamung des Blutstromes zur Folge haben können: schneller Zerfall in kleinere Gefässe und zahlreiche plötzliche Kniekungen. Andererseits ist auch eine gegenseitige chemische Einwirkung der venösen und arteriellen Gebiete denk- bar, wenn man sich ihre unmittelbare Nachbarschaft sowohl in der Sehieht der grösseren Gefässe, als auch der der Capillaren ver- gegenwärtigt. Diese Nachbarschaft gestattet vielleicht eine weitere Erklärung von einem anderen Gesichtspunkte aus. Wie oben auseinandergesetzt wurde, umgiebt der venöse Sinus von allen Seiten die primären dorsalen Seitenzweige des arteriellen Wunder- netzes und grenzt an den ventralen Umfang der Sammelgefässe. Wenn nun infolge einer venösen Hyperämie dieser Sinus über- mässig ausgedehnt würde, so könnte er jene Seitenzweige kompri- miren; in geringerem Grade würden dies im gleichen Falle auch die grösseren und kleineren Venen des venösen im Körper gelegenen Netzes gegenüber benachbarten arteriellen Zweige vermögen. Diese Compression der Arterien hätte dann eine verminderte Blutzufuhr zur Folge. Die eben ausgesprochene Vermuthung erhielte eine wesentliche Stütze, wenn für die „Chorioidealdrüse* ähnliche Ver- hältnisse sich nachweisen liessen. Beide Gefässkörper wären dann als selbstthätige regulatorische Einrichtungen aufzufassen, derart, dass die Quantität des zuzuführenden frischen Blutes ab- hängig gemacht würde von der Menge des venösen, welches noch im Auge vorhanden ist. Immerhin wäre von dieser Betrachtung die Iris auszuschliessen; weder ihre Arterie, noch eine ihrer beiden Venen sind durch ein Wundernetz oder anastomotisches Netz ausgezeichnet. Ergebnisse, 1) In dem Auge einiger Cypriniden liegt zwischen den Schenkeln der „Chorioidealdrüse“, gleich dieser von Chorioides und Argentea eingeschlossen, ein linsenförmiger Gefässkörper, der sich aus einem arteriellen und einem venösen Gebiete zusammensetzt. 2) Das arterielle Gebiet nimmt den grössten Theil der ven- tralen Körperhälfte ein und stellt ein nach diehotomischem Typus Ueber d. linsenförmigen Gefässkörper im Auge einiger Cypriniden. 433 gebautes Wundernetz dar, welches in den Verlauf der Glaskörper- arterie eingeschaltet ist. 3) Das venöse Gebiet besitzt keinen Zusammenhang mit dem arteriellen. Es setzt sich aus dem Sinus venosus und dem Venennetze zusammen, welches den letzteren mit der unteren Augenvene verbindet. Der Sinus venosus begreift den Hauptab- schnitt der dorsalen Körperhälfte; das Venennetz umhüllt und durchsetzt das arterielle Gebiet. 4) Zell- oder Gewebsformen, welche für den Gefässkörper charakteristisch wären, liessen sich nicht nachweisen. Am Schlusse dieser Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Professor Dr. H. Virchow für die Anregung zu der- selben und für die freundliche Unterstützung bei ihrer Anfertigung hiermit meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII. Fig. 1. Rechtes Auge von Tinca vulgaris. Sclera bis zum Corneal- falze (se) entfernt. Ebenso die Argentea bis auf einen schmalen Streifen in der Nähe der Sclerocornealgrenze (arg). Daher liegen Chorioides (ch) und „Chorioidealdrüse“ (chd) frei. Da das Auge von der ventralen Seite her eröffnet ist, so sieht man von der „Drüse“ nur die beiden Schenkel und zwischen diesen den linsenförmigen Körper (LK). Zwischen ihm und dem temporalen Drüsenschenkel verläuft die von der Iris kom- mende untere Augenvene (v). An der ventralen Fläche des Optieus (o) verläuft die Art. hyaloidea (a) zum linsenförmigen Gefässkörper. — Natürliche Grösse. Fig. 2. Verzweigung der zuleitenden Art. hyaloidea auf der ven- tralen Seite des Körpers. Die Arterie (a) entsendet drei pri- märe Seitenzweige nasalwärts (N), zwei temporalwärts (T) und zerfällt endlich in drei Endäste. Die primären Seitenzweige (b) zerfallen in je zwei sekundäre (c) und jeder sekundäre in zwei tertiäre (d) etc. In der Figur ist die Bezeichnung nur bei einem primären Seitenzweige und seinen weiteren Zweigen hinzugefügt. Der erste sowie der zweite nasale Seitenzweig weichen in ihrer Verästelung ab von der im Texte als häu- figste gegebenen Beschreibung. Die Randzone (rz) enthält nur noch Capillaren, keine grösseren Zweige. — Schellack- korrosionspräparat. Leitz, Tubusl. 160 mm. Ocul. 0, System IV. Tinca vulgaris. Fig. 3. Verzweigung der zuleitenden Art. hyaloidea (a) nach der 434 G. Thilenius: Ueber den linsenförmigen Gefässkörper etc. nasalen Seite. Nur die gröberen Gefässe sind injieirt, die der temporalen Seite sowie die Capillaren nicht. b primärer Sei- tenzweig, e sekundäre, d tertiäre Seitenzweige, x Anastomose zweier primärer Seitenzweige. — Schellackkorrosionspräparat. Leitz, Tubusl. 160 mm, Ocul. 0, System IV. Cyprinus carpio. Fig. A. Verzweigungen der fortleitenden Art. hyaloidea (a‘) an der dorsalen Seite des Körpers. Die Capillaren der Randzone (rz) sammeln sich schliesslich zu sekundären (c’) und diese zu pri- mären dorsalen Seitenzweigen (b’). Aus diesen gehen die Sammelgefässe hervor, eines aus dem distalen nasalen Körper- abschnitte (1), das andere aus dem temporalen (2), das letzte aus dem proximalen nasalen (3). Aus ihrer Vereinigung geht der zu dem Glaskörper führende Theil der Arterie hervor (a), der mit dem ventral zuführenden (a) den Stiel des Körpers bilden hilft. x Bruchstelle an dem Uebergange in die Schleife. N nasale, T temporale Seite. — Schellackkorrosionspräparat. Die Masse hat bei der Korrosion etwas gelitten, so dass die Conturen der Gefässausgüsse unregelmässig wurden und Ein- zelheiten an Deutlichkeit verloren. Leitz, Tubusl. 160 mm, Ocul. 0, System IV. Fig. 5. Verlauf der fortleitenden Art. hyaloidea (a) zwischen Körper und Glaskörpergefässen. x’ Bruchstelle, ursprünglich bestand ein Zusammenhang mit x in der vorhergehenden Figur. ch und arg bezeichnen die Lage der Chorioides und Argentea, o—o’ die Verlaufsrichtung des Sehnerven in ihrem Verhalten zur Schleife der Arterie, p Papilla optica, N nasale, T tem- porale Seite. — Schellackkorrosionspräparat, im Zusammen- hange mit dem Fig.4 dargestellten erhalten. Leitz, Tubusl. 160 mm, Ocul. 0, System IV. Tinca vulgaris. Querschnitt des Gefässkörpers in situ durch den proximalen Theil. v—v’ Ebene des verticalen Augenmeridians, x—x’ grösste Queraxe des Körpers, r Retina, ch Chorioides, arg Argentea, chd „Chorioidealdrüse“, Ttemporale, N nasale Seite. In dem temporalen Zwischenraume zwischen „Drüse“ (chd) und Körper liegt die untere Augenvene (vo), nasal von ihr ist ein primärer ventraler Seitenzweig schräg getroffen (b). cap Capillaren, aus denen dorsale primäre Seitenzweige (b‘) hervorgehen. Zwischen diesen und auch noch dorsal von ihnen liegen Ausbuchtungen des Sinus venosus (sv), vh Glas- körpergefäss. — Injection des Wundernetzes mit löslichem Berliner Blau, Schnittdicke 25 u. Leitz, Tubusl. 160 mm, Ocul. 0, System IV. Cyprinus carpio. Fig. 7. Theil der Capillaren des Wundernetzes. f ventraler letzter Seitenzweig, f’ erster dorsaler. — Injection des Wundernetzes mit löslichem Berliner Blau, Schnittdicke 25 u. Leitz, Tubusl. 160 mm, Ocul. 0, System VII. Cyprinus carpio. en Fig. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien über die formbildende Bedeutung des Blutgefäss-Apparates unter besonderer Berücksichtigung der damit ver- bundenen mechanischen Einflüsse. Von H. Endres. Hierzu Tafel XXIV, XXV und XXVIl. L.Kheil Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie des Darmes, des Darmgekröses und der Bauch- speicheldrüse. Vorliegende Arbeit befasst sich, wie schon der Titel ver- lauten lässt, mit der Entwicklungsgeschichte des Darmes, des Darmgekröses und der Bauchspeicheldrüse. Sie versucht dabei jene genetischen Vorgänge, welche das Meehanische ihres Wesens unverhohlen zur Schau tragen, zu erfassen, darzustellen und ihnen so zu richtiger Würdigung zu verhelfen; sie ist trotz alledem aber, um. den Gefahren einseitiger Schilderung zu entgehen, nur um so mehr bemüht, auch jenen Vorgängen ihre Rechte zu be- lassen, welche, obwohl mikromechanischer Natur, bislang noch der nach Erkenntniss ringenden Forschung spotten und welche, insoferne sie eben den Ausfluss der physiologischen Thätigkeit ver- schiedener Organe vorstellen, als physiologische bezeichnet werden. Zeitverhältnisse halber ist es mir vorerst leider nicht ge- stattet, theoretisch näher auf jene mechanischen resp. physiolo- gischen Processe einzugehen, welche ich, da sie vom Blutgefäss- apparate als dem Subjekte im Laufe der Embryogenese angeregt und unterhalten werden, kurzweg der formbildenden Thätigkeit des Blutgefässapparates zuschreibe. Doch hoffe ich, demnächst meine diesbezüglichen theoretischen Anschauungen nicht nur in Betreff vorliegender Arbeit resumiren, sondern im Allgemeinen klarlegen und dureh anderweitige Beispiele erhärten zu können. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. 29 436 H. Endres: In dieser Arbeit wählte ich für die Art der Darstellung die der fortlaufenden Erläuterung mit Betonung der mir von Wichtigkeit scheinenden Momente. Da es hierbei unvermeidlich war, dass die Ergebnisse der Forschung anderer Autoren mit den Resultaten meiner eigenen Untersuchung auf das imnigste ver- knüpft wurden, so habe ich, um das Recht geistigen Eigenthums für Jeden zu wahren, einerseits jene Punkte, welche sich als die Früchte dieser meiner Arbeit ergeben, soweit sie mir erwähnens- werth schienen, am Schlusse kurz zusammengestellt, anderseits aber dort, wo ich im Verlaufe des Textes eine litterarische Quelle benützte, nach bestem Gewissen den Autor derselben durch Hinweis auf das Littetaturverzeichniss namhaft gemacht. Hier sei es mir nun vergönnt, vor allem meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. R. Wiedersheim, herzlich zu danken für die Theilnahme, welche er am Fortschreiten meiner Arbeit genommen, nicht nur für die mannigfachen, werth- vollen Rathschläge, welche er mir zu Theil werden liess, sondern auch für die grosse Liebenswürdigkeit, mit welcher er mir das makro- und mikroskopische Material seines Institutes zur unum- schränkten Verfügung stellte. Herr Geh. Hofrath Prof. Dr. E. Ziegler hatte die Güte, mich in meinen Litteraturstudien zu unterstützen, indem er mir in zuvorkommender Bereitwilligkeit seine reichhaltige Privatbib- liothek zur Verfügung stellte. Möge es mir erlaubt sein, hierfür meinen ergebenen Dank auszusprechen. Herrn Prof. Dr. F. Keibel bin ich gleichfalls zu grossem Danke verpflichtet für die Generosität, mit welcher er mir aus seiner Sammlung menschlicher Embryonen zwei Exemplare zum Studium des Panereas, des Mittel- und Enddarmes überliess. I. Vier- bis fünfwöchentlicher Embryo. Figuren: 1, 2, 3, 22a u. b. Bei einem mensehliehen Embryo der vierten Woche findet sich die Anlage des Darmes in der Mittellinie des Körpers; sie besteht aus fünf hintereinander gelegenen Abschnitten: der Mund- höhle, der Sehlundhöhle, der Speiseröhre, dem als spindelige Er- weiterung sich darstellenden Magen und dem übrigen Darmrohr (35). Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien etc. 437 Hinsichtlich der genaueren morphologischen Verhältnisse der letztgenannten Darmtheile wäre Folgendes hervorzuheben: Der Magen ist mit seinem Endstück nach links und unten gerichtet (Fig 1. Ventr.). Der aus ihm hervorgehende Mitteldarm zeigt vor seinem Uebergang in die grosse primitive Darmschleife ungefähr die Gestalt eines S, dessen oberer und unterer Schenkel jeweils von links oben und vorne nach rechts, unten und hinten gewendet ist, und dessen mittlerer als Verbindungsstück der bei- den ersteren von rechts, hinten und oben nach links, vorne und unten sieht (Fig. 1. Duod.). Das Ganze repräsentirt, wie später ausgeführt wird, die Anlage des Duodenum. Die sich hier anschliessende grosse Darmschlinge erscheint als ein nach vorne und unten mehr weniger convexer Bogen, von dessen Scheitel der Darmstiel ausgeht (Fig. 1u.4). Den caudalen Abschluss findet der Darm in dem sogenannten „Darm- endstück“ (Fig. 1. Endd.). Nach Toldt’scher Ansicht haben wir am Beginn und am Ende der primitiven Darmschlinge die, ersten Andeutungen eimer- seits der Flexura dudeno-jejunalis, anderseits der Flexura coli lienalis s. simistrat). (Fig. 1. Flex. duod. jejunal. u. col. sin.) Schon um diese Zeit der Entwicklung sind beide nicht mehr genau in der Sagittalebene gelegen; — es zeigt sich nämlich die Flex. duod.-jejunal. nach rechts, die Flex. coli sin. s. lienal. nach links verschoben (38, 103). Aus diesen Thatsachen ergiebt sich 1) His setzt den Beginn der primitiven Darmschleife bekannt- lich an die Uebergangsstelle der Pars descendens duodeni in die Pars horizontalis inferior duod. und lässt letztere aus der Anfangsstrecke der primitiven Darmschleife unter Bildung einer nach links unter die Art. mesenterica superior sich schiebenden Schlinge entstehen. Ueber die Meinungsverschiedenheiten der beiden genannten Autoren äÄussert sich Schiefferdecker folgendermaassen: „Aller Wahrscheinliehkeit nach wird aber der His’sche Befund die Ausnahme bilden und wird der Toldt’sche die Regel sein“ (9). Nach meinem Dafürhalten be- zeichnet nach Toldt die schon sehr früh angedeutete Flexura duod.- jejun. den Beginn der primitiven Darmschlinge, und die Pars horizontal. inferior duod. wird als solche gegen die anstossenden Darmstücke da- durch gesondert, dass ihre Winkelstellung gegen diese mehr und mehr in dem Grade eine Verschärfung erfährt, wie der am meisten nach hinten convexe Theil der ansetzenden primitiven Darmschlinge sich als Flex. duod.-jejunal. unter den Ursprung der Art. mes. sup. von rechts und unten nach links und oben hinschiebt. 438 H. Endres: für die, Lage der Darmschlingen-Schenkel, dass auch sie schon die Medianebene verlassen haben und so die der primitiven Darm- schlinge im Laufe ihrer Entwicklung eigenthümliche Drehung bereits eingeleitet ist. Die Art und Weise dieser Drehung dürfte in der Thatsache einer nach rechts sehenden Nabelblase und einer links gelegenen Kloake ihre Er- klärung finden. Es steigt der untere und linke Darmschlingen- Schenkel in seiner Bewegungsrichtung durch den Verlauf der unter ihm liegenden Gebilde — des Allantois-Stieles und im be- sonderen der Umbilical-Gefässe — beeinflusst bei weiterem Längen- wachsthum nach links, oben und hinten. Für das Darmrohr ist, soweit es besprochen wurde, ein dorsales Gekröse charakteristisch (Fig. 1. Mes.). In der Mittel- linie entspringend (Fig. 3) ist sein flächenhafter Verlauf an ein- zelnen auf einander folgenden Stellen jeweils der Lage des be- züglichen Darmabschnittes entsprechend. Der Zusammengehörigkeit nach können an ihm drei Bezirke unterschieden werden (Toldt): 1. das Mesogastrium, i.e. das Gekröse des Magens und des Zwölffingerdarmes; es wäre dies also wohl richtiger als Me- senterium gastro-duodenale zu bezeichnen ; das Gekrösplättchen, i. e. das Gekröse der primitiven Darm- schlinge. An diesem ist der späteren Orientirung wegen eine obere oder supraarterielle Gekrösplättchenhälfte einer unteren oder infraarteriellen gegenüber zu stellen; 3. das Gekröse des Darmendstückes. Um die Gefässverhältnisse und im besonderen die der Venen, insoferne sie durch das dorsale Gekröse mit den zugehörigen Darmtheilen in Beziehung stehen, kennen zu lernen, scheint es des Verständnisses halber geboten, in der Schilderung bei einer noch früheren Stufe der Entwicklung einzusetzen. Die paarig angelegten Venae omphalo-mesentericae begeben sich aus der im ventralen Gekröse gelegenen Leber zum Beginn 1) der S-förmigen Duodenalanlage, — vereinigen sich noch im ven- tralen Gekröse vor dem Darme, — ziehen wieder getrennt an der Seite des oberen Duodenalschenkels in das dorsale Gekröse, treten hier in der Höhe der Pancreasanlage zum zweiten Male zu einander in Beziehung (Fig. 22a), knicken an dieser Verbin- dungsstelle nach unten und vorne ab, und verlaufen, den unteren Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 439 Duodenal-Schenkel kreuzend, auf die obere und vordere Cireum- -ferenz des oberen Darmschlingen-Schenkels. Nachdem hier gleich im Anfang die Venen abermals sich in einer Querverbindung vereinigt haben, streben sie weiterhin wieder paarig dem Darm- stiele zu. Es kommen auf diese Weise zwei im dorsalen Gekröse eonvergirende und dort in der Höhe der Panereas-Aussprossung sich tangirende Gefässringe zu Stande. Indem nun das Venen- paar vor der ersten und nach der dritten Querverbindung ver- schmelzt und vom oberen Gefässring die linke, vom unteren die rechte Hälfte verkümmert, tritt an die Stelle der symmetrisch gelegenen Venae omphalo-mesenterieae ein unpaarer Gefässstamm (Fig. 2), wie er sich eben bei einem vierwöchentlichen Embryo vorfindet (38). Auf seinem Wege durch das dorsale Gekröse vereinigt sich mit ihm die Vena mesenterica magna nebst der Vena mes. parva und Vena lienalis. Die Anlage letztgenannter Venen wurde auf dieser Entwicklungsetappe zwar nicht beobachtet, dürfte aber trotzdem, wie ich glaube, in Bildung begriffen sein. Von den arteriellen Gefässen ist der gleichfalls paarig an- gelegten Arteriae omphalo-mesentericae Erwähnung zu thun. Beide verschwinden jedoch schon in sehr früh embryonaler Zeit; aus einem Zweig der Art. omph.-mes. dextra bildet sich die Art. mesenterica superior. Man dürfte sich nun versucht fühlen zu fragen, ob nicht die Riehtung der einzelnen Abschnitte des Duodenum und der benachbarten Darmstrecken mit der Gestalt des Dottervenen- Doppelringes in Beziehung zu bringen sei. Diesbezüglich glaube ich Folgendes eonstatiren zu können: die Duodenalschlinge ist in ihrem Verlauf das negative Bild a) erst der oben besprochenen, dorsalwärts convergirenden Dottervenen- Ringeund b) späterhin das dessich spiralig um sie herum- schlingenden Dottervenen-Stammes (Fig. 2). Der Grund dieser eingehenden Besprechung der hier in Frage kommenden Gefässe liegt in der grossen Bedeutung, welche ich ihnen in der Entwicklung der Bauchspeicheldrüse zuschreibe. In der Entwieklungsgeschichte des Pancreas, wie in der aller übrigen Darmderivate, spielt vor- zugsweise der Blutgefässapparat die Rolle des formativen Prineipes. Es geschieht diesin zwei- 440 EIARinikderzeise facher Hinsicht: einerseits mechanisch hemmend und spaltend, namentlich in Bezug’ auf die erste Aussprossung, anderseits physiologisch leitend in Betreff der Riehtung des weiteren Wachsthums- verlaufes der einzelnen Spross-Gebilde. Beide Momente sind auf das innigste mit einander verquickt und können nur theoretisch auseinandergehalten werden; — sie sollen getrennt zur Sprache kommen. Besehen wir uns den hemmenden Einfluss der Blut- gefässe und im speciellen der Venen in der Entwicklung des Pancreas etwas näher. — Wie oben bemerkt, findet sich m der Höhe der Pancreas-Anlage die dorsale Querverbindung der beiden Venae omphalo-mesentericae (Fig. 22a). Setzt man nun den Fall, es sei diese Querverbindung im dorsalen Gekröse der Pancreas- Anlage nicht dieht aufgelagert, so ist begreiflich, dass zunächst die Anlage sich einheitlich in ihrer ganzen Ausdehnung zu ent- wickeln vermag, dass aber das Pancreas bei weiterem Wachs- tbum mit um so grösserer Sicherheit auf jene Venen-Querverbin- dungsstrecke auftreffen muss, je grösser die vertikale Ausdehnung seiner Anlage ist. So erweist sich dann diese Gefässstrecke für das aussprossende Pancreas als ein Hemmniss und wirkt gewisser- massen wie ein Wellenbrecher, d.h. sie nöthigt die Drüse, sich zu theilen. So denke ich mir die Theilung des menschlichen Panereas entstanden; es verhält sich dann in Bezug auf den unpaaren Gefäss- resp. Pfortaderstamm die eine Pancreashälfte als obere und linke, die andere als untere und rechte; aber beide sind im dorsalen Gekröse annähernd in einer Ebene gelegen (Fig. 2. Pancr. sup. et inf.). Eine Modification der soeben besprochenen Pancreas-Zwei- theilung besteht darin, dass jene dorsale Venen-Querverbindungs- strecke der dorsalwärts sehenden Pancreas-Anlage hart aufliegt, so dass diese in ein eraniales und ein caudales Feld getheilt wird. Die Aussprossung erfolgt dann von vorne herein in zwei Theilen. Die Richtigkeit der Erklärung dieses Entwicklungsmo- dus findet durch die Ergebnisse der Phisalix’schen Untersuchung an einem menschlichen Embryo von 10 Millimeter einen treffli- chen Beleg (81). Der genannte Autor fand zwei übereinander aus der dorsalen Circumferenz der Darmwand entspringende Pancreas- Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 441 Ausführgänge vor, welche beide gleich an der Stätte ihres Ur- sprunges durch den zwischen ihnen durchtretenden unpaaren Stamm der Vena omph.-mes. getrennt sind. Da nun diese Anschauung selbst eine Hypothese meinerseits ist, die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese aber um so mehr wächst, je zahlreicher die Erscheinungen sind, die sie erklärt, so soll zu ihrer Bekräftigung noch eine Darstellung der ersten Ent- wicklung des Amphibien-Panereas zur Sprache kommen. Vorerst ist nöthig, der Göppert’schen Arbeit über das Panereas der Amphibien Erwähnung zu thun (23). In der am Schlusse dieser Arbeit gegebenen Zusammenfassung findet sich folgender Satz: „Alles dies (— Hinweis auf die Pancreas-Verhält- nisse bei Amphibien —) ist von vorne herein gegeben!) dureh die Entwicklung des Amphibien-Pancreas aus drei An- lagen.“ Diesem Ausspruche glaube ich niebt beipflichten zu können. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass die Bauchspeichel- drüse bei Amphibien spontan caudo-ventral symmetrisch aus zwei Anlagen, eranio-dorsal aber assymmetrisch aus emer Anlage ent- stehen soll. Ich halte dafür: die Pancreas-Anlage ist einheitlich (sie kann zur besseren Verdeutlichung flächenhaft ge- dacht werden); jede Modification ihrer Aussprossung aber ist, allgemein gesagt, auf Gefässverhältnisse zu- rückzuführen. Stellt man sich vor, die dorsalwärts schauende und flächen- haft gedachte Pancreas-Anlage (Fig. 22b) sei bei Amphibien breiter als die dorsale Venen-Querverbindungsstrecke lang ist, es liege ferner das Venensystem, denn nur dieses kommt hier in Betracht, der dorsalen Cireumferenz des Darmes hart an, und es sei die genannte Querverbindung so gelagert, dass sie den cau- dalen Rand der Anlage tangire, so ergiebt sich eine Dreitheilung der ganzen einheitlichen Pancreas-Anlage. In jenen Strecken, welche von den dorsalwärts eonvergirenden Schenkeln des oberen Venenringes bedeckt werden, entwickelt sieh normales Darm- gewebe, da hier die Aussprossung der Bauchspeicheldrüse von vorne herein verhindert wird. Durch Wachsthumszunahme ge- nannter Strecken werden die einzelnen Pancreas-Sprossen mehr 1) Von mir unterstrichen. 442 EHiEnilrieis: und mehr isolirt: es werden die lateralen caudo-ventralwärts ab- gesprengt und verschoben, indess der mittlere dorsal verbleibt und eranialwärts rückt. Auf diese Weise gelangen die Panereas- theile an die Orte, an welchen wir sie definitiv wahrnehmen und täuschen dann drei gesonderte Anlagen ein und derselben Drüse vor. | Eine Stütze erfahren alle diese Annahmen dadurch, dass man bei Vorhandensein eines dorsalen und ventralen Pancreas die Vena portae in der That, wie nach Obigem zu erwarten ist, jeweils zwischen Pars pancreatica dorsalis und ventralis dextra vorfindet; man kann aber noch weiterhin schliessen, dass auf sehr früher Entwicklungsstufe auch zwischen Pars pancreatica dorsalis und ventralis sinistra eine Vene anzutreffen sei. Ausser Göppert bringen noch Goette (24), Stoss (99), Klaatsch (50) analoge Verhältnisse zur Sprache und Illustration. Wenn, wie aus dem Gesagten sich ergiebt, das mechanisch- formbildende Moment der Gefässe für die aussprossende Bauch- speicheldrüse nicht unterschätzt werden darf, so ist doch jetzt schon darauf hinzuweisen, dass für die Ausbildung der Form des Pancreas im Kleinen wie im Grossen die physiologische Funetion des Blutgefässapparates von unvergleichlich grösserer Bedeutung ist. Das Nähere hierüber siehe im folgenden Abschnitte. II. Sechs- bis siebenwöchentlicher Embryo. Figuren: 4,5, 6. Die Verlagerungen, welehe der Darm entwieklungsgeschicht- lich erfährt, sind im Wesentlichen das Produkt folgender Fac- toren: 1. seines Eigenwachsthumes; 2. des Wachsthumes benachbarter, econsistenterer Or- gane, woraus sich für den Darm räumliche Ein- schränkung wie auch Verschiebungen ergeben können; 3. der Beschaffenheit des mesenterialen Haftappara- tes und im speciellen der Bewegungsfähigkeit, welche er dem Darm gewährt; letztere wird unter anderem durch die Gekrös-Gefässe modifieirt. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 443 Im Vergleiche zum vier- bis fünfwöchentlichen Embryo sind beim sechs- bis siebenwöchentlichen an Darm und Gekröse schon bedeutende Veränderungen nach Form und Lage wahrnehmbar. In der Ausbildung seiner typischen Form begriffen hat sich der Magen (Fig. 4. Ventr.) so gedreht, dass der Fundus nach hinten, oben und wenig links, die grosse Curvatur nach hinten und links, die kleine nach vorne und rechts gerichtet ist. Von diesen sahen die beiden ersteren ursprünglich nach hinten, letztere gerade nach vorne. Mit dieser Drehung combinirt sich ein Herabsteigen des Magens, welches seinerseits in der relativ bedeutenden Verlänge- rung der Speiseröhre (38) begründet ist. Die Speiseröhre selbst setzt sich, wie auch in allen späteren Stadien, in der Richtung der kleinen Curvatur an den Magen an (Fig. 4. Oesoph.). Natürlicher Weise wird durch die Bewegung des Magens auch das Duodenum in Mitleidenschaft gezogen. Durch die Senkung des Magens werden Anfang und Ende der Duodenal-Anlage einander genähert. An der dadurch bereits typisch geformten Duodenal-Schlinge (Fig. 4 u. 5) kann man drei Absehnitte unterscheiden: einen oberen, sehr kurzen, die Pars horizontalis superior, nach rechts und hinten, — einen mittleren, die Pars descendens duodeni, bogenförmig mit ihrer Convexität nach rechts und vorne, — und einen unteren, die Pars horizon- talis inferior, nach links und hinten gerichtet (103). Wenn nun zwar zwischen diesen drei Duodenal-Theilen und jenen des vorhergehenden Abschnittes eine scharfe Homologie nicht besteht, so möchte ich fragen, ob es gleichwohl nicht gestattet ist, erstere entwicklungsgeschichtlich in letztere überzuführen? — Man kann sich ja denken, dass das Duodenal-Mittelstück auf Kosten des oberen und unteren Schenkels an Ausdehnung zunimmt und da- durch die Pancreas- und Leber-Anlage in seinen’ Bezirk einbe- zieht, — dass ferner dieses Mittelstick zwar anfänglich, wie sich oben gezeigt, von rechts oben und hinten nach links, unten und vorne sehend, allmählich aus dieser schiefen Lage in eine mehr vertikale, auf der rechten Körperhälfte befindliche, übergeht. Durch diese Verlagerung des Mittelstückes werden auch der obere und untere Schenkel beeinflusst und zwar so, wie es der Entwicklungsstufe eines 6—7 wöchentlichen Embryo entspricht. Die Ursache, warum die Wendung des Magens nach links, die 444 H. Endres: des Duodenum nach rechts erfolgt, ist in einer Correlation zwi- schen Leber- und Magen-Wachsthum gelegen; und zwar beruht sie in einer assymmetrischen Ausbildung der beiden Leberhälften !). Die Flexura duod.-jejunalis führt als eine nach vorne und abwärts offene, scharfe Kniekung des Darmrohrs vom Duodenum zur primitiven Darmschlinge; sie findet sich rechts von der Mittel- linie, aber nicht mehr, wie früher, über dem Ursprung der Art. mes. sup., sondern unter ihr (Fig. 4, 5. Flex. duod.-jejunal.). Von der primitiven Darmschlinge hat im Wesentlichen nur der untere Schenkel hinsichtlich seiner Lage eine Veränderung eingegangen (Fig. 4). Durch das starke Wachsthüm der Darm- endstrecke ist die Flex. eoli sin. und mit ihr auch das Ende der Darmschleife um ein Bedeutendes im der Weise gehoben, „dass nunmehr der aufsteigende Schenkel der Darmschleife im Schleifen- scheitel Inks neben dem absteigenden Schenkel, in seinem Ende — in der Flex. coli sinistra — aber höher als dieser gelegen ist“ (Toldt). Es erscheint nun die ursprünglich in der Medianebene befindliche Darmschleife an ihrem Scheitel um 90° an ihrer Basis um ungefähr 135° im umgekehrten Sinne des Zeigers einer Uhr gedreht. Inwieferne die Direktion dieser Bewegung von vorne herein gegeben war, wurde im I. Abschnitte erörtert. Der Blinddarm, dessen erste Anlage in die 5.—6. Woche des fötalen Lebens fällt (103), ist bereits deutlich sichtbar (Fig. 4. Coecum). Er ist als Anhaltspunkt zur Orientirung in der weiteren Darmschlingen-Entwicklung von Bedeutung. Die Darmendstrecke liegt im grossen Ganzen noch immer in der Medianebene. Indem mit der besprochenen Lagerung des Darmes zugleich der Verlauf der Ansatzlinie des Gekröses gegeben ist, möge nun die Darstellung der Wurzellinie desselben folgen. An der Wurzellinie des Gekröses (Fig. 6), — sie hat, so lange sie mit der Mittellinie zusammenfällt, kat’ eZoxnv als solche zu gelten — treten bereits Veränderungen auf, welche, wie Toldt nachgewiesen hat (103), auf Verwachsungsprocesse zwischen dem Mesenterium und dem Peritoneum parietale der hinteren Rumpf- wand zurückzuführen sind. Durch diese Verwachsungsprocesse 1) Diesbezüglich verweise ich auf den Il. Theil dieser Studien, der, wie ich hoffe, bald diesem ersten folgen wird. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien etc. 445 wird die eigentliche Wurzellinie verwischt und an ihre Stelle treten gewissermassen vicariirend Haftlinien, welehe in ihrem Wesen nichts anderes sind, als die Grenzlinien der durch Ver- wachsung entstandenen Haftflächen. Die erste Veränderung zeigt sich an der Wurzellinie des Darmschleifengekröses; dieselbe concentrirt sich mehr und mehr um den Ursprung der Art. mes. sup. (Fig. 4, 5, 6). An der Wurzellinie der supraarteriellen Gekrösplättchen- hälfte wird in Folge der Senkung der Flex. duod.-jejun. ein Zug nach abwärts ausgeübt (Fig.5). Sie bleibt trotz alledem intact, weil einerseits der zwischen Duodenum und hinterer Rumpfwand eingelagerte Leberkeil (103), anderseits auch die aus dem Duo- denal-Gekröse in die infraarterielle Gekrösplättchenhälfte laufen- den Venae mesentericae ein knappes Anliegen des Gekröses jener Gegend an die hintere Rumpfwand nicht gestatten (Fig. 5). — Anders verhält es sich mit der Wurzellinie des Gekröses, inso- ferne es dem unteren Darmschleifen-Schenkel, der Flex. coli sin. und dem Beginne der Darmendstrecke entspricht. Durch die Bewegung der Flex. coli sin. nach links und oben erfährt sie vermittelst des Mesenteriums in demselben Sinne einen Zug (Fig. 4, 5, 6). Indem dieser Zug dem Mesenterium die Richtung des Verlaufes bestimmt, wird es der hinteren Rumpfwand ge- nähert und beginnt vom Orte der grössten Annäherung — das ist eben der Berührung — aus, mit derselben zu verwachsen. So ist es begreiflich, dass die primäre Wurzellinie verschwindet und für sie eine Haftlinie eintritt, welche durch flächenhaftes Verwachsen des Gekröses mit dem Perit. parietale der hinteren Rumpfwand nach links und oben vorschreitet. Der Ursprung des Magen- sowie des Darmendstück-Gekröses ist noch der primäre. Was die Flächenrichtung des Gekröses betrifft, so ist nur die des Gastro-duodenal-Antheils hervorzuheben (Fig. 4). An ihm ‚ unterscheidet Toldt drei Abschnitte: der oberste ist nach links, der mittlere nach vorne und abwärts, der unterste nach vorne und rechts gewendet. Aus den beiden ersteren entwickelt sich das grosse Netz, und zwar entsteht die Aussackung desselben durch starkes Flächen- wachsthum der Randzone, d. i. des der Insertion an der grossen Mageneurvatur nahegelegenen Bezirkes, des Mesogastrium. Dieses 446 . H. Endres: Flächenwachsthum ist längs der Curvatura major am stärksten und nimmt nach beiden Seiten ziemlich rasch ab: einerseits so- wohl gegen den von Art. hepatica und gastro-epiploica dextra eingeschlossenen Gekröswinkel hin, wie auch anderseits gegen jenen hin, welcher von der Art. lienalis und gastro-epiploica sinistra abgegrenzt wird. Von ersterem aus erhebt sich eine nach rechts und oben con- vexe Falte als Grenze zwischen dem Gebiete des Omentum majus, wozu also auch ein grosser Theil des Gekröses der Pars horiz. sup. duod. gehört, und dem Gekrös-Antheil des mittleren und unteren Duodenal-Schenkels. Diese Falte, ich bezeichne sie als Pliea arteriae hepaticae, wird distal durch die dem Duo- denum benachbarte Strecke der Art. hepatica in ihrer Lage er- halten; in ihrer proximalen Ausdehnung ziemlich steil nach hinten und oben verstreichend, senkt sie sich im Verlaufe ihrer Entwick- lung so lange, bis sie mit dem Verlaufe der Art. hepatica iden- tisch ist. Die Entstehung dieser Plica art. hep. ist in ihrer Ursächlich- keit auf die Bewegung einzelner Darmabschnitte resp. der be- züglichen Gekröse zurückzuführen. Magen und Duodenum, wie das zugehörige Gekröse, anfänglich in der Sagittalebene gelegen, werden nach entgegengesetzter Richtung verlagert, ersterer gegen die linksseitige hintere Rumpfwandhälfte, letzteres gegen die rechtsseitige. Es nimmt nun in demselben Grade, als sich die soeben genannte Verlagerung vollzieht, die Convexität der Pliea arteriae-hepaticae zu. Es ist natürlich, dass Gebilde, welche aus dem mittleren und unteren Duodenal-Gekröse in das grosse Netz gelangen wollen, jene Falte zu passiren haben. Unter diesen Gebilden sind die Vena lienalisund die Bauch- speicheldrüse zu verstehen. Beide — das Pancreas mehr distal gelegen — wandern so an der linken und unteren Circumferenz der Art. hepatica vorbei in die Anlage des Omentum majus. Dieser Umstand ermöglicht es, am Pancreas von vorne herein schon, einen im weiteren Sinne duodenalen Theil von einem omentalen zu unterscheiden; ersterem gehört das ganze Pancreas inferior und der Kopf des Pancreas superior an, letzterem der Körper und Schwanz des Panereas superior. Im Omentum majus liegen die aus der Coeliaca kommenden Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien etc. 447 Gefässe: Art. lienalis und coronaria ventrieuli sinistra in Bezug auf die Vena lienalis und das Pancreas mehr axial (Fig. 5). Die mit der Vena lienalis zur Pfortader sich veremigenden Venae mesenterieae bieten hinsichtlich ihres Verlaufes auch man- ches Interessante. Die Vena mesent. parva nimmt entsprechend ihrer Aufgabe, das venöse Blut aus dem Gebiete der Art. mes. inf. abzuleiten, folgenden Weg: aus dem Duodenal-Gekröse durch den axialen Theil der supraarteriellen Gekrösplättchenhälfte, die Art. mesent. sup. an ihrer linken, oberen Circumferenz tangirend, in den der infraarteriellen Hälfte, — und von hier aus an die linke Seite des Ramus ascendens der Art. mesent. inf. . Die Vena mesent. magna beschreibt denselben Weg; sie ist indess mehr peripher gelegen und verbleibt in der unteren Ge- krösplättchenhälfte, um der Art. mesent. sup. auf ihrer linken Seite zu folgen und weiter abwärts unter ihr auf die andere Seite zu treten. Wenn die Vene jeweils die Arterie linkerseits kreuzt, so ist dies der Ausdruck der Thatsache, dass die Art. mesent. sup. aus einem Aestehen der Art. omphalo-mes. dextra, die Vena mes. magna aus einem solehen der Vena omph.-mes. sinistra ihre Ent- stehung nehmen (38 u. 53). Wünscht man die grosse Bedeutung der Gefässanlage in der Entwieklungsgeschichte des Pancreas gehörig zu würdigen, so ist es nöthig, ihr primäres Vorhandensein als unerläss- liche Bedingung für die Drüsenwucherung zu betonen. Dies gilt sowohl für die allererste Entwicklungsstufe, wie auch für die Zeit der späteren. — Namentlich in letzter Hinsicht tritt dies makroskopisch evident in der Thatsache der constanten Formverhältnisse des Pancreas bei Individuen der- selben Gattung zu Tage. Die Ursache dieses Befundes ist also in der Anlage der Blutbahnen zu suchen, sowohl der grossen arteriellen und venösen Hauptstämme, als auch vorzüglich der von diesen aus- gehenden kleinen und kleinsten Aestehen. Da nämlich in ihrer Nähe die Bedingungen für die Ernährung des wuchernden Drüsen- gewebes am günstigsten gestellt sind, so folgt es den Blutbahnen, sich ihnen anschmiegend, — rankt sich in das Geäst derselben ein — und durehflicht gewissermaassen mit seinen elementaren Theilen deren Capillametz. Auf diese Weise erfährt die von 448 H. Endre's® jenem Capillargebiet zu lösende physiologische Aufgabe eine funetionelle Steigerung, welche ihrerseits bewirkt, dass unter Er- weiterung der schon vorhandenen Capillaren immer neue gebildet werden und so das in Frage kommende Gefässnetz an Leistungs- fähigkeit gewinnt. Es hat nun den Anschein, als ob sich dies namentlich in dem Verhalten des Pancereas zu den Venen bekundete. Auch Göppert fiel diesbezüglich eine Thatsache auf; er schreibt: „Die Eigenthümlichkeit des Amphibien-Pancreas, sich an Venenstämme anzuschliessen, sehen wir also bei Menobranchus in extremer Weise ausgebildet.“ Aehnliche Thatsachen sind auch im figuralen Theil der Stoss’schen Arbeit „Untersuchungen über die Entwicklung der Verdauungsorgane, vorgenommen an Schafsembryonen“ zur Dar- stellung gebracht. In Fig. 88 und 89 schliesst sich ein Panereas- Spross der Vena ventrieulo-lienalis an, und Fig. 98 zeigt, wie sich Pars panereatica ventralis und dorsalis, in dem Bestreben venösen Gefässbahnen zu folgen, im Verlaufe der Vena portae treffen und verschmelzen. Die Ursache, warum die Pars pancrea- tica ventralis sich um die rechtseitige Duodenal-Cireumferenz herum mit der Pars paner. dorsalis in Verbindeng setzt, ist also in dem typisch spiraligen Verlauf der Vena portae gelegen. Weshalb nun das Pancreas, wie auch die Leber bei der Wahl ihrer Wachsthumsriehtung gerade die Venen bevorzugen, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung, wenn wir uns erinnern, dass die fötalen Nabel- und Dottervenen arte- rielles Blut führen, — arterielles Blut aber in bedeutend höherem Grade auf das Wachsthum eines Zelleomplexes anregend einzu- wirken im Stande ist, als venöses. In ganz typischer Weise fand ich bei einigen Halbaffen die eziehungen zwischen Gefässen und Drüse illustrirt. Eine ver- hältnissmässig ausgedehnte Duodenal-Schlinge bot den Rahmen für ein entsprechend grosses Gekröse. In diesem war das Pancereas in Form zweier schmaler Bänder suspendirt; beide zeigten sich — das übrige Gekröse freilassend — im engsten Anschluss an die Vena lienalis und mesent. .magna, wie auch die schon genannten benachbarten Arterien. Die Lagerung der fraglichen Gefässe wich von der beim Menschen kaum ab. Beim Menschen (Fig. 5) selbst findet man das Pancreas sup. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 449 s. major im engsten Anschlusse an die Vena lienalis, das Pancreas inf. s. minor im Gefolge der Vena mesent. magna; ersteres bezieht sein arterielles Blut aus der Art. lienalis und aus dem Ramus gastro-duodenalis der Art. hepat., für letzteres kommt besonders die Art. mes. sup. und die Art. panereat. duod. inf. in Betracht. Es ist also der Vorgang von Klaatsch (50): das Paner. sup. (s. major) als Paner. lienale zu bezeichnen und das Paner. inf. (s. minor) als Paner. duodenale (freilich im engeren Sinne) ganz berechtigt. Nach dem Gesagten hat, wie ich glaube, eine verglei- chende Untersuchung über das Pancreas bei Indivi- duen verschiedener Arten die Anlage des Gefäss- spe- eiell des Venen-Systems als Richtsehnur zu nehmen; sie gilt als Basis jeder Betrachtung, welche man hier anzustellen geneigt ist. III. Dreimonatlicher Embryo. Bisuren:7,,329. Das örtliche Verhalten des Magens auf dieser Stufe der Ent- wicklung lässt eine Verlagerung des Fundus und der Curvatura major nach links, vorne und unten, — des Pylorus nach rechts, hinten und etwas oben — deutlich erkennen (Fig. 7). Die Duodenal-Schlinge wird durch diese Bewegung des Ma- gens genötigt, in der eingeschlagenen Richtung sich weiterzu- drehen. Dieser Drehung setzt der zwischen Duodenal-Schlinge und hinterer Rumpfwand emgelagerte Leber-Abschnitt ein Hemm- niss entgegen; nur insofern als dieser Leberkeil sich zurückzieht, ist eine Annäherung der Pars dese. duodeni an die hintere Rumpf- wand möglich (103). Auf diese Weise ist die relativ grosse Ent- fernung beider letzterer von einander bei einem 3monatlichen Embryo verständlich. Die Flexura duodeno-jejunalis ist auf ihrer Wanderung um den Ursprung der Art. mes. sup. — denn eine solche hat statt — bereits an den Ort ihrer Bestimmung gelangt. Man findet sie links von der Körpermittellinie, etwas unterhalb des Ursprungs der Art. mesent. superior (Fig. 7). Besieht man sieh die Veränderungen, welche die primitive Darmsehleife im Vergleiche zu den vorbesprochenen Perioden der 450 H. Endres: Entwicklung erlitten, so kann man an derselben eine mit starkem Längen-Wachsthum Hand in Hand gehende, charakteristische Ver- lagerung ihrer Theile feststellen. Der zwischen Flexura duod.-jejunal. und Coecum gelegene Dünndarm bildet eine schon ansehnliche Schlingenmasse. Die Jejunal-Schlingen sind nach rück- und abwärts, der Schlingen- Antheil des Ileum nach vorne und oben gelagert. Die Ursache davon liegt in dem Umstande, dass das Jejunum aus dem oberen Theile des absteigenden Darmsehleifen-Schenkels entstehend für eine Verlagerung geringe Beweglichkeit besitzt, indess das Ileum dem vordersten, beweglichsten Theile der primitiven Darmsehleife sleichkommt (103). Der aus dem aufsteigenden Darmschleifen - Schenkel sich entwickelnde obere Diekdarmabsehnitt ist gemäss seiner Aufgabe, das Ende des Deum mit der Flexura coli sin. zu verbinden, nach vorne und wenig rechts gerichtet. Dabei machen sicb an ihm zwei Windungen bemerkbar: mit der ersten, umgreift er von hin- ten und oben die Dünndarm-Schlingenmasse, mit der zweiten wendet er sich unter dem Magen nach vorme. Der Blinddarm selbst sieht nach rechts (Fig. 7). Die Darmendstreeke besitzt schon gegen Ende des ersten Drittels des fötalen Lebens die Andeutung einer Flexura sig- moidea. Durch sie ist das Colon descendens vom Enddarm ge- schieden. Vom Gekröse ist im Besonderen das Verhalten des Meso- gastrium beachtenswerth. Der bereits ansehnliche Netzbeutel weist Verschmelzungen mit dem Peritoneum parietale der hinteren Rumpfwand auf; und zwar dort, wo durch Erhabenheiten, sei es am Netzbeutel selbst, sei es an der hinteren Rumpfwand die Ur- sache für grössere Druckverhältnisse geschaffen ist. Es bezieht sich dies vorerst auf den Körper des Pancereas (Fig. 7 mesent. Verlöthg., Fig. 8 u. 9) und auf die Basis der Nebenniere (105). — Durch die Aussackung des grossen Netzes nach unten und links ist der Uebergang von diesem zum mittleren und unteren Duo- denal-Gekröse in einer dem Verlaufe der Art. hepatica ent- sprechenden Falte (Pliea art. hepat.) noch mehr in die Augen springend, als es in dem vorhergehenden Abschnitte der Fall war; beide Gekrös-Antheile sind so ziemlich scharf gegen einander abgegrenzt. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 451 el >) Die Flexura duodeno-jejunalis zieht auf ihrer Wanderung um den Urprung der Art. mesent. sup. das diesbezügliche Gekröse, wie auch dessen Umgebung nach sich (Fig. 9). Dies giebt Ver- anlassung zur Bildung einer-mit ihrer Kante nach linksaund), oben gerichteten Gekrösfaltie;.tich be- zeichne sie als Plica vaso-enterica (Fig. 8). Die Tiefe dieser Falte nimmt das der Flex. duod.-jejunal. zugehörige Ge- kröse ein. Ihre hintere Lamelle kommt dadurch zu Stande, dass die unteren Theile des Duodenal-Gekröses zur Vena mesent. magna ziehen und von dieser aus zu den unterhalb und linksseitig von der Art. mes. sup. gelegenen Pars horiz. inf. abbiegen. Einen ähnlichen Weg — nur mehr distal'— hat die obere Gekrösplätt- chen-Hälfte zu beschreiben, um sich zwischen dem mehr links- seitig gelegenen Anfang der Jejunal-Schlingen und der nach vorne und etwas rechts verlaufenden Art. mes. sup. und Vena mes. mag. verbreitern und an ihnen sich inseriren zu können; auf diese Weise entsteht die vordere Lamelle der Plica vaso-enteriea. — Es nähern sich die beiden Lamellen dieser Gekrösfalte in dem- selben Masse, als einerseits die Flexura duod.-jejunal. dem Orte ihres definitiven Verbleibens entgegen gerückt wird und ander- seits die grossen Gekrösgefässe: die Art. mes. sup. und die Vena mes. magn. der Pars horizontalis inferior duod. sich anlagern. Dadurch nimmt die Convexität der Plica vaso-enterica mehr und mehr zu, — bis sie endlich durch Verschmelzung ihrer beiden Lamellen ihr Maximum erreicht und verschwindet. Die Wurzellinie der soeben besprochenen Gekrösantheile wird durch das Verhalten der Flex. duod.-jejunal. nur wenig irritirt (Fig. 9). Die Wurzellinie des Duodenal-Gekröses desshalb nicht, weil der zwischen dem Duodenum und der hinteren Rumpfwand ein- gelagerte und nach Art eines Keiles wirkende Leberantheil eine innige Berührung beider verhindert. Der Grund hinsichtlich der Wurzellinie der oberen Gekrösplättehenhälfte liegt ausser in dem soeben erwähnten Umstande auch in dem Verlaufe der Vena mesent. magna. Wie schon oben (im I. Abschnitte) bemerkt wurde, geht die Vene aus dem Duodenal-Gekröse direkt zur Art. mesent. sup. Sie setzt dadurch dem von der Flex. duod.-jej. am Gekröse ausgeübten Zug einen Widerstand entgegen, der bewirkt, dass die dem Ursprung benachbarten Gekrösantheile der hin- teren Rumpfwand entfernt gehalten werden (Fig. 8). Im übri- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. 30 452 H. Endres: gen zeigt der dem Ursprung der Art. mes. sup. benachbarte supraarterielle Abschnitt der Wurzellinie das Bestreben, sich mit der Haftstelle der Flex. duod.-jejunal. in Beziehung zu setzen (Fig. 9). Das Verhalten des Ursprunges der unteren Gekrösplättchen- hälfte kommt dem im vorigen Abschnitte ceharakterisirten gleich ; höchstens ist ein noch innigeres Anschmiegen und Verwachsen desselben mit dem Ursprunge des Duodenal-Gekröses zu consta- tiren. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die bisher als „untere* bezeichnete Gekrösplättchenhälfte nun zu einer „obe- ren“ geworden ist und dass sie ferner mit fortschreitender Ent- wicklung des Darmes immer mehr aus der sagittalen Stellung in eine frontale verzogen wird. In Betreff des Darmendstück-Gekröses schreibt Toldt: „Der obere Theil dieses Gekröses (des Dünndarmes) über- seht in einer Flucht in das Gekröse des Colon descendens und des S-romanum. Dasselbe erhebt sich aus der Mittellinie der him- teren Rumpfwand, vom Beckeneingang herauf bis an den Theil des Pancereas, welcher an der Wirbelsäule festhaftet, und geht dort in das gemeinschaftliche Gekröse des Dünndarmes und des vorderen Diekdarmabschnittes über. Es wendet sich von seiner Haftlinie nach links und liegt frei der hinteren Rumpfwand an“ (Fig. 8 u. 9). „Eine Verschmelzung des Diekdarmgekröses mit dem grossen Netze ist an keiner Stelle vorhanden.“ Betrachtet man die dem Mesogastrium eingela- gerten Gebilde, so findet man in ihrem Verhalten schon lebhafte Anklänge an definitive Verhältnisse (Fig. 8). Bedenkt man, dass der Magenantheil des Mesogastrium nach links gewen- det wird, der des Duodenum hingegen nach rechts, — ferner, dass letzterer an seiner nach rechts gekehrten Fläche, ersterer in der axialen Zone seiner nach links schauenden Fläche mit der hinteren Rumpfwand zur Verschmelzung kommt, so ist leicht be- greiflich, dass auch das Pancreas auf seinem Wege durch das Magengekröse an der nach links schauenden Fläche mit der lin- ken hinteren Rumpfwand verwächst, — insofern es dagegen dem mittleren und unteren Duodenal-Gekröse angehört mit der nach rechts gewendeten Fläche im Begriffe ist, sich der rechten hin- teren Rumpfwand ebenfalls bis zur Verlöthung zu nähern. Diese Thatsachen bedeuten für das Pancreas im Laufe seiner Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 4583 Entwicklung aber nichts anderes, als eine Drehung von 180° um seine Längsachse nach Art eines Seiles, das heisst: an sei- nem Ursprunge, also in distaler Ausdehnung, mit dem mittleren und unteren Duodenal-Gekröse, wird es um 90° nach rechts, —in seiner proximalen Ausdehnung, mit dem Magen und obersten Duode- nal-Gekröse, um QO°nachlinks gedreht. Jene Strecke oder vielmehr jenes Gebiet, in welchem die Torsion als solche zum Ausdrucke kommt, liegt in der schon öfters erwähnten, durch den Verlauf der Art. hepatica gekennzeichneten Plica arteriae he- paticae (Fig. 8). Dieselben 'Thatsachen, welche die oben be- sprochene Drehung des Pancreas an seinem Ursprung und an seinem Ende jeweils um 90° im entgegengesetzten Sinne herbei- führen, bewirken, dass von der Coeliaca die Hepatica nach rechts, die Coronaria ventrieuli sinistra und die Lienalis nach links verzogen werden. Wie sich aus dem bis jetzt Dargelegten ergiebt, hat man am Pancreas des Menschen eine Parssuperiorundinferiorzu unter- scheiden; durch das spätere entwicklungsgeschichtliche Verhalten kennzeichnet sich erstere auch als Panereas major, letztere als Pan- creas minor. Betrachtet man indessen das ganze Pancreas als ein- heitliches Gebilde, so kann man den von der Art. hepat., der Pars descend., horizont. inf. und ascendens duod. eingeschlossenen Drüsen- theil auch als Caputpanereaticum bezeichnen; vom übrigen Pan- creas kann man weiterhin dem Gebrauche folgend das dem Milz-Hilus genäherte Stück von dem zwischen ihm und dem Caput paner. gelegenen Corpus paner. als — Cauda pancer. unterscheiden. Normaler Weise reicht die Pars paner. sup. mit ihrer Cauda bis an den Hilus der Milz heran, indess die Pars paner. inf. sich auf das Duodenalgekröse beschränkt und an einer Weiterwuche- rung in das Jejunalgekröse durch jene oben besprochene, von der Flex. duod.-jejunal. zum Ursprung der Art. mes. sup. ziehende Gekrösfalte, die Plica vaso-enterica, verhindert wird, da ja letz- tere in der Ausbildung ihrer Convexität schon ziemlich voran- geschritten ist, wenn die Pars paner. inf. in ihrer Entwieklung erst an die Flex. duod.-jejunal. herankommt (Fig. 8). Alle von diesen soeben geschilderten gewöhnlichen Befunden abweichenden und zur Beobachtung gelangten Bildungen lassen sich im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückführen: einmal auf 454 H. Endres: Variationen in den Ernährungsverhältnissen der für das Pancreas- Wachsthum fraglichen Gekrösgebiete, — dann aber auch auf Verschiebungen im den Lagebeziehungen zwischen Panereas-Anlage einer- und den Dottervenen anderseits. So kann es kommen, dass unter besonderen, günstigen Um- ständen das Pancreasinferior s. duodenale sens. striet. frühzeitiger, als es der Norm entspricht, das ihr zu Gebote ste- hende Gekrösgebiet durchwuchert; demgemäss kann es auch jene Plica vaso-enterica zu einer Zeit erreichen, in welcher die Stärke der Convexität genannter Falte ihrer Weiterentwicklung noch nicht hemmend in den Weg tritt. Es wird das Pancreas inf. die Gekrösfalte passiren und weiterhin dem Capillargebiet der Art. mes. sup. folgend dem Jejunum angelagert sem. — Da je- doch die Entwicklung der Plica vaso-enterica ihren normalen Verlauf nimmt, so geht die Drüsenmasse wie auch der Ausfüh- rungsgang des Pancreas inf. an jener Stelle einer Abknickung entgegen, an welcher das Maximum der Convexität der Plica vaso-enterica zum Ausdruck kommt. Der im Jejunalgekröse be- findliche Drüsentheil des Pancreas inf. wird von seinem Drüsen- stamm abgeschnürt. Da nun auf dieser Stufe der Entwicklung die Darmwand- schichten erst im Begriff sind, sich zu eonstituiren, so wird der abgesprengte Drüsentheil in die Dünndarmwandung mit einbezo- gen, indem er sich zugleich einen selbständigen Ausmündungsweg in das benachbarte Lumen des Darmrohres bahnt. Dureh ungleiches Längenwachsthum der einzelnen Dünn- darmstrecken ist es möglich, dass dieses nun sogenannte „N e- benpanereas“ seine nachbarlichen Beziehungen zur Flex. duod.-jejunal. verliert und als eine für sich bestehende, selbstän- dige Drüse in der Wandung des Dünndarmes gefunden wird. Wenn, wie gezeigt, einerseits das Dünndarm- Nebenpancreas vom Pancreasinf. abzuleiteniist, so kann andererseits ein der Magenwandung ein- gebettetes Nebenpancreas in seiner Entstehung auf das Pancereas sup. zurückgeführt werden. Sorgt die mit der Art. pancreatico-duodenalis sup. gemein- sam aus der Art. hepatica stammende Art. gastro-epiploica dextra in dem ihr zugewiesenen Gekrösgebiete für besonders günstige Ernährungsverhältnisse, so ist die Möglichkeit gegeben, dass das Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 455 in seiner Wachsthumsrichtung für gewöhnlich den Lienal-Gefässen folgende Pancreas sup. sich zu gleicher Zeit auch an die Art. gastro-epipl. dextr. verzweigt und deren Verlauf als vorge- zeichneten Weg benützend bis an die Curvatura major des Ma- gens gelangt. Mit dem Zustandekommen der Plica art. hepa- ticae und mit dem des grossen Netzes wird dieser Drü- senspross dem lienalen resp. omentalen Drüsenstamm entfremdet: er verliert den Zusammenhang mit letzterem und wird, der Cur- vatura major des Magens anliegend, seiner Wandung eingebettet. Auf diese Weise lassen sich, wie ich glaube, die zahlrei- chen Erscheinungsformen des Nebenpancreas zwanglos erklären. Freilich ist diese meine Erklärungsweise von der Zenker’s voll- ständig verschieden. Gelegentlich eines zusammenfassenden Urtheils über die von Klob, ihm und Hyrtl bezüglich des Nebenpanereas gemachten Erfahrungen, lässt Zenker, indem er sich auf die definitiven Lagebeziehungen solcher Pancreaspartikel stützt, sie an Ort und Stelle entstehen, und theilt sie ein in solche, welche cranial vom Hauptpancreas und solche, welche caudal von diesem gelegen sind. Erstere variiren in ihrer Lage längs der Pars horiz. sup. duod. und der Curvatura major des Magens, letztere sind nach Zenker’s Auffassung jeweils mit dem von mir sogenannten Pancreas inf. zu identifieiren; die Anlage dieses Pancreas inf. könne nun gleichfalls in toto längs des Dünndarmes bis in die Gegend des Coecum eine Verlagerung erfahren. Während Zenker'sErklärung auf der Anschauung vom Vor- kommen mehrerer, von einander unabhängiger Pancreas-Anlagen fusst, liegt meiner Auffassung, wie oben erwähnt, der Gedanke an eine Zusammengehörigkeit und Einheitlichkeit aller als ge- sondert erscheinender Pancreas-Anlagen zu Grunde. Eine andere Art vonPancreasmissbildungen trägt den Charakter excessiver Drüsenwucherung. Es sind dies jene Fälle, in welchen anormale Pancreassprossen vermöge ihrer örtlichen Beziehungen vor Abschnürung bewahrt blieben. Hieher gehört die theilweise oder totale Umringung der Pars dese. duod. mit pancreatischer Drüsensubstanz; ferner fallen unter diesen Ge- sichtspunkt jene lappenartigen Fortsätze, welehe vom Pancreas sup. ausgehend, in ihrem Verlauf an die Art. eoron.-ventrieuli dextra oder an die Art. hepat. und Vena port. Anschluss zeigen. 456 H: Endres: Hinsichtlich ihrer Genese sind sie in ähnlicher Weise wie ein Nebenpancreas zu deuten. IV. Fünfmonatlicher Embryo. Figuren: 10—14. Der Magen bewegt sich in der oben angegebenen Richtung weiter (Fig. 10). Am Duodenum ist das Vorhandensein einer Pars ascen. bemerkenswerth. Ueber ihre Entstehungsweise schreibt Toldt: „Es ist hier (am Duodenum) namentlich der absteigende und der untere Theil, welche an Länge bedeutend zugenommen haben. Der absteigende Theil reicht nun über den hinteren, unteren Leberrand herab, liegt mit seinem untersten Ende der hinteren Rumpfwand an und ist mit dieser verlöthet. Das untere Quer- stück des Duodenum muss sich nun, um zu der von vorne herein fixirten Flexura duod.-jejunal. zu gelangen, links von der Wirbel- säule nach aufwärts krümmen.“ Die Verlöthung des Duodenum mit der hinteren Rumpfwand ist auf dieser Stufe embryonaler Entwicklung bis an die Pars horizontalis sup. vorgeschritten (Fig. 13). Sowohl hier wie auch in der Lagerung der übrigen Darm- theile ist eme mehr oder weniger grosse Aehnlichkeit mit dem endgültigen Zustande nicht zu verkennen. Das Dünndarmeonvolut hat an Masse zugenommen und er- scheint zwischen Flex. duod.-jejunal. und Coecum in seiner Längs- achse von links, oben und hinten nach rechts, unten und wenig vorne gelagert (103). Da nämlich einerseits die Leber, welche sich in ihrem Verhalten immer mehr als asymmetrisches Organ bekundet, die rechte, obere Bauchhöhle einnimmt, anderseits die Flex. sigmoidea die Imke Darmbeingrube ausfüllt, so wird in An- passung an diese Verhältnisse das Jejunum nach rückwärts links in den oberen Bauchraum, das Ileum nach rechts, mehr nach vorne in den unteren Bauchraum gedrängt (103). Der vordere resp. obere Diekdarmabschnitt ist aus seiner im vorigen Abschnitte beschriebenen, zur Körperachse schrägen Lage in eine mehr horizontale und frontale übergegangen. Es wurde dies verursacht durch die aus der allgemeinen Zunahme des Dünndarmconvolutes resultirende Hebung des fraglichen Darm- Anatomisch-entwieklungsgeschichtliche Studien ete. 457 abschnittes, dann aber auch durch ein Herabsteigen der Flexura coli sin. Was ersteres Moment betrifft, so erklärt es auch hin- reichend, warum dieser Diekdarmabschnitt mit dem Duodenum in Berührung kommt und mit diesem durch lockeres Bindegewebe verbunden wird !). jringt man nun die schon besprochene Verlagerung des Ileum nach unten, rechts und wenig vorne in Erwägung, so ist begreiflich, dass am Blinddarm ein Zug ausgeübt wird, der den zwischen Blinddarm und besagter Darmverwachsungs-Stelle ge- legenen Darmtheil der horizontalen Richtung, wie sie dem übri- gen Theil des oberen Dickdarmabschnittes ungefähr zukommt, entfremdet. Damit ist die erste Andeutung einer Flexura coli hepatica s. dextra gegeben; denn um diese handelt es sich bei jener dureh ihre Befestigung an der Pars descendens duodeni und durch eine nach abwärts offene Knickung charakterisirten Stelle des vorderen resp. oberen Diekdarmabschnittes (103). Die links von dieser Stelle gelegene Darmstrecke ist dann natürlich die Anlage des Colon transversum, rechts von derselben die des Colon ascendens. Die aus der primitiven Darmendstrecke differenzirten Theile: das Colon descendens, die Flexura sigmoidea und der Enddarm sind dem definitiven Verhalten ziemlich nahe gebracht. Das Colon descendens geht von der Flex. coli lien. am lateralen Rande der linken Niere nach abwärts gegen die linke Fossa iliaca. — Hier beginnt das S-romanum mit einer nach links und lateral convexen, kreisförmigen Schlinge. Der Ueber- gang in das Recetum erfolgt in einem median und aufwärts convexen Bogen; er bildet die untere Hälfte des S-romanum. Er erscheint an der später zu erörternden Plica duodeno- jejunalis in die Höhe gehoben und ist eben dadurch entstanden zu denken. Das Rectum verläuft fast ganz gerade zum After (Fig. 10). Betrachten wir nun die vorgeführten Verlagerungen des Darmes in ihrer Ursächliehkeit zum Verhalten des Gekröses. Die beim dreimonatlichen Embryo besprochene Verschmel- zung der hinteren Lamelle des grossen Netzes mit dem Perito- 1) Diese Verwachsung wurde in der Zeichnung nicht zur Dar- stellung gebracht. Den Grund hiefür siehe in der „Erklärung der Figuren‘. 458 ERFERndMmierB® neum parietale der hinteren Rumpfwand gewinnt mehr und mehr an Ausdehnung; sie schreitet dabei von der Mittellinie des Kör- pers nach links und oben und nach links und unten vor (Fig. 10). In letzterer Hinsicht kommt es zur Vereinigung des grossen Netzes mit dem Mesocolon transversum und bei weiterem Vorschreiten des Verschmelzungsprozesses über die Flexura eoli sin. auf die linke Rumpfwand zur Bildung des Ligamentum pleuro-eolieum (103). Das Duodenal-Gekröse ist mit der hinteren Rumpfwand ver- löthet; ausgenommen hiervon ist zum grossen Theil das Ge- kröse der Pars horiz. sup. Dieser Abschnitt ist als vordere Lamelle. der Plica art. hepatica aus seiner früheren horizontalen Lage (vergl. den dreimonatl. Embryo mit den Figg. 7, 8,9) von der Art. hepatica nach unten und rechts auf das Gekröse der Pars descendens duodeni umge- schlagen oder vielmehr herabgeklappt; es verlöthet sich mit diesem und setzt sich, mit der hinteren Lamelle des grossen Netzes in einer Flucht gelegen, mit diesem auf das Mesocolon transversum fort und biegt dann, der vorderen Lamelle des Netzbeutels aequivalent, zur Pars horizont. sup. duod. zurück (siehe ausser Fig. 11 bis 14 auch 20a, b u. 21). So spielt dieser Mesenterial-Absehnitt, noch zum grossen Netz gehörig, eine vermittelnde Rolle zwischen Zwölffingerdarm- und Magen- Gekröse. | Damit ist im Wesentlichen auch der Schlüssel zum Ver- ständniss des Panereas-Verlaufes, der im nächsten Abschnitt eingehender besprochen werden wird, gegeben. Bezüglich der Entstehung einer dem Mesocolon descendens angehörigen Gekrösfalte, der „Plica duodeno-jejunalis“ lässt sich Toldt folgendermassen vernehmen: „Die Rechtswendung (aus der sagittalen Ebene in die frontale) bleibt nieht ohne Rück- wirkung auf das Mesocolon descendens, welches ja unmittelbar mit dem ersteren in Zusammenhang steht. Der obere Rand der gemeinschaftlichen Gekrösplatte, d.h. der Theil entlang der An- satzlinie des vorderen Diekdarmabschnittes wird in Folge der Dislocation des Blinddarmes nach rechts und unten nothwendig in einen grösseren Grad von Spannung versetzf, welche sich als Zugwirkung auf das freie Mesocolon descendens überträgt; in Folge dessen wird das letztere zum Theil über die Flex. duod.- jejunal. weggebogen und neben derselben zu einer vorspringenden Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 459 Falte erhoben.“ Diese Falte ist die sogenannte Plica duodeno- jejunalis. Für deren Entstehen dürfte aber ausser der von Toldt angeführten Thatsache auch noch folgende als wesentlich anzu- sehen sein. Da die Flex. duodeno-jejunalis genetisch nieht allein mit dem Mesocolon descendens, sondern an ihrem Scheitel auch mit dem knapp darüber horizontal verstreichenden Gekröse des Colon transversum verschmilzt, so ist leieht einzusehen, dass bei der sehon mehrfach erwähnten Verlagerung des Darmes auch an der Flex. duod.-jejunal. ein Zug ausgeübt wird, — ein Zug: vornehmlich nach rechts und unten, der bewirkt, dass deren Scheitel in demselben Sinne verzogen wird. Die Haftstelle der Flex. duod.-jejunal. am Mesocolon transversum, wie auch dessen Umgebung, bewegen sich nun passiv mit. Dadurch kommt es, dass als laterale Be- grenzung des vom Niveau des übrigen Mesocolon transv. abge- hobenen Gekrösbezirkes zwei Falten entstehen, von welchen, dem Zuge nach rechts und unten entsprechend, die linke bedeutend schärfer ausgeprägt ist (Fig. 11). Dieses Faltenpaar will ich als Plica duodeno-meso- eolieo dextra et sinistra bezeichnen. Die letztere ist iden- tisch mit der Plica duod.-jejunal. und gleichbedeutend mit der linken, oberen, wie auch seitlichen Umrandung des Recessus duod.-jejunalis. Die Pliea duod.-mesoeol. dextra findet sich der Pliea duod.- jejunal. s. Plica duod.-mesoeol. sin. meist so symmetrisch gegen- über, dass eine entwieklungsgeschichtliche Zusammengehörig- keit beider unverkennbar ist. Verlief in jenem Gekrösbezirk die Vena mesent. parva, SO wurde sie mit der oberen Umrandung des Recess. duod.-jejunal. ausgezogen; sie kann auf diese Weise das Aussehen der Plica duod.-jejunal., die Tiefe des ausgebildeten Recessus secundär modifieiren (vergl. Waldeyer 109). Wenn die Dislocation des Dünndarmes und des vorderen resp. oberen Diekdarmabschnittes, wie wir gesehen, selbst nicht angehöriges Gekröse beeinflusst, so ist mit Recht zu erwarten, dass sie für die Genese des eigenen Gekröses von noch grösserer Bedeutung ist. Und in der That bewegt sieh der nach rechts sehende Theil seiner um den Ursprung der Art. mesent. sup. eoncentrirten Wurzellinie (Fig. 12) durch flächenhaftes Verwachsen 460 ELSRmidirers: des bezüglichen Gekröses mit dem Duodenalgekröse dem Zuge fol- gend über die Pars horiz. inf. und den unteren Theil der Pars dese. duod. nach rechts und unten (Fig. 13). Es tritt das Gekröse, da es über und auf die Pars ascend. duod. zu liegen kommt, mit der Plica duod.-jejunal. resp. duod.-mesocol. sin. in innige Berührung: es ver- schmilzt mit demselben (Fig. 14). Es entsteht so eine mesente- rialeSubstanzbrückezwischen Mesenteriumjeju- nale und Mesocolon desecendens, die ich ihrer Ge- nese gemäss als Pliea meso-ecolico-jejunalis bezeichne (Fig.11); ihre obere Randfalte unterscheide ich als Pliea meso-colico-jejunalissuperior vonihrerun- teren, als der Pliea meso-eolico-jejunal. inferior. Erstere, die Plica meso-ecolico-jejunalis superior, rückt durch weiteres Verwachsen von Jejunal-Gekröse und Mesocol. dese. nach oben gegen den concaven Theil der Flex. duod.-jejunal. vor; sie stellt die untere Umrandung des Recessus duod.-jejunal. dar und wird von Toldt als Pliea duodeno-meso-colico vorgeführt. Anderseits zeigt uns die Plica meso-colico-jejunalis inferior den ersten Anfang der definitiven Dünndarm-Wurzellinie. Sie schreitet gegen die Fossa iliaca dextra nach rechts und ab- wärts vor. Zu dieser genetischen Erklärung der Plica meso-colieo- jejunalis führte mich unter anderem der Umstand, dass ich des öfteren zwischen der linken Seite der Pars ascend. duod. und der hinteren Rumpfwand eine dem Recessus morphologisch zu- gehörige Lücke fand, welche von der Plica meso-eol.-jejunal. mehr oder weniger vollkommen überdacht war. Es ist also das Vorhandensein der Plica duod.-jejunal. s. duod.-mesoeol. sin. das Primäre in Bezug auf das Zustandekommen des Recessus, eine zweite Bedingung ist dann eben die Ver- waehsung zwischen Plieca duodeno-jejunalis und dem Jejunal- Gekröse. Von dem über die Pars ascen. duod. nach links geschlage- nen Jejunal-Gekröse rührt eine Falte her, welehe nach links und oben eoncav auf dem Anfange der Flex. duod.-jejunal. gelegen ist und im Vereine mit der Plica meso-eol.-jejunal. den linken, oberen Beginn des Jejunalgekröses bezeichnet. Sie ist, wie ich glaube, am besten einfach als Pliea jejunalis zu benennen (Fig. 11). Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 461 Die soeben besprochenen, hauptsächlich an der rechten, hinteren Rumpfwand sich abspielenden Veränderungen gehören zeitlich in den IV. Monat des foetalen Lebens; andere Verände- rungen, auf die linke, hintere Rumpfwand sich beschränkend, beziehen sich auf das Gekröse des Colon descendens und des S-romanum und treten im Laufe des V. Embryonal-Monates auf. Dureh die Verschiebung des Colon descendens, parallel sich selbst d.h. ohne dass seine annähernd verticale Verlaufsrichtung Ein- busse erleidet, nach links wird das zugehörige Mesoeolon der linken, hinteren Rumpfwand genähert, um mit dem Peritoneum derselben Hälfte zu verschmelzen. Der Verschmelzungsprocess nimmt von dem nach links sehenden Theil des um den Ursprung der Art. mes. sup. eoncentrirten Gekrösabschnittes seinen Ausgang. Nach der Schnel- ligkeit, mit welcher er sich vollzieht, kann man der Einfachheit halber drei Richtungen unterscheiden (Fig. 12, 15, 14): 1. Horizontal nach links geht die Verlöthung gleichmässig und verhältnissmässig rasch vor sich; es wird auf diese Weise die definitive Haftlinie des Mesocolon transversum gebildet. 2. Nach links und unten nimmt die Verwachsung einen ungleichmässigen Verlauf: erst rasch wegen der an der hinteren Rumpfwand als Prominenz sich darbietenden Niere, dann aber verlangsamt; es führt dies zur vollständigen oder nur annähern- den Befestigung des Col. dese. an der hinteren Rumpfwand. 3. Nach abwärts gegen die Flex. sigmoidea an der zwischen Medianlinie uud Niere gelegenen Strecke, welche sich gegen die Umgebung als rinnenförmige Vertiefung zeigt. Erwägt man die mechanischen Momente, welche bei einer Verschmelzung des Mesocol. dese. mit dem die Rinne auskleiden- den Perit. parietale in Frage kommen können, so ist verständ- lich, dass hier der Prozess entweder sich äusserst langsam voll- zieht oder nur eingeleitet wird, ohne einen Abschluss zu finden. Es gibt das Ganze ein Bild der Anlage des Recessus intersig- moideus (Fig. 18). Bezüglich des Verlaufes der grossen Gefässe ist das ge- genseitige Verhalten von Art. mes. sup. und Vena mes. mag. hervorzuheben. Indem nämlich, wie schon erwähnt, in früh embryonaler Zeit die Vene an der linken und unteren Cir- cumferenz der Arterie verläuft, kommt sie später zuerst links von ihr, dann über ihr und schliesslich rechts von ihr zu liegen. 462 H. Endres: V. Definitives Verhalten. (Figuren:,16, 17,18, 1Ja—-g, 20a—b, 21.) Aus dem im IV. Abschnitte Dargelegten lässt sich ohne weitere Schwierigkeit das Typische im definitiven Verhalten der Gedärme, ihres Gekröses, der inneliegenden Bauchspeicheldrüse und Gefässe ableiten; d. h. die treibenden Kräfte, welche allen den Variationen, die sich noch innerhalb der Grenzen des Nor- malen bewegen, zu Grunde liegen. Die Curvatura major des Magens sieht nach unten, links und wenig vorne, die Curvatura minor nach oben, rechts und wenig hinten; daher kommt es, dass die vordere Fläche des Ma- gens zugleich etwas nach oben, seine hintere etwas nach unten ist. Es liegt die Cardia links, der Pylorus rechts gewendet von der Mittellinie, letzterer tiefer als erstere (Fig. 16). Die aus dem Pylorus hervorgehende Pars horiz. sup. duo- deni verläuft von vorne und links nach hinten und rechts. Die übrigen Duodenalschenkel: die Pars descend., horiz. inf. und Pars ascendens bieten in ihrer Lage nichts Bemerkenswerthes. Die der Flex. duod.-jejunal. sich hier ansetzende Dünndarmschlingen- masse ist nach wie vor in Anpassung ‘an Nachbarorgane von links oben nach rechts unten gelagert. Die Zunahme der Schlingen- masse hat den Blinddarm in die Fossa iliaca dextra, das Colon ascendens an die rechte — das Colon descendens an die linke Rumpfwand gedrängt. Die beiden letzteren verbindet das zwi- schen Flex. eoli sin. und Flex. ce. dextr. liegende Colon trans- versum. Die einzelnen Theile der Flexura sigmoidea berühren sieh; die Convexitäten des typischen S sind desshalb ziemlich scharf ausgeprägt (103). Betrachten wir nun im allgemeinen die definitiven Gekrös- verhältnisse in ihrer entwicklungsgeschichtlichen Herkunft. l. Dem Mesogastrium s. Mesenterium gastro- duodenale entstammt a) als axiale Zone: der mit der hinteren Rumpfwand verwachsene Abschnitt der hinteren Lamelle des grossen Netzes. Es enthält also dieser den proximalen Bezirk des Magen- und obersten Duodenalgekrösantheils. Ersterer haftet thatsächlich am Peritoneum parietale der linken hinteren Rumpfwand, letzterer / Anatomisch-entwieklungsgeschichtliche Studien etc. 463 hingegen auf dem mit der rechten, hinteren Rumpfwand verwach- senen mittleren und unteren Duodenalgekröse (Fig. 18). Der Duodenalantheil dieser axialen Zone lässt in der, früher als nach rechts und oben convex beschriebenen Gekrösfalte die Art. hepaticn aus der Coeliaca zum Duodenum gelangen (Plica art. hepat.). Er ist ferner vom Gewebe der Bauchspeicheldrüse, und zwar von dem am meisten nach rechts gelegenen Abschnitte des omentalen Pancreas ganz ausgefüllt. Aus dem übrigen Ge- kröse des Duodenum kommend, folgt die Drüsenmasse der schon öfter erwähnten Plica art. hepat. in ihrer Formation, hängt sich hierbei an der unteren Circumferenz- der Art. hepat. auf. . So kommt es, dass Pancreastheile, welche ursprünglich über einander in einer Ebene gelegen waren, durch Umklappen des Pancreas omentale nach abwärts auf die im Gekröse der Pars descend., der Pars horiz. inf., der Pars ascend. duod. suspendirten und an die rechtseitige hintere Rumpfwandhälfte gehefteten Drüsenabschnitte, voreinander gelagert werden (Fig. 20a, b, 21 u. 19a, b). — Es kann nun dieser vordere Lappen secundär mit dem hin- teren, d. i. dem im übrigen Duodenalgekröse befindlichen, in Ver- bindung treten und zwischen beiden sich ein direkter Ausfüh- rungsgang bilden. Es communieiren dann direkt der vordere omentale Theil des lienalen Pancreasganges und der aus der Zweitheilung der Anlage hervorgegangene, untere duodenale Aus- führungsweg (Fig. 19e, d). Die Grenzen der axialen Zone im definitiven Zustande sind folgende. Der linke Rand reicht vom Foramen oesophageum aus- gehend bis zur linken Rumpfwand, der untere ist mit der Haft- linie des Mesocolon transv. verschmolzen, — der rechte ist in seiner oberen Ausdehnung, d. h. vom Foram. oesophag. bis zum Ursprunge der Coeliaca mit der primären Wurzellinie und, da diese nun verwischt ist, mit der Körpermittellinie identisch, ver- läuft dann mit der Art. hepat. bis zu jener Stelle, wo sie an das - Duodenum herantritt, und zieht von hier aus auf der rechten hinteren Rumpfwandhälfte wieder zur Haftlinie des Mesocolon transversum, indem er sich dieser anschmiegt. Das axiale Gebiet enthält das Panereas, die Milz, die Art. und Ven. lienalis und die Art. und Ven. coronaria ventrieuli sinistra. b) Als periphere Zone: der durch enormes Flächen- 464 H. Endres: wachsthum entstandene, eigentliche Beutel des grossen Netzes. Seine hintere Lamelle geht vom unteren Rande der axialen Zone aus und ist mit dem Mesocolon und Colon transversum verwach- sen (103). Die vordere Lamelle setzt an der Curvatura major und theilweise auch an der Pars horiz. sup. duod. an. Der rechte, zwischen Coeliaca-Ursprung und der Haftlinie des Mesocol. transv. gelegene, nach rechts convexe Rand der axialen Zone giebt in seinem oberen, der Hepatica benachbarten Theil, der vorderen Lamelle, in seinem unteren, dem Mesoco- lon transversum genäherten, der hinteren Lamelle den Ursprung. Entlang der Insertion der vorderen Lamelle des Netzbeutels ver- laufen, von der Art. hepatica kommend, die Art. gastro-epiploiea dextra und die aus der Lienalis entspringende Art. gastro- epiploiea sinistra. Da nun erstere aus dem Ram. gastro-duode- nalis ihre Entstehung nimmt und dieser aus der Art. hepatica, so kann man füglich sagen: der zumeist nach rechts und oben gelegene Raum des Omentum majus entspreche der Ausbuchtung des von der Art. hepatica — dem Ram. gastro-duodenalis und der Art. gastro-epiploica dextra emgeschlossenen Gekröswinkels. Die der Hepatica benachbarte Strecke hat als axial, die andere als peripher zu gelten (Fig. 16, 17, 18 u. 20b). Die vordere und hintere Lamelle des grossen Netzes kommen theilweise oder, wie dies bei älteren Individuen zu sein pflegt, in ihrer ganzen Ausdehnung unter einander zur Verwachsung. Jedoch nieht nur dadurch, sondern in noch viel höherem Grade durch Fetteinlagerung in die Membrana mesenterii propria, wird am Netze des Erwachsenen ein entwieklungsgeschichtlicher Ein- blick erschwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht. ec) Das mitlere und untere Duodenal-Gekröse: Von den bezüglichen Darmschenkeln und der Art. hepat. um- rahmt, gewährt dasselbe den ihrem Ursprung naheliegenden Pan- creastheilen Suspension: Pars pancreatica duodenalis (im weiteren Sinne); es besteht diese also aus dem Panereas inferior s. duo-: denalis (sens. striet.) und dem Anfangsstück des Pancreas supe- rior 8. lienalis. Der aus der Zweitheilung der sprossenden Drü- senanlage hervorgehende, obere oder lienale Ausführgang, Duet. lieno-panereaticus, begibt sich nach oben zur unteren Circum- ferenz der Art. hepat. In der Pliea art. hepat. verlaufend, er- fährt er ihrer Convexität gemäss eine nach unten offene Kniekung Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien etc. 465 und gelangt so aus der Pars pancreatica duodenalis in die Pars paner. omentalis (Fig. 19a, b und 20b). Soweit das primäre Verhalten der Pancreas-Ausführgänge. Der omen- tale Theil des Ducetus lieno-pancreaticus kann sich aber, wie bereits oben bemerkt, mit dem hinter und unter ihm gelegenen Duetus duodeno-panereaticus direkt in Verbindung setzen ; die Gänge bilden dann eine Configuration, welche in der Litteratur als die normale beschrieben wird. Dieses Verhalten möchte ich als das seeundäre bezeichnen (Fig. 19e, d). Da in der Litte- ratur ohne Rücksicht auf Provenienz derjenige Pancreasgang als Duetus pancreaticus s. Wirsungianus bezeichnet wird, welcher bei der Untersuchung als der stärkere imponirt, und der schwä- chere immer als Duetus pancreaticus accessorius s. Santorini figu- rirt, so ist verständlich, warum im ersten Falle einerseits -Ductus Wirsungianus und Duetus lieno-paner., anderseits Duetus Santo- rini und Ductus duodeno-paner. identisch sind. Im zweiten Falle aber zeigt sich der Ductus Wirsungianus genetisch aus drei Com- ponenten zusammengesetzt: 1) aus dem grösseren Theil der omen- talen Strecke des Ductus lieno-paner., 2) aus dem seceundär ent- standenen Communicationsweg zwischen ersterem und dem Duc- tus duod.-paner., 3) aus dem intestinalen Abschnitt des letz- teren; der Duetus duod.-paner. erscheint so als Anhängsel des Ducetus Wirsungianus. — Es begreift dann der Duetus paner. access. s. Santorini den ganzen, in den beiden Lamellen der Pliea art. hepat. bogenförmig verlaufenden noch übrigen Theil des Duc- tus lieno-paner. bis zu seiner Ausmündung in sich (vergleiche hierüber in der „Anatomie des Menschen von Gegenbaur“ die Abbildung von der Bauchspeicheldrüse). Ein tertiärer Zustand kann sich aus dem secundären Verhalten der Pancreasgänge dadurch herausbilden, dass der vorhin als Duetus paner. access. s. Santorini bezeichnete Absehnitt des Ductus lieno-panereatieus an jener Stelle, wo er die Conca- vität der Plica art. hep. passirt, aus physiologischen und mecha- nischen Ursachen eine Unterbrechung erfährt, so dass sich dem Beschauer Duetus Wirsungianus und Santorini als gesonderte Ge- bilde darbieten (Fig. 19e, f). Diese drei Grundtypen verschiedenen Ver- haltens der Bauehspeicheldrüsengänge können weiterhin noeh modifieirt werden durch die faculta- 466 H.Endres: tiv verschiedenen Beziehungen a) der beiden Pancreasausführ- gänge untereinander, d. h. ob beide gemeinsam in den Darm münden oder getrennt; genetisch muss dies zurückgeführt werden entweder auf eine paarige oder unpaarige Aussprossung der ein- heitlicehen Panereasanlage, oder auf die Möglichkeit, dass ein selbst unpaarer Ausführgang secundär in das Darmlumen mit einbezogen werden kann. b) Der beiden Pancreasausführgänge zum Duetus choledochus. Wenn Gegenbaur in seiner „Anatomie des Menschen“ schreibt: „Ein aus dem oberen Lappeneomplexe des Kopfes ent- stehender Ausführgang verbindet sich mit dem Hauptgange oder er besitzt ausser der Verbindung noch eine selbstständige Mün- dung ins Duodenum‘“, so charakterisirt er einmal das tertiäre Verhalten der Pancereasgänge, in zweiter Linie gibt er uns aber auch ein Bild ihres seeundären Verhaltens. In Stoss „Untersuchungen über die Entwicklung der Ver- dauungsorgane, vorgenommen an Schafsembryonen“ lesen wir auf Seite. 21: „Ueber die Identität. des Ausführungs- ganges des ventralen Pancreas mit dem Ductus Wirsungianus und jener des dorsalen Pancreas mit dem Duetus Santorini besteht wohl kein Zwei- fel.“ Auf Seite 26: „Beim Menschen und unseren Haussäuge- thieren finden sich in der definitiven Anordnung der Ausführgänge des Panereas alle a priori denkbaren Combinationen, nämlich: 1. Erhaltenbleiben der getrennten Ausmündungen beider Drüsenanlagen, was als ein Stehenbleiben auf einer früheren Ent- wieklungsstufe zu erachten ist (Pferd und Hund). 2. Rückbildung des Ausführganges der dor- salen Panereasanlage (also nur Ductus Wirsun- gianus vorhanden — Mensch), Schaf und Ziege). 3. Rückbildung des Ausführganges der dorsalen Pancreas- anlage (also nur Ductus Santorini vorhanden — Schwein und Rind). Obigen Citaten setze ich ein anderes aus Hyrtl’s „Lehr- buch der Anatomie des Menschen“ 19. Aufl. 1887 entgegen. Auf Seite 729 dieses Lehrbuches heisst es: „Im Kopf des Panereas zweigt sich vom Ductus pancreatieus nieht selten ein starker Seitenast ab, weleher die Ausführgänge der grösseren Mehrzahl 1) 2. Von mir unterstrichen. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien etc. 467 der Acini des Panereaskopfes aufnimmt und eine besondere Einmündung in denZwölffingerdarm besitzt!) und zwar einen bis anderthalb Zoll über der Mündung des Duetus choledochus. Er heisst Duetus Santorini“?. Hält man die soeben wörtlich wiedergegebenen Stellen genannter Autoren einander gegenüber, so muss man annehmen, Stoss habe sich geirrt. Was im übrigen letzteren berechtigt, dem Menschen ein ventrales Pancreas zuzuschreiben, ergibt sich aus seinen Untersu- chungen nicht). Ausser dem Pancreas finden wir im Duodenalgekröse ferner die Vena portarum, einen Theil der Vena lienalis und der Vena mes. parva und magna. Letztere liegt der Art. mes. sup. linker- seits hart an. Die aus der Art. hepat. kommende Art. pancreatico-duode- nalis superior und die aus der Art. mes. sup. stammende Art pancer. duod. inferior folgen in ihrem Verlauf den mittleren und unteren Duodenalschenkeln. II. Das Gekröse der primitivenDarmschlinge und Darmendstrecke ist das des Dünn- und Dickdarmes. Es schreitet das dem Colon asc. entsprechende Gekröse, nachdem seine Haftlnie durch die Bewegung des bezüglichen Darmstückes über den Ursprung der Art. mes. sup. aus der lin- ken Körperhälfte in die rechte herüber gezogen war, durch flä- chenhaftes Verwachsen mit dem Periton. parietale der hinteren Rumpfwand nach rechts und der Verlagerung des Blinddarmes folgend auch nach unten vor — und zwar so weit, dass schliess- lich auch der Blinddarm und der aufsteigende Dickdarmschenkel in die Verwachsung einbezogen werden (Fig. 16 u. 18). Die definitive Dünndarmwurzellinie nimmt, wie wir oben sahen, von einer Verlöthung der Anfangsstrecke des Jejunalge- kröses und der Plica duodeno-jejunal. ihren Anfang (Fig. 11 Plica meso-colico-jejunalis). Sie bewegt sich nun in gleicher Weise wie das Mesocoecum der Lagerung des Darmes gemäss nach rechts und unten (Fig. 13, 14, 18). 1) Von mir unterstrichen. 2) Hyrtl schildert hiermit jenes Verhalten der Pancreas-Ausführ- gänge, welches ich oben als das secundäre gekennzeichnet habe. 3) Nur das — caudal vom Portalvenen-Stamm entspringende — Pancreas inferior könnte man allenfalls mit einem ventralen Pancreas in Beziehung bringen. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. 40 31 j 468 H. Endres: Durch diese Vorgänge gewinnt auch die Haftlinie des Me- socolon transversum an Ausdehnuug; wie wir wissen ist diese mit dem Ursprunge der hinteren Lamelle des grossen Netzes wie auch mit Scheitel der Flex. duod.-jej. verlöthet. Die Verschiebung des Colon dese. (parallel sich selbst) bis an die linke Rumpfwand bewirkt, dass die Haftlinie seines Ge- kröses ebenfalls durch flächenhaftes Verwachsen mit der hinteren Rumpfwand in dem gleichen Sinne verzogen wird (vergl. hier- über den vorhergehenden Abschnitt). Es pflegt wie beim Col. asc., so auch beim Col. dese. zur Anheftung an die hintere Rumpf- wand zu kommen (Fig. 18). Zwischen dem Gekröse der Flex. sigmoidea und der hin- teren Rumpfwand bleibt der Recessus intersigmoideus in grösserem oder geringerem Umfange erhalten oder er verschwindet ganz. Zusammenfassung. A. Darm. I. Die Verlagerungen, welche der Darm entwicklungsge- schichtlich erfährt, sind im wesentlichen das Produkt folgender Faktoren: 1. seines Eigenwachsthums; 2. des Waechsthums benachbarter, consistenterer Organe, woraus sich für den Darm räumliche Einschränkung, wie auch Ver- schiebungen ergeben können; 3. der Beschaffenheit des mesenterialen Haftapparates und im speciellen der Bewegungsfähigkeit, welche er dem Darme gewährt; die Bewegungsfähigkeit wird unter anderem durch die Gekrösgefässe modificirt. II. Die phylogenetische Zunahme der relativen Darmlänge wirkt, da sie eine Complication des Gekrösverlaufes und -Ur- sprunges im Gefolge hat, auf die Zahl der selbständig entspringen- den Gekrösgefässe im Sinne der Reduktion und Concentration. III. Die Art und Weise der Drehung, welche die pri- mitive. Darmscehlinge genetisch erleidet, ist hinsichtlich ihrer Riehtung durch’ die Thatsache einer nach rechts stehenden Nabelblase und einer nach links gelegenen Kloake zu erklären. Die umgekehrten Verhältnisse führen zu einem Situs inversus der von der primitiven Darmschlinge sich ableitenden Darmtheile. IV. Die Duodenalschlinge ist auf frühembryonaler Stufe in ihrem Verlauf das negative Bild » Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 469 a) erst der dorsalwärts convergirenden His’schen Dottervenen ringe und b) späterhin das des sich spiralig um sie herumschlingenden unpaaren Dottervenenstammes. B. Gekröse. I. Für die Verlagerung der Wurzellinie des dorsalen Darmgekröses bewähren sich die Ursprünge der aus der Aorta kommenden Gekrösgefässe als fixe Punkte, um welche die Wur- zellinie gewissermassen Wirbelbewegungen ausführt: dies gilt vom Ursprung d. Art. eoeliaca und im besonderen von dem der Art. mes. sup. II. Der am meisten nach rechts und oben gelegene, dem Pylorus ventrieuli benachbarte Raum des grossen Netzes ist gegen das Foramen Winslovii zu von der Pars horiz. sup. duod. und der Art. hepat. umrandet und von dem zwischen ihnen ausgespannten Gekröse umschlossen. II. Die Pliea arteriae hepaticae verdankt ihre Entstehung dem Umstande, dass genetisch das Magengekröse aus der Sagittalebene nach Iinks, das Duodenalgekröse nach rechts verlagert wird. Diese beiden Faktoren bedeuten für das Mesen- terium gastro-duodenale eine strickartige Abdrehung am eranialen und eaudalen Ende jeweils um 90° nach entgegengesetzter Rich- tung. Das Gleiche gilt natürlich auch für das dem Mes. gastr. duod. eingelagerte Pancreas. IV. Die Plica vaso-enterica, Gekrösfalte zwischen der Wurzel der Art. mes. sup. und der Kuppe de* Flexura duod.- jejunal., kommt dadurch zu Stande, dass letztere um den Ur- sprung der Art. mes. sup. herum eine dreiviertel Drehung im umgekehrten Sinne des Zeigers einer Uhr ausführt, sich dabei unter der genannten Arterie durehschiebt und das ihr zugehörige Gekröse mitzieht. V. Die Pliea duodeno-meso-colica dextra et si- nistra resultirt aus einer Verschmelzung der Spitze der Flex. duod. jejunal. mit der unteren Fläche des Mesocolon transversum. Die Pliea duod.-meso-eol. sinistra ist identisch mit der bislang Plica duod. jejunal genannten oberen Umrandung des Recessus duod. jejunal. VI. Die Pliea meso-eolieo-jejunalis superior 470 H. Endres: et inferior bedeutet auf einer gewissen Entwieklungsstufe eine Substanzbrücke zwischen Mesent. jejunale und Mesocol. descendens. Die Plica m.-e.-]. sup. rückt nach oben vor und bildet die untere Umrandung des Recessus duod.-jejunal; die Plica m.-e.-j. inf. hin- gegen nach unten gegen die rechte Darmbeingrube und führt zur Bildung der definitiven Wurzellinie des Dünndarmes. VII. Die Plica jejunalis auf der Pars ascendens duodeni gelegen, bezeichnet die Um- und Ueberschlagsstelle des Jejunal- gekröses auf letztere. Q. . Panereas. I. Inder Entwicklungsgeschichte des Pancreas spielt (ähnlich, wie es sich auch in der Genese aller übrigen Darmderivate verhält) vorzugsweise der Blutgefässapparat die Rolle des for- mativen Principes; es geschieht dies in zweifacher Hin- sicht: einerseits mechanisch hemmend und spaltend nament- lich in Bezug auf die erste Aussprossung der Drüse, anderseits physiologisch leitend in Betreff der Richtung des weiteren Wachsthumsverlaufes der einzelnen Sprossgebilde. II. Die Pancreasanlage ist einheitlich (sie kann zur besseren Verdeutlichung flächenhaft gedacht werden); jede Modi- fication ihrer Aussprossung aber ist, allgemein ausgedrückt, auf Gefässverhältnisse zurückzuführen. III. Für die Art der Aussprossung des Pancreas ist an- scheinend immer der dorsalwärts abgeknickte His’sche Doppel- ring der Venae omphalo-mesentericae massgebend; durch diesen können Pancreastheile, obgleich einer einheitlichen dorsalen Anlage zugehörig, ventralwärts abgesprengt werden und späterhin als Drüsen isolirt ebensoviele gesonderte Anlagen ein und derselben Drüsen vortäuschen. IV. Die Thatsache der constanten Formver- hältnisse des Pancreas bei Individuen derselben Gattung ist in der Anlage der Blutbahnen begründet, so dass vor allem das Zustandekommen der für die Gattung specifischen Formation der Gefässverhältnisse die speeifische Pancreasgestaltung garantirt. V. Die Ursache, warum das Pancreas, wie auch die Leber bei der Wahl ihrer Wachsthumsrichtung gerade die Venen bevor- zugen, ist darin gelegen, dass 1. die foetalen Dotter- und Nabelvenen arterielles Blut führen, Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 471 2. arterielles Blut aber in bedeutend höherem Grade auf das Wachsthum eines Zelleomplexes anregend einzuwirken im Stande ist, als venöses. VI. Eine vergleichende Untersuchung über das Pan- ereas bei Individuen verschiedener Arten hat die Anlage des Gefäss- speciell des Venensystems zur Riehtsechnur zu nehmen. VI. Das menschliche Pancreas, in das dorsale Darm- gekröse wuchernd, zeigt den innigsten Anschluss: 1. einerseits an die Lienalgefässe: Pancreas superius s. lienale mit dem Duetus lieno-panereaticus (D. Wirsungianus); 2. anderseits an die Vena mes. mag. und die Art. mes. sup.: Pancreas inferius s. duodenale (sens. striet.) mit dem Duec- tus duodeno-pancreatieus. VIII. Das Panereas erfährt genetisch eine striekartige Abdrehung an seinen beiden Enden nach entgegengesetzter Richtung jeweils um 90°; es rührt dies daher, dass sein duodenaler Theil mit dem Duodenalgekröse aus der Sagittalebene nach rechts, sein omentaler Abschnitt mit dem Magengekröse aus der Sagittal- ebene nach links jeweils in die Frontalebene verlagert wird. — Diese Torsion kommt an jenem Pancreasgebiete zur Geltung, welches in der Plica art. hep. gelegen die untere Circumferenz der bezüglichen Arterie berührt. IX. Im Bezirke der Plica art. hepat. wird das im Oment. majus verlaufende Pancreas lienale s. sup. den im duodenalen Gekröse befindlichen Pancreasabschnitten — durch Herabklappen des ersteren auf die letzteren —- theilweise vorgelagert; die Drüsensubstanz beider: also des Paner. anterius, welches ven- tral von der Ven. mes. mag. vorüberzieht und des Paner. po- sterius, welches im allgemeinen dorsal von der Ven. mes. mag. verläuft, verschmilzt in der Regel; dies zur Erklärung der in der Litteratur sich findenden Notiz: der Panereaskopf sei nach hinten umgekrümmt und umfasse hakenförmig die Vena portae und mes. mag. X. In dem Verhalten der Bauchspeicheldrüsengänge können im wesentlichen drei Grundtypen festgehalten werden: 1. Primäres Verhalten: der Ductus lieno-pancreaticus gelangt, indem er die Art. hepatica an ihrer unteren Cireumferenz tangirt, in einem nach unten offenen, der Plica art. hepat. ent- sprechenden Bogen aus dem duodenalen Abschnitt des lienalen 472 HL Run dirse's? Pancreas in dessen omentalen. Der Duetus duodeno-pancreatieus zeigt nichts Besonderes. 2. Secundäres Verhalten: der omentale Theil des Duct. lieno-paner. hat sich, nach der Verschmelzung des Pancreas ant. und post. mit dem hinter und unter ihm gelegenen Duet. duod. paner. direkt in Verbindung gesetzt. Die Gänge bilden so eine Configuration, welche in der Litteratur als die normale beschrie- ben ist. — Als „Duetus panereatieus s. Wirsungianus‘ wird eine Strecke der Ausführgänge bezeichnet, welche sich in der That embryogenetisch aus drei Componenten zusammensetzt: a) aus dem grösseren Theil der omentalen Strecke des Duct. lieno-paner., b) aus dem seceundär neugebildeten Communieationsweg zwischen ersterem und dem Duet. duod. paner., ce) aus dem intestinalen Abschnitt des letzteren. Während der Duct. duod. paner. als An- hängsel des Duct. Wirsungianus erscheint, figurirt der in den beiden Lamellen der Plica art. -hepat. bogenförmig verlaufende, noch übrige Theil des Duct. lieno-paner. bis zu seiner Ausmün-- dung in den Darm als: „Ductus pancreaticus accessorius 8. San- torini.“ 3. Tertiäres Verhalten: der Duct. paner. s. Santorini hat an ‚jener Stelle, wo er die Concavität der Plica art. hepat. passirt, aus physiologischen und mechanischen Ursachen eine Un- terbrechung erfahren, so dass Duct. Santorini und Wirsungianus auch genetisch von einander unabhängige. Gebilde vortäuschen. Durch die einer grossen Variationsbreite unterliegenden Be- ziehungen der Pancreas-Ausführgänge bei ihrer Ausmündung unter sich und zum Duet. eholedochus können obgenannte drei Grund- typen noch weiterhin modifieirt werden. D. Nebenpancreas. Entgegen der Lehre Zenker’s vom Nebenpancreas, die sich auf die Anhahme einer multiloeulären Anlage des Pancreas stützt, halte ich ein Nebenpancreas für einen vom Hauptstamm erst secundär abgeschnürtenPanecreasdrüsen-Par- tikel. Es handelt sich hiebei im ersten Anfange um Pan- creassprossen, welche durch anormal starke Ausbildung, sei es der Art. gastro-epiploica dextra, sei es der Art. pancreatico-duo- denalis inferior, entweder an die grosse Curvatur des Magens, oder in das Jejunalgekröse hingeleitet werden; es erfolgt in Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 475 zweiter Linie dann eine Abschnürung; im ersten Fall durch die Pliea art. hepat., im zweiten durch die Pliea vaso-enterica. Drittens werden die abgeschnürten Drüsenpartikel einer Darm- wandung (entweder der Curvatura major ventriculi oder dem Dünndarme) anlagernd, in dieselbe mit einbezogen und bahnen sich dann einen selbstständigen Ausführungsgang in das benach- barte Darmlumen. Leider war die Correktur des Textes bereits abgeschlossen, als ich von den Ergebnissen Kupffer’s über die Entwicklung des Stör-Panereas Kunde erhielt: aus dem gleichen Grunde konnte ich auch die Abhandlung von H. Klaatsch: „Zur Morphologie der Mesenterialbildungen ete. II. Theil. Säugethiere“ nicht mehr verwerthen. Erklärung der Figuren und abgekürzten Bezeichnungen auf Tafel XXIV, XXV und XXVI In beifolgenden Darstellungen war ich bemüht, aus der Ent- . wicklungsgeschichte des Darmes, seines dorsalen Gekröses und der in diesen gelegenen Bauchspeicheldrüse einzelne charakteristische Momente zu fixiren und in einfacher, möglichst verständlicher und deshalb di- dactisch brauchbarer Weise wiederzugeben. Ich glaubte dabei alle entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen, welche einen klaren Einblick beeinträchtigt haben würden, weglassen oder wenigstens reduciren, andere hingegen, welche normaler Weise durch ursächlichen Zusammenhang das definitive Verhalten herbei- führen, hervorheben zu müssen. Zum Beispiel würde eine naturgetreue Darstellung der ganzen Dünndarmschlingen-Masse und der richtigen, der betreffenden Ent- wicklungsstufe entsprechenden diametralen Verhältnisse der einzelnen Darm- und Gefäss-Abschnitte eine rasche Orientirung nur erschweren und die Einfachheit der Schemata in Frage stellen. Aus dem gleichen Grunde liess ich die embryonale Form des Magens, das Ligam. gastro- panereaticum, die Ansatzlinie des Omentum minus u.®. w. unberück- sichtigt. Andere etwaige Abänderungen, soweit sie sich mit den em- bryonalen Thatsachen nicht vollkommen decken, werde ich bei Be- sprechung der einzelnen Figuren namhaft machen. Besondere Sorgfalt legte ich auf die Durcharbeitung der Duo- denal-Gegend, der Entwicklungsgeschichte des Pancreas und dessen Beziehungen zu den benachbarten grossen Gefässen. Die Figuren 1, 4, 7, 10, 16 gewähren dem Beschauer Einsicht in die Bauchhöhle von rechts, vorne und wenig oben. Ihre Aufgabe ist 474 H. Endres: die Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Darmes und seines Gekröses in toto. Der behufs rascherer Orientirung mit eingezeichnete Rumpf istim Verhältniss zu den Eingeweiden zu gross dargestellt. Es geschah dies, um einen umfassenden Einblick in die Lage des Gedärmes möglich zu machen. Das Gedärme selbst ist, soweit es sich nicht mit der hinteren Rumpf- wand verlöthet, von derselben abgezogen dargestellt, damit der flächen- hafte Verlauf der Gekröse mehr verdeutlicht werde. Von der Rumpf- wand ist die hintere, sowie die der linken Seite erhalten. Nach oben ist das Ganze durch eine Schnittfläche begrenzt, deren Höhe in der Ebene der letzten Brustwirbel gelegen ist. Bei den Figuren 3, 6, 9, 12, 13, 14, 18 handelt es sich um die Darstellung der Haftlinie des Gekröses zu einer bestimmten Zeit der Entwicklung. Das Gekröse ist hart an seinem Ursprunge abgetrennt; man sieht also nur mehr den seitlichen Epithelbelag in den parallel ver- laufenden schwarzen Linien und zwischen ihnen mit Farben getönt die Membrana mesenterii propria. Die durch flächenhaftes Verwachsen der hinteren Lamelle des grossen Netzes mit dem dahinter liegenden Peritoneum IN (es ist dies einerseits das Peritoneum parietale der hinteren Rumpfwand, anderseits ein Theil des Duodenal-Gekröses) entstandene Haftfläche des grossen Netzes. Die durch flächenhaftes Verwachsen des Dünn- und Dick- darmgekröses mit dem die hintere Rumpfwand bedeckenden Peritoneum entstehenden Haftflächen dieser Gekrösabschnitte. Haftfläche des Duodenalgekröses an der hinteren Rumpf- wand. Die Figuren 2, 5, 8, 7, 11 illustriren in genauer Weise die Ent- wicklungsgeschichte des Duodenum, seines dorsalen Gekröses, der demselben eingelagerten Gebilde und deren Beziehung zu nahegelege- nen Darmtheilen. Fig. 1. Die Biegungen der Duodenal-Anlage sind der Klarheit halber markirter gehalten, als es der Wirklichkeit entspricht; das gleiche gilt von der primitiven Darmschleife. Fig. 2. Blick von links auf den Magen, die Duodenal-Anlage, die Anfangsstrecke des Dünndarmes und auf die Flex. coli sin. s. lien.: auf das bezügliche dorsale Gekröse und die in dem- selben suspendirte Bauchspeicheldrüse. Von den Gefässen sind die namhaftesten in ihrer muth- masslichen Lage wiedergegeben; nicht berücksichtigt wurden dabei die obliterirenden Theile der Gefässringe, desgleichen auch die Art. omphalo-mesenterica. Fig. 3. Der Ursprung des Gekröses fällt mit der Körper-Mittellinie zusammen. Fig. 4 Durch einen Fensterschnitt ist das dem unteren und mittleren Duodenal-Schenkel entsprechende Gekröse, wie auch ein Theil Anatomisch-entwieklungsgeschichtliche Studien ete. 475 der proximalen Strecke der supraarteriellen Gekrösplättchen- Hälfte entfernt. Magen und Pars horiz. sup. duod. sind am Uebergang von letzterem zur Pars. desc. duod. abgeschnitten und vom zuge- hörigen Gekröse losgetrennt. Das Gekröse der Pars pylorica und theilweise auch der Pars horiz. sup. duodeni ist bis zur Wurzellinie herausgenommen. Am sichtbaren Theil des Magengekröses finden wir, pro- ximal beginnend, folgende untereinander parallel verlaufende Gebilde: d. Art. coronaria ventriculi sinistra, d. Art. lienalis, d. Vena lienalis und das Pancreas. Die gleichen Gebilde kehren auf dem nach links, oben und vorne sehenden Schnitt des Gekröses des Pars horiz. sup. duod. wieder und lassen sich im übrigen Duodenal-Gekröse bis zu ihrer Entstehung verfolgen. Die Art. hepatica, — wie die Coronaria ventriculi sinistra und die Lienalis aus der Coeliaca entstehend, — begiebt sich rechts und wenig rückwärts von der Vena lienalis und dem Pancreas gegen das Ende der Pars horiz. sup. duod., — da jedoch dieses abgetrennt ist, so erscheint sie auf der Schnitt- fläche der betreffenden Gekrösstelle. Der Fensterschnitt in der infraarteriellen Gekrösplättehen- Hälfte dient dem besseren Verständniss der ersten Veränderung der primären Gekröswurzellinie und deren Ursachen. (vergl. d. Text.) Die Haftlinie der infraarteriellen Gekrösplättchen-Hälfte und des der Flex. coli lien. nahegelegenen Gekröses ist nach links und oben verzogen. Aus der Continuität des Gekröses ist das des Duodenum und der oberste, am meisten proximale Theil der supraarteriellen Gekrösplättchen-Hälfte herausgenommen. An der axialen Zone der hinteren Lamelle des grossen Netzes ist dessen Verwachsung mit dem Periton. pariet. der linken hinteren Rumpfwand dar- gestellt (mesent. Verlöthung). Das distale und periphere Ge- biet des Oment. maj. sieht in der Gegend der Curvatura ma). des Magens hinter diesem vor (Oment. ma).). Vom Darme sind erhalten: ein Theil der Pars horiz. sup. duod. mittlerer und unterer Duodenal-Schenkel, Flex. duod. jejunal., die Anfangsstrecke des Jejunum, ein Stück der Flex. coli sin. s. lienalis und der primitiven Darmendstrecke. — Aus dem grossen Netze ist eine, dem Pylorus nahegelegene Strecke, fast bis zu ihrer secundären Haftlinie an der hinteren Rumpf- wand herausgenommen. Von dem zurückbleibenden, periphe- ren Theil ist der dem Magen-Gekröse angehörige um ein be- trächtliches Stück parallel der grossen Curvatur verkürzt, in- dess der andere an der Pars horiz. sup. duod. ansetzt. Die Art. mes. sup. und die Vena mes. parva sind in ihrem Verlaufe auf eine kurze Strecke hin unterbrochen, — und 476 Eig. Fig. Fig. 1, 11. 12, 16, H. Endres: zwar im Anschluss an einen vierseitigen Fensterschnitt in der supraarteriellen Gekrösplättchen-Hälfte. Es ist damit das Innere einer (im Texte näher beschriebenen) Gekrösfalte, der Plica vaso-enterica eröffnet. Die infraarterielle Gekrösplätt- chenhälfte wurde jeweils dicht am (secundären) Ursprung und Ansatz abgetrennt. Die Arteria hepatica liegt in der Convexität einer vom Duodenal-Gekröse gebildeten, mit ihrer Kante nach rechts und oben schauenden Falte, der Plica art. hepaticae. Fixation der Flex. duod. jejunal. und die ersten Anfänge der Duodenal-Gekrös-Verwachsung. Durch Herausnahme eines Stückes der Pars horiz. sup. duod. ist die Continuität des Darmes unterbrochen. Man sieht von der Mittellinie aus eine Falte, die Plica art. hepat., zu der zwischen oberem und mittlerem Duodenal-Schenkel befind- lichen Knickung verlaufen. Sie repräsentirt jene Stelle, an welcher Netz- und Duodenalgekröse in entwicklungsgeschicht- lichem Zusammenhange stehen. Der Fensterschnitt im Gekröse des vorderen resp. oberen Diekdarmabschnittes entspricht dem definitiven rechtsseitigen Mesocolon transversum. Die stärker angedeutete Linie, welche die Pars horiz. sup. duod. kreuzt, zeigt den Verlauf der Art. mes. sup. an. Das Duodenum, abgesehen von einem kleinen Theile der Pars horiz. sup. — ausserdem noch die Flex. duod. — jeju- nalis. Vom Pancreas ist die der Art. hepatica in der linken Ausbuchtung des grossen Netzes gelegene Strecke herausge- schnitten. — Die eine, an der unteren Circumferenz der He- patica befindliche Schnittfläche gehört dem im eigentlichen Duodenalgekröse suspendirten Pancreas-Kopf an, die andere dem in der hinteren Lamelle des grossen Netzes ruhenden Körper der Drüse. Auf beiden ist jeweils der Ausführgang sichtbar. 13, 14 illustriren das Auseinandertreten der um den Ursprung der Art. mes sup. concentrirten Gekrös-Haftlinien und die Gestaltung der Gekrös-Haftflächen, sowie deren Beziehungen zu anderen Gekrösabschnitten; die Anheftung der hinteren Lamelle des grossen Netzes mit dem dahinter gelegenen Ge- kröse. — Sie zeigen, wie bei der Aussackung des Netzbeutels der Coeliaca-Ursprung und weiterhin auch die Art. hepat. selbst für dessen rechte Grenze die Pars fixa abgiebt 17, 18. Auf letzterer Figur ist das Mesocolon transversum um ein beträchtliches zu lang. Im übrigen genügt zum Verständ- niss dieser Bilder die Lectüre des fünften Abschnittes dieser Arbeit vollständig. Die Fensterschnitte begreifen den rechts von der Mittel- . Fig. 19. Fig. 20, Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 477 linie befindlichen Gekrösabschnitt des Mesocolon transversum und des Omentum majus in sich. a—b primäres, e—d secundäres, e—f tertiäres Verhalten der Pancreas-Ausführgänge. &: Illustration eines von Luschka beschriebenen Falles. a u. b veranschaulichen in Querschnitten durch das Duodenum und sein Gekröse die Art und Weise, wie der von Art. hepat. und Pars horiz. sup. duod. eingeschlossene Winkel des pri- mitiven Mesenterium gastro-duodenale sich an der Bildung des Omentum majus betheiligt und wie durch das Zustande- kommen einer Plica art. hepat. die endgültigen Pancreas-Ver- hältnisse herbeigeführt werden. Fig. 20b kann als Schnitt durch Fig. 21 angesehen werden. Fig. 21 stellt das Pancreas in toto von vorne gesehen dar. Die einge- Fig. 22. setzten Bezeichnungen bieten, wie ich glaube, genügend Er- läuterung. a. Blick auf die dorsale Cireumferenz des durch die Pancreas- Anlage charakterisirten Duodenal-Stückes beim Menschen. Die dorsale Verbindungsstrecke der Venae omph.-mesent. b. Dieselben Verhältnisse beim Amphibien-Duodenum. Derscolgdextr, 2.0. 20200... — Arteria colica dextra- colsmedı Di Zu..c.. Arteria, eolica media, Art. coron. ventr. sin. . . . . = Arteriacoronaria ventrieulisinistra. Arh hepab, 0 = 4 anna, Arteria.hepäfica. Art. gastr.-epipl.. . . -. ». . „= Arteria gastro-epiploica. Art. pancer.-duod. sup. - - . . = Arteria pancreatico-duodenalis su- perior. Art. paner.-duod. inf... . . . „= Arteria pancreatico-duodenalis in- ferior. Art. u. Ven. lienal. . . . . ..= Arteria et vena lienalis. BUrS.0Ment. 2a jessunale; 5 =: Bürsar omentalis. Bnlstransy a u 02. 0, = Colantransversum: Bolgdesed a ei. 2 =, Colonsdeseendens: Kolgased rl. 27% =. Golemzasceendens. Barde vente een... = \Cardia venftrienli. prim. Darmschf. . . . . . .= primitive Darmschleife. Biel chol 0 00 22320020... =: Dületusteholedochus. Duct. duod.-paner.. . . . . „= Ductus duodeno-pancreatieus. Duct. lieno-pancreat. . . . . . = Ductus lieno-pancreaticus. Doetspaner a 2 2. Wa .....= Duetwus panereatieus: Duct. paner. access. . . . . . = Ducetus pancreaticus accessorius S. Santorini. Bremse... „= Duetus Wirsungianüg. Duod. — Duodenum. Endd. — Enddarm, 478 Flex. col. dextr. . Flex. col. sin. . Flex. duod. jejunal. Flex. sigm. Mesent. Mes. jejunale. Mesent. Verlöthge. Mesocol. asc. Mesoecol. descd. Mesocol. transv. . Nblst. . ÖOment. maj. Oment. min. N DES TER Pancr. duod (sens. striet.) s. inf. Paner. duod. s. post. \ Paner. oment. s. ant. \ Pancr. oment. j Paner. sup. Pars horiz. sup. duod. Pars horiz. inf. duod. Plie. duod.-meso-col. Plie. duod. meso-col. dextr. u. ai -Plie. art. hepat. \ Plie. meso-col. jejunal. sup. Plie. vaso-enter. EURE Plie. meso-colico-jejunal.sup. u.inf. Perit. pariet. Process. vermif. . Pyl. ventr. Rumpfwd. Radix. omenti ma]. Radi ‚fart. coeliae. > art. mes. sup. Rec. duod.-jejunal. Ven. mes.-magn. Ven. mes.-parv. Ven. omph.-mes. Ven. port. Ventr. H. Endres: Flexura coli dextra. Flexura coli sinistra. Flexura duodeno-jejunalis. Flexura sigmoidea. Mesenterium. Mesenterium jejunale. mesenteriale Verlöthung. Mesocolon ascendens. Mesocolon descendens. Mesocolon transversum. Nabelstiel. Omentum majus. ÖOmentum minus. Oesophagus. Pancreas duodenale (sensu stric- tiori) s. inferius. Panereas duodenale s. posterius. Pancreas omentale s. anterius. Pancreas superius. Pars horizontalis superior duodeni. Pars horizontalis inferior duodeni. Plica duodeno-meso-colica dextra et sinistra. Plica arteriae hepaticae. Plica meso-colico-jejunalis superior. Plieca vaso-enterica. Plica meso-colico-jejunalis superior et inferior. Peritoneum parietale. Processus vermiformis. Pylorus ventrieul. Rumpfwand. Radix omenti majoris. arteriae coeliac. \arteriae mesent. superioris. Recessus duodeno-jejunalis. Vena mesent. magna. Vena mesent. parva. Vena omphalo-mesenterica. Vena portarum. Ventrieulus. Radix je =] 10. a: 23. 24. Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Studien ete. 479 Litteratur. Albers, Atlas der pathologischen Anatomie. Mit Erläuterungen. IV. Abth. Fr. Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen, Bd. II, Abth. I. Freiburg i. B. 1847. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Jena 1881. Bardeleben, Ueber die Lage des Blinddarms beim Menschen. Virchow’s Archiv 1849. Bd. I. Cl. Bernard, Memoires sur le pancreas, 1856. Bochdalck jun., Ueber den Peritonealüberzug der Milz und des Ligamentum pleuro-colieum. Du Bois-Reichert’s Archiv 1867. S. 565. Bonnet Robert, Grundriss der Entwicklungsgeschichte der Haus- säugethiere, Berlin 1891. W. Braune, Notiz über die Ringform des Duodenum. Archiv f£. Anat. u. Physiol. 1877, Anat. Abth. S. 468. Wilhelm Braune Dr., Topographisch-Anatomischer Atlas. Leip- zig. 1875. Dr. G. 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Während sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Forscher eingehend mit der Aufdeckung des feineren Baues der sekundären Abschnitte der Drüsen der höheren Wirbelthiere beschäftigt haben, wurde im Allgemeinen der Zusammensetzung der grösseren Aus- führungsgänge weniger Aufmerksamkeit geschenkt. So vererbte sich z. B. von Buch zu Buch die „allgemeine Annahme“ von der Einschichtigkeit der Epithelien der Speicheldrüsengänge, mit nur einer einzigen Ausnahme. So herrschen ferner über die Epithel- bekleidung des Vas deferens die verschiedensten Ansichten. Es ist daher wohl von einigem Interesse, einmal die ver- schiedenartigen Meinungen zusammenzustellen, und durch eime erneute Untersuchung, die gemeinsam an den Ausführungsgängen aller grösseren Drüsen des Menschen vorgenommen wurde, dar- zulegen, in wie weit sich die früheren Ansichten den Thatsachen gegenüber verhalten, ob und inwiefern sie modifieirt oder als un- richtig anerkannt werden müssen. Das Material vorliegender Untersuchung, die unter der gütigen Leitung des Herrm Prof. Philipp Stöhr im Laboratorium des anatomischen Institutes in Zürich ausgeführt wurde, stammt lediglich vom Menschen. Die meisten Untersuchungsobjekte wur- den mir von Herrn Dr. Hanau in St. Gallen zugestellt, dem ich hier für seine Freundlichkeit und die mir hierdurch erwiesene ‚ Unterstützung meinen besten Dank ausspreche. Weiteres Material verdanke ich dem pathologischen Institut in Zürich. Endlich’ brachte es ein glücklicher Zufall mit sich, dass der am 18. III. 92 in Luzern hingerichtete Mörder Gatti zum Theil dem anatomischen Institut in Zürich zu wissenschaftlichen Zwecken überlassen wurde, Ueber das Epithel der Ausführungsgänge etc. 485 und so unter der Fülle unmittelbar post mortem conservirten Materials auch mir einige Objekte zu gute kamen, so die Gallen- blase, der Ductus choledochus und der Ductus Wirsungianus. Was die Technik anbetrifft, so wurden sämmtliche Ob- jekte in absolutem Alkohol fixirt, dann in 94 procentigen Alkohol gebracht, mit Boraxcarmin durchgefärbt und in salzsaurem TOpro- centigen Alkohol ausgewaschen; hierauf 4—8 Tage in 94pro- centigen, dann auf 1—2 Tage in absoluten Alkohol versetzt, zuletzt 24 Stunden in reines Chloroform, 24 Stunden in Chloro- formparaffin gebracht, und — in Paraffin gebettet — mit dem Mikrotom geschnitten und in Xyloleanadabalsam conservirt. Sämmtliche Zeichnungen wurden mit Abbe-Zeiss’schem Zeichenapparat, Kern für Kern, zu Papier gebracht; alle Figuren mit Seibert'schem Apochromat (mm) und Comp. Ocular Nr. 18 bei 540facher Vergrösserung. Diesen einleitenden Bemerkungen möge nun die Beschrei- bung der einzelnen Drüsengänge folgen. 1. Speicheldrüsen. Die meisten Autoren begnügen sich bei der Beschreibung des Epithels der grossen Ausführungsgänge der drei Speichel- drüsen mit Angaben, die für alle drei Drüsen gültig sein sollen. So Krause!), Heidenhain?), Toldt°), Pflüger*) und Stöhr), welche den grossen Ausführungsgängen ein einfaches Cylinder- epithel zuschreiben. Pflüger fügt noch hinzu „nach allgemeiner Annahme“ und sagt, dass die Cylinderzellen niedrig seien. Schenk €) spricht vorsichtiger Weise nur von Cylinderzellen, ohne auf die Frage „einfach oder geschichtet“ näher einzutreten. Nur Klein?) gibt an: „In den grössten Zweigen findet sich nach aussen zu von dieser Lage und innen von der Membrana propria eine Schicht von kleinen poly&drischen Zellen.“ a) Glandula sublingualis. Ueber das Epithel des Ductus Bartholini und der Duetus Rivini liegen gar keine speciellen Angaben vor. Det.rees. 193: 2) Bei Hermann |. ce. S. 27. 3) Kie/8: 475. AIRES: 27: 5)5lr el 8116040 See Se, DL 8527 486 Hermann Steiner: Nach meinen Untersuchungen ist der Ductus Bartholinianus (Fig. 1) ausgekleidet mit einem Cylinderepithel in doppelter Lage. Zunächst kommt eine oberflächliche Lage hoher Cylinderzellen mit grossen, längsovalen Kernen. Dann folgt eine zweite Schicht niedriger, mehr kubischer Zellen mit rundlichen Kernen. An vielen Stellen lässt sich deutlich verfolgen, wie die Zellen der zweiten Schicht sich zwischen die spitz nach unten zulaufenden oberen Cylinderzellen einschieben. Die Höhe des Gesammtepithels beträgt 0,04 mm, die Höhe der oberflächlichen Cylimderzellen ca. 0,03 mm, ihre Breite 0,008 mm. Dies doppelschichtige Cylinder- epithel findet sich aber nieht nur in den Hauptausführungsgängen der Sublingualis, es setzt sich auch in kleinere Gänge fort. So ist das Epithel noch durchweg zweischiehtig in Gängen von 0,25 mm Durchmesser des Lumens. Die Epithelhöhe beträgt hier 0,025 mm. Uebergänge von mehrschichtigem Epithel in ein- schiehtiges fimdet man in Gängen von 0,05 mm Durchmesser. Ein Stück eines solchen Ganges der Glandula sublingualis stellt Fig. 2 dar, wo man bei a noch deutlich zwei Lagen des Epithels unterscheiden kann, während bei b letzteres nur mehr einschich- tig ist. Wie ebenfalls aus Fig. 2 zu ersehen, behält das Epithel in diesen Gängen mit den Uebergangsformen von mehr- zum einsehiehtigen Cylinderepithel eine gleichmässige Höhe, so dass also die oberflächlichen Cylinderzellen da, wo zwei Lagen vor- handen, erheblich kürzer sind, als die einschichtigen Zellen. Wenigstens spitzen sich jene nach unten zu, um zwischen den Seiten der tieferen Zellen ihr Ende zu erreichen, während diese — von gleichmässiger Breite — scharf gegen das Bindegewebe sich abgrenzen. Durchweg einschichtiges Epithel haben Gänge von 0,035 mm Durchmesser, wobei die Höhe der Cylinderzellen ca. 0,01 mm beträgt. Wie aus dem eben Gesagten hervorgeht, findet also kein plötzlicher, sondern ein allmählicher Uebergang von dem mehr- in das einschiehtige Cylinderepithel statt. Die Cylinder- zellen nehmen in den verschiedenen Gängen an Höhe successive ab. Während die oberflächlichen Zellen in den Hauptausführungs- sängen eine Höhe von mindestens 0,03 mm besitzen, sind die Zellen der einschichtigen Gänge nur mehr 0,01 mm hoch. Nach aussen vom Epithel folgt eine zellenreiche Bindegewebs- lage mit elastischen Fasern, aber ohne eigentliche Basalmembran. Ueber das Epithel der Ausführungsgänge etc. 487 b) Glandula submaxillaris. Der Ausführungsgang der Unterkieferdrüse ist nach Remy!) mit eylindrischen Zellen ausgekleidet, die — im Gegensatz zur Angabe Pflüger’s — grösser als jene der intralobulären Gänge sein sollen. Henle?) bildet in Fig. 96 ein zweischichtiges Epi- thel ab, ohne dessen im Texte Erwähnung zu thun; er sagt nur, dass ein Cylinderepithel von 0,03 mm Höhe sich daselbst finde. Frey?) spricht von einer einfachen Lage eylindrischer Zellen, deren Körper unterhalb des Kernes deutliche und sehr resistente Längsstreifung erkennen lasse. Es ist klar, dass hier eine Ver- wechslung mit dem von Pflüger beschriebenen Epithel der feineren Ausführungsgänge, der Speichelröhren, vorliegt. Nach meinen Untersuchungen setzt sich das Epithel des Ductus Whartonianus (Fig. 5) aus zwei Lagen von Zellen zu- sammen. Nach innen, dem Lumen des Ganges zugekehrt, liegt eine Schicht 0,02—0,03 mm hoher Cylinderzellen. Zwischen die zugespitzten Enden dieser schieben sich die niedrigen, mehr kubischen Zellen der zweiten Schicht ein (vgl. Fig. 3 bei a). Die Kerne der inneren Lage sind längsoval, die der äusseren mehr rundlich. Die Höhe des Gesammtepithels beträgt 0,05—0,04 mm, welche Höhe annähernd übereinstimmt mit der oben erwähnten Angabe Henle’s. In ganz analoger Weise wie bei den Ausführungsgängen der Glandula sublingualis setzt sich auch in der Submaxillaris das geschichtete Epithel in kleinere Gänge fort, um ganz all- mählich in Gängen von ca. 0,03 mm Durchmesser des Lumens in einfaches niedriges Cylinderepithel überzugehen. Beim Hauptausführungsgang kommt nach aussen vom Epi- thel eine zellenreiche Bindegewebslage mit elastischen Fasern, an welche sich, wie schon Kölliker hervorhebt, eine ganz dünne Lage glatter Längsmuskeln anschliesst. Eine deutliche Basal- membran fehlt hier wie beim Ductus Bartholinianus. Auch beim Duetus Whartonianus eines menschlichen Embryo konnte eine Auskleidung mit doppelschichtigem Cylinderepithel nachgewiesen werden. I) 1. e&'S. 237. 2) 1. ce. S. 144. SIND. 49T; 488 Hermann Steiner: ec) Glandula parotis. Specielle Angaben über die Auskleidung des Ductus Steno- nianus machen Frey!) und Henle?). Ersterer schreibt: „Ihre (der Parotis) Ausführungsgänge scheinen mit gewöhnlichem Cy- linderepithel bekleidet zu sein ohne fibrilläre Umwandlung der unteren Zellhälften.“ Natürlich muss hier die gleiche Verwechs- lung vorliegen, wie bei der Submaxillaris-Drüse, d. h. der Pflü- ger’schen Speichelröhren mit den grösseren Ausführungsgängen. Henle spricht von einem „Cylinderepithelium von 0,053—0,05 mm Höhe“ und einer „feinen Basalmembran“. Der von mir untersuchte Ductus Stenonianus (Fig. 4) ist mit einem Cylinderepithel in doppelter Lage ausgekleidet von annähernd gleicher Höhe wie dasjenige des Ductus Bartholinianus und des Duetus Whartonianus, d.h’ 0,04mm. Doch sind die Zellen beider Lagen bedeutend schmäler, nur etwa halb so breit wie die der beiden anderen Speichelgänge, ca. 0,004 mm. Ent- sprechend sind natürlich auch die Zellkerne schmäler; zudem sind sie etwas kürzer ?). Die innere Zelllage des Epithels setzt sich aus 0,3 mm hohen Cylinderzellen zusammen, die äussere Lage besteht aus mehr kubischen Elementen, die sich zwischen die inneren Zellen einschieben. Auch in der Parotis pflanzt sich das doppelschichtige Epi- thel in kleinere Gänge fort, auch hier ist der Uebergang in das einschicehtige Cylinderepithel ein allmählicher. Gänge von 0,17 mm Lumendurehmesser haben noch durchweg zweischichtiges Epithel, dagegen findet man in Gängen von 0,085mm Durchmesser neben dem doppelschichtigen Epithel bereits solches in einfacher Lage, und Gänge mit 0,04mm Durchmesser zeigen ein einfaches Oy- linderepithel von 0,01 mm Höhe. Aus den angegebenen Zahlen ersieht man leicht, dass die Cylinderzellen mit der Abnahme der Grösse der Gänge an Höhe abnehmen. Die dem Epithel sich anschliessende Bindegewebslage ver- hält sich etwas verschieden von der des Sublingualis- und Sub- 1) Laser. 497. 2yal. ©. 5. 140. 3) Vergl. Fig. 4 mit Fig. 1 und 3; die drei zu Grunde liegenden Präparate sind bei gleicher Vergrösserung gezeichnet und genau der gleichen Behandlung unterzogen worden. Ueber das Epithel der Ausführungsgänge etc. 489 maxillarisganges. Unmittelbar nach aussen vom Epithel liegt eine homogene, glänzende, zellenarme Membran, eine ansehnliche Basalmembran (vgl. Fig. 4) von ea. 0,015 mm Breite, die bei den anderen beiden Duetus nicht zu finden war. Dann kommt ein faseriges, zellenreicheres Bindegewebe, gegen welches sich die Basalmembran in glänzender wellenförmiger Linie ziemlich scharf abhebt. 2. Leber. a) Gallenblase. Einige Autoren begnügen sich damit, der Gallenblase kurz- weg ‘Cylinderepithel zuzuschreiben, ohne specielle Angabe über die Schichtung, über die Grösse und sonstige Beschaffenheit der Zellen zu machen, so Schenk!), Schäfer?), Remy°), Klein‘), Stöhr’). — Toldt®) schreibt den Gängen der Leber und der Gallenblase gemeinschaftlich „eine einschichtige Lage eylindri- scher Zellen“ zu, die einen Outieularsaum haben und zwischen denen zuweilen eingestreute Becherzellen sich finden sollen. He- ring?) und Kölliker®) geben zwar für die grösseren Ausfüh- rungsgänge der Leber ausdrücklich eine einfache Lage von Epi- thelzellen an, um dann aber bei der Gallenblase kurzweg von Cylinderepithel zu sprechen. Ersterer gibt an, dass es sich um „sehr hohe Cylinderzellen“ handle, letzterer fügt hinzu, dass „die einzelnen Zellen oft, wie die Häute der Blase überhaupt, von Galle tingirt sind und ihre Kerne nicht immer deutlich zeigen.“ Henle?°), der von einem „Cylinderepithel* spricht, be- hauptet, dass die Zellen des Gallenblasenepithels meist kernlos seien, welcher Angabe Leydig!®) sich anschliesst. Im Gegen- satz zu dieser Ansicht betont Virehow!!), dass die Kerne der eylindrischen Zellen sich in der grossen Mehrzahl der Fälle ganz vollständig erhalten, nachdem er schon in Band 1 seines Archivs !?) die Angabe gemacht, dass die Gallenblasenzellen Kerne haben. Dieser Streit zwischen Virchow und Henle erklärt sich wohl aus der Angabe Krause’s!?), dass beim Menschen die Fär- Deinem STlA0 32) Sa 2 N LCESMOESE AIRES SH Dale Ssuloree 6) S. 489. 7) Bei Stricker |. e. S. 444. SıhlerS. 230: 9) S. 2163,10) 1. €&,98556: IN) Band 31. ce. S. 236. 12), le essestHl. , 13) 1, @552 228. a 490 Hermann Steiner: bung der Kerne der Gallengänge nicht gelinge in Folge der Durch- tränkung mit Galle. Von einem gestreiften Cutieularsaum der Cylinderzellen sprechen ausser Toldt Hering, Henle, Krause. Virchow!) führt genauer aus, wie das Epithel der Gallenblase, das in seiner Structur überall dem Darmepithel gleiche, besonders schön beim Hunde zu übersehen sei. Hier finde sich am freien Ende der Zellen ein breiter, heller Saum mit radiärer Streifung, ganz ähn- lich dem zuerst von Kölliker (Würzb. Verh. VI. S. 253) vom Darm genauer geschilderten. Er führt weiter aus, dass die hohen regelmässig polygonalen, oft sechseckigen Cylinderzellen meist fettige Infiltration und zuweilen gleichzeitig mit dieser eine Infiltration von feinkörnigem oder feinkrystallinischem braunem oder braun- rothem Pigment zeigen, die er eher einem cadaverösen Nieder- schlage als einem Resorptionsvorgange zuzuschreiben geneigt ist. Das meiner Untersuchung zu Grunde liegende Präparat ent- stammt dem sofort nach der Hinrichtung seeirten Mörder Gatti, und sind wohl somit erhebliche postmortale Veränderungen an dem Epithel ganz auszuschliessen. Meine Untersuchung ergibt nun, dass die Gallenblase (Fig. 5) mit einem einschichtigen Epi- thel sehr hoher Zellen ausgekleidet ist. Die Höhe der eylindri- schen Zellen beträgt 0,05 mm, ihre Breite 0,008 mm. Auf dem Querschnitt zeigen diese Zellen eine ziemlich regelmässige sechs- eckige Gestalt, so dass ein Horizontalschnitt durch die Höhe einer Schleimhautfalte ein sehr zierliches bienenwabenartiges Aussehen darbietet. Die schön längsovalen Kerne liegen in den unteren Hälften der Zellen, so dass die oberen, nur protoplasmahaltigen Zellhälften eine ca. 0,025 mm breite, glänzende Zone darstellen. Der Inhalt der Zellen erscheint überall als ein gleichmässig feinkörniger und konnten weder Fetttröpfehen (was wohl der Alkoholbehandlung zuzuschreiben ist), noch irgend welches Pigment wahrgenommen werden. Auch fand ich keinen eigentlichen Cuti- eularsaum, höchstens erscheinen bei sehr starker Vergrösserung die dem Lumen zugekehrten freien Zellseiten leicht doppelt con- tourirt. Ueberall sind die Kerne deutlich sichtbar und konnten mit Boraxcarmin ebenso leicht gefärbt werden, wie die Kerne aller übrigen Epithelien. An vielen Stellen sieht man Leukocyten 1) Band 11, 1. ce. S. 574. u A Ueber das Epithel der Ausführungsgänge etc. 491 in Durehwanderung dureh das Epithel begriffen. An einzelnen Stellen findet man schmälere Zellen, deren Kerne etwas dunkler gefärbt erscheinen. In der Mucosa verlaufen zahlreiche Züge sich kreuzender glatter Muskelfasern, und namentlich ein eireulär verlaufender ‘Zug in der Tuniea propria, der bis nahe an das Epithel heran- tritt. b) Duetus eholedochus. Specielle Angaben über das Epithel des Duetus choledochus finden sich in der Litteratur keine. Die meisten Autoren sprechen im Allgemeinen vom Epithel der grösseren Gallengänge der Leber. Leydig‘), Henle?2), Frey°), Heidenhaind, Schenk), Krause®), Schäfer‘) und Klein®) sprechen kurzweg von Cylinderepithel; Frey fügt hinzu, dass die Zellen einen mit Porenkanälchen durchzogenen Saum haben, und Krause spricht von einem Zelldeekel mit Streifung. Nicht ist ein Zelldeckel beschrieben vonKölliker?), der aber mitHering!"), Toldt!!) und Stöhr!) darin übereinstimmt, dass er ausdrücklich ein einschichtiges Epithel der grossen Gallenausführungsgänge beschreibt. Remy!?) gibt eine Figur eines grösseren Gallen- ganges nach Cadiat wieder, wobei sich am Cylinderepithel eine helle, dem Lumen zugekehrte Zone findet mit mehreren Kernen oder Körnchen besetzt. Offenbar stellt die Zone keinen Basalsaum dar. Dass in der Wand kleine Drüsen sitzen, ist bei manchen Autoren erwähnt, doch herrscht über die Art dieser Gallengang- drüsen keine einheitliche Meinung. Frey, Krause, Toldt, Klein betonen, dass dies Schleimdrüsen seien, wogegen Henle angiebt: „den wirklichen Schleimdrüsen gleichen sie weder im Baue, noch in den Reactionen.“ Nach Kölliker und Hering finden sich in der Wand des Duetus choledochus nur vereinzelte glatte Muskelfasern, so spärlich, dass von einer Muskelhaut dieser Gänge auch nicht im Entferntesten die Rede sein könne. Stöhr spricht von in Nies sscbbroyize S. 216. 3)1 c. e 548. 4) Bei Her- namın Le se 2i2s nılee’s. MG 6) Mer 26 Di er sel2 Sr la >. 2Dar, „OElker S..280% TO)-L!e. = 444. 11) 1. e. S. 489. 12) Be S. 16%. 18) €&:S. 26% 492 Hermann Steiner: der Tunica propria longitudinal und quer verlaufenden glatten Muskelfasern. Henle gibt an, dass es ihm, ebensowenig wie Tobien und Eberth, geglückt sei, Muskelfasern in diesen Gängen zu finden. Nach meinen Untersuchungen enthält der Ductus chole- dochus ein einfaches niedriges Cylinderepithel von 0,024 mm Höhe, in dem sich, namentlich gegen das Ende hin, zahlreiche Becherzellen eingestreut finden. Auch hier liegen, ähnlieh wie bei der Gallenblase, die Kerne im unteren Theil der Zellen, so dass die kernfreien dem Ganglumen zugekehrten Zelltheile eine. homogene, glänzende Zone bilden. Einen eigentlichen Cutieular- saum konnte ich aber hier ebensowenig wie am Gallenblasen- epithel nachweisen. Die Mueosa enthält eine Menge kleiner Drüsen, die ihrer Struetur nach entschieden Schleimdrüsen sind. Die Tubuli der- selben zeigen ein bald kleineres, bald grösseres, stets deutliches Lumen. Die hellen Epithelzellen sind in verschiedenem Zustande der Füllung. Wenn sie stark mit Secret gefüllt sind, so liegen die sonst querovalen Kerne an die Wand gedrückt gegen die äussere Peripherie des Tubulus und haben eine schüsselförmige Gestalt, wie ein flaches Becherchen einer Eichel. Die Mueosa lässt sich deutlich in Tunica propria und Sub- mucosa trennen. In beiden finden sich Züge glatter Muskelfasern, die nach aussen von der Submuseosa meist ringförmig angeord- net sind, so dass man wohl von einer eirculär verlaufenden Mus- kularis sprechen darf. 3. Pankreas. Was zunächst die Litteratur über den Duetus Wirsungianus anbetrifft, so sprechen Krause!) und Henle?°) einfach von Cylinderzellen, die denselben auskleiden sollen; letzterer schreibt den Zellen eine Höhe von 0,012—0,018 mm zu. Kölliker?) gibt als Auskleidung des Ganges kleine cylindrische Zellen an. Dass das Epithel einschichtig sei, heben Heidenhaint), Toldt5), Remy‘), Stöhr?) hervor. Klein?) endlich schreibt: 1) 1.-:C.080229. SlFeNS.230.. 78) 1.6.48. 447. 4) Bei WERE mann .lie sales. 5): ieı8. 475... 6) 1. ec, S. 270. m) lea 3) 1,:C.,8 Ueber das Epithel der Ausführungsgänge ete. 493 „der intermediäre Gang des Pankreas verhält sich wie die Gänge bei den Speicheldrüsen*, wonach man eigentlich glauben sollte, es sei das Epithel ein geschichtetes. Was die Drüsen der Wand anbetrifft, so halten Henle, Frey, Toldt, Stöhr diese für Schleimdrüschen, Leydig!) ist geneigt, sie als kleine Panereas- portionen zu betrachten, und Kölliker schreibt ihnen ein mehr fettarmes Epithel zu. Der Duetus Wirsungianus zeigt nach meinen Unter- suchungen einen ganz ähnlichen Bau wie der Ductus choledochus. Auch er ist mit einem einfachen Cylinderepithel ausgekleidet, das jedoch zarter, niedriger ist. Die Höhe der Zellen überschreitet kaum 0,016 mm. DBecherzellen finden sich nur ganz vereinzelt. Eine Cutieula besitzen die Zellen nicht. Unmittelbar nach aussen vom Epithel folgt ein ziemlich straffes, zellenreiches Bindegewebe (Tunica propria), darauf eine mehr lockere Submucosa. Glatte Muskelfasern und zahlreiche Drüschen finden sich auch hier in die Mucosa eingestreut. Es sind dies kleine Schleimdrüsen von ganz ähnlichem Bau wie diejenigen des Duc- tus choledochus, mit oft wandständigen, schüsselförmigen Kernen. Dichtere meist ceirculär verlaufende Lagen glatter Muskulatur schliessen den Gang nach aussen ab, so dass man auch hier von einer Muskularis sprechen kann. Eine durch die Mündungsstelle des Gallen- und Pankreasganges ins Duodenum angelegte Serie von Schnitten ergibt, dass die beiden Gänge sich ca. 6 mm oberhalb der Mün- dung vereinigen. Das einfache Cylinderepithel des gemeinsamen Ausführungsganges erreicht eme Höhe von 0,03 mm. Die Zellen zeigen schöne längsovale Kerne und viele Becherzellen (vgl. Fig. 6). Der Gang hat also mehr den Charakter des Ductus choledochus angenommen. Sehr zahlreiche in der Mucosa liegende Schleimdrüschen finden sich bis zum Ende des Ganges. In der Mucosa verlaufen meist quere Züge glatter Muskelfasern, die nach der Peripherie zu etwas breiter werden und so die Mucosa mehr weniger nach aussen abschliessen. Je mehr der Gang seiner endlichen Mün- I). €,8,-8352, 494 Hermann Steiner: dung ins Duodenum nahe reicht, desto mehr weichen die einzel- nen Muskelbündel auseinander. Sie lösen sich gegen das Ende des Ganges allmählich in einzelne Muskelzüge auf und verlieren den Charakter einer einheitlichen Muskularis. 4, Was deferens. Ueber das Epithel des Vas deferens herrschen in der Litte- ratur sehr verschiedene Ansichten. Henle!) gibt als Ausklei- dung des Drüsenganges Cylinderzellen von 0,05 mm Höhe an, Krause?) ein Cylinderepithel mit radiär gestreiftem Deckel und fügt hinzu, dass im Anfangstheil — gegen die Epididymis hin — sich „Flimmerhaare und Ersatzzellen“ finden. Frey?) spricht einfach von „Cylinderzellen mit kleinen Ersatzzellen“, ohne genauer anzugeben, welchem Abschnitte des Vas deferens das Epithel entspreche. Schäfer®) und Stöhr?) sprechen von einem „nieht flimmernden Cylinderepithel“, Toldt‘®) von einem „zweischichtigen Cylinderepithel ohne Flimmerhaare*. Leydig’) und Kölliker?°) geben ein Pflasterepithel an, von dem letzterer noch hervorhebt, dass es einschiehtig sei. Remy°) endlich findet ein polyödrisches Epithel von 2 oder 3 Lagen. Am ein- gehendsten hat Klein!P) die Sache behandelt: Er schildert beim Erwachsenen im Anfangstheil (vom Hoden aus gerechnet) ein meist einschichtiges, flimmerndes Cylinderepithel, das selten gegen die Peripherie hin Ersatzzellen zeige. Im weiteren Ver- lauf sollen die Zellen ihre Flimmerhaare verlieren und an vielen Stellen einen gestreiften Basalsaum zeigen. Beim Kinde sollen im extraabdominalen Theil des Vas deferens auf eine innere Lage von Öylinderzellen 2—3 Lagen polyödrischer Zellen folgen, im intraabdominalen dagegen soll sich meist doppelschichtiges Cy- linderepithel mit Stäbchensaum finden. Meine Untersuchung ergibt, dass das Epithel des Samen- leiters in der That erhebliche Variationen zeigt. Das eine der untersuchten Objecte stammte von einem 20 jährigen Manne, direkt nach der Castration eine kurze Strecke entfernt von der tuberkulös erkrankten Epididymis abgeschnitten. Das Epithel 1r1..c. Bea, 2) 1e9.0265,, vS).c.D.oll. - Ace HT. 6. 8.200. 6 ERFBRBAT. 701. €.8.481. 8) Le, DS Au 9A. CS 289810) Beißsicihnit eier: C9S.035: Ueber das Epithel der Ausführungsgänge etc. 495 (Fig. 7) ist hier ein mehrschichtiges, aus 3— 4 Lagen zusammen- gesetztes Pflasterepithel von eigenthümlichem Charakter. Die oberste Schicht setzt sich aus nur wenig abgeplatteten eubischen Zellen zusammen mit relativ sehr grossen, ovalen Kernen, die meist ein deutliches Kernkörperchen zeigen. Auf diese Schicht folgen 2—3 Lagen polyädrischer Pflasterzellen mit zum Theil ähnlichen Kernen wie die der ersten Lage, zum Theil mehr runden kleineren, die kein deutliches Kernkörperchen haben und sich mit Boraxcarmin intensiver färben. Die Höhe des Epithels der stark gebuchteten Schleimhaut beträgt 0,04 mm, die Länge der grossen ovalen Kerne 0,01 mm. Die Schleimhaut ist deutlich in eine sehr zellenreiche Tunica propria und in eine Submucosa zu trennen. In letzterer ver- laufen ziemlich zahlreiche Bündel einer inneren Längsmuskulatur. Das zweite Präparat stammt von einer 2'/, Stunden post mortem secirten Leiche. Hier ist das Vas deferens ausgekleidet von einem zweischichtigen Cylinderepithel, das im Anfangstheil des Ganges Flimmerhaare trägt. Die Höhe des Epithels beträgt ohne die Flimmerhaare 0,02 mm, die Härchen haben eine Länge von 0,008 mm. Auf die Cilien tragenden Cylinderzellen folgt eine Lage kleiner kubischer Zellen mit rundlichen Kernen (Fig. 8). Dem. Epithel zunächst liegt die aus querverlaufenden Binde- gewebszügen bestehende Tunica propria, dann folgt die lockere Submucosa mit Längsbündeln glatter Muskelfasern. Zusammenfassung. Um kurz das Gefundene zusammenzufassen, ergibt sich: 1) Die grossen Ausführungsgänge der Speicheldrüsen (Sub- lingualis, Submaxillaris, Parotis) haben sämmtlich ein zweischich- tiges Cylinderepithel mit einer inneren Lage hoher Cylinderzellen und einer äusseren Lage niedriger Zellen, die sich zwischen die spitz nach unten zulaufenden oberen Zellen einschieben. Dieses geschichtete Cylinderepithel setzt sich auch in kleinere Gänge fort und es findet ein allmählicher Uebergang in einschichtiges Cylinderepithel Statt, mit dem die kleinsten Gänge, von ca. 0,03mm Lumendurchmesser an, durchweg ausgekleidet sind. Mit der Grösse der Gänge nehmen die Epithelzellen suecessive an Höhe ab. 496 Hermann Steiner: Der Ductus Stenonianus besitzt eine ansehnliche Basalmem- bran, in der Wand des Duetus Whartonianus verlaufen Längs- züge glatter Muskelfasern. 2) Die grossen Ausführungsgänge des Pankreas und der Leber sind mit einem einschichtigen Cylinderepithel ausgekleidet. Dieses erreicht seine grösste Höhe, bis 0,05 mm, in der Gallen- blase, ist am niedrigsten im Pankreasgang und zeichnet sich im Ducetus choledochus durch eine Menge eingestreuter Becherzellen aus. In den genannten Epithelien sind die Zellkerne überall deutlich vorhanden und legen in der unteren Zellhälfte, so dass die freie, dem Lumen zugekehrte Hälfte eine homogene Zone darstellt. Ein eigentlicher Cutieularsaum konnte nicht nachge- wiesen werden. — Nicht nur in der Gallenblase, sondern auch im Duetus choledochus und Duetus Wirsungianus finden sich in der Mueosa Züge glatter Muskelfasern, die meist eirculär ver- laufen, die Mucosa mehr weniger nach aussen abschliessen und im gemeinsamen Ausführungsgang der Leber und des Pancreas, bei der Einmündung ins Duodenum trichterförmig in einzelne Muskelzüge sich auflösen. Die zahlreichen Drüschen, die sich in der Wand sowohl des Ductus choledochus als des Ductus Wir- sungianus finden, zeigen den Typus der Schleimdrüsen. 3) Die Epithelbekleidung des Vas deferens des erwachsenen Menschen ist Variationen unterworfen. Bald findet sich ein doppel- schiehtiges Cylinderepithel, das gegen die Epididymis zu Flimmer- haare trägt, bald ein mehrschichtiges Pflasterepithel, das in seiner Struetur dem sogen. Uebergangsepithel der Blase und des Ureters am nächsten kommt. Zum Schlusse spreche ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Ph. Stöhr, für die freundliche Anregung, die er mir zu der vorliegenden Arbeit gab, und für die unermüdliche Anleitung und Unterstützung, die er mir während des ganzen Verlaufs der- selben zukommen liess, meinen herzlichsten Dank aus. Ueber das Epithel der Ausführungsgänge ete. 497 Zusammenstellnng der Litteratur. Virchow: Archiv für patholog. Anatomie u. Physiologie und für klinische Medicin, Bd. 1, 3 u. 11, 1857. Leydig: Lehrbuch der Histologie. 1857. Kölliker: Mikroskopische Anatomie Bd. 2, 1867. Strieker: Handbuch der Lehre von den Geweben, Bd. 1, 1871. Henle: Eingeweidelehre, 1871. Frey: Handbuch d. Histologie u. Histochemie d. Menschen, 5. Aufl., 1876. Hermann: Handbuch der Physiologie, Bd. 5, 1880. Schenk: Grundriss der normalen Histologie des Menschen, 1885. Krause: Allgemeine u. mikroskopische Anatomie, 3. Aufl., 1886. Toldt: Lehrbuch der Gewebelehre, 3. Aufl., 1888. Schäfer: Histologie für Studirende, nach der 2. engl. Aufl. übersetzt von W. Krause, 1889. : Remy: Manuel des travaux pratiques d’Histologie, 1889. Klein: Grundzüge der Histologie, 1890. Stöhr: Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Anatomie des Menschen, 4. Aufl., 1891. 498 v. Linstow: Ueber Mermis nigrescens Dwuj. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XXVIII und XXIX. Die Larve von Mermis nigrescens hat v. Siebold!) vor längeren Jahren in verschiedenen Orthopteren gefunden, in Steno- bothrus melanopterus Borck (Gomphocereus morio), Stenobothrus (Gomphoeereus) biguttatus Charp, Stenobothrus (Gomphocereus) parapleurus Burm., Stenobothrus pratorum Fieb. (Gomphocereus parallelus), Oedipoda stridula Lin., Loeusta viridissima Lin., Deetieus verrueivorus Lin., Dujardin giebt als Fundort ein Criquet an und v. Siebold bezeichnet als solche ferner Porthesia chry- sorrhoea und Arectia caja, von Beneden aber Melolontha vul- garis. In seinen frühesten Veröffentlichungen führte v. Siebold?) ausserdem eine grosse Zahl von Orthopteren an, in denen er Helminthen gefunden hatte; es ist aber nicht zu ersehen, ob er Gordius oder Mermis meint und von letzterer Gattung, welche Art; später berichtet er?), in Stenobothrus pratorum Fieb., bigut- tatus Charp. und parapleurus Burm. Mermis-Larven mit einfach abgerundeter, zum Theil aber mit dünner, abgesetzter Schwanz- spitze gefunden zu haben, womit er den charakteristischen Unter- schied zwischen der Larve von Mermis nigrescens und Mermis albicans kennzeichnet. Die Larve von Mermis nigrescens findet sich in Menge in den Orthopteren, welche die Wiesen an der Leine in der Nähe von Göttingen bevölkern, und zwar um so häufiger, je näher der Stadt man sie sucht; die Orthopteren, welche man auf hoch ge- legenen Feldern fängt, enthalten Keine. Ich fand an folgenden Tagen die angegebene Anzahl von Exemplaren: 1) Stettiner entomolog. Zeitung XI, 1850, S.331—336; XIX, 1858, Ss. 328—329. 2) Ibid. IV, 1843, S. 82—83. 3) Ibid. IX, 1848, S. 297—238. Ueber Mermis nigrescens Duj. 499 am 20./VII. in 6 Exempl. von Stenobothrus pratorum Fieb. 4 1 ME u ‚006 h „ Deetieus brevipennis Charp. „» 37 a) Y „ $Stenobothrus pratorum Fieb. 5 2 SMILE. 1,5112 „ „ $tenobothrus pratorum Fieb. 1 en en LO Eee: % „ Deetieus brevipennis Charp. 0 2 n 0 16 „ Stenobothrus pratorum Fieb. 3 BO. VE; >12 R „ Stenobothrus variabilis Fieb. 0 AB U 3 ARE, r „ _tenobothrus variabilis Fieb. © „ Y | 7 „ $Stenobothrus pratorum Fieb. 1 29: [VII 52 r „ Stenobothrus pratorum Fieb. 0 „ A Hi & „ $Steteophyma grossum Lin. 0 TR, 54 „ $Stenobothrus pratorum Fieb. 1 TR. ix: 32 h ‚„„ $Ntenobothrus pratorum Fieb 5. Auch in der hiesigen Sammlung des zoologischen Instituts, die Herr Geh.-Rath Professor Ehlers mir gütigst zu untersuchen gestattete, befindet sich ein Glas, bezeichnet „Göttingen 1867*°, das 5 Larven von Mermis nigrescens enthält. Die Farbe ist ausnahmslos rein weiss. Die Grösse schwankt zwischen 54 und 332 mm; die Breite nimmt nach dem Kopfende hin erheblich, nach dem Schwanzende hin weniger ab, wie aus folgenden Maassangaben hervorgeht. ” Länge Breite am Koptfende, in der Mitte, am Schwanzende. D4 0,123 0,211 0,185 mm 70 0,141 0,158 0,158 „, 83 0,176 0,343 0,255 „ 110 0,176 0,317 0,229 930 0,220 0,475 0,422 „ Das Kopfende erscheint in zweierlei Form; die Jüngeren Thiere zeigen noch den embryonalen Bohrstachel (Fig. la, br), die älteren dagegen die Kopfbildung ohne denselben mit Papillen wie er bei der Beschreibung des Kopfes der Geschlechtstorm ge- schildert wird (Fig. le); der Bohrstachel ist 0,036 mm lang. Der Uebergang von einer Bildung zur anderen wird durch Häutungen vermittelt, welche noch in den Orthopteren durchge- macht werden; bei der ersten bleibt der Bohrstachel noch er- halten (Fig. 1b); hier zeigt sowohl die abzustreifende wie die bleibende Haut bereits die 6 Papillen, welche im Kreise das Kopfende umgeben und der Bohrstachel misst hier 0,062 mm; die neue Haut bildet sich zwischen der alten und der Muskulatur. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 33 500 v. Linstow: Am Scheitelende stehen dieht gedrängt einzellige Drüsen (Fig. ld, hd). Das Schwanzende ist stumpf abgerundet und hat nicht, wie bei den anderen Mermis-Larven, einen in der Form an das Horn der Sphingiden-Raupen erinnernden gekrümmten Anhang, wie es auch die Larven der im Wasser lebenden Meımis crassa zeigen. Die Hautschieht ist bei der ersten Larvenform mit Bohr- stachel sehr zart, homogen und dünn; sie misst nur 0,0039 mm im Querschnitt (Fig. la), bei der zweiten ohne denselben ist sie erheblieh dieker; man unterscheidet eine dieke innere und eine dünne äussere Lage (Fig. lc) und beide zusammen haben eine Breite von 0,016 mm. 0,396 mm vom Kopfende bemerkt man bei dem sich häutenden Exenplar ein 0,055 mm langes Gehirn (Fig. 1d, 8). In der Mittelaxe am Scheitelende findet man die Mund- öffnung bald mit, bald ohne Bohrzahn, und hier beginnt ein Oesophagusrohr, das eng aber diekwandig ist. Beim Studium des Oesophagus giebt die Schnittmethode nur unvollkommene Resultate; ich schnitt von einem lebenden Wurm das vordere Viertel ab, fixirte das äusserste Kopfende und drückte von hier nach dem Sehnittende hin mit einer Präparirnadel aussen auf die Haut, wodurch Oesophagus, Längswülste, Muskulatur und Fettkörper hervorgepresst werden, und nun lässt ersterer sich leicht isoliren. Der Oesophagus, wenn man das Organ so nennen darf, nimmt etwa !/, der ganzen Leibeslänge ein; die Breite beträgt vorn, 0,32—0,35 mm; etwa in der Mitte des Verlaufs zweigt sich ein blindsackartiger Theil ab (Fig. 2a), der 0,88 lang ist, und bald nachher verdünnt das Organ sich plötzlich bis auf eine Breite von 0,077—0,132 mm. Der ganze Oesophagus ist drüsiger Natur, Muskeln fehlen völlig; die Seiten werden gebildet von länglichrunden Schläuchen von 0,052—0,078 mm Durchmesser, der mittlere Strang aber enthält das Chitinrohr; ersterer zeigt in Absätzen von etwa 1 mm spindelförmige Verdickungen (Fig. 2a), die meistens 0,352 mm lang und 0,077 mm breit sind; vorn und hinten findet man in ihnen Drüsenmassen und zwischen ihnen einen Körper, in welehen das Chitinrohr sich mit rundlieher Mün- dung öffnet (Fig 2b, 6). Die weit schmalere hintere Hälfte des Oesophagus, in welche hinein das Chitinrohr sich fortsetzt, ent- hält eirunde Kerne (Fig. 2a), und am äussersten Ende, das einen Ueber Mermis nigreseens Du). 501 fadenförmigen Anhang trägt, endigt das Chitinrohr geschlossen (Fig. 2c). In einen Darm führt das Organ nicht. Es ist klar, dass dasselbe ein Analogon aber kein Homologon des Oesophagus der Nematoden ist, denn es funetionirt offenbar als Oesophagus und gleichzeitig als Darm. An der Innenseite der Haut erheben sich 6 Längswülste in der Rücken-, der Bauch- und den Submedianlinien, die ich als Dorsal- (d), Ventral- (v), Dorsolateral-. (dl) und Ventrolateral- wülste (vl) bezeichnen möchte und wie sie ähnlich bei Mermis erassa !) vorkommen. Am stärksten entwickelt sind die dorsola- teralen (Fig. Da, 3), demnächst der breiteste ‚ist der ventrale, die übrigen sind viel schmaler; in den Dorsolateralwülsten er- kennt man drei, in den übrigen zwei Reihen grosser Zellen mit sich lebhaft färbenden, granulirten Kernen. In der Gegend des Oesophagus beträgt die Breite für die dorsolateralen Wülste 0,098, für den ventralen 0,088, für den dorsalen 0,022 und für die ventrolateralen 0,018 mm (Fig.3). Am Schwanzende schwellen alle sechs Wülste mächtig an und 0,09 mm von demselben be- rühren sie sich, so dass alle Muskeln zwischen ihnen verschwun- den sind (Fig. 6). Uebrigens wird der Raum an der Innenseite der Haut von sechs Muskelfeldern eingenommen, deren Grenzen die sechs Längs- wülste bilden (Fig. 5a, m; Fig.3, b, s, r); am Kopfende (Fig. 4) sind sie mächtig entwickelt, werden aber weiter nach hinten (Fig.5a) erheblich dünner ; hier wird der innere Theil der Dorso- lateralwülste an den. beiden Rändern durch dazwischenge- schobene Muskulatur von der Haut getrennt (Fig. 5a). Man muss demnach zwei Rücken-, zwei Seiten- und zwei Bauehfelder der Muskulatur unterscheiden, welche in der Oesophagusgegend 0,195, 0,123 und 0,099 mm breit sind (Fig. 3, r, s, b), weiter nach hinten aber (Fig. 5a) annähernd gleich breit werden. An der. Innen- seite vom Bauch- und vom Rückenwulst verläuft je ein Nerv (Fig. 4, 5a, 6,3 bn, rn); der Bauchnerv versorgt die Bauch- und Seitenfelder, der Rückennery die Rückenfelder der Muskeln (Fig. 5). Der ganze Leibesraum wird durch einen Fettkörper (Fig. 4 bis 6, f) ausgefüllt, der dureh quere Scheidewände in Abständen 1) v. Linstow, dieses Archiv Bd. XXXIV, Bonn 1889, S. 390 bis 396, Taf. XXII. 502 v. Linstow: von durehsehnittlich 0,15 mm Entfernung in Fächer getheilt ist; aussen wird er von eier starken Hüllmembram (Fig. 4 u. 5, h) umgeben. Er besteht aus durehschnittlich 0,013 mm grossen Kugeln, welche meistens keine Structur erkennen lassen und sich in Xylol nicht lösen; diesen Fettkörper halte ich nicht, wie einige Autoren es thun, für einen Darm, sondern für das Bil- dungsmaterial der Geschlechtsorgane; eine anderweitige Anlage zu dieser fehlt vollständig; mitunter zeigen die Fettkügelchen eine eoncentrische Schichtung (Fig. 5b). v.Siebold entnahm die hier geschilderten Larven lebend aus Heuschrecken und that sie in feuchte Topferde, in welcher sie sich langsam zur Geschlechtsreife entwickelten. Die Geschleehtsform lebt verborgen in der Erde, häufig in der nächsten Nähe von Ortschaften oder in mitten in ihnen ge- legenen Gärten; im Sommer kommen sie nach starken Regen- güssen Nachts an die Oberfläche und ringeln sich an Pflanzen empor. Gefunden ist die Art zuerst von Dujardin!), der auch eine anatomische Beschreibung von ihr giebt, die aber voller Irrthümer ist. Die ältere Litteratur findet man bei Diesing?). Eine ausführliche Beschreibung gab dann Meissner?); einige in derselben verkehrt aufgefassten Punkte wurden von Schneider) richtig gestellt, der dann auch in seiner Monographie der Nema- toden, Berlin 1866, pag. 177—178, Tab. XIV Fig.4, Tab. XV Fig. 9—11, Tab. XVI Fig. 12 die Art beschrieb. Dujardin beobachtete Mermis .nigrescens vom März bis Juni auf feuchter Erde nach Regen oder starkem Thau, oft auch auf Pflanzen und Büschen, besonders in Gärten, wo das Thier die Pflanzen umringelt; mitunter bemerkte er es auch auf frisch gegrabenen Beeten. v. Beneden?) fand Mermis nigreseens in Gärten von Louvain so zahlreich, dass man von einem Wurmregen sprach; 1) Ann. se. natur. 2 ser., t. XVIII, Paris 1842, pag. 133—142, tab. 6. Hist. natur. des Helminthes, Paris 1845, pag. 2% —2%. 2) Systema helminthum I, Vindobonae 1851, pag. 108. 3) Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. VII, Leipzig 1855, S.S—47, tab. I-II. 4) Archiv für Anat. u. Physiol. 1860, S. 243—252. 5) Me&m. sur les vers intestinaux, Paris 1861, pag. 277--278, tab. XIV, ge. 10723. Ueber Mermis nigrescens Duj. 503 ein Gewitterregen war vorhergegangen und die Thiere sollen aus Maikäfern hervorgekommen sein, was wohl ein Irrthum ist, denn die Würmer enthielten Eier; wenn sie den Insektenkörper verlassen, findet sich aber noch keine Eibildung. Mitten!) beobachtete die Art Nachts mehrere Fuss hoch über der Erde an Pflanzen und Jäckel?) fand sie im Mai und Juni in den Morgenstunden auf Beeten und den Pflanzen daselbst. Eine Mittheilung von Kraemer?) möchte ich wörtlich mittheilen: „Als ich an einem Morgen der letzten Maitage vorigen Jahres nach einem starken Gewitterregen in der Frühe in meinem Gärtehen hinter meinem Hause in der Stadt Göttingen gelegen spazierte, wurde ich von ungefähr auf ein zierliches Faden- würmehen aufinerksam, welches von Gestalt emem Gordius aqua- tieus ähnlich, mit der einen Extremität auf dem Blatte einer Paeonia haftend, mit der anderen lebhafte Kreisschwingungen in der Luft machte. Ich sah mich nun nach anderen um und fand gegen ein Dutzend Exemplare, theils sich auf der von Regen feuchten Erde windend, theils auf den Buxbaum-Einfassungen der Beete und auf verschiedenen anderen Pflanzen, an denen sie sich hinaufgewunden, zuweilen Fuss hoch über der Erde, wo sie dann besonders dureh ihre oben beschriebenen schwingenden Bewegungen das Auge auf sich lenkten. Auch einige Tage später fand ich, wieder an einem Morgen nach einem schweren Regen, eine Anzahl dieser Würmer. In diesem Jahre traf ich sie aber an einem ‚Junimorgen, gleichfalls nach einem starken (Gewitter, in soleher Menge in meinem Garten an, dass man mit der alten Fabel hätte glauben sollen, sie wären vom Himmel geregnet, und ich eine grosse Menge davon sammeln konnte. Auch an den folgenden Tagen zeigten sie sich gleichfalls in der Frühe, wenn es geregnet hatte. Zu anderen Tageszeiten aber, als am frühen Morgen, habe ich sie nie gefunden und auch dann immer nur nach vorgängigem Regen; sobald aber die Sonne so hoch gestiegen war, dass sie ihren Aufenthalt bescheinen konnte, waren sie verschwunden.“ Im hiesigen zoologischen Institut befinden sich drei Exem- 1) Annals and magaz. nat.-hist. vol. XX, pag. 445. 2) Correspondenzbl. d. zool.-mineral. Ver. Regensburg 1867, 5.53. 3) Stettiner entomolog. Zeitg. XIX, 1858, S. 3283—329. 504 v. Linstow: plare von Mehlis bezeichnet „e terra humida inter plantas horti Gotting. Juli, August 1845“ und drei Exemplare, die am 23. Mai 1890 lebend auf Pflanzen in einem Garten in Göttingen gefunden wurden, wie auch Herr Geh. Rath Meissner mir mit- theilte, die Art in semem Garten gefunden zu haben. Ich habe nur emmal ein einziges Exemplar an einem schattigen Ort in meinem Garten in Hameln auf der Erde gefunden; die Exemplare aber, welehe ich benutzt habe, um den anatomischen Bau zu studiren, stammen aus Lauenburg, wo sie früh morgens nach einem Gewitterregen massenhaft gefunden wurden; sie hatten sich in dem dortigen Reetor-Garten an Georginen und anderen Pflanzen emporgewunden; mit der hinteren Körperhälfte hatten sie die Pflanzen umschlungen, während sie mit der vorderen lebhafte, pendelnde Bewegungen in der Luft machten. Das Männchen ist, obgleich hunderte von Exemplaren, die lauter Weibchen waren, beobachtet sind, noch immer unbekannt. Die Länge der mir vorliegenden Exemplare erreicht nicht ganz die der grössten Larven; auch hier ist das Kopfende er- heblich dünner als das Schwanzende; bei zwei kleineren Exem- plaren waren die Maasse folgende: Länge, Breite am Kopfende, in der Mitte, am Schwanzende. 13 0,264 0,378 0,534 mm 100 0,194 "0,352 0,288, Die Haut erkennt Dujardin als aus vier Schichten zu- sammengesetzt; zu äusserst findet er eine Epidermis von 0,0018 mm Dieke; die darunter liegende wie die folgende schildert er als aus gekreuzten Fasern bestehend. Meissner unterscheidet drei Lagen; die äussere oder Epidermis ist 0,0025 mm dick, die innerste nennt er structurlos. Die äussere, structurlose Epidermis ist 0,0057 mm dick, (Fig. 13, e) dann folgt eine dreifache Corium-Schicht; die äussere, dünnste, ist structurlos (Fig. 13, et), die darauf folgende ist etwas dieker und besteht aus zwei Fasersystemen, die sich in einem Winkel von 80 oder 100° krevuzen; die eimzelnen Fasern sind 0,0013 mm breit; die Fasern sind nicht unter einander ver- flochten, sondern bilden eng mit einander verlöthete, abwech- selnde Schichten; bei einer Einstellung des Focus auf das eine Systen sieht man das andere undeutlich durchschimmern (Fig. 13c°); bei weitem am mächtigsten ist die innerste Coriumschicht, welche Ueber Mermis nigreseens Duj. 505 wiederum aus zwei Fasersystemen besteht, von denen die eine ringförmig den Körper umkreist und die andere radiär angeordnet ist, also auf der ersteren etwa senkrecht steht (Fig. 13, e?). Die Dicke dieser vier Lagen verhält sich zu einander wie 1:3 :4:16. 1 u: 62 des Körper- durchmessers entspricht. Mit Ausnahme der beiden Körperenden ist die innerste, dritte Corinmschicht in der Gegend der 6 Längs- wülste verdickt (Fig. 11). Unter dem Corium liegt eine sehr dünne Hypodermis, welehe keine Kerne oder Zellen führt; aus ihr treten die sechs Längswülste hervor (Fig. 13h). Die Längswülste hält Dujardin für placentas longitu- dinaux und ihre Kerne für Eier, während Meissner den ven- tralen und die dorsolateralen für Nerven, den dorsalen und die ventrolateralen aber für Seeretionsorgane hält. Meissner, Schneider und neuerdings Rohde verlegen die Dorsolateral- Wülste in die Seitenlinien, was nach meinen Beobachtungen nicht richtig ist; die sechs durch die Wülste getrennten Muskelbündel sind wie in der Larve so auch hier gleich gross und die Mitte der Dorsolateralwülste ist von der Seitenlinie weit entfernt (Fig. 11). Die Dorsolateralwülste enthalten drei Reihen von ovalen, granu- lirten Kernen, die durchschnittlich 0,0104 mm lang und 0,0078 mm breit sind; der Bauchwulst enthält zwei Reihen sehr gestreekter Kerne (Fig. 14, v); derselbe soll mit seinen noch zu erwähnenden Quersträngen nach Dujardin zur respiration branchiale dienen und die Fransen der Eier-Anhänge sollen mit ihm verwachsen sein (!). Am Kopf- und am Schwanzende schwellen diese Wülste ebenso wie in der Larve mächtig an. Die Gegend der Vulva wird von dem Ventralwulst, der sich hier spaltet, umkreist (Fig. 12, v,v). Zwischen den sechs Wülsten wurzeln auf der Innenseite der Hypodermis die sechs Muskelfelder; die Muskeln gehören zu der Gruppe der Cölomyarier und bestehen aus quer- gestreiften, contractilen Fibrillen und einer dazwischen liegen- den Plasmamasse, welche an der der Leibeshöhle zugewandten Seite kleine rundliche Kerne zeigt (Fig. 13m); die Breite einer Fibrille beträgt bis 0,0023 mm. Am Kopfende bemerkt man im Seheitelpunkt eine ge- schlossene Mundöffnung (Fig. Ta,a); nach der Rückenseite von Die ganze Hautschicht ist 0,057 mm breit, was 506 vo dem scHo We ihr steht eine und nach der Bauchseite findet man zwei Papillen (Fig. Ta), die beiden letzteren sind von zwei rundlichen Vor- sprüngen des Parenchyms gestützt (Fig. Tb); nicht weit davon nach hinten stehen sechs Papillen im Kreise, je eine in der Seiten- und vier in den Submediandinien (Fig. Ta u. Tb); auch hier durehsetzt ein Fortsatz des Parenchyms, der hier aber schmal und spitz ist, das Corium, das an dieser Stelle eine kleine trich- terförmige Einziehung zeigt, welche von concentrischen Ringen um- geben ist (Fig.T). Dujardin vermuthet wnrichtig, dass diese sechs kleinen Einziehungen des Corium Oeffnungen sind, welche in die Leibeshöhle führen, während es sich doch um Tastorgane handelt. Das Schwanzende ist nach der Bauchfläche zu gerade, an der Rückenfläche eonvex; an der ersteren bemerkt man 0,53 vom rundlichen Schwanzende entfernt eine kleine Verdiekung des Corium, welche ihrem Sitz nach dem nieht vorhandenen Anus entspricht; mitunter findet man am äussersten Schwanzende eine kleime, napfförmige Eimziehung, aus der eine kleine kugelförmige Ver- diekung hervorragt. Am Iimken Dorsolateralwulst an seiner inneren Seite ver- läuft ein Excretionsgefäss mit starken, chitinisirten Wandungen (Fig.9 u. 10, 5), das in der linken Seitenlinie 0,0052 mm vom Scheitelende des Kopfes dicht hinter dem Kranze der sechs Papillen nach aussen mündet. Das Gehirn liegt 0,51 mm hinter dem Kopfende, gestützt von den Dorsolateral- und dem Ventral- wulst; an der Bauchseite umfasst es den Oesophagus und nimmt (die Bauchhälfte der Leibeshöhle ein (Fig.8,g). Während Meiss- ner das Gehirn richtig schildert, sieht Schneider in ihm eine Pharynx-Anschwellung. Vom Gehirn verläuft nach hinten an der Rückenseite des Ventralwulstes ein Nervenstamm (Fig. 9—12, 14, bn); derselbe färbt sich mit Delafield’schem Hämatoxylin in einzelnen Fällen sehr schwach röthlich; an der Bauchseite des Dorsalwulstes findet sich ein schwacher Rückennerv (Fig. 9—12, m). Von die- sen Nerven zweigen sich im rechten Winkel, nicht so regel- mässig rechts und links abwechselnd wie bei Mermis crassa, Stränge ab, welche die Verbindungen zwischen Nerv und Muskeln bilden; in ihrem Aussehen entsprechen sie ganz der Mark- substanz der Muskeln; sie gehen aus diesen hervor, biegen dann im rechten Winkel aus der Längsrichtung in die quere um, in- Ueber Mermis nigrescens Du). 507 dem sie sich zu Bündeln veremigen und treten an den Nerven, eontraetile Substanz findet sich in ihnen nicht (Fig. 14,9). Sehon Meissner hat diese Querstränge gesehen, der sie für Nerven hält, Schneider aber erkennt sie für Ausläufer der Muskeln und Rohde!) wies contractile Substanz in ihnen nach, was für meine Präparate nicht zutrifft. Bei Mermis erassa hielt ieh die Querstränge für Nerven, bei Mermis nigreseens aber erkenne ich deutlich, dass sie aus der Marksubstanz der Muskeln gebildet sind. Die Querstränge, welche von den Seitenmuskelfeldern nach dem Bauchnerven ausstrahlen, ziehen über die Ventrolateralwülste hin. Das Genus Mermis zeigt denmach in dem Punkte der Ver- bindung zwischen Nerv und Muskel ähnliche Verhältnisse, wie das Genus Ascaris; die Nerven strahlen nicht in die Muskeln aus, sondern die Muskeln suchen die Nerven auf, um sich mit ihnen zu verbinden. In der Gegend der Vagina, wo der Ventralwulst ‘gespalten ist, theilt der Bauchnerv sich nieht, sondern umgeht die Vagina an ihrer linken Seite (Fig. 12,n). An der geschlossenen Mund- öffnung beginnt, wie bei der Larve, ein enger Oesophagus mit starker Chitinwandung, der zuerst in der Mittelaxe des Körpers verläuft (Fig. 7, 8, 0), dann aber sich nach der Rückenseite wen- det und an der Bauchseite des Rückenwulstes verläuft (Fig. 9, 0); bei kleineren Exemplaren mass ich, dass die Länge dieser Röhre 1 mm betrug; hier ging sie in einen Oesophagus mit weitem Lumen über (Fig. 10, 0), dessen Wandung in körnigem Zerfall ist und weder Muskulatur noch Epithel erkennen lässt. Dass das Chitinrohr eine wirkliche Röhre und keine Halbrinne ist, wie Meissner meimt, hat schon Sehneider festgestellt; das Lumen der zweiten Hälfte des Oesophagus verschwindet bald und er wird nun zu einem soliden Strang von 0,0182 mm Breite. In einen Darm geht der Oesophagus nicht über, ein solcher fehlt vollständig; wenn Schneider angiebt?), Mernis nigrescens besitze einen Darm, der vorn und hinten geschlossen sei und em deut- liehes Lumen habe, so meint er damit vermuthlich den Fett- körper; hätte Mermis einen Darm, der etwa bei der Geschlechts- 1) Sitzungsber. d. kg]. preuss. Akad, d. Wissensch. Berlin 1892, XXXV, S. 659—660. 2jrl.se. St#195. 508 v. Linstow: form atrophirt wäre, so müsste er doch in der Larve deutlich sein, aber auch hier bemerkt man keine Spur von einem solchen. Der Fettkörper durehzieht fast die ganze Länge des Körpers und fehlt nur im äussersten Kopf- und Schwanzende; er ist von einer mehr oder minder starken Hülle umgeben, welche Kerne enthält (Fig. 11, h), die Fortsätze in’s Innere schickt, wodurch Fächer gebildet werden. Der Inhalt besteht aus feinen Kügel- chen ohne Structur von 0,0078—0,013 mm Grösse (Fig. 9—12, f), die stark liehtbrechend und schwach gelblich gefärbt sind; oft werden sie von Xylol völlig gelöst, oft nicht, und in letzterem Fall besitzen sie wohl eine Hülle. Auch Dujardin nennt den Fettkörper Darm; da er aber keine Nahrung aufnimmt und kem Lumen hat, da er ferner prall mit organisirten Formelementen ge- füllt ist und augenschemlich als Bildungsstoff für die Geschlechts- organe dient, so scheint mir diese Bezeichnung nicht richtig. Die von Meissner gefundenen Verbindungen zwischen Oeso- phagus und Fettkörper, deren Existenz Schneider leugnet, habe auch ich nicht finden können. In der Gegend der Vagina ist der Fettkörper auf einen schmalen Strang redueirt (Fig. 12, f). Ernährung und Wachsthum sind, wie bei Gordius, wohl lediglich auf das Larvenstadium beschränkt; die Mermis-Larve wird sich vermuthlich vom Fettkörper der Heuschrecken nähren, deren Darmtraet dabei intact bleibt; das Geschlechtsthier scheint nur Wasser durch die Haut aufzunehmen, da der Mund geschlossen ist und Darm und After fehlen. Am Kopf- und am Schwanzende findet man die Ovarien, die 4,2mm von ersterem und 1,8mm von letzterem beginnen; regel- mässig hin- und hergeschlängelt mit eng an einander liegenden Windungen, so dass das Organ im Verhältniss zu seiner Länge einen sehr kleinen Raum einnimmt, ziehen sie nach der Mitte des Körpers zu, und gehen durch eine kurze, nur 0,16 mm lange und 0,034 mm breite Tube jederseits in den mächtig entwickelten Uterus über; die Tuben besitzen eine kräftige Ringmuskulatur. Die beiden Uterushälften gehen ohne erkennbare Grenze in der Mitte in einander über; die vordere beginnt 5,92 mm vom Kopf- und die hintere 3,56 mm vom Schwanzende; die Wandung (Fig. 11,u) enthält Kerne; an einigen Stellen nimmt der Uterus ’/;. der Körperbreite ein. Die Vagina liegt an der Bauchseite genau in der Mitte Ueber Mermis nigrescens Duj. 509 zwischen Kopf- und Scehwanzende; sie besteht aus einem 0,58 mm langen und 0,079 mm breiten Gange mit einer sehr starken Ringmuskulatur "und einem Epithel, welches das Lumen auskleidet (Fig. 12, vag); die Vulva (Fig. 12, vu) wird gebildet von einer mächtigen Einstülpung des Corium, und zwar von der dritten, innersten Sehicht desselben, die hier nur aus Ring- fasern besteht; an dieser Stelle sind beide Muskelstränge der Bauchseite (Fig. 12,m) verschmälert und schieben sich eng an die lateralen, den ventrolateralen Wulst vor sich her nach innen drängend; die Hälften des getheilten Ventralwulstes legen sich an die Innenseite des Bauchmuskelstranges, mit dem linken bleibt der Bauchnerv in Verbindung. Nach Dujardin'), welcher die Existenz eines Uterus leugnet, soll die Vagina 15 mm hinter dem Kopfende liegen, was entschieden ein Irrthum ist. Die Eier sind linsenförmig abgeplattet, an den beiden Polen findet sich eine rundliche Verdiekung der äusseren Schale und rings um die Mitte verläuft eine Rinne, wo dieselbe verdünnt ist. Die Entfernung von einer Verdiekung zur anderen beträgt 0,0546 mm, während der Querdurchmesser 0,0468 mm beträgt. Characteristisch für diese Art ist eine dunkelbraune Färbung der inneren Schale und zwei an den Enden in Fransen auslaufende schnurförmige Anhänge, welche sich beiderseits an die Verdiekungen setzen. Die äussere Schale ist farblos, die dunkelbraune Färbung der inneren aber schimmert, wenn die Eier massenhaft im Uterus angehäuft sind, bei dem unverletzten Thier wie ein schwärzlicher Strang durch die äusseren Theile hindurch, was Dujardin veranlasste, die Art nigreseens zu nennen; er nennt die Eier schwarz und gibt an, sie seien 0,043 mm gross, während Meiss- ner die Grösse auf 0,058—0,045 mm angibt und die Dicke der inneren, braunen Schale auf 0,0028 mm bestimmt. Die Eier werden in die Erde abgelegt, in welcher der Embryo ausschlüpft; Dujardin gibt die Länge auf 0,23 und und die Breite auf 0,010--0,012 mm an und Meissner be- schreibt und zeiehnet den Bohrstachel am Kopfende. Die Em- bryonalentwieklung vollzieht sich bereits im Uterus, in den reifen Eiern liegt der vollkommen entwickelte Embryo aufgerollt, wenn sie abgelegt werden. 1) Ann. sc. nat. 1. ce. pag. 1386. 510 v. Linstow: Die jungen Larven von Mermis albicans, welche da, wo das Thier vorkommt, die Erde massenhaft bevölkern müssen, sah v. Siebold sich in kleine Raupen einbohren, und es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass die von Mermis ni- grescens auf dieselbe Weise in die von Heuschrecken ein- wandern. Bei Gordius ist die Entwicklung complieirter, weil hier die Geschlechtsform frei im Wasser, die zweite, grosse Larvenform aber in einem Landthier wohnt; hier ist als Binde- glied ein Zwischenwirth nöthig, ein Insekt, dessen Larve im Wasser und dessen Geschlechtsthier auf dem Lande lebt, bei dessen Verwandlung die erste, kleine, embryonale Larvenform von Gordius aus dem Wasser auf das Land getragen wird. Die zweite in der Erde lebende Mermis-Art, M. albicans, ist von nigrescens leicht zu unterscheiden; die Larve führt am Schwanzende ein gebogenes Horm, weshalb v. Siebold sie Filaria truncata, später Mermis truncata nannte; sie ist vorwiegend in Raupen und Schmetterlingen gefunden; nicht weniger als 35 Arten werden angeführt, in denen sie beobachtet ist, und auch die Göttinger Sammlung enthält zwei Exemplare, die aus der kaupe von Naenia typiea stammen; aber auch in Insekten an- derer Ordnungen leben sie, auch in Orthopteren ; so besitze ich Exemplare, welche in Stenobothrus pratorum gefunden sind. Die (Quersehnitte unterscheiden sich von denen der Larve von Mermis nigrescens dadurch, dass die Haut ringsherum mit einer Anzahl von kleinen Buckeln besetzt ist. Das Geschlechtsthier hat Meissner!) eingehend geschil- dert; von M. nigrescens ist es leicht durch die farblosen, dünn- schaligen, kugelrunden Eier von 0,126—0,141 mm Grösse zu unterscheiden, welche keine Anhänge tragen. Die Gattung Mermis hat verwandtschaftliche Beziehungen zu Gordius, Neetonema?) und Ascaris. An Gordius nnd Neetonema erinnert der Bauchnervenstrang, an Ascaris die Verbindung zwi- schen diesem und den Muskeln; Neetonema, welche Gattung wie 1) Ztschr. für wissenschatftl. Zoolog., V, Leipzig 1854, S. 207-284, Tab. XI—XV. 2) 0. Bürger, Zur Kenntniss von Neetonema agile. Zoolog. Jahrb. Anat. u. Ontogen. Bd. IV, 1891, S. 631—652, Tab. XXXVIH. H. B. Ward. Bullet. mus. compar. zoolog. Harvard college vol. XXIII, Nr. 3, Cambridge 1892, pag. 135—188, tab. I—-VII. Ueber Mermis nigrescens Duj. 511 Gordius einen dreigetheilten Bauchnervenstrang zeigt, hat mit Mermis das enge, diekwandige Oesophagusrohr von Chitin und dden Mangel eines Anus gemein. Die grosse Masse der Eier bei Neetonema deutet darauf hin, dass auch hier die Larve para- sitisch lebt, denn alle freilebenden Nematoden produeiren gleich- zeitig nur sehr wenig, meistens zwei, vier oder sechs Eier; viel- leicht gehört die Larve hierher, welehe Wyman unter der dura mater zwischen den Hirn-Hemisphären von Plotus anhinga fand, von der er sagt, dass sie Gordius-artig sei und keinen After habe. Die Verwandtschaft mit Ascaris zeigt sich übrigens auch in der Lage der weiblichen Geschlechtsöffnung und in dem Vorhanden- sein .von bei anderen Mermis-Arten gefundenen zwei gleichlangen Cirren und Papillen am männlichen Schwanzende, «den Mangel des Anus aber theilt Mermis, abgesehen von Neetonema, mit mehreren Nematoden-Gattungen, wie Ichthyonema, Dracuneulus, Allantonema, Atractonema, Aprocta und einigen Filarien. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVII und XXIX. a. Mundöffnung. m. Muskulatur. bn. Bauchnerv. 0. Oesophagus. br. Bohrstachel. ov. Ei. e 1, 2, 3 Schichten des Corium. g. Querstrang. d. Dorsalwulst. ın. KRückennerv. dl. Dorsolateralwulst. S. Secretionsgefäss. e. Epidermis. u.:2. Üterus. f. Fettkörper. v. Ventralwulst. &. Gehirn. vag. Vagina. h. Hypodermis. vl. Ventrolateralwulst. hl. Hülle des Fettkörpers. vu. Vulva. Fig. 1—6. Larve. 1a—d. Kopfende; a) des ersten Larvenstadiums mit Bohrstachel, b) in Häutung, c) des zweiten Larvenstadiums, d) Seitenansicht; kd. Kopfdrüsen. 2 a—c. Oesophagus. a) Mittlerer Theil mit blinddarmartigem Anhang, b) drüsige Anschwellung des Mittelstranges, 6 Oeffnung der Chitinröhre, ec) Ende. b u. e stärker vergrössert. 3. Längswülste und Muskulatur in der Längsriehtung aufge- schnitten und ausgebreitet, Ansicht von innen. b,b Bauch-, s,s Seiten-, r,r Rückenfelder der Muskulatur. 1) Proceed. Boston. soc. nat. hist., vol. VII, 1860, pag. 278. 512 Dr. Baumearten: 4—6. Querschnitte. 4. von der Halsgegend. 5a. aus der Mitte 6. vom äussersten Schwanzende, 5b. Fettkörper-Kugeln. Fig. 7—14.. Geschlechtsform, Weibchen. 7. Kopfende, a) vom Scheitel, b) von der Seite. 2. Querschnitte. 8. Durch die Gehirngegend, 9. durch den vor- deren, 10. durch den hinteren Theil des Oesophagus, 11. durch den Uterus, 12. durch die Vulva und die Vagina. 13. Querschnitt durch Haut, Hypodermis und Muskulatur, stark vergrössert. 14. Flächenbild des Bauchwulstes mit dem Bauchnerven und der angrenzenden Muskulatur mit den Q@uersträngen von der Innenseite, stark vergrössert. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. Von r Dr. med. Baumgarten. Hierzu Tafel XXX. „Selten trifft man auf einen Theil des thierischen Organis- mus, welcher das Urbild seines früheren Zustandes so sehr im Verlaufe der weiteren Entwicklung verändert, als die Gehör- knöchelchen der Säugethiere. Kaum möchte man es glauben, so man ihren merkwürdigen, vielgeformten Bau mit der einfachen Längenform der knorpeligen Visceralstreifen des Kopfes ver- gleicht, dass aus lezteren jene complieirte Form hervorgehen könne; und dennoch ist's im der That also.“ Diese Worte sandte ©. B. Reichert vor etwa 50 Jahren in seiner klassischen Schrift: „Ueber die Visceralbogen der Wirbelthiere im Allgemeinen und deren Metamorphose bei den Säugethieren und Vögeln“ dem ‚Abschnitt: ,„Entwiekelungsge- schichte der Gehörknöchelehen‘ voraus; seitdem ist eine umfang- reiche Litteratur entstanden, in der ältere und neuere Forscher die Frage nach der Entstehung der Ossicula auditus noch des Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 513 weiteren erörterten. Reichert’s Ansichten sind durchaus nicht unangefochten geblieben; die eine nur, dass der Hammer aus dem ersten Kiemenbogenknorpel hervorgehe, hat allgemeine Be- stätigung erhalten. In der „Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere“ stellt A. v. Kölliker vergleichend zusammen, was bis zum Erscheinen dieses seines grossen Werkes über die Entstehung der Gehörknöchelchen veröffentlicht worden ist; ins- besondere die Meinungsverschiedenheiten der Autoren Gruber, Parker und Anderer über diejenige des Steigbügels. In Ueber- einstimmung mit der Mehrzahl der Forscher erklärt v. Kölliker zum. Schluss Hammer und Ambos für Derivate des Knorpels des ersten Kiemenbogens; bezüglich des Stapes jedoch ent- hält er sich eines Urtheils, da er Gruber’'s, Parker's und Anderer Wahrnehmungen durch eigene Untersuchungen nicht be- stätigt findet, aus letzteren jedoch auch für sich Nichts That- sächliches zu schöpfen vermag. Salensky war der Nächste nach v. K., der Unter- suchungen über die Entstehungsweise der Gehörknöchelchen an- stellte. Auch er bestätigte Reichert’s Entdeckung, dass Hammer und Ambos dem gleichen embryonalen Gebilde ihren Ursprung verdanken. Er wies als Erster nach, dass eine Arterie, die von ihm so benannte Arteria mandibularis, durch die Anlage des Steigbügels hindurchgeht und so die Veranlassung ist, dass der freie Raum zwischen den Crura stapedis entsteht. Die Entwickelung des Stapes überhaupt erklärt er so, dass er um jene Arterie einen Zellenhaufen unbekannter Herkunft sich legen lässt, der später verknorpelt und zur knorpeligen Labyrinth- kapsel und zum Ambos in Beziehung tritt. In einer grösseren Monographie endlich behandelte im Jahre 1887 G.Gradenigo die embryonale Anlage des Mittel- ohres. Da diese Schrift den Ausgangspunkt meiner eigenen Untersuchungen bildet, so sei es mir im Folgenden gestattet, noch etwas ausführlicher auf sie einzugehen. Gradenigo hat zur Durehführung seiner Untersuchungen ein sehr reiches Material von Embryonen verwendet, Katzen- embryonen von 12—20 mm Steissscheitellänge, Kaninchen-, Schweins-, Hunde-, Mäuseembryonen ; endlich menschliche von 4—17 mm Steissscheitellänge. Dieselben hat er sämmtlieh \hori- 514 Dr. Baumgarten: zontal, sagittal oder frontal in Schnittreihen zerlegt und an die- sen mikroskopisch die Entwickelung der Gehörknöchel verfolgt. Wie die meisten seiner Vorgänger, so hat auch er die Ueber- zeugung, dass Hammer und Ambos aus dem Knorpel des ersten, des mandibularen Kiemenbogens entstehen; der Steigbügel ent- steht, wie er augiebt, theils aus einem Stück des Knorpels des hyoidalen Kiemenbogens, theils aus einem differenzirten Stück der knorpeligen Gehörblase, der von ihm sogenannten Lamina stapedialis. Gradenigo hat ebenso wie Salensky die Ar- teria mandibularis, bei ihm A. stapedialis, gefunden und schreibt ihrem Vorhandensein die Entstehung des Raumes zwischen den Steigbügelschenkeln zu. So weit etwa sind bis jetzt die Untersuchungen über die Entstehung der Gehörknöchel gefördert; man sieht unschwer, dass die brennende Frage zur Zeit die nach der Entwicklung des Steigbügels ist, während die Lehre, dass Hammer und Am- bos aus dem ersten Kiemenbogenknorpel, und zwar ersterer aus dem nach Meckel benannten Stücke desselben hervorgehen, meist Anerkennung findet. Die Untersuchungen besonders des letzgenannten Autors Gradenigo mit Hülfe eigener Präparate einer Prüfung zu unter- ziehen, ward ich dureh Herrn Professor Dr. Hertwig veranlasst. Ihm an dieser Stelle für die Anregung, die Ueberlassung des Materials und für die liebenswürdige Förderung und Prüfung meiner Untersuchungen meinen Dank aussprechen zu dürfen, ge- währt mir eine besondere Genugthuung. Ehe ich die Resultate meiner Untersuchungen erörtere, möchte ich in möglichster Kürze noch angeben, in welcher Weise ich das mir zu Gebote stehende Material, einen menschlichen Embryo von 30 mm Scheitelsteisslänge, verarbeitet habe. Der Embryo, der also noch etwas grösser ist als der Embryo Zw. m His’ Anatomie menschlicher Embryonen, etwas kleiner als die von Gradenigo verwendeten, wurde nach Erhärtung in ab- solutem Alkohol mit Grenacher'schem alkoholischen Boraxkarmin durehfärbt und nach kurzer Entfärbung in Salzsäurealkohol und 35 '/,igem Alkohol nach bekannter Weise in Paraffin eingebettet. Sodann wurde das Objeet in eine fortlaufende Reihe von Schnitten zerlegt, jeder einzelne 0,02 mm dick. Die Schnitte, etwa 600 an der Zahl, habe ich vom Scheitel bis in die Herzgegend Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 515 durchgeführt, um so den Ursprung der Gefässe im Interesse der topographischen Orientirung recht weit verfolgen zu können. Von oben nach unten geht auch die Zahlenbenennung. Vereinzelt hat sich schon Salensky der Querschnittmethode für die in Frage kommenden Untersuchungen bedient, zuerst folgerichtig durchgeführt hat dieselbe Gradenigo. Gemäss einer im hiesigen II. anatomischen Institut üblichen Verbindung der Boraxkarmin-Durchfärbung mit einer Nachfär- bung von Bleu de Lyon brachte ich nun die Objectträger mit den Schnitten in eine Lösung von Bleu de Lyon in Ale. abs. etwa 2:1000. Im dieser blieben sie etwa 12 Stunden, wurden dann wieder 6 Stunden lang entfärbt und schliesslich in Canada- balsam aufgehellt und bedeckt. Das angewandte Verfahren er- möglicht nicht nur eine ausgezeichnet deutliche Färbung und Differenzirung des Knorpelgewebes, auf die es hier ankam, sondern giebt unter Anderem auch klare Bilder des Faserver- laufes im Centralnervensystem, die Ganglienzellenkerne erscheinen dunkelroth, die Nervenfasern schön hellblau. Endlich bin ich noch einen Schritt weiter gegangen als Gradenigo und habe aus den Schnitten einmal die knorpelige Anlage der Labyrinth- kapsel und der Gehörknöchelchen zusammen — nur diese, Ge- fässe, Nerven u. s. w. mit hineinzunehmen hielt ich nicht für zweckentsprechend — in 25facher linearer Vergrösserung in Wachs reconstruirt, sodann die Gehörknöchelehen mit einem Theile des Meckel’schen Knorpels noch besonders in 50 facher Ver- srösserung. Die Methode der Reconstruction war die bekannte, von Born und Strasser angegebene. Die Modellirung hielt ich für nöthig, denn ein noch so sorgfältiges Durchsehen und Durchdenken der mikroskopischen Präparate vermag ein plastisches Bild des Gegenstandes vor dem Auge des Beschauers nur sehr unvollkommen hervorzurufen; und vor Allem ist die „geistige Reconstruetion* nicht anderen mittheil- bar. Die Modelle, sowie die Schnittreihen befinden sich zur Zeit in der embryologischen Sammlung des II. anatomischen Instituts der Universität Berlin. Wenn ich während der Herstellung der Modelle zugleich die mikroskopische Untersuchung der Schnitte begann, so war das Nothwendigste, zunächst eine Uebersicht der topographischen Verhältnisse in der engeren und weiteren Umgebung der knor- Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. 34 516 Dr. Baumgarten: peligen Labyrinthkapsel zu gewinnen. Mit Hülfe der Knorpel- anlagen der Wirbelsäule und von unten nach oben entlang den grossen Gefässen des Halses bot dies keine besondere Schwierig- keiten. Etwa auf Schnitt 430 vollzieht sich die Theilung der Ca- rotis communis in externa und interna. Neben letzterer zeigt sich alsbald auf den nächst höheren Schnitten lateral die Vena Jugularis, sowie N. vagus und das Ganglion cervicale supremum des N. sympathiceus. Verfolgt man diese Gebilde die Wirbelsäule hinauf an Epistropheus und Atlas vorbei, so erhält man von ihnen immer das ungefähr gleiche Bild. Es ändert sich erst, nachdem an Stelle des Atlas die nach hinten noch vollständig offene Knorpelanlage des Hinterhauptbeines getreten ist, m der Gegend des Schnittes 350. Von hier ab trennt sich die Carotis interna von dem Komplex der Vagus-Gruppe und der Vena jugularis interna und zieht, nur von zarten Fasern des Sympathieus be- gleitet, nach vorn. Kurz darauf, Schnitt 370, erscheint der un- terste Theil der knorpeligen Labyrinthkapsel. Es ist der mediale Theil, der den häutigen Schneckengang in sich birgt. Einen Theil eines Schnittes durch diese Region, ein wenig weiter nach oben, wo die Labyrinthkapsel schon ihren Hohlraum zeigt, stellt Fig. 1 dar. Es ist hier, wie überall, die rechte Seite wieder- gegeben; ich kann hinzufügen, dass die linke Seite keinerlei Ver- schiedenheiten in der Entwicklung zeigt. Der Sehnitt trifft den Kopf etwa in Höhe der Mitte der Ohrmuschel und der Linse. Die durch ihre Grösse und eigenthümliche Form auffallende Knorpel- anlage H. ist das künftige Hinterhauptbein, P. j. der Processus Jugularis desselben. Die Labyrinthkapsel, L.K., legt sich hier bereits breit an das Os oceipitis an, weiter nach unten ist sie noch durch einen kurzen Stiel mit demselben verbunden. Der Hohlraum der Labyrinthkapsel enthält hier den häutigen Schnecken- gang, der jedoch auf der Zeichnung nicht wiedergegeben ist. Vorn und etwas medial vor der Labyrinthkapsel befindet sich die Carotis interna, Ö.i., umgeben von einigen zarten Sympathi- cusfasern. An dieser und der Labyrinthkapsel vorbei, von innen vorne nach aussen hinten, erstreckt sich die Tuba Eustachii. Dieselbe ist mit einem einzigen Horizontalschnitte fast in ihrer ganzen Länge getroffen, liegt also in dem gegenwärtigen Stadium noch nahezu wagereeht. Mit der Rachenhöhle steht die Ohrtrompete u Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 517 in offener Verbindung; dass sie auf der anderen Seite in die Paukenhöhle hineinmünde, kann man jetzt noch nicht sagen, da eine solehe noch gar nicht vorhanden, sondern der ganze Raum zwischen Labyrinthkapsel, Trommelfell und Meckel'schem Knorpel noch mit embryonalem Bindegewebe ausgefüllt ist, in welches die Tuba sich hineinstülpt. Hinten und lateral vom distalen Ende der Tuba erscheint der Reichert’sche Knorpel, R.K., ein Theil des Knorpels des Hyoidbogens. Er befindet sich hier noch näher am Proe. jugularis, als an der Labyrinthkapsel, an die er sich später anlagert; er entspricht in dieser Höhe etwa dem zukünf- tigen Processus styloides. Alle erwähnten Gebilde schliessen in ihrem Kreise die Vena jugularis, V.j., ein; neben dieser medial die Nerven der Vagusgruppe, die hier, bei ihrem Austritt aus der Schädelhöhle, ihr Ganglion jugulare bilden. Ein Theil des Hohlraumes der Tuba wird lateral vom Trommelfell, M.ty., be- grenzt;. an dieses schliesst sich der äussere Gehörgang. Vorn etwa vor der Mitte der Tuba Eustachii liegt der Meckel’sche Knorpel. Gelegentlich dieses Knorpels muss ich eines merk- würdigen Irrthums Erwähnung thun, der Gradenigo passirt ist. In Figur 1—4 seines oben erwähnten Werkes, Horizontal- schnitten durch einen Katzenembryo von 15 mm Steissscheitel- länge, der also ungefähr auf der Entwicklungsstufe meines Em- bryo. stehen kann, verwechselt er ein Organ, das lateral vor der Labyrinthkapsel liegt, nach seiner eigenen Zeichnung eine knorpelartige Structur hat und in seiner äusserlichen länglich- runden Form dem Meckel’schen Knorpel gleicht, kurzum den Meckel’schen Knorpel der von ihm untersuchten Katzenembryonen selbst, mit — der Vena jugularis. In der That, ein sonderbarer Irrthum! Dass das von mir als Meckel’scher Knorpel angesprochene Organ mit der Gradenigo’schen Jugularvene identisch ist, beweist die gleiche Lage und der gleiche histologische Bau, und nicht am wenigsten die Gestalt des fraglichen Organs, welch’ letztere schon hier in meinen Schnitten, noch mehr aber weiter oben in beiden Fällen genau übereinstimmt. Dass ich andererseits das Organ für den Meckel’schen Knorpel zu halten berechtigt bin, beweist theils mein Wachsmodell, an dem es ohne Grenze breit und unmittelbar in die Gehörknöchelehenanlage übergeht, anderer- seits die Verfolgung des Organs durch die Schnitte hindurch in 518 Dr. Baume&arten: die Kiefergegend, wo es von platten Deckknochen umlagert er- scheint. Die Vena jugularis verlegt in seiner 1837 erschienenen Schrift: „Beitrag zur Anatomie der knorpeligen Schädelbasis menschlicher Embryonen“ in Uebereinstimmung mit mir W.v. Noorden dieht an das Hinterhauptbein, beim Processus jugu- laris, zum Ueberfluss befindet sich auf Gradenigo's Fig. 1 ein von ihm nicht benanntes Organ, das nach Lage, Form und histo- logischem Charakter wohl die Vena jugularis sein kann. Auch in Bezug auf andere Bezeichnungen befinde ich mich mit Gra- denigo nicht in Uebereinstimmung, zum Beispiel ist die Carotis interna meiner Zeichnung grundverschieden von der seinigen; freilich kann ich, ohne seine Präparate selbst zu sehen, mit ihm über diesen Punkt nieht rechten. Wenn ich mithin auch zugeben muss, dass Gradenigo mit weit grösserem Material arbeitete als ich, so können bei solchen Irrthümern seine Ausführungen doch nur in geringem Grade für mich maassgebend sein. Unterzieht man nun die auf den beschriebenen Schnitt nach oben folgenden einer Betrachtung, so ergiebt sich, dass die Carotis interna vor der Labyrintlhkapsel hin sich immer weiter medianwärts zieht, sie tritt durch das Foramen lacerum anterius hindurch und ist bis zur Entsendung der Art. ophthalmiea und weiter verfolgbar. In dem ziemlich dieken Trommelfell einge- geschlossen zeigt sich bald nach dem oben beschriebenen Schnitt, etwa auf 350, der knorpelige Griff des Hammers. Während dieser langsam von Schnitt zu Schnitt in seinem Längendurch- messer wächst, hat auch der Reichert'sche oben schon erwähnte Knorpel sich an die inzwischen sehr vergrösserte Labyrinthkapsel angelegt, ohne jedoch mit ihr zu verschmelzen. Er hebt sich von ihr im. Gegentheil durch seine weit grössere Zellenmenge auf gleichem Raume, und damit durch seine viel intensivere Färbung sehr deutlich ab. Es steht dies im Gegensatz zu den Bemerkungen v. Kölliker’s hierüber. Derselbe sagt, der Reichert’sche Knorpel ‚ist mit dem knorpeligem Felsenbein ohne Spur einer Grenzlinie verschmolzen und Eins.“ Vielleicht liegt diese Ver- schiedenheit der Ansichten darin begründet, das v.K. seine Em- bryonen nur präparirt hat; jedenfalls ist das Bild der mikros- kopischen Präparate allzudeutlich, als dass es Zweifel aufkommen liesse. Hinter dem Reichert'schen Knorpel, zwischen ihm und der Gehörblase, sieht man den Durchschnitt des Facialis, der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 519 Hyoidbogenknorpel dient also hier dazu, einen Theil der Wand des Fallopischen Kanals zu bilden. Auf Sehnitt 340 sieht man zum ersten Mal das unterste Ende des langen Ambosfortsatzes, auf 339 daneben einen feinen Streifen, die erste Andeutung des Steigbügels. Der Reichert’- sche Knorpel erscheint hier auf einmal bedeutend weniger diffe- renzirt von seiner Umgebung; einige dunklere Zellenstreifen ziehen dann von der Gegend der Labyrinthkapsel, wo zuletzt jener Knorpel sichtbar war, um den Facialis herum zum Steigbügel hinüber. Sobald der letztere deutlich erscheint, ist vom Hyoid- knorpel jede Spur verschwunden. Die Lehre, nach welcher der Steigbügel — ganz oder zum Theil — aus dem Knorpel des zweiten Kiemenbogens hervorgeht, lässt sich mit dieser Erschei- nung wohl in Einklang bringen; der Umstand, dass da, wo ziem- lich unvermittelt der Reichert'sche Knorpel aufhört, der Steig- bügel erscheint, sowie dass einige Spuren einer Brücke zwischen beiden Theilen nachweisbar sind, begründet den Rückschluss auf eine früher vorhanden gewesene Verbindung. Eine Thatsache, die mir erst bei der Anfertigung der Zeich- nungen recht auffiel, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Es ist in der knorpeligen Structur des Hammers, des Amboses und des Meckel'schen Knorpels einerseits, des Steigbügels und des Rei- chert’schen Knorpels andererseits ein bemerkenswerther Unter- schied insofern vorhanden, als die beiden letzteren Organe auf gleichem Raum eine viel reichlichere Entwicklung der zum Auf- bau dienenden Zellen zeigen, als erstere; gewiss doppelt so zahl- reich. An und für sich dürfte die Thatsache vielleicht wenig ins Gewicht fallen, im Verein mit dem bereits Angeführten aber hat sie doch einigen Werth. Ich habe auf Fig. 2 dies Verhält- niss wiederzugeben versucht. Schieben wir zunächst eingehendere Erörterungen über diesen Punkt noch auf, und gehen der Form des Steigbügels durch die Reihe der Schnitte nach, so sehen wir ihn bald, auf Schnitt 531, in einer Gestalt, wie Fig. 2 sie uns wiedergiebt. Eine Beschreibung der allgemeinen topographischen Verhält- nisse halte ich nach dem Vorausgeschiekten für entbehrlich, ich will nur bemerken, dass dieser Schnitt äusserlich die obersten Theile des Auges und der Ohrmuschel, innen das Foramen lace- rum anterius und die Hemisphären des Vorderhirms trifft. Der 520 Dr. Baumgarten: lange Fortsatz des Amboses, P. i., ist von ovaler Form, man ist hier nieht mehr weit von der Stelle seines Ueberganges in den Amboskörper. Die etwa keulenförmige Figur M. K. H. daneben ist ein Durchschnitt durch den Meckel’schen Knorpel und Ham- mer zugleich. Auf beiden Seiten in der Mitte des Organs findet sich eine ganz geringe Einbuchtung, die allmählich vor sieh ge- hende Abschnürung andeutend; im Inneren jedoch noch nicht eine Spur der künftigen Trennung. Aussen vom Hammer und Meckel’schen Knorpel liegt ein dunkel gefärbter schmaler Zellstreifen, ohne besondere Benennung; derselbe lässt sich weit hinab bis in die Gegend des künftigen Unterkiefers am Meckel’schen Knorpel entlang verfolgen. Es ist unzweifelhaft einer der Belegknochen des Meckel’schen Knorpels; ob er jedoch an dieser Stelle als das Gebilde anzusehen ist, aus dem der Processus Folianus entsteht, ist, wenn auch sehr wahr- schemlich, so doch zur Zeit noch nicht mit Bestimmtheit zu ent- scheiden. Medial vom Hammer, dicht an demselben, ist ein Durchschnitt eines Nervenstranges sichtbar, Ch. ty., die Chorda tympani. Hinter dem Ambos, zwischen diesem und der Laby- rinthkapsel, ein weit stärkerer Durchschnitt, der des Facialis. Die Chorda hat den letzteren bereits auf Schnitt 360 verlassen, sie steigt schräg in die Höhe zwischen Hammer. und Ambos hin- durch. Die Mm. tensor tympani und stapedius sind übrigens noch auf keinem der Schnitte zu bemerken. Wenn das noch eines Beweises bedürfte, so würde also der beschriebene Schnitt in erster Linie beweisen, dass der Meckel- sche Knorpel das embryonale Gebilde ist, aus dem der Hammer entsteht. Der Steigbügel erscheint auf dem gegenwärtigen Bilde als ein kleiner kolbiger Streifen, dessen Enden nach Aussen hin in der Weise verdickt sind, dass man einen medialen konvexen Rand und einen lateralen konkaven unterscheiden kann. Da die Steigbügelanlage zur Horizontalebene etwa um 45° geneigt steht, so ergiebt keiner der Durchschnitte‘ das Bild eines Ringes; erst die Rekonstructionsfigur zeigt, dass er zur Zeit einen solchen dar- stellt. Innerhalb des von der konkaven Seite gebildeten Halb- kreises befindet sich eine winzige Gruppirung von Zellen, A. st., ‘die in der Mitte ein feines Lumen erkennen lassen. Es ist dies die von Salensky beschriebene Arteria mandibularis, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 521 von Gradenigo stapedialis genannt, die hier sehr klein und wahrscheinlich schon im Stadium der Involution befind- lich ist. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist das Verhältniss des Steigbügels zur Knorpelanlage der Labyrinthkapsel, wie es hier in Erscheinung tritt. Die laterale Wand der Labyrinthkapsel ist auf dem Durchschnitt, wie auch später im Wachsmodell, in grossem Umkreise tief eingedrückt. An der Stelle, wo der Steigbügel die Wand berührt, ist diese ganz besonders dünn und zart, viel schwächer als ringsherum auf allen Seiten. Sie diffe- renzirt sich nicht wie der Steigbügel, aus dem umgebenden em- bryonalen Bindegewebe als Knorpel, sondern ist vor demselben nur noch durch reichlichere Anhäufung der Zellen ausgezeichnet. Dasselbe Verhältniss zeigt sich auch auf allen Schnitten, die in der näheren Umgebung nach oben und unten folgen. Gradenigo hat nun, wie ich in der Einleitung mittheilte, die Anschauung, dass der von mir beschriebene Theil der La- byrinthkapselwandung sich von seiner Umgebung trenne, mit dem Steigbügel verwachse und so dessen Fussplatte bilde. Einige seiner Zeichnungen, z. B. Fig. 12, machen dies für den Beschauer auch plausibel; es liegt dort der Steigbügel einem aus dem Zu- sammenhang gelösten Theile der knorpeligen Labyrinthkapselwand eng an; ich kann demgegenüber nur darauf hinweisen, dass der Fall, den ich untersuchte, ein anderes Verhältniss des Steigbügels zur Labyrinthkapsel aufwies. W.v. Noorden, dessen Arbeit ich schon einmal anführte, berichtet über seine Befunde Folgendes. Auf einem Schnitt, den seine Fig. 7 wiedergiebt, fand er inmitten der Labyrinthkapsel- wand ein differenzirtes Knorpelstück, das er als Fussplatte des Steigbügels deutet. Bei seinen Zeichnungen hat v. N. leider keine Veranlassung, auf histologische Einzelheiten einzugehen, die das Verhältniss dieses Stückes zu seiner Umgebung deutlich machen könnten; doch ist es im Ganzen nicht recht denkbar, dass mitten aus dem Knorpel heraus ein einzelnes Stück sich abscheide. Vergeblich sucht man auch nach Analogien für einen solchen Fall. Der Verfasser. selbst giebt auch an, dass er bei einem nur wenig Jüngeren Embryo, Lhs. der His’schen Sammlung, von einer derartigen Differenzirung nichts bemerkt habe; die Art. stapedialis aber und den Steigbügelring um sie herum konnte er 522 Dr. Baumgarten: in beiden Fällen nachweisen. Ueber die Herkunft des Ringes spricht v. Noorden sich nicht aus und entscheidet sich mithin nicht endgültig, sondern lässt die Fragen, welchem oder welchen Elementen der Steigbügel seinen Ursprung verdanke, noch offen. Rabl beweist m dem Aufsatze: „Ueber das Gebiet des Nervus facialis“, den er etwa zur selben Zeit veröffentlichte, durch die verschiedene Nervenversorgung des Steigbügels und der beiden anderen Gehörknöchelchen, dass ersterer aus dem Hyoidbogen seine Entstehung habe; einen weiteren Faktor nimmt er nicht zur Hülfe.» Salensky endlich, schon in der Einleitung angeführt, nimmt eine gesonderte Entstehung des Steigbügels an, bei der die Kiemenbogenknorpel nicht betheiligt sind. Diese Meinung ist wohl daraus zu erkären, dass er nicht, wie Gradenigo, v. Noorden und ich, zusammenhängende Serien von Schnitten durch die Gegend des Steigbügels untersucht ‚hat, sondern nur vereinzelte Schnitte. Der nur sehr leise angedeutete Zusammen- hang zwischen Reichert'schem Knorpel und Steigbügel, wie er oben beschrieben, musste auf diese Weise dem Beobachter ent- gehen. Im Ganzen herrscht also unter den neueren Forschern durch- aus keine Einigkeit in Bezug auf die Frage, von wo der Steig- bügel seinen Ursprung nimmt; Salensky’s und v. Noorden’s verwandter Auffassung steht die auch nur theilweise überem- stimmende von Gradenigo und Rabl gegenüber. Salensky’s und v. Noorden’s Ansicht kann ich nieht zu der meinen machen; doch befinde ich mich nach dem, was ich bei Beschreibung der Fig. 2 gesagt habe, auch mit Gradenigo nicht in Uebereinstimmung. Die Wand der Gehörblase scheint mir an der Stelle, wo der Steigbügel sie berührt, die Eigen- schaft eines Knorpels nicht mehr zu haben, vielmehr finde ich, dass an dieser Stelle nur noch eine dünne Membran übrig ist, die die Meinung nicht rechtfertigt, dass aus ihr eine knorpelige Platte, an Dicke den Schenkeln des Steigbügels gleich, hervor- gehen könne. Für diesen Zweck scheint sie mir viel zu wenig entwickelt und entwickelungsfähig, viel eher glaube ich, dass sie später das Ligamentum annulare stapedis bilden könne, und das umsomehr, weil sie gerade in der Mitte am dünnsten ist und so ein ringförmiges Band am ehesten ergeben würde. Aus verglei- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 523 chend anatomischen Untersuchungen in den Ordnungen der Selachier, Ganoiden und Teleostier weiss man, dass dort das Hyo- mandibulare, das dem oberen Stück des Hyoidbogenknorpels gleichwerthige Organ, mit der Schädelbasis artieulirt. Die Colu- mella der Schlangen, Eidechsen und Vögel geht ebenfalls aus dem Hyoidbogenknorpel hervor und entspricht so dem Steig- bügel, da auch dieser, wie oben ausgeführt, von dort seine Ent- stehung nimmt. Für die relativ grosse Columella ist offenbar ein grösseres Stück jener knorpeligen Anlage in Verwendung gekommen; im übrigen haben alle genannteh Organe das ge- meinsam, dass sie mit der Schädelbasis, in diesem Fall der Labyrinthkapsel, artieuliren. Die beschriebene Einbuchtung der Kapsel ist somit als Gelenkgrube zu betrachten, wobei das Lig. annulare stapedis die Rolle eines Gelenkbandes übernimmt. Wenn ich mir nun die Bildung der Fussplatte am Steigbügel erklären soll, so fand ich, entgegen Gradenigo, dass für dieselbe das Material von Seiten der Labyrinthkapsel nicht geliefert wer- den kann, da solehes eben nicht mehr vorhanden ist. Daher muss sich die Basis aus dem Annulus stapedialis selbst ent- wiekeln. Diese Erklärung hat auch durchaus nicht Schwierig- keiten; es ist wohl denkbar, dass ein Theil des Rimges durch Wachsthum in die Breite die Platte bilden könne. Alles, was ich somit an Litteratur, sowie an eigenen Beob- achtungen angeführt habe, bringt mich zu dem Schluss, dass aus dem Reichert’schen Knorpel allein der Stapes hervorgehe. Ich bin somit Anhänger der von Reichert zu- erst ausgesprochenen, von Rab]l bestätigten Theorie. Das muss ich freilich zugeben, dass ein letztes Wort über diese Frage im Vorstehenden nicht gesprochen sein kann; dazu bedarf es noch einer Reihe von Untersuchungen in verschiedenen jüngeren und älteren Entwiekelungsstadien des Steigbügels, als das jetzige ist. Vielleieht bietet sich mir Gelegenheit, dieser Frage noch einmal näher zu treten. Auf den folgenden Schnitten wird der Stapesstreifen stetig kleiner, auf 325 sind seine letzten Spuren verschwunden und mit ihnen die tiefe Einbuchtung der Gehörblase, deren Wandung sich nun wieder hervorwölbt und denselben Durchmesser zeigt wie an anderen Stellen. Währenddem ist der Facialis über der Be- rührungsstelle von Ambos und Steigbügel hin schräg in die Höhe 524 Dr. Baumgarten: von aussen hinten nach innen vorn dieht an der Labyrinthkapsel verfolgbar. Nach wenigen weiteren Schnitten erreicht man auch das Ganglion genieuli und mit ihm den oberen, wagerechten Theil des Fallopischen Kanals. Erst von jetzt ab, vom Knie- ganglion des Facialis an, kann korrekterweise von einem Fallo- pischen Kanal die Rede sein, denn nur auf der Strecke vom äusseren Rande der Labyrinthkapsel bis zur Hirnhöhle ist der Facialis jetzt allseitig von Knorpelmasse umgeben, während, wie wir sahen, er im übrigen Verlaufe theils nur von embryonalem Bindegewebe umgeben an der Labyrinthkapsel anliegt, theils in einer halb offenen Rinne, gebildet vom Reichert’schen Knorpel und der Labyrinthkapsel, dahinzieht. Der Schnitt 318, der das Ganglion genieuli zeigt, lässt auch zugleich Gangl. Gasseri und Hypophyse sehen; und da endlich auf demselben auch die Ver- bindung von Hammer und Ambos deutlich erkennbar ist, so möge seine Wiedergabe und Beschreibung unter Fig. 3 die Untersuchung und Besprechung der mikroskopischen Präparate abschliessen. Das Ganglion Gasseri, nicht ganz wiedergegeben, G. G., hat hier eine bedeutende Grösse; sie beträgt etwa !/, des Um- fanges der ganzen Labyrinthkapsel. Noch mehr aber ändert sich _ das Verhältniss zu Gunsten des Ganglion auf späteren Schnitten, wo es fast halb so gross als die Labyrinthkapsel erscheint. Das Ganglion genieuli, F.G.g., bildet eine sehr geringe Verbreiterung des Facialisdurchmessers. Die Hohlräume der Labyrinthkapsel, soweit sie hier Wiedergabe gefunden haben, sind zunächst an der inneren Wand mit embryonalem Bindegewebe ausgekleidet, im Centrum dienen sie bei C.s., V., C. zur Aufnahme der Anlagen der halbzirkelförmigen Kanäle, des Vorhofs und der Schnecke. Gang- lion vestibulare und cochleare sind wiedergegeben, von ersterem aus sind auf diesem Schnitt auch eimige Fasern zu verfolgen, die zum Vorhof leiten. Hammer, H, und Ambos, A, liegen hier in enger Verbindung zusammen, von ersterem sieht man den Kopf, von letzterem den Körper getroffen. Der Hammerkopf ist ziemlich kreisrund, der Amboskörper bietet etwa die Form eines abgestumpften Karten- herzens, in dessen Einbuchtung hinein der Kopf sich drängt. Dies ist die Gegend des v. Helmholtz’schen Sperrzahngelenkes. Die Trennung von Hammer und Ambos ist deutlich zu erkennen, ein dunkler Streifen von Knorpelzellen, gebildet durch die Ränder Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 525 der durchschnittenen Organe, zeigt die Abschnürungslinie an. An den Seiten weichen die Ränder bereits auseinander, während ringsherum ein gemeinsamer Streifen von Knorpelzellen beide Organe umzieht. Offenbar sieht man auf diesem Bilde sowohl den vorhanden gewesenen Zusammenhang in der engen, aber schon durch einen Zellenstreifen geschiedenen Aneinanderlagerung der Gebilde und in der gemeinsamen Umhüllung durch einen dunkel gefärbten Zellstreifen, als auch die beginnende Trennung, erkenn- bar durch das Auseinanderweichen der Ränder. In der Litteratur hat auch die Lehre, dass Hammer und Ambos gleichen Ursprungs sind, und zwar beide aus dem Knorpelstreifen des ersten Kiemenbogens stammen, im Allgemeinen Anerkennung gefunden. Nur hin und wieder haben seit Rei- chert die Forscher dessen Ergebnisse in Zweifel gezogen, so Parker und Huxley. Auch Fraser, ein neuerer amerikanischer Autor, dessen Werk mir selbst leider meiner Unkenntniss der englischen Sprache wegen nicht zugänglich war, nennt, wie ich aus der Zusammenfassung am Ende seiner Arbeit ersehen konnte, den Ambos ein Derivat des zweiten Kiemenbogens; dass eine solehe Lehre im Wiederspruch steht mit den Thatsachen, die durch die vergleichende Anatomie bekannt geworden, ersieht man in Hertwig’s: „Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Wirbelthiere* aus dem Abschnitte, der diesem Thema gewidmet ist. Es wird dort der Beweis geführt, dass in der ganzen Wirbelthierreihe die dem Hammer und Ambos gleichwer- thigen Organe aus dem ersten Kiemenbogen hervorgehen; dies gestattet den gleichen Schluss für Hammer und Ambos_ selbst. Ein Betrachten von Frasers Zeichnungen zeigt mir übrigens, dass er, wie Gradenigo den Meckel'schen Knorpel mit der „vein jugular“ verwechselt. Da das Bild meiner Fig. 3, so finde ich, vollständig den Anschauungen Reichert's und seiner Nachfolger, wie ich in der Einleitung zu schildern Veranlassung nahm, entspricht, so kann ich mich denselben nur anschliessen und habe Neues nicht hinzuzufügen. Auf etwa zehn bis fünfzehn weiteren Schnitten sind Hammer- kopf und Ambos stetig kleiner geworden und endlich ganz ver- schwunden, sodass nur noch die Labyrinthkapsel zu sehen ist. Seit ich mit der Beschreibung der Gehörknöchelchen begann, 526 Dr. Baumgarten: habe ieh die Knorpelanlage der Labyrinthkapsel etwas ausser Acht gelassen, ich kann hier im Zusammenhang noch nachholen, dass dieselbe auf den Durchschnitten die Gestalt eines länglichen Ovals mit verdiektem lateralen Ende, etwa Birnform, zeigt. So- bald von den Gehörknöchelehen nichts mehr zu sehen ist, ändert auch die Labyrinthkapsel ihre Form, sie wird kleiner und runder; und nach einer Reihe von Schnitten läuft sie in eine knorpelige Platte aus, die an der Bildung der Schläfenbeinschuppe theil- nimmt. Bei der Rekonstruktion ist diese Platis nicht mehr mit hergestellt, sondern an der Stelle, wo die eigentliche Labyrinth- kapsel aufhörte, die Modellirung abgebrochen worden. Soweit die Beschreibung der mikroskopischen Präparate, die aus ihrer Untersuchung gewonnenen Resultate werde ich am Schluss nach Besprechung der Modelle noch einmal zusammen vortragen. Die Modelle, zu deren Beschreibung ich jetzt übergehe, be- stätigen in grossen Zügen das, was die Betrachtung der Schnitte lehrte. In Fig. 4, dem Bilde des Modells der Gehörknöchelchen allein, ist die sich vollendende Trennung des Amboses vom Hammer und somit vom Meckel’schen Knorpel auch äusserlich dadurch siehtbar, dass ich den umhüllenden Streifen Bindege- webe nieht wiedergegeben habe, vervollständigt also das Bild des Quersehnittes in Fig. 3, — auch insofern, als die immer noch vorhandene relativ breite Verbindung darauf schliessen lässt, dass in einem früheren Stadium die genannten Organe einer mor- phologischen Eimheit, dem Knorpel des ersten Kiemenbogens, an- gehört haben. Dagegen ist von einem Selbständigwerden des Hammers auch hier noch nichts zu bemerken, im Gegentheil ist der Hammerkörper noch vollständig eins mit dem Meckel’schen Knorpel; nur der künftige Proc. brevis und das Manubrium mallei ragen nach unten weit hervor und sind als solche in ihrer Ge- stalt bereits erkennbar. Der Meckel’sche Knorpel ist bis zur Höhe der Labyrinth- kapselbasis rekonstruirt, er bietet keine Besonderheiten. Am Ambos ist Corpus, Proc. brevis und longus deutlich unterscheid- bar, er hat also die künftighin bleibende Form schon etwa er- halten, während die beiden anderen Gehörknöchel, Hammer und Steigbügel, noch bedeutende Umgestaltungen erleiden, ehe auch sie am Ende ihrer Metamorphosen angelangt sind. Einzig das Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 527 Os lentieulare ist noch nicht vorhanden, der Steigbügel steht in direeter Berührung mit dem langen Fortsatz des Ambos. Im gegenwärtigen Entwicklungsstadium ist der Steigbügel noch nichts als ein derber, gleichmässig gerundeter Knorpelring, dessen medialer Theil höher steht als der laterale, so dass er an der Stelle, wo er an den Ambos sich anlegt, einen Winkel von 45° mit der Horizontalebene bildet. Von einem Unterschied in der Krümmung der Schenkel und von einer Fussplatte ist nichts zu bemerken. Es ist nach meiner dargelegten Auffassung von Werth, dies noch einmal zu betonen. Das zweite Modell, Fig. 5, zeigt die Gehörknöchelchen in situ, .im Zusammenhang mit der Labyrinthkapsel. Meckel’scher Knorpel, Hammer und Ambos, sowie ihr Verhältniss zur Laby- rinthkapsel geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass; wohl aber möchte ich dem Verhalten des Reichert'schen Knorpels und des Steigbügels zu einander und zur Labyrinthkapsel noch einige Worte widmen. Der erstgenannte Knorpel nähert sich von unten her der Labyrinthkapsel, legt sich bald mit der schmalen Seite an sie an und hört in der Höhe des Foramen ovale ziemlich un- vermittelt auf. In derselben Höhe, doch ein kleines Stück nach innen und vorn, erscheint dann der Steigbügel. Man ist also, wenn man glaubt, dass früher ein engerer Zusammenhang zwi- schen Reiehert'schem Knorpel und Steigbügel bestand, gezwungen anzunehmen, dass eine Verlagerung der Theile, vielleicht infolge Anlegens des ersten Kiemenbogens an den zweiten, stattgehabt hat. Dass man berechtigt ist, sie für Organe mit gemeinsamem Ursprung zu halten, habe ich oben auseinander gesetzt. In der weiteren Umgebung der Stelle ist, wie bei Fig. 2 erwähnt, eine starke Einbuchtung der Labyrinthkapsel zu bemer- ken. Diese würde dadurch zu erklären sein, dass die knorpelige Wand hier als Gelenkgrube für den artikulirenden Hyoidbogen- knorpel dient. Das als Steigbügel persistirende Stück desselben bleibt dann in Gelenkverbindung mit der Labyrinthkapsel. Der bereits beschriebene Steigbügel ragt in eine rundliche Höhlung hinein, die unmittelbar im den Hohlraum der Labyrinth- kapsel sieh fortsetzt. Auf den Querschnitten ist vor dieser Höh- lung, dem künftigen Foramen ovale, jedesmal der beschriebene Streifen von Bindegewebe sichtbar, dessen Rekonstruktion etwa eine dünne Membran ergeben würde. Dass ich diese Membran 528 Dr. Baumgarten: nicht m Gradenigo’s Sinne auffasse, habe ich oben schon dar- gelegt, mithin hatte ich auch keine Veranlassung, an dem Modell der knorpeligen Labyrinthkapsel dieselbe anzubringnn. Die Labyrinthkapsel selbst endlich hat im Groben die Form des späteren Felsenbeines. Ihre Lagebeziehungen zum Primordial- eranium, zur Carotis interna, Vena jugularis interna, sowie zur Vagus- gruppe sind bereits erörtert. Die im der Figur sichtbare Oeffnung oberhalb des Foramen ovale ist die laterale Mündung eines Kanals, der unter der Decke der Labyrinthkapsel hin nach median führt. Auf der medianen Seite treten Acustieus und Facialis in ihn hinein, letzterer verlässt den Kanal auf der Aussenseite, um schräg nach unten und aussen vor der Labyrinthkapsel hinzulaufen. Der Kanal ist also der horizontale Theil des künftigen Fallopischen Kanals. Das Verhalten des N. facialis zum Reichert'schen Knorpel ist oben geschildert. Die Modelle haben so, wie ich glaube, ihren Zweck erfüllt. Das Grössenverhältniss der Gehörknöchelehen untereinander, das Stadium ihrer gegenwärtigen Entwickelung und ihr Verhältniss zur Labyrinthkapsel anschaulich zu machen, sowie die Schlüsse auf ihre Entwickelungsweise zu stützen. Es sei mir nun erlaubt, noch einmal in Kürze die End- ergebnisse meiner Untersuchungen niederzulegen. Die Entwickelung des Hammers und des Amboses aus dem Knorpel des ersten Kiemenbogens, be- ziehungsweise aus dem Meckel’schen Knorpel, wie sie schon Reichert lehrte, halte ich für eine erwie- sene Thatsache; ebenso halte ich es für erwiesen, dass der Hyoidbogenknorpel bei der Entwickelung des Steigbügels betheiligt sei, dass er allein betheiligt sei, gilt mir als höchst wahrscheinlich. Zum Schluss erfülle ich noch die angenehme Pflicht, Herrn Dr. phil. Burekhardt, Assistenten am II. anatomischen Institut, meinen herzlichsten Dank auszudrücken für die unermüdliche Liebenswürdigkeit, mit der er meine Untersuchungen bis zuletzt unterstüzt hat, besonders aber für seine Mitwirkung bei Anfertigung der Zeichnungen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. 529 Litteratur. C. B. Reichert: Ueber die Visceralbogen der Wirbelthiere im All- gemeinen und deren Metamorphose bei den Säugethieren und Vö- geln. Berlin 1837. Gegenbaur: Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. Leipzig 1870. A. v. Kölliker: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höhe- ren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. W. His: Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880. Salensky: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der knorpeligen ‚Gehörknöchelchen bei den Säugethieren. Morphologische Jahr- bücher. Bd. VI. Leipzig 1880. Gegenbaur: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 3. Aufl. Leip- zig 1888. O0. Hertwig: Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte der Menschen und der Wirbelthiere. 3. Aufl. Jena 1890. G. Gradenigo: Die embryonale Anlage des Mittelohrs: Die mor- phologische Bedeutung der Gehörknöchelchen. Mittheiluugen aus dem embryologischen Institut der Universität Wien. Wien 1887. K. Rabl: Ueber das Gebiet des Nervus facialis. Anat. Anzeiger Il. Jahrg. Jena 1887. W. v. Noorden: Beitrag zur Anatomie des knorpeligen Schädelbasis menschlicher Embryonen. Archiv für Anat. und Physiologie. Anat. Abth. Leipzig 1887. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX. Fig. 1. Schnitt durch den untersten Theil der Labyrinthkapsel. M. ty. Trommelfell, M. K. Meckelscher Knorpel. T. E. Tuba Eusta- echii, C. i. Carotis interna, H. Knorpelanalge des Hinterhaupt- beins, V. j. Vena jugularis, R. K. Reichert’scher Knorpel, P. j. Processus jugularis, L. k. Labyrinthkapsel. Schnitt durch den Steigbügel. M. K. H. Meckel’scher Knorpel und Hammer, Ch. ty. Chorda tympani, P. i. Langer Hammerfortsatz, F. Facialis, St. Steig- bügel, V. Vestibulum, A. st. Arteria stapedialis, L. K. Laby- rinthkapsel. Fig. 3. Schnitt durch das Hammer-Ambos-Gelenk. G. G. Ganglion Gasseri, F. G. G. Facialis und Ganglion Geni- euli, G. v. Ganglion vestibulare, G. c. Ganglion cochleare, C. Cochlea, V. Vestibulum, C.s. Canales semicirculares, A. Ambos, H. Hammer, L. K. Labyrinthkapsel. Fig. 1) 530 Arnold Spuler: Fig. 4 Modell der Gehörknöchelchen allein. 50f. lin. Verg. H. K. Körper des Hammers, M. K. Meckel’chser Knorpel. P. br. Kurzer Hammerfortsatz, M. Manubrium mallei. C. i. Ambos- körper, P. i. b. kurzer, P.i. 1. langer Ambosfortsatz, A. st. Annulus stapedialis. Fig. 5. Modell der Gehörknöchelchen mit der Labyrinthkapsel. 25f. lin. Verg. A. Ambos, H. Hammer. M.K. Meckel’scher Knor- pel, R. K. Reichert’scher Knorpel, L. K. Labyrinthkapsel. St. Steigbügel, C. F. Canalis Fallopiae. (Aus dem II. anatomischen Institut der Universität Berlin.) Ueber die ‚„intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen“. Von Dr. Arnold Spuler (Freiburg i. B.) (Von der Berliner med. Fakultät gekrönte Preisschrift.) Hierzu Tafel XXXT. Die Frage nach der Entstehung der rothen Blutzellen be- schäftigt schon lange Zeit die Wissenschaft. Ende der sechziger Jahre kam sie durch eine Mittheilung Neumann’s!) in Fluss und seither ist eine stattliche Reihe von Arbeiten über die Blut- bildung veröffentlicht worden. Durch die Studien namentlich von Kölliker, Neumann, Bizzozero, Eoä, 'Loewit, Flemming, Denys und H. E. Ziegler ist das Thema bis zu einem gewissen Grade ab- geschlossen, aber vollständig anerkannt ist noch keine Ansicht und viele, zum Theil sehr wichtige Einzelheiten harren noch der Lösung. 1) E. Neumann: Ueber die Bedeutung des Knochenmarks für die Blutbildung. Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1868, Nr. 44. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 531 Wenn wir phylogenetisch das Blut der Wirbelthiere betrachten, so finden wir bei den Anamniern und den Sauropsi- den kernhaltige rothe Blutkörperchen, bei den Säugethieren kern- lose. Die Vermehrung resp. der Ersatz der untergegangenen rothen Blutkörperchen findet bei allen Thieren dureh mitotische Theilung jugendlicher mesenchymatischer Zellen statt. Die Lehre, dass die rothen durch Umbildung weisser Blutkörperehen entstünden, ist von den Autoren, die sie einst aufgestellt, schon lange auf- gegeben, gleichwohl wird sie von Einzelnen bis in die neueste Zeit festgehalten. Nach den zusammenfassenden Angaben von Bizzozero und Torre!) geschieht die Vermehrung bei Fischen (Teleostiern), Amphibien und Vögeln sowohl, wenn auch nur in geringerem Grade, durch Theilung frei in der Blutbahn befind- licher, jugendlicher Blutzellen, als auch im bestimmten Organen durch Theilung den Wänden venöser Kapillaren ?) anliegender Zellen. Bei Selachiern sind die Bildungsherd& nach San- felice’s?) Angaben, die übrigens mit Vorsicht aufzunehmen sind, da er die rothen Blutkörperchen aus Leukocyten entstehen lässt, Iymphoide Gewebemassen, die zu den Seiten des Oesophagus und in den Genitaldrüsen gelegen sind. Bei Teleostiern®) erfolgt die Bildung rother Blutkörperchen m der Milz, den kopfwärts gelegenen, Iymphatischen Theilen der Nieren und nieht konstant in der Leber, bei Urodelen?) in der Milz, bei Anuren®) im Knochenmark. Ebenso verhalten sich die Sauropsiden, wie für die Reptilien Bizzozero und Torre’) und für die 1) J. Bizzezero u. A. A. Torre: De l’origine des corpus- cules sanguins rouges dans les differentes classes des vertebres und appendice A l’eEtude precedente: Formation des corpuscules sanguins rouges par J. Bizzozero Arch. ital. de biologie. T. IV p. 309 ff. und 329 ff. 1883. 2) H. E. Ziegler: Die Entstehung des Blutes der Wirbelthiere. Berichte der naturf. Ges. zu Freiburg i. Br. 1889. T. IV, Heft 5. p. 12. 3) F.Sanfelice: Gen&se des corpusceules rouges dans la moälle des os des vert@bres. Arch. ital. d. biol. Vol. XIII. p. 45—54. FIesbizzozero u. A, A Torre:]. c. p. 322. 5), le. p.'319, 6) 1. e. p. 318. else, pr Sat, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 39 532 Dr. Arnold Spuler: Vögelinsehr überzeugender Weise Denys!) in seiner schönen Arbeit gezeigt haben. Die kernlosen Blutkörperchen der Säugethiere entstehen aus kernhaltigen Vorstufen ebenfalls im Knochenmark; bei schweren Anaemieen kann sich aushilfsweise die Milz?) an ihrer Bildung betheiligen. Die Embryologie lehrt uns, dass in Jüngeren Embryonen auch von Säugern nur kernhaltige rothe Blutkörperchen sich finden. Nach Howell’s?) Angaben kommen in jungen Katzen- embryonen neben kleinen, sphärischen, bikonkaven, also den Blut- körperchen erwachsener Thiere in der Form entsprechenden, auch grosse, ovale Gebilde, die er als ontogenetisch wiederholte Formen einer frühern phyletischen Stufe auffasst, vor. Woher die Bil- dungszellen der Blutkörperchen stammen, darüber sind die Autoren noch nicht einig. Kölliker?) hat stets die Lehre vertreten, dass sie mesodermalen Ursprungs sind, und H. E. Ziegler?) hat, wie mir scheimt, überzeugend nachgewiesen, dass Erythroblasten und Leukoblasten aus dem mesenchymatischen Bildungsgewebe ihren Ursprung nehmen. Darin sind weitaus die meisten Autoren _ einig, dass ontogenetisch die rothen Blutkörperchen nur aus kern- haltigen Vorstufen entstehen. Zuerst findet die Bildung im dunkeln Fruchthof und an einigen anderen Stellen der Blutgefässanlagen statt, später in der Milz und in der Leber, schliesslich im Knochenmark, überall durch Zelltheilung nach karyokimetischer Theilung des Kernes. 1) J. Denys: La structure de la moölle des os et la genese du sang chez les oiseaux. La cellule T. IV, I. fasc. 1887. 2) P. Foä: Sur l’origine des globules rouges du sang et sur la fonetion h@matopoietique de la rate. Arch. ital. d. biol. T. I p. 463 ft. 1882. 3) W. A. Howell: The live history of the formed elements of the’ blood, especially the red blood corpuscles.. Journ. of Morph. Vol IV, Nr. 1, 1890. 4) A. Kölliker: Die embryonalen Keimblätter und die Ge- webe. Ztschr. f. wiss. Zool. 40. Bd. 1884. 5) H. E. Ziegler: Die Entstehung des Blutes bei Knochenfisch- embryonen. Arch. f. mikr. Anat. 50. Bd. 1887 und: Die Entstehung des Blutes der Wirbelthiere. Berichte der naturf. Ges. zu Freiburg i. Br. 1889. T. IV, Heft 5. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 533 Neben dieser Entstehungsweise sollen nun nach Angaben einer Reihe von Autoren im spätern embryonalen und im post- foetalen Leben der Säuger noch andere Bildungsarten vorkommen. Einmal entstünden die rothen Blutkörperchen intracellulär, ähn- lich den Stärkekörnern in Pflanzenzellen, bei jungen Thieren, dann sollen sie, von spätern Stadien des Embryonallebens an, nach Hayem's!) Behauptung, aus kleinen, kernlosen Gebilden, den sog. Haematoblasten dadurch, dass diese bis zur Grösse der rothen Blutkörperchen heranwachsen, entstehen. Hayem’s Theorie ist, ebenso wie die von Malassez?°) und Pouchet?), seiner Zeit schlagend von Bizzozero*) widerlegt worden, gleichwohl hält Hayem sie voll und ganz aufrecht und sucht sie dadurch zu stützen, dass er die Vorgänge bei niedern Verte- braten mit dem von ihm für die Säugethiere behaupteten in Emklang zu bringen sucht. Er hat bei Anuren Zellen, die er als „hömatoblastes nuelees“ bezeichnet, gefunden, welche sich karyokinetisch theilen und sich nach seinen Angaben bei der Gerinnung des Blutes ebenso verhalten, wie die he&matoblastes der Mammalia. Desshalb sagt er’): „In’ya &videmment pas plus de differences entre les hematoblastes non nucl&ees des mammiferes et les hema- toblastes nucl&&s des ovipares qu’entre les globules rouges nueldes et non nuelees des divers types des vertebres.“ Bei unserer heutigen Ansicht von der Bedeutung des Kernes und der mito- tischen Kernteilung müssen wir eine derartige Behauptung als unzulässig bezeichnen. Den Beweis, dass bei den Säugethieren die rothen Blutkörperchen aus den Haematoblasten entstünden, sucht er durch Folgendes‘) zu erbringen: Unter den globules 1) G Hayem: Du sang et de ses alterations organiques. Paris. 1889. 2) Malassez: Laborat. d’histol. d. college d. France, Travaux de 1882 und: Sur l’origine et la formation des globules rouges dans la moölle des os: Arch. d. physiol. norm. et path. IX. 1882. Nr. 1. p. 1—47. 3) Pouchet: Note sur la regeneration des h&maties des mammiferes G. m. d. P. 1878. Nr. 8, p. 97 und: De la degenerescence h&emoglobique de la moälle des os, Gazette medicale d. Paris 1579. p. 184. 4) J. Bizzozero: Formation des corpuscules sanguins rouges,. Arch. ital. de biologie T. IV. 1883. p. 332 ff. 5).@G. Hiawweme lrezpag.)13l bel. ec: Ppa22102, 534 Dr. Arnold Spuler: rouges nains (den kleinen rothen Blutkörperchen, die er von den anderen unterscheidet), finden sich regelmässige und leicht un- regelmässige, den Haematoblasten ähnliche Formen. „Is n’ont done pas encore!) une forme aussi röguliere que les hematies (— rothe Blutkörperchen), mais ils se comportent comme elles pendant le processus de coagulation; ils n’ont plus la consti- tution ehimique des h&matoblastes. Ce sont d’ailleurs des el&ments relativement avanees dans leur evolution, ear on trouve entre les globules nains et les hömatoblastes tres vulnerables des El&- ments qui servent de trait dunion.* „L’etude du sang normale montre done que l’hematoblaste est un element en evolution.“ Gleich im ersten Satze nimmt Hayem seine Behaup- tung als erwiesen an; das done (—- also) scheint mir nicht rieh- tig, denn durch das Vorkommen der haematoblastenähnlichen globules nains ist noch gar nicht bewiesen, dass diese Gebilde frühere Bildungsstadien der rothen Blutkörperchen sind, sondern gerade dieses ne pas encore musste Hayem beweisen. Das Gleiche gilt von dem Satze: Ce sont d’ailleurs ete. Wenn ich eine Reihe von Gebilden von ganz kleinen bis zu solchen von einer bestimm- ten Grösse habe, so kann diese entweder durch Wachsthum des Kleinsten oder durch Verkleinerung des Grössten entstanden sein. Dadurch, dass ich die Reihe beobachte, habe ich keineswegs bewiesen, dass die Grössten durch Wachsthum der Kleinen ent- stehen, wenn ich nieht nachweise, dass das Umgekehrte nicht der Fall ist. Durch die Autstellung der Reihe, also Formulirung der Behauptung, ist der Beweis für diese nicht erbracht. Die Ausführungen Hayem’s beweisen also nichts. Woher die Haematoblasten der erwachsenen Säugethiere stammen, hat Hayem nicht herausfinden können. Er diskutirt die ihm möglich scheinenden Bildungsweisen und zitirt dann die wenigen, von anderer Seite hierüber vorliegenden Angaben ?): „D’apres Mondino les h&ematoblastes se multiplieraient dans le sang lui-m&me, aussi bien chez les vivipares que chez les ovipares, par division indireete (karyokinese).“ Dass Mondino bei den „vivi- pares“, also vermuthlich den Säugern, unter „hematoblastes“ etwas ganz anderes, wie er, verstanden haben muss (denn die D 1) Wie auch die anderen Stellen von mir gesperrt. 2). 1. ec. pa®. 589. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 535 Hayem’schen kernlosen Haematoblasten können sieh doch nicht durch „karyokinese“ vermehren!) erwähnt er nicht. Die Angaben Mondino’s sprechen gegen Hayem’s Theorie, sie können also nicht als in der Litteratur existirende Angaben über die Ent- stehung seiner Haematoblasten zitirt werden! Um die intracelluläre Entstehung der rothen Blutkörperchen aus Haematoblasten in den cellules vaso-formatives Ranvier's, und damit die von ihm für die rothen Blutkörperchen behauptete Entstehnngsweise überhaupt als Modifikation des embryonalen Bildungsmodus derselben darzustellen, führt Hayem Folgendes aus!): „Ces elements (hematoblastes de Wissozky ou cellules vaso- formatives) sont le siege de deux modes distinets de formation des globules rouges. Dans les membranes de l'oeuf une cellule nucleee, en se chargeant d’hemoglobime se transforme en cor- puseule rouge, tandisque dans les cellules vaso-formatives de l’epi- ploon des jeunes mammiferes les hematoblastes et les globules rouges semblent prendre naissance spontanement au milieu du protoplasma. Mais si, parmi les deseriptions relatives ä l’origine des premiers globules rouges nuelees de l'rembryon, on accorde C la preference A celle de Wissozky, ces deux modes de formation du sang deviennent semblables; on se souvient en effet que cet auteur fait provenir les globules rouges nuelees d’une sorte de segmentation du protoplasma de ses hematoblastes. Les globules, nuclees ou non, seraient toujours ainsi une produetion intra-protoplasmique. Certains elements vaso-formateurs produiraient des cellules nueleces d’ autres des globules ordinaires. Ces derniers ne doivent pas tarder & apparaitre chez l’embryon, puisque nous avons vu des hematoblastes et des globules non nucl&ees dans le sang de tres jeunes embryons. Quoiqu'il en soit, du moment oü les hematoblastes et les globules rouges prennent naissance d’emblee dans des elements vaso-formatifs speeiaux, I’hypothese qui les fait provenir de la transformation des globules nuclees perd & la fois son utilite et sa vraisemblance.* Wissozky?) unterscheidet zweierlei Haematoblasten, Kleine 1) 1. e. pag. 553. 2) N. Wissozky: Ueber das Eosin als Reagens auf Haemo- globin und die Bildung von Blutgefässen und Blutkörperchen bei Säugethier- und Hühnerembryonen. Arch. f. mikr. Anat. XIII. 536 Dr. Arnold Spuler: runde und grosse verästelte —- den cellules vasoformatives. Die Haematoblasten vermehren sich, es kommt zur Netzbildung und Umwandlung der primitiven Netze in die „sekundären Haema- toblasten-Netze*. „Gleich zu Anfang entstehen hier zweierlei Arten von Blutkörperehen“, rothe und farblose. In einem Theil der rothen sah Wissozky deutliche Kerne, in anderen undeut- liche, in noch anderen „nur eine Anhäufung von mehr dunkel gefärb- ten Körnehen“, endlich solche ohne Kernspuren. Daraus schliesst er, dass die ersteren aus den endogen entstandenen kernlosen Formen entstanden seien. — Dies ist ein falscher Schluss. Nach unserem Standpunkt ist ein solcher Vorgang der Kernentstehung unmöglich. Später theilen sich diese rothen Blutkörperchen nach vorausgegangener Kerntheilung. Die ungefärbten Zellen verwan- deln sich durch Haemoglobinaufnahme in rothe Blutkörperchen, ihr Kern bleibt unverändert. Wissozky unterscheidet also zwei fundamental verschiedene Bildungsmodi rother Blutkörperchen, und seine Arbeit gibt in keiner Weise Veranlassung zu der Folgerung: „Les globules, nucl&&s ou non, seraient toujours ainsi une pro- duetion intra-protoplasmique“. Hayem hat offenbar Wissozky’s Arbeit, als er die oben zitirten Stellen schrieb, nicht mehr recht in Erinnerung gehabt, oder den Autor gründlich missverstanden. Ferner, kann eine Hypothese dadurch, dass eine andere be- wiesen wird, ihre utilit& et vraisemblance verlieren? Ist die be- wiesene unbedingt die richtige, so ist die andere falsch, gilt die bewiesene aber nicht für alle Fälle, so verliert die andere weder ihre utilit€ noch die vraisemblanee. Die Beobachtungen über die Entstehung der Blutkörperchen bei Embryonen mit seiner Theorie in Einklang zu bringen, ist Hayem jedenfalls nicht gelungen. Dureh die angeführten Sätze ist nach meiner unmaassgeb- lichen Meinung erwiesen, dass ausser dem von verschiedenen Seiten behaupteten Vorkommen einer sogenannten „intracellulären Entstehung rother Blutkörperchen“ nichts zu Gunsten von Hayem’s Theorie aufgeführt werden kann. Zu Gunsten der Lehre von der intracellulären Entstehung rother Blutkörperchen kann sie also nicht herbeigezogen werden, sondern, wenn diese eben- falls widerlegt werden sollte, so ist Hayem's Theorie ihrer letzten Stütze beraubt, nachdem sie ohne dies schon sehr un- wahrschemlich geworden ist. Für die Lehre von der intracellulären Enstehung der rothen Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 537 Blutkörperchen ergibt sich aus dem eben Angeführten, dass sie in schroffem Widerspruch zu allen anderen zu- verlässigen Beobachtungen über Blutbildung steht. Wie wir weiter oben gesehen haben, entstehen nach den übereinstimmenden Resultaten phylogenetischer, ontogenetischer und histiologischer Untersuchungen die rothen Blutkörperchen der Säugethiere aus Zellen (mesenchymatischen Ursprungs) durch mitotische Theilung und besitzen in ihrer Jugend also Kerne. Desshalb bestreiten wir auf das Entschiedenste, dass etwa im Blut vorkommende intracellulär entstandene Gebilde als rothe Blutkörperehen betrachtet, resp. bezeichnet werden dürfen. Sehr richtig nennt Kuborn!) die fraglichen Gebilde nicht globules rouges, sondern hematies, und Sedgwick Minot?) hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Körperchen nicht den rothen Blutkörperchen gleichzustellen sind ; er hat sie „Plastiden“ genannt. Die Angaben der Autoren, welche die intracelluläre Ent- stehung solcher „Plastiden“ behaupten, haben wir nunmehr kurz kennen zu lernen, wobei die kritisch wichtigen Stellen wörtlich angeführt werden sollen. Der erste, welcher solches behauptete, war Schäfer?). Nach ihm finden sich im subeutanen Bindegewebe neugeborener weisser Ratten wenig verzweigte Zellen, welche zahlreiche, offenbar mit Flüssigkeit gefüllte Vacuolen zeigen und meist nur einen, gewöhn- lich von den Vacuolen verschleierten Kern besitzen. „It*) is from these cells that the blood-vessels of the tissue are formed, and within them, red, and perhaps also, white blood corpuseles be- come developed.“ Von diesen Zellen besitzen einige röthliche Färbung, entweder diffus oder „in one or more patches, not di- stinetly eireumseribed, but fading off in the surrounding proto- plasm.*“ Diese Flecke finden’ sich von kleinen Tüpfeln an bis zur Grösse rother Blutkörperchen. Die Zelle streckt sich und erhält eine Höhlung, wahrschemlich durch Verschmelzung der Vacuolen. „The cell now comes to resemble a segment of a 1) Kuborn: Du developpement des vaisseaux et du sang dans le foie de l’embryon. Anat. Anz. V. p. 277. 2) Ch. Sedgwick Minot: Zur Morphologie der Blutkörper- chen. Anat. Anzeiger. V. p. 601. i 3) Sehäfer: Monthly microscop. Journal. Vol. XI. p. 261. 4) l. e. pag. 262. 538 Dr. Arnold Spuler: capillary, but with pointed and closed extremities; two or more such cells may become united at their end.“ Zur Zeit wissen wir, dass aus einer differenzirten Zelle rothe und weisse Blut- körperehen unmöglich entspringen können. Die anderen Angaben werden wir an der Hand unserer Untersuchungen zu besprechen haben. Ranvier!) ist der nächste der Autoren, weleher über unser Thema berichtet. Er hat?) in den „Milchflecken“ des grossen Netzes junger Kaninchen, aber auch sonst in deren Me- senterium zwei Formen von gefässbildenden Zellen gesehen. „Die eine ist die eines länglichen Cylinders, weleher rothe Blutkör- perchen enthält und mit Spitzen endet“, die andere die rund- licher oder ovaler Protoplasmamassen, in deren jeder ein, bis- weilen zwei Kerne vorhanden sind, ähnlich denen der Lymph- zellen und eine verschiedene Anzahl durch Eosin roth gefärbte Blutkörperehen. Die Zellen seien von sehr verschiedener Form und Grösse und enthalten sämmtlich oder beinahe sämmtlieh Blut- körperchen. Wenn sie ausserhalb der Milchfleeken in der Mem- bran auftreten, liegen sie „gewöhnlich®) in der verlängerten Rich- tung eines durchgängigen Gefässastes, der mit einer Wachsthums- spitze endet“. Die Blutkörperchen lägen isolirt im Plasma oder, was häufiger sei, in Gruppen. „Oft liegen sie nebeneinander in einer eylindrischen Höhle und bieten dann genau das Bild wie in den offenen Gefässzweigen. Sie enthalten keine Kerne, sind scheibenförmig und haben dieselbe Grösse wie die gewöhnlichen Blutkörperchen. Bisweilen findet man neben ihnen viel kleinere, die den kugeligen Trümmern ähnlich sind, die sich dureh Er- wärmen im Blute bilden. Niemals haben wir im Inneren einer Zelle oder eines gefässbildenden Netzes ein weisses Blutkörper- chen neben den rothen gefunden.“ Bei älteren Kaninchen werden die Blutkörperehen immer seltener in den gefässbildenden Netzen und schliesslich findet man gar keine mehr. Die gefässbildenden Netze sind nicht durch Rückbildung der sie mit dem allgemeinen Gefässsystem verbindenden Strecken isolirt. „Im Gegentheil®) ist 1) L.Ranvier: Traite technique d’histologie. Deutsche Ueber- setzung. Leipzig 1888. 2) l. ec. pag. 589. 3) l. e. pag. 590. 4). ec Pag 91. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 539 es leicht, die aktive Ausbreitung der durchgängigen Gefässe, namentlich an Injectionspräparaten, in die gefässbildenden Netze hinein zu verfolgen.“ Um die Anwesenheit der Blutkörperchen zu erklären, müsste man zwei Bildungsmodi für sie annehmen, einmal die Entstehung aus kernhaltigen Vorstufen, dann eine Bil- dung innerhalb des Protoplasmas, ein Modus, den man nach Ran- viers Angaben in den gefässbildenden Zellen verfolgen kann. Diese Beobachtungen Ranviers sind es, die wir nachzuuntersuchen haben. Hier schon müssen wir vor allem das betonen, dass Ranvier Uebergangsformen von den eosinophilen Körnern zu den rothen Blutkörperchen gesehen zu haben nicht behauptet, und dass einen Zusammenhang zwischen der allgemeinen Gefässbahn und den gefässbildenden Netzen nach- zuweisen ihm gelungen ist. Die Angaben Ranvier’s wurden bald von Hayem') bestä- tigt. Er beschreibt die cellules vaso-formatives folgendermaassen : „Les cellules vaso-formatives encore peu developpces, sont con- stituees par un corps protoplasmique allonge, termine a chaque bout par une pointe longue et effilee. Ce corps presente des renflements au niveau des noyaux ce qui lui donne un aspeet nodeux.“ Das Plasma ist fein bis grob granulirt und an letzteren Stellen liegen von Eosin rubinrothe Körperchen in ihnen. Diese seien „hematoblastes“. „Cette formation du sang est temporaire ; il est probable quelle cesse lorsque tous les organes vasculaires ont acquis tous les vaisseaux, qu'ils doivent conserver par suite.“ Kuborn?) schildert zuerst die Entstehung des Blutes und Gefässsystems in der Leber. Zwischen den Zügen der epithe- lialen Leberzellen findet er „des cellules allongees, prismatiques ou fusiformes“, welche ‚‚des veritables prolongements nuclees des parois vasculaires“ sind. Direkt aus den Kapillaren oder aus diesen Zellen werden die „cellules geantes a noyau bourgeonnant“ ge- bildet. „Par gemmation“ lösen sich von den Riesenzellen ‚‚eel- lules hyalines, encore appel&es erythroblastes par Loewit“, ab und theilen sich bald durch Mitose; durch Haemoglobin-Aufnahme 1) G. Hayem: Gazette medicale. 1878. p. 330. 2) Kuborn: Du developpement des vaisseaux et du sang dans le foie de l’embryon. Anat. Anz. V. p. 277. 540 Dr. Arnold Spuler: bilden sich diese zu rothen Blutkörperchen um. Gefässwand und ein Theil der Blutflüssigkeit sollen auch aus der cellule geante entstehen. Dass Zellkerne, welche durch direkte Theilung eines noyau bourgeonnant gebildet wurden, sich nachher durch mitotische Theilung vermehren können, muss ich nach dem neuesten Stand der Kermtheilungsfrage, wie er in den Arbeiten von H.E. Zieg- ler!) und Flemming?) festgelegt wird, für unmöglich halten. Wenn in einer Arbeit ein solcher Beobachtungsfehler, wie es hier der Fall sein muss, sich findet, so können wir den An- gaben des Autors über die spätern Entwicklungsvorgänge in den gleichen cellules geantes nur wenig Gewicht beilegen. In diesen sollen nämlich später als intracelluläre Gebilde die „hematies‘“ entstehen. Dass Kuborn diese hematies sehr richtig von den rothen Blutkörperchen unterscheidet, darauf haben wir schon früher hingewiesen. Seine Resultate fasst er in folgendem Satz zusam- men: „Le reseau vaso-formateur forme done maintenant des pa- rois vasculaires, des cellules hyalines, des cellules rouges et des hematies.‘‘ Wie man sieht, traut Kuborn den Fähigkeiten einer Zellart ein bischen viel zu. Nicolaides?) endlich bestätigt Ranvier's Angaben und sucht mehr in die Details der Entstehung der Plastiden einzu- dringen. In der Einleitung meint er, seine Beobachtungen wür- den „auf das Bestimmteste die Lehre von der intracellulären Ent- stehung der rothen Blutkörperchen begründen“. Es war gewiss unnöthig, nachdem Kuborn und Sedgwick Minot die Gebilde, die, intracellulär entstanden, ohne Kern sind, von den rothen Blut- körperehen unterschieden hatten, beiderlei Formen wieder unter- schiedslos als rothe Blutkörperchen zu bezeichnen. Auf Seite 377 1) H. E. Ziegler: Die Entstehung des Blutes bei Knochenfisch- embryonen. Arch. f. mikr. Anat. 30. Bd., 1887, p. 160 und: Die bio- logische Bedeutung der amitotischen (direkten) Kerntheilung im Thier- reich. Biol. Centralblatt XI, Nr. 12, p. 13. 1891. 2) W. Flemming: Ueber Theilung und Kernformen bei Leu- kocyten und über deren Attraktionssphären. Arch. f. mikr. Anat. 37. Bd., 1891. 3) R. Nieolaides: Ueber intracelluläre Genese von rothen Blutkörperchen im Mesenterium des Meerschweinchens. Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abtheil. 1891. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 541 wirft Nieolaides die Frage auf, „ob die Blutkörperchenbildner, d. h. die Plastiden oder die Granula im Protoplasma der vaso- formativen Zellen entstehen, oder aus dem Kerne in dasselbe treten“. Er glaubt, dass letztere Ansicht die richtige sei. Als Beleg hierfür wird u.a. Fig. 6 angeführt, wo ein Blutkörperchen in einer sichelförmigen Vertiefung eines Kernes liegen soll. Dies konnte ich auf der zitirten Abbildung nicht auffinden. Auch was Nieolaides sonst zu Gunsten der direkten Betheiligung des Kernes ausführt, scheint mir zur Begründung einer solchen Auffassung unzulänglich. Die Angaben Ranvier’s und die der anderen Autoren, welche sich mit seinen decken, sind es also, welche wir einer Nachunter- suchung zu unterziehen haben. Bevor wir uns der Besprechung unserer Befunde zuwenden, scheint es mir geboten, die Herstellungsweise der Prä- parate anzugeben. Zur Untersuchung habe ich die Mesenterien junger Mäuse und neugeborener und junger Kaninchen benutzt!). Die auf Korkplatten ausgebreiteten Membranen wurden durch Festheften der Darmschlingen in ihrer Lage gehalten und in Pikrinessigosmiumsäure (1000 cem concentrirte wässrige Pikrin- säurelösung, 6 cem Eisessig und !/» gm Osmiumsäure, eine Mischung, mit der ich seit längerer Zeit recht befriedigende Resultate erhalten habe), konservirt. Dann wurden sie kurz in verdünntem Spiritus ausgewaschen und stufenweise in Aleohol gehärtet. Ge- färbt habe ich mit Haematoxylin oder Alaunearmin und dann mit Eosin, Orange (wässrige Lösung, mit 95 °/, Alcohol ausgezogen) — Eosin (aleoh. Lösung) oder Ehrlich - Biondi’scher Mischung. Meine schönsten Präparate erhielt ich durch Haematoxylin, Ehr- lieh-Biondi’sche Mischung und kurze Nachfärbung mit Eosin. 1) Selbstvertändlich habe ich auch andere mit der Blutbildung in Zusammenhang stehende Organe untersucht; ich fand jedoch bald, dass das Mesenterium, woran nach den Angaben Ranvier’s nicht zu zweifeln war, bei weitem das geeignetste Objekt ist, die uns hier be- schäftigende Frage zu lösen. Desshalb habe ich von dem Standpunkt aus, dass prinzipielle Vorgänge im Mesenchyın aller Organe dieselben sein müssen, und da eine Kontrole der Befunde am günstigsten Objekt an weniger geeigneten zwecklos ist, zur Lösung der gestellten Frage nur die oben angegebenen benützt. 542 Dr. Arnold Spuler: Nachdem in Nelkenöl aufgehellt war, wurden die Därme, die bis dahin die Membranen ausgebreitet erhielten, entfernt und die sorgfältig ausgebreiteten Stückchen des Mesenterium in Canada- balsam eingeschlossen. Die Abbildungen sind ausser Fig. 11, 12 und 13 mit homogener Immersion gezeichnet, letztere mit schwächeren Systemen. Bei wohlgelungenen, auf die zuletzt an- gegebene Weise gefärbten Präparaten sind die Kerne in ver- schiedenen Abstufungen blau und blauviolett, die rothen Blut- körperchen orangegelb, die weissen braunviolett tingirt. Das Plasma der Zellen ist bei den Kapillaren mehr blauviolett, bei den bindegewebigen Bestandtheilen röthlich, bei den Iymphoiden und jugendlichen (mesenchymatischen) Zellen rothviolett gefärbt. Beim neugeborenen Kaninchen gelang es mir, auf diese Weise Differenzirungen innerhalb vieler rother Blutkörperchen darzustellen. Im Innern der orangegelb gefärbten Blntkörperehen zeigt sich nämlich eine dunkler bis heller rosarothe Partie. Diffe- renzirungen innerhalb der Körperchen sind in neuester Zeit von Auerbach!) für Batrachier, von Bergonzini?) für die Wir- belthiere überhaupt beschrieben worden. Unter den Blutkörper- chen des neugeborenen Kaninchens finden sich auffallend viele, die nicht von kreisrunder Gestalt sind. Bei solchen sieht man, dass der Kontour des rothen Theiles nicht durch den des Blut- körperchens bedingt ist; der centrale Theil bleibt rund (Fig. 5a), ausser wenn das Körperchen durch Druck stark deformirt wird (Fig. 2). Man sieht hieraus, dass wir es mit einem selbststän- digen Gebilde innerhalb der Blutzelle zu thun haben. Wie schon angedeutet wurde, hat die centrale Partie bald mehr, bald weni- ger Farbstoff gebunden. Derartige Beobachtungen sind meines Wissens noch nirgends mitgetheilt worden. Ich halte die Formen, bei welchen der centrale Körper sich stärker färbt (Fig. 1u.5,a), für die Jüngeren, die, bei welchen er wenig tingirt ist (Fig. 1 u. 2,b), für die älteren. Den centralen Theil halte ich für den Rest des Kernes, da ich mir nicht denken kann, was sonst für eine Bil- 1) L. Auerbach: Ueber die Blutkörperchen der Batrachier. Anat. Anzeiger 1890. Nr. 20. 2) C. Bergonzini: Contributo allo studio della struttura e delle alterazioni dei globulirossi del sangue. Estr. d. rassegna d. scze med. Anno 5, Modena 18%. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 543 dung von dem beschriebenen Verhalten im Inneren rother Blut- körperchen liegen könnte. Der Kern tritt also aus diesen nicht aus, wie dies seiner Zeit von Rindfleisch!) zuerst und noch bis in die neueste Zeit von Anderen nach Beobachtungen an Zupfpräparaten behauptet worden ist, — und Zupfpräparate kön- nen, nach meinem Dafürhalten, bei dieser Frage niemals als ein- wurfsfreies Beweismaterial gelten. Dass es keine Kunstprodukte waren, die ich gesehen habe, beweist mir eine Beobachtung Hayem’s?. An Blutpräparaten von einem durch vielfache Ader- lässe stark anämisch gemachten Hunde fand er vielfach verun- staltete rothe Blutkörperchen, aus denen ein seinen Haematoblasten ähnliches Gebilde ausgetreten war: Es waren dies offenbar rothe Blutkörperchen, deren Kern noch nicht ganz geschwunden war, und wegen der vorausgegangenen starken Aderlässe waren viele Junge Körperchen im Blut des untersuchten Thieres. Ebenso sind im Blut neugeborener Thiere naturgemäss viele Blutkörperchen, deren Kern noch nicht ganz verschwunden ist. Mag man nun aber die gefärbte centrale Partie als letzten Rest des Kermes auf- fassen oder trotz der hier mitgetheilten Beobachtungen an der Lehre vom Austritt des Kernes, so unwahrscheinlich diese schon a priori ist, festhalten, jedenfalls wird man zugeben müssen, dass zwischen diesen centralen Theilen und dem Kerne ursächliche Beziehungen bestehen, wenn man den analogen Bau der kern- haltigen rothen Blutkörperchen bedenkt. Also rothe Blut- körperchen, welche die eben besprochene Diffe- renzirung zeigen, müssen Kerne besessen haben und können nicht als intracelluläre Abscheidungs- produkte in loco entstanden sein. Die Gebilde, durch welche die Autoren veranlasst wurden, die „intracelluläre Entstehung der rothen Blutkörperehen* zu be- haupten, habe ich in meinen Präparaten aufgefunden. Ich kann die Angaben Ranvier's in allen Punkten bestätigen, ausser in einem: Rothe Blutkörperchen, oder Theile von solchen habe ich niemals in Zellen beobachten können, bei denen nicht ein 1) Rindfleich: Archiv f. mikrosk. Anatomie. 17. Bd. 1880. 2) G. Hayem: Du sang et de ses alterations organiques. Paris 1889. pag. 588. 544 Dr. Arnold Spuler: Zusammenhang mit Kapillaren nachzuweisen gewesen wäre, ausser wenn Alterationen des Gewebes vorlagen, von denen später aus- führlich gesprochen werden soll. Je nach dem Füllungszustand ist das Aussehen der Kapil- laren sehr verschieden. Bald finden wir nur ganz vereinzelt rothe Blutkörperchen, bald liegt Erythrocyt an Erythrocyt, wie dies an den Figuren 12 und 13 zu sehen ist. Diese stellen zwei Entwicklungsstadien der sog. Milchflecke des grossen Netzes eines 2l1tägigen Kaninchens dar. Um ein in den Lauf einer Kapillare eingeschaltetes Wundernetz, das mit Blutkörperchen, die durch Eosin roth gefärbt sind, gefüllt ist, liegen viele Zellen, die sich dureh ihr röthlich gefärbtes Plasma und die grossen Kerne scharf von den mehr blau gefärbten Kapillarzellen resp. -Kernen (ce) unter- scheiden. Es sind dies jugendliche (mesenchymatische) Zellen, die sich zum Theil zu fixen Bindegewebszellen (b), zum Theil zu Gefässzellen (v) umzuwandeln begonnen haben, zum grössten Theil Jedoch als lymphatische Elemente zu betrachten sind. Diese Flecken sind erste Anlagen von Iymphoiden Organen, sie scheinen mir aber auch zur Fettbildung in Beziehung zu stehen, doch kann ich ganz bestimmte Angaben über das spätere Schicksal der Ge- bilde nicht machen. Die Milchflecken finden sich auch zahlreich ohne Gefässe. In ihnen hauptsächlich soll nach Ranvier’s An- gaben die Bildung unabhängiger Gefässnetze aus den eellules vaso- formatives stattfinden und in diesen soll auch die sog. intracel- luläre Entstehung rother Blutkörperchen beobachtet werden. Bil- der, welche Ranvier’s Deutung zuliessen, habe ich beobachtet, aber stets gelang es mir, durch genaue Untersuchung einen Zu- sammenhang mit Gefässen nachzuweisen. Ebenso fand ich, wie oben schon erwähnt, sonst im Mesenterium bei Gefässzügen, die scheinbar noch kein Lumen besassen und vereinzelte rothe Blut- körperchen einschlossen, an nicht gezerrten Präparaten stets einen Zusammenhang mit der Blutbahn. Ich glaube daher, dass dieintracelluläre EntstehungvonPlastidennicht vorkommt. Von vorn herein spricht gegen diese Theorie, dass uns die übereinstimmenden Resultate von Phylogenie, Ontogenie und Histiologie emen anderen Bildungsmodus, die Entstehung der Erythrocyten aus kernhaltigen Vorstufen, lehren. Wie wir bei Besprechung von Hayem’s Theorie früher dargethan haben, Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 545 steht dieser Bildungsmodus zu der intracellulären Entstehung in schroffem Widerspruch. Ferner ist zu bedenken, dass diese ganz heterogene Bildungsweise von Plastiden nur bei jungen Thieren, sonst nirgends, auch nie von pathologischer Seite!), behauptet wurde. Dass während einiger Wochen des Lebens eines Individuums die Sauerstoffträger des Blutes in anderer Weise entstehen sollen, als während des ganzen übrigen Lebens vor und nach dieser Periode ist im höchsten Grade unwahrscheinlich. Wir werden darum nur, wenn Bildungen, die ausser durch die An- nahme einer intracellulären Entstehung von Plastiden absolut nicht erklärt werden können, uns hierzu zwingen, uns veranlasst sehen, diese Lehre anzunehmen. Gelingt es uns daher zu zeigen, dass die Bilder, welehe die Autoren zur Behauptung der intracellu- lären Entstehung von Plastiden veranlasst haben, auf andere Weise grossentheils erklärt werden müssen oder auch nur können, so ist die fragliche Lehre unhaltbar geworden. Dies soll in den folgenden Ausführungen versucht werden. Aus den naturgetreu nach einer Einstellung gemalten Figg. 12 und 13 geht wohl zur Genüge hervor, dass es sehr schwer ist, in den Milchflecken die Details zu verfolgen, namentlich ist es fast unmöglich, stets den Contour der einzelnen Zellen festzu- stellen. Das rothe Blutkörperchen bei y liegt in der Blutbahn, die beiden mit x bezeichneten nicht. Aber wo diese liegen, ist nicht mit absoluter Sicherheit festzustellen, doch schienen sie mir entschieden nicht in Zellen zu liegen. Wesentlich günstiger sind für unsere Zwecke die andern Stellen des Mesenteriums, wesshalb ich die anderen Abbildungen solchen entnommen habe. Die kleinen Partikelchen, von denen die Autoren berichten, welche sich den Reagentien gegenüber genau wie rothe Blutkörperchen verhalten, finden sich an blind endigenden Theilen des Kapillar- systems sehr oft, sowohl an den Wachsthumsenden, wie an an- deren Stellen. So zeigt uns Fig. 1 eine merkwürdige Plexus- bildung. Innerhalb der Kapillarschlingen sehen wir rothe Blut- körperchen mit und ohne den Kernrest, ein weisses (w) und 1) Ausser von Stricker (s. dessen Vorlesungen über allgemeine und experimentelle Pathologie, II. Abth. Wien 1878), dessen Ansichten über die endogenetische Entstehung der rothen Blutzellen ich nicht theile, wie aus dieser Arbeit ersichtlich ist. 546 Dr. Arnold Spuler: mehrere Gruppen von den fraglichen Partikelchen (tr. Haben wir diese als Haematoblasten (Hayem) oder als Trüm- mer von rothen Blutkörperchen anzusehen? Es finden sich Enden, sog. ‚„Wachsthumspitzen“, von Kapil- laren, welche intakte rothe Blutkörperchen enthalten (Fig. 2, b). Fig. 2 stammt, ebenso wie 1, 4, 5, 6 und 8, vom neugeborenen Kaninchen. Wir sehen in einzelnen Blutkörperchen deutlich den Kernrest durch die Färbung differenzirt und solche können wir daher unmöglich als in loco entstandene Gebilde ansehen, sondern sie müssen aus dem Blutstrom an die Stelle, die sie im Bilde einnehmen, gelangt sein. Gestaltveränderungen der rothen Blut- körperchen sind leicht zu konstatieren (Fig. 3, a). Das ausge- zogene Blutkörperchen zeigt einen ganz glatten Kontour, ist also, soweit wir es nach dem Bild beurtheilen können, in seiner Kon- stitution unverletzt. Dagegen hat das in Fig. 4, b abgebildete Blutkörperchen schon weitergehende Veränderungen erfahren. Es ist stark gestreckt und zeigt verschiedene Eimkerbungen. Der Kernrest (b) ist ausgequetscht. In dem Lumen der Kapillare finden wir kleine orange-gefärbte Partikelchen (tr). Sollen wir annehmen, dass diese central von dem sicher nicht an seiner jetzigen Stelle entstandenen rothen Blutkörperchen gelegenen Theilehen nieht durch den Blutstrom dorthin gelangt, sondern dort entstanden seien ?! Weitergehende Zertallserscheinungen an Erythrocyten zeigen sehr deutlich Figg. 5 und 10. Bei b der Fisg. 5 und 10 sind rothe Blutkörperchen abgebildet, welche entzwei gesprungen sind. Auf Fig. 5, e sehen wir den gequol- lenen Kernrest neben den Trümmern der Hülle. Das daneben gelegene Körperehen d zeigt ebenfalls Veränderungen, welche durch Quellung des Kernrestes hervorgerufen scheinen. Mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, zeigt Körperchen e der Fig. 10 die Zerbröckelung. Das Körperchen hat Einrisse und rechts sind zwei Stückchen ausgebrochen ; die ausgebrochenen Theilchen liegen in der Spitze. Durch die eben beschriebenen jilder wird bewiesen, dassan den Enden der Kapil- laren einZerfallrother Blutkörperchen statt hat. Gewöhnlich gehen die Erythrocyten durch Zerbröckelung unter, ausnahmsweise kann aber auch eine Quellung des Kernrestes da- neben stattfinden. Letzterer Vorgang wird sich natürlich nur beim Untergang noch junger Blutkörperchen abspielen können. Der Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 547 Grund des Zerfalls darf wohl darin gesucht werden, dass die in den blinden Enden der Kapillaren befindlichen Erythrocyten von der Cireulation und dem Gaswechsel ausgeschlossen sind. Dass der Druck der gewiss aktiv beweglichen Wand dabei auch eine Rolle spielen kann, ist nicht zu bestreiten. Wenn wir in den Ge- fässenden central von rothen Blutkörperchen gelegene Gruppen von tingirten Theilchen finden, so müssen wir daher, da ein Zerfall rother Blutkörperchen nachzuweisen ist, annehmen, dass diese Trümmer von Erythrocyten seien. Dass sie in loco ent- standen seien, dies anzunehmen, liegt absolut keine Veranlassung vor. Natürlich finden sich auch Kapillarenden, welche keine er- haltenen rothen Blutkörperchen, sondern nur Trümmer einschliessen (Figg.6, Tu.8). Oft sind diese so angeordnet, dass man unschwer sagen kann, aus wieviel Erythrocyten sie entstanden sind. Bei Fig. 1 sind zwei (tr), bei Fig. 7 einer (tr) und bei Fig. 6 drei (a, b, e) zerfallen. Enden, welche so viele kleine Körnchen ent- halten, wie das in Fig. 8 abgebildete, sind selten. Veranlasst ist dieser, offenbar in kurzer Zeit erfolgte, totale Zerfall, wie mir scheinen will, dadurch, dass durch die scharfe Biegung der Kapillare und die Verdiekung ihrer Wand durch die Mitose (m) der Flüssigkeitsaustausch fast ganz behindert wurde. Dass in den paar Zellen so viele rothe Blutkörperchen entstehen könnten, wie hier entstehen müssten, wenn jedes Körnchen ein Bildungscentrum wäre, könnten wir zudem kaum annehmen. Ich denke, durch diese Ausführungen ist der Beweis dafür erbracht, dass in den cellules vaso- formatives, welche mit dem Kapillarnetz in Zu- sammenhang stehen, keine Neubildung, sondern ein Zerfallrother Blutkörperchen stattfindet. Wie sind nun aber die Angaben der Autoren zu erklären, welche das Vorkommen von cellules vaso-formatives behaup- ten, welehe nicht mit dem Kapillarsystem in Zusammen- hang stehen? Die Figg. 3, 6, 7, 9 und 10 von Niecolaides stellen offenbar Kapillarenden dar, wie wir sie im vorstehenden Abschnitte besprochen haben. Für seine Fig. 1 scheint mir dies sehr wahrscheinlich, wenn ich bedenke, dass nicht selten die Wachsthumsenden nur durch verhältnissmässig schmale Verbin- dungen mit der fertigen Kapillarwand zusammenhängen (cfr. Fig. 6 und 7). Die Figg. 4 und 11 zeigen keine rothen Partikelchen ; Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 40 36 548 Dr. Arnoldıspuler: es bleiben also noch zur Besprechung seine Figuren 2,5, 8 und 12. Gebilde von der Konfiguration der Fig. 8 habe ich nicht auf- finden können, dagegen sind Bildungen, wie sie in seinen Figg. 2,5 und 12 wiedergegeben sind, nicht selten. Bei der Mehrzahl seiner Figuren ist mit Bestimmtheit zu behaupten, dass ein Zu- sammenhang mit Kapillaren bestanden haben muss. Bei Bildungen, wie Figg. 2,5 und 12 von Niecolaides, konnte ich stets den Zu- sammenhang mit Gefässen verfolgen, wenn das Präparat nicht alterirt war. Die Bilder seiner Figuren 2 und 5 finden sich namentlich im grossen Netz und an diesem ist es fast unmöglich, Zerrungen zu vermeiden. Sowie solche Veränderungen nicht aus- zuschliesen sind, dürfen natürlich die betreffenden Stellen nicht zu der Beweisführung herangezogen werden. Da Nieolaides’ im Texte sagt!), dass die vasoformativen Zellen oft durch ihre Fortsätze mit dem Gefässsystem im Ver- bindung stünden, und von Herden spricht, die „aus vasoforma- tiven Zellen bestehen, welche durch ihre Fortsätze zu diehten Netzen zusammentreten“, und weiter von diesen Netzen angibt, dass sie „fast immer“ mit den benachbarten Kapillaren in Ver- bindung stünden, so glauben wir, dass wir in den Figuren 2, 5 und 12 Zellen aus solchen Netzen vor uns haben, also gar keine isolirten cellules vaso-formatives; denn dass Nieolaides nicht immer den Zusammenhang konstatiren konnte, könnte sehr wohl darauf beruhen, dass seine Präparate Zerrungen erfahren hatten, wenn- gleich er, oder vielleicht gerade desshalb, weil er von solchen Alterationen nicht spricht. Auf Nieolaides’ meiste Figuren wollen die Angaben der anderen Autoren nicht recht passen. Schäfer sagt von den weiter- entwickelten gefässbildenden Zellen ?): „The cell now comes to re- semble a segment of a capillary, but with pointed and elo- sed extremities; two or more such cells may become united at their ends. Der eine Typus von Ranvier's cellules vaso-formatives hat die Form „eimes länglichen Oylinders, welcher rothe Blutkörperchen enthält und mit Spitzen endet ?).“ Ausser- halb der Milehfleeke (und solehe Zellen sind es ja, wie ich am Anfange 1) 12.098 316. 2) Schäfer: 1. ce. 'pag. 262. 3) Ranvier: l. c. pag. 589 u. 590. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 549 dieses Abschnittes bemerkte, welche wir hier besprechen) liegen sie „gewöhnlich in der verlängerten Richtung eines durehgängigen Gefässes, welches mit Wachsthums- spitze endet.“ Hayem!) nennt die junge vasoformative Zelle „un eorps protoplasmique allonge, termine & chaque bout par une pointe longue et effill&de.“ Diese Angaben passen vollständig auf die Bilder, deren Beschreibung wir uns jetzt zu- wenden. Fig.9 zeigt neben deutlichen Körnchen (tr) zwei Flecken (fl), die verschwommen gefärbt und nicht scharf abgegrenzt sind, also genau Schäfer's „patches, not distinetly eireumseribed but fadding of in the surrounding protoplasm‘“ entsprechen. Ganz ähnlich der Figur 10 sind Hayem's Abbildungen zweier cellules vaso- formatives?). Die Figur 10 zeigt vier Zellkerne und eine Menge rother Blutkörperchen, die einander gegenseitig abgeplattet haben. Die an ihnen zu beobachtenden Zerfallserscheinungen haben wir weiter oben schon besprochen. Zu erwähnen ist noch das weisse Blutkörperchen (w), welches sich neben den rothen im Lumen des Gebildes findet. Auch es ist nicht intakt, ein Stück des Kernes (x) ist ausgequetscht. An seiner spezifischen Färbung ist es mit Sicherheit als Theil eines Leueoeytenkernes zu erkennen. Hayem’s Figuren zeigen keine Leueoeyten, aber viele Zerfallsprodukte von rothen Blutkörperchen. Beide Figuren 9 und 10 sind Kunst- produkte, erhalten durch Konserviren des gezerrten Mesen- teriums. In Fig. 11 bilde ich den Verlauf einer Kapillare ab, welche in einzelne spindelförmige Partieen auseinandergezogen ist. Bei e ist die Kapillare noch nicht verletzt, dann folgt das in Figur 9 vergrössert abgebildete Stück (9), dem sich das der Figur 10 (10) anschliesst, darauf folgt noch eimes. Solche Bil- dungen sah ich stets bei Zerrungen der Membran entstehen. Meist enthalten die Theilstücke keine weissen Blutkörperchen, was uns bei dem Zahlenverhältniss der Leucocyten zu den Erythrocyten nicht Wunder nehmen darf. Auf solehe Kunstprodukte beziehen sieh die An- gaben der Autoren, wie die Uebereinstimmung zwischen ihren Angaben und den künstlich erzeugten Bildern be- 1) Hayem: Gazette medical 1878. pag. 330. 2) . : Du sang et de ses alterations organiques, Paris, 1889. pap. 552. 550 Dr. Arnold Spuler: weist. Wenn man bedenkt, wie dünne Membranen die Mesen- terien junger Nager sind und wie zarte Gebilde die Wände junger Kapillaren, so wird man begreifen, dass schon ein geringer Zug zur Dehnung der Membran und damit zu Kontinuitätstrennungen der Kapillarlumina führen muss. Bei der Konservirung der Me- senterien der Darmschlingen lassen sich Zerrungen ungleich leichter vermeiden, als bei der Präparation des grossen Netzes, welches hauptsächlich Ranvier zu seinen Studien benützt hat. Bei dem Epiploon ist es fast unmöglich zu vermeiden, dass Kunstprodukte an der oder jener Stelle entstehen. Jedesmal, wenn Kapillaren gezerrt worden sind, zeigen sich Bilder, wie die in den Figuren 9, 10 und 11 wiedergegebenen; ich muss indess bemerken, dass es nieht immer so leicht ist, die Zugehörigkeit der einzelnen Partieen zu einer Kapillare festzustellen, wie dies bei Figur 11 der Fall ist. Viel leichter noch entstehen natürlicher Weise Kunst- produkte bei der Präparation des subkutanen Gewebes, welches Schäfer benützt hat. Es ist auffallend, dass keiner der Au- toren über die Entstehung der Kunstprodukte etwas berichtet ; es scheint schon darum, als ob sie diese nicht als solche erkannt hätten; durch die genaue Uebereinstimmung der Kunstprodukte mit den Beschreibungen der Autoren wird, wie oben schon aus- gesprochen wurde, dieser Verdacht bestätigt. Wir haben somit den Beweis geführt, dass die Bilder nieht nur anders gedeutet werden können, sondern müssen, als die Autoren es gethan haben. Auf Grund dieses Ergebnisses der Nachuntersuchung beantworten wir die Frage unter Erwägung der auf Seite 546 und 547 erwähnten Thatsachen folgendermaassen: Die behauptete „ıntracel- luläre Entstehung rother Blutkörperchen“ exis- tirt nieht. Hiermit sind auch die Ansichten Sedgwick Minot's!) über das Blut der Säugethiere widerlegt. Herrn Prof. R. Hertwig sage ich für die Freundlichkeit, mit der er mir die Hülfsmittel des Institutes zur Verfügung stellte, und das Interesse, das er dem Gange der Untersuchung widmete, sowie die mannigfachen Anregungen, womit er jede Anfrage be- 1) Ch. Sedgwick Minot: Zur Morphologie der Blutkörperchen. Anat. Anz. V. p. 601. Ueber die intracelluläre Entstehung rother Blutkörperchen. 551 antwortete, tiefgefühlten Dank. In aufopferndster Weise hat mir stets Herr Dr. R. Burekhardt seine Unterstützung zu Theil werden lassen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle herzlichst danke. Berlin, den 25. April 1892. 1D a fer) ne) 10. 11. 12. Erklärung der Figuren auf Tafel XXXI. Kapillarplexus vom Mesenterium eines neugeborenen Kanin- chens. a = jugendl. rothes Blutkörperchen mit Kernrest, b = älteres rothes Blutkörperchen mit Kernrest, w = weisses Blutkörperchen, tr = Trümmer rother Blutkörperchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. b = rothes Blutkörperchen; vom neugeborenen Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. a = deformirtes rothes Blut- körperchen; vom 6 Tage alten Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. b = Kernrest eines gequetschten rothen Blutkörperchens, tr = Trümmer eines rothen Blutkör- perchens; vom neugeborenen Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. a = jugendl. rothes Blutkör- ‚perchen, b = zerbrochenes rothes Blutkörperchen, e —= zer- brochenes rothes Blutkörperchen, Kernrest gequollen, d = rothes Blutkörperchen mit gequollenem Kernrest; vom neuge- borenen Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. a, b, e = Trümmergruppen je eines rothen Blutkörperchens; vom neugeborenen Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. tr — Trümmer eines rothen Blutkörperchens, w — weisse Blutkörperchen; vom 6 Tage alten Kaninchen. Kapillaren-Wachsthumsspitze. m = Mitose; vom 6 Tage alten Kaninchen. Theil einer künstlich gezerrten Kapillare. tr = Trümmer eines rothen Blutkörperchens, fl = nicht scharf abgegrenzte, ver- schwommen gefärbte rothe Blutkörperchen. Theil einer künstlich gezerrten Kapillare. b — entzwei ge- sprungene rothe Blutkörperchen, & = zersprungenes rothes Blutkörperchen, bei welchem zwei Stückchen ausgebrochen sind, w — weisses Blutkörperchen, x — ausgequetschter Theil des Kernes des weissen Blutkörperchens. Künstlich ausgezogene Kapillare, deren Partieen 9 und 10 in Figg. 9 und 10 bei stärkerer Vergrösserung abgebildet sind. Figg. 9, 10 und 11 vom 6 Tage alten Kaninchen. Junger Milchfleck aus dem grossen Netz eines 2ltägigen Kaninchens. ce — Kapillarkerne, b — bindegewebige Zellen, 552 / F. Vejdovskx: v — gefässbildende Zelle, y = in einem Gefäss gelegenes rothes Blutkörperchen, x — nicht in einem Gefäss gelegene rothe Blutkörperchen. Fig. 13. Weiter entwickelter Milchfleck aus dem grossen Netz eines 21 tägigen Kaninchens. Zur Entwicklungsgeschichte des Nephridial- Apparates von Megascolides australis. Von F. Vejdovsky, Professor an der böhmischen Universität in Prag. Hierzu Tafel XXXII. Prof. Baldun W. Spencer in Melbourne hat mir freund- lich einige in der Entwicklung fortgeschrittene Stadien von Me- gascolides australis geschickt, mit dem Ersuchen, dieselben auf die Bildung der Nephridien zu untersuchen. Diese Sendung, für welche ich dem genannten verdienstvollen Forscher auch an dieser Stelle danke, war mir um so willkommener, als ich dadurch eine bestimmtere Lösung der von mir kürzlich diseutirten Frage !) über die Herkunft des merkwürdigen Exkretionsapparates des genannten Riesenregenwurmes erhoffen konnte. Neben den erwähnten jungen Würmern enthielt die Sendung auch eine grössere Anzahl Embryonen von Cryptodrilus sp., welche leider meist zerquetscht waren und nur einige wenige Exemplare sich als zur Untersuchung geeignet erweisen. Ueber die letzteren hoffe ich später einiges mittheilen zu können. Schliesslich sind noch 2 Cocons von Megascolides erwäh- nenswerth, die sich in einer Flasche befanden und von denen ich einen abzubilden für angemessen betrachte (Fig. 1), um dadurch die von mir mitgetheilten Angaben über die Cocons der Oligo- 1) Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Heft 3. Prag 1892. Zur Entwicklungsgesch. d. Nephrid.-App. v. Megascolides australis. 553 chaeten !) zu vervollständigen. Da die Abbildung selbst die Ge- stalt, Grösse und Farbe des einen dattelförmigen Cocons besser veranschaulicht als jede ausführliche Beschreibung, so kann ich nur noch erwähnen, dass die Farbe des anderen Cocons eine bräunliche ist und dass die structurlose und stark glänzende Membran beider Cocons durch eine pergamentartige, äusserst resistente Beschaffenheit ausgezeichnet ist. Der jüngste mir zur Verfügung stehende Embryo war 36 mm lang, von der grössten Dicke einer Federspule und in der ganzen Länge deutlich segmentirt. Selbstverständlich kann bei so weit in der Entwicklung vorgeschrittenem Stadium von den ersten Anfängen des Nephridial-Apparates keine Rede sein. Auch die hintersten Körpersegmente, die ich als Flächenpräparate zur Unter- suchung vorbereitet habe, enthielten bereits sehr fortgeschrittene Nephridien, nach deren Gestalt und Anordnung ich jedoch schliessen muss, dass ihre Entwicklung von der der Lumbrieiden und von Rhynehelmis wesentlich nicht abweicht. Die nachfolgende Beschreibung betrifft die Nephridialanlagen in den hintersten Körpersegmenten des erwähnten jüngsten Stadiums. Fig. 2 stellt die seitlich der Länge nach aufgeschnittene und zu beiden Seiten zurückgelegte Körperwand bei schwacher Vergrösserung (Zeiss A) vor. Zu beiden Seiten der Bauchgang- lienkette (bg) liegen vor den Dissepimenten (ds) die in Borax- karmin sich intensiv roth färbenden Trichteranlagen mit den postseptalen Strängen (st), welche letzteren sich der Reihe nach zu Schlingen und secundären Nephridien differenziren. Nur die Rückenlinie (rl) entbehrt der Schlingen überhaupt. Was den Bauchstrang anbelangt, so besteht derselbe aus regelmässig contourirten und deutlich hervortretenden Ganglien, welche Thatsache ich besonders hervorheben muss in Anbetracht der Angabe B. Spencer's?), nach welcher der Bauchstrang des erwachsenen Megascolides keine deutlichen Ganglien enthält und der ganzen Körperlänge nach von gleicher Breite ist. Die scharf 1) l. e. Heft 1.1888. Vergl. auch F. E. Beddard, Researches into the Embryology of the Oligochaeta. I. Developm. of Acanthodrilus multiporus. Quart. mier. Journal. 1892. 2) The anatomy of Megascolides australis. Transact. roy. Soc. ot Vietoria. Melbourne 1888. 554 F. Vejdovskg: ausgeprägten Ganglien sind in unserer Abbildung sehr deutlich, noch ausgesprochener erscheinen sie aber in älteren Entwieklungs- stadien, wo sie durch ziemlieh lange Conneetive verbunden sind. Nach dieser Bemerkung wollen wir die Entstehung der se- eundären Nephridien, — die wir als Mikronephridien bezeichnen wollen, — ausführlicher besprechen. In den hintersten Segmenten verhält sich die allerfrüheste Nephridialanlage folgendermaassen (Fig. 5): Die präseptal ange- brachte Triehteranlage (tr) geht in den postseptalen Strang (st) über, welcher längs des Dissepimentes (ds) bis zur Rückenlinie verläuft und hier mit einer einfachen Schlinge (sch) endigt. Die Trichteranlage hat die Gestalt eines gewöhnlichen Nephridiostoms, indessen funktionirt sie noch nieht sowohl in diesem, als in allen von mir beobachteten Stadien, da ich weder in den Flächen- präparaten, noch an Quer- und Längssehnitten einen inneren Triehterkanal und die Wimpern beobachtet habe. Es ist eine Anhäufung von hohen Zellen, welche in den verengten, ebenfalls nicht durehbohrten postseptalen Strang übergehen. Der letztere besteht aus einreihig angeordneten eubischen Zellen, die im reger Theilung sieh befinden und nach aussen von Peritonealzellen be- deekt sind. Vermittels der letzteren flachen Elemente ist der ganze Nephridialstrang an die Längsmuskelschicht des Leibes- schlauches angebracht. Die dorsal liegende Schlinge ist eben- falls solid, ihre Zellen sind aber viel höher, säulchenartig, und man muss sie aus den weiter unten angeführten Gründen als um- gebildete Zellen des soliden Stranges auffassen. Die Entstehung dieser als aller nachfolgender Schlingen, in welche der postsep- tale Strang im Laufe der Entwickelung zerfällt, kann man m den ein wenig älteren Nephridialanlagen verfolgen. Schon in dem nächst nach vorne folgenden Segmente (Fig. 4) sieht man eine Veränderung des soliden Nephridialstranges. Neben der grossen dorsalen Schlinge (sch, findet man nämlich eine Ver- diekung (sch?), welche als die erste Anlage der Schlingenbildung zu betrachten ist. Die Zellen bilden hier ein hohes einreihiges Epithel und nach dem Vorhandensein zahlreicher karyokinetischer Figuren kann man auf eine rege Zellvermehrung urtheilen. Auf diese Weise bildet sich das nächstfolgende Schlingenstadium (sch!), welehes sich als eine bogenförmige locale Bildung des Stranges erweist. In den weiter nach vorne folgenden Segmen- Zur Entwicklungsgesch. d. Nephrid.-App. v. Megascolides australis. 555 ten begegnet man nun den weiter differenzirten und zahlreicheren Sehlingenbildungen, die theils fertig, theils in Anlage begriffen an dem postseptalen Strange hervortreten. Die dorsale Schlinge ist die älteste mächtigste, während die jüngste Anlage auf der Ventralseite unweit vom Triehter gelegen ist. Fig. 5 veranschau- lieht uns diesen Differenzirungsvorgang besser als jede auch aus- führliehste Beschreibung : zwischen der ältesten Schlinge (sch) und der jüngsten Schlingenanlage (sch) gewahrt man 5 auf ver- schiedener Stufe der Entwicklung befindliche Schlingen, die ins- gesammt das zweischenkelige Stadium durehmachen, während die älteste (sch), von der gemeinschaftlichen Anlage isolirte bereits die:Knäuelform angenommen hat. Da sie auch schon, wie wir weiter unten erkennen werden, selbständig funktionirt, stellt sie das sekundäre Nephridium — oder Mikronephridium — vor. Die Anfänge des Isolirungsvorganges dieses ältesten Mikronephridiums von dem Mutterstrange kann man schon in Fig. 4 wahrnehmen, wo die Schlinge (sch) und die Schlingenanlage (sch!) mittels eines schwachen bindegewebigen Stranges verbunden sind. Es ist dies en Theil des Mutterstranges, welcher offenbar auf die Kosten der sich bildenden Scehlingen im Wachsthum zurückge- blieben ist, sich allmählich zu einem bindegewebigen Conneetiv umbildet, um schliesslich, wie in Fig. 5, spurlos zu Grunde zu gehen. Ganz dieselben Vorgänge finden auch zwischen den übrigen Schlingen statt; der ursprüngliche epitheliale Strang degenerirt allmählich (Fig. 5. bg?, bg?, bg*), erscheint dann als ein binde- gewebiges Conneetiv und geht schliesslich spurlos zu Grunde. Zum besseren Verständniss des in Rede stehenden Vorganges habe ich in Fig. 6 den dorsalen Theil des Nephridial-Apparates eines Segmentes abgebildet. Die Mikronephridien sind theils schon ent- wickelt, theils differenziren sie sich erst aus dem Mutterstrange, theils zeigen sie noch die ursprüngliche Anlage. In den mittleren Körpersegmenten des beschriebenen Sta- diums findet man den Nephridial-Apparat in der dargestellten Anordnung ; in den vorderen Segmenten sind dagegen die Mikro- nephridien durchaus selbständig und man findet in jedem Seg- mente je eine Reihe dieser so schwierig in ihrem Verlaufe zu verfolgenden Schlingen, die in bestimmten Abständen von einander an der Längsmuskelschieht des Leibesschlauches angebracht sind. 556 F. Vejdovsky: Ich habe in Fig. 7 emen Theil soleher Mikronephridien darzu- stellen versucht, ohne jedoch die histologischen Details einzu- tragen; ich bemerke bloss, dass die selbständig gewordenen Schlingen bereits durchbohrt und dadurch funktionsfähig sind. An den mir zu Gebote stehenden Präparaten ist es aber durch- aus unmöglich, den Verlauf und die Anzahl der Kanäle anzu- geben. In den älteren Entwicklungsstadien, von denen ich zwei der Grösse eines Lumbricus terrestris auf die Entwicklung des Nephri- dial-Apparates untersuchte, fand ich die selbständigen Mikro- nephridien sowohl in den vorderen als mittleren Körpersegmenten in ungemein grosser Anzahl; hier sind sie aber nicht in einer Reihe angeordnet, sondern vertheilen sich unregelmässig und so dicht auf der ganzen inneren Fläche eines Segmentes, dass sie sich berühren und scheinbar ein einheitliches Netz vorstellen. Ge- nauere Untersuchung’ ergibt aber, dass die Mikronephridien nach wie vor selbständige Organe vorstellen und als solche mit der Aussenwelt communieiren. Auf den bisher geschilderten Flächenpräparaten gelingt es nicht, die Ausführungsgänge der Mikronephridien sicher zu stellen ; der dieke und undurehsichtige Leibesschlauch erlaubt nicht die Verfolgung der dünnwandigen Ausführungsgänge der Exkretions- organe. An Quer- und Längsschnitten gewahrt man zwar einzelne verästelte Partien der letzteren m den Muskelschiehten, da sie aber meist in schiefer- Richtung oder bogen- und wellenförmig und überhaupt unregelmässig in den Muskelschichten verlaufen, so überzeugt man sich nicht befriedigend von diesen Ausführungs- gängen. Genauer belehrt man sich in dieser Beziehung, wenn man die abgezogenen Partien der Leibesmuskulatur mit den daran haftenden Mikronephridien untersucht. Dabei werden zwar die Mikronephridien meist abgerissen, aber ihre zarten Ausführungs- gänge verbleiben auf lange Strecken im den Muskelschichten und man kann leicht ihre histologische Struetur studiren. Sie stellen keine selbständig gebildete Nephridialtheile vor, sondern sind als auswachsende Stränge der Mikronephridien aufzufassen ; sie ent- stehen zuerst als solide Fortsetzungen der ebenfalls noch soliden Schlingen (Fig. 8a), dringen in die Muskelschicht hinein, um sich mit der Hypodermis in Verbindung zu setzen. Unsere Abbildung (Fig. 8a!) zeigt sehr überzeugend, dass das Ausfuhrkanälchen Zur Bempickinnssgesch. d. Nephrid.-App. v. Megascolides australis. 557 intereellular ist, seine Wandungen bestehen aus schönem Epithel. In den mir zu Gebote stehenden Stadien habe ich die hypodermalen Ausmündungen noch nieht gefunden ; offenbar entstehen dieselben erst secundär und in älteren Stadien. Die Mikronephridien sind dadurch charakteristisch, dass sie der Nephridiostomen entbehren ; es sind knäuelförmige Organe, die mittels eines Ausführungsganges nach aussen münden. Die Längskanäle, welche Spencer an dem erwachsenen Megascolides sichergestellt hat, und welche die Mikronephridien der nachein- ander folgenden Segmente verbinden, habe ich in den von mir untersuchten Stadien nicht gefunden, obwohl ich deren Entdeckung die .grösste Aufmerksamkeit gewidmet habe. Die Längskanäle haben daher eine seeundäre Bedeutung und entstehen offenbar erst in älteren Würmern. , Zur Beantwortung der Frage, wie der Exkretionsprocess bei den trichterlosen Mikronephridien zu Stande kommt, wird man in Betracht ziehen müssen, dass hier die reichlich verästelten Gefässkapillaren ihre Hauptrolle spielen. Aus den lateralen Ge- fässtämmen entspringen beiderseits zahlreiche Seitengefässe, die sich direkt zu den Mikronephridien begeben, um sich hier theils zu Wundernetzen, theils zu femen Kapillaren zu verästeln. Die Dauerpräparate, welche ieh zu diesem Zwecke verfertigt habe, sind sehr belehrend, es ist aber ungemein schwierig, die feineren Beziehungen des Gefässsystems zu den Mikronephridien zu er- mitteln. Ehe wir auf das Schicksal der oben erwähnten Triehter- anlagen zu sprechen kommen, wollen wir die Angaben Spencer's über den Nephridialapparat des erwachsenen Megascolides mit den von uns sichergestellten Thatsachen an jüngeren Stadien in Vergleich ziehen. Nach dem genannten Forscher kommen die Nephridien in allen Segmenten — mit der Ausnahme der ersten vier — vor. Bezüglich der Anzahl, Vertheilung und Struetur sind sie in verschiedenen Körperregionen höchst veränderlich. Spencer unterscheidet 2 Arten Nephridien : 1. Eine Unzahl von kleinen Nephridien, welche so dieht nebeneinander liegen, dass man sie als einzelne Organe kaum unterscheiden kann. Jedes besteht aus zwei Bestandtheilen, einer fast geraden Röhre und einer Schlingenpartie. Am zahlreichsten sind sie entwickelt in den Gürtelsegmenten, wo mehr als 100 558 F. Vejdovsky: Nephridien in einem Segmente vorkommen und nur in der Dorsal- und Ventrallinie fehlen. Man kann an den kleinen Nephridien keine innere Mündung entdecken. 2. In der hinteren Körperregion findet man eine Reihe von grösseren Nephridien, wo sie gleichzeitig mit kleinen Nephridien vorkommen. Jedes Segment enthält nur ein paar grosse Nephri- dien, je eins zu beiden Seiten des Bauchstranges. Sie befinden sich in dem vorderen Theile der Segmenthöhle, während die kleinen Nephridien die hintere Segmentfläche einnehmen. Die grossen Nephridien ragen mit je einem Wimpertrichter in das vorstehende Segment und bestehen hinter dem Dissepimente aus einem kleinen Lappen und einer grossen Schlinge, welche letztere von einer grossen Anzahl von Kanälchen durehbohrt ist. In den vorderen Körpersegmenten fehlen die grossen Nephridien. In Folge dieser Thatsachen kommt Spencer zum Resultate, dass die Nephridien der vorderen Segmente in den einfacheren primären Entwieklungszuständen sieh befinden und dass „the Specialization in Nephridia appears to eommence at the posterior End and pass gradually forwards.“ In Anbetracht dieser wichtigen Mittheilungen über das Vor- kommen von Mikro- und Meganephridien in den hinteren Körper- segmenten muss man hervorheben, dass es mir nicht gelungen, in den mir zu Gebote stehenden Stadien die Meganephridien zu finden, dass sie daher erst sehr spät zu Stande kommen. Wenn man ferner erwägt, dass sie aus einem Wimpertrichter, einem Lappen, einer Schlinge und einem Ausführungsgange bestehen, so wird man kaum bezweifeln können, dass sie dem gewöhnlichen Nephridium der Lumbrieiden entsprechen. Andererseits glaube ich kaum zu verfehlen, wenn ich sie als homogenetische Bildungen mit den Mikronephridien auffasse. Zu Gunsten dieser Deutung kann ich nachfolgende Beobachtungen über das Schicksal der Triehteranlagen anführen. In dem erst erwähnten Entwieklungsstadium von Megasco- lides kommen die Triehteranlagen in allen Körpersegmenten vor, somit auch in den mittleren und vorderen, mit Ausnahme einiger weniger hinter dem Kopfsegmente folgenden, wo es mir nicht ge- lungen, dieselben sieher zu stellen. Hier aber existiren nur die Mikronephridien im ursprünglichen Zustande, während sie in den erwachsenen Würmern zu Speicheldrüsen verwachsen. In dem Zur Entwicklungsgesch. d. Nephrid.-App. v. Megascolides australis. 559 zweiten Entwicklungsstadium findet man ferner, dass die Triehter- anlagen in allen vorderen und den meisten mittleren Körperseg- menten fehlen, während hier nur die Mikronephridien funktioniren. Es ist desshalb sicher, dass sie sich ursprünglich in allen Körpersegmenten, auch den Kopf und die nächstfolgenden Seg- mente nicht ausgenommen, anlegen, im Laufe der weiteren Ent- wieklungsprocesse aber vornehmlich während der Differenzirung des Nephridialstranges zu Mikronephridien degeneriren. Die Degenerationsvorgänge der Trichteranlagen gelang es mir in dem hinteren Drittel des Körpers des zweiten Entwicklungs- stadiums sicher zu stellen. In den hintersten Körpersegmenten dieser grossen Würmer findet man noch die Triehteranlagen und die sich zu Mikronephridien differenzirenden postseptalen Stränge. Weiter nach vorne sind die Triehteranlagen bereits kleiner und undeutlicher, da sich ihre Zellen mit Pikro- und Boraxkarmin nicht mehr so intensiv färben, wie in den hinteren Segmenten. In solehen Stadien ist der Nephridialstrang beinahe ganz in die Mikronephridien zerfallen. In Fig. 9 reprodueire ich ein diesen Verhältnissen ent- sprechendes Stadium. Die Triehteranlage und der nächstfolgende halsartige Abschnitt des Nephridialstranges lassen nur die Zell- kerne, nicht aber die früher so deutlichen Zellgrenzen erkennen. Aus dem Nephridialstrange entstanden die Mikronephridien e, d, e, und der letzte hinter dem Trichterhalse folgende Abschnitt dif- ferenzirt sich noch zu Mikronephridien a und b. Auch in Fig. 10 sieht man die degenerirende Trichteranlage (tr), mit welcher noch ein grosses Mikronephridium (a) zusammenhängt. Fig. 11 stellt das nächstfolgende Degenerationsstadium der Trichteranlage (tr) dar, aus welcher ein solider, dicht mit Peritonealzellen besetzter und in das vorgehende Segment hineinragender Strang entstand. Mit ihm hängt noch das Mikronephridium a zusammen, welches in einigen Segmenten sogar direkt im Dissepimente steckt und mit dem letzten Ueberreste der Trichteranlage versehen ist, wie Fig. 12 veranschaulicht (tr, a). Schliesslich findet man die Trichteranlagen ganz degenerirt und der ursprüngliche Nephridialstrang ist durch eine grosse An- zahl von Mikronephridien ersetzt, wie im Fig. 13 dargestellt ist. Die letzteren sind hier bogenförmig angeordnet, so nämlich, dass das erste Mikronephridium (a) direkt hinter dem Dissepimente u 2 560 F. Vejdovsky: liegt, während die nachfolgenden allmählich zu einer geraden Reihe angeordnet werden. Wenn nun nach der Angabe Spencer’'s in den hinteren Körpersegmenten die oben beschriebenen Meganephridien funktio- niren, so muss man annehmen, dass hier die Trichteranlagen nicht degeneriren und der Anfangstheil des Nephridialstranges sich nicht zu Mikronephridien umbildet. Im Gegentheil wird man mit Recht voraussetzen müssen, dass sich die Trichteranlage weiter entwickelt, dass sie hohl und mit Wimpern ausgestattet wird und in dieser Gestalt den echten Nephridiostom vorstellt ; der nächstfolgende postseptale Rest des Nephridialstranges bildet sich dagegen zu einer grossen Schlinge mit dem Lappen um, welche beide daher in dem vorderen Theile der Segmenthöhle liegen, während die früher zu Stande gekommenen Mikronephri- dien die mittlere oder hintere Segmentzone einnehmen. Hiernach darf man die Mikronephridien nieht als primäre, die Meganephridien dagegen als specialisirte Exkretionsorgane auffassen, indem sie aus einem gemeinschaftlichen Nephridialstrange hervorgehen. Die nächste Frage ist nun allerdings die, welche morpho- logische Bedeutung der erwähnte Nephridialstrang hat und auf welche Bildungen er bei den Lumbrieiden und den Annulaten überhaupt zurückzuführen ist ? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir von dem ein- fachsten von uns beobachteten Stadium des Nephridialstranges ausgehen, wo wir der Trichteranlage, dem soliden postseptalen Strange und der dorsalen Schlinge begegnet sind (Fig. 3). Wenn man erwägt, dass dieses Nephridialstadium in den weit in der Entwicklung vorgeschrittenen jungen Würmern zum Vor- schein kommt, so ist gewiss die Voraussetzung berechtigt, dass es in noch jüngeren Stadien weit einfacher ist und wenigstens der dorsalen Schlinge entbehrt. Dann würde uns ein einfacher solider Strang mit einer Trichteranlage vorliegen, welcher dem ursprüngliehsten Exkretionsapparate entspricht und welchen ich mit dem bei Rhynchelmis so charakteristischen Pronephridium iden- tifieire. Die noch einfachere Triehteranlage würde dann dem Pro- nephridiostom entsprechen. Sonst verweise ich auf die näheren Charaktere des Pronephridiums auf meine Darstellung in den „Entwickl. Untersuchungen“ (Heft III). Die theoretischen An- Zur Entwicklungsgesch. d. Nephrid.-App. v. Megascolides australis. 561 sehauungen, welche ich hier über den Ursprung des Nephridial- apparates der Annulaten ausgesprochen habe, werden durch die vorliegenden Beobachtungen an Megascolides befriedigend unterstützt. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5 Fig. 6 Pie 7. Erklärung der Figuren auf Tafel XXX. Cocon von Megascolides australis in nat. Grösse. Körperwand eines 36 mm langen Embryo von Megascolides, seitlich aufgeschnitten und zu beiden Seiten zurückgelegt. (Vergröss. Zeiss A.) bg, Bauchstrang, ds, Dissepimente, rb, Dorsallinie, tr, Trichteranlage, bb, Bauchborsten-Anlage, rb, Rückenborsten-Anlage, st, Nephridialstrang, sch, dorsale Schlinge, s, in Bildung begriffene Mikronephridien. Jüngste, von mir beobachtete Nephridialanlage. (Diese, sowie alle nachfolgenden Abbildungen sind bei vergröss. Zeiss E, Oe. II reproducirt.) tr, Trichteranlage, ds, Dissepiment, st, Nephridialstrang, sch, dorsale Schlinge, pt, Peritonalzelle. Weiteres Stadium mit den sich anlegenden Schlingen sch!, sch?. Die übrige Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 3. Aelteres Stadium des Nephridialapparates. sch, selbständig gewordenes Mikronephridium, sch '—sch $, in Bildung begriffene Mikronephridien, bg!—bg*, bindegewebige Connective zwischen den Mikro- Nephridial-Anlagen, bb, Bauchborsten, sb, Seitenborsten. Die dorsale Hälfte eines in Bildung fortgeschrittenen Nephri- dial-Apparates. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 5. Selbständig funktionirende Mikronephridien aus einem der vorderen Körpersegmente. 562 F. Vejdovsky: Zur Entwicklungsgeschichte ete. Fig. 8. Mikronephridien von 2 nacheinander folgenden Segmenten. a, solide Anlage des Ausführungsganges eines ebenfalls noch nicht durchbohrten Mikronephridiums. al, kanälchenartige Ausführungsgänge der funktionirenden Mikronephridien. Fig. 9—13 veranschaulicht die allmähliche Degeneration der Trichter- Anlagen in den mittleren Körpersegmenten eines, wie Lumb. terrestris grossen Megascolides. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. LIY. u Archür K.mikroskop. Anatomie. Ba.X RN N N er In N ? 0 WDR, MH AMT I PR 27 Pill W/ LERR N) \ DAN | /\ kop. Anatomie Bda.xXAXX. ° Archiv Pr mikros; - a. h [ we: u ui sa) A aa -% N . | - % » > a ” “ a 2 7A mreskap. Anatomie. Ed XiX. 1 w. Lw ve Ei Lk Iw ‚+ B.Vrchow gez. „ Aa = An un 2 Pu 1 Ri; f X" N B 4 f #4 1 Su BT > a ee ie u a vom Rath del Lih. Anst. w Werner Winter, Frankfurt”: Ka . 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Taf: XXVH. 2 KleinerAnsführungsgang der Glandula sublinqualis 8. Vas deferens. und Ductus Wirsungiarms \ j 6. Vereinigter Ductus Choledochus > o P we > o > Ber» > '—- es" 5.Ductus Whartonianns. 7. Vas deferens au Zi a 4 z ZELL. . Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXX. v. Linstow ge2. Taf: XXVII. Jith.Anst.uWerner &Minter, Frankfurt ®M. gı de / RN en TRSIET EZ 2 wu “ > = Bu u: ur 5 u K.mikroskop. Anatomie Ba XXXX. v Linstow gez Lak Anstwiener 8 Hinter Frankfurt 4 “ W 24 °r + k eu Er TE ET Ä EI . Kae Taf XXX. | Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.XXXX. * _ 5 [2 “ern nnnnmmnanmnn “ment ne MEN TI LRARRLNE IRA AIR 4 | I DIR) ’ j u l Wi N Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.. Dar Ansı w Warner aBleter Frankfurt? Vi ER TE I EWR NER) Are 03 PID a . Pr * ur ” Bine, “ .. u u ’ 5 s # B D \ . " Li . 5 ! Pr “ | 3 na . - Ü = . x Bo h* . Br, ’ y - [2 j 5 Des . > Do & R k =“. ' a - a “ 4 Le pa ” vo‘ WE > ” » . . S r P Ei 4 . “ . 2 _ u y + : | r h . u .. . 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